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Biochemische Zeitschrift.
Beiträge
zur chemischen Physiologie und Pathologie.
Herausgegeben von
E.Buchner-Würzburg, F.Hofmeister-StraBburgi.Els.,C.,v.Noorden-
Frankfurt a. M., E. Salkowski - Berlin, F. Tangl - Budapest,
A. von Wassermann- Berlin, N. Zuntz- Berlin
unter Mitwirkung von
M. Aseoll-Catania, L. Asher-Bern, A Bang-Lund, G. Bertrand-Paris, A, Bickel-Berlin, F, Biumen-
thal-Berlin, A, Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhe i. B., A, Durig-Wien,
F. Ehrileh-Breslau, H. v. Euler-Stockholm, 8, Flexner-New York, J. Forssman-Lund, 8, Fränkel-
Wien, E. Freund-Wien, E. Friedberger - Greifswald, E. Friedmann - Berlin, ©, v. Fürth -Wien,
G. Galeotti-Neapel, F. Haber- Berlin-Dahlem, H. J. Hamburger-Groningen, A. Heflier-Berlin,
Y. Henri-Paris, V. Henriques-Kopenhagen, W. Heubner-Göttingen, R. Höber-Kiel, M. Jacoby-
Berlin, R. Kobert-Rostock, M. Kumagawa-Tokio, F. Landelf-Buenos Aires, L, Langstein-
Berlin, P, A. Levene-New York, L. v. Liebermann-Budapest, 3, Loeb-New York, A. Loewy-
Berlin, A. Magnus-Levy-Berlin, J. A. Mandel-New York, L. Marchlewski-Krakau, P. Mayer-
Karlsbad, J. Melsenhelmer- Berlin, L. Michaelis-Berlin, H. Mollsch-Wien, J. Mergenroth-Berlin,
E. Múnzer-Prag,W. Nernst- Berlin, W. Ostwald-Leipzig, W. Palladin-St. Petersburg, W. Pauli-Wien,
R. Pieifler-Breslau, E. P. Plek-Wien, J. Pohl-Breslau, Ch. Poreher-Lyon, F. Roehmann-Breslau,
P. Rona-Berlin, 8. Salaskin-St. Petersburg, N, Sleber-St. Petersburg, M. Slegtried-Lelpzig,
8. P. L. Sórensen-Kopenhagen, K. Spiro-StraBburg, E. H. Starling-London, J. Stoklasa-Prag,
W. Straub-Freiburg 1. B., A, Btutzer-Königsberg i. Pr., H. v. Tappelner-Múnchen, H. Thoms-
Berlin, A, J. J. Vandeveldo-Gent, ©. Warburg-Berlin, W. Wiechowski-Prag, A. Wohl-Danzig,
3. Wohlgemuth-Berlin.
: — Redigiert von
C. Neuberg-Berlin.
Achtundsiebzigster Band.
Berlin.
Verlag von Julius Springer.
1917. _
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Druck von Oscar Brindstetter in Leipzig.
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Inhaltsverzeichnis.
Seite
Lockemana, Geerg. Vergleichende Untersuchungen über die Arsen-
ausscheidung durch den menschlichen Harn nach Injektion ver-
schiedener Arsenikalien. (Atoxyl, Arsacetin, Arsenophenylglycin,
Salvarsan, Neosalvarsan) . eau eu o Í
Schweizer, Karl. Zur Kenntnis der Desaminierung . . . .. . . 87
Sachs, H. und K. Altmann. Die „Hydrolabilität“ des Komplements
und ihre Ursachen . . 2 2 2 2 222 ee e 46
Müller, Johannes und Hans Murschhauser. Die Verwertung der Fett-
sáureáthylester . ..e e 0 0 ee er ie ee rennen. 63
Loewy, A. und R. Wolflensteia, Über die adstringierende Wirkung
von Aluminiumsalzen, insbesondere der ameisensauren Tonerde . 97
Hasselbalch, K. A. Die Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes
aus der freien und gebundenen Kohlensäure desselben, und die
Sauerstoffbindung des Blutes als Funktion der Wasserstoffzahl . 112
Biberteld, Johannes. Nachtrag . e .. ...<. 0... ...... 144
Lakon, Georg. Der Eiweißgehalt panachierter Blätter geprüft mittels
des makroskopischen Verfahrens von Molisch . . .. e.. e. +. 145
Bürger, Max. Ein Beitrag zur Chemie der Tuberkelbacillenfette . . 155
Heariques, V. und E. Christiansen. Untersuchungen über die Am-
moniakmenge im Blute . . .................. . 165
Folpmers, T. Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen . . . . 180
Abelia, J. Über die w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsin-
BAUDO a e A as a as EOL
Deraby, K. G. Notiz betreffend die protec ticos Enzyme der
Drosera rotundifolia . . . .. .. +... ooo e.o oo. 197
Pohl, Julius. Über den Purinstoffwechsel nach Giften . . . . . . 200
Lenk, Emil. Quantitative Bestimmung der Acetonkórper im Harn . 224
Zuntz, N. Bemerkungen zu der von Gad-Andresen beschriebenen
„neuen“ Methode zur Bestimmung von Kohlenoxyd im Blute . 231
IV
Neuberg, Cari. Hornalbumose als teilweiser Ersatz von Fleischeiweiß
beim Hunde . .......... Sra 2a š T
Neuberg, Carl und Eduard Färber. Über den Verlauf der alkoholischen
Gärung bei alkalischer Reaktion. I. Zellfreie Gärung in alkali-
schen Lösungen . ...... .. . rer rennen
Neuberg, Carl und Eduard Färber. Über das Vorkommen emulsin-
artiger von den Hefezellen abtrennbarer Fermente in den unter-
gärigen Hefen sowie das Fehlen von Myrosin in Berliner Ober-
und Unterhefen . . .......... Eau
Yıppö, Arve. Über Magenatmung beim Menschen . e x... ..
Fáirber, E. Zur Frage der Oxydationswirkungen von Hefen. . . .
Resch, Alfred. Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fi-
brinogen. id ww 2 Sowas A we ee A
Boas, Friedrich. Stärkebildung bei Schimmelpilzen . . . .
Hári, Paul. Beiträge zum Stoff- und Energieumsatz der Vögel
Hersfeld, E. und R. Klinger. Weitere Untersuchungen zur Chemie
der Eiweißkörper o o o 0 o 0 o o Li o o e oe... 8 . eo. O5 ọọ o e
Weevers, Th. Die physiologische Bedeutung des Kaliums in der
LN EE EE ee as an
Deutschland, A. Untersuchungen über die Verdaulichkeit der N ähr.-
eier 2 A we u ei A ae an
v. Kaufmann, Wilhelm. Notiz über die reduzierenden Eigenschaften
der Starke: äre a rend E EE e ar Ah ae
Autorenverzeiohnis ......ooo.ooo.o. re
Seite
233
. 238
264
273
294
. 297
. . 308
. 313
849
. 354
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. 371
375
Vergleichende Untersuchungen über die Arsenausschei-
dung durch den menschlichen Harn nach Injektion ver-
schiedener Arsenikalien.
(Atoxyl, Arsacetin, Arsenophenylglycin, Salvarsan, Neosalvarsan).
Von
Georg Lockemann (z. Z. im Felde).
(Aus der chemischen Abteilung des Königl. Instituts für Infektions-
krankheiten „Robert Kooh“ in Berlin.)
(Eingegangen am 9. September 1916.)
Mit 1 Figur im Text.
Vor mehreren Jahren habe ich über Versuche berichtet?),
die ich gemeinsam mit M. Paucke über den Nachweis und
den Gang der Ausscheidung des Atoxyls im Harn ausführte.
Die damals begonnenen Untersuchungen habe ich dann weiter
fortgesetzt, als von P. Ehrlich die übrigen von ihm und
seinen Mitarbeitern im Anschluß an die Konstitutionsaufklärung
des Atoxyls?) neu gewonnenen organischen Arsenverbindungen
in die medizinische Praxis eingeführt wurden und sich mir
Gelegenheit bot, Untersuchungsmaterial zu erhalten. Herr Prof.
Dr. Wechselmann, leitender Arzt der dermatologischen Ab-
teilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses, war so freundlich,
mir eine größere Anzahl Harnproben von Patienten zur Ver-
fügung zu stellen, die mit Arsacetin, Salvarsan und Neo-
salvarsan behandelt waren. Durch Herrn Prof. Dr. Schilling,
Leiter der Tropenabteilung im Institut „Robert Koch“, erhielt
ich außerdem die Harnproben einiger mit Arsenophenyl-
glycin behandelten Patienten. Beiden Herren spreche ich für
die freundliche Überlassung des Materials meinen verbindlich-
sten Dank aus.
Die zum Teil recht eege nomina wurden
1) Deutsche med. Wochenschr. 34, 1460, 1908.
2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 3292, 1907.
Biochemische Zeitschrift Band 78. ]
2 G. Lockemann:
in den Jahren 1908 bis 1912 von mir in Gemeinschaft mit
meinen Assistenten durchgeführt, den Herren Dr. Herold,
Dr. Naumann, Dr. Winkler?) und Dr. Lucius, denen ich
auch an dieser Stelle für ihre eifrige Mitarbeit bestens danken
möchte. Über einen Teil der Ergebnisse habe ich bereits auf
der fünften Tagung der freien Vereinigung für Mikrobiologie
in Dresden am 9. Juni 1911 kurz berichte? Die ausführ-
liche Veröffentlichung hat sich leider durch Verkettung ver-
schiedener hindernder Umstände bis jetzt hinausgeschoben.
Der besseren Übersicht halber werde ich die früheren Ver-
suchsergebnisse über die Atoxylausscheidung in Kürze wieder
anführen und dann über die Arsenausscheidung nach Injektion
von Arsacetin, Arsenophenylglycin, Salvarsan und Neosalvarsan
ausführlicher berichten.
I. Atoxyl.
Der in der früheren Arbeit?) behandelte Fall betraf einen
durch Laboratoriumsinfektion von Schlafkrankheit befallenen
Mann, dem 9mal in bestimmten Pausen je 0,5 g Atoxyl in
20°/ iger Lösung subcutan injiziert wurden. Die Arsenaus-
scheidung nach einer einmaligen Injektion konnte nur 24 Std.
lang beobachtet werden, da dann die zweite Injektion erfolgte.
Das Atoxyl ließ sich im Harn als Arsanilsäure
H.N .C¿H, - AsO(OH), ,
deren Mononatriumsalz es ist, nachweisen, indem diese durch
Diazotieren und Kuppeln an f-Naphthylamin in eine charakte-
ristische, schwer lósliche, rote Azoverbindung übergeführt wurde.
Nach den Ergebnissen von Vorversuchen wurden dann aus den
Gewichten der getrockneten Azoniederschläge die Atoxylmengen
annähernd berechnet. In der Tabelle I sind die in den ersten
12 Stunden nach der Injektion gefundenen Werte zusammengestellt.
t) Herr Dr. Hans Winkler aus Dresden hatte sich bei Ausbruch
des Krieges als Freiwilliger gestellt; er hat erst im Westen, dann im Osten
begeistert mitgekämpft, ist zum Leutnant befördert und hat nach der
Einnahme von Kowno in den Kämpfen vor Wilna am 25. August 1915
sein junges Leben lassen müssen, Ich bewahre dem begabten, sehr ar-
beitsfreudigen Jüngling in kameradschaftlicher Gesinnung ein dankbar
ehrendes Andenken.
2) Centralbl. f. Bakt. 1. Abtlg. 50, 1911. Referate S. 114.
3) Deutsche med. Wochenschr. 34, 1460, 1908.
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 3
Tabelle L
Atoxylausscheidung nach subcutaner Injektion
von 0,5 g Atoxyl (23,3%, As).
Mann S—t.
Injektion (9. XI. 1907, 105 vorm.) 0,5 g Atoxyl.
Atoxylgehalt
"e
der
injizierten
Menge
Nr.
ca. 0,28
246 » 0,07
a 0,09
ca. 0,44 | ca. 88
1 bis 3] Die ersten 12 Std.
Von dem eingespritzten Atoxyl wurde also schon in den
ersten 3 Stunden über die Hälfte ausgeschieden; innerhalb der
ersten 12 Stunden hatten bereits 88%/, Atoxyl den Körper
durch den Harn unverändert wieder verlassen.
Bei wiederholter Injektion zeigte sich dann, daß ein
gewisser Teil des Atoxyls im Körper zersetzt wurde, indem
wahrscheinlich die Arsanilsäure durch hydrolytische Spaltung
in Anilin und freie Arsensäure zerlegt:
H,N.C,H, -AsO(OH), + H,O = H,N . C,H, + As0(0H), ,
bzw. das Anilin durch Oxydation in Amidophenol:
H,N.C,H,-OH
verwandelt wurde.
Mit zunehmender Zahl der Injektionen verzögerte sich die
Ausscheidung zeitweilig ganz erheblich. Nach der letzten (9.)
Injektion wurden 25 Tage später noch Spuren von Arsen im
Harn gefunden; am 49. Tage erwies sich eine Harnprobe arsenfrei.
Später (2 und 4 Monate nach der letzten Injektion) war
dann Arsen im Kopfhaar nachweisbar.
In der sonst außerordentlich umfangreichen Atoxyl-
Literatur findet man nur wenig Angaben über den quantita-
tiven Verlauf der Ausscheidung beim Menschen. E. Welander?)
gibt an, daß im Urin der ersten 24 Stunden 55 bis 63°/, des
injizierten Arsens ausgeschieden wurden; bei richtiger Berech-
nung (unter Berücksichtigung des wirklichen Arsengehalts des
Atoxyls = 23°,/) ergibt sich aber der höhere Betrag von 69,3
1) Arch. f. Dermatol. u. Syphilis 84, 1, 1908.
1%
4 G. Lockemann:
bis 79,6°/,. J. Igersheimer und A. Rothmann?) fanden,
daß von dem eingespritzten Atoxyl 50 bis 90°/, unverändert
durch den Harn ausgeschieden wurden. Ph. Fischer und
J. Hoppe?) konnten innerhalb der ersten beiden Tage nach
Injektion von 0,3 bzw. 0,5 g Atoxyl 56,2 bzw. 97,3 mg As im
Harn nachweisen; das sind 80 bzw. 81°/,. Am dritten Tage fan-
den sich nur noch Spuren, am vierten war der Harn arsenfrei.
Im Kot war im ersten Falle überhaupt kein Arsen, im zweiten
innerhalb der ersten 4 Tage im ganzen 5°/, Arsen nachzuweisen.
II. Arsacetin.
A. Analyse des Präparates.
Arsacetin ist nach P. Ehrlich und A. Bertheim?) acety-
liertes Atoxyl, d. h. p-acetyl-amido-phenyl-arsinsaures
Natrium oder acetylarsanilsaures Natrium:
CH,CO.NH.C,H, - As0(OH)ONa.
Aus Wasser krystallisiert das Salz mit 5 Mol H,O, beim
Ausfällen mit Alkohol dagegen mit 4 H,O.
Bei der Analyse ergab sich folgendes:
1. Wasserbestimmung (durch Trocknen bei 110°):
a) 1,9850 g gaben einen Verlust von 0,4140 g = 20,86°/, H,O,
b) 3,7220g n» n n » 0,7860 g= 21,12° »
Mittelwert: = 20,99°/, H,O.
Berechnet für Arsacetin mit 4 Mol H,O = 20,409%/, H,O,
2. Arsenbestimmung der wasserfreien Präparate:
a) 0,4638 g gaben 0,2582 g MgAs,O, = 0,1247 g As = 26,88 |, As,
b)0,5200g » 0,2925 g n = 0,1412 g n =27,16%/* »
Mittelwert — 27,020], As.
Berechnet für wasserfreies Arsacetin = 26,68%/, As.
Durch Berechnung auf die ursprünglichen wasserhaltigen
Präparate ergibt sich folgendes:
a) wasserfrei 26,88%/, As entspricht
wasserhaltig . . . . . .(20,86%, H,O) = 21,27°/, As,
b) wasserfrei 27,16°/, As entspricht
wasserhaltig . . . . . . (21,12°/, H,O) =21,420/, As,
Mittelwerte: 20,99°/, H,O u. 21,35°/, As.
Berechnet für Arsacetin
mit 4 Mol H,O: 20,40°/, H,O u. 21,24°/, As.
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 59, 256, 1909.
23) Münch. med. Wochenschr. 56, 1459, 1909.
3) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 3297, 1907.
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 5
Als Durchschnittswert für den Arsengehalt der verwendeten
Präparate soll 21,3%/, As angenommen werden.
Wenn das Arsacetin-Molekül beim Durchgange durch den
Organismus zerlegt wird, so könnte das einerseits in der Weise
geschehen, daß der Acetylrest aus der Amidogruppe hydro-
lytisch abgespalten würde (wie das für Acetanilid beim Tier-
versuche nachgewiesen ist); dann würde sich neben Essigsäure
freies Atoxyl bilden:
CH,CO.NH.C,H, - As0O(OH)ONa + H,O
= CHCOOH + H,N . C,H, - As0O(OH)ONa.
Andererseits kónnte die Arsengruppe aus dem Benzolkern
austreten, so daß Acetanilid entstünde, oder auch durch weitere
Spaltung Essigsäure und Anilin, bzw. durch Oxydation p-Amido-
phenol. Derartige Spaltungs- und Oxydationsvorgänge im ein-
zelnen zu verfolgen würde natürlich zu weit geführt haben.
Aber einen gewissen Einblick in die beim Durchgang durch
den Organismus sich abspielenden Umsetzungen ließ sich ver-
hältnismäßig leicht gewinnen, wenn man auf freie Amidogruppen
prúfte. Das geschah am einfachsten wie beim Atoxyl durch
Diazotierung und Kupplung an f-Naphthylamin. Wäre zum
Teil auch die Arsengruppe abgespalten, so würde sich der
aromatische Rest mit dem Atoxyl zusammen als Azoverbindung
ausscheiden, und lediglich der Arsengehalt des Azonieder-
schlags könnte darüber Auskunft geben, wieviel Atoxyl darin
enthalten wäre. Etwaiges unverändertes Arsacetin sowie das
aus der Molekülgruppe abgespaltene Arsen müßte dann in der
vom Azoniederschlage getrennten Flüssigkeit enthalten und
durch Arsenbestimmung darin zu ermitteln sein. Somit ergab
sich folgendes.
B. Untersuchungsverfahren für Arsacetin-Harn.
Die einzelnen Harnproben mit Salzsäure (auf 100 ccm
Harn 1 ccm konz. Salzsäure) angesäuert und bei Eiskühlung
allmählich unter Umrühren mit einer ®/ „Natriumnitrit-
Lösung (6,9 g NaNO, in 11, frisch gelöst) versetzt, bis ein
Tropfen der Mischung auch nach etwa 10 Minuten Jodkalium-
Stärkepapier noch bläut (Diazotierung beendet). Alsdann von
einer ?/,„.ß-Naphthylamin-Lösung (14,3 g $-Naphthylamin
unter Zusatz von 110 ccm 1n-Salzsäure auf 11 gelöst) dieselbe
6 G. Lockemann:
Anzahl Kubikzentimeter hinzugefügt, wie von der Natriumnitrit-
Lósung verbraucht war, und auBerdem von einer 2 n-Natrium-
acetat-Lösung (272 g krystallisiertes Na-Acetat i. Liter) eine die
verwendete Menge konz. Salzsäure um das 5- bis 6 fache über-
treffende Menge. Nach gehórigem Umrühren mehrere Stunden
stehen lassen; den abgeschiedenen Azoniederschlag auf einem
gewogenen Filter sammeln, auswaschen, trocknen und wägen.
Zur Ermittlung des (im allgemeinen geringen) Arsen-
gehalts wird der Azoniederschlag .mit verdünnter reiner Salz-
säure, Wasser und Sodalösung ausgelaugt. Die saure Lösung
wird geradewegs im Marshschen Apparat geprüft, die Sodalösung
nach dem weiter unten angegebenen Salpeterschmelzverfahren
behandelt; das Arsen durch Eisenhydroxyd gefällt, ebenfalls im
Marshschen Apparat abgeschieden und durch Vergleich mit
Normalspiegeln bestimmt.
Die Filtrate von den Azoniederschlägen wurden
verschieden behandelt:
a) Diejenigen Proben, bei denen ein größerer Arsen-
gehalt zu vermuten war (die ersten nach der Injektion) wurden
von neuem mit Salzsäure (auf 100 cem 1 bis 1,5 ccm konz.
HCl) versetzt und zum Zerstören der organischen Substanz in
einem Kolben mit Steigrohr auf dem Wasserbade mit Kalium-
chlorat in der üblichen Weise behandelt. Nach Zusatz von
etwas schwefliger Säure in der Wärme Schwefelwasserstoff ein-
geleitet, bis nach Abfiltrieren auf erneutes Einleiten nichts mehr
ausfiel. Dieser Sulfidniederschlag enthielt außer Arsen auch etwas
organische Substanz und Phosphor; deshalb mit Ammoniak vom
Filter gelöst, eingedampft, der Rückstand mit Salpeter-Schwefel-
säure-Gemisch wiederholt behandelt, bis die anfangs dunkle Masse
sich aufhellte. Aus dem mit Wasser aufgenommenen Rückstande
nach Zusatz von etwas schwefliger Säure und Salzsäure das Arsen
als gelbes Sulfür gefällt, in der üblichen Weise zu Magnesium-
salz verarbeitet und zur Wägung gebracht.
b) Die Filtrate, in denen wenig Arsen zu erwarten war,
wurden nach dem von mir früher angegebenen Salpeterver-
fahren verarbeitet, um die mit Schwefelwasserstoff nicht mehr
oder kaum noch ausfällbaren Arsenmengen durch Adsorption
mit Eisenhydroxyd abzuscheiden.
Die Lösungen nach Zusatz von etwa 3°], festem, gereinig-
As-Aussoheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 1
tem Natriumkaliumnitrat eingedampft, mit Salpeter-Schwefel-
säure(9:1)-Gemisch auf dem Wasserbade behandelt und schlieB-
lich mit etwas Salpeter im Platin- oder Porzellantiegel geschmol-
zen. Aus der in der Hitze (zur Vertreibung der Kohlensäure
und Stickoxyde) mit verdünnter Schwefelsäure schwach ange-
säuerten und mit Ammoniak neutralisierten Schmelzlösung das
Arsen unter Eiskühlung durch wiederholten Zusatz von äqui-
valenten Mengen Eisenalaunlösung und Ammoniak mit dem
Eisenhydroxyd abgeschieden, wie ich das früher!) näher be-
schrieben habe.
Die ausgewaschenen Eisenniederschläge, in verdünnter
Schwefelsäure gelöst, wurden im Marshschen Apparat auf
ihren Arsengehalt geprüft und dieser durch Vergleich mit Normal-
spiegeln oder bei größeren Mengen (mehrere Zehntel Milligramm)
durch Wägung des herausgeschnittenen Röhrchenstückes, ge-
lindes Glühen und Wiederwägen quantitativ bestimmt. Die Emp-
findlichkeit des Arsennachweises mit dem von mir angegebenen
Apparat beträgt 0,0001 mg oder 0,1 mmg (Milliogramm). Es ist
ratsam, zunächst mit kleinen Mengen der Eisenlösung Vorproben
zu machen. Selbstverständlich darf nur mit sorgfältig von Arsen
befreiten Chemikalien gearbeitet werden. Zur Kontrolle wurden
außerdem noch blinde Versuche mit gleichen Chemikalienmengen
ausgeführt.
C. Untersuchte Arsacetin-Fälle.
In der beschriebenen Weise wurden die einzelnen Harn-
proben mehrerer mit Arsacetin durch subcutane Injektion be-
handelter Patienten untersucht. Die Ergebnisse sind, nach
Männern und Frauen geordnet, in den Tabellen II bis IX zu-
sammengestellt.
a) Männer (Tabelle II bis IV).
In Tabelle II und III ist die Arsenausscheidung bei zwei
Männern mit je einer subcutanen Injektion von 0,4 g Ars-
acetin, in Tabelle IV die bei einem Mann mit zwei subcutanen
Injektionen von 0,4 und 0,5 g Arsacetin aufgeführt. Bei Fall II
und IV sind leider einige Proben verloren gegangen, bei Fall III
aber sämtliche Proben der ersten 4 Tage durchuntersucht.
1, Diese Zeitschr. 85, 478, 1911.
8 G. Lockemann:
Tabelle II und III.
Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion
von Arsacetin bei Männern.
II. Mann W—f. III. Mann S-—r.
So Arsenausscheidung Šo Arsenausscheidung
Zeit der Ausscheidung E e oll £
p SEI E
= Cf
9 ccm| mg
Injektion subcutan
(17. III. 1909, 11*/,* vorm.)
0,4 g Arsacetin (=85 mg As).
Injektion subcutan (17. III. 1909, 11'/,® vorm.)
0,4 g Arsacetin (= 85 mg SC
1 |Erste 8Std. (Tag) 92510,030 | 1110/0,100| 19,30) 19,40/22,8
2 |Zweite 12 » (Nacht). . |1200/0,003 ? | 1650|0.060| 724| 730| 8,6
2]Erste 205td. .. . .. REINER | 2T50/0,180/26,54 26,70 [81,4
3 [Dritte 12Std. (Tag) . . | soolo, 005! 4 A 750/0,020'81,40 131,42 37,0
4 |Vierte 12 » (Nacht). .|1000|0.002 0 500 SEA 6800.015; 2,18 (2,145 | 25
Zu 4| Zweite 24Std. ..... -11900[0,097 ? 1430/0,035/33,53 |33,565/39,5
5 [Fünfte 12Std. (Tag) .. alen 0,030 0,031 0,04 900|0,010| 0,39 | 0,40 | 0,47
6 |Sechste 12 » (Nacht) . . | 920]0,000'0,130/0,13010,15 || 8: o|o,005| 0,15 | 0,155| 0,18
3 u. 6] Dritte 24Std. . . ... -1262010,001 0,160 0.161 0,19 1750/0,015| 0,54 | 0,555] 0,65
7 |Siebente 12 Std. (Tag). . [1ozolo.000'0,002.0,0020,002| 91010,1000] 0,12 | 0,120! 0,14
8 |Achte 12 » (Nacht) . .| 860|0,000 0,000 0.000 0.000 950[0.003| 0,002 0,005| 0,006
Tu. 8| Vierte 24Std. ..... [1880]0,000]0,00210,002;0,002111860[0,003| 0,122; 0,125] 0,15.
l bis8| Die ersten 4 < 24 Std. . .[8525[0,041| ? | ? | ?
Tabelle IV.
Arsenausscheidung nach zweimaliger subcutaner Injektion
von Arsacetin bei Mann A—n.
7800/0,213¡60,732:60,945,71,70
Arsenausscheidung
im
Filtrat
As
mg
1 Erste 12 Std. (Tag) 0,162 0,02
2 Zweite 12 » (Nacht). 0,248 0,06
1 u. 2| Erste 24Std. ...... 0,410 | 0,08
2. Injektion (27. X. 1908, 10*/,? vorm.) 0,5 g on suboutan (= 106, 5 Mg As).
3 | Erste 12 Std. (Tag) ...f 540 0,25 30,72 | 30,97
Zweite 12 » (Nacht). 830 0,03 |
3u.4| Erste E ee
12 Std. (Tag) . . .
Vierte 12 na (Nacht). . .
Zweite 24 Std. . 2.2...
Fünfte 12 Std. (Tag) ... ? ?
Sechste 12 »n (Nacht). . . 0,182 0,006
A > 0,182 |> 0,006
34,90 Wm 92
10,61 10,67
0315 |
0,784 0,025
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 9
Aus den Tabellen geht ganz allgemein hervor, daß der
Arsengehalt der Azoniederschläge sehr gering (meist nur einige
Hundertstel oder Tausendstel Milligramm) und die Hauptmenge
Arsen im Filtrat enthalten ist. Aus dem Arsacetin ist also beim
Durchgange durch den Organismus (durch hydrolytische Ab-
spaltung der Acetylgruppe) nur ein sehr geringer Bruchteil
freies Atoxyl entstanden. Da aber, wie Tabelle IV zeigt, die
Gewichte der Azoniederschläge ziemlich erheblich sind, so läßt
sich daraus schließen, daß nicht nur die Acetylgruppe, sondern
auch die Arsengruppe aus der aromatischen Verbindung ab-
gespalten ist. Jedoch lassen sich über die Mengenverhältnisse
dieser hydrolytischen Spaltungen keine Angaben machen, da
auch andere Bestandteile des Harns mit in den Azoniederschlag
übergegangen sein können oder vielmehr wahrscheinlich über-
gegangen sind. Mit anderen Worten, es läßt sich nicht sagen,
wieviel von dem Arsen in den Filtraten der Azoniederschläge
als unverändertes Arsacetin und wieviel als abgespaltenes freies
Arsen (Arsensäure) anzusehen ist.
Die Arsenausscheidungen sind während der Tageszeit
ganz allgemein bedeutend größer als während der Nachtzeit.
Im Fall III war in den ersten 20 Stunden 31,4°/,, in den zweiten
24 Stunden 39,5°/,, in den ersten 2>< 24 Stunden zusammen
also 70,9%/, Arsacetin wieder ausgeschieden. Vom 3. Tage an
wird die Ausscheidung bedeutend geringer, so daß sie nach
den ersten 4 Tagen in ihrer Gesamtmenge nur bis auf 71,7°/,
gestiegen ist.
Beim Fall IV sind in den ersten 24 Stunden bereits 53,7°/,
Arsacetin ausgeschieden; nach der dann folgenden zweiten
Injektion sind die Ausscheidungen geringer (ähnlich wie beim
Atoxyl) und werden am 3. Tage auch bereits sehr klein.
b) Frauen (Tabellen V bis IX).
Bei den Frauen zeigt sich ein ganz ähnliches Bild: Nach
einmaliger Injektion (Fall V bis VII) sind die Ausscheidungen in
den ersten beiden Tagen ziemlich erheblich (Fall VI: 33,3 ds
Fall VII: 51,0°/,) und werden vom 3. Tage an sehr gering. Bei
wiederholten Injektionen (Fall VIII und IX) ist die Ausscheidung
am Tage nach der zweiten Injektion erheblich geringer, nur
etwa */, bis */, von der am Tage nach der ersten Injektion.
10 G. Lockemann:
Tabellen V und VI
Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion
von Arsacetin bei Frauen.
V. Frau G—s.
Arsenausscheidung
Zeit der :
Ausscheidung
Harnmenge
Injektion subcutan
(26. III. 1909, 7% abends) 0,4 g Arsacetin (=85 mg As).
1 [Erste 12 Std. (1. Nacht)| 580 ? ? H ?
2 } Zweite 12 Std. (1. Tag) | 510! 0,030) ? ? ?
1 u. 2| Erste 24 Stunden . . 11090:> 0,030] ? | ? ?
3 | Dritte 12Std. (2.Nacht)| 550; 0,002! ? ? ?
4 |Vierte 12 Std. (2. Tag) |1200! 0,001| ? H ?
. 117501 0,003| ? A
1bis4] Die ersten 2 < 24 Std. 2840/> 0,033] ? ? ?
5 | Fünfte 12Std. (3. Nacht)| 410; 0,000 [0,060/0,060| 0,07
6 |Sechste 12 Std. (3. Tag)}1200| 0,000 /0,320/0,320| 0,38
5 u. 6| Dritte 24 Stunden . . [1610] 0,000 /0,380 0,380' 0,45
Siebente12Std.(4.Nacht)| 560| 0,000 |0,000/0,000| 0,00
Tabelle VII.
VI. Frau Et.
Arsenausscheidung
CH
GI 3
22325 55:
EZ2 “Els >=
DD" O
ccm| mg | mg mg i
Injektion subcutan
(26. III. 1909, 7% abends) 0,4 g
Arsacetin (= 85 mg As).
52011,500j 22,61 | 24,110! 28,4
1050/0,075| 1,06 | 1,135, 1,3
1570'1,575 23,67 | 25,245] 29,7
62010,075| 2,90 | 2,975| 3,5
1200,0,030| 0,085| 0,115| 0,14
1820/0,105] 2,985| 3,090] 3,64
3390 1,680 26,655: 28,339, 33,34
1120 0.015| 0,230 0,245 0,29
1320 0,012| 0,002. 0,014| 0,02
2440,0,027] 0,282] 0,259) 0,31
1250'0,001| 0,001| 0,002, 0,002
7080'1,708¡ 26,888; 28,596| 33,65
arnmenge
Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion
von Arsacetin bei Frau R.
A Arsenausscheidung
g im Azo- E
] E E S 3 g | 2%
Nr. Zeit der Ausscheidung E "EZE SS
d | Ge | darin < Si e
ccm| g mg | mg | mg: Y
u Injektion (27. X. 1908 10» vorm.) 0,4 g Arsacetin subcutan
(=85 mg As).
1 |Erste 12 Sta. (1. Tag) . . .| 660|1,473| 0,20 '29,50/29,70134,9
2 . |Zweite 12 Std. (2. Nacht) . . | 390| 0,677| 0,35 111,10/11,45,13,5
u Erste 24 Stunden CHE 0,55 ¡40,60'41,15/48,4
3 | Dritte 12 Std. (2. Tag). . . . | 400] 1,037] 0,60 | 0.60. 1,20 141
Vierte 12 Std. (2. Nacht). . . | 280|0,462| 0,05 | 0.95| 1,00 1,17
3 u.4| Zweite 24 Stunden . . ...
1bis4 | Die ersten 2 > 24 Stunden . . [1730| —
5 Fünfte 12 Std. (3. Tag) . . . | 620/ 0,216
6 Sechste 12 Std. (3. Nacht) . . | 440] 0,106]
5 u. 6| Dritte 24 Stunden 1060] 0,322]
l bis6 | Die ersten 3 Tage und Nächte [2790| — |
0,65
1,20
11,551 2,20] 2,58
42,15/43,35/50,98
0.30 | 0,03| 0,33' 0,39
0.02 | 0,01! 0,03; 0,04
0,32 | 0,04] 0,36] 0,43
1,52 42,19143,91:51,41
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 11
Tabellen VIII und IX.
Arsenausscheidung nach zweimaliger suboutaner Injektion
von Arsacetin bei Frauen.
VIII. Frau G—s. IX. Frau K—n.
Arsenausscheidung
Zeit der
Ausscheidung
Harnmenge
1. Injektion
(20. III. 1909 126 mittags) 0,3 ¢
Arsacetin (= 64 mg As).
920| 1,500 |28,00| 29,500| 46,1
1. Injektion
(20. IIT. 1909 12? mittags) 0,3 g Arsacetin (= 64 mg As).
1 |Erste 24 Stunden . . [1800| 0,035 24,33! 24,365| 88,1
2. Injektion
2. Injektion :
, 21. III. 1909 12® mittags) 0,3 g
(21. III. 1909 12è mittags) 0,3 g Arsacetin (=64 mg As). Arsacetin (=64 mg As).
2 |Erste 24 Stunden . . [1610] 0,015 |10,33| 10,345] 16,2 |1980] 0,000 | 9,85| 9,850] 15,4
Auch hier zeigt sich eine gewisse Periodizität in der
Ausscheidung, indem allemal die ungeraden Halbtage (12 Stun-
den), also die ersten, dritten, fünften bedeutend größere Arsen-
ausscheidung aufweisen als die geraden (zweiten, vierten, sechsten).
Erfolgt die Injektion am Abend (Fall V und VI), so fallen die
ungeraden ausscheidungsreichen Abschnitte in die Nachtzeit,
erfolgt sie am Morgen (Fall VII), so fallen sie in die Tageszeit,
wie sich letzteres ja auch bei den Männern (Fall II bis IV)
zeigte.
Ein Unterschied in den Ausscheidungsverhältnissen der
Frauen gegenüber denen der Männer zeigt sich jedoch in den
Mengen der einzelnen Azoniederschläge und des darin enthalte-
nen Arsens. Diese sind bei den Frauen durchweg größer, be-
sonders in den ersten Proben nach der Injektion (für die Ge-
wichte der Azoniederschläge vergl. Tabellen IV und VII). Das
bedeutet, daß bei den Frauen ein größerer Bruchteil des in-
jizierten Arsacetins abgebaut wird als bei den Männern; teils
zu freiem Atoxyl durch Acetylabspaltung, teils noch weiter durch
Arsenabspaltung.
In der Zusammenstellung Z 1 sind die besprochenen wich-
tigsten Ergebnisse für Arsacetin aufgeführt.
12 G. Lockemann:
Z 1.
Zusammenstellung für die Arsenausscheidung beim Arsacetin.
Nach einmaliger suboutaner Injektion
Mann | Frauen
ms | VI Et | VII. R.
—
0,4 g (85 mg As) 0,4 g (85 mg As) 0,4 g (85 mg As)
ur
Injektion:
12 Std. ..] 23 T. 34,9
12 Std. . $ GE N. 13,5 Laus
12 Std. ..] ¿3 T. 141
12 Std...) ES N. 117 f 2%8
N
Erste 2% 24 Std.. 70,9 33,34 50,98
12Std...) 8383| T. 047 er N. 0,29 A T. 0,39
12std. .. f EZ] N oj” T. 002 $ 0 N. 0,04 j 0%
Erste 3 < 24 Std.. 71,55 33,65 51,41
12 Std. ..} 238 | T. 014 N. 0,002
12 Std. . d 2% | N ges 05 mn" } > 0,002 u
Erste 4 >< 24 Std.. 71,7 | > 33,65 =
Nach zweimaliger subcutaner Injektion
EN SE
Mann Frauen
1. Injektion
Erste 24 Std... | ar = 38,1 = | 46,1 | =
058g |1. und 2. | 088 |1.und2| 088 |1. und 2
2. Injektion (107 mg As):(192 mg As) (64 mg As) ¡(128 mg As); (64 mg As) (128 mg As)
0! 0 DI 0 0 0
EA Io lo 10 lo lo lo
Zweite 24 Std. > 29,1 > 16,2 | 16,2
Dritte 24 Std. 4,6 2,57 =
D
Erste 2x 24 Std.
nach 2. Injektion }
Vierte 24 Std.
Erste 3 x 24 Std.
nach 2. Injektion
) > 34,1 > 1908 | Se |
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 13
D. Untersuchungen anderer über Arsacetinausscheidung.
Als ich diese Untersuchungen ausführte, lagen in der
Literatur noch keine Angaben über den quantitativen Verlauf
der Arsenausscheidung nach Injektion von Arsacetin vor. In-
zwischen sind solche von Ph. Fischer und J. Hoppe!) (Ucht-
springe) veröffentlicht. Sie fanden in 2 Fällen nach einmaliger
Injektion von 0,5 g Arsacetin am 1. Tage 68 mg As = 62°|,
und 59 mg As = 549/,, am 2. Tage 10 mg As = 9%/, und
16 mg As == 14°/,, d. h. Gesamtausscheidung in den ersten
beiden Tagen 71 und 68%/,. Diese Zahlen sind den von mir
bei Männern (Tabellen II bis IV) gefundenen sehr ähnlich. Die
Verfasser untersuchten auch Kotproben und fanden, daß (wie
auch beim Atoxyl) nur ganz geringe Mengen des Arsacetins durch
den Kot ausgeschieden wurden; nach Injektion von 0,5 g im
ganzen 11 mg As = 7,9°|,.
UL Arsenophenylglyein.
A. Analyse des Präparates.
Das Arsenophenylglycin ist das Di-Natriumsalz der p-p’-
Diamino-arsenobenzol-di-essigsáure:
Na0,C-CH, : NH. C,H, As: As: C,H, : NH - CH, -CO, Na.
Von dem für die Injektionen benutzten Präparate wurden
folgende Arsenbestimmungen gemacht:
a) 0,1069 g gaben 0,0562 g Mg, As,O, = 0,0271 g As = 25,38°/, As
b) 0,1930g gaben 0,1036 g Mg, As,O, = 0,0500 g As= 25,91%/, As
Mittelwert: 25,65°/, As.
Für das wasserfreie Arsenophenylglycin obiger Formel be-
rechnet sich ein Gehalt von 30,35%/, As. Bei Annahme meh-
rerer Mole Krystallwasser ergäbe sich:
für 4 H,O: 26,499/, As, für 5 H,O: 25,67°/, As,
für 6 H,O: 24,90°/, As.
Der gefundene Arsengehalt (25,65°/,) entspricht also einem
Arsenophenylglycin, das mit 5 Mol H,O krystallisiert ist.
B. Untersuchungsverfahren,
Bei den zur Untersuchung kommenden Harnproben wurde
auf die Prüfung etwaiger Spaltungsprodukte des Arsenophenyl-
glycins verzichtet und nur der Gesamt-Arsengehalt bestimmt.
1) Münoh. med. Wochenschr. 1909, 1459.
14 G. Lockemann:
Zu diesem Zwecke wurden die aus den ersten Tagen nach der
Injektion stammenden Harnmengen mit Salzsäure und Kalium-
chlorat auf dem Wasserbade behandelt, das Arsen mit Schwefel-
wasserstoff gefällt und schließlich als Magnesiumpyroarseniat
zur Wägung gebracht. Die späteren Proben, in denen nur noch
geringe Arsenmengen zu vermuten waren, wurden nach dem
oben erwähnten Salpeterschmelzverfahren behandelt, das Arsen
durch Adsorption mit Eisenhydroxyd abgeschieden und im
Marshschen Apparate bestimmt,
C. Untersuchte Arsenophenylglycin-Fälle.
Die Harnproben stammen von einer Missionarsfamilie S—r
(Mann, Frau und Kind), die sich in Deutsch-Ostafrika mit
Schlafkrankheit infiziert hatte. Der Mann wurde an zwei auf-
einanderfolgenden Tagen mit je 1,0 g Arsenophenylglycin be-
handelt, die Frau einmal mit 1,0 g und das Kind einmal mit
0,5 g. Die Injektionen wurden intramuskulär in die Glutäen
gemacht. Die Ergebnisse sind in den Tabellen X bis XII auf-
geführt.
Tabelle X.
Arsenausscheidung nach zweimaliger intramuskulärer
Injektion von Arsenophenylglycin (25,7%, As) bei Mann S—r.
Arsengehalt
Nr. Zeit der Ausscheidung KSE EE
mg der injiz.
Menge
1. Injektion (30. IX. 1909 2* nachm.) 1,0 g (= 257 mg As).
1 | Erste 20 Std. (30. IX.—1. X.) . . .| 605 | 0,18 | 0,07
2. Injektion (1. X. 1909 11® vorm.) 1,0 g (= 257 mg As).
(Sa. der injiz. As-Menge 1, und 2. = 514 mg As) BA
2 Zweite 24 Std. (1.—2.X)...... 1060 11,65 2,27
3 Dritte 24 n»n (2—3X)..... 905 5,04 0,98
Die ersten 3 Tage und Náchte . . 16,87 3,28
4 Vierte 24 Std. (34. X).... . 12,04 2,34
5 Fünfte 24 a (4—5.X).... . 5,10 0,99
Die ersten 5 Tage und Nächte . .
6 16. Nacht (15.—16.X.). . . 2... 740 0,60 0,12
7 17. Tag (16 e et Aer pl ee g 760 0,46 0,09
8 24. Tag (23:28) i 0 2. 0 2:8 4% 630 0,18 0,04
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 15
Tabelle XI.
Arsenausscheidung nach einmaliger intramuskulárer
Injektion von Arsenophenylglycin (25,7°/, As) bei Frau S—r.
Arsengehalt
Nr. Zeit der Ausscheidung
| gie
mg der injiz.
i Menge
Injektion (1. X. 1909 11è vorm.) 1,0 g (= 257 mg As).
1 Erste y 10 Std. (1.X) ..... 675 4,35 1,69
2 24 Std. t 14 » (1.—2.X) ... 1030 14,84 8,77
3 Zweite 24 Std. (2.—3.X.). . ...» 1050 10,33 4,02
4 Dritte 24 » (3-—4.X.)..... 1020 5,62 2,19
l bis 4] Die ersten 3 Tage und Nächte . .| 3775 35,14 | 13,67
5 Vierte 24 Std. (4.—5.X.) .... 650 5,50 2,14
6 Fünfte 24 » (5—6.X) .... 520 7,40 2,88
l bis 6 | Die ersten 5 Tage und Nächte , . 4945 48,04 | 18,69
7 Sechste 24 Std. (6.—7.X.). . . . 765 8,02 3,12
8 Siebente 24 e (7.—8.X)... . 530 2,05 0,80
1 bis 8 | Die ersten 7 Tage und Nächte . .| 6240 58,11 | 22,61
9 | 15. Nacht (15.—16.X)....... 565 0,75 0,29
10 | 16. Tag (16.X.) ........ e A 560 0,33 0,13
11 | 22. Nacht (22.—23.X.). .... è 880 0,10 0,04
12 161. Tag (30. XI). ........ 95 0,03 0,01
Tabelle XI.
Arsenausscheidung nach einmaliger intramuskulärer
Injektion von Arsenophenylglycin (25,7°/, As) bei Kind S—r.
Arsengehalt
Die
mg der injiz.
Menge
Erste 4 Std. (1.—2. X). .. ..
Zweite 4 » (2—3. X)...
Dritte 24 n (3.—4. X.) e o © o o
Die ersten 3 Tage und Nächte . .
Vierte 24 Std. (4.—5. X.) ....
Fünfte 24 . (5.—6. X.)
0,70 0,54
2,12
0,74
Die ersten 5 Tage und Nächte . . 10,16 7,91
Sechste 24 Std. (6.—7.X.). . . . 1,67 1,30
Siebente 24 n (7.—8.X)..... 2,35 1,23
Die ersten 7 Tage und Nächte . .| 7210 | 14,18 | 11,04
Im allgemeinen zeigt sich, daß die Arsenausscheidung beim
Arsenophenylglycin viel geringer ist als beim Atoxyl und Ars-
acetin, aber sie verläuft auch bei den 3 untersuchten Fällen
16 G. Lockemann:
recht verschieden: Der Mann scheidet am wenigsten, die Frau
am meisten aus; beim Kinde stehen die Werte in der Mitte,
wenn man nicht die absoluten Arsenmengen berücksichtigt,
sondern die im Verhältnis zu den injizierten Mengen berechneten
Prozente. Das wird noch deutlicher durch die Zusammen-
stellung Z 2, in der nur die Prozentzahlen angegeben sind.
Z 2.
Zusammenstellung für die Arsenausscheidung beim
Arsenophenylglyein.
X. Mann XII. Kind XI. Frau
1,0 g (257 mg As) 9,5 g (129 mg As)|1,0 g (257 mg As)
"e | ` lo
Erste 24 Std. . . 0,07 0,54 7,46
1,0 g (257 mg As)
1. Injektion
2. Injektion Įl. u. 2. — 514 mg As
oo
Zweite 24 Std. . 2,27 0,46 | 4,02
Dritte 24 n : 0,98 4,05 2,19
Erste 3 > 24 Std. 3,28
Vierte 24 Std. . 2,34 2,12 2,14
Fünfte 24 » 3 0,99
|
Erste 5 x 24 Std. 6,61 7,91 18,69
Sechste 24 Std. . — 1,30 3,12
Siebente 24 n . — 1,83 0,80
Erste 7 x< 24 Std. | — | 11,4 | 2261
Vermutlich steht die besonders geringe Arsenausscheidung
beim Manne damit in Zusammenhang (entsprechend den früher
beim Atoxyl gemachten Erfahrungen), daß ihm zwei Injektionen
gemacht wurden, während Frau und Kind nur je eine erhielten.
D. Untersuchungen anderer über Arsenophenylglycin-
ausscheidung.
Von Ph. Fischer und J. Hoppe!) sind auch quantitative
Untersuchungen über die Arsenausscheidung nach Arsenophenyl-
glycin-Injektionen gemacht. Berechnet man die von ihnen an-
gegebenen Zahlen des ausgeschiedenen Arsens auf Prozente der
e'ngespritzten Mengen, so ergibt sich, daß bei Fall 1 bis 3
1) Münch. med. Wochenschr. 56, 1459, 1909.
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 17
durchschnittlich in den 3 ersten Tagen 41,4°/,, in den 5 ersten
Tagen 56,5%/, Arsen ausgeschieden wurde; bei Fall 4 und 5
sind die Beträge sogar 47,7 und 68,3%/,. Diese Zahlen über-
treffen die von mir gefundenen um das Vielfache (siehe Z 2).
Worauf diese außerordentliche Verschiedenheit der Versuchs-
ergebnisse zurückzuführen ist, vermag ich nicht anzugeben.
Bei Wiederholung der Injektionen zeigt sich jedoch auch
in den Fällen von Fischer und Hoppe eine gewisse Verzögerung
der Arsenausscheidung, und zwar um so stärker, je schneller
die Injektionen aufeinanderfolgen.
Im Kot fanden die genannten Forscher vom 2. Tage an
regelmäßig Arsen; die letzten Spuren am 10., 12., 15. Tage.
In dem an den ersten 4 Tagen gesammelten Kot wurden von
ihnen nach Injektion von 0,3 g Arsenophenylglycin einmal
12 mg (= 14,3°!,) As und einmal 44 mg (= 52,49/,) As gefunden,
nach Injektionen von 1,0 g einmal 110 mg (= 39,3°/,) As.
Auch diese Zahlen erscheinen ungewöhnlich hoch.
IVa. Salvarsan.
A, Analyse des Priiparates.
Seiner chemischen Zusammensetzung nach ist das Salvar-
san!) zu bezeichnen als Di-p-oxy-di-m-amino-arsenobenzol-
dichlorhydrat von der Formel:
HCI, H,N(HO)C,H,As: AsC,H,(OH)NH, , HCl.
Von mehreren Präparaten wurden Chlor- und Arsenbe-
stimmungen gemacht mit folgenden Ergebnissen (mit rauchdr.
HNO, und AgNO, im Bombenrohr 3 Std. auf 250 bis 270° erhitzt):
a) 0,1704g gaben 0,1109g AgCI=16,100/, Cl; 0,1048 g Mg,As,0, =29,690/, As
b) 0,1232g 0,0727g n =14,60%, n ;0,0754g nn —=29,55%
3
ai 0.1641g » 009408 n =14,17%, n ;0,1023g » =30,10% n»
d)0,1906g n» 0.1084g n =14,06%, n;0,1202g n» =3045%, n
e) 0,1936g » 0,1076g n =13,38%, » ;0,1306g » =Ñ31,70%on
Mittel: 14,46%), Cl 30,309/, As
Berechnet fúr Salvarsan
mit 2 Mol H,O . . . 14,93%/,Cl 31,56%, As
Die Zusammensetzung der einzelnen, teils aus der ersten
Zeit der Salvarsandarstellung stammenden Präparate (a bis c
Juni 1910, d und e November 1910) schwankt ziemlich. Als
abgerundeten Durchschnittswert habe ich 30%/, As angenommen.
1) P. Ehrlich und A. Bertheim, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 45
756, 1912.
e Biochemische Zeitschrift Band 78. 9
18 G. Lockemann:
Später sind von anderer Seite noch einige Analysenzahlen
veröffentlicht. G. O. Gaebel!) fand beim Zerstörungsverfahren
nach Kjeldahl 31,6°/, As, beim Zerstóren mit KCIO, und HC]
und Abdestillieren des As im HCI-Strom bei Gegenwart von
FeCl, nur 29°/, As.
F.Lehmann”) zerstörte die organische Substanz mit KMnO,
und H,SO, und titrierte das As nach Reduktion zu arseniger
Säure mit Jod und Thiosulfat; dabei fand er 31,3 bis 31,59°/, As.
B. Untersuchungsverfahren.
Da sich gleich bei den ersten Harnproben herausstellte,
daß nur sehr wenig Arsen darin enthalten war, so wurde auf
eine Untersuchung etwaiger Spaltungsprodukte des Salvarsans
verzichtet und lediglich die Bestimmung des Gesamtarsengehalts
durchgeführt. Dieses geschah nach dem mehrfach erwähnten
Salpeterschmelzverfahren mit darauffolgender Adsorption des
Arsens durch Eisenhydroxyd und Bestimmung im Marshschen
Apparat.
C. Untersuchte Salvarsan-Fälle.
Die Injektionen wurden durchweg an syphilitischen
Patienten gemacht und zwar in drei verschiedenen Weisen:
1. mit der durch einfaches Auflösen des Salvarsans in Wasser
hergestellten sauer reagierenden Lösung intramuskulär;
2. mit der durch Zusatz der äquivalenten Menge Alkali
zu der wäßrigen Lösung erhaltenen neutralen Suspension
subcutan;
3. mit der durch weiteren Alkalizusatz erhaltenen schwach
alkalischen Salvarsanlösung intravenös.
Die Untersuchungsergebnisse sind unter diesen Gesichts-
punkten nach Männern und Frauen geordnet in folgenden
Tabellen XIII bis XXXIV zusammengestellt.
a) Männer (Tabellen XIII bis XXV).
Die intramuskulären Injektionen mit saurer Salvarsan-
lösung sind in Tabellen XIII bis XVIH, die subcutanen mit
neutraler Suspension in Tabellen XIX u. XX, die einmaligen
intravenösen Injektionen mit schwach alkalischer Salvarsan-
1) Arch. d. Pharmazie 249, 49, 1911; Apotheker-Ztg. 26, 215, 1911.
3) Apotheker-Ztg. 27, 545, 1912.
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 19
Tabellen XII bis XVII.
Arsenausscheidung nach einmaliger intramuskulärer Injektion
von saurer Salvarsanlösung bei Männern. (Salvarsan = 30°/, As.)
Arsengehalt
Nr. Zeit der Ausscheidung %, der
injizierte
Menge
mg
XIII. Mann D—g.
Injektion (13. IV. 10, 11* vm.) 0,25 g Salvarsan (=75 mg As).
— | 1. Tag u. 1. Nacht (13.—14. IV.) . . |verloren ? ?
1 |2. Tag u. 2. Nacht (14.—15. Iv} 920 | 0,450 | 0,60
2 |3. Tag (15. IV) ......... 730 | 0,100 | 0,13
8 | 3. Nacht (15.—16. IV.) ...... 440 | 0,100 | 0,13
4 | 4. Tag (16.IV) ....... Ss 0,180 | 0,17
5 | 4. Nacht (16.—17. IV.) ...... 0,350 | 0,47
6 5. NA ae 0,250 | 0,33
7 | 5 Nocht 17.-18.IV) ..... 0,200 | 0,27
8 16. Tag (18.IV) ......... 0,520 | 0,70
9 | 6. Nacht (18.—19. IV) ns 0,250 | 0,33
10 | 7. Tag (19.IV). . 2.22 222.0. 0,110 | 0,15
11 | 7. Nacht (19.—20. IV.). 2.2.2... 0,085 | 0,11
1bis11|Dieersten 7Tageu. Nächte(außerden1.)| 7155 | 2,545 | 3,39
12 | 8. Tag (20.IV) ......... 930 | 004 | ous
13 | 8 Nacht @0.-21.IV). 2. . . .. 770 | 0,110 | 0,15
14 | 9 Tag (Q1IV) ......... 1020 | 0,070 | 0,09
15 | 9. Nacht (21.—22.IV.). ...... 360 | 0,090 | 0,12
16 112. Tag (24.14) ......... 410 | 0,030 | 0,04
17 112. Nacht (24.—25.IV.). ...... 750 | 0,060 | 0,08
18 |15. Tag u. 15. Nacht (27.—28.1V,) . . | 1050 | 0,060 | 0,08
19 |20. Tag u. 20. Nacht (2.—3. V.) . . . | 1310 | 0,012 | 0,02
XIV. Mann N—k.
Injektion (30. DN 10, 11* vm.) 0,3 g Salvarsan (= 90 mg As).
1. Tag (30. Mi di ias e 530 | 021 | 0,23
. oe .Qe.. O95 .2.o..*. ò% . >
e ve o o o Ọ% eo
e . ew we D es œ
4. Tag pi. 740 | 0,10 | ou
8 | 4. Nacht SAV)...... .. | 800 | 0,08 | 0,09
9 bo Nacht (9.—10.V.) +... . . . . | 200 | 0,05 | 4,06
XV. Mann E—b.
Injektion (3. V. 10, 10* kan 0,4 g Salvarsan (= 120 mg As).
1 f ETEBV) osa EE 260 | 415 | 3,46
2 | 1. Nacht (3.4. V.) ........ 470 | 1183 | 1,58
3 | 5 Tag (TV) .......... 400 | 159 | 1,33
4 | 5. Nacht (7.-8.V.) 2.22.22... 430 | 188 | 1,57
dh
20 G. Lookemann:
Tabellen XIII bis XVIII (Fortsetzung).
Arsengehalt
Nr. Zeit der Ausscheidung Ge , Jh ‚der
zierten
Menge
XVI. Mann G—l.
Injektion (3. V. 10, 10*/2 vm.) 0,3 g Salvarsan (= 90 mg As).
1 |1. Tag (3.V) 24 sau 750 | 0,63 | 0,70
2 | 1. Nacht (3.4. V.) ..... . . | 980 | 1,50 | Lë
3 15. Tag (T.V) ..... no... 60 | 116 | 1,29
4 | 7. Nacht (1.8. V)........] 670 | 155 | 172
XVII. Mann PL
Injektion (1. VI, 10, 11* vm.) 0,5 g Salvarsan (= 150 mg As).
1 | 1. Tag (1.VI) . l ‚| 1000 | 028 | 0,19
2 | 1. Nacht u. 2. Tag (1.2. VI.) 420 | 0,32 | 0,21
3 | 2. Nacht (23. VÍ). ..... .. | 910 | 054 | 0,36
4 |3. Tag (8.VI) ....... , . | 800 | 0,60 | 0,40
5 | 8. Nacht (3B4.VI)........ 600 | 021 | 0,14
. 0 ọ 8 . ge eg e
e. èo 0. ò . ọọ
) .
11 |l4.Tagu. Nacht u. 15. Tag (14.15. VL)
XVIII. Mann G—m.
Injektion (5. VII. 10) 0,5 g Salvarsan (= 150 mg As).
11 |11. Tag nenn, o. onnaa. 125 | 0,07 |> 005
Tabellen XIX und XX.
Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion von
neutraler Salvarsansuspension bei Männern.
Arsengehalt
Sep der
vi
mg | injizierten
Menge
Nr. Zeit der Ausscheidung
XIX. Mann W—r,
Injektion (20. VII. 10) 0,5 g Salvarsan (= 150 mg As).
1 | 74. Tag u. Nacht (2—3. XI). . . . | 1885 | 0,010 | 0,007
XX. Mann W—d—r.
" Injektion (30. VIII. 10) 0,5 g Salvarsan (= 150 mg As).
1 | 64. Tag u. Nacht (2.3. XI). ... | 1365 | 0,040 | 0,027
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 2]
Tabellen XXI bis XXIII.
Arsenausscheidung nach einmaliger intravendser Injektion
von schwach alkalischer Salvarsanlösung bei Männern.
Arsengehalt o
Nr. Zeit der Ausscheidung 0/, der
injizierten
| Menge
XXI. Mann N—I.
es Sec XI. 10, 11* vm.) 0,38 g Salvarsan (= 114 mg As).
1
2
3
4
ó
is
6 | 4. Tag (4. XL) ........ e 440 0,09 0,08
7 | 4. Nacht G-A XI). ad e 995 0,20 0,18
8 | 5. Tag u. Nacht (5.—6. XI) . . . . | 1280 0,18 0,16
9 |6. Tag u. Nacht (6.—7. XI) . . . . 1140 0,03 0,03
10 | 7. Tag u. Nacht (7.—8. XI) .... 740 0,11 0,10
11 18. Tag u. Nacht (8.—9.XI) .... 0,07 0,06
12 | 9. Tag u. Nacht (9.-10.XI). .. . 0,03 0,03
13 110. Tag u. Naoht (10.—11.XI) . . . 0,05 0,04
14 |11. Tag u. Nacht (11.—12. XI.) . . . 0,09. 0,08
15 112. Tag u. Nacht (12.—13. XI) . . . 0,02 0,02
16 113. Tag u. Nacht (13.—14. XI.) 0,04 0,04
1bis16| Die ersten 13 Tage u. Nächte . . . | 15300 | 3,40 | 2,98
XXII. Mann F—ch.
Injektion (3. XI. 10, 10°/,® vm.) 0 Gë pap entan (= 120 mg As).
ar deis de 0,19 0,16
AI) au nn 0,50 0,42
SAL) Ab Ai a 0,07 0,06
2. Nacht (4—5. XL) . 2. .... 0,10 ¡ 0,09
3. Tag u. Nacht (55. XI) 0,17 | 0,14
4. Tag u. Nacht (6.—7. XI.) ... .
5. Tag u. Nacht (7.8. XI.) .
6. Tag u. Nacht (8.—9. XI.)
1,34 1,12
XXIII. Mann Z—n.
Injektion (3. XI. 10, 10%/,5 vm.), 0,25 g Salvarsan (=75mg As).
1 |l.Tag(B.XI).......... 0,35 | 0,47
2 | 1. Nacht (3.—4. XI) ....... 0,12 | 0,16
3 |2. Tag (4MXI).......... 0,10 | 0,13
4 |2. Nacht (4.—5. XI) ....... 0,12 | 0,16
5 |3. Tag u. Nacht (5.—6. XI.) . 0,20 | 0,27
0,89 | 1,19
22 G. Lookemann:
Tabellen XXI bis XXIII (Fortsetzung).
Arsengehalt
Nr. o/, der
mg injizierten
Menge
6 | 4. Tag u. Nacht (6.—7. XL) 0,21
7 | 5. Tag u. Nacht (7.—8. XI.) 0,04
8 | 6. Tag u. Nacht (8.—9. XI.) 0,03
1l bis8] Die ersten 6 Tage u. Nächte 1,10 1,47
Tabellen XXIV und XXV.
Arsenaussoheidung nach zweimaliger intravenöser Injektion
. von sohwach alkalisoher Salvarsanlösung bei Männern.
Arsengehalt
DL der
injizlerten
Menge
Zeit der Ausscheidung
XXIV. Mann He
1. Injektion (17.X.10) 0,4 g Salvarsan (= 120 mg As).
2. Injektion (24. II. 11) 0,3 g Salvarsan (=.90 mg As).
1 190. Nacht (25.—26. V. 11.) nach der
| 2. Injektion . . ....... | 580 | 0,0005
XXV. Mann X.
1. Injektion (28.1. 11) 0,8 g Salvarsan (= 90 mg As).
2. Injektion (11. IV.11) 0,3 g Salvarsan (= 90 mg As).
1 |38. Tag(19.V.11.)nach der 2. Injektion | 675 | 0,001 | 0,001
0,0005
lösung in Tabellen XXI bis XXIII aufgeführt; außerdem sind
noch zwei einzelne Proben nach zweimaliger intravenöser
Injektion untersucht (Tabellen XXIV und XXV).
Aus sämtlichen Versuchsergebnissen geht hervor, daß die
Arsenausscheidung ganz allgemein, unabhängig von der Art
der Salvarsanlösung und der Injektion, außerordentlich lang-
sam erfolgt. Nur in den Fällen XV, XVI und XXI (1. Tag) über-
steigen die binnen 12 Stunden ausgeschiedenen Arsenmengen
den Wert von 1°/,; in allen anderen Fällen bewegen sich die
Zahlen in den Größen von einigen Zehntel-Prozent. Die Ab-
weichungen im einzelnen lassen keinerlei Gesetzmäßigkeiten er-
kennen, auch nicht etwa, daß bei intravenöser Injektion (XXI bis
XXIII) die Ausscheidung schneller verliefe als bei intramuskulärer
(XIII bis XVIII). In den ersten 3 Tagen wurden ausgeschieden
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 23
bei intramuskulärer Injektion: >>0,86%/, (XII), 1,70°/,
(XIV), 1,30%, (XVI); bei intravenöser: 2,18%/, (XXD,
0,86°/, (XXID, 1,19°/ (XXI).
Die Dauer der Arsenausscheidung ist, den geringen Tages-
werten von Anfang an entsprechend, sehr groß. Bei intra-
muskulärer Injektion waren am 7. Tage noch nachzuweisen:
0,26°/, (XIII), > 1,729/, (XVI), 0,06°/, (XVII), am 14. Tage
0,02°/, (XVII), am 20. Tage noch 0,02%/, (XIII). Bei subcu-
taner Injektion war einmal am 64. Tage noch 0,027 9/, (XX), ein
andermal am 74. Tage noch 0,007°/, (XIX) Arsen nachweisbar.
Bei intravenöser Injektion fanden sich am 6. Tage 0,039,
(XXI), 0,05%, (XXII), 0,03%, (XXVID, am 13. Tage noch
0,049/, (XXI) Arsen im Harn. Nach zweimaliger intra-
venöser Injektion war einmal (XXV) 38 Tage nach der 2. In-
jektion im Tagesharn 0,001°/, Arsen, ein andermal (XXIV)
90 Tage nach der 2. Injektion im Nachtharn 0,0005°,, Arsen
nachweisbar.
b) Frauen (Tab. XXVI bis XXXIV).
Bei den Frauen verläuft die Arsenausscheidung ganz ähnlich
wie bei den Männern, nur im ganzen etwas schneller, wie
die folgenden Tabellen XXVI bis XXXIV zeigen. In den
ersten 3 Tagen wurden ausgeschieden bei intramuskulärer
Injektion: —>4,59°/, (XXVI), >1,26°/, (XXVII), bei sub-
Tabellen XXVI bis XXVIII.
Arsensussoheidung nach einmaliger Intramuskulärer Injektion
von saurer Salvarsanlösung bei Frauen.
ee
Arsengehalt `
Nr. Zeit der Ausscheidung et, der `
m inji t
a
XXVI. Frau He
Injektion (19. IV. 10, 11* vm.) 0,3 g Salvarsan (=90 mg As).
1 |1. Tag (19. IV) ......... 360 Ft
2 | 1. Nacht u. 2. Tag cio. —20. IV.) . 850 | 250 | 2,78
3 | 2 Nacht (20.—21. IV) ...... 720 | 0,59 | 0,66
4 |3. Tag (21. IV) ......... 490 | 044 | 0,49
5 | 3. Nacht (21.22. Di... 275 | 0,60 | 0,67
l bis 5
oa
Die ersten 3 Tage u. Nächte . . .
24 G. Lockemann:
Tabellen XXVI bis XXVIII (Fortsetzung).
Arsengebalt
Zeit der Ausscheidung
6 14 Tag 22.IV.) ... 22... | 0.56
7 | 4. Nacht u. 5. Tag (22.23. IV.) . 0,75 | 083
8 | 6. Tag (24. IV) ........+. 0,48 | 0,53
9 |7. Tag (25. IV) ......... 0,09 | 0.10
10 a E 0,26 | 0,29
11 | 8. Nacht (26.—27. IV) . ..... 0,09 | 0,10
12 | 9. Tag @7.IV) ..... a 0,02 | 0,02
13 |9. Nacht (27.—28. IV.) . 2...» 0,07; DC
14 Maa e : 0,03 | 0,03
15 |10. Nacht (28.29. IV.) ...... 0,01 | 0,01
16 |11. Tag (29. IV) ......... 0,02 | 0,02
17 |11. Nacht (29.30. IV.) ...... 0,02 | oo
18 112. Tag (30. IV) ......... 0,05 | 0,06
19 |12. Nacht (30. IV.—1. V) ..... 0,002 | 0,002
20 |14. Tag u. Nacht (2.-3.V) .... 0,010 | 0,011
21 |36. Tag u. Nacht (24.—25. V). ... 00 '00
XXVII. Frau H—k.
Injektion (19. IV.10, 11!/,® vm.) 0,3g Salvarsan (=90 mg As).
1 11.Tag (19. IV) ........ ‚| 250 | 020 | 0,22
2 |1. Nacht u. 2. Tag (19-20. IV.) . .| 590 | 0,20 | 0,22
3 |11. Tag (29. IV) ........ . | 540 | 002 | 0.02
4 |11. Nacht (29.-30. IV) . 2.2... 550 | 0,08 | 0,08
5 Wi Tag (9. V) .......... 640 | 0,02 | 0,02
6 |24. Tag u. Nacht (12.—13. V) . . . | 510 | 001 ' ou
7 136. Tag u. Nacht (24.25. V) . . . | 960 | 0,03 ! 0,03
XXVIII. Frau G—n.
Injektion (28. IN 10, 10!/,® vm.) 0,3 g Salvarsan (=90 mg As).
1 1: Tag (28: IVJ) w ns 282 &% 0,10 0,11
2 11. Nacht (28.—29. IV) ...... 0,35 0,39
3 12. Nacht (29.-30. IV) ...... 0,17 0,19
4 13. Tag (80. IV) „2 2 2 22000 0,25 0,28
5 1 3. Nacht (30. IV.—1. Y). 0,26 0,29
> 1,13 | > 1,26
6: EE Tap (2: VJ 2:4 u a wen 0,16 0,18
7 15. Nacht (2.—3. V). ....... 0,23 0,26
8 |11. Tag u. Nacht (8.—9. V.) .... 0,05 0,06
9 115. Nacht (12-13. V)....... 0,06 0,07
10 127. Tag u. Nacht (24.—25. V.) 0,03 0,03
Tabellen XXIX bis XXXI
Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion von
neutraler Salvarsansuspension bei Frauen.
XXIX. Frau O—f.
Injektion (24. X. 10, 7* ab.) 0,45g Salvarsan (=135mg As).
1 | 1. Nacht u. Tag (24.25. X.) . . . | 965 | 0,30 | 0,22
2 | 2 Nacht (25.26. X.) . .. .. ..| 900 | 020 oi
3 |2 Tag (26.X)........ | 755 | 0,10 oo
3. Nacht (26.27. X.) . . 2.2... 33 0,40 | 0,30
Die ersten 2 Tage u. 3 Nächte 1,00 | 0,74
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 25
Tabellen XXIX bis XXXI (Fortsetzung).
Arsengehalt
01, der
injizierten
Menge
5 4. Tag u. 5. Nacht GC X.)
6 6. Tag u. 7. Nacht (30.-31. X.) . . 0,26 0,20
7 7. Tag u. 8. Nacht (31. X.—1. XI) . 0,15 0,11
8 8. Tag u. 9. Nacht (1.—2. XI)... 0,17 0,1»
XXX. Frau B—h.
Injektion (19. X.10) 0,5g Salvarsan (=150mg As).
1 194. Tag (22. I. 11). ...... e| 920 | 0,010 | 0,007
XXXI. Frau PL
Injektion (25. X.10, 11* vm.) 0,45 g Salvarsan (= 135 mg As).
in Paraffin.
1 1. Tag u. Nacht (25.-26. X)... . 0,80 0,60
2 2. Tag (26. X)....... ae 0,50 0,37
3 2. Nacht (26.27. X) . . 2.2... 0,40 0,30
4 3. Tag u. Nacht (27.—28. X.) 0,24 0,18
1,94 | 1,45
370 | 0,35 | 0,26
Die ersten 3 Tage u. Nächte . . . | 1570
4. Nacht (28-29. X.) . ......
Tabellen XXXII und XXXIII.
Arsenausscheidung nach einmaliger intravenöser Injektion von
schwachalkalischer Salvarsanlösung bei Frauen.
Arsengehalt |
Nr. Zeit der Ausscheidung 0/, der
mg |injizierten
| Menge
XXXII. Frau S—i.
Injektion (2. XI 10, 11?/,®? vm.) Salvarsan (=90 mg As).
1 | 1. Tag u. Nacht (2.—3. XI) . . . . | 1000 | 2,28 | 2,48
2 |2. Tag u. Nacht (3.—4. XI) . . .. | 1135 | 0,56
3 |3. Tag (4. EL)... 785 | 0,36
1 bis 3 | 3,50
4 5. Tag u. Nacht (6.—7. XL)... .
5 7. Tag u. Nacht (8-9. XD ... . 0,23 0,26
6 8. Tag u. Nacht (9.—10. IX.) .. . 0,32 0,36
7 9. Tag u. Nacht (10.—11. XI) . . . 0,22 0,25
8 HO Tag u. Nacht (11.—12. X1) . . . 0,12 0,13
XXXIII. Frau N—e.
Injektion (1. XII. 10) 0,3g Salvarsan (=90 mg As).
1 152. Tag (22.111). ........ | 690 | 0,0015 | 0,0017
26 G. Lockemann:
Tabelle XXXIV.
Arsenausscheidung nach zweimaliger intravenöser Injektion
von schwachalkalischer Salvarsanlösung bei Frau K—r.
Zeit der Ausscheidung
1. Injektion (14. I. 11) 0,3g Salvarsan (=90 mg As).
2. Injektion (17. 11.11) 0,8g Salvarsan (=90 mg As).
1 190. Tag (17. V. 11) ........
11.) 520 0,001
2 |90. Nacht (17.—18. V. 11.) nach der 2. In-
560 0,002
0,001
0,002
0,003 | 0,003
cutaner: — 0,74°/, (XXIX), 1,45%, (XXXT), bei intravenó-
ser: >> 3,50°/, (XXXII).
Auch bezüglich der Dauer der Ausscheidung ist es bei
den Frauen ganz ähnlich: Am 7. Tage waren noch nachzuweisen:
>0,10°/, (XXVI, intramuskulär), 0,11%/, (XXIX, subcutan), 0,26°/,
(XXXII, intravenös); am 14. Tage: 0,01%/, (XXVI); am 36. Tage:
0,03°/, (XXVII), 0,0°/, (XXVI, intramuskulár); am 52. Tage:
0,0017°/, (XXXIII, intravenös); am 90. Tage nach der 2. intra-
venösen Injektion: 0,003°/, (XXXIV); am 94. Tage (nach einer
subcutanen Injektion): 0,007°/, (XXX).
In der Tabelle Z 3 sind die wichtigsten Ergebnisse der
Salvarsan-Untersuchungen zur besseren Übersicht zusammen-
gestellt.
IVb. Neosalvarsan.
A. Analyse des Präparates.
Nach Angabe des Prospektes der Höchster Farbwerke ent-
‘hält das Neosalvarsan „neben indifferenten anorganischen Salzen“
als wirksamen Bestandteil: dioxy-diamido-arsenobenzol-mono-
methan-sulfinsaures Natrium von der Formel
H,N(HO)C,H,As: As-C,H,(OH)NH -CH,OSONa.
Es wird durch Anlagerung von formaldehydsulfoxylsaurem
Natrium CH,(OH)OSONa an Salvarsan und Ausfällen der wäß-
rigen Lösung mit Alkohol dargestellt.
Von einigen Proben des für die Injektionen verwendeten
Präparates wurde der Wasser- und Arsengehalt in der üblichen
Weise bestimmt.
27
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien.
SU ge we HO Es > — [700 = Si Y 2 "pg #3 uyaz
AU = = CO 0 Es ES = MOLO = = 180 Ir" `- PIS 77 uno
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"6 Z
28 G. Lockemann:
1. Wasserbestimmung durch Trocknen bei 110°:
a) 0,2947 g verloren 0,0263 g =8,93%/, H,O
b) 0,6184 g n 0,0552 g—=8,93°|, »
Mittel: = 8,93°/, H,O
2. Arsenbestimmung:
a) 0,4460 g gaben 0,1733 g Mg,A,O. = 18,76%/, As
b) 04342g » 0,1665g » =18,520/, As
Mittel: 18,63°/, As.
Aus der oben angegebenen Formel berechnet sich für das
reine Neosalvarsan ein Gehalt von 32,18°/, As. Legt man diesen
Wert für die Berechnung zugrunde, so ergibt sich ein Gehalt
des Präparates an wirklichem Neosalvarsan von 57,90°/,,
oder mit dem gefundenen 8,93%/, Krystallwasser zusammen:
66,83°/, krystallwasserhaltiges Neosalvarsan. In dem Präparate
sind also rund 2 Gewichtsteile Neosalvarsan mit 1 Gewichtsteile
„indifferenter Salze“, deren Natur ich nicht näher untersucht
habe, gemischt.
Für das krystallwasserhaltige Neosalvarsan selber
würden sich aus obigen Analysen ergeben: 27,88%/, As und
13,36°/, H,O.
Diese Werte stimmen sehr gut auf ein mit 4 Mol H,O
krystallisierendes Neosalvarsan:
C,¿H,¿0,N,As,SNa, 4 H,O, für das sich berechnen: 27,87°/, As
und 13,39°/, H,O.
F. Lehmann!) fand beim Titrieren des Arsens mit Jod
und Thiosulfat im Neosalvarsan 22,02°/, As.
B. Untersuchungsverfahren.
Hier wurde ebenso wie bei den Salvarsan-Harnproben das
Salpeterschmelzverfahren angewendet und das Arsen schließlich
im Marshschen Apparate bestimmt.
C. Untersuchter Neosalvarsan-Fall.
Für die Untersuchung wurden die Harnproben einer Frau
A—t (Tabelle XXXV) benutzt, der mit mehrtägigen Zwischen-
pausen 3 intravenöse Injektionen, 1. 0,1, 2. 0,3, 3. 0,5g Neo-
salvarsan und dann noch 2 intravenóse Injektionen von je
1) Apoth.-Ztg. 27, 545, 1912.
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 29
0,5 g Salvarsan verabreicht wurden. Die Untersuchungen sind
lückenlos vom 1. bis 13. und 17. bis 23. Tage nach der 1. In-
jektion (bis zum 2. Tage nach der letzten [5.] Injektion) durch-
geführt,
Tabelle XXXV.
Arsenausscheidung nach mehrmaliger intravenóser Injektion
von Neosalvarsan und Salvarsan bei Frau A—t.
Arsengehalt
9% der
mg a
D- Gesamt-
jektionen| Menge
19 mg
As
2,15
1. Injektion (25. VI. 12, 12* m.) 0,1g Neosalvarsan
1. Tag u. Nacht (25.—26. VI.)
2. Tag u. Naoht (26.—27. VE}
3. Tag u. Nacht (27.—28. VI.
2. Injektion (28. VI., 12% m.) 0,8 g Neosalvarsan, Beie ne
4 | 4. Tag u. Nacht (28.—29. VI.) 4,11 3,11
5 | 5. Tag u. Nacht (29.-30. VI.) 1,79 1,34
6. Tag u. Nacht (30. VI.—1. VIL) . 0,26 | 021
3. Injektion (2. VII., 12% m.) 0,5 g Neosalvarsan, Ne SE
8 (8. Tag u. Nacht (2.3. vun) . . .| 850 [1,70| 1,83 | 1,02
9. Tag u. Nacht (3.—4. VIIL) . . .| 1390 |1,00| 1,08 | 0.60
10. Tag u. Nacht (4.—5. VIIL.) . . .| 920 |1,40| 151 | 084
4,42 2,46
11. Tag u. Nacht (5.—6. VII) . . .
12. Tag u. Nacht (6.—7. VII) . . .
13. Tag u. Nacht (7.—8. VII) . . .
0,18
0,13
150mgj317 mg
A
4. Injektion (9. VIL, 12% m.) 0,5 g Salvarsan 5 As
14 |17. Tag u. Nacht (11.—12. VIL) . . 0,95| 0,63 | 0,30
15 |18. Tag u. Nacht (12.—13. VIL) . . 0,60 | 0,40 | 0,19
16 bo Tag u. Nacht E VIL.) 1,50| 1,00 | 0,47
17 |20. Tag u. Nacht (14.—15. VII.) 0,65! 0,43 | 021
18 |21. Tag u. Nacht (15.—16. VII.) 0,50| 0,33 | 0,16
14—18 |Die 3. bis 7. T.u. N. nach d 4. Injekt.| 4205 | 4,20
30 | G. Lookemann:
Tabelle XXXV (Fortsetzung).
Arsengehalt
9/7 der
einzelnen
In-
mg
jektionen
5. Injektion (16. VIIL, 12% m.) 0,5 g Salvarsan |150mg/467 mg
8
19 |22. Tag u. Nacht (16.—17. ett?
745 0,90 | 0,60 0,19
20 123. Tag u. Nacht (17.—18. VII. 860 10,90 | 0,60 0,19
19—20 |Die ersten 2 T. u. N. nach d. 5. Injekt.| 1605 1,20 | 0,38
Die ausgeschiedenen Arsenmengen sind in Tabelle XXXV
als Prozente sowohl auf die einzelnen Injektionsmengen als auf
die Gesamtmenge der bereits ausgeführten Injektionen berechnet.
Es zeigt sich, daß zunächst nach der 1. Injektion die Arsen-
ausscheidung, verglichen mit der bei Salvarsan, ziemlich erheb-
lich ist, 2 bis 2*/,%/, täglich, so daß in den ersten 3 Tagen
schon 7,15°/, As ausgeschieden ist. Bei Wiederholung der In-
jektionen macht sich dann alsbald der ja auch in anderen Fällen
beobachtete verzögernde Einfluß bemerkbar, so daß in den ersten
3 Tagen nach der 2. Injektion nur 6,16°/, der 2. Injektion oder
4,66°/, von der 1. und 2., in den ersten 3 Tagen nach der 3. In-
jektion nur noch 4,42°/, der 3. Injektion oder 2,46°/, von der
1., 2. und 3. Injektion ausgeschieden werden usw. Es zeigt sich
also eine ganz regelmäßige Abnahme. Nach der 5. Injektion
(Salvarsan) kamen an den ersten beiden Tagen nur noch je
0,60°/, der 5. Injektion oder 0,19°/, der Gesamtmenge Arsen
zur Ausscheidung.
D. Untersuchungen anderer über Salvarsanausscheidung.
Dem lebhaften Interesse entsprechend, das dem Salvarsan
gleich nach seiner ersten Anwendung als Specificum gegen
Syphilis entgegengebracht wurde, ist auch eine größere Anzahl
Untersuchungen über die Arsenausscheidung bei Anwendung
dieses Heilmittels ausgeführt, jedoch meist nur qualitativer
Art. Folgende Angaben habe ich in der einschlägigen Literatur
gefunden:
Karl Greven?!) wies mit dem von Gosio angegebenen
1) Münch. med. Wochenschr. 57, 2079, 1910.
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 31
biologischen Verfahren (Kultur von penicillium brevicaule) 14
bis 18 Tage lang nach der Salvarsaninjektion Arsen im Harn
nach; bei gleichzeitiger Behandlung der Patienten mit Queck-
silber verzögerte sich die Arsenausscheidung auf 20 bis 25 Tage.
A. Bornstein?) fand 3 Wochen nach intramuskulärer Injektion
von 0,5 g Salvarsan noch Arsen im Harn, nach 5 bis 7 Wochen
nicht mehr. E. Finger?) gibt an, sogar 9 Monate nach ein-
maliger Injektion von 0,4 g Salvarsan noch deutlich Arsen im
Harn nachgewiesen zu haben. W. A. Merkuriew®) konnte
mit einem recht komplizierten Verfahren nach intravenöser
Salvarsaninjektion noch 9 bis 16 Tage, nach intramuskulärer
noch 25 Tage bis 6 Monate Arsen im Harn nachweisen.
Nach Adriano Valenti‘) beträgt die Dauer der Ausschei-
dung beim Menschen mindestens 11 Tage, beim Hund jedoch
23 bis 25 Tage.
J. Abelin’) benutzt eine Farbenreaktion (Diazotieren in
dem angesáuerten Harn mit Nitritlósung, Kupplung mit Resorcin
in Sodalósung zu lóslichem rotem Azofarbstoff) zum Nachweis,
daß das Salvarsan zum Teil wenigstens als solches unverändert
durch den Harn ausgeschieden wird. Mit dieser Azoreaktion,
deren Empfindlichkeit 1:100000 beträgt, ließ sich bereits 5 bis
10 Minuten nach intravenöser Injektion Salvarsan im Harn nach-
weisen und blieb als solches noch 5 bis 6 Stunden, in einzelnen‘
Fällen auch 8 bis 11 Stunden nachweisbar. Bei neueren Ver-
suchen *) erhielt Abelin nach intravenöser Injektion nur während
der ersten 5 Stunden deutlich positive Reaktion, nach intra-
muskulärer Injektion war sie jedoch in den ersten 24 Stunden
ganz negativ. J. Escalon”) fand unter Benutzung der Abelin-
schen Farbenreaktion zwei Maxima in dem Verlauf der Salvarsan-
ausscheidung: das erste 4 bis 5 Stunden, das zweite 20 bis
28 Stunden nach der Injektion. Die letzten nachweisbaren
1) Deutsche med. Wochenschr. 87, 112, 1911.
D Berl. klin. Wochenschr. 48, 785, 1911.
3) Wiener klin. Wochenschr. 25, 588, 1912.
4) Arch. d. Farmacol. sperim. 13, 165, 1912.
6) Münch. med. Wochenschr. 58, 1002 u. 1771, 1911.
6) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 75, 317, 1914.
7) Lyon medical 1912, Nr. 36 (Referat: Berl. klin. Wochenschr. 49,
2046, 1912).
32 G. Lockemann:
Spuren verschwanden nach 40 bis 59 Stunden. Auf weiteren
Arsengehalt hat er nicht geprüft.
Quantitative Bestimmungen der Salvarsanausscheidung
liegen, soviel ich sehe, nur von zwei Seiten vor: Ph. Fischer
und J. Hoppe?) fanden auch beim Salvarsan auffallend hohe
Werte: z. B. nach subcutaner Injektion im Harn der ersten
3 Tage bei zwei Paralytikern 18,3°/, und 15,3°/, der injizierten
Arsenmenge, bei einem Epileptiker 28,5%/,; nach intravenöser
Injektion bei einem Paralytiker sogar 74,0°/, und am folgenden
Tage den Harn bereits arsenfrei. Von den erstgenannten beiden
Paralytikern sollen binnen 7 Tagen 43,0°/,, bzw. binnen 10 Tagen
42,2%/, As im ganzen ausgeschieden sein. Auch in einigen
anderen Fällen zeigte sich die Arsenausscheidung nach sub-
cutaner Injektion bei Paralytikern spätestens binnen 12 bis
14 Tagen beendet. Bei Epileptikern mit guten Nierenfunktionen
war der Harn schon am 5. Tage arsenfrei. Nach intravenöser
Injektion war die Ausscheidung im allgemeinen bereits binnen
3 Tagen beendet. Im Kot konnten Fischer und Hoppe auch
mehrere Tage lang Arsen nachweisen,
Die andere quantitative Untersuchungsreihe stammt von
Frenkel-Heiden und E. Navassart?) (Charite), die in über
200 Einzelanalysen ebenfalls nachwiesen, daß die Arsenaus-
scheidung individuellen Schwankungen unterworfen, wahrschein-
lich vom Allgemeinbefinden und besonders vom Nierenzustande
abhängig ist. In keinem Falle konnten sie aber solch große
Tagesmengen und eine derartige schnelle Beendigung der Arsen-
ausscheidung beobachten wie Fischer und Hoppe. Der große
Unterschied in den beiderseitigen Befunden beruht wahrschein-
lich auf den verschiedenen Arbeitsverfahren. In einer späteren
Veröffentlichung?) geben Frenkel-Heiden und Navassart an,
daß nach subcutaner und intramuskulärer Injektion von
0,3 bis 0,5 g Salvarsan durchschnittlich 0,4 bis 0,5 mg Arsen binnen
24 Stunden im Harn erscheint, höchstens aber 1,5 mg. Diese
Werte stimmen mit den von mir gefundenen ziemlich überein.
Nach intravenöser Injektion fand sich als Höchstbetrag in
den ersten beiden Tagen 5,6 mg As, im übrigen durchschnittlich
—.
1) Münch. med. Wochenschr. 57, 1531, 1910.
+) Berl. klin. Wochenschr. 48, 1367, 1911.
3) Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. 18, 531, 1913.
As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 33
auch 0,4 mg in den ersten 10 bis 14 Tagen. Durch den Kot
wurde die 2- bis 10fache Menge Arsen ausgeschieden.
Schluß,
Um die Hauptergebnisse der durchgeführten Unter-
suchungen besser überblicken und gegenseitig vergleichen zu
können, habe ich die Durchschnittswerte der verschiedenen
Parallelfälle nach Mann und Frau geordnet in der Gesamt-
Zusammenstellung Z 4 aufgeführt und in dem Kurven-
bild außerdem die für die Männer sich ergebenden Durch-
schnittswerte wiedergegeben.
Ch ze EE ER gees — Atoxyl,
D D
a EEE = Arsacetin,
ce —-—-—-— == Arsenophenylglycin,
A ———— — Salvarsan.
850
8
Er
De
A
830
d
Ñ
10
Arseno -| phenyl- oben Salvarsan
Caty ar I y _— EEE
Tag 2lag Slog 4lag Alag ETag Zë
Fig. 1. Kurvenbild für die Durch-
schnittewerte der Arsenausscheidung
bei Männern.
Der Stärke und Schnelligkeit der Arsenausscheidung
nach ordnen sich die Arsenikalien in abnehmendem Maße in
der Reihenfolge: Atoxyl, Arsacetin, Arsenophenylglycin, Neo-
salvarsan, Salvarsan. Die Unterschiede in dem Verlauf der
. Ausscheidung sind jedoch so groß, daB man von zwei Gruppen
sprechen kann: der Atoxyl-Gruppe, zu der noch Arsacetin
gehört, und der Salvarsan-Gruppe, der noch Neosalvarsan
Biochemische Zeitschrift Band 78. H
G. Lockemann:
34
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As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 35
und Arsenophenylglycin zuzuzählen sind. Bei der Atoxyl-
Gruppe wird schon am ersten oder an den ersten beiden Tagen
der größte Teil des Arsens durch den Harn wieder aus-
geschieden, bei der Salvarsan-Gruppe dagegen nur wenige Pro-
zente oder Bruchteile davon, so daß sich die Ausscheidung
sehr in die Länge zieht.
Die von Fischer und Hoppe für Arsenophenylglycin
und Salvarsan mitgeteilten Zahlen weichen sowohl von den
Befunden von Frenkel-Heiden und Navassart als von
den meinigen so stark ab, daß man versucht wird, nicht die
tatsächlichen Verhältnisse, sondern gewisse Fehlerquellen des
Untersuchungsverfahrens dafür verantwortlich zu machen.
Bei näherer Betrachtung unserer Fälle ergibt sich noch
folgendes: Bei Mann und Frau ist die Ausscheidung im all-
gemeinen verschieden: Arsacetin wird vom Manne schneller
ausgeschieden, Arsenophenylglycin und Salvarsan dagegen
schneller von der Frau. Bei Atoxyl liegt nur ein Beispiel am
Mann, beim Neosalvarsan nur eins an der Frau vor.
Das Arsacetin wird beim Durchgang durch den Orga-
nismus in geringem Maße abgebaut: teils (durch hydrolytische
Abspaltung lediglich des Acetylrestes) zu freiem Atoxyl, teils
noch weiter durch Abspaltung des Arsenrestes. Bei der Frau
war dieser Molekularabbau stärker als beim Manne.
Gleichmäßig bei Mann und Frau zeigte sich ein wellen-
förmiger Verlauf in der täglichen Arsenausscheidung, indem in
den ungeraden Halbtagen (erste, dritte, fünfte 12 Stunden usw.)
regelmäßig mehr ausgeschieden wurde als in den geraden
Halbtagen (zweite, vierte, sechste 12 Stunden usw.) nach der
Injektion. Diese Periodizität war unabhängig davon, ob die
Halbtage in die Tages- oder Nachtzeit fielen.
Übereinstimmend zeigte sich, wie schon früher bei dem
Atoxyl-Fall, daß durch Wiederholung der Injektion die
Ausscheidung verringert und verlangsamt wird. Das
war sowohl beim Arsacetin wie beim Arsenophenylglycin und
in besonders anschaulicher Weise beim Neosalvarsan zu beob-
achten.
Über die Dauer der Ausscheidung können endgültige
Angaben nicht gemacht werden, da sich keine Gelegenheit
bot, von allen untersuchten Fällen auch noch nach längerer
ge
36 G. Lookemann: As-Ausscheidung nach Injektion versch. Arsenikalien.
Zeit Harnproben zu erhalten, um festzustellen, wann die Arsen-
ausscheidung tatsächlich beendigt wäre.
Beim Arsacetin gehen die Beobachtungen nicht über die
ersten 4 oder 5’ Tage hinaus. Beim Arsenophenylglycin
war 3 Wochen (23 Tage) nach der Injektion noch 0,049,
Arsen im Harn nachzuweisen; auch nach Verlauf von an-
nähernd 9 Wochen (61 Tagen) war der Harn der Frau noch
nicht arsenfrei (0,01°/,).
Beim Salvarsan wurde nach intramuskulärer Injektion
im Harn des Mannes noch nach 3 Wochen (20 Tagen) 0,02°/,,
im Harn der Frau nach 4 Wochen (27 Tagen) und nach
5 Wochen (36 Tagen) 0,03°/, Arsen gefunden; in einem Falle
war nach 5 Wochen der Harn arsenfrei. Nach subcutaner
Injektion des Salvarsans war beim Manne nach 9 Wochen
(64 Tagen) noch 0,03°/,, nach 10*/, Wochen (74 Tagen) noch
0,007°/, Arsen, bei der Frau nach 13*/, Wochen (94 Tagen)
ebenfalls 0,007°/, Arsen nachzuweisen. Nach einmaliger intra-
venöser Injektion liegt vom Manne nur eine Untersuchung
vom 13. Tage vor (0,04°/, As), bei der Frau fand sich noch
nach 7*/, Wochen (52 Tagen) 0,002°/, Arsen im Halbtagesharn;
nach zweimaliger intravenöser Injektion war im Halbtagesharn
beim Manne nach 5*/, Wochen (38 Tagen) 0,001°/,, nach
13 Wochen (90 Tagen) beim Manne 0,0005°/,, bei der Frau
im Ganztagesharn 0,003°/, Arsen enthalten. Somit scheint die
Arsenausscheidung bei der Frau im allgemeinen länger zu
dauern. Die von anderer Seite angegebene schnellere Aus-
scheidung nach intravenöser Injektion konnte hier nicht be-
obachtet werden.
Zur Kenntnis der Desaminierung.
Von
Karl Schweizer.
(Aus dem chemischen Laboratorium des botanischen Instituts der
Universität Genf.)
(Eingegangen am 3. September 1916.)
Bekanntlich glaubte man bis jetzt, daß die Desaminierung,
d.h. das Freiwerden von Ammoniak als Schlußakt des Eiweiß-
abbaues, durch gewisse Fermente, Desaminasen genannt, bewirkt
werde. Diesen Desaminasen wurde eine hydrolytische Wirkung
zugeschrieben. Meines Wissens konnte man sie aber bis jetzt
nicht isolieren, und die bisherigen Versuche wurden entweder
am lebenden Körper oder wenigstens an überlebenden Organen
gemacht (Lang, Savaré, Bostock, Effront, Abderhalden
und Schittenhelm, v. Fürth und Friedmann, Butke-
witsch, Pringsheim, Ehrlich usw.). Nun beobachteten aber
Chodat und Schweizer!) im Jahre 1913, daß auch ein oxy-
dierendes Ferment die Desaminierung hervorruft. Es ist dies
die Tyrosinase, die sich im Gegensatz zu den vermuteten Des-
aminasen mit Leichtigkeit aus den Organismen ausziehen läßt.
Wir glaubten natürlich zuerst an eine neue Eigenschaft der
Tyrosinase, doch werden wir weiter unten sehen, daß auch die
Desaminierung aller Wahrscheinlichkeit nach durch die oxy-
dierende Funktion dieses Fermentes bewirkt wird.
Dieser Gesichtspunkt wird noch dadurch gestützt, daß
auch andere Oxydationsvorgänge diese Desamination bewirken
können. So hat Butkewitsch?) schon im Jahre 1902 be-
obachtet, daß die Abspaltung von Ammoniak durch Aspergillus
niger nur bei Anwesenheit von Sauerstoff bewirkt werden kann;
dasselbe fand er späterhin auch für die Keimlinge höherer
1) R. Chodat und K. Schweizer, La tyrosinase est aussi une
désaminase. Arch. d. So. phys. et nat. 1918, IV* période (35), p. 140.
DW Butkewitsch, Umwandlung der Eiweißstoffe durch die
niederen Pilze. Jahrb. f. wissenschaftl. Bot. 88, 147, 1902.
38 K. Schweizer:
Pflanzen. Neuberg und Blumenthal!) haben als erste ge-
zeigt, daß die Eiweißbaustoffe und die Aminosäuren durch
Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd und Eisensalzen ebenfalls
Ammoniak abgeben. Eine Desamination wurde endlich auch
von Neuberg durch die Einwirkung des Sonnenlichtes?) in
Gegenwart von Eisen- oder Uranylsalzen sowie durch den
elektrischen Strom?) erzielt. Als Produkte erhielt man in
diesen Versuchen sowohl als auch in den unserigen neben
Ammoniak noch Kohlensäure und einen um 1 Atom C ärmeren
Aldehyd als die Aminosäure, von der man ausging. Als Bei-
spiel erwähne ich hier den später noch zu besprechenden Fall
des Glykokolls:
CH, — 600) P
KE + 0=H-—CZ +NH,+C0,
NH ` S
Meine Arbeiten, die ich unter Leitung von Herrn Prof.
Dr. R. Chodat im Pflanzenchemischen Laboratorium der Uni-
versität Genf ausführte, scheinen also ein neues Licht auf die
fermentative Desaminierung zu werfen. Es dürfte daher von
einigem Interesse sein, hier die springenden Punkte zusammen-
zustellen.
Einleitend sei erwähnt, daß die Tyrosinase noch nicht
lange bekannt ist. Die erste Beobachtung der oxydierenden
Fermente ist wohl dem Basler Schönbein*) zuzuschreiben.
Er beobachtete schon im Jahre 1845 eine Bläuung der Guajak-
harztinktur durch Pflanzenteile. Er sprach von „fermentartigen
Substanzen“. Ein Ferment, das Polyphenole, Jodwasserstoff
und Ameisensäure oxydiert, erhielt zuerst die Bezeichnung
„direktes Ferment“ zum Unterschied von einem anderen, das
die nämlichen Oxydationen nur in Gegenwart von Wasserstoff-
superoxyd hervorruft und „indirektes Ferment“ genannt wurde.
1) C. Neuberg und F. Blumenthal, Deutsche med. Wochenschr.
1901, Nr.1; Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1902, 2, 238.
2) C. Neuberg, Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten.
I. u. IV. Mitteilung: Katalytische Reaktionen des Sonnenlichtes. Diese
Zeitschr. 13, 305, 1908; 29, 279, 1910.
3) C. Neuberg, Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten.
II. Mitteilung: Wirkungen des elektrischen Stromes. Diese Zeitschr. 17,
270, 1909.
4) Schönbein, Poggendorfs Annal. 45, 67, 97 u. f.
Desaminierung. 39
Das erstere erhielt später von Bertrand!) den Namen „Lak-
kase“, da es nach Yoshida?) im Milchsaft des Lackbaumes
vorkommt. Später wollte man diese Bezeichnung durch „Phe-
nolase“ ersetzen, was wohl keinen Vorteil bietet, denn gewöhn-
liche Sterbliche rechnen z. B. den Jodwasserstoff nicht zu den
Phenolen; dieser Körper wird aber, wie bereits gesagt, von
der Lakkase auch angegriffen. Das „indirekte Ferment“ wurde
später von Linossier als Peroxydase bezeichnet. Im Jahre 1896
entdeckte dann Bertrand?) noch ein drittes Oxydationsferment,
das zwar viele Eigenschaften mit der Lakkase gemeinsam hat,
dagegen auf Tyrosin spezifisch wirkt. Er gab ihm daher den
Namen Tyrosinase.
Dieses Ferment diente mir nun für meine Versuche. Ich
isolierte es aus Kartoffeln nach dem von R. Chodat in Ab-
derhaldens Handb. d. biochem. Arbeitsmethoden angegebenen
Verfahren. Die so erhaltene Tyrosinase hat gegenüber anderen
Vorkommnissen den Vorteil, frei von Aminosäuren zu sein, die
in meinen Versuchen, wo ich ja gerade dieselben studieren
wollte, gestört hätten.
Ich habe nun zuerst die Einwirkung von Tyrosinase
allein auf die Aminosäuren studiert. Es ließ sich zum voraus
erwarten, daß man weder das eine noch das andere der oben
genannten drei Produkte in größerer Menge erhalten werde,
denn Aldehyde, Ammoniak und Kohlensäure sind ja Ver-
bindungen, die untereinander mit großer Leichtigkeit reagieren.
Bekanntlich gehen Aldehyde mit Ammoniak, sowie Aldehyde
unter sich eine Reaktion ein. Aldehyde wirken auch auf die
NH,-Gruppe der Aminosäuren ein, und Ammoniak wird durch
Kohlensäure neutralisiert. Endlich können die Aldehyde durch
ihr Reduktionsvermögen die Reaktion im entgegengesetzten Sinne
beeinflussen oder aus dem Reaktionsgemisch verschwinden durch
Weiteroxydation zu der entsprechenden Säure. Wir werden
später sehen, daß die Reaktion deutlicher wird, wenn wir
1) G. Bertrand, Sur le latex de l’arbre à laque. Compt. rend.
118, 1215, 1894.
®) Kikowkuro Yoshida, Chemistry of laques (urushi). I. part.
Journ. of the pharm. Soc. 43, 472, 1883.
3) G. Bertrand, Sur une nouvelle oxydase, ou ferment soluble
oxydant d'origine végétale. Compt. rend. 122, 1215, 1896; Bull. de la
Soc. chim., 3”* série 1896, 15, 793.
40 K. Schweizer:
eines der entstehenden Produkte eliminieren können (durch
Phenole).
Die oben entwickelte Gleichung hat uns gezeigt, daB wir
mit Glykokoll die Bildung von Formaldehyd erwarten. Um
denselben zu erkennen, bediente ich mich der auBerordentlich
empfindlichen, von Schryver?!) etwas abgeánderten Rimini-
Reaktion. Den Ammoniak suchte ich in der üblichen Weise
nach Neßler oder Trilliat?).
Da bekanntlich die Tyrosinase in schwach alkalischem Milieu
am besten reagiert, so führte ich die Versuche wie folgt aus:
1. 2. 3.
Glykokoll . . . . . 0,2g 0,2 g —
Kalkwasser . . . . 20 com 20ccm 20 cem
Dest. Wasser. . . . 20 ccm 20 ccm 20 ccm
Tyrosinase . . . — 0,05 g 0,05 g
Nach 24stündigem Einwirkenlassen destillierte ich ab, fing
das Destillat in kaltem Wasser auf und versetzte mit Natron-
lauge. Die Wirkung von Tyrosinase auf Glykokoll (Nr. 2)
zeigte eine starke Ammoniakbildung, während die beiden
anderen Versuche nur Spuren von Ammoniak anzeigten. Am-
moniakalische Silbernitratlösung wurde nur von Versuch 2
reduziert (Aldehyd).
Als alkalisches Milieu für die Tyrosinasewirkung eignet
sich das Kalkwasser nicht nur, weil es ein nicht zu starkes
Alkali ist, sondern auch weil es zugleich die entstehende
Kohlensäure eliminiert, sei es entweder als Carbonat oder als
Abkömmling der Carbaminsäure, die sich nach Siegfried?) in
Gegenwart einer Aminosäure bildet. Das Optimum der Kon-
zentration dieses Alkalis gab mir folgender Versuch:
Wasser Kalkwasser
1. 40 ccm —
2. 30 » 10 ccm
3. 20 » 20 »
4. 10 » 30 »
5. — 40 »
a S. B. Schryver, Photochemical formation of formaldehyd in
green plants. Proc. Roy. Soo. London Ser. B 82, 227, 1910.
2) Trilliat et Turchet, in Bertrand et Thomas, Guide pour
les manipulations de chimie biologique, Paris 1910, p. 826.
3) M. Siegfried, Über die Bindung von Kohlensäure durch am-
photere Amidkörper. Zeitschr. f. physiol. Chem. 44, 85, 1905; 46, 410, 1905.
Desaminierung. 41
Die Fermentwirkung war am stárksten bei gleichen Quanti-
täten von Wasser und gesáttigtem Kalkwasser (Nr. 3). Beim
Vergleich mit anderen Alkalien (auf 40 ccm gelóst) ergab mir
das Schryversche Reagens folgende Resultate:
y Natrium- Calcium-
bicarbonate carbonat Wasser
(20 ccm) (0,2g) (0,2g)
Aktive Tyrosinase . . rot rosa rosa schwach rosa
Inaktivierte » . . kaum gof. kaum gef. kaum gef. kaum gef.
Antiseptische Versuche mit Toluol bestätigten die vor-
liegenden Versuche.
Ein Vergleichsversuch mit anderen Aminosäuren ergab
beim Aufsuchen des Ammoniaks folgende Resultate:
1. Glykokoll: starke Reaktion.
2. Phenylglykokoll: sehr schwache Reaktion.
3. Asparagin: starke Reaktion.
4. Leucin: nichts.
Beim Phenylglykokoll ließ sich der entsprechende Benz-
aldehyd erwarten, der sich tatsächlich durch seinen Geruch
nach bitteren Mandeln erkennen ließ. Aber auch hier kam
die Reaktion bald zum Stillstand..
Dies ändert sich aber, wenn man noch ein Phenol zu-
fügt, wie z. B. das p-Kresol. Es findet dann sehr wahr-
scheinlich eine Elimination des einen oder anderen Reaktions-
produktes unter Bildung des von Chodat und Staub!) ent-
deckten Kresolazurs statt. Phenole bilden sich bekanntlich
auch beim Eiweißabbau in der Natur, so daß wir uns also
bei diesen Versuchen nicht zu sehr von den natürlichen Be-
dingungen entfernten.
Auch in diesem Falle bediente ich mich zuerst wieder
der Kartoffeltyrosinase. Ihre Wirkung auf Aminosäuren sollte
nach erwähnter Hypothese Kohlensäure in Freiheit setzen,
was ich nun nachweisen wollte. Die entstehende Menge ist
aber so gering, daß mit Bariumhydrat ein qualitativer Ver-
such sehr unsichere Resultate gab. Wenn man sich dagegen
des Liebigschen Absorptionsapparates bedient, so wird die
Kohlensäurebildung bestätigt.
Man führt. zu diesem Zweck die Reaktion mit 15 ccm
1) R. Chodat et W. Staub, Nouvelles recherches sur les ferments
oxydante. Arch. des Sc. physiques et naturelles 28, 172, 1907.
u ee a A
42 K. Schweizer:
p-Kresollösung (!/,,,) und 10 ccm Tyrosinaselósung (9%/,,) in
einer verschlossenen Waschflasche aus und saugt nach 24 Stun-
den die entstandene Kohlensäure mit in Kalilauge gewaschener
Luft durch die Absorptionskugeln nach Liebig. Man be-
obachtet:
Erhalten Berechnet
. mit 45 ccm Glykokoll (%"8/,,,) + Occm Wasser: 0,0082g 0,0879g
n 30 » ” +15 » n : 0,00182g 0,0586 g
n 15 » ” +30 » ” : 00190g 0,0293 g
n 10 » „ +35 n » : kein Kresolazur mehr
Die Zahlen nähern sich in Versuch 3 am meisten, es
scheint aber, daß nicht alle Aminosäure umgesetzt werden kann.
Zum Nachweis von Aldehyd und Ammoniak destilliert
man vorerst, da das Reaktionsgemisch gefärbt ist. Glykokoll
und Phenylglykokoll geben eine starke Neßler-Reaktion, wäh-
rend sie mit Alanin und Tyrosin schwächer ausfällt. Glykokoll
gibt auch hier wieder Formaldehyd, Phenylglykokoll den ent-
sprechenden Benzaldehyd. Bei den beiden anderen Amino-
säuren konnte die Aldehydbildung nicht demonstriert werden,
denn schon p-Kresol allein, das in Spuren auch mitdestillierte,
reduzierte die ammoniakalische Silbernitratlösung. Es ist selbst-
verständlich, daß ich vorstehende Versuche durch Leerversuche
in allen denkbaren Kombinationen verifizierte?).
In diesem Falle war die Verwendung eines alkalischen
Milieus nicht zulässig. Mit Glykokoll bildete sich weder Am-
moniak, noch Formaldehyd, noch Kresolazur. Die Lösung
blieb farblos. Dies läßt sich wahrscheinlich dadurch erklären,
daß die OH-Gruppe (in p-) des Kresols durch das Alkali ge-
sättigt wird.
Wenn man an Stelle der Aminosäuren das Pepton nimmt,
so läßt sich eine starke Ammoniakbildung und gleichzeitig eine
Spur von Formaldehyd erkennen. Beim Hinzufügen von Pepton
zu den vorhin erwähnten Versuchen, d. h. neben Aminosäuren,
konnte man sowohl mit Glykokoll als auch mit Phenylglykokoll
keine Kresolazurfärbung mehr erhalten. Die Färbung war röt-
lich mit grüner Fluorescenz, die Ammoniakreaktion stärker,
während die Aldehydbildung abgeschwächt zu sein schien. Ein
1) Karl Schweizer, Tyrosinase et Désamination. Dissertation,
Genf 1916.
Desaminierung. 43
Leerversuch ohne Tyrosinase gab keinen Ammoniak. Ein
Versuch, das p-Kresol in vorigen Experimenten durch Pepton
zu ersetzen, verlief negativ. Auch Glucose verzögert wie
Pepton.
Wir prüften nun die erhaltenen Resultate auch noch mit
physiologisch reiner Tyrosinase. Nach unserer im Jahre 1913
gemachten vorläufigen Mitteilung über die desaminierende
Wirkung der Tyrosinase') nahm Bach?) im folgenden Jahre
an, daß die Tyrosinase kein einheitliches Ferment sei. Nach
ihm bestünde sie aus Aminoacidase (= Desaminase) und einer
„gewöhnlichen Phenolase“ (= Lakkase). Hierauf konnten aber
Chodat und Schweizer zeigen, daß dies nicht der Fall ist.
Die Desamination findet nämlich auch statt, wenn man sich
der Pilztyrosinase bedient, die weder Lakkase noch Peroxydase
enthält. Im übrigen können die Wirkungen von Tyrosinase
und Lakkase ja auch durch verschiedene Reaktion des Milieus
getrennt werden. Auch die Peroxydase begünstigt die Kresol-
azurbildung nicht.
Nun hat uns auch noch die Frage beschäftigt, ob diese
Desamination bei Gegenwart von Chlorophyll im gleichen
Sinne verlaufe. Bekanntlich findet man in grünen Blättern
Formaldehyd (Pollaci, Harvey, Gibson, Tothesley,
Schryver). Da dies von einigen Seiten angezweifelt wird,
wollte ich mich selbst davon überzeugen. Ich umwickelte einige
Blätter eines kultivierten Papavers mit schwarzem Papier,
während die anderen der Sonne ausgesetzt blieben. Je 5g
der Blätter wurden mit Wasser zerrieben und destilliert. Das
Destillat, in 10 ccm Wasser aufgefangen, wurde mittels des
Schryverschen Reagens auf Formaldehyd geprüft. Im Falle
der besonnten Blätter erhielt man eine schwache Rötung,
während die im Dunkeln gehaltenen Blätter gar keinen For-
maldehyd zu enthalten scheinen. Obschon die Bildung von
Formaldehyd aus Kohlensäure und Wasser nach der v. Bayer-
schen Hypothese immer noch die größte Wahrscheinlichkeit
besitzt, so kann daneben doch auch die Vermutung aufkommen,
daß er sich auch in den Blättern, wenigstens zum Teil, durch
1) R. Chodat und K. Schweizer, diese Zeitschr. 57, 430, 1913.
3) A. Bach, diese Zeitschr. 60, 221, 1914,
44 K. Schweizer:
Einwirkung der Tyrosinase auf Eiweißabbauprodukte bildet.
In der Tat konnte ich in vielen grünen Blättern und Knospen
Tyrosinase konstatieren. Hierzu verrieb ich 2 g Blätter und
neutralisierte den sauren Saft mit Kalkwasser. Beim Zusam-
menbringen mit 2 ccm p-Kresollósung (?/,,.) und 6 com Glyko-
kollösung (%78/,,.,) konnte dann die durch Tyrosinase hervor-
gerufene charakteristische Färbung erhalten werden. Ein Leer-
versuch mit 8 cem Wasser und 1 ccm Kalkwasser gab keine
Rötung.
Ich extrahierte nun das Chlorophyll mittels Benzol und
ließ dann in Gegenwart von Kreidepulver verdunsten. Dieses
„Chlorophylipulver“ beschleunigt sowohl im Licht als auch im
Dunkeln die Desamination durch Tyrosinase Das Schryver-
sche Reagens zeigte folgende Resultate:
Licht: Dunkel:
Glykokoll . . 2 2 2 2 202. ©.. o +. . TOBA 0
” -+ Kreide allein . ... . , . + TOBA 0
” + mn mit Chloroph. . . . . . rosa rosa
» + » n » -+ Tyrosinase rot rot
no + n rosa rosa
Wahrscheinlich wirkt hier das Chlorophyll nur durch sein
Reduktionsvermögen, ähnlich wie das p-Kresol in den voran-
gehenden Versuchen.
Mit Alanin waren keine unzweideutigen Resultate zu
bekommen, dagegen war beim Phenylglykokoll der Benzaldehyd-
geruch stärker bei Anwesenheit von Chlorophyll. Dies könnte
eventuell auf die Art und Weise der Benzaldehydbildung in
gewissen Blättern schließen lassen.
Wie wir bereits bemerkt haben, spricht alles dafür, daß wir
es bei vorstehenden Versuchen mit einer oxydativen Desaminie-
rung zu tun haben. Wie ich einleitend erwähnt habe, beob-
achtete Butkewitsch dies auch in vivo. Es war deshalb
wünschenswert zu wissen, ob die Wirkung der Tyrosinase auch
nur bei Gegenwart von Sauerstoff stattfindet, wie dies der Fall
bei Aspergillus niger ist. (Bekanntlich enthalten namentlich
einige Pilze größere Quantitáten von Tyrosinase.)
Ich ersetzte den Sauerstoff also zuerst durch Kohlen-
sáure. Obige Versuche gaben in dieser Atmosphäre nun tat-
sächlich keine Färbung, d. h. also auch keine Desamination.
Desaminierung. 45
Auffallenderweise trat aber auch beim nachherigen Aussetzen
an der Luft der erwartete Reaktion nicht ein. Dies lieB sich
aber dadurch erklären, daß die Tyrosinase in Gegenwart von
Säuren nicht wirksam ist. Durch Hinzufügen von Alkali kann
das Ferment wieder aktiviert werden. Dies könnte nun auf
eine Verbindung zwischen Tyrosinase und Kohlensäure schließen
lassen. Aber schon kräftiges Schütteln konnte das Wiederauf-
treten der Fermentwirkung hervorrufen (Adsorption).
Wasserstoff dagegen zeigte sich als indifferentes Gas. Beim
nachherigen Aussetzen an der Luft ging die Kresolazurbildung
sogar schneller vor sich. Es hatte also eine vorbereitende
Reaktion stattgefunden. Man konnte eine Verbindung mit dem
Ferment vermuten. Um zu sehen, ob diese hypothetische Ver-
bindung imstande sei, der Wirkung der Kohlensäure zu trotzen,
ließ ich das Reaktionsgemisch zuerst 1 Stunde im Wasserstoff
und brachte es dann während einer gleichen Zeitdauer in den
Kohlensäurestrom. Zum Schluß wurde die Luft zutreten ge-
lassen. Man konnte sodann eine Rötung beobachten, wie dies
auch der Fall beim direkten Aussetzen an der Luft nach
1 Stunde ist. Die Rötung ging aber selbst nach 24 Stunden
nicht weiter. Es hatte sich also wahrscheinlich während des
einstündigen Verweilens in der Wasserstoffatmosphäre ein Leuko-
körper gebildet. Die darauffolgende Kohlensáurebehandlung
tötet dann das Ferment ab, und beim schlieBlichen Aussetzen
im Freien färbt sich dann nur der vorgebildete Leukokörper
unter Einwirkung der Luft. Wie dieser Leukokörper sich
bildet, ob er z. B. nach Bach durch Hydrolyse entstehe, dafür
liegen bis jetzt noch keine Beweise vor. `
Diese Versuche haben die problematische Existenz von
Desaminasen also noch zweifelhafter gemacht. Es wäre wohl
von Interesse, zu zeigen, ob die sogenannten Desaminasen nicht
identisch sind mit oxydierenden Fermenten. Auf jeden Fall
haben wir nun gesehen, daß ein oxydierendes Ferment, die
Tyrosinase, die bis jetzt den Desaminasen zugeschriebenen
Eigenschaften auch besitzt.
Die „Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen.
Von
H. Sachs und K. Altmann.
(Aus dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie zu Frankfurt a. M.
[Direktor: Weiland Wirkl. Geh. Rat Prof. Dr. P. Ehrlich, Stellver-
tretender Direktor: Prof. Dr. H. Sachs.))
(Eingegangen am 11. September 1916.)
Im Jahre 1907 haben Sachs und Teruuchi?) festgestellt,
daß die hämolytischen Komplemente des Meerschweinchen-
serums durch Verdünnen mit salzfreiem Wasser inaktiviert
werden. Dabei ergab sich für die Inaktivierung ein Optimum
der Verdünnung (10 fach); bei stärkeren Verdünnungsgraden
blieb die Inaktivierung aus. Ebenso konnte die Inaktivierung
durch Temperaturerniedrigung verhindert werden. Sie war
endlich bei Verwendung älteren, bereits gelagerten Serums,
sowie bei Verwendung frischen und kurz erhitzten Serums nicht
mehr nachweisbar. Da mithin für diese als „Hydrolabilität“
bezeichnete Zerstörbarkeit des Komplements sich außer der
Salzarmut des Mediums auch die Beschaffenheit des Se-
rums von maßgebender Bedeutung erwies, imponierte der
Vorgang zunächst als der Ausdruck der fermentativen Wirkung
eines labilen Serumbestandteiles, der das Komplement nur in
salzarmer Lösung, bzw. nur dann, wenn es durch das salzarme
Medium in eine angreifbare Form verwandelt worden ist,
zerstört.
An der Richtigkeit dieser theoretischen Deutung entstanden
für uns sehr bald Zweifel. Als wir nämlich daran gingen, zur
Trennung der beiden Komplementkomponenten, die nach dem
1) H. Sachs und Y. Teruuchi, Berl. klin. Wochenschr., Nr. 16,
17, 19, 1907.
H.Sachs u. K. Altmann: „Hydrolabilität‘‘d.Komplements u.i. Ursachen. 47
Vorgang von Morgenroth und Ferrata mittels Dialyse vor-
genommen wurde, ein weiteres Verfahren zu gewinnen, ergab
sich uns als gut brauchbare und seither vielfach benutzte Me-
thode die Ausfällung des Meerschweinchenserums mit schwacher
Salzsäure (Laag bis "Leg normal in dest. Wasser).
Daß hiermit die Gewinnung wirksamer Komplementkom-
ponenten trotz 1 stündiger Einwirkung des schwach angesäuerten
Wassers gelang, mußte in Anbetracht der von Sachs und
Teruuchi festgestellten Tatsache, daß bei entsprechendem
Verdünnen mit neutralem Wasser Komplementzerstörung ein-
tritt, überraschen. Ließen uns schon derartige Erfahrungen
die Mitwirkung von Fermenten zweifelhaft erscheinen, so kam
als weiteres Moment die inzwischen erschienene Arbeit von
Tsuda?) hinzu, der zwar prinzipiell unsere Erfahrungen über
die Komplementinaktivierung im salzfreien Medium bestätigte,
aber bei dem von ihm benutzten Rinderserum (an Stelle von
Meerschweinchenserum) in einigen wesentlichen Punkten anders-
artige Verhältnisse beobachtete, als sie nach den Erfahrungen
von Sachs und Teruuchi für das Meerschweinchenserum gelten.
Von besonderem Interesse ist die von Tsuda beschriebene
Tatsache, daß mit ganz frischem Rinderserum, im Gegensatz
zu dem Verhalten des gelagerten Rinderserums, die Inaktivie-
rung durch Wasser oft nicht vollkommen gelingt. Es handelt
sich also hierbei um das Gegenteil der für Meerschweinchen-
serum geltenden GesetzmáBigkeiten. Tsuda bemerkt mit Recht,
daß man zum Verständnis der Unmöglichkeit, ein frisches
Serum zu inaktivieren, nach der Fermenthypothese von Sachs
und Teruuchi einen weiteren Faktor annehmen müßte, näm-
lich die Widerstandsfähigkeit des Komplements gegenüber dem
Ferment. Tsuda hält daher in andersartiger Deutung es für
möglich, daß sich im Serum beim Lagern erst ein Stoff bildet,
der im salzarmen Medium schädigende Wirkung ausübt.
Wir waren nun bestrebt, die mannigfaltigen Erscheinungs-
formen, die bei verschiedenen Serumarten oder bei verschieden
alten Serumproben auftreten, unter einen einheitlichen Ge-
sichtspunkt zusammenzufassen, und die maßgebenden Richtlinien
für die in dieser Hinsicht unternommene experimentelle Analyse,
1) K, Tsuda, Berl. klin. Wochenschr., Nr. 8, 1908.
48 H. Sachs und K. Altmann:
über deren wesentliche Ergebnisse bereits kurz im Jahre 1908
berichtet worden ist!), bot der von uns festgestellte, von
Sachs und Teruuchi noch nicht untersuchte Einfluß der
Reaktion: des Mediums auf die Komplementinakti-
gierung,
Es ist nämlich nicht nur die saure, sondern auch die al-
kalische Reaktion von wesentlichem Einfluß auf die Inakti-
vierung des Komplements beim Verdünnen mit Wasser. Be-
vor wir auf eine Besprechung dieser Tatsachen eingehen,
möchten wir zuvor ein Beispiel unserer Versuche, die sich
hauptsächlich auf Meerschweinchenserum beziehen, wieder-
geben. .
Je 0,5 com frisch gewonnenen Meerschweinchenserums werden ver-
dünnt mit:
a) 4,5 com 0,85°/, NaCl-Lösung,
b) 4,1 » Aqu. dest.
1 1 SlL see HC] (in Aqu. dest.)
41 » Blaat (n y n i) 41 n Bhs (n ns n )
e) 4,1 » Slsee NaOH (n n n k) 41 » foo HCl (n n n )
f) 41 » Pleso- NaOH e nn n )41 » Piao HCl (n n n )
g) 41 » Pho NaOH (n n n m) 41 » hoy HCl (n » n )
Nach 1*/, stündigem Aufenhalt im Brutschrank wurde durch Zu-
satz von je 0,4 ccm 10°/, NaCl-Lösung zu den Verdünnungen b bis m Iso-
tonie hergestellt. Außerdem erhielt die 10°/, NaCl-Lösung für die Proben
c bis m die zur Neutralisation erforderliche HCl-, resp. NaOH-Konzen-
tration.
Die derart isotonisch und neutralisiert erhaltenen 10°/ igen Meer-
schweinchenserumverdünnungen werden nunmehr in üblicher Weise auf
ihren Komplementgehalt geprüft durch Digerieren absteigender Mengen
mit je 1 ccm Hammelblutaufschwemmung unter Zusatz von ca. 10 Am-
boceptoreinheiten spezifischen hämolytischen Immunserums (Volumen:
2,15 ccm).
Das Ergebnis zeigt Tabelle I.
Wie die Tabelle zeigt, ist die Inaktivierung des Komple-
mentes beim Verdünnen mit destilliertem Wasser (b) nach dem
Vorgang von Sachs und Teruuchi prompt eingetreten. Da-
gegen genügt schon ein Gehalt des Wassers an ?/ 00”
NaOH, resp. HC] (c und h), um die Inaktivierung deut-
lich zu hemmen. Mit steigender Konzentration an NaOH
und HCl nimmt auch die Hemmung der Komplementinakti-
1) Tagung der freien Vereinigung für Mikrobiologie, Berlin 1908.
„Hydrolabilität‘‘ des Komplements und ihre Ursachen. A0
Tabelle I.
Vorbehand-
lung des
Meer-
schweinchen-
serums mit
Hámolyse von Hammelblut durch Amboceptor und
10 fach verdünntes Meerschweinchenserum in den
Mengen (com)
0,5 0,1
a) NaCl. . | komplett | komplett | komplett | komplett stark
b) H,O.. 0 0 0 0 0
n.-Na0H
e) age » - | komplett Spur 0 0 0
Tiasa n mäßig 0 0 0
o) Yo . + n komplett wenig 0 0
I) Hape 28 n n komplett ¡fast kompl.| wenig
ER n n stark Spur Spürchen
n.-HCl |
h) tioo e » | Komplett | wonig Spürchen 0 0
Da n komplett mäßig Spürchen | Spürchen
R ao; 0% n n fast kompl. Spur n
UE Een: = n n komplett |fast kompl. Spur
m) *!200 n n n fast kompl.| wenig
vierung zu, und bei”/,,¿¿-NaOH (f), resp. ®/,oo-HCl (m) er:
scheint die Inaktivierung im salzarmen Medium fast
vollständig verhindert.
Der beliebigen Steigerung eines HCl- oder NaOH-Gehaltes
steht natürlich der Umstand im Wege, daß Salzsäure und
Natronlauge an und für sich das Komplement seiner Funktion
berauben. Es erklärt sich daher ohne weiteres, daß eine voll-
ständige Aufhebung der „Hydrolabilität“ des Komplementes
praktisch nicht oder nur selten absolut gelingt, sie vielmehr
in der Regel auch bei optimaler HCI-, resp. NaOH-Konzen-
tration mehr oder weniger unvollständig bleibt. Das beein-
trächtigt aber nicht die prinzipielle Schlußfolgerung, daß die
Hydrolabilitát sowohl durch Alkali, als auch durch
Säure aufgehoben wird.
Man könnte nun zunächst daran denken, daß es sich
gleichwohl um ein fermentartiges, die Komplementinaktivierung
bedingendes Prinzip handelt, dessen Funktion sowohl durch
Säure, als auch durch Alkali gehemmt wird. Die weitere
Analyse hat aber eine andere Erklärung ergeben. Schon
wenn man die äußere Beschaffenheit der mit salzfreiem
Wasser hergestellten Meerschweinchenserumverdünnungen mit
Biochemische Zeitschrift Band 78. 4
50 H. Sachs und K. Altmann:
und ohne Salzsäure-, bzw. Natronlaugezusatz betrachtet, ergeben
sich deutliche Unterschiede. Die mit neutralem Wasser her-
gestellte Verdünnung weist eine leichte gleichmäßige Trübung
auf. Alkalizusatz bewirkt eine Klärung, Säurezusatz eine Ver-
stärkung bis zur Ausflockung. Die Deutung dieser Unter-
schiede macht keine Schwierigkeiten. Es handelt sich offenbar
um typische Veränderungen der Globuline. Die Salzarmut
bildet ja ein zur Globulinfällung führendes Moment. Beim
Meerschweinchenserum genügt aber das einfache Verdünnen
mit Wasser nicht, um eine Fällung der Globuline zu be-
wirken; die Veränderung äußert sich vielmehr nur in einer
mehr oder weniger starken Trübung. Alkalizusatz beseitigt
diese Trübung, und Ansäuern der salzarmen Verdünnung führt
die Trübung in eine Niederschlagsbildung über. Nimmt man
dementsprechend an, daß die maximale Hydrolabilität des
Komplementes abhängig ist von einem bestimmten Grade
der Globulinveränderung, der sich aber noch nicht als Aus-
flockung dokumentieren darf, so erscheint die Bedeutung der
Reaktion des Mediums ohne weiteres verständlich. Denn Alkali
verhindert die Globulinveränderung, während Säure dieselbe so
verstärkt, daß ein sichtbarer und zentrifugabler Niederschlag
entsteht. Erst durch den Umstand, daß die durch Kombination
von Säure und salzfreiem Medium bedingte Ausflockung gleich-
zeitig die Komplementinaktivierung verhindert, war es uns
möglich, in der Salzsäurefällung eine Methode zur Trennung
von „Mittel- und Endstück“ aufzufinden,
Wenn man nun für die Komplementinaktivierung im salz-
armen Medium die Globulinveränderung verantwortlich machen
und ein fermentatives Agens ausschließen will, so mußte natür-
lich auch die schon von Sachs und Teruuchi aufgefundene
Abhängigkeit der Hydrolabilität von der Temperatur
in gleichsinniger Weise eine Erklärung finden können. Eine
solche ergibt sich nun ohne weiteres, wenn man berücksichtigt,
daß Temperaturerniedrigung für die Globulinfällung gleichzeitig
ein Begünstigungsmittel darstellen kann. Offenbar bewirkt eine
solche Wasserverdünnung, die bei 37° optimale Bedingungen
für die Komplementinaktivierung schafft, bei 0% bereits eine zu
hochgradige Globulinveränderung, und man kann sich leicht
davon überzeugen, daß mit Wasser bereitete Meerschweinchen-
„Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 51
serumverdünnungen, die bei 37° nur getrübt erscheinen, bei 0°
bereite eine Ausflockung erkennen lassen. Wenn dementspre-
chend bei Verdünnung frischen Meerschweinchenserums mit
Wasser nur die zu starke Globulinalteration die Ursache für
das Ausbleiben der Komplementinaktivierung in der Kälte dar-
stellt, so mußte es durch Alkalizusatz, also durch das gleiche
Mittel, das bei 37° die Inaktivierung verhindert, ge-
lingen, bei 0° eine Inaktivierung herbeizuführen. Die
Bedingungen mit und ohne Alkalizusatz bei 0° mußten sich also
zu denjenigen bei 37° gewissermaßen wie das Negativ zum
Positiv verhalten. Dagegen darf man von der Säure bei 0%
keine prinzipielle Veränderung des Verhaltens erwarten; man
könnte höchstens vermuten, daß eine bei 0% partiell erfolgende
Inaktivierung durch Säure gehemmt bzw. aufgehoben wird.
Die experimentelle Analyse hat eine vollkommene
Bestätigung der hier entwickelten Schlußfolgerungen
ergeben, und es sei gestattet, hierfür im folgenden ein Ver-
suchsbeispiel anzuführen.
Je 0,5 com frisch gewonnenen Meerschweinchenserums werden im
Eistopf (09) digeriert mit:
a) 4,5 ccm 0,85°/, NaCl-Lösung
b) 4,1 ccm Aqu. dest.
c) 4,1 i) 4,1 -
d 41 » "NaOH k) A) » "Lo HCl
e) 4,1 » */100"NaOH 1) 41 » 2/00. HCl
3 4,1 » iso NaOH m) 41 na Ss HO
g) ln Slkee- NaOH n) 4,1 » Soe HO
h) 41 n ?/,.o-Na0OH 0) 41 » Slsse HO
Alle Normallösung-Verdünnungen in Aqua dest.
Nach 1'/, stündigem Aufenthalt der Gemische bei 0° wurde durch
Zusatz von je 0,4 ccm 10°/, NaCl-Lösung zu den Verdünnungen b bis o
Isotonie hergestellt. Die 10%, NaCl-Lösung enthielt außerdem für die
Proben c bis o die zur Neutralisation erforderliche HO. resp. NaOH-
Konzentration.
Die derart isotonisch und neutralisiert erhaltenen 10°| igen Meer-
schweinchenserumverdünnungen wurden auf Komplementgehalt durch
Digerieren absteigender Mengen mit je 1 ccm Hammelblut- Aufschwem-
mung unter Zusatz von hämolytischem Immunserum (ca. 6 Amboceptor-
einheiten) geprüft (Volumen: 2,15 ccm).
Das Ergebnis zeigt Tabelle II.
4*
59 H. Sachs und K. Altmann:
Tabelle II
deter Hámolyse von Hammelblut durch Amboceptor und
per Sp l0fach verdünntes Meerschweinchenserum in den
men, Mengen (ccm)
ohenserums
bei 0° mit 0,15 0,1
wenig
mäßig
b) H,O stark n n
n.-Na0H
Cd AR mäßig wenig Spur
d) t iso wenig Spur Spürchen
e) ?/1000 Spur Spúrchen n
P) Ve 0 0 0
g) so > 0 0 0
h) 250 mäßig wenig Spur
n.-HCl
i) *2000 komplett | komplett Test kompl.) mäßig wenig
k) 1] 600 p n n ” n
1) 211000 n n n n n
m) ió ” n n n n
n) 2/500 ” n n n ”
o) Lang n n A n ”
Das in der Tabelle notierte Versuchsergebnis entspricht
unseren Erwartungen. Die Inaktivierung im salzfreien Medium
ist bei bei 0° (b) fast vollständig unterblieben, wie das bereits
durch die Untersuchungen von Sachs und Teruuchi bekannt
ist. Dagegen bewirkt bereits ein NaOH-Gehalt von
San (e) eine Abschwächung beim Verdünnen mit
Wasser, und mit Steigen der NaOH-Konzentration
(d bis g) zeigt sich in immer höherem Grade auch bei
0° die Hydrolabilität des Komplementes, dessen Inak-
tivierung schließlich bei ?/,,, NaOH (g) im salzarmen
Medium bei 0% fast vollständig gelingt. Eine Komple-
mentzerstörung durch Alkaliwirkung kommt nicht etwa in
Frage. Denn einmal hebt ja Natronlauge in entsprechenden Kon-
zentrationen bei 37° die Hydrolabilität des Komplementes auf.
Dann aber bewirken auch in der Kälte größere Alkalimengen
(*/,,) normal), wie Spalte h der Tabelle zeigt, eine Hemmung
der durch geringere Alkalikonzentrationen grade zum Nachweis
gelangenden Hydrolabilitát,
Unter diesen Umständen kann ein Zweifel an der Beweis-
kraft des Versuches nicht bestehen. Er lehrt uns, daß eine
„Hydrolabilität‘‘ des Komplements und ihre Ursachen. 53
durchgreifende Abhängigkeit der Hydrolabilität von
der Temperatur, wie sie Sachs und Teruuchi annahmen,
nicht besteht, daß vielmehr im salzarmen Medium
auch bei 0% die Inaktivierung erfolgt, wenn nur durch
Alkalizusatz die durch Temperaturerniedrigung ver-
änderten Bedingungen den bei höherer Temperatur
und neutraler Reaktion bestehenden adáquat werden.
Daß Sáurezusatz in der Kälte (i bis o der Tabelle II) ohne
EinfluB ist oder die Komplementwirkung sogar besser erhált
als neutrales Medium, entspricht nur den Folgerungen, die wir
gezogen haben?).
Mit dem Nachweis, daB fir die Hydrolabilitát des Komple-
mentes ein prinzipieller Unterschied zwischen 0% und 37% nicht
besteht, verliert die Fermenthypothese ihre wichtigste Stütze.
Wir erblicken seither die Ursache der Hydrolabilität
in einem optimalen Einfluß auf die Serumglobuline.
Sein Zustandekommen wird offenbar bestimmt einerseits durch
äußere Faktoren, andererseits durch die Beschaffenheit des
Serums (Labilität bzw. Stabilität der Globuline, Alkalescenz).
Ein zu hoher Grad der Globulinalteration, der sich schließlich
in sichtbarer Flockung zeigt, ist ebenso hinderlich, wie das
Fehlen der erforderlichen Bedingungen.
Dieser Auffassung entspricht durchaus die Aufhebung der
Hydrolabilität frischen Meerschweinchenserums bei Temperatur-
erniedrigung. Wir glauben aber nicht fehlzugehen, wenn
wir auch die Aufhebung der Inaktivierung bei zu großer Ver-
dünnung mit salzfreiem Wasser (vgl. Sachs und Teruuchi)
auf das gleiche Prinzip zurückführen. Denn mit der Stärke
der Verdünnung wächst unter sonst gleichen Bedingungen der
Einfluß auf die Globuline. Wenn dem aber so ist, so müssen
für das Ausbleiben der Inaktivierung bei 37° durch zu starkes
Verdünnen dieselben Gesetzmäßigkeiten gelten, wie wir sie für
einen optimalen Verdünnungsgrad bei 0% kennen gelernt haben.
Daß tatsächlich dementsprechend auch bei zu starker Ver-
1) Da Salzsäure an und für sich bei höherer Temperatur stärker
schädigend auf die Komplemente zu wirken scheint, als bei niedriger,
dürfte es sich vielleicht in Zukunft empfehlen, die Spaltung des Kom-
plementes nach unserer Methode bei 0° anstatt bei Zimmertemperatur
vorzunehmen.
y AAA A A AY RAR E O AAA As MARA GENEE, ee
54 H. Sachs und K. Altmann:
dünnung die Hydrolabilität durch einfachen Alkalizusatz nach-
gewiesen werden kann, zeigt folgendes Versuchsbeispiel.
Je 0,25 ccm frischgewonnenen Meerschweinchenserums wurden
digeriert mit:
a) 9 com 0,85 °/,iger NaCl-Lösung
b) 8,2 ccm Aqu. dest.
ol 8,2 ocm place Na (in Aqu. dest.) | g) 8,2 ccm */,500-HCl (in Aqu. dest.)
d) 82 » ”/.00m:-Na0H (n a a )|h)82 » Son HCl (n n n )
e) 82 » *"l.so-Na0H (n n n Ji) 82 n»n Yro HCl (n n nh)
f) 82 n "jiso NaOH (n n a )|k) 82 n 2/..-HCl (nn n)
Nach einstündigem Aufenthalt der Gemische bei 37° wurde durch
Zusatz von je 0,8 com 10°/,iger NaCl-Lösung zu den Proben b bis k
Isotonie hergestellt. Die 10°/,ige Kochsalzlösung enthielt außerdem für
c bis k die zur Neutralisation erforderlichen HCI-, resp. NaOH-Mengen.
Es resultierten mithin 37fache Meerschweinchenserumverdünnungen. Um
den Komplementnachweis bei der geringen Konzentration noch hin-
reichend zu ermöglichen, wurde die Titration mit den Mengen von 2,0 ccm
begonnen und absteigende Mengen, um das Volum nicht wesentlich zu
steigern, mit je 0,25 oom 4fach konzentrierten (ca. 20%/,i gen) Hammel-
blutes unter reichlichem Amboceptorüberschuß digeriert (Volumen: 2,4 ccm).
Das Ergebnis zeigt Tabelle III.
Tabelle III
Hämolyse von Hammelblut durch Am-
boceptor und absteigende Mengen 37fach
verdünnten Meerschweinchenserums in
den Mengen
0,5 ccm | 0,25 com
Vorbehandlung des Meer-
schweinchenserums mit
2,0 ccm
Ed o E komplett ¡fast kmpl.
Deo: we ee komplett ¡fast End: Spürchen
n-HCl
De ua rn ae E komplett u komplett | Spürchen
g 500 p
VU E A bt i Spur
Dee en a Spürchen
Kult ee n
Die Tabelle zeigt ein ganz ähnliches Bild wie Tabelle II,
in der die Ergebnisse bei ca. 10fachem Verdünnen im salz-
armen Medium bei 0% notiert sind. Die Bedingungen ent-
sprechen also bei starker Verdünnung (37fach) und
„Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 55
Brutschranktemperatur denjenigen bei geringerer
Verdünnung (ca. 10fach) in der Kälte. Auch im ersteren
Falle ist die Inaktivierung bei neutraler Reaktion nur relativ
geringgradig (b), wird aber durch NaOH-Zusatz vollständig,
während stärkere NaOH-Mengen, ebenso wie HCl die Hydro-
labilität des Komplementes aufheben. Wir werden danach
die Abnahme der Hydrolabilität des Komplementes bei zu
groBer Wasserverdünnung auf eine zu starke Globulinalteration
zurückzuführen und in dem Einfluß geringer NaOH-Konzentra-
tionen (c und d) eine Herabminderung der Globulinveränderung
auf den für die Komplementinaktivierung optimalen Grad zu
erblicken haben.
Wenn man nun berücksichtigt, daß für das Verhalten der
Globuline außer äußeren Einflüssen, wie sie durch den Grad
der Wasserverdünnung, durch Temperatur und Reaktion des
Mediums bestimmt werden, auch die Beschaffenheit des Serums
als solche eine maßgebende Bedeutung besitzt, so kann es
nicht wundernehmen, daß in dem Verhalten der Serumkomple-
mente beim Verdünnen mit Wasser sowohl in bezug auf die
Qualität des Serums, insbesondere dessen Alter, als auch in
bezug auf die Tierart, von der das Serum stammt, wesentliche
Unterschiede bestehen.
So erklären sich zunächst die Angaben von Sachs und
Teruuchi, nach denen die Hydrolabilitát des Komplements
einerseits durch Lagern des Serums, andererseits durch kurzes
Erhitzen frischen Serums vermindert oder aufgehoben werden
kann. Offenbar spielen hierbei Alkalescenzerhöhung, sowie
erhöhte Stabilität der: Globuline eine Rolle. Dem entspricht
es, daß, wie wir!) im Anschluß an die von Klausner ange-
gebene Fällungsreaktion, ebenso wie Citron?), feststellen
konnten, die Sera ihre Fällbarkeit durch Wasserverdinnung
beim Inaktivieren oder beim Lagern einbüßen.
Beim Verdünnen bereits gelagerter Proben von Meer.
schweinchenserum mit Wasser ist es uns allerdings, auch unter
Veränderungen der Reaktion durch Salzsäure- bzw. Natron-
1) Diskussionsbemerkungen Berl. klin. Wochenschr. 522, 1908. (Vgl.
auch H. Sachs: La semaine médicale, 24. Juni 1908.)
DJ Citron: Berl. klin. Wochenschr. Nr. 9, 1908.
56 H. Sachs und K. Altmann:
laugezusatz, bisher nicht gelungen, einwandfreie Ergebnisse zu
erhalten.
Zwar wurden in einer Reihe von Versuchen ältere Sera, die beim
einfachen Verdünnen mit Wasser nicht oder nur in geringem Grade in-
aktiviert wurden, bei HCl-Zusatz ihrer Komplementfunktion beraubt.
Jedoch waren hierzu erhebliche HCI-Konzentrationen erforderlich, die
bereits in derjenigen Zone lagen, in der eine Ausflockung durch Säure-
überschuß nicht mehr erfolgt. Immerhin handelte es sich um solche
Säuregrade, die bei Benutzuug von physiologischer Kochsalzlösung als
Verdünnungsmedium auf den Komplemeñtgehalt nicht wesentlich von
Einfluß waren. Wir möchten diese Befunde erwähnen, ohne sie zu be-
stimmten Schlußfolgerungen zu verwerten. Auch bei Verwendung frischen
Meerschweinchenserums mit ausgesprochener Hydrolabilitát der Komple-
mente trat bei einem HCl-Überschuß Inaktivierung ein, obwohl gleiche
HCI-Konzentrationen in 0,85°/,iger NaCl-Lósung nicht oder nur gering-
gradig wirkten und geringere HCI-Konzentrationen in Wasser gerade die
Hydrolabilitát aufhoben. Es sei jedoch dahingestellt, ob die Inaktivie-
rung bei Säureüberschuß in Wasser eine Folge des Ausbleibens der Aus-
flockung ist oder ihre Ursache in einer reinen zerstörenden Säurewirkung
hat, die dann bei Salzgegenwart gehemmt erscheinen würde.
Erlauben so die Versuche mit verschieden alten Proben
des Meerschweinchenserums keine bestimmten Schlußfolgerungen,
so entsprechen vergleichende Untersuchungen mit Meerschwein-
chenserum und Rinderserum um so mehr unserer Vorstellung,
nach der die Ursache der Hydrolabilität des Komplementes
in einer optimalen Globulinalteration gelegen ist.
Das Rinderserum unterscheidet sich nach den schon er-
erwähnten Versuchen von Tsuda dadurch vom Meerschwein-
chenserum, daß es in der Regel gerade im frischen Zustande
nicht, — dagegen nach dem Lagern beim Verdünnen im salzfreien
Medium inaktiviert wird. Wenn man nun berücksichtigt, daß
das Rinderserum bei zahlreichen Flockungsreaktionen, vor allem
schon beim Verdünnen mit Wasser viel leichter ausgeflockt wird,
also eine erheblich größere Labilität der Globuline besitzt als
das Meerschweinchenserum, so wird die von Tsuda aufgefun-
dene Differenz unter Berücksichtigung unserer mitgeteilten Er-
fahrungen kaum mehr überraschen können. Man wird dann
erwarten dürfen, daß es durch eine Herabsetzung der Aus-
flockbarkeit mittels NaOH-Zusatz beim Verdünnen des Rinder-
serums mit Wasser ebenso gelingt, eine Inaktivierung zu er-
reichen, wie beim Meerschweinchenserum in der Kälte. Daß
dem tatsächlich so ist, zeigt folgendes Versuchsbeispiel.
„Hydrolabilität‘“ des Komplements und ihre Ursachen. 5
Je 1,5 ccm frischen Rinderserums wurden mit
a) 6 ccm 0,85°/,iger NaCl-Lósung
b) 5,4 ccm Aqu. dest.
c)5,4 ccm®/,o00-Na0OH (in Aqu. dest.) | h) 5,4 cem %/,000-HC1 (in Aqu. dest.)
d)5,4 n °%:,000Na0OH(n n» n»n ) 1) 5,4 n ®/ 000” n n )
e) 5,4 n P/wo NaOH (n n n n 500 )
f}54 a "Jao NaOH(» n n ) 1) 54 n Bee HCl ( » )
g)54 » Pjg NaOH (a n n mn Blanc HCI (»
s/, Stunden im Brutschrank digeriert. Sodann wurde neutralisiert und
besalzen. Es resultierten also 5-fache Rinderserumverdünnungen, die
in absteigenden Mengen unter Zusatz von je 0,25 ccm 20°/,iger Kanin-
chenblutaufschwemmung auf ihren Gehalt an normalem Kaninchenblut-
hämolysin geprüft wurden (Volumen: 2,25 ccm).
Das Ergebnis zeigt Tabelle IV.
Tabelle IV.
Ne
a
~A
S
ie
P
D
=.
Q
~
3
a 3 3 3
n
n
”
Vorbehandlung | Hämolyse von Kaninchenblut durch 5fach verdünntes
des Rinderserums Rinderserum in den Mengen
mit 2,0 com | 15com | 1,0cem | 0,5 com
a) NaCl komplett | komplett komplett stark
b) H,O . . n | n n Spürchen
n-Na0H
e) Haag ° + » + | Komplett komplett Spur 0
ee . [fast komplett stark 0
e) swo - - 0 0 0
f) aso - wenig Spürchen 0
g) Ys - - e komplett komplett komplett Spúrchen
n-HCl
h) 1/3000 komplett komplett komplett Spürchen
i) "/1000 n n n wenig
k) "1500 n n n l n
1) Yeso n mäßig
m) e n | wenig
Die Tabelle bestätigt zunächst (in den Spalten a und b)
die Feststellung Tsudas, daß die Inaktivierung frisch
gewonnenen Rinderserums im salzarmen Medium nicht
gelingt. Aus den folgenden Teilen der Tabelle erhellt aber,
daß unsere Vermutung zutrifft, und daß es durch Alkali-
zusatz gelingt, die Hydrolabilität des Komplementes
auch im frisch gewonnenen Rinderserum zu demon-
strieren. Das Optimum liegt bei einer NaOH-Konzentration
von "eg normal, die eine vollständige Inaktivierung erlaubt
(Spalte e). Stärkere NaOH-Konzentrationen (f und g) heben
die Inaktivierbarkeit wieder auf, weil sie der Globulinalteration
in zu hohem Maße entgegenwirken, während Säurezusatz aus
58 H. Sachs und K. Altmann:
dem umgekehrten Grunde eher einen entgegengesetzten Einfluß
ausübt.
Die Richtigkeit unserer Folgerungen ergibt sich weiterhin
aus -der Analyse solcher Rinderserumproben, die bei gleich-
artigem Verdünnen mit neutralem Wasser inaktiviert werden.
Wir selbst haben auch gelegentlich ganz frische Rindersera
untersucht, deren Komplemente, wie es bei frischem Meer-
schweinchenserum die Regel ist, hydrolabil waren. Im anderen
Falle, wofür Tabelle V ein Versuchsbeispiel darstellt, haben
wir in Übereinstimmung mit den Angaben Tsudas die Hydro-
labilität der Komplemente beim Lagern eintreten sehen. Gleich-
gültig aber, ob die Hydrolabilität des Rinderkomplementes von
Anfang an bestand oder erst nach dem Lagern nachweisbar
wurde, war es in allen Fällen, in denen die Inakti-
vierung bei neutraler Reaktion erfolgte, möglich,
dieselbe sowohl durch NaOH- als auch durch HCl-
Zusatz zu hemmen.
So zeigt der folgende Versuch mit einem 2 Tage alten
Rinderserum die gleichen Verhältnisse, wie sie für frisches
Meerschweinchenserum typisch sind.
Je 1,5 ccm 2 Tage alten Rinderserums wurden ?/, Stunden im
Brutschrank digeriert mit:
a) 6,0 com 0,85°/,ige NaCl-Lösung.
b) 54 » Aq. dest.
0) 5,4 ccm pl NaOH (in Aq. B
f) 5,4 ccm „nso HOI (in Aq. dest.).
d) 54 n Phs NaOH (n n» n g) 5,4 n Bloe HCl (n n n ).
e) 54 n Pjes NaOH (n n» » h) 54 „ Blsse- HO n n ).
Sodann wurde besalzen und neutralisiert, daB 5fache Verdünnungen
von Rinderserum resultierten. Dieselben wurden auf ihren Hämolysin-
gehalt durch Zusatz von je 0,25 ccm 20°/,iger Kaninchenblutaufschwem-
mung zu absteigenden Mengen der Serumverdünnungen geprüft.
Das Ergebnis zeigt Tabelle V.
Die Tabelle V zeigt hier für das Rinderserum dieselben
Gesetzmäßigkeiten, wie sie für frisches Meerschweinchenserum
gelten. Während die Komplemente des Rinderserums beim
Verdünnen mit neutralem Wasser inaktiviert werden, bewirkt
der Zusatz von Natronlauge oder Salzsäure eine Hem-
mung bzw. eine Aufhebung der Hydrolabilität. Der von
Tsuda beschriebene Unterschied zwischen Meerschweinchen-
serum und Rinderserum erscheint daher keineswegs von prin-
„Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 59
Tabelle V.
Vorbehandlung | Hämolyse von Kaninchenblut durch 5 fach verdünntes
des Rinderserums Rinderserum in den Mengen
mit
0,5 ccm
Spürchen
0
n-Na0H
eh Pr o. Spürchen 0 0
d) Viso. . komplett Spur 0
SU n komplett 0
n-HCl
Haag komplett mäßig 0
g) Laag S n komplett 0
h) 2/250 n » n 0
zipieller Natur, hat vielmehr gewissermaßen nur quantitativen
Charakter. Die Ursache glauben wir, wie wir das erörtert
haben, in dem verschiedenen Grade der Globulinstabilität er-
blicken zu sollen, die eben in der Regel beim Meerschweinchen-
serum weit größer ist als beim Rinderserum. Die Inakti-
vierung der Komplemente ist in diesem Sinne ab-
hängig von dem Eintritt einer bestimmten Form der
Globulinveränderung, die aber im allgemeinen nicht
so hochgradig sein darf, daß bereits eine Ausflockung
eintritt. In vielen Fällen gehen daher Komplementinakti-
vierung und die äußerlich sichtbare Trübung des Serums (ohne
Niederschlagsbildung) einander parallel.
Die Hydrolabilität des Komplements wird nach
alledem bestimmt:
1. durch die Beschaffenheit des Serums (Labilität
bzw. Stabilität der Globuline, Alkalescenz),
2. durch die Temperatur,
3. durch die Reaktion des Mediums.
Über die hier mitgeteilten Untersuchungen!) ist zum ersten
Male im Jahre 1908 auf der Tagung der Freien Vereinigung
für Mikrobiologie berichtet worden?). Wir haben sodann die
1) Das Manuskript der bisherigen Ausführungen war bereits Anfang
1914 fertiggestellt; die Veröffentlichung ist durch äußere Ursachen ver-
zögert worden.
2) H. Sachs, Centralbl. f. Bakt., I. Abtlg., Referate, Bd. 42, Bei-
heft, 1908.
HI H. Sachs und K. Altmann:
Bedeutung der Ergebnisse in ihrem Zusammenhange mit anderen
Formen der antikomplementären Wirkung, zumal mit der Wasser-
mannschen Reaktion, mehrfach, zunächst in unserem Aufsatz
„Komplementbindung“ erörtert!) und werden hierauf in
einer späteren Arbeit auf Grund neu gewonnener experimen-
teller Ergebnisse zurückkommen. Inzwischen ist insbesondere
durch die interessanten Untersuchungen U. Friedemanns”)
die Aufmerksamkeit auf die allgemeine Eigenschaft der Globu-
line, antikomplementär zu wirken, gelenkt worden. Friede-
mann erblickt in der antikomplementären Globulin-
wirkung die Ursache einer Reihe von Erscheinungen (spon-
taner Komplementschwund, Komplementbindung, auch bei der
Wassermannschen Reaktion) und verweist u. a. auf die Tat-
sache, daß die in Betracht kommenden Vorgänge durch Er-
höhung der Salzkonzentration aufgehoben werden?).
Schon Friedberger*) hat gezeigt, daß das spontane
Schwinden des Komplements beim einfachen Lagern durch
einen starken Kochsalzgehalt verhindert oder erheblich hinaus-
geschoben werden kann, und dabei, der Auffassung von Sachs
und Teruuchi über die Hydrolabilität folgend, an die Mög-
lichkeit gedacht, daß komplementvernichtende Vorgänge im
Normalserum in ihrer Wirkung gehindert werden. Tatsächlich
hat der eine von uns°) zeigen können, daß man, ebenso wie
durch erhöhten Salzgehalt, auch durch kurzdauerndes Er-
hitzen (etwa 10 Minuten auf 50 bis 52°) die Komplemente
im Meerschweinchenserum bis zu einem gewissen Grade
konservieren kann. Es handelt sich also hier um denselben
Eingriff, der nach Sachs und Teruuchi die Hydrolabilitát
verhindert, und es ist auch hiernach kaum zu zweifeln, daß
beiden Vorgängen entsprechende Globulinwirkungen zugrunde
liegen. Es ist daher in den zahlreichen, aus dem hiesigen
DH Sachs und K. Altmann, Handb. d. pathogenen Mikro-
organismen, 1. Aufl., 2. Ergänzungsbd., 1909. l
2) U. Friedemann, Zeitschr. f. Hygiene 67, 279, 1910.
3) Vgl. hierzu auch L. Hirschfeld und R. Klinger, Zeitschr. f.
Immunitätsforsch. 21, 40, 1914; Berl. klin. Wochenschr. 1914, Nr. 25.
4) E. Friedberger, Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 41; Centralb).
f. Bakt., 1. Abtlg., (Orig.)-Bd. 46, S. 441, 1908.
5) H. Sachs, Handb. d. pathogenen Mikroorganismen 2, 873, 1913,
2. Aufl. i
„Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 61
Laboratorium hervorgegangenen Arbeiten über verschiedene
Formen der Komplementinaktivierung, bei denen insbesondere
die Abhängigkeit von der Serumkonzentration und die Resti-
tuierbarkeit der erloschenen Komplementfunktion auffällig war,
versucht worden, die Erscheinungen dem allgemeineren Prinzip
der antikomplementären Globulinwirkung im Sinne Friede-
manns unterzuordnen.
Folgt man aber dieser Betrachtung, so kann man in der
antikomplementären Globulinwirkung immer nur das letzte Glied
des Vorgangs erblicken. Das ursächliche Moment der Hydro-
labilität und entsprechender Inaktivierungsvorgänge ist jedoch,
wie sich aus unseren Versuchen ergibt, die geeignete physika-
lische Veränderung des Serums bzw. seiner Globuline. Das
Wesentliche ist dabei der geringe Fällungsgrad, der sich meist
in einer eben wahrnehmbaren Trübung dokumentiert. Für die
Hydrolabilität ist also ein Optimum der Globulinalteration maß-
gebend, dessen Überschreitung den Inaktivierungsprozeß ver-
hindert. Es dürfte von grundlegender Bedeutung sein, daß für
diese Zustandsänderung, die man, ganz abgesehen von weiteren
Vorstellungen, jedenfalls als primär auslösende Phase auffassen
muß, eine scharfe Abhängigkeit von der Beschaffenheit der
Globuline (Labilität) und des Mediums (Reaktion, Temperatur)
besteht. Wie sich schon aus den Versuchen von Sachs und
Teruuchi ergibt, ist diese wesentliche Serumbeschaffen-
heit labiler als die Komplementwirkung und kann dem-
nach durch künstliche Eingriffe beseitigt werden, ohne daß die
Komplementfunktion erlischt.
Die sich aus der Analyse der Hydrolabilität ergebende Be-
trachtungsweise scheint uns für das Verständnis der Komple-
mentfunktion und der antikomplementären Wirkungen von zu-
nehmender Bedeutung zu werden. So bestehen zwischen den
Auffassungen, zu denen P. Schmidt?) in seinen interessanten
Arbeiten in Gemeinschaft mit Liebers gelangt ist, und unseren
Vorstellungen in vieler Hinsicht Beziehungen, und die schönen
Untersuchungen von Hirschfeld und Klinger?) bewegen sich
in ähnlicher Richtung. Auch die genannten Autoren haben bei
DP Schmidt und M. Liebers, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 19,
373, 1913; 22, 220, 1914.
2) ]. o., vgl. auch diese Zeitschr. 70, 398, 1915.
62 H.Sachsu.K. Altmann: , Hydrolabilitát“ d.Komplements u.i. Ursachen.
gewissen Formen der Komplementinaktivierung das Maßgebende
in Globulinveränderungen erblickt, und insbesondere schließen
sich Hirschfeld und Klinger unserer Deutung des Zustande-
kommens der Hydrolabilität an, indem sie als Folge des Salz-
mangels die Veränderung des physikalischen Zustandes der
Serumkolloide betrachten.
Wir möchten auf Grund unserer Versuche noch einmal als
wesentlich hervorheben, daß die Veränderung der Globuline
einen gewissen Grad nicht überschreiten darf — die Verände-
rung erscheint als eine Vorstufe der sichtbaren Fällung —, und
erblicken in den seither gewonnenen experimentellen Ergeb-
nissen eine Bestätigung für die Richtigkeit unserer, schon vor
vielen Jahren geäußerten Vermutung?), „daß die gleiche Zer-
störung des Komplements, welche beim Verdünnen mit
Wasser eintritt, auch im salzhaltigen Milieu erzielt
werden kann, wenn durch andersartige Faktoren die
für die Zerstörung wesentliche Alteration des Serums
bedingt wird.“
Zusammenfassung.
1. Die Hydrolabilität der Komplemente des Meer-
schweinchenserums (Inaktivierung im salzarmen Medium) wird
sowohl bei geeigneter saurer als auch bei alkalischer Reaktion
aufgehoben.
2. Die Hydrolabilität tritt in der Kälte nur bei alkalischer
Reaktion ein. |
3. Bei starker Serumverdünnung bewirkt erst Alkalizusatz
die Hydrolabilität des Komplements.
4. Für Rinderserum gelten im wesentlichen die gleichen
Gesetzmäßigkeiten. Fehlt bei frischen Serumproben die Hydro-
labilität, so kann sie durch geeignete alkalische Reaktion er-
zielt werden.
5. Die Hydrolabilitát ist bedingt durch einen bestimmten
Grad der Globulinveränderung, für den einerseits die Beschaffen-
heit des Serums (Labilität bzw. Stabilität der Globuline, Alka-
lescenz), andererseits Temperatur und Reaktion des Mediums
maßgebend sind.
1) H. Sachs und K. Altmann, Handb. d. pathogenen Mikroorga-
nismen, 1. Aufl., 2. Ergänzungsbd., S. 543 (vgl. auch S. 459), 1909.
Über die physiologische Verwertung synthetischer
Fettsäureester.
Von
Johannes Müller.
I. Mitteilung.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester.
Von
Johannes Müller und Hans Murschhauser.
(Aus dem biochemischen Institut der Düsseldorfer Akademie für
praktische Medizin.)
(Eingegangen am 12. September 1916.)
Mit 11 Figuren im Text.
Seit mehreren Jahren vertritt der eine von uns (Johannes
Müller) die Anschauung, daß die akute Alkoholvergiftung in
ihrem Wesen eine typische Verdrängungsreaktion darstelle. Der
Begriff der Verdrängungsreaktion ist selbst in der reinen or-
ganischen Chemie verhältnismäßig spät scharf formuliert worden,
obwohl eine Reihe von tatsächlichem Material bereits vorlag.
Ist doch z.B. noch zu der Zeit, als die bekannte Verseifungs-
methode von Kossel und Obermüller in Aufnahme kam,
über den Verlauf dieser Reaktion diskutiert worden, ohne daß
der Begriff „Verdrängung“ herangezogen wurde. In der Phy-
siologie scheint der Begriff der Verdrängungsreaktion überhaupt
noch nicht gebraucht worden zu sein, obwohl, wie uns scheint,
diese Erklärungsmöglichkeit für die Wirkung einer Reihe körper-
fremder Substanzen mindestens diskutabel ist. Kommt z.B.
eine gewisse Menge Äthylalkoholin die Ganglienzellen,
so muß sich eigentlich dort eine Verdrängungsreaktion
abspielen, indem der Äthylalkohol mit dem Glycerin um den
Besitz der Fettsäuren, der Fette und der Lipoide konkurriert.
Die dadurch bedingte Destruktion von Lipoidmole-
külen müßte dann selbstverständlich weitgehende
physiologische Folgen haben.
64 Johannes Müller und H. Murschhauser:
Über die seit langem im Gange befindlichen Untersuchungen,
welche die eben geschilderte Anschauung durch exakte Ana-
lysen vergifteter Organe stützen sollen, wird demnächst be-
richtet werden. Schließlich aber ist es eine uralte Erfahrung,
daß Fett in gewissem Sinne die giftige Wirkung des Äthyl-
alkohols herabsetzt; vielleicht kann auch die von Salzmann
im Tübinger pharmakologischen Institut beobachtete Tatsache,
daß die narkotische Wirkung des Äthylalkohols durch gleich-
zeitig gereichte starke Fettdosen stark abgeschwächt, gegebenen-
falls sogar gänzlich aufgehoben werden kann, mit der hier ent-
wickelten Theorie der Verdrängungsreaktion in Beziehung ge-
bracht werden.
Aus der geschilderten Anschauung erwuchs von selbst der
Wunsch, näheres über das Verhalten von per os verabreichten
Fettsäureestern im intermediären und allgemeinen Stoffwechsel
festzustellen. In den Kreis der Untersuchungen sind eine Reihe
von Estern der natürlichen Fettsäuren mit zahlreichen ein-
und mehrwertigen Alkoholen gezogen worden; es ist weiter
beabsichtigt, Glycerinester künstlicher Fettsäuren zu studieren,
die aus Material wie Kohle, Petroleum usw. gewonnen werden.
Wenn zunächst über das Verhalten der Fettsäureäthylester be-
richtet wird, so hat das natürlich seinen Grund in den augen-
blicklichen Verhältnissen. Wir benötigen im Frieden wie
im Krieg eine große Menge von Glycerin, und solange
nicht durch synthetische oder biologische Prozesse
der Gesamtbedarf an Glycerin aus Kohlenhydraten
oder dergl. gedeckt werden kann, sind wir auf die
Spaltung von natürlichen Fetten angewiesen, und da
die bei der Darstellung des Glycerins restierenden
Fettsäuren für Ernährungszwecke nicht direkt brauch-
bar sind, so bedingt der Verbrauch an Glycerin gleich-
zeitig eine empfindliche Verminderung unseres Nah-
rungsfettes. Damit ergab sich von selbst der Gedanke,
falls Fettsäureäthylester ohne Schaden im Organismus
zur Verwertung kommen, diese aus den Fettsäuren
darzustellen und in einem passenden Prozentsatz den
Nahrungsfetten zuzumischen.
Irgendeine Vorarbeit über das Verhalten der Fettsäure-
äthylester im allgemeinen Stoffwechsel existiert u. W. nicht.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 65
Nur Otto Frank hat sich in seinen bekannten Untersuchungen
„Zur Lehre von der Fettresorption“ auch mit der Resorption
der Äthylester beschäftigt!) und bei dieser Gelegenheit auch
einige Ausnutzungsversuche gemacht. Wir werden auf diese
Versuche weiter unten zurückkommen.
Methodisches.
Der Versuch wurde am Hund angestellt.
Um einen guten Vergleich zu gewinnen, wurden zur Ver-
fütterung Äthylester benutzt, die aus dem in Vor- und Nach-
periode verfütterten natürlichen Fett gewonnen waren, die also
dieselben Fettsäuren mit denselben relativen Mengen wie das
natürliche Fett enthielten. Als natürliches Nahrungsfett wurde
der Rindertalg gewählt, der durch Ausschmelzen des aus dem
Schlachthof gelieferten Materials gewonnen wurde. Er enthielt
0,299/, Wasser und 0,81°/, freie Fettsäure Zur Darstellung
der Fettsäuren wurde der Talg in schwach alkoholischer Lösung
mit NaOH vollkommen verseift, die Fettsäuren durch verdünnte
Schwefelsäure ausgefällt, mit Wasser gründlich gewaschen, das
Wasser auf der Nutsche abgepreßt und abgesaugt, die Fett-
säuren mit Äther aufgenommen und die ätherische Lösung mit
Chlorcalcium getrocknet. Nach Abdestillieren des Äthers wurden
die vollkommen trockenen Fettsäuren in absolutem Alkohol, der
über Natrium getrocknet und destilliert war, gelöst; der Alkohol
enthielt 3°/, trockene Salzsäure. Die Lösung wurde 24 Stunden
am Rückflußkühler unter Vorschaltung von Chlorcalcium erhitzt.
Nunmehr wurden ca. ?/, des Alkohols im Vakuum abdestilliert,
der Rückstand mit Äther aufgenommen, die wäßrig-alkoholische
Schicht aus dem Scheidetrichter abgelassen, die ätherische Lö-
sung der Ester erst mit verdünnter NaHCO,-Lösung, dann
mehrmals mit Waschwasser in der Kälte ausgeschüttelt, der
Äther mit Chlorcalcium getrocknet und schließlich abdestilliert.
Die resultierenden Äthylester enthielten noch 1,35°/, freie Fett-
säure, auf deren völlige Entfernung verzichtet wurde.
Der Sauerstofiverbrauch und die Kohlensáureproduktion
wurden in dem nach dem Prinzip von Regnault und Reiset
konstruierten Zuntz-Oppenheimerschen Respirationsapparat
1) Zeitechr. f. Biol. Neue Folge 18.
Biochemische Zeitschrift Band 78. 5
66 Johannes Müller und H. Murschhauser:
in 6stündigen Perioden bestimmt‘), Es wäre natürlich er-
wünscht gewesen, den Gaswechsel in 24stündigen Perioden
untersuchen zu können; leider war dies aus äußeren Gründen
undurchführbar. Der Respirationsversuch begann jeweils etwa
2 Stunden nach der einmal am Tage (7h 30’ morgens) erfolgten
Fütterung. Ein Teil der 6stündigen Periode fiel also wohl
sicher in die Zeit nach Ablauf der Verdauung. Wie die unten
mitgeteilten Versuehsergebnisse zeigen, stimmen die durch Mul-
tiplikation mit 4 auf 24 Stunden berechneten Ergebnisse des
6-Stundenversuchs so gut mit den aus anderen experimentellen
Daten (N-Ausscheidung usw.) berechneten überein, daß keine
Bedenken dagegen bestehen, das Ergebnis der 6 stündigen Re-
spirationsperiode der Berechnung für 24 Stunden zugrunde zu
legen. Offenbar hat die mustergültige Ruhe, in der der Hund
unter Wasser sich verhielt, bewirkt, daß die Verdauungsarbeit
sehr annähernd durch den Wegfall von Körperbewegungen kom-
pensiert wurde. Der Hund wog zu Beginn des Versuches
11,72 kg. Indem für die Berechnung des Erhaltungsumsatzes
die Formel 120p 2 zugrunde gelegt und die entsprechende Zu-
lage bewilligt wurde, bemaß sich der Caloriengehalt des täg-
lichen Futters auf rund 880 Calorien.
Als Hauptfutter wurden täglich 300 g mageres Pferdefleisch
gereicht. Es war die gesamte für den ganzen Versuch nötige
Menge auf einmal beschafft, in der Fleischhackmaschine zer-
kleinert und sofort in Tagesportionen von 300 g abgeteilt worden.
Der Vorrat wurde in einem Eisschrank aufbewahrt, der seiner-
seits in einem auf einer konstanten Temperatur von +4 2° ge-
haltenen Kühlraum stand. Die einzelnen Portionen blieben bis
zum Schluß des Versuches in gefrorenem Zustande und erwiesen
sich stets als von tadelloser Beschaffenheit. Die Stichproben
für die Analyse waren am Tage der Verarbeitung aus der Ge-
samtmenge entnommen worden.
Für jede Mahlzeit wurden 50 g Talg- bzw. Estergemisch
nebst etwas Kochsalz kurz vor der Fütterung dem Fleisch gut
beigemischt; der Hund nahm die Nahrung so gierig, daß nie-
1) Für Überlassung des Apparaten haben wir dem Direktor der
Kinderklinik der hiesigen Akademie, Herrn Prof. Dr. Schloßmann, auch
an dieser Stelle herzlichst zu danken.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 67
mals sichtbare Reste in der Schale zurückblieben. Zur quan-
titativen Sammlung von Harn und Kot wurde der Hund außer-
halb des Respirationsversuches in einem Stoffwechselkäfig in
einem Raum gehalten, dessen Temperatur (20 bis 21°) konstant
dieselbe war, wie die des Respirationsapparates. Wasser wurde
mehrmals am Tage zur beliebigen Aufnahme gereicht, sie war
im allgemeinen gering.
Zur Abgrenzung des Kotes wurden am Vorabend der Vor-
periode 25 g Talkum mit 50 g Fleisch gereicht und ebenso am
Vorabend der Hauptperiode. Am 2. Tage der Hauptperiode
ergab sich aus der Dünnflüssigkeit des Kotes der Zusatz von
täglich 50 bzw. 60 bzw. 80 g Talkum zum Futter, um dem
Darminhalt mehr Konsistenz zu geben. Dadurch entstand eine
Abgrenzung zur Nachperiode von selbst. Es mag bemerkt sein,
daß die Trennung in jedem Falle eine sehr scharfe war. Das
Ende der Nachperiode wurde ebenfalls durch 60 g Talkum
markiert. Während der Respirationsversuche hielt sich das
Tier, wie aus den am Schlusse mitgeteilten Protokollen hervor-
geht, verhältnismäßig ruhig, nur am 1. Tage war der Hund
infolge der ungewohnten Verhältnisse etwas unruhiger, was sich
auch in der Größe des Gaswechsels sofort ausdrückte. Von den
übrigen 18 Tagesstunden verschlief der Hund mindestens 10.
Besondere Unruhe zeigte er nur für ganz kurze Zeit.
Analytische Methoden.
In den Durchschnittsproben des Fleisches wurde das Wasser
direkt bestimmt durch Vortrocknung bei 50 bis 60° im Trocken-
schrank und definitive Trocknung im Vakuum von weniger als
1 mm Hg bei 40°. Für die übrige Fleischanalyse wurde luft-
trockenes Fleisch verwendet. Das Eiweiß wurde aus dem nach
Kjeldahl bestimmten N-Gehalt durch Multiplikation mit dem
Faktor 6,25 ermittelt. Zur Bestimmung des Fettes bzw. der
Fettsäuren und des Unverseifbaren im Petrolätherextrakt be-
nutzte man die Methode von Kumagawa-Suto.
Der Brennwert des Fleisches wurde in der Berthelotschen
Bombe bestimmt. Zur Feststellung des Wasserwertes der Bombe
wurde Naphthalin, Benzoesäure und Campher benutzt. Als Bei-
spiel sei das Protokoll einer Wasserwertbestimmung mit Benzoe-
säure angeführt.
Be
68 Johannes Müller und H. Murschhauser:
Wasserwertbestimmung des Calorimeters durch Verbrennen
von Benzoesäure:
Gewicht des Eisendrahtes == 0,0146 g
+ Benzoesäure. . . . . = 0,7409 g
Benzoesäure — 0,7263 g
Wassermenge im Calorimeter = 2330 g bei 20,0°; in der
Bombe 2 ccm Wasser.
Temperatur des äußeren Wassermantels = 21,0%; in der
Bombe 25 Atmospháren Sauerstoffdruck.
Vorperiode Hauptperiode Nachperiode
kä e o
o
ô, a 13,780
9 Y. 18,779
9, Y, 13,778
EN d 18,777
9, Y, |8,776
9, Yo 18,775
9, Pa 13,774
9
H
H
H
Zur Neutralisation der gebildeten Salpetersäure waren er-
forderlich 4,30 ccm ®/, „Natronlauge. Aus diesen Zahlen be-
rechnen wir nach Regnault-Pfaundler die durch die Ver-
brennung entstehende Temperaturerhöhung und die dieser Diffe-
renz von Y _— 0, hinzuzufügende Korrektion für den Einfluß
der Außentemperatur nach der Formel:
Sdt “(29 En Un +9
Diese Korrektion beträgt + Bann die korrigierte Tem-
peraturerhöhung somit 1,7190°.
Durch Verbrennung von 0,7263 g Benzoe-
—m1) — (n — 1) y.
säure wurden entwickelt . . . . . . 4600,8 Cal.
Die Zündungswärme von 0,0146 g Eisen-
draht beträgt . . d wë e 234 »
Die Bildungswärme für Salpetersäure 6,0 »
Die gesamte Wärmeentwicklung entspricht 4630,2 Cal.
Der Wasserwert des gefüllten Apparates ist folglich
4630,2
1,719
— 2694,0 Cal.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 69
Da 2332 g Wasser in das Calorimeter gefüllt waren, so
ist der Wasserwert der Metallteile
K = 2694,0 — 2332,0 = 362,0 Cal.
Im Mittel aus 19 derartigen Bestimmungen ergab sich ein
Wasserwert des Calorimeters von 360 Calorien, wobei in den
einzelnen Versuchen nur geringe Abweichungen nach oben und
unten festzustellen waren. Das Fleisch wurde für die Ver-
brennung in.der Bombe zunächst vorgetrocknet, dann zu feinem
Pulver verrieben und schließlich abermals getrocknet. Sodann
ließ man das Pulver 12 Stunden an der Luft stehen und formte
daraus die Pastille, indem der Eisendraht in die Pastille mit
eingepreßt wurde.
Der Kohlenstoffgehalt des Fleisches wurde durch Elementar-
analyse ermittelt.
Im verfütterten Fett bzw. Gemisch der Fettsäureäthylester
wurde der Kohlenstoff ebenfalls durch Elementaranalyse be-
stimmt. Die Menge des täglich anfallenden Harns wechselte
leider sehr stark, teils wegen der Unregelmäßigkeit der Harn-
entleerung, teils wegen der Unregelmäßigkeit der Wasserauf-
nahme. Da aber das Tier sich vor Beginn der Respirations-
versuche bereits 7 Tage unter dem gleichen Ernährungsregime
im, Stoffwechselversuch befand, wobei Stickstoffgleichgewicht
bestand, und da das Mittel der Stickstoffausscheidung aus den
gesamten 11 Tagen mit dem Mittel aus den 4 Respirations-
tagen absolut übereinstimmt, so besteht natürlich keinerlei Be-
denken wegen der Unregelmäßigkeit der Harnausscheidung.
Harn und Waschwasser aus dem Käfig wurden täglich auf
ein rundes Volumen aufgefüllt und in aliquoten Teilen der N
nach Kjeldahl, der Kohlenstoff durch Elementaranalyse und
der Brennwert in der Berthelotschen Bombe bestimmt.
Für die Kohlenstoffbestimmung im Harn wurde in den
ersten Tagen des Versuchs der Harn im Schiffchen auf aus-
geglühte Bimsteinstückchen aufgetropft und im Vakuum von
1 mm Hg getrocknet. In diesem Falle geschah dann die Ver-
brennung im Dennstedtschen Ofen im Sauerstoffstrom. Aus
Gründen, die bei einer anderen Gelegenheit geschildert werden
sollen, gingen wir später zu einem Verfahren über, das im
wesentlichen dem von Spiro angegebenen entspricht: In einem
sehr weiten Verbrennungsrohr wurde der in einem sehr großen
70 Johannes Müller und H. Murschhauser:
Schiffchen mit Bleichromat gemischte Harn im Sauerstoffstrom
direkt verbrannt. Vor dem Schiffchen war zur Erhöhung der
Geschwindigkeit des Gasstromes ein Glasstopfen eingelegt. Im
Vorderteil passierten die Verbrennungsgase glühendes Kupfer-
oxyd und 2 Schifíchen mit Bleisuperoxyd. Das verdampfte
Wasser wurde in einem entenförmigen Glasgefäßchen konden-
siert, das in Eiswasser stand.
Zur Bestimmung des Verbrennungswertes wurde der Harn
auf Schleicher und Schüllsche Celluloseblöckchen getropft
und im hohen Vakuum über Schwefelsäure bei 40° zur Trockne
gebracht. Der beim Trocknungsprozeß unvermeidbare geringe
Ammoniakverlust wurde dadurch in Rechnung gestellt, daß in
einem genau ebenso behandelten Kontrollblóckchen gleichzeitig
der Stickstoff nach der Trocknung bestimmt wurde.
Der Kot wurde bei schwach saurer Reaktion vorsichtig ge-
trocknet, gepulvert und nach den mehrfach erwähnten Methoden
quantitativ auf Stickstoff, Kohlenstoff, Fettsäuren und Unverseif-
bares im Petrolätherextrakt, Wasser und Brennwert analysiert.
Für die Herstellung der Pastillen für die Calorimetrie des Kotes
wurde ein kleiner Kunstgriff angewandt, der wohl auch anderen
Forschern nützlich sein mag. War der Preßdruck nämlich von
üblicher Stärke, so war ein Auspressen von etwas Fett aus dem
Kot unvermeidbar. Wurde der Preßdruck aber nur ebenso-
weit getrieben, als zur Formung einer guten Pastille notwendig
war, so gingen auch nicht Spuren von Fett verloren.
Der Versuch.
Der Versuch begann, wie schon oben erwähnt, mit der
Verfütterung von Rindertalg und Pferdefleisch. Zur Kotab-
grenzung wurden dem Hund am Vorabend des Beginnes der
ersten Periode, also am 17. II. 1916, 50 g Fleisch und 25 g
Talkum gereicht. In den darauf folgenden Tagen erhielt das
Tier täglich morgens gegen 7*!, Uhr in einer Portion 300 g
Fleisch mit 50 g Rinderfett unter Zusatz von etwas Salz. Die
Fütterung dieses Gemisches wurde bis zum 28. II. fortgesetzt.
Die erste Periode dauerte somit 11 Tage. In einer Restportion
von 50 g Fleisch wurden am Abend des letzten Tages der Vor-
periode zur Kotabgrenzung 40 g Talkum beigefiittert. In der
Hauptperiode, die am 29. II. einsetzte, trat in der Zusammen-
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 71
setzung der Nahrung nur insofern eine Änderung ein, als an
Stelle von Talg die gleiche Gewichtsmenge des Fettsäureäthyl-
estergemisches verfüttert wurde. Es mag hier wiederholt werden,
daß die Beschaffenheit der ersten Faeces dieser Periode eine
Verbesserung der Konsistenz durch entsprechenden Zusatz von
Talkum zweckmäßig erscheinen ließ. An die 5tägige Haupt-
periode schließt sich eine 3tägige Nachperiode an; das Futter
dieser Periode entspricht dem der Vorperiode in Menge und
Zusammensetzung. Der Beginn der Nachperiode war in den
Faeces durch das Ausbleiben, das Ende der Nachperiode durch
das Auftreten von Talkum gekennzeichnet.
Über den Prozentualgehalt der einzelnen Nahrungsbestand-
teile an Wasser, Stickstoff, Kohlenstoff, Fett und Fettsäure,
sowie über deren Caloriengehalt pro Gramm gibt Tabelle I
Aufschluß. Die täglich verabreichten Mengen an Fleisch und
Fett bzw. Estern, ferner die jenen entsprechenden absoluten
Mengen an Kohlenstoff, Stickstoff und Fett und deren calori-
scher Wert sind in Tabelle 11 wiedergegeben. Außerdem zeigt
uns diese Tabelle die täglichen Körpergewichte des Tieres und
die von ihm aufgenommenen Tagesmengen an Wasser und Talkum.
Während des ganzen Versuchs wurde der Harn in 24stün-
digen Perioden gesammelt und analysiert. In den ersten 7 Tagen
der Vorperiode wurde nur der Stickstoffgehalt des Harns quan-
titativ ermittelt, an den übrigen Tagen aller 3 Perioden wurde
dagegen die Analyse des Harns auf die Bestimmung von Stick-
stoff, Kohlenstoff und Brennwert ausgedehnt. Die Faeces wurden
für jede einzelne Periode gesammelt, feucht zur Wägung ge-
bracht und unter Einhaltung schwach salzsaurer Reaktion zur
Trockne eingedampft. Die in der Tabelle III angegebenen
Daten für die Menge und Zusammensetzung der Faeces in der
ersten Periode beziehen sich auf die ganze Dauer der Vorperiode
von 11 Tagen; die daraus berechneten Zahlen für 24 Stunden
repräsentieren somit sehr zuverlässige Mittelwerte. Dasselbe
gilt für die 5tágige Hauptperiode, während die 3tägige Nach-
periode vielleicht etwas zu kurz gewählt war. In den luft-
trocken gemachten Faeces der einzelnen Perioden wurden Wasser,
Stickstoff, Kohlenstoff, Brennwert, Gesamtfettsäuren und die
unverseifbaren Bestandteile des Petrolätherextrakts quantitativ
festgestellt.
~]
ID
Johannes Müller und H Murschhasuser:
Die erste 11tágige Periode umfaßt 3 aufeinander fol-
gende Tage (25., 26., 27. II.) an denen der respiratorische
Stoffwechsel des Tieres in 6stündigen Versuchen er-
mittelt wurde. In der Haupt- und Nachperiode fanden
täglich annähernd 6stündige Untersuchungen des Gas-
stoffwechsels des Tieres statt. Sämtliche experimentell
gefundenen Daten über den Gasstoffwechsel und die Ausschei-
dungen in Harn und Faeces sind in Tabelle III reproduziert.
Die in der letzten Horizontalreihe jeder Versuchsperiode unter-
gebrachten Zahlen stellen für 24 Stunden berechnete Mittel-
werte dar, die den direkten Vergleich zwischen den 3 Perioden
ermöglichen.
An der Hand der Tabellen I, H und III, die uns ein
umfassendes Bild über die gesamten Einnahmen und Ausgaben
liefern, können wir den Stoff- und Kraftwechsel des Tieres pro
24 Stunden für die einzelnen Perioden berechnen. Die Resultate
sind in den Tabellen IV und V so vollständig und übersicht-
lich zusammengestellt, daß wir glauben, uns damit begnügen
zu können, die Durchführung der Berechnung an einem Bei-
spiel, und zwar der ersten Periode, in extenso zu demonstrieren.
Wir berechnen den Stoffumsatz, indem wir uns der von Rubner
inaugurierten Berechnungsart bedienen*). Unser Versuchstier
schied in der ersten Periode 8,735 g N pro 24 Stunden im
Harn aus. Diese N-Ausscheidung entspricht einer Eiweißzer-
setzung von 54,59 g. Nach den Untersuchungen von Rubner
gehören zu jedem Gramm N im Harn 5,923 1 Sauerstoff und
Tabelle 1.
Zusammensetzung und Brennwert des gereichten Futters.
ar Ae pau
Freie | .
Fett Fettsäure | Calorien
| “Lo , % - Prog
Pferdefleisch .| 75,82 aan Jııgı ! 13 | — | 1,3424
Rindertalg . . . .] 091 — 17561 | — 0,81 9,563
Fettsäureäthyleste
aus Rindertalg . .| — | — ¡76,38| — 1,35 9,726
1) Durch die Verbrennung von Alkohol der Athylester mußte in
der Hauptperiode eine Erhöhung des Sauerstoffkonsums gegenüber der
Verbrennung von Glycerin entstehen. Für die praktische Ernährungs-
frage ist sie belanglos und wurde deshalb zunächst in der Rechnung nur
berücksichtigt bei der Berechnung der absoluten Menge verbrannter Ester.
Tabelle II.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester.
Rinderfett
Ss
23 Kreisch bzw. Ester
2 3 ¡ i
le
Gs E
= |
kg gl
Vorperiode:
17. 11. 111,72] 50,0: =! — !'— | — — |! | — 125,0
18. 11,72 | 300,0 9,90 35,73 3,90'402,74 | 50,0; 37, Hu 478, 15] 100,0] —
19. — 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74150,0'37,80:478,15] — | —
20. 11,80 | 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74 50,0'37,80 478,15 | 140,01 —
21. 11,70 | 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74 | 50 0 37,80.478,151 180,0] —
22. 11,85 | 300.0 9,90 35.73 3,90 402,74 50,0,37,80 47815 140,0] —
23. 11,85 | 300,0:9,90 35,73 3,90/402,74 | 50,0:37,80 478,151 130,0 | —
24. 11,85 | 300,0,9,90 35,73 3,90 402,74 | 50,0:37, "80 478,15] 145,0] —
25. 11,88 | 300,0 9, 90 35,73 3,90' 402,74 50,0:37,80 478,151 30,0] —
26. 11,88 300,0 9,90 39,193 3.90 402,74 50,0 37, RO) 478,15 130,0] —
21. 11,90 | 300,0 9,90:35,73 3,90/402,74 | 50,0:37,80 478,15 | 70,0] —
28. — [300,0 9,90 35,73 3,90/402,74 | 50,0,37,80 478,15 | 130,0 | 40,0
Hauptperiode:
29. II. | 11,95 |300, 0 9,90 35,73'3,90 402,74 | 50,0 38,19:486,30 | 120,0] —
1. III.| 11,85 300,0 9.90 35,73 3.90 402,74 50,0 38,19486,30 | 110,0] —
2. 11,94 | 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74 | 50,0.38,19' 486, 30] 60,0 | 50,0
3. — 300,0 9,90 35,73 3.90. 402,74 50,0 38,19 456,30 | 35,0 60,0
4. 11,79 | 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74 | 50,0 38,19 486, 30 | 25,0 | 80,0
Nachperiode:
5. III. 135,73 3,90 402,74 | 50,0'37,80 478,15 | 220,0] —
6. [11.60 | 300,09, aas, 73.3,90 402,74 | 50,0.37,80:478,15 | 200,0 | —
7. 11,72 | 300, 019, ,90 35 23 3,90 402,74 | 50,0 37,80|478,15 | 110,0
8. — 100,0) — | — |=;i — = —|-— — 160,0
4,7541 CO,. Der im vorliegenden Falle erfolgten Ausscheidung
von 8,735 g N entspricht demnach ein Sauerstofikonsum von
51,737 1 und eine Kohlensäureproduktion von 41,526 1.
Mittel der 3 Respirationsversuche betrug der Sauerstofíver-
brauch 143,66 L die Kohlensäureproduktion 111,48 l. Sub-
trahieren wir die eben angegebenen auf Eiweißverbrennung
entfallenden Werte von den Gesamtwerten für 24 Stunden, so
bleibt ein Kohlensäurerest von 69,95 1 und ein Sauerstoffrest
von 91,92 l, die sich der Hauptsache nach auf Fett- und
Glykogenverbrennung beziehen. Der Sauerstoffrest in Litern
minus dem Kohlensäurerest in Litern, dividiert durch 0,57
ergibt die Menge des verbrannten Fettes in Grammen:
91,92 — 69,95
one
Im
— 38,54 g Fett.
Johannes Müller und H. Murschhauser
74
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Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 75
Aus Umsetzungs-
produkten
ermittelt
K
‚Aus Nahrung und
Körpermaterial
880,891880,89] 887,67 | 6,80
0,51 |2,15/13,44|225,19]889,04|902,481 901,77] 0,71
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e Sa
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o CO
o
Mal
.Q
= E E
©
Au
kent
II
II.
Die Menge der verbrann-
ten Kohlenhydrate berech-
net sich nach der Formel:
b— 1,419 x
0,828 ’
wobei b der eben angege-
bene Kohlensáurerest und
x die verbrannte Fettmenge
darstellt. Es sind dem-
nach verbrannt 18,43 g Gly-
Bei der Umrech-
nung der so ermittelten
Zahlen für den Stoffum-
satz in Energiewerte stü-
kogen.
tzen wir uns auf die von
uns durch calorimetrische
Messungen direkt gefun-
denen Brennwerte für die
Nahrungsstoffe und Aus-
scheidungen. Wir fanden
im Verbrennungscalorimeter
einen Brennwert für 100 g
Fleisch von 134,24 Cal.;
da das von uns verwen-
dete Fleisch aber 1,3%,
Fett enthält, so haben wir
den auf Fett entfallenden
Anteil von 12,35 Cal. dann
zu subtrahieren, und erhal-
ten so für 100 g fettfreies
Fleisch einen Brennwert
von 121,89 Cal., oder bei
einem N-Gehalt des Flei-
sches von 3,3°/, einen Brenn-
wert pro Gramm N von
36,93 Cal.
Johannes Müller und H. Murschhauser:
=]
Co.
Den 8,735 g N im Harn entspricht somit
ein Brennwert von. . . 2 2 2 2 2.2.2... 322,58 Cal.;
davon gehen ab die noch im Harn enthaltenen 65,46 n
durch Verbrennen von „Eiweiß“ (Fleisch)
wurden also geliefert . . . . . . . . . 257,12 Cal,
38,54 g Fett lieferten . . . 2 2 . . . . .368,44 »
18,43 g Kohlenhydrate . . . . . . . . . . 77,22 »
im ganzen also. . . 702,78 Cal.
Aus Tabelle V geht nun hervor, daß von den 9,9g N,
die in der Nahrung als Fleisch gereicht wurden, nur 9,0g im
Harn wieder auftraten, daß also 0,9g N angesetzt wurden.
Diese 0,9g N, als Eiweiß gerechnet, entsprechen 33,24 Cal.
Des weiteren geht sowohl aus Tabelle IV wie aus Tabelle III
hervor, daß von den in der Nahrung enthaltenen 880,89 Cal.
125,34 Cal. wieder in Harn und Faeces erschienen. Addie-
ren wir zur Vervollständigung der Energiebilanz die zum An-
satz gelangten 33,24 und die unausgenutzt ausgeschiedenen
125,34 Cal. in Harn und Faeces zu den durch Verbrennung
im Organismus freigewordenen, so nähern wir uns mit
861,36 Cal. bis auf 19,5 Cal. oder 2,2%, den eingeführten
880,89 Cal. Rein analytisch noch weit günstiger fiel die Bi-
lanz in Periode II und III aus. Nach den Angaben der Ta-
belle IV kamen in der I. Periode 33,24 Cal. aus Eiweiß der
Nahrung stammend zum Ansatz, in der II. Periode wurden
13,44 Cal. aus Körpereiweiß zugesetzt, während in der III. Pe-
riode 116,15 Cal. als Fett angesetzt wurden und 34,0 Cal. aus
Körpereiweiß frei wurden. In der Ausnutzung der durch die
Nahrung zugeführten Calorien macht sich in der I. und
HI. Periode ein Unterschied geltend derart, daß in der
III. Periode der Brennwert der Faeces um annähernd
denselben Betrag fällt, als der des Harnes ansteigt;
dabei ist die Summe der in dem Harn und Faeces aus-
geschiedenen Wärmemengen in beiden Perioden nahezu die-
selbe, nämlich 123 bzw. 125 Cal. In der Hauptperiode ist
gegenüber der Vor- und Nachperiode der unausgenutzte Anteil
an Calorien ziemlich beträchtlich erhöht.
In Tabelle V ist schließlich die Stickstoff- und Kohlenstoff-
bilanz für 24 Stunden wiedergegeben. Wir erläutern rechne-
77
Die Verwertung der Fettsäureäthylester.
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78 Johannes Müller und H. Murschhauser:
risch wiederum nur die erste Periode. Da der Stickstoff der
Nahrung nur im Harn und in den Faeces wiedererscheint, so
gestaltet sich die Aufstellung der N-Bilanz sehr einfach. Bei
dem N-Gehalt des Fleisches von 3,3°/, erhält der Hund täglich
9,9g N als Eiweiß; von diesen 9,9 g schied er im Mittel
pro 24 Stunden 8,735 g im Harn und 0,265 g in den Faeces
aus, im ganzen also 9,0 g. Es sind somit 0,9 g N angesetzt
worden.
Ungleich komplizierter ist die Berechnung der Kohlenstoff-
bilanz. Nach der Elementaranalyse enthalten 300 g unseres
Fleisches 35,73 g C; davon entfallen auf das im Fleisch ent-
haltene Fett 2,99g C. Nehmen wir nun das Verhältnis von
N zuC im Eiweiß 16:52,5 an, so kommen auf die 9,9g N im
Fleisch 32,48 gC. In den 50 g Talg der I. Periode erhielt der
Hund außerdem 37,80 g C. Unter Einsetzung des Wertes 32,48
als EiweiB-C gelangen wir zu einer Tagesdosis an C von
73,27 g, während die durch die Elementaranalyse direkt er-
mittelte Menge 73,53 g beträgt. Von diesen 73,53 g C er-
scheinen in Harn und Atmungsluft (6,43 +4 59,57) = 66,00 g C
wieder. Die 59,57 g C sind, wie Tabelle III zeigt, aus der
produzierten Kohlensäure durch Umrechnung auf C erhalten
worden. Wir haben zur Kontrolle die Berechnung noch in
einer anderen Weise vorgenommen, indem wir von den den
umgesetzten Nährstoffmengen entsprechenden Kohlenstoffmengen
ausgingen; bei dieser Berechnungsart kommen wir auf eine
Ausscheidung von C im Harn und durch Respiration von
65,71 g, eine Zahl, die von der obigen um 0,29 g differiert.
Von diesen 65,71 g C entfallen 28,38 g auf Eiweiß, 29,14 g
auf Fett und 8,19 g auf Glykogenzersetzung. Nach der
Kohlenstoffbestimmung wurden 4,95 g C in den Faeces aus-
geschieden. An dieser Menge ist das Eiweiß mit 0,88 g C
(entsprechend 0,265 g ausgeschiedenem N), das Fett mit 3,88 g
(entsprechend 4,55 g nicht resorbierten Fettsäuren), das Chole-
sterin mit 0,17 g (entsprechend 0,19 g Cholesterin) beteiligt.
Wir haben oben bereits erwähnt, daß 0,9g N im Körper
retiniert wurden. Bei dem Verhältnis N:C wie 16:52,5 im
Eiweißmolekül entsprechen diese 0,9g N 2,92 g C. Die Kohlen-
stoffbilanz schließt somit analytisch mit einer minimalen Dif-
ferenz ab. |
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 79
In der 65,71 g C verbrannt
Nahrung auf- 2,92 g C angesetzt
genommen 4,95 g C unzersetzt ausgeschieden
73,53 g C 73,58 g C
Ergebnis.
Aus den gewonnenen Tafeln der Stickstoff- und
Kohlenstoffbilanz wie aus der Wärmebilanz ergibt
sich zweifellos, daß die Fettsäureäthylester die natür-
lichen Fette im Stoffwechsel vollkommen zu vertreten
vermögen, daß sie also nach Maßgabe ihres Brenn-
wertes von 9,726 Calorien pro Gramm den natürlichen
Fetten isodynam sind. Ob für die Erhöhung des Eiweiß-
umsatzes während der Fütterung der Äthylester der in ihnen
enthaltene Alkohol mitverantwortlich gemacht werden muß,
steht dahin. Die Hauptursache der erhöhten Eiweißverbrennung
ist jedenfalls durch die mangelhafte Ausnutzung der
Äthylester gegeben. Denn während der Petrolätherextrakt
der Faeces in der Vorperiode 4,74 g pro 24 Stunden, in der
Nachperiode 3,14 g betrug, entsprechend einer Ausnutzung
von rund 91 bis 94%/, des Fettes, wog der Petroläther-
extrakt der Faeces pro 24 Stunden der Hauptperiode 12,59 g,
was einer Ausnutzung der Fettsäureäthylester von
rund 75°), entsprechen würde. Selbstverstándlich ver-
mindert sich dadurch die Zahl der dem Tiere zur Verfügung
stehenden Calorien, und es mußte das Defizit aus seiner Körper-
substanz decken. Wir finden dementsprechend in der Vor-
periode einen täglichen Eiweißansatz von 5,625 g, während in
der Hauptperiode 3,21 g pro Tag Körpereiweiß in Verlust gingen.
Eine eingehende Diskussion der Versuchsergebnisse, soweit
sie für rein wissenschaftliche Probleme des allgemeinen Stoff-
wechsels von Wichtigkeit sein können, soll einer späteren Ge-
legenheit vorbehalten bleiben. In praktischer Beziehung
— und unter den Umständen des Krieges steht die
praktische Ernährungsfrage in erster Linie — ergibt
sich jedenfalls mit Sicherheit, daß man ohne Bedenken für
die Ernährung von Mensch und Tier einen gewissen Prozent-
satz der natürlichen Fette durch Fettsäureäthylester ersetzen
80 Juhannes Müller und H. Murschhauser:
kann. Wie weit man dabei gehen soll, das scheint in erster
Linie von der Empfindlichkeit des Geschmackes abzuhängen.
Mischt man guter Molkereibutter 20°/, Fettsäureäthylester bei,
so ist das Gemisch für nicht allzu verwöhnte Menschen durch-
aus gut genießbar. Bei der Tierfütterung kann man wohl auch
auf */, des Gewichtes unbedenklich heraufgehen. Die dabei ver-
abreichte Alkoholmenge ist so gering, daß selbst vom extremsten
Standpunkte aus Bedenken wohl nicht erhoben werden können.
Die am Schluß abgedruckten Protokolle orientieren über
den Verlauf der Respirationsversuche; einer besonderen Er-
läuterung bedürfen sie wohl nicht. Besonders aufmerksam
gemacht sei auf die Protokolle, die über den Umfang der
körperlichen Bewegung des Hundes während des Aufenthaltes
im Respirationsapparat orientieren.
Nachtrag: Wir haben schon oben die wichtigen Versuche
von Otto Frank über die Resorption der Fettsäureäthylester
erwähnt. Frank hat im Verlaufe seiner Versuche auch einige
Ausnutzungsversuche mit Fettsäureäthylestern gemacht und
dabei im allgemeinen Zahlen erhalten, die mit den von uns
gefundenen sich in derselben Größenordnung bewegen. In
einigen Versuchen hat er sogar eine bessere Ausnutzung ge-
funden als wir (im Mittel 87%/,). Ganz aus der Reihe ist in
der Frankschen Untersuchung die Zahl für die Ausnutzung
des Stearinsäureäthylesters gefallen, für den er nur eine Aus-
nutzung von 12,7°/, gefunden hat. Das Faktum hat natürlich
die Aufmerksamkeit Franks erregt, doch hat er davon absehen
zu sollen geglaubt, sich für irgendeine der möglichen Erklärungen
zu entscheiden. Wir haben uns jedenfalls unsererseits für ver-
pflichtet gehalten, die Ausnutzung des Stearinsäureäthylesters
und Palmitinsäureäthylesters noch in besonderen Ausnutzungs-
versuchen vergleichend zu prüfen, da. wir geneigt waren, das
Resultat von Frank auf eine Verunreinigung des verfütterten
Stearinsäureäthylesters zurückzuführen. Leider war aus nahe-
liegenden Gründen keine Möglichkeit, Stearinsäure von möglichst
vollkommener Reinheit selbst darzustellen, so daß vorhandene,
als käuflich bezeichnete Präparate von Stearinsäure bzw. von
Palmitinsäure (Kahlbaum) benutzt werden mußten. Die Dar-
stellung der Ester geschah nach unserer oben mitgeteilten
Methode, während Frank seine Ester durch andauerndes Ein-
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 8l
leiten von trockenem Chlorwasserstoff in die alkoholische Lö-
sung dargestellt hat. Sowohl der Stearinsäure- wie der Palmitin-
säureester enthielten noch kleine Mengen freie Säure. Da,
wie oben bemerkt, das Ausgangsmaterial nicht chemisch rein
war, insbesondere geringe Mengen Ölsäure enthielt, so lag der
Schmelzpunkt der Ester tiefer, als die Literatur angibt.
Die Ausnutzungsversuche wurden an dem gleichen Hund
(Fox) angestellt, der zu dem großen Stoffwechselversuch benutzt
worden war. Der Hund erhielt am Abend vor dem ersten
Versuchstag etwas Fleisch mit Talkum zur Abgrenzung des
Kotes, dann am Morgen des ersten Versuchstages 100 g Fleisch
mit 25 g Stearinsäureäthylester und ebenso mittags 100 Fleisch
und 25 g Stearinsäureester. Da sich am nächsten Morgen eine
Darmstörung zeigte (dem sehr weichen Kot war etwas Blut `
beigemischt), so wurde zur Abgrenzung Kohl mit etwas Fleisch
gegeben und der Versuch einstweilen abgebrochen. Nach
8 Tagen, als alle Störungen geschwunden waren, wurde der
Versuch wieder aufgenommen, und der Hund erhielt 2 Tage
wieder je 200 g Fleisch und 50 g Stearinsáureester in zwei
Portionen, sodann 2 Tage an Stelle des Stearinsäureesters
50 g Palmitinsäureester. Die Abgrenzung des Kotes der ein-
zelnen Versuche gelang ausgezeichnet. Der schonend getrocknete <
und gepulverte Kot wurde wieder nach Kumagawa-Suto
analysiert. Das Ergebnis des Ausnutzungsversuches stellt
folgende Tabelle dar:
Nahrung Faeces
Ges.
Trocken-
Fleisch
23.VII. | 100 g Fleisch +50 g Talk. .| — = | — | =
25.VII. | 100 g Fleisch + 0,5 g Carmin
30. 100g nn +5,0g Kohle — — — —
31.VII. [200 g Fleisch+50g Talk. | 50 | — 69,77 | 17,86
1.VIIL| 200 g Fleisch + 50 g Talk.
+ 0,5 g Carmin| — 50 147,83 | 26,30
2. 200g » +50gTalk. .| —
8.VIIL| 200 g Fleisch + 5g Kohle .| — = — | —
Biochemische Zeitsehrift Band 78. 6
82 Johannes Müller und H. Murschhauser:
Hieraus berechnet sich eine Ausnutzung des Palmitin-
säureesters von rund 74°/,, des Stearinsáureesters von rund
64°/,. Das befremdende Ergebnis des einen Frankschen Ver-
suches hat also sicher auf Zufälligkeiten beruht. Immerhin
geht auch aus unseren eben mitgeteilten beiden Ausnutzungs-
versuchen eine erheblich schlechtere Verwertung des Stearin-
säureesters gegenüber dem Palmitinsäureester hervor. Ob das
auch für die absolut reinen Körper gilt, müssen weitere Unter-
suchungen entscheiden.
Protokolle.
Versuch vom 25. II. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des
Hundes Unterlage Versuches
11,88 kg 820 g 5h 52” 300g Fleisch
50 g Rindertalg
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 20,7° 750,43 — 0,02 + 0,06 40
Endwerte . . 19,70 74645 +2,85 +5,26 93
Anfangsvolum 194,5001 bei 20,7° u. 743,08 mm Hg. = 176,7461
Endvolum . 194,4001 bei 20,7%u. 731,75 mm Hg. = 173,960 1
Ernährung
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,05 9/, 0,499, CO, = 0,05%,
O, = 20,89 |, 18,779, O, = 98,409/,
N, = 79,06 9/, 80,74%, N, = 1,55 SC
100,00%/, 100,009, 100,00 9/,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden `, . . . . . 36,922]
nachher 4 © e e . . 32,652 1
4,2701
Anfangsgew. d. Gasometers = 54,415 kg bei 18,2° u. 750,93mm Hg
Endgewicht » ” =91,050w" a 18,2% » 750,93 m n
zugeführt ==33,2881 bei 0% und 760 mm Hg
davon ab ‘N, in O, = 0,516 1
n » CO, in O, = 0,0171
EE g os h op Aer 4,2701
Nettosauerstoffverbrauch 37,025 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 6,3111.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 83
Kohlensáurebilanz:
Vorher vorhanden 0,088 l; aus Lauge .. . . = 27,9041C0,
nachher ” 0,852 1 Gesamtkohlensäureprod. = 28,668 l;
0,7641
Kohlensáure pro Stde. = 4,887 1; Respirator. Quotient == 0,774;
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . , 139,734 l; N, aus O, (1,55°/,) = 0,516 1
nachher n . . 140,455 1
0,721 1
Differenz = + 0,205 1.
Versuch vom 26. II. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des
Hundes Unterlage Versuches
11,88 kg 820 g 5h 53’ 300g Fleisch
| 50 g Rindertalg
Temperatur Bar.korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 19,8 749,68 + 0,03 + 0,08 45
Endwerte . . 19,8 748,70 + 4,80 + 4,25 90
Anfangsvolum 194,5001 bei 19,8% und 741,89 mm Hg. =177,005 1
Endvolum . . 194,4751 » 198% » 735,02 n»n » =175,3401
Ernährung
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,05 En 0,50 9, CO, = 0,05 9,
O, = 20,89 |, 19,18 9%, O, = 98,40 DL
N, = 79,06 DL, 80,32 %, N, = 1,55 %,
100,00 %/, 100,00 %/, 100,00 °/,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 36,9761
nachher ” Li e a e 99,0301
3,346 1
Anfangsgew. d. Gasometers = 36,230 kg bei 18,3% u. 749,7 mm Hg
Endgewicht » ” = 71,555 n n» 17,99» 7487 n y
zugeführt = 32,058 1 bei 0% und 760 mm Hg
Gë
84 Johann Müller und H. Murschhauser:
davon ab N, in O,= 0,497 1
n n CO, » Uu = 0,016 1
dazu. .... eœ 3,346 1
Nettosauerstoffverbrauch 34,891 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,930 1.
Kohlensáurebilanz:
Vorher vorhanden 0,088 l; aus Lauge . . . . - =26,58510C0,
nachher n 0,877 1 Gesamtkohlensäureprod. = 27,374 l
0,789 1
Kohlensäure pro Stde. = 4,6531; Respirator. Quotient = 0,784.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 139,939 l; N, aus O, (1,55 °/,) = 0,497 1;
nachher ” . . 140,832 1
0,893 1
Differenz = + 0,396 1.
Versuch vom 27. Il. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
o Ernährung
11,90 kg 820 g 5b 58' 300 g Fleisch
| 50 g Rindertalg
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 20,1 747,96 + 0,07 + 0,07 42
Endwerte . . 19,4 747,10 + 1,60 + 2,80 83
Anfangsvolum 194,480 l bei 20,1% u. 740,61 mm Hg. =176,5001
Endvolum . . 194,455 1 » 20,1% n 732,48 n»n a =174,5381
Analysen.
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,05 %/, 0,55 %/, CO, = 0,05 Hl,
O, = 20,89 %/, 19,01 9, O, = 98,40 |,
N, = 79,06%, 80,44%, N, = 1559,
100,00 %/, 100,00 |, 100,00 9/,
Sauerstofíbillanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 36,871 1
nachher ” nn. + 33,179 1
3,692 1
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 85
Anfangsgew. d. Gasometers = 33,575 kg bei 18,08°u.748,1 mm Hg
Endgewicht » n = 67,745 n » 18,3% n7471 » »
zugeführt = 30,913 l bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in O, = 0,4791
” ” CO, » 0,= 0,0151
daan. 5 A s.es. 3,692 1
Nettosauerstoffverbrauch 34,111 1
Sauerstofíverbrauch pro kg und Stunde = 5,717 1.
Kohlensäurebilanz:
Vorher vorhanden 0,088 l; aus Lauge. . . . . =25,3531C0,
nachher n 0,960 1 Gesamtkohlensäureprod. — 26,225 1
0,872 1
Kohlensáure pro Stde. = 4,395 1; Respirator. Quotient = 0,769.
- Stickstoffbilanz: f
Vorher vorhanden . . 139,541 1; N, aus O, (1,55 %/,) = 0,479 l;
nachher » . . 140,397 1 n
0,856 1
Differenz = + 0,3771.
Versuch vom 29.11. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des x
Hundes Unterlage Versuches Ernährung
11,95 kg 820 g 5h 53’ 300 g Fleisch
50 g Ester
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 20,2° 747,46 + 0,09 + 0,06 47
Endwerte . . 19,7° 744,90 — 0,38 + 4,95 82
Anfangsvolum 194,430 l bei 20,2% u. 739,57 mm Hg.= 176,1481
Endvolum . 194,4001 » 20,2% » 727,70 » a =173,2921
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,05°/, 0,659, CO, = 0,05%,
O, = 20,89 ls 18,549, O, = 98,40%,
N = 79,06%), 80,81%, N, = 1,55%,
100,009), 100,009, 100,009/,
86 Johannes Müller und H. Murschhauser:
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 36,797 1
nachher ” . e è . o . 32,1281
4,669 1
Anfangsgew. d. Gasometers = 35,220 kg bei 18,0% u. 747,6 mm Hg
Endgewicht » n =— 67,475 » n 18,2% n 744,9 » n»
zugeführt == 29,157 l bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N, in O, = 0,4521
n n CO, » O, = 0,0141
dazu. . ..... 4,669 1
Nettosauerstoffverbrauch 33,360 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,6701.
Kohlensäurebilanz: |
Vorher vorhanden 0,088 1; aus Lauge . . . . . =25,3821C0,
nachher n 1,126 1 Gesamtkohlensäureprod. == 26,420 l;
1,038 1
Kohlensäure pro Stde. — 4,491 1; Respirator. Quotient = 0,792.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 139,265 l; N, aus O, (1,55°/,) = 0,452 1
nachher e . . 140,0391
0,7741
Differenz = + 0,322 1.
Versuch vom 1. III. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des d
Hundes Unterlage Versuches Ernährung
11,85 kg 820 g 5h 56’ 300 g Fleisch
50 g Aethylester
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr
Anfangswerte 20,7° 742,2 + 0,09 -+ 0,06 51
Endwerte . . 19,8% 742,2 + 0,45 + 1,93 87
Anfangsvolum 194,530 1 bei 20,7%u. 732,95 mm Hg. = 174,360 1
Endvolum . . 1944801 » 20,7%» 724,89 n n» =172,3961
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 87
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,05%, 0,52%, CO, = 0,05%,
O, = 20,899, 19,33%, O, = 98,40%,
N, = 79,06%/, 80,159, N= 10575
100,009/, 100,009/, 100,009/,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 36,424 1
nachher n o... o o 33,3241
3,100 1
Anfangsgew. d Gasometers = 43,115 kg bei 18,4% u. 742,0 mm Hg
Endgewicht » ” = 77,540 » a 18,28% 7422 n»n »
zugeführt = 30,896 l bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N,in O, = 0,4791
” » CO, » 0,= 0,0151
dazu . . . . . . = 31001
Nettosauerstoffverbrauch 33,502 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,646 1.
Kohlensäurebilanz:
Vorher vorhanden 0,0871; aus Lauge . . . . . =25,1721C0,
nachher a 0,896 1 Gesamtkohlensäureprod. — 25,981 1
0,809 1
Kohlensäure pro Stde. — 4,379 l; Respirator. Quotient = 0,776.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 137,852 1; N, aus O, (1,55°/,) = 0.479 1
nachher ” . . 138,175 1
0,323 1
Differenz = — 0,1561.
Versuch vom 2. III. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des Ernäh
Hundes Unterlage Versuchs INSNEUNG
11,94 kg 820 g 5b 50° 300 g Fleisch
50 g Aethylester
88 Johannes Müller und H. Murschhauser:
Temperatur ` Bar.korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 21.0° 741,13 -+ 0,08 + 0,05 48
Endwerte . . 20,1° 738,33 + 0,70 + 3,50 87
Anfangsvolum 194,4401 bei 21,0% u. 732,28 mm Hg. =173,944 1
Endvolum . . 194,4001 » 21,0% » 722,50 » » =171,5841
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,059, 0,549, CO, = 0,059),
O, = 20,89%, 18,979), O, = 98,40%,
N, = 79,06%, 80,499), N, = 1,559,
100,009/, 100,00°/, 100,00°/,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 36,337 1
nachher n gë A A a 62,0
3,7871
Anfangsgew.d.Gasometers— 34,765 kg bei 18,45 ° u. 741,13mm Hg
Endgewicht » ” —67,650 n»n » 18,52% » 738,38 o »
zugeführt — 29,4031 bei 0% und 760 mm Hg
davon ab N, in O, = 0,4561
” a CO, » O,= 0,0151
Co f: tA p sc A 1 3,7871
Nettosauerstoffverbrauch 32,7191
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,609 L
Kohlensäurebilanz:
Vorher vorhanden 0,0871; aus Lauge. . . . . =24,8971C0,
nachher ” 0,926 1 Gesamtkohlensäureprod. = 25,736 1
0,839 1
Kohlensáure pro Stde. = 4,4121; Respirator. Quotient = 0,786.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden , . 137,5221; N, aus O, (1,55°/,) = 0,456 1
nachher D . . 138,1091
0,5871
Differenz = + 0,1311.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 89
Versuch vom 3. III. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des
Hundes Unterlage Versuches
— 820 g 5b 42” 300g Fleisch
50 g Äthylester
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 20,9° 737,24 + 0,10 + 0,05 48
Endwerte . . 20,30 737,84 + 3,20 — 0,23 87
Anfangsvolum 194,5301 bei 20,9% u. 728,46 mm Hg = 173,172 1
Endvolum , . 1944801 » 20,9% » 724,92 a n»n =172,2841
Ernáhrung
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,059/, 0,47%, CO, = 0,059,
O, = 20,89%, 19,52%, 0, — 98,40%,
„= 79,06°|, 80,01 lo N, = 1,56 1,55%),
100,00%/, 100,009/, 100,009/,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 36,176 ]
Nachher n © e e e o o 33,6301
2,546 1
Anfangsgew.d. Gasometers = 44,355 kg bei 18,6 %u. 737,1 mm Hg
Endgewicht » n — 79,660 » na 18,22% » 7378 n »
zugeführt . . . . =— 31,469 l bei 0° und 760 mm Hg
davon ab N,in O, = 0,4881
” » CO, » O, = 0,016 1
dazu Bus by 2,546 1
Rate 33,511 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,8791.
Kohlensäurebilanz:
Vorher vorhanden 0,0861; aus Lauge . . . . . =25,1521C0,
Nachher » 0,8101 Gesamtkohlensäureprod. = 25,876 1
0,7241
Kohlensäure pro Std. = 4,540 l; Respirator. Quotient = 0,772.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 136,913 1; N, aus O, (1,55°/,) = 0,488 1
Nachher ” . . 137,845 1
0,932 1
Differenz = + 0,444 1.
90 Johannes Müller und H. Murschhauser:
Versuch vom 4. III 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des
Hundes Unterlage Versuches
11,79 kg 820 g 5b A9 300 g Fleisch
50 g Athylester
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 20,25% 744,62 + 0,10 + 0,05 57
Endwerte . . 19,6 ° 747,0 + 3,78 + 0,04 93
Anfangsvolum 194,5901 bei 20,2% u. 734,64 mm Hg = 175,1121
Endvolum . . 1945401 » 20,2% » 732,27 n n» =174,5041
Ernábrung
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO,= 0,05%, 0,58%, CO, = 0,05%,
O, = 20,899/, 19,75%, O, = 98,40%,
N, = 79,06°/, 79,67%, N, = 1,55%,
100,009), 100,00 Ye 100,009/,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 36,582 1
_ Nachher ” e... . . 34,4651
2,1171
Anfangsgew.d. Gasometers = 41,405 kg bei 18,45% u. 744,3 mm Hg
Endgewicht n n =— 77,950 n n 18,3 ° n 7469 n »
zugeführt . . . . = 32,953 1 bei 0% und 760 mm Hg
davon ab N, in O, = 0,5101
n » CO, » O, = 0,016 1
dazu ......= 21171
Nettosauerstoffverbrauch 34,544 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,956 1.
Kohlensäurebilanz:
Vorher vorhanden 0,0871; aus Lauge . . . . . = 26,1351 CO,
Nachher n 1,0121 Gesamtkohlensäureprod. = 27,0601
0,9251
Kohlensäure pro Std. = 4,665 l; Respirator. Quotient = 0,783.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 138,445 1; N, aus O, (1,55%/,) = 0,510 1
Nachher n . . 139,028 1
0,583 1
Differenz = + 0,073 1.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 91
Versuch vom 5.III. 1916,
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des 2
Hundes Unterlage Versuches Ernährung
11,77 kg 820 g 5253" 300g Fleisch
50 g Rinderfett
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 20,7% 752,33 + 0,10 —+- 0,05 44
Endwerte . . 19,9% 752,18 + 3,23 + 2,32 86
Anfangsvolum 194,6101 bei 20,7% u. 744,38 mm Hg = 177,1501
Endvolum . . 194,5401 » 20,7° » 737,85 » n —175,5331
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,05°/, 0,50%, ` CO, = 0,05°/,
O, = 20,89°/, 19,50°/, O, = 98,40°/,
N, = 79,06 en 80,00°/, N, = 1,55%,
100,00%/, 100,009, 100,009,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . , . 37,007 1
Nachher » ... . . 342291
2,778 1
Anfangsgew.d.Gasometers— 38,585 kg bei 18,45° u. 752,38 mm Hg
Endgewicht » ” = 72,290 n » 18,45%» 752,18 n »
zugeführt . . . . = 30,661 l bei 0% und 760 mm He
davon ab N, in O, = 0,475 1
” n CO, n O, = 0,0151
dazu . . . . . . = 27781
Nettosauerstoffverbrauch 32,949 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde — 5,601 L
Kohlensäurebilanz:
Vorher vorhanden 0,0881; aus Lauge . . . . . = 24,4841C0,
Nachher » 0,8771 Gesamtkohlensäureprod. = 25,2731
0,7891
Kohlensäure pro Std. = 4,296 1; Respirator. Quotient — 0,767.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 140,055 l; N, aus O, (1,55°/,) = 0,475 1
Nachher ” . . 140,426 1
0,371 1
Differenz = — 0,104 l.
92 Johannes Müller und H. Murschhauser: .
Versuch vom 6. III. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des
Hundes Unterlage Versuches
11,60 kg 820 g 600” 300g Fleisch
50 g Rindertalg
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 20,2% 750,98 -+ 0,09 + 0,06 46
Endwerte . . 19,8% 750,68 + 3,30 + 3,35 85
Anfangsvolum 194,7801 bei 20,2% u. 742,91 mm Hg = 177,2601
Endvolum . . 194,7501 » 20,2% » 736,14 » a =175,6161
Ernáhrung
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Bauerstoffes
CO, = 0,05 21, | 0,509/, CO, = 0,05 N
O, = 20,899/, 19,559, O, = 98,40%,
Na = 79,069), 79,95%, N = 1,55%,
100,009/, 100,009/, 100,009,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 37,030 1
Nachher n co... . 34,333 1
2,697 1
Anfangsgew.d.Gasometers = 41,825 kg bei 18,57%u. 751,03 mm Hg
Endgewicht » » =75,190 n n 18,5 fo 750,73 n n
zugeführt . . . . =30,2761 bei :0% und 760 mm Hg
davon ab N, in O, = 0,469 1
» a CO, » O, = 0,015 1
dazu . . . . . . = 26971
Nettosauerstoffverbrauch 32,489 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,415 l.
Kohlensäurebilanz:
Vorher vorhanden 0,0891; aus Lauge . . . . . =24,1031C0,
Nachher n 0,8781 Gesamtkohlensáureprod. = 24,8921
0,7891
Kohlensäure pro Std. = 4,149 l; Respirator. Quotient = 0,766.
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 140,142 l; N, aus O, (1,55°/,) = 0,469 1
Nachher D . . 140,403 1
0,261 1
Differenz = — 0,208 1.
Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 93
Versuch vom 7.III. 1916.
Versuchsobjekt: Hund Fox.
Gewicht des Gewicht der Dauer des
Hundes Unterlage Versuches
11,72 kg 820 g 5552 300g Fleisch
50 g Rinderfett
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr.
Anfangswerte 20,2° 749,73 + 0,09 + 0,06 49
Endwerte . . 19,70 747,7 + 0,13 + 2,60 87
Anfangsvolum 194,6601 bei 20,2% u. 741,14 mm Hg = 176,725 1
Endvolum . . 194,6101 » 20,2% » 732,12 n»n n = 174,5291
Ernährung
Analysen
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes
CO, = 0,05°], 0,53%, CO, = 0,059/,
O, =20,89%/, 19,08%], O, = 98,40%,
N, = 79,06%), 80,39%, N, = 1,55%],
100,00°/, 100,00%, 100,00°/,
Sauerstoffbilanz:
Vorher vorhanden. . . . . . 36,9181
Nachher n E SE |
| 3,6171
Anfangsgew.d.Gasometers = 38,979 kg bei 18,53° u. 749,8 mm Hg
Endgewicht » » — 71,035 n n»n 18,30% n 747,8 sa »
zugeführt . . . . =29,063 1 bei 0% und 760 mm Hg
davon ab N, in O, = 0,4501
» n CO, » O, = 0,014 1
dazu ......= 3,6171
Nettosauerstoffverbrauch 32,216 1
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,491 1
Kohlensáurebilanz:
Vorher vorhanden 0,0891; aus Lauge . . . . . = 24,361 1 CO,
Nachher n» 0,9251 Gesamtkohlensäureprod. = 25,197 1
0,8361
Kohlensäure pro Std. — 4,295 1; Respirator. Quotient = 0,782.
04 Johannes Müller und H. Murschhauser:
Stickstoffbilanz:
Vorher vorhanden . . 139,719 1; N, aus O? (1,55°/,) = 0,450 1
Nachher D >a 140,308 1
0,584 1
Differenz = —+ 0,134 1.
Versuch vom 25. II. 16. Versuch vom 26. II. 16.
o 9 10 31 12 1 2 3Uhr o 9 10 1 12 1 2 3Uhr
2 2
4 4
6 6
8 8
10 10
12 12
14 14
16 16
18 18
20 20
22 22
24 24
E26 S 26
28 28
230 ER
32
= + =
36 36
38 38
40 40
42 42
44 44
46 46
48 48
50 50
52 52
54 54
56 56
58 58
60 80
Versuch vom 27. II. 16. Versuch vom 29. II. 16.
o 'O 1 12 1 0 3Uhr o 9 10 1 12 1 2 3Uhr
2 2
4 4
6 6
8 8
10 10
12 12
14 14
wel 16
18 18
20 20
22 22
24 24
c 26 c 26
2 28 28
2% 2%
532 >32
34 34
36 36
38 38
40 40
42|- 42
44|- 44
46 40
48 48
Sol. 50
52L 52
54 54
56l- 56
58! 58
60 60
95
Versuch vom 2. III. 16.
Die Verwertung der Fetteäureäthylester.
Versuch vom 1. II. 16.
S £E
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Minuten
96 J. Müller u. H. Murschhauser: Die Verwertung der Fettsäureäthylester.
Versuch vom 5. III. 16. Versuch vom 6. III. 16.
o 9 0 n 2 1 2 Sub „son 2 3Uhr
2 2
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& 5
8 3
10 10
12 12
14 14
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18 18
20 20
22 22
24 24
25 El
30 230
32 32
34 234
36 ze.
38 38 -
40 40,
42) 42
44- 44
ap 46
48 48
50! 50
62. 52
54 54 e
56- 56
58 58
60 60
Versuch vom 7. III. 16. Zeichenerklärung.
=. ER I 2 3Uhr
2
4 . . ..
6 liegt ruhig oder schläft;
8
10
12
14
16
> — ganz kurz dauernde Bewegung;
22
24
= S schwache Bewegung;
30
32
34 -
ei = starke Bewegung;
40
42
44 .
46 + sitzt aufrecht;
48 ?
50
Ai > bellt.
56
58
Über die adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen,
insbesondere der ameisensauren Tonerde.
Von
A. Loewy und R. Wolffenstein.
(Aus dem tierphysiologischen Institut der landwirtschaftlichen Hoch-
schule und dem organisch-chemischen Laboratorium der kgl. technischen
Hochschule in Berlin.)
(Eingegangen am 27. September 1916.)
Tonerdesalze haben sich in den letzten Jahrzehnten wegen
ihrer entzündungswidrigen und antiseptischen Wirkung und
wegen ihrer Billigkeit und Ungefährlichkeit mehr und mehr im
klinischen Gebrauch eingebürgert, und vorzugsweise ist die essig-
saure Tonerde für diese Zwecke in Aufnahme gekommen,
Bei allen Vorzügen, welche das officinelle Präparat der
letzteren, die 8°/ ige Tonerdelösung, der Liquor alum, acet.
besitzt, haben sich doch Mängel hierbei insofern herausgestellt,
als dieses Präparat sich vielfach bei längerem Stehen trübt
und allmählich einen Niederschlag absetzt. Diese äußerliche
Veränderung der Lösung beruht auf einer chemischen Zer-
setzung, indem sich hierbei feste, basisch-essigsaure Tonerde
abscheidet. Dadurch wird die Lösung in ihrem Tonerdegehalt
ärmer, verliert also an ihrem Wirkungswert und erhält gleich-
zeitig durch Abspaltung freier Essigsäure eine unerwünschte
saure Reaktion. — An verschiedenen Proben des liquor Alu-
minii acetici haben wir die allmählich zunehmende Säuerung
titrimetrisch verfolgen können.
Da nur frische Präparate die vorgeschriebene Zusammen-
setzung haben, sollen aus den Apotheken nur klare Lösungen
abgegeben werden, offenbar in der Erkenntnis der oben ge-
schilderten Verhältnisse. Trüb gewordene Lösungen sollen nicht
Bioehemische Zeitschrift Band 78. 7
98 A. Loewy und R. Wolffenstein:
verkauft werden und werden somit für die Apotheker unbrauch-
bar und wertlos.
Aber selbst noch klar erscheinende Lösungen verändern
mit der Zeit ihren Zustand, wohl im Zusammenhang mit der
zunehmenden Säuerung, in eigentümlicher Weise. Während näm-
lich frische Lösungen auch beim Kochen klar bleiben, trüben sich
hierbei ältere, die in der Kälte noch klar erscheinen, und geben
Ausscheidungen. Das zeigt, daß durch die Umsetzungen, die
in den Lösungen der essigsauren Tonerde eintreten, das gelöste
Material verändert wird, bevor dies unmittelbar für den Augen-
schein bemerklich wird.
Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß die Kritiken, die in
letzter Zeit gegen Verwendung der essigeauren Tonerde laut
wurden, in der Verschiedenheit der Präparate ihren Grund
haben können. —
Wir dachten daher bei der im allgemeinen größeren Akti-
vität der Ameisensäure gegenüber der Essigsäure im ameisen-
sauren Aluminium eine therapeutisch viel wirksamere und
chemisch beständigere Substanz zu haben, die in derselben
Richtung, aber in vollkommenerer Weise, wie die essigsaure Ton-
erde verwendbar sei.
Ameisensaure Tonerdelösungen sind bereits dargestellt, sind
aber für medizinische Zwecke nicht in Benutzung genommen wor-
den und unseres Wissens auch noch nie pharmakologisch unter-
sucht. Vielleicht hat diese Zurückhaltung gegenüber der ameisen-
sauren Tonerde darin ihren Grund, daß auch hier verschieden-
artige Präparate mit verschiedenem Verhalten existieren. Es
wurden von uns Lösungen beobachtet, die sich in konzentriertem
Zustande klar hielten, aber in verdünntem, gebrauchsfähigem
sich nach einigen Tagen trübten. Dieses Verhalten der ameisen-
sauren Tonerdelösungen je nach ihrer Konzentration dürfte auf
einen lonisierungsprozeß zurückzuführen sein. Diese lonisie-
rung sollte nun durch Zusatz von Salzen zurückgedrängt werden
können. — Angesichts des Verwendungszweckes der ameisen-
sauren Tonerdelösungen war es erwünscht, hierbei Salze zu
wählen, welche diesen Zweck ihrerseits unterstützten, d. h. also
die adstringierende Wirkung des Präparates erhöhten.
Hierzu erwiesen sich Natriumsulfat bzw. Kaliumsulfat als
günstig. Es ergab sich, daß der Zusatz dieser Salze zu Lösungen
Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 99
von ameisensaurer Tonerde die nach Verdünnung allmählich
vor sich gehende Trübung der Tonerdelösung verhinderte und
ihre adstringierende Wirksamkeit steigerte. —
Was wir als „adstringierende Wirkung“ bezeichnen, ist
das Schlußergebnis einer Reihe von Einzelwirkungen, die teils
physikalisch-chemischer, teils physiologischer Art sind. — Dabei
steht die chemische Wirkung im Vordergrunde. Sie besteht
in einer Fällung der Eiweißbestandteile der Zellen, in die die
Adstringentien eindringen können, oder der Zellenabsonderungen
bzw. der Gewebssäfte, mit denen sie in Berührung kommen.
Der Erfolg dieser Eiweißfällung ist die Bildung eines Über-
zuges koagulierten Materiales auf Schleimhäuten oder Wund-
flächen; beide werden dadurch weniger durchlässig gemacht,
gewissermaßen „gedichtet“. Verstärkt wird dieser Effekt da-
durch, daß auch die oberflächlichen Zellen der Drüsen, die in
Schleimhäuten liegen, gleichfalls durch die Adstringentien in
dem Sinne beeinflußt werden, daß ihr Inhalt koaguliert wird.
Dadurch wird die Sekretbildung der Drüsen beschränkt
[Schitz?*)]. —
Weiterhin erstreckt sich die koagulierende Wirkung der
Adstringentien auf die oberflächlich gelegenen Eiweißschichten,
auch auf das Eiweißmaterial der Gefäßwandungen. Infolge-
dessen werden auch die Gefäßwandungen weniger durchlässig,
die Transsudation durch sie vermindert sich, und die Auswande-
rung zelligen Materiales (farbloser Blutzellen) aus den Gefäßen
wird eingeschränkt. Endlich gehört zur Wirkung der Adstrin-
gentien eine Gefäßverengerung, wie Heinz?) nachwies. Aber
diese bildet nicht das Hauptmoment für die Wirkung. Denn
auch da, wo sie nicht eintritt, und zwar dadurch nicht ein-
tritt, daß adstringierende Lösungen in einer Konzentration ver-
wendet werden, die zu Gefäßerweiterung führt, zeigt sich
eine verminderte Durchgängigkeit der Gefäßwandungen. Auch
in diesem Falle nämlich hört die Auswanderung von Zellen
durch die Gefäßwandungen auf. Immerhin beschränkt die
Gefäßcontraction das eine Symptom der Entzündung, die
1) Schütz, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 27, 1890.
2) R. Heinz, Die Wirkung der Adstringentien. Virchows Archiv,
116, 220, 1889.
Lg
100 A. Loewy und R. Wolffenstein:
Rötung, während die chemische Wirkung den wichtigeren
Entzündungserscheinungen: der Schwellung durch seröse Durch-
tränkung und der gesteigerten Sekretion entgegenwirkt. —
Entsprechend den genannten Einzelwirkungen haben wir
nun den Effekt unserer ameisensauren Tonerde auf drei ver-
schiedenen Wegen untersucht, wobei wir besonders den koagu-
lierenden Einfluß festzustellen suchten. Die erste Reihe der
Versuche wurde in vitro an Eiweißlösungen angestellt. Dazu
kam eine zweite Reihe, die ein Analogon zu derjenigen Er-
scheinung darstellen sollte, die im lebenden Organismus als
Gewebsdichtung erscheint. An dritter Stelle endlich wurden
Versuche über die contrahierende Gefäßwirkung ausgeführt.
Wir beobachteten letztere an der Bindehaut des Kaninchenauges,
die nach dem Vorgange von Heinz zuvor in Entzündung ver-
setzt wart).
Die koagulierende Wirkung unserer ameisensauren Ton-
erdelösungen prüften wir durch ihre Fähigkeit der Fällung von
Eiweißlösungen, wobei wir zum Vergleich gewöhnliche wäßrige
Lösungen der ameisensauren Tonerde heranzogen.
Dabei ergab sich, daß unsere mit schwefelsauren Alkalien
versetzte ameisensaure Tonerdelösung eiweißkoagulierend wirkte,
wo es die reine Tonerdelösung nicht tat, oder eine massigere
1A nm. Vorkurzemhat K o bert ?°)eine biologisohe Methodezur Prüfung
der adstringierenden Wirksamkeit angegeben. Er läßt die zu prüfenden
Lösungen auf in physiologische Kochsalzlösung aufgeschwemmte rote
Blutzellen einwirken und sieht zu, welche Konzentration eine Agglutination
und Ausfällung der Erythrocyten herbeiführt. Dieses Verfahren kommt den
Verhältnissen am lebenden Körper näher als die hier angegebenen, so-
weit sie sich auf die koagulierenden Effekte beziehen. Aber bei der Ver-
wendung in praxi kommen die Adstringentien nicht in unmittelbare
Berührung mit Blutzellen, und die Verhältnisse ändern sich schon, wenn
die Blutzellen nicht vom Serum befreit sich in Kochsalzlösung befinden,
sondern im eigenen Serum suspendiert sind, wie Kobert selbst fand.
Denn kleine Mengen des Adstringens vermögen sich im Serum zu lösen
und verlieren ihre adstringierende Wirkung auf die Blutzellen.
Die quantitativen Verhältnisse, die Kobert an gewaschenen Blut-
zellen fand, verschieben sich danach, und es ist von vornherein nicht zu
sagen, wie sie sich unter den Bedingungen, unter denen die Adstringentien
in praxi benutzt werden, gestalten.
1) R. Kobert und L. Triller, Über die therapeutisch wertvollen
Inhaltsbestandteile der Moore. Zeitschr. f. Balneol. 9, Nr. 3/4, 8. 15.
Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 101
Koagulation herbeiführte als diese, eine Erscheinung, an deren
Zustandekommen wohl die aussalzende Wirkung der Neutral-
verbindungen mit beteiligt ist. Die Koagulation, also die Um-
wandlung und Ausflockung der Eiweißkörper, geschah dabei in
ganz allmählicher Weise, so daß sie erst nach vielen Stunden
für das Auge deutlich sich auszubilden begann. Die langsame
und, wir möchten sagen, milde Wirkung scheint uns für die
ärztliche Verwendung von Bedeutung zu sein, insofern dadurch
ein bei intensiverer Wirkung möglicher Ätzeffekt vermieden
wird und leichter eine gewisse Tiefenwirkung erfolgen kann.
Als Beispiele dienen folgende Beobachtungen:
1. Steriles Rinderserum wird versetzt mit gleichen Teilen
von einerseits a) reiner ameisensaurer Tonerdelósung mit 7 °/, Ge-
halt, andererseits b) sulfathaltiger ameisensaurer Tonerdelösung
von gleichem Tonerdegehalt. Beim Zusatz tritt in beiden Proben
eine kaum merkbare Trübung ein, die nach einigen Stunden
noch in gleicher Weise besteht. Nach 48 Stunden ist die Mischung
a) schwach trübe, in b) hat sich ein dickes Eiweißkoagulum ab-
gesetzt. Das Filtrat dieser Probe gibt mit oder ohne Salpeter-
säure beim Kochen einen dicken Niederschlag; es war also nur
ein Teil der Serumeiweiße ausgefallen gewesen.
2. Dieselbe Anordnung. Derselbe Erfolg, der nach 24 Stunden
beobachtet wird.
3. 1°/,ige, etwas trübe Eiereiweißlösung wird wiederum
a) mit reiner, b) mit sulfathaltiger Tonerdelósung in gleicher
Menge und Konzentration versetzt. Zunächst keinerlei Ver-
änderung. Nach 24 Stunden verhält sich a) wie im Beginn,
b) zeigt ein dickes Koagulum. Das Filtrat gibt hier bei Salpeter-
säurezusatz in der Kälte oder beim Kochen mit Salpetersäure
nur eine schwache Trübung, so daß mit den Globulinen auch
EiweiBalbumin durch die Tonerdelösung ausgefällt worden zu
sein scheint.
4. 5 ccm steriles Serum versetzt mit 5 cem 7°/ iger wäßriger
ameisensaurer Tonerdelösung. Keine Veränderung. Nach 24 Stun-
den eben merkbare Trübung. Die Probe wird in drei Teile ge-
teilt; zu dem ersten werden einige Tropfen 7°/ iger sulfat-
haltiger Tonerdelösung gefügt; zum zweiten einige Tropfen
reiner 7°/ ‚iger Tonerdelösung; zum dritten einige Tropfen
destillierten Wassers. Dabei tritt in allen etwas stärkere
102 A. Loewy und R. Wolffenstein:
Trübung ein. Nach 48 Stunden besteht diese in den letzten
beiden Proben in gleicher Weise fort, in der ersten jedoch hat
sich ein dickes festes Gerinnsel gebildet.
5. boom steriles Serum + 5 ccm Aqua dest. + 5 com 7°/ iger
ameisensaurer Tonerde werden vermischt. Dabei keine Ver-
änderung. Nach 24 Stunden geringe Trübung. Auf Zusatz
einiger Tropfen sulfathaltiger Tonerdelösung zu einem Teil
der Mischung tritt Zunahme der Trübung auf. Nach 48 Stunden
hat sich ein festes, aber weicheres Gerinnsel als im Versuch 4
gebildet. Zusatz von reiner ameisensaurer Tonerdelösung zu
der 24 Stunden alten Mischung bringt keine Veränderung,
Wasserzusatz schwache Trübung hervor. Nach 48 Stunden
keine weitere Veränderung in diesen beiden Proben.
6. 5 ccm steriles Serum werden mit 5 ccm Aqua dest.
verdünnt; keine Veränderung; auch keine nach 24 Stunden.
Zusatz weniger Tropfen sulfathaltiger Tonerdelösung (7°/,)
macht dicke Trübung, reine 7!/,°/,ige ameisensaure Tonerde-
lösung führt zu mäßiger, Wasserzusatz zu minimaler Trübung.
Nach 48 Stunden ist die mit Sulfattonerdelösung versetzte
Probe fest geronnen, die mit reiner ameisensaurer Tonerde ist
wenig trübe, die mit Wasser verdünnte klar mit einem ganz
geringen Gerinnsel am Boden.
Die vorstehenden Versuche zeigen, daß der Sulfatzusatz
zur ameisensauren Tonerde deren Wirkung auf Eiweiß-
körper verstärkte oder überhaupt erst deutlich in Er-
scheinung treten ließ.
Bringt man Eiweißlösungen mit Sulfattonerdelösung in anderen
Mischungsverhältnissen zusammen, so braucht keine Koagulation einzu-
treten, aber auch hier erfolgt eine Denaturierung der Eiweißkörper.
Denn fügt man nach 24 Stunden etwas gewöhnliche ameisensaure Ton-
erdelösung hinzu, so tritt nun eine Ausfällung der Eiweiße auf.
So wie beschrieben, verlaufen die Versuche mit frischen sterilen
Lösungen von Eiweißkörpern. Benutzt man ältere Lösungen, in denen
schon Zersetzungen sich eingeleitet haben, so werden die Ergebnisse un-
durchsichtiger. Aber für die Verhältnisse am lebenden Körper spielen
diese Vorgänge keine Rolle.
Die Übertragung dieser Ergebnisse — durch die unseres
Wissens zum erstenmal der direkte chemische Nachweis dafür
erbracht ist, daß ameisensaure Tonerde, mehr aber noch die
Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 103
alkali-sulfathaltige ameisensaure Tonerde, Eiweißkörper derart
allmählich zu verändern vermögen, daß sie langsam zur Ko-
agulation kommen — auf die Verhältnisse, unter denen diese
Substanzen am lebenden Organismus zur Verwendung kommen,
insbesondere bei ihrer Benutzung als Wundheilmittel, dürfte
ohne weiteres gestattet sein. Damit erscheint das eine Er-
fordernis, das an die Wirkung von Adstringentien in der Praxis
gestellt wird, verwirklicht.
Auf anderem Wege versuchten wir in der zweiten Ver-
suchsreihe — wiederum durch Beobachtungen in vitro — die
Wirkung der verschiedenen Tonerdelösungen auf die Durch-
lässigkeit des Gewebes nachzuahmen. Hierzu bedienten wir
uns der Capillaranalyse nach Goppelsröder. Wir wollten
sehen, wie die verschiedenen Tonerdelösungen in Capillar-
spalten aufsteigen und wie sie den Aufstieg von Wasser und
gelösten Bestandteilen in den Capillarspalten beeinflussen.
Das Verfahren entsprach dem von Goppelsróder?) an-
gegebenen. Benutzt wurden Streifen schwedischen Filtrier-
papieres von 24cm Länge und 4 cm Breite. Drei von diesen
wurden nebeneinander an einem horizontal angebrachten Glas-
stab befestigt, so daß sie gleichtief in untergestellte gleichgroße
Bechergläser hineinragten. Die Gläser wurden mit gleichen
Mengen, d h. also gleichhoch, entweder mit destilliertem Wasser
(a) oder mit reiner ameisensaurer Tonerdelósung (b) oder mit
alkalisulfathaltiger Lösung von ameisensaurer Tonerde (c) ge-
füllt, so daß also die drei Streifen gleichtief hineintauchten.
Das Eintauchen geschah durch Senken des Glasstabes gleich-
zeitig. Dann wurden die Aufstieghóhen zu verschiedenen Zeiten
beobachtet und notiert. Nach Schluß der bis zu einer Stunde
dauernden Versuche wurden die Streifen herausgenommen und
die Höhe, bis zu der das Wasser bzw. die in ihm gelösten
Substanzen emporgestiegen waren, gemessen.
Wir fanden folgendes:
1) F. Goppelsröder, Capillaranalyse usw. Verhdl. d. naturforsch.
Ges. zu Basel. XIV. Basel 1901. Auch: Über die Anwendung der
Capillaranalyse usw. in: Der Harn (herausgegeben von Neuberg). S. 1361.
Berlin 1911.
104 A. Loewy und R. Wolffenstein:
Versuch 1.
Eintauchung um 12% 24’: Benutzung von destilliertem
Wasser (a), ameisensaurer Tonerde (7°/ ig) (b) und alkalisulfat-
haltiger Tonerde (7°/,ig); ohne weiteren Zusatz. Am schnellsten
steigt die Flüssigkeit in a, weniger in c, noch weniger in b;
jedoch erreicht allmählich die Aufstiegshöhe in b die von c,
um dann höher als in c sich zu erheben.
Steighöhe: in & in b in c
12229 . . . 5*/, cm 41), cm 43/, cm
12548... 81), ” 6%), n 1 ”
12255... .11 ” 781, n 7 n
112... .11 ” 78, ” 1 ”
Versuch 2.
Anordnung wie in Versuch 1, jedoch wird zu jeder der
drei Proben gleichviel einer Fuchsinlósung gefúgt. Fuchsin tritt
mit der ameisensauren Tonerde in Wechselwirkung, wobei es
zu teilweiser Ausfállung kommen kann. Die Bedingungen, die
hierbei in Betracht kommen, sind denen vergleichbar, die
bei der Einwirkung der ameisensauren Tonerde auf Gewebs-
sáfte sich geltend machen. — Beim Zusatz des Fuchsins färbt
sich die Wasserprobe sofort tiefrot, die ameisensaure Tonerde-
lösung langsamer, um aber bald ebenso intensiv wie die Wasser-
probe gefärbt zu sein. Die Alkalisulfat enthaltende Tonerde-
lösung ist zunächst hellrosa, färbt sich dann sehr langsam tiefer.
Nach 24 Stunden sind alle Proben gleich intensiv rot.
Beim Eintauchen steigt die Flüssigkeit aus der mit de-
stilliertem Wasser bereiteten Fuchsinlösung am schnellsten, aus
den Tonerdelösungen weit langsamer, und zwar die aus
der sulfathaltigen weniger als aus der reinen Tonerdelösung.
Der Farbstoff steigt am wenigsten aus der Sulfatlösung, und
die Steigzone ist hellrosa. Aus der reinen Tonerdelösung und
aus dem destillierten Wasser ist das Fuchsin höher gestiegen,
und die Färbung der Steigzone ist bei ersterer dunkelrosa, bei
letzterer dunkelrot.
Nach 40 Minuten werden die Streifen herausgenommen.
Nun ist das Verhalten folgendes:
Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 105
Steighöhe Steighöhe Farbe
Tauchflüssigkeit der . des des
Flüssigkeit Fuchsins Papiers
a: Fuchsin + Aq. dest. ... 80cm 1,8cm rot
b: n -+ ameisens. Ton-
erde ...... 66 » 20 » dunkelrosa
o » — sulfathalt, Ton-
erde ...... 48 » 1,5 » hellrosa.
Nach 24 Stunden wird an den getrockneten Streifen eine
neue Messung vorgenommen; sie ergibt die gleichen Werte.
In gleicher Weise wurden noch zwei weitere Versuche mit
gleichem Resultate angestellt.
Versuch 5.
Frisches Kaninchenblut wird mit dem Neunfachen destil-
lierten Wassers verdünnt. Die gleiche Menge der Blutlósung
wird in einer Probe mit destilliertem Wasser, in einer zweiten
mit reiner ameisensaurer Tonerde, in einer dritten mit alkali-
sulfathaltiger ameisensaurer Tonerde versetzt. Der Zusatz er-
folgt mit gleichen Mengen der drei Flüssigkeiten. Der Ton-
erdezusatz führt zu einer Umwandlung des Hämoglobins, das
sich braun färbt. Dabei ist bemerkenswert, daß die Bräunung
in der reinen ameisensauren Tonerde schnell eintritt und vor-
schreitet, in der sulfathaltigen dagegen viel später einsetzt
und langsamer zunimmt. In ersterer beginnt sie schon nach
2 Minuten und ist nach 10 Minuten beendet, in letzterer ist
sie nach 15 Minuten noch unvollkommen und nach 22 Minuten
scheinbar beendet.
Nachdem die Papiere 4 Minuten eingetaucht waren, war
der Aufstieg der Flüssigkeit aus dem destillierten Wasser 50 mm
Höhe, der des Hämoglobins 40 mm. Das Papier zeigte braune
Färbung. Aus der Tonerde war die Flüssigkeit 41 mm hoch
gestiegen; Färbung war nicht deutlich erkennbar. Ebenso ver-
hielt sich das in Sulfattonerde tauchende Papier, in dem die
Flüssigkeit 43 mm hoch gestiegen war. 18 Minuten nach Ein-
tauchen und folgender Trocknung der Papiere betrug der Flüssig-
keitsaufstieg aus dem destillierten Wasser: 68 mm, aus der
ameisensauren Tonerde: 50 mm, aus der Alkalisulfat enthalten-
106 ‚ A. Loewy und R. Wolffenstein:
den ameisensauren Tonerde: 46 mm. Das Papier, das in Wasser
tauchte, war 58 mm hoch braun gefärbt, die beiden anderen
waren gelblich, und dabei das in die Sulfatlösung eintauchende
heller als das in reine Tonerde eintauchende.
Danach ist auch der Aufstieg des Hämoglobins durch den
Tonerdezusatz und mehr noch durch Sulfatzugabe beeinträchtigt
worden. — i
Die vorstehenden Versuche ergeben übereinstimmend, daß
schon die ameisensaure Tonerde an sich, weit mehr aber noch
Sulfatzusatz zu dieser das capillare Aufsteigen von Flüssigkeit
hemmt. Auch der Aufstieg von in dieser gelösten Bestand-
teilen wurde mehr von der sulfathaltigen Tonerde als von der
reinen zurückgehalten.
Man darf vielleicht die vorstehenden Capillarattraktions-
versuche mit den Vorgängen im Tierkörper in Vergleich setzen.
Nehmen wir an, daß eine Wunde mit Umschlägen behandelt
wird, die ameisensaure oder zweckmäßiger noch alkalisulfat-
ameisensaure Tonerde enthalten, so wird die Wundfläche sich
mit der Lösung bedecken und auch bis in mehr oder weniger
große Tiefe sich mit ihr imbibieren können und die Gewebs-
lücken sich mit ihr füllen. Die Schicht der Lösung, die so die
Oberfläche überzieht und die angrenzenden Gewebslagen durch-
dringt, wird nach Analogie der von uns gefundenen Tatsachen
in der Richtung wirken, daß die Menge der Flüssigkeit, die aus
den Gewebslücken hervorquillt, oder die transsudiert, und ebenso
oder vielleicht mehr noch die der gelösten krystalloiden und
kolloiden Bestandteile, die sie enthält, vermindert wird. Es
wird so unabhängig von der zuerst beschriebenen koagulieren-
den Wirkung und vielleicht noch vor deren Zustandekommen
ein Effekt eintreten, auf den auch die Eiweißfällung hinwirkt,
nämlich der, den man in der Pathologie als Sekretbeschränkung
bezeichnet, wenn es sich auch nicht um Sekrete im physio-
logischen Sinne handelt, vielmehr um Transsudate oder um das
Hervorquellen von Gewebsflüssigkeit.
Ob eine länger dauernde Behandlung katarrhalisch ver-
änderter Schleimhautflächen mit der Sulfatlösung zu einer wirk-
lichen Verminderung der Sekretion der Schleimhautdrüsen führt,
ist bei der Annahme des Eindringens der Lösung in die Drüsen-
ausführungsgänge möglich, aber experimentell nicht erwiesen.
Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 107
Die klinischen Erfahrungen, die bisher mit dem Mittel ge-
wonnen worden sind, sprechen jedenfalls auch für diese Wir-
kung. Nur ist fraglich, inwieweit daran die koagulierende
Wirkung beteiligt ist, wahrscheinlich hat sie den Hauptanteil
daran.
Die dritte Gruppe unserer Versuche endlich betrifft das
Verhalten der Blutgefäße unter dem Einfluß der ameisen-
sauren Tonerde Sie sind, wie schon erwähnt, an der ent-
zündeten Kaninchenconjunctiva ausgeführt. Um die geeignete
Entzündung hervorzurufen, träufelten wir in den Bindehautsack
beider Augen dünne Tanninlösung oder ganz verdünnte Essig-
sáure. Die Schleimhaut wurde bald gerótet, geschwollen und
mehr oder weniger gewulstet. Dazu kam bisweilen eine Che-
mosis. Nun wurden von einer 0,7°/,igen alkalisulfathaltigen
Lösung der ameisensauren Tonerde einige Tropfen in den einen
Bindehautsack geträufelt. Der Erfolg war, daß die Schleim-
haut alsbald — schon nach einer bis zu wenigen Minuten —
blasser und trockener wurde und die Wulstung zurückging.
Die Wirkung war bei Vergleichung mit dem zweiten nicht mit
der Tonerde behandelten Auge besonders gut zu erkennen.
Später wurde dann auch in dieses zweite Auge die Tonerde-
lösung eingeträufelt. Die verengernde Wirkung auf die Gefäße
war auch hier deutlich und kennzeichnete sich durch die ein-
tretende Abblassung. Die Schwellung der Schleimhaut wurde
jedoch bei der nun längeren Einwirkung der Entzündung er-
regenden Mittel und den stärkeren Veränderungen, die sie zu-
standegebracht hatten, weniger beeinflußt. —
Wir finden sonach, wenn wir das Ergebnis aller Versuche
zusammenfassen, bei der alkali-sulfathaltigen ameisensauren Ton-
erde alle pharmakologischen Eigenschaften, die von einem ad-
stringierenden Mittel verlangt werden, und die dieses als ent-
zündungswidriges Heilmittel auf Wunden oder katarrhalisch
veränderten Schleimhäuten angezeigt erscheinen lassen: Lang-
sam verlaufende Eiweißkoagulation, Gefäßverengerung mit Ab-
schwellung und — zum Teil als weitere Folge dieser beiden
Wirkungen, teilweise wohl auch als besonderen Effekt — Be-
schränkung der Sekretabgabe. —
In einer Reihe weiterer Versuche behandelten wir die
normale Bindehaut des Kaninchenauges mit unserer ameisen-
108 A. Loewy und R. Wolffenstein:
sauren Tonerdelösung, dabei in einigen Fällen gleichzeitig die
des zweiten Auges mit offizineller essigsaurer Tonerdelösung.
Diese Versuche scheinen uns zum mindesten ebensogut wie die
am entzündeten Auge geeignet, den adstringierenden Effekt
und das Wesen desselben sichtbar zu machen und zugleich
die Überlegenheit zu zeigen, die ameisensaure Tonerde ent-
haltende Lösung gegenüber der essigsauren Tonerde im adstrin-
gierenden Effekt besitzt.
Wir verwendeten unsere Tonerdelösung in dreierlei Kon-
zentration; nämlich eine solche mit 7°/, ameisensaurer Tonerde
mit 3%/, und eine mit 0,7°/,. Die beiden ersten wirken reizend
auf die Bindehaut des Auges; die erste ziemlich energisch und
eine Reihe von Tagen nachwirkend; die zweite in geringem
Maße, so daß nach 24 bis höchstens 48 Stunden die Bindehaut
wieder normal ist. Reizend wirkt auch die offizinelle 8°/ ige
Lösung der essigsauren Tonerdelösung.
Dabei ergibt sich nun, daß die adstringierende Wirkung
bei beiden Lösungen unseres ameisensauren Tonerdepräparates
weit deutlicher ist als bei der offizinellen essigsauren Tonerde-
lösung.
Die Reizwirkung sowohl der essigsauren wie unserer
7°/,igen und 3°/,igen Tonerdelósungen gibt sich kund durch
Rötung der Bindehaut, durch Schwellung und, bei höheren
Graden, durch Ödembildung (Chemosis).
Dazu kommt bei Benutzung der 7%/,igen Lösung unseres
Präparats und der offizinellen essigsauren Tonerdelösung ein
sich allmählich — im Laufe von Stunden — ausbildender und
nach 24 Stunden deutlicher fibrinöser Belag in den Übergangs-
falten, der bei Benutzung der essigsauren Tonerde stärker er-
schien, als bei der unserer 7°/ igen ameisensauren Tonerde-
lösung.
Dabei stellt sich nun das Bild, das die mit der essig-
sauren Tonerde einerseits, mit dem ameisensauren Tonerde-
präparat andrerseits behandelten Augen bieten, doch verschieden
par. Denn neben der Reizwirkung macht sich bei unserem
Präparat sehr deutlich ein adstringierender Effekt bemerk-
bar, der bei der essigsauren Lösung nur wenig in Erschei-
nung tritt.
Die mit der sulfathaltigen ameisensauren Tonerdelösung
Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 109
behandelten Augen zeigen stets eine geringere Rötung als
diejenigen, bei denen essigsaure Tonerde verwandt wurde. Außer-
dem weist die Bindehautoberfläche ein mattes Aussehen auf
und ist schon bei Verwendung auch nur der 3°/ (gen Lösung
auffallend trocken. Demgegenüber ist die Bindehaut der
mit essigsaurer Tonerdelösung behandelten Augen nicht nur
mehr gerötet, sondern ist immer noch feucht und etwas spie-
gelnd, wenn auch diese beiden letzteren Phänomene nicht so
deutlich wie in der Norm ausgebildet sind.
Als Belege mögen die folgenden drei Versuche dienen.
Versuch 2: 10%,ige alkalisulfathaltige ameisensaure Ton-
erdelösung.
Einem großen Kaninchen werden instilliert ins rechte Auge 5 gtt.
der Lösung um 10 Uhr 45 Minuten und eine Minute darin gelassen. —
10 Uhr 49 Minuten Bindehaut des rechten Auges deutlich, doch wenig,
geschwollen und gerötet. — 11 Uhr 15 Minuten: Obere Bindehaut wie
vorher, besonders an der Übergangsfalte; untere Bindehaut kaum gegen
links verändert. — 12 Uhr: Ganz mäßiges Ödem der Conjunctiva rechts
oben und unten; Bindehaut oben gerötet, unten blaß. — Nach 48 Stun-
den Auge normal.
Versuch 3: Wiederum 10%/,ige Lösung der alkalisulfathaltigen
ameisensauren Tonerde.
In das reohte Auge eines Kaninchens werden 3 Tropfen instilliert
und 1 Minute darin gelassen, um 12 Uhr 32 Minuten. In das linke
Auge kommen 3 Tropfen offizineller Lösung von essigsaurer Tonerde.
— Um 12 Uhr 35 Minuten werden die Einträufelungen wiederholt. —
12 Uhr 40 Minuten: Rechte Bindehaut unten fast normal, oben mäßig
geschwollen, wenig gerötet. Oberfläche matt; links mehr geschwollen als
rechte, Rötung stärker, Oberfläche von weniger mattem Aussehen, wenn
auch nicht normal spiegelnd. — 12 Uhr 48 Minuten: Schwellung der
Bindehäute beider Augen etwas stärker. Rechts nur wenig gerötet,
Schleimhautoberfläche matt und ganz trooken. Links: stärkere Rötung,
Oberfläche feucht, wenn auch weniger als normal, noch ein wenig spie-
gelnd.
Versuch 1: 25%,ige Lösung der alkalisulfathaltigen ameisen-
~ sauren Tonerde,
In den Bindehautsack des rechten Auges werden 3 Tropfen ge-
träufelt, die eine Minute darin bleiben, um 10 Uhr 48 Minuten. In das
linke kommen 3 Tropfen des offizinellen liqu. alumin. acetic, um 10 Uhr
44 Minuten. — 10 Uhr 46 Minuten: Gefäße des rechten Augapfels etwas
110 A. Loewy und R. Wolffenstein:
injiziert, Conjunctiva blaß. Links: Conjunctiva mäßig gerötet. — 10 Uhr
48 Minuten: Geringe Chemosis an den unteren Übergangsfalten;
10 Uhr 57 Minuten: Einträufelungen wiederholt. — 11 Uhr 6 Minuten:
Rechts: Obere Bindehaut etwas geschwollen, doch blaß und von matter
Oberfläche (adstringierende Wirkung!), untere Bindehaut ebenso, doch
weniger geschwollen. Links: Bindehaut oben und unten etwas ge-
schwollen, deutlich gerötet, Oberfläche nicht matt, vielmehr glänzend. —
11 Uhr 16 Minuten. Rechts: Untere Bindehaut fast normal: obere etwas
geschwollen, jedoch blaß und matt. Links: Unten fast normal, oben
weniger geschwollen als rechts, jetzt blaß, fast normal glänzend. —
1 Uhr 4 Minuten: Rechts: Chemosis oben und unten, oben stärker als
unten, jedoch an beiden Stellen mäßig ausgebildet. Links: Chemosis
ebenso wie rechts, doch Schleimhaut stärker gerötet als rechts und glänzend.
Nach 24 Stunden: Schwellung der oberen Schleimhaut; rechts ge-
ringer als am Tage zuvor, dabei blaß, matt, mit mäßigem fibrinösem Belag
in der Übergangsfalte bedeckt. Rechts: Untere Schleimhaut in der Über-
gangsfalte etwas geschwollen mit Belag. — Links: Oben Schwellung
geringer als rechts, doch gerötet, sehr feucht, mit stärkerem Belag als
rechts. — Links unten wie oben; auch hier stärkerer Belag als rechts. —
Am folgenden Tage: Rechts unten fast normal, nur an der Über-
gangsfalte noch etwas geschwollen und mit geringem Belag bedeckt.
Rechts oben noch stärker geschwollen und an der Falte reichlich Fibrin-
belag. — Links: Unten fast normal, oben etwas gerötet, wenig ge-
schwollen.
Am nächsten Tage: Rechts unten normal, rechts oben etwas
geschwollen und gerötet, Spur-Belag am vorderen Lidwinkel. Linke:
oben und unten normal. —
Die 0,7°/ ige ameisensaure Tonerde enthaltende Lösung
unseres Präparates wirkt nicht mehr reizend, aber noch
deutlich adstringierend auf die Augenbindehaut. Diese
sieht trockner, matter, blasser aus als die normale des zweiten
Auges —
Im Anschluß an die vorstehenden Protokolle dürfte der
Hinweis darauf gestattet sein, daß durch sie die Stellungnahme
gestützt wird, der wir in der Einleitung Ausdruck gegeben
haben, daß nämlich die adstringierende Wirkung im wesent-
lichen auf dem chemischen Effekt der Eiweißkoagulation in den
oberflächlichen Zellschichten beruht, während die Gefäßcontrac-
tion keine erhebliche Rolle spielt, in Übereinstimmung mit dem,
was, wie erwähnt, aus den mikroskopischen Beobachtungen von
Heinz zu folgern war. Denn die Adstriktion, die in unserem
Falle sich in der Veränderung der Oberfläche (Mattheit statt
spiegelnden Glanzes; Trockenheit statt Feuchtigkeit) kundgab,
Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 111
kam ja zustande, trotzdem die Gefäße über die Norm hinaus
erweitert waren.
Diese letzten Versuche an der Conjunctiva geben zugleich
eine biologische Grundlage für die Verwendung unseres Prä-
parates zur Behandlung von katarrhalischen Affektionen der
Schleimhäute und Wundflächen. —
In einer Anzahl von Fällen wurde dementsprechend unser
Präparat in praxi versucht.
Zunächst wurden alte, mindestens handgroße, zum Teil jauchende
Unterschenkelgeschwüre, die zuvor erfolglos mit allerlei Mitteln,
auch mit essigsaurer Tonerde, behandelt waren, ausgewählt. Es handelte
sich um Kranke der niedrigsten Stände, die sich keinerlei Schonung
angedeihen lassen konnten.
Unter den beobachteten (12) Fällen hatte unsere Tonerdelösung in
der überwiegenden Zahl (9) Erfolg, insofern eine Reinigung, Abblassung
und Verkleinerung der Geschwüre eintrat. Damit einher ging Vermin-
derung der Absonderung und der Schmerzen. In 3 Fällen war der Erfolg
nicht bedeutend. — Auch bei alten, stark absondernden Scheiden-
katarrhen trat eine Beschränkung des Ausflusses ein. — Die Konzen-
tration der benutzten Lösung war stets sehr niedrig; sie betrug nur 0,1
bis 0,2°/,.
Die Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes aus der
freien und gebundenen Kohlensäure desselben, und die
Sauerstoffbindung des Blutes als Funktion der Wasser-
stoffzahl.
Von
K. A. Hasselbalch.
(Aus dem Laboratorium des Finsen-Instituts, Kopenhagen.)
(Eingegangen am 7. Oktober 1916.)
Mit 12 Figuren im Text.
I.
Die während des letzten Jahrzehntes stattgefundene Aus-
bildung der elektrometrischen Reaktionsbestimmung CO,-hal-
tiger Flüssigkeiten hat auch für die Physiologie des Blutes
eine Reihe wertvoller Aufschlüsse gezeitigt. Wir kennen jetzt
die Größe der „Wasserstoffzahl“ (—= Wasserstoffionenkonzen-
tration) im Blute der Säugetiere, wir wissen, daß der gesunde,
sowie auch der kranke Organismus mit zäher Energie diese
gegebene Reaktion aufrecht erhält, und wir sind von mehreren
der Wege und Mittel, wodurch diese Konstanz gewährleistet
wird, recht wohl unterrichtet.
Es haften indessen der elektrometrischen Reaktionsbestim-
mung, am Blute angewendet, gewisse Mängel an. Erstens muß
die Technik, selbst für den besonders Geübten, als eine recht
schwierige bezeichnet werden. Zweitens ist die erreichbare Ge-
nauigkeit, eben in Betracht der so feinen Regulation seitens
des Organismus, für mehrere Untersuchungszwecke nicht ganz
befriedigend. Eine Verschiebung des „reduzierten“ Go") des
1) pp bei 40 mm CO,-Spannung, siehe Hasselbalch: Diese Zeit-
schr. 74, 56, 1916.
K. A. Hasselbalch: Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 113
Blutes um 0,03 liegt an der Grenze der Fehlerbreite, womit
man bei der Elektrometrie des Blutes zu rechnen hat, und
doch entspricht eine derartige Verschiebung der reduzierten
Wasserstoffzahl einer Änderung der CO,-Spannung des Blutes
um etwa A mm, d.h. einer Zunahme (bzw. Abnahme) der At-
mungsgröße um etwa 10%/,, wenn unter diesen Umständen die
„regulierte‘“ Wasserstofizahl*) des Blutes unverändert bleiben soll.
Das Streben, irgendeine verfeinerte und gleichzeitig leichter
zu handhabende Methode zur Bestimmung der Wasserstoffzahl des
Blutes aufzufinden, ist somit wohlbegründet. Eine solche Verfeine-
rung und Erleichterung habe ich durch die gleichzeitige Bestim-
mung der freien und gebundenen Kohlensäure des Blutes erzielt.
Der Gedanke, der dieser Methode zugrunde liegt, ist nichts
weniger als neu. Bei den bekannten Untersuchungen Walters?)
von 1877 über Säurevergiftung wurde zum ersten Male der
CO,-Gehalt des venösen Blutes der Versuchstiere als Maß der
Säuerung des Organismus benutzt. Richtiger wäre es gewesen,
stets bei derselben, bekannten CO,-Spannung den CO,-Gehalt
des Blutes zu bestimmen, wie es neuerdings Morawitz und
Walker?), sowie auch Christiansen, Douglas und Hal-
dane?) getan haben. Dabei bleibt ja nämlich die Konzen-
tration der freien CO, in allen Fällen konstant, während die
Menge der gebundenen CO, von dem Gehalt des Blutes an
disponiblen alkalischen Valenzen abhängen muß.
Wie L. J. Henderson?) hervorhebt, „besitzt die Bestim-
mung der Kohlensäure den großen Vorteil, daß die gemessene
Quantität großen Variationen unterworfen ist“.
Zwei Blutsorten, die bei 38% und 40 mm CO, einen py: von 7,30
bzw. 7,28 aufweisen, d. h. einen Unterschied, der durch die elektro-
metrische Bestimmung nur eben nachweisbar ist, enthalten (s. u.) bzw,
45 und 43 com CO, pro 100 ccm Blut. Wie jedermann weiß, der je mit
den Gasen des Blutes praktisch beschäftigt war, liegt bei passender Wahl
der Methode ein soloher Unterschied weit außerhalb des Fehlerbereiches,
Nun erhebt sich die Frage, ob die beiden Größen, die freie
1) Die Wasserstoffzahl des Blutes bei alveolarer CO,-Spannung
Hasselbalch, a. a. O.
2) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 7, 148, 1877,
$ Diese Zeitschr. 60, 395, 1914.
4) Journ. of Physiol. 48, 244, 1914,
5) Ergebn. der Physiol. 8, 313, 1909.
Biochemische Zeitschrift Rand 78 8
114 K. A. Hasselbalch:
und die gebundene Kohlensäuremenge des Blutes, für mehr als
eine qualitative Schätzung der aktuellen Blutreaktion, speziell
ob sie für eine genaue Berechnung derselben verwertbar sind.
Durch die in dieser Hinsicht grundlegende Arbeit von
L. J. Henderson wurde der Wahrscheinlichkeitsbeweis er-
bracht, daß „Kohlensäure im Blutplasma sehr reichlich, wenn
nicht fast ausschließlich als Kohlensäure, Natriumbikarbonat
und besonders als Ion HCO, vorhanden ist“*) Der Beweis
gründet sich auf den Umstand, daß die Co des Blutes, mit
den damals verfügbaren, etwas mangelhaften Methoden ge-
messen, von ungefähr derselben Größe ist, wie eine Lösung
von CO, -+ NaHCO,, wo die freie CO, die Spannung des Blutes
hat, und die Konzentration des Bikarbonats der gebundenen
CO,-Menge des Blutes entspricht.
` Später (1914) stellt sich auch Michaelis?) das Blut als
eine (in elektrolytischer Hinsicht) einfache wäßrige Lösung von
CO, + NaHCO, vor. Die Wasserstoffzahl einer solchen Lösung
wird bei einer Verdoppelung der H,CO,-Konzentration ver-
doppelt, was auch Michaelis bei seinen folgenden, „halb-
quantitativen“ Betrachtungen über die Säureempfindlichkeit des
Blutes voraussetzt.
In diesem Punkt besteht aber zwischen der Theorie,
jedenfalls in der Michaelisschen Fassung, und den vorliegen-
den, unangreifbaren Beobachtungen ein eklatanter Widerspruch.
Bei einer Verdoppelung der H,CO,-Konzentration wird die Cp.
im Blute nicht verdoppelt, der pz. wird nicht um log 2 = 0,30
vermindert, sondern wie die untenstehende Zusammenstellung
zeigt, z. B. bei einer Steigerung der CO,-Spannung von 25 mm
bis auf 50 mm, um nur 0,20 kleiner.
Pu:
A ii,
bei 25mm bei 50 mm
J CO, 00, Dif. Beobachter
Rinderblut, 38° . 7,57 7,41 0,16
7,50 7,32 0,18 | Hasselbalch u.
7,48 7,27 0,21f Lundsgaard’)
747 725 0,22
1) a. a. O. S. 274.
+) Die Wasserstoffionenkonzentration. 1914, S. 90.
3) Diese Zeitschr. 38, 83, 1912.
P
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 115
p
bei 25mm bei 50mm
CO, CO, Diff. Beobachter
Menschenblut, 38° 7,46 7,24 0,22 Peters!)
NaHCO, jeglicher
Konzentration u.
Temperatur . . — — 0,30
Bei Verdoppelung der H,CO,-Konzentration wird die Was-
serstoffzahl nicht um 100°/, sondern nur um 60%/, größer.
Die „halbquantitative“ Betrachtung von Michaelis ist auch
nur halb richtig. Das Blut ist eine Pufferlösung von weit größerer
Effektivität als die reine Bikarbonatlósung. Nur die Mög-
lichkeit, daß das Blut keine konstante, sondern eine
mit steigender CO,-Spannung zunehmende Konzen-
tration des Bikarbonats besitzt, kann die halbquan-
titative Betrachtung in eine quantitative verwandeln.
II.
In einer Natriumbikarbonatlösung mit Kohlensäure geht
die Wasserstoffzahl bekanntlich aus der folgenden Gleichung
hervor S
[Bikarb.]
(CO, Er oe y
wo K die erste Dissoziationskonstante der Kohlensäure, A den
den Dissoziationsgrad des Bikarbonats darstellt. Wir führen
statt K den Ausdruck 10—Px ein und nehmen den Logarithmus
K = [H] x ð Xx
[Bik.]
menge — emo 1 >
PK Pa + log ô + og [CO,]
[Bik.]
= ] 1 . . e . . 2
Py Pe + og d + 08 [CO,] ( )
Die Größe px ist dann — nach einem nicht publizierten Vor-
schlag von N. Bjerrum — ganz analog zu py. als der nega-
tive Logarithmus der Dissoziationskonstante zu definieren.
Der Dissoziationsgrad d liegt für Bikarbonatkonzentrationen
bis 0,05 n. zwischen 1 und 0,8, das Glied log A der Gleichung (2)
demnach zwischen O und — 0,1. Es ist aber bei dieser Ge-
legenheit ganz unnütz, die Größe dieses Gliedes zu kennen.
Statt pg + log ô schreiben wir px,, also ist
1) Barcroft, The respiratory function of the blood 1914, 316.
gs
116 K. A. Hasselbalch:
[Bik.]
p . = , lo ev o e e è e œ 3
H Px + g [CO,] ( )
Wir verfügen jetzt über eine sehr einfache Gleichung zur Be-
rechnung von pp- in reinen Bikarbonatlösungen mit Kohlen-
säure, nur muß für eine gegebene Bikarbonatkonzentration der
entsprechende Wert von px, bekannt sein.
Bei äquivalenter Konzentration von Bikarbonat mit Kohlen-
; j Bik.
säure wird das Glied log 1603 (Gleichung 3) = 0, folglich kann
2
die GróBe px, in folgender Weise definiert werden:
pg, ist pm. bei äquivalenter Konzentration von Salz
und Säure.
Es galt nun, die Werte von px, bei Bluttemperatur fest-
zustellen.
Die erste Dissoziationskonstante der Kohlensäure wurde
bei 18° von Walker und Cormack!) aus Leitfähigkeitsbe-
stimmungen reiner Kohlensáurelósungen zu 10%? berechnet,
oder, mit der hier gewählten Ausdrucksweise, pg wurde gleich
6,52 gefunden.
Bei einer Temperaturerhóhung von 18° bis auf 38% wächst
bekanntlich der Logarithmus der Gleichgewichtskonstante eines
Prozesses um den Betrag
Q Xx (38 — 18)
4,57 X< (273 + 38) <(273 + 18)’
wo Q die Wärmetönung pro Grammäquivalent des reagierenden
Stoffes bezeichnet. .
Aus Julius Thomsens thermochemischen Untersuchungen
ließ sich [L. J. Henderson?)] Q, die Ionisationswärme der
Kohlensäure, zu — 2750 Cal. berechnen. Bei 38° sollte dem-
gemäß px für Kohlensäure um 0,13 kleiner sein als bei 18°,
die Kohlensäure also bei 38° eine stärkere Säure sein als
bei 180,
Demgegenüber behaupten Michaelis und Rona?), experi-
mentell erwiesen zu haben, die Kohlensäure sei bei 38° nicht
stärker dissoziiert als bei 18°. Es ist mir nicht möglich, die
1) Journ. of Chem. Soc. 77, 5, 1900.
») 1. c. 8. 296 Fußnote.
3) Diese Zeitschr. 67, 188, 1914.
Berechnung der Wasserstofízahl des Blutes usw. 117
Beweiskraft dieser Versuche anzuerkennen, und zwar aus dem
folgenden Grunde.
Michaelis und Rona bereiten ihre Lösung aus Na,CO,
und HCl bekannter Konzentration bei Zimmertemperatur
und bestimmen py elektrometrisch bei 38°, indem sie einfach
die Lösung im Elektrodengefäß auf 38° erwärmen. Die Ver-
fasser meinen nun, die Konzentrationen von NaHCO, und H,CO,,
co der Gleichung (3)
(s. ol abhängt, seien unverändert geblieben. Die Bikarbonat-
konzentration ist natürlich von der Erwärmung (praktisch) un-
berührt geblieben, die Kohlensäurekonzentration aber muß in-
folge der bei 38° geringeren Löslichkeit unbedingt kleiner sein
als bei 1801). Wird bei dem benutzten Verfahren py. bei 38°
gleich pg. bei 18° gefunden, so muß bei 38° die Kohlensäure,
weil hier ihre Konzentration eine geringere war als bei 18°,
stärker dissoziiert sein. Um wie viel, ist auf Grund solcher
Bestimmungen nicht leicht zu sagen, weil die wirklich vorhan-
dene H,CO,-Konzentration sich einer genaueren Berechnung
entzieht. Nur durch eine Analyse der Wasserstoffblase des
Elektrodengefäßes auf deren CO,-Gehalt könnte die H,CO,-
Konzentration der Versuchsflüssigkeit ermittelt werden.
Bei meinen Bestimmungen der Werte von px, bei 18° und
bei 38° bin ich in der folgenden Weise vorgegangen.
Wäßrige Lösungen von NaHCO, bekannter Konzentrationen
zwischen 0,005 n. und 0,05 n. wurden in einem einfachen „Sa-
turator“ im Raume des Luftthermostaten mit einer CO,-Luft-
mischung analysierten CO,-Gehaltes gesättigt und dann in das
gleichzeitig mit Wasserstoff beladene Elektrodengefäß?) hinüber-
gepreßt, das in demselben Thermostaten, direkt unter dem Sa-
turator angebracht ist. Bei passender Füllung des Elektroden-
gefäßes mit der Versuchsflüssigkeit — Totalvolumen 5 ccm,
davon Wasserstoff 1,5 ccm — genügten zwei Erneuerungen der
Lösung, um vollkommen konstante Werte des Potentials zu
wovon ja der Betrag des Gliedes log
1) Der Absorptionskoeffizient œ von CO, in reinem Wasser ist bei
18° 0,928 und bei 38° 0,560.
2) Bezüglich der Konstruktion siehe Hasselbalch und Gam-
meltoft, diese Zeitschr. 68, 235, 1915.
118 K. A. Hasselbalch:
sichern, Werte, die gelegentlich auch colorimetrisch — bei Zim-
mertemperatur mit Methylrot als Indicator — verifiziert wurden.
Der Saturator (Fig. 1) ist eine 200 ccm fassende, mittels
eines Motors um ihre Achse rotierende Glasflasche mit doppelt
durchbohrtem Kautschukstöpsel. In der weiteren, zentral ge-
legenen Bohrung steckt ein kurzes, bei a geschliffenes Glasrohr,
Fig. 1.
wohindurch ein zweites, bei b leicht ausgezogenes Glasrohr lose
passiert; durch dieses Rohr geht aus einem Gasometer ein per-
manenter Strom der CO,-haltigen Luft, die im Thermostaten-
raum zuerst eine Bleispirale, dann eine Waschflasche mit destil-
liertem Wasser passiert und bei a den Saturator verläßt. Um
den Luftstrom anzuhalten, braucht man nur dieses Rohr ein
bißchen zurückzuziehen, so daß die Öffnung bei a durch den
kleinen aufgebundenen Kautschukschlauch bei b geschlossen
wird, und die Versuchsflüssigkeit kann, nach Herstellung der
Verbindungen, zuerst zur Spülung der Verbindungsschläuche,
dann zur Füllung des Elektrodengefäßes verwandt werden. Die
Flüssigkeit verläßt den Saturator durch das kleine, gebogene
Glasrohr c, das durch die zweite, engere Bohrung des Kaut-
schukstöpsels passiert.
Die von mir bei variierter Konzentration der Kohlensäure
und des Natriumbikarbonats bei 18° und bei 38° ausgeführten
Messungen von py. sind in der untenstehenden Tabelle I auf-
geführt. Bei der Berechnung von px, (Pp. bei äquivalenter
Konzentration von Salz und Säure) habe ich in allen Fällen
bei 18° den Absorptionskoeffizienten 0,928, und bei 38° 0,560
benutzt, indem die Salzkonzentration überall so gering ist, daß
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 119
die vom Salze bewirkte Depression des Absorptionskoeffizienten
in Betracht der unvermeidlichen Fehler bei der elektrometri-
schen Bestimmung unberücksichtigt bleiben kann.
Tabelle I.
u 180 380
NaHCO,-Konz.
> Same mm -CO, | Py | PK, mm. CO, | Par | Pr,
7,42 | 6,43 ,
403,8 6,48 | 6,43 247,8 6,82 6,33
74,0 7,23 | 6,44 52,6 7,50 6,34
147 7 6,92 | 6,43 717,0 6,35 6,33
6,43 | 6,33
0,03 n. 40.6 7,43 6,38
80,7 7,10 6,35
| 1350 | 6,87 | 6,34
96,9 7,03 6,36
| 6,36
0,02 n. y 123,3 16,78 | 6,39
| 36,7 7,28 6,36
| 628 |708 | 639
| 6,38
0,01 n. 54,3 6,77 | 6,54 85,0 6,65 6,40
134,3 6,37 | 6,53 218,6 6,28 6,44
101,8 6,46 | 6,505 137,4 6,46 6,42
84,5 | 6,54 | 6,50 189,2 | 635 | 6,44
68,8 6,68 | 6,545 119,8 6,52 6,42
92,4 6,54 | 6,54 149,0 6,395 | 6,40
6,53 6,42
0,005 n. 23,5 6,97 6,46
41,35 | 6,70 6,44
71,8 6,48 6,46
| 6,45
Bei dieser Voraussetzung ergibt die Berechnung, daß eine
0,01 n-Kohlensäurelösung bei 18° einer CO,-Spannung von
91,7 mm Hg., bei 38% einer CO,-Spannung von 152 mm Hg
entspricht. Umgekehrt läßt sich die Normalität der Kohlen-
säurelösung einfach aus der CO,-Spannung des Luftstromes
nach dem folgenden Schema berechnen:
ER >< 0,01 n, bei 38° DEE
Tabelle I enthält folgende Ergebnisse:
1. Die Kohlensäure ist bei 38° eine stärkere Säure als
bei 18°. Während die Berechnung auf Grund der Jul. Thom-
senschen Daten eine Differenz pg!8°— px °®’ = 0,13 erwarten
Bei 18° >X< 0,01 n.
120 K. A. Hasselbalch:
ließ, finde ich eine entsprechende Differenz von 0,10 bis 0,11 ?),
demnach eine, praktisch betrachtet, vollkommene Überein-
stimmung.
2. Der Wert px, steigert sich mit abnehmender Salzkon-
zentration. Das rührt nun teilweise von dem Umstand her,
daß gleichzeitig der Dissoziationsgrad A des Bikarbonats an-
steigt.
Die untenstehende Zusammenstellung zeigt die hier gefundenen
Werte von Dr bei 38° und abnehmender Salzkonzentration. Die ent-
sprechenden Werte von ö sind durch Interpolation aus den Leitfähig-
keitsbestimmungen von Walker und Cormack”) berechnet worden.
Die unterste Zahlenreihe gibt die Werte von pg der Kohlensäure bei
38°, indem pg = Pg, — log ô; diese Werte sind mit abnehmender Salz-
konzentration zwar etwas ansteigend, doch viel weniger als die Werte
von Pg,-
Konz. des Bikarbonats 0,05n 0,03n 0,02n 001n 0,005 n
PES ee 2633 636 638 642 665
CL... e . . 0800 0827 081 0,885 0,917
oe A... . . .—0,10 —0,08 —0,07 —0,05 — 0,04
_logd. . . . . . . .—010 —008 —0,07 005 —004 _
Pr, —logó=pg . . 643 644 645 647 649
Fig. 2 gibt eine graphische Darstellung der Versuchsergeb-
nisse bei 38°, die bei der späteren Anwendung der Befunde
an Blut von Nutzen sein
wird. Als Abscisse dient die
Normalität des Bikarbonats,
teils direkt, teils durch den
Gehalt an gebundener CO,
in Volumprozenten (Kubik-
zentimeter CO, bei 0°, 760
mm, pro 100 ccm Flüssig-
keit) ausgedrückt.
3. Bei gegebener CO,-
0% a% Spannung ist der py. einer
0 0,01 002 003
0
67 78 90 101 m É ` ,
E Vol % reinen NaHCO,-Lósung. bei
Fig. 2. px, der Kohlensäure bei 38% etwa 0,12 größer als
320 bei zunehmender NaHCO,- bei 18°.
Normalität.
Eine graphische Darstel-
1) Vorausgesetzt, daß der Dissoziationsgrad ô von der Temperatur-
erhöhung unbeeinflußt bleibt.
2) 1. c. S. 10.
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 121
lung der Versuchsergebnisse bei 0,05 n. und 0,01 n-NaHCO,
könnte die Richtigkeit dieses Satzes beweisen. Einfacher ist
der prinzipielle Nachweis. Wir erinnern uns, daß eine 0,01 n-
Kohlensäurelösung einer CO,-Spannung von 91,7 mm bei 18°,
152 mm bei 38° entspricht. Wir nehmen die Salzkonzentration
0,01 n. und die CO,-Spannung p an. Die Formel (3) läßt sich
nun schreiben:
pP; — 6,43 + log 0,01 =
01 152
Pr’ u 6,33 -+ log =
Pu” — Pa’ = — 0,10 + log 152 — log 91,7 = 0,12.
H,CO, bei 38% ist zwar eine stärkere Säure als H,CO,
bei 18°, die Wasserlöslichkeit der CO, ist aber bei der höheren
Temperatur um so viel geringer, daß die Erwärmung einer
Bikarbonatlósung mit Erhaltung des CO,-Druckes eine Ernie-
drigung der Wasserstoffionisation bewirkt.
Ill.
Nachdem auf diese Weise die Berechnung des py einer
Natriumbikarbonatlösung bei 38° aus der freien und der ge-
bundenen Kohlensäuremenge ermöglicht war, erhob sich die
Frage, ob eine ähnliche Berechnung bei Blut anwendbar ist.
Schon in der Einleitung zeigte ich, daß die Annahme
einer konstanten, von dem CO,-Drucke unabhängigen Bikarbo-
natkonzentration im Blute mit dem vorliegenden Beobachtungs-
material unvereinbar ist.
Die Vermutung war nun naheliegend, daß die bekannte
CO,-Bindungskurve des Blutes, die mit zunehmendem CO,-
Drucke zuerst rapide, dann langsamer ansteigt, den graphi-
schen Ausdruck für die Bikarbonatkonzentration des Blutes
abgebe, daß, mit Hendersons Worten, die gesamte gebundene
Kohlensäure im Blute als Natriumbikarbonat, d. h. ganz haupt-
sächlich als Ion HCO, vorhanden sei.
Die Prüfung dieser Hypothese machte es notwendig, den
Py: des Blutes sowohl elektrometrisch als auch rechnerisch aus
den Mengen der freien und gebundenen CO, zu bestimmen.
Bei diesen Untersuchungen benutzte ich für die Sättigung des (de-
fibrinierten) Blutes mit CO, einer beliebigen Spannung den oben be-
122 K. A. Hasselbalch:
schriebenen Saturator (Fig. 1), worin etwa 15 com Blut erst im Wasser-
bad bei 38° etwa 5 Minuten lang vorgewärmt wurden, dann im Luft-
thermostaten bei derselben Temperatur eine halbe Stunde lang im Luft-
strom rotierten. Etwa 3 com Blut wurden nun für die Elektrometrie
verwandt, etwa 10 ccm mittels Quecksilberpumpe evakuiert und die
Gase analysiert.
Das benutzte Elektrodengefäß ist etwas verschieden von dem bisher
von mir verwandten Modell"). Die Elektrode ist ein kurzer, hakenfórmig
gekrümmter Platindraht, dessen Spitze die Wand des Elektrodengefäßes
leicht berührt. Die Wasserstoffatmosphäre ist auf eine kleine Blase,
die während des maschinellen Schaukelns des Elektrodengefäßes durch
das Blut auf- und abwärts wandelt, beschränkt. Während der Messung
ist die Elektrode nur durch die an dem Glase haftende Serumschicht
mit dem Blut in Berührung; die vollständige Reduktion des Blutes
braucht nicht abgewartet zu werden; nach 50 Wendungen des Gefäßes
stellt sich das bleibende Potential fast augenblicklich ein, und eine Er-
neuerung des Blutes, die übrigens sehr leicht zu bewerkstelligen ist, ist
wegen der kleinen H,-Atmospháre bei CO,-Spannungen von 0 bis auf
etwa 60 mm nicht nötig. Bei höheren CO,-Spannungen muß die ge-
messene Blutportion aus dem Saturator einmal erneuert werden; das
Seitenrohr, wodurch die Erneuerung des Blutes ermöglicht wird, zweigt
sich direkt unter der H,-Blase ab. Diese Modifikation meines Elektro-
dengefäßes hat sich bei meinen Messungen an Blut und anderen Ge-
websflüssigkeiten vorzüglich bewährt. Die Elektrode funktioniert ohne
Neuplatinierung tadellos Wochen hindurch.
Unmittelbar nach der Blutprobeentnahme für die Elektrometrie
werden in einem graduierten Quecksilberrezipienten ca. 10 com Blut
luftfrei aufgefangen und später in den evakuierten Rezipienten der
Quecksilberluftpumpe hinübergebracht. Das genaue Volumen dieser
Blutprobe wird durch Wägung des ausgelaufenen Quecksilbers ermittelt.
Die Spannung der Kohlensäure im Blute geht aus der
Analyse einer Probe des Luftstromes, aus dem Luftdruck und
dem Dampfdruck des Wassers bei der Versuchstemperatur her-
vor. Für die Berechnung der freien Kohlensäure im Blut ist
außerdem die Kenntnis des Absorptionskoeffizienten erforder-
lich. Diese Größe ist von Bohr?) auf indirektem Wege be-
stimmt worden und beträgt für Blut und Serum bei 18° und 38°
& G
Blut 18° 0,854 Serum 18° 0,905
38° 0,511 38° 0,541
Die freie Kohlensäure im Blute beträgt; bei der CO,-Span-
1) Diese Zeitschr. 49, 455, 1913.
2) Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen, 1, 63.
Berechnung der Wasserstofizahl des Blutes usw. 123
Tabelle II.
Py" bei 18% und 38° in Blut, Serum und Hämoglobinlösungen,
elektrometrisch und rechnerisch ermittelt.
Rinderblut I . . | 38 39,3 42,6 7,26 7,29 + 0,03
38 28,1 37,2 7,36 7,38 + 0,02
18 44,8 54,3 7,18 7,20 + 0,02
18 22,3 44,3 7,42 7,43 + 0,01
38 63,1 47,9 7,14 7,12 — 0,02
38 | 95,6 62,7 7,04 7,05 + 0,01
Rinderblut II. .| 38 10,7 31,6 7,72 7,74 + 0,02
38 | 33,6 47,8 7,42 7,40 — 0,02
38 | 96,7 65,0 7,06 7,06 0
38 61,2 58,7 7,22 7,22 0
38 20,1 39,8 7,57 7,56 — 0,01
38 43,7 51,8 7,31 7,32 + 0,01
38 | 74,0 64,7 | 7,17 7,18 + 0,01
Rinderblut II .| 38 | 41,1 48,8 7,32 7,32 0
38 | 41,0 48,5 7,32 7,32 0
Serum aus III .| 38 | 41,8 62,0 7,39 7,38 — 0,01
38 14,5 54,3 7,78 7,79 + 0,01
Rinderblut III, |
25 com +0,85%. | 38 | 399 | 435 | 7,29 | 7,29 0
NaCl, 5 ccm
Rinderserum IV .| 38 | 40,6 60,6 7,40 7,39 — 0,01
38 38,9 59,8 7,40 7,40 0
18 | 4150 64,6 7,31 7,29 — 0,02
Rinderblut V . .| 38 | 427 44,3 7,26 70 + 0,01
38 39,3 44,5 7,28 7,30 + 0,02
38 40,9 42,2 7,24 7,27 + 0,03
Rinderblut VI .| 38 | 36,3 45,2 7,34 7,35 + 0,01
20,2 492 | 7,58 | 7,58 0
DialysierteHämo-
38 54,4 52,0 7,27 7,23 — 0,04
globinlösung mit 38 94,2 55,4 7,03 7,01 — 0,02
NaHCO, 0,025 n. 38 | 7,0 32,9 7,95 7,94 — 0,01
Menschenblut
K. A. H. 38 50,8 57,1 7,26 7,29 + 0,03
a 12 I. 38 45,7 52,9 7,32 7,31 — 0,01
38 32,7 45,1 7,38 7,39 + 0,01
38 18,5 35,1 7,55 7,55 0
O 38 | 224 | 367 | 749 | 748 | —001
38 80,7 61,3 7,12 7,12 0
pa
nung p ie Vol.-9/,. Diese Größe ergibt, von der Gesamt-
Ce
kohlensäure (immer in Volumenprozenten ausgedrückt) subtra-
hiert, die gebundene CO,, die wir s nennen.
Die Gleichung (3) kann nun, indem H,CO, eine zweibasi-
sche Säure ist, in folgender Weise geschrieben werden:
124 K. A. Hasselbalrh:
be =P, + log 55359 yq = Pe, + log eo. . (4)
760
Der zu benutzende Wert von px, hängt von der Größe
von s ab und ist auf der Kurventafel (Fig. 2) abzulesen?).
Bei 18% kann px, um 0,10 größer veranschlagt werden (s. ol
Beispiel: Bei 38% und 40 mm CO,-Spannung enthált eine Blut-
probe 51,0 Vol.-%/, CO, in gebundener Form.
Pg, ist bei 51°/, CO, (siehe Fig. 2) 6,375
38 51
Pa: = 6,875 + log vn s11 295.
Die meisten der in der Tabelle II gesammelten Versuche
wurden nur in der Absicht angestellt, die Geltung der durch
Gleichung (4) ausgedrückten Gesetzmäßigkeit zu prüfen, und
beanspruchen nicht, über physiologische Verhältnisse etwas Ent-
scheidendes auszusagen. Zum Beispiel handelt es sich recht
oft um altes Blut von etwas fauligem Geruche. Auf die mit
„Rinderblut II“ und mit Menschenblut angestellten Versuche,
die physiologisch verwertbar sind, komme ich später zurück.
Vorläufig bemerken wir, daB sowohl bei 18° als bei 380,
sowohl bei Serum als bei Blut und Hämoglobinlösungen, die
elektrometrisch beobachteten und die aus dem CO,-
Gehalt nach der Gleichung (4) berechneten Wertein allen
Fällen so vollkommen übereinstimmen, wie die Genauig-
keit der Methoden (besonders die der elektrometrischen Methode)
zuläßt.
In 31 von im ganzen 35 Fällen ist die Abweichung zwischen
dem „beobachteten“ (d. h. dem elektrometrisch ermittelten)
und dem (aus der Gasanalyse) „berechneten“ Werte + 0,02
und kleiner, nur in einem Fall beträgt die Abweichung 0,04.
Diese Übereinstimmung umfaßt ein Reaktionsgebiet von py= 7
bis py =8. Bei anderen, hier nicht angeführten Versuchen habe ich
bei pr =6 und bei pm: = 9 eine fast ebenso gute Übereinstimmung be-
obachtet; die im letzteren Falle auftretenden CO,-lonen sind noch nicht
in genügender Konzentration vorhanden, um die Gültigkeit der Gleichung
(4) in meßbarem Grade zu beschränken.
Hiermit darf ich den ersten Teil der gestellten Aufgabe
als gelöst betrachten. Die aktuelle Reaktion des Blutes
1) Es wird hier hypothetisch und wie der Erfolg zeigt, mit Recht,
vorausgesetzt, daß der NaCl-Gehalt des Blutes den Dissoziationsgrad
des Bikarbonats nicht meßbar beeinflußt.
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 125
kann aus den Mengen der freien und der gebundenen
CO, leicht und mit großer Genauigkeit berechnet
werden.
Die beigefügte Kurve (Fig. 3) gibt eine graphische Dar-
stellung der mit „Rinderblut II“ im Laufe eines Tages durch-
geführten Bestimmungen.
Es handelte sich um fri-
sches, auf Eis aufbewahrtes
Blut, so dass die Ergebnisse
des Versuchs mehr als me-
thodisches Interesse bean-
spruchen dürfen. Auf Grund
der 7 Bestimmungen des
CO,-Bindungsvermögens bei
38° wurde erst die (ausge-
zogene) CO,-Bindungskurve
aus freier Hand gezeichnet. Fig. 3.
Diese Kurve wurde zur Kon- * Observierte Punkte der CO,-Bin-
struktion der (gestrichelten) dungskurve von Ochsenblut bei 38°,
ausgezogene Kurve.
Pır-Kurve dieses Blutes ver- pi EE
wendet. Wie ersichtlich, fal-_ + Observierte Werte von Be bei 38°.
len die elektrometrisch be- 0 n s n»n n n 18.
stimmten Py--Werte mit
dieser letzteren Kurve vollständig zusammen.
Von großem Interesse ist der Umstand, daß auch die
bei 18° elektrometrisch ermittelten py-Werte in die
Kurve fallen.
Dieser Nachweis, daß bei konstanter CO,-Spannung die
Wasserstoffzahl des Blutes bei 18° und bei 38° praktisch be-
trachtet gleich groß ist, geht übrigens auch aus der Tab. II
(Rinderblut I) hervor und ist meines Wissens hier zum ersten
Male erbracht worden?).
1) Daß diese Tatsache, trotz darauf abzielender Versuche, sowohl
Michaelis und Davidoff (Diese Zeitschr. 12, 1912) als auch mir
(ebenda 49, 1913) entgangen ist, muß technischen Unvollkommenheiten
der Methoden zugeschrieben werden. Die Unzulänglichkeit des Michaelis-
schen Vorgehens habe ich oben (S. 117) erwähnt. Bei meinen früheren
Versuchen war der H,-Raum unzweifelhaft zu groß, und die Erneuerung
des Blutes deshalb mangelhaft.
126 K. A. Hasselbalch:
Wie man sich erinnert, ist in einer reinen NaHCO,-Lösung
(bei konstanter CO,-Spannung) Gu, bei 38% um 0,12 größer als
bei 18% Wenn beim Blut dieser Unterschied weggefallen ist, so
kann das nur bedeuten, daß mit der Erwärmung des Blutes,
dessen NaHCO,-Konzentration abnimmt, und zwar in dem
Maße, daß die geringere Konzentration der — allerdings etwas
stärker dissoziierten — Kohlensäure fast genau abkompensiert
wird. Welcher Mechanismus hier im Spiele ist, werden wir
später untersuchen.
Die Möglichkeit, daß es sich hier um eine bisher nicht
erkannte ,Regulationsvorrichtung“ zur Erhaltung der physio-
logischen Wasserstoffzahl des Blutes trotz eintretender Tempe-
raturverschiebungen handelt, ist naheliegend.
Vol CO, Ph Fig. 4 gibt in glei-
A cher Weise wie Fig. 3 die
CO,-Bindungskurve mei-
nes eigenen, an drei ver-
schiedenen Tagen durch
Venenpunktur gewonne-
nen Blutes an. Nur die
6 Bestimmungen, wo der
Pp: des Blutes elektro-
Fig. 4 Menschenblut, 38%. CO,-Bin- metrisch bestimmt wurde,
dungskurve (ausgezogen) und daraus sind in der Tab. II auf-
berechnete Pyr Kurve. + Elektrome-
trisch gemessene Werte.
0 20 30 w 50 ED 70 80 S0 mt
genommen worden. Ob-
schon das Blut, wie ge-
sagt, drei verschiedenen Probeentnahmen entstammt, ist die
Angehörigkeit an derselben Kurve unverkennbar. Auf Grund
der CO,-Kurve wurde demnächst, wie beim Rinderblut, eine
Pg-Kurve für variierte CO,-Spannungen konstruiert, und die
damit vorzüglich übereinstimmenden elektrometrischen py--Be-
stimmungen (durch Kreuze) angegeben.
Bei 40 mm CO, ist Ge in meinem Blute (siehe Fig. 4) 7,34.
Aus den in der Literatur vorliegenden CO, -Bindungskurven
des Blutes lassen sich übereinstimmende Werte berechnen. Aus
der Arbeit von Christiansen, Douglas und Haldane?) be-
rechne ich z. B. bei 40 mm CO, im Blute von J.S.H.: pg. = 7,33,
1) Journ. of Phys. 48, 1914.
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 127
in dem von COD: Dess 7,32. Dieselben Verfasser zeigen,
wie früher Morawitz und Walker!), daß eine forcierte Muskel-
arbeit die CO,-Bindungskurve des Blutes stark herabdrückt.
Die Zahlenangaben?) sind für die Berechnung des py. im arte-
riellen Blute leicht verwertbar.
Versuch 1.
bei alv. CO,sp. Pr
mm des Blu
Vor der Arbeit . . . . 38,2 7,33
Nach » nooo ‘o 29,4 7,21
Versuch 2.
Vor der Arbeit . . . . 39,3 7,32
Nach » n do 31,8 7,22
Versuch 3.
Vor der Arbeit . . . . 38,1 7,33
Nach » „ E E 31,3 7,21
1 Stunde nach der Arbeit 35,5 7,35
Die Berechnung zeigt, daß unmittelbar nach dem Auf-
hören der Arbeit eine bedeutende, durch die gewaltig erhöhte
Atemtätigkeit bei weitem nicht kompensierte Säuerung des
Blutes besteht. Eine Stunde nach der Arbeit ist das Gleich-
gewicht wiederhergestellt oder vielleicht sogar etwas über-
schritten (erhöhte Reizbarkeit des Atemzentrums!?).
IV.
Was den Mechanismus betrifft, mittels dessen die Bikar-
bonatkonzentration im Blute keine konstante Größe beträgt,
sondern mit der CO,-Spannung steigt und fällt, so richtet sich
die Aufmerksamkeit naturgemäß auf die Eiweißstoffe des Blutes.
Eine im Blute vorhandene Säure, die bei steigender Alkalinität
immer stärker dissoziiert, würde die Sachlage klären.
Daß die Eiweißstoffe des Serums bei der Wasserstofizahl
des Blutes als schwache Säuren aufzufassen sind, ist ja längst
bekannt. Auch ich habe feststellen können, daß eine NaHCO,-
Lösung durch Zusatz von dialysiertem Rinderserum eine sehr
deutliche Erniedrigung des py. (von 7,32 bis auf 6,96) erlitt.
Die isoelektrische Reaktion liegt aber für die Serumeiweiß-
21 eo.
2 Christiansen, Douglas und Haldane, |. c. S. 251.
128 K. A. Hasselbalch:
stoffe bei etwa Do = BIL d. bh. so weit von der Wasserstoff-
zahl des Blutes entfernt, daß eine im Gebiete py=7 bis
Pır=8 stark ansteigende Säurenwirkung teils unwahrschein-
lich, teils mit der Beobachtung (s. u.) nicht vereinbar ist. Die
Hauptrolle ist unzweifelhaft einem anderen Blutampholyten»
nämlich dem Oxyhämoglobin zuzuschreiben. Die isoelektrische
Reaktion des Oxyhämoglobins entspricht (nach Überführungs-
versuchen von Michaelis und Takahashi” dem De etwa 6,8,
bei 38° fast genau dem Neutralpunkt. Je mehr man, von dem
De- 6,8 ausgehend, sich dem py. 8 nähert, eine um so größere
Reaktionsverschiebung nach der sauren Seite hin soll — der
Theorie nach — die Anwesenheit des Ampholyten bewirken.
Oder, um das hier gebrauchte Maß zu benutzen, je niedriger
die CO,-Spannung, um so geringer das CO,-Bindungs-
vermögen. Eben diese Bedingung trifft ja für das Blut zu.
Vol. % CO, Daß diese Betrachtung
= mehr als qualitativer Art
ist, wird durch den Fig. 5
in Kurvenform dargestell-
ten Versuch gezeigt. Defi-
briniertes Rinderblut und
Serum aus derselben
Blutportion wurden bei
variierten CO,-Spannungen
Fig. 5. ——— Serum 18°. auf den Gehalt an gebun-
A Serum 380, de CO ] . rt hl
` Blut 180. nerCO, analysiert,sowo
pg Blut 38°. bei 18° als bei 38°. (In
t— Blutkörperchen, 38°. derFigur sind noch zwei Be-
stimmungen an einem mit
physiologischer Kochsalzlösung zweimal zentrifugierten Blut-
körperchenbrei aufgenommen; Temp. 38°.)
Aus den CO,-Bindungskurven berechnete ich, wie gewöhn-
lich, die pẹ -Werte bei ansteigender CO,-Spannung. Bei 38°
ergaben sich folgende Zahlen:
CO, mm 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Serum. . . . 7,91 7,64 7,49 7,37 7,29 7,21 7,15 7,10 7,05 7,01
g{Blut .... 758 746 7,35 7,27 7,20 7,14 7,09 7,05 7,01 6,97
Blutkörperchen — 7,15 — 704 = = = — — —
1) Miohaelis und Davidsohn, diese Zeitschr. 33, 1911,
2) Diese Zeitschr. 29, 1910.
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 129
Aus dieser Zusammenstellung geht erstens die Bestätigung
einer längst bekannten Tatsache hervor: bei physiologischer
CO,-Spannung reagiert (wegen Beimengung der Blutkörperchen)
das Blut saurer als das zugehörige Serum. Bei sehr hohen
CO,-Spannungen verschwindet aber allmählieh dieser Unter-
schied; bei 18° ist dazu eine CO,-Spannung von etwa 90 mm,
bei 38° eine von etwa 150 mm!) erforderlich. Augenscheinlich
wäre hiermit eine Methode zur Bestimmung des isoelek-
trischen Punktes des Oxyhámoglobins (und anderer
Ampholyten) gegeben.
Die obige Zusammenstellung von Pır-Werten liefert uns
demnach ein wertvolles Mittel zur Entscheidung der Frage,
welcher Blutbestandteil es ist, der den in der Einleitung er-
wähnten flachen Verlauf der py-Kurve bei ansteigender CO,-
Spannung bewirkt. Wir erinnern uns, daß bei Verdoppelung
der CO,-Spannung der pp. einer reinen NaHCO,-Lósung um
0,30 vermindert wird.
Bei Erhöhung der ie
CO Spannung Erniedrigung des pp
Blut Blutkörperchen
Die py-Kurve des Serums verläuft nur eine Kleinigkeit
flacher (0,27 gegen 0,30) als die der NaHCO,-Lösung, und
zwar bei alkalischer Reaktion (niedriger CO,-Spannung) nicht
meßbar flacher als bei saurer Reaktion. Die Serumeiweiß-
stoffe spielen also als Puffer eine zwar nachweisbare,
doch recht untergeordnete Rolle im Blute. Erst wenn
dem Serum Blutkörperchen zugesetzt werden, bekommen
wir die flache und gegen die alkalische Seite hin
immer flacher verlaufende py-Kurve des Blutes. Eine
hochkonzentrierte Hämoglobinlösung, wie sie der Blutkörperchen-
brei darstellt, ist als Puffermischung noch wirksamer: bei Er-
höhung der CO,-Spannung von 20 bis auf 40 mm fällt der py
um nur 0,11.
1) Extrapolierter Wert.
Biochemische Zeitschrift Band 78. 9
130 K. A. Hasselbalch:
Daß nun wirklich Hämoglobin bei dem py. des Blutes
CO, -austreibend wirkt, und zwar um so stärker, je alka-
lischer die Reaktion, wird durch den mit dialysierter Hämo-
globinlösung (Tab. II) angestellten Versuch bewiesen.
Die etwa 3 Stunden lang, d.h. recht mangelhaft, dialy-
sierte Oxyhämoglobinlösung aus gereinigten Rinderblutkörperchen
wurde mit so viel einer NaHCO,-Lösung versetzt, daß die un-
gefähr 5prozentige Hämoglobinlösung mit Bezug auf NaHCO,
0,025 normal war. Während nun eine reine 0,025 n-Na HCO,-
Lösung bei jeder CO,-Spannung 56,0 Vol.-%/, CO, in gebun-
dener Form enthält, ergab die Untersuchung, daß bei einer
CO,-Spannung von 94,2 mm die Versuchsflüssigkeit einen CO,-
Gehalt von etwa demselben Betrag, 55,4 Vol.-*/,, enthielt, wäh-
rend bei niedrigerer Co,-Spannung das CO,-Bindungsvermógen
der Lösung immer geringer wurde.
CO,-Spannung,
mm Pu: Vol.-°/ CO,
94,2 7,01 55,4
20,2 7,58 42,2
7,0 7,94 32,9
Es kann demnach wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß
bei der Wasserstoffzahl des Blutes das Oxyhämoglobin
kein Kohlensäurebinder ist, sondern im Gegenteil infolge seiner
Säurenatur aus den Bikarbonaten des Blutes CO, ver-
treibt, und zwar um so stärker, je alkalischer die Reaktion.
Erst bei so saurer Reaktion, wie sie physiologisch im Blute nicht
vorkommt, verbindet sich das Oxyhämoglobin mit Kohlensäure.
Wie wir gesehen haben, ist das Blut, hauptsächlich dank
seines Oxyhämoglobingehaltes, gegen die von CO, bewirkten
gar zu schroffen Änderungen der Wasserstofizahl vorzüglich
geschützt. Auch die Stabilität des Blutes gegen Tempe-
raturänderungen, auf die ich oben die Aufmerksamkeit hin-
leitete, hängt von dem Hämoglobingehalt, und nur in sehr be-
scheidenem Umfang von dem Vorhandensein der Serumeiweiß-
stoffe ab. Aus den Kurven (Fig. 5) berechne ich die folgenden
Werte von py im Serum und im Blute bei 18% und bei 38%
(CO, -Spannung 30 mm)
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 131
Pr
18° 380 Diff.
Serum 7,39 7,49 + 0,10
Blut 7,35 7,35 0
Das Serum benimmt sich fast genau wie eine reine Na HCO,-
Lösung, die bei einer Temperaturerhöhung von 18° bis auf 38°
ihren py um 0,12 vergrößert. Das Blut ist unverändert. Die
Säurendissoziationskonstante des Oxyhämoglobins muß demnach
bei 38° recht bedeutend größer sein als bei 10°.
Schließlich habe ich die Gelegenheit benutzt, die Richtig-
keit der zuerst von Lundsgaard und mir’), z. T. gestützt auf
ältere Untersuchungen von Bohr, Krogh und mir”), später
von Christiansen, Douglas und Haldane?) ausgesprochenen
Annahme, das reduzierte Hämoglobin sei als Säure schwächer
als das Oxyhämoglobin, zu prüfen. Speziell wollte ich die
Größe der Reaktionsverschiebung feststellen, die eine unvoll-
ständige Reduktion, etwa auf die O,-Spannung des Capillar-
blutes, bewirkt. Von zwei übereinstimmenden Versuchen führe
ich den am besten gelungenen an:
Ochsenblut 38°.
Pp: im Pp" bei
CO,-Spann. O,-Spann. Vol 21, CO, Versuche 40 mm CO,
I 40,9 139,0 42,2 7,26 7,27
II 39,3 38,0 44,5 7,30 7,29
Eine partielle Reduktion des Oxyhämoglobins, wie sie im
Kreislaufe vorkommt, hat also auf die Wasserstofizahl des
Blutes einen meßbaren Einfluß ausgeübt, und zwar einen sol-
chen, der dem gleichzeitigen Einfluß der erhöhten CO,-Span-
nung entgegenwirkt. Nehmen wir mit Christiansen, Dou-
glas und Haldane*) an, daß die CO,-Spannung des Blutes
während einer Zirkulation um 5 bis 6 mm ansteigt, so würde
dadurch allein der py. des Blutes um etwa 0,04 verkleinert
werden (siehe Fig. 3); die gleichzeitige Reduktion des Blutes
läßt aber den Do um 0,02 größer werden (s. ol so daß
als Endresultat der py. im venósen Blute um nur 0,02
kleiner ist als im arteriellen Blute. Dieses Ergebnis
1) Diese Zeitschr. 88, 88, 1912.
2) Centralbl. f. Physiol. 1904, Nr. 22.
3) 1 c. S. 260.
4) 1. c. S. 268.
dh
132 K. A. Hasselbalch:
stimmt mit den Anschauungen der eben genannten Verfasser
überein‘. Auch der Umstand, daß mit steigender CO,-
Spannung daszirkulierende Blut sauerstoffärmer wird,
trägt dazu bei, die Wasserstoffzahl des Blutes fast
konstant zu erhalten.
V.
Das Studium der Sauerstoffbindung des Blutes ist durch
die energische Arbeit Barcrofts und seiner Mitarbeiter?) in
sehr bedeutsamer Weise befördert worden. Durch die Auf-
stellung der Hillschen Formel:
y _ Kx%
100 1+Kx%
(y = prozentische Sauerstoffsättigung, x—Sauerstoffdruck, K eine
„Konstante“, die mit dem CO,-Drucke und überhaupt mit der
Wasserstoffzahl des Blutes variiert)
hat die Sauerstoffbindung des Blutes einen, obschon theo-
retisch nur mangelhaft begründeten, so doch innerhalb weiter
Grenzen tatsächlich zutreffenden mathematischen Ausdruck ge-
funden. Sobald in einem Falle die zusammengehörenden
Werte von x und y bestimmt worden sind, ist damit, wohlge-
merkt bei der gegebenen CO,-Spannung, der ganze Verlauf
der Sauerstoffbindungskurve dieses Blutes genau bekannt.
Peters und Barcroft?) ist der Nachweis gelungen, daß —
in Barcrofts Blut — der Logarithmus von K eine einfache,
nämlich eine geradlinige, Funktion von py- des Blutes ist (siehe
Fig. 6). Bei dieser Feststellung wurde py. ausschließlich mittels
verschiedener CO, -Spannung variiert.
Dieser Nachweis, der vorläufig vereinzelt dasteht, ist von
Barcroft dazu benutzt worden, aus den — durch Arbeit oder
durch Sauerstoffmangel — experimentell variierten Werten von
K die aktuelle Reaktion des eigenen Blutes zu bestimmen.
Ob dieses Vorgehen in allen Fällen berechtigt ist, scheint mir
zweifelhaft; es wäre ja denkbar, daß die Abhängigkeit zwischen
Do und log K unter den vorliegenden Versuchsbedingungen
sich abweichend gestaltete. Auch die Benutzung der indivi-
1) 1. o. 8. 270.
2) Barcroft: The respiratory function of the blood. Cambridge 1914.
3) Barcroft l. o. $. 316.
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 133
duellen Sauerstoffbindungskurve — präziser ausgedrückt der
Größe von K bei alveolarer CO,-Spannung — als Indicator
für die Blutreaktion, wie sie von Barcroft und Mitarbeitern
geübt wird, scheint mir — ohne eine genauere Feststellung
der Abhängigkeit — etwas bedenklich. Um so mehr kommt
mir die direkte Verwertung der Peters-Barcroftschen Zahlen
(siehe Fig. 6) für die Berechnung der Blutreaktion anderer,
normalen und sogar pathologischen Individuen!) unberechtigt
vor. Ich berechnete oben den py. in Haldanes arteriellem
Blute zu 7,33. Die Konstante K beträgt für Haldanes Blut
bei alveolarer CO,-Spannung 0,000212?), log K somit — 3,67.
Nach der Kurve (Fig. 6) bestimmt, sollte der py. in Haldanes
Blut 7,19 betragen, ein entschieden pathologischer und deshalb
unwahrscheinlicher Wert. Schon dieser Mangel an Überein-
stimmung könnte den Verdacht erregen, daß die Peters-Bar-
croftsche Kurve keine allgemeine Geltung hat. Für Hal-
danes Blut (übrigens auch für Douglas’ Blut?) liegt die Kurve
offenbar recht bedeutend höher als für Barcrofts Blut (Fig. 6),
die Richtigkeit der K-Bestimmungen vorausgesetzt.
Des weiteren: Bei Higgins‘) wurde am dritten Tage einer
kohlenhydratfreien Diät der Wert — log K = 3,33 beobachtet,
bei gewöhnlicher Kost war die entsprechende Zahl 3,58. Würde
man hieraus unter Benutzung der Peters-Barcroftschen
Kurve den pe berechnen, so wäre py. vor dem Versuch 7,27,
während der Diät 7,48. Die kohlenhydratfreie Diät sollte die
Blutreaktion nach der alkalischen Seite hin verschoben haben
— schon dieses wirkt befremdend — und zwar um einen so
ansehnlichen Betrag, daß keine bisherige direkte Messung der
Blutreaktion ähnliches gezeigt hat. In diesem Falle wäre eine
Verschiebung der Peters-Barcroftschen Kurve nach unten
mit der Bewahrung einer physiologischen Wasserstofizahl des
Blutes vereinbar.
Ich habe es aus solchen Gründen als lohnend erachtet,
1) Z. B. berechnet Poulton (Journ. of Physiol., L. 1915, Physiol.
Proc., Oct. 16, 1915) den pp: im Blute komatischer Diabetiker nach der
Peters-Baroroftschen Kurve.
2) Barcroft, Leg 224.
3) S. o. und Barcroft, ]. c. S. 224.
4) Barcroft, l. ce. S. 235.
134 K. A. Hasselbalch:
mit Hilfe der oben beschriebenen, relativ einfachen und sicheren
Methode zur py-Bestimmung im Blute die Geltung der Peters-
Barcroftschen Kurve an verschiedenen Blutsorten etwas näher
zu untersuchen.
Wie leicht ersichtlich, galt es nur,
das Blut im Saturator mit einem Luft-
strom von passender Spannung von
Sauerstoff und Kohlensäure zu behan-
deln, und nach dem Auspumpen so-
wohl den CO,-Gehalt als auch den
O,-Gehalt zu bestimmen. Es wurden
gewöhnlich für jede solche Bestimmung
5 ccm Blut verwendet, gelegentlich nur
3, und ich bezweifle nicht, daß bei
passender Wahl der Dimensionen der
Fig. 6.
p,. und O,-Bindung.
o Diut- son Baroroft Pumpe und des Luftanalysenapparats
x n» na Hasselbalch. sogar kleinere Mengen ausreichen wür-
den. Bei Serienversuchen mit dem-
selben Blut dauert ein Einzelversuch — in der Bestimmung
des py. und der prozentischen O,-Sättigung des Blutes bestehend
— ungefähr 45 Minuten.
Die Sauerstoffkapazität des Blutes, d. h. die bei voller
Sättigung an das Hämoglobin gebundene O,-Menge, in Volum-
prozenten ausgedrückt, wurde mittels eines mehrmals mit über-
einstimmendem Resultat gasanalytisch justierten Autenrieth-
Königsberger-Apparats colorimetrisch bestimmt.
Die untenstehende Tabelle III umfaßt 7 Bestimmungen
der Wasserstofízahl und der Sauerstoffbindungskonstante K
meines eigenen Blutes, das an drei verschiedenen Tagen unter-
Tabelle III.
Blut von RA H. 38°.
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 135
sucht wurde. Die Werte sind in die Fig. 6 eingetragen und
stimmen, wie ersichtlich, in fast erstaunlicher Weise mit der
Peters-Barcroftschen Kurve überein.
Bei der weiteren Prüfung der Peters-Barcroftschen
Kurve („P-B-Kurve“) verfuhr ich folgendermaßen.
In Analogie mit dem oben erwähnten Fall von Acidosis
durch Kohlenhydratentziehung, wo das Blut der Versuchs-
person (Higgins) eine unzweifelhafte Verschiebung der P-B-
Kurve erlitt, stellte ich es mir als eine Möglichkeit vor, daß
das Blut von Schwangeren eine entsprechende Verände-
rung darbiete.
In der Schwangerschaft besteht ja, nach den elektrome-
trischen Bestimmungen von Gammeltoft und mir!) zu ur-
teilen, eine deutliche Erniedrigung des reduzierten py. im Blute-
Dieser Befund, der mit den Untersuchungen von Michaelis’)
nicht übereinstimmt, konnte nun gleichzeitig, mittels der hier
geübten Methodik, nachgeprüft werden.
Also wurde bei 5 Schwangeren?) wenige Tage vor der Ent-
bindung das frisch defibrinierte und zwischen den Einzelbestim-
mungen kühl aufbewahrte Blut in der oben beschriebenen
Weise untersucht, und bei denselben Frauen 8 Tage nach der
Entbindung die Untersuchung wiederholt.
Das Ergebnis dieser Untersuchungen findet sich in der
Tabelle IV und in der Kurventafel (Fig. 7), doch mit der Aus-
nahme einiger wenigen Bestimmungen, die erst am Tage
nach der Blutentnahme vorgenommen wurden.
Diese Bestimmungen an nicht mehr ganz frischem Blut zeigen in
bezug auf das CO,-Bindungsvermögen entschieden abnorme, speziell zu
niedrige Werte, während das Verhältnis zwischen pg: und log K keine
Abweichung darbietet. In solchen Fällen hat demnach infolge des Alter-
werdens des Blutes eine Säurebildung stattgefunden, ohne Schädigung
des Hámoglobins. Bei noch älterem, schon faulig gewordenem Rinder-
blute habe ich mehrmals eine Verschlechterung des O,-Bindungsvermögens
feststellen können, d. h. bei gegebenem py: eine Erniedrigung der Kon-
1) Diese Zeitschr. 68, 206, 1915.
?) Die Wasserstoffionenkonzentration, S. 103.
3) Fúr gefállige Gestattung der Blutentnahme sage ich den Herren
Professoren L. Meyer und E. Hauch meinen besten Dank.
136 K. A. Hasselbalch:
Tabelle IV.
CO,- und O,-Bindung in Frauenblut vor und nach der Entbindung.
lo
Bemerkungen
13 Tage vor der
Geburt
wm cut || gung
8 Tage nach der
Geburt,
stillt
148 |17,7 1: 7,58 | 47,55] 3,16
17,1 | 24,25 7,53 | 64,05| 3,21
142 | — | — 3 Tage vor der
71,23 55,4 | 3,58 Geburt
17,07 491 3,82
7,05 | 47,25] 3,81
14699 Tage nach der
Geburt,
stillt
8 Tage vor der
Geburt
16,0 |10,6 | 19,5
24.0 25715
46,5 | SE stillt nicht
128 115,8 [15,7 : 232 31,8 64,85] 3,15
37,9
89,6 | 30.5
35,4 be
Ke ee, `
9 Tage vor der
Geburt
Mit 2°/, n-Essig-
säure versetzt
10 Tage nach
der Geburt,
17,95| 7,1 119,2 |24 6 | 12,5 |7,825| 69,8 | 2,84
22,2 1251 [39.2 |11,8 [2,51 [65.6 | 3,22 | |? Tege nach der
38.0 1268 147,5 | 10.5 [7.35 |58.65| 8,42 En
64,4 128,1 |57,8 | 8,5 [7,10 |47,5 | 8,66
85,85 35,4 [86,0 |11,55/7,22 |64,35| 3,62 | Mit 2%, n-Na,-
CO, versetzt
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw.
137
Tabelle IV (Fortsetzung)
CO,- und O,-Bindung in Frauenblut vor und nach der Entbindung.
a CO, | O, | CO, | O,
17,0 |85,7 ¡42,6 |56,5 111,2
73,7 bw 54,4 111,7
46.8 291 |47,05 104
14,2 (195 125,3 | 75
23,7 1273 |315 | 96
14,25| 12,7 | 17,1 E 72
23.1523 9 |418 | 81
472 1261 152.0 | 66
76.6 1270 |598 | 56
78,5 31,6 [59,9 | 68
Vol % CO,
REES
SENG WEG
“HE
AA
AA
PTA
` ee
Co 030 on 0% es
Fig. 7a.
38 |35]| *
Elia] Ss Bemerkungen
CEA KH fe
alo ño| |
7,06 | 65,8 | 3,79
1,11 [683,7 | 3,70 4 Tage vor der
7,25 | 61,051 8,60 Geburt
7,53 | 44,25] 8,32
7,40 | 56,3 | 3,48
7,70 150,8 | 3,07
1,52 | 57,05] 8,82 | [8 Tage nach der
7,28 | 46,5 | 3,60 eburt,
7,13 | 39,15] 8,77 stillt
7,12 | 47,651 3,79
70 72 74 76 78 80py
Pt. Nr. 116.
Ai Ai 80 70 omm
Fig. 7b.
Pt. Nr. 128:
Frauenblut vor e und nach e der Geburt.
Links: CO,-Bindung.
Rechts: O,-Bindung.
(Gerade Linie: P-B-Kurve.)
138
K. A. Hasselbalch:
Vol. % CO Sch
oo 70 72 74 76 78 80pP4
Fig. 7d. Pt. Nr. 100.
og N
| um
somm. Ò, 70 72 74 76 78 60%
Fig. Te. Pt. Nr. 75.
Frauenblut vor e und nach © der Geburt.
Links: CO,-Bindung. Rechts: O,-Bindung.
(Gerade Linie: P-B-Kurve.)
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 139
stante K — wobei die Größe — log K ansteigt oder die P-B-Kurve nach
oben verschoben wird.
Das Ergebnis der Untersuchungen läßt sich am leichtesten
an den Kurvenzeichnungen ablesen:
1. In allen Fällen war während der Schwangerschaft
das CO,-Bindungsvermögen des Blutes deutlich er-
niedrigt.
Berechnet man aus dem CO,-Gehalt bei 40 mm CO,-Span-
nung den py. des Blutes, py. red., vor und nach der Entbin-
dung, so ergibt sich:
Der red.
— N,
vor nach
Nr. 75 730 7,33
» 100 730 7,33
„115 730 7,34
n 128 731 733
„116 729 7,34
Im Durchschnitt: 7,80 7,83
Bei den 9 von Gammeltoft und mir elektrometrisch
untersuchten Fállen war der reduzierte py. des Blutes vor der
Geburt im Durchschnitt 0,05 kleiner als nach derselben. Hier
ist der entsprechende Unterschied 0,03. Obschon die damaligen
Bestimmungen mit einem systematischen Fehler behaftet waren,
haben sie doch die Richtung und die ungefähre Größe des
Unterschieds richtig angezeigt.
Es findet sich während der Schwangerschaft eine
Erniedrigung des reduzierten py. des Blutes um etwa
0,03.
2. Sowohl vor. als nach der Entbindung besteht
zwischen der Sauerstoffbindungskonstante K und der
Wasserstoffzahl des Blutes, oder zwischen den Loga-
rithmen dieser beiden Größen, die von Peters und
Barcroft nachgewiesene einfache Abhängigkeit.
In der Figur ist in allen 5 Fällen die P-B-Kurve ein-
getragen worden, und ich wage nicht zu behaupten, daß in
jedem Fall eine sichere Abweichung von dieser Kurve vorge-
funden wird. Die Übereinstimmung betrifft auch die beiden
140 K. A. Hasselbalch:
Fälle (Pat. Nr. 128), wo das Blut mit Essigsäure und mit Na-
triumkarbonat versetzt war. Das Vorhandensein von Acetat-
ionen oder eine übermäßige Konzentration von Karbonationen
ist demnach an und für sich bedeutungslos, nur die resul-
tierende H-Ionenkonzentration ist für die O,-Bin-
dungskurve des Blutes maßgebend.
Die P-B-Kurve scheint demnach eine allgemeinere Gel-
tung zu haben, als ursprünglich von mir vermutet, indem sie
bei 7 verschiedenen Personen (Barcroft, mir, und 5 Frauen
vor und nach der Entbindung) von den vorliegenden Beobach-
tungen fast genau gedeckt wird.
Eine entsprechende Untersuchung des Blutes von Hal-
dane, Douglas und Higgins (bei kohlenhydratfreier Diät)
wäre von dem größten Interesse. Über Erfahrungen aus der
Pathologie verfüge ich vorläufig nicht.
Selbst in dem — nach meiner Ansicht unwahrscheinlichen
— Falle, daß die P-B-Kurve bei Menschenblut eine allge-
meine Geltung hat, ist natürlich die CO,-Bestimmung im Blute
ein direkterer und deshalb vorzuziehender Weg zur Feststellung
der Blutreaktion als die O,-Bestimmung. Und daß die von
Haldane und Barcroft ausgebildete Methodik ebenso zuver-
láBliche CO,-Bindungskurven als die hier benutzte liefern kann,
das geht aus der ofterwähnten Arbeit von Christiansen,
Douglas und Haldane sehr deutlich hervor.
Schließlich habe ich (Tab. V und Fig. 8) für Rinderblut,
Schweineblut und Taubenblut die P-B-Kurven bestimmt. Da-
bei diente als Voraussetzung — ob mit Recht, muß dahinge-
stellt bleiben — daß in der Hillschen Formel für die O,-
Bindung des Blutes
yo Kx»?
100 1-+Kxı
der Exponent n (dessen wirkliche Bedeutung fraglich ist) die-
selbe Größe hat, wie im Menschenblut, nämlich 2,5.
Wie aus der Figur (Fig. 8) ersichtlich, geht unter dieser
Voraussetzung aus den Bestimmungen eine geradlinige
P-B-Kurve hervor, deren Lage im Koordinatensystem
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 141
Tabelle V.
CO,- und O,-Bindung in Rinderblut, Schweineblut und Taubenblut.
HE
E S |Bemerkungen
Mit 5%,
n - Essigsáure
versetzt.
vn folgen-
den Tage
untersucht.
O,- Bestim-
mung ver-
unglüockt.
Fig. 8.
p,. und O,-Bindung.
e. Schweineblut.
+ Ochsenblut.
o Taubenblut.
=-—---- P.B-Kurve für Menschenblut.
142 K. A. Hasselbalch:
aber in allen Fállen von der der menschlichen Kurve
merkbar differiert. Das Schweineblut und besonders das
Taubenblut unterscheidet sich von dem Menschenblut durch
eine bei physiologischer Blutreaktion bedeutend schlechtere O,-
Bindung, bzw. leichtere O,-Abgabe*). Anders ausgedrückt: bei
gegebener Blutreaktion liegt die O,-Bindungskurve beim Schwein
und bei der Taube niedriger als beim Menschen. Umstehend
habe ich bei pg = 7,30 und 30 mm O,-Spannung die prozen-
tische O,-Sättigung berechnet:
— log K Dia O,-Sättigung
Rind . . . 3,50 60,2
Mensch „ . 3,53 58,9
Schwein . „ 3,73 47,9
Taube ., . 3,95 35,5
Direkt der Tab. V entnommen sind die folgenden drei Be.
stimmungen, wo die aktuelle Reaktion fast gleich ist und auch
die O,-Spannungen nur wenig differieren:
Spannung mm
[p
CO, O, pp: %/,0,-Sáttigung
Rind 41,9 31,25 7,34 64,3
Schwein 30,4 27,8 7,34 48,9
Taube 38,5 30,5 7,32 37,3
Ein so durchgreifender Unterschied der Fähigkeit des Blutes,
den Sauerstoff aufzunehmen und an die Gewebe abzugeben, ist
natürlich von der allergrößten physiologischen Bedeutung. Doch
bin ich mir bewußt, daß die wenigen hier vorliegenden Be-
stimmungen für diese Frage nicht entscheidend sind.
Bezüglich des Rinderblutes (Fig. 8) ist der im Vergleich
mit Menschenblut etwas steilere Verlauf der P-B-Kurve auf-
fallend. Wörtlich ausgedrückt bedeutet dieser Umstand, daß
eine gegebene Verschiebung der Reaktion eine um so größere
Änderung der prozentischen O,-Sättigung bewirkt, je steiler die
1) Die Versuchstemperatur war wie gewöhnlich 38% Bei der
höheren Bluttemperatur der Vögel wird der Unterschied noch schärfer
hervortreten,
Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 143
Kurve verläuft. Daß auch ein derartiger Unterschied — falls
er reell ist — von physiologischer Bedeutung sein kann, ist
augenfállig. Doch werden auch hier nur fortgesetzte Unter-
suchungen die Sachlage klären können.
Nur anhangsweise füge ich noch die Beobachtung hinzu,
daß bei sehr saurer und bei sehr alkalischer Reaktion die
P-B-Kurve nicht mehr geradlinig fortgesetzt wird, sondern
¿-fórmig umbiegt (8 Beobachtungen am Ochsenblut der Tabelle V),
und zwar in der Weise, daß die Kurve an eine Dissoziations-
kurve einer schwachen Säure auffallend erinnert. Ob aber die
Voraussetzung berechtigt ist, daß bei so extremen Reaktionen
der Exponent n der Hillschen Formel unverändert bleibt, ist
wohl fraglich. Ich unterlasse es deshalb, das betreffende Zahlen-
material hier anzuführen.
Auch einige theoretische Erwägungen über die doppelte
Rolle des Sauerstofis, indem er teils mit dem Hámoglobin in
Verbindung tritt, teils dadurch die Wasserstoffzahl des Blutes
erhöht und somit gewissermaßen die Oxyhämoglobinbildung
hintanhält, muß ich aus ähnlichen Gründen bis auf weiteres
aufschieben.
Zusammenfassung.
I. Die Wasserstoffzahl des Blutes läßt sich noch genauer
als auf elektrometrischem Wege gasanalytisch, aus den Mengen
der freien und der gebundenen Kohlensäure berechnen. Sie
beträgt normalerweise bei 40 mm CO, etwa 10773,
IH. Bei dieser Gelegenheit war die Kenntnis der Dissozia-
tionskonstante der Kohlensäure bei 38° notwendig. In guter
Übereinstimmung mit Jul. Thomsens thermochemischen Mes-
sungen wurde die Kohlensäure bei 38° bedeutend stärker dis-
soziiert als bei 18° befunden.
III. Die gebundene CO,-Menge des Blutes ist ausschließ-
lich als Bikarbonat vorhanden. Bei fallender CO,-Spannung
nimmt die gebundene CO,-Menge hauptsächlich deshalb ab,
weil Oxyhämoglobin als eine bei alkalischer Reaktion immer
stärker werdende Säure aufzufassen ist.
IV. Besonders das Oxyhämoglobin, in geringem Grade die
übrigen Eiweißstoffe des Blutes, bedingen durch ihren Ampho-
144 K.A.Hasselbaloh: Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw.
lyten-Charakter die ungewöhnlich große Stabilität des Blutes
gegen Verschiebungen der Wasserstoffzahl Diese Stabilität
betrifft sowohl Säurenzusatz als Temperatureinflüsse und fällt
physiologisch noch mehr ins Gewicht, weil während des Kreis-
laufs bei ansteigender CO,-Spannung die Sáurenwirkung des
*"Oxyhämoglobins durch die teilweise Umbildung in reduziertes
Hämoglobin zurücktritt.
V. Die von Peters und Barcroft in einem Falle nach-
gewiesene Abhängigkeit zwischen py und der Konstante K der
Hillschen Formel für die Sauerstoffbindung des Blutes wurde
an einem größeren menschlichen Material bestätigt. Im Blute
von Rind, Schwein und Taube gestaltet sich diese Gesetz-
mäßigkeit anscheinend etwas abweichend.
Der reduzierte py — (De bei 40 mm CO,-Spannung) —
im Blute Schwangerer ist um etwa 0,03 herabgesetzt.
Nachtrag zu der Abhandlung: „Über die Spezifizität der
Morphingewöhnung“, von Johannes Biberfeld, Band 77, Seite
283 bis 297.
Bedauerlicherweise ist der Hinweis unterblieben, daß Cloötta
(l. o. S. 473) bereits eine ähnliche Anschauung diskutiert hat, wie die,
die mir als Arbeitshypothese diente.
Der Eiweißgehalt panachierter Blätter geprüft mittels
des makroskopischen Verfahrens von Molisch.
Von
Georg Lakon.
(Aus dem Botanischen Institut der Kgl. Landwirtsch. Hochschule
in Hohenheim.)
(Eingegangen am 7. September 1916.)
Bei Studien, die ich in letzter Zeit an panachierten Pflan-
zen machte, erschien es mir erwünscht, den Eiweißgehalt der
albikaten Teile zu prüfen. Die Natur meiner Beobachtungen
machte es notwendig, daß diese Prüfung möglichst rasch und
einfach auf makroskopischem Wege geschähe. Ich brachte da-
her das kürzlich von Molisch*) ausgearbeitete Verfahren zur
Anwendung. Dieses Verfahren besteht im wesentlichen darin,
daß die Objekte — ähnlich wie bei der Sachsschen Jodprobe
— zunächst in siedendem Wasser abgebrüht und dann so lange
mit warmem Alkohol behandelt werden, bis sie ganz weiß er-
scheinen. Nach solcher Vorbehandlung können die Objekte
— in den meisten Fällen mit sehr gutem Erfolg — den besten
Eiweißreaktionen (wie Xanthoproteinsäurereaktion, Biuretprobe,
Millons Reagens) unterworfen werden. Das Molischsche Ver-
fahren leistete mir bei der Untersuchung panachierter Blätter
vorzügliche Dienste. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen
dürften allgemeineres Interesse beanspruchen, weil sie erstens
die Brauchbarkeit des Verfahrens an einem besonders günstigen,
selbst zu Demonstrationszwecken in hohem Maße geeigneten
Objekte beweisen und ferner eine Bestätigung der von Mo-
1) Die Eiweißproben, makroskopisch angewendet auf Pflanzen.
(Zeitschr. f. Botan. 8, 124 bis 131, 1916.)
Biochemische Zeitschrift Band 78. 10
146 G. Lakon:
lisch’) auf Grund eines anderen Objektes gewonnenen Ansicht,
daß „die Hauptmasse des Eiweißes der Blätter in den Chro-
matophoren steckt“, liefern.
Wird das rein weiß gerandete Blatt der panachierten
Spielart von Acer Negundo L. der Molischschen Vorbehand-
lung unterworfen, so verliert es die Streifung, und die ganze
Blattfläche erscheint gleichmäßig weiß. Die panachierten Flä-
chen unterscheiden sich indessen jetzt von den grün gewesenen
dadurch, daß sie — ähnlich wie die vergilbten Blätter von
Molisch — glasig und durchscheinend sind, während die grünen
Stellen milchig trüb, .undurchsichtig erscheinen. Die in dieser
Weise präparierten Blätter können nunmehr den Eiweiß-
reaktionen unterworfen werden. Ich brachte genau nach den
Angaben von Molisch die Xasthoproteinsäurereaktion, die
Biuretprobe und das Millonsche Reagens zur Anwendung und
konnte die Zweckmäßigkeit der angegebenen Einzeldaten in
der Ausführung jener Reaktionen bestätigt finden. Alle drei
Reaktionen ergaben bei den panachierten Blättern des eschen-
blättrigen Ahorns ausgezeichnete Resultate: die albikaten
Teile zeigten eine äußerst schwache, die grün ge-
wesenen Teile eine sehr intensive Eiweißreaktion.
Der Kontrast ist hier so groß, daß man das Objekt zu Demon-
strationszwecken auch aus größeren Entfernungen verwenden
kann?). Die Xanthoproteinsäurereaktion tritt am schnellsten ein
mit intensiv kanariengelber Färbung. Die ganze Behandlung
bis zur Erreichung der höchsten Intensität beansprucht hier
nicht mehr als eine Stunde. Die Biuretreaktion nimmt da-
gegen mehrere Stunden in Anspruch; steht aber — was Inten-
sität und Reinheit der Färbung anbelangt — der Xanthopro-
teinsäurereaktion keinesfalls nach. Die grünen Teile nebmen
1) A. a. O. $. 131.
2) Noch größer als zwischen den grünen und den albikaten Stellen
der panachierten Blätter ist die Differenz in der Intensität der Eiweiß-
reaktionen zwischen rein grünen Blättern und albikaten Blatteilen; dies
beruht auf dem Umstand, daß die grünen Teile der panachierten Blätter
von Acer Negundo im Gegensatz zu den rein grünen Blättern eine
chlorophyllfreie subepidermale Zellschicht besitzen und dementsprechend
.auch im ganzen ärmer an Chlorophyllkórnern sind als die letzteren.
Näheres über die Verhältnisse der Panachierung bei Acer Negundo
werde ich demnächst an anderer Stelle mitteilen.
r
Eiweißgehalt panachierter Blätter. 147
hier eine intensive, schöne violette Färbung an. Fast ebenso
schnell wie die Xanthoproteinsäurereaktion trite die intensive
ziegelrote Färbung bei Anwendung von Millons Reagens ein.
Der positive Ausfall der Reaktionen mit scharfen
Kontrasten zwischen grünen und albikaten Blatteilen
zeigt, daß die ersteren sehr reich, die albikaten Teile
aber sehr arm an Eiweiß sind.
Die mit den Blättern von Acer Negundo erhaltenen
Resultate konnten auch bei der Untersuchung anderer pana-
chierter Pflanzenarten bestätigt werden, doch war der Ausfall
der Reaktionen nicht bei allen Arten von derselben Deutlich-
keit, einige wenige Arten versagten sogar ganz. Bei den Arten
mit gelblicher Panachierung waren im allgemeinen die Kon-
traste zwischen grünen und albikaten Teilen nicht so groß wie
bei der rein weißen Panachierung, da hier auch die albikaten
Regionen ziemlich intensive Eiweißreaktionen lieferten. Im
folgenden sind die Resultate der Untersuchung einiger Arten
näher angegeben.
Acer pseudoplatanus L. mit panachierten Blättern.
Hier sind intensiv grüne, hellgrüne und ganz reinweiße Stellen
zu unterscheiden. Da die hellgrünen Stellen vielfach den Über-
gang von den dunkelgrünen zu den reinweißen Stellen ver-
mitteln, so kommen hier die Kontraste nicht immer zur vollen
Geltung. Dies trifft insbesondere für die Biuret- und die Mil-
lonsche Probe zu, die an sich auch hier gute Reaktionen
liefern. Durch die Xanthoproteinsäurereaktion werden dagegen
alle drei Abstufungen vorzüglich wiedergegeben: die reinweißen
Stellen bleiben fast vollkommen ungefärbt, die hellgrünen
werden intensiv reingelb, die dunkelgrünen intensiv dunkelgelb
von unreiner Farbe mit einem Stich ins Braune. Diese un-
reine Färbung der tiefgrünen Regionen beruht wohl darauf,
daß diese Stellen auch nach der Entfärbung mit Alkohol un-
rein weiß bis grau bleiben, und zwar aus Gründen, die nicht
näher untersucht wurden.
Abutilon vexillarium var. marmoratum. Die pana-
chierten Stellen sind hier nicht ganz rein weiß, sondern mehr
gelblich. Die Xanthoproteinsäurereaktion fällt hier weniger
befriedigend aus, da hier auch die panachierten Stellen deut-
lich gelb, wenn auch weniger intensiv gefärbt werden. Die
10*
148 G. Lakon:
Biuretreaktion gibt dagegen auch hier vorzügliche Resultate: die
grünen Stellen nehmen eine intensive rein violette Färbung
an, während die albikaten Regionen hell grünlich gelb gefärbt
werden. Die ziegelrote Färbung durch das Millonsche Reagens
fällt hier nur stellenweise sehr schön aus; im ganzen iet die
Reaktion ungleichmäßig.
Aegopodium podagraria L. Das panachierte Aegopo-
dium gibt ausgezeichnete Eiweißreaktionen, wenngleich die Blätter
auch nach der Entfärbung durch Alkohol stellenweise dunkle
Flecke aufweisen. Obwohl hier die albikaten Stellen nicht ganz
weiß, sondern mehr gelblich sind, fallen die Kontraste bei allen
drei Reaktionen vorzüglich aus. Zu Demonstrationszwecken
eignen sich die unansehnlichen, etwas krausen und mit den
erwähnten Flecken versehenen Blätter dieser Pflanze nicht so
gut wie die des eschenblättrigen Ahorns.
Phalaris arundinacea L. Die albikaten Stellen sind
hier infolge des Vorhandenseins violetten Farbstoffes meist nicht
ganz rein weiß. Nach der Vorbehandlung mit kochendem
Wasser und heißem Alkohol werden die Blätter nichtsdesto-
weniger schön rein weiß und liefern vorziigliche Eiweißreak-
tionen. Bei der Xanthoproteinsäure- und der Biuretreaktion sind
die Färbungen zwar sehr rein und deutlich, aber ihre Intensität
ist nur gering, so dal auch die Kontraste wenig scharf ausfallen.
Bei der Millonschen Reaktion ist die ziegelrote Färbung sehr
intensiv, und dementsprechend sind auch die Kontraste hier
sehr scharf.
Sambucus nigra L. mit rein weißem Albinismus. Diese
Pflanze gibt, anscheinend infolge des Vorhandenseins von Stoffen,
die die Eiweißreaktion stören, unbefriedigende Resultate. Bei
Anwendung der Xanthoproteinsäurereaktion werden zwar nur die
grünen Teile gefärbt, doch ist die gelbe Farbe unrein. Bemerkens-
wert ist der Umstand, daß hier die Blätter bei der Übertragung in
die Salpetersäurelösung zuerst eine zart rosa Färbung annehmen.
Auf diese Erscheinung werden wir später zurückkommen. Die
Biuretprobe fällt undeutlich aus und liefert unreine Färbungen.
Einigermaßen gute Ergebnisse werden mit dem Millonschen
Reagens erzielt, doch sind auch hier die Kontraste wenig
scharf.
Vinca major L. Die albikaten Stellen der panachierten
Eiweißgehalt panachierter Blätter. 149
Vinca sind von gelber Farbe. Alle drei Reaktionen gelingen
gut, doch sind die Kontraste gering, da hier nicht nur die
grünen, sondern auch die albikaten Regionen ziemlich intensiv
gefärbt werden.
Tradescantia zebrina. Die Blätter sind glatt und
weisen albikate Streifen auf von weißer Farbe, untermischt mit
violett. Die grünen Stellen haben hellgrüne Farbe und sind
ungefähr ebenso durchscheinend wie die albikaten. Die Xan-
thoproteinsäurereaktion und die Biuretprobe treten zwar deut-
lich ein, erreichen aber eine nur geringe Intensität. Das Millon-
sche Reagens liefert dagegen schärfere Konträste.
Tradescantia cumanensis Knuth. Die rauhhaarigen
Blätter zeigen albikate Streifen von ziemlich rein weißer Farbe;
die grünen Stellen sind hellgrün und durchscheinend. Hier
gelingt nur die Xanthoproteinsäurereaktion einigermaßen gut,
während die anderen beiden Reaktionen äußerst schwach und
undeutlich eintreten.
Evonymus radicans. Die albikaten Stellen haben hier
eine unreine weiße Farbe. Keine einzige von den drei Eiweiß-
reaktionen liefert an diesem Objekte positive Resultate. Bei
Anwendung der verschiedenen Reagenzien treten Färbungen
ein, die mit den Eiweißreaktionen nichts zu tun haben und
auf das Vorhandensein störender Fremdstoffe hinweisen. So
wurden z. B. die Blätter in Salpetersäure zunächst gleich-
mäßig lachsrot. Mit Millons Reagens treten Schwärzungen auf.
Überblicken wir die oben geschilderten, bei Anwendung
des Molischschen Verfahrens gewonnenen Resultate, so sehen wir,
daß die panachierten Blätter einiger Pflanzen, vor allem die
von Acer Negundo, ein außerordentlich günstiges Objekt zur
makroskopischen Demonstration der Eiweißreaktionen abgeben,
da hier eiweißarme mit eiweißreichen Stellen an ein und dem-
selben Blatte vereinigt sind. Von den Arten, die — infolge
des Fehlens fremder, die Reaktion störender Stoffe — reine
Eiweißreaktionen abgeben, liefern im allgemeinen nur diejenigen
scharfe Kontraste zwischen den eiweißreicheren grünen und
den eiweißärmeren albikaten Stellen, die folgende Beding-
ungen erfüllen: |
: 1. Rein weiße, zum mindesten nicht mit Gelb untermischte
Farbe der albikaten Teile;
150 G. Lakon:
2. Intensiv grüne Farbe der grünen Teile;
3. Plötzlicher Übergang von den grünen in die albikaten
Teile ohne vermittelnde Abstufungen.
Um die Bedeutung dieser Regeln richtig würdigen zu
können, müssen wir die Gehaltsverhältnisse panachierter Blätter
an Chromatophoren berücksichtigen. Der Gehalt der albikaten
Teile an Chromatophoren ist bekanntlich bei den verschiedenen
Pflanzenarten verschieden. Nach Pantanelli!) kann man
hierüber im allgemeinen folgende Regeln aufstellen;
1. In makroskopisch rein weißen Teilen fehlen überhaupt
Chromatophoren;
2. In gelben Teilen gibt es Chromatophoren in sämtlichen
Zellen oder wenigstens im Schwammparenchym.
Im zweiten Falle sind also chlorophyllfreie Chloroplasten
vorhanden. Die verschiedenen Übergänge vom hellsten bis
zum intensivsten Gelb entsprechen der geringeren oder .ver-
mehrten Anzahl der chlorophyllfreien Chloroplasten im Meso-
phyll. In den Zellen der rein weißen Blatteile, die überhaupt
keinen Chlorophyllapparat enthalten, kommen die Chloroplasten
entweder von vornherein gar nicht zur Ausbildung, oder sie
werden im Laufe der Blattentwicklung aufgelöst‘). Vergleichen
wir dieses Verhältnis zwischen Farbe und Anzahl der vorhan-
denen nicht grünen Chromatophoren (bzw. der völligen Ab-
wesenheit von solchen) mit dem Verhältnis zwischen der Farbe
der albikaten Teile und dem Gelingen der Eiweißreaktionen, so
gelangen wir zu dem Resultat, daß der positive Ausfall der
Reaktionen an dem Vorhandensein von Chromato-
phoren gebunden ist. Die Intensität der durch die Eiweiß-
reaktionen erzielten Färbungen hängt von der Dichtigkeit der
Chromatophoren ab; beim vollständigen Fehlen von
Chromatophoren nehmen die albikaten Teile nur
äußerst schwache Färbungen an. Wir gelangen somit zu
demselben Schluß, zu dem Molisch auf Grund seiner Unter-
suchungen mit vergilbten Blättern gekommen ist, daß nämlich
—
1) Über Albinismus im Pflanzenreich. Zeitschr. f. Pflanzenkr. 15, 1 bis
21, 1905). 8. 5.
. Y Vgl. Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 3. Aufl.
1, 671 fl.
Eiweißgehalt panachierter Blätter. ` 151
die Hauptmasse des Eiweißes der Blätter in den Chro-
matophoren steckt.
Die mikroskopische Nachprüfung konnte in allen Fällen
den Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Chroma-
tophoren und der Intensität der. Eiweißreaktionen bestätigen.
Auch der scheinbare Widerspruch bei Aegopodium poda-
graria, dessen Blätter trotz der gelblichen Färbung ihrer
albikaten Teile bei den Eiweißreaktionen die schärfsten Kon-
traste liefern (s. o.), tut diesem Zusammenhang keinen Abbruch,
da diese Pflanze eine Ausnahme von der Regel, daß beim
gelben Albinismus Chromatophoren vorhanden sind, bildet. Die
Ausnahmestellung dieser Pflanze, die in ihren gelblichen albi-
katen Teilen keine Chromatophoren enthält, wird von Panta-
nelli*) ausdrücklich hervorgehoben und konnte auch von mir
bestätigt werden. Das abweichende Verhalten dieses Objektes
liefert somit geradezu eine Bestätigung, daß das Gelingen der
Eiweißreaktionen an dem Vorhandensein von Chromatophoren
gebunden ist.
Die chromatophorenfreien, ganz weißen albikaten Teile
geben, wie schon erwähnt, nur äußerst schwache, vielfach kaum
wahrnehmbare Eiweißreaktionen. Diese schwachen Färbungen
sind auf den plasmatischen Inhalt der lebenden Zellen zurück-
zuführen. Meist besitzen aber die albikaten Blatteile im Ver-
gleich zu den grünen eine nur geringe Dicke infolge Reduktion
der Größe der chlorophyllfreien Mesophyllzellen. Die Intensität
der Färbungen bei den Eiweißreaktionen würde daher bei den
grünen Teilen auch ohne die Chromatophoren intensiver aus-
fallen als bei den albikaten Regionen. Daß aber diese Diffe-
renz in der Intensität der Reaktionen zwischen grünen und
albikaten Teilen ganz gering ist und gegenüber der großen
Intensität der Färbung infolge des Vorhandenseins von Chro-
matophoren ganz in den Hintergrund tritt, kann in mannig-
facher Weise gezeigt werden. So können wir, selbst wenn wir
den Unterschied in der Blattdicke durch Aufeinanderlegen
von albikaten Blatteilen reichlich auszugleichen versuchen,
nicht entfernt die Intensität der Färbung der grünen Teile er-
reichen. Andererseits kann der Kontrast in der Färbung
1) A.a. O. S. 5.
152 G. Lakon:
zwischen albikaten und grünen Teilen auch bei solchen Pflanzen
hohe Werte erreichen, bei denen — wie z. B. bei Phalaris
arundinacea — kein Unterschied in der Blattdicke sich be-
merkbar macht. Wir sehen also, daß für die Intensität der
Reaktion in erster Linie das Vorhandensein von Chloroplasten
maßgebend ist. Wie schon Molisch*) hervorgehoben hat. ist
die Intensität der Färbungen in chromatophorenreichen Pflanzen-
teilen so groß, daß hierbei der Grad des Reichtums der Zellen
an sonstigem Eiweiß gar nicht angezeigt werden kann. Daß
dickere Blätter mit mehreren Reihen chromatophorenreicher
Zellen intensivere Färbungen liefern als dünnere, ist selbst ver-
ständich.
Zum Schluß sei noch eine Erscheinung kurz berührt, die
nicht selten bei der Ausführung der Xanthoproteinsäurereaktion
und zwar bei der Übertragung der Blätter in die Salpeter-
säure auftritt. Manche Blätter werden nämlich hierbei zu-
nächst mehr oder weniger deutlich rot (bzw. rosa) gefärbt.
Dies ist z. B. von den oben angeführten Arten bei Sambucus
nigra der Fall. Diese Rotfärbung beruht in vielen Fällen. so
bei Sambucus, auf dem Vorhandensein von Anthocyanfarb-
stoffen. Werden anthocyanhaltige Blumenblätter mit kochen-
dem Wasser und heißem Alkohol behandelt, so werden sie
entfárbt. Der Auszug, in dem das Anthocyan enthalten ist,
ist farblos, weil bekanntlich?) das Anthocyan in verdünnten
Lösungen in eine farblose isomere Verbindung übergeht. Diese
farblosen anthocyanhaltigen Lösungen werden durch Säurezusatz
intensiv rot gefärbt und geben dann die bekannten Reaktionen.
Die erwähnte Isomerisation des Anthocyans in Lösungen tritt
nun offenbar auch im Zellsaft, innerhalb der Zellen der mit
siedendem Wasser und heißem Alkohol ausgezogenen Blumen-
blätter ein. Die Zellen enthalten nunmehr eine verdünnte
Anthocyanlösung und erscheinen daher farblos. Dies ist aus
dem Umstand zu schließen, daß die nach der Behandlung
farblosen oder nur ganz zart rosa erscheinenden Petalen durch
Eintauchen in Säuren intensiv rot werden. Ich habe den Versuch
mit den Petalen von zahlreichen Pflanzenarten gemacht, wie Rosen,
1) A. a. O. S. 131.
2 Vgl. Willstätter, Uber Pflanzenfarbstoffe. Ber. d. Deutsch.
chem. Ges. Nr. 15, 1914, 2867.
Eiweißgehalt panachierter Blätter. 153
Geranien usw., stets mit dem gleichen Erfolg. Sehr instruktiv
ist der Versuch, wenn man weiße und rote Blüten derselben
Pflanzenart der Behandlung unterwirft. Sehr schöne Resultate
erhielt ich z. B. mit den Blüten der wohlriechenden Wicke
(Lathyrus odoratus). Weiße und rote Blüten werden so
lange mit kochendem Wasser und heißem Alkohol behandelt,
bis die roten Blüten vollkommen weiß werden und von den
weißen nicht zu unterscheiden sind; nach dem Eintauchen in
die Säurelösung werden die ursprünglich rot gewesenen Blüten
wieder intensiv rot, im Gegensatz zu den weißen, die auch
jetzt weiß bleiben. Ähnliche Resultate erhielt ich auch mit
anthocyanhaltigen Blättern, und zwar:
1. Mit den roten Blättern der Blutbuche, des Blutahorns
und der Bluthasel;
2..Mit den jugendlichen, noch roten Blättern verschiedener
Bäume und Sträucher, insbesondere mit solchen von den Jo-
hannistrieben der Eiche, des Ahorns usw.
3. Mit den rot verfärbten, absterbenden Blättern zahl-
reicher Gewächse.
Alle diese Blätter wurden nach der Entfärbung mittels
kochenden Wassers und heißen Alkohols bei der Übertragung
in Säurelösungen intensiv rot gefärbt.
Bei dem oben erwähnten Falle der panachierten Blätter,
die bei der Übertragung in die Säure rot werden, handelt es
sich offenbar ebenfalls um anthocyaninhaltige Objekte, die aber
wegen des geringen Inhalts an Anthocyanin äußerlich als solche
nicht kenntlich sind. Aus den Blättern der panachierten
Sambucus nigra konnte ich nun tatsächlich einen grünlichen
wäßrigen Auszug gewinnen, der bei Säurezusatz rötlich, bei
nachträglichem Alkalizusatz grünlich bis gelblich wurde Ein
Auszug aus den Blättern von Evonymus radicans — die,
wie schon oben erwähnt, bei der Übertragung in die Salpeter-
säure eine lachsrote Färbung annehmen — lieferte dagegen
keine befriedigenden Resultate, wenngleich auch hier schwache
Farbenumschläge bei Säure- oder Alkalizusatz unverkennbar
waren. Ich vermute, daß auch die lachsrote Färbung, die
nach Molisch!) vergilbte Blätter bei der Übertragung in die
1) A. a. O. S. 125 Anm. 1.
154 G. Lakon: Eiweißgehalt panachierter Blätter.
Salpetersäure vielfach annehmen, ebenfalls auf dem Vorhanden-
sein gewisser Mengen von Anthocyaninfarbstoffen beruht. Da
in den Blättern bei der herbstlichen Verfärbung vielfach An-
thocyan auftritt, so ist die Annahme nicht unwahrscheinlich,
daß auch bei herbstlich vergilbten Blättern, bei denen keine
rote Färbung sichtbar ist, Anthocyaninfarbstoffe in geringen
Mengen vorhanden sind, die erst durch den Säurezusatz zum
Vorschein kommen. In einigen Fällen gelang es mir tatsäch-
lich, aus absterbenden, vergilbten Blättern einen Auszug zu
gewinnen, der bei Säure- und Alkalizusatz schwache Farben- .
umschläge ergab.
Die Ergebnisse der obigen Untersuchungen lassen sich in
folgenden Sätzen kurz zusammenfassen:
1. Die panachierten Blätter vieler Pflanzenarten, ins-
besondere die von Acer Negundo, stellen ein vorzügliches
Material zur makroskopischen Demonstration der Eiweißreak-
tionen nach dem Molischschen Verfahren dar. |
2. Die gewonnenen Bilder sind hierbei sehr kontrastreich,
da die eiweißreichen grünen Stellen sehr intensiv, die eiweiB-
armen albikaten Stellen dagegen nur äußerst schwach gefärbt
werden.
3. Der EiweiBreichtum der grünen (bzw. die Eiweißarmut
der albikaten) Stellen steht mit dem Vorhandensein (bzw.
Fehlen) von Chromatophoren in Zusammenhang.
4. Eine Ausnahme von der unter 2 aufgestellten Regel
bilden im allgemeinen die gelben Panachierungen, da hier —
im Gegensatz zu den rein weißen Panachierungen — auch die
albikaten Stellen Chromatophoren enthalten und demnach ei-
weißreich sind. | |
5. Die Untersuchungen bestätigen die Ansicht Molischs,
daß die Hauptmasse des Eiweißes der Blätter in den Chroma-
tophoren steckt.
5. Blätter, die Anthocyan enthalten, nehmen bei der
Xanthoproteinsäurereaktion, bei der Übertragung in die Sal-
petersäurelösung zunächst eine rötliche Färbung an, weil sie —
‚trotz der Entfárbung — noch Anthocyanin enthalten und zwar
in der farblosen isomeren Form, wie sie für Lösungen be-
kannt ist.
Ein Beitrag zur Chemie der Tuberkelbacillenfette.
Von
Max Bürger.
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Straßburg.)
(Eingegangen am 19. September 1916.)
Die Fette und Lipoide der Tuberkelbacillen waren schon
verschiedene Male Gegenstand der chemischen Untersuchung.
Ihre genaue Kenntnis hat in mehrfacher Hinsicht Interesse;
werden doch die eigenartige Reaktion der Gewebe auf Tuberkel-
bacilleninfektion, die Sáurefestigkeit der Kochschen Bacillen,
ihre geringe antigene Wirksamkeit, ihre große Resistenz gegen
Desinfektionsmittel in Beziehung gebracht zu dem bemerkens-
wert hohen Gehalt dieser Bacillen an Fetten und fettähnlichen
Substanzen. Neuerdings lieferten die Tuberkelbacillenfette auch
Material für Untersuchungen von allgemeinbiologischem Inter-
esse. Much!) und seine Mitarbeiter versuchten die antigenen
Eigenschaften der Tuberkelbacillenfette darzutun (Partialantigene)
und weiterhin an ihnen überhaupt etwas über den Fettstoff-
wechsel der Zelle?) zu erfahren.
Soweit die vorliegenden Untersuchungen ein Urteil ge-
statten, setzt sich das Fett der Tuberkelbacillen aus nach-
stehenden Stoffen zusammen:
1. Aus größeren Mengen höherer Fettsäuren, meist nur
durch ihren Schmelzpunkt charakterisiert, und zwar:
Laurinsáure, C,¿H,,0, [de Schweinitz und Dorset’),
Bulloch und Macleod?*)],
1) Much und Leschke, Beiträge z. Klin. der Tub. 20, Heft 3, 1911.
2 Much und W. Müller, Deutsche med. Wochenschr. 1915, 970.
.9 de Schweinitz und Dorset, Centralbl. f. Bakt. 19, 704, 1896.
*) Bulloch und Macleod, Journ. of Hyg. 4, 1,- 1904.
156 M. Bürger:
Myristinsäure, C,,H,¿0, [Bulloch und Macleod?)),
Isocetinsáure, C H30, [Bulloch und Macleod”)),
Palmitinsäure, C,,H,,0, [Hammerschlag und Nencki”),
de Schweinitz und Dorset?)],
Ölsäure, C,¿H,,0, [Bulloch und Macleod'?)].
Ein großer Teil wurde stets in freiem Zustande gefunden.
Ob sie auch als echte Fette, an Glycerin gebunden, vorliegen,
ist nicht sicher. Zwar haben Bulloch und Macleod!) sowie
Ruppelt) durch die Acroleinreaktion Glycerin nachgewiesen,
wie jedoch Arthur Meyer’) mit Recht hervorhebt, ist der
Nachweis bei dem Umstand, daß die Bacillen auf glycerin-
haltigen Nährböden gezüchtet wurden, nicht schlagend. Meyer?)
weist darauf hin, daß das Glycerin überhaupt bei dem Aufbau
der Bakterienfette nicht oder nur in ganz verschwindendem
Maße beteiligt ist. Auch der hohe Gehalt an freien Fettsäuren
scheint ihm ein spezifisches Charakteristikum der Bakterienfette
zu sein.
2. Eine sehr geringe Menge eines von Hammerschlag?)
und anderen als „Lecithin“ bezeichneten phosphorhaltigen
Körpers, den S. Tamura’) nach seinem Phosphor- und Stick-
stoffgehalt als ein Diaminomonophosphatid bestimmte.
3. Reichliche Mengen von hochmolekularen Alkoholen und
deren schwer verseifbaren Estern. Ihnen verdankt das Fett-
gemenge seine wachsartige Beschaffenheit [Aronson?)], seine
Säurefestigkeit und spezifische Färbbarkeit [Klebs?)].
Kozniewski!*") erhielt durch Extraktion mit heißem Aceton
eine in der Kälte ausfallende wachsartige Substanz von der
Zusammensetzung C,,H,¿0,, die der Laurinsäureester eines
Dodecylalkohols sein könnte. Tamura”) konnte aus Tuberkel-
1) Bulloch und Macleod, Journ. of Hyg. 4, 1. 1904.
1) Hammerschlag, Centralbl. f. inn. Med. 12, 9, 1891.
3) de Schweinitz und Dorset, Centralbl. f. Bakt. 19, 707, 1396.
t) Ruppel, Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 218, 1898.
5) A. Meyer, Die Zelle der Bakterien. 1912.
a Hammerschlag, l. c.
"BR Tamura, Zeitschr. f. phys. Chem. 87, 84, 1913.
D Aronson, Berl. klin. Wochenschr. 1898, 484.
9) Klebs, Centralbl. f. Bakt. 20, 484, 1896.
10) Kozniewski, Anzeiger d. Akad. d. Wiss. in Krakau, Math.-
naturwiss, Kl., 1912, 942.
Tuberkelbacillenfette. 157
bacillen nach eingreifender Hydrolyse — Verreiben mit einer
Mischung von 2 Teilen konzentrierter Schwefelsäure mit 1 Teil
Wasser, Verdünnen mit Wasser und 14stündigem Erhitzen des
ausfallenden Niederschlags mit 25°/ iger Schwefelsäure — nach
Extraktion mit Äther einen gut charakterisierten ungesättigten,
bei 66% schmelzenden Alkohol, das „Mykol“ C,,H,¿O, dar-
stellen, das noch die Säurefestigkeit und spezifische Färbbar-
keit aufwies. Dieser Alkohol war in der nicht hydrolysierten
Substanz wenigstens zum Teil in Esterform vorhanden, da er
such aus dem Ätherextrakt durch Verseifung mit alkoholischer
Kalilauge dargestellt werden konnte. Tamura!) bemerkt, daß
noch andere ähnliche Ester vorhanden sein dürften.
4. Auch auf Kohlenwasserstoffe gibt Tamura!) an, ge-
stoßen zu sein.
5. Die Anwesenheit einer die Salkowskische Cholesterin-
reaktion darbietenden Substanz wird mehrfach angegeben
[Kreshing?), Baudran?)]. Andrereits ist die Liebermannsche
Reaktion vermißt worden [Aronson*)]. In Krystallen isoliert
wurde Cholesterin nicht erhalten. Panzer’) fand mit Hilfe
der Digitoninmethode kein Cholesterin, wohl aber sehr geringe
Mengen eines anderen Körpers, der sich mit Digitonin ver-
bindet. Jedenfalls ist nach seiner Angabe der Gehalt an
Cholesterin bzw. an den Sterinen angehörigen Stoffen minimal.
Den Ätherfraktionen haften meist Riech- und Farbstoffe in
geringer Mege an. Regelmäßig wird ein angenehmer aromati-
scher, bienenwachs-, nach anderen hyazinthenähnlicher Duft
beobachtet. Der riechende Körper ist noch nicht ermittelt,
seiner Flüchtigkeit nach kann er nicht als Fett oder Wachs
aufgefaßt werden,
Eigene Untersuchung.
Mein Ausgangsmaterial®) bestand in 240 g wasserfreier
Tuberkelbacillen vom Typus humanus. Die Bacillen waren
1) S. Tamura, Zeitschr. f. phys. Chem. 87, 84, 1913.
2) Kreshing, Centralbl. f. Bakt. 30, 897, 1901.
3) Baudran, Compt. rend. de l’Acad. des sciences 142, 657, 1906.
t) Aronson, Berl. klin. Wochenschr. 1898, 484.
5) Panzer, Zeitschr. f. phys. Chem. 78, 414, 1912.
6) Das Material wurde mir durch Vermittelung von Herrn Prof.
Móllers vom Institut Robert Koch geliefert. Die Untersuchung wurde
mit den Mitteln der Robert-Koch-Stiftung durchgeführt.
158 M. Bürger:
sämtlich auf eiweißfreien Nährböden (Proskauer-Nährböden)
gezüchtet und durch Trocknen im Exsiccator über Schwefel-
säure abgetótet. Zur Orientierung wurden zunächst gleiche
Mengen (0,25 g) dieses Materials mit je 50 ccm verschiedener
Extraktionsmittel 48 Stunden lang geschüttelt. Nach Filtration
durch Berkefeldkerzen, Verdampfen des Extraktionsmittels,
Trocknung des Rückstandes bis zur Gewichtskonstanz wurden
folgende Mengen gewogen:
Rückstand aus Aceton. . . . . 0,0090 g = 3,60%,
” n Alkohol abs. . . 0,0125 g = BOOT,
E » Äther . . . . . 0,0151 g = 6,040,
» » Methylalkohol . . 0,0220 g = 8,80°|,
P » Chloroform . . . 0,0230 g = 9,80°|,
Die Bakterien werden sodann in Einliterflaschen (je 50 g
auf 1000 ccm Extraktionsmittel) extrahiert, die Extraktion
8 Tage lang unter mehrfachem Wechsel jedes Extraktions-
mittels fortgesetzt. Täglich wurde mehrere Stunden auf der
Maschine geschüttelt. Die Extrakte wurden durch Berkefeld-
filter abfiltriert und im Vakuum bei niederer Temperatur ein-
geengt.
Das Acetonextrakt,
Die zuerst vorgenommene Acetonextraktion liefert ein Ex-
trakt von 5,50 g aus 238 g getrockneten Bacillen. Dieses
Extrakt ist schwarzbraun gefärbt, hat einen angenehmen aro-
matischen Geruch (Bienenwachsgeruch der Autoren) und
schmierige Konsistenz. Es enthält Stickstoff und Phosphor,
gibt die Fichtenspanreaktion und reagiert gegen Lackmus
deutlich sauer. Das Acetonextrakt läßt sich in eine äther-
unlösliche und eine ätherlösliche Fraktion trennen. Das Äther-
unlösliche ist auch in kaltem Alkohol, Benzol und Aceton un-
löslich, löslich dagegen in heißem Alkohol und heißem Aceton,
aus dem es beim Erkalten nur schwer ausfällt. Die Substanz
enthält viel Sauerstoff, keinen Phosphor. Ihre warme alko-
holische Lösung gibt mit Chlorcadmium keine Fállung. Die
Substanz ist mit alkoholischer Kalilauge leicht verseifbar, die
wäßrige Seifenlösung ist klar, trübt sich beim Ansäuern mit
Salzsäure. Die Trübung verschwindet nach Ausschütteln mit
Äther.
Tuberkelbacillenfette. 159
Die zweite Fraktion des Acetonextraktes wird in Äther
gelöst, der Äther mit Wasser gewaschen. Das Waschwasser
enthält neben anorganischen Salzen (Sulfaten) eine stark aro-
matisch riechende Substanz. Nach Entfernung dieser Substanz
wird der Äther von neuem mit schwach alkalischem Wasser
(Na,CO,) ausgeschüttelt und dies so lange fortgesetzt, bis das
Wasser nach Ansäuern mit Salzsäure sich nicht mehr trübt.
Aus der gesammelten wäßrigen Seifenlösung werden nach An-
säuern durch Ausäthern im ganzen 0,9 g Fettsäuren gewonnen.
Diese krystallisieren in feinen geschwungenen Nadeln und zeigen
nach mehrfachem Umkrystallisieren einen Schmelzpunkt von
40°. Nach dem Verseifen des Ätherlöslichen bleibt im Äther
ein Rückstand, der noch stark verunreinigt ist durch aromatisch
riechende Stoffe und stickstoffhaltige Produkte. Diese lassen
sich zum großen Teil in niedrig siedendem Petroläther lösen.
Es bleibt ein in Petroläther unlöslicher, glasharter brauner
Rückstand, der nicht weiter untersucht wird. Mit ihm identisch
ist vielleicht ein phosphorhaltiger Körper, der sich aus der
ätherlöslichen Fraktion des Acetonextrakts nach Entfernung
der Seifen und Fettsäuren durch Alkohol ausfällen läßt.
Der Riechstoff der Tuberkelbacillen.
Der aromatisch riechende Körper, der fast alle Fraktionen
des Acetonextrakts begleitet, zeigt folgende Eigenschaften: Er
läßt sich aus einer ätherischen Lösung mit Wasser ausschütteln;
wird das Wasser bei niederer Temperatur vorsichtig entfernt,
so bleibt eine ölige Emulsion zurück. Unterschichtet man eine
Ätherlösung dieser Substanz mit einer stark verdünnten wäß-
rigen Eisenchloridlösung, so tritt eine schöne Weinrotfärbung
ein, und man sieht, wie der Körper in das Wasser übergeht.
Bei Gegenwart von Alkali und Sauerstoff, namentlich beim
Schütteln, färbt sich die Substanz tintenschwarz; sie läßt sich
durch die Eisenchloridprobe und den charakteristischen Honig-
geruch leicht und sicher in verschiedenen Fraktionen nach-
weisen. Der Körper zeigt außer der weinroten Färbung mit
verdünntem Eisenchlorid, die beim Ansäuern und beim Alkali-
sieren der Probe verschwindet, folgende Reaktionen: Am-
moniakalische Silbernitratlösung wird reduziert; eine mit schwef-
liger Säure entfärbte Fuchsinlösung wird nach Zusatz des
160 M. Bürger:
Körpers blaßrosa. Phenylhydrazin in Eisessig wird ölig getrübt
und deutlich gelb gefärbt. Nach dem reaktionellen Verhalten
handelt es sich um einen Aldehyd. Der aromatische Geruch
und der Ausfall der Eisenchloridprobe (die Farbennuance der-
selben) gleichen am meisten dem des Salicylaldehyds. Der
den Tuberkelbacillen eigentümliche, bienenwachsartige Geruch
ist wahrscheinlich auf die Anwesenheit dieses Körpers zurück-
zuführen. Vielleicht ist in ihm auch die Ursache des Braun-
werdens alter Tuberkelbacillenkulturen zu suchen.
Das Petrolätherextrakt.
Das auf gleiche Weise wie das Acetonextrakt hergestellte
Petrolätherextrakt (8tägige Extraktion bei täglich 4stündigem
Schütteln mit im ganzen 4 Litern bei 47° siedenden Petrol-
äthers) hat nach Filtration durch eine Berkefeldkerze eine leicht
gelbe, ins Grüne spielende Farbe. Die Ausbeute beträgt 3,20 g
Substanz, die nach dem Einengen des Petrolätherextrakts im
Vakuum krystallinisch ausfällt. Es lassen sich mit heißem
Alkohol zwei Fraktionen gewinnen: Eine im heißen Alkohol
unlósliche, die etwa */, der ganzen Petrolätherausbeute aus-
macht. Sie sondert sich in klaren öligen Tropfen vom siedenden
Alkohol und wird von diesem durch Decantieren getrennt. Das
Öl erstarrt beim Erkalten zu einer festen paraffinähnlichen,
leicht gelb gefärbten Masse, die durch gründliches Waschen mit
siedendem Alkohol schließlich rein weiß gewonnen wird. Der
Körper krystallisiert aus Äther-Alkohol in unregelmäßig zackig
begrenzten doppelbrechenden Blättchen. Er ist nicht verseifbar,
Nach mehrfachem Umkrystallisieren aus Äther-Alkohol bleibt der
Schmelzpunkt konstant bei 37°.
Der Körper enthält keinen Stickstoff und keinen Phosphor.
Die ätherische Lösung entfärbt langsam zugesetzte Lösung von
Brom in Eisessig.
Die Verbrennung ergibt:
4,165 mg:12,365 mg CO,; 4,96 mg H,O — 80,97°/,C, 13,33%), H,
4,099 » :12,210 » CO,; 4,895» H,O — 81,24°/,C, 13,36%, H,
berechnet für C,¿H,¿O : 81,35%/, C, 12,949/, H.
Der in heißem Alkohol lösliche Anteil des Petroläther-
extrakts fällt beim Erkalten in weißen Flocken wieder aus.
Tuberkelbacillenfette. 161
Diese Substanz ist in Chloroform leicht lóslich und kann aus
Chloroform durch Alkohol gefállt und so gereinigt werden. Sie
krystallisiert aus Äther-Alkohol in kurzen doppelbrechenden
Nadeln, ist nicht verseifbar. Sie wird bei 50° glasig und schmilzt
bei 51°. Auch diese Substanz ist stickstoff- und phosphorfrei
und nimmt Brom auf. Sie löst sich nicht in kaltem, wohl aber
leicht in kochendem Essigsäureanhydrid. Beim Erkalten scheidet
sich ein gelatinöser flockiger Niederschlag aus.
Die Verbrennung ergibt:
4,247 mg:12,475 mg CO,; 4,95 mg H,O — 80,09°/, C, 13,04°/, H,
4,981 n :14,634 » CO,; 5,59 » H,O — 80,13°/, C, 12,55°/, H,
berechnet für C,¿H,¿0 :80,27%/, C, 12,59°/, H.
Das Material wird nach Erschöpfung durch Petroläther in
gleicher Weise unter täglich mehrstündigem Schütteln mit Äther
behandelt. Auf diese Weise werden noch 0,6g einer braun-
gefärbten aromatisch riechenden Masse gewonnen, die bei 37°
schmilzt. Sie enthält Phosphor und entwickelt beim Verbrennen
einen stechenden Geruch. Versuche, durch Fraktionieren zu reinen
Substanzen zu kommen, schlugen fehl.
Das Alkoholextrakt.
Nachdem sich gezeigt hatte, daß kalter Alkohol aus dem
mit Aceton und Äther erschöpften Material nur noch Spuren
fettartiger Körper extrahiert, werden die Bacillen 8 Tage lang
unter täglichem Wechsel 6 Stunden lang mit siedendem Alkohol
behandelt. Auch dann noch fallen beim Erkalten des stets er-
neuten Alkohols weiße flockige Massen aus. Durch eine weitere
Extraktion mit einem Gemisch von 750 cem Alkohol mit 250 cem
Chloroform wird keine wesentlich bessere Extraktion erreicht.
Es wird daher der Versuch gemacht, das Material durch Be-
handeln mit Kalilauge aufzuschlieBen. Zu diesem Zwecke wird
die Bacillenmasse nach Extraktion mit Wasser bei 100° 72 Stunden
mit 4°/ iger alkoholischer Kalilauge digeriert; die Lauge wird
abgenutscht und der Rückstand mit Alkohol und Alkohol-
Chloroform bei täglich mehrstündigem Sieden der Extraktions-
mittel 3 Tage lang ausgezogen. Eine Erschöpfung des Bacillen-
materials ist auch jetzt noch nicht erreicht. Die Extraktion
wird jedoch abgebrochen. Wegen des sehr verlustreichen Arbeitens
beim Aufschließen der Bacillenmasse können zuverlässige quanti-
Biochemische Zeitschrift Band 78. 11
162 M. Bürger:
tative Angaben über die Ergiebigkeit des Extractionsverfahrens
nicht gemacht werden. Die weiteren Bemühungen richteten sich
vor allem darauf, die zuletzt mit dem Alkohol-Chloroformgemisch
extrahierte Substanz zu reinigen, was sehr schwer hält. Die
Substanz ist nur löslich in Benzol und Chloroform und scheidet
sich aus siedendem Alkohol in klaren óligen Tropfen ab, die
sich am Boden des Gefäßes sammeln, also spezifisch schwerer
sind als absoluter Alkohol. Die Reinigung wird im wesent-
lichen durch Umfällen der Substanz aus Chloroform durch
Alkohol erreicht. Sie enthält neben Asche noch Spuren anderer
fettartiger, offenbar in ihr gelöster Substanzen. Folgende Ana-
lysen zeigen die allmähliche Befreiung des Körpers von Ver-
unreinigungen.
Schmelz- Ausgangs: C
menge
punkt ohne Asche
Die Reinigungsversuche wurden fortgesetzt unter stándiger
Kontrolle des Schmelzpunkts des erhaltenen Produkts. Es ge-
lang jedoch nicht, den Schmelzpunkt über 230 ° hinaufzutreiben
und die Substanz von den letzten Spuren Asche zu befreien.
Die Substanz stellte nach dem Erstarren aus siedendem Alkohol
eine feste paraffinähnliche Masse dar, es gelang nicht, sie in
größeren Mengen krystallinisch zu erhalten. Nur einmal konnten
bei einer kleinen Probe bei + 2° aus Benzol Krystalle erhalten
werden, die denen des Cholesterins nicht unähnlich waren und
im Polarisationsmikroskop schöne Doppelbrechung zeigten. Die
Probe mit Essigsäureanhydrid und Schwefelsäure zeigte jedoch
nicht die Spur einer Grünfärbung?). Die Substanz war stickstoff-
und phosphorfrei und nicht verseifbar.
1) Bemerkenswerterweise fiel die gleiche Reaktion auf Cholesterin
auch mit allen anderen Fraktionen und Teilfraktionen negativ aus. Im
alkohollöslichen Anteil des primären Acetonextrakts gelang es, mit alko-
holischer Digitoninlösung eine spärliche weiße Fällung zu erzielen. Die
Menge reichte jedoch zur Durchführung einer Analyse nicht aus. Meine
Erfahrungen bestätigen somit Panzers Beobachtung.
Tuberkelbacillenfette. 163
Das Ergebnis der letzten Analyse kommt den Zahlen sehr
nahe, die Tamura für das Mykol aus Tuberkelbacillen angibt
(82,46 %/, C und 13,58°/, H). Die Schmelzpunkte dagegen (My-
kol 66° gegen 230° unserer Substanz) zeigen, daß es sich nicht
um den gleichen Körper handelt. Für das Mykol aus Myko-
bakterium lacticola wird angegeben, daß es sich in Petroläther
und Äther und etwas schwerer in heißem Alkohol löse; auch
das trifft für den zuletzt besprochenen Körper nicht zu. Es
ist sehr wahrscheinlich, daß in meiner letzten Chloroform-
Alkoholfraktion noch ein oder mehrere Körper mit niedrigerem
Schmelzpunkt vorhanden waren; unter ihnen ist möglicherweise
das Mykol Tamuras ou finden. Es wurde versucht, diese Sub-
stanzen durch ihre differenten Löslichkeitsverhältnisse in ver-
schieden temperiertem Alkohol zu trennen. Aus Alkohol von
— 4° fiel ein Gemisch von weißen flockigen Körpern aus, dessen
Schmelzpunkt von 60° bis 140° schwankte. Aus Alkohol von
16° fielen Gemische aus, deren Schmelzpunkte bei 168°, 175°,
198° lagen.
Es ist daher wahrscheinlich, daß sich bei genügend großem
Ausgangsmaterial neben den von Kozniewski, Tamura und
mir beschriebenen kohlenstoffreichen Substanzen noch eine ganze
Reihe weiterer ähnlicher Körper werden finden lassen, wobei
die Art der Nährböden, das Alter der Kulturen oder die Rasse
der Bacillenstämme vielleicht entscheidend sind für das quanti-
tative Überwiegen dieses oder jenes Körpers.
| Nach den sämtlichen vorliegenden Untersuchungen des
„Fettes“ der Tuberkelbacillen entspricht seine Zusammensetzung
jener anderer meist als ,Pflanzenwachs* bezeichneten Pflanzen-
fette. Diese enthalten?!) regelmäßig neben geringen Mengen
echter Fette, verschiedene hochmolekulare Fettsäuren und Alko-
hole sowie Ester derselben und auch Kohlenwasserstoffe. Als
chemisch schwer angreifbare Verbindungen haben sie im Gegen-
satz zu den echten Glyceriden, den „Nahrungslipoiden“, keinen
merklichen Anteil an dem Stoffwechsel, sondern scheinen nur
dem Schutze der Gewebe zu dienen, indem sie deren chemische
und mechanische Widerstandsfähigkeit erhöhen und die Ver-
dunstung herabsetzen. Sie finder sich besonders reichlich bei
1) Vgl. Czapek, Biochemie der Pflanzen. 2. Aufl. 1, 814, 1913.
11*
164 M. Bürger: Tuberkelbacillenfette.
xerophytischen Gewächsen und fehlen bemerkenswerterweise
submersen Pflanzenteilen. Czapek hat diese Gruppe fettartiger
Stoffe unter dem Namen Cerolipoide zusammengefaßt. Ihrer
chemischen Natur nach sind sie verschieden zusammengesetzt.
In der Regel sind sie aber Gemenge homologer Verbindungen.
Auch für das Gemenge der Cerolipoide aus den Tuberkel-
bacillen scheint sich das gleiche zu ergeben. Denn einerseits
enthält es homologe Fettsäuren von der Formel CDs, von
der Laurinsäure aufwärts bis zur Palmitinsäure, andrerseits
hochmolekulare Alkohole von der Formel CnH,n_,0: C,¿H,¿0,
C,¿H,¿0, C¿pH,¿0. Wenn ferner allgemein die große chemische
und sonstige Widerstandsfähigkeit der Tuberkelbacillen mit deren
auffallend hohem „Fett“gehalt in Beziehung gebracht wird, so
entspricht das nur der auch sonst für die Cerolipoide der
Pflanzen nachweisbaren biologischen Funktion,
Untersuchungen über die Ammoniakmenge im Blute.
Von
V. Henriques und E. Christiansen.
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Kopenhagen.)
(Eingegangen am 19. September 1916.)
Das Vorhandensein des Ammoniaks im Blute, teils unter
normalen und teils unter pathologischen Verhältnissen, ist eine
Frage, welche die Physiologen seit einer Reihe von Jahren be-
schäftigt.
Das Ammoniak wird bekanntlich als intermediäres Stoff-
wechselprodukt beim Stickstoffumsatz betrachtet und ist ein
Vorstadium des Harnstofts. Nach v. Schröders!) Unter-
suchungen, die später von Lenzner?) bestätigt wurden, soll
die Leber der Ort sein, wo die Harnstofisynthese stattfindet,
und auch von russischen Forschern sind umfassende Unter-
suchungen angestellt worden, die dartun sollen, daß ein Über-
schuß von Ammoniak in der Leber verschwindet. Daß das
Ammoniak im Organismus auch bei der Neutralisation von
Säuren, die sich beim Stoffwechsel im Organismus bilden, eine
Rolle spielt, kann als festgestellt betrachtet werden.
Eine der ersten Methoden zur Bestimmung der Ammoniak-
menge in Blut und Geweben wurde von Nencki und Zaleski?)
ausgearbeitet. Die Methode besteht darin, daß das Ammoniak
unter Vakuumdestillation und Anwendung von Kalkmilch in
»/,y"Sáure hinüberdestilliert wird, worauf mit ”/,¿- NaOH zurück-
titriert wird. 1 ccm 2/, o- NaOH = 0,425 mg NH,. 1 ccm Säure
= 2,1 mg NH,. Hierbei ist gleich einzuwenden, daß die
1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 15 u. 19, 1882 bis 1885.
2?) Kasan (russisch). 1899.
D Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmako]. 36, 385, 1896.
166 V. Henriques und E. Christiansen:
angewandten Titrierflüssigkeiten nicht hinlänglich verdünnt
sind; wenn beim Abmessen der Säure nur ein Tropfen zu
wenig oder zu viel genommen, mit einem oder zwei Tropfen
n/ o- NaOH zu wenig oder zu viel titriert wird, kann sehr
leicht ein Fehler von ca. 0,20 mg NH, pro 100 ccm Blut ein-
laufen, welche Menge sich nach unseren unten mitgeteilten
Untersuchungen oft im Blute finden kann. Es haften der
Methode auch andere und größere Fehler an. So geben
Nencki und Zaleski selbst an, daß sie, wenn sie 49 ccm
Blut in Arbeit nehmen, 1,0 mg NH, pro 100 ccm Blut finden,
während sie bei Anwendung von 17 ccm Blut 2,2 mg NH, pro
100 ccm Blut finden. In arteriellem Hundeblut fanden Nencki
und Zaleski von 1,4 bis 2,7 mg NH, pro 100 ccm Blut, welche
Werte sicherlich viel zu hoch sind. Biedl und Wintherberg')
fanden durch Kontrollversuche, daß man bei Anwendung ver-
schiedener Mengen von Blut zur Analyse Resultate bekommt,
von denen das eine bis 5mal so hoch sein kann wie das
andere. Nach dieser Methode haben Nencki, Pawlow und
Zaleski? — Nencki und Pawlow*) — Salaskin!) —
Salaskin und Zaleski°) Untersuchungen angestellt, und zwar
mit folgenden Resultaten:
1. Das Blut des Pfortadersystems enthält 3- bis 4mal so
viel Ammoniak als das Arterienblut.
2. Der Ammoniakgehalt von Arterienblut von Hunden mit
Eckscher Fistel nähert sich in der akuten Vergiftungsperiode
dem des Pfortaderblutes.
3. Die Magen- und Darmschleimhaut, sowie die Bauch-
speicheldrüse enthält, wenn der Verdauungsprozeß seinen Gipfel-
punkt erreicht hat, bedeutend mehr Ammoniak als im Ruhe-
zustand.
4. Der Ammoniakgehalt im Gehirn von Hunden mit
Eckscher Fistel nimmt während der Vergiftungsperiode be-
deutend zu.
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 88, 1902.
®) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 87, 1897.
3) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 38.
4) Zeitschr. f. physiol. Chem. 25.
5) Zeitschr. f. physiol. Chem. 29.
Ammoniakmenge im Blute. 167
5. Alle untersuchten Flüssigkeiten, Gewebe und Organe
des tierischen Organismus enthalten Ammoniak.
Da diese Resultate auf einer Methode mit großen Fehlern
beruhen, können sie höchstens eine gewisse Relativität Lesitzen.
Von Biedl und Wintherberg dazu angeregt, die durch vor-
läufige Untersuchungen zu anderen Resultaten gekommen waren
als die russischen Forscher, verbesserten Nencki und Zaleski?)
ihre Methode, indem sie statt Kalkwasser Magnesia benutzten.
Nach dieser Methode stellten Horodynski, Salaskin und
Zaleski?) neue Untersuchungen an und erhielten folgende
Hauptresultate:
1. Der Ammoniakgehalt von arteriellem Blut ist sehr kon-
stant. Bei Hunden findet man nach Fütterung einen mittleren
Wert von 0,41, nach Hunger 0,42, und nach Eingabe von
Ammoniaksalz 0,42 mg NH, pro 100 ccm Blut. Im Pfortader-
blut findet sich 3- bis 5mal so viel Ammoniak als im arte-
riellen Blut. Somit bestätigen sich die Resultate von Nencki,
Pawlow und Zaleski.
2. Der Umstand, daß man bei Anwendung von Kalkwasser
statt Magnesia höhere Werte vorfand, spricht für das Vorhanden-
sein von leicht Ammoniak abgebenden Verbindungen. Von
solchen Stoffen enthält, nach den Analysen zu urteilen, das
Pfortaderblut unter normalen Umständen mehr als das Ar-
terienblut.
3. Der Ammoniakgehalt der Organe, namentlich der des
Gehirns, ist ziemlich konstant; eine Ausnahme bilden die Drüsen,
deren Tätigkeit vom Verdauungszustand abhängt, und deren
Ammoniakgehalt infolgedessen sckwankt.
Fast zu gleicher Zeit wie die Arbeit von Horodynski,
Salaskin und Zaleski erschien ein Aufsatz über dasselbe
Thema von Biedl und Wintherberg?). Ihre Analysen sind
mit Kalkwasser nach Nencki und Zaleski ausgeführt, und
ihre Zahlenwerte können somit nur relative Bedeutung haben.
Die von ihnen in Hundeblut gefundene Ammoniakmenge
schwankt zwischen 0,3 und 1,0 mg pro 100 eem Blut. Ihre
—
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 88, 1901.
D Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 1902.
Dan O.
168 V. Henriques und E. Christiansen:
Resultate widersprechen in vielen Beziehungen denen der Peters-
burger Schule. Biedl und Wintherberg behaupten u. a.:
1. daß die Leber nicht das einzige Organ sei, das das
Blut von einem Ammoniaküberschuß zu befreien vermag;
2. daß man bei vergleichenden Untersuchungen über den
Ammoniakgehalt des Pfortaderblutes und des arteriellen Blutes
an beiden Orten dieselbe Menge, mitunter gar mehr Ammoniak
im arteriellen Blute als im Pfortaderblut findet.
Spätere Untersuchungen von Folin und Denis?) über
den Ursprung und die Bedeutung des Ammoniaks im Blute,
speziell im Pfortaderblut, bestätigen Biedls und Winther-
bergs Untersuchungen in der Beziehung, daB das Pfortader-
blut nicht immer mehr Ammoniak enthält als das arterielle
Blut. Folins und Denis’ Zahlenwerte sind kleiner als sowohl
die der Petersburger Schule wie die von Biedl und Winther-
berg, was Folin und Denis, und zwar sicherlich mit Recht,
der Verbesserung der Untersuchungsmethoden zuschreiben. Die
Methodik der Untersuchungen von Folin und Denis?) ist:
10 ccm Blut werden in ein großes Jena-Reagensglas getan, und
es werden 2 bis 3 ccm 15°/, Kaliumoxalat und 10°/, Na,CO,
und 5 ccm Toluol hinzugesetzt. Das Ammoniak wird mittels
Durchsaugen von ammoniakfreier Luft aus der Flüssigkeit ent-
fernt und in einem anderen großen Jena-Reagensglas mit 5 bis
6 Tropfen ®/ „Säure und 1 ccm Wasser gesammelt. Nach Auf-
hören des Saugens wird das Ammoniak colorimetrisch durch
Neßlerisation bestimmt. Folin und Denis stellten ihre Ver-
suche an Katzen an und fanden durch vergleichende Unter-
suchungen über die Ammoniakmenge im Blute aus verschie-
denen Gefäßgebieten, daß das Pfortaderblut in der Regel etwas
mehr Ammoniak enthielt als das arterielle Blut. Ferner fanden
sie durch Untersuchung der Ammoniakmenge in den verschie-
denen Ästen der Pfortader, daß das Blut aus dem Dickdarm
besonders ammoniakhaltig war, während das Blut aus dem
Dünndarm und der Milz verhältnismäßig wenig Ammoniak ent-
hielt. Dies rührt, nach der Ansicht der beiden Verfasser, von
der Wirksamkeit der Bakterien im Dickdarm her.
1) Journ. of Biolog. Chem. 11, 161.
*) Journ. of Biolog. Chem. 11, 533.
Ammoniakmenge im Blute. 169
Die folgende Tabelle gewährt einen Überblick über die
von Folin und Denis gefundenen Zahlenwerte:
Bemerkungen
e
a
$
i3
dä
>
2 Tage Fleischnahrung. 17 Std. Hunger.
18 Tage Diät von Dextrose und Rahm.
In betäubtem Zustande; hatte im vor-
aus Fleischnahrung bekommen.
Ventrikel leer.
4 Tage Fleischnshrung. 24 Std. vor dem
Versuch Inanition.
Erhielt ein pankreasverdautes Gemisch
in den unterbundenen Dünndarm.
4 g Glykokoll in 50 ccm H,O in den
unterbundenen Dünndarm injiziert.
5 g Asparagin in 50 ccm H,O injiziert.
Nach Bangs?) Ansicht sind Folins Zahlen gar zu niedrig.
Bang bat mm einigen wenigen Versuchen die Ammoniakmenge
im Blute von Kaninchen bestimmt. Er verfuhr dabei in fol-
gender Weise: Das Blut wird in gesättigtem KCl angesammelt,
Es wird ein Überschuß von Methylalkohol zugesetzt, und zu
einem Teil des Filtrates wird Natriumcarbonat gesetzt, wonach
das Ammoniak bei ca. 45° ausgetrieben wird. Im Blute zweier
Kaninchen fand Bang 0,81 und 1,27 mg NH,-N pro 100 ccm
Blut, welche Zahlen ja weit über den von Folin gefundenen
liegen.
Um festzustellen, ob der Thyreoideakomplex auf das Vor-
handensein des Ammoniaks im Blute einen Einfluß hat, stellte
A. Medwedew?) eine Reihe von Untersuchungen an über die
Ammoniakmenge im Blute thyreoidektomierter Hunde Er
findet in normalem Hundeblut von 0,47 bis 0,64 mg (im Mittel
0,56 mg) Ammoniak pro 100 ccm Blut. Der Ammoniakgehalt
im Blute von Hunden nach totaler Thyreo-Parathyreoidektomie
schwankte zwischen 0,69 und 2,04 mg pro 100 cem Blut. Der
Ammoniakgehalt im Blute auf der Höhe des Tetanieanfalls
hat einen mittleren Wert von 0,79. Kurz vor dem Tode des
1) Diese Zeitschr. 72, 144.
”) Zeitschr. f. physiol. Chem. 72, 410.
170 V. Henriques und E. Christiansen:
Tieres ist die Ammoniakmenge 2 bis 3mal so groß wie zu
Anfang der Tetanie und 21/, bis 3*/,mal so groß wie bei
normalen Tieren. Vergleichshalber kann angeführt werden, daß
Mac Callum und Voegtlin?) während des Tetanieanfalls
ganze 10 mg pro 100 ccm Blut, im normalen Hundeblut, aber
4 mg pro 100 ccm Blut fanden.
Gleichzeitig mit den Untersuchungen an thyreo-parathyreoid-
ektomierten Hunden stellte Medwedew Untersuchungen an
über den Ammoniakgehalt im Blute von Hunden, die lange
Zeit hindurch nicht gefressen hatten, und bestimmte den Am-
moniakgehalt des Blutes vor und nach längerem Stehenlassen
bei ca. 37°. Das Blut wurde bei aseptischen Kautelen auf-
gesammelt. Medwedew fand in arteriellem Blut von normalen
Hunden 1. eine von 0,64 bis 1,95 mg und 2. eine von 0,47 bis
1,90 mg pro 100 ccm Blut zunehmende Ammoniakmenge bei
ca. 30stündigem Stehenlassen des Blutes. Bei Hunden mit
totaler Thyreo-Parathyreoidektomie betrug die Zunahme der
Ammoniakmenge im Laufe von 24 Stunden: 1. 0,69 bis 2,93,
2. 0,81 bis 2,76, 3. 0,87 bis 2,69 mg. Ein sehr eigentümliches
Verhältnis fand Medwedew im Blute von Hunden, die lange
Zeit keine Nahrung erhalten hatten; hier nimmt die Ammoniak-
menge im Blute beim Stehenlassen nämlich erst ab, um später
wieder zuzunehmen. Zum Beispiel:
1. Bei 49tägiger Inanition: 1,63 — 0,98 — 1,58 mg NH,
2. n 28 n n 1,97 — 1,36 — 1,94 n NH,
3. n»n 45 y» n 1,82 — 1,02 — 1,76 » NH,
pro 100 ccm Blut.
Medwedew folgert aus seinen Versuchen, daß im Blute
normaler Tiere nebeneinander zwei Prozesse verlaufen, teils
eine Abspaltung von Ammoniak infolge eines Desamidierungs-
prozesses, teils eine Bindung von Ammoniak infolge eines syn-
thetischen Prozesses. Diese Theorie beruht jedoch auf einer
Methode, deren Brauchbarkeit nichts weniger als sicher ist.
Medwedew benutzt die Vakuumdestillation. Das Ammoniak
wird in 2/,-Säure gesammelt, und es wird mit ”/ „NaOH mit
Lackmoid-Malachitgrún als Indicator zuricktitriert. In An-
betracht der kleinen Mengen, um die es sich handelt, bedeutet
1) Journ. of experim. Med. 11, 143, 1909.
Ammoniakmenge im Blute. 171
1 Tropfen NaOH +- 1 Tropfen Säure zusammen einen Fehler
von ca. 0,25 mg NH,-N; bei Anwendung von 50 ccm Blut be-
deutet das also einen Fehler von ca. 0,50 mg NH,-N pro
100 eem Blut. Da sich normaliter nur ca. 0,3 mg NH,-N
pro 100 ccm Blut finden, kann man Medwedews Unter-
suchungen keine besondere Bedeutung beimessen. Seine Be-
obachtung, daß der Ammoniakgehalt im Blute bei Stehenlassen
zunimmt, wird jedoch durch die Untersuchungen von Alice
Rohde!) bestätigt. Die Ursache zur langsamen Befreiung des
Ammoniaks findet Alice Rohde in den nicht dialysierbaren
Bestandteilen des Blutes. Alice Rohdes Zahlenwerte der
Ammoniakmenge pro 100 ccm Blut sind jedoch in der Regel
niedrig; sie schwanken durchgehends zwischen ca. 0,18 und
ca. 0,45 mg pro 100 ccm Blut; in einem vereinzelten Fall
fanden sich doch von 0,72 bis 1,78 mg NH,-N pro 100 com
Blut. Vor ganz kurzem erschien eine Reihe sehr vollständiger
Analysen von Gettler und Baker?) über die Zusammen-
setzung des Blutes bei normalen Menschen. Die Bestimmung
der Ammoniakmenge im Blute fand dabei nach Folin und
Denis’ Methode statt. Die Werte schwanken zwischen 0,4 und
1,1 mg NH,-N pro 100 cem Blut. — Schließlich kann angeführt
werden, daß nach Wintherbergs Untersuchungen die Am-
moniakmenge im Blute des Menschen 0,6 bis 1,3 mg pro
100 cem Blut beträgt.
Wie aus den oben besprochenen Ammoniakmengen im
Blute zu ersehen sein wird, unterliegen die in der Literatur
angegebenen Zahlen oft großen Schwankungen; als extreme
Werte können Folins 0,03 mg pro 100 ccm Blut und Mac
Callum und Voegtlins 4,0 mg pro 100 ccm Blut angeführt
werden. Es schien uns daher von Interesse zu sein, die Frage
von der Ammoniakmenge im Blute näher aufzuklären.
Bei unseren Untersuchungen benutzten wir eine Methode,
deren Prinzip dasselbe ist wie das des Folin-Denisschen
Verfahrens. Das Blut wurde in der Regel durch Einführung
einer Stichkanüle in die Vena jugularis entnommen; in einigen
1) Journ. of Biolog. Chem. 1915.
D Journ. of Biolog. Chem. 25.
172 V. Henriques und E. Christiansen :
Fällen stammte es aus einer Arterie. Es wurde in einem
Kolben aufgesammelt, worin sich eine angemessene Menge von
fein pulverisiertem Kaliumoxalat befand. Um ein Scháumen
zu verhindern und um jede Fermentwirksamkeit möglichst
schnell unterbrechen zu können, wird das Blut in eine größere
Menge Äthylalkohol getan.
Es wird in folgender Weise verfahren: 20 cem Blut werden
abpipettiert und in einen 1-1-Jenakolben mit langem Hals hin-
übergebracht; es werden sofort 80 ccm Äthylalkohol hinzu-
gesetzt, worauf umgeschüttelt wird und noch 5 ccm 10°/,ige
ausgekochte Natriumcarbonatlösung hinzugesetzt werden. Der
Kolben wird mit einem Kautschukstöpsel mit zwei Glasröhren,
einer fast bis auf den Boden des Kolbens reichenden Zu-
leitungsröhre und einer ca. 15 cm hohen Ableitungsröhre ver-
sehen, welch letztere direkt unter dem Kautschukstöpsel mündet.
Die Ableitungsröhre wird mit einer Zuleitungsröhre verbunden,
die durch einen Kautschukstöpsel fast bis auf den Boden eines
100-cem-Kjeldahlkolbens reicht, worin sich 30 cem ca. ?/,-H,SO,
finden. Der Kjeldahlkolben ist auch mit einer Ableitungsröhre
versehen, die mit einem anderen ähnlichen Kolbenkomplex in
Verbindung steht. Es wurden so große Kolben angewandt,
um ein Hinüberspritzen in die Säure zu verhüten. Das Durch-
saugen durch die Kolben dauerte 3 Stunden. Mit dem Am-
moniak zusammen wird ein Teil vom Äthylalkohol in die
Säure hinübergesaugt. Nach beendigtem Durchsaugen werden
die zu den Kjeldahlkolben gehörenden Glasröhren mit de-
stilliertem Wasser ausgespült, und es wird mit destilliertem
Wasser bis zu ca. 80 ccm aufgefüllt, worauf der Kjeldahlkolben
mit einem kleinen Kjeldahldestillationsapparat in Verbindung
gesetzt wird, dessen Kühlröhre in eine ca. 10 cm lange silberne
Röhre endigt. Es werden ca. 60 ccm abdestilliert, worin sich
aller Äthylalkohol befinden wird; dies Destillat wird in der
Regel der gebildeten Äthylschwefelsäure wegen mehr oder
minder opalescierend. Nachdem auf diese Weise aller Äthyl-
alkohol entfernt worden ist, werden aus einem Scheidetrichter
ca. 10 ccm ausgekochte Natronlauge hinzugesetzt und das Am-
moniak in einen 100-ccm-Jenakolben hinabdestilliert, worin
sich 5 ccm stark verdünnte Schwefelsäure (ca. ”/,pp) finden,
deren Titer gegenüber ”/,¿ -Na,S,O, bekannt ist. Während
Ammoniakmenge im Blute. 173
der Destillation miindet die silberne Róhre direkt unter der
Oberfläche der Flüssigkeit. Es wird abdestilliert, bis in der
Vorlage im ganzen 20 ccm sind, worauf die silberne Röhre
mit 2 bis 3 ccm redestilliertem Wasser nachgespült wird. Zum
Destillate werden 2 Tropfen 5°/, KJO,, 2ccm 5%/, KJ ge-
setzt, worauf es 5 Minuten stehen gelassen wird*); nach dieser
Zeit werden 5 Tropfen 2°/ ige Stärkelösung, mit NaCl gesättigt,
zugesetzt, und es wird mit "/,¿-Na,S,Oz (1 ccm = 0,05 mg N)
zurúcktitriert.
Zur Kontrolle der Normalflüssigkeiten wurden 5 Analysen
nach der oben besprochenen Methode angestellt. Es wurden
0,103 mg N [als (NH,),SO,] in Arbeit genommen; als höchster
Wert stellte sich 0,107 heraus, als niedrigster 0,102 mg N.
Um die Methode zu kontrollieren, wurden 4 einander gleiche
Blutproben genommen, und zu der einen davon wurden
0,103 mg N [als (NH,),S0,] gesetzt. Die gefundenen Werte
waren bei den drei Analysen: 0,040, 0,044 und 0,036, bei
der vierten, wo 0,103 mg N zugesetzt worden waren, 0,145
(= 0,103 + 0,042). Ab und zu stellten wir Kontrollanalysen
an, indem wir 0,103 mg N zu der einen der Doppelanalysen
hinzufügten; die Resultate entsprachen dann dem oben an-
geführten.
Nach der hier geschilderten Methode haben wir eine größere
Reihe Bestimmungen des Ammoniakgehaltes im Blute angestellt,
teils unter normalen Verhältnissen, teils nach verschiedenen
Eingriffen. Wir führen zuerst unsere Resultate in betreff des
Ammoniakgehaltes normaler Tiere an.
Aus den in Tabelle I angeführten Zahlen erhellt, daß die
Ammoniakmenge des Blutes (teils des Arterien-, teils des Venen-
blutes) etwas niedriger ist, als bisher angenommen wurde,
Nur die von Folin gefundenen Werte sind von derselben Größen-
anordnung wie die unsrigen. Man kann sagen, daß der Am-
moniakgehalt des Blutes der oben angeführten Tierformen pro
100 ccm Blut zwischen 0,15 und 0,30 oder 0,40 mg liegt. Da
die verschiedenen Versuche so gut übereinstimmen, unterliegt
1) Bang, Methoden zur Mikrobeetimmung einiger Blutbestandteile,
8. 21.
174 V. Henriques und E. Christiansen:
Tabelle I.
o 5
E E
3 S EE Bemerkungen
A'o S S
<
Ziegenbock I. 8 Venenblut.
n I e e 1 nm
n III a a 1 »
f Wep Venenblut. Das Blut wurde 5 Std
enenniut. as ut wurde y 5ta.
esa 7 e. 5 } nach Fütterung mit 1kg Fleisch
S entnommen.
a III. 2 Venenblut.
n IV e e e o 1 nm
Kaninchen I, . 1 Arterienblut.
n II 1 »
n III . 1 D)
D IV . 1 nm
Huhn I... 1
Katze I... .| 1 0,16 0,16 | Arterienblut.
Menschen `, `. . 3 0,10-0,35-0,48 0,31 Venenblut.
Durchschnittszahl aller Bestimmungen = 0,27 mg NH,-N
pro 100 ccm Blut.
es kaum einem Zweifel, daß die von anderen Autoren ange-
führten Werte der Ammoniakmenge des Blutes, die bedeutend
über 0,50 mg pro 100 eem Blut liegen, auf Irrtümern beruhen.
Wenn z. B. Bang im Blute eines normalen Kaninchens 1,27 mg
NH,-N in 100 g Blut findet, so ist dies Resultat ohne Zweifel
zu hoch, und Bang hat nicht recht, wenn er von Folins
Normalwerten schreibt, daß sie „unmöglich richtig sein können“.
Die von uns gefundenen Zahlen stimmen mit den Folinschen
recht gut überein, doch sind Folins Werte von NH,-N im
Arterienblut in den meisten Fällen ein Teil niedriger als die
unsrigen.
Unsere Bestimmungen der NH,-N-Menge im Venenblut
von Hunden zeigen, daß die Menge bei Brot +4 Fettnahrung
um 0,25 mg pro 100 ccm Blut liegt. Bei sehr starker Fleisch-
fütterung scheint die Ammoniakmenge etwas zuzunehmen, doch
nicht bedeutend; in einem Versuch fanden wir 0,44 mg, in
zwei anderen bzw. 0,28 und 0,37 mg.
Die drei Bestimmungen in Menschenblut hätten eigentlich
in dieser Tabelle nicht angeführt werden sollen, da sie nicht
von „normalen“ Menschen herrühren, sondern von Patienten
mit recht schweren Herzleiden und Kreislaufstörungen. Daß
Ammoniakmenge im Blute. 175
sie dennoch mit herangezogen worden sind, beruht darauf, daß
die Werte mit den bei normalen Tieren gefundenen recht gut
übereinstimmen.
Wir sahen also, daß die Ammoniakmenge im Blute ver-
schiedener Tiere nur wenig schwankt. Wir haben darauf unter-
sucht, ob es möglich ist, die Ammoniakmenge durch verschieden-
artige Eingriffe in nennenswertem Grade zu steigern. Die ein-
fachste Weise, in der man die Ammoniakmenge des Blutes
steigern kann, ist natürlich die intravenöse Injektion von Am-
moniaksalzen. Wir stellten zwei derartige Versuche an einem
Ziegenbock (Gewicht 36,7 kg) an. Zur Injektion benutzten wir
eine Lösung von Ammoniumacetat, die 0,202°/, N enthielt.
Der Gefrierpunkt der Lösung war — 0,55°. Das Resultat war:
mg NH,-N
in 100 ccm Blut
Vor der Injektion . ... . 2222 e
Nach */,stúndiger Injektion von im ganzen 360 ccm
Ammoniumacetatlösung . . . . s.s sss oso 0,97
10 Minuten nach Aufhören der Injektion . ..... . 0,55
Am folgenden Tage wurde der Versuch an demselben Ver-
suchstier wiederholt, und zwar mit folgendem Resultat:
mg NH,-N
in 100 ccm Blut
Vor der Injektion 0,29
Nach !/,stündiger Injektion von im ganzen 360 ccm
Ammoniumacetatlösung 0,71
0,20
Wie aus diesen Versuchen hervorgehen wird, vermochte
die Injektion einer sehr bedeutenden Menge Ammoniumacetat
ins Blut nicht, den Ammoniakgehalt über 0,97 und 0,71 mg
Ammoniak-N zu steigern. Das ins Blut eingeführte Ammoniak
wird also schnell entfernt, entweder durch Ausscheidung durch
die Nieren oder durch Ablagerung in den Geweben, oder aber
durch Umwandlung in Harnstoff. Natürlicherweise wird es
möglich sein, den Ammoniakgehalt des Blutes durch plötzliche
Einführung großer Mengen Ammoniak ins Blut höher hinauf-
zutreiben als in den beiden oben angeführten Versuchen. In
dem Falle tritt Ammoniakvergiftung und darauf folgender Tod
ein. Derartige Versuche sind angestellt worden von Bang?),
1) Diese Zeitschr. 72.
176 V. Henriques und E. Christiansen:
der Kaninchen große Mengen Ammoniumacetat oder Ammonium-
carbonat per os eingab. Auch durch Injektion von ca. 10 g
Harnstoff in den Ventrikel erzielte Bang Vergiftung und Tod,
was zweifellos auf der Umwandlung des Harnstofis im Darm
in Ammoniak und der darauf folgenden Resorption desselben
beruhte. Bang fand, daß die Vergiftung am zuverlässigsten
bei Kaninchen eintrat, die einer Inanition ausgesetzt waren,
während die Vergiftung bei wohlgenährten Tieren ausbleiben
konnte. Wir wiederholten Bangs Versuche und fanden:
1. Wohlgenährtes Kaninchen, Gewicht 2,8 kg; erhielt per os
10 g Harnstoff in 20 com Wasser; nach ca. 4 Stunden befand
das Tier sich noch immer wohl. Das der Carotis entnommene
Blut ergab = 0,46 mg NH,-N in 100 ccm Blut.
2. Wohlgenährtes Kaninchen, Gewicht 2,5 k; erhielt 2,5 g
Ammoniumacetat in 20 ccm Wasser; nach 4 Stunden noch
immer normal. Das der Carotis entnommene Blut ergab
0,33 mg NH,-N in 100 ccm Blut.
3. Wohlgenährtes Kaninchen, Gewicht 2,3 kg; erhielt 5,5 g
Ammoniumacetat in 20 ccm Wasser; nach 4 Stunden noch
immer normal. Das der Carotis entnommene Blut ergab 0,55 mg
NH,-N in 100 cem Blut. |
. Aus den 3 angeführten Versuchen geht hervor, daß die
Einführung großer Mengen Ammoniaksalze oder Harnstoff in
den Verdauungskanal wohlgenährter Kaninchen nur eine ge-
ringe Steigerung des Ammoniakgehaltes des Blutes bewirkt,
wenn sich keine Vergiftungssymptome einstellen. Falls solche
eintreten, nimmt aber, wie Bang dargetan hat, der Ammoniak-
gehalt sehr bedeutend zu. Die beiden folgenden von uns an-
gestellten Versuche veranschaulichen dies:
4. Kaninchen, Gewicht 2,4 kg. 2tägige Inanition. Erhielt
8,25 g Ammoniumacetat in 20 ccm Wasser. Nach 17 Minuten
starke Krämpfe. Das der Carotis entnommene Blut ergab
7,38 mg NH,-N pro 100 ccm Blut.
5. Kaninchen, Gewicht 2,2 kg. 4tägige Inanition. Erhielt
per os 12 g Harnstoff in 20 ccm Wasser. Nach 2*/, Stunden noch
keine Vergiftungssymptome. Erhielt daher wieder 12 g Harn-
stoff per os; ca. */, Stunden danach traten Krämpfe ein, und
eine der Carotis entnommene Blutprobe ergab 4,52 mg NH,-N
pro 100 ccm Blut.
Ammoniakmenge im Blute. 177
Schließlich führen wir zwei Versuche an, die wir anstellten,
um zu untersuchen, ob die Ammoniakmenge im Blute sich durch
eine Entfernung der Nieren (oder Unterbindung der Ureter)
steigern läßt. Außer der Ammoniakmenge des Blutes bestimmten
wir gleichzeitig den Reststickstoff und Harnstofistickstoff (nach
Bang?), sowie den Trockensubstanzgehalt im Serum. Als Ver-
suchstiere dienten Ziegenböcke.
Ziegenbock Nr. 2; Gewicht 22,5 kg: am 9.V. 1916 wurden
bei Äthernarkose beide Nieren entfernt. Das Tier lebte 5 Tage
und erhielt während des Versuchs keine Nahrung. Der Tod
trat ohne Krämpfe ein. Die letzten 24 Stunden lag das Tier
in komatösem Zustande danieder.
Tabelle II.
„Amino-
säure-N“
NH,N Rest-N Harnstoff-N
pro pro pro ro
100 com Blut|100 ccm Blut|100 com Blut|, ¿y A Blut
mg mg
Vor der Operation = | =
Nach n ” en | FREE
n n 125 | 14
e, 8 E 173 | 20
n n n 238 35
a. 81 | 50
Aus den angeführten Zahlen ergibt sich, daß die Ammoniak-
menge im Blute durch die Entfernung der Nieren sozusagen
nicht abgeändert wird. Erst während: der letzten 24 Stunden
findet eine Zunahme statt, was auf einer herabgesetzten Leber-
wirksamkeit in der Agonie beruhen kann.
Dagegen nimmt, wie zu erwarten war, sowohl die Menge
von Reststickstoff wie die von Harnstoffstickstoff zu; außerdem
nimmt auch die Menge von „Aminostickstoff* (— Differenz
zwischen den Werten des Rest-N und des Harnstoff-N) während
des Versuchs gleichmäßig zu.
Ziegenbock Nr. 3; Gewicht 28,3 kg; am 16. V. 1916 wurden
bei Äthernarkose beide Ureter unterbunden. Das Tier lebte
7 Tage. Der Tod trat ohne Krämpfe ein.
1) Bang e. a. O.
Biochemische Zeitschrift Band 78. 12
178 V. Henriques und E. Christiansen:
Tabelle III.
Ai | +2 + O »
SIS 21,53] Eg $
= En S S Sm 38 2
8 g SiE me kt Pp HE Anmerkungen
sem ss es PB
mg mg °C =
Vor der Operation
nn n ı 6,3
Nach n n 21 6,5
nn n 25 — 7,0 | 200 ccm Wasser.
n n 164 40 | 36,7—86,5 | 7,21 870 „ » +100g Heu.
nn n 191 58 | 36,4—37,4 | 7,2 | 20 „ , +ein bißchen Heu.
nn n — | — — — | 86,4—36,8 | — | 200 „
nn » 0,35 | 307 | 266 41 |36,6-36,1 | 7,5 | 200 „
r » ” 0,36 | 339 | 279 | 60 | 35,4—34,0 7,2
n n n — — — — == —
Aus den Zahlen ergibt sich, daß die Ammoniakmenge des
Blutes nach der Unterbindung der Ureter in keinem nennens-
. werten Grade zunimmt. Den höchsten Wert finden wir am
letzten Tage vor dem Tode; er ist nur ein wenig höher als
die bei Ziegenböcken unter normalen Verhältnissen vorkommen-
den Werte. Dagegen nehmen, wie zu erwarten ist, die Mengen
von Rest-N und Harnstoff-N sehr bedeutend zu: der Reststick-
stoff von 36 bis zu 339 mg, der Harnstoffstickstoff von 26 bis
zu 279 mg pro 100 ccm Blut. Auch die Menge von Amino-
stickstoff nimmt anfänglich zu, scheint aber nach 5 Tagen das
Maximum erreicht zu haben und hält sich die drei letzten
Tage hindurch um ca. 60 mg pro 100 ccm Blut.
Zusammenfassung. i
1. Es wird eine Methode zur Bestimmung der Ammoniak-
menge des Blutes angegeben. Deren Anwendung hat gezeigt,
daß die Ammoniakmenge des Blutes bedeutend geringer ist als
die von den meisten Forschern gefundene. Als durchschnitt-
liche Zahl einer großen Menge Bestimmungen der Ammoniak-
menge des Blutes verschiedener Tiere fanden wir 0,27 mg pro
100 cem Blut.
2. Bei starker Fleischnahrung (Hunde) nimmt der Am-
moniakgehalt des Blutes (aus der Vena jugularis) in keinem
nennenswerten Grade zu.
Ammoniakmenge im Blute. 179
3. Nach Injektion bedeutender Mengen von Ammoniak-
salzen ins Blut findet sich unmittelbar nach Aufhören der In-
jektion nur ca. 0,9 mg N pro 100 ccm Blut, und nach kurzer
Zeit ist die Ammoniakmenge wieder normal.
4. Weder eine Exstirpation der Nieren noch eine Unter-
bindung der beiden Ureter bewirkt eine Zunahme der Ammoniak-
menge des Blutes. Dagegen wächst selbstverständlich die Menge
von Reststickstoff und Harnstickstoff von Tag zu Tag sehr stark
zu. Der Aminostickstoff wächst die ersten Tage an, scheint jedoch
nicht über ca. 60 mg N pro 100 cem Blut anzusteigen.
12*
Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen.
Von
T. Folpmers.
(Aus dem mikrobiologischen Laboratorium der technischen Hochschule
zu Delft.)
(Eingegangen am 20. September 1916.)
Obwohl es schon lange bekannt war, daß einige Pflanzen-
säfte, u. a. feinzerriebener Kartoffeln, Dahlienknollen usw. an der
Luft nacheinander rot und langsam schwarz werden, ist es doch
erst dem französischen Gelehrten Bertrand!) im Jahre 1896
gelungen, dafür eine plausible Erklärung zu geben und einige
wichtige Eigenschaften des betreffenden Fermentes festzustellen.
So bemerkte er sofort, daß für die Wirkung des Fermentes
der Sauerstoff der Luft entschieden notwendig war, und er
teilte es daher unter die Oxydasen ein, unter denen er einen
wichtigen Repräsentanten, die Laccase, einige Jahre vorher im
Milchsafte des Lackbaumes (Rhus vernicifera) gefunden hatte.
Auch entdeckte er eine Eigenschaft, wodurch sich die Ty-
rosinase von allen anderen Oxydasen unterscheidet und woher
sie ihren Namen hat, nämlich die Eigenschaft, Tyrosin anzu-
greifen und zu oxydieren.
Die Fermentnatur folgte aus dem Versuche, daß gekochte
Kartoffeln sich ganz und gar nicht verfärbten. Er machte die
Beweisführung treffend dadurch, daß er auch noch im Kartoffel-
safte Tyrosin fand, eine Verbindung, die im Jahre 1846 von
Liebig beim Schmelzen von Käse mit Kali entdeckt wurde.
Das gewöhnliche Tyrosin aus Eiweiß ist immer linksdrehend.
Nach Bertrand?) wirkt die Tyrosinase genau so schnell auf
1) Compt. rend. 122, 1215.
2) Bull. Soo. Chim. de France (4) 1, 395.
T. Folpmers: Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 181
d- als auf 1-Tyrosin. Aus einer Mischung von überschüssigem
l-Tyrosin und d-Tyrosin bekam er nach Hinzufügung von gleich-
viel Tyrosinase gleichviel Melanin; nach Abderhalden') soll
jedoch eine stärkere Wirkung auf 1-Tyrosin bestehen.
Sofort macht Bertrand Versuche, um das neue Ferment
seinen Reaktionen gemäß scharf von der Laccase oder Pheno-
lase, wie Bach sie nennt, zu unterscheiden. Die Laccase wirkt
gar nicht auf Tyrosin ein, jedoch auf diejenigen aromatischen
Körper, die zwei Hydroxyl- oder Aminogruppen im Kerne be-
sitzen, welche am besten in para- oder ortho-Stellung zueinan-
der sitzen. Auch von den höher hydroxylierten Phenolen wird
Pyrogallol (1, 2, 3) gut, Phloroglucin (1, 3, 5) nicht, das Hexa-
oxybenzol vorzüglich oxydiert.
In betreff der Einwirkung der Tyrosinase auf diese Körper
sind die Forscher im Widerspruch. Bertrand”) behauptet, daB
es ihm gelungen sei, eine Tyrosinase zu gewinnen, die gar nicht
einwirkt auf Hydrochinon, Pyrogallol und derartige Körper;
er erhielt sie, indem er Chloroformwasserextrakt von Russula
delica mit Alkohol präcipitierte.
Im Filtrat sollte sich allein die Laccase vorfinden. Sechs
Jahre später widerspricht Bach?) dieser Vorstellung mit der
Behauptung, daß, obgleich er der Arbeitsweise genau folgte, es
ihm nie gelungen sei, die Tyrosinase von der Laccase oder
Phenolase zu scheiden, so daß er eine Theorie aufstellt, daß
die Tyrosinase eine Mischung von zwei Enzymen sein sollte.
Chodat) dagegen hält an der Ein-Enzymtheorie der Tyro-
sinase fest.
Wie wirkt denn die Tyrosinase auf das Tyrosin?
Eine hydrolytische Spaltung, wie Gonnermann?) sich vor-
stellt, wurde schon durch einen Versuch von Bertrand wider-
legt. Läßt man nämlich eine Tyrosinaselösung bei Luftabschluß
auf eine Tyrosinlösung einwirken, z. B. während 24 Stunden,
und tötet dann das Ferment durch Aufkochen, so tritt später
an der Luft gar keine Reaktion mehr ein, auch nicht wenn
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 54, 337.
N) Compt. rend. 123, 463.
$) Diese Zeitschr. 60, 220.
*) Arch. sc. phys. et nat. (IV.) 89, 327.
°) Arch. f. d. ges. Physiol. 82, 289. — Centralbl. 2, 984, 1900.
182 T. Folpmers:
Bertrand darauf Laccase hinzufügt. Zum Anfang der Reaktion
ist also der Sauerstoff der Luft notwendig.
Die älteste Theorie, welche man noch bei Czapek') finden
kann, ist die Bildung der Homogentisinsäure als erstes Oxy-
dationsprodukt des Tyrosins.
NCH,CHNH,COOH /NoH
po, J +0,=H0\ /CH,COOH+NH,-+CO,
Die Homogentisinsäure wird darauf weiter oxydiert. Diese
Theorie wurde noch von Gonnermann?) und Bertel?) ver-
teidigt.
Die physiologische Chemie kann auch hierfür Beweise bei-
bringen. Es ist nämlich bekannt, daß der Harn bei manchen
normalen Personen beim Stehen an der Luft allmählich eine
dunkle Farbe annimmt, besonders wenn der Harn schon von
Anfang an schwach alkalisch war.
Schon bald merkte man, daß der Sauerstoff der Luft für
die Reaktion nötig war. Man hat dieser Erscheinung auch einen
Namen gegeben und spricht dann von Alkaptonurie, wobei also
der Urin in Gegenwart von etwas Alkali begierig den Sauer-
stoff absorbiert.
Die Ersten, die hierauf aufmerksam machten, waren Bau-
mann und Wolkow‘). Sie untersuchten den Harn eines solchen
Patienten planmäßig, schüttelten in saurer Lösung mit Äther
aus, verdampften den Äther und mischten der wäßrigen Lösung
warme neutrale Bleiacetatlösung zu und bekamen ein Bleisalz,
aus dem sie die Säure mit Schwefelwasserstoff in Freiheit
setzten.
Von dieser Säure nun bewiesen sie, daß sie die Struktur
eines Homologen der Gentisinsäure oder Hydrochinoncarbon-
säure hat. Später wurde sie auch synthetisch aus Hydro-
chinon bereitet. Überdies zeigte es sich, daß bei Verabreichung
von Tyrosin an einen solchen Patienten die Menge der ab-
geschiedenen Homogentisinsäure zunimmt. Mit Fleischdiät konnte
aus dem Urin 1,724 g Bleisalz abgeschieden werden. Verab-
1) Biochemie der Pflanzen 2, 462, 1905.
2) 1. o.
3) Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 20, 454.
*) Zeitschr. f. physiol. Chem. 15, 228.
Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 183
reichung von 12,5 g Tyrosin überdies ergab 13,086 g Bleisalz
der Homogentisinsäure.
Abderhalden gab einem Patienten Monopalmityltyrosin,
Distearyl-l-tyrosin und bekam gleichwohl vermehrte Abschei-
dung von Homogentisinsäure. Jedoch konnten Falta und Lang-
stein!) mit 1-Phenylalanin auch eine Vermehrung von Homo-
gentisinsäure konstatieren. Der Körper scheint also imstande,
Sauerstoff in den Benzolkern einzuführen.
Normaliter verschwindet das Tyrosin im Körper ganz und
wird zu Kohlensäure, Wasser und Ammoniak oxydiert, soweit
es nicht von Bakterien in Phenole und aromatische Oxysäuren
gespalten wird. Die Phenole und aromatischen Oxysáuren
werden vom Körper in Form von schwefelsauren Estern ab-
geschieden. Die schädliche Wirkung scheint dadurch aufgehoben.
Im Zusammenhang hiermit ist es wohl interessant, daß
Bact. coli (Faeces) imstande ist, aus Tyrosin p-Oxyphenyláthyl-
amin abzuspalten?) und daß dies sogar eine gute Bereitungs-
weise dieses Körpers sein dürfte.
Die Theorie der Homogentisinsäurebildung als erstes Oxy-
dationsprodukt des Tyrosins wurde von Beyerinck?) über-
nommen, um das Verhalten von zwei Mikrobenarten zu er-
klären, welche allein in Symbiose imstande sind, das Tyrosin zu
einem schwarzen Pigmente zu oxydieren. Es ist eine Actino-
mycesart (Streptothrix) und eine andere Art Bakterie, kurz
symbiotische Bakterie genannt, ein ganz dünnes, polarciliates
Stäbchen, das keine Sporen bildet und Kulturgelatine stark ver-
flússigt.
Keiner der beiden Organismen für sich ist imstande, schwarzes
Pigment aus Tyrosin zu bilden. Zieht man jedoch auf einem
geeigneten Nährboden Striche von beiden Organismen, so findet
Melaninbildung nur da statt, wo die Striche sich einander
nähern.
Der Actinomyces sollte nun das Tyrosin zur Homogentisin-
sáure oxydieren, während die symbiotische Bakterie diesen Prozeß
weiter fortsetzt bis zur Bildung des schwarzen Pigmentes.
Der Actinomyces ist allein auf einem Homogentisinsäure-
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 37, 513.
7) Diese Zeitschr. 59, 429.
3) Koninkl. Akad. v. Wetensch., Amsterdam, 19. Febr. 1913.
184 T. Folpmers:
boden nicht imstande, diese zu einem schwarzen Pigmente
zu oxydieren, die symbiotische Bakterie jedoch wohl. Macht
man die Annahme, daß die Bakterien ihre Wirkung durch En-
zyme ausüben, da zeigt es sich, daß zum Oxydieren von Ty-
rosin zu Melanin offenbar zwei Enzyme nötig sind.
Auch das Enzym der Microspira tyrosinatica, das allein
das Tyrosin zu Melanin oxydieren kann, ist imstande, aus
Homogentisinsáure ein schwarzes Pigment zu bilden?).
Ebenso konnte Beyerinck in der Tyrosinase aus dem
Milchsafte der Euphorbia lathyris die Anwesenheit von zwei
Enzymen plausibel machen.
Der Zweienzymentheorie der Tyrosinase schließt sich Bach
an?). Wie gesagt, konnte er keine völlig laccasefreie Tyrosinase
bekommen.
Er stellt die Theorie auf, daß für die Tyrosinasewirkung
zwei Fermente nötig seien, eine Desamidase oder Aminoacidase
und eine Phenolase. Phenolase ist nie imstande, welche Kata-
lysatoren auch hinzufügt werden, das Tyrosin zu oxydieren.
Um seine Theorie zu bestätigen, macht er den folgenden
Versuch. Mit einem Tyrosinasepräparat läßt er die Wirkung
bis zu einer roten Verfärbung sich vollziehen, kocht dann auf,
fügt Phenolase oder Peroxydase + H,O, zu und kann die Oxy-
dation zur Melaninbildung fortführen. Jedoch ist immer eine
Anfangswirkung der Aminoacidase notwendig, und Bach ver-
gleicht diese Reaktion mit der Reaktion von Strecker.
Strecker?) hat nämlich gefunden, daß, wenn man «-Amino-
säuren mit Alloxan in wäßriger Lösung erhitzt, die Aminosäuren
CO, und NH, abspalten und in das Aldehyd der náchstnie-
deren Reihe übergehen.
Das Alloxan selbst wird dabei reduziert und später kon-
densiert zu Murexid. Für die Reaktion ist also Wasser not-
wendig und ein Wasserstoffakzeptor, wofür das Alloxan fungiert.
Bei der Tyrosinasewirkung dient dazu das Ferment selbst, und
die lose Bindung wird immer wieder vom Sauerstoff der Luft
gelöst.
Chemisch gelang es mir gleichfalls, in einem Reagensrohr
1) Koninkl. Akad. e Wetensch., 25. Febr. 1911, 1092.
2) Diese Zeitschr. 60, 220.
*) Annal. d Chem. 123, 363.
Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 185
die Tyrosinasewirkung einigermaßen nachzuahmen. Ich erhitzte
dazu Tyrosin mit Alloxan in wäßriger Lösung und versetzte
abwechselnd mit NH, und H,O,. Die rote Farbe verschwand
und ging allmählich in eine dunkelbraune über.
Ebenso konnte Bach mit p-Oxybenzaldehyd, NH, und
H,O, + Peroxydase eine rote und schließlich braune Verfärbung
erzielen.
Außer Alloxan können noch oxydierend wirken Isatin,
Benzo- und Toluchinon, nicht jedoch Naphthochinon, Anthra-
chinon, Parabansáure und Chloranil.
Aus Alanin konnte Acetaldehyd, aus Phenylaminoessigsäure ’)
Benzaldehyd erhalten werden.
Im Jahre 1913 publizierte Chodat dann die Entdeckung,
daß er mit Kartoffeltyrosinase aus Glykokoll NH,, CO, und
Formaldehyd, aus Phenylaminoessigsäure den Geruch des Benz-
aldehyds erhalten habe.
Ich benutzte nun das starke von Beyerinck im Milch-
safte der Euphorbia lathyris gefundene Tyrosinasepräparat,
und machte Platten von der Zusammensetzung: destilliertes
Wasser 100, Agar 1*/, °/,, Tyrosin 0,1°/,, während das Tyrosin
nacheinander ersetzt wurde durch 0,1°/, Phenylalanin, 0,1 °/,
Phenylaminoessigsäure, einen Tropfen Benzaldehyd und die be-
rechnete Menge Na,CO,, während auch die Benzaldehydplatte
einige Milligramm Soda und etwas Ammoniak erhielt.
Nacheinander ließ ich den Milchsaft der Euphorbia lathyris
auf die Platten tropfen. Schon in einer Viertelstunde zeigten
sich schwarze Flecken. Als Kontrolle wurde eine Blankoplatte
gemacht, da der Saft, wie Beyerinck schon bemerkte, gleich-
falls eine geringe Reaktion zeigt, der gleichzeitigen Anwesen-
heit von Trypsin und Eiweiß zufolge. Die Phenylaminoessig-
säureplatte hatte einen starken Benzaldehydduft. Zugleich änderte
ich den Versuch etwas ab. In einem Destillierkölbchen löste
ich 100 mg Phenylaminoessigsäure in der berechneten Menge
Soda und 10 ccm Wasser und tropfte den Milchsaft dazu. Schon
nach einer Viertelstunde machte sich ein starker Benzaldehyd-
geruch bemerkbar. Nachdem die Probe einen Tag bei 30° ge-
standen hatte, wurde nach Ansäuern mit Schwefelsäure im
1) Ber. d Deutsch. chem. Ges. 44, 3145.
186 T. Folpmers:
CO,-Strom destilliert, und ich kondensierte das Benzaldehyd mit
p-Nitrophenylhydrazin. Es wurde 20 mg Hydrazon erhalten,
welches nach Umkrystallisieren scharf bei 192 bis 193° schmolz.
Zugleich zeigte es die Reaktionen dieses Hydrazons.
Diese Reaktion gelang mir nicht allein mit dem Milch-
safte der Euphorbia lathyris, sondern ich konnte gleichfalls mit
dem Safte der Morus nigra und des Ficus Necbudi die Phenyl-
aminoessigsäure zum Benzaldehyd spalten und mit p-Nitro-
phenylhydrazin diesen wieder kondensieren.
Die beiden letzten Pflanzensäfte geben sowohl mit Tyrosin
als Phenylalanin und Phenylaminoessigsäure eine grüne Ver-
färbung. Auch ließ ich den Milchsaft der Euphorbia einen Tag
auf eine neutrale Tyrosinlösung einwirken. Nachdem schwach
angesäuert worden war, schüttelte ich mit Äther aus, verdampfte
den Äther und kondensierte wieder in alkoholischer Lösung mit
p-Nitrophenylhydrazin. Es wurde ein krystallines Kondensations-
produkt erhalten, jedoch zu wenig, um weiter damit zu arbeiten.
Ganz überzeugend wird noch der Versuch mit dem Milch-
saft in der folgenden Weise. In kleinen Bechergläsern löste
ich 36,2 mg Tyrosin, 33 mg Phenylalanin, 30,2 mg Phenylamino-
essigsäure in der Kochhitze in 10 ccm Wasser und der be-
rechneten Menge, d.h. 2ccm 0,1-KOH. Darauf fügte ich allen
Proben noch 0,5 ccm 0,1-KOH zu und machte ebenso eine
Blankoprobe mit 12 ccm Wasser und 0,5 ccm 0,1-KOH. In
jedes der vier Bechergläser tropfte ich 10 Tropfen des Milch-
saftes derselben Euphorbia, welche Pflanze diesen Saft im
Hochsommer reichlich liefert. Die Blankoprobe wurde sofort
braungelb, nach */, Stunde zeigte sich eine etwas dunklere
Farbe. Die Tyrosin- und Phenylaminoessigsäurelösungen zeigten
jedoch in derselben Zeit eine dunkle schwarzgraue Farbe, die
erstere war etwas dunkler als die letztere. Das Phenylalanin
wird etwas schwerer oxydiert. Nach */, Stunde jedoch trat
auch hier eine Differenz mit dem Blankoversuch ganz deutlich
hervor. Die Proben wurden darauf in einen Thermostaten
von 30° gestellt. Nach 24 Stunden wurden sie kontrolliert.
Die Blankoprobe war noch braungelb, während in den drei
anderen schwarze Flocken herumtrieben. Diese zeigten Melanin-
eigenschaften, d. h. sie waren unlöslich in verdünnten Säuren
und Laugen. Vergleicht man die Strukturformeln der drei
Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 187
Verbindungen miteinander, dann zeigt sich eine große Ähn-
lichkeit.
Die erste Phase der Einwirkung der Tyrosinase wird also,
der Wirkung auf die Phenylaminoessigsäure gemäß, eine des-
aminierende sein.
C,H,CHNH,COOH +- O =C,H,COH + NH, + CO,
C,H,CH,CHNH,COOH + O = C,H,CH,COH + NH, + CO,
OHC,H,CH,CHN H,COOH + O = OHC,H,CH,COH + NH,
+ CO,.
Da nun die Phenylaminoessigsäure zu einem Melanin
weiteroxydiert wird, so ist man gezwungen, anzunehmen, und
dies folgt auch aus dem Versuch mit dem Benzaldehyd, daß
die Phenolase (wenigstens die der Euphorbia), welche die
Tyrosinasewirkung vervollständigt, imstande ist, Sauerstoff in
den Kern einzuführen. Die Stellen, die dafür in Betracht
kommen, sind para- und ortho.
In der folgenden Weise habe ich versucht nachzuweisen,
daß dies an der p-Stelle geschieht. Ich goB dazu Platten
von der Zusammensetzung: destilliertes Wasser 100, Agar
117%, Helicin 0,5%/, und mischte vor dem Erstarren eine
Messerspitze Emulsin bei. Schon bald machte sich der Ge-
ruch des Salicylaldehyds bemerkbar. Auf die Platten tropfte
ich wieder den Milchsaft der Euphorbia. Nach */, Stunde
zeigte sich um den Tropfen herum eine rosa Farbe, die am
náchsten Tage in eine braunschwarze sich verwandelt hatte.
Hätte also die Phenolase in den Benzaldehyd Sauerstoff
an die Orthostelle eingeführt, dann wäre Salicylaldehyd und
eine rosa Farbe entstanden.
Aus dem Tyrosin soll also p-Oxyphenylacetaldehyd ent-
stehen. Vermutlich wird dies rasch weiteroxydiert und kon-
densiert, was sich an dem geringen Kondensationsprodukte
zeigt, das ich mit p-Nitrophenylhydrazin erhalten konnte.
Das Ammoniak, das abgespalten wird, braucht nicht ganz
frei zu werden, da es weiter in der Reaktion aufgenommen
werden kann, nämlich auf den Aldehyd einwirken kann. Wahr-
scheinlich läßt sich der p-Oxyphenylacetaldehyd wohl mit Am-
moniak und Wasserstoffperoxyd zu einem Melanin kondensieren.
Diesen Aldehyd hatte ich jedoch nicht zu meiner Verfügung.
188 T. Folpmers:
Wie gesagt, wird also die erste Phase der Melaninbildung
von einer Desamidase oder Aminoacidase nach Bach bewirkt
und ist also weniger die Bildung eines Aldehyds mit einem
Kohlenstoffatom als die zugehörige a-Aminosáure.
Die zweite Phase geht mit der Einführung von Sauerstoff
in den Kern und weiterer Kondensation einher, wobei das
zuerst abgespaltene Ammoniak sich wieder an der Reaktion
beteiligt.
In den Melaninen doch, künstlichen sowohl als natür-
lichen, befindet sich immer Stickstoff, und zwar ungefähr in
der gleichen Menge wie im Tyrosin. Dies zeigt sich auch an
den Spaltungsprodukten der Melanine, unter denen sich NH,,
HCN, Pyrrol, Pyridin oder Pyridinbasen, bisweilen Indol und
Skatol vorfinden. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß man in
den natürlichen Melaninen immer das Tyrosin als Chromogen
anzunehmen hat. Für einige, wie z. B. das Hippomelanin,
ist dies von v. Fürth und Jerusalem!) erwiesen. Zu-
gleich zeigten sie, daß der Schwefel kein integrierender Be-
standteil der Melanine ist. Von wieder anderen Melaninen
konnte wohl die Tyrosinase als Urheber der Reaktion, aber
kein Tyrosin, jedoch wohl Tyrosinkomplexe als Chromogene
dargelegt werden. Auch das Tryptophan, p-Oxyphenyláthy]l-
amin und Adrenalin können dazu nach Neuberg?) dienen.
Andere Oxydasen als die Tyrosinase geben ebenso mit Adrenalin
zur Bildung von Melaninen nach Neuberg?) und Jäger) Ver-
anlassung.
Der Körper scheint wohl befähigt, die Melanine wieder
zu lösen, was sich z. B. in dem Weißwerden der Haare zeigt.
Vielleicht liegt hier der Weg, um Zwischenprodukte in die
Hand zu bekommen.
Um zu untersuchen, ob es auch Mikroben gäbe, welche
die Phenylaminoessigsäure zu einem schwarzen Pigment oxy-
deren könnten, goB ich Platten von der folgenden Zusammen-
1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 131.
2) Diese Zeitschr. 8, 383.
3) Virchows Arobiv 192, 514.
4) Ebenda 198, 62.
Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 189
setzung: Leitungswasser 100, Agar 1'/,°/,, 0,1°/, Phenylamino-
essigsäure neutralisiert mit der berechneten Menge Soda, 0,059/,
K,HPO,. Auf den Platten streute ich 0,2 g Gartenerde, Klo-
akenschlamm und Grubenwasser aus. Viele verschiedene Sorten,
unter ihnen Fluorescenten, Sporenbildner, Actinomyceten und
Schimmelpilze, wuchsen auf den Platten. Unter tausenden
Kolonien war jedoch keine einzige, die ein schwarzes Pigment
bildete. Auch die Microspira tyrosinatica, die auf einer Kon-
trollplatte mit Tyrosin ein schönes Pigment bildete, war ohne
jede Wirkung.
Wurde 0,1°/, Amygdalin in eine Fleischpepton-Agarplatte
gebracht und vor dem Erstarren eine Spur Emulsin, dann war
im allgemeinen das Wachstum von Fluorescenten und Micro-
spira tyrosinatica im Anfang wohl wegen der gleichzeitigen
Abspaltung von HCN schlecht, und auch von einer Oxyda-
tion des Benzaldehyds zu einem schwarzen Pigment wurde
nichts bemerkt. Fluorescenten wurden gewählt, da diese auch
auf einer Tyrosinplatte eine rote Farbe hervorbringen.
Im übrigen wurde Tyrosinfärbung durch Bakterien ge-
funden von Carbone!) in alten Cholerakulturen, von Leh-
mann?) und Sano durch die Wirkung von Bact. putidum,
Bact. phosphorescens und Actinomyces chromogenes, und von
Abt?), der ein sporenhaltiges verflüssigendes Stäbchen als die
Ursache der Bildung von schwarzen Flecken auf Häuten er-
kannte.
Zum Schluß möchte ich Herrn Prof. Blanksma zu Leiden
meinen verbindlichsten Dank für die freundliche Überlassung
der Phenylaminoessigsäure aussprechen.
Literatur der Melanine.
Maurice Piettre, Compt. rend. 153, 1037; 155, 594.
Rona und Riesser, Zeitschr. f. physiol. Chem. 57, 143; 61, 12.
Adler und Herzmark, diese Zeitschr. 49, 130.
Landolt, Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 192.
1) Rendi conti d'Istituto Lombardo 1906. Ref. Centralbl. f. Bakt.
Landwirtschaftl. Teil 29. X. 07. 19. Nr. 19/20.
1 Arch. f. Hygiene #7, 99.
5, Collegium 1918, 204.
190 T. Folpmers: Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen.
Fasal, diese Zeitschr. 55, 393.
Eppinger, ebenda 28, 181.
Helman, Arch. intern. de Pharm. 12, 271.
Nencki und Sieber, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 24, 17.
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v. Duneschi, Atti Real. Ac. Lincei 10, 180.
Franz Samuely, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 2, 355.
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Wolff, ebenda 5, 476.
Neuberg, Virchows Archiv 192, 514; diese Zeitschr. 8, 383.
Jäger, ebenda 198, 62.
Über die w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsin-
säure.
Von
J. Abelin.
(Aus dem medizinisch-chemischen und pharmakologischen Institut der
Universität Bern.)
(Eingegangen am 24. September 1916.)
Die Derivate der formaldehydschwefligen und der form-
aldehydhydroschwefligen Säure, deren chemisches Verhalten dank
den Untersuchungen von Hugo Schiff?*), Miller und Plöchl?),
Knovenagel*), Bucherer*) und Reinking, Dehnel und
Labhardt°) genau bekannt ist, haben in der letzten Zeit auch
ein therapeutisches Interesse gefunden. Nach Volkmar soll
dem Natriumsalz der formaldehydschwefligen Säure (w-methyl-
sulfonsaures Natrium) eine günstige Wirkung bei der Gicht,
sowie bei Pneumonie zukommen — eine Angabe übrigens, die
von anderen Autoren bestritten wird. Das Natriumsalz der
w-Methylsulfonsäure des 1-phenyl-2-3-dimethyl-4-amido-5-Pyra-
zolons (Melubrin) wird neuerdings als Mittel gegen Gelenk-
rheumatismus empfohlen®). Als bekanntester Vertreter dieser
Körperklasse gilt aber das Neosalvarsan, das Natriumsalz
der w-Methylsulfoxylsäure des Dioxydiamidoarsenobenzols.
») Hugo Schiff, Annal. d Chem. 140, 125; 144, 145; 210, 123.
D Miller und Plöchl, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 1700, 1891.
D Knovenagel, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 87, 4095, 1904.
4) Bucherer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 89, 986, 1906.
D Reinking, Debnel und Labhardt, Ber. d. Deutsch. ohem.
Ges. 88, 1069, 1905.
© Loehing, Münch. med. Wochenschr. 59, 1912.
192 J. Abelin:
As = As
A N |
vu) u H, .0.SONa
Op OH
Im Anschluß an eine ganze Reihe w-Sulfonsäurederivate
aromatischer Amine!), über deren pharmakologisches Verhalten
nächstens berichtet werden soll, habe ich auch die w-Methyl-
sulfonsäure der p-Amidophenylarsinsäure dargestellt.
OH
As € O
$ OH
| N
CH,.O.SO,H.
Die neue Verbindung ist also ein Atoxylderivat, und
zwar ein am N substituiertes Derivat. Sie steht ihrer chemi-
schen Beschaffenheit nach dem Arsacetin (Acetyl-p-amido-
phenylarsinsäure) nahe. Trotz des ähnlichen chemischen Auf-
baues unterscheidet sich aber das neue Atoxylderivat grundsätz-
lich von dem Arsacetin. Durch die Einführung des Essigsäure-
restes wird das Atoxyl (wie viele andere aromatische Amine)
entgiftet, ohne daß seine Heilwirkung dadurch ungünstig beein-
flußt wird. Nach den Angaben von Ehrlich?) und Blumen-
thal und Jacoby?) können vom Arsacetin 3- bis 10mal größere
Dosen gegeben werden als vom Atoxyl. Es gelingt sogar mit
dem Arzacetin eine Heilung der mit Trypanosomen infizierten
Mäuse auch in den Fällen durchzuführen, in denen das Atoxyl
versagt hat (Ehrlich). Anders verhält sich die w-Methylsulfon-
säure der p-Amidophenylarsinsäure: hier bedingt die Einführung
des formaldehydschwefligsauren Restes eine weitgehende Ent-
giftung. Die Herabsetzung der Giftwirkung ist aber von einer
bedeutenden Schwächung der therapeutischen Wirksamkeit be-
gleitet.
Man würde auf den ersten Blick geneigt sein, diese Tat-
sache durch die Anwesenheit einer Sulfogruppe (SO,H) im
1) Annal. d Chem. 411, 216, 229.
») Ehrlich, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 42, 25.
3) F. Blumenthal und E. Jacoby, diese Zeitschr. 16.
H
w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsinsäure. 193
Molekül zu erklären. Denn gerade von der Sulfogruppe ist ja
am sichersten bekannt, daß sie das Molekül entgiftet, zugleich
aber therapeutisch unwirksam macht. Die nähere Betrachtung
der chemischen Konstitution des neuen Atoxylderivates ergibt
aber, daß die Verbindung keine Sulfogruppe enthält, da die
w-Methylsulfonsäure und ihre Derivate nicht als Sulfonate,
sondern als Ester der schwefligen Säure zu betrachten
sind. Die Ester der schwefligen Säure enthalten aber keine
direkte Kohlenstoff-Schwefelbindung, wie es die Sulfonatformel
voraussetzt, sondern eine indirekte, vermittels des Sauerstoff-
atomes.
Für letztere Bindungsart spricht auch die leichte Abspalt-
barkeit des Formaldehyds aus dem Molekül: wird eine kleine
Menge der w-Methylsulfonsäure der p- Amidophenylarsinsäure
mit 1 com einer 1%/,igen frisch hergestellten salzsauren Phenyl-
hydrazinlösung versetzt, aufgekocht und nach dem Erkalten
mit 2 ccm einer frischen 5%,igen Ferricyankaliumlösung und
mit 5 oem konz. HCl zusammengebracht, so entsteht die für
den Formaldehyd typische Rotfärbung (Reaktion von Schryver).
Die leichte Formaldehydabspaltung widerspricht der Annahme
einer Sulfogruppe (also einer direkten Kohlenstoff -Schwefel-
bindung).
Die Entgiftung und die Herabsetzung der Wirksamkeit
ist höchstwahrscheinlich auf die eigentümliche chemische Kon-
stitution des formaldehydschwefligsauren Restes, sowie auch des
Atoxyls zurückzuführen. Daß es dabei auch auf den speziellen
chemischen Aufbau des Atoxyls ankommt, geht daraus hervor,
daß in vielen anderen Fällen die Einführung der formaldehyd-
schwefligen bzw. der formaldehydroschwefligen Säure eine Ent-
giftung ohne Veränderung der Wirksamkeit herbeiführt.
Als Beispiel möge das w-metlylsulfonsaure Natriumsalz des
Salicylsäure-p-aminophenylesters dienen, das neben geringer
Toxizität die volle Salicyl- und p-Amidophenolwirkung besitzt.
Auch im Neosalvarsan ist die spirillocide Wirkung voll-
kommen erhalten.
Die w-Methylsulfonsáure der p-Amidophenylarsinsäure stellt
also ein gutes Beispiel der eigentümlichen Beziehungen zwischen
der chemischen Konstitution und der physiologischen Wirksam-
keit dar. Der Einfluß des chemischen Aufbaues ist hier um so
Biochemische Zeitschrift Band 78. 13
194 J. Abelin:
mehr auffallend, als die w-Methylsulfonsäure der p-Amidopheny]-
arsinsäure:
H OH
"RG. Ae,
HO,S.O.CH, OH
sowie das Atoxyl:
H
NH, CE Ac 0 + 4H,0
ONa
genau den gleichen Arsengehalt besitzen (As = 24,11%/, und
24,10°/,).
Darstellung.
Wegen der sehr leichten Wasserlöslichkeit des Dinatrium-
salzes der w-Methylsulfonsäure der p-Amidophenylarsinsäure
gelingt die Reindarstellung dieser Verbindung durch Umsetzen
des Natriumsalzes der p-Amidophenylarsinsäure (Atoxyl) mit
einer konz. wäßrigen Formaldehydnatriumbisulftlósung nicht.
Nach längerem Stehenlassen dieses Reaktionsgemisches erhält
man gewöhnlich das Dinatriumsalz in Form einer farblosen
Masse, die aber von anhaftendem Formaldehydnatriumbisulfit
nicht befreit werden kann, da sie bei jeder Berührung mit
Wasser sofort in Lösung geht. Man ist daher auf die Dar-
stellung der freien w-Sulfonsäure angewiesen. Diese geschieht
wie folgt:
6 g Formaldehydnatriumbisulfit werden in 10 ccm Wasser
(eventuell unter schwachem Erwärmen) gelöst, die Lösung filtriert
und mit 6,2 g des Mono-Natriumsalzes der p-Amidophenylarsin-
säure versetzt. Die schwach gelb gefärbte, sirupdicke Flüssig-
keit wird nach dem Abkühlen mit verdünnter Salzsäure ver-
setzt, worauf die freie w-Sulfonsäure in Form von prächtigen,
schneeweißen Nadeln ausfällt. Dieselben werden sofort ab-
gesaugt, mit wenig salzsäurehaltigem Wasser und dann mit
Alkohol gut gewaschen und getrocknet. Die so erhaltene Säure
ist analysenrein und zersetzt sich unter Gasentwicklung und
Gelbfärbung bei 148% Die Haltbarkeit der Säure hängt
sehr viel von der Arbeitsweise ab. Im allgemeinen erhält man
Produkte, die längere Zeit haltbar sind. Es kommt aber auch
vor, daß sich die Säure an der Luft gelblich färbt und dann
einen niedrigeren Zersetzungspunkt (131 bis 134°) aufweist.
`
w-Methylsulfonsáure der p-Aminophenylarsinsäure. 195
Methyl-Sulfonsäure der p-Aminophenylarsinsäure.
Injizierte Menge
in
com |gr-Substanz
1/¿9/¿ige Lösung.
1 15 0,5 0,0025 0,0032
2 13 0,6 0,0030 0,0046 Leb blieb
3 13 0,6 0,0030 0,0046 Bon BEDIENEN:
4 20 0,8 0,0040 0,0040
5 10 0,5 0,0025 0,0050 Nach 3 Tagen tot.
6 15 0,8 0,0040 0,0053
7 15 1,0 0,0050 0,0066 Leben geblieben.
8 12 0,6 0,0030 0,0050
1°/ ige Lösung.
9 25 1,0 0,010 0,0080
10 25 0,8 0,008 0,0064
11 I: 25 0,6 0,006 0,0048
12 20 0,7 0,007 0,0070
13 24 0,5 0,005 0,0040
14 25 0,6 0,006 0,0048
15 | 3 10 | 0.010 0.0080 Leben geblieben.
16 27 1,2 0,012 0,0090
17 25 0,9 0,009 0,0072
18 20 0,7 0,007 0,0070
19 15 1,0 0,010 0,0130
20 17 0,8 0,008 0,0100
2°/,ige Lösung. f i
21 25 0,6 0,012 0,096 Nach 2 Tagen tot.
22 25 0,5 0,010 0,080 .
23 | 15 0,6 | 0,010 o013 |} Leben geblieben.
4°) ige Lösung.
24 20 0,6 0,024 0,024
25 20 0,3 0,012 0,012 Leben geblieben.
26 20 0,15 0,006 0,006
50°/ ige Lösung.
27 15 0,5 0,025 0.033 ;
28 | 20 | 0,4 | 0,020 | 0,020 } Lopen geben,
10°/ ige Lösung.
29 | 20 0,4 0,04 0,04
30 21 0,5 0,05 0,05
31 20 0,6 0,06 0,06 Leben geblieben.
32 19 0,7 0,07 0,07
33 20 0,8 0,08 - 0,08
34 22 0,8 0,08 0,08 Nach 3 Tagen tot.
35 20 1,0 0,10 0,10 n 2 n n
Kontrollversuche mit Atoxyl (0,5°/,ige Lösung).
1 15 0,8 0,004 0,00430 Nach 4 Tagen tot.
2 15 1,0 0,005 0,00665 n 2 n n
3 15 0,8 0,004 0,00430 n 3 » n
13*
196 J. Abelin: w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsinsáure.
Die Säure darf nicht im Schwefelsäureexsiccator getrocknet
werden, da sie sich dabei unter Schwefeldioxydabgabe
zersetzt. .
N-Bestimmung:
0,2385 g Substanz gaben bei 18° und 719 mm Barometer-
druck 9,6 cem Stickstoff.
C,H,¿O¿NAsS. N ber. = 4,50%,
N gef. = 4,47°|,.
Schwefelbestimmung:
0,244 g Substanz gaben 0,1815 g BaSO,.
S ber. = 10,30°/,
S gef. = 10,20%/,.
Arsenbestimmung:
0,2440 g Substanz gaben 0,1210 g Mg,As,0..
As ber. = 24,11°/,
As gef. — 23,93 °|,.
Die Toxizitätsversuche wurden an weißen Mäusen aus-
geführt. Die w-Sulfonsäure wurde subcutan injiziert. Nach
den Angaben von Ehrlich (l. c.) wirkt 1 ccm einer 0,5°/ igen
Atoxyllösung bei einer Maus von 20 g Körpergewicht tödlich.
Dagegen werden von den Mäusen 0,5 ccm einer 5, sogar einer
10°/,igen Lösung der w-Methylsulfonsäure der p-Amidophenyl-
arsinsáure ertragen. Die Entgiftung ist also eine sehr
weitgehende. Näheres über die Versuche enthält vorstehende
Tabelle auf S. 195.
Chemotherapeutische Untersuchungen an infizierten
Mäusen mußten wegen des Krieges unterbrochen werden, so
daß ein abschließendes Urteil über die therapeutische und pro-
phylaktische Wirkung des Präparates nicht vorliegt. Die bereits
ausgeführten Versuche lassen aber vermuten, daß die Heilwir-
kung der w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsinsäure
gegen Trypanosomen im Vergleich mit dem Atoxyl bedeutend
schwächer ist.
Notiz betreffend die proteolytischen Enzyme der Sec
rotundifolia.
Von
K. G. Dernby.
(Aus dem Nobelinstitut für physikalische Chemie zu Stockholm.)
(Eingegangen am 30. September 1916.)
Mehrere Forscher haben die proteolytischen Enzyme der
Drosera- Arten untersucht, so z.B. Morren?), der zuerst zeigte,
daß es sich um eine wirkliche Verdauung und um keine Bak-
terienwirkung handelte. Abderhalden?) hat angegeben, daß die
Drosera-Enzyme keine einfachen Peptide angreifen, und danach
J. White), daß das Drosera-Extrakt genuine EiweiBstoffe in
Peptone, die ihrerseits nicht angegriffen werden, umwandelt.
Diese Reaktion geht nur in saurer Lösung vor sich. In den
Drosera-Blättern gibt es also ein pepsinähnliches Enzym.
Ich habe diese Untersuchungen unter Anwendung von
etwas anderen Versuchsmethoden wiederholt, und diese sind in
einigen früheren Arbeiten ausführlich besprochen 71. Als Aus-
gangsmaterial dienten ca. 300 g frische Blätter von Drosera
rotundifolia, die nach Zusatz von Glycerin und einigen
Tropfen Chloroform für zwei Tage bei Zimmertemperatur sich
selbst überlassen wurden. Dann wurden die Blätterreste ab-
filtriert, das tiefbraune Glycerinextrakt in einen Sörensen-
schen Dialysator mit Kollodiummembran gebracht und in vier
Tagen dialysiert, bis alles Glycerin herausgetreten war. Die
hinterbliebene kolloidale Lösung, die ganz neutral reagierte
1) Morren, Bull. de l’Acad. de Sc. Belg. 1875/76, 39, 40, 42.
”) Abderhalden und Teruuchi, Zeitschr. f. physiol. Chem. 1906, 49.
AJ White, Proc. Roy. Soc. 83, 1910.
*) Dernby, Medd. fr. K. Vet. Ak. Nobelinst. 3, Nr. 14 u. 15, 1916.
198 K. G. Dernby:
(pe °), wurde im Eisschrank aufbewahrt. Diese Flüssigkeit
diente dann als Enzympräparat.
In der einen der oben erwähnten Arbeiten habe ich die
proteolytischen Enzyme einer anderen insektenfressenden Pflanze,
der Pinguicula vulgaris, untersucht und dabei mit Sicher-
heit ein trypsinähnliches Enzym, aber keins vom Erepsincharakter
gefunden. Wahrscheinlich gibt es auch Peptasen, die das Ei-
weiß zuerst angreifen.
Die Analysen sind meistens nach der Formoltitrations-
methode Sórensens?”), ausgeführt und die folgenden Resultate
sind erhalten worden:
1. Peptasen.
Als Substrat wurde eine Acidalbuminlósung?), die durch
Zusatz von ”/,-Salzsáure bei verschiedenen Wasserstoffionen-
konzentrationen (py *°%$8) in den verschiedenen Fällen ge-
halten war, angewendet. Die Kölbchen, die die Mischungen
von Acidalbumin, Salzsäure, Drosera-Extrakt und Wasser ent-
hielten, waren in einem Wasserthermostaten, worin die Tem-
peratur auf konstant 38° gehalten war, eingesenkt. Die Formol-
titration gab, wie auch zu erwarten war, keine deutlichen
positiven Resultate. i
Dagegen gab die Fällungsmethode mit Stannochlorid nach
Schjerning*) deutlich positive Resultate, so z. B. waren nach
drei Tagen in einem Versuche, wo die Wasserstoffionenkonzen-
tration pg”? entsprach, ca. 20%/, des ursprünglichen Eiweißes
in Peptone umgewandelt.
2. Tryptasen.
Als Substrat dienten zentrifugierte und von Fett be-
freite Milchlösungen, die durch Zusatz passender Mengen
a/ -Natronlauge auf verschiedenen Wasserstoffionenkonzentra-
tionen (pg 7° 9) gehalten wurden. Die Versuchstemperatur
1) Pu bezeichnet nach Sörensen den Logarithmus der Wasserstoff-
ionenkonzentration, z. B. bedeutet Du = 7,8, daß die Wasserstoffionen-
konzentration 10—”-* ist.
2) Jessen-Hansen, Die Formoltitration, Handb. d biochem. Arb.-
Method. 6, 270.
3) S. P. L. Sörensen, Enzymstudien II, diese Zeitschr. 1909, 21.
4% Schjerning, Zeitschr. f. anal. Chem. 1898, 37.
Proteolytische Enzyme der Drosera rotundifolia. 199
war ebenso 38°, und als Antisepticum wurde Chloroform an-
gewendet. In keinem Falle, auch nicht nach sechs Tagen, war
irgendeine Spaltung eingetreten.
3. Ereptasen.
Diese Versuche wurden in derselben Weise wie die vorigen
ausgeführt, nur wurden anstatt Casein Glycylglycinlösungen
benutzt. Auch hier war das Resultat vollständig negativ.
Diese kleine Untersuchung scheint also die vorhergehenden
zu bestätigen. Nur ein Enzym vom Pepsintypus, aber keine
trypsin- oder erepsinähnlichen wurden im Extrakte der Blätter
von Drosera rotundifolia gefunden.
Über den Purinstoffwechsel nach Giften.
Von
Julius Pohl.
(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität zu Breslau.)
(Eingegangen am 8. Oktober 1916.)
Systematische Untersuchungsreihen über Änderung des
Purinstoffwechsels durch chemische Agentien liegen kaum vor.
Meist sind es vereinzelte Stoffe, die in dieser Richtung unter-
sucht werden. Ich verweise auf die Darstellung von Wie-
chowski in der Analyse des Harns, von Neubauer-Huppert,
11. Auf, 8. 1067 resp. 914.
Durch die Untersuchungen von Minkowski!), der auf die
Bedeutung des Allantoins im Purinstoffwechsel des Hundes als
erster hingewiesen, Poduschkas, der die Unangreifbarkeit des
Allantoins?) festgestellt hat, und insbesondere durch die auf
quantitativer Basis beruhenden Untersuchungsreihen von Wie-
chowski ist das Allantoin als Endprodukt des tierischen Purin-
stoffwechsels erkannt worden. Alle älteren Literaturangaben,
die sich mit der Änderung des Purinstoffwechsels beim Tiere
beschäftigen, ohne auf das Allantoin Rücksicht zu nehmen,
sind fast unbrauchbar und bedürfen der Ergänzung. Speziell
bei Besprechung vieler als Stoffwechselgifte angesehenen Sub-
stanzen macht sich das Fehlen diesbezüglicher Angaben fühlbar,
und eine ganze Reihe derselben müssen wenigstens einmal nach
dieser Richtung hin untersucht werden: ich glaube daher, daß
eine Kasuistik dieses Gebietes erhoben, und selbst wenn sie
vielfach negativ verläuft, veröffentlicht werden mußte.
1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 41, 375, 1898.
D Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 44, 49, 1900.
J. Pohl: Purinstoffwechsel nach Giften. 201
Im allgemeinen werden Befunde, die am Tier durch die
Allantoinbewegung gemessen werden, in dem Sinne auch für
den Menschen Geltung haben, daB man bei ihm eine homologe
Änderung der Harnsáure annimmt. Doch müssen die Erfah-
rungen mit Atophan, das quoad Harnsäure am Menschen so
deutlich zur Wirkung kommt, nicht aber am Tier, in dieser
Richtung zur Vorsicht mahnen.
Die folgenden Versuche sind im wesentlichen mit dem
Quecksilberacetatverfahren von Wiechowski angestellt wor-
den. Eine methodische Untersuchungsreihe ging zunächst da-
hin, durch Entfernung des die Allantoin-Quecksilberfällung stören-
den Harnstoffs das Verfahren zu verbessern. Durch Behand-
lung des Harns mit Formalin und Schwefelsäure fällt man eine
Verbindung von Formaldehydharnstoff der Zusammensetzung
nach C,H, AN, nach C. Goldschmidt [siehe de Jager" Die
Bemühungen, durch Entfernung des Harnstoffs in dieser Form
(Filtration) vor weiterer Verarbeitung des Harns eine Verbes-
serung des Verfahrens der Allantoinbestimmung herbeizuführen,
sind nicht gelungen; wenn auch einzelne zufriedenstellende
Zahlen gefunden worden sind?), so lehrt jedoch eine neuerliche
Überprüfung des Verfahrens einen Mangel desselben: es zeigte
sich, daß das Allantoin mit Formaldehyd in wechselnden Mengen,
insbesondere in der Wärme, eine Verbindung eingehen kann,
die sich der Quecksilberfällung entzieht.
Hingegen kann ich insofern eine Verbesserung der Methode
mitteilen, als ich die Erfahrung gemacht habe, daß man den
so lästigen Schwefelwasserstoff umgehen und das Verfahren
wesentlich verkürzen kann, wenn man entweder mit Grünfutter
genährte Kaninchen benutzt oder Hunden chlorarme Kost
reicht. Die Allantoinbestimmung nimmt dann folgenden
Verlauf:
A. 150 ccm des eventuell auf 300 ccm verdünnten Tages-
harns werden mit 7 ccm verdünnter Schwefelsäure, 3 com ver-
dünnter Essigsäure und 70 ccm einer 50°/,igen Phosphorwolf-
ramsäure versetzt und nach Absetzen des Niederschlags (*/,
Stunde) scharf abgesaugt.
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 64, 112.
2) Regehly, Dissertation Breslau 1914: „Versuche über die Be-
einflussung der Allantoinausscheidung durch Benzol“.
202 J. Pohl:
B. Das Filtrat wird mit Bleioxyd in Substanz verrieben,
bis die über dem Niederschlag stehende, nunmehr farblose
Flüssigkeit alkalisch reagiert. Daraufhin wird abgesaugt und
mit 1 ccm des Filtrates auf Cl geprüft. Ist viel Cl vorhan-
den, dann ist das Verfahren nach Wiechowski-Handowsky')
einzuschlagen. Bei geringem Chlorgehalt
C. Einleiten von CO, in das mit festem CaCO, versetzte
Filtrat des Bleiniederschlages. Nach 10 Minuten kräftigen
Kohlensäurestromes Prüfung in einem abfiltrierten Kubikzenti-
meter auf Pb mit Na,S; bei Bleifreiheit (alkalische Reaktion)
Absaugen und
D. Filtrat messen und mit der dreifachen Menge des
1/ %/igen Quecksilberacetatreagenzes zu versetzen. Der Nieder-
schlag, der nach häufigem Umrühren bald grobflockig wird,
wird nach */, Stunde aufs Filter gebracht, bis zur Quecksilber-
freiheit ausgewaschen und zwecks N-Bestimmung in einem
Kjeldahlkolben gespült (Zusatz von 20%/,igem Natriumthio-
sulfat zur NH,-Destillation!!). Das Verfahren erfordert bis zur
N-Bestimmung etwa 1*/, Stunden.
Beleganalysen.
a) Von 0,1530 g zu Kaninchenharn zugesetztem Allan-
toin werden durch Vergleich mit dem nativen Harn 0,1465,
d. h. 96°/, wiedergefunden.
b) Vergleich des Schwefelwasserstoffverfahrens mit der
Kohlensäuremethode: in je 150 ccm desselben Hundeharns
mit Ag. acet. + H,S: 0,265 g Allantoin,
ohne HS mit CO,: 0,283 g n
Da bei toxikologischen Versuchen der Hunger vielfach
mitspielt, gewisse Versuchsreihen absichtlich im Hunger durch-
geführt werden, so muß der Einfluß des Hungerns auf die
Allantoinausscheidung sichergestellt sein. Wiechowski?) findet,
daß die Allantoinausscheidung von vorher mit Hafer gefütterten
Kaninchen und fleischfrei ernährten Hunden im Hungern nicht
abnimmt. Meine Erfahrungen am Hunde geben folgende Ver-
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 211, 1914.
2) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 112.
Purinstoffwechsel nach Giften. 203
suche 1 und 2 wieder; hier wie in allen Protokollen sind im
Stab ccm die Harnmengen angeführt.
Versuch 1.
Hund A. Letzte Nahrung am 19. II. Gewicht 6700 g.
1. Versuchstag 20. bis 21.
Datum Gew.g ccm Gesamt-N Allant. U Bemerkung
1. Hungertag 6400 214 5,40 0,641 Spur ohne Wasser
2.
” 6300 174 3,92 0,304 n mit n
3. ” 211 5,48 0,4569 ” mit »
Versuch 2.
Hund D 4500 g. Letztes Futter am 1. IV. 1. Versuchs-
tag 2. bis 3. IV.
Datum Gew.g cem Gesamt-N Allant. Bemerkung
1. Hungertag 3900 117 5,35 0,548 Wasser ad lib.
2. ” 3900 0 ) 2.82 nn.
3. » 3900 62 á (0,156 p. die)
4. n 3800 0,557
5. ” ss a ne loza p. die)
6. ” 3600 102 4,47 0,422
Der Hunger bedingt somit ein Absinken der Allantoinwerte.
Die Tiere wurden in Glaskäfigen gehalten, die Harne in etwas
vorgelegter verdünnter Schwefelsäure aufgefangen; das Futter
wurde immer zugewogen.
II. Änderung der Allantoinausscheidung durch chemische Stoffe.
A. Halogensalze.
Die Beeinflussung des Stoffwechsels durch Halogensalze,
gemessen durch Bestimmung des Gesamt-N, ist am Kaninchen
von Sgalitzer*) untersucht worden. Seine Arbeit hat vor
allem ergeben, daß gegenüber der Indifferenz von NaCl und
NaBr das Jodalkali eine eingreifende Änderung des Stoffwechsels
hervorruft. Es förderte oder hemmte in wechselnder Weise
den Gesamtstoffwechsel. Außerdem rief es häufig anatomisch
nachweisbare Schädigungen der Leber hervor. Bemerkenswert
erscheint ein Versuch, wo an demselben Tier Kochsalz und
hinterher Jodnatrium verabfolgt wurde: während auf Kochsalz
eine Stickstoffverminderung um 3,1°/, eintrat, stieg nach einer
1) Kritische Versuche zur Beurteilung der Jodalkaliwirkung. Arch.
internation. de Pharmakodynamie 18, 285, 1908.
204 J. Pohl:
äquimolekularen Menge Jodnatrium der Stickstoffwert um 20,8%/,
über das Normale.
Über die Beeinflussung des Purinstoffwechsels mit Brom-
und Jodnatrium liegen folgende Angaben aus Marforis Labo-
ratorium (Neapel) vor: Chistoni*) findet bei Hunden nach
großen und mittleren Dosen per os gereichten Jodkaliums
eine Steigerung des Stoffwechsels gemessen am N, Ü, U und
Purinbasen. Die konstante und fortschreitende Vermehrung der
Purinbasenausscheidung erklärt er für eine bedeutsame Stoff-
wechselwirkung dieser Salze. 1912 findet Jappelli?) in homo-
logen Versuchen am Hunde nach Bromkali eine Verminde-
rung der Harnsäure unter Änsteigen der Alloxurbasen, was
auf eine Hemmungswirkung der Xanthinoxydase durch das
Bromion zurückgeführt wird. Alle diese Versuchebedurften natür-
lich der Ergänzung durch Bestimmung der Allantoinausscheidung.
Versuch 3.
Hund mit trockenem Fleisch, 75 g Graupe und 100g
Kartoffeln ernährt.
Datum Gew.g com N Allant. U Bemerkung
Normaltag 6100 310 2,38 0,416 0,015
n 6100 267 2,30 0,413 0,012 (2 g NaCl subcu-
1.Versuchstag 6100 273 2,05 0,468 0,009! tan in20ccm
2. ” 6100 283 1,96 0,360 0,009| Wasser
1.Versuchstag 6000 339 2,16 0,389 0,017? cutan in 50
Normaltag 6000 220 1,96 0,344 0,005 (4,7 g NaBr sub-
2. n 6000 297 1,90 0,390 0,005| ccm Wasser
Versuch 4.
Hund mit 250 g frischem Pferdefleisch und 150 g Kar-
toffeln gefüttert.
Datum Gew. g com N Allant. U Bemerkung
Normaltag 7800 307 5,92 0,44 0,03 (3,24 g NaBr sub-
1.Versuchstag 7800 470 6,97 0,52 0,01% cutanin32ccm
2. n 7800 414 6,63 0,69 0,04| Wasser
Normaltag 8200 347 7,43 0,688
1.Versuchstag 8200 410 8,05 0,698 2 g NaJ subcutan
2 e 8200 397 7,90 0,624
Normaltag 7800 331 7,96 0,615
1.Versuchstag 7800 299 712 0,539|
2.» 7900 316 6,83 0,594
3) Arch. internation. de Pharmakodynamie 21, 339, 1911.
2) Arch. internation. de Pharmakodynamie 22, 283, 1912.
6 g NaJ subcutan
in 40 ccm Wasser
Purinstoffwechsel nach Giften. 205
Versuch 5.
Anderer Hund. Futter wie vorstehend.
Datum Gew.g om N Alart. U Bemerkung
Normaltag 9700 300 7,27 0,52 0,021 (10g Naj subou-
1.Versuchstag 9700 582 10,01 0,53 0,004% tanini00ccm
2. ” 9700 409 8,82 0,52 0,003| Wasser
Berücksichtigt man den Umstand, daß Schwankungen der
Allantoinwerte bis 5b cg im Rahmen der Methodik und der
Norm liegen, so muß den Halogensalzen eine Fähigkeit zur
regelmäßigen Beeinflussung des Purinstoffwechsels am Tier ab-
gesprochen werden. Insbesondere erscheint Versuch 5 beweisend,
wo trotz der gewaltigen Dosis von 10 g Jodnatrium die Allan-
toinwerte konstant blieben.
~
B. Chlorcalcium.
Über den Einfluß der Calciumsalze liegt aus dem Jahre
1912 eine Untersuchung von H. Lubienicki!), die ein wech-
selndes Resultat ergab, vor. Lubienicki fand unter 16 Ver-
suchen 9 mal, d. h. also in der Mehrzahl der Fälle eine Herab-
setzung der Allantoinausscheidung, am Menschen (2 Versuche)
Herabgehen der Harnsäurezahlen, von 0,54 auf 0,43, von 0,44
auf 0,33. Mein Versuch am Hunde stimmt mit der Mehrzahl
der Lubienickischen Versuche am Kaninchen überein.
Versuch 6.
Hund mit trockenem Fleisch, etwa 75 g Graupe, 100 g
Kartoffeln gefüttert.
Datum Gew. g cm N Allant. U Bemerkung
Normaltag 6100 243 2,13 0,397 Spur
1.Versuchstag 6100 110 1,08 0,104 n 2gCaCl, subou-
nn 6300 535 4,90 0,325 0,067(?) tan
Dabei bestand Abscedierung an der Injektionsstelle, was bei
subcutaner Injektion von Calciumsalzen nicht zu vermeiden
ist: ich verzichte deshalb auf weitgehende Verallgemeinerung.
—
1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 68, 394.
206 J. Pohl:
C. Arsenik.
Nächst dem Phosphor gilt Arsen in Form der arsenigen
Säure für eines der heftigsten Stoffwechselgifte. Meine Versuche
verliefen folgendermaßen:
Versuch 7a.
Kaninchen, 2200 g. Rübenfutter.
Datum Gew. g com N Allant. Bemerkung
2 Normaltage 2150 302 1,455 0,1814
1.u.2.Versuchstag 2100 253 1,340 nn arsenige Säure
3.u.4. ” 2100 460 1,211 0,3190) subcutan, Harn ei-
weißfrei
Versuch 7b.
Hund mit gemischtem Trockenfutter (150 g) und 200 g
Kartoffeln gefüttert.
Datum Gew. g cm N Alant. U Bemerkung
Normaltag 7600 597 3,62 0,5644 0,014
1. Versuchstag 7600 560 3,88 0,5961 0,021 10 mg arsenig-
saures Natron
subcutan.
2. ” 7600 730 3,84 0,5919 0,016 20 mg arsenig-
3. ” 7600 458 3,60 0,6326 0,021 saures Natri-
um subcutan.
Beide Versuche verliefen in gleichem Sinne: es tritt Stei-
gerung des Purinkörperumsatzes ein.
D. Blei.
Seit Garrods Zeiten wird dem Blei átiologische Bedeu-
tung fúr die Entstehung einer besonderen Gichtform zuge-
sprochen. So fest die Klinik diesen Standpunkt behauptet, so
schwankend sind die experimentellen Grundlagen fiir denselben.
Eine der letzten Arbeiten aus diesem Gebiet stammt von
Lithje*) aus dem Jahre 1896. Lüthje fand beim Hunde
nach Bleizufuhr keine Änderung der Harnsäureausscheidung,
wohl aber hohe Alloxurbasenwertee Rambousek?) fand
bei bleivergifteten Kaninchen ein Anwachsen der mit Phos-
phorwolframsäure fällbaren N-Fraktion des Harns. Allantoin-
zahlen fehlen bei beiden Autoren. Meine Erfahrungen bringen
folgende Versuchsreihen, bei denen die Bleizufuhr einerseits
vom Darme aus, andererseits durch Setzen eines subcutanen
Bleidepots durchgeführt wurde.
1) Zeitschr. f. klin. Med. 29, 266.
2) Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 7, 1910.
Purinstoffwechsel nach Giften. 207
Versuch 8.
Kaninchen. Riibenfutter.
Datum Gew.g cem N Allant, Bemerkung
Normaltag 2600 CH
2530 175 3,122 0,220
2300 135
2300 70
2460
1601295 2,164 0,192
2240 240
2220 150
Versuchstag 2200 el
S 2100 205 1,464 0,093 y
nm 2000 nn
» 2000 190
” 2020 SE
” 2040 300
n 2000 320
nm 2000 360
” 2025 285
” 2020 175
” 2000 245
12. ” 1980 230
n
”
H
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h, 804 0,150
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1700 420
1500 En a did
1520 50 Tot. Kein Sektionsbefund.
Lungen normal.
Versuch 9.
Kaninchen B. Riibenfutter.
Datum Gew.g ccm N Alant. Bemerkung
. Normaltag 2040 SC |
, 2080 192 1,985 0,2198
» 2040 198
” 2080 215
) 2,077 0,1668
.Versuchstag 1960 SC
0,25g PbCO, peros
025g n n » ohne Eiweiß
0,258 » » » Spur n
025g » nn n n
ohne n
H
kad
1940 205 1,928 0,1557
1940 175
1960 335
1980 270
1900 168
j
1740 =
j
0,874 0,1536
0,687 0,0822 g
”
” ”
1700 120 1,676 0,0578 S
1680 167
1640 103
1
2
3
4
1
2
3.
4.
5
6
1
8
9
0 1,716 0,1242
332333303 33
10.
208 J. Pohl:
Datum Gew.g ccm N Allant. Bemerkung
11.Versuchstag 1740 220 0,069 0,0514
17. D 1880
18. ” 1920 350
19. n 1900 SCH 210E 92009
Zusammenfassung der Versuche mit per os gereichtem Blei:
Abnahme des Allantoins, mit nachherigem Ansteigen zur Norm
im letzten Fall.
Kaninchen C. Rübenfutter.
Datum Gew.g
1. Normaltag 2600
2. ” 2600
3. ” 2600
4. n 2600
1.Versuchstag 2640
2. n 2540
2500
2500
2400
2340
2260
2260
2100
2000
1900
1860
1900
1860
19. 1800
3323230330933 33 3 3
Versuch 10.
com N Alant. Bemerkung
oa
158 2,419 0,207
207
Séi 2,1610249 1 g Pb carb. subc. Harn keinEiw.
195 nn
Se) 4,45 0,299 Se:
245 etwas n
Se Sea Se viel »
308
408
340 e wenig »
mol SEET en kein n
325
415
re 6,50 1,268
7) 2,474 0,3382 1g Pb carb. subo. kein »
n ”
Somit hier andauernde E der Allenköinwerte:
Organische Stoffe.
Wiener!) hat, um eine etwaige Harnsäuresynthese beim
Hunde zu prüfen, an solche malonsaures Natron plus Harnstoff
verfüttert. Da seine Versuche nur auf Harnsäure, nicht auf Allan-
toin, Rücksicht nehmen, so bleibt die obige Frage noch offen,
und ich nahm diesen Versuchstypus noch einmal auf.
E. Malonsaures Natron.
Es wurde einmal Natriummalonat und andererseits Natrium-
malonat + Harnstoff subcutan gereicht. Bei Eintritt einer
—— (m a e
1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 2, 42 resp. 74.
Purinstoffwechsel nach Giften. 209
sy hthetischen intermediáren Harnsáurevermehrung auf diesen
Körper hin müßte sich dieselbe in den Allantoinzahlen äußern.
Versuch 11.
Gelber Hund. 8100 g. Futter: 250 g frisches Pferdefleisch,
150 g Kartoffeln, Wasser ad libit.
Datum ccm N Alant. U Bemerkung
Normaltag 406 12,42 0,478 0,05 2
1.Versuchstag 350 11,82 0,444 — (3 on i
2.» 378 10,93 0,456 0,04 EEN
Versuch 12.
Dackel. 4900 g.
Datum com N Allant. U Bemerkung
Normaltag 288 8,71 0,662 0,03 A
1.Versuchstag 262 7,96 0,646 0,02 (258 in. 3g
2. 315 5,60 0,412 om ` Hams
Auch diese Versuche sprechen somit nicht für eine Harn-
säuresynthese beim Säugetier.
F. Cyannatrium.
Bei der maximalen Cyanvergiftung verquickt sich eine
sekundäre Erstickungswirkung mit einem spezifischen Einfluß
der Cyanwasserstoffsäure auf den Stoffwechsel. Die Möglich-
keit einer fermentativen Störung des Abbaus der Stickstoff-
körper sollten Versuche von A. Loewy!) und A. Loewy,
Wolf und Osterberg?) feststellen. Doch ergaben dieselben,
daß die Harnstoffwerte sich im Verhältnis zum Gesamtstickstoff
nach Cyanalkali gar nicht änderten, während die übrigen Be-
funde eine Schlußfolgerung in irgendeiner Richtung nicht ge-
statten. Bei meinem Versuche, der absichtlich so geleitet war,
daß schwere Vergiftungserscheinungen vermieden wurden, die
Dosis sich hart an die Grenze einer sinnfälligen, toxischen Ver-
giftung befand, wurden folgende Befunde erhoben:
| Versuch 13. s
Hund G. 65g trockenes Pferdefleisch, 100 g Kartoffeln pro Tag.
Datum Gew.g ccm N Allant. U Bemerkung
1.Versuchstag 6400 155 5,733 0,454 Spur ¿als K-Salz subcutan.
2. n 6380 183 7,00 0,375 n» (Keine Erscheinungen
= D) Diese Zeitschr. 3, 439, 1907.
2) Diese Zeitschr. 8, 132, 1908.
Biochemische Zeitschrift Band 78. 14
Normaltag 6420 179 6,824 0,438 0,01 fa je 6,5 mg HCN
210 J. Pohl:
Somit hat eine derartige Intoxikation keinen auffälligen
Einfluß auf die Allantoinausscheidung. Anders verlief ein Ver-
such an demselben Tier, das schon nach der zweiten Injektion,
d.h. nach 15,2 mg Cyannatrium innerhalb 2 Stunden schwere
Vergiftungserscheinungen, wie Zittern, starkes Erbrechen, usw.
zeigte.
Versuch 14.
Datum Gew.g com N Allant. U Bemerkung
Normaltag 6600 196 8,04 0,433 0,02 | Um 11* 6,5 mg HCN
1.Versuchstag 6300 133 8,82 0,428 0,006 n 1987 » e
” h n n
2. » 6360 139 6,12 0,374 0,02 | Ebrechen um (ui
Unter diesen Bedingungen kam es demnach zu einer re-
lativen Steigerung der Allantoinausscheidung, da man die ver-
minderte Nahrungsaufnahme (vgl. Harnmenge und Stickstoffwert)
in Betracht ziehen muß.
G. Benzol.
Die klinische Benützung des Benzols bei der Leukämie
gründet sich auf die experimentellen Feststellungen seiner die
Leukocytenzahl vermindernden Kraft!) Dieser Schädigung
könnte eine vermehrte Purinausscheidung parallel gehen, was
zu quantitativen Versuchen auffordert. Die Erfahrungen, die
Regehly?) gesammelt hat, brachten keine Entscheidung; denn
er fand zwar eine Steigerung der Allantoinzahlen, doch gingen
seine Werte nicht über die beim Normalen zu beobachtenden
Zahlen hinaus. Auch ich möchte nach folgendem Versuch von
keiner Vermehrung des Allantoins durch Benzol sprechen. Viel-
leicht daß erst wiederholte Benzoldarreichung die doch mög-
liche Allantoinvermehrung ergibt.
Versuch 15.
Hund 8500 g.
Datum ccm N Allant. Bemerkung
Normaltag 386 7,89 0,629 i
1. Versuchstag 382 6,76 0,623 5 com Benzol per os
2. ” 428 7,21 0,536
3. » 372 614 0,524
1) L. Selling, Benzol ala Leukotoxin, Zieglers Beiträge 51, 1911.
9) Lo
Purinstoffwechsel nach Giften. 211
e
H Brombenzol.
Hieran schließen sich noch Versuche mit Brombenzol, das
ich mit Rücksicht auf seine schwere Giftigkeit und die eigen-
artigen synthetischen Stoffwechselprodukte (Baumann) heran-
gezogen habe.
` Versuch 16.
Hund 14100 g (250 g frisches Pferdefleisch und 150 g Kar-
toffeln).
Datum ccm N Alant. Bemerkung
4ccm Brombenzol kein Eiweiß
Normaltag 343 8,54 0,791
1.Versuchstag 580 8,49 0,887 {
2 e 252 7,42 0,758 ES nm
3. 2 332 12,24 0,93 ” »
Versuch 17.
Hund 8300 g.
Datum ccm N Alant. Bemerkung
3ccm Brombenzol ohne Eiweiß
1.Versuchstag 343 7,75 0,548
per os n n
2L n 262 9,38 0,649
a ew 625 7,57 0,589 Spur »
Normaltag 311 7,45 0,449
Beide Brombenzolversuche ergaben somit eine nennens-
werte Allantoinsteigerung, die mit einer gleichen Bewegung des
Gesamt-N parallel geht.
J. Salicylsäure.
Mit Rücksicht auf die Angaben, daß Salicylsäure beim
Menschen Harnsäurevermehrung hervorrufe, wurde folgender
Versuch am Hunde angestellt, der im wesentlichen eine In-
differenz der Substanz in der uns interessierenden Richtung
ergab; auffällig allein ist die Harnsáureausscheidung: deutliche
Zunahme der Harnsäurewerte ohne Steigerung der Allantoin-
zahlen.
Versuch 18.
Hund. Frisches Pferdefleisch.
Datum Gew.g cm N Alant. U Bemerkung
Normaltag 8120 392 9,59 0,445 Spur
1.Versuchstag 8100 493 10,20 0,490 0,04 2g salicylsaures Na
2. ” 8120 377 10,07 0,343 — per 08
3. n 8000 345 10,44 0,402 0,03
14*
212 J. Pohl:
K. Phenylcinchoninsaures Natrium (Atophan).
Über die Einwirkung des Atophans auf die Purinausscheidung
liegen entgegengesetzte Beobachtungen vor. Einerseits die An
gabe von Starkenstein*), der eine Allantoinvermehrung
fand und andererseits von Fromherz?), der wechselndes Ver-
halten erhob.
Versuch 19.
Hündin. Frisches Pferdefleisch.
Datum com N Allant. Bemerkung.
Normaltag 340 6,62 0,56
Versuchstag 275 7,72 0,46 1,5 g Atophan-Na per os
Der Vollständigkeit wegen sei erwähnt, daß F. Bönheim’);
nach einer Reihe von Oxychinolinderivaten starke Allantoin-
zunahmen nachwies. |
L, Pilocarpin.
Über das Pilocarpin liegen literarische Angaben vor, nach
denen dieses die Drüsensekretion und Darmbewegung erregende
Mittel harnsäuresteigernd wirken soll. Nachdem sich heraus-
gestellt hatte, daß 5 mg Pilocarpin subcutan bei einem 9240 g-
Tier zu Erbrechen und dadurch zu Versuchsstörung führt, habe
ich den folgenden Versuch (Versuch 20) mit geringerer Dosis und
im Hunger ausgeführt. Bei Darreichung von 4 mg Pilocarpin
innerhalb 2 Stunden betrug die Allantoinausscheidung 0,746g in
den nächsten 24 Stunden, während in einem homologen Hunger-
versuch an demselben Tiere in entsprechend gleicher Zeit 0,758 g
Allantoin ausgeschieden wurde. Somit liegt auch hier ein nega-
tives Resultat vor.
M. Morphin.
In der Arbeit von Luzzato*) über Natur und Ursachen
der Morphinglucosurie findet sich die Angabe starker Harn-
räuresteigerung nach Morphinzufuhr. Luzzato fand in einer
Vorperiode 0,1053 Harnsäure, in der Hauptperiode nach 1,25 g
Morphin 0,38 und in einer Nachperiode 0,097 g U.
Ich habe mit Rücksicht auf das regelmäßige Erbrechen
1) Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 65, 1911.
2) Diese Zeitschr. 35, 494, 1911.
2) Zeitschr. f. experim. Path. u. Therap. 15, 379, 1914.
4) Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 52, 95, 1905.
Purinstoffwechsel nach Giften. 218
gefütterter Tiere nach Morphindarreichung den Versuch am
hungernden Tier durchgeführt.
dE Versuch 21.
Hund. 7900 g.
: Datum ccm N Allant. D Bemerkung
Normaltag 110 2,526 0,0976 0,007 f com 4°/, Morphin-
Versuchstag 163 2,501 0,1763 0,011 lösung subcutan.
Es ist demnach im Sinne Luzzatos eine deutliche Allantoin-
steigerung zu verzeichnen.
N. Chinin.
Das Chinin gilt unbestrittenermaßen als ein Mittel, um
den Eiweißumsatz zu hemmen [siehe in der älteren Literatur
die Arbeit Prior‘). Es war nun interessant, gegenüber den
bekannten Störungen des Gesamt-N resp. Harnstoffs der Allan-
toinausscheidung nachzugehen.
Versuch 22.
Hund. 6780 g, gefüttert mit getrocknetem Pferdefleisch.
Datum com N Alant. U Bemerkung
Vorperiode pro die 218 7,94 0,38 0
2 Vers.-Tage » „ 216 8,89 0,41 0.02
Nachperiode » , 184 8,75 0,39 0,03
Demnach muß ich das Alkaloid als indifferent in dieser
Richtung bezeichnen. Auch mit dem
O. Colchicin,
das in der Therapie der Gicht eine so groBe Rolle spielt und
dessen Wirkung vielleicht mit dem Purinstoffwechsel direkt gar
keinen Zusammenhang hat, machte ich die gleiche Erfahrung.
In beiden Fällen ist aber die Harnsäuresteigerung beachtenswert.
0,5 g Chinin. hydro-
chloric. subcutan
Versuch 23.
Hund. Frisches Pferdefleisch und Kartoffeln.
Datum Gewicht cem N Allant. U Bemerkung
Normaltag 7300 376 11,81 0,595 0,014[1mgColchicin
1. Versuohstag 7220- 225 13,09 0,467 0/036/1n H,O subcu-
2. n 6200 310 13,35 0,435 0,045 |" Keine be-
sonderen Er-
3. n 1220 335 10,70 0,452 0,023 scheinungen
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 34, 237, 1884.
214 J. Pohl:
IIL Innersekretorisch gebildete Stoffe.
Adrenalin.
Daß den Drüsen mit innerer Sekretion eine bedeutsame
Wirkung auf den Stoffwechsel zukommt, ist für die Schild-
drüse vollkommen sichergestellt. Weniger eingehend untersucht
ist die eigenartige Wirkung der Nebenniere resp. des Adrenalins.
Es ist das Verdienst Faltas?), als erster auf die Veränderung
des Purinstoffwechsels nach Adrenalin hingewiesen zu haben.
Er fand beim Hunde eine gesteigerte Allantoinausfuhr, nicht
aber am Menschen eine homologe Harnsäuresteigerung. Fleisch-
mann und Salecker?) haben die Beobachtungen Faltas
bestätigt und in Einzelheiten erweitert. Wie meine folgenden
Versuche zeigen, ist die Wirkung des Adrenalins keine ganz
gleichmäßige: meist trat eine Harnsáuresteigerung, mitunter
eine Allantoinsteigerung ein.
Versuch 24.
Schwarzer Hund. 250 g frisches Pferdefleischh 150 g
Kartoffeln.
Datum Gewicht cm N Allant. U Bemerkung
Normaltag 9500 510 8,72 0,426 0,006 {3 mg Suprarenin
1. Versuchstag 9500 440 10,05 0,912 0,1345 $ hydrochloric.
2. A 9600 525 9,20 0,534 0,034 |syath. suboutan
Versuch.25.
Dasselbe Tier, nach 4tägiger Pause.
Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkung
Normaltag 9400 418 8,638 0,590 0,027 (3mgSuprarenin
1. Versuchstag 9600 270 8,824 0,675 0,105} hydrochloric.
2. A 9400 556 9785 0,553 0,037 loin, Dpur
Eiweiß. Kein
3. S 9400 432 8,250 0,402 0,016 Trommer.
Versuch 26.
Gelber Hund. Futter wie beim vorhergehenden.
Datum Gewicht com N Allant. U
Normaltag 8000 300 6,258 0,383 0,033
1. Versuchstag 8000 389 6,188 0,548 0,055 3 mg Suprarenin
hydrochlorio.
f; n 8000 335 5,919 0,588 0,025 aboan
1) Zeitschr. f. experim. Path. u. Ther. 15, 356, 1914.
3) Zeitschr. f. klin. Med. 80, 456, 1914.
Purinstoffwechsel nach Giften. 215
Versuch 27.
Dasselbe Tier, nach 4tägiger Pause.
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung
Normaltag 8000 331 8,035 0,639 0,033 ( 3 mg Supra-
1. Versuchstag 8000 380 8,289 0,584 0,047 | "onin wie oben.
2. n 8100 263 8049 — Spur | trommer. Spur
3. n 8200 322 7,330 0,528 0,032 Eiweiß.
Infolge des Resultates des letzten Versuches (keine Allan-
toinvermehrung) habe ich, eine Störung der Harnsäureoxydation
durch das Adrenalin vermutend, folgenden Versuch mit Harn-
säureinjektion nach Adrenalindarreichung angestellt.
Versuch 28.
Gelber Hund (von den Versuchen 26 u. 27).
Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkung
Normaltag 8300 342 8,26 0,593 0,014 |
1. Versuchstag 8300 345 7,58 0,682 0,064 {0,16 g U als Na-Salz
D 8400 322 7,34 0,559 0,012 subcutan
» 8300 335 7,45 0,506 0,022 =
e 8300 360 6,77 0,539 0,0644 E
” 8200 335 7,33 0,443 0;034 Spur Eiweiß.
” 8000 332 7,33 0,307 Spur
Während im Normalversuch am 2. Versuchstage 68°/, der
injizierten Harnsáure als Allantoin ausgeschieden wurden, fällt
bei Kombination Adrenalin plus Harnsäure die erwartete
Allantoinvermehrung aus, ja es besteht ein auffälliges Harn-
säuredefizit in Allantoinform. Da in diesem Falle die Allan-
toinmengen nicht entsprechend der Harnsäurezufuhr gestiegen
waren, so mußte noch der Versuch von gleichzeitiger Allantoin-
und Adrenalinzufuhr durchgeführt werden.
emp yo pe
Versuch 29.
Gelber Hund. Frisches Pferdefleisch, Kartoffeln.
Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkung
1. Versuchstag 8600 405 11,02 0,934 0,0621 3 mg Suprarenin
Normaltag 8800 395 7,90 0,548 0,041 f 0,5 g Allantoin +
subcutan.
2. e 8600 380 9,55 0,486 0,029 | Kam Zucker.
Versuch 30.
Schwarzer Hund. Frisches Pferdefleisch, Kartoffeln,
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung
1. Versuchstag 6600 400 8,31 0,753 0,016) 4drenalinsuboutan, kein
2. » 7000 365 8,77 0,412 0,023 Zuok. Starke Diarrhoen;
Normaltag 7400 285 5,27 0,396 0 k g Allantoin + 3 mg
Gewichtsverl. Absoeß.
216 J. Pohl:
Da also zugeführtes Allantoin zu 77 resp: 71°), ausge-
schieden wurde, so kann der Kombinationsversuch (Harnsäure
plus Adrenalin) wohl nur im Sinne einer Oxydationsstörung und
U-Retention gedeutet werden.
Sodann ging ich zur Frage der Nucleinsäureverarbeitung
unter dem Einfluß des Adrenalins über. Ich vermutete, daß
sich die auf Nucleinsäure an sich eintretende Allantoinver-
mehrung durch Adrenalin nur noch steigern würde.
Die Nucleinsäure (aus Hefe, Präparat von Merck) enthält
laut meiner Analyre 14,71%/, N.
Versuch 31.
Gelber Hund. Zugewogenes Futter.
Datum Gewicht cm N Allant. U Bemerkung
Normaltag 8200 280 8,15 0,324 Spur Bee
1. Versuchstag 8200 304 10,05 0,555 0.094 Fern ohne Eiweiß
subc. Harn ohne Eiweiß
2. » 8100 375 10,08 0,329 0,050
4 Tage später
Normaltag 8300 323 9,23 0,306 0,038 ( 2g Hefenucleinsáure
1. Versuchstag 8400 305 9,53 0,201 0,057 ! + 3 mg Adrenalin
2. ” 8500 332 10,64 0,254 0,048 | subcutan. Eiweiß-
3. » 8500 473 12,75 0,518 0,054 |- heltig.
Es zeigte sich also homolog mit dem U-versuch auch hier
keine Addition der Wirkungen, sondern im zweiten Falle hóch-
stens eine Spätausscheidung vermehrten Allantoins.
Wie energisch die Adrenalin wirkung ist, geht auch aus
nachstehendem Versuch im Hunger hervor.
Versuch 32.
Hund. Dackel. Letztes Futter 18. III, Gewicht am
19. III. 4940 g.
ae Gewicht com N Allant. U Bemerkung
20. . 16. 4500 d
21. III. 16. 4300 ei SS GE j
22. III. 16. 4400 0
23. III. 16. 4160 170
24. III. 16. 4060
25. III. 16. 2000 114 5,535 0,699 0,044
Während sonst im Hunger die Tendenz zum Absinken des
Stickstoffs, Allantoins und der Harnsäure-Werte besteht, sehen
wir hier unter dem Einfluß des Adrenalins das Gegenteil ein-
treten, Ä
Am 22. III. früh 3mg
14,137 0,676 0,006 Adrenalin subcutan.
Purinstoffwechsel nach Giften. 217
Um nun festzustellen, ob durch Vergrößerung der Adre-
nalindosis die Stoffwechselwirkung parallel zunimmt, stellte ich
folgende Versuche an.
Versuch 33.
Hund. Trockenfutter, Wasser nach Belieben.
Datum Gew.g com N Allant. P,O, U Bemerkung
Vortag 7400 855 3,83 0,464 0,69 0,014 Erbält um 10»,
1. Versuchstag 7500 1020 4,23 0,807 0,61 0,059) ! a mg
Ss 7800 788 15,7? 1,173 1,41 0,170| 150 6 mg im
3. j 7700 755 6,1 0,525 0,83 0,005| ganzen.
Der außerordentlich hohe Harnsäurewert am 2. Versuchs-
tage veranlaßte mich zu einer zweiten Bestimmung mit einem
Quantum desselben Harns: wir erhielten einen dem ersten ganz
nahestehenden Wert. Die tadellos aussehenden Krystalle ent-
hielten 33,0%, N, ein Stäubchen derselben gab kräftigste
Murexidreaktion.
Dasselbe Tier dient nach 4 Tagen zu folgendem Versuch
mit 10(!) mg Adrenalin.
Versuch 34.
Datum Gew. g com N Allant. P,O, U Bemerkung
Normaltag 7700 650 2,91 0,501 0,52 0,17 (9%, 11>, 1%, 3, 52
1. Versuchstag 7400 750 4,05 0,665 0,53 Col je 2 mg Adre-
a n» 7500 715 3,26 0,439 0,82 0,005: "elin subout.
3. 2 7600 650 2,97 0,46 0,72 0,018
Die gewaltige Dosis von 1 cg Adrenalin hat also nicht
stärker gewirkt als sonst oft 3 mg.
Beachtenswert erscheint in beiden Versuchen die Phosphor-
säureausscheidung: sie zeigt als Beweis, daß wirklich Nucleo-
proteide oder Nucleine vom Adrenalin angegriffen werden, Zu-
nahmen. Gerade hierin ist ein prinzipieller Unterschied gegen-
über der Atophanwirkung am Menschen gegeben, wo die Phos-
phatausscheidung konstant bleibt.
Läßt sich die Allantoinvermehrung nach Adrenalin allein
nun mit der Einwirkung des letzteren auf den Zucker- resp.
Glykogenbestand vergleichen? Dort wird durch die Erregung
sympathischer Nervenendigungen das Glykogen mechanisch in die
Anfänge der Lymphgefäße gedrängt (Hofmeisters?) Theorie der
1) Hofmeister, Der Kohlenhydratstoffwechsel der Leber. Wien
1913.
218 J. Pohl:
Pigüre). Es wird der Diastase des Blutes überantwortet und als
Zucker ausgeschieden. Hier könnte es sich jetzt um eine Harn-
säureausschwemmung oder Purinabspaltung handeln. Da ich die
Existenz von Harnsäuredepots im normalen Körper (physiolo-
gische Gicht!) für nicht bewiesen halte, so bleibt zur Deutung
des Befundes nur die Vorstellung gesteigerter Spaltung oder
Oxydation von Nucleoproteiden (Nucleosiden und Nucleotiden)
übrig. Daß das zugeführte Adrenalin etwa die Rolle eines
oxydativen Ferments spiele, steht im Gegensatz zu allem,
was wir über die fermentative Leistung des Adrenalins wissen.
Daß das Phänomen etwa indirekt durch eine vom Adrenalin
hervorgerufene Leukocytose bedingt ist, möchte ich aus fol-
gendem Grunde ablehnen: Am Menschen, für den die Adrenalin-
leukocytose nachgewiesen ist, wirkt, wie oben angeführt, das
Adrenalin quoad Harnsäure nicht, und am Tier (Kaninchen) ist
eine nennenswerte Leukocytose nach Imchanitzky?) nicht
vorhanden.
Als weiteres Material für eine spätere endgültige Klarstellung
dieses interessanten Phänomens sei auch nachfolgender Versuch
angeführt. Man könnte sich vorstellen, daß das Adrenalin nicht
direkt, sondern durch Vermittelung einer anderen, den Stoff-
wechsel alterierenden Drüse mit innerer Sekretion wirksam ist,
z. B. der Schilddrise?). Diese letztere Auffassung widerlegt
folgender Versuch an einem Hunde, dem 14 Tage zuvor beide
Schilddrüsen total exstirpiert worden waren. Das Tier bekommt
die letzte Nahrung am 23. II. früh. Gewicht 7600.
Versuch 35.
Gewicht cm N Allant. U Bemerkung
Normaler Hungertag 7100 290 12,80 0,660 0,12
1. Versuchstag 7100 620 11,42 0,847 0.16 3mg Adrenalin
subcutan
somit typische Adrenalinwirkung am schilddrüsenfreien Tiere.
Nachdem in der Literatur die Angabe sich findet, daß
Chlorcalcium die Adrenalin- und Phloridzin-Glykosurie zu hemmen
imstande ist), mußten auch entsprechende Versuche quoad
1) Berlin. Med. Diss. 1911.
2) Ich erinnere an die Mitteilung von L. Asher (Deutsche med.
Wochenschr. 1916, N. 34) mit Angaben über Förderung der Adrenalin-
wirkung durch Schilddrüsensekret.
H Schrank, Maly Jahresber. 1909, S. 1273; Brown, Chem. Centr.
1904, 2, 141.
Purinstoffwechsel nach Giften. | 219
Allantoin resp. Harnsäureausfuhr nach Adrenalin durchgeführt
werden.
Versuch 36.
Hündin. Getrocknetes Pferdefleisch. Kartoffeln.
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung
Normaltag 6380 183 7,00 0,375 0,013
1. Versuchstag 6360 287 6,16 0,463 0,044 3 mg Adrenalin sub-
2 n 6360 215 8,45 0,431 0,020 cutan.
Normaltag 6360 256 8,69 0,397 0,032
3 mg Adrenalin + 1g
CaCl, subcutan.
1. Versuchstag 6380 245 8,69 0,489 0,045
2. ” 6380 298 10,33 0,384 0,050
Während mein Versuch S. 205 und auch eine Anzahl in der
Literatur mitgeteilter dem Chlorcalcium eine Hemmungswirkung
quoad Allantoinausscheidung nachweisen, ergibt sich hier, daß
das Adrenalin diese Störung zu überwinden imstande ist!).
r-Adrenalin,
Um die Differenz der Wirkung, die für l- und d-Adrenalin
von Abderhalden und Müller?) festgestellt worden ist, auch
für Allantoin nachzuprüfen, wurde folgender Versuch ausgeführt.
Versuch 38.
Hund, Frisches Pferdefleisch und Kartoffeln.
Datum Gewicht eem N Allant. U Bemerkung
Normaltag 7200 315 12,52 0,471 0,03
nm 7200 363 11,50 0,497 0,01
1. Versuchstag 7220 553 11,69 0,478 0,05 15 mg d-Suprarenin
2. n 7260 352 12,22 0,460 — (Höchst)
1) Eine Bestätigung vorstehender Versuche am Hunde bringt auch
der Kaninchenversuch 37, der mir nur wegen des am 3. Versuchstage
eingetretenen Todes des Tieres (Bauchfelltuberkulose) nicht unbedingt
zuverlässig zu sein scheint.
Versuch 37.
Kaninchen. Rübenfutter. 8
Datum Gewicht com N Alant. U Bemerkung
1. Normaltag 2700 187
2 S 2700 126 5,997 0,40 0,02
8. ” 2700 190
i oa 2500 1775 #5 028 —
1. Versuchstag 2400 250 3,318 0,34 0.04 2 mg Adrenalin sub-
2. n 2300 225 2,797 0,60 ? cutan.
*) Zeitschr. f. physiol. Chem. 58, 185.
220 J. Pohl:
Trotz Darreichung der dreifachen Menge von d-Adrenalin
gegenüber dem sonst wirksamen l-Adrenalin ist in bezug auf
Allantoin seine vollkommene Indifferenz hiermit sichergestellt.
Es wäre von Bedeutung, den Einfluß der Nebennieren-
rinde auf das beschriebene Adrenalinphänomen kennen zu
lernen. Da es mir nicht gelang, präparativ Nebennierenrinde
frei von Mark zu erhalten, die gewonnenen Extrakte deutlich
blutdrucksteigernd wirkten, so habe ich jenen Bestandteil der
Nebennierenrinde, der vielfach als Antagonist des Adrenalins
besprochen wird, das Cholin gleichzeitig mit Adrenalin ge-
reicht (Versuch 39).
Versuch 39.
Pudel. Trockenfutter, Wasser nach Belieben.
Datum Gew.g cm N Allant. U Bemerkung
1. Versuchstag 7500 580 4,27 0,8261 0,0327 (Höchst) sub-
2. ” 7500 595 4,44 0,8275 0,035! cutan.
Normaltag 7600 603 3,93 0,5482 0,027 (0,1 g Cholin und
1. Versuchstag 7600 725 3,83 0,6348 gel ge EE
2. n 7600 1020 3,97 0,2447 0,026| erteilt).
Die gereichte Cholingabe ist ohne Einfluß auf den Adre-
nalineffekt.
In bezug auf ein weiteres innersekretorisches Produkt, das
Pituglandol resp. Pituitrin sei auf die oben zitierten Ver-
suche von Fleischmann und Salecker verwiesen. Diese
Autoren fanden am purinfrei ernährten Tiere eine geringe Ver-
mehrung des Allantoins, am Hungertier tritt nach einem von
mir angestellten Versuch dieser Allantoinanstieg nicht mehr ein.
Esbesteht somit ein Gegensatz zuobigem Adrenalin-Hungerversuch.
Da in letzter Zeit dem Hypophysensekret hemmende
Kräfte für andere innersekretorische Drüsen zugesprochen
werden?), so wurde noch nachfolgender Versuch ausgeführt.
Normaltag 7600 564 4,16 0,7785 ooa g Cholin
Versuch 39a.
Hund. Trockenfutter, Wasser nach Belieben..
Datum Gew. g ccm N Allant. P,O, U Bemerkung
Normaltag 7500 725 3,19 0,553 0,5 Spur 3 mg Adrenalin
1. Versuchstag 7500 643 3,78 0,524 0,36 0,032] und 3 mg Pitu-
2. n 7500 761 3,37 0,419 0,80 0,0191 glandol subcut.
1) J. Pal, Chem. Centralbl. 2, 669, 1916.
Purinstoffwechsel nach Giften. 221
Die harnsäuretreibende Wirkung des Adrenalins tritt hier
unvermindert auf.
Als wirksamer Bestandteil der Hypophyse wird u. a. das
ß-Imidazolyläthylamin angenommen, und so führte ich
such mit diesem Körper zwei Versuche durch. Es ergab sich
als in der uns hier interessierenden. Stoffwechselrichtung in-
different resp. nicht sicher wirksam.
Versuch 40.
Gelber Hund. Frisches Pferdefleisch und Kartoffeln.
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung
Normaltag 8080 312 11,38 0,386 0,05 ( 6 mg f-Imidazolyl-
1. Versuchstag 8100 505 8,92 0,295 0,03 | äthylaminchlorhy-
2. e 8060 317 6,38 0,372 0,0251 drat subcutan.
nach 6 Tagen
1. Versuchstag 8120 250 10,86 0,345 0,0374 äthylaminchlorhy-
2. » 8140 434 11,28 0,491 0,0178 drat suboutan.
Schilddrüse.
Meine Erfahrungen mit diesem Organ seien nachstehend
geschildert. Versuche über Jodothyrin und Jodothyrin + Na-
triumnucleinicicum haben bereits Fleischmann und Salecker”)
angestellt.
Normaltag 8100 345 10,44 0,402 cl) mg ß-Jmidoazolyl-
Versuch 41.
Hund. 150g frisches Pferdefleisch, 100 g Kartoffeln.
Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkungen
Normaltag 7500 425 10,05 0,640 0,027
n 7400 377 10,44 0,634 0,033
1. Versuchstag 7100 360 13,54 0,583 0,005 14,5 g Schweinsschild-
drüse per os
2. y 7200 285 10,41 0,450 0,015 14,5 g Schweinsschild-
drüse per os
3. n 7600 300 12,12 0,440 0,040
4. ” 7580 375 13,63 0,575 0,036
Versuch 42. |
Dasselbe Tier wie in Versuch 38, nach 14 Tagen.
Datum Gewicht om N Alant. U Bemerkung
Normaltag 7220 235 10,70 0,452 0,023 i
” 7220 313 10,60 0,460 0,031
1. Versuchstag 7240 250 10,73 0.356 0,006 1*£ een
se per 08
2. n 7000 515 11,32 0,526 0,011 14 g Schweinsschild-
drüse per 08
1) L o. 8. 470.
222 J. Pohl:
Schilddrüsensubstanz wirkt nach diesen Erfahrungen min-
dernd auf die Harnsäure- und Allantoinausscheidung; eine Störung
der Harnsäureoxydation unter Schilddrüsensubstanz findet, wie
folgende Versuche lehren, selbst dann statt, wenn die Harnsäure
von außen zugeführt wird. Das Schicksal der injizierten Harn-.
säure bleibt ein Problem für sich.
Versuch 43.
Grauer Hund. 65 g getrocknetes Pferdefleisch, 100 g Kar-
toffeln. |
Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkung
Normaltag 8400 246 6,19 0,558 0
e 8200 297 8,94 0,566 0
1. Versuchstag 8100 332 8,55 0,685 0,022 0,3 g Na-Urat suboutan
(65°/ , als All. wiedergef.)
2. n 7900 341 8,56 0,517 0 (0,3 g Na-Uratsubcutan
3. 3 7900 387 8,61 0,506 — D 13 g Schweinsschild-
4. » 7900 256 5,33 0,319 0,003 drüse per oe
5. n 7900 445 9,66 0,671 0 , i
6. » 7900 513 9,78 0,603 0 138 Schweinsschild-
ge per os
7. j 7900 485 9,02 0,618 0
Versuch 44.
Hund mit getrocknetem Pferdefleisch gefüttert.
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung
Normaltag 6700 247 9,39 0,413 0,031 on
1. Versuchstag 6640 226 8,70 0,531 0,014 1? 8 Sohweinsschild-
rüse per 08
2. n 6700 203 8,57 0,464 0,026 f 14g Schilddrüse per
3. » 6700 215 8,52 0,299 ap) + 0,3 g Na-Urat-
subcutan
4. e 6700 175 8,10 0,455 0,028
b. e 6720 189 8,78 0,460 0,030
Normaltag 6700 240 7,94 0,465 0
1. Versuchstag 6700 269 7,88 0,606 0,014 0,3 g Na-Urat subcutan
a n 6600 196 7,04 0,433 0,016 (7% /o *IsAll. ausgesch.)
Überblicken wir die Resultate vorstehender Versuche, so
stützen sie die Erkenntnis, daß sich der Stickstoff-Stoffwechsel, -
der Eiweißkörperumsatz in zwei voneinander unabhängigen
Formen bewegt. Änderung jener Umsetzungen, deren End-
produkt die Gesamtstickstoffsteigerung, die Harnstoffbildung ist,
sind leicht hervorrufbar. Hingegen ist der Nucleoproteinstoff-
Purinstoffwechsel nach Giften. 223
wechsel, wie er sich durch Harnsäure resp. Allantoinbestimmung
messen läßt, äußerst schwer erregbar, fast stabil zu nennen,
Gegenüber der großen Reihe negativ verlaufender Versuche
seien zum Schluß die positiv ausgefallenen angeführt: Arsenik
(Versuch 7), Blei (Versuch 10), Cyannatrium (Versuch 14),
Brombenzol (Versuch 16, 17), Morphin (Versuch 21), Colchicin
(Versuch 23), Adrenalin (Versuch 24, 25, 26, 32, 33, 34, 35,
36, 39). |
Die harnsäuremindernde Kraft verfütterter Schilddrüsen
bedarf noch weiterer Analyse.
Dabei sind die Resultate gewiß keine abschließenden;
vielfach konnte ich nur einen Versuch durchführen: Wieder-
holung dieser, allerdings recht zeitraubenden Versuche wäre
nur erwünscht.
Für die Mitwirkung an den Versuchen in analytischer
Richtung bin ich Frl. Dr. M. Rawicz zu großem Danke ver-
pflichtet.
Quantitative Bestimmung der Acetonkörper im Harı.
Von
Emil Lenk.
(Eingegangen am 11. Oktober 1916.)
I.
Aceton und Acetessigsäure.
Unter bestimmten Bedingungen treten Acetonkörper im
Harn auf. Unter dieser Bezeichnung fassen wir 3 Substanzen
zusammen:
Aceton . . . . . . . CH,¿+CO-CH,
Acetessigsäure . . . . CH, : CO - CH, -COOH
und
ß-Oxybuttersäure. . . CH, - CH(OH).CH, -COOH
Als Muttersubstanzen sind nach neueren Anschauungen die
Fettsáuren anzusehen, aus denen die Acetonkórper bei unge-
nügender Kohlenhydratverbrennung entstehen.
Aus dem Zuckermangel erklären sich alle Formen der
Ketonurie: Beim Hunger, bei Verengerung der Speiseröhre, bei
Krankheiten mit hohem Fieber usw.; vor allem aber bei der
Zuckerharnruhr und hier besonders dann, wenn der Organismus
sämtliche Kohlenhydrate der Nahrung ungenutzt ausscheidet
und selbst der aus Eiweiß entstandene Zucker den Körper
unverbraucht verläßt. Deshalb läßt sich die nicht-diabe-
tische Ketonurie durch Kohlenhydratzufuhr steuern‘); beim
Diabetiker ist dies jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten
verbunden; jedenfalls ist die Ketonurie der Vorbote für das
Coma diabeticum.
Es erscheint deshalb von großer Wichtigkeit, die täglich
1) von Noorden: Die Zuckerkrankheit. 5. Aufl. 1910. S. 133.
E. Lenk: Bestimmung der Acetonkórper im Harn. 225
ausgeschiedene Menge der Acetonkörper kennen zu lernen. So
hat Messinger!) die Liebensche Jodoformprobe?) zu einer
quantitativen Bestimmung des Acetons ausgearbeitet. Dieselbe
beruht darauf, daß das Aceton des Harndestillates durch eine
alkalisch gemachte Jodlösung in Jodoform verwandelt und das
überschüssige Jod nach dem Ansäuern mit Thiosulfat zurück-
titriert wird:
2 KOH + 2 J =H,0 + KJ + KOJ
CH, : CO - CH, + 3 KOJ =— CH, -CO - CJ, + 3 KOH
CH, : CO - CJ} +- KOH = CH, - COOK + CHJ, |
Bei dieser Methode wird auch das beim Destillieren des Harns
aus der Acetessigsäure entstandene Aceton mitbestimmt (prae-
formiertes + abgespaltenes Aceton). Die beste Beschreibung
dieser Methode findet sich bei Neuberg?).
Seit längerer Zeit sind bereits Methoden bekannt geworden,
nach denen man Aceton und Acetessigsäure derart getrennt
bestimmen kann, daß man zuerst das Gesamtaceton (präfor-
miertes + abgespaltenes), dann das präformierte feststellt
und aus der Differenz die Acetessigsäuremenge berechnet. So
hat Folin*) nach Versuchen von Schwarz’) und Wald-
vogel*) eine später von Stuart Hart’) verbesserte Methode
angegeben, die auf der leichteren Flüchtigkeit des Acetons bei
niederer Temperatur beruht, bei welcher die Acetessigsäure
noch nicht in Aceton und Kohlensäure zerfällt. Auf der-
selben Grundlage basiert die Methode von Embden und
Schliep?).
Bei all diesen Bestimmungen ist aber eine Destillation des
Harns unerläßlich, weil auch im normalen Harn jodbindende, aber
nicht flüchtige Substanzen vorkommen. Es ist auch ausgeschlossen,
eine quantitative Trennung des Acetons und der Acetessigsäure
1) J. Messinger: Ber. d. chem. Ges. 21, 3366, 1888.
7) A. Lieben: Ann. d Chem. u. Pharm. 7, Suppl. 236, 1870.
3) C. Neuberg: Der Harn 1, 302ff., 1911.
4) O. Folin: Journ. of biol. Chem. 3, 177, 1907.
5) L. Schwarz: Arch. f. experim. Path. u. Pharmakol. 40, 168, 1897.
DR Waldvogel: Die Acetonkörper. Stuttgart 1903.
7) P. Stuart Hart: Journ. of biol. Chem. 4, 473 u. 477, 1908.
DO Embden u. L. Schliep: Centralbl. f. d. ges. Physiol. u. Path.
des Stoffwechsels (N.F.) 2, 250 u. 289, 1907.
Biochemische Zeitschrift Band 78. 15
226 E. Lenk:
nach der oben erwähnten Weise zu erzielen. Ich habe es mir
zur Aufgabe gemacht, zur Bestimmung des Acetons und der
Acetessigsäure die Destillation des Harns dadurch zu umgehen,
daß die jodbindenden, nicht Aceton liefernden Substanzen zer-
stört werden. Vor allem mußte besonders darauf Rücksicht
genommen werden, daß auch der Traubenzucker, der ein fast
steter Begleiter der Ketonkörper ist, leicht in Substanzen von
Ketoncharakter zerfällt.
Die normal jodbindenden Harn-Substanzen plus dem Trau-
benzucker wurden auf die verschiedenste Weise zu zerstören
versucht. Am besten hat sich das Kaliumpermanganat in
saurer Lösung bewährt,‘ welches die erwähnten Harnsubstanzen
in nicht mehr jodbindende umwandelt. —
Als Säure wurde zuerst Schwefelsäure genommen. Die
Methode war derart, daß Harn, der jeweils verschiedene Mengen
Traubenzucker enthielt, mit Permanganat in schwefelsaurer
Lösung unter Rückflußkühlung gekocht, dann Oxalsáure bis
zur Entfärbung zugegeben wurde. Schließlich wurde die er-
kaltete Lösung alkalisch gemacht, die Mangansalze abfiltriert
und das Filtrat mit */ ¿-Jodlósung versetzt; nach einer Viertel-
stunde wurde nach dem Ansäuern das ausgeschiedene Jod mit
Thiosulfat zurücktitriert. Niemals war bei entsprechender Menge
von Permanganat Jod verbraucht worden.
Mithin schien die Acetonbestimmung direkt im Harn ausführ-
bar, weil Aceton von Permanganat nicht oder nur schwer ange-
griffen, ja oft mit Permanganat in einer Acetonlösung gearbeitet
wird!) Es stellte sich jedoch heraus, daß die Acetessigsáure
dabei zwar in Aceton glatt übergeht, daß aber das Aceton
selbst, beim Erhitzen der schwefelsauren Lösung zerstört wird,
mag man die Schwefelsäure auch noch so verdünnt nehmen.
Das Aceton wird dabei zum Teil in Mesitylen umgewandelt.
Deshalb wurden die verschiedensten Säuren auf ihre Eigen-
schaft untersucht mit Permanganat: 1. die jodbindenden im
normalen Harn vorkommenden Substanzen + dem Trauben-
zucker zu zerstören, und 2. das Aceton intakt zu lassen. Am
besten hat sich die Essigsäure bewährt.
1) Lassar-Cohn: Arbeitsmethoden für org.-chem. Laboratorien,
Spez. Teil 1049, 1907.
Bestimmung der Acetonkörper im Harn. 227
tl
Dabei konnte eine eigenartige Beobachtung gemacht
werden, die für die Trennung der beiden beschriebenen Aceton-
körper von großer Wichtigkeit ist. Während im allgemeinen
Säuren und Laugen die Acetessigsáure in Aceton und Kohlen-
säure spalten (Ketonspaitung) und nur alkoholische Kalilauge
einen Zerfall der Acctessigsáure in Essigsäure bewirkt (Säure-
«paltung), vermag das Permanganat in essigsaurer Lösung die
Säurespaltung auszulösen. Diese Tatsache wird näher unter-
sucht und in kurzer Zeit darüber berichtet werden.
Zur Darstellung der Acetessigsäure wurde der entsprechende Äthyl-
ester in der Kälte mit Natronlauge verseift, die Lösung mit Kohlensäure
gesättigt, der Ester mit Äther entfernt und die Lösung des acetessig-
sauren Natriums mit verdünnter Schwefelsäure neutralisiert. — Das
Aceton wurde zur Reinigung über Permanganat destilliert.
Die Trennung der Acetessigsiure vom Aceton wird nun
folgendermaßen ausgeführt: Beim Kochen der Lösung der
beiden Acetonkörper mit Oxalsáure wird die Acetessigsäure in
Aceton übergeführt (Gesamtaceton), beim Kochen mit Essig-
säure bleibt das Aceton unberührt, während die Acetessigsäure
in das Acetat der ß-Oxycrotonsäure übergeht.
Kochen mit
Oxalsäure
CH, OO. CH, COOH — > CH, CO. CH, + CO,
Kochen mit 0.00. CH,
Essigsäure
CH, :CO - CH, - COOH —————> CH, : C = CH . COOH
Das Acetat der P-Oxycrotonsáure gibt nicht mehr die gewöhn-
lichen Acetessigsáurereaktionen, spaltet sich aber bei Gegenwart
von Permanganat höchstwahrscheinlich an der Stelle der Doppel-
bindung auf. — Wird die Untersuchung mit Harn ausgeführt,
so werden die normal vorkommenden jodbindenden Substanzen,
sowie der Traubenzucker durch das Permanganat zerstört, das
Aceton jedoch intakt gelassen. Der gebildete Braunstein wird
sodann mit Oxalsáure entfärbt, die Mangansalze werden mit
Natronlauge gefällt und abfiltriert. Im Filtrat wird das Aceton
nach der üblichen Methode als Jodoform bestimmt. Die Ent-
fernung der Mangansalze hat sich als nötig erwiesen, weil sie
ebenfalls Jod binden; die Natronlauge, die zur Fällung dient,
darf nicht zu konzentriert sein.
Praktisch wird diese Methode folgendermaßen ausgeführt:
15*
228 E. Lenk:
I. Bestimmung des präformierten Acetons.
10 ccm Harn werden in einem 250 cem fassenden Erlen-
meyerkolben mit 1 ccm konzentrierter Essigsäure, 50 ccm 2/,-
Permanganatlösung und zur Verhütung des Stoßens mit etwas
Bimsstein versetzt. Die Lösung wird bei Anwendung von guter
Rückflußkühlung (Schlangenkihler) 20 Minuten im Sieden
erhalten, sodann die Flamme entfernt, Oxalsäure bis zur Lösung
des Braunsteins zugesetzt, indem man die Oxalsäure durch den
Rückflußkühler eingießt. Unter Kohlensäureentwicklung löst
sich der Braunstein rasch auf. Der Erlenmeyerkolben wird
in einem Behälter mit kaltem Wasser abgekühlt, wobei
man jedoch den Kolben an dem Rückflußkühler beläßt. Nach
dem Erkalten der Lösung wird der Kolben vom Rückflußkühler
entfernt, Stopfen (Gummi) und Kühler mit destilliertem Wasser
gespült und die Lösung mit ca. 20 ccm einer 20%/,igen Natron-
lauge bis zur deutlichen alkalischen Reaktion versetzt. Nach
dem raschen Absitzen wird das ausgefallene Manganhydroxyd
mit Hilfe eines Faltenfilters abfiltriert, das Filtrat mit 20 ccm
(bzw. mehr) einer "/ ,-Jodlósung versetzt. Nach 10 Minuten
wird mit Salzsäure vorsichtig angesäuert und das überschüssige
Jod mit 2/,,-Natriumthiosulfatlósung, zuletzt unter Zugabe von
etwas Stärkelösung zurücktitriert.
II. Gesamtaceton.
10 ccm Harn werden mit 5 ccm ?/ ¿-Oxalsáurelósung 10 Mi-
nuten unter guter Rückflußkühlung gekocht, sodann mit 1 ccm
konzentrierter Essigsäure, 50 ccm "/ -Permanganatlösung ver-
setzt, indem man die Lösungen durch den Rückflußkühler ein-
gießt. Weiter wird wie bei der Bestimmung des präformierten
Acetons verfahren.
Die 50 ccm ”/,-Permanganatlósung, die zur Oxydation
von 10 ccm Harn dienen, sind so berechnet, daß sie bis zu
einer Anwesenheit von 2,5%/, Traubenzucker genügen. Bei
Mehrgehalt des Harns an Zucker usw. muß die Permanganat-
menge entsprechend erhöht werden. Jedenfalls darf die mit
Permanganat gekochte Lösung nicht völlig entfärbt werden,
d.h. die Lösung muß noch freies Permanganat enthalten. Ist
Bestimmung der Acetonkörper im Harn. 229
dies nicht der Fall, so muß Permanganat, bis zur in der Hitze
deutlich bleibenden Violettfärbung, durch den Rückflußkühler
zugesetzt werden. Es wurde angenommen, was auch Versuche
wiederholt bestätigten, daß 1 Molekül Permanganat in essigsaurer
Lösung 3 Atome Sauerstoff abgibt.
1 ccm verbrauchtes al, „Jod entspricht 0,000967 g Aceton.
Noch einfacher und ebenso genau gestaltet sich
die Methode, wenn man statt 10 ccm 1 ccm Harn zur
Analyse benutzt. Von den verwendeten Lösungen
wird dabei natürlich nur der zehnte Teil genommen.
Die Jodlósung und die Thiosulfatlósung sind ”',,
oder besser Blat
Zum Schlusse sei den Herren cand. chem. Fritz Roß-
teutscher und cand. chem Walther Hahn für ihre Mithilfe
bestens gedankt.
Beleganalysen.
Tabelle I.
Aceton.
| Vorgelegt o Gefunden o
ccm | g g | o 0
a) Verfahren wie bei der Bestimmung des präformierten Acetons.
1 0,000078 0,000076 97,43
OoOo 0.000078 0,000075 96,15
10 0,00078 0,00078 98,59
10 0.000 78 0.000 76 | 97.43
1 0.000 78 0.000 76 97.43
10 0.0078 0,0080 102,56
10 Ä 0,0078 0,0078 100,00
1 0,078 0,076 | 9748
10 | 0,78 0,75 96,15
Lo: 0,78 0,74 987
b) Verfahren wie bei der Gesamtacetonbestimmung.
1 0,000078 0,000074 94,87
10 0,00078 0,00076 97.43
1 0.000778 0,000 78 100.00
10 0.0078 0,0072 92,30
1 0,0078 0,0073 | 93/59
10 0,078 0,076 | 97,48
oOo | 0,078 0,079 | 10128
10 0,78 0,74 94,87
1 0,78 0,77 | 0872
230 E. Lenk: Bestimmung der Acetonkörper im Harn.
Tabelle II.
Acetessigsäure:
Vorgelegt Gefunden
ccm g g vi
a) Verfahren wie bei der Bestimmung des präformierten Acetons.
1 0,0002 0 | 0
10 0,002 0 | 0
1 0,002 0 | 0
10 0,02 0 | 0
1 0,2 0 | 0
10 1 0 | 0
b) Verfahren wie bei der Bestimmung des Gesamtacetons, in Acetessig-
säure umgerechnet.
1 0,0002 0,00017 85
10 0,002 0,0019 95
1 0,0002 0,00021 100,5
10 0.004 0,0038 95
1 0.004 0.0038 95
1 0.006 0.0057 95
10 0.006 0.0058 96,7
1 0.00002 0.000019 95
10 0,008 0.0082 100,25
1 0.01 0.0096 | 96
10 0.01 0.0098 | 98
1 01 0,1004 100,4
10 01 0,1008 100,8
1 0.00001 0.00001 | 100
Tabelle III.
Aceton + Aocetessigsäure im EE Harn
Vorgelegt Gefunden
Aceton >. Acetessigsäure
g 288 g |
1 | 0,02 |0,000078| 0,00001 | 0,000075 | 96,15 | 0,00001 |100
10 | 02 |0,00078 | 0,0001 [0,00076 | 97,43 0,0001 i100
I! 0.02 !0,00078 | 0,00002 | 0,00076 | 97,43 | 0,000019 | 95
10 | 02 10.0078 | 0.0002 [0,0079 [101,28|0/00021 |100,5
1 | 0,05 |0,00078 | 0,004 Loan | 98,72 0,0038 | 95
10 | 05 lo0078 | 004 [000077 | 98,72 0,0039 | 97,5
1 | 0,05 |0,00078 | 0,1 0,00074 | 94,87 0,098 98
10 | 05 ¡0,0078 | 1,0 0,0076 | 97,43; 0,998 99,8
1 | 004 |0078 nm |0079 101,28 | 0,0078 | 97,5
10 | 04 10,78 008 {0770 987210076 | 95
Bemerkungen zu der von Gad-Andresen beschriebenen
„neuen“ Methode zur Bestimmung von Kohlenoxyd
im Blute?).
Von
N. Zuntz.
(Eingegangen am 27. Oktober 1916.)
Die Methode ist in ihren Grundzügen nicht neu, vielmehr
bereits in dieser Zeitschrift 11, 47ff. von mir im Verein mit
J. Plesch beschrieben worden. Wir gingen damals von den
Erfahrungen aus, die auch Herr Gad-Andresen in bezug auf
die Methode von Haldane gemacht hat. Es gelang auch uns
nicht, nach der Haldaneschen Methode exakte Resultate zu
bekommen. Offenbar hängt die Genauigkeit dieser Methode von
Eigenschaften des Auges ab, die nicht allzu verbreitet sind.
Ich habe mich selbst bei Gelegenheit eines Zusammenarbeitens
mit Douglas (Teneriffa-Expedition) überzeugt, daß dieser im
Gegensatz zu mir sehr gute Resultate erhielt.
Als Herr Plesch und ich unsere Methode ausarbeiteten,
waren die Verfeinerungen, die Barcroft inzwischen an seiner
Methode angebracht hat, speziell die Verwendung des sehr
empfindlichen Nelkenöles als Manometerflüssigkeit noch nicht
bekannt. Wir hielten uns außerdem an das Ammoniak zum
Lackigmachen des Blutes gebunden, da wir den Eindruck
hatten, daß Natronlauge unter Umständen tiefgreifendere Zer-
setzungen bewirkt. Diese Gefahr vermeidet Gad-Andresen
dadurch, daß er die Wirkung der Natronlauge mit Saponin-
lösung unterstützt. Bei unserem Verfahren, das an der ange-
gebenen Stelle nachgelesen werden möge, ist ja das Ammoniak
bei der Verbrennung vollkommen ausgeschlossen, weil wir die
D Diese Zeitschr. 74, 357.
232 N. Zuntz: Bemerkungen.
Zerstörung der Blutkörperchen in einem besonderen Behälter
vornehmen, aus dem dann nur das entwickelte Gas unter
Zwischenschaltung einer Schwefelsäurepipette zur Absorption
des Ammoniaks in den Verbrennungsapparat eingeleitet wird.
Die von Gad-Andresen befürchte Verbrennung von Ammo-
niakdampf wird durch diese Maßregel ausgeschlossen. Ander-
seits haben wir nachgewiesen, daß beim Glühen etwas Stick-
stoff der Luft verbrennt. Dieser Fehler wirkt bei unserer An-
ordnung nicht auf das Resultat, weil ja in beiden Birnen das
Glühen gleich stark und gleich lang erfolgt. Wir haben uns
durch besondere Versuche überzeugt, daß Glühen der Luft
allein, ohne daß brennbares Kohlenoxyd darin vorhanden ist,
den Stand der Manometer nicht verändert.
Insofern erscheint unsere Methode nicht ganz so voll-
kommen wie die von Gad-Andresen, als wir beim Versuch
nicht zugleich die Absorptionsfähigkeit des Blutes für Sauer-
stoff bestimmen. Wir haben aber diese stets in einem beson-
deren Versuch ermittelt, indem wir eine Portion des Blutes
vollständig mit Kohlenoxyd sättigten, dann dieses austrieben
und zur Verbrennung brachten und so die gesamte Kohlen-
oxydkapazität des Blutes ermittelten.
Die Resultate, die mit unserer Methode beim Menschen
gewonnen wurden, sind in der Abhandlung von Plesch: „Hä-
modynamische Studien“ t) klinisch verwertet.
Nachschrift;
Durch die Freundlichkeit des Herrn Geheimrat Zuntz mit
obenstehender Notiz bekannt gemacht, bedauere ich sehr, die
betreffende Abhandlung von Zuntz und Plesch übersehen zu
haben und gestehe bereitwilligst zu, daß die Priorität für die
Kombination der Barcroftschen Blutgasbestimmung mit Ver-
brennung des Kohlenoxyds den genannten Autoren unbedingt zu-
komme.
R. L. Gad-Andresen.
1) Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 6, 380.
Hornalbumose als teilweiser Ersatz von Fleischeiweiß
beim Hunde.
Von
Carl Neuberg.
Die im folgenden mitgeteilten Versuche sind vor 10 Jahren
ausgeführt; ihre Veröffentlichung ist damals unterblieben, da
das angestrebte Ziel eines vollständigen Ersatzes von Nahrungs-
eiweiß durch schwach hydrolysiertes Horn nicht erreicht wer-
den konnte.
Durch den praktisch so bedeutsamen Vorschlag von
N. Zuntz'), den Leim durch Zugabe der ihm fehlenden Eiweiß-
bausteine in Form von Hornsubstanz zu ergänzen und so dieses
unvollständige Protein zu einem in ernährungsphysiologischer
Hinsicht vollwertigen Futtereiweiß zu machen, hat jeder Bei-
trag zur Frage nach der Ausnützbarkeit von Horn Interesse
erlangt.
Die verwendete Hornalbumose war folgendermaßen, zum
Teil fabrikmäßig, gewonnen. Äußerst fein zerkleinertes käuf-
liches Hornmehl wurde unter mechanischer Rührung in die
10fache Menge 40° warmer 40°/ iger Schwefelsäure eingetragen.
Der erhaltene gleichmäßige Brei wurde dann im Brutschrank
aufbewahrt, bis fast vollständige Lösung erfolgt wär. Dann
wurde ohne Rücksicht auf noch vorhandene feste Partikel die
Schwefelsäure unter Kühlung mit Barytwasser ausgefállt. Der
entstandene Niederschlag von Bariumsulfat entfärbte zugleich
die tiefbraune Flüssigkeit. Das neutralisierte Gemisch wurde
dann aufgekocht, worauf das Bariumsulfat leicht filtrierbar
wurde. Der zurückgebliebene Niederschlag wurde wieder in
1) N. Zuntz, Ersatzfuttermittel. Nachrichten aus dem Klub der
Landwirte 1916, Nr. 597.
234 C. Neuberg:
heißem Wasser suspendiert, abfiltriert und gründlich aus-
gewaschen. Die vereinigten klaren Filtrate, die von Spuren
in Lösung befindlichen Bariums durch H,SO, befreit werden
müssen, wurden dann. im Vakuum eingeengt und mit Alkohol
gefällt. Der erhaltene Niederschlag wird abfiltriert, ausgewaschen
und nach dem Trocknen abermals in Wasser gelöst und mit
Alkohol wieder ausgefállt. Bei richtig gelungener Ausführung
bildet die Hornalbumose ein gelbes, sandiges-Pulver, das nicht
hygroskopisch und völlig luftbeständig ist. Sie löst sich in
Wasser mit schwach saurer Reaktion und zeigt alle Farben-
reaktionen des ursprünglichen Keratins; der Stickstoffgehalt
war = 15,33].
Obgleich in der Hornsubstanz alle wichtigen Aminosäuren
als Bausteine vertreten sind — vielleicht mit Ausnahme des
Tryptophans, das nicht als Spaltprodukt isoliert, sondern nur
mittels Farbenreaktionen nachgewiesen ist, und des Phenyl-
alanins, das nicht aus sämtlichen Hornsorten abgeschieden werden
konnte!) —, gelang es, wie erwähnt, selbst bei Zulage von
Tryptophan und Phenylalanin nicht, mit reichlichen Mengen des
Gemisches sowie mit Speck beim Hunde Stickstoffgleichgewicht
zu erzielen. Nach den Versuchen?) von O. Loewy, V. Hen-
riques und C. Hansen sowie von E. Abderhalden und
seinen Mitarbeitern ist es aber möglich, sogar mit vollständig
abgebautem Eiweiß, sowohl mit enzymatisch verdautem als
durch Säurehydrolyse zerlegtem, Tiere zu ernähren und im
Stickstoffgleichgewicht zu erhalten. Der Mißerfolg mit den
Keratinalbumosen kann auch nicht der chemischen Zusammen-
setzung des Gemisches, einem Mangel an bestimmten Bau-
steinen, zur Last gelegt werden, sondern er hat einen äußer-
lichen Grund: die Unverträglichkeit der Albumose infolge ihrer
Durchfall erregenden Wirkung.
Der Stoffwechselversuch zeigt dementsprechend, daß bei
— —
1) Nach E. Fischer und Th. Dörpinghaus (Zeitschr. f. physiol.
Chem. 36, 462, 1902) findet sich Phenylalanin reichlich unter den hydro-
Jytischen Spaltungsprodukten des Rinderhorns; nach E. Abderhalden
und H G. Wells (ebenda 46, 91, 1905) ist es nicht mit Sicherheit aus
Pferdehaaren darstellbar.
2) Literatur siehe bei O. v. Fürth, Probleme der phvsiol. u. pathol.
Chem. 2, S. 63 u. ff.
Hornalbumose als teilweiser Ersatz von Fleischeiweiß beim Hunde. 235
teilweisem Ersatz von Nahrungseiweiß (Pferdefleisch) durch
. Hornalbumose nicht nur Stickstoffgleichgewicht, sondern auch
eine allerdings mäßige Gewichtszunahme erreicht werden kann.
Rund 30°/, des dargereichten Stickstoffs konnten als Horn-
albumose verabfolgt werden. Dieser Wert stellt die Grenze
dar, die durch die abführende, im allgemeinen Albumosen-
charakter gelegene Wirkung gezogen war.
Das Keratin, das durch den VerhornungsprozeB aus den
EiweiBkórpern des Tierleibes hervorgeht und das gewisser-
maßen die Merkmale eines Exkrets besitzt, ist wegen seiner
Unlöslichkeit in den Verdauungssäften für Ernährungszwecke
ungeeignet. Nur die Motte und verwandte Tiere sind imstande,
Hornsubstanz auszunutzen. Wenn aber durch eine Vorbehand-
lung die zufällige Unangreifbarkeit des Keratins beseitigt und
dasselbe den Stoffwechselfermenten zugänglich gemacht ist,
kann auch das Horn wieder in den Kreis der Nährstoffe zu-
rückkehren.
Die
Versuche
ergaben, soweit sie mit Hornalbumose als alleiniger Stickstofi-
quelle angestellt worden waren, nur Mißerfolge. Ein Versuchs-
tier verweigerte das Futter, ein aus angebratenem Speck,
Stärke und Albumose bestehendes Gemisch, auch nach Würzung
mit Salz und Fleischextrakt. Ein anderer Hund nahm das-
selbe, bekam aber nach kurzer Zeit Durchfälle, die auch durch
gleichzeitige Verabfolgung von Tannin nicht gestillt werden
konnten.
Die Versuche gliederten sich, wie üblich, in eine Vor-
periode, Hauptperiode und Nachperiode. Angeführt sei ein
gut gelungener Versuch, bei dem rund ?/,, des Nahrungs-
stickstoffs durch Hornalbumose ersetzt werden konnten.
Zu den Versuchen diente eine Hündin, deren Anfangs-
gewicht 9,93 kg betrug. Die tägliche Nahrung des Tieres in
der Vorperiode bestand aus:
BO g Speck . . . . (N-Gehalt = 0,202%/,) = 0,101 g N,
280 g Pferdefleisch . ( » = 3,400%/,) = 9,520 g N,
insgesamt 9,621 g N.
Zur 24stündigen Nahrung wurden 2 g Kochsalz gefügt. Das
Tier erbielt täglich nach Belieben frisches Wasser.
236 C. Neuberg:
Wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist, befand sich
die Hündin bei dieser Nahrung angenähert im Stickstoffgleich-
gewicht. Das Tier war für derartige Versuche besonders des-
halb geeignet, weil es in der erwähnten Weise ohne Darreichung
von Kohlenhydraten ernährt werden konnte und gegen die
abführende Wirkung der Albumose unempfindlich war.
In der Hauptperiode hatte die tägliche Nahrung folgende
Zusammensetzung:
50 g Speck. . . . (N-Gehalt = 0,202°/,) = 0,101 g N,
190 g Pferdefleisch .( » == 3,400%/,) = 6,460 g N,
20 g Hornalbumose ( » — 15,330%/,) = 3,066 g N,
insgesamt 9,627 g N.
Die Darreichung dieser Nahrung gelang am besten, wenn
die Hornalbumose mit dem gehackten Pferdefleisch innig ge-
mischt und zu einem deutschen Beefsteak geformt war, das
mit dem verabfolgten Speck leicht angebraten wurde.
In der Nachperiode hatte die tágliche Nahrung wieder
dieselbe Zusammensetzung wie im Zeitraum des Vorversuchs.
Aus den tabellarischen Übersichten ergibt sich, daß die
N-Bilanz, die in der Vorperiode ein ganz geringes Defizit auf-
wies, in der Hauptperiode positiv wurde, und diese positive
Bilanz blieb auch in der Nachperiode bestehen. Den mit-
geteilten Daten ist zugleich zu entnehmen, daß durch die
Zugabe von Hornalbumose keine Verschlechterung in der
Resorption des verabfolgten Gesamtnahrungsstickstofís einge-
treten ist.
Urin
Menge IN-Gehalt
Faeces
Menge N-Gehalt
ccm g
Vorperiode:
1. Tag - — =- -— -
2. n 9,621 -— — 310 8,862
S. » 9,621 24,5 0,928 325 9,735
(mit Knochenasche
und Kieselgur)
4. » 9,621 5,8 0,273 420 9,380
A. D 9,2
6. y 12,3
Er 939 |
|
Hornalbumose als teilweiser Ersatz von Fleischeiweiß beim Hunde.
Hauptperiode:
8. Tag 9,88 9,627 — 360
H » 9,93 9,627 ; 0,737 200
(mit Knochenasche
und Kieselgur)
10. » 9,91 9,627 BE — 210
11. a 10,10 9,527 11,8 0,634 285
12. » 10,12 9,627 12,6 0,923 215
13. e 10,10 9,627 — =- 170
14. » 10,26 9,627 12,0 1,112 185
15. n 10,21 9,627 — — 295
16. » 10,18 9,627 — — 225
on 12,6 0,702 190
Insgesamt | 4,108
Nachperiode:
18. Tag 20,6 225
(mit Knochenasche
und Kieselgur)
19. » — 270
20. » — 205
21. » 11,5 185
22. » 5,9 235
23. » —
24. » 6,3
237
8,924
10,011
8,940
9,036
8,920
8,890
8,865
9,100
9,062
9,140
| 90,888
Über den Verlauf der alkoholischen Gärung
bei alkalischer Reaktion. I.
Zellfreie Gärung in alkalischen Lösungen.
Von
Carl Neuberg und Eduard Färber.
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie,
Chemische Abteilung, in Berlin-Dahlem.)
Die Vergärung der Brenztraubensäure durch das Enzym
Carboxylase, die verschiedenartigen Beziehungen dieses Fer-
ments zu dem Gesamtkomplex der Zymase und nicht am
wenigsten die glatte Bildung von Kohlendioxyd und Äthyl-
alkohol (über primär entstandenen Acetaldehyd) beim Zerfall
der Brenztraubensäure weisen eindringlich darauf hin, daß unter
den 3-Kohlenstoffverbindungen die Stoffe zu suchen sind, an
denen sich der wirklich charakteristische Gärungsvorgang ab-
spielt. Dieser besteht eben in letzter Linie in der Zerreißung
der Kohlenstofikette unter gleichzeitiger Bildung je eines Kör-
pers der 1- und der 2-Kohlenstoffreihe. Diese späten Phasen
des Gäraktes können als weitgehend geklärt gelten; der Fest-
stellung harren noch die früheren Abbaustufen. Wie wieder-
holt auseinandergesetzt worden ist, bleibt es für das eigentliche
Gärungsproblem gleichgültig, ob die Zucker der 3-Kohlenstofi-
reihe, der Glycerinaldehyd und das Dioxyaceton, an sich gären,
oder ob sie zuvor erst in Hexosen zurückverwandelt werden
müssen. Eine vorübergehende Entstehung der Hexosediphos-
phorsäure besagt ebenfalls für diesen Teil der Gärungsfrage
nichts, sondern stellt noch eine neue Komplikation des Vor-
ganges dar, solange die Vorfragen nicht geklärt sind, welche Ver-
bindung nach Loslösung der beiden Phosphorsäuremoleküle
eigentlich zerfällt, und ob denn überhaupt bei einer normalen
Gärung — mit lebender Hefe — stets der Zuckerphosphorsäure-
ester entsteht, dessen Bildung doch nur bei ungewöhnlich hohen
Phosphatkonzentrationen und unter unnatürlichen Bedingungen
C. Neuberg u. E. Färber: Verl. d. alkohol. Gärung bei alkal. Rk. I. 239
beobachtet werden konnte. Ganz hiermit in Übereinstimmung
ließe sich weiter gegen die Bedeutung des Hexosephosphates als
zwangsläufiger Zwischenphase anführen, daß es von lebender
Hefe weder gespalten noch vergoren werden kann.
Wenn es auch nicht erforderlich erscheinen mag, jedes
Zwischenprodukt der alkoholischen Gärung in Substanz zu
fassen, so sind doch alle Versuche nach dieser Richtung hin
wünschenswert, da jedes positive Ergebnis naturgemäß einen
wesentlichen Fortschritt bedeutet. Zwei Wege erscheinen gang-
bar, um zu intermediären Gliedern des Zuckerabbaus zu ge-
langen. Erstens kann man versuchen, durch entsprechende
Zusätze ein Zwischenprodukt zu binden und es so der nor-
malen weiteren Umwandlung zu entziehen. Zweitens besteht
die Möglichkeit, durch geeignete Veränderungen der Reaktion
die Bildung neuer, ihrer Herkunft nach eindeutiger Umwand-
lungsprodukte zu erzwingen.
Da in der Stufenfolge der Zuckerabbauprodukte bis zur
Brenztraubensäure herab alle Glieder wahrscheinlich Gebilde
mit sehr reaktionsfähigen Carbonylgruppen darstellen dürften,
so ist bei der ähnlichen Struktur des Ausgangsmaterials (Aldose
oder Ketose) von vornherein die Aussicht gering, Reagenzien
zu finden, die nur die Abbauerzeugnisse abfangen, ohne schon
durch Bindung an das Ausgangsprodukt dessen Vergärung zu
verhindern. Aus diesem Grunde kommen z. B. Substanzen wie
Hydroxylamin oder Hydrazinbasen usw. nicht in Betracht).
Auf dem zweiten genannten Wege eröffnen sich etwa die
beiden Möglichkeiten, die Reaktion des Gärguts durch Säuren
oder durch Alkalien zu verändern. Die erste von ihnen ist
dadurch begrenzt, daß die Zymase nur bis zu einer gewissen,
nicht sehr verschiebbaren Aciditätshöhe ihre Wirkung ausübt.
Zwar tritt alkoholische Gärung noch bei Zusatz größerer Mengen
bestimmter natürlicher Pflanzensäuren (wie Milchsäure, Äpfel-
1) A. Fernbach und M. Schoen (Compt. rend. de l’Aoad. 157,
1478, 1913) haben angegeben, daß sich durch Zusatz von Calciumcarbonat
die intermediär entstehende Brenztraubensäure bei der Vergärung von
Zucker durch Champagnehefe in größeren Mengen abfangen ließe. Leider
ist uns eine Verwirklichung dieses Versuches mit deutschen Hefen bisher
nicht gelungen, und jene Behauptung muß zunächst auch befremdlich
erscheinen, da Calciumpyruvinat erstens löslich und zweitens selbst wei-
ter vergärbar ist.
240 C. Neuberg und E. Färber:
säure, Brenztraubensäure u. dgl.) ein. Aber hierbei handelt es
sich offenbar um eine Anpassung der Hefen, die somit den
normalen Ablauf des Gäraktes gewährleisten wird.
Aussichtsreicher erschienen die Versuche, die Vergärung
in alkalischer Lösung sich abspielen zu lassen, und
zwar aus mehreren Gründen. Gerade unter dem Einflusse von
Alkalien vollziehen sich jene eigentümlichen Übergänge von
Zuckern der 6-Kohlenstoffreihe zu Substanzen mit drei Kohlen-
stoffatomen in Moleküle. Die Umwandlung der Hexosen in
Milchsäure, Acetol und Methylglyoxal gehören hierher. Für
- den Vorgang der Methylglyoxalbildung aus den Zuckerarten
haben C. Neuberg und W. Oertel!) sowie C. Neuberg und
B. Rewald?) in eingehenden Vorstudien zu der Frage des Zucker-
umsatzes in alkalischen Lösungen zeigen können, daß hierzu
keineswegs die Einwirkung starken Alkalis nötig ist, sondern
daß schon schwächer alkalisch reagierende Substanzen, wie die
Phosphate, Borate, Sulfite, Bicarbonate und Carbonate der Al-
kalien ausreichen. Ein Schritt weiter nach dieser Richtung
geschah durch die Feststellung?), daß die Zymase gegen alka-
lisch reagierende Substanzen ersichtlich beständiger ist, als man
früher angenommen hatte. So zeigte der eine von uns?), daß
z. B. Hefemacerationssäfte eine viertelstündige Digestion mit der
Hälfte ihres Volumens an al, ROU bei 37° vertragen, ohne daß
die darin enthaltene Zymase oder Carboxylase wesentlich be-
einträchtigt werden; auch ein Zusatz von organischen Basen, wie
z. B. von Pyridin, erwies sich in beträchtlicher Höhe als móglich?).
Ganz gelegentlich und zu anderen Zwecken sind wohl auch
sonst alkalische Zusätze bei Gärungen vorgenommen worden. So
erwähnt Th. Bokorny‘), daß ein Zusatz von 0,1 bis 0,5%/, Natron-
lauge (das entspricht einer Konzentration der Mischung von 0,025
bis 0,125 molekular) die Gärung schädige; ähnliche Angaben
machen Ch. Knoesel’) und W. Henneberg’). E. Buchner
und H. Haehn’) zeigten, daß eine hinreichende Alkalimenge
3 1) C. Neuberg und W. Oertel, diese Zeitschr. 55, 495, 1913.
*) C. Neuberg und B. Rewald, diese Zeitschr. 71, 144, 1915.
2 C. Neuberg, diese Zeitschr. 71, 51 u. 57, 1915.
*) Th. Bokorny, angeführt nach Hägglund, zit. s. S. 241.
5) Ch. Knoesel, Chem. Centr. 1902, I, 884 u. 1065.
6) W. Henneberg, Chem. Centr. 1906, II, 1777.
7) E. Buchner und H. Haehn, diese Zeitschr. 19, 203, 1909.
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 241
das Koferment der Zymase zerstört, und fanden dement-
sprechend für Hefepreßsaft bei einem Gehalte von 0,85°/, Ka-
liumcarbonat (= 0,06 m) noch unveránderte Gárkraft, die bei
1,7°/, (50,12 m) und 2,5°/, (= 0,18 m) Kaliumcarbonat dagegen
nicht entfernt mehr die normale Höhe erreicht. Wie wir im
folgenden zeigen werden, läßt sich auch mit so starken und
noch größeren Konzentrationen an Kaliumcarbonat vollständige
Vergärung erzielen. Das gelingt, wenn man das Alkali nicht
von vornherein zugibt, sondern erst nach dem Beginne der Gä-
rung. Die Beachtung dieses Umstandes, der der Aufmerksamkeit
der früheren Beobachter entgangen ist, hat sich von ausschlag-
gebender Wichtigkeit erwiesen. E. Hägglund!), der die Zucker-
gärung durch lebende Hefe in Gegenwart von Natronlauge und
Kaliumcarbonat untersuchte, hat nur ganz niedrige Konzentra-
tionen der Basen angewendet, im Höchstfalle 0,048 n. Dabei
fand er eine zunächst sehr erhebliche Verzögerung der Gärung,
nach 120 Stunden aber, am Ende des Versuches, keinen wesent-
lichen Unterschied in der gespaltenen Gesamtzuckermenge, da
die Alkoholausbeute praktisch die normale war.
‚Diese bisher vorliegenden Angaben sind, wieauch Hägglund
(1. c.) betont, außerordentlich spärlich, und ihre Erweiterung
erscheint wünschenswert nicht nur von den einleitend erwähnten
Gesichtspunkten aus, sondern auch zur Klärung der Frage, in
welchem Umfange überhaupt die Gärung in alkalischen Lösungen
möglich ist. Denn bisher gilt es als ausgemacht und
als eine Grundregel des praktischen Brennerei- und
Brauereibetriebes, daß die Hefe nur bei saurer Reaktion
richtig wirkt; das Optimum der Acidität liegt bei einer Wasser-
stoffionenkonzentration von 4.107% bis 2-107*.
Das Streben der Hefe nach einem sauren Milieu
geht sogar so weit, daß sie sich nach den Feststellungen von
Liiers*) eine natürliche Acidität schafft, die ungefähr einer
Wasserstoffionennormalität von 1,86-1073 entspricht. Dabei
kann die Acidität während einer 160stündigen Gärdauer auf
das etwa 550fache des Anfangswertes steigen! Diese sich
hiermit offenbarende, recht beträchtliche normale Säurebildung
1) E. Hägglund, Sammi. chem. u. chem.-techn. Vortr. Bd. 21,
Sonderabdruck, 1914; dort auch die Literatur.
2) Liers, Zeitschr. f. d. Ges. Brauw. 37, 79, 1914; Chem. Centr.
1914, I, 1101.
Biochemische Zeitschrift Band 78. 16
949 C. Neuberg und E. Färber:
vollzieht die Hefe nach Lúers auf Kosten des vorhandenen
gärfähigen Zuckers.
Falls nun diese Säureproduktion der Hefe mit der Tätigkeit
der Zymase, d. h. mit dem Zuckerabbau, ursächlich verknüpft
ist, so kann man von dem Zusatz alkalisch reagierender
Stoffe eine Einwirkung auf den Gárakt erwarten, die
etwa dem Einflusse vergleichbar wáre, den die Entfernung eines
Reaktionsproduktes auf den Ablauf einer Umsetzung auszuüben
vermag. In dem hier vorliegenden besonderen Falle eines bio-
logischen Vorganges muß man natürlich damit rechnen, daß
die anwendbare Hydroxylionenkonzentration eine gewisse Stärke
nicht überschreiten darf.
Die Bestimmung dieser Grenzen der anwendbaren
Alkalikonzentration war erforderlich, bevor wir an die
eigentliche Aufgabe herantreten konnten, etwaige Änderungen
im Verlaufe der Gärung unter dem Einflusse der Alkalien fest-
zustellen. Zu diesem Zwecke prüften wir die Einwirkung ver-
schiedenartiger alkalisch reagierender Stoffe und ihre Wirkung
‚bei wechselnden Konzentrationen. Die Verwendung von stär-
keren Ätzlaugen war — abgesehen von ihrer Giftigkeit für die
lebenden Hefezellen — deswegen überflüssig, weil ja im Ver-
laufe der Gärung durch die entwickelte Kohlensäure Carbonate
entstehen müssen, Wir wählten diejenigen alkalisch rea-
gierenden Stoffe, die auch die vorerwähnte chemische
Umwandlung der Hexosen in Methylglyoxal zuwege
bringen, nämlich 'Carbonat bzw. Bicarbonat, Borat, Sulfit
und dreibasisches Phosphat*). Diese Substanzen sollen nach-
stehend als Alkalisatoren bezeichnet werden. Sie wurden in
Form folgender Salze angewendet: Kalium- und Natrium-
carbonat, Trikaliumphosphat, Kalium- und Natrium-
sulfit und Kaliummetaborat. Um zunächst die Beein-
flussung der lebenden Substanz auszuschließen, haben wir die
Alkalisatoren auf rein enzymatische Gäransätze ein-
wirken lassen, auf Macerationssäfte von Trockenhefen ver-
schiedenen Alters, die mit Rohrzucker, Traubenzucker und
gelegentlich auch Fruchtzucker versetzt waren.
1) Wir benutzten letzteres und nicht das gleichfalls alkalisch, rea-
gierende Dialkaliphosphat, da dieses ja bekanntlich ganz andere Wir-
kungen entfaltet.
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 243
Á
Uneere anfangs einander widersprechenden Ergebnisse fanden
ihre Erklärung, als wir erkannten, daB der Zeitpunkt des
Alkalisatorzusatzes von wesentlicher Bedeutung für
den Vorgang ist. Es besteht ein erheblicher Unterschied im
Verhalten der von vornherein gleichzeitig mit Zucker und Al-
kalisator versetzten Zymaselósungen und dem Verhalten solcher
Proben, die erst nach Beginn der normalen Gärung mit den
alkalischen Substanzen beschickt wurden. Durchgehends wird,
wenn die Hefemacerationssäfte mit Zucker und sofort
mit Alkalisator versetzt werden, weit weniger von
letzteren vertragen, als wenn die Zugabe erst nach dem
Einsetzen der deutlichen Kohlensäureentwicklung ge-
schieht. Letztere tritt nun bekanntlich bei den Macerationssäften
nicht unmittelbar, sondern nach einer Einwirkungsdauer ein, die
mit der Natur der Hefe schwankt und wohl unter anderen von
der vorhandenen Menge Enzyms und Koferments abhängt.
Die drei untersuchten Zucker verhalten sich nach dieser
Richtung gleich. Dabei ist es bemerkenswert, daß der Rohr-
zucker überhauptin den alkalischen Lösungen vergoren
wird. Dieser Umstand besagt zugleich, daß — wohl auch ent-
gegen theoretischen Voraussetzungen — die Invertase trotz
der erheblichen Konzentration an Hydroxylionen in
Wirksamkeit tritt.
Das durchaus verschiedene Verhalten der nicht angegorenen
und der vorbehandelten Hefesäfte ist nicht durch das vor-
erwähnte Bestreben der Hefe bedingt, sich eine gewisse Eigen-
acidität zu schaffen; denn die verwendeten Mengen Alkali sind
zu groß und die Inkubationszeiten zu kurz, als daß jener natür-
liche Ausgleich eintreten könnte.
Einen wichtigen Anhalt für einen Erklärungsversuch wird
folgende Erscheinung gewähren können. Versetzt man den ge-
zuckerten, noch nicht gärenden Macerationssaft mit der gärungs-
hemmenden Alkalisatormenge — sie liegt (siehe die Tabellen
S. 257, 258 u. 259) bei einem Gehalte der Gäransätze, der rund
einer 0,1 molekularen Lösung entspricht —, so entsteht ein
Niederschlag, der sich in Form eines weißen bis gelblichen
schweren Pulvers ziemlich schnell zu Boden senkt. In den
angegorenen Säften bleibt dieser Niederschlag selbst bei den
hier vertragenen viel höheren Alkalisatorkonzentrationen (siehe
16*
244 C. Neuberg und E. Färber:
Tabellen S. 257 bis 259), z. B. 0,2 bis 0,3 m, aus oder tritt
nur schwach auf, wenn man sich dem Hemmungswerte des
Alkalisators nähert. Die Menge des Niederschlags hängt von
der Höhe des Alkalisatorzusatzes ab. Ist er groß genug und
demnach der Niederschlag reichlich, so unterbleibt jede Gärung;
genügt er nicht zu einer Fällung von bestimmter Stärke, so tritt
mehr oder minder kräftige Gärung ein. Das Gesagte trifft für
die Alkalisatoren Natrium- und Kaliumcarbonat, Trikalium-
phosphat sowie Kaliummetaborat zu. Bei den Sulfiten liegen
die Verhältnisse bezüglich der Inkubationszeit, die den Saft
auch hier gegen höhere Konzentrationen an schwefligsaurem
Salz widerstandsfähig macht, ganz ebenso; die anwendbaren
Mengen von Sulfit sind geringer und zur Bildung eines
entsprechenden Niederschlages kommt es nicht, sondern erst
bei hohem, den Hemmungswert weit übersteigendem Sulfit-
gehalte entsteht eine geringe krystallinische Ausscheidung.
Der durch Pottasche oder Soda erzeugte Niederschlag be-
steht hauptsächlich aus Ammonium-Magnesiumphosphat und
Calciumphosphat. Calcium- und Magnesiumsalze gehen als Be-
standteile der Hefezellen natürlich in den Macerationssaft über;
das Ammoniak entstammt Ammoniumsalzen, die wohl größten-
teils erst bei der Bereitung des Saftes durch eine Autolyse
entstehen.
Läßt man also vor Zusatz der genannten Alkalisatoren
zum gezuckerten Saft eine gewisse Zeit verstreichen, so gehen
offenbar die bei sofortiger Zugabe niedergeschlagenen Salze in
einen nicht mehr fällbaren Zustand über. Nun kennt man
wohl eine nicht direkt fällbare Form, in die Phosphate bei der
Gärung verwandelt werden können und die nach Harden und
Young für den Eintritt der Gärung von wesentlicher Bedeu-
tung ist: die Hexosediphosphorsäure; ihr Calcium- und Magne-
siumsalz ist in der Tat verhältnismäßig löslich. Dennoch ist
es nicht wahrscheinlich, daß eine Bildung von Hexosediphos-
phorsäure und eine Behinderung ihrer Entstehung bei früh-
zeitigem Alkalisatorzusatz von erheblicher Bedeutung für die
beschriebenen Erscheinungen sind. Zunächst einmal kann nám-
lich das auf Zusatz von Alkalisatoren ausfallende Phosphat-
gemisch nur einen kleinen Teil der vorhandenen Phosphationen
aus der Lösung entfernen, da nach der Analyse (s. S. 250 u. 251)
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 245
die Menge des vorhandenen Calciums und Alagnesiums viel zu
gering im Vergleich mit der PO,-Quantitát ist. Dann ist zu
beachten, daß bei Sulfitzusätzen ja überhaupt keine Phosphat-
fällungen erzeugt werden. Fügt man schließlich den Gärungs-
ansätzen neue Phosphationen hinzu — entweder durch die Zu-
gabe von Trikaliumphosphat zum gezuckerten Safte oder in Form
von Monokaliumphosphat in den Fällen, wo von vornherein
Kaliumcarbonat in der gärungshemmenden Konzentration an-
gewendet worden war —, so bleibt die Gärung trotzdem weiter
aus. Ebensowenig vermag der nachträgliche Zusatz von reinem
hexosediphosphorsaurem Kalium oder Calcium zu erreichen, was
die Angärung zuwege bringt. Dagegen kann durch Zugabe von
freier Phosphorsäure oder Milchsäure zu dem vom Niederschlage
der Phosphate getrübten oder auch davon abfiltrierten Gemische
des gezuckerten Saftes mit Alkalisator die Gärung wieder ent-
facht werden, selbst dann, wenn rechnungsmäßig noch so viel
Kaliumcarbonat unneutralisiert bleibt, als in den nicht ange-
gorenen Säften die Gärung verhindert.
Daraus folgt, daß der Zusatz von alkalisch reagie-
renden Stoffen die Gärung in doppelter Weise beein-
flußt. Einmal handelt es sich um eine allgemeine
Gärungshemmung, die von der OH-Ionenkonzentration
abhängt. Dieses Verhalten ist ohne weiteres verständ-
lich. Daneben besteht aber eine Einwirkung des Al-
kalis auf die Vorgänge, die sich bei der Gärung vor
dem Beginn des Freiwerdens von Kohlendioxyd ab-
spielen. Diese vorbereitenden Stufen des Zuckerzer-
falls unterliegen, wenn sie einmal eingeleitet sind,
keiner Beeinträchtigung durch den nachträglichen
Zusatz der gleichen, sonst hemmenden Alkalimenge.
Diese Erscheinung, derzufolge angegorene Ansätze viel höhere
OH-Ionenkonzentrationen ertragen, kann zunächst nur fest-
gestellt, aber nicht erklärt werden.
Um den Einfluß der Alkalisatoren auf die Gärung zahlen-
mäßig zu belegen, haben wir die Menge des entwickelten Kohlen-
dioxyds ermittelt, obwohl diesem Verfahren unzweifelhaft gerade
wegen der Gegenwart alkalischer Stoffe Mängel anhaften. Aber
für Vergleichszwecke schien die Methode doch die brauchbarste
zu sein, und jede andere begegnet ebenfalls berechtigten Ein-
246 C. Neuberg und E. Färber:
wánden: Gegen eine polarimetrische Verfolgung der Vorgánge
z. B. spricht schon das Bedenken, daß sich die Drehung der
Zucker in der alkalischen Lösung ändern kann. Einer Be-
stimmung aus dem gebildeten Alkohol steht die Tatsache ent-
gegen, daß der quantitative Verlauf der alkoholischen Gärung
in alkalischer Lösung eine Verschiebung erfährt, worüber in
einer späteren Abhandlung berichtet werden soll. Eine rein
chemische Zerstörung des Zuckers brauchten wir nicht zu be-
rücksichtigen, da die Alkalimengen immerhin so niedrig sind,
daß sie in dieser Richtung bei der eingehaltenen Temperatur
(Zimmertemperatur) und innerhalb der Versuchsdauer kaum
wirken dürften; vielmehr beruhen, wie später ausführlich ge-
zeigt werden wird, die eintretenden Abänderungen der Gärungs-
produkte auf einer spezifischen Wandlung in den Leistungen
der Hefe bei alkalischem Medium. Sie bestehen in einer ver-
minderten Produktion von Alkohol, einer vermehrten
Erzeugung von Aldehyd, in einer sehr beträchtlichen
Steigerung der Glycerinmenge und in der Bildung eines
neuen alkoholischen Gärproduktes aus der 3-Koblen-
stoffreihe, des Trimethylenglykols.
Die eingehaltene Anordnung der Versuche war im großen
und ganzen die folgende: In einer gemessenen Menge von
Hefesaft wurde der betreffende Zucker gelöst und der zu
prüfende Alkalisator in Form einer Lösung bestimmten Ge-
haltes hinzugefügt. Zum Vergleich diente eine ebenso stark
gezuckerte Saftprobe, die in dem der Alkalisatormenge ent-
sprechenden Verhältnis mit Wasser verdünnt war. Dabei war
immer durch besonders reichliche Zugaben von Toluol, nämlich
von 10°/,, dem Eintritt von Fäulnis wirksam vorgebeugt. Die
Selbstgärung war bei den von uns verwendeten Macerations-
säften in Übereinstimmung mit früheren Erfahrungen!) stets
völlig oder praktisch gleich Null. Die Messungen des gebildeten
Kohlendioxyds geschahen alle in Eudiometern über Quecksilber.
Die Kohlensäureentwickelung war nach 3 Tagen beendet; die
Versuche wurden dann abgebrochen. Die in Gegenwart der
Alkalisatoren freigewordenen Kohlensäuremengen waren, wie zu
erwarten stand, geringer als bei den reinen Zuckerlösungen.
1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 51, 139, 1913 und 71, 96, 1915.
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 247
Wieviel Kohlendioxyd durch den vorhandenen Alkalisator ge-
bunden wird, läßt sich schwer in genaue Rechnung stellen, und
bei zellfreier Gärung bleibt auch trotz völligen Verschwindens des
Zuckers in den (ohne alkalischen Zusatz) normal vergorenen
Proben die entwickelte Kohlensäuremenge bekanntlich aus ver-
schiedenen Gründen hinter der theoretischen zurück. Der vor-
her erwähnte Niederschlag, den man in den Röhren über dem
Quecksilber schweben sieht, darf nicht verwechselt werden mit
jener Ausscheidung, die auch bei gewöhnlichen Hefesaftgärungen
nach längerer Zeit auftritt.
Bei den Ansätzen mit voraufgegangener Angärung ließen
wir den frisch gezuckerten Saft bei Zimmertemperatur stehen,
bis eine deutliche regelmäßige Kohlensäureentwicklung auftrat.
Davon wurde dann eine bestimmte Menge schnell abpipettiert
und mit der Alkalisatorlösung sowie mit Toluol versetzt. Diese
vorbehandelten Säfte bleiben dann bis zu relativ hohen Kon-
zentrationen der Alkalisatoren völlig klar.
Bei der Hauptgruppe der Alkalisatoren, der mit Ausnahme
der Sulfite alle genannten angehören, liegen — mit gewissen
physiologischen Schwankungen natürlich — die gärungshemmen-
den Konzentrationen ziemlich regelmäßig bei einem Gehalte
des Gärgutes von 0,1 bis 0,2 m, wenn keine Vorgärung erfolgt
war; die angegorenen Säfte vertrugen dagegen Alkalisatormengen
bis zu einem Gehalte der Mischung von 0,25 bis 0,3 m, in
einigen Fällen auch 0,35 m. Damit ist die Durchführung des
Gäraktes bei Alkalinitäten erreicht, deren Stärke den höchsten
früher versuchten, aber als völlig gärungshemmend befundenen
Wert erheblich übersteigt.
Benuzt man dagegen die neutralen schwefligsauren Salze
der Alkalien als Alkalisatoren, so liegt die vertragene Konzen-
trationsgrenze weit niedriger, nämlich für die nicht angegorenen
Säfte zwischen 0,01 “und 0,02 m, bei vorbehandelten zwischen
0,04 und 0,05 m-Sulfit. Ein spezifischer Einfluß der Alkalisulfite
zeigt sich also hierin wie auch in dem schon oben erwähnten
Ausbleiben einer Fällung in den Säften.
Zur Beurteilung dieser Verhältnisse, über die weiter zu be-
richten wir uns vorbehalten möchten, ist der Umstand wichtig, daB
während und am Schlusse der Gärungen die Reaktion gegen Lack-
mus alkalisch ist und der Zucker vollständig umgesetzt werden kann.
248 C. Neuberg und E. Färber:
Somit läßt sich zeigen, daß zellfreie alkoholische
Gärung in recht stark alkalischen Lösungen möglich
ist. Für die Vergärung alkalischer Zuckerlösungen
durch lebende Hefen liegen, wie wir schon jetzt er-
wähnen wollen, die Verhältnisse prinzipiell ebenso.
Experimentelles,
Alle Versuche wurden bei einer um 20° herum liegenden
Zimmertemperatur ausgeführt und erstreckten sich auf 72 Stunden.
Die Macerationssäfte wurden aus verschiedenen Proben von
Trockenhefe hergestellt, die den Jahren 1914 bis 1916 ent-
stammten. Die Säfte wurden stets frisch, am häufigsten aus
100 g Trockenhefe, durch 2*/ stündige Digestion mit dem drei-
fachen Volumen Wasser bei 37° und nachherige Filtration be-
reitet. Mit den so erhaltenen Säften wurden immer mehrere
Versuche gleichzeitig angestellt.
Eine solche Versuchsreihe gestaltete sich z. B. folgender-
maßen bei Anwendung von Kaliumcarbonat:
5.0 g reinster feingepulverter Traubenzucker wurden im
Saft auf 90,0 ccm rasch gelöst; 5 mal je 9,0 ccm dieser Lösung
wurden dann sofort abpipettiert und in Eudiometerröhren ge-
geben, die mit Quecksilber so weit gefüllt waren, daß noch
etwa 12 ccm freiblieben. Nun wurde unter Schütteln je 1,0 ccm
folgender Flüssigkeiten hinzugegeben: In Rohr 1: Wasser; in 2:
1 m-Kaliumcarbonat; in 3: 2 m-K,CO,; in 4: 3 m-K,CO, und
in 5: 4m-K,CO,. Nach Zugabe von 1,0 ccm Toluol wurden
darauf die Röhren mit Quecksilber vollständig aufgefüllt und
mit der Mündung unter Quecksilber umgekehrt befestigt.
Die verbliebenen 45 ccm des gezuckerten Saftes wurden
bei Zimmertemperatur belassen, bis eine regelmäßige Bläschen-
entwicklung begann. In vier wie oben mit Quecksilber beschickte
Eudiometer wurden dann rasch je 9,0 ccm der gärenden Mischung
gegeben und nunmehr entsprechend hinzugefügt je 1,0 ccm der
Kaliumcarbonatlösungen von folgenden Konzentrationen: 6. 1 m-
K,CO,; 7. 2 m-K,CO,; 8. 3 m-K,CO, und 9. 4 m-K,CO,. Die
weitere Behandlung geschah wie bei den ersten Róhren: Zugabe von
Toluol, Auffüllen mit Quecksilber und Einbringen unter dieses.
Die Gärungen verliefen somit bei einem Unterdruck, der
am Anfang natürlich am größten war; von?/, bis 1/, Atmosphäre
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 249
stieg der Druck bei fortschreitender Gärung bis auf etwa 50 bis
100 mm unter Luftdruck. Am Schlusse der Gärung wurde das
Bestehen einer alkalischen Reaktion gegen Lackmus festgestellt,
in einigen Fällen auch während der Gärung an einem mit ein-
geführten Streifchen Reagenzpapier. Das Gärgut nahm meist eine
dunkelgelbe Farbe an. Bei keinem der Ansätze beobachteten wir
eine Graublaufärbung, wie sie von Buchner und Haehn bei
Zusatz von Kaliumcarbonat zum Hefepreßsaft festgestellt ist?).
Diese Verfärbung (Eisensulfid?) beruht wohl auf zufälligen Bestand-
teilen der Hefen; wir sahen sie gelegentlich bei ähnlichen Ver-
suchen mit bestimmten lebenden Hefen auftreten.
Nach drei Tagen war die Kohlensäureentwicklung in den
gärenden Proben beendet. Der Stand des Flüssigkeitsmeniskus
wurde markiert, die Höhe der Quecksilbersäule gemessen, nach
vorsichtiger Entleerung des Quecksilbers die Saftmischung auf-
bewahrt und das angezeichnete Volumen durch Eingießen von
Wasser ausgewertet. Im folgenden werden nur die auf den
Normalzustand bezogenen Volumina der Kohlensäure ange-
geben. Für die Umrechnung wurde der Wasserdampfdruck
halb so groß wie der von reinem Wasser angesetzt. Die hieraus
entspringenden Fehler sind unvermeidlich, da der Dampfdruck
solcher toluolhaltigen Saftmischungen natürlich nicht bekannt
ist; sie dürften aber für das Endresultat ganz belanglos sein.
Die aus den Eudiometern entleerten Mischungen wurden
mit Essigsäure angesáuert, auf dem Wasserbade erhitzt und
nach der Filtration von den koagulierten Eiweißstoffen mit
Mercuriacetat versetzt, um noch gelöste stickstoffhaltige Sub-
stanzen zu entfernen, welche die Zuckerproben stören. Der
Überschuß des Quecksilbersalzes wurde durch Schwefelwasser-
stoff und dieser durch Erwärmen auf dem Wasserbade entfernt.
Nunmehr konnte mit Fehlingscher Lösung geprüft werden.
Mit diesem Verfahren gelingt es, den störenden Einfluß zu
beseitigen, welchen die durch proteolytische Vorgänge aus dem
Hefeeiweiß erzeugten stickstoffhaltigen Spaltungsprodukte auf
die Ausscheidung des Kupferoxyduls sonst?) ausüben. Daß
essigsaures Quecksilberoxyd ein besonders gutes Fällungsmittel
1) Diese Zeitschr. 19, 191, 1909.
2) Siehe Buchner, Zymasegärung, S. 211 und 212.
250 C. Neuberg und E. Färber:
für Eiweißabbauprodukte darstellt, wurde früher gezeigt*), und
dieser Umstand ist seither vielfach zur Reinigung von Zucker-
lösungen benutzt worden. Im vorliegenden Fall erprobten wir
die Brauchbarkeit durch folgende Kontrollversuche:
Proben verschiedener Macerationssáfte zu je 10,0 ccm
wurden unter Zusatz von Toluol einer 3tägigen Selbstverdauung
bei 37° überlassen. Die in der angegebenen Weise mit Essig-
säure aufgekochten, filtrierten, dann mit Mercuriacetat gefällten
und wieder entquecksilberten Flüssigkeiten zeigten nach Kon-
zentration auf 10 ccm kein Reduktionsvermögen. Solches trat
sofort äußerst stark ein, wenn 0,005 g Traubenzucker zugesetzt
waren. Den auf Zugabe von Fehlingscher Mischung und etwas
Lauge in der Kälte entstehenden flockigen Niederschlag (Hefen-
gummi?) filtriert man zweckmäßig vorher ab. Jedenfalls ge-
lingt es so sehr scharf, eine Zuckermenge nachzuweisen, die
den */¡pp Teil der bei den Gärungsansätzen ursprünglich vor-
handenen beträgt.
I. Untersuchung der Macerationssäfte.
a) Analyse.
Der Macerationssaft aus Trockenhefe vom Juli 1916 vom
spezifischen Gewichte 1,050 zeigte (nach der Kjeldahl-Methode
ermittelt) einen Gehalt von 1,40 9/, N.
1,051 g Saft gaben ein Destillat, das 10,5 cem */,,-H,S0,
verbrauchte (= 0,0147 g N).
E. Buchner sowie A. Harden fanden für HefepreBsaft
recht ähnliche Werte °).
Wegen der S. 244 erörterten Beziehungen zwischen den
durch Alkalisatoren erzeugten Niederschlägen und den vorhan-
denen Mengen an Calcium-, Magnesium- und Phosphationen
wurden diese Bestandteile des Saftes ebenfalls bestimmt:
Direkt fällbares Phosphat:
(Fällung mit Magnesiamischung in der Kälte und Reinigung
des Niederschlags über die Molybdänverbindung.)
1. 10,471 g Saft geben 0,1733 g Mg,P,O..
2. 10,500 g Saft geben 0,1748 g Mg,P,O..
PA: 1. 1,06 %/,; 2. 1,06 Die
1) C.Neuberg, diese Zeitschr. 24, 429, 1910; 87, 142, 1911; ferner
Neuberg „Der Harn“, Handb. S. 328, 331 u. 333.
2) Zymasegärung, S. 75; Chem. Centralbl. 1906. I. 257.
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 251
Gesamt-Phosphate:
Nach Zerstörung der organischen Substanz geben 10,600 g
Saft 0,1855 g Mg,P,O..
10,18%.
E. Buchner und H. Haehn') geben für den P,O,-Gehalt
der Hefesäfte um 1,0 °/, schwankende Zahlen an.
Calcium und Magnesium:
10,500 g Saft geben 0,0122 g CaO und 0,0275 g Mg,P,O.
Ca — 0,09 %/,, Mg = 0,06 DA
b) Untersuchungen auf Selbstgärung.
9,0 cem der Säfte wurden mit 1,0 ccm Wasser und 1,0 ccm
Toluol 72 Stunden in Eudiometern über Quecksilber aufbewahrt.
Die entwickelte Kohlensäuremenge betrug nur Bruchteile von
Kubikzentimetern oder war völlig Null.
c) Vergärung von Zuckern.
9,0 ccm der Macerationssäfte, die je 0,5 g des Zuckers ent-
hielten, wurden nach Zusatz von 1,0 ccm Wasser und 1,0 ccm
Toluol drei Tage lang in Eudiometern belassen.
|
Hefe vom Zucker | EEN
gef. | ber
A IN Rohrzucker 102,4 | 131,2
ege: UE os Traubenzucker 1003 | 1247
Januar 3910 = A e Traubenzucker 101,6 124,7
sanuar ADS + ur E Fruchtzucker | 109,2 124,7
JOOST ION ¿aaa Ze AN Rohrzucker | 108,0 131,2
MATE TITO u aa Traubenzucker 108,5 124,7
SÉ EK 7 8 AE ER Traubenzucker | 111,0 124,7
Am Ende der Gárungen war kein Zucker mehr vorhanden.
Die Säfte aus Hefen jüngeren Datums entwickelten etwas mehr
Kohlensäure als die aus älteren; doch blieb auch bei jenen der
gemessene Wert hinter dem berechneten um mehr als 10°/,
zurück. In allen als Stichproben untersuchten Fällen war hier
wie im folgenden das gebildete Gas durch Kalilauge restlos
absorbierbar, also reines Kohlendioxyd.
Die Säfte dieser Hefen, die demnach eine gute Gärkraft
aufwiesen, dienten zu den nachstehend beschriebenen Versuchen
mit Alkalisatoren-Zusätzen.
1) Diese Zeitschrift 27, 421, 1910.
252 C. Neuberg und E. Färber:
II. Vergärung von Zucker durch Macerationssäfte bei
Gegenwart von Kaliumearbonat.
A. Nichtangegorene gezuckerte Säfte.
1. Konzentration desK,CO, in der Mischung: 0,08 m.
9,0 ccm eines Saftes aus Hefe vom Juli 1916, die 0,5 g
reinen Traubenzucker enthielten, wurden mit 1,0 ccm 0,8 m-
K,CO, - Lösung und 1,0 ccm Toluol versetzt. Allmählich trat
eine deutliche Trübung ein. Nach etwa 1*/, Stunden begann
die Kohlendioxydentwicklung. Ein Streifchen roter Lackmus-
papier, das mit der Mischung in das Rohr gegeben worden
war, blieb schwach blau. Insgesamt wurden nach vollständiger
Umsetzung des Zuckers in 3 Tagen 95,0 cem Kohlendioxyd
entwickelt. Auch die vergorene Mischung reagierte deutlich
alkalisch.
2. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,10 m.
a) 9,0 ccm desselben Saftes mit dem gleichen Gehalte von
0,5 g Traubenzucker gaben bei Hinzufügung von 1,0 ccm
1 m-Kaliumcarbonatlósung und 1,0 ccm Toluol stärkere Trü-
bung, dann einen allmählich sich absetzenden Niederschlag. Es
trat keine Vergärung ein, und Zucker war beim Abbrechen des
Versuches nach 72 Stunden reichlich vorhanden. Die Reaktion
blieb ständig alkalisch.
b) undc) Aus Hefe vom März 1916 hergestellter Saft ent-
wickelte ebenso wie ein solcher aus Hefe vom Januar 1915
unter im übrigen genau den gleichen Bedingungen wie eben
übereinstimmend 88,0 cem CO,.
d) Bei Anwendung von Hefe vom April 1914 und Ver-
wendung von 0,5 g Rohrzucker in 9,0 ccm das Saftes wurden
98,3 com CO, erhalten. Zucker war am Schlusse in keinem
dieser Fälle durch Fehlingsche Lösung nachweisbar, auch nicht
im Rohrzuckerversuch, weder unmittelbar, noch nach voran-
gegangener Behandlung mit kochender Salzsäure.
3. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,15 m.
a) 9,0 ccm eines aus Hefe vom März 1916 hergestellten
Saftes, die 0,5 g Traubenzucker enthielten, wurden mit
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 253
1,0 ccm 1,5 m-K,CO, und 1,0 ccm Toluol versetzt: Geringer
Niederschlag; 86,3 ccm CO,; kein Zucker am Ende der Gärung.
b) Der Saft aus der Hefe vom Januar 1915 entwickelte
bei ganz gleichen Bedingungen kein Kohlendioxyd und enthielt
reichlich unveränderten Zucker.
4. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,2 m.
Wurden zu 9,0 ccm von Säften verschiedener Abstammung
je 1,0 ccm 2m-K,CO, gesetzt und Toluol wie oben hinzu-
gefügt, so lieferte nur der aus Hefe vom April 1914 er-
haltene Saft mit Rohrzucker in 3 Tagen 79,0 ccm CO, unter
vollständiger Umsetzung der Saccharose, während alle anderen
erwähnten Hefensäfte weder mit Traubenzucker noch mit
Fructose oder Rohrzucker Kohlendioxydentwicklung zeigten
und dementsprechend unvergarenen Zucker enthielten.
5. Höhere K,CO,-Konzentrationen.
Bei Zusatz von 1,0 ccm 2,5 m- bis 4 m-K,CO, traten mit
der Alkalikonzentration zunehmende Niederschlagsmengen auf,
bei den hóchsten Konzentrationen erfolgte Gelatinierung; nie-
mals kam es zur Gárung.
B. Angegorene gezuckerte Säfte.
Voraus sei bemerkt, daß bei den Angárungen nicht genau
bestimmte Mengen Kohlendioxyd verloren gingen.
1. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,1 m.
9,0 ccm Saft aus Hefe vom Januar 1915 mit 0,5 g
Traubenzucker, 1,0 ccm 1m-K,CO, und 1,0 ccm Toluol
entwickelten bei vollständiger Umsetzung des Zuckers innerhalb
3 Tagen 84,2 ccm CO, Die Lösung war klar und trübte
sich höchstens in demselben Maße beim Fortschreiten der
Gärung, wie es ein nur mit Wasser in der angegebenen Menge
verdünnter gezuckerter Saft bei Aufbewahrung tut.
2. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,15 m.
Bei Zugabe von 1,0ccm 1,5 m-K,CO, zu 9,0 eem des- *
selben, mit Traubenzucker und Toluol wie üblich versetzten
Saftes wurden 81,8 ccm CO, frei unter ganz gleichen Begleit-
erscheinungen wie unter 1.
254 C. Neuberg und E. Färber:
3. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,2 m.
Die Mischungen wiesen bei dieser Alkalimenge bald eine
schwache Trübung auf, die sich allmählich verstärkte. Während
bei dieser Alkalikonzentration nicht angegorene Macerations-
säfte nur ganz ausnahmsweise gären, tritt in den vorbehandel-
ten Säften regelmäßig die Gärung ein.
Je 9,0 ccm Saft aus Hefe vom Januar 1915, die 0,5g
Traubenzucker enthielten, entwickelten nach Zugabe von
1,0 ccm 2 m-K,CO, 66,3 bzw. 68,0 cem CO,. Der Zucker war
vollständig umgesetzt, so daß der große Unterschied zwischen
der gemessenen und der berechneten Menge CO, auf der Bin-
dung als Bicarbonat beruhen muß.
Derselbe Saft ergab bei gleicher Alkalisatormenge mit
0,5 g Fructose 59,7 ccm CO,*). Bei Anwendung von 0,5 g
Rohrzucker wurden 82,2 ccm CO, in Freiheit gesetzt. Ein
Saft aus Hefe vom April 1914 lieferte mit 0,5 g Rohrzucker
sogar 100,5 ccm CO.
4. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,25 m.
9,0 ccm 0,5 g Traubenzucker enthaltender Saft aus Hefe
vom Juli 1916 wurden mit 1,0 ccm 2,5 m-K,CO, und 1,0 ccm
Toluol versetzt: 58,8 ccm CO, entwickelt; kein Zucker am
Ende nachweisbar.
5. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,3 m.
Die eben erwähnte Hefe vom Juli 1916 lieferte einen
Saft, der bei dieser Konzentration an Kaliumcarbonat Trauben-
zucker nicht mehr vergor; die Mischung enthielt von Anfang
an einen starken Niederschlag.
Der Saft aus Hefe vom März 1916 vergor dagegen
den Traubenzucker vollständig unter Entwicklung von
65,4 ccm CO,.
Die Macerationssáfte aus Hefe vom Januar 1915 vergoren
zwar Traubenzucker bei dieser Alkalisatormenge nicht, wohl
aber Fruchtzucker, mit dem einmal 24,5, ein anderes Mal
1) Bemerkenswert ist, daß die Fructose im Vergleich zu Trauben-
und Robrzucker hier deutlich schwächer vergoren ist, während jene
normalerweise sogar leichter, mindestens aber ebenso vollständig wie
Glucose durch Zymase gespalten wird.
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 255
37,5 ccm CO, entwickelt wurden. Dabei fiel am Ende des
Versuches die Zuckerreaktion noch schwach positiv aus. Aus
Rohrzucker entstanden einmal 60,7 ccm, ein anderes Mal
42,3 ccm CO, bei vollständigem Verschwinden des Zuckers.
Auch die Hefe vom April 1914 lieferte einen Saft, der
Rohrzucker vollständig vergor und dabei 71,1 ccm CO, aus
0,5 g Saccharose in Freiheit setzte.
Die Zugabe von 1,0 eem 3 m-K,CO, zu 9,0 ccm ge-
zuckertem Saft vermochte also in manchen Fällen die Ver-
gärung des Traubenzuckers zu verhindern, nicht aber die von
Fructose und von Rohrzucker.
6. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,35 m
und 0,4 m.
Allein die Hefe vom März 1916 gab einen Macerations-
saft, der Traubenzucker bei einem Gehalt an Kaliumcarbonat
von 0,35 m noch vollständig vergor unter Entbindung von
60,4 ccm CO,. Die anderen Hefensäfte büßten dagegen ihr
Gärvermögen bei dieser hohen Alkalisatorkonzentration ein, und
bei 0,4 m-K,CO, war es auch bei dem ersterwähnten aktivsten
Hefensaft erloschen.
C. Versuche zur Wiederherstellung des Gärvermögens von
nicht vorbehandelten Hefensäften, die durch Zusatz von
Kaliumcarbonat unwirksam gemacht sind.
Zu den folgenden Versuchen wurde Saft der Trockenhefe
vom Januar 1915 verwendet, der bei dem Gehalte an 5,0 g
Traubenzucker auf 90,0 ccm Macerationssaft und nach Zusatz
von 10,0 cem 3 m-K,CO,-Lósung nicht mehr gor.
å 1. Zugabe von Monokaliumphosphat.
Zu 18,0 ccm des Gemisches, das klar von dem durch das
Kaliumcarbonat erzeugten Niederschlage abfiltriert war, wurden
2,0 ccm 2 m-KH,PO,-Lösung gegeben. Es trat keine Gárung ein.
2. Zugabe von Säuren.
Während bei den unter C1 angegebenen Verhältnissen
weder die PO,-Ionen noch die Acidität des Monophosphats die
Gärungsbehinderung von seiten des Kaliumcarbonats aufzuheben
256 C. Neuberg und E. Färber:
vermögen, gelang dieses durch Säuren. Da die starken Mineral-
säuren (Salz- und Schwefelsäure z. B.) in der verwendbaren
Konzentration eine kräftige Ausflockung von Eiweißkörpern in
den Saftgemischen hervorriefen, wurden die Phosphorsäure und
die Milchsäure benutzt, die ein in dieser Beziehung viel
günstigeres Ergebnis lieferten, indem sie keine Fällung, sondern
nur eine Trübung verursachten. Für dieses Verhalten ist wohl
auch maßgebend, daß eine aussalzende Wirkung durch das
gebildete Phosphat und Lactat sich nicht so geltend macht
wie diejenige, die das entstandene Kaliumsulfat bzw. Kalium-
chlorid ausüben.
Je 9,0 ccm des mit 0,5 g Traubenzucker und 1,0 ccm
3 m-K,CO, ohne Angärung versetzten Saftes wurden ge-
mischt mit
a) 12,0ccm Wasser: es erfolgte keine Gärung,
b) 6,0 » n-Milchsäure + 6,0 cem Wasser: entw.87,0ccm CO,,
c) 6,0 » n-Phosphorsäure+ 6.0 » n 2n 642 sa CO,
d) 12,0 » n-Phosphorsäure: n»n 63,5 » CO,
Die gleichen Versuche wurden mit ebenso alkalisierten,
aber von der entstandenen Fällung abfiltrierten Gemischen an-
gestellt. Zu 9,0 ccm klarem Filtrat wurden gefügt:
e) 12,0ccm Wasser: es erfolgte keine Gärung,
f) 6,0 » n-Milchsäure + 6,0 ccm Wasser: entw.67,6ccm CO,,
g) 12,0 » n-Phosphorsäure: entw. 83,3 cem CO,.
Diese Versuche zeigen die Wiederherstellbarkeit des Gä-
rungsvermögens durch hinzugefügte Milchsäure oder Phosphor-
säure. Die mit Milchsäure versetzten Lösungen reagierten
gegen Lackmuspapier schwach sauer, die mit nur 6,0 ccm
n-Phosphorsäure schwach alkalisch, die mit 12,0 cem n-Phos-
phorsäure sauer.
3. Zugabe von Lösungen hexosediphosphorsaurer Salze.
Zu 9,0 ccm eines in bezug auf Kaliumcarbonat 0,3fach
molekularen Zucker-Saftgemisches wurde die Lösung von 0,2 g
Calciumhexosediphosphat in 2,0 com 2/,-HCl gegeben. Die
Gärung blieb aus.
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 257
Aus 0,3 g reinem Bariumhexosediphosphat wurde durch
Verrühren mit der berechneten Menge Schwefelsäure und Neu-
tralisation des Filtrates durch n-K,CO, eine Lösung von Kalium-
hexosediphosphat (4 ccm) hergestellt und zu 9,0 ccm gezuckerten
Saftes gegeben, die mit 1,0 ccm 3 m-K,CO, alkalisiert waren?).
Auch hier trat keine Gárung ein.
Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien Gá-
rungen in Anwesenheit von Kaliumcarbonat ent-
wickelten Mengen Kohlendioxyd.
a) Ohne Angárung:
Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 cem K,¿CO,-
Lósung von der Konzentration
9,0 ccm Saft
Hefe vom | nihalten 0,5 g
April 1914 | Rohrzucker | — 179,0
Jan. 1915 |Traubenzucker — | egol o : o
März 1916 — 1880 | 863 : 0
Juli 1916 » 950 | 0 y —= i —
ß) Nach Angárung:
PP EE mn ne -a = Bees e — — See
Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 cem K,CO,-
Lösung von der Konzentration
0 |1m/1,5m]| 2m |25m| 3m |3,5m
9,0 com Saft
enthalten 0,5g
April 1914
Jan. 1915 84,281,810 683% —
b) 68,0
a) 24,5 °)
a) 60,72)
Jan. 1915 b) 423 —
März 1916
Juli 1916
IH. Vergärung von Zucker durch Macerationssäfte bei Gegen-
wart von Natriumcarbonat.
Bei diesen Versuchen wurde ganz den vorstehend beschrie-
benen Pottascheansätzen entsprechend verfahren. Auf je 9,0 ccm
1) Der Gesamtgehalt an Alkali war also hier 0,22m, d.h. eine
Konzentration, bei der nur die angegorenen, nicht aber die unvorbe-
handelten Säfte giren.
2) Die Doppelversuche zeigen, daß bei der Angärung, wie S. 253
bereits erwähnt, Verluste an CO, eintreten; sie schwanken je nach der
Zeit, die vom Beginne der Gärung bis zur Einfüllung verstreicht.
Rinchemische Zeitschrift Band 78. 17
258 C. Neuberg und E. Färber:
des 0,5 g Traubenzucker enthaltenden Saftes kam je 1,0 ccm
der betreffenden Sodalösung, und zwar entweder sofort oder
nach dem Angären; dann wurde das Gemisch mit 1,0 ccm To-
luol in Eudiometerröhren über Quecksilber 3 Tage lang belassen.
Sämtliche mit Natriumcarbonatlösungen versetzten Mischungen
reagierten von Anfang an alkalisch. Bei allen Gärungen wurde
der Zucker vollständig umgesetzt; wo keine CO,-Entwicklung
eingetreten war, ließ sich der Zucker am Schluß der Versuche
nachweisen.
Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien
Gärungen in Anwesenheit von Natriumcarbonat
entwickelten Mengen Kohlendioxyd.
Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 cem Na,CO,-
Lösurfg von der Konzentration
0 [0,8m| 1m | 2m | 1m | 2m | 3m '3,5 m
ohne Angärung nach Angärung
Kee Ee se EE ee e
Jan. 1915 | Traubenzucker | 100,3: 98,3 | 0 | d | 69 |58,5 | 56,5 | 50,
IV. Vergärung von Zucker durch Macerationssaft bei Gegen-
wart von Trikaliumphosphat.
Die Versuche wurden ganz entsprechend den bisher be-
schriebenen angestellt, d. h. zu 9,0 ccm des Macerationssaftes
wurde 1,0 ccm Trikaliumphosphatlösung von den nachstehend
verzeichneten Konzentrationen gegeben und dann 1,0 ccm Toluol
hinzugefügt. Auch hier reagierten die phosphathaltigen Mi-
schungen alkalisch; der Zuckerumsatz war, wenn Gärung ein-
trat, vollständig. Die gärungshemmenden molekularen Konzen-
trationen erwiesen sich denen von Soda und Pottasche ähnlich, so-
wohl wenn eine Angärung eingeleitet war, als auch ohne eine solche.
90 com Saft
enthalten 0,5 g
Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien
Gärungen in Anwesenheit von Trikaliumphosphat
entwickelten Mengen Kohlendioxyd.
Volumina CO, bei Zusatz von 1,0ccm K,PO,-
9,0 ccm Saft Lösung von der Konzentration
enthalten 0,5 g
Hefe vom
0 |0,75m| 1m
ohne Angärung
im |1,5m | 2m | 3m
nach Angärung
Jan. 1915 | Traubenzucker | 100,3 | 75,3 | 0 | 75,0 | 62,8 | 42,4 | 0
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 259
V. Vergärung von Zucker durch Macerationssaft bei Gegen-
wart von Kaliummetaborat.
Die Versuchsanordnungen waren den bisherigen analog.
Zu je 9,0 ccm des gezuckerten Saftes wurden je 1,0 ccm Kalium-
metaboratlösung von der in der folgenden Tabelle verzeichneten
Konzentration und dann 1,0 ccm Toluol gegeben. Diese Mi-
schungen reagierten alkalisch; bezüglich des Vorhandenseins von
Zucker am Ende der Versuche gilt das bei IV Gesagte.
Tabellarische Übersicht über die bei der zellfreien
Gärung in Anwesenheit von Kaliummetaborat
entwickelten Mengen Kohlendioxyd.
Volumina CO, nach Zusatz von 1,0 com KBO,-
9,0 ccm Saft Lösung von der Konzentration
Hefe vom [enthalten 0,5 el 0 | ım |1,5m
im | 2m | 3m | 4m
ohne Angärung nach Angärung
VI. Vergärung von Zucker durch Macerationssäfte bei Gegen-
wart von Dikalium- und Dinatriumsuliit.
Die Versuchsanordnungen waren auch hier den zuvor be-
schriebenen ganz gleichartig. Bei den gewählten Sulfitkonzen-
trationen blieben alle Mischungen vollständig klar und trübten
sich erst nach längerer Zeit unspezifisch in der Art gewöhn-
Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien
Gärungen in Anwesenheit von Dikaliumsulfit
entwickelten Mengen Kohlendioxyd.
x) Ohne Angárung.
Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 ccm
K,SO,-Lösung von der Konzentration
9,0 ccm Saft
Hefe vom enthalten 0,5 g
Jan. 1915 | Traubenzucker | 101,6 Se" 0 | 0
Juli 1916 n 111,0 —
ß) Nach Angárung.
Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 ccm
K,SO,-Lösung von der Konzentration
0 | 0,1m | 08m | 04m | 0,5m
9,0 cem Saft
Hefe vom enthalten 0,5 g
Jan. 1915 | Traubenzuoker
Juli 1916
260 C. Neuberg und E. Färber:
licher Macerationssaftansätze. Sie reagierten mehr oder weniger
stark alkalisch und enthielten am Schlusse der Gärungen noch
Sulfit. Bei dem stärksten anwendbaren Gehalte an schweflig-
sauren Salzen, bei 0,04 m bzw. 0,05 m, trat zwar noch eine
Gärung ein, aber sie blieb unvollständig, und zum Schluß war
noch eine Reduktionswirkung gegen Fehlingsche Lösung vor-
handen !), während bei allen übrigen Gärungen der Zucker voll-
ständig verschwunden oder in den nichtgärenden Proben un-
verändert geblieben war.
Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien
Gärungen in Anwesenheit von Dinatriumsulfit
entwickelten Mengen Kohlendioxyd.
ei Ohne Angärung.
Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 ccm
PE -Lósung von der Konzentration
H - 1m |0 0,2 m | 03m 0,3 m | 04m
Jan. 1915 Traubenzucker 101.6 92,4 mn 019
Juli 1916 Ss ZE 28
f) Nach Gage
9,0 cem Saft
Hefe vom enthalten 0,5 g
Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 ccm
Pia -Lösung von der Konzentration
Lm Ma sim osm oen
Jan. 1915 Traubenzucker 101 d 96,1 94,4 | —
Juli 1916 111, SE 85 e | 0
Zusammenfassung.
90 com Saft
enthalten 0,5 g
Die letzten Stufen der alkoholischen Gärung, die Zerlegung
der Brenztraubensäure in Kohlendioxyd und Acetaldehyd sowie
weiterhin die Reduktion des letzteren zu Äthylalkohol, scheinen
durch frühere Untersuchungen geklärt. Sie stellen die wesent-
liche Leistung des Gärungsvorganges dar, d. h. die Zerreißung
der Kohlenstoffkette unter Bildung eines Körpers mit einem
1) In den entsprechenden Tabellen sind diese Fälle durch einen * be-
zeichnet. In der alkalischen Lösung wirkt Sulfit bei diesen Konzen-
trationen nicht auf Fehlingsche Lösung ein; übrigens war durch Auf-
kochen in essigsaurer Lösung ein Teil der schwefligen Säure zuvor
ausgetrieben.
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 2061
und eines mit zwei Kohlenstoffatomen. Die Vorgänge der
Depolymerisation und Umwandlung, welche vor der Brenz-
traubensäurestufe liegen, sind unbekannt.
Die normale Gärung vollzieht sich in saurer Lösung. Wenn
es gelang, auch bei einer wesentlichen Störung dieser Reaktions-
verhältnisse Gärung zu erzwingen, so durfte man hoffen, atypische
Erzeugnisse oder die gewöhnlichen Gärungsprodukte in anomalen
Mengen zu erhalten, welche einen Schluß auf die Zwischenstufen
ermöglichen. Eine Steigerung der Acidität über ein bestimmtes MaB
hinaus ist ohne völlige Unterdrückung der Gärung nur bei solchen
Säuren möglich, an welche die Hefe durch natürliche Verhältnisse
gewöhnt ist; sie aber bewirken keine Abänderung des Gärungs-
verlaufs.. Andererseits schafft sich die Hefe selbständig in nicht
genügend saurem Medium eine optimale Acidität.
Es ist daher recht überraschend, daß diese starke Säurebe-
gierde der Hefe überwunden werden kann und daß man entgegen
allen Erwartungen imstande ist, den Eintritt der alkoholischen
Gärung in dauernd alkalisch gehaltenen Lösungen zu erreichen.
Um Einflüsse der lebenden Zellen zunächst auszuschließen,
wurde die Einwirkung von Alkali auf die rein enzymatische,
durch Hefensäfte bewirkte Vergärung verschiedener Zucker
untersucht, nachdem frühere Versuche die relative Unempfind-
lichkeit der Zymase und neue auch die der Invertase gegen
Alkalien gelehrt hatten. Als Alkalisatoren dienten Dikalium-
und Dinatriumcarbonat, Trikaliumphosphat, Dikalium- und
Dinatriumsulfit sowie Kaliummetaborat, d. h. dieselbe Gruppe
von Substanzen, welche nach vorangegangenen Ermittelungen
einen Übergang von Zucker in Verbindungen der 3-Kohlen-
stoffreihe bewirkt.
Die Gäransätze, die 5%/, Zucker enthielten, zeigten bei der
Zugabe von Ile des Volumens an wáBrigen Alkalisatorenlósungen
und nach Zufügung von 10°/, Toluol zu der Mischung folgende
Erscheinungen: Völlige Vergärung des Zuckers erfolgt bei einer
Gesamtalkalinität der erwähnten Gemische von 0,1 bis 0,2 m
an Carbonaten, an Borat und an Trialkaliphosphat. Bei den
sekundären schwefligsauren Salzen liegt die Grenze der voll-
kommenen Vergärung bei Konzentrationen von 0,02 m.
Sehr viel höhere Alkalimengen werden nun vertragen, wenn
man die Alkalisatoren erst hinzufügt, nachdem das Gemisch
262 C. Neuberg und E. Färber:
gerade zu gären begonnen hat. Dann sind Zusätze möglich,
die einem Gesamtgehalte von 0,25 bis 0,35 m-Carbonat,
Borat oder Triphosphat entsprechen, während von Sulfiten auch
hier wieder nur eine geringere Konzentration vertragen wird,
nämlich 0,04 bis 0,05 m. Solche Ansätze enthalten dann rund
4,8°/, Pottasche oder 0,79 %/, Kaliumsulfit.
Diese Verhältnisse finden eine äußere Kennzeichnung in
der Erscheinung, daß in den angegorenen Gemischen die Al-
kalisatoren keine Niederschläge erzeugen, selbst wenn sie in
Konzentrationen zugegen sind, die bei nicht angegorenen
Säften eine starke Källung von Ammonium-Magnesiumphosphat
und phosphorsaurem Kalk hervorrufen. Die angegebenen
Höchstgrenzen der Alkalisatorenkonzentrationen entsprechen
dem Punkte, wo noch keine starke Niederschlagsbildung
erfolgt.
Die Verhinderung der Gärung durch größere Alkalisatoren-
mengen beruht nicht einfach auf der Entfernung der Phos-
phationen oder einer dadurch bedingten Verhinderung der Bil-
dung von Hexosediphosphorsäure; denn weder die Zugabe
löslicher Phosphate noch die Hinzufügung fertiger reiner
hexosediphosphorsaurer Salze stellt das Gärvermögen wieder
her. Wohl aber bewirkt dies ein Zusatz von freier Phosphor-
säure oder Milchsáure. Daraus kann vorläufig nur geschlossen
werden, daß es sich hier um eine innerhalb der untersuchten
Konzentrationen reversible Aufhebung des Gärvermögens
durch die Alkalisatoren handelt.
Während und am Schluß der Versuche bestand alkalische
Reaktion gegen Lackmus, so daß sich der ganze Gärakt in
alkalischer Lösung abspielt.
Demnach beeintlussen alkalisch reagierende Stoffe die
Gärung in doppelter Weise: Einmal liegt eine allgemeine, von
der OH-Ionenkonzentration abhängige Gärungshemmung vor.
Sodann wirkt das Alkali auf die Teilvorgänge des Gärungs-
prozesses, die sich vor dem Eintritt der Kohlensäureentwicklung
vollziehen. Diese vorbereitenden Stufen des Zuckerzerfalles sind
nach einmal erfolgter Einleitung unempfindlich gegen erhöhte
Alkalisatorkonzentrationen, die ohne vorherige Angärung die
Zuckerspaltung verhindern.
Die Feststellung, daß angegorene Zuckerlösungen viel
Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 263
widerstandsfähiger gegen Alkalisatoren sind, ermöglicht die
Durchführung der Gärung in Lösungen von so hoher Alkali-
nität, wie sie früher aus theoretischen Gründen für ganz un-
möglich gegolten hat. Unter diesen Bedingungen erfolgt auch
eine Veränderung in den Produkten der alkoholischen Gärung,
die teils in einer quantitativen Verschiebung der bisher be-
kannten, teils im Auftreten neuer besteht.
Bei lebenden Hefen liegen die Verhältnisse prinzipiell ebenso.
Über das Vorkommen emulsinartiger von den Hefezellen
abtrennbarer Fermente in den untergärigen Helen şo-
wie das Fehlen von Myrosin in Berliner Ober- und
Unterhefen.
Von
Carl Neuberg und Eduard Färber.
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie.
Chemische Abteilung, Berlin-Dahlem.)
Die Spaltung des Amygdalins in Glucose, Benzaldehyd
und Blausäure, die früher der Wirkung eines Fermentes, des
„Emulsins“, zugeschrieben wurde, wird nach neueren An-
schauungen durch drei Fermente besorgt, die wahrscheinlich
[vgl. S. J. M. Auld!)] in folgender Reihenfolge zusammen-
wirken:
Zuerst spaltet ein auf «-Glucoside eingestelltes Ferment
ein Molekül Hexose ab und erzeugt Mandelnitrilglucosid.
Dieses Ferment bewirkt also die Zerlegung des im Amygdalin
vorhandenen Disaccharids, der Amygdobiose, und wird Amyg-
dalase genannt.
Das Mandelnitrilglucosid oder Prunasin wird dann in
Traubenzucker und Benzaldehydcyanhydrin gespalten durch
die Wirkung eines ß-Fermentes, der Prunase.
Die letzte Stufe des Abbaues, die aus dem Benzaldehyd-
cyanhydrin Bittermandelöl und Blausäure erzeugt, ist das
Werk der Oxynitrilase.
Allein die mittlere von diesen drei Reaktionen ist eine
wirkliche P-Glucosidspaltung. Nur das Ferment für diese Re-
1 S. J. M. Auld, Chem. Centralbl. 1907, I, 1698.
C. Neuberg u. E. Färber: Vork. emulsinart. Ferm. i.d. unterg. Hefen usw. 265
aktion, die Prunase, ist dem alten „Emulsin“ vergleichbar.
Die Hydrolyse des Amygdalins durch Hefe ist nachgewiesen.
Noch nicht völlig geklärt ist aber die Frage nach der Ab-
trennbarkeit der drei Fermentwirkungen von der Hefenzelle,
Emil Fischer?) zeigte vor Jahren, daß durch Wasser von
amygdalinspaltenden Fermenten aus Frohberg-Hefe allein die
Amygdalase aufgenommen wird; aus dem Amygdalin wird durch
einen solchen Extrakt Traubenzucker und Mandelnitrilglucosid
gebildet, ohne daß mehr als Spuren Blausäure und Benzaldehyd
freigemacht würden.
Th. A. Henry und S. J. M. Auld?) fanden, daß der Preß-
saft aus obergäriger englischer Preßhefe, ebenso wie diese selbst,
das Amygdalin vollständig spaltet. Aus den in dieser Richtung
nicht ganz übersichtlichen Angaben von R. J. Caldwell und
J. L. Courtauld?) kann man wohl schließen, daß sie mit Ex-
trakten von ober- wie untergärigen Hefen, ebenso wie Emil
Fischer, -das Mandelnitrilglucosid erhielten und daß dieses
nicht weiter zerlegt wurde. A. Bau‘) konnte kein blausäure-
abspaltendes Ferment in wäßrigen Auszügen seiner Trocken-
hefen nachweisen, die trotz ihres Alters in toto noch alle die
drei genannten Enzyme in wirksamem Zustande enthielten;
extrahierbar war nur die Amygdalase und sicher kein cyano-
genes Ferment. Ähnlich lautet eine Angabe von Th. Bokorny?):
ein wäßriger Extrakt aus der von ihm verwendeten, in frischer
und trockener Form das Amygdalin cyanogen spaltenden
Hefe gab keinen Bittermandelölgeruch mit Amygdalin; ob
Amygdalasewirkung eintrat, stellte er nicht fest.
Obergärige wie untergärige Hefen enthalten in frischer
und getrockneter Form die zur vollständigen Aufspaltung
des Amygdalins in seine vier Komponenten nötigen Fermente.
An Wasser geben die Hefen bei einfacher Digestion höchstens
1) Emil Fischer, Ber. 28, 1508, 1895.
2) Th. A. Henry und S. J. M. Auld, Proc. Roy. Soc. 76, 568,
1905; Chem. Centralbl. 1905, II, 1812.
3) R. J. Caldwell und S. L. Courtauld, Proc. Roy. Soc. 79, 350,
1907; Chem. Centralbl. 1907, II, 620.
4) A. Bau, diese Zeitschr. 78, 340, 1916.
5) Th. Bokorny, diese Zeitschr. 75, 376, 1916; Arch. f. d. ges.
Physiol. 164, 203, 1916.
206 C. Neuberg und E. Färber:
die Amygdalase ab, in den Preßsaft aus englischer Oberhefe
gehen aber alle drei Fermente über.
Dies fanden wir nun auch für den Hefemacerations-
saft der untergärigen Münchener Trockenhefe von
Schroder. Bei Gegenwart von Toluol entwickelt der wie üb-
lich hergestellte Macerationssaft aus dem Amygdalin Zucker
bzw. Alkohol und Kohlendioxyd und bildet Benzaldehyd und
Blausäure, die beide nachgewiesen wurden. Aus der Titration
der erzeugten Blausäure berechnet sich eine Spaltung von
30,2°/, des angewandten Amygdalins.
Damit ist also die Abtrennbarkeit der sämtlichen
zur Amygdalinhydrolyse erforderlichen Fermente von
der lebenden Zelle auch durch die Maceration und
auch für Unterhefe festgestellte Damit war aber noch
kein sicherer Schluß auf die Wirkung des Macerations-
saftes gegenüber wirklichen $-Glucosiden möglich; denn
es ist ja auch zweifelhaft, zu welchen Glucosidasen die Pru-
nase zu zählen ist. Die bisher vorliegenden Literaturangaben
geben keinen AufschluB über diese Fragen.
Zwar dehnten Henry und Auld?!) ihre Untersuchungen
auch auf andere, einfache Glucoside aus; sie prüften aber nur
die Einwirkung der lebenden englischen Hefe, nicht auch die
des Preßsaftes. Sie fanden, daß bei Gegenwart von Toluol zwar
Salicin, Arbutin und Phaseolunatin, nicht aber Quercitrin, Di-
gitalin und Sinalbin gespalten wurden. Th. Bokorny?) hat
ebenfalls keine Enzymlösungen, sondern nur frische oder trockene
Hefen selbst (Münchener Brauereihefe, zum Teil auch Getreide-
hefe) auf einige einfache Glucoside einwirken lassen. Wenn
er weder bei Arbutin noch bei Salicin und Coniferin eine Zer-
legung findet, so wäre es möglich, daß der Mißerfolg an seiner
Untersuchungsmethode liegt. Er schreibt, daß er beim Zu-
sammenrühren in einem Becherglase weder Gärung noch Geruch
bemerkt habe. Ein Geruch war überhaupt nicht zu erwarten,
da die Paarlinge der erwähnten Glucoside [außer Hydro-
chinon und o-Oxybenzylalkohol auch Coniferylalkohol?)] nicht
—
"aa O.
?) a. a. O.
3) F. Tiemann, Ber. 11, 669, 1878.
Vorkommen emulsinartiger Fermente in den untergärigen Hefen usw. 267
riechen; und wie das Ausbleiben der Gärung sicher festgestellt
wurde, ist aus seinen Angaben nicht zu erkennen.
= Wir fanden den Hefemacerationssaft!) aus Münchener
Trockenhefe auch gegen Arbutin und Salicin wirksam.
Bei Gegenwart von Toluol lieferte er im Eudiometer mit beiden
Glucosiden sowohl Kohlendioxyd als auch die an den Zucker
gebundenen Komponenten Hydrochinon bzw. Saligenin, die
isoliert und identifiziert werden konnten.
Wesentlich anders liegen die Verhältnisse bezüglich des
Myrosins. Die Erkenntnis, daß zu einer Spaltung der ganz
abweichend konstituierten Senfölglucoside ein besonderes Fer-
ment erforderlich ist, wird auch durch die mit Hefen an-
gestellten Spaltungsversuche bekräftigt. Henry und Auld’)
fanden nämlich kein Myrosin in der englischen obergiirigen
Preßhefe, während diese, wie erwähnt, gewöhnliche Glucoside
spaltet. Kurz vorher hatte auch A. Kossowicz?) mitgeteilt,
daB sich durch Hefen keine Abspaltung von Senföl aus myron-
saurem Kalium erzielen läßt. Im Gegensatz dazu gibt Bo-
korny*) an, daß Münchener Brauerei- und Getreide-Preßhefe
Myrosin enthalten; allerdings ist hier das Bedenken am Platze,
daß Bokorny kein Antisepticum angewendet hat, das bei seiner
Versuchsanordnung besonders wünschenswert gewesen wäre.
Um die Widersprüche zwischen diesen Angaben aufzu-
klären, haben wir myronsaures Kalium (Sinigrin) der Wirkung
von untergäriger Münchener Trockenhefe bei Gegenwart von
wenig Thymol oder Toluol in wechselnden Mengenverhältnissen
ausgesetzt: ein Senfólgeruch oder die beweisendere Abspaltung
von Bisulfat oder Eintritt einer Gärung waren selbst während
langer Versuchsdauer niemals wahrzunehmen. Ebenso erfolglos
waren die Versuche, eine Myronatspaltung durch Hefemacera-
tionssäfte oder frische Hefen zu erreichen; frische Münchener
Unterhefe stand uns nicht zur Verfügung, untergärige und
obergärige Berliner Hefe (Rasse U und OM) wirkten in Gegen-
1) Besonders betont sei, daß nur nach weitgehender Zertrúmmerung
der Hefezelle, nicht aber durch einfache Auslaugung mit Wasser das
emulsinartige Ferment in Lösung gebracht werden kann; es dürfte des-
halb wie die Zymase zu den Endoenzymen gehören.
Da a. O.
2) A. Kossowicz, Ch. C. 1905, II, 643.
t) a. a. O.
208 C. Neuberg und E. Färber:
wart von Thymol jedenfalls nicht auf Kaliummyronat. Auch
ohne Antiseptikum blieb innerhalb 48 Stunden die Spaltung aus.
Es ergab sich also folgendes:
1. Von untergäriger Hefe lassen sich alle drei zur
vollständigen Amygdalinhydrolyse notwendigen Fer-
mente (Amygdalase, Prunase und Oxynitrilase) ab-
trennen. Sie gehen in den Hefemacerationssaft über
und wirken in Anwesenheit von Toluol.
2. Wahre ß-Glucoside, die durch frische englische
Oberhefe zerlegt werden, unterliegen auch der Spal-
tung durch den Macerationssaft aus Münchener Unter-
terhefe in Gegenwart von Toluol.
3. Myrosinferment ist (ebensowenig wie in fri-
schen englischen Oberhefen) weder in untergáriger
Münchener Trockenhefe oder in dem daraus bereite-
ten Macerationssaft noch in frischer Berliner Ober-
und Unterhefe nachweisbar.
Auszug aus den Versuchsprotokollen.
I. Spaltung des Amygdalins durch Macerationssaft aus
untergäriger Hefe.
a) 0,5 g Amygdalin (C,,H,.NO,, + 3H,0) werden in
10,0 cem Macerationssaft aus Münchener Trockenhefe vom
April 1914 gelöst und nach Zusatz von 0,5 ccm Toluol bei
37° aufbewahrt. Nach 12 Stunden war starker Geruch nach
Benzaldehyd vorhanden und mäßige Gärung im Gange. Nach
drei Tagen wurde die in einer Flasche mit Gärverschluß auf-
bewahrte Flüssigkeit, die während dieser Zeit ununterbrochen
Kohlensäure entwickelt hatte, nach Verdünnung durch Wasser
mit Dampf destilliert. Es gingen über: Bittermandelöl, nach-
weisbar als Phenylhydrazon, sowie Blausäure, die in Berliner-
blau übergeführt wurde.
b) Es wurde eine Lösung von 4,0 g Amygdalin in 80,0 ccm
Macerationssaft (aus 1914er Hefe) hergestellt. Davon wurden:
1. 30,0 cem im Brutschrank bei 37° und
2.300 » y ” n 44 bis 45°
nach Zugabe von 0,5 ccm Toluol aufbewahrt.
Vorkommen emulsinartiger Fermente in den untergärigen Hefen usw. 269
In der bei 44 bis 45° (45° wird als optimale Temperatur
für die Emulsinwirkung angegeben) aufbewahrten Lösung war
kräftigere Sohaumbildung und ersichtlich stärkere Gärung ein-
getreten. Nach 3 Tagen wurden aus beiden Proben durch
Behandlung mit Wasserdampf Blausäure und Benzaldehyd
übergetrieben.
c) 20,0 ccm der obigen Mischung wurden mit 0,5 ccm
Toluol in ein Eudiometer übergeführt und bei 37° aufbewahrt.
Dabei wurden entwickelt nach:
2 14 26 40 60 65 Stunden
6,5 7,5 13,5 24,0 26,2 26,4 ccm CO,
Der Inhalt des Eudiometers wurde dann mit Wasser in
einen Destillationskolben übergeführt und mit Wasserdampf
vorsichtig destilliert. Das Destillat verbrauchte 3,0 ccm 2/,,-
AgNO, = 16 mg Blausáure. Diese Menge entspricht einer
Spaltung von 0,302 g krystallwasserhaltigem Amygdalin = 30,2°/,
der angewendeten Menge.
11. Spaltung des Arbutins durch Macerationssaft aus unter-
gäriger Hefe.
3,0 g Arbutin wurden in 50,0 ccm Macerationssaft gelöst
und im Eudiometer zusammen mit Leem Toluol bei 37° auf-
bewahrt. Nach 7 Tagen hatten sich 49,0 ccm Kohlendioxyd
angesammelt. Dann trat Stillstand der Gärung ein.
Durch Erhitzen auf dem Wasserbade wurde die im Eudio-
meter enthalten gewesene Flüssigkeit von koagulabelem Eiweiß
befreit. Die filtrierte Lösung wurde im Vakuum eingeengt
und mit heißem Alkohol extrahiert. Der alkoholische Auszug
wurde im Vakuum zur Trockne verdampft und der Rückstand
mit Äther verrührt, in dem das unveränderte Glucosid unlöslich
ist, während entstandenes Hydrochinon leicht aufgenommen
wird. Die ätherische Lösung hinterläßt beim Verdampfen einen
braunen, Oldurchtránkten Rückstand. Durch Umkrystallisieren
desselben aus heißem Wasser erhält man Hydrochinon in noch
etwas braun gefärbten Krystallen. Durch Zusatz von Eisen-
chlorid oder Kaliumbichromat zur wäßrigen Lösung tritt vor-
übergehend Chinhydronfärbung und scharfer Chinongeruch auf.
270 C. Neuberg und E. Fárber:
Ill. Spaltung des Salicins durch Macerationssaft aus unter-
gáriger Hefe.
3,0 g sehr fein gepulvertes Salicin wurden in 50,0 ccm
Macerationssaft eingetragen und nach Zugabe von 1 ccm Toluol
in einem Eudiometerrohr über Quecksilber bei 37% aufbewahrt.
Nach 5 Tagen waren 39,5 ccm Kohlensáure entwickelt, und
die Gárung war beendet. Die Aufarbeitung geschah genau in
der beim Arbutin (sub II) beschriebenen Weise. Aus der
ätherischen Lösung krystallisierte das durch Hydrolyse des
Salicins entstandene Saligenin (o-Oxybenzylalkohol) direkt aus;
es schmolz nach dem Abdecken mit Benzol und Streichen auf
Ton wie ein reines Präparat von Kahlbaum bei 80 bis 81°
und zeigte die diesem zukommenden Reaktionen.
IV. Versuche zur Zerlegung von myronsaurem Kalium durch
Macerationssaft aus untergäriger Hefe.
a) 0,5 g myronsaures Kalium wurden in 10,0ccm Macerations-
saft aus Hefe vom April 1914 gelöst und bei 37° unter Zusatz
von 0,05 ccm Toluol aufbewahrt. Im Verlauf von 7 Tagen
trat kein Geruch nach Senföl auf, und auch bei Behandlung
mit Wasserdampf wurde kein nach Senföl riechendes Destillat
erhalten.
b) 1,0 g myronsaures Kalium wurde in 100,0 ccm Macerations-
saft vom Januar 1915 gelöst. Die Probe wurde in 2 Teile
geteilt und die eine Hälfte mit 0,25 g Thymol versetzt. Diese
zeigte auch nach 10 Tagen weder Gärung noch Abspaltung
von Senföl. In der ohne Antisepticum aufbewahrten Probe
war nach 5 Tagen Fäulnis und zugleich ein ganz schwacher
Geruch nach Senföl aufgetreten.
c) Eine Wiederholung des Versuches b) mit Saft aus
Münchener Trockenhefe vom März 1916 ergab das gleiche
Resultat: nur in dem Ansatz ohne Toluol trat ein undeutlicher
Geruch nach Senföl auf, und es entwickelte sich bei der ein-
getretenen Fäulnis 1,2 ccm Gas, von dem 0,9 ccm durch Kali-
lauge nicht absorbierbar waren.
Vorkommen emulsinartiger Fermente in den untergärigen Hefen usw. 271
V. Versuche zur Zerlegung von myronsaurem Kalium durch
getrocknete Münchener Unterhefe.
a) 0,5 g myronsaures Kalium wurden gelöst in 5 ccm Wasser
und versetzt mit 0,5 g Trockenhefe vom März 1916.
b) 0,5 g myronsaures Kalium wurden gelöst in 10 ccm Wasser
und versetzt mit 0,5 g Trockenhefe vom März 1916.
c) 0,2 g myronsaures Kalium wurden gelöst in 20 ccm Wasser
und versetzt mit 0,5 g Trockenhefe vom März 1916.
Nach Zugabe einer Spur Thymol trat in keiner der ver-
schlossenen Proben nach Aufbewahrung bei Zimmertemperatur
Spaltung ein, selbst nach 2 wöchentlichem Stehen nicht. Der
Zusatz von Thymol erwies sich auch hier als notwendig, um
Fäulnis auf die Dauer zu verhindern.
d) e) f) und g) In Eudiometern wurden dann — ohne
Zugabe eines Antisepticums — noch folgende Versuche an-
gestellt.
d) 18,0 ccm H,O,
2,0 g Trockenhefe,
0,5 g Kaliummyronat. Es wurden entwickelt nach:
14 | 24 | 48 Stunden
02 | 1,5 | 2,5 ccm CO,
e) 18,0 ccm H,O,
2,0 g Trockenhefe,
0,2 g Traubenzucker. 'Es wurden entwickelt nach:
14 | 24 | 48 Stunden
al 70 | 11,5c0mCO,
D 18,0 ccm H,O,
2,0 g Trockenhefe. Es wurden entwickelt nach:
14 | 24 | 48 Stunden
0,2 | 1,5 | 3,0 com CO,
Daraus geht hervor, daß innerhalb 48 Stunden, d.h. solange
hinreichende Sterilität gewährleistet schien, die gärkräftige
Troekenhefe aus Myronat nicht mehr Kohlendioxyd in Frei-
heit zu setzen vermochte, als der bekannten Selbstgärung dieses
Materials entsprach; dagegen wurde aus einem der Myronat-
272 C. Neubergu. E. Fárber: Vork. emulsinart. Ferm.i.d.unterg. Hefen. usw.
menge entsprechenden Quantum Traubenzucker eine ansehn-
liche Menge CO, entwickelt.
VI. Versuche zur Zerlegung von myronsaurem Kalium durch
frische Berliner Unter- und Oberhefe?).
a) 0,5 g myronsaures Kalium wurden mit 10 ccm Wasser
und 2g frischer untergäriger Hefe (Rasse U) versetzt, und
nach Zugabe von 0,05 g Thymol blieb die Mischung eine Woche
im Brutschrank bei 37° stehen. Es war keine Spaltung des
Myronats erkennbar.
b) und c) Ebenso negativ verliefen die entsprechenden
Versuche mit 0.5 g myronsaurem Kalium in 20 ccm Wasser
plus 4 g Unterhefe und 0,05 g Thymol sowie mit 1 g Kalium-
myronat in 40 ccm Wasser und 0,1 g Thymol sowie 10 g Un-
terhefe bei 37°.
d) e) und f) Drei ganz entsprechende Versuche wurden
mit frischer Berliner Oberhefe (Rasse OM) ausgeführt, sie
hatten das gleiche Ergebnis.
g) h) i) k) 1) m) Schließlich wurden die Versuche (a bis f)
nochmals mit denselben Hefenrassen (U und OM) zu anderen
Zeiten angestellt, aber ohne Antisepticum. Sie konnten so 2
bis 3 Tage einwandfrei bei 37° aufbewahrt werden; die Zer-
legung des Myronates blieb jedoch auch hier überall aus.
1) Die Hefen verdanken wir dem Institut für Gärungsge-
werbe in Berlin; sie waren von gewohnter Güte.
Über Magenatmung beim Menschen.
Von
Arvo Ylppö.
(Aus dem Kaiserin Auguste Victoria Hause zur Bekämpfung der Säug-
lingssterblichkeit im Deutschen Reiche, Charlottenburg.)
(Eingegangen am 25. Oktober 1916.)
Mit 1 Figur im Text.
Zu dieser Arbeit gab folgende Beobachtung Anlaß: Ge-
legentlich von Untersuchungen der Magengase bei Säuglingen
mit pathologischem Luftschlucken (Aerophagie) fand ich oft
Werte für den CO,-Gehalt, die auffallend wenig voneinander
abwichen. Um die Ursache dieser Konstanz klarzulegen, habe
ich die hier folgenden Selbstversuche vorgenommen. Ich glaube,
durch sie in diese Frage der CO,-Konstanz einiges Licht ge-
bracht zu haben, indem ich durch die folgenden Untersuchungen
einen eindeutigen Zusammenhang der Magengase, darunter der
Kohlensäure, mit den Alveolargasen nachgewiesen habe. Dies
nur vorweg.
Der genauen Mitteilung meiner Untersuchungen sei in
Kürze eine Übersicht unserer bisherigen Kenntnisse über das
Verhalten der Gase, speziell Resorption und Diffusion im mensch-
lichen Magen-Darmkanal vorangeschickt.
Im Tierreiche haben wir zahlreiche Beispiele dafür, daß
neben der Lunge andere Einrichtungen und. Organe bei der
Atmung eine wichtige Rolle spielen. Ich erwähne hier nur die
Hautatmung bei Fröschen und die Darmatmung beim Schlamm-
peizger (Cobitis fossilis), einem Fisch, bei dem sie zu höchst
wichtiger funktioneller Bedeutung gelangt. Dieser Fisch kann
ausschließlich von heruntergeschluckter Luft leben, die dann
später mit geringerem O,-Gehalt und vermehrtem CO,-Gehalt
Biochemische Zeitschrift Band 78. i 18
274 A. Ylppö:
per Anum entleert wird, was von Baumert!) schon im Jahre
1855 festgestellt worden ist. Beim Menschen dagegen spielt
nach der allgemeinen Ansicht der Gasaustausch im Magen-Darm-
kanal keine Rolle. Von seiten der Physiologen wird aber immer-
hin ein Diffundieren der Gase durch die Magen- und Darmwand
nicht in Abrede gestellt. Hermann?) z. B. erwähnt in seinem
Lehrbuch kurz, daß im Darm „der Sauerstoff der verschluckten
Luft verschwindet und durch Kohlensäure ersetzt wird“. Bohr?)
sagt ebenfalls, „daß im Darmkanal der Warmblüter der Sauer-
stoff aus der mit dem Speichel verschluckten atmosphärischen
Luft nach und nach durch die Wände des Verdauungstraktus
hindurch aufgenommen wird, ebenso wie einige Kohlensäure
aus dem Blute in den Darmkanal oder umgekehrt diffundieren
kann, je nachdem der prozentige Gehalt an Kohlensäure, die
beim Verdauen in verschiedener Menge gebildet wird, im Darm-
kanal mehr oder weniger reichlich ist“.
Die ersten speziellen Untersuchungen über Magengase stam-
men von Planer) aus dem Jahre 1860. Sie beziehen sich,
mit Ausnahme von einigen Untersuchungen an verstorbenen
Menschen, auf Hunde, deren Magen- und Darmgase mitten in der
Verdauung, einige Stunden nach der letzten Mahlzeit der getöteten
Tiere, entnommen wurden. Planer fand hierbei nur zweimal
eine zur Analyse genügende Menge Gas. Dieses Gas bezeich-
nete er als verschluckte Luft. Weil nun aber zufälligerweise
das Verhältnis (die absoluten Prozentzahlen wichen wegen der
stattfindenden Verdauung stark voneinander ab) der CO, zu
der im Magen verschwundenen O,-Menge (O,-Menge der Luft
als Ausgangspunkt angenommen) sich wie 2:1 verhielt, so
glaubte er, daß dies auf irgendein Diffusionsgesetz zurückzu-
1) Baumert, Chemische Untersuchungen über die Respiration des
Schlammpeizgers (Cobitis fossilis), Heidelberg 1852 (Monographie).
2 Hermann, L., Lehrbuch der Physiologie, 13. Auflage, Berlin
1905. Daselbst IX. Kapitel XXX, S. 535. Die Haut- und die Darm-
atmung.
3) Bohr, Christian, Blutgase und respiratorischer Gaswechsel.
Handbuch der Physiologie des Menschen (Nagel). 1, 1. Hälfte 1909.
Daselbst 4. Abschnitt, S. 219, die Darmatmung.
t) Planer, Die Gase des Verdauungsschlauches und ihre Bezieh-
ungen zum Blute. Sitzungsber. d. mathem.-naturw. Klasse d. K. Akad.
d. Wissensch. 42, 307, 1861.
€
Magenatmung beim Menschen. 275
führen wäre, nach dem für jedes aufgenommene Volumen O,
immer 2 Volumen CO, durch die Magenwand abgegeben wer-
den sollten.
Den Hund hat auch Schierbeck!) als Versuchsobjekt in
seinen Untersuchungen über „Kohlensäure im Ventrikel“ be-
nutzt. Er hat versucht, Aufschluß über die Magengase da-
durch zu bekommen, daß er den Hunden größere Mengen von
Wasser entweder in den nüchternen oder in den verdauenden
Magen einführte, es nach kürzerer Zeit (8 bis 10 Minuten) wie-
der ausheberte und durch eine sehr umständliche Methode
seinen Gehalt auf CO, prifte. Die gefundenen Werte über-
‘trug er dann auf die Verhältnisse im Magen und gibt als Er-
gebnis seiner Untersuchungen an, daß die CO,-Spannung von
der Verdauung abhängig ist, auf der Höhe derselben ca. 130
bis 140 mm beträgt, um, nachdem die Nahrung den Ven-
trikel wieder verlassen hat, auf ca. 30 bis 40 mm zu fallen,
welch letzteren Wert die Spannung im nüchternen Magen stets
bewahrt. Weil er Kohlensäure im ausgespülten und vom Darm
abgesperrten Magen fand, glaubte Schierbeck, daß die CO,
nur allein auf eine sekretorische Tätigkeit der Magen-
schleimhaut zurückzuführen wäre Für diese Ansicht
ficht er noch in einer weiteren Arbeit?), und auch Bohr?)
scheint ihm beizustimmen.
Die Magengase beim Menschen hat meines Wissens Hoppe-
Seyler*) zuerst untersucht. Er hat aber nur kranke Menschen
beobachtet und seine Versuche nicht bei nüchternem Magen,
sondern während der Verdauung resp. bei Vorhandensein von
Nahrungsresten im Magen ausgeführt. Die Gase wurden mit-
tels Woulfscher Flasche über H,O aufgefangen, sie waren
meistens brennbar und bestanden aus CO,, O, und H,, ohne
daß hierbei bezügl. der prozentuellen Zusammensetzung irgend-
welche Gesetzmäßigkeit sich herausgestellt hätte.
1) Schierbeok, Über Kohlensäure im Ventrikel. Skandin. Arch.
f. Physiol. 8, 437, 1892.
D Schierbeck, Fernere Untersuchungen über das Auftreten der
Kohlensäure im Magen. Skandin. Arch. f. Physiol. 5, 1, 1895.
8) s. Anmerk. ?) auf S. 274.
4) Hoppe-Seyler, Zur Kenntnis der Magengárung mit beson-
derer Berücksichtigung der Magengase. Deutsches Arch. f. klin. Med.
50, 83, 1892.
18*
276 A. Ylppö:
Auch beim Säugling sind schon einmal von Leo?) die
Magengase analysiert worden. Sein Material umfaßt in der
Hauptsache kranke Kinder, bei denen die Magengase außer-
ordentlich starke Abweichungen voneinander zeigten. Beim
gesunden Kinde hat er 1*/, bis 2 Stunden nach der Mahlzeit
niedrigere Werte für CO, (3,8 bis 4,6°/,) gegenüber den be-
deutend höheren Werten (bis 17°/,) bei kranken Kindern ge-
funden. Bei Versuchen, das Vorhandensein der CO, im Magen
zu erklären, bespricht er verschiedene Möglichkeiten, in erster
Linie die Gárungsprozesse. Uns interessiert aber an dieser
Stelle besonders seine Vermutung, daß die CO, auch teils durch
die Diffusion der CO, aus dem Blute stammt.
Fernerhin hat Loening’) beim Menschen die Resorption
der CO, aus CO,-haltigem Wasser einem besonderen Studium
unterworfen. Sein Verfahren gleicht im großen und ganzen
dem bei Schierbeck?) besprochenen. Er hat hierbei festge-
stellt, daß der menschliche Magen imstande ist, in erheblichem
Maße CO,, die ihm im Wasser zugeführt wird, zu resorbieren.
Nach ihm wird die Hauptmenge schon in den ersten Minuten
resorbiert, nach 10 bis 15 Minuten ist schon ?/, von der ein-
geführten Gesamtmenge resorbiert. Er betont aber interessanter-
weise, daß noch nach 1 Stunde immerhin ein kleiner Rest von
CO, übrig bleibt, ein Rest, der entweder außerordentlich lang-
sam oder überhaupt nicht resorbiert wird.
Zuletzt wäre noch zu erwähnen, daß Quest*), der haupt-
sächlich mit den Flatusgasen der Säuglinge sich beschäftigt hat,
auch einmal bei einem Kinde die Magengase untersuchte Er
hat einen Versuch ausgeführt, indem er einem Kinde 150 ccm
Zimmerluft mittels Woulfscher Flasche einführte und nach
20 Minuten 120 ccm ausheberte. Die Zusammensetzung der
Magengase zeigte einen CO,-Gehalt von 4,03°/, und einen 0,-
Gehalt von 17,82°/,. Weil sich nun die gefundene CO. Menge
zu der im Magen verschwundenen O,-Menge annähernd wie
2:1 verhielt, so glaubte er, daB dieses Verhältnis auf irgend-
1) Leo, Über den gasförmigen Mageninhalt bei Kindern im Säug-
lingsalter. Zeitschr. f. klin. Med. 41, 108, 1900.
2) Loening, Das Verhalten der Kohlensäure im Magen. Zeitschr.
f. klin. Med. 56, 26, 1905.
3) s. Anmerk. ?) auf S. 275.
4 Quest, Untersuchungen über Darmgase bei Säuglingen mit Tym-
panites. Jahrb. f. Kinderheilk. 59, 293, 1904.
Magenatmung beim Menschen. 277
eine Weise bei Resorption der Gase aus dem Magen-Darm-
kanal immer konstant wäre, eine Vermutung, die, wie erwähnt,
schon früher von Planer?) ausgesprochen wurde.
Dies wäre so schließlich alles, was man über die Magen-
gase weiB?), Um nun einen genaueren Einblick in die Resorp-
tions- und Diffusionsverhältnisse verschiedener Gase im mensch-
lichen Magen zu bekommen, habe ich zunächst folgenden Weg
eingeschlagen: Ich ging von dem Gedanken aus, daß die CO,
des nüchternen Magens in erster Linie durch Diffusionsvorgänge
aus dem Blute stammen sollte. Die oben erwähnte Konstanz
des CO,-Gehaltes im Magen der luftschluckenden Säuglinge gab
ja einen Hinweis, daß die Ursprungsquelle der CO, in erster
Linie in den Blutgasen, die bekanntlich ihrerseits konstante
Zusammensetzung besitzen, zu suchen wäre. Damit war für
mich der Weg gegeben, um den Beweis eines möglichen Ab-
hängigkeitsverhältnisses zwischen den Magengasen und den Blut-
gasen zu erbringen. Ich mußte demzufolge die Zusammen-
setzung der Blut- und der Magengase gleichzeitig bestimmen.
Nun weiß man aber, daß die Alveolargase im Gleichgewicht mit
den Blutgasen stehen. Ich konnte folglich meine Aufgabe dadurch
lösen, daß ich gleichzeitig Alveolar- und Magengase analysierte.
Methode.
Zur Bestimmung der Alveolargase benutzte ich die Methode
von Haldane und Priestley. Ihr Verfahren besteht darin,
daß man durch einen etwa 1!/, m langen Gummischlauch mit
einem gläsernen Mundstück von ca. 25 mm Lichtung ausatmet.
An dem Mundstück ist ein kleines seitliches Capillarrohr be-
festigt, das im Zusammenhang mit einer mit Quecksilber ge-
füllten Gasbürette steht. Die Gasentnahme selbst geschieht
dadurch, daß man zuerst bei geschlossener Nase eine möglichst
tiefe Exspiration macht, dann das Mundstück mit der Zunge
schließt und eine Probe von dem letzten Teil der Exspirations-
2) S. Anmerk. d auf S. 274.
SE die Behauptung von Federn (Münch. med. Wochenschr.
1916, S. 1820) auf meine vorläufige Mitteilung (Münch. med. Wochenschr.
1616, S. 1650), daß er die Magenrespiration beim Menschen bereits vor
mir durch rein äußerliche „Beobachtung“ und „Perkussion“ des
Magens nachgewiesen hätte, ändert hieran nichts. Die Federnsche Ar-
beit (Über Tuberkulose, siehe Wien. klin. Wochenschr. 1914, S. 1291),
worauf er seine Behauptung stützt, hat außer dem Wort Magenrespiration
nichts Gemeinsames mit der Magenatmung, wie sie hier aufgefaßt wird.
278 A. Ylppö:
luft durch Senken des Quecksilbers in die Gasbürette bringt.
[Siehe Genaueres über die Methode bei Barcroft?)?).]
Die Untersuchungen der Magengase verliefen folgender-
maßen: In den nüchternen Magen wurden morgens früh, ca.
14 bis 18 Stunden nach der letzten Mahlzeit, verschiedene
Mengen (700 bis 1100 ccm) von Gasen (Zimmerluft, O,, CO,)
eingeführt. Der Vorgang bei der Magenfüllung wird durch die
nebenstehende Skizze ver-
anschaulicht.
Die Gase wurden
durch Wasserdruck lang-
sam in den Magen ge-
preßt. Nach der Ein-
führung von ca. 700 bis
1100 eem fühlte ich eine
gewisse Spannung und
einen leichten Druck in
der Magengegend; ich
hörte dann mit der Ein-
führung auf. Die Magen-
sonde wurde rasch heraus-
gezogen, danach verrich-
tete ich teils klinische,
teils Laboratoriumsarbei-
ten und entnahm die Gas-
Fig. 1. proben in Abständen von
15 Minuten bis 2 Stunden
nach der Einführung. Zur Entnahme der Magengase benutzte ich
denselben ca. 1 cm dicken Magenschlauch wie eingangs be-
schrieben. Derselbe wurde vor dem Einführen mit Wasser ge-
füllt und mit einer Klemme verschlossen in den Magen ge-
1) Barcroft, The respiratory function of the blood. Cambridge
1914 (Monographie). Daselbst S. 309.
?) Um die Luftproben immer zu gleichem Zeitpunkt am Ende des
Exspiriums entnehmen zu können, bedarf es einer gewissen Übung. Ich
überwand in einiger Zeit diese methodischen Schwierigkeiten und bekam
gut übereinstimmende Werte. Diese sind, da ich keine Luftproben am
Ende des Inspiriums analysiert habe, demnach eigentlich als Höchst-
werte für CO, zu betrachten.
Magenatmung beim Menschen. 279
führt!) Nachher wurde die Klemme geöffnet, das Wasser mittels
Bauchpresse aus dem Schlauch in ein Schälchen unter Wasser
herausgepreßt, bis zum Erscheinen der ersten Gasblasen. Dann
wurde der Hahn geschlossen, der Schlauch direkt an eine mit
Quecksilber gefüllte Gasbürette angeschlossen und durch lang-
sames Senken des Quecksilbers die Gasprobe aus dem Magen
entnommen. Alle Analysen wurden im Haldaneschen Gas-
analysen-Apparat ausgeführt. Bestimmt wurden CO, und O,;
die erstere mittels 20°/,iger Kalilauge, die letztere mittels
10°/ ,igem Pyrogallol in stark konzentrierter Kalilauge (200 Kali-
lauge, 100 Wasser). Es wurden überall Doppelanalysen gemacht.
Durch diese „trockene“ Gasentnahmie wurde jeglicher Ver-
lust von CO, vermieden, im Gegensatz zu den „nassen“ Me-
thoden, bei denen die Gase über Wasser aufgefangen werden.
Dies letztere Verfahren führt ja wegen der großen Löslichkeit
der CO, im Wasser leicht zu größeren Fehlern. Die größten
Schwierigkeiten der Methode sind folgende: Nach der Gasfüllung
des Magens muß man sich peinlich vor Schluckbewegungen
hüten, durch die frische Luft in den Magen kommen könnte.
Und fernerhin muß man bei Einführen der Sonde zum Zwecke
der Gasentnahmen jegliches Schlucken möglichst-unterdrücken
und den Schlauch möglichst nur durch Drücken in den Magen
einführen, um den Zufluß von frischer Luft zu vermeiden, Es
dauert eine gewisse Zeit, bis man diese Schwierigkeiten zu über-
winden lernt. Aus diesem Grunde, und weil das wiederholte
Schlucken eines Magenschlauches manchem sowieso nicht an-
genehm ist, habe ich meine Versuche auf mich selbst beschränken
müssen. Diesen Nachteil habe ich durch um so zahlreichere
Bestimmungen einigermaßen aufzuheben versucht.
Versuche mit Zimmerluft.
Die ersten Versuche habe ich mit Zimmerluft angestellt.
In den nüchternen Magen führte ich von dieser ca. 750 ccm ein
1) Die Länge des eingeführten Schlauches, von der Zahnreihe ge-
messen, betrug jedesmal 40 om. Dann reichte die Spitze des Schlauches
mit den beiden ovalen Öffnungen einige Zentimeter in den Fundusteil
des Magens hinein (siehe die Skizze), wie ich es röntgenologisch fest-
stellen konnte. Bekanntlich sammeln sich die letzten Gasreste immer
an dem obersten T3il des Magens. Um sie auffangen zu können, ist dies
Verfahren unbedingt nötig.
280 A. Ylppö:
und entnahm in verschiedenen Zeitabständen, wie aus der
folgenden Tabelle I genauer ersichtlich, kleinere Gasproben aus
dem Magen. Dabei stellte sich heraus, daß die CO, schon in
kurzer Zeit in beträchtlichen Mengen, 2 bis 3%/,, vorhanden
war. Nach 40 bis 60 Minuten trat dann eine gewisse Kon-
stanz auf, bei der die einzelnen CO,-Werte zwischen 4 und 5°|,
schwankten. Bei den späteren Gasproben, soweit überhaupt
noch Gas im Magen vorhanden war, fand ich meistens wieder
den gleichen Wert; nur bisweilen war der Prozentgehalt der
CO, niedriger als 4°/,, was aber aller Wahrscheinlichkeit nach
darauf zurückzuführen ist, daß bei der Einführung des Magen-
schlauches trotz aller Vorsichtsmaßregeln doch kleinere Mengen
Luft mit hineingedrungen waren, die aber genügten, um die
noch im Magen vorhandene geringe Menge Gas in seinem CO,-
Gehalt herabzusetzen. Als mittlere Zahl des CO,-Gehaltes nach
ca. 40 bis 60 Minuten ergab sich 4,4°/,, für den O,-Gehalt der
gleichen Gasproben 15,9%/,. Die eingeführte Luft, die 0,2 bis
0,3°/, CO, und 20 bis 21°/, O, enthielt, hat also im Magen
eine ganz andere, aber ziemlich konstante Zusammensetzung an-
genommen; eine Zusammensetzung, die, wie die obigen Zahlen
zeigen, der für die Gase der Alveolarluft beim Menschen an-
nähernd gleicht. Und die gleichzeitig bei mir ausgeführten
Alveolargas-Analysen ergaben auch dementsprechend bei ver-
schiedenen Analysen, an allen Versuchstagen, für CO, im Mittel
4,8°/, und für O, 15,6%/,. Diese Zahlen und ihr konstantes
Auftreten beweisen meiner Meinung nach zur Genüge, daß es
sich hier nicht um gassekretorische Tätigkeit der Magen-
schleimhaut [Schierbeck?)?)], auch nicht um zufälliges Hin-
eindringen von Darmgasen handeln kann, sondern daß sie
nur so zu erklären sind, daß im Magen ein Gasaustausch zwi-
schen Blutgasen und den in den Magen eingeführten Gasen
‘etwa in ähnlicher Weise stattfindet, wie in der Lunge. Das
Gleichgewicht der Magengase mit den Blutgasen spricht
demnach eindeutig dafür, daß der Gasaustausch im Magen ein-
fach durch Diffusionsvorgänge vor sich geht. Nach diesem
‚Ergebnis möchte ich noch nebenbei darauf hinweisen, daß man
1) Siehe Anmerk. 3) auf S. 275. f
1 Siehe Anmerk. *) auf S. 275.
Magenatmung beim Menschen. 281
in diesen einen weiteren Beitrag für die Loewy-Zuntzsche')
Anschauung erblicken kann, nach der der Gasaustausch in der
Lunge lediglich durch Diffusionsvorgänge erfolgt, dies gegen-
über der von Bohr?) lebhaft angefochtenen Behauptung, daß
der Gasaustausch der Lunge auf bestimmte Sekretionsvorgänge
der Alveolarzellen zurückzuführen wäre.
Führt man nun Luft in den menschlichen Magen-Darm-
kanal, so verschwindet aus derselben O,, während dieselbe mit
CO, angereichert wird. Der Stickstoff aber ist als Gas im all-
gemeinen an den Verbrennungsvorgängen nicht beteiligt. Es
ist demnach anzunehmen, daß derselbe aus dem Magen-Darm-
traktus unverändert wieder ausgeschieden wird. Ich habe die
Veränderungen des N, des weiteren analytisch nicht festgestellt,
an der Hand meiner Selbstversuche beobachtete ich aber nach
jedem Versuch mit Zimmerluft, beginnend ca. 2 Stunden nach
der Einführung, eine ziemlich starke Flatulenz, die 2 bis 3
Stunden andauerte. Dies spricht dafür, daß N, als toter Bal-
last den Körper in viel kürzerer Zeit verläßt, als man im all-
gemeinen von der Durchgangspassage der Gase im Darmkanal
angenommen hat. Breslau?) z. B. hat angenommen, daß die
Darmgase 12 Stunden benötigen, um bei Neugeborenen den
ganzen Darmkanal zu passieren.
Versuche mit CO.
Diese Versuche geben einen weiteren Beitrag dafür, daß
das Vorhandensein der CO, im Magen auf Diffusionsvorgänge
und nicht auf sekretorische Tätigkeit der Magenschleimhaut
zurückzuführen ist. Ich führte in meinen Magen reine CO,,
die aus dem Kippschen Apparat direkt in das Gasreservoir
geleitet worden war, und die einen CO,-Gehalt von 94 bis 98°/,
zeigte. Die eingeführten Mengen betrugen, wie aus der Ta-
belle II ersichtlich, ca. 700 bis 1050 ccm. Die Gasproben, die
1) Loewy: Die Gase des Körpers und der Gaswechsel. I. Die Gase
des Körpers. Handbuch d. Biochem. des Menschen u. d. Tiere. (Oppen-
heimer.) 4, 1. Teil, 10, 1911.
2) Siehe Anmerk. °) auf S. 274.
2) Breslau, Über Entstehung und Bedeutung der Darmgase beim
neugeborenen Kinde. Monatsschr. f. Geburtek. 28, 1, 1866,
A. Ylppö:
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284 A. Ylppö:
nach ca. 1 Stunde aus dem Magen entnommen wurden, zeig-
ten mit Ausnahme von einer einzigen Bestimmung (Versuch 38)
konstant Werte zwischen ca. 4,4 bis 5,2°/,; mit Berücksich-
tigung des Ausnahmeresultates war der Durchschnittswert 5,3°/,
CO,. Und diesem gegenüber ergab der CO,-Gehalt der Alveo-
larluft den Durchschnittswert von 4,9%/, CO,. Also hier hatte
die CO, aus dem Magen hinausdiffundiert und hatte sich
auch in ca. 1 Stunde annáhernd ins Gleichgewicht mit
den Blutgasen gesetzt. Gleichzeitig war wiederum
O, aus dem Blute in den Magen hineindiffundiert, und
der O,-Gehalt resp. die Spannung im Magen entsprach
annähernd dem des Blutes.
Als interessante Beobachtung in diesen Versuchen möchte
ich zunächst erwähnen, daß ich keinen nennenswerten Ructus
hatte, wie er nach dem Trinken von CO,-haltigen Wässern be-
kannt ist. CO, an und für sich scheint den Ructus auch nicht
in stärkster Konzentration hervorzurufen; ob seine Entstehung
auf die heftige Entwicklung der freien CO, in der Magenwärme
und dadurch entstehende plötzliche Spannung der Magenwand
oder auf Reiz der kalten Flüssigkeit auf die Contraction der
Magenmuskulatur beruht, vermag ich nicht zu entscheiden, son-
dern will hier nur die Tatsache feststellen.
Dagegen hatte ich während dieser und anderer Versuche
unter ziemlich hochgradiger Salivation zu leiden, ferner, was
besonders interessant ist, blieb bei diesen Versuchen jegliche
Flatulenz aus. Die CO, wurde demnach restlos durch
die Lunge ausgeschieden. Hierbei kam es jedoch nicht
zu einer Steigerung des CO,-Gehaltes in der Alveolarluft, wie
man zunächst vielleicht hätte annehmen können, sondern dieser
Extrazugang verteilte sich auf so große Mengen von Exspira-
tionsluft, daß eine feststellbare Anreicherung nicht auftreten
konnte. Nebenbei sei noch erwähnt, daß der Puls eine Be-
schleunigung von 64 bis 84 unmittelbar nach Einführung der
CO, in den Magen zeigte, auch machte sich ein leichtes Schwindel-
gefühl nach den zwei ersten Versuchen bemerkbar, das später-
hin nicht mehr auftrat.
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286 A. Ylppö:
Versuche mit 0,.
Der O,, der in diesen Versuchen benutzt wurde, war aus
O,-Bomben entnommen und enthielt 90 bis 97,2%, O,. Von
demselben wurden wieder Mengen von 700 bis 1100 ccm auf
einmal, oft zweimal im Verlaufe des Vormittags in den nüch-
ternen Magen eingeführt. In diesen Versuchen zeigte sich,
daß O, aus dem Magen auch allmählich verschwindet. Führte
ich nur ca. 700 ccm ein, so war nach ca. einer Stunde der
mittlere O,-Gehalt der Magengase nur noch 24,2°/,,
also ziemlich nahe dem in den Alveolargasen gefun-
denen Werte für O, Bei Einführung von 1000 ccm und
mehr war aber der O,-Gehalt der Magengase nach ca. 1 Stunde
noch bedeutend höher, die Diffusion hatte also noch nicht
ausgereicht, um in diesen größeren Mengen ein Gleichgewicht
mit den Alveolargasen hervorzurufen. Der O,-Gehalt der Al-
veolargase in den Proben, die während dieser Versuche ent-
nommen wurden, war etwas größer als in den vorangegangenen
Versuchsserien. Ob dies irgendwie im Zusammenhang mit der
O,-Einführung in den Magen steht, lasse ich dahingestellt. Aus
der bei CO, besprochenen Überlegung heraus scheint es mir
aber nicht wahrscheinlich.
Irgendwelche Störungen des Allgemeinbefindens, auch be-
sondere Veränderungen bezüglich der Pulszahl während dieser
O,-Versuche konnte ich nicht beobachten. Was die Flatulenz
betrifft, so fehlte sie bei Versuchen mit nur 700 ccm
völlig, bei Versuchen mit größeren Mengen oder in den wie-
derholten Versuchen mit 700 ccm im Verlaufe eines Vor-
mittags trat sie im. mäßigen Grade auf, aber doch lange
nicht so intensiv wie nach Einführung von Zimmerluft. Dieser
letztere Umstand ist auch erklárlich, wenn man bedenkt, daß
wegen des im Blute herrschenden O,-Partialdruckes von dem
in den Magen-Darmkanal eingefiihrten O, nur so viel aufge-
nommen werden kann, bis diese Spannungsdifferenz ausgeglichen,
d. h. bis der O,-Gehalt der Magen-Darmgase bis zu ca. 15%,
herabgegangen ist. Hatte ich demnach im Verlaufe des Vor-
mittags z. B. insgesamt 2000 ccm O, in den Magen eingeführt, so
müßten nach dieser Berechnung ca. 300 ccm .unresorbiert im
Darmkanal zunächst verbleiben, um sich später als Flatus zu ent-
leeren. Das letztere schien bei mir binnen kurzem zu geschehen.
Magenatmung beim Menschen. 287
Die Versuchsanordnung bot nun keinen sicheren Anhalt
dafür, ein wie großer Teil von den eingeführten Gasen im Magen
selbst aufgenommen wurde. Dies aus dem Grunde, weil der
Weg nach dem Pylorus zu offen war, und ein Teil der Gase
sich während des Versuches nach dem Darm entleeren konnte.
Dies ließe sich nur durch Tierversuche feststellen, wozu mir
aber während des Krieges keine Gelegenheit gegeben ist.
Aus allem Vorangegangenen ist somit feststehend, daß die
Resorption der Gase aus dem Magen im Grunde durch physikali-
sche Kräfte und Gesetze geregelt wird. Und hiermit zeigt sich
ein Weg, um einen annähernden Überblick über die im Magen
resorbierten Mengen von O, und CO, zu bekommen.
Nehmen wir zuerst die Resorption von CO,. Wenn ich
versuche, die Mengenverhältnisse hierbei durch Berechnung fest-
zustellen, so muß ich vorausschicken, daß man mit viel Nähe-
rungswerten und mit vielen Vermutungen rechnen muß, die
bei Beurteilung des Resultates nicht vergessen werden dürfen.
Die diffundierende Gasmenge läßt sich nach folgender Formel be-
rechnen:
_ L-((P,—e)—Pn:e.
760-vm d
Diese Formel gibt an, wieviel Kubikzentimeter Gas in 1 Minute durch
eine 1 gem große Fläche und 1 mm dicke Flüssigkeitsschicht hindurch-
diffundiert [siehe Loewy?) Le S. 104].
L = Absorptionskoeffizient bei 37° für CO,. .= 0,57
(aus Loewyschen Zahlen [l. o. S. 103]
durch Interpolation berechnet).
m == Molekulargewicht ........ . = 44,0
P; = Anfangs-CO,-Spannung für 1009/, co, . . . = 760,0 mm Hg
e — Wasserdampftension bei 37% . . . . . .= 46,6 mm Hg
Py, = CO,-Spannung in den Magenvenen. . . «= 40,0 mm Hg
c = Diffusionsfaktor für die Lunge . . « . .= 0,139
[Dieser Wert von Loewy und Zuntz’
für das Lungengewebe, einerlei ob lebend
oder tot, mit Säuren oder Alkalien be-
handelt, gefunden. Nach ihnen hängt die-
ser Wert mit der lipoiden Membran der
Zellen zusammen, womit auch die Zellen
der Magenschleimhaut versehen sind.]
1) Loewy, s. Anmerk. !) auf S. 281.
2!) Derselbe, ebenda.
A. Ylppö:
288
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Biochemische Zeitschrift Band 78.
290 A. Ylppö:
d = Dicke der Gewebsschicht, hier gleich Dicke
der Zellen der Magenschleimhaut . . . .= 0,01
[Dieser Wert ist von Koellikerschen?)
Angaben [l. c. S. 159] abgeleitet, wonach
die Belegzellen den größeren Durchmesser
von 13 bis 22 u haben, während andere
Drüsenzellen kleiner sind; deshalb der
Durchschnittswert = 10 u = 0,01 mm.
Weil nun die Anordnung der Gefäße der
Magenschleimhaut nach Koelliker?)
eine solche ist, daB sie die Drisenzellen
direkt umweben, so ist der Weg für die Dif-
fusion in der Dicke der Zellen zu suchen.]
Setzen wir die obigen Werte ein, so erhalten wir:
v=0,88 ccm CO, pro Minute pro 1 qcm Magenwand.
Nach Einführung der Luft in den Magen nimmt derselbe eine Form an,
die am einfachsten mit einer Kugel zu vergleichen wäre. Die Berech-
nung der Oberfläche dieser Kugel von 1000 ccm Rauminhalt kann mit
Hilfe folgender Gleichung ausgerechnet werden:
l d. BS.
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Hiernach beträgt die Oberfläche einer solchen Kugel = 490,6 gem oder
rund 500 qcm.
Die resorbierende Oberfläche des mit 1000 ocm gefüllten Magens
würde, wenn die Schleimhaut des Magens als eine glatte Wand zu be-
trachten wäre, 500 qcm ausmachen. In den folgenden Berechnungen
wird dieser Wert, der die Schleimhautfalten unberücksichtigt läßt und
deswegen als Minimalwert zu betrachten ist, für die Magenoberfläche
angenommen.
Damit würden in 1 Minute durch die Magenwand 500.0,88 =
440 ocm CO, diffundieren, und in 1 Stunde 60 mal mehr =
26400 eem CO,. Bei der Diffusion sinkt aber die Spannungsdifferenz
der CO, im Magen und im Blute allmählich auf Null, wonach zum
Schluß die pro Zeiteinheit diffundierende Menge auch = Null ist. Tat-
sächlich diffundiert aber deshalb im Mittel nur ca. die Hälfte der obigen
Menge pro Stunde durch die Magenschleimhaut und folglich:
13200 ocm CO, pro Stunde duroh die Gesamt-Magenwand.
Dieselbe Rechnungsweise ist auch für die Resorption des
O, durch die Magenwand anzuwenden, nur sind in der obigen Formel
für die Diffusionsgeschwindigkeit die Werte für die einzelnen Faktoren
andere, und zwar:
= 1000 ocm;
1) Koelliker, Handb. d. Gewebelehre des Menschen. 6. Auf. 8,
1899 (Leipzig).
%) Derselbe, ebenda S. 169.
Magenatmung beim Menschen. 291
= Q, bei 37° ............ = 0,0239,
m = 100%, iger Os ........... = 32,0,
Pr = O, ee EL o oa oo ooo oo = 760,0 mm Hg,
e = wie oben,
Pir = 0,-Spannung in den Magenarterien = 100,0 mm Hg,
c = wie oben ....... ai 0,199:
d = wie oben ............ = 0,01 mm Hg.
Setzen wir diese Werte in die Formel ein, so erhalten wir:
y = 0,0462 ccm O, pro Minute 1 qom Magenwand,
daher 0,0462.60.500 = 1392 pro Stunde durch die Magenwand. Wegen
des Spannungsabfalles während der Diffusion ist dieser Wert wie oben
noch zu halbieren, womit als Endwert 696 ccm = rund 700 ccm pro
Stunde O, durch die Magenwand resultiert.
Es stellt sich demnach heraus, daß die resorbierte CO,-
Menge bedeutend größer ist als die resorbierte O,-Menge, und
zwar rund 20mal größer. Dieses Resultat steht ja in guter
Übereinstimmung mit meinen Beobachtungen während der Ver-
suche. Hat doch da die eingeführte CO, sich bedeutend rascher
in annäherndes Gleichgewicht mit den Blutgasen gestellt. An-
_dererseits ist es interessant, daß hier rechnerisch für die Re-
sorption im Magen pro Stunde eine Zahl herauskommt, die
übereinstimmt mit der O,-Menge, die im Versuche innerhalb
einer Stunde aus dem Magen verschwunden war. Rechnerisch
hätte also diese ganze Menge einfach durch die Magenwand
aus dem Magen verschwinden können, ohne daß ein Teil sich
hätte in den Darm entleeren müssen, wie es in meinen Ver-
suchen teils der Fall gewesen ist.
Die große Resorbierbarkeit der CO, im Magen-Darmkanal,
die aus den Versuchen und aus dieser Berechnungsweise zur
Genüge hervorgeht, ist für die Frage über die Entstehung
des Meteorismus von großem Interesse. Sie zeigt, daß eine
wenn auch noch so hochgradige Vermehrung der CO, im Darm-
kanal keinen Meteorismus hervorrufen kann, wenn die Resorp-
tion normalerweise vor sich geht. Für die Entstehung des
Meteorismus müssen demnach andere, nicht oder schwer resor-
bierbare Gase (H,, CH,) oder eine Behinderung der CO,-Re-
sorption in Frage kommen. Kan Kato!) hat auch im Ex-
periment am Kaninchen nachgewiesen, daß die Unterbindung
der Vena portae zu einer Behinderung der Gasresorption in
1) Kan Kato, Über Gasresorption im Darm. Intern. Beitr. z.
Pathol. u. Therapie d. Ernährungsstörungen 1, 315, 1910.
| 19*
292 A. Ylppö:
einer isolierten Darmschlinge führt und hierdurch den Wert
der Zirkulationsstörungen für die Entstehung des Meteorismus
schon hervorgehoben. Hiermit ist aber die Entstehung des
Meteorismus noch lange nicht geklärt.
Die O,-Menge, die durch die Magenwand allein resorbiert
werden kann, ist im Verhältnis zur CO, gewiß klein, nehmen
wir aber einen anderen und für den Körperhaushalt wichtigeren
Vergleichsmaßstab dafür, so sehen wir, daß sie auch ihre Be-
deutung haben kann. Durch die Magenwand diffundieren nach
der obigen Berechnung pro Minute ca. 12 com O,, und wenn
wir bedenken, daß der Mensch in der Ruhe nur ca. 250 com O,
verbraucht, so ergibt sich, daß der Magen allein den O,-Bedarf
des Körpers bis 5°/, decken kann. Nun haben wir aber allen
Grund anzunehmen, daß die Schleimhaut des Darmes bezüglich
der Diffussion des O, sich in ähnlicher Weise verhält wie die
des Magens, wenigstens in den gefäßreicheren Partien, in denen
auch Nahrungsresorption vor sich geht. Demnach kann sicher-
lich durch den gesamten Magen-Darmkanal bedeutend mehr O,
als die obigen 5°/, des Ruhebedarfs von O, ins Blut übernommen
und durch diese Magen-Darmatmung die Lungenatmung gewisser-
maßen ergänzt werden. Normalerweise kommt ja die Darmatmung
zu keiner praktischen Bedeutung, weil die Lunge in überreich-
lichem Maße den O,-Bedarf und die CO,-Elimination des Körpers
decken kann. Ist aber die Lungenatmung aus irgendwelchem
Grunde stark herabgesetzt oder unmöglich geworden, so liegt es
nach dem Vorhergesagten nahe, diesen drohenden O,-Manyel des
Körpers durch Inanspruchnahme der Darmatmung auszugleichen.
Von dieser Überlegung heraus habe ich bereits bei asphykti-
schen Frühgeburten, bei denen die Lungenatmung in den ersten
Tagen in bedrohlicher Weise oft aussetzte, während die Zirku-
lation keine besonderen Störungen aufwies, durch wiederholte
Einführung von kleinen O,-Mengen mitteis Nelatonkatheters
den O,-Mangel zu bekämpfen versucht. Weiterhin auch in einigen
Fällen von Croup und auch von diffuser Capillarbronchitis, bei
denen die O,-Aufnahme durch Schwellung der Larynxschleimhaut
resp. durch die stark mit Schleim verstopften Alveolen außer-
ordentlich behindert war. Ich beschränke mich auf diesen Hin-
weis und hoffe hierdurch eine Anregung für diese Form der
O,-Therapie in der Klinik gegeben zu haben.
Magenatmung beim Menschen. 293
Zusammenfassung.
In Selbstversuchen, in denen in den nüchternen
Magen 700 bis 1100 ccm Zimmerluft oder O,, oder CO,
eingeführt wurden, wurde festgestellt, daß die einge-
führten Gase in verhältnismäßig kurzer Zeit mit den
Blutgasen in annäherndes Gleichgewicht treten. Der
Beweis dafür wurde durch gleichzeitige Bestimmung der Al-
veolar- und Magengase erbracht. Zum Beispiel bei Einführung
von Luft ergaben sich folgende Mittelwerte:
co, 0,
d, Jon Hei “o [mm Hg
Ca. 1 Std. nach der Ein- Magengase 1134
führung der Luft Alveolar 1112
gleichzeitig untersucht. gase. . ,
Die Spannung ist für Luftdruck 760 mm Hg nach Abzug der Wasser-
dampftension 46,6 mm Hg bei 37° berechnet.
In Versuchen mit CO, (94 bis 98°/,) und O, (90 bis 97,2°/,)
wurde nachgewiesen, daß die CO, bedeutend rascher als
der O, soweit durch die Magenwand diffundiert resp.
resorbiert wird, bis das erwähnte Gleichgewicht eingetreten
ist. Nach Einführung von Luft wurde im Zeitraum von
der 2. bis 5. Stunde nach dem Versuche eine beträchtliche
Flatulenz beobachtet; dieselbe fehlte bei CO,-Einfuhr
vollständig, ebenso beim Einführen von nur `700 ccm
O,, während sie bei Einfuhr von größeren Mengen O, in leich-
terem Grade vorhanden war.
Dieses Verhalten des Flatus beruht auf dem Übergang
der eingeführten CO, und des O, aus dem Magen-Darmkanal
ins Blut und steht in gewissem Einklang mit den Zahlenwerten,
die man für die CO,- und O,-Diffusion aus den physikalischen
Diffusionsgesetzen ableiten kann. Nach denselben Gesetzen
würde resultieren, daß durch die Magen-Darmwand gar nicht
so geringe Mengen O,, durch die Magenwand allein unter be-
stimmten Voraussetzungen ca. 5°/, des Ruhebedarfs des Körpers,
aufgenommen werden können. Dieses letztere Ergebnis wurde
auch in der Praxis zu erproben versucht, indem man bei
schwersten Störungen der Lungenatmung O, in den Magen
einführte!
Zur Frage der Oxydationswirkungen von Hefen.
Von
E. Färber.
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie, Chemische,
Abteilung, in Berlin-Dahlem.)
(Eingegangen am 28. Oktober 1916.)
Wie Neuberg?) und seine Mitarbeiter in den letzten Jahren
gezeigt haben, besitzen Hefen die biologisch allgemein inter-
essante Fähigkeit, Reduktionen zu bewirken. Dieses Reduk-
tionsvermögen der Hefe tritt zutage bei der Überführung von
Aldehyden in Alkohole, von Thioaldehyden in Mercaptane, von
Disulfiden in Sulfhydrate, von Nitrokörpern und Nitrosover-
bindungen in Amine usw. Sowohl Vertreter der aliphatischen
wie der aromatischen Reihe unterliegen dieser phytochemischen
Reduktion. Der Mechanismus dieser Hydrierungen ist noch nicht
völlig geklärt. Woher der zur Reduktion der Nitro- und Ni-
trosoverbindungen dienende Wasserstoff stammt, ist unbekannt,
und für die Umwandlung der Aldehyde in Alkohole steht so
viel fest, daß sie nicht nach dem Schema der Cannizzaro-
schen Reaktion erfolgt; denn hiergegen sprechen schon einfach
die Ausbeuten, die höher an Reduktionsprodukt sind, als der
Gleichung:
2R.COH + H,O = R.COOH + R.CH,OH
entspricht.
Immerbin haben sich in manchen Fällen Anhaltspunkte
für die Entstehung kleiner Mengen Säuren bei der Einwirkung
von Hefen auf Aldehyde ergeben (vgl. die Mitteilungen von
Neuberg und Mitarbeitern über das Verhalten der Aldehyde
zu Hefen). Da nun überhaupt wenig über Oxydationsleistungen
der Hefe bekannt ist, habe ich die hauptsächlich hierüber vor-
liegende Angabe nachgeprüft.
1) C. Neuberg und Mitarbeiter, diese Zeitschr. 1912 bis 1915.
E. Färber: Zur Frage der Oxydationswirkungen von Hefen. 295
Vor 13 Jahren hat R. O. Herzog?) in einer vorläufigen
Mitteilung angegeben, daß Salicylalkohol bei der Digestion mit
Hefe zu Salicylsäure oxydiert wird, daß in ähnlicher Weise Thy-
mol in eine Säure übergeht und daß Cymol eine merkwürdige
Umwandlung zu einer stickstoffhaltigen Substanz erfährt. Da
der Autor in der vergangenen langen Zeit über die damals
angekündigte Fortsetzung dieser Versuche meines Wissens nichts
berichtet hat, so glaubte ich, ruhig die einzige genaue Angabe
von Herzog, die Umwandlung von Salicylalkohol zu Salicyl-
säure durch Hefe, nachprüfen zu dürfen. Die von dem Autor
eingeschlagene Versuchsanordnung war folgende:
„Die Versuche wurden stets so angestellt, daß ca. 21 gut
gewaschener frischer Bierhefe mit ca. 10 g Substanz versetzt
wurden und, wenn diese nicht selbst antiseptische Eigenschaften
besaß, genügend Toluol zugesetzt. Dann wurde im Brutschrank
(bei 38% 2 bis 3 Wochen oder bei Zimmertemperatur zirka die
doppelte Zeit lang stehen gelassen.
Die Verarbeitung gestaltete sich meist so, daß zunächst
von dem abgesetzten Niederschlag abgegossen und filtriert
wurde, dann wurde bis zur Koagulation erhitzt, wieder filtriert
und hierauf zumeist mit Äther ausgeschüttelt oder im Extrak-
tionsapparat mit Äther erschöpft.“
Dieselbe Arbeitsweise habe auch ich eingeschlagen mit dem
einzigen Unterschiede, daß ich statt der schlecht definierten
flüssigen Bierhefe Reinkulturen von Hefe benutzt habe, und
zwar von untergäriger wie obergäriger. Zur Verwendung ge-
langten die Hefe U sowie die Hefe OM des Instituts für
Gärungsgewerbe in Berlin.
Indem ich bezüglich der Einzelheiten auf einige nachstehend
angeführten Versuchsprotokolle verweise, will ich vorweg an-
geben, daß es mir in keinem Falle gelungen ist, eine Um-
wandlung des Salicylalkohols (Saligenins) in Salicylsäure nach-
zuweisen. Bemerken möchte ich noch dazu, daß die Hefe nach
von P. Mayer?) mitgeteilten Erfahrungen keine Neigung be-
sitzt, selbst Salicylaldehyd zu Salicylsäure zu oxydieren.
Die einfachste Erklärung für meine abweichenden, aber mit
einwandfreien Hefenarten erzielten Ergebnisse dürfte die sein,
1) R. O. Herzog, Zeitschr. f. physiol. Chem. 87, 396, 1903.
Paul Mayer, diese Zeitschr. 62, 461, 1914.
296 E. Färber: Zur Frage der Oxydationswirkungen von Hefen.
daß Herzog mit einem durch fremde Erreger verunreinigten
Hefematerial gearbeitet hat, so daß seine Befunde nicht re-
produzierbar sind. Unter diesen Umständen habe ich die Um-
wandlungen von Thymol und Cymol, die der Verfasser in che-
mischer Hinsicht selbst offen läßt, nicht erst nachgeprüft.
Versuche.
Versuch 1. 5 g Saligenin wurden in 1000 ccm Wasser
gelöst und mit 100 g Hefe U + 10 ccm Toluol versetzt. Toluol
wurde zugegeben, weil bei Vorversuchen ohne diesen Zusatz
Fäulnis eingetreten war.
Die Mischung wurde 2 Wochen bei 37° aufbewahrt. Dann
wurde aufgekocht, klar filtriert und nach dem Alkalisieren mit
Soda im Vakuum eingeengt. Der etwa 50 ccm betragende
Rückstand wurde in einem kontinuierlich arbeitenden Ex-
traktionsapparat mit Äther erschöpft. Aus dem Ätherauszuge
schieden sich reichliche Mengen unveränderten Saligenins ab.
Die Extraktion wurde fortgesetzt, bis der Verdunstungsrück-
stand des Äthers mit Eisenchlorid keine Blaufärbung mehr er-
gab. Nunmehr wurde die bei alkalischer Reaktion erschöpfte
Lösung mit Schwefelsäure angesäuert und abermals im Perko-
lator mit Äther behandelt. Es ging keine Spur Salicylsäure
in den Ätherextrakt über. Zur Sicherheit wurde außerdem der
saure Rückstand noch mit Wasserdampf destilliert. Das durch
kleine Mengen flüchtiger Säuren sauer reagierende Destillat
(1*/, 1) wurde mit Natronlauge versetzt und bei alkalischer
Reaktion auf dem Wasserbade bis auf 30 ccm eingeengt; auch
hier verlief die Prüfung mit Eisenchlorid auf Salicylsäure ne-
gativ.
Versuch 2. Ansatz genau wie bei 1, jedoch vierwöchent-
liche Aufbewahrung bei Zimmertemperatur während der Mo-
nate Juni—Juli.
Versuch 3. Entsprechend mit Hefe OM; 14tägiger Auf-
enthalt im Brutschrank bei 38°.
Versuch 4. Ebenso mit Hefe OM; 8 Wochen bei Zim-
mertemperatur während der Monate Juli— August.
Bei keinem der Versuche war Salicylsäure entstanden.
Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen.
í Von
Alfred Resch, Zürich.
(Eingegangen am 13. November 1916.)
In den neueren Arbeiten auf dem Gebiet der Gerinnungs-
physiologie haben Herzfeld und Klinger!) versucht, tiefer
in das biologische Geschehen des Gerinnungsvorganges ein-
zudringen. Die beiden Autoren gingen von einer von Herz-
feld?) neu aufgestellten Theorie aus, die darin gipfelt, daß als
echte Eiweißkörper nur die durch Hitzekoagulation gewonnenen
zu bezeichnen sind, während die in Lösung sich befindenden
Proteine eine Mischung von kolloidalem Eiweiß und ihren
Abbauprodukten darstellen, wobei den letzteren die Funktion
zukommt, die einmal eingeleitete hydrolytische Spaltung der
Eiweißkörper weiter zu unterhalten und den einmal erreichten
kolloidalen Zustand der Proteine zu erhalten. Allerdings sind
es nicht die Abbauprodukte als solche, denen diese Fähigkeit
zukommt, sondern ihre komplexen Verbindungen mit NaCl.
Indem sich das NaCl an die NH,-Gruppe anlagert, bildet sich
eine Neutralsalzverbindung im Sinne Pfeiffers?).
Auf Grund dieser Anschauung unterwarfen Herzfeld und
Klinger die bei der Gerinnung einzeln beteiligten Kom-
ponenten einer ausgedehnten experimentellen Prüfung. Dabei
konnten sie zeigen, daß der Globulinkörper Fibrinogen als ein
1) Herzfeld und Klinger, diese Zeitschr. 70, 391, 1915; 75, 145,
1916.
D Herzfeld, diese Zeitschr. 70, 262, 1915.
2) Pfeiffer und e Modelski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 81, 381,
1912; 85, 1, 1913. — Pfeiffer und Wittka, Ber. 48, Heft 12, S. 1289,
1915. ,
298 A. Resch:
durch Eiweißabbauprodukte 4 NaCl in Lösung gehaltener
Eiweißkörper aufzufassen ist.
Im Gegensatz zu dieser NaCl-Salzverbindung stellt das
Thrombin eine Verbindung von Eiweißabbauprodukten mit
CaCl, dar. Diese besitzen für das Fibrinogen keine lösenden
Eigenschaften, sondern sollen von diesem adsorbiert werden
und dadurch seine Ausfällung als Fibrin bewirken. Überwiegen
die NaCl-Verbindungen, so bleibt das Fibrinogen in Lösung,
überwiegen die CaCl,-Verbindungen, so tritt Gerinnung ein.
Die übrigen Komponenten der Gerinnung, das Serozym
und Cytozym, sind an dem eigentlichen Gerinnungsvorgang
nicht beteiligt, sondern haben für diesen eine vorbereitende
Bedeutung, identisch den bisherigen Anschauungen.
Herzfeld und Klinger sehen nun in dem Serozym die
durch Hydrolyse des Serums gebildeten polypeptidartigen Ei-
weißabbauprodukte, die ihrerseits durch Anlagerung von CaCl,
das Thrombin bilden. Das Cytozym befördert die hydrolytische
Spaltung, unterstützt somit die Bildung der zum Gerinnungs-
prozeB nötigen Abbauprodukte.
Diese in den erwähnten Arbeiten niedergelegten Vor-
stellungen veranlaßten mich, auch vom physikalisch-chemischen
Standpunkte aus das Problem experimentell anzugehen und
durch Überführungsversuche bei bestimmter Wasserstoffionen-
konzentration näheren Aufschluß über die elektrische Aufladung
der einzelnen Gerinnungskomponenten zu erhalten. Es war
nicht ausgeschlossen, auf diese Weise auch über deren chemi-
schen Aufbau Näheres zu erfahren.
Bekanntlich verhalten sich die Eiweißkörper und die ganze
Skala ihrer hydrolytischen Abbauprodukte bis zu den Amino-
säuren hinunter wie amphotere Elektrolyten. Auf Grund der
NH,- und COOH-Gruppe treten sie in saurer Lösung als Base,
in alkalischer Lösung als Säure auf. Ihre elektrische Ladung
ist folglich je nach der vorhandenen Reaktion nicht nur
quantitativ, sondern auch qualitativ variabel. In diesem Sinne
interessiert uns besonders das Verhalten des kolloidalen Ei-
weißes, denn in dem Thrombin haben wir nicht nur CaCl,-
Verbindungen von tieferen Abbaustufen zu sehen, sondern
neben Produkten weitgehender hydrolytischer Spaltung werden
auch hochmolekulare, noch mit allen kolloiden Eigenschaften
Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 299
ausgestattete Verbindungen mit OaCl, in Reaktion treten.
Ebenso liegen die Verhältnisse bei dem Fibrinogen.
Wir wissen, daß entgegengesetzt geladene Kolloide sich
gegenseitig ausfállen. Nicht alle im kolloidalen Zustand sich
befindenden Stoffe gehorchen so weitgehend diesen elektrischen
Gesetzen. Wenn der gesetzmäßige Ablauf elektrischer Erschei-
nungen auch für die Suspensoide seine volle Gültigkeit besitzt,
so lassen die Emulsionskolloide ein gewisses Hervortreten anders-
artiger Vorgänge erkennen. Trotzdem lag die Vermutung nahe,
daß bei dem Gerinnungsphänomen die elektrische Aufladung
der kolloiden Eiweißmoleküle sowohl bei dem Thrombin wie
auch dem Fibrinogen eine wesentliche Rolle spielt. _
Ferner ließ ich die Kataphorese bei verschiedenen Wasser-
stoffionenkonzentrationen vor sich gehen, um darüber Aufschluß
zu erhalten, wie sich Thrombin und Fibrinogen im Bereiche eines
ev. vorhandenen isoelektrischen Punktes verhalten würden.
Die in vorliegender Darstellung mitgeteilten Versuche er-
strecken sich auf Thrombin und Fibrinogen.
Technik.
Zur Bestimmung der Wanderungsrichtung bediente ich
mich des von Michaelis!) angegebenen Apparates, der ein
Konstanthalten der einmal gegebenen Wasserstoffionenkonzen-
tration ermöglicht. Außerdem besitzt er den Vorzug, daß durch
die Depolarisation eine Änderung der Reaktion an den Elek-
troden verhindert wird.
Die Thrombinlösung wurde nach der Schmidtschen Methode
gewonnen (Serum von spontan geronnenem frischen Blut ab-
zentrifugiert, mit 20facher Menge 93°/,igem Alkohol versetzt,
die zum Versuch nötige Menge des Niederschlages abfiltriert,
im Wärmeschrank getrocknet, in der Reibschale zu Pulver
zerrieben und 12 bis 24 Stunden mit 2°/ iger NaCl-Lösung
bei Zimmertemperatur extrahiert). Zum Nachweis des mit dem
elektrischen Strom gewanderten Thrombins kam ein nach
Alex. Schmidt bereitetes Fibrinogen zur Verwendung. 1 Teil
Magnesiumsulfatlösung (28°/,ig) wird mit 3 Teilen Blut ge-
1) Michaelis, Die Wasserstoffionenkonzentration, 1914.
300 A. Resch:
mischt, geschüttelt, scharf zentrifugiert. Zu dem Versuch wird
das Plasma 10fach verdünnt.
Die Kataphorese mit Fibrinogen wurde mit einer nach
Herzfeld und Klinger?) hergestellten Fibrinogenlösung vor-
genommen. (100 ccm scharf abzentrifugiertes Oxalatplasma
werden mit 100 ccm gesättigter NaCl-Lösung und 25 ccm ge-
sättigter Ammoniumsulfatlösung versetzt, der Niederschlag ab-
zentrifugiert und in 100 ccm 2°/,iger NaCl-Lösung wieder ge-
löst.) Um die mit dem Niederschlag mitgerissenen erheb-
' lichen Mengen von Eiweißabbauprodukten möglichst zu redu-
zieren, wird die erhaltene Lösung nochmals mit gesättigter
NaCl-Lósung ausgefällt, zentrifugiert und der Niederschlag
erneut in 2°/ iger NaCl-Lösung gelöst. Die so erhaltene ziem-
lich reine Fibrinogenlösung gelangt für den Versuch unverdünnt
zur Verwendung.
Die gewünschte Wasserstoffionenkonzentration stellte ich
mit Hilfe der von Sórensen?) angegebenen Regulatoren her,
deren Mischungsverhältnis nach der Sörensenschen graphischen
Tabelle bestimmt wurde, unter Berücksichtigung der für die
Phosphatkurve notwendigen Korrektur (Palitzsch).
Um womöglich auch in die quantitativen Verhältnisse der
überführten Thrombin- und Fibrinogenmengen einen Einblick
zu gewinnen, schien mir die Wohlgemuthsche Reihenmethode
sehr geeignet. l
Vor jedem Versuch wurde die Fibrinogen- und Thrombin-
lösung auf ihre Wirksamkeit geprüft. Trat bei der Mischung
von 1 ccm Thrombin +- 2 ccm Fibrinogen innerhalb */, bis
1/, Stunde keine Gerinnung ein, so fanden die beiden Lösungen
keine Verwendung und wurden durch frische ersetzt (die be-
nötigten Blutmengen verdanke ich dem Entgegenkommen von
Herrn Dr. Schellenberg). Kontrollversuche mit dem Regula-
torengemisch ergaben, daß diese den Gerinnungsvorgang weder
im negativen noch im positiven Sinne beeinflussen. Als un-
brauchbar erwiesen sich Regulatorengemische von al, prim.
Natriumphosphat und 2/,-sek. Natriumphosphat, hergestellt nach
den Angaben von Michaelis®). Deren Verwendung läßt das
1) Herzfeld und Klinger, Le
2) Sörensen, diese Zeitschr. 21, 131, 1909.
5 Miohaelis, l. c., $. 182.
"Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 301
Fibrinogen auch ohne Thrombinzusatz in kurzer Zeit gerinnen.
Der durchgeleitete Strom erreichte eine Spannung von 105 Volt.
(Herr Prof. Feer stellte mir in liebenswürdiger Weise die
Gleichstromeinrichtung seines Laboratoriums zu Verfügung.)
Thrombin.
Versuch 1. Die Mittelflüssigkeit setzt sich zusammen
aus 3 ccm einer Mischung von 8,82 ccm sek. Natriumphosphat
+ 1,18 ccm prim. Kaliumphosphat. Dazu kommen 30 ccm
wäßriger Thrombinlósung. Die gegebene Wasserstoffionenkon-
zentration ist somit
[HE] = 2,56:10° oder P= 7,59
bei 18% +0,5°.
Seitenflüssigkeit: Um die entsprechende [H'] in den Seiten-
gefäßen zu erzielen, wurden 6 ccm obiger Regulatorenmischung
mit 62 ccm destilliertem Wasser versetzt. Durchströmungsdauer
24 Stunden bei 18°.
Tabelle I.
Anodenflüssigkeit:
Fibrinogen-
z ; Anoden- Absol. lösung
en 1°/ iges NaCl flüssigkeit | Thrombin- |10fach ver- Ge-
n menge dünnt MERNNE
ccm ccm ccm
1 0,0 1,0 1,0 2,0 3 +
2 1,0 1,0 0,5 2,0 Ei +
a meng g a ©
3 1,0 1,0 0,25 2,0 E FE
` , , 3 3 Eg +
4 1,0 ma jedeemal| 0,125 2,0 ir EE +
5 1,0 0,062 2,0 as +
6 Lo | aachen | 0,081 2,0 = | Spur
7 1,0 0,0 0,0 2,0 A =
3
In der Kathodenflüssigkeit war kein Thrombin nachweisbar.
Versuch 2. Mittelflüssigkeit: 3 ccm einer Mischung von
9,7 ccm sek. Natriumphosphat + 0,3 ccm prim. Kaliumphosphat
zu 30 ccm wäßrigem Thrombinextrakt.
[H] = 1.1078 Pa = 8.
Seitenflüssigkeit: 6 ccm des Regulatorengemisches + 62 ccm
dest. Wasser. Durchströmungsdauer 24 Stunden.
302 A. Resch:
Tabelle II.
Anodenflüssigkeit:
Fibrinogen-
Anoden- Absol. lösung
fliissigkeit | Thrombin- | 10fach ver-
menge dünnt
1 er SE
2 2,0 BEB +
st=
8 2,0 SER | +
4 2,0 SES =
5 20 u Ss
Die Kathodenflüssigkeit ist frei von Thrombin.
Versuch 3. Mittelflissigkeit: 3 ccm einer Mischung von
8,77 ccm prim. Kaliumphosphat — 1,23 ccm sek. Natriumphos-
phat mit 30 ccm wäßriger Thrombinlösung gemischt.
[H] = 1-10 Py = 6.
Seitenflússigkeit: 6 ccm des Regulatorengemisches + 62 ccm
dest. Wasser. Durchströmungsdauer 24 Stunden.
Tabelle III.
Anodenflüssigkeit:
Fibrinogen-
Š : Anoden- Absol. lösung |
Röhr- j 10/ iges NaCl| g.. A8 d | Qe-
Baan loig flüssigkeit | Thrombin- |10fach ver- rinnung
menge dünnt
ccm ccm ccm
1 0,0 1,0 1,0 2,0 > +
2 1,0 1,0 0,5 2,0 Se E +
KE ae ze WE
Ss
3 1,0 1,0 0,25 20 [ŽES] +
4 1,0 1,0 0,125 2,0 "es =
5 1,0 0,0 0,0 2,0 —
Kathodenflússigkeit ist frei von Thrombin.
Versuch A Mittelfliissigkeit: 3 ccm einer Mischung von
9,89 ccm prim. Kaliumphosphat 4 0,11 ccm sek. Natriumphos-
phat zu 30 ccm wäßrigem Thrombinextrakt.
[H] = 1:10" Pa = 5.
Seitenflüssigkeit wie oben.
Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 303
Tabelle IV.
Anodenflüssigkeit:
Fibrinogen-
a Absol. lösung
a Thrombin- |10fach ver- en
menge dünnt 8
Zimmertemp.
stehen lassen
24 Std. bei
Kathodenflüssigkeit ist frei von Thrombin.
Die Versuche zeigen übereinstimmend eine eindeutige
Wanderung des Thrombins nach der Anode, und zwar im Be-
reiche einer Wasserstoffionenkonzentration von Pg= 5 bis Py =8.
Die Wanderungsrichtung ist in der untersuchten Aciditätszone
somit nicht von der [H] abhängig. Selbst bei einer stark sauren
Reaktion (P„= 5), die wesentlich über den wahren Neutral-
punkt hinausgeht, tritt keine Änderung des Wanderungssinnes
ein. Das Thrombin verhält sich folglich kataphoretisch wie
eine Säure, obschon an seinem Aufbau amphotere Elektrolyten
zur Hauptsache beteiligt sind. Die bisher nach dieser Richtung
untersuchten Proteine, Peptone, Polypeptide und Aminosäuren
äußern ihren amphoteren Charakter ja gerade darin, daß sie
bei einer bestimmten Wasserstoffionenkonzentration ihre elek-
trische Ladung verlieren, bzw. sie wandern bei diesem Punkte
überhaupt nicht oder die Wanderung geht nach beiden Elek-
troden. Wird die [H] größer als die des isoelektrischen Punktes,
der für jeden Ampholyten eine mit ziemlicher Genauigkeit
fixierbare Größe besitzt, so verhält sich der amphotere Elek-
trolyt wie eine Base, wird die [H] vermindert, wie eine Säure.
Wie aus den Versuchen hervorgeht, scheint dem Thrombin der
isoelektrische Punkt zu fehlen, wenigstens in der untersuchten
Aciditätszone. Es ist aber kaum wahrscheinlich, daß bei einer
noch weiteren Erhöhung oder Verminderung der [H] der iso-
elektrische Punkt für das Thrombin doch noch auffindbar wäre.
Denn die bisher festgestellten Aciditätswerte im isoelektrischen
Punkte der meisten Aminosäuren, Polypeptide und Proteine
304 A. Resch:
bewegen sich zwischen 22.107 und 6,2-107*, folglich inner-
halb der bei den Versuchen festgesetzten Aciditätszone Nur
das Casein (4,1:10”°) und das genuine Serumalbumin (1,9 . 1073)
haben ihren isoelektrischen Punkt bei einer etwas saureren Re-
aktion. Wir müssen daher annehmen, daß durch die Anlage-
rung von CaCl, an das Molekül der Proteine und der Eiweiß-
abbauprodukte diese ihre amphotere Eigenschaft eingebüßt
haben. Diese Eiweiß-Neutralsalzverbindungen zeigen nun durch
ihre anodische Wanderung ein Verhalten, wie wenn sie der
saure Bestandteil eines Salzes wären. Das von Pfeiffer und
Modelski?) den Peptid-Neutralsalzverbindungen gegebene Kon-
stitutionsschema ist Bëss z
Anion bezeichnet. Eine Leitung des elektrischen Stromes ist
aber nur möglich, wenn das Amphisalz sich in einer Ionisation
befindet nach der Formel Met und Rx) Die anodische
3
Wanderung des Thrombins zwingt uns zu der Annahme, daß
die tieferen Abbaustufen desselben in gleicher Weise dissoziieren.
Für diese Ionisation müßte sich der endgültige Beweis erbringen
lassen, wenn es gelänge, in der Kathodenflüssigkeit das Ca (in
Bindung mit Phosphationen) nachzuweisen.
Handelt es sich aber um höher molekulare Abbaustufen,
die noch in vollem Besitz ihres kolloidalen Charakters sind,
und um Proteine selbst — beide müssen wir im Thrombin als
vorhanden annehmen —, so ist in Analogie der Ionisation des
Alkalieiweiß kaum eine wesentliche Bildung von reinen Metall-
kationen (Ca) zu erwarten, sondern es dominieren umfangreiche
organische Kationen (Robertson). Es könnte in diesem Falle
die vollständige Unwirksamkeit der Kathodenflüssigkeit nur so
eine Erklärung finden, wenn die an das positive Ca angelagerte
positive organische Komponente des Thrombins für den Ge-
rinnungsvorgang überhaupt nicht in Betracht käme. Anderer-
seits kann der anodisch gewanderte Thrombinkomplex nicht
völlig von Ca entblößt sein. Dessen Fehlen würde die Aus-
fällung des Fibrinogens verhindern oder wenigstens erheblich
verlangsamen. Hier kann aber nur eine reine physikalische
wo Me das Kation und X das
1) Pfeiffer und e Modelski, 1. c.
Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 305
Adsorption in Betracht kommen, indem das Proteokolloidanion
bei seiner Wanderung nach der Anode zum Teil dissoziiertes,
zum Teil undissoziiertes CaCl, an sich reißt und mitschleppt.
Je nach der Verwendung von noch nicht durchströmtem
Thrombin-Regulatorengemisch oder der Anodenflüssigkeit (nach
24stündiger Kataphorese) zeigt sich bei letzteren eine ent-
schiedene Verlangsamung der Gerinnung, was auf geringeren
Ca-Gehalt zurückgeführt werden kann. Allerdings muß auch
der Verdünnungsfaktor berücksichtigt werden, da bei einer
Durchströmungsdauer von 24 Stunden nicht alles Thrombin
restlos nach der Anode wandert. Es bleibt somit die Frage’
immer noch offen, ob der undissoziierte Anteil des Thrombi:ı-
moleküls oder das Thrombinanion bei dem Gerinnungsvorgang
hauptsächlich in Betracht kommt. Weitere Versuche müßten
darüber näheren Aufschluß erbringen.
Die absichtlich gewählte [H] von P¿=7,59 entspricht
der Alkalität des venösen Blutes bei 18°.
Fibrinogen.
Die Versuchsanordnung bleibt die gleiche, auch das zum
Nachweis des Fibrinogens gebrauchte Thrombin wurde auf die-
selbe Weise gewonnen.
In sämtlichen Versuchen zeigte das Fibrinogen bei den
4 verschiedenen Wasserstoffionenkonzentrationen weder eine
Wanderung zur Anode noch zur Kathode. Es verhält sich als
Polyaminosäurederivat wie ein schwacher amphoterer Elektrolyt,
dessen Dissoziation so gering ist, daß sich die durch den
konstanten Strom nach der Anode bzw. der Kathode über-
führten Ionen dem Nachweis entziehen. Die elektrische Neu-
tralität wird auch von einer sauren Reaktion von Pg =5 auf-
fallenderweise nicht beeinflußt.
Die ursprüngliche Annahme, daß vielleicht die Gerinnung
auf der Ausfällung entgegengesetzt geladener Kolloide beruht,
besteht folglich nicht zu Recht. Doch wissen wir aber, daß
gerade elektrisch neutralen Eiweißkörpern in ihrem physiko-
chemischen Verhalten eine gewisse Labilität eigen ist. Neben
verminderter innerer Reibung und geringerer Hydratation be-
sitzen sie eine erhöhte Koagulierbarkeit. Ferner ist uns be-
kannt, daß die Erdalkalisalze in der Vermehrung der neutralen
Biochemische Zeitschrift Band 78 20
306 A. Resch:
Eiweißteilchen und damit der Fällbarkeit (durch Herabsetzung
der Hydratation) den Alkalisalzen weit überlegen sind.
Nach Herzfeld und Klinger hätten wir in dem Fibri-
nogen ein durch EiweiBabbauprodukte-Neutralsalzverbindung
in kolloidalem Zustand gehaltenes Eiweiß zu sehen. Arbeiten
von Pauli und Handowsky haben gezeigt, daß komplexe
` Verbindungen von Salzen und Eiweißmolekülen nach dem
NH, Cl
Schema R< ı durchaus im Bereich des Möglichen liegen.
NCOONa
Die Doppelbindung bewirkt eine mehr oder weniger starke
Dehydrierung und Ionenverminderung, die bis zur völligen
elektrischen Neutralität gehen kann, aber doch noch den
flüssigen kolloidalen Zustand des ganzen Komplexes garantiert.
Als einen solchen Zustand können wir auch das Fibrinogen
ansehen, wobei wir auf die Eiweißabbauprodukte als lösenden
Faktor verzichten könnten. Das höchst labile Gleichgewicht
dieses Komplexes kann nun durch CaCl, derart gestört werden,
daß Ca durch Anlagerung an die Carboxylgruppe das hier
locker gebundene Na nach der Aminogruppe verdrängt, nach
ap Ge
dem Schema ¿0 (Pauli), wobei der noch gerade in
oo? l
gelöstem Zustand RE EiweiB-Neutralsalzkomplex zur Aus-
fällung gelangt. Der dem Ca angelagerte organische Komplex
. würde bei diesem Verdrängungsprozeß unterstützend wirken.
Wir- hätten somit in dem Gerinnungsvorgang einen dem
Auftreten von Adsorptionsverbindungen analogen Prozeß zu
sehen, der den Adsorptionsgesetzen gehorcht und wo die che-
mische Umlagerung im Fibrinogenmolekül genügt, um dieses
aus dem Sol- über den Gelzustand der Gerinnung zuzuführen.
Ferner widerspricht das elektrisch neutrale Verhalten des
Fibrinogens der Annahme Hekmas!) Dieser Autor glaubt
auf Grund seiner Versuche dem Fibrinogen den Charakter
eines Alkalihydrosols zusprechen zu dürfen. In diesem Falle
müßte sich das Fibrinogen unbedingt wie Alkalieiweiß verhalten
und nach der Anode wandern, was aber nicht zutrifft.
1) Hekma, diese Zeitschr. 65, 311, 1914.
Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 307
Zusammenfassung.
1. Das Thrombin bzw. der negativ geladene Teil desselben
wandert im Gleichstromfeld anodisch.
2. Die Dissoziation des Thrombins verläuft zum Teil nach
ar
dem Schema ( 00
komplizierter organischer Kationen und Anionen. Der anodische
Komplex enthält höchstwahrscheinlich das Ca in Form einer
reinen physikalischen Adsorption.
3. Ob das undissoziierte Thrombin oder sein Anion durch
Anlagerung an das Fibrinogenmolekül die Gerinnung herbei-
führt, ist noch nicht sichergestellt.
4. Der Ladungssinn des Thrombins wird durch eine Aci-
ditát von P„=5 bis Pa = 8 nicht beeinflußt.
5. Fibrinogen zeigt keine Wanderung, es verhält sich
elektrisch neutral.
6. Der Gerinnungsvorgang hängt sehr wahrscheinlich mit
einer chemischen Umlagerung zusammen. Die Ca-Komponente
verdrängt im Fibrinogenmolekül durch Addition das Na von
der COOH-Gruppe nach NH, und führt damit das vorher
schon in labilem Solzustand gehaltene Fibrinogeneiweiß über
den Gelzustand zum Fibrin über.
7. Die ursprüngliche Annahme, daß bei der Gerinnung
neben anderen physikalisch-chemischen Vorgängen auch dem
entgegengesetzten Ladungssinn des Thrombins und Fibrinogens
eine Bedeutung zukommt, besteht nicht zu Recht.
und Ca*, zum Teil unter Bildung
20*
Stärkebildung bei Schimmelpilzen.
Von
Friedrich Boas.
(Aus dem botanischen Laboratorium der Akademie Weihenstephan.)
(Eingegangen am 22. November 1916.)
Stärke und stärkeähnliche Produkte kommen bei Schim-
melpilzen nicht vor, d.h. sie wurden bis jetzt nicht konstatiert.
Außerdem ist der Stoffwechsel der Pilze so verschieden von
dem der grünen Pflanze, daß Stärkebildung unter normalen
Bedingungen auch nicht zu erwarten ist. Die Angaben Bel-
zungs über Stärke bei Pilzen erwiesen sich denn auch als
falsch.
Dagegen liegen Beobachtungen von E. Tanret und C.
Wehmer vor, aus denen erhellt, daß bei Pilzen unter dem
Einflusse bestimmter Säuren Substanzen erhalten werden kön-
nen, die mit Jodlösung allein sich bläuen, sich also wie Stärke
verhalten. Indessen wurden diese Beobachtungen nicht weiter
verfolgt und auch nicht genauer studiert.
1. Methodik.
Zu den Versuchen dienten sterilisierte Zuckerlösungen mit
Ammonsalzen der Mineralsáuren als Stickstoffquelle.. Gewöhn-
lich wurden 5- bis 10%/,ige Lösungen (100 bis 200 cem) mit
1 bis 5%, Ammonsalz verwendet. Diese Lösungen in destil-
liertem Wasser enthielten noch 0,2%/, der notwendigen Salze
Magnesiumsulfat und sekundäres Kaliphosphat.
Die Temperatur betrug stets über 30°, meist 33°; doch
wurden Kulturen auch noch bei 37° ausgeführt. Diese hohen
Temperaturen sind nötig, da bei Zimmertemperatur die Resul-
F. Boas: Stärkebildung bei Schimmelpilzen. 309
tate unsicher werden. Damit ist von vornherein der Ein-
fluß der Temperatur festgelegt.
Als Versuchsorganismus diente meist Aspergillus niger;
doch kamen auch noch andere Arten von Aspergillus zur An-
wendung, ebenso die Arten der Gattung Penicillium.
2. Chemische Vorgänge bei der Stickstoffversorgung.
Bei der Ernährung mit Ammonsalzen treten die Erschei-
nungen der Ionenwirkung in ausgesprochenem Maße in Er-
scheinung. Es wird aus der Nährlösung das Ammonradikal
verbraucht, das Säureradikal reichert sich in weitgehendem
Maße in der Nährlösung an. Daneben bildet sich bei nie-
drigeren Temperaturen noch bei Anwendung von Aspergillus
reichlich Oxalsáure, was Wehmer schon vor Jahren konsta-
tierte.
Man könnte also sagen, das Zuckermolekül steht unter
der Wirkung einer nascierenden Mineralsäure, da ja andauernd
als Folge des Eiweißaufbaues neue Mineralsäureanionen aus
den Ammonsalzen abgespalten werden. Indessen ist auf die
Entstehung der nascierenden Säure, wie spätere Versuche be-
weisen, kein besonderes Gewicht zu legen.
Unter dem Einfluß der Säure entsteht aus Zucker eine
Substanz, die folgende Eigenschaften hat:
1. Sie erhält durch Jodlösung eine intensive reinblaue
Farbe.
2. Sie wird durch Diastase (Malz- und Speicheldiastase)
abgebaut, die Färbung mit Jod unterbleibt also.
3. Durch Erwärmen verschwindet die Bläuung.
4. Durch Kalilauge kann man in günstigen Fällen eine
intensive Quellung erzielen. (An Präparaten unter dem
Mikroskop).
Alle diese Erscheinungen kommen der Stärke zu. Man
kann also mit Sicherheit behaupten: Unter dem Einflusse
von Säure bilden gewisse Schimmelpilze aus Zucker
eine der Stärke äußerst nahestehende Substanz.
8. Wo befindet sich diese Pilzstärke?
Diese Pilzstärke, wie wir sie nennen wollen, findet sich
in der Nährflüssigkeit in Lösung. Denn die Nährlösung gibt
310 F, Boas:
mit Jod eine mehr oder weniger intensive Bläuung. Weder
durch Zentrifugieren noch durch Filtrieren ist diese Stärke aus
der Nährlösung zu entfernen. Dagegen bleibt natürlich die
Bläuung aus, wenn die Lösung mit Diastase behandelt war.
Außer in Lösung findet sich auch noch an den Wänden
der Pilzzellen ein stark jodbläuender Körper, der sich von
außen her an die Wände als krystallinische (?) Inkrustation
niederschlägt. Jedenfalls kann man durch Kochen mit Wasser
Stärke aus den Pilzzellen in Lösung bringen. Natürlich müssen
die Mycelien der Versuchspilze vor dem Aufkochen säurefrei
gewaschen werden, da sonst die Stärke durch die Säure hy-
drolisiert wird und dann die Jodreaktion negativ ausfällt.
Behandelt man junge Mycelteile nach der Tötung durch
Alkohol mit Diastase, so unterbleibt Blaufärbung nach Jodzu-
gabe. Es findet sich also auch in und an den Mycelien Pilz-
stärke, denn unbehandelte Mycelien färben sich mit Jod blau.
Aufkochen mit verdünnten Säuren bringt natürlich die
Stärke zur Hydrolyse; die Bläuung mit Jod bleibt dann aus.
Aus der filtrierten Nährlösung läßt sich durch Alkohol (in
großem Überflusse) eine flockige Substanz niederschlagen; durch
Zentrifugieren von der Flüssigkeit getrennt, gibt sie alle oben
angeführten Reaktionen der Stärke.
4. Aus welchen Zuckern bildet sich die Pilzstärke?
Auf diese Frage soll folgende Tabelle Antwort geben. Die
Tabelle bezieht sich auf Kulturen, die bei 33 bis 36° vier
Tage lang im Brutschrank standen. Die Nährlösung betrug `
100 ccm; der Versuchspilz war Aspergillus niger; als Stickstoff-
quelle diente Ammonnitrat (1 bis 5°|,).
Kohlenstoffquelle Reaktion des Mycels Reaktion der Nährlösung
Dextrose jodbläuend jodbläuend
Lävulose jodbläuend jodbläuend
Saccharose jodbläuend jodbläuend
Galaktose — —
Milchzucker — —
Maltose — —
Dextrin jodbläuend ?
Tannin —_— =
Glycerin — —
Stärkebildung bei Schimmelpilzen. 311
Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, daß Dextrose,
Lävulose und Saccharose geeignet sind zum Aufbau der Stärke.
Dann bildet sich auch noch aus Dextrin (Handelsdextrin, auf-
gekocht angewendet und nicht mehr jodbläuend) Stärke. Ob
aus den anderen Zuckern unter gewissen Umständen sich nicht
auch Stärke bilden kann, ist noch nicht sicher. Jedenfalls ist .
charakteristisch, daß die natürlich vorkommenden Zucker: Dex-
trose, Lävulose und Saccharose auch rasch wieder in Stärke
übergeführt werden können.
Unter den Substanzen, die die höhere Pflanze rasch in
Stärke überführen kann, ist auch das Glycerin zu nennen, wo-
rüber man Pfeffers Pflanzenphysiologie vergleichen möge.
Unter den gewählten Bedingungen wird Glycerin jedenfalls
nicht in Stärke úbergefiihrt. Es dürfte sich demnach bei den
Pilzen um eine Stärkebildung handeln, die mit der der höheren
Pflanzen nicht gleichzusetzen wäre. Doch müssen hier noch
weitere Untersuchungen ausgeführt werden.
Die gebildeten und bis jetzt erhaltenen Stärkemengen sind
sehr gering, so dal eine Analyse noch nicht vorgenommen
werden konnte. Physiologisch ist, der Vorgang jedenfalls inter-
essant, denn er zeigt, daB Organismen Stoffe unter Umständen
bilden können, die normal in ihrem Stoffwechsel niemals auf-
treten und deren Fehlen als ein hervorragendes Charak-
teristikum einer ganzen großen Gruppe von Organismen gilt.
5. Ist bei der Bildung der Pilzstärke ein Enzym beteiligt?
Betrachtet man die bis jetzt mitgeteilten Versuche, so
könnte man zu der Annahme kommen, Stärke bilde sich aus
Zucker unter dem Einfluß einer nascierenden Säure Es würde
sich also nur darum handeln, Säure in statu nascendi auf
Zucker wirken zu lassen, um Stärke zu erhalten. Diese An-
nahme scheint nicht zu Recht zu bestehen. Denn man be-
kommt ebenfalls Stärke, wenn man Bierwürze, die ja neben
Maltose geringe Mengen Dextrose und Lävulose enthält, mit
freier Schwefelsäure versetzt und dann impft. Die Säure-
gabe betrug gewöhnlich 2 bis 3 ccm *»/ -Schwefelsáure auf je
10 com Würze. Bereits innerhalb 20 Stunden erhält man ein
stark jodpositives Mycel; die Würze selbst ist nach 2 bis 3
Tagen meist deutlich jodpositiv. Bei der Ausführung dieser
312 F. Boas: Stärkebildung bei Schimmelpilzen.
Reaktion mit Würze ist einige Vorsicht nötig, da es vielfach
von Haus aus jodpositive Würzen gibt.
Statt Schwefelsäure kann man auch Phosphorsäure ver-
wenden; auch hohe Gaben von Weinsäure wirken ähnlich.
Jedenfalls erhielt ich bei Gegenwart von 10 bis 20°/, freier
Weinsáure bei anderen Schimmelpilzen ganz ähnliche Resultate.
Durch die Zugabe freier Säure zu Würze fällt die Mög-
lichkeit der Bildung der Stärke durch nascierende Säure weg.
Denn in Würze ist keine anorganische Stickstoffquelle vor-
handen, aus der der Pilz Mineralsäuren abspalten könnte. Da-
gegen hat er neben Maltose, Dextrose, Lävulose und Dextrinen
reichliche Mengen organischer Stickstoffverbindungen. Es ist
damit der Schluß gerechtfertigt, daB die Bildung der Stärke
aus Zucker bei Gegenwart freier Mineralsäuren (in ge-
ringer Konzentration) oder freier organischer Säuren (in hoher
Konzentration) unter dem Einfluß eines Enzyms statt-
findet.
Literatur.
Belzung, Nach Czapek: Biochemie der Pflanzen 1, 300, 1913
(2. Auflage). `
Pfeffer, Pilanzenphysiologie 1, 808, 1897 (2. Auflage).
Tanret, Bull. soo. chimique de Paris 1907. (Nach Lafar-Cohn,
Technische Mykologie 1, 224.)
Wehmer, Übergang älterer Vegetationen von Aspergillus fumiga-
tus in Riesenzellen unter Wirkung angehäufter Säure. Ber. d. Deutsch.
botan. Ges. 81, 257ff., 1913.
Beiträge zum Stoff- und Energieumsatz der Vögel.
Von
Paul Hári.
(Aus dem Physiolog.-chem. Institut der Universität Budapest
[Direktor: Paul Hári)).
(Eingegangen am 23. November 1916.)
Der Stoffwechsel und Energieumsatz der Vögel wurde bis-
her nur wenig untersucht. Außer älteren Versuchen von
Regnault und Reiset?), ferner von Richet?) an Gänsen im
„Stadium der Verdauung“, liegen aus neuerer Zeit solche von
Bleibtreu?) und von Lehmann und Voit*) vor; es wurde
von diesen Autoren der Gaswechsel hungernder und gefütterter
Gänse untersucht. Aus neuester Zeit stammen die ausführ-
lichen Untersuchungen von Gerhartz°) an hungernden und
gefütterten Hühnern.
Da es auf diese Weise wünschenswert erschien, diese spär-
lichen Daten durch neuere zu ergänzen, will ich im folgenden
über mehrere Versuchsreihen berichten, die ich in den Jahren
1909 bis 1911 im Patholog. Institut der Universität (damaliger
Direktor: Prof. Tangl) an hungernden und gefütterten Gänsen
ausgeführt habe. `
1) Bei N. Zuntz in Hermanns Handbuch der Physiologie 4, 2,
S. 135 ff.
2) Charles Richet, De la mesure des combustions respiratoires
chez les oisaux. Arch. de physiolog. norm. et path. 22, 483.
3) Max Bleibtreu, Fettmast und respiratorischer Quotient. Arch.
f. Physiol. 85, 345.
1) K. B. Lehmann und Erwin Voit, Die Fettbildung aus Kohlen-
bydraten. Zeitschr. f. Biol. 42, 619.
5) Heinrich Gerhartz, Über die zum Aufbau der Eizelle not-
wendige Energie (Transformationsenergie). Arch. f. d. ges. Physiol. 156, 1.
314 Paul Häri:
I. Versuchseinrichtung.
Zu meinen Versuchen wurden 4 Tiere (A, B, C und D)
verwendet. An den Tieren A und B wurden in kürzeren oder
längeren Zwischenräumen verschiedene Versuchsreihen ausge-
führt, im Hunger sowohl als auch bei verschiedener Fütterung;
an den Tieren C und D hingegen bloß je 3 Hungerversuche.
Die Tiere wurden in einem Stoffwechselkäfig gehalten, der
das Sammeln der Entleerungen (Harn und Kot vermischt) ohne
Verlust ermöglichte. Zu diesem Behuf war über dem Boden
des Käfigs ein Gitter angebracht, bestehend aus 0,5 cm dicken,
gut verzinkten Eisenstäben in Abständen von 1 cm, welche
die flüssigen und festen Ausscheidungen in eine darunter be-
findliche geräumige Schale aus Porzellan durchfallen ließen.
Ganz ähnlich, wie dies schon Lehmann und Voit beschrieben,
habe ich im Käfig seitlich und rückwärts herausnehmbare Tafeln
aus Blech angebracht, an denen die aus der Kloake oft weit-
hin gespritztem Entleerungen in die unter dem Gitter befind-
liche Porzellanschale hinunterflossen.
Um die Entleerungen möglichst frei von den beständig
in großer Menge abfallenden Federflaum und Bruchstücken der
Federkiele zu erhalten, haben Lehmann und Voit ihre Tiere
in einem Tuch „aufgehängt, so daß die Beine durch zwei
Schlitze des Tuches gesteckt frei sich bewegen konnten, wäh-
rend die Flügel mit drei Binden fest zusammengehalten wurden“.
Ich habe, um das Aufhängen der Tiere zu vermeiden und mehr
natürliche Lebensbedingungen zu schaffen, sie in ein Kleid aus
dichtem Organtin förmlich eingenäht. Das Kleid hatte drei
Schlitze; durch einen wurde vor dem Vernähen der Kopf mit
dem Hals durchgezogen, durch die beiden anderen die Beine.
Organtin habe ich statt des Tuches gewählt, um die durch das
dichte Federkleid ohnehin eingeschränkte Wärmestrahlung nicht:
noch mehr zu beeinträchtigen.
In den ersten orientierenden Versuchen entstanden nennens-
werte Fehler daraus, daß die Gänse die Entleerungen, die sie
an die hintere Blechtafel spritzten, mit dem langen Feder-
schwanz teilweise wieder abwischten. Um dies zu vermeiden,
habe ich die Schwanzfeder der Tiere möglichst kurz zugestutzt,
und da auch das nicht half, die Tiere mit einem Riemzeug
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 315
und zwei langen leichten Ketten so an den Vorderteil des
Käfigs fixiert, daß sie sich wohl verhältnismäßig frei bewegen,
jedoch die hintere Blechtafel nicht abwischen konnten.
Die spärlichen Entleerungen der Hungertiere waren am
Ende eines jeden Versuchstages in der Porzellanschale bereits
halb trocken vorgefunden. Ein anderer Teil war an den Gitter-
stäben und an den Blechtafeln angetrocknet und wurde mög-
lichst ohne Verlust heruntergeschabt, mit der Hauptmenge
vereinigt und die ganze Menge bei etwa 30° eingetrocknet,
24 Stunden lang im Zimmer stehen gelassen und dann luft-
trocken gewogen. In der lufttrockenen, nur wenig Gramm
wiegenden Substanz habe ich den N-, C- und Energiegehalt
bestimmt, und zwar in Versuchsreihen I, II, V und VI in der
täglich gesondert aufgefangenen Menge, in Versuchsreihen III
und IV in der während der ganzen Versuchsreihen gesammelten
Menge. Der N wurde nach Kjeldahl unter Verwendung von
metallischem Quecksilber als Katalysator, C auf nassem Weg
nach dem von Tangl und Kereszty') modifizierten Verfahren
von Messinger-Brunner-Schultz, der Energiegehalt durch
Verbrennung in einer modifizierten Berthelot-Mahlerschen Bombe.
Die hauptsächlich aus Harnsäure bestehenden Entleerungen
der hungernden Gänse konnten ohne geeigneten Zusatz nicht
verbrannt werden; sie verbrannten aber rasch und vollkommen
unter Zusatz einer aus 0,10 bis 0,15 g Naphthalin gepreßten,
sorgfältig gewogenen Pastille.
Die Gitterstábe, die Blechtafeln und die Porzellanschale
wurden nach peinlich genauer Entfernung der angetrockneten
Entleerungen mit lauwarmem Wasser abgespúlt und in dem
Spülwasser der N-Gehalt bestimmt. Aus der Relation zwischen
dem N-Gehalt der Hauptmasse der Entleerungen und des Spül-
wassers wurde der C- und Energiegehalt des letzteren berechnet.
In einigen Versuchen gelang das Abschaben der Entleerungen
besser, in anderen so wenig, daß das Spülwasser mehr N als
die Hauptmasse selbst enthielt.
Die Menge des in den Entleerungen ausgeschiedenen N
und C war an den den Respirationsversuchen folgenden freien
1) F. Tangl und G. v. Kereszty, Zur Methode der Bestimmung
des Kohlenstoffs organischer Substanzen auf nassem Wege. Diese Zeitschr.
82, 266.
316 Paul Hári:
Tagen in der Regel größer, offenbar weil die Tiere an den
Respirationstagen kein Wasser tranken und so durch die ver-
ringerte Diurese N- und C-haltige Abbauprodukte zurückhielten,
die erst am nächsten Tag, wo die Tiere wieder Wasser erhielten,
durch die größere Harnflut wieder herausgeschwemmt wurden.
Um den hierdurch bedingten Fehler zu korrigieren, wurden zur
Berechnung des N- und C-Umsatzes in denjenigen Versuchs-
reihen, in denen die Respirationsversuche von je einem freien
Tag unterbrochen waren, die Mittelwerte des N- und C-Gehaltes
der Entleerungen von dem betreffenden Respirations- und einem
vorangehenden resp. nachfolgenden Tag verwendet.
Von Zeit zu Zeit wurden an den Tieren die Respirations-
Versuche in der Dauer von 18 bis 23 Stunden im Rubner-
schen Respirationscalorimeter angestellt; und zwar in einigen
Versuchsreihen immer in Zwischenpausen von je mindestens
24 Stunden, in anderen von höchstens einigen Stunden. Der
Respirationsschrank war ähnlich wie der Stoffwechselkäfig mit
Gitter, Blechtafeln und Schale zum Auffangen der Entleerungen
versehen.
In den Respirationsversuchen wurde einerseits die Menge
der durch Strahlung und Leitung abgegebenen Wärme bestimmt,
andererseits die der abgegebenen Kohlensäure und des Wasser-
dampfes.
Der Sauerstoffverbrauch wurde nicht direkt bestimmt,
sondern aus den Angaben des Tieres und seiner Gewichtsver-
änderung während des Respirationsversuches berechnet, enthält
daher alle Fehler der genannten Bestimmungen. Da aber diese
kaum mehr als je 0,1 bis 0,2 g, also insgesamt höchstens 1 g
betragen, so dürfte die Bestimmung des Sauerstoffverbrauches
auf etwa 2 bis 3°/, richtig sein; darum habe ich sie in die
weiter unten angeführten Tabellen aufgenommen.
An den vier Tieren wurden insgesamt 6 Versuchsreihen
angestellt, und zwar vier (I bis IV) bei 27 bis 28°, zwei (V
bis VI) bei etwa 16°.
II. Die Ergebnisse der Hungerversuche
sind in den Tabellen I bis VII ersichtlich.
Da es zur Beurteilung der Ergebnisse mancher Versuchs-
reihen wünschenswert sein kann, die Ernährungs- und Gewichts-
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 317
verhältnisse der lange Zeit hindurch beobachteten Tiere A und B
während der den einzelnen Versuchsreihen vorangehenden Pe-
rioden zu kennen, habe ich in den Tabellen I und II alle hier-
auf bezüglichen Daten zusammengestellt. Tabelle III enthält
die allgemeinen Daten der Respirationsversuche; Tabelle IV die
auf 1 kg Körpergewicht und 1 qm Körperoberfläche!) redu-
Tabelle I: (Gans A).
E Sait Veränderung des 185?
Ð Täglich verzehrt Körpergewichtes Ee
E — Ser
5 2003
p PEF
o ba
> 355
I 18.—23. X. 09
23.—24. 0 1
24.—25.
25.—26. 2
26.—27.
27.—28. 3
25
| 26
3504—3655 | + 14
3655—3578 |— 77
3578—3452 | — 126| 20
3504—3467 |— 37| 21
.—18. 3467—3442 |— 4
18. 1.—23. IV. 10 100 lad libitum| 3442—3352 | —1
V 23.—27.1V. 10 O lad libitum] 3352—2737 |— 154
27.—28. 0 0 2737—2636 |—101] 14
28.—29. 0 (ad libitum |
29.—30. 0 0 2633—2541 |— 92] 15
30. IV.—2. V. O ` od libitum Ä
2.—8. 0 0 2486—2408 |— 78| 16
3.—4. 0 |adlibitum |
XI 4.— 6.V.10 100 lad libitum
6.— 7. 100 150 | 2501—2498 | — 3 | 30
7.— 9. 100 lad libitum |
9.—10, 100 50 | 2495—2461 | —34 | 31
10.—11 100 500 |
11.—12 100 75 | 2520—2514 | — 6 | 32
1) Oberfläche = 10,45 x Körpergewicht ?/,.
318 Paul Häri:
zierten Werte für die 24 stündige Kohlensáure- und Wasser-
abgabe und den Sauerstofiverbrauch; Tabelle V die Analyse
der Entleerungen; Tabelle VI die Daten zur Berechnung des
Eiweiß- und Fettverbrauchs und der Wärmeproduktion (in-
direkte Calorimetrie); Tabelle VII die Daten der direkten Ca-
lorimetrie.
Tabelle II (Gans B).
Veränderung des
Körpergewichtes
Täglich verzehrt
Versuchsreihe
An diesem Tage
wurde ausgeführt
der Respirations-
versuch Nr
Wechseln-
de Mengen
do.
28. IX.—7. X. 09
7.—23. X.
ad libitum
do.
3341—3175 | — 18
23. —29. X. 09 O |adlibitum
29.—30. 0 2956—2878 | — 83 4
30.—31. 0 400
31. X.—1. XI. 0 0 2882—2803 | — 79 5
1.—2. 0 775
2.—3. 0 0 2814—2736 | — 78 6
3.—4. 0 300
4.—5. 0 | 0 2741—2659 | — 82 7
5.—11.X1.09 | 200 "ee 1000 | 2659—3017 | +60
11. XI.—19, XII. 100 | ca. 800 | 3017—3205 | + 23
VII 19.—20. XII. 09 50 0 3205—3138 | — 67 22
20.—21. 50 500
21.—22. 50 125 3155—3066 | — 89 og
22.—23. 50 500
23.— 24. 50 150 3097—3086 | — 11 |' 24
X 124. XII. 09—2.I. 10 100 500 3086—8098 |+ 0
2.—3 100 500
3.—4. 100 0 3096—2984 |— 1121| 27
4,—5. 100 700
5.—6. 100 100 3171—3050 | — 121| 28
H 100 700
7,— 100 130 3109—3032 |— 77| 29
16.19.10 | 100 _fadtibitam| [|
VI SE TA 10 0 ad libitum
21.—22. 0 do. 2964—2843 | — 121| 17
22.—23. 0 do.
23.—24 0 do. 2906—2817 | — 89| 18
24.—25 0 do.
25.—26 0 do. 2871—2751 |— 120] 19
319
Stoff- nnd Energieumsatz der Vögel.
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6vL'0 | LPE] 607
SILO | e‘as | 29
62L'0 | 6'Ep | 2‘83
2880 | 1'68 | 3.18
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Bei 16°
Bei 27 bis 28°
320 Paul Hári:
Tabelle IV.
CO,-, H¿0-Ausgaben und O,-Verbrauch auf 24 Stunden, ferner auf 1 kg
Körpergewicht und 1 qm Körperoberfläche berechnet.
Bei 27 bis 28°
Bei 16°
Pro 24 Stunden Pro 24 Stunden und | Pro 24 Stunden und
2 E 2 = 3 1 kg Körpergewicht | 1 qm Körperoberfl.
E 2 F 3 Mit der 2 Mit der E Mit der | 2
$ e E 2 E | Ventilations- „a | Ventilations- | . 3 | Ventilations-| , 3
S S Pia luft abgeführt] O & |luftabgeführt| Sg |luftabgefibrt 55
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I 1 | 3169 | 46,8 | 95,9 | 42,5 | 14,8 | 80,3 | 13,4 | 207,6 ¡ 425,4 | 188,6
Gans Ai 2 | 3089 | 48,3 | 94,6 | 45,7 | 14,4 | 30,6 | 14,8 | 200,9 | 427,1 | 206,4
3 | 3019 | 50,2 | 83,5 | 48,5 | 16,6 | 27,6 | 16,0 | 230,1 | 382,4 | 222,0
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Gans CÌ 9| 3768 | 82,0 | 157,8 | 79,0
ne 10 | 3466 | 63.9 |1312| 650
IV |11| 3792 | 84,2 | 202,2 | 73,8
Gans D| 12 | 3562 | 74,1 | 164,1 | 68,9
13 | 3442 | 71,8 | 128,8 | 67,2
V |14| 2737 | 450 | 61,9 | 42,7 | 16,4 | 226 | 15,6 | 220,0 | 302,7 | 208,9
Gans A| 15| 2633 | 46,6 | 57,4 í 40,6 | 17,7 | 218 | 15,4 | 234,0 | 288,1 : 203,6
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VI |17| 2964 | 52,8 | 60,5 | 539 | 17,8 | 20,4 | 18,2 | 244,8 | 280,5 | 250,0
Gans B| 18| 2906 | 48,3 | 63,6 | 46,9 | 16,6 | 21,9 | 16,1 | 227,2 | 298,8 | 220,5
19] 2871 | 50,7 | 55,8 | 46,1 | 17,7 | 19,2 | 16,1 | 240,4 261,8 | 218,5
1. Der Kórpergewichtsverlust im Hungerzustand.
In nachstehender Tabelle VIII habe ich den täglichen
Gewichtsverlust der Tiere während der Hungerperiode, inner-
halb deren die Respirationsversuche stattfanden, berechnet und
in Prozenten des Anfangsgewichtes ausgedrückt. Vergleichs-
halber habe ich auch die entsprechenden Werte aus den Ver-
suchen der obengenannten Autoren berechnet und in die Ta-
belle eingetragen.
1) Im Respirationsraum hat sich Kondenswasser angesamm elt
daher sind die Daten der Wasserdampfbestimmung bloß zur direkten
Calorimetrie zu verwenden.
2) Das Kondenswasser vom vorigen Versuch ist in diesem Versuch
wieder verdampft; daher sind die Daten der Wasserverdampfung nur
zur direkten Calorimetrie zu verwenden.
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 321
Tabelle V.
Zusammensetzung der Entleerungen.
|
a3 la 00% TEP EST A
o Dg 3 | E WE? lufttrookene') In 24 Stunden ` KE
E aan lm © ntleerungen & a
E SER SL bas int] wurden entleert [*33.
i EICHE (ohne Spülwasser) inklusive Spülwasser ie
AE ZS Ee gt Sp enthalten EEF
o 3% 23 Mt
S 132823 TEE
E DO o Ge O — N N | C Ch
> 253 353
OS g g e lg
I | 19.—20.X.09 | 0,88 | —
20.—21. | | 0,69 | =
21.—22. | 16,22 | — 0,62 | —
22,—23. | 18,96 | 32,81 0,51 10,89 | 85
23.—24. 19,58 | 32,64 | 305,7 | 0,51 | 0,88 | 7,9 1
24.—25. 20,24 133,47 | 345,2 | 0,56 | 0,93 | 9,6
25.—26. 19,19 | 31,85 | 812,7 | 0,44 | 0,73 | 72 2
26.—27. | 20,88 | 34,39 | 356,2 | 0,51 | 0,87 | 8,6
27.—28. | 1,44 |26,34 |31,10| 300,2 | 0,49 | 0,60 | 56 | 3
II | 26.—27.X.09 | 82,0 | 2,50 [19,31 | — | — 10,9 |
27.—29. 40,0 | 1,23 [26,42 |30,42! 328,0 | 0,53 | 0,61 | 7,9
29.—30. 21,9 | 1,26 |23,04|30,23 | 296,9 | 0,41 | 0,57 | 4,8 4
30.—31. 25,7 | 0,91 |15,72| ? ? |059] ? ?
81. X.—1. XI. | 22,2 | 1,19 [24,17 | 32,37 | 272,6 | 0,39 | 0,53 | 4,4 5
1.—2. 25,9 | 1,77 |20,59|38,38| 397,4 | 0,63 | 1,18 | 12,2
2.—3. 23,0 | 1,32 |28,30 |30,27 | 283,9 | 0,46 | 0,49 | 4,6 6
3.—4. 24,9 | 1,59 |22,10 |56,63| 374,2 | 0,56 | 0,92 | 9,4
4.—5. 22,6 | 1,16 [25,22 |36,35| 277,1 | 0,34 | 0,49 | 3,8 7
Hri 5.— 8.xrıı | 78 | 5.26 |16,59/2291 | 2? | 139 | 097 | ? | 8—10
IV| 8.—12.X1.11 | 89 | 3,49 |21,45 |31,93 | 308,5 | 1,44 | 2,03 | 20,5 [11—13
V | 27.—29. IV. 10 | 48,0 | 2,53 |22,60|34,87| 316,0 | 0,73 | 1,19 | 10,5 | 14
29. IV.—2. V. | 73,8 | 2,48 [23,99 35,25| 314,4 | 0,75 | 1,28 | 10,2 | 15
2—4. 45,5 | 2,72 | 24,07 | 34,85 | 308,4 3 | 1,25 |
VI | 21.—23. IV. 10 | 54,7 | 1,90 [19,75 |38,04| 319,7 | 0,64 | Wé SE 11:17
23.—25 41,2 | 1,30 |22,05|34,09| 324,0 | 0,58 | 1,14 | 121 | 18
25.—27 48,0 | 1,44 |24,57|38,02| 323,5 | 0,57 | 1,15 | 10,0 19
Bei Lehmann und Voit.
II 24 | 2,15 |
ee WE Eë }18.64| 29,07
8.7 0%
2. Hungertag | 24 | 4,06
JEJEG
III/3 e Hungertag | 24 | 4,89 M6 83 34 58
b n i ?
III/a
24
1) Wassergehalt 4 bis 6°/,.
2) Im mikroskopischen Präparat noch reichlich Pflanzenfasern ent-
haltend.
Biochemische Zeitschrift Band 78. 21
Paul Häri
322
'J9UYO9IOQ p OYISISYONSIOA sne NI gongetog Jop punig joy (,
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628 Lait Set 6161 ze = 00'81 a PESI | OF HI | PSI
189/33 | 189/83 189/23 | 180/23 3 3 3
el © el 42 “|.
28 Si 2 a g mad | greamg € |g |83
SIE Ee | aoao | ams |a l3 | E |9903}
305% Y. SE uz -19Z SNV | -19Z SNV PE BR a S Se
Lane ET |SS 28 |23] S 186 |°8
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den
Stickstoff in
Entleerungen
1186
9063
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3
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KS
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088
GR
vd Gi ole ept- loo e
Versuchs-Nr.
q sue;
JA
y susy
A
q SUSO
AI
Y sus)
III
Versuchsreihe
d
Bei 16°
Bei 27 bis 28°
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 323
Tabelle VII.
Wärmeproduktion (direkt bestimmt).
3 e Wärmeabgabe (B) ä Wärme-
ga ; SCH E 2 produktion
2 |zI8|22|8 |e |3| © |,5&28| 8 _| pro 24 Std.
S jelslz8|&s | 38 | E55 az gm ar
s |E HE | 3% | 35 | 233 | 28 pise El z
3 S| s| &8 | 38 >% S°3 EK 59573 on SI. 42
EI SI Gro E Qu e o EE E g Ek go.
E ol 3 3s | ša | 832 | $8 [5 538 5 [M Epo ee
|: | 3 z HE al e R- 05 | MS
21m Y 3 GK > O
Ei m kg/Cal |kg/Call kg/Cal |kg/Call kg/Cal| kg/Cal
158,5 155,4 | 49,0 | 689
172,8 169,8 | 55,0 | 766
152,9 150,4 | 49,8 | 689
I 5| 8169 | 980| 42 | 56,3
Gans 4 7| 3089 | 113,3; 3,9 | 55,6
9| 3019 | 100,4 | 3,5 | 49,1
o | IT [4/7 4 | 26,41] 145,6 | 4,1
N [Gans B| 5| 9| 2882 5| 684%) 157,0 | 3,0
2 6|11| 2814 8| 468 11557 | 2,5
AJ 7 |13| 2741 9| 512 |1288| 3,5
>
el Tm | 8| 3] 4039 | 128,1 | 16,4 | 128,1 |272,6| 6,4
3 |Gansc | 9| 4| 3768 | 175,1 | 16,4 | 92,7 | 284,2 | 4,8
S 10| 3] 3466 | 155,3 | 11,0 | 771 |2434| 5,0
IV 3| 3792 | 154,3 | 15,1 | 118,8 | 288,2 | 5,7
Gans D 4| 3562 | 159,8 | 14,2 | 96,4 | 270,4] 5,6
6| 3442 | 133,5 | 14,1 | 75,6 | 223,2 | 4,6 i
V [14| 4| 2737 | 118,6 | 13,4 | 364 |168,4| 77 | 160,7
o [Gans BI 15| 6| 2633 | 114,2! 13,0 | 33,7 !1609| 6,7 |154,2
SS 16 2486 | 121,9 | 11,6 | 30,0 | 1635| 62 | 157,3
SI vı |17| 4| 2964 | 109,8 | 13,8 | 35,5 |1591] 7,5
Gans B|18| 6] 2906 | 132,0 | 13,5 | 37,3 | 182,8 | 4,6
19| 8| 2871 | 136,1 | 14,1 | 82,5 |182,7| 56
a) Gewichtsverlust bei 27% Wie ersichtlich, war der
Gewichtsverlust der Tiere A und B wesentlich geringer als
der der Tiere C und D Dies hat zum Teil wohl folgenden
Grund: Um die Hungerversuche möglichst lange fortsetzen zu
können, habe ich den Tieren A und B bloß die Nahrung,
aber nicht auch das Wasser entzogen. (Tiere C und D er-
hielten auch kein Wasser!) Sie erhielten an den freien Tagen
zwischen je zwei Respirationsversuchen 11 Wasser vorgesetzt,
und nachher wurde aus dem Rückstand die Wassermenge be-
rechnet, die die Tiere in 24 Stunden aufgenommen hatten
(s. Tabellen I und OD). Es hatte dies den Vorteil, daß die
1) Bildung von Kondenswasser im Tierraum.
2?) Verdampfung des Kondenswassers vom vorangehenden Versuch.
21*
324 Paul Häri:
Tierkörper, die im Respirationsschrank verhältnismäßig große
Mengen von Wasserdampf abgegeben hatten, den starken
Wasserverlust an den freien Tagen wieder decken konnten,
wodurch auch eine Entstellung der Körpergewichtsverluste
hintangehalten werden konnte. Durch diese Wasseraufnahme
ist es auch erklärlich, daß die Tiere am Beginn eines nächsten
Respirationsversuches manchmal ebensoviel, manchmal sogar
mehr wogen als 24 Stunden vorher, am Ende eines voran-
gegangenen Respirationsversuches. Zum größeren Teil wurde
der stärkere Gewichtsverlust der Tiere C und D sicherlich
durch den regeren Stoffumsatz (s. unten) verursacht.
Tabelle VIII.
533
E EE e
a | & sE | 58 | 2% |578
00
3 E SS ER ER = So Anmerkungen
5 9 © ; Sr
> ad ||?
o YX <
CP Gi
An versuchsfreien Tagen
Wasser getrunken
16 | 2737 | 2408
An versuchsfreien Tagen
VI |4.—8.] 16 2964 | 2751
) Kein Wasser getrunken
) Wasser getrunken
Bei Bleibtreu:
I | IV |1.—6.| 10 | 6570 | 6090 | 1,8
II} V |1.—3.] 14 | 3990 | 3640 2,9
Bei Lehmann und Voit:
VII II I4.u.5| 14 3739 | 3671 0,9 | In 2 Tagen 90 g Wasser gett
VII [III/1]2.u.3.| 16 3782 | 3637 18 |.,2 „ 108 »
VIII ]III/2]2.u.3.| 13,5] 3553 | 3403 2,1 „2 „ ken „
IX I1ll/3|2.u.3.| 15 3045 | 2901 24 [Am 3. Tag 738g „
b) Gewichtsverlust bei 16°. Solche Versuche wurden
bloB an Tieren A und B angestellt; der Gewichtsverlust ist
etwas größer als an denselben Tieren bei 27°, was ja ganz
begreiflich ist, wenn wir den der niedrigeren Temperatur ent-
1) In meinen Versuchen: ohne Futter, Trinkwasser, Riemzeug und
Organtinkleid.
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 335
sprechenden höheren Stoffverbrauch der Tiere in Betracht ziehen
(s. weiter unten S. 327). Mit diesen etwas größeren Werten
stimmen im großen und ganzen auch die von Bleibtreu so-
wie Lehmann und Voit überein, deren Versuche bei einer
ähnlich niedrigen Temperatur angestellt wurden (Tabelle VIII).
' Ein Vergleich mit den Werten, die für den täglichen Ge-
wichtsverlust anderer hungernder Warmblüter von früheren
Autoren erhalten wurden, zeigt, daß sich die Gans von jenen
nicht unterscheidet. So wurde gefunden
beim Hung", . . . 3 bis 28 kg
bei der Katzen. . . 3 kg 1,6 bis 2,5°/,,
beim Kaninchen?). . 1,5 bis 3 kg 2,1 bis 4,1%,
wobei zu bemerken ist, daB in den hier zitierten Versuchen
es meistens nicht angegeben ist, ob den Tieren auch das Wasser
entzogen wurde oder ‘nicht.
1,1 bis 2,8°/,,
2. Die Kórpertemperatur'
der Tiere (s. Tabelle III) war vor dem Einsetzen in den Re-
spirationsschrank in der Regel ca. 40% also durchaus normal.
Während des 17 bis 23 Stunden langen Aufenthaltes bei
27 bis 28° (Versuchsreihe I bis IV) blieb die Temperatur
nahezu unverändert, indem sie bloB um einige 0,1% sank oder
stieg. In Versuchsreihen V und VI, bei 16°, war durchwegs
eine Abkühlung der Tierkórper um etwa 1° erfolgt. Es ist
1) Ferdinand August Falck, Physiologische Studien über die
Ausleerungen der auf absolute Karenz gesetzten Hunde. Beiträge z.
Hygiene, Pharmakol. u. Toxikol. 1, 39, 1875. — Immanuel Munk,
Die Fettbildung aus Kohlenhydraten beim Hund. Virchows Archiv 101,
96, 1885, und Beiträge zur Stoffwechsel- und Ernährungslehre. Arch. f.
d. ges. Physiol. 58, 319, 1894. — Bernhard Schöndorff, Über den
Einfluß der Schilddrüse auf den Stoffwechsel. Ebenda 67, 432, 1897. —
E. Leyden und A. Fraenkel, Über den respiratorischen Gasaustausch
im Fieber. Virchows Archiv 76, 161 u. 164, 1879.
1?) August Carl Sedlmair, Über die Abnahme der Orgáne, ins-
besondere der Knochen, beim Hunger. Zeitschr. f. Biol., N. F. 19, der
ganzen Reihe Bd. 37, 37 u. 38. — C. Voit, Über die Verschiedenheiten
der Eiweißzersetzung beim Hungern. Zeitschr. f. Biol. 2, 327, 1866.
2) H. Weiske, Über Knochenzusammensetzung bei verschieden-
artiger Ernährung. Zeitschr. f. Biol. 10, 421, 1874. — K. Katsuyama,
Über die Ausscheidung der Basen des auf absolute Karenz gesetzten
Kaninchens. Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 547, 1889.
326 Paul Häri:
dies eine um so eher bemerkenswerte Tatsache, da ja die
Temperatur von 16° nicht als besonders niedrig bezeichnet
werden kann, und spricht für eine auffallende Labilität der
Körpertemperatur hungernder Gänse gegenüber einer relativ
‚nicht besonders kalten Umgebungstemperatur — eine Labilität,
die bei größeren Säugetieren wohl nicht zur Beobachtung
kommt.
3. Die Wasserdampfabgabe.
a) Bei 27 bis 28° Die Menge des in der Ventilations-
luft abgegebenen Wasserdampfes, pro 24 Stunden und 1 qm
Körperoberfläche berechnet, betrug an Tier A 382 bis 425 g,
bei Tier B 380 bis 423 g; hingegen bei Tier C 498 bis 823 g
und bei Tier D 540 bis 796 g. Die bei weitem größere
Wasserdampfabgabe der beiden letzteren Tiere entspricht ihrer
größeren Wärmeproduktion, wovon weiter unten die Rede
sein wird.
b) Bei 16° Entsprechend der niedrigen Umgebungs-
temperatur, durch die die Wärmeabgabe durch Strahlung
wesentlich gefördert wird, war die Wasserdampfabgabe der
Tiere A und B bei 16° wesentlich geringer als bei 27°
(Tiere C und D wurden bloß bei 28° untersucht); sie betrug
an Gans A 220 bis 239 g, an Gans B 227 bis 245g. In den
erwähnten Versuchsreihen von Lehmann und Voit, die bei
14° angestellt wurden, verhalten sich die betreffenden Werte
wie folgt:
Versuchsreihe II. Versuchsreihe III/2.
4. Hungertag . . . 193 2. Hungertag . . . 158
5. n . . . 232 3. n o... 157
Versuchsreihe III/1. Versuchsreihe III/3.
2. Hungertag . . . 202 2. Hungertag . . . 220
3. n . . . 158 3. n . e . 249
Gerade jene Versuchsreihen (H und III/3), in denen die
Tiere Wasser getrunken hatten — wenn auch weniger als
meine —, zeigen in der Menge des ausgeschiedenen Wasser-
dampfes eine gute Übereinstimmung mit meinen Versuchen.
So viel erhellt aus meinen Befunden jedenfalls, daß die
Wasserdampfabgabe wohl von der Umgebungstemperatur und
von dem Umstande abhängt, ob die Tiere während des Hun-
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 327
gerns Wasser zu trinken erhielten oder nicht, jedoch unter
gleichen äußeren Umständen eine ziemlich konstante Größe hat.
4. Die Kohlensäureproduktion.
Obzwar die Werte für die Kohlensäureproduktion und den
Sauerstoffverbrauch an sich kein weiteres Interesse beanspruchen,
da ja der Energieumsatz — sowohl aus den Zersetzungen be-
rechnet als auch durch direkte Calorimetrie bestimmt — weiter
unten besprochen sein soll, will ich sie doch kurz besprechen
und zwar aus dem Grunde, da calorimetrische Versuche
— namentlich direkte — von anderer Seite nur in spärlicher
Anzahl vorliegen, und weil ein Vergleich meiner Versuchs-
ergebnisse mit früheren wohl nur auf Basis der Kohlensäure-
produktion und des Sauerstoffverbrauches vorgenommen werden
kann. Die Kohlensäureproduktion betrug:
a) Bei 27 bis 28% pro 24 Stunden und 1 qm Körper-
oberfläche bei Gans A 208 bis 230 g, bei Gans B 207 bis 234 g,
bei Gans C 267 bis 311, bei Gans D 301 bis 331g. Die
höheren Werte bei den beiden letzteren Tieren entsprechen
ihrem höheren Stoffverbrauch (S. 325).
b) Bei 16° produzierte Gans A 220 bis 239 g, Gans B
227 bis 245 g, also um 4,5 resp. 7%/, mehr als bei 27°. Diese
Steigerung zeugt für den erhöhten Stoffverbrauch bei der
. niedrigeren Außentemperatur und entspricht der chemischen
Regulation der Körpertemperatur.
In den obengenannten Versuchen von Bleibtreu pro-
duziert Tier I bei 10% 640 g, Tier II bei 14% 523 g Kohlen-
sáure, also das 2- bis 3fache der von mir an Tieren A und B
bei 16% erhaltenen Werte. Dieser enorme Unterschied ist wohl
nur zu einem geringen Teile der niedrigeren Außentemperatur
zuzuschreiben, zum größeren Teil dem Umstande, daß Bleib-
treus Versuche bloß 65 resp. 39 Minuten gedauert hatten, in
so kurzdauernden Versuchen aber Unruhe des Tieres einen
ganz bedeutenden Ausschlag geben kann.
In den Versuchsreihen von Lehmann und Voit bei 14°
war die Kohlensäureproduktion weit geringer als in denen von
Bleibtreu. Sie betrug:
328 Paul Häri:
Versuchgreihe II. Versuchsreihe III/2.
4. Hungertag . . . 322 2. Hungertag . . . 242
5. » , . . 335 3. » . 244
Versuchsreihe III/1. Versuchsreihe 111/3.
2. Hungertag . . . 313 2. Hungertag . . . 207
3. ” . 292 3. n u. 294
Die Kohlensäureproduktion war also bald so groß wie an
meinen Tieren A und B, bald weit größer.
5. Der Sauerstoffverbrauch betrug:
a) bei 27 bis 28° pro 24 Stunden und 1 qm Körper-
oberfläche bei Gans A 189 bis 222 g, bei Gans B 208 bis 209 g,
bei Gans C 277 bis 312 g, bei Gans D 282 bis 290 g; also
an beiden letzteren Tieren wesentlich mehr.
Ganz ähnliche Werte wie an meinen Gänsen A und B
erhält man aus der Umrechnung der Gerhartzschen Zahlen
in der sog. Ruheperiode bei 28,7 resp. 23,8°. Unter diesen
Umständen verbrauchten seine Hühner 210 resp. 203 g Sauer-
stoff.
b) bei 16° verbrauchte Gans A 209 bis 239 g, Gans B
220 bis 251) g, Bleibtreus Tiere bei 10 resp. 14° das 2- bis
3fache davon; der Grund hierfür war schon oben (S. 327) be-
sprochen. Lehmann und Voits Tiere verbrauchten bei 14°:
Versuchsreihe II. Versuchsreihe III/2.
4. Hungertag . . . 311 2. Hunge 2. 260
5 » .. . 351 3. n . > . 209
Versuchsreihe III/1. Versuchsreihe 111/3.
2. Hungertag . . . 320 2. Hungertag . . . 297
3. ” , . . 265 3. n . . . 258
Die Werte zeigen dieselben großen Schwankungen wie die
der Kohlensäureproduktion.
6. Der respiratorische Quotient.
Da die Berechnung des Sauerstoffverbrauches, wie erwähnt,
auf einige Prozente sichergestellt ist, sind auch die Werte für
den respiratorischen Quotienten wohl zu verwenden. Unter
17 Hungerversuchen war der höchste Wert 0,830, der niedrigste
0,711; im Mittelwert aller Versuche betrug er 0,764. Aus
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 329
diesen Zahlen ist zu ersehen, daß der Glykogenvorrat der
Gänse durch einige Tage langes Hungern großenteils ver-
schwindet, gleichwie bei den Säugetieren.
Bleibtreu fand Quotienten von 0,728 und 0,690. Aus
Lehmann und Voits Daten berechnete ich:
Versuchsreihe II. Versuchsreihe III/2.
4. Hungertag . . . 0,753 | 2. Hungertag. . . 0,679
5. » . . . 0,694 3. » . . . 0,846
Versuchsreihe III/1. Versuchsreihe III/3.
2. Hungertag . . . 0,710 2. Hungertag . . . 0,703
3. » . . . 0,800 3. ” . . » 0,828
Gerhartz” in der Ruheperiode am Huhn angestellte Ver-
suche ergeben Quotienten von 0,632 und 0,799.
7. Harn und Kot.
Sowohl die Menge der Hungerentleerungen, als auch die
absolute Menge des in ihnen ausgeschiedenen N und C weisen,
wie aus Tabelle V zu ersehen ist, an den Tieren A und B
einerseits und C und D andererseits bedeutende Unterschiede
auf. Dieselben Schwankungen sind auch an Lehmann und
Voits Daten aufzufinden, die ich vergleichshalber in Tabelle V
zu unterst eingetragen habe. Der N- und C-Gehalt der Ent-
leerungen stimmt in diesen und meinen Versuchen gut überein.
Den Quotienten = der Entleerungen habe ich aus den
Daten der Tabelle V berechnet. Derselbe beträgt in Versuchs-
reihe I 15,7, in Versuchsreihe II 14,2, in Versuchsreihe IV
14,2, in Versuchsreihe V 13,8, und bloß in Versuchsreihe VI
wesentlich mehr: 19,6. Es wäre natürlich von großem Wert,
diesen Quotienten für den reinen, nicht mit Kot vermischten
Harn zu berechnen; da aber dieser an meinen Tieren nicht
gesondert aufgefangen wurde, mußte ich mich mit obigen
Quotienten begnügen.
8. Der Energieumsatz.
In allen Versuchsreihen wurde die Wärmeproduktion einer-
seits direkt bestimmt, andererseits aus den Zersetzungen unter
Vernachlässigung des Glykogens berechnet, was ja am Hunger-
tier — wenn auch prinzipiell fehlerhaft — doch gestattet ist.
330 Paul Häri:
In zahlreichen Respirationsversuchen, die ich im Laufe der
Jahre an Hunden ausführte und deren mehrere in dieser Zeit-
schrift mitgeteilt wurden, war der prozentuale Unterschied
zwischen der direkt bestimmten und der berechneten Wärme-
produktion oft recht gering, namentlich wenn es sich um
größere Tiere gehandelt hatte. Wurde jedoch die Wärme-
produktion an kleineren Tieren, wie z. B. in vorliegender Arbeit
an leichteren Gänsen, bestimmt, so müssen die unvermeidlichen
Versuchsfehler auch bei direkter Calorimetrie, weit mehr bei
indirekter Calorimetrie stark ins Gewicht fallen, demzufolge
auch einen weit größeren prozentualen Unterschied in den
nach den zwei Methoden erhaltenen Werten bedingen. In je
einem Versuch ist bald der durch direkte Bestimmung, bald
der durch Berechnung erhaltene Wert höher; doch gleichen
sich diese Unterschiede so ziemlich aus, wenn man innerhalb
jeder Versuchsreihe die Mittelwerte vergleicht. So erhielt ich
in kg/Cal pro 24 Stunden in:
Versuchsreihe Direkt Indirekt | Versuchsreihe Direkt Indirekt
I... 158,5 159,2 IV .. . 2553 253,0
I... 1433 151,3 Vo... 1574 153,4
III (2 Vers.) 272,8 272,1 VI... 1690 169,7
Da die Versuchsfehler der direkten Calorimetrie offenbar
die geringeren sind, sollen in nachfolgender Betrachtung immer
nur die durch direkte Bestimmung erhaltenen und auf 1 qm
Körperoberfläche reduzierten Werte in Betracht gezogen werden
(Tabelle VID.
a) Energieumsatz bei 27 bis 28° Die Wärmepro-
duktion von Gans A und B beträgt für die Einheit der Körper-
oberfläche im Durchschnitt von je 3 resp. 4 Versuchen 715
resp. 682 kg/Cal, die der Gänse C und D 1035 resp. 1038 kg/Cal;
die beiden letzteren Tiere produzieren demnach um etwa 48%/,
mehr Wärme als die beiden ersteren.
Worin ist dieser Unterschied begründet? Man könnte zu-
nächst an die bekannte Tatsache denken, daß im protrahierten
Hunger der Energieumsatz abnimmt; in der Tat handelt es
sich bei Gans A um den 5. bis 9., bei Gans B um den 7. bis
13., bei Gans C hingegen um den 3. und 4., bei Gans D um den
3. bis 6. Hungertag. Nun ist ja der Unterschied in der Dauer
der vorausgegangenen Hungerperiode zwischen Gans B und C
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 331
tatsächlich recht groß, jedoch bei weitem nicht so groß zwischen
Gans A und D; und doch verhalten sich einerseits Gans A
und B, andererseits C und D ganz gleichmäßig.
Wenn auch die kürzere Hungerzeit der beiden letzten
Tiere ihren größeren Energieumsatz teilweise verursachen kann,
muß der eigentliche Grund hierfür anderswo zu suchen sein;
so kann es sich zunächst um Rassenunterschiede zwischen
beiden Tierpaaren handeln, denn Tiere A und B wurden
gleichzeitig bei einem Händler gekauft, desgleichen 1'/, Jahre
später Tiere C und D bei einem anderen Händler. Natürlich
habe ich gar keine Gewähr dafür, daß je 2 Tiere auch wirklich
je einer Zucht angehören, mit einiger Wahrscheinlichkeit kann
dies jedoch angenommen werden.
Ferner konnten A und B einerseits und C und D anderer-
seits jüngere resp. ältere Tiere, oder umgekehrt, gewesen sein.
Der deutliche Unterschied im Gewichte der beiden Tier-
paare (C und D waren wesentlich schwerer) konnte durch
Rassen- oder Altersunterschied bedingt sein, oder etwa auch
durch einen reichlicheren Fettvorrat der Tiere C und D, wo-
von ich mich nach Abschluß der Versuche zu überzeugen leider
versäumt habe. Wäre nun letzteres der Fall gewesen, hätte er
den größeren Energieumsatz um so weniger erklären können,
da ja in diesem Falle ceteris paribus ein relativ geringerer
Energieumsatz hätte konstatiert werden müssen. Wie dem
immer sei, der unmittelbare Grund der starken Divergenz im
Energieumsatz ist anderswo, und zwar meines Erachtens in
dem Umstande zu suchen, daB die Eiweißzersetzung in
den Tieren C und D wesentlich höher war als in A
und B. An der Hand von 17 Versuchsreihen, die ich an
Hunden ausgeführt und an anderer Stelle!) ausführlich be-
schrieben hatte, wurde gezeigt, daß die bei kritischer Tempe-
ratur hungernden Hunde, auf 1 kg Körpergewicht oder 1 qm
Körperoberfläche berechnet, einen um so größeren Energie-
umsatz aufweisen, je mehr Eiweiß sie zersetzen. Es wurde
dort gezeigt, daß in den Tieren mit dem relativ geringsten
Stoff- und Energieumsatz die Relation: Eiweiß: Fett : Energie-
umsatz sich verhält wie 1:3,3:34,8. Wird jedoch in einem
1) Diese Zeitschr. 66, 1.
332 Paul Hári:
hungernden Hunde mehr Eiweiß als das erwähnte Minimum
zersetzt, so wird auch entsprechend mehr Fett in die Ver-
brennung mit hineingezogen, und zwar entspricht einer Mehr-
verbrennung von 1 g Eiweiß eine Mehrverbrennung von eben-
falls ca. 1g Fett. Dem Plus von je 1g an verbranntem Ei-
weiß und Fett entspricht dann die Steigerung des Energie-
umsatzes um 14 bis 15 kg/Cal. |
Wir wollen nun sehen, ob sich diese Gesetzmäßigkeit auch
in den an Gänsen ausgeführten Versuchen wiederfindet.
In nachstehender Tabelle IX habe ich den Eiweiß- und
Fettverbrauch in den Hungerversuchsreihen I bis IV auf 1 kg
Körpergewicht und 1 qm Körperoberfläche berechnet und dabei
folgendes gefunden.
Tabelle IX.
5 Eiweiß zersetzt Fett zersetzt | Wärmeproduktion
pro Std. pro 24 Std. pro 24 Std.
Versuchs- KE ee AS ee
Ä © | und 1 kg | und 1 qm | und 1 kg | und 1 qm | und 1 kg | und 1 qm
reihe 5 | Körper- Ü Körper- | Körper- | Körper- | Körper-
E gewicht gewicht | oberfläche | gewicht | oberfläche
> kg-Cal
kg-Cal
1 1,00 14,1 4,90 68,9 49,0 689
2 1,02 14,2 5,20 72,4 55,0 766
1,04 14,3 5,90 76,1 49,8 689
wegl | f s | ms
II dl 0,99 13,7 5,28 72,5 47,9 657
Gans B A 1,07 14,5 5,61 76,4 53,4 728
> 1,21 16,4 5,00 67,6 54,2 733
1,02 13,7 5,10 68,3 45,7 612
Minor IO Cos
DI 8I 2,15 32,7 6,44 1004
Gans C 9 2, 30 34,3 6,87 1104
10 ? 996
Mittelwerte: 33,5 1035
IV 2,38 35,5 SEH 103,6 745 | 1111
Gans D 2,53 37,0 6,38 93,3 74,3 | 1086
2,62 37,9 6,37 92,1 68,5 917
Mittelwerte :| | 86.8 | 96,3 | 1038
Bei Gans A und B wird durchschnittlich 14,4 g Eiweiß
und 71,8 g Fett verbrannt und 706 kg/Cal umgesetzt; bei
Gans C und D 35,1 g Eiweiß und 98,2 g Fett verbrannt und
1036 kg/Cal umgesetzt; das Plus an Eiweiß beträgt 20,7 g, an
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 333
Fett 26,4 g, an Wärmeproduktion 330 kg/Cal. Berechnen wir
hieraus das Plus an verbranntem Eiweiß und Fett und an
umgesetzter chemischer Energie bei Tieren C und D im Ver-
gleich zu den Tieren A und B, so ergibt sich auch hier, wie
bei den hungernden Hunden, daß die Mehrverbrennung von
1 g Eiweiß eine Mehrverbrennung von Fett, und zwar in einer
Menge von ca. 1,3 g involviert, indem dieses quasi in die Ver-
brennung mit hineingerissen wird, wodurch es nun aus doppeltem
Grund zu einer Steigerung des Energieumsatzes kommt.
Natürlich ‘darf es nicht übersehen werden, daß ich in
meinen Hundeversuchen 5 Versuchsreihen mit dem kleinsten
Eiweißverbrauch als Vergleichsbasis zur Verfügung hatte, und
weitere 12 Reihen, in denen aus dem in verschiedenem Grade
gesteigerten Eiweiß- und Fettverbrauch eine Gesetzmäßigkeit
leicht abgeleitet werden konnte.
Über eine ähnliche Fülle an Versuchen über Gänse ver-
füge ich leider nicht; bloß über 2 Versuchsreihen mit einem
geringeren und 2 Versuchsreihen mit einem wesentlich höheren
Stoff- und Energieverbrauch. Allerdings sind die Unterschiede
sehr bedeutend, indem die an den 4 Gänsen beobachteten
niedrigsten und höchsten Werte für den Energieumsatz dem
in 17 Hundeversuchsreihen beobachteten Minimum und Maxi-
mum nahezu gleichkommen.
Ferner ist auch zu bemerken, daß die Temperatur von
27 bis 28°, bei der alle Versuche angestellt wurden, sicherlich
sehr nahe der kritischen Temperatur für Hunde ist, während
für Gänse die kritische Temperatur noch nicht festgestellt ist
(Gerhartz vermutet sie für Hühner bei 23°).
Obzwar demnach die — in einer größeren Anzahl von Ver-
suchsreihen — an Hunden festgestellten Gesetzmäßigkeiten
nicht ohne weiteres auf andere Tierarten, namentlich auf Vögel,
übertragbar sind, glaube ich auch in den oben mitgeteilten
wenigen Versuchsreihen die Analogie mit den Ergebnissen der
Hundeversuche wiederzufinden und den auffallenden Unter-
schied im Energieumsatz der beiden Tierpaare in der verschieden
starken Eiweißzersetzung begründet zu sehen.
b) Der Energieumsatz bei 16° wurde bloß an den
Tieren A und B festgestellt; derselbe beträgt im Mittel von
je drei Versuchen an beiden Tieren 793 kg/Cal pro 1 qm. Die
334 Paul Häri:
Steigerung gegenüber der bei 27 bis 28° gefundenen Werte
beträgt daher 78 resp. 96 kg/Cal, d. i. 10 resp. 13%/,. Wäre
die kritische Temperatur für Gänse festgestellt, so ließe sich
aus den bei 27 bis 28° und den bei 16° ausgeführten Ver-
suchen berechnen, um welchen Betrag der Energieumsatz ge-
steigert wird, wenn die Umgebungstemperatur um 1° sinkt.
Da jedoch die kritische Temperatur der Gänse noch nicht
bekannt ist und entsprechende Versuche auch in meinen Ver-
suchsreihen fehlen, läßt sich obige Berechnung nur annäherungs-
weise und zwar in der Annahme ausführen, daß die kritische
Temperatur bei 27 bis 28° liegt. In diesem Falle würde das
Sinken der Umgebungstemperatur um 1° den Energieumsatz
um etwa 0,8 bis 1,1°/, steigern.
Es wäre auch von Interesse gewesen, zu berechnen, ob in
diesen, bei niedrigerer Außentemperatur angestellten Versuchen
ein ziffernmäßig ähnlicher Zusammenhang zwischen gesteigertem
Eiweiß- und Fettverbrauch besteht, wie oben ausführlich er-
órtert war; mit anderen Worten, ob ein Plus von 1 g ver-
brannten Eiweißes auch in dem Falle eine Mehrverbrennung
von gerade 1,3 g Fett verursacht, wenn nicht die Stoffzersetzung
zweier bei derselben Temperatur untersuchter Tiere verglichen
wird, sondern die eines, bei verschiedenen Außentemperaturen
untersuchten Tieres.
Leider läßt sich diese Berechnung nicht ausführen, da die
Eiweißverbrennung der Tiere A und B bei 16° eine sehr verschie-
dene war, indem sie pro 24 Stunden und 1 qm Körperober-
fläche bei Tier A 24,3 g, bei Tier B jedoch bloß 17,6 g beträgt.
Ich habe in Lehmann und Voits bei 14° angestellten
Versuchen den Energieumsatz aus den Zersetzungen berechnet
und die Ergebnisse in folgendem zusammengestellt:
Versuchs- eegen 1085 | Versuchs- © Hungertag 830
reihe II (5. n 1128 | reihe 111/2 U3. n 827
Versuchs- ZE ” 1055 | Versuchs- E n 997
reihe UI) 3. a 985 | reihe 111/3 3. nm 1100
Man sieht, daß die Schwankungen recht große sind, ebenso
wie es die Kohlensäureproduktion und der Sauerstoffverbrauch
waren; und daß auch der kleinste Wert höher ist, als die von
mir gefundenen; es kann dies teilweise aus der um zwei Grade
niedrigen Versuchstemperatur erklärt werden.
1
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 335
c) Kritische Temperatur der Gänse.
Es wäre erwünscht gewesen, diese bei 16° und 27 bis 28°
angestellten Hungerversuche durch solche in mehreren Tempe-
raturintervallen zu ergänzen; dadurch wäre es möglich gewesen,
auch die kritische Temperatur der hungernden Gänse festzu-
stellen. Leider mußte dies aus äußeren Gründen unterbleiben.
Daraus jedoch, daß bei 27 bis 28% eine Hyperthermie der
Tiere nicht eintrat, läßt sich folgern, daß diese Temperatur die
kritische, wenn sie sie überhaupt erreicht hat, nur wenig hatte
überschreiten können.
d) Verteilung der Wärmeabgabe. Es ist von vorn-
herein zu erwarten, dal in der Wärmeabgabe Strahlung und
Leitung einerseits, Wasserverdampfung andererseits sich bei
hoher resp. niedrigerer Außentemperatur nicht im selben Ver-
hältnis beteiligen werden, und daß jenes Verhältnis sich zu-
gunsten der ersteren um so mehr verschieben wird, je niedriger
die Außentemperatur gehalten wird. In nachstehender Tabelle X
habe ich die prozentuale Beteiligung der Wärmeabgabe der
beiden Faktoren in allen Versuchen berechnet?).
Tabelle X.
Bei 27 bis 28° entfallen Bei 16° entfallen
von der gesamten von der gesamten von der gesamten
3 E Wármeabgabe E E Wärmeabgabe E E Wärmeabgabe
———ll "9 |4 I
E 2| auf auf E E auf auf Walz auf auf
9 | 5 [Strahlung| Wasser- || 3 | 3 Strahlung) Wasser- || 9 | 5 |Strahlung| Wasser-
SI und ver- SIS und ver- PIÉ und ver-
d $ Leitung dampfung || 2 > | Leitung |dampfung > = | Leitung |dampfung
ei al °] SI 3
0 0 0 0 0 0
Aus Tabelle X ist ohne weiteres ersichtlich, daß beim
Übergang von 28 auf 16° die Wärmeabgabe durch Strahlung
und Leitung von 59 bis 70°/, auf 78 bis 83°/, ansteigt, also
1) Versuch 4 und 5 bleiben hier unberücksichtigt, da im ersteren
Kondenswasser im Respirationsschrank zurückgeblieben, im letzteren
aber dasselbe wieder verdampft ist.
336 Paul Häri:
um etwa den fünften Teil zunimmt; und umgekehrt, die Wärme-
abgabe durch Wasserverdampfung, die an sich bereits geringer
ist, von 30 bis 41°/, auf 17 bis 22°/,, also auf nahezu die
Hälfte sinkt.
Es ist dies ein lehrreiches Beispiel der mannigfaltigen
kompensatorischen Einrichtungen im Wärmehaushalt der Warm-
blüter, vermöge deren sie ihre Körpertemperatur nahezu un-
“verändert beibehalten. Schwer ist allerdings zu sagen, welcher
Vorgang der primäre ist; denn die Steigerung der Wärmeabgabe
durch Strahlung und Leitung bei niedrigerer Außentemperatur
ist im großen und ganzen rein physikalisch ebenso begründet,
wie die Einschränkung der Wasserverdampfung.
B. Versuche an gefütterten Gänsen.
Zweck dieser Versuche war, manche, an gefütterten Tieren
der Vogelwelt noch wenig oder gar nicht bearbeiteten Fragen
der Lösung näher zu bringen. Zu ersteren gehören der Stoff-
und Energieumsatz gefütterter Vögel überhaupt, der abnorm
hohe respiratorische Quotient bei starker Kohlenhydratfütterung,
zu letzteren die Feststellung der kritischen Temperatur ge-
fütterter Gänse, sowie die Berechnung des Produktionswertes
des an Gänse verfütterten Maisfutters.
Leider muß ich vorausschicken, daß der bereits genannten
äußeren Umstände halber die geplante Anzahl der Versuchs-
reihen wesentlich reduziert werden mußte, und auch von den
ausgeführten einige, als mißlungen, nicht verwendet werden
konnten. Es blieben mir so insgesamt 5 Versuchsreihen, die
wohl Genügendes über den Energieumsatz gefütterter Gänse
und über das Verhalten des respiratorischen Quotienten ergaben,
jedoch hinsichtlich der beiden anderen obengenannten Fragen
nur wenig Stützpunkte liefern.
I. Versuchseinrichtung.
Zu diesen Versuchen wurden die Gänse A und B der oben er-
örterten Hungerversuche verwendet. Bezüglich der Versuchsein-
richtung kann ich auf Kapitel A verweisen, da sie nurin folgen-
den geringen Details von der dort getroffenen verschieden war.
Vom Mais, den die Tiere erhalten sollten, wurde eine
große Menge gut durchgemischt, und davon einerseits eine für
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 337
Monate hinreichende Anzahl von Portionen zu 50 resp. 100 g
auf 1 dg genau abgewogen und in Papiertüten verwahrt. An-
dererseits wurden 100 g Mais vermahlen und im groben Mehl
N-, C- und Energiegehalt bestimmt. Das Mehl enthielt 1,78°/, N,
41,06%/, C; 1 g desselben hatte einen Gehalt an chemischer
Energie von 4033 g/Cal.
Die sehr massigen Entleerungen der Tiere sonderten sich
sehr bald in einen mehr festen, dickbreiigen und einen ganz
flüssigen Anteil, die voneinander durch bloßes Neigen der
zum Aufsaugen dienenden Porzellanschale mit Leichtigkeit zu
trennen waren. Nachdem spärliche Reste von Federn sorg-
fältig herausgelolt und abgespült wurden, habe ich, um nicht
zu große Mengen von Flüssigkeiten eindampfen zu müssen,
was viel Zeit und wahrscheinlich bedeutende Verluste an N und
vielleicht auch an C verursacht hätte, den festen Anteil vom
flüssigen einfach durch Abgießen getrennt und gesondert auf-
gearbeitet. Der flüssige Anteil wurde durch Glaswolle filtriert,
der Filterrückstand zum festen Anteil geschlagen, und dieser
durch einen raschen, 30° warmen Luftstrom getrocknet, was
in der Regel 12 bis 20 Stunden in Anspruch nahm. In der
getrockneten Substanz wurde N, C und chemische Energie, im
Filtrate bloß der N bestimmt und sein Gehalt an C und che-
mischer Energie aus der Relation des N-Gehaltes des festen
und flüssigen Anteiles berechnet.
In einer Versuchsreihe wurden alle Bestimmungen täglich
ausgeführt. In allen übrigen aber, da dies bei den sehr vari-
ierenden Mengen der täglichen Entleerungen als zwecklos sich
herausstellte, in den gesammelten Entleerungen der betreffenden
Versuchsreihen. An den Gänsen A und B wurden insgesamt
5 Versuchsreihen angestellt, und zwar Versuchsreihe VII und
VIII bei 27° und einer täglichen Maisration von 50 g; Ver-
suchsreihe IX und X bei 27° und täglich 100 g Mais; Ver-
suchsreihe XI an Gans A bei 16° und einer Maisration von
täglich 100 g. i
II. Die Ergebnisse der Fütterungsversuche
sind in nachfolgenden Tabellen XI bis XV enthalten, und zwar
enthält Tabelle XI die allgemeinen Daten der Respirations-
versuche. Tabelle XII die auf die Körpergewichts- und Ober-
Biochemische Zeitschrift Band 78. 22
Paul Häri
338
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1X >1T1994%L
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 339
flächeneinheit reduzierten Werte für die 24stündige Kohlensäure-
und Wasserabgabe und den Sauerstoffverbrauch; Tabelle XII
die Analyse der Entleerungen; Tabelle XIV die Daten zur Be-
rechnung des Eiweiß- und Fettverbrauchs und der Wärme-
produktion (indirekte Calorimetrie); Tabelle XV die Daten der
direkten Calorimetrie.
1. Die Körpertemperatur blieb in den Versuchen bei
27° beinahe unverändert. Auch bei 16°, bei der bloß Gans A
untersucht wurde, fand eine Abkühlung des Tierkörpers nicht
statt, während am selben Tiere bei dieser Temperatur im Hunger-
zustande eine Erniedrigung der Körpertemperatur um mehr als
1° zu konstatieren war. Die dort erwähnte Labilität bezieht
sich demnach bloß auf das Hungertier.
Tabelle XII.
CO,- H,O- Abgabe und O,-Verbrauch auf 24 Stunden,
ferner auf 1 kg Körpergewicht und 1 qm Körperoberfläche berechnet.
e 3 Pro 24 Stunden
33 und I qm Körper-
© [la 2 oberfläche
= = |2 > be
© Lë
S ZS 5 S Ventilations- ©
e o SG 3
= S CH = luft 'a 8
É s LES abgeführt E
> Hä >
22113205 397,8 | 650,3
Gans B | 23) | 3155 381,9 | 813,0
24 1) | 3097 380,5 | 748,1
Bei 27°
IX E
271)
281)
291)
3097 107,2 | 19 8l ?
$171 | 105,2 | 183,8! ?
?
30 12499 60,5 | 38, 3 | 24,2 | 503,9 509,2 | 314,2
=? Gans A | 31 [2495] 86,5 | 77,5 | 54,1 ` ‚1|21,71449,9 | 403,2 | 281,6
32 |2520] 90,7| 63,2 | 51,4 | 36, ‚1|20,4 | 468,7 | 326,5 | 265,9
1) CO,- und Wasserdampfbestimmung auf etwa 5°/, ungenau; daher
die Berechnung des O,-Verbrauches unmöglich.
22*
340 Paul Häri:
Tabelle XIII.
e Ge
D | Täglich wurden
S 85 en Lënsen ausgeschieden
Si 295| ohne Spülwasser 2 ;
A 202 enthalten inklusive
E Exkremente, [E £ se Spülwasser
9 | gesammelt von Lë ga
T =o C chem chem.
> a Energie Energie
g kg/Cal kg/Cal
|
9.—10. I. 09
10.—11.
11.—12.
12.—13.
21.—22. XII. 09
22.—23.
23.—24.
42,24 | 383,3
2. Die Wasserdampfabgabe.
a) Bei 27% Ein Vergleich der auf 1 qm berechneten
Wasserdampfabgabe bei der Fütterung mit verschiedenen Mengen
von Mais ergab folgendes:
1) In Versuchsreihe IX wurde der N- und C-Gehalt täglich, der
Energiegehalt in einem Gemisch aus aliquoten Anteilen der Exkremente
von jedem Versuchstage bestimmt; zur Berechnung der Respirations-
versuche wurden die Mittelwerte von den 6 Versuchstagen benutzt. —
In allen übrigen Versuchsreihen wurden die Bestimmungen in den ver-
einigten Exkrementen ausgeführt.
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 341
Gans A Gans B
Hunger . . . 382— 425 380—433
50 g Mais .591— 662 650—813
100 g Mais . 952—1015 815—890
Es ist daher die Wasserdampfabgabe bei der spärlichen
Fütterung um mehr als die Hälfte, bei reichlicher Fütterung
hingegen auf mehr als das Doppelte gegen den Hungerzustand
angestiegen. Weiteres über die Bedeutung dieser Daten soll
weiter unten ausgeführt werden.
b) Bei 16° ist naturgemäß die Wasserdampfabgabe weit
geringer als, bei 27°; darauf kommen wir weiter unten noch
zurück.
3. Die Kohlensäureproduktion.
a) Bei 27°. Der Vergleich mit den betreffenden pro
1 qm Körperoberfläche berechneten Daten im Hungerzustande
ergibt folgendes:
Gans A Gans B
Hunger . . . 208—230 207—234
50 g Mais . 325—325 380—398
100 g Mais . 467—478 466—482
Es findet also bei 50 g Mais gegenüber dem Hungerzu-
stande eine Steigerung um zirka 48 resp. 78 %/, statt; bei 100 g
Mais beträgt die Steigerung an beiden Tieren über 100°/,
b) Bei 16° ist die Steigerung an Gans A bloß in einem
Versuche größer als bei 27°, sonst ungefähr gleich.
4. Die Berechnung des Sauerstoffverbrauches ist leider
nur in zwei Versuchsreihen möglich gewesen; in allen übrigen
hatte sich infolge einer schadhaften Lötstelle im Ventilations-
rohr ein Fehler in der Kohlensäure- und Wasserbestimmung
von etwa 5%/, eingeschlichen (wie nachträglich festgestellt
wurde), die die Brauchbarkeit dieser Werte wohl wenig beein-
flußt, jedoch die Berechnung des Sauerstoffverbrauchs und,
was besonders zu bedauern ist, die des respiratorischen Quo-
tienten unmöglich macht.
Bei 27° hatte der Sauerstoffverbrauch von Gans A im
Hungerzustande 189 bis 222 g pro 1 qm Körperoberfläche be-
tragen, bei der Fütterung mit 100 g Mais 335 bis 346, also um
Paul Hari
342
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Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 343 >
Tabelle XV.
Wärmeproduktion (direkt bestimmt).
n wW l bgab lO, 0
83 8 | farias m x 505 $ = Wärme-
e A. plays o |2:3 LL E produktion
= = 132 3 (32 Os 2% 25% 32 | pro 24 Std.
E a lEz2| 30 siet: BS 3. TE SI und
3 3185[|73 ebe 8222| 388388] Se An-
s R E o go SIE cF- TEHE "ka = ——| merkung
2 E Ss e ' p |P o Bal AIDA: E k 1 qm
S > K 5, O u E = = 5 <> A E az > Körper- ran
af r- zer St Ge Gewicht) aäche
g Eg/Uul kg/Cal RO | kaycal | gece kg/Cal kayCal bei Elva!
va | 209|3578 [106,5 155 | 951 l207,1 58 [191,3 | 535 | 783 y täglich
GansA| 21:)[3504| 101,3 | 8,8 | 837 |1938 | 37 [190,1 | 542 | 788 lan 50 g Mais
VIII | 22)|3205 | 191,2?| 6,9 | 868 1194,97) 4,1 [190,82] 59,52) 8402) täglich
o, |GansB| 231) |3155 [138,7 | 6,9 | 107,0 (2526 | +0 [252,6 | 80,1 | 1124 |). E Make
a 241) | 3097 | 130,7 |67 | 976 12350 | 57 12293 | 74.0 | 1033 g
Zil Ix |25 |3524| 135,2 | 9,2] 1859 [280,3 | 3 | 1146 y täglich
GansA| 26 |3474| 117,8 |11,7| 143,5 |273,0| 2, | 1125 |$100 g Mais
27 1) | 3097 | 129,9 | 7,4 | SL
281)13171|110,6 | 7, N
29 1) | 3109 | 123,4 g Mais
A 30 |2499 | 168,7 58, 230,6 | 92,3 | 1198 || vu,
=!GansA| 31 |2495|158,4 ¡144| 46,0 |218,8 5 1212,3 | 85,1 | 1104 1005 Maia
S 32 |2520|188,1 (13,3| 37,1 1238,5 6 [232,9 | 92,4 | 1203 8
etwa 65°/, mehr. Bei 16° im Hungerzustande 227 bis 245 g,
mit 100 g Mais gefüttert 265 bis 314, also bloß um 21°/, mehr.
Ist der calorische Wert des verbrauchten Sauerstoffes schon
recht verschieden, wenn die respiratorischen Quotienten in
normalen Grenzen, d. i. von 0,7 bis 1 schwanken, kann die Ver-
wertung des Sauerstoffverbrauches zur quantitativen Schätzung
der energetischen Vorgänge schon gar nicht herangezogen wer-
den, wenn es sich um so abnorm große Quotienten handelt,
wie sie in meinen Versuchen vorkamen und gleich besprochen
werden sollen. Aus diesem Grunde ist es überflüssig, die Ver-
änderung des Sauerstoffverbrauches gegen den Hungerzustand
näher zu besprechen.
5. Der respiratorische Quotient konnte aus Gründen,
die bei Besprechung des Sauerstoffverbrauches erwähnt waren,
bloß in Versuchsreihen IX und XI berechnet werden. Er ist
1) Wasserdampfbestimmung auf etwa 5°/, ungenau; dies bedeutet
in der calorimetrischen Bestimmung einen Fehler von höchstens 291.
344 Paul Hári:
im ersteren etwas größer als 1, im letzteren sogar weit größer,
entsprechend der Umwandlung von Kohlenhydrat in Fett, die
besonders in Versuchsreihe XI in bedeutendem Umfange (bis
zu 10 g Fett täglich) stattgefunden hat.
Solch hohe Quotienten finden sich auch an Bleibtreu's
gemästeten Gänsen, und zwar Werte von 1,117 bis 1,380. In Leh-
mann u. Voits Versuchen sind die für den Sauerstoffverbrauch
berechneten Werte nach eigener Angabe der Autoren, insbe-
sondere infolge „..... der ungenügenden Schätzung des auf-
genommenen und mit den Exkrementen abgegebenen Wassers“
mit großen Fehlern behaftet.
Ich berechnete die Quotienten in ihrer Versuchsreihe II
zu 1.125, 0,757, 1,155, 1,224, 2,070 (!), 2,250 (!), 0,864.
6. Der Energieumsatz. War schon an Hungertieren in
mehreren Versuchen ein erheblicher Unterschied zwischen der
aus den Zersetzungen — unter Vernachlässigung des Glykogens
— berechneten und der direkt gemessenen Wärmeproduktion
zu konstatieren, so ist dies in noch weit erheblicherem Grade
für die Fütterungsversuche der Fall, denn hier fällt die Ver-
nachlässigung des Glykogens ganz bedeutend in die Wagschale,
namentlich wenn das Futter überwiegend aus Kohlenhydraten
besteht.
Wenn man z. B. für Versuchsreihen VII und VIII, in denen
täglich noch 6 bis 11 g Fett verbrannt sein sollen, annimmt, daß
dem C-Defizit entsprechend nicht Fett, sondern Glykogen ver-
brannte, so wären in Versuch 20 nicht 6,76 g Körperfett,
sondern 11,7 g Glykogen aus dem Körperbestand verbrannt
und daher nicht 63,5, sondern bloß 49,5 kg;Cal Wärme ent-
standen. Dann würde der Unterschied zwischen der direkt
gemessenen und der berechneten Wärmeproduktion nicht 37,5,
sondern bloß 23,5 betragen. Hierbei haben wir aber nur die-
jenige Menge von C in Betracht gezogen, die als Defizit aus
den C-Einnahmen und -Ausgaben des Tieres zu berechnen war.
Es ist aber möglich, daß noch ein weiterer Anteil des C nicht
von verbranntem Fett, sondern von Glykogen herstammt; in
diesem Falle wäre dann noch eine weitere Reduktion der aus
den Zersetzungen berechneten Wärmeproduktion vorzunehmen.
Dies sind längst bekannte Tatsachen, und obige Ausfüh-
rungen liefern eben nur wieder ein Beispiel dafür, daß ohne
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 345
genaue Feststellung des Sauerstoff- und auch des Wasserstoff-
umsatzes eine genaue Berechnung der Wärmeproduktion aus
den Zersetzungen nicht möglich ist. Aus diesem Grunde sollen
bei der Besprechung des Energieumsatzes in folgendem haupt-
sächlich die direkt ermittelten und zwar auf 1 qm Körperober-
fläche berechneten Werte berücksichtigt werden.
a) Energieumsatz bei 27°. In nachstehender Tabelle XVI
habe ich die Mittelwerte für die Veränderung des Energieum-
satzes an beiden Tieren nach Einführung von 50 und 100 g
Mais berechnet und sowohl die direkt bestimmten, als die be-
rechneten Werte eingetragen.
Tabelle XVI.
Einfluß der Maisfútterung auf den Energieumsatz bei 27°.
—
Energieumsatz pro 24 Stunden und 1 qm
Körperoberfläche
: . | aus den Zorsetzungen
Waite 2 direkt bestimmt berechnet
es — |
ti DÉI ..
ler Verde: _ Veränderung g Veränderung
kg/Cal in %/, des| kg/Cal in %/, des
gls kg/Cal Hunger- ea kg/Cal Hunger-
wertes wertes
Gans A | Hunger . . 715 726
50 g Mais . 785 |+70 + 10 935 |4+4209¡ +29
100 g Mais . | 1135 |+420| +59 | 1247 |+521| +72
Gans B | Hunger . .| 682 | 720
50 g Mais.] 999 |+317]| +46 | 1117 |4+397| +55
100 e Mais | 1043 |+361| +58 | 1239 | +517] +72
Aus Tabelle XVI ist ohne weiteres zu sehen, daB der
Energieumsatz beider Tiere in guter Übereinstimmung um mehr
als 50 °/, ansteigt, wenn ihnen 2*/,mal soviel chemische Energie
im Mais zugeführt wird, als ihr Hungerumsatz beträgt. (Durch
indirekte Calorimetrie ermittelt beträgt die Steigerung an beiden
Tieren 72 °/,.)
Bei dem überwiegenden Gehalt an Kohlenhydraten im
Mais ist es nicht zu bezweifeln, daß diese ganz bedeutende
Steigerung als die beinahe reine spezifisch-dynamische Wirkung
(resp. Verdauungsarbeit) der Kohlenhydrate (resp. des Kohlen-
hydratfutters) anzusehen ist, da ja die Außentemperatur in
diesen Versuchen jedenfalls in nächster Nähe der kritischen
Temperatur gelegen war.
346 Paul Hári:
Diese Wirkung zeigt sich auch bei der Fütterung mit 50 g
Mais, durch die der Hungerbedarf bloß um ?/, überschritten
wird. Nur verhalten sich hier Gans A und B wesentlich ver-
schieden; bei der ersteren ist die Steigerung auffallend gering,
bei der zweiten auffallend groß. (In meinen Versuchsproto-
kollen ist von einer besonderen Unruhe von Gans A nichts
verzeichnet, und auch sonst weiß ich für das verschiedene Ver-
halten beider Tiere keinen Grund anzugeben.) Jedenfalls macht
es die Divergenz der Ergebnisse unmöglich, eine nähere Be-
rechnung auszuführen.
b) Der Energieumsatz bei 16 ° wurde bloß an Gans A,
die mit 100 g Mais täglich gefüttert wurde, bestimmt. Im
Mittel von 3 Versuchen betrug die Wärmeproduktion auf die
Einheit der Körperoberfläche reduziert 1168 kg/Cal, also etwa so
groß wie bei 27°. Im Sinne der Rubnerschen Kompensa-
tionstheorie läßt sich dies ohne weiteres so erklären, daß bei
einer Temperatur, die sich unterhalb der kritischen befindet,
die zur chemischen Regulation der Körpertemperatur nötige
Wärme eine reichliche Deckung in der großen Menge von
Wärme findet, die infolge der spezifisch-dynamischen Wirkung
der eingeführten Nahrung freigeworden ist. Da auf diese Weise
nahezu die ganze Umsetzung, die sonst zur chemischen Regu-
lation notwendig gewesen wäre, erspart wurde, war der Energie-
umsatz an dem mit 100 g Mais gefütterten Tier bei 27 und
16° nahezu gleich groß.
c) Vergleichen wir die Verteilung der Wärmeabgabe
auf Strahlung und Leitung einerseits und Wasserverdampfung
andererseits, zwischen hungernden und mit 100 g täglich ge-
fütterten Tieren, so ergeben sich folgende, in nachstehender
Tabelle XVII zusammengefaßte, sehr interessante Daten.
Tabelle XVII.
Durch Wasserverdampfung
pro 24 St. kg. Cal
Gans A | Gans B
——
qxpPRo- 3 EXKáAA>— A U
Durch Strahlung und
Leitung pro 24 St. kg/Cal
Gans A | Gans B
Im Hungerzu-
stand... .
Mit 100 g Mais
gefüttert
139,7 | 112,1
|
136,9 | 1282
Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 347
.Es ist klar ersichtlich, daß das Wärme-Plus, das die bei
27° gehaltenen Tiere entsprechend der spezifischen dynamischen
Wirkung der täglich eingeführten Nahrung abgeben mußten,
zum größeren Teile durch eine relativ und auch absolut größere
Steigerung der Wasserverdampfung abgegeben wurde. Während
nämlich die gefütterten Tiere A und B durch Strahlung usw.
bloß um 27 resp. 30 %/, mehr Wärme abgegeben hatten, als
dieselben Tiere im Hungerzustande, betrug die Steigerung der
Wasserverdampfung 160 resp. 133 |,.
Es weist dies jedenfalls darauf hin, daß sich in diesen Ver-
suchen die Tiere sehr nahe zur kritischen Temperaturgrenze
befunden haben, indem die physikalische Regulierung ihrer
Körpertemperatur bereits sehr stark in den Vordergrund ge-
treten ist.
Vergleichen wir endlich die Verteilung der Wärmeabgabe
des mit 100 g Mais gefütterten Tieres A bei 27 und bei 16°,
so ergibt sich auch hier der am Hungertier beschriebene Zu-
sammenhang. Wie nämlich aus nachstehender Tabelle XVIII
ersichtlich, findet am gefütterten, ebenso wie am Hungertier
Tabelle XVIII.
: | Bei 27° entfallen von der
gesamten Wärmeabgabe
Bei 16° entfallen von der
gesamten Wärmeabgabe
Versuchseihe
Versuchs-Nr.
auf auf
Strahlung Wasser-
und Leitung ¡Verdampfung
oo oo
IX 125 52 48 XI 130 76 | 24
26 47 53 31 80 | 20
32 84 16
eine bedeutende Verschiebung in dem Sinne statt, daß bei
niedrigerer Außentemperatur die durch Strahlung und Leitung
abgegebene Wassermenge zu-, die durch Wasserverdampfung
abgegebene aber abnimmt.
Die Ergebnisse der besprochenen Versuche lassen sich kurz
in folgendem zusammenfassen:
1. Es wurde der Stoffwechsel und Energieumsatz
hungernder und gefütterter Gänse bei 27 bis 28° und
bei 16° untersucht.
348 Paul Häri: Stoff- und Energieumsatz der Vögel.
2. Der respiratorische Quotient im Hungerzustand
ist ähnlich dem, der an hungernden Säugetieren beob-
achtet wird.
3. Der Hungerumsatz beträgt bei 27 bis 18° 682
bis 1038 kg/Cal pro 1 qm Körperoberfläche, bei 16°
um 10 bis 13°/, mehr.
4. Die Größe des Hungerumsatzes hängt vom Ei-
weißverbrauche ab.
5. Am reichlich gefütterten Tier ist der respirato-
rische Quotient größer als 1. |
6. 100 g Mais steigern bei 27° den Energieumsatz
um mehr als 50%/,; bei 16° findet keine weitere Stei-
gerung statt.
Weitere Untersuchungen zur Chemie der Eiweißkörper.
Von
E. Herzfeld und R. Klinger.
(Aus dem chem. Laboratorium der mediz. Klinik und aus dem Hygiene-
Institut der Universität Zúrich.)
(Eingegangen am 24. November 1916.)
Mit 2 Figuren im Text.
In früheren Arbeiten haben wir auf die Bedeutung hin-
gewiesen, die den Eiweißabbauprodukten für die Löslich-
keit, d. h. kolloidale Verteilung der Eiweißkörper zukommt. Es
konnte gezeigt werden, daß kolloidale Eiweißlösungen nur dann
zustande kommen, wenn genügend Abbauprodukte vorhanden
sind und daß deren Wegnahme oder gewisse chemische Um-
wandlungen derselben zur Folge haben, daß das Eiweiß aus
seinen Lösungen ausfällt.
Wir möchten in dem folgenden eine Erscheinung näher
beschreiben, die geeignet sein dürfte, diese Vorstellungen zu
stützen und in mancher Hinsicht zu erweitern.
Wenn man eine Eiweißlösung, z. B. Blutserum, auf einer
Glasplatte, an der Luft oder im Exsiccator bei gewöhnlicher
Temperatur eintrocknet, so erhält man eine glasig-spröde Schicht,
die auch nach vollständiger Trocknung leicht wieder durch
Wasserzusatz in Lösung gebracht werden kann. Wird im ent-
sprechenden Volumen reinen Wassers gelöst, so unterscheidet
sich die neue Lösung in nichts Wesentlichem von der ursprüng-
lichen. Wird aber das trockene, harte Eiweiß in einer Por-
zellanschale zu einem feinen Pulver verrieben, so gelingt es
hinterher nur noch sehr unvollkommen, dieses Eiweißpulver in
Wasser wieder aufzulösen. Ein Teil des Eiweißes wird zwar
auch jetzt wieder kolloidal gelöst, ein meist nicht unbeträcht-
licher Anteil bleibt dagegen in Form von kleinen Flocken und
390 E. Herzfeld und R. Klinger:
Partikelchen schweben und kann trotz wiederholtem Schütteln,
Stehenlassen, Vermehrung des Lósungsmittels (physiol. NaCl-
Lósung) nicht besser gelóst werden. Beim Stehen setzen sich
die groben Teilchen allmählich zu Boden, darüber bleibt die
Flüssigkeit mehr oder weniger trüb.
Diese Erscheinung dürfte vermutlich manchem, der sich
mit Verarbeitung und Konservierung von EiweiBlósungen be-
schäftigt hat, aufgefallen sein. Unseres Wissens wurde sie aber
noch nicht näher beschrieben und zu erklären versucht. Wir
möchten folgende Erklärung für wahrscheinlich halten:
Wir nehmen an, daß die einzelnen Eiweißteilchen kugelige
Gebilde vorstellen, die an ihrer Oberfläche mit einer Schicht von
adsorbierten Eiweißabbauprodukten umgeben sind, welche die
Wasserlöslichkeit vermitteln. Beim Eintrocknen kleben sie zu
einer festen, durchscheinenden Masse zusammen, die aber nicht
ganz homogen ist, sondern neben den kompakten Eiweißteilchen
noch aus den in dünnen Schichten zwischen denselben ein-
getrockneten Abbauprodukten besteht.
Obige Zeichnung gibt schematisch die einzelnen Eiweiß-
teilchen: bei Fig. 1a nach der Eintrocknung auf der Glasfläche,
bei Fig. 1b mit Wasser in kolloidale Lösung übergeführt.
Z b
ISA S RS >
ya a0: SS =
mei en D
Fig. 2.
Fig. 2a zeigt die beim Verreiben eines derartigen Trocken-
eiweißes auftretenden Rißflächen (im Verhältnis zur Molekül-
größe natürlich zu eng gezeichnet). Fig. 2b stellt die daraus
beim Lösen in Wasser freiwerdenden Teilchen vor, mit den
Zur Chemie der Eiweißkörper. 351
neuen Oberflächen, denen die angetrocknete Schicht von
Abbauprodukten fehlt.
Wird eine eingetrocknete Eiweißschicht mit Wasser ver-
setzt, so dringt dieses längs den Spalten, in denen sich die
wasserlöslichen Abbauprodukte befinden, ein, diese gehen in
Lösung, die zusammengeklebten Eiweißteilchen fallen wieder
auseinander, ein jedes ist neuerlich von seiner Zone von Ab-
bauprodukten umgeben, ihre kolloidale Verteilung kann sich
daher wieder rasch herstellen. Wird dagegen die ganze Masse
vor der Wiederauflösung fein zerrieben, so wird sie durch tausende
von Rissen und Brüchen zersprengt, es entstehen ganz unregel-
mäßige Bruchstücke und eine große Anzahl neuer Oberflächen,
auf denen keine Abbauprodukte absorbiert sind. Wird nun Wasser
mit diesem Pulver verrührt, so dringt es zwar auch diesmal in
die Spalten ein und löst so die mehr oder weniger intakten kol-
loidalen Teilchen auseinander. Es resultieren aber hier nicht,
wie oben, rings von Abbauprodukten besetzte Teilchen, sondern
vielfach nur Trümmer von solchen, die nur auf einem Teil ihrer
Oberfläche Abbauprodukte tragen, während alle neuen Bruch-
flächen frei davon sind. Diese nackten Oberflächen sind aber
für die kolloidale Verteilung des Eiweißes wertlos, ja sie ver-
hindern dieselbe geradezu. Denn die nicht mehr durch eine
Sphäre von wasserlöslichen Stoffen getrennten Teilchen legen
sich aneinander, verkleben zu größeren zum Teil schon mit dem
Auge sichtbaren Komplexen, und nur noch ein kleiner Teil in-
takt gebliebener, oder relativ wenig geschädigter Eiweißteilchen
kann in genügend fein disperse „Lösung“ übergeführt werden.
Während bei wirklich wasserlöslichen Stoffen (wie Salzen)
die Lösung um so rascher eintritt, je größer die Berührungs-
fläche mit dem Lösungsmittel ist, liegen die Verhältnisse bei
den Eiweißkörpern ganz anders. Der Grund hierfür ist darin
gegeben, daß das Wasser nicht direkt, sondern nur mit Hilfe
von Abbauprodukten die Lösung von Eiweiß hervorrufen kann,
weshalb die zwar sehr reichlichen, aber gewissermaßen kahlen,
neuen Oberflächen für die Lösung nicht in Betracht kommen.
Dieses Phänomen liefert somit einen neuen Beweis für die
Bedeutung, die den Abbauprodukten beim Zustandekommen
kolloidaler EiweiBlósungen zukommt. Es findet durch die von
uns vertretene Ansicht über den Bau der Eiweißkörper eine
Lë
352 E. Herzfeld und R. Klinger:
zwanglose Erklärung, während die bisherigen eiweißchemischen
Vorstellungen hierzu kaum imstande sein dürften. Wir glauben
ferner, daß es berechtigt ist, auf Grund desselben noch folgenden
Schluß über den Bau der einzelnen Eiweißteilchen zu ziehen:
Wir haben uns öfters die Frage vorgelegt, ob diese Teilchen
als homogene, dichtgefügte Kugeln vorzustellen sind, an
denen bloß die Oberflächen von Abbauprodukten besetzt sind,
oder ob eher eine schwammige Struktur derselben anzu-
nehmen ist, wobei Eiweiß und Abbauprodukte sich gegenseitig
durchtränken. Die mitgeteilte Beobachtung läßt uns die erstere
Annahme wahrscheinlicher erscheinen, denn unter der Voraus-
setzung einer schwammigen Verteilung der Abbauprodukte im
Inneren der einzelnen Teilchen wäre das Unlöslichwerden nach
dem Verreiben nicht erklärbar.
Unsere Beobachtung ist auch für die Praxis der Eiweiß-
chemie nicht unwichtig. Sie lehrt, daß es falsch wäre, ein-
getrocknetes Eiweiß, das wieder in Lösung gebracht werden
soll, zum Zwecke bequemerer Konservierung, Wägung usw. zu
pulverisieren. Dies ist namentlich für die zu biologischen Re-
aktionen bestimmten Eiweißlösungen, wie Immunsera, komple-
mentierende Sera usw. von Wichtigkeit. Es läßt sich leicht
nachweisen, daß mit der unvollständigen Lösung, die nach dem
Pulverisieren eintritt, eine entsprechende starke Einbuße der
serologischen Funktionen verbunden ist. So sinkt die Komple-
mentwirkung von Meerschweinchenserum (an sensibilisierten
Blutkörperchen geprüft) durch schonendes Trocknen und Wieder-
auflösen nicht merklich, nach Pulverisieren dagegen auf ?/, bis
1/, des früheren Wertes herab. Ähnliches gilt natürlich für
alle anderen, an die kolloidale Verteilung der Teilchen ge-
knüpften biologischen Reaktionen.
Nur solche Eiweißmischungen, die sehr reich an Abbau-
produkten sind, wie z. B. aus Bakterienkulturen, können pul-
verisiert werden, ohne daß ihre Wasserlöslichkeit darunter leidet.
Hier überwiegen die wasserlöslichen Bestandteile so sehr, daß
auch nach dem Verreiben noch genügend die kolloidale Lösung
vermittelnde Stoffe zugegen sind.
Wir haben versucht, ob durch Zusatz von NaCl op Seren
der schädliche Einfluß des Pulverisierens vermieden werden
kann. Dies war aber nicht der Fall; nach Zusatz von 10 °/,
Zur Chemie der Eiweißkörper. 353
NaCI-Lósung eingetrocknetes und dann verriebenes Serum war
ebenso in seiner Löslichkeit herabgesetzt als direkt getrock-
netes.
Wir möchten das im vorhergehenden beschriebene Phä-
nomen als „mechanische Denaturierung“ der Eiweißkörper
bezeichnen und glauben, daß es uns gelungen ist, dasselbe nicht
nur in befriedigender Weise zu erklären, sondern mit demselben
eine weitere Stütze für die von uns vertretenen Ansichten über
die Chemie der EiweiBkórper zu erbringen.
Biochemische Zeitachrift Band 78 23
Die physiologische Bedeutung des Kaliums in der Pflanze.
Entgegnung.
Von
Th. Weevers (Amersfoort, Holland).
(Eingegangen um 24. November 1916.)
In einer neulich in dieser Zeitschrift erschienenen Arbeit
Stoklasas!) behauptet dieser Autor, daß ohne Kalium zwar bei
den Bakterien keine Eiweißbildung stattfinden kann, jedoch
bei der Zuckerrübe in CO,-freier Luft bei Gegenwart von
Kohlenstoffquellen sowohl bei An- als Abwesenheit von Kalium
die Eiweißbildung erfolgt, wenn nur Sonnenenergie einwirkt.
Stoklasa verhält sich also ablehnend gegen die Betrachtungen,
die ich in meiner Arbeit?) veröffentlicht hatte.
In dieser Arbeit hatte ich nachgewiesen, daß das Kalium
hauptsächlich in den Vakuolen vorhanden ist und in den Chro-
matophoren fehlt, also nicht direkt am AssimilationsprozeßB be-
teiligt sein kann). Dagegen hatte ich die Ansicht Jost s*) her-
vorgehoben, daß das Kalium besonders beim Aufbau der Ei-
weißkörper sich beteiligt und einige Tatsachen dafür angeführt.
Später hat auch Benecke in seiner Arbeit „Stoffwechsel der
Pflanzen“°) sich dieser Meinung angeschlossen.
1) J. Stoklasa, Ist das Kaliumion an der EiweiBsynthese in der .
Pfianzenwelt beteiligt? Diese Zeitschr. 73, 107, 1916.
2) Th. Weevers, Untersuchungen über die Lokalisation und Funk-
tion des Kaliums in der Pflanze. Recueil des Travaux botaniques Neer-
landais, 8, 1911.
$) Ich untersuchte die Chromatophoren, z. B. bei Mnium hornum,
- Marchantia polymorpha, Spirogyra, Nitella und Bryopsis plumosa. Eigen-
tümlich ist das Verhalten der beiden letzten Objekte; beide geben eine
ntensive Kaliumreaktion mit Macallums Reagens, die Zellen werden
ganz schwarz. Preßt man dann die Zellen zwischen zwei Gläsern, so
tritt der Zellinhalt hervor, der nebst dem schwarzen Niederschlag ganz
grüne Chromatophoren zeigt.
4) Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, I. Auflage.
5) Benecke, Handwörterbuch der Naturwissenschaften, 1913.
Th. Weevers: Physiolog. Bedeut. des Kaliums in der Pflanze. 355
Dem Anschein nach widersprechen die Ergebnisse, die
Stoklasa in obengenannter Arbeit erhielt, meiner Ansicht; ich
glaube jedoch, daß Stoklasa sein Experiment mit der Zucker-
rübe völlig unrichtig gedeutet hat und möchte hier einige
Gründe für meine Meinung anführen. |
Zunächst will ich die Frage untersuchen, ob bei Stoklasas
Versuchen die Entwicklung der Zuckerrüben, wie er behauptet,
in einem Nährmedium ohne Kalium stattfand. Die Versuchs-
anstellung beschreibt Stoklasa folgendermaßen. „Die Keim-
pflanzen entwickelten sich in einem Sand, der mit konzentrier-
ter kochender Salzsäure so lange ausgewaschen wurde, bis keine
Spuren von Kaliumoxyd mehr nachweisbar waren. Dann wurde
der Sand zuerst mit heißem und kaltem Wasser ausgewaschen,
bis die Chlorreaktion vollständig verschwand. Hierauf wurde
der Sand mit durchgesiebtem, getrocknetem Torf gemischt.
Der Torf wurde ebenfalls mit kochender Salzsäure und warmem
Wasser gut ausgewaschen, bis keine Spuren von Kalium kon-
statierbar waren. Das Gemisch, bestehend aus 90°/, Sand und
10°), Torf wurde in 34 Vegetationsgefäße gefüllt; in jedem
Vegetationsgefäß befanden sich 18 kg Sand.“
„Die Nährlösung enthielt 1,0 g Natriumnitrat, 0,5 g Mono-
calciumphosphat, 0,2 g Calciumsulfat, 0,1 g Magnesiumchlorid,
0,01 g Ferrichlorid, 0,2 g Natriumchlorid pro 1 1.*
Zu jedem Vegetationsgefäß wurden von der Nährlösung
41 bis zum 15. Juni zugesetzt, später in jeder Woche 0,5 1.
Die ersten Daten über das Gewicht der Objekte, über Ei-
weiß- und Zuckergehalt gibt Verfasser vom 3. Juli, die letzten
vom 30. September. Die Quantität des zu jedem Vegetations-
gefäß zugesetzten Wassers war also 41+15x<0,51=1151l
Wenn wir bedenken, wie schwierig es ist, große Quanti-
täten eines kolloidalen Mediums wie Torf völlig kaliumfrei zu
machen, daß in destilliertem, in gewöhnlichen Glasgefäßen auf-
bewahrtem Wasser stets Kalium nachzuweisen ist und zuletzt
noch in Betracht ziehen, daß die Zuckerrübensamen ziemlich
viel Kalium enthalten?), so ist es deutlich, daß nicht von einem
Nährmedium ohne Kalium, lediglich von einem Medium mit
1) Das Gewicht der Samen ist meistens 10 bis 50 mg, der Kali-
gehalt + 1,2 °],.
23*
356 Th. Weevers:
sehr wenig Kalium, nicht von Pflanzen ohne Kalium, sondern
von kaliumarmen Pflanzen hier die Rede sein kann.
Die Pflanzen enthalten gewiß Kalium in ihrer Asche, eine
Tatsache, deren Prüfung Stoklasa leider vernachlässigt hat.
Durch diese Betrachtung verschwindet also der Gegensatz, der
zwischen Stoklasas neuesten Versuchen und der altbekannten
Erfahrung, daß eine Pflanzenkultur*) ohne Kalium unmöglich
ist, zu bestehen schien.
Der Kalimangel in den Versuchspflanzen bedingte auch
ihre schwache Entwicklung, wie z. B. aus den Trockengewichten
hervorgeht. Blätter, Stiele und Wurzel zusammen waren am 3. Juli
16,39 g, 25. Juli 20,29 g, 30. Sept. 20,9 g, dagegen bei den
Kontrollpflanzen im Nährmedium mit normaler Kaliumqualität:
3. Juli 83,92 g, 25. Juli 104,8 g, 30. Sept. 144 g. Mit derartigen
durch Kalimangel verkümmerten Pflanzen Versuche in bezug
auf Eiweiß- und und Zuckerproduktion anzustellen, ist meines
Erachtens gefährlich, denn eine Folge des allgemeinen, krank-
haften Zustandes kann leicht als eine spezielle Folge des Kali-
mangels betrachtet werden.
Wo Stoklasa also sagt: „Die Daten zeigen ganz deutlich,
daß der Rübenorganismus bei Abwesenheit von Kaliumion im
Nährmedium fast dieselben Quantitäten von Gesamtstickstoff
sowie Stickstoff in Eiweißform aufwies als bei Gegenwart von
Kaliumion im Nährmedium. — Ganz andere Verhältnisse aber
finden wir bei der Zuckerproduktion, die bei Nichtvorhanden-
sein von Kaliumion stark gesunken ist.“ So ist diese Folge-
rung gewiß gefährlich, aber sie ist überdies falsch, denn seine
Versuchsdaten geben Stoklasa kein Recht zu solcher Folge-
rung. Sehen wir uns die Sache etwas genauer an. Stoklasa
zieht diese Folgerung aus den Werten des Eiweißstickstoffs
und Zuckergehalts, in Prozenten des Trockengewichts ausge-
drückt, und hat dann dem Anschein nach recht. Für Eiweiß-
stickstoff sind die Werte in den Pflanzen ohne Kalium fast
denjenigen der Kontrollpflanzen gleich, für Zucker sind sie um:
die Hälfte niedriger. Jedoch muß man hier nicht mit Prozent-
werten, sondern mit den absoluten Werten Rechnung halten,
und dann wird das Ergebnis ein ganz anderes.
1) Mit Ausnahme der Cyanophyceae. Vergl. Czapek, Biochemie
der Pflanzen, II. T., S. 843.
Physiolog. Bedeut. des Kaliums in der Pflanze. 357
Berechnet (aus Stoklasas Protokollen) sind die Werte für
Wurzel, Blätter und Stiele zusanımen.
1% Bei Abwesenheit von Kalium im Nährmedium:
N in Eiweißform Zucker
3. Juli . . . . 0,298 g 2,904 g
2.» 2.22.0280 „ 4,465 „
30. Sept. . . . . 0,307 „ 4,833 „
2°. Kontrollpflanzen bei Gegenwart von Kalium: `
N in Eiweißform Zucker
3. Juli . . . .1,787 g 16,698 g
Me» .. . .1885, 37,455 „
30. Sept. . . . 2,001 „ 74,489 „
Bei Vergleichung dieser Werte kann die SchluBfolgerung
keine andere sein, als daß die Eiweißzunahme bei Kalimangel
Null ist, weil Dissimilation und Assimilation einander die Wage
halten, die Zuckerbildung dagegen, obschon natürlich in Ver-
gleichung zu den Kontrollpflanzen abgeschwächt, liefert doch
ein Plus von fast 2 g, ist also durch Kalimangel viel weniger
gehemmt als die Eiweißbildung; völlig das Gegenteil also von
der Behauptung Stoklasas.
Die Versuche, die dieser Autor mit künstlich ernährten
Zuckerrübenkeimlingen anstellte, sind für die Frage nach der
Bedeutung des Kaliums im Stoffwechsel wertlos, denn beim
Ende der Versuche hatten die angeblich ohne Kalium ent-
wickelten Pflanzen ein Trockengewicht von 43 bis 47 mg. Diese
Werte sind so klein, daß schon der Kaligehalt der Keimlinge
fast für derartige Zwergpflanzen ausreichen kann und wiederum
höchstens von Kalimangel, nicht von Abwesenheit des Kaliums
die Rede sein konnte.
Ich meine also, daß ich meine Behauptung, daß das Kalium
nicht in den Chromatophoren vorhanden ist und nicht an der
Assimilation beteiligt sein kann, auch nach Stoklasas Ver-
öffentlichung ruhig aufrecht erhalten kann. Mit der Hypothese,
daß das Kalium sich am Auf- und Abbau der Eiweißstuffe
beteiligt, lassen Stoklasas Versuche sich ganz gut vereinbaren.
Die Gründe für diese Hypothese kann ich hier nicht anführen
und muß also auf meine obengenannte Arbeit im Recueil des
Travaux botaniques Neerlandais verweisen.
Untersuchungen über die Verdaulichkeit der Nährhefe.
Von
A. Deutschland.
(Aus der Ernährungsphysiologischen Abteilung des Instituts für Gärungs-
gewerbe der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin.)
(Eingegangen am 28. November 1916.)
Die Frage nach der Verwertung der getrockneten Bierhefe
durch die landwirtschaftlichen Nutztiere ist in den letzten
Jahren durch eine Reihe von praktischen Fütterungs- und
exakten Stoffwechselversuchen beantwortet worden, die im
wesentlichen von W. Völtz und seinen Mitarbeitern ausgeführt
und im 42. bis 45. Band der Landwirtschaftlichen Jahrbücher
veröffentlicht worden sind. Im Verfolg dieser Arbeiten, die
ohne Ausnahme in der Trockenhefe eins der konzentriertesten
und höchstverdaulichen Futtermittel erkennen ließen, wurde
auch die Verwendbarkeit der Hefe als menschliches Nährmittel
geprüft. Voraussetzung für einen solchen Gebrauch ist die
Entfernung der intensiv bitteren Hopfenbestandteile aus der
breiigen Bierhefe, die durch Behandlung mit schwach alkalischen
Lösungen vor der Trocknung ohne Schwierigkeit erreicht wird.
Mit derartigem Material haben W. Vóltz und A Baudrexel!)
einen exakten Ausnutzungsversuch am Menschen durchgeführt,
in dem folgende Verdauungswerte für die Nährhefe ermittelt
wurden:
Organ. Substanz Rohprotein Rohfett we e Calorien
90 86 70 100 88
1) W. Völtz und A. Baudrexel, Die Verwertung der Hefe im
menschlichen Organismus. Diese Zeitschr. 80, 457 bis 472, 1911, und 81,
855 bis 357.
A. Deutschland: Verdaulichkeit der Nährhefe. 359
Der physiologische Nutzeffekt des Präparates betrug 75°/,
seines Energiegehaltes.
Nach diesen und anderen in praktischen Ernährungsver-
suchen gewonnenen günstigen Erfahrungen ist die in der Ver-
suchsanlage des Instituts für Gärungsgewerbe hergestellte „Nähr-
hefe“ dauernd an weite Kreise abgegeben worden. Die Pro-
duktionsbeschränkungen im Braugewerbe und die gesteigerte
Nachfrage nach dem Nährmittel machten es schon im ersten
Kriegsjahre notwendig, nicht nur aus der überschüssigen Bier-
hefe Nährhefe zu gewinnen, sondern die Züchtung der Hefe
nach dem Verfahren des Instituts für Gärungsgewerbe in selb-
ständigen Großbetrieben vorzunehmen. Da man hierbei der
Hefe außer Zucker (in Form von Melasse) nur anorganische
Salze zuführt, wird das Produkt auch als „Mineralhefe“ be-
zeichnet. Sie stellt die Lösung des gerade jetzt sehr bedeutungs-
vollen Problems dar, aus Ammonsalzen, die nach dem Haber-
schen Verfahren unter Nutzbarmachung des Luftstickstoffs ge-
wonnen werden können, in wenigen Stunden hochmolekulares
Eiweiß zu synthetisieren.
Die Resorption der Mineralhefe, die natürlich frei von
Bitterstoffen ist, wurde zuerst von Völtz!) in einer Versuchs-
reihe am Hunde festgestellt, der neben 500 g Fleisch täglich
150 g von dem Trockenpräparat erhielt. Die Nährstoffe der
Hefezulage wurden zu folgenden Prozentsätzen verdaut:
Organ. Substanz Rohprotein Rohfett Kohlenhydrate Calorien
71,1 85 34,1 54,5 71,8
Der physiologische Nutzwert der Hefe wurde zu 60,4°/, ihres
Energiegehaltes ermittelt.
Diese Zahlen stehen in befriedigendem Einklang mit dem
Befund aus einem früheren Stoffwechselversuch am Hunde, der
ebenfalls von Völtz?) ausgeführt worden ist und für die Ge-
samtnährstoffe (Calorien) und das Protein die Verdauungswerte
_ ve
1) W. Völtz, Über die Ausnutzung der in Lösungen von Zucker
und anorganischen Salzen gezüchteten Hefe durch den tierischen Orga-
nismus. Vortrag in der Berliner physiologischen Gesellschaft vom 9. Juli
1915. Berl. klin. Wochenschr. 1915, Nr. 33.
2) W. Völtz, Über den Einfluß verschiedener Eiweißkörper und
einiger Derivate derselben auf den Stickstoffumsatz usw. Arch. f. d. ges.
Physiol. 107, 388, 1905.
360 A. Deutschland:
70 bzw. 87 ergab. Die damals benutzte Hefe war eine von
Buchner zur Verfügung gestellte Aceton-Dauerhefe, deren
Provenienz und Rasse im übrigen unbekannt sind.
Einen mit gleichartigem Regime — Fleisch + Nährhefe —
durchgeführten Ausnutzungsversuch am Hunde hat M. Rubner
unlängst publiziert. Sein Versuchstier erhielt täglich 150 g
lufttrockene Nährhefe als Zulage zu 1000 g Fleisch. Nach
Rubners Ergebnissen wurden die Calorien der Hefe zu 89,6°/,,
der Stickstoff zu 98,4%/, resorbiert, also nicht unwesentlich
höher, als aus den Versuchen von Völtz hervorgegangen war.
Welcher von beiden Gattungen die von Rubner verfütterte
Nährhefe angehörte, ist aus seinen Mitteilungen nicht eindeutig
ersichtlich. Der Aschengehalt von 8,6°/, läßt auf entbitterte
Bierhefe schließen, da die Mineralhefe wegen der Eigenart der
Züchtungsform meist über 10°/, anorganischer Bestandteile
enthält. Andererseits deuten die einleitenden Bemerkungen
Rubners, die sich mit dem neuen Herstellungsverfahren be-
schäftigen, auf die Verwendung der hiernach gewonnenen Mineral-
hefe hin.
Für die Nachprüfung und Ergänzung der zitierten Arbeiten
durch die nachstehend mitgeteilten Versuche waren verschiedene
Erwägungen maßgebend.
Die ältere Art der Nährhefe wurde aus untergäriger Bier-
hefe erhalten, während für die Züchtung der Mineralhefe aus-
schließlich obergärige Rassen verwendet wurden. Es bestand
die Möglichkeit, daß diese Rassenunterschiede, die morphologisch
und biologisch mannigfach in Erscheinung treten, sich auch in
den Resorptionsverhältnissen geltend machten. Die Klärung
dieser Frage war nur durch Stoffwechselversuche mit beiden
Arten der Nährhefe an der gleichen Tiergattung zu erzielen,
die bis dahin noch nicht vorlagen.
Mit Rücksicht auf den von Völtz bereits ausgeführten
Versuch mit Mineralhefe am Hunde hätte die Wiederholung
mit entbitterter Bierhefe unter sonst gleichen Bedingungen ge-
núgt. Da man aber inzwischen in der Mineralhefefabrikation
zur Verwendung besonders schnellwüchsiger Rassen übergegangen
1) M. Rubner, Die Resorbierbarkeit der Náhrhefe. Münch. med.
Wochenschr. 1916, 63. Jahrg., Nr. 18, 629 bis 631.
Verdaulichkeit der Nährhefe. 361
war, die ebenfalls Eigentümlichkeiten hinsichtlich ihrer Ver-
daulichkeit äußern mochten, so schien es angezeigt, den Mineral-
hefeversuch mit neuem Material zu wiederholen. Schließlich
ließ auch die Unstimmigkeit in den Ergebnissen von Vóltz
und Rubner die einheitliche Durchführung einer Versuchsreihe
mit beiden Hefepräparaten am Hunde wünschenswert erscheinen.
Die Versuchsanstellung schloß sich insofern an die von
den beiden genannten Autoren gewählte Methode an, als die
zu prüfenden Hefepräparate als Zulage zu einem nur aus Fleisch
bestehenden Grundfutter verabreicht wurden. Zugunsten grö-
Berer Ausschläge in den Resorptionszahlen wurde das Verhält-
nis Fleisch : Hefe in den Rationen enger gewählt als bei Rub-
ners Versuch. |
Von dem Fleisch waren früher Portionen von je 500 g im
Dampftopf sterilisiert und in luftdicht verschlossenen Gläsern
aufbewahrt worden. Seine Zusammensetzung und Verdaulichkeit
waren von Völtz gelegentlich seines Mineralhefeversuches in
einer Periode am Hunde ermittelt worden. Da von Völtz die
betreffenden Zahlen bisher nur auszugsweise veröffentlicht worden
sind, hat er mir dieselben zur Verfügung gestellt. Es handelt sich
um die unter „Grundfutter-Periode“ wiedergegebenen Daten.
Das Versuchstier, eine etwa 11 kg schwere Hündin, wurde
in dem von Abderhalden beschriebenen Stoffwechselkäfig ge-
halten. Die Harnabgrenzung erfolgte an jedem Morgen durch
Katheterisieren. Da die spontane Entleerung der Blase nur
selten erfolgte, so gelang auf diese Weise meist die Gewinnung
des Tagesharnes in einer Portion. Die scharfe Abgrenzung des
Kotes, der in allen Fällen von normaler Konsistenz und gut
geformt war, wurde leicht mit Hilfe von gepulverter Holzkohle
und Kieselgur oder durch mehrtägige Verfütterung von Knochen
erzielt. In dem unter Zusatz von etwas Salzeäure getrockneten
Kot wurde außer dem direkt extrahierbaren Fett auch das
Seifenfett nach Aufspaltung mit alkoholischer Salzsäure bestimmt.
Die Fettbestimmung in den Hefepräparaten wurde nach der
von Vóltz*) angegebenen Methode unter Zertrümmerung der
Zellen vorgenommen. Die calorimetrische Bestimmung des
1) W. Völtz, Eine neue Methode der Fettbestimmung. Arch. f. d.
ges. Physiol. 97, 606 bis 633, 1903. — Auch die Fettbestimmung im
Fleisch war nach dieser Methode erfolgt.
362 A. Deutschland:
Harnes erfolgte mit Hilfe von Celluloseblöckchen von bekanntem
Brennwert, auf denen je 10 ccm des angesäuerten Harns im
Vakuum zum Eintrocknen gebracht wurden.
Die prozentische Zusammensetzung des Fleisches und der
beiden Hefepräparate enthält die folgende Tabelle.
Tabelle I.
Fleisch... .
Mineralhefe . 11,08 | 83,32 454,3
Entbitterte
Bierhefe . . 421,6
Das zur Kotabgrenzung benutzte‘ Kohlenpulver lieferte
6,564 Cal. pro 18.
Es folgen zunächst die Daten über die von Völtz!) an
einem männlichen, 16,9 kg schweren Hunde durchgeführte Pe-
riode mit ausschließlicher Fleischfütterung.
Grundfutter-Periode Nr. I vom 23. bis 27. IV. 1915.
Versuchstier: Mánnlicher Hund. Gewicht: 16,9 kg.
Das Tier verzehrte táglich:
500 g Fleisch mit 121,15 g on 16,10g N und 669,5 Cal.
N-Bilanz.
Stickstoffausscheidung
im Harn im Kot Summa
0/, der | 9/, der | 0/, der °/, der
Zufuhr| € ¡Zufubr Zufuhr Zufuhr
Im Mittel
pro Tag
Das Rohprotein wurde also zu 96,3°/, resorbiert.
Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag erhielt das Tier
0,95 g N und 39,6 Cal.
Zur SchluBabgrenzung des Kotes wurden 3 g Kohlenpulver
verwendet. Vorangegangen war eine Periode mit kieselgur-
haltigem Endkot.
118,67 116,0 | 0,60 — 8,17) — 19,7
1) S. auch Anm. 1 auf S. 359.
Verdaulichkeit der Nährhefe. 363
Der Kot der vorliegenden Grundfutter-Periode Nr. I wog
lufttrocken 36,90 g und enthielt in Prozenten:
Calorien
hydrate | in 100g
Trocken-
aubai Rohfett
9541 |1740| 7801 | 40,81 | 11,68%)
Aus diesen Zahlen ergibt sich der folgende Gehalt an
Einzelbestandteilen in Gramm pro die:
4
Roh- Kohlen- C
Lufttrockener |Trocken- Aso Organ.| Roh-
Kot substanz Subst. | protein
fett |hydrate alorien
9,23 8,80
Nach Abzug der
zur Abgrenzung |} 8,08
benutzten Kohle
Die folgende Tabelle enthält die Verdauungswerte der vor-
liegenden
Periode Nr. I.
Tabelle II.
Trocken-| Organ. Roh- | Roh- | Kohlen- Calorien
substanz | Substanz | protein | fett | hydrate Vom
500 g Fleisch 669,50
Faeces.... 39,51
Also 629,99
resorbiert 19/, 94,1
Energieumsatz:
Einnahmen pro Tag . . . . 2. 22 2.2.2.2... 669,50 Cal.
Ausgaben pro Tag:
Im Kot . = 39,51 Cal.’’)= 5,9°/, der Zufuhr
Im Harn. =150,15 » =22,4%, »
Sa.: 189,66 Cal. = 28,3°/, der Zufuhr = 189,66 Cal.
Somit beträgt der physiologische Nutzwert . 479,84 Cal.
entsprechend 71,7%/, der Zufuhr.
Harn — Cal. 150,15
Harn N 18,67
1) Darin 2,77°/, Fett aus Seifen.
1 Der Kot der 4 Versuchstage wog getrooknet 36,90 g und enthielt
pro 1 g 4,816 Cal., also insgesamt 177,72 Cal. Die zur Abgrenzung der
”
Calorischer Quotient | )= 8.0.
364 A. Deutschland:
Die Resorption des aus Lösungen von Zucker mit an-
organischen Salzen gewonnenen Hefepráparats, im folgenden
als „Mineralhefe“ bezeichnet, wurde in einer 4 tägigen Periode
ermittelt. Zur Abgrenzung des Kotes wurden der ersten Tages-
ration 3 g Kohlenpulver, der letzten 9 g geglúhte Kieselgur
zugesetzt.
Mineralhefe-Periode Nr. II vom 17. bis 20. VI. 1916.
Versuchstier: Hündin. Gewicht: 11,25 kg.
Das Tier verzehrte täglich:
als Grundfutter:
Trocken-
125 g Fleisch mit 30,29 B ubstanz. 4,03 g N und 167,4 Cal.
als Zulage:
37,5 g Mineralhefe mit 35,40 g oo 3,15 g N und 170,4 Cal.
Trocken-
Sa. 65,69 g Substanz, 7,18 g N und 337,8 Cal.
N-Bilanz.
== — on — €IóéI XX 5 m
Stickstoffausscheidung
ım Harn im Kot
Summa
0/, der D, der 9/, der
8 Zufuhr) £ Ee 8 Zufuhr
ee PA
Im Mittel | |
pro Tag 1676 | 941 | 0,67 | 9,3 Ä 7,43 | 103,4 |—0,25| — 3,4
Das Rohprotein wurde also zu 90,7%/, resorbiert.
Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag erhielt das Tier
0,64 g N und 30,03 Cal.
Der Kot der vorliegenden Mineralhefe-Periode Nr. II wog
lufttrocken 76,7 g und enthielt in Prozenten:
Trocken- Organische | Roh- Kohlen- | Calorien
substanz Agong Substanz | protein Rohfett hydrate | in 100 g
9528 |3448| 6080 | 2187 | 7881) | 31,55 | 827,2
Faeces verfütterten 3 g Kohle enthielten 19,692 Cal. Der Caloriengehalt
der Faeces betrug somit 197,72 — 19,692 = 158,03 Cal., bzw. pro Tag
39,51 Cal.
1) Einschließlich 0,68%, Seifenfett.
Verdaulichkeit der Nährhefe. 305
Aus diesen Zahlen ergibt sich der folgende Gehalt an
Einzelbestandteilen in Gramm für den gesamten Kot der 4 Tage:
Lufttrockener |Trocken- gan.| Roh- | Roh- |Kohlen-
KEE protein| fett |hydrate Calorien
76,70 73,083) | 26,45 | 46,68 16,77 | 5,66 | 24,20 | 251,0
Nach Abzug von
3 g Kohle und |} 61,08 16,77 | 5,66 231,3
ni 43,63 21,20 |
9 g Kieselgur
Die folgende Tabelle enthält die Verdauungswerte der vor-
liegenden
Periode Nr. IL
Tabelle III.
Trocken-| Organ. | Roh- | Roh- Kohlen- | Calori
substanz Substanz! protein | fett | hydrate | “> "en
500 g Fleisch... 115,50
150 g Mineralhefe ; 124,98 |
Summa ..... 32, 240,48 |
Faeces....... 43,63
Also g.. ; 196,85
resorbiert 19%, - .
Die Verdauungswerte für die Mineralhefe sind aus der
folgenden Tabelle ersichtlich.
Tabelle IV.
Kohlen-
substanz|¡Substanz| protein | fett
Trocken-| Organ. Roh- | Roh-
hydrate Calorien
In den Faeces der
Hauptperiode. . 43,63 16,77 5,66 | 21,20 231,3
In den Faeces der |
Grundfutter- i
periode ..... 8,08 | 6,48 | 3,72 | 108 | 1,68 | 395
Mehr in den Faeces
d. Hauptperiode 13,05 | 4,58 | 19,52 191,8
Die Mineralhefe-
53,00 37,15
zulage enthielt .| 141,60 | 124,98 78,87 8,65 | 87,46 681,5
Also von der Zu- { g 88,60 87,83 65,82 4,07 | 17,94 489,7
lage resorbiert V/,| 62,6 70,3 83,5 47,0 479 71,8
ge EE nn
1) Einschließlich 9 g Kieselgur und 3 g Kohle.
366 A. Deutschland:
Mineralhefe-Periode Nr. II.
Energieumsatz:
Einnahmen pro Tag . . . . 2 2 2 2.2.2.2... 337,80 Cal.
Ausgaben pro Tag:
Im Kot .= 57,82 Cal. = 17,1°/, der Zufuhr
Im Harn . = 58,35 » =17,3%, » ”
Sa.: 116,17 Cal. = 34,4%/, der Zufuhr = 116,17 Cal.
Somit beträgt der physiologische Nutzwert . 221,63 Cal.
entsprechend 65,6°/, der Zufuhr.
Harn — Cal. Gel Ber
Calorischer Quotient en
Physiologischer Nutzwert der Mineralhefezulage:
In Faeces und Harn der vorliegenden Mineralhefe-
Periode . . . 2 2 2 2 2 LIBIN Cal.
In Faeces und Harn der Grundfutter-(Fleisch-)Periode 47,41 n
Somit mehr in der Hauptperiode. . . . 2... 68,76 Cal.
Die Mineralhefezulage enthielt . . . . . . . . .170,40 »
Somit beträgt der physiologische Nutzwert
der Mineralhefe . . . 2. 2 2 , 101,64 Cal.
— 59,69]...
Die folgende Periode III mit entbitterter Bierhefe, die in
den nachstehenden Tabellen der Kürze wegen als „Nährhefe“
bezeichnet ist, dauerte 6 Tage. Zur Kotabgrenzung wurden
3 Tage vor Beginn der Periode nur Knochen verabreicht; die
SchluBabgrenzung geschah durch Zusatz von 15 g Kieselgur
zur letzten Tagesration.
Nährhefe-Periode Nr. III vom 8. bis 14. VII. 1916.
Versuchstier: Hündin. Gewicht: 9,82 kg.
Das Tier verzehrte täglich:
als Grundfutter:
166,67 g Fleisch mit 40,38 g Trocken- 5 37 y N und 223,2 Cal.
substanz,
als Zulage:
50 g Nährhefe mit 44,32 g Trocken- 4 15 g N und 210,8 Cal.
i substanz,
Sa. 84,70 g 2. 9,52 g N und 434,0 Cal.
Verdaulichkeit der Nährhefe. 367
N-Bilanz.
Stickstoffausscheidung
N-Ansatz
im Harn im Kot Summa
|9/, der Di, der | D, der
8 |Zufuhr| 8 Zufuhr| g Zufuhr
Im Mittel = |
pro Tag )8,62 | 90,5 | 0,66 | 6,9 928 | 974 | 0,24 | 26
Das Rohprotein wurde also zu 93,1°/, resorbiert.
Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag erhielt das Tier
0,97 g N und 44,2 Cal.
Der Kot der vorliegenden Nährhefe-Periode Nr. III wog
lufttrocken 91,2 g und enthielt in Prozenten:
Calorien
in 100g
Trocken-
substanz
Organische |
Asche Substanz
|
96,83 | 21,88 14,95 27,01 4,713) 43,23 379,8
Aus diesen Zahlen ergibt sich der l folgende Gehalt an
Einzelbestandteilen in Gramm für den gesamten Kot der 6 Tage:
Lufttrockener | Trocken- Organ.) Roh- | Roh- |Kohlen-)
Asche
Kot substanz Subst. | protein| fett |hydrate Calorien
91,20 88,819) | 19,95 | 68,36 | 24,63 346,4
Nach Abzug von
15 g Kieselgur |J 7231 |, 495 | 68,36 | 24,63 346,4
Die folgende Tabelle enthált die Verdauungswerte der vor-
liegenden
Periode Nr. III.
Tabelle V.
Trocken. Organ. | Roh- | Rob- | Kohlen-
substanz Substanz| protein | fett | hydrate Calorien
242,30 | 231,00 | 201,30
265,89 | 238.83 | 155,73
508.19 | 469,83 | 357.03
1000 g Fleisch ..
300 g Nährhefe .
Summa .....
Faeces ....... 7331 | 6836 | 24,63 346.4
Also ‚| 434,88 | 401,47 | 332,40 22574
resorbiert 1%, . .| 85,6 85,5 93,1 86,7
1) Einschließlich 0,87°/, Seifenfett.
1) EinsehlieBlich 15 g Kieselgur.
308 A. Deutschland:
Die Verdauungswerte für die Nährhefe sind aus der fol-
genden Tabelle ersichtlich.
Tabelle VI.
Trocken-| Organ. | Roh- | Roh- | Kohlen- |
substanz Substanz| protein | fett |hydrate Calorien
In den Faeces der | |
Hauptperiode. .| 73,31 68,36 24,63 | 4,30 | 39,43 Ä 346,4
In den Faeces der
Grundfutter-
periode ..... 16,16 12,96 7,44 | 2,16 3,36 79,0
Mehr in den Faeces
d. Hauptperiode | 57,15 55,40 17,19 | 2,14 | 36,07 267,4
Die Náhrhefezu-
lage enthielt . .| 265,89 | 238,83 | 155,73 | 8,64 | 74,46 | 1264,8
AlsovonderZu-yg | 208,74 | 183,43 | 138,54 | 6,50 | 38,39 997 4
lage resorbiert d 18,5 76,8 890 175,2 51,6 18,9
Periode Nr. ITI.
Energieumsatz:
Einnahmen pro Tag... . 2 2 2 2 2 . . . . . 434,0 Cal.
Ausgaben pro Tag:
Im Kot . = 57,7 Cal. =13,3%/, der Zufuhr
Im Harn . = 704 Cal. = 16,2% » »
Sa.: 128,1 Cal. = 29,5°/, der Zufuhr = 128,1 Cal.
Somit beträgt der physiologische Nutzwert . . 305,9 Cal.
entsprechend 70,5°/, der Zufuhr.
Harn — Cal. 70,4
Calorisch tient (re
alorischer Quotien Ham N 862
Lag
Physiologischer Nutzwert der Nährhefezulage:
In Faeces und Harn der vorliegenden Nährhefe-Periode 128,1 Cal.
nn n = n» n Grundfutter-(Fleisch-)Periode. 63,2 »
Somit mehr in der Hauptperiode . . . . . . . . 64,9 Cal.
Die Nährhefezulage enthielt . . . . . . . . . . 210,8 »
Somit betrágt der physiologische Nutzwert
der Náhbrhefe. . . . 2 2 2 2 . . . . . . 145,9 Cal.
= 69,2/,.
In der nachstehenden Ubersicht sind die bisher aus Stoff-
wechselversuchen am Hunde ermittelten Verdauungswerte fiir
Hefetrockenpräparate zusammengestellt.
Verdaulichkeit der Nährhefe. 369
Tabelle VIL
Verdauungswerte
Art e Physio-
Autor des Hefe- d E | A E 3 EE logischer
präparats we gja jao Nutzeffekt
Hä am mz
{ Aceton-
Dauerhefe |
Mineralhefe |61,83)| 71,1 | 85 134,1
Rubner ? — — |984| — | — —
Deutschland Mineralhefe 62,6*)| 70,3 | 83,5 147,0| 47,9 171,8 59,6
Deutschland er 18,5 | 76,8 | 89 (75,2, 51,6 17891 692
Die Übereinstimmung der von Völtz und von mir für die
Verdaulichkeit der Mineralhefe an zwei verschiedenen Tieren
ermittelten Werte ist sehr befriedigend und läßt darauf schließen,
daß innerhalb der obergärigen Rassen wesentliche Unterschiede
hinsichtlich der Ausnutzung nicht bestehen. Die Verdauungr-
werte für das Rohfett, die allein eine größere Differenz auf-
weisen, sind an sich wegen des geringen Fettgehaltes der Hefen
unsicher.
Für das aus Brauerei-Unterhefe durch Entbitterung und
Trocknung gewonnene Nährpräparat stellen sich Resorption
und Ausnutzung etwas günstiger als für die Mineralhefe. Es
ist zu vermuten, daß die Zellmembran der Mineralhefe den
Verdauungsenzymen gegenüber resistenter ist, so daß ein Teil
der Zellen den Darm unverändert verläßt. Übrigens sind die
in Versuchen am Hunde bestimmten Werte für die Verdaulich-
keit der Hefenährstoffe nicht ohne weiteres auf den Menschen
übertragbar. Aus den Versuchen mit der Brauereihefe hat sich
herausgestellt, daß zwar hinsichtlich der Verdaulichkeit des Hefe-
eiweiß keine wesentlichen Unterschiede bei den verschiedenen.
Tierspezies (ausgenommen das Haushuhn) bestehen; dagegen
werden die Kohlenhydrate der Hefe vom Hunde verhältnismäßig
schlecht ausgenutzt (zu ca. 50°/,), während sie vom Menschen
und Herbivoren restlos verdaut werden. Ganz analog dürften
1) Bei der Mineralhefe bilden einen wechselnden Teil der Trocken-
substanz zellfremde anorganische Substanzen von geringer Löslichkeit
(koblensaurer und phosphorsaurer Kalk), die die Verdaulichkeit der Zell-
trookensubstanz nicht klar hervortreten lassen.
Biochemisehe Zeitschrift Band 78. 24
370 A. Deutschland: Verdaulichkeit der Nährhefe.
auch die Nährstoffe der Mineralhefe vom Menschen höher ver-
wertet werden als vom Hunde.
Die von Rubner ermittelten Verdauungswerte für Stick-
stoff und Calorien der Nährhefe weichen von Völtz’ und meinen
Resultaten erheblich nach oben ab. Dies ist um so weniger
erklärlich, als Rubner im Gegensatz zu uns nach der Verab-
reichung der Nährhefe bei seinem Hunde Durchfall beobachtet
hat und bei derartigen Darmstörungen erfahrungsgemäß die
Ausnutzung der Nährstoffe herabgesetzt wird. Übrigens
stößt unter diesen Umständen die Abgrenzung der Faeces auf
erhebliche Schwierigkeiten. `
Rubner findet das Gesamtergebnis seines Resorptions-
versuches, der eine Verdaulichkeit der Calorien zu 89,6°/, und
des Proteins zu 98,4°/, ergab, „nicht ungünstig“, will aber in
der Nährhefe nichts anderes sehen, als ein Eiweißpräparat ohne
diätetische Bedeutung. Demgegenüber darf an das bemerkens-
werte Resultat der von Völtz!) ausgeführten Versuche an
Ratten erinnert werden, die besonders deutlich den hohen diä-
tetischen Wert der Trockenhefe im Vergleich mit einem wirk-
lichen Eiweißpulver illustrieren. Es zeigte sich nämlich, daß
bei Verabreichung von Trockenhefe als einziger Stickstoffquelle
im Futter es nicht nur gelang, die Tiere längere Zeit am Leben
zu erhalten, sondern daß die Hefe allein sogar beim trächtigen
und später beim säugenden Tier den Stickstoffbedarf für die
Entwickelung der Jungen und für die Produktion von Milch
vollkommen zureichend lieferte. In Parallelversuchen mit Ver-
abreichung von Casein als ausschließlicher Stickstoffsubstanz
wurden die Tiere schon nach kurzer Zeit schwach und apa-
thisch, konnten aber durch nachfolgende Hefefütterung wieder
hochgebracht werden.
1) Jahrb. der Vers.- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin 1910,
408 bis 412. Siehe auch Völtz, Paeohtner und Baudrexel, Über
die Verwertung der Trockenhefe durch die landwirtschaftlichen Nutztiere.
Landwirtsch. Jahrbücher 42, 193 bis 254, 1912.
Notiz über die reduzierenden Eigenschaften der Stärke.
Von
Wilhelm v. Kaufmann.
(Aus dem Kaiser Wilhelm -Institut für experimentelle Therapie,
Chemische Abteilung, Berlin- Dahlem.)
(Eingegangen am 16. November 1916.)
Wie ich an anderer Stelle!) zeigen konnte, sind die von
Gertrud Woker gemachten Angaben?) über die diastatische Ein-
wirkung des Formaldehyds auf Stärke irrig. Auf Grund des
Umstandes, daß 1°/ ‚ige Stárkelósungen nach Zugabe bestimmter
Mengen Formaldehyds und kurzer Aufbewahrung der Gemische
im Brutschrank die Fähigkeit einbüßen, mit ”/,¿-Jodlósung sich
zu bläuen, hatte die genannte Autorin angenommen, daß hier
ein Abbau der Stärke unter dem Einfluß des Formaldehyds
stattfindet. Ordnet man diesen Versuch in der bei serologischen
Arbeiten üblichen Weise an, indem man z.B. in 10 fortlaufend
numerierten Reagensgläsern je 2,0 ccm der 1°/,igen Stärke--
lösung mit je 1,0 ccm Formaldehyd versetzt, der in Verdünnung
von 1 bis 1:10 aus der 35- bis 38°/,igen Handelsware dar-
gestellt ist, so beobachtet man, daß nach ?/, stiindigem Ver-
weilen im Brutschranke und darauf folgender Abkühlung die
Jodreaktion bei den stärkeren Konzentrationen vollkommen
ausbleibt und erst bei einem bestimmten Verdünnungsgrade
des Formaldehyds noch positiv ist. Diese Grenze ist nicht
absolut scharf, sondern es treten rosa und violette Farbentöne
bei den benachbarten Konzentrationen auf. Dieses Verfahren
entspricht der Wohlgemuthschen Reihenmethode der Diastase-
bestimmung, bei der das Violett als Grenzwert gilt.
In der Tat zeigt das sich bietende Bild eine äußerliche
Ähnlichkeit mit der Erscheinung, wie sie beim wirklichen fer-
1) W. v. Kaufmann, Ber. d. Deutsoh. chem. Ges. 50, 1917.
2) G. Woker, Ber. d Deutsch. ohem. Ges. 49, 2311, 1916.
24%
372 W. v. Kaufmann:
mentativen Abbau der Stärke durch Diastase zutage tritt. Da
ich aber!) dargetan habe, daß die Fähigkeit zur Blaufärbung
sofort zurückkehrt, wenn der vorhandene Formaldehyd in irgend-
einer Weise entfernt wird — sei es durch Abdampfen oder durch
Überführung mit Ammoniak in Hexamethylentetramin oder ein-
fach durch Aufhebung der lockeren Stärke-Formaldehydverbin-
dung durch eine Mineralsäure, — so ist ersichtlich Woker einer
Täuschung zum Opfer gefallen, die darauf beruht, daß sie die
Fähigkeit der Stärke zur Bildung einer reversiblen Verbindung
mit Formaldehyd übersehen hat.
Das Vermögen, eine Reaktion mit Formaldehyd einzugehen,
teilt die Stärke mit ungefähr allen Kohlehydraten. Mit den
einfachen Zuckerarten hat nun die lösliche Stärke auch das
Reduktionsvermögen gegenüber Fehlingscher Lösung gemein,
eine Eigenschaft, die wenig beachtet und in den Lehrbüchern
kaum erwähnt wird. Sämtliche mir zugänglichen Sorten von
löslicher Stärke des Handels zeigten Reduktionsvermögen in
1°/,iger, zum Teil auch in 1°/ „iger Lösung. Da lösliche Stärke
in 1°/ iger Lösung vielfach als Substrat für den Nachweis dia-
statischer Prozesse dient, so ist auf diese Eigenschaft Rück-
sicht zu nehmen, sobald Reduktionsproben als Indicator für
den eingetretenen Abbau dienen sollen.
Mit einer reduzierenden freien Aldehydgruppe hängt auch
der Eintritt der sogenannten Moore-Hellerschen Probe zu-
sammen, die in der erwähnten Arbeit Gertrud Woker eben-
falls irrtümlicherweise heranzieht zum Beweise eines Abbaues
der Stärke durch Formaldehyd. Die Moore-Hellersche Re-
aktion beruht auf der Gelbfärbung, die sich beim Erwärmen
von Zuckerlösungen mit Alkali einstellt. Ein einfacher Kontroll-
versuch lehrt, daß Formaldehyd allein mit Alkali sich bräunt,
was ja auch eine bekannte Aldehydreaktion darstellt. Freilich
kommt es hier auf die Konzentrationsverhältnisse an; denn bei
den stark reduzierenden Eigenschaften des Formalins kann die
Bräunung einer Zuckerlösung durch Alkali durch viel Form-
aldehyd verhindert oder abgeschwächt werden. Im übrigen
hängt es gleichfalls von der Konzentration der Stärkelösung
ab, ob sie nicht schon an sich die sogenannte Moore-Heller-
lo.
Reduzierende Eigenschaften der Stärke. 373
sche Reaktion gibt. Die im Handel befindlichen Sorten von
löslicher Stärke liefern in 1°/,iger Lösung sämtlich deutlichste
Gelbbraunfärbung mit Alkali ganz entsprechend dem vorhin
erwähnten Reduktionsvermögen gegen Fehlingsche Mischung.
In gleicher Weise ist die lösliche Stärke auch befähigt,
mit Phenylhydrazin in Verbindung zu treten. Denn es ist be-
kannt, daß die mit ihr nahe verwandten bzw. in ihr enthaltenen
Amylodextrine mit Phenylhydrazin Osazone bilden. Alle Sorten
von löslicher Stärke des Handels verhalten sich ebenso. Sie
geben beim Erwärmen mit essigsaurem Phenylhydrazin gelb-
braune Niederschläge, deren Menge beim Stehen in der Kälte
zunimmt. Deshalb beweist auch die Angabe Wokers, daß man
aus Formaldehyd-Stärkelösungen mit Phenylhydrazin eine Ver-
bindung erhalten kann, gar nichts für eine eingetretene Hydro-
lyse. Überdies führt die Verfasserin an, daß sie mit diesem
Reagens eine farblose Verbindung erhalten habe, was sich schon
gewiß nicht im Einklang mit einem Abbau befindet, da alle
wirklichen Osazone der Zuckerarten gelb gefärbt sind: Viel-
leicht liegt hier Verwechslung mit einer Formalinverbindung vor.
Es erübrigt sich die Angabe besonderer Versuchsprotokolle
über das eindeutige Verhalten von Stärkelösungen zu Fehling-
scher Mischung und zu essigsaurem Phenylhydrazin. Über den
Verlauf der Moore-Hellerschen Probe geben folgende Daten
Auskunft.
Es wurden mehrere Reihenversuche in folgender Weise an-
gestellt: In 10 Reagensgläsern wurden je 2,0 ccm Stärkelösung
mit 1,0 ccm 35°/ iger Formaldehydlósung (D. A. B. 5), dann mit
0,9 ccm, 0,8 ccm und herab bis 0,1 ccm CH,O versetzt. Durch
entsprechende Zugabe von Wasser wurde stets das Gesamt-
Volumen von 3,0 com hergestellt. Nach halbstündiger Bebrü-
tung und Abkühlung wurde zu jedem Reagensglase das gleiche
Volumen (= 3,0 ccm) 50°/,iger Natronlauge oder Kalilauge ge-
fügt. Zur Kontrolle wurde dann noch ein 11. und 12. Glas an-
gesetzt, ersteres mit 1,0 ccm Formaldehyd, 2,0 com Wasser und
3,0 com Lauge, letzteres mit 2,0 com 1°/ ‚iger Stärkelösung,
3,0 com 50°/,iger Natronlauge und 1,0 cem 35°/,igen Form-
aldehyds. Die nichtbebrüteten Gläser 11 und 12 wurden mit
den 10 bebrüteten zugleich in ein siedendes Wasserbad ver-
senkt: Sämtliche Gläser zeigten eine Gelbbraunfärbung, die an
`
374 W. v. Kaufmann: Reduzierende Eigenschaften der Stärke.
Tiefe von Reagensglas 1 bis 10 abnahm. Der Grad der Bräunung
ging vollkommen parallel dem Gehalte an Formaldehyd. Dem-
entsprechend zeigte auch Probe 11 eine Gelbbraunfärbung un-
gefähr von der Stärke des Reagensglases 2; Reagensglas 1, das
die höchste Konzentration an Formaldehyd neben Stärke ent-
hielt, wies eine unwesentlich tiefere Gelbfärbung auf. Daß die-
selbe nicht einer wirklichen hydrolytischen Spaltung der Stärke
zu Zucker ihre Entstehung verdankt, lehrt der Kontrollver-.
such 12, bei dem die Reagenzien in folgender Reihenfolge un-
mittelbar vor dem Versenken ins Wasserbad gemischt wurden:
2,0 cem Stärkelösung, 3,0 ccm 50%/,ige Natronlauge, 1,0 cem
Formaldehyd. Obgleich keine Digestion bei 37° voranging und
der CH,O zur stark alkalischen Stärkelösung zugesetzt war, also
wohl kaum „spalten“ konnte, nahm diese Probe 12 die gleiche
Nuance wie Probe 1 an. Der Versuch ist mit dem gleichen
Ergebnis mehrfach wiederholt. Worauf die etwas stärkere Gelb-
fárbung bei den Gläsern 1 und 12 beruht, muß dahingestellt
bleiben.
Daß die Moore-Hellersche Probe, die als eine der un-
zuverlässigsten Zuckerreaktionen von allen Analytikern nahezu
verlassen ist, durch Formaldehyd noch unsicherer gemacht
werden kann, zeigen folgende Versuche:
In 2 Reagensgläser wurden je 1,0 ccm 1°/ „iger Maltose-
lösung gefüllt. In das erste Glas wurden außerdem 2,0 ccm
der 35°/,igen Formalinlösung und 0,5 ccm 50°/,ige Lauge, in '
das zweite 2,0 com Wasser und 0,5 com 50°/,ige Lauge ge-
geben. Während im zweiten Reagensglase beim Erwärmen so-
fort eine starke Gelbfärbung entstand, trat dieselbe bei dem
ersten, das also den Zusatz von Formaldehyd enthielt, auch
nach längerem Erwärmen nicht auf. Ganz entsprechend ver-
hielten sich 1%/,ige Traubenzuckerlösungen. Dieses Ergebnis
bestätigten mehrfache Versuche der angegebenen Art.
Während 1°/ „ige Lösungen von käuflicher löslicher Stärke
durch starkes Alkali nicht gebräunt wurden, trat diese Reaktion
mit 1°/ iger Lösung recht deutlich auf. Dementsprechend fand
ich auch alle käuflichen Sorten von löslicher Stärke befähigt,
mit Phenylhydraziu zu reagieren (siehe S. 373).
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