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Full text of "Biochemische Zeitschrift 78.1916"

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Biochemische Zeitschrift. 


Beiträge 
zur chemischen Physiologie und Pathologie. 


Herausgegeben von 
E.Buchner-Würzburg, F.Hofmeister-StraBburgi.Els.,C.,v.Noorden- 
Frankfurt a. M., E. Salkowski - Berlin, F. Tangl - Budapest, 

A. von Wassermann- Berlin, N. Zuntz- Berlin 


unter Mitwirkung von 


M. Aseoll-Catania, L. Asher-Bern, A Bang-Lund, G. Bertrand-Paris, A, Bickel-Berlin, F, Biumen- 
thal-Berlin, A, Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhe i. B., A, Durig-Wien, 
F. Ehrileh-Breslau, H. v. Euler-Stockholm, 8, Flexner-New York, J. Forssman-Lund, 8, Fränkel- 
Wien, E. Freund-Wien, E. Friedberger - Greifswald, E. Friedmann - Berlin, ©, v. Fürth -Wien, 
G. Galeotti-Neapel, F. Haber- Berlin-Dahlem, H. J. Hamburger-Groningen, A. Heflier-Berlin, 
Y. Henri-Paris, V. Henriques-Kopenhagen, W. Heubner-Göttingen, R. Höber-Kiel, M. Jacoby- 
Berlin, R. Kobert-Rostock, M. Kumagawa-Tokio, F. Landelf-Buenos Aires, L, Langstein- 
Berlin, P, A. Levene-New York, L. v. Liebermann-Budapest, 3, Loeb-New York, A. Loewy- 
Berlin, A. Magnus-Levy-Berlin, J. A. Mandel-New York, L. Marchlewski-Krakau, P. Mayer- 
Karlsbad, J. Melsenhelmer- Berlin, L. Michaelis-Berlin, H. Mollsch-Wien, J. Mergenroth-Berlin, 
E. Múnzer-Prag,W. Nernst- Berlin, W. Ostwald-Leipzig, W. Palladin-St. Petersburg, W. Pauli-Wien, 
R. Pieifler-Breslau, E. P. Plek-Wien, J. Pohl-Breslau, Ch. Poreher-Lyon, F. Roehmann-Breslau, 
P. Rona-Berlin, 8. Salaskin-St. Petersburg, N, Sleber-St. Petersburg, M. Slegtried-Lelpzig, 
8. P. L. Sórensen-Kopenhagen, K. Spiro-StraBburg, E. H. Starling-London, J. Stoklasa-Prag, 
W. Straub-Freiburg 1. B., A, Btutzer-Königsberg i. Pr., H. v. Tappelner-Múnchen, H. Thoms- 
Berlin, A, J. J. Vandeveldo-Gent, ©. Warburg-Berlin, W. Wiechowski-Prag, A. Wohl-Danzig, 
3. Wohlgemuth-Berlin. 


: — Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin. 


Achtundsiebzigster Band. 





Berlin. 


Verlag von Julius Springer. 
1917. _ 


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Druck von Oscar Brindstetter in Leipzig. 


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Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
Lockemana, Geerg. Vergleichende Untersuchungen über die Arsen- 
ausscheidung durch den menschlichen Harn nach Injektion ver- 
schiedener Arsenikalien. (Atoxyl, Arsacetin, Arsenophenylglycin, 
Salvarsan, Neosalvarsan) . eau eu o Í 
Schweizer, Karl. Zur Kenntnis der Desaminierung . . . .. . . 87 
Sachs, H. und K. Altmann. Die „Hydrolabilität“ des Komplements 
und ihre Ursachen . . 2 2 2 2 222 ee e 46 
Müller, Johannes und Hans Murschhauser. Die Verwertung der Fett- 
sáureáthylester . ..e e 0 0 ee er ie ee rennen. 63 
Loewy, A. und R. Wolflensteia, Über die adstringierende Wirkung 
von Aluminiumsalzen, insbesondere der ameisensauren Tonerde . 97 
Hasselbalch, K. A. Die Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes 
aus der freien und gebundenen Kohlensäure desselben, und die 
Sauerstoffbindung des Blutes als Funktion der Wasserstoffzahl . 112 
Biberteld, Johannes. Nachtrag . e .. ...<. 0... ...... 144 
Lakon, Georg. Der Eiweißgehalt panachierter Blätter geprüft mittels 
des makroskopischen Verfahrens von Molisch . . .. e.. e. +. 145 
Bürger, Max. Ein Beitrag zur Chemie der Tuberkelbacillenfette . . 155 
Heariques, V. und E. Christiansen. Untersuchungen über die Am- 
moniakmenge im Blute . . .................. . 165 
Folpmers, T. Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen . . . . 180 
Abelia, J. Über die w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsin- 
BAUDO a e A as a as EOL 
Deraby, K. G. Notiz betreffend die protec ticos Enzyme der 
Drosera rotundifolia . . . .. .. +... ooo e.o oo. 197 
Pohl, Julius. Über den Purinstoffwechsel nach Giften . . . . . . 200 
Lenk, Emil. Quantitative Bestimmung der Acetonkórper im Harn . 224 
Zuntz, N. Bemerkungen zu der von Gad-Andresen beschriebenen 
„neuen“ Methode zur Bestimmung von Kohlenoxyd im Blute . 231 


IV 


Neuberg, Cari. Hornalbumose als teilweiser Ersatz von Fleischeiweiß 
beim Hunde . .......... Sra 2a š T 
Neuberg, Carl und Eduard Färber. Über den Verlauf der alkoholischen 
Gärung bei alkalischer Reaktion. I. Zellfreie Gärung in alkali- 
schen Lösungen . ...... .. . rer rennen 
Neuberg, Carl und Eduard Färber. Über das Vorkommen emulsin- 
artiger von den Hefezellen abtrennbarer Fermente in den unter- 
gärigen Hefen sowie das Fehlen von Myrosin in Berliner Ober- 
und Unterhefen . . .......... Eau 
Yıppö, Arve. Über Magenatmung beim Menschen . e x... .. 
Fáirber, E. Zur Frage der Oxydationswirkungen von Hefen. . . . 
Resch, Alfred. Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fi- 
brinogen. id ww 2 Sowas A we ee A 
Boas, Friedrich. Stärkebildung bei Schimmelpilzen . . . . 
Hári, Paul. Beiträge zum Stoff- und Energieumsatz der Vögel 
Hersfeld, E. und R. Klinger. Weitere Untersuchungen zur Chemie 


der Eiweißkörper o o o 0 o 0 o o Li o o e oe... 8 . eo. O5 ọọ o e 


Weevers, Th. Die physiologische Bedeutung des Kaliums in der 
LN EE EE ee as an 

Deutschland, A. Untersuchungen über die Verdaulichkeit der N ähr.- 
eier 2 A we u ei A ae an 
v. Kaufmann, Wilhelm. Notiz über die reduzierenden Eigenschaften 
der Starke: äre a rend E EE e ar Ah ae 

Autorenverzeiohnis ......ooo.ooo.o. re 


Seite 


233 


. 238 


264 
273 
294 


. 297 
. . 308 
. 313 


849 


. 354 


358 


. 371 


375 


Vergleichende Untersuchungen über die Arsenausschei- 
dung durch den menschlichen Harn nach Injektion ver- 
schiedener Arsenikalien. 

(Atoxyl, Arsacetin, Arsenophenylglycin, Salvarsan, Neosalvarsan). 
Von 
Georg Lockemann (z. Z. im Felde). 


(Aus der chemischen Abteilung des Königl. Instituts für Infektions- 
krankheiten „Robert Kooh“ in Berlin.) 


(Eingegangen am 9. September 1916.) 
Mit 1 Figur im Text. 


Vor mehreren Jahren habe ich über Versuche berichtet?), 
die ich gemeinsam mit M. Paucke über den Nachweis und 
den Gang der Ausscheidung des Atoxyls im Harn ausführte. 
Die damals begonnenen Untersuchungen habe ich dann weiter 
fortgesetzt, als von P. Ehrlich die übrigen von ihm und 
seinen Mitarbeitern im Anschluß an die Konstitutionsaufklärung 
des Atoxyls?) neu gewonnenen organischen Arsenverbindungen 
in die medizinische Praxis eingeführt wurden und sich mir 
Gelegenheit bot, Untersuchungsmaterial zu erhalten. Herr Prof. 
Dr. Wechselmann, leitender Arzt der dermatologischen Ab- 
teilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses, war so freundlich, 
mir eine größere Anzahl Harnproben von Patienten zur Ver- 
fügung zu stellen, die mit Arsacetin, Salvarsan und Neo- 
salvarsan behandelt waren. Durch Herrn Prof. Dr. Schilling, 
Leiter der Tropenabteilung im Institut „Robert Koch“, erhielt 
ich außerdem die Harnproben einiger mit Arsenophenyl- 
glycin behandelten Patienten. Beiden Herren spreche ich für 
die freundliche Überlassung des Materials meinen verbindlich- 
sten Dank aus. 

Die zum Teil recht eege nomina wurden 


1) Deutsche med. Wochenschr. 34, 1460, 1908. 


2) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 3292, 1907. 
Biochemische Zeitschrift Band 78. ] 


2 G. Lockemann: 


in den Jahren 1908 bis 1912 von mir in Gemeinschaft mit 
meinen Assistenten durchgeführt, den Herren Dr. Herold, 
Dr. Naumann, Dr. Winkler?) und Dr. Lucius, denen ich 
auch an dieser Stelle für ihre eifrige Mitarbeit bestens danken 
möchte. Über einen Teil der Ergebnisse habe ich bereits auf 
der fünften Tagung der freien Vereinigung für Mikrobiologie 
in Dresden am 9. Juni 1911 kurz berichte? Die ausführ- 
liche Veröffentlichung hat sich leider durch Verkettung ver- 
schiedener hindernder Umstände bis jetzt hinausgeschoben. 

Der besseren Übersicht halber werde ich die früheren Ver- 
suchsergebnisse über die Atoxylausscheidung in Kürze wieder 
anführen und dann über die Arsenausscheidung nach Injektion 
von Arsacetin, Arsenophenylglycin, Salvarsan und Neosalvarsan 
ausführlicher berichten. 


I. Atoxyl. 


Der in der früheren Arbeit?) behandelte Fall betraf einen 
durch Laboratoriumsinfektion von Schlafkrankheit befallenen 
Mann, dem 9mal in bestimmten Pausen je 0,5 g Atoxyl in 
20°/ iger Lösung subcutan injiziert wurden. Die Arsenaus- 
scheidung nach einer einmaligen Injektion konnte nur 24 Std. 
lang beobachtet werden, da dann die zweite Injektion erfolgte. 

Das Atoxyl ließ sich im Harn als Arsanilsäure 

H.N .C¿H, - AsO(OH), , 
deren Mononatriumsalz es ist, nachweisen, indem diese durch 
Diazotieren und Kuppeln an f-Naphthylamin in eine charakte- 
ristische, schwer lósliche, rote Azoverbindung übergeführt wurde. 
Nach den Ergebnissen von Vorversuchen wurden dann aus den 
Gewichten der getrockneten Azoniederschläge die Atoxylmengen 
annähernd berechnet. In der Tabelle I sind die in den ersten 
12 Stunden nach der Injektion gefundenen Werte zusammengestellt. 


t) Herr Dr. Hans Winkler aus Dresden hatte sich bei Ausbruch 
des Krieges als Freiwilliger gestellt; er hat erst im Westen, dann im Osten 
begeistert mitgekämpft, ist zum Leutnant befördert und hat nach der 
Einnahme von Kowno in den Kämpfen vor Wilna am 25. August 1915 
sein junges Leben lassen müssen, Ich bewahre dem begabten, sehr ar- 
beitsfreudigen Jüngling in kameradschaftlicher Gesinnung ein dankbar 
ehrendes Andenken. 

2) Centralbl. f. Bakt. 1. Abtlg. 50, 1911. Referate S. 114. 

3) Deutsche med. Wochenschr. 34, 1460, 1908. 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 3 


Tabelle L 
Atoxylausscheidung nach subcutaner Injektion 
von 0,5 g Atoxyl (23,3%, As). 

Mann S—t. 

Injektion (9. XI. 1907, 105 vorm.) 0,5 g Atoxyl. 


Atoxylgehalt 
"e 
der 

injizierten 

Menge 











Nr. 


ca. 0,28 
246 » 0,07 
a 0,09 


ca. 0,44 | ca. 88 












1 bis 3] Die ersten 12 Std. 


Von dem eingespritzten Atoxyl wurde also schon in den 
ersten 3 Stunden über die Hälfte ausgeschieden; innerhalb der 
ersten 12 Stunden hatten bereits 88%/, Atoxyl den Körper 
durch den Harn unverändert wieder verlassen. 

Bei wiederholter Injektion zeigte sich dann, daß ein 
gewisser Teil des Atoxyls im Körper zersetzt wurde, indem 
wahrscheinlich die Arsanilsäure durch hydrolytische Spaltung 
in Anilin und freie Arsensäure zerlegt: 

H,N.C,H, -AsO(OH), + H,O = H,N . C,H, + As0(0H), , 
bzw. das Anilin durch Oxydation in Amidophenol: 
H,N.C,H,-OH 
verwandelt wurde. 

Mit zunehmender Zahl der Injektionen verzögerte sich die 
Ausscheidung zeitweilig ganz erheblich. Nach der letzten (9.) 
Injektion wurden 25 Tage später noch Spuren von Arsen im 
Harn gefunden; am 49. Tage erwies sich eine Harnprobe arsenfrei. 

Später (2 und 4 Monate nach der letzten Injektion) war 
dann Arsen im Kopfhaar nachweisbar. 

In der sonst außerordentlich umfangreichen Atoxyl- 
Literatur findet man nur wenig Angaben über den quantita- 
tiven Verlauf der Ausscheidung beim Menschen. E. Welander?) 
gibt an, daß im Urin der ersten 24 Stunden 55 bis 63°/, des 
injizierten Arsens ausgeschieden wurden; bei richtiger Berech- 
nung (unter Berücksichtigung des wirklichen Arsengehalts des 
Atoxyls = 23°,/) ergibt sich aber der höhere Betrag von 69,3 


1) Arch. f. Dermatol. u. Syphilis 84, 1, 1908. 
1% 


4 G. Lockemann: 


bis 79,6°/,. J. Igersheimer und A. Rothmann?) fanden, 
daß von dem eingespritzten Atoxyl 50 bis 90°/, unverändert 
durch den Harn ausgeschieden wurden. Ph. Fischer und 
J. Hoppe?) konnten innerhalb der ersten beiden Tage nach 
Injektion von 0,3 bzw. 0,5 g Atoxyl 56,2 bzw. 97,3 mg As im 
Harn nachweisen; das sind 80 bzw. 81°/,. Am dritten Tage fan- 
den sich nur noch Spuren, am vierten war der Harn arsenfrei. 
Im Kot war im ersten Falle überhaupt kein Arsen, im zweiten 
innerhalb der ersten 4 Tage im ganzen 5°/, Arsen nachzuweisen. 


II. Arsacetin. 
A. Analyse des Präparates. 

Arsacetin ist nach P. Ehrlich und A. Bertheim?) acety- 
liertes Atoxyl, d. h. p-acetyl-amido-phenyl-arsinsaures 
Natrium oder acetylarsanilsaures Natrium: 

CH,CO.NH.C,H, - As0(OH)ONa. 

Aus Wasser krystallisiert das Salz mit 5 Mol H,O, beim 
Ausfällen mit Alkohol dagegen mit 4 H,O. 

Bei der Analyse ergab sich folgendes: 

1. Wasserbestimmung (durch Trocknen bei 110°): 

a) 1,9850 g gaben einen Verlust von 0,4140 g = 20,86°/, H,O, 
b) 3,7220g n» n n » 0,7860 g= 21,12° » 

Mittelwert: = 20,99°/, H,O. 

Berechnet für Arsacetin mit 4 Mol H,O = 20,409%/, H,O, 

2. Arsenbestimmung der wasserfreien Präparate: 

a) 0,4638 g gaben 0,2582 g MgAs,O, = 0,1247 g As = 26,88 |, As, 
b)0,5200g » 0,2925 g n = 0,1412 g n =27,16%/* » 

Mittelwert — 27,020], As. 

Berechnet für wasserfreies Arsacetin = 26,68%/, As. 

Durch Berechnung auf die ursprünglichen wasserhaltigen 
Präparate ergibt sich folgendes: 

a) wasserfrei 26,88%/, As entspricht 


wasserhaltig . . . . . .(20,86%, H,O) = 21,27°/, As, 
b) wasserfrei 27,16°/, As entspricht 
wasserhaltig . . . . . . (21,12°/, H,O) =21,420/, As, 


Mittelwerte: 20,99°/, H,O u. 21,35°/, As. 
Berechnet für Arsacetin 
mit 4 Mol H,O: 20,40°/, H,O u. 21,24°/, As. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 59, 256, 1909. 
23) Münch. med. Wochenschr. 56, 1459, 1909. 
3) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 40, 3297, 1907. 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 5 


Als Durchschnittswert für den Arsengehalt der verwendeten 
Präparate soll 21,3%/, As angenommen werden. 


Wenn das Arsacetin-Molekül beim Durchgange durch den 
Organismus zerlegt wird, so könnte das einerseits in der Weise 
geschehen, daß der Acetylrest aus der Amidogruppe hydro- 
lytisch abgespalten würde (wie das für Acetanilid beim Tier- 
versuche nachgewiesen ist); dann würde sich neben Essigsäure 
freies Atoxyl bilden: 

CH,CO.NH.C,H, - As0O(OH)ONa + H,O 
= CHCOOH + H,N . C,H, - As0O(OH)ONa. 

Andererseits kónnte die Arsengruppe aus dem Benzolkern 
austreten, so daß Acetanilid entstünde, oder auch durch weitere 
Spaltung Essigsäure und Anilin, bzw. durch Oxydation p-Amido- 
phenol. Derartige Spaltungs- und Oxydationsvorgänge im ein- 
zelnen zu verfolgen würde natürlich zu weit geführt haben. 
Aber einen gewissen Einblick in die beim Durchgang durch 
den Organismus sich abspielenden Umsetzungen ließ sich ver- 
hältnismäßig leicht gewinnen, wenn man auf freie Amidogruppen 
prúfte. Das geschah am einfachsten wie beim Atoxyl durch 
Diazotierung und Kupplung an f-Naphthylamin. Wäre zum 
Teil auch die Arsengruppe abgespalten, so würde sich der 
aromatische Rest mit dem Atoxyl zusammen als Azoverbindung 
ausscheiden, und lediglich der Arsengehalt des Azonieder- 
schlags könnte darüber Auskunft geben, wieviel Atoxyl darin 
enthalten wäre. Etwaiges unverändertes Arsacetin sowie das 
aus der Molekülgruppe abgespaltene Arsen müßte dann in der 
vom Azoniederschlage getrennten Flüssigkeit enthalten und 
durch Arsenbestimmung darin zu ermitteln sein. Somit ergab 
sich folgendes. 


B. Untersuchungsverfahren für Arsacetin-Harn. 


Die einzelnen Harnproben mit Salzsäure (auf 100 ccm 
Harn 1 ccm konz. Salzsäure) angesäuert und bei Eiskühlung 
allmählich unter Umrühren mit einer ®/ „Natriumnitrit- 
Lösung (6,9 g NaNO, in 11, frisch gelöst) versetzt, bis ein 
Tropfen der Mischung auch nach etwa 10 Minuten Jodkalium- 
Stärkepapier noch bläut (Diazotierung beendet). Alsdann von 
einer ?/,„.ß-Naphthylamin-Lösung (14,3 g $-Naphthylamin 
unter Zusatz von 110 ccm 1n-Salzsäure auf 11 gelöst) dieselbe 


6 G. Lockemann: 


Anzahl Kubikzentimeter hinzugefügt, wie von der Natriumnitrit- 
Lósung verbraucht war, und auBerdem von einer 2 n-Natrium- 
acetat-Lösung (272 g krystallisiertes Na-Acetat i. Liter) eine die 
verwendete Menge konz. Salzsäure um das 5- bis 6 fache über- 
treffende Menge. Nach gehórigem Umrühren mehrere Stunden 
stehen lassen; den abgeschiedenen Azoniederschlag auf einem 
gewogenen Filter sammeln, auswaschen, trocknen und wägen. 

Zur Ermittlung des (im allgemeinen geringen) Arsen- 
gehalts wird der Azoniederschlag .mit verdünnter reiner Salz- 
säure, Wasser und Sodalösung ausgelaugt. Die saure Lösung 
wird geradewegs im Marshschen Apparat geprüft, die Sodalösung 
nach dem weiter unten angegebenen Salpeterschmelzverfahren 
behandelt; das Arsen durch Eisenhydroxyd gefällt, ebenfalls im 
Marshschen Apparat abgeschieden und durch Vergleich mit 
Normalspiegeln bestimmt. 

Die Filtrate von den Azoniederschlägen wurden 
verschieden behandelt: 

a) Diejenigen Proben, bei denen ein größerer Arsen- 
gehalt zu vermuten war (die ersten nach der Injektion) wurden 
von neuem mit Salzsäure (auf 100 cem 1 bis 1,5 ccm konz. 
HCl) versetzt und zum Zerstören der organischen Substanz in 
einem Kolben mit Steigrohr auf dem Wasserbade mit Kalium- 
chlorat in der üblichen Weise behandelt. Nach Zusatz von 
etwas schwefliger Säure in der Wärme Schwefelwasserstoff ein- 
geleitet, bis nach Abfiltrieren auf erneutes Einleiten nichts mehr 
ausfiel. Dieser Sulfidniederschlag enthielt außer Arsen auch etwas 
organische Substanz und Phosphor; deshalb mit Ammoniak vom 
Filter gelöst, eingedampft, der Rückstand mit Salpeter-Schwefel- 
säure-Gemisch wiederholt behandelt, bis die anfangs dunkle Masse 
sich aufhellte. Aus dem mit Wasser aufgenommenen Rückstande 
nach Zusatz von etwas schwefliger Säure und Salzsäure das Arsen 
als gelbes Sulfür gefällt, in der üblichen Weise zu Magnesium- 
salz verarbeitet und zur Wägung gebracht. 

b) Die Filtrate, in denen wenig Arsen zu erwarten war, 
wurden nach dem von mir früher angegebenen Salpeterver- 
fahren verarbeitet, um die mit Schwefelwasserstoff nicht mehr 
oder kaum noch ausfällbaren Arsenmengen durch Adsorption 
mit Eisenhydroxyd abzuscheiden. 

Die Lösungen nach Zusatz von etwa 3°], festem, gereinig- 


As-Aussoheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 1 


tem Natriumkaliumnitrat eingedampft, mit Salpeter-Schwefel- 
säure(9:1)-Gemisch auf dem Wasserbade behandelt und schlieB- 
lich mit etwas Salpeter im Platin- oder Porzellantiegel geschmol- 
zen. Aus der in der Hitze (zur Vertreibung der Kohlensäure 
und Stickoxyde) mit verdünnter Schwefelsäure schwach ange- 
säuerten und mit Ammoniak neutralisierten Schmelzlösung das 
Arsen unter Eiskühlung durch wiederholten Zusatz von äqui- 
valenten Mengen Eisenalaunlösung und Ammoniak mit dem 
Eisenhydroxyd abgeschieden, wie ich das früher!) näher be- 
schrieben habe. 

Die ausgewaschenen Eisenniederschläge, in verdünnter 
Schwefelsäure gelöst, wurden im Marshschen Apparat auf 
ihren Arsengehalt geprüft und dieser durch Vergleich mit Normal- 
spiegeln oder bei größeren Mengen (mehrere Zehntel Milligramm) 
durch Wägung des herausgeschnittenen Röhrchenstückes, ge- 
lindes Glühen und Wiederwägen quantitativ bestimmt. Die Emp- 
findlichkeit des Arsennachweises mit dem von mir angegebenen 
Apparat beträgt 0,0001 mg oder 0,1 mmg (Milliogramm). Es ist 
ratsam, zunächst mit kleinen Mengen der Eisenlösung Vorproben 
zu machen. Selbstverständlich darf nur mit sorgfältig von Arsen 
befreiten Chemikalien gearbeitet werden. Zur Kontrolle wurden 
außerdem noch blinde Versuche mit gleichen Chemikalienmengen 
ausgeführt. 


C. Untersuchte Arsacetin-Fälle. 


In der beschriebenen Weise wurden die einzelnen Harn- 
proben mehrerer mit Arsacetin durch subcutane Injektion be- 
handelter Patienten untersucht. Die Ergebnisse sind, nach 
Männern und Frauen geordnet, in den Tabellen II bis IX zu- 
sammengestellt. 


a) Männer (Tabelle II bis IV). 


In Tabelle II und III ist die Arsenausscheidung bei zwei 
Männern mit je einer subcutanen Injektion von 0,4 g Ars- 
acetin, in Tabelle IV die bei einem Mann mit zwei subcutanen 
Injektionen von 0,4 und 0,5 g Arsacetin aufgeführt. Bei Fall II 
und IV sind leider einige Proben verloren gegangen, bei Fall III 
aber sämtliche Proben der ersten 4 Tage durchuntersucht. 





1, Diese Zeitschr. 85, 478, 1911. 


8 G. Lockemann: 


Tabelle II und III. 


Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion 
von Arsacetin bei Männern. 








II. Mann W—f. III. Mann S-—r. 
So Arsenausscheidung Šo Arsenausscheidung 
Zeit der Ausscheidung E e oll £ 
p SEI E 
= Cf 
9 ccm| mg 













Injektion subcutan 
(17. III. 1909, 11*/,* vorm.) 
0,4 g Arsacetin (=85 mg As). 


Injektion subcutan (17. III. 1909, 11'/,® vorm.) 
0,4 g Arsacetin (= 85 mg SC 

























































1 |Erste 8Std. (Tag) 92510,030 | 1110/0,100| 19,30) 19,40/22,8 
2 |Zweite 12 » (Nacht). . |1200/0,003 ? | 1650|0.060| 724| 730| 8,6 

2]Erste 205td. .. . .. REINER | 2T50/0,180/26,54 26,70 [81,4 
3 [Dritte 12Std. (Tag) . . | soolo, 005! 4 A 750/0,020'81,40 131,42 37,0 
4 |Vierte 12 » (Nacht). .|1000|0.002 0 500 SEA 6800.015; 2,18 (2,145 | 25 


























































Zu 4| Zweite 24Std. ..... -11900[0,097 ? 1430/0,035/33,53 |33,565/39,5 
5 [Fünfte 12Std. (Tag) .. alen 0,030 0,031 0,04 900|0,010| 0,39 | 0,40 | 0,47 
6 |Sechste 12 » (Nacht) . . | 920]0,000'0,130/0,13010,15 || 8: o|o,005| 0,15 | 0,155| 0,18 
3 u. 6] Dritte 24Std. . . ... -1262010,001 0,160 0.161 0,19 1750/0,015| 0,54 | 0,555] 0,65 
7 |Siebente 12 Std. (Tag). . [1ozolo.000'0,002.0,0020,002| 91010,1000] 0,12 | 0,120! 0,14 
8 |Achte 12 » (Nacht) . .| 860|0,000 0,000 0.000 0.000 950[0.003| 0,002 0,005| 0,006 

Tu. 8| Vierte 24Std. ..... [1880]0,000]0,00210,002;0,002111860[0,003| 0,122; 0,125] 0,15. 


l bis8| Die ersten 4 < 24 Std. . .[8525[0,041| ? | ? | ? 
Tabelle IV. 


Arsenausscheidung nach zweimaliger subcutaner Injektion 
von Arsacetin bei Mann A—n. 


7800/0,213¡60,732:60,945,71,70 


Arsenausscheidung 
im 
Filtrat 

As 


mg 













1 Erste 12 Std. (Tag) 0,162 0,02 
2 Zweite 12 » (Nacht). 0,248 0,06 


1 u. 2| Erste 24Std. ...... 0,410 | 0,08 
2. Injektion (27. X. 1908, 10*/,? vorm.) 0,5 g on suboutan (= 106, 5 Mg As). 
3 | Erste 12 Std. (Tag) ...f 540 0,25 30,72 | 30,97 

Zweite 12 » (Nacht). 830 0,03 | 


3u.4| Erste E ee 


12 Std. (Tag) . . . 
Vierte 12 na (Nacht). . . 


Zweite 24 Std. . 2.2... 


Fünfte 12 Std. (Tag) ... ? ? 
Sechste 12 »n (Nacht). . . 0,182 0,006 


A > 0,182 |> 0,006 


34,90 Wm 92 
10,61 10,67 












































0315 | 





















0,784 0,025 














As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 9 


Aus den Tabellen geht ganz allgemein hervor, daß der 
Arsengehalt der Azoniederschläge sehr gering (meist nur einige 
Hundertstel oder Tausendstel Milligramm) und die Hauptmenge 
Arsen im Filtrat enthalten ist. Aus dem Arsacetin ist also beim 
Durchgange durch den Organismus (durch hydrolytische Ab- 
spaltung der Acetylgruppe) nur ein sehr geringer Bruchteil 
freies Atoxyl entstanden. Da aber, wie Tabelle IV zeigt, die 
Gewichte der Azoniederschläge ziemlich erheblich sind, so läßt 
sich daraus schließen, daß nicht nur die Acetylgruppe, sondern 
auch die Arsengruppe aus der aromatischen Verbindung ab- 
gespalten ist. Jedoch lassen sich über die Mengenverhältnisse 
dieser hydrolytischen Spaltungen keine Angaben machen, da 
auch andere Bestandteile des Harns mit in den Azoniederschlag 
übergegangen sein können oder vielmehr wahrscheinlich über- 
gegangen sind. Mit anderen Worten, es läßt sich nicht sagen, 
wieviel von dem Arsen in den Filtraten der Azoniederschläge 
als unverändertes Arsacetin und wieviel als abgespaltenes freies 
Arsen (Arsensäure) anzusehen ist. 

Die Arsenausscheidungen sind während der Tageszeit 
ganz allgemein bedeutend größer als während der Nachtzeit. 
Im Fall III war in den ersten 20 Stunden 31,4°/,, in den zweiten 
24 Stunden 39,5°/,, in den ersten 2>< 24 Stunden zusammen 
also 70,9%/, Arsacetin wieder ausgeschieden. Vom 3. Tage an 
wird die Ausscheidung bedeutend geringer, so daß sie nach 
den ersten 4 Tagen in ihrer Gesamtmenge nur bis auf 71,7°/, 
gestiegen ist. 

Beim Fall IV sind in den ersten 24 Stunden bereits 53,7°/, 
Arsacetin ausgeschieden; nach der dann folgenden zweiten 
Injektion sind die Ausscheidungen geringer (ähnlich wie beim 
Atoxyl) und werden am 3. Tage auch bereits sehr klein. 


b) Frauen (Tabellen V bis IX). 


Bei den Frauen zeigt sich ein ganz ähnliches Bild: Nach 
einmaliger Injektion (Fall V bis VII) sind die Ausscheidungen in 
den ersten beiden Tagen ziemlich erheblich (Fall VI: 33,3 ds 
Fall VII: 51,0°/,) und werden vom 3. Tage an sehr gering. Bei 
wiederholten Injektionen (Fall VIII und IX) ist die Ausscheidung 
am Tage nach der zweiten Injektion erheblich geringer, nur 
etwa */, bis */, von der am Tage nach der ersten Injektion. 


10 G. Lockemann: 


Tabellen V und VI 


Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion 


von Arsacetin bei Frauen. 






V. Frau G—s. 





Arsenausscheidung 
Zeit der : 


Ausscheidung 








Harnmenge 





Injektion subcutan 
(26. III. 1909, 7% abends) 0,4 g Arsacetin (=85 mg As). 





















1 [Erste 12 Std. (1. Nacht)| 580 ? ? H ? 
2 } Zweite 12 Std. (1. Tag) | 510! 0,030) ? ? ? 

1 u. 2| Erste 24 Stunden . . 11090:> 0,030] ? | ? ? 
3 | Dritte 12Std. (2.Nacht)| 550; 0,002! ? ? ? 
4 |Vierte 12 Std. (2. Tag) |1200! 0,001| ? H ? 

. 117501 0,003| ? A 



































1bis4] Die ersten 2 < 24 Std. 2840/> 0,033] ? ? ? 
5 | Fünfte 12Std. (3. Nacht)| 410; 0,000 [0,060/0,060| 0,07 
6 |Sechste 12 Std. (3. Tag)}1200| 0,000 /0,320/0,320| 0,38 
5 u. 6| Dritte 24 Stunden . . [1610] 0,000 /0,380 0,380' 0,45 
Siebente12Std.(4.Nacht)| 560| 0,000 |0,000/0,000| 0,00 


Tabelle VII. 


VI. Frau Et. 


Arsenausscheidung 


CH 
GI 3 
22325 55: 
EZ2 “Els >= 
DD" O 
ccm| mg | mg mg i 


Injektion subcutan 


(26. III. 1909, 7% abends) 0,4 g 
Arsacetin (= 85 mg As). 
52011,500j 22,61 | 24,110! 28,4 
1050/0,075| 1,06 | 1,135, 1,3 
1570'1,575 23,67 | 25,245] 29,7 
62010,075| 2,90 | 2,975| 3,5 
1200,0,030| 0,085| 0,115| 0,14 
1820/0,105] 2,985| 3,090] 3,64 
3390 1,680 26,655: 28,339, 33,34 
1120 0.015| 0,230 0,245 0,29 
1320 0,012| 0,002. 0,014| 0,02 
2440,0,027] 0,282] 0,259) 0,31 
1250'0,001| 0,001| 0,002, 0,002 


7080'1,708¡ 26,888; 28,596| 33,65 


arnmenge 



































Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion 
von Arsacetin bei Frau R. 












































A Arsenausscheidung 

g im Azo- E 
] E E S 3 g | 2% 
Nr. Zeit der Ausscheidung E "EZE SS 
d | Ge | darin < Si e 

ccm| g mg | mg | mg: Y 
u Injektion (27. X. 1908 10» vorm.) 0,4 g Arsacetin subcutan 

(=85 mg As). 

1 |Erste 12 Sta. (1. Tag) . . .| 660|1,473| 0,20 '29,50/29,70134,9 
2 . |Zweite 12 Std. (2. Nacht) . . | 390| 0,677| 0,35 111,10/11,45,13,5 
u Erste 24 Stunden CHE 0,55 ¡40,60'41,15/48,4 
3 | Dritte 12 Std. (2. Tag). . . . | 400] 1,037] 0,60 | 0.60. 1,20 141 
Vierte 12 Std. (2. Nacht). . . | 280|0,462| 0,05 | 0.95| 1,00 1,17 
















3 u.4| Zweite 24 Stunden . . ... 

1bis4 | Die ersten 2 > 24 Stunden . . [1730| — 
5 Fünfte 12 Std. (3. Tag) . . . | 620/ 0,216 
6 Sechste 12 Std. (3. Nacht) . . | 440] 0,106] 














5 u. 6| Dritte 24 Stunden 1060] 0,322] 
l bis6 | Die ersten 3 Tage und Nächte [2790| — | 













0,65 
1,20 


11,551 2,20] 2,58 
42,15/43,35/50,98 
0.30 | 0,03| 0,33' 0,39 
0.02 | 0,01! 0,03; 0,04 


0,32 | 0,04] 0,36] 0,43 
1,52 42,19143,91:51,41 














As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 11 


Tabellen VIII und IX. 


Arsenausscheidung nach zweimaliger suboutaner Injektion 
von Arsacetin bei Frauen. 










VIII. Frau G—s. IX. Frau K—n. 







Arsenausscheidung 






Zeit der 
Ausscheidung 






Harnmenge 








1. Injektion 
(20. III. 1909 126 mittags) 0,3 ¢ 
Arsacetin (= 64 mg As). 


920| 1,500 |28,00| 29,500| 46,1 


1. Injektion 
(20. IIT. 1909 12? mittags) 0,3 g Arsacetin (= 64 mg As). 


1 |Erste 24 Stunden . . [1800| 0,035 24,33! 24,365| 88,1 


2. Injektion 


2. Injektion : 
, 21. III. 1909 12® mittags) 0,3 g 
(21. III. 1909 12è mittags) 0,3 g Arsacetin (=64 mg As). Arsacetin (=64 mg As). 


2 |Erste 24 Stunden . . [1610] 0,015 |10,33| 10,345] 16,2 |1980] 0,000 | 9,85| 9,850] 15,4 


Auch hier zeigt sich eine gewisse Periodizität in der 

Ausscheidung, indem allemal die ungeraden Halbtage (12 Stun- 
den), also die ersten, dritten, fünften bedeutend größere Arsen- 
ausscheidung aufweisen als die geraden (zweiten, vierten, sechsten). 
Erfolgt die Injektion am Abend (Fall V und VI), so fallen die 
ungeraden ausscheidungsreichen Abschnitte in die Nachtzeit, 
erfolgt sie am Morgen (Fall VII), so fallen sie in die Tageszeit, 
wie sich letzteres ja auch bei den Männern (Fall II bis IV) 
zeigte. 
Ein Unterschied in den Ausscheidungsverhältnissen der 
Frauen gegenüber denen der Männer zeigt sich jedoch in den 
Mengen der einzelnen Azoniederschläge und des darin enthalte- 
nen Arsens. Diese sind bei den Frauen durchweg größer, be- 
sonders in den ersten Proben nach der Injektion (für die Ge- 
wichte der Azoniederschläge vergl. Tabellen IV und VII). Das 
bedeutet, daß bei den Frauen ein größerer Bruchteil des in- 
jizierten Arsacetins abgebaut wird als bei den Männern; teils 
zu freiem Atoxyl durch Acetylabspaltung, teils noch weiter durch 
Arsenabspaltung. 

In der Zusammenstellung Z 1 sind die besprochenen wich- 
tigsten Ergebnisse für Arsacetin aufgeführt. 


12 G. Lockemann: 
Z 1. 


Zusammenstellung für die Arsenausscheidung beim Arsacetin. 











Nach einmaliger suboutaner Injektion 
Mann | Frauen 


ms | VI Et | VII. R. 


— 





0,4 g (85 mg As) 0,4 g (85 mg As) 0,4 g (85 mg As) 


ur 






Injektion: 








12 Std. ..] 23 T. 34,9 
12 Std. . $ GE N. 13,5 Laus 
12 Std. ..] ¿3 T. 141 
12 Std...) ES N. 117 f 2%8 
N 
Erste 2% 24 Std.. 70,9 33,34 50,98 
12Std...) 8383| T. 047 er N. 0,29 A T. 0,39 
12std. .. f EZ] N oj” T. 002 $ 0 N. 0,04 j 0% 
Erste 3 < 24 Std.. 71,55 33,65 51,41 
12 Std. ..} 238 | T. 014 N. 0,002 
12 Std. . d 2% | N ges 05 mn" } > 0,002 u 
Erste 4 >< 24 Std.. 71,7 | > 33,65 = 
Nach zweimaliger subcutaner Injektion 
EN SE 


Mann Frauen 












1. Injektion 


Erste 24 Std... | ar = 38,1 = | 46,1 | = 


















058g |1. und 2. | 088 |1.und2| 088 |1. und 2 
2. Injektion (107 mg As):(192 mg As) (64 mg As) ¡(128 mg As); (64 mg As) (128 mg As) 
0! 0 DI 0 0 0 
EA Io lo 10 lo lo lo 
Zweite 24 Std. > 29,1 > 16,2 | 16,2 
Dritte 24 Std. 4,6 2,57 = 








D 






Erste 2x 24 Std. 
nach 2. Injektion } 


Vierte 24 Std. 


Erste 3 x 24 Std. 
nach 2. Injektion 







) > 34,1 > 1908 | Se | 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 13 


D. Untersuchungen anderer über Arsacetinausscheidung. 


Als ich diese Untersuchungen ausführte, lagen in der 
Literatur noch keine Angaben über den quantitativen Verlauf 
der Arsenausscheidung nach Injektion von Arsacetin vor. In- 
zwischen sind solche von Ph. Fischer und J. Hoppe!) (Ucht- 
springe) veröffentlicht. Sie fanden in 2 Fällen nach einmaliger 
Injektion von 0,5 g Arsacetin am 1. Tage 68 mg As = 62°|, 
und 59 mg As = 549/,, am 2. Tage 10 mg As = 9%/, und 
16 mg As == 14°/,, d. h. Gesamtausscheidung in den ersten 
beiden Tagen 71 und 68%/,. Diese Zahlen sind den von mir 
bei Männern (Tabellen II bis IV) gefundenen sehr ähnlich. Die 
Verfasser untersuchten auch Kotproben und fanden, daß (wie 
auch beim Atoxyl) nur ganz geringe Mengen des Arsacetins durch 
den Kot ausgeschieden wurden; nach Injektion von 0,5 g im 


ganzen 11 mg As = 7,9°|,. 
UL Arsenophenylglyein. 


A. Analyse des Präparates. 

Das Arsenophenylglycin ist das Di-Natriumsalz der p-p’- 
Diamino-arsenobenzol-di-essigsáure: 

Na0,C-CH, : NH. C,H, As: As: C,H, : NH - CH, -CO, Na. 

Von dem für die Injektionen benutzten Präparate wurden 
folgende Arsenbestimmungen gemacht: 
a) 0,1069 g gaben 0,0562 g Mg, As,O, = 0,0271 g As = 25,38°/, As 
b) 0,1930g gaben 0,1036 g Mg, As,O, = 0,0500 g As= 25,91%/, As 

Mittelwert: 25,65°/, As. 

Für das wasserfreie Arsenophenylglycin obiger Formel be- 
rechnet sich ein Gehalt von 30,35%/, As. Bei Annahme meh- 
rerer Mole Krystallwasser ergäbe sich: 

für 4 H,O: 26,499/, As, für 5 H,O: 25,67°/, As, 
für 6 H,O: 24,90°/, As. 

Der gefundene Arsengehalt (25,65°/,) entspricht also einem 
Arsenophenylglycin, das mit 5 Mol H,O krystallisiert ist. 
B. Untersuchungsverfahren, 

Bei den zur Untersuchung kommenden Harnproben wurde 


auf die Prüfung etwaiger Spaltungsprodukte des Arsenophenyl- 
glycins verzichtet und nur der Gesamt-Arsengehalt bestimmt. 


1) Münoh. med. Wochenschr. 1909, 1459. 


14 G. Lockemann: 


Zu diesem Zwecke wurden die aus den ersten Tagen nach der 
Injektion stammenden Harnmengen mit Salzsäure und Kalium- 
chlorat auf dem Wasserbade behandelt, das Arsen mit Schwefel- 
wasserstoff gefällt und schließlich als Magnesiumpyroarseniat 
zur Wägung gebracht. Die späteren Proben, in denen nur noch 
geringe Arsenmengen zu vermuten waren, wurden nach dem 
oben erwähnten Salpeterschmelzverfahren behandelt, das Arsen 
durch Adsorption mit Eisenhydroxyd abgeschieden und im 
Marshschen Apparate bestimmt, 


C. Untersuchte Arsenophenylglycin-Fälle. 


Die Harnproben stammen von einer Missionarsfamilie S—r 
(Mann, Frau und Kind), die sich in Deutsch-Ostafrika mit 
Schlafkrankheit infiziert hatte. Der Mann wurde an zwei auf- 
einanderfolgenden Tagen mit je 1,0 g Arsenophenylglycin be- 
handelt, die Frau einmal mit 1,0 g und das Kind einmal mit 
0,5 g. Die Injektionen wurden intramuskulär in die Glutäen 
gemacht. Die Ergebnisse sind in den Tabellen X bis XII auf- 
geführt. 

Tabelle X. 


Arsenausscheidung nach zweimaliger intramuskulärer 
Injektion von Arsenophenylglycin (25,7%, As) bei Mann S—r. 






Arsengehalt 
Nr. Zeit der Ausscheidung KSE EE 
mg der injiz. 

Menge 








1. Injektion (30. IX. 1909 2* nachm.) 1,0 g (= 257 mg As). 
1 | Erste 20 Std. (30. IX.—1. X.) . . .| 605 | 0,18 | 0,07 


2. Injektion (1. X. 1909 11® vorm.) 1,0 g (= 257 mg As). 


(Sa. der injiz. As-Menge 1, und 2. = 514 mg As) BA 
2 Zweite 24 Std. (1.—2.X)...... 1060 11,65 2,27 
3 Dritte 24 n»n (2—3X)..... 905 5,04 0,98 




















Die ersten 3 Tage und Náchte . . 16,87 3,28 
4 Vierte 24 Std. (34. X).... . 12,04 2,34 
5 Fünfte 24 a (4—5.X).... . 5,10 0,99 






Die ersten 5 Tage und Nächte . . 






6 16. Nacht (15.—16.X.). . . 2... 740 0,60 0,12 
7 17. Tag (16 e et Aer pl ee g 760 0,46 0,09 
8 24. Tag (23:28) i 0 2. 0 2:8 4% 630 0,18 0,04 





As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 15 


Tabelle XI. 


Arsenausscheidung nach einmaliger intramuskulárer 
Injektion von Arsenophenylglycin (25,7°/, As) bei Frau S—r. 





Arsengehalt 





Nr. Zeit der Ausscheidung 






| gie 
mg der injiz. 
i Menge 


Injektion (1. X. 1909 11è vorm.) 1,0 g (= 257 mg As). 









1 Erste y 10 Std. (1.X) ..... 675 4,35 1,69 
2 24 Std. t 14 » (1.—2.X) ... 1030 14,84 8,77 
3 Zweite 24 Std. (2.—3.X.). . ...» 1050 10,33 4,02 
4 Dritte 24 » (3-—4.X.)..... 1020 5,62 2,19 
l bis 4] Die ersten 3 Tage und Nächte . .| 3775 35,14 | 13,67 
5 Vierte 24 Std. (4.—5.X.) .... 650 5,50 2,14 
6 Fünfte 24 » (5—6.X) .... 520 7,40 2,88 
l bis 6 | Die ersten 5 Tage und Nächte , . 4945 48,04 | 18,69 
7 Sechste 24 Std. (6.—7.X.). . . . 765 8,02 3,12 
8 Siebente 24 e (7.—8.X)... . 530 2,05 0,80 
1 bis 8 | Die ersten 7 Tage und Nächte . .| 6240 58,11 | 22,61 
9 | 15. Nacht (15.—16.X)....... 565 0,75 0,29 
10 | 16. Tag (16.X.) ........ e A 560 0,33 0,13 
11 | 22. Nacht (22.—23.X.). .... è 880 0,10 0,04 
12 161. Tag (30. XI). ........ 95 0,03 0,01 


Tabelle XI. 


Arsenausscheidung nach einmaliger intramuskulärer 
Injektion von Arsenophenylglycin (25,7°/, As) bei Kind S—r. 





Arsengehalt 
Die 
mg der injiz. 
Menge 











Erste 4 Std. (1.—2. X). .. .. 
Zweite 4 » (2—3. X)... 
Dritte 24 n (3.—4. X.) e o © o o 


Die ersten 3 Tage und Nächte . . 


Vierte 24 Std. (4.—5. X.) .... 
Fünfte 24 . (5.—6. X.) 


0,70 0,54 











2,12 
0,74 












Die ersten 5 Tage und Nächte . . 10,16 7,91 
Sechste 24 Std. (6.—7.X.). . . . 1,67 1,30 
Siebente 24 n (7.—8.X)..... 2,35 1,23 













Die ersten 7 Tage und Nächte . .| 7210 | 14,18 | 11,04 


Im allgemeinen zeigt sich, daß die Arsenausscheidung beim 
Arsenophenylglycin viel geringer ist als beim Atoxyl und Ars- 
acetin, aber sie verläuft auch bei den 3 untersuchten Fällen 


16 G. Lockemann: 


recht verschieden: Der Mann scheidet am wenigsten, die Frau 
am meisten aus; beim Kinde stehen die Werte in der Mitte, 
wenn man nicht die absoluten Arsenmengen berücksichtigt, 
sondern die im Verhältnis zu den injizierten Mengen berechneten 
Prozente. Das wird noch deutlicher durch die Zusammen- 
stellung Z 2, in der nur die Prozentzahlen angegeben sind. 


Z 2. 


Zusammenstellung für die Arsenausscheidung beim 
Arsenophenylglyein. 











X. Mann XII. Kind XI. Frau 


1,0 g (257 mg As) 9,5 g (129 mg As)|1,0 g (257 mg As) 
"e | ` lo 


Erste 24 Std. . . 0,07 0,54 7,46 
1,0 g (257 mg As) 









1. Injektion 





2. Injektion Įl. u. 2. — 514 mg As 


oo 
Zweite 24 Std. . 2,27 0,46 | 4,02 
Dritte 24 n : 0,98 4,05 2,19 
Erste 3 > 24 Std. 3,28 
Vierte 24 Std. . 2,34 2,12 2,14 
Fünfte 24 » 3 0,99 





| 
Erste 5 x 24 Std. 6,61 7,91 18,69 
Sechste 24 Std. . — 1,30 3,12 
Siebente 24 n . — 1,83 0,80 


Erste 7 x< 24 Std. | — | 11,4 | 2261 
Vermutlich steht die besonders geringe Arsenausscheidung 
beim Manne damit in Zusammenhang (entsprechend den früher 
beim Atoxyl gemachten Erfahrungen), daß ihm zwei Injektionen 
gemacht wurden, während Frau und Kind nur je eine erhielten. 


D. Untersuchungen anderer über Arsenophenylglycin- 
ausscheidung. 


Von Ph. Fischer und J. Hoppe!) sind auch quantitative 
Untersuchungen über die Arsenausscheidung nach Arsenophenyl- 
glycin-Injektionen gemacht. Berechnet man die von ihnen an- 
gegebenen Zahlen des ausgeschiedenen Arsens auf Prozente der 
e'ngespritzten Mengen, so ergibt sich, daß bei Fall 1 bis 3 


1) Münch. med. Wochenschr. 56, 1459, 1909. 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 17 


durchschnittlich in den 3 ersten Tagen 41,4°/,, in den 5 ersten 
Tagen 56,5%/, Arsen ausgeschieden wurde; bei Fall 4 und 5 
sind die Beträge sogar 47,7 und 68,3%/,. Diese Zahlen über- 
treffen die von mir gefundenen um das Vielfache (siehe Z 2). 
Worauf diese außerordentliche Verschiedenheit der Versuchs- 
ergebnisse zurückzuführen ist, vermag ich nicht anzugeben. 

Bei Wiederholung der Injektionen zeigt sich jedoch auch 
in den Fällen von Fischer und Hoppe eine gewisse Verzögerung 
der Arsenausscheidung, und zwar um so stärker, je schneller 
die Injektionen aufeinanderfolgen. 

Im Kot fanden die genannten Forscher vom 2. Tage an 
regelmäßig Arsen; die letzten Spuren am 10., 12., 15. Tage. 
In dem an den ersten 4 Tagen gesammelten Kot wurden von 
ihnen nach Injektion von 0,3 g Arsenophenylglycin einmal 
12 mg (= 14,3°!,) As und einmal 44 mg (= 52,49/,) As gefunden, 
nach Injektionen von 1,0 g einmal 110 mg (= 39,3°/,) As. 

Auch diese Zahlen erscheinen ungewöhnlich hoch. 


IVa. Salvarsan. 
A, Analyse des Priiparates. 

Seiner chemischen Zusammensetzung nach ist das Salvar- 
san!) zu bezeichnen als Di-p-oxy-di-m-amino-arsenobenzol- 
dichlorhydrat von der Formel: 

HCI, H,N(HO)C,H,As: AsC,H,(OH)NH, , HCl. 

Von mehreren Präparaten wurden Chlor- und Arsenbe- 
stimmungen gemacht mit folgenden Ergebnissen (mit rauchdr. 
HNO, und AgNO, im Bombenrohr 3 Std. auf 250 bis 270° erhitzt): 


a) 0,1704g gaben 0,1109g AgCI=16,100/, Cl; 0,1048 g Mg,As,0, =29,690/, As 
b) 0,1232g 0,0727g n =14,60%, n ;0,0754g nn —=29,55% 


3 


ai 0.1641g » 009408 n =14,17%, n ;0,1023g »  =30,10% n» 
d)0,1906g n» 0.1084g n =14,06%, n;0,1202g n»  =3045%, n 
e) 0,1936g » 0,1076g n =13,38%, » ;0,1306g »  =Ñ31,70%on 
Mittel: 14,46%), Cl 30,309/, As 

Berechnet fúr Salvarsan 
mit 2 Mol H,O . . . 14,93%/,Cl 31,56%, As 


Die Zusammensetzung der einzelnen, teils aus der ersten 
Zeit der Salvarsandarstellung stammenden Präparate (a bis c 
Juni 1910, d und e November 1910) schwankt ziemlich. Als 
abgerundeten Durchschnittswert habe ich 30%/, As angenommen. 


1) P. Ehrlich und A. Bertheim, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 45 
756, 1912. 
e Biochemische Zeitschrift Band 78. 9 


18 G. Lockemann: 


Später sind von anderer Seite noch einige Analysenzahlen 
veröffentlicht. G. O. Gaebel!) fand beim Zerstörungsverfahren 
nach Kjeldahl 31,6°/, As, beim Zerstóren mit KCIO, und HC] 
und Abdestillieren des As im HCI-Strom bei Gegenwart von 
FeCl, nur 29°/, As. 

F.Lehmann”) zerstörte die organische Substanz mit KMnO, 
und H,SO, und titrierte das As nach Reduktion zu arseniger 
Säure mit Jod und Thiosulfat; dabei fand er 31,3 bis 31,59°/, As. 


B. Untersuchungsverfahren. 


Da sich gleich bei den ersten Harnproben herausstellte, 
daß nur sehr wenig Arsen darin enthalten war, so wurde auf 
eine Untersuchung etwaiger Spaltungsprodukte des Salvarsans 
verzichtet und lediglich die Bestimmung des Gesamtarsengehalts 
durchgeführt. Dieses geschah nach dem mehrfach erwähnten 
Salpeterschmelzverfahren mit darauffolgender Adsorption des 
Arsens durch Eisenhydroxyd und Bestimmung im Marshschen 
Apparat. 

C. Untersuchte Salvarsan-Fälle. 

Die Injektionen wurden durchweg an syphilitischen 
Patienten gemacht und zwar in drei verschiedenen Weisen: 

1. mit der durch einfaches Auflösen des Salvarsans in Wasser 
hergestellten sauer reagierenden Lösung intramuskulär; 

2. mit der durch Zusatz der äquivalenten Menge Alkali 
zu der wäßrigen Lösung erhaltenen neutralen Suspension 
subcutan; 

3. mit der durch weiteren Alkalizusatz erhaltenen schwach 
alkalischen Salvarsanlösung intravenös. 

Die Untersuchungsergebnisse sind unter diesen Gesichts- 
punkten nach Männern und Frauen geordnet in folgenden 
Tabellen XIII bis XXXIV zusammengestellt. 


a) Männer (Tabellen XIII bis XXV). 


Die intramuskulären Injektionen mit saurer Salvarsan- 
lösung sind in Tabellen XIII bis XVIH, die subcutanen mit 
neutraler Suspension in Tabellen XIX u. XX, die einmaligen 
intravenösen Injektionen mit schwach alkalischer Salvarsan- 


1) Arch. d. Pharmazie 249, 49, 1911; Apotheker-Ztg. 26, 215, 1911. 
3) Apotheker-Ztg. 27, 545, 1912. 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 19 


Tabellen XII bis XVII. 
Arsenausscheidung nach einmaliger intramuskulärer Injektion 
von saurer Salvarsanlösung bei Männern. (Salvarsan = 30°/, As.) 






Arsengehalt 










Nr. Zeit der Ausscheidung %, der 
injizierte 
Menge 


mg 





XIII. Mann D—g. 
Injektion (13. IV. 10, 11* vm.) 0,25 g Salvarsan (=75 mg As). 





— | 1. Tag u. 1. Nacht (13.—14. IV.) . . |verloren ? ? 
1 |2. Tag u. 2. Nacht (14.—15. Iv} 920 | 0,450 | 0,60 
2 |3. Tag (15. IV) ......... 730 | 0,100 | 0,13 
8 | 3. Nacht (15.—16. IV.) ...... 440 | 0,100 | 0,13 
4 | 4. Tag (16.IV) ....... Ss 0,180 | 0,17 
5 | 4. Nacht (16.—17. IV.) ...... 0,350 | 0,47 
6 5. NA ae 0,250 | 0,33 
7 | 5 Nocht 17.-18.IV) ..... 0,200 | 0,27 
8 16. Tag (18.IV) ......... 0,520 | 0,70 
9 | 6. Nacht (18.—19. IV) ns 0,250 | 0,33 
10 | 7. Tag (19.IV). . 2.22 222.0. 0,110 | 0,15 
11 | 7. Nacht (19.—20. IV.). 2.2.2... 0,085 | 0,11 
1bis11|Dieersten 7Tageu. Nächte(außerden1.)| 7155 | 2,545 | 3,39 
12 | 8. Tag (20.IV) ......... 930 | 004 | ous 
13 | 8 Nacht @0.-21.IV). 2. . . .. 770 | 0,110 | 0,15 
14 | 9 Tag (Q1IV) ......... 1020 | 0,070 | 0,09 
15 | 9. Nacht (21.—22.IV.). ...... 360 | 0,090 | 0,12 
16 112. Tag (24.14) ......... 410 | 0,030 | 0,04 
17 112. Nacht (24.—25.IV.). ...... 750 | 0,060 | 0,08 
18 |15. Tag u. 15. Nacht (27.—28.1V,) . . | 1050 | 0,060 | 0,08 
19 |20. Tag u. 20. Nacht (2.—3. V.) . . . | 1310 | 0,012 | 0,02 


XIV. Mann N—k. 
Injektion (30. DN 10, 11* vm.) 0,3 g Salvarsan (= 90 mg As). 


1. Tag (30. Mi di ias e 530 | 021 | 0,23 


. oe .Qe.. O95 .2.o..*. ò% . > 


e ve o o o Ọ% eo 


e . ew we D es œ 





4. Tag pi. 740 | 0,10 | ou 
8 | 4. Nacht SAV)...... .. | 800 | 0,08 | 0,09 
9 bo Nacht (9.—10.V.) +... . . . . | 200 | 0,05 | 4,06 





XV. Mann E—b. 
Injektion (3. V. 10, 10* kan 0,4 g Salvarsan (= 120 mg As). 


1 f ETEBV) osa EE 260 | 415 | 3,46 
2 | 1. Nacht (3.4. V.) ........ 470 | 1183 | 1,58 
3 | 5 Tag (TV) .......... 400 | 159 | 1,33 
4 | 5. Nacht (7.-8.V.) 2.22.22... 430 | 188 | 1,57 


dh 


20 G. Lookemann: 
Tabellen XIII bis XVIII (Fortsetzung). 









Arsengehalt 
Nr. Zeit der Ausscheidung Ge , Jh ‚der 
zierten 


Menge 


XVI. Mann G—l. 
Injektion (3. V. 10, 10*/2 vm.) 0,3 g Salvarsan (= 90 mg As). 


1 |1. Tag (3.V) 24 sau 750 | 0,63 | 0,70 
2 | 1. Nacht (3.4. V.) ..... . . | 980 | 1,50 | Lë 
3 15. Tag (T.V) ..... no... 60 | 116 | 1,29 
4 | 7. Nacht (1.8. V)........] 670 | 155 | 172 


XVII. Mann PL 
Injektion (1. VI, 10, 11* vm.) 0,5 g Salvarsan (= 150 mg As). 


1 | 1. Tag (1.VI) . l ‚| 1000 | 028 | 0,19 
2 | 1. Nacht u. 2. Tag (1.2. VI.) 420 | 0,32 | 0,21 
3 | 2. Nacht (23. VÍ). ..... .. | 910 | 054 | 0,36 
4 |3. Tag (8.VI) ....... , . | 800 | 0,60 | 0,40 
5 | 8. Nacht (3B4.VI)........ 600 | 021 | 0,14 





. 0 ọ 8 . ge eg e 


e. èo 0. ò . ọọ 


) . 
11 |l4.Tagu. Nacht u. 15. Tag (14.15. VL) 


XVIII. Mann G—m. 
Injektion (5. VII. 10) 0,5 g Salvarsan (= 150 mg As). 


11 |11. Tag nenn, o. onnaa. 125 | 0,07 |> 005 





Tabellen XIX und XX. 


Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion von 
neutraler Salvarsansuspension bei Männern. 


Arsengehalt 
Sep der 


vi 
mg | injizierten 
Menge 


Nr. Zeit der Ausscheidung 





XIX. Mann W—r, 
Injektion (20. VII. 10) 0,5 g Salvarsan (= 150 mg As). 


1 | 74. Tag u. Nacht (2—3. XI). . . . | 1885 | 0,010 | 0,007 


XX. Mann W—d—r. 
" Injektion (30. VIII. 10) 0,5 g Salvarsan (= 150 mg As). 


1 | 64. Tag u. Nacht (2.3. XI). ... | 1365 | 0,040 | 0,027 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 2] 
Tabellen XXI bis XXIII. 


Arsenausscheidung nach einmaliger intravendser Injektion 
von schwach alkalischer Salvarsanlösung bei Männern. 





Arsengehalt o 






Nr. Zeit der Ausscheidung 0/, der 
injizierten 
| Menge 


XXI. Mann N—I. 
es Sec XI. 10, 11* vm.) 0,38 g Salvarsan (= 114 mg As). 





1 
2 
3 
4 
ó 
is 
6 | 4. Tag (4. XL) ........ e 440 0,09 0,08 
7 | 4. Nacht G-A XI). ad e 995 0,20 0,18 
8 | 5. Tag u. Nacht (5.—6. XI) . . . . | 1280 0,18 0,16 
9 |6. Tag u. Nacht (6.—7. XI) . . . . 1140 0,03 0,03 
10 | 7. Tag u. Nacht (7.—8. XI) .... 740 0,11 0,10 
11 18. Tag u. Nacht (8.—9.XI) .... 0,07 0,06 
12 | 9. Tag u. Nacht (9.-10.XI). .. . 0,03 0,03 
13 110. Tag u. Naoht (10.—11.XI) . . . 0,05 0,04 
14 |11. Tag u. Nacht (11.—12. XI.) . . . 0,09. 0,08 
15 112. Tag u. Nacht (12.—13. XI) . . . 0,02 0,02 
16 113. Tag u. Nacht (13.—14. XI.) 0,04 0,04 





1bis16| Die ersten 13 Tage u. Nächte . . . | 15300 | 3,40 | 2,98 


XXII. Mann F—ch. 
Injektion (3. XI. 10, 10°/,® vm.) 0 Gë pap entan (= 120 mg As). 








ar deis de 0,19 0,16 

AI) au nn 0,50 0,42 

SAL) Ab Ai a 0,07 0,06 
2. Nacht (4—5. XL) . 2. .... 0,10 ¡ 0,09 
3. Tag u. Nacht (55. XI) 0,17 | 0,14 










4. Tag u. Nacht (6.—7. XI.) ... . 
5. Tag u. Nacht (7.8. XI.) . 
6. Tag u. Nacht (8.—9. XI.) 







1,34 1,12 


XXIII. Mann Z—n. 
Injektion (3. XI. 10, 10%/,5 vm.), 0,25 g Salvarsan (=75mg As). 










1 |l.Tag(B.XI).......... 0,35 | 0,47 
2 | 1. Nacht (3.—4. XI) ....... 0,12 | 0,16 
3 |2. Tag (4MXI).......... 0,10 | 0,13 
4 |2. Nacht (4.—5. XI) ....... 0,12 | 0,16 
5 |3. Tag u. Nacht (5.—6. XI.) . 0,20 | 0,27 





0,89 | 1,19 


22 G. Lookemann: 


Tabellen XXI bis XXIII (Fortsetzung). 


Arsengehalt 







Nr. o/, der 
mg injizierten 
Menge 








6 | 4. Tag u. Nacht (6.—7. XL) 0,21 
7 | 5. Tag u. Nacht (7.—8. XI.) 0,04 
8 | 6. Tag u. Nacht (8.—9. XI.) 0,03 





1l bis8] Die ersten 6 Tage u. Nächte 1,10 1,47 


Tabellen XXIV und XXV. 


Arsenaussoheidung nach zweimaliger intravenöser Injektion 
. von sohwach alkalisoher Salvarsanlösung bei Männern. 










Arsengehalt 


DL der 
injizlerten 
Menge 


Zeit der Ausscheidung 


XXIV. Mann He 


1. Injektion (17.X.10) 0,4 g Salvarsan (= 120 mg As). 

2. Injektion (24. II. 11) 0,3 g Salvarsan (=.90 mg As). 
1 190. Nacht (25.—26. V. 11.) nach der 

| 2. Injektion . . ....... | 580 | 0,0005 


XXV. Mann X. 
1. Injektion (28.1. 11) 0,8 g Salvarsan (= 90 mg As). 
2. Injektion (11. IV.11) 0,3 g Salvarsan (= 90 mg As). 


1 |38. Tag(19.V.11.)nach der 2. Injektion | 675 | 0,001 | 0,001 


0,0005 





lösung in Tabellen XXI bis XXIII aufgeführt; außerdem sind 
noch zwei einzelne Proben nach zweimaliger intravenöser 
Injektion untersucht (Tabellen XXIV und XXV). 

Aus sämtlichen Versuchsergebnissen geht hervor, daß die 
Arsenausscheidung ganz allgemein, unabhängig von der Art 
der Salvarsanlösung und der Injektion, außerordentlich lang- 
sam erfolgt. Nur in den Fällen XV, XVI und XXI (1. Tag) über- 
steigen die binnen 12 Stunden ausgeschiedenen Arsenmengen 
den Wert von 1°/,; in allen anderen Fällen bewegen sich die 
Zahlen in den Größen von einigen Zehntel-Prozent. Die Ab- 
weichungen im einzelnen lassen keinerlei Gesetzmäßigkeiten er- 
kennen, auch nicht etwa, daß bei intravenöser Injektion (XXI bis 
XXIII) die Ausscheidung schneller verliefe als bei intramuskulärer 
(XIII bis XVIII). In den ersten 3 Tagen wurden ausgeschieden 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 23 


bei intramuskulärer Injektion: >>0,86%/, (XII), 1,70°/, 
(XIV), 1,30%, (XVI); bei intravenöser: 2,18%/, (XXD, 
0,86°/, (XXID, 1,19°/ (XXI). 

Die Dauer der Arsenausscheidung ist, den geringen Tages- 
werten von Anfang an entsprechend, sehr groß. Bei intra- 
muskulärer Injektion waren am 7. Tage noch nachzuweisen: 
0,26°/, (XIII), > 1,729/, (XVI), 0,06°/, (XVII), am 14. Tage 
0,02°/, (XVII), am 20. Tage noch 0,02%/, (XIII). Bei subcu- 
taner Injektion war einmal am 64. Tage noch 0,027 9/, (XX), ein 
andermal am 74. Tage noch 0,007°/, (XIX) Arsen nachweisbar. 
Bei intravenöser Injektion fanden sich am 6. Tage 0,039, 
(XXI), 0,05%, (XXII), 0,03%, (XXVID, am 13. Tage noch 
0,049/, (XXI) Arsen im Harn. Nach zweimaliger intra- 
venöser Injektion war einmal (XXV) 38 Tage nach der 2. In- 
jektion im Tagesharn 0,001°/, Arsen, ein andermal (XXIV) 
90 Tage nach der 2. Injektion im Nachtharn 0,0005°,, Arsen 
nachweisbar. 


b) Frauen (Tab. XXVI bis XXXIV). 


Bei den Frauen verläuft die Arsenausscheidung ganz ähnlich 
wie bei den Männern, nur im ganzen etwas schneller, wie 
die folgenden Tabellen XXVI bis XXXIV zeigen. In den 
ersten 3 Tagen wurden ausgeschieden bei intramuskulärer 
Injektion: —>4,59°/, (XXVI), >1,26°/, (XXVII), bei sub- 


Tabellen XXVI bis XXVIII. 


Arsensussoheidung nach einmaliger Intramuskulärer Injektion 
von saurer Salvarsanlösung bei Frauen. 








ee 


Arsengehalt ` 

Nr. Zeit der Ausscheidung et, der ` 
m inji t 

a 











XXVI. Frau He 
Injektion (19. IV. 10, 11* vm.) 0,3 g Salvarsan (=90 mg As). 








1 |1. Tag (19. IV) ......... 360 Ft 

2 | 1. Nacht u. 2. Tag cio. —20. IV.) . 850 | 250 | 2,78 
3 | 2 Nacht (20.—21. IV) ...... 720 | 0,59 | 0,66 
4 |3. Tag (21. IV) ......... 490 | 044 | 0,49 
5 | 3. Nacht (21.22. Di... 275 | 0,60 | 0,67 








l bis 5 


oa 


Die ersten 3 Tage u. Nächte . . . 


24 G. Lockemann: 


Tabellen XXVI bis XXVIII (Fortsetzung). 















Arsengebalt 
Zeit der Ausscheidung 



















6 14 Tag 22.IV.) ... 22... | 0.56 
7 | 4. Nacht u. 5. Tag (22.23. IV.) . 0,75 | 083 
8 | 6. Tag (24. IV) ........+. 0,48 | 0,53 
9 |7. Tag (25. IV) ......... 0,09 | 0.10 
10 a E 0,26 | 0,29 
11 | 8. Nacht (26.—27. IV) . ..... 0,09 | 0,10 
12 | 9. Tag @7.IV) ..... a 0,02 | 0,02 
13 |9. Nacht (27.—28. IV.) . 2...» 0,07; DC 
14 Maa e : 0,03 | 0,03 
15 |10. Nacht (28.29. IV.) ...... 0,01 | 0,01 
16 |11. Tag (29. IV) ......... 0,02 | 0,02 
17 |11. Nacht (29.30. IV.) ...... 0,02 | oo 
18 112. Tag (30. IV) ......... 0,05 | 0,06 
19 |12. Nacht (30. IV.—1. V) ..... 0,002 | 0,002 
20 |14. Tag u. Nacht (2.-3.V) .... 0,010 | 0,011 
21 |36. Tag u. Nacht (24.—25. V). ... 00 '00 


XXVII. Frau H—k. 
Injektion (19. IV.10, 11!/,® vm.) 0,3g Salvarsan (=90 mg As). 


1 11.Tag (19. IV) ........ ‚| 250 | 020 | 0,22 
2 |1. Nacht u. 2. Tag (19-20. IV.) . .| 590 | 0,20 | 0,22 
3 |11. Tag (29. IV) ........ . | 540 | 002 | 0.02 
4 |11. Nacht (29.-30. IV) . 2.2... 550 | 0,08 | 0,08 
5 Wi Tag (9. V) .......... 640 | 0,02 | 0,02 
6 |24. Tag u. Nacht (12.—13. V) . . . | 510 | 001 ' ou 
7 136. Tag u. Nacht (24.25. V) . . . | 960 | 0,03 ! 0,03 


XXVIII. Frau G—n. 
Injektion (28. IN 10, 10!/,® vm.) 0,3 g Salvarsan (=90 mg As). 











1 1: Tag (28: IVJ) w ns 282 &% 0,10 0,11 
2 11. Nacht (28.—29. IV) ...... 0,35 0,39 
3 12. Nacht (29.-30. IV) ...... 0,17 0,19 
4 13. Tag (80. IV) „2 2 2 22000 0,25 0,28 
5 1 3. Nacht (30. IV.—1. Y). 0,26 0,29 











> 1,13 | > 1,26 





6: EE Tap (2: VJ 2:4 u a wen 0,16 0,18 
7 15. Nacht (2.—3. V). ....... 0,23 0,26 
8 |11. Tag u. Nacht (8.—9. V.) .... 0,05 0,06 
9 115. Nacht (12-13. V)....... 0,06 0,07 
10 127. Tag u. Nacht (24.—25. V.) 0,03 0,03 


Tabellen XXIX bis XXXI 
Arsenausscheidung nach einmaliger subcutaner Injektion von 
neutraler Salvarsansuspension bei Frauen. 

XXIX. Frau O—f. 
Injektion (24. X. 10, 7* ab.) 0,45g Salvarsan (=135mg As). 







1 | 1. Nacht u. Tag (24.25. X.) . . . | 965 | 0,30 | 0,22 
2 | 2 Nacht (25.26. X.) . .. .. ..| 900 | 020 oi 
3 |2 Tag (26.X)........ | 755 | 0,10 oo 

3. Nacht (26.27. X.) . . 2.2... 33 0,40 | 0,30 






Die ersten 2 Tage u. 3 Nächte 1,00 | 0,74 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 25 


Tabellen XXIX bis XXXI (Fortsetzung). 





Arsengehalt 


01, der 
injizierten 
Menge 















5 4. Tag u. 5. Nacht GC X.) 

6 6. Tag u. 7. Nacht (30.-31. X.) . . 0,26 0,20 
7 7. Tag u. 8. Nacht (31. X.—1. XI) . 0,15 0,11 
8 8. Tag u. 9. Nacht (1.—2. XI)... 0,17 0,1» 





XXX. Frau B—h. 
Injektion (19. X.10) 0,5g Salvarsan (=150mg As). 
1 194. Tag (22. I. 11). ...... e| 920 | 0,010 | 0,007 


XXXI. Frau PL 
Injektion (25. X.10, 11* vm.) 0,45 g Salvarsan (= 135 mg As). 
in Paraffin. 






1 1. Tag u. Nacht (25.-26. X)... . 0,80 0,60 
2 2. Tag (26. X)....... ae 0,50 0,37 
3 2. Nacht (26.27. X) . . 2.2... 0,40 0,30 
4 3. Tag u. Nacht (27.—28. X.) 0,24 0,18 














1,94 | 1,45 
370 | 0,35 | 0,26 


Die ersten 3 Tage u. Nächte . . . | 1570 
4. Nacht (28-29. X.) . ...... 





Tabellen XXXII und XXXIII. 


Arsenausscheidung nach einmaliger intravenöser Injektion von 
schwachalkalischer Salvarsanlösung bei Frauen. 









Arsengehalt | 
Nr. Zeit der Ausscheidung 0/, der 
mg  |injizierten 










| Menge 





XXXII. Frau S—i. 
Injektion (2. XI 10, 11?/,®? vm.) Salvarsan (=90 mg As). 





1 | 1. Tag u. Nacht (2.—3. XI) . . . . | 1000 | 2,28 | 2,48 
2 |2. Tag u. Nacht (3.—4. XI) . . .. | 1135 | 0,56 
3 |3. Tag (4. EL)... 785 | 0,36 



















1 bis 3 | 3,50 
4 5. Tag u. Nacht (6.—7. XL)... . 
5 7. Tag u. Nacht (8-9. XD ... . 0,23 0,26 
6 8. Tag u. Nacht (9.—10. IX.) .. . 0,32 0,36 
7 9. Tag u. Nacht (10.—11. XI) . . . 0,22 0,25 
8 HO Tag u. Nacht (11.—12. X1) . . . 0,12 0,13 


XXXIII. Frau N—e. 
Injektion (1. XII. 10) 0,3g Salvarsan (=90 mg As). 
1 152. Tag (22.111). ........ | 690 | 0,0015 | 0,0017 


26 G. Lockemann: 


Tabelle XXXIV. 


Arsenausscheidung nach zweimaliger intravenöser Injektion 
von schwachalkalischer Salvarsanlösung bei Frau K—r. 









Zeit der Ausscheidung 





1. Injektion (14. I. 11) 0,3g Salvarsan (=90 mg As). 
2. Injektion (17. 11.11) 0,8g Salvarsan (=90 mg As). 


1 190. Tag (17. V. 11) ........ 


11.) 520 0,001 
2 |90. Nacht (17.—18. V. 11.) nach der 2. In- 


560 0,002 


0,001 
0,002 











0,003 | 0,003 


cutaner: — 0,74°/, (XXIX), 1,45%, (XXXT), bei intravenó- 
ser: >> 3,50°/, (XXXII). 

Auch bezüglich der Dauer der Ausscheidung ist es bei 
den Frauen ganz ähnlich: Am 7. Tage waren noch nachzuweisen: 
>0,10°/, (XXVI, intramuskulär), 0,11%/, (XXIX, subcutan), 0,26°/, 
(XXXII, intravenös); am 14. Tage: 0,01%/, (XXVI); am 36. Tage: 
0,03°/, (XXVII), 0,0°/, (XXVI, intramuskulár); am 52. Tage: 
0,0017°/, (XXXIII, intravenös); am 90. Tage nach der 2. intra- 
venösen Injektion: 0,003°/, (XXXIV); am 94. Tage (nach einer 
subcutanen Injektion): 0,007°/, (XXX). 

In der Tabelle Z 3 sind die wichtigsten Ergebnisse der 
Salvarsan-Untersuchungen zur besseren Übersicht zusammen- 
gestellt. 


IVb. Neosalvarsan. 


A. Analyse des Präparates. 


Nach Angabe des Prospektes der Höchster Farbwerke ent- 
‘hält das Neosalvarsan „neben indifferenten anorganischen Salzen“ 
als wirksamen Bestandteil: dioxy-diamido-arsenobenzol-mono- 
methan-sulfinsaures Natrium von der Formel 

H,N(HO)C,H,As: As-C,H,(OH)NH -CH,OSONa. 

Es wird durch Anlagerung von formaldehydsulfoxylsaurem 
Natrium CH,(OH)OSONa an Salvarsan und Ausfällen der wäß- 
rigen Lösung mit Alkohol dargestellt. 

Von einigen Proben des für die Injektionen verwendeten 
Präparates wurde der Wasser- und Arsengehalt in der üblichen 
Weise bestimmt. 


27 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 




















SU ge we HO Es > — [700 = Si Y 2 "pg #3 uyaz 
AU = = CO 0 Es ES = MOLO = = 180 Ir" `- PIS 77 uno 
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090 SU 080 070 | 020 ¿ PIS PR SI 





(ey 3u 06) | (sy Su 92) (sy am 031) (sy 301 $11)] (sy Su 281) | (ey 3w ser) (ey su 06) | (sy Zut 06) (sy Sor ost) (ey Zu 06) | (sy Su 92) 
Zen | 3270 | 3+0 | 3880 
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"UBSIBAJES mq SUNPIOYISENBUISIY op my Funjjejsuowwesnz 
"6 Z 


28 G. Lockemann: 


1. Wasserbestimmung durch Trocknen bei 110°: 

a) 0,2947 g verloren 0,0263 g =8,93%/, H,O 

b) 0,6184 g n 0,0552 g—=8,93°|, » 
Mittel: = 8,93°/, H,O 
2. Arsenbestimmung: 

a) 0,4460 g gaben 0,1733 g Mg,A,O. = 18,76%/, As 
b) 04342g » 0,1665g » =18,520/, As 
Mittel: 18,63°/, As. 

Aus der oben angegebenen Formel berechnet sich für das 
reine Neosalvarsan ein Gehalt von 32,18°/, As. Legt man diesen 
Wert für die Berechnung zugrunde, so ergibt sich ein Gehalt 
des Präparates an wirklichem Neosalvarsan von 57,90°/,, 
oder mit dem gefundenen 8,93%/, Krystallwasser zusammen: 
66,83°/, krystallwasserhaltiges Neosalvarsan. In dem Präparate 
sind also rund 2 Gewichtsteile Neosalvarsan mit 1 Gewichtsteile 
„indifferenter Salze“, deren Natur ich nicht näher untersucht 
habe, gemischt. 

Für das krystallwasserhaltige Neosalvarsan selber 
würden sich aus obigen Analysen ergeben: 27,88%/, As und 
13,36°/, H,O. 

Diese Werte stimmen sehr gut auf ein mit 4 Mol H,O 
krystallisierendes Neosalvarsan: 

C,¿H,¿0,N,As,SNa, 4 H,O, für das sich berechnen: 27,87°/, As 
und 13,39°/, H,O. 

F. Lehmann!) fand beim Titrieren des Arsens mit Jod 
und Thiosulfat im Neosalvarsan 22,02°/, As. 


B. Untersuchungsverfahren. 
Hier wurde ebenso wie bei den Salvarsan-Harnproben das 
Salpeterschmelzverfahren angewendet und das Arsen schließlich 
im Marshschen Apparate bestimmt. 


C. Untersuchter Neosalvarsan-Fall. 


Für die Untersuchung wurden die Harnproben einer Frau 
A—t (Tabelle XXXV) benutzt, der mit mehrtägigen Zwischen- 
pausen 3 intravenöse Injektionen, 1. 0,1, 2. 0,3, 3. 0,5g Neo- 
salvarsan und dann noch 2 intravenóse Injektionen von je 


1) Apoth.-Ztg. 27, 545, 1912. 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 29 


0,5 g Salvarsan verabreicht wurden. Die Untersuchungen sind 
lückenlos vom 1. bis 13. und 17. bis 23. Tage nach der 1. In- 
jektion (bis zum 2. Tage nach der letzten [5.] Injektion) durch- 
geführt, 

Tabelle XXXV. 


Arsenausscheidung nach mehrmaliger intravenóser Injektion 
von Neosalvarsan und Salvarsan bei Frau A—t. 





Arsengehalt 


9% der 


mg a 









D- Gesamt- 
jektionen| Menge 





19 mg 
As 
2,15 


1. Injektion (25. VI. 12, 12* m.) 0,1g Neosalvarsan 


1. Tag u. Nacht (25.—26. VI.) 
2. Tag u. Naoht (26.—27. VE} 
3. Tag u. Nacht (27.—28. VI. 


















2. Injektion (28. VI., 12% m.) 0,8 g Neosalvarsan, Beie ne 
4 | 4. Tag u. Nacht (28.—29. VI.) 4,11 3,11 
5 | 5. Tag u. Nacht (29.-30. VI.) 1,79 1,34 





6. Tag u. Nacht (30. VI.—1. VIL) . 0,26 | 021 










3. Injektion (2. VII., 12% m.) 0,5 g Neosalvarsan, Ne SE 


8 (8. Tag u. Nacht (2.3. vun) . . .| 850 [1,70| 1,83 | 1,02 
9. Tag u. Nacht (3.—4. VIIL) . . .| 1390 |1,00| 1,08 | 0.60 
10. Tag u. Nacht (4.—5. VIIL.) . . .| 920 |1,40| 151 | 084 


4,42 2,46 









11. Tag u. Nacht (5.—6. VII) . . . 
12. Tag u. Nacht (6.—7. VII) . . . 
13. Tag u. Nacht (7.—8. VII) . . . 






0,18 
0,13 








150mgj317 mg 
A 


4. Injektion (9. VIL, 12% m.) 0,5 g Salvarsan 5 As 










14 |17. Tag u. Nacht (11.—12. VIL) . . 0,95| 0,63 | 0,30 
15 |18. Tag u. Nacht (12.—13. VIL) . . 0,60 | 0,40 | 0,19 
16 bo Tag u. Nacht E VIL.) 1,50| 1,00 | 0,47 
17 |20. Tag u. Nacht (14.—15. VII.) 0,65! 0,43 | 021 
18 |21. Tag u. Nacht (15.—16. VII.) 0,50| 0,33 | 0,16 











14—18 |Die 3. bis 7. T.u. N. nach d 4. Injekt.| 4205 | 4,20 


30 | G. Lookemann: 


Tabelle XXXV (Fortsetzung). 


Arsengehalt 


9/7 der 


einzelnen 
In- 







mg 





jektionen 





5. Injektion (16. VIIL, 12% m.) 0,5 g Salvarsan |150mg/467 mg 


8 
19 |22. Tag u. Nacht (16.—17. ett? 


745 0,90 | 0,60 0,19 
20 123. Tag u. Nacht (17.—18. VII. 860 10,90 | 0,60 0,19 


19—20 |Die ersten 2 T. u. N. nach d. 5. Injekt.| 1605 1,20 | 0,38 













Die ausgeschiedenen Arsenmengen sind in Tabelle XXXV 
als Prozente sowohl auf die einzelnen Injektionsmengen als auf 
die Gesamtmenge der bereits ausgeführten Injektionen berechnet. 
Es zeigt sich, daß zunächst nach der 1. Injektion die Arsen- 
ausscheidung, verglichen mit der bei Salvarsan, ziemlich erheb- 
lich ist, 2 bis 2*/,%/, täglich, so daß in den ersten 3 Tagen 
schon 7,15°/, As ausgeschieden ist. Bei Wiederholung der In- 
jektionen macht sich dann alsbald der ja auch in anderen Fällen 
beobachtete verzögernde Einfluß bemerkbar, so daß in den ersten 
3 Tagen nach der 2. Injektion nur 6,16°/, der 2. Injektion oder 
4,66°/, von der 1. und 2., in den ersten 3 Tagen nach der 3. In- 
jektion nur noch 4,42°/, der 3. Injektion oder 2,46°/, von der 
1., 2. und 3. Injektion ausgeschieden werden usw. Es zeigt sich 
also eine ganz regelmäßige Abnahme. Nach der 5. Injektion 
(Salvarsan) kamen an den ersten beiden Tagen nur noch je 
0,60°/, der 5. Injektion oder 0,19°/, der Gesamtmenge Arsen 
zur Ausscheidung. 


D. Untersuchungen anderer über Salvarsanausscheidung. 


Dem lebhaften Interesse entsprechend, das dem Salvarsan 
gleich nach seiner ersten Anwendung als Specificum gegen 
Syphilis entgegengebracht wurde, ist auch eine größere Anzahl 
Untersuchungen über die Arsenausscheidung bei Anwendung 
dieses Heilmittels ausgeführt, jedoch meist nur qualitativer 
Art. Folgende Angaben habe ich in der einschlägigen Literatur 
gefunden: 

Karl Greven?!) wies mit dem von Gosio angegebenen 


1) Münch. med. Wochenschr. 57, 2079, 1910. 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 31 


biologischen Verfahren (Kultur von penicillium brevicaule) 14 
bis 18 Tage lang nach der Salvarsaninjektion Arsen im Harn 
nach; bei gleichzeitiger Behandlung der Patienten mit Queck- 
silber verzögerte sich die Arsenausscheidung auf 20 bis 25 Tage. 
A. Bornstein?) fand 3 Wochen nach intramuskulärer Injektion 
von 0,5 g Salvarsan noch Arsen im Harn, nach 5 bis 7 Wochen 
nicht mehr. E. Finger?) gibt an, sogar 9 Monate nach ein- 
maliger Injektion von 0,4 g Salvarsan noch deutlich Arsen im 
Harn nachgewiesen zu haben. W. A. Merkuriew®) konnte 
mit einem recht komplizierten Verfahren nach intravenöser 
Salvarsaninjektion noch 9 bis 16 Tage, nach intramuskulärer 
noch 25 Tage bis 6 Monate Arsen im Harn nachweisen. 
Nach Adriano Valenti‘) beträgt die Dauer der Ausschei- 
dung beim Menschen mindestens 11 Tage, beim Hund jedoch 
23 bis 25 Tage. 

J. Abelin’) benutzt eine Farbenreaktion (Diazotieren in 
dem angesáuerten Harn mit Nitritlósung, Kupplung mit Resorcin 
in Sodalósung zu lóslichem rotem Azofarbstoff) zum Nachweis, 
daß das Salvarsan zum Teil wenigstens als solches unverändert 
durch den Harn ausgeschieden wird. Mit dieser Azoreaktion, 
deren Empfindlichkeit 1:100000 beträgt, ließ sich bereits 5 bis 
10 Minuten nach intravenöser Injektion Salvarsan im Harn nach- 
weisen und blieb als solches noch 5 bis 6 Stunden, in einzelnen‘ 
Fällen auch 8 bis 11 Stunden nachweisbar. Bei neueren Ver- 
suchen *) erhielt Abelin nach intravenöser Injektion nur während 
der ersten 5 Stunden deutlich positive Reaktion, nach intra- 
muskulärer Injektion war sie jedoch in den ersten 24 Stunden 
ganz negativ. J. Escalon”) fand unter Benutzung der Abelin- 
schen Farbenreaktion zwei Maxima in dem Verlauf der Salvarsan- 
ausscheidung: das erste 4 bis 5 Stunden, das zweite 20 bis 
28 Stunden nach der Injektion. Die letzten nachweisbaren 


1) Deutsche med. Wochenschr. 87, 112, 1911. 

D Berl. klin. Wochenschr. 48, 785, 1911. 

3) Wiener klin. Wochenschr. 25, 588, 1912. 

4) Arch. d. Farmacol. sperim. 13, 165, 1912. 

6) Münch. med. Wochenschr. 58, 1002 u. 1771, 1911. 

6) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 75, 317, 1914. 

7) Lyon medical 1912, Nr. 36 (Referat: Berl. klin. Wochenschr. 49, 
2046, 1912). 


32 G. Lockemann: 


Spuren verschwanden nach 40 bis 59 Stunden. Auf weiteren 
Arsengehalt hat er nicht geprüft. 

Quantitative Bestimmungen der Salvarsanausscheidung 
liegen, soviel ich sehe, nur von zwei Seiten vor: Ph. Fischer 
und J. Hoppe?) fanden auch beim Salvarsan auffallend hohe 
Werte: z. B. nach subcutaner Injektion im Harn der ersten 
3 Tage bei zwei Paralytikern 18,3°/, und 15,3°/, der injizierten 
Arsenmenge, bei einem Epileptiker 28,5%/,; nach intravenöser 
Injektion bei einem Paralytiker sogar 74,0°/, und am folgenden 
Tage den Harn bereits arsenfrei. Von den erstgenannten beiden 
Paralytikern sollen binnen 7 Tagen 43,0°/,, bzw. binnen 10 Tagen 
42,2%/, As im ganzen ausgeschieden sein. Auch in einigen 
anderen Fällen zeigte sich die Arsenausscheidung nach sub- 
cutaner Injektion bei Paralytikern spätestens binnen 12 bis 
14 Tagen beendet. Bei Epileptikern mit guten Nierenfunktionen 
war der Harn schon am 5. Tage arsenfrei. Nach intravenöser 
Injektion war die Ausscheidung im allgemeinen bereits binnen 
3 Tagen beendet. Im Kot konnten Fischer und Hoppe auch 
mehrere Tage lang Arsen nachweisen, 

Die andere quantitative Untersuchungsreihe stammt von 
Frenkel-Heiden und E. Navassart?) (Charite), die in über 
200 Einzelanalysen ebenfalls nachwiesen, daß die Arsenaus- 
scheidung individuellen Schwankungen unterworfen, wahrschein- 
lich vom Allgemeinbefinden und besonders vom Nierenzustande 
abhängig ist. In keinem Falle konnten sie aber solch große 
Tagesmengen und eine derartige schnelle Beendigung der Arsen- 
ausscheidung beobachten wie Fischer und Hoppe. Der große 
Unterschied in den beiderseitigen Befunden beruht wahrschein- 
lich auf den verschiedenen Arbeitsverfahren. In einer späteren 
Veröffentlichung?) geben Frenkel-Heiden und Navassart an, 
daß nach subcutaner und intramuskulärer Injektion von 
0,3 bis 0,5 g Salvarsan durchschnittlich 0,4 bis 0,5 mg Arsen binnen 
24 Stunden im Harn erscheint, höchstens aber 1,5 mg. Diese 
Werte stimmen mit den von mir gefundenen ziemlich überein. 
Nach intravenöser Injektion fand sich als Höchstbetrag in 
den ersten beiden Tagen 5,6 mg As, im übrigen durchschnittlich 


—. 


1) Münch. med. Wochenschr. 57, 1531, 1910. 
+) Berl. klin. Wochenschr. 48, 1367, 1911. 
3) Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. 18, 531, 1913. 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 33 


auch 0,4 mg in den ersten 10 bis 14 Tagen. Durch den Kot 
wurde die 2- bis 10fache Menge Arsen ausgeschieden. 


Schluß, 


Um die Hauptergebnisse der durchgeführten Unter- 
suchungen besser überblicken und gegenseitig vergleichen zu 
können, habe ich die Durchschnittswerte der verschiedenen 
Parallelfälle nach Mann und Frau geordnet in der Gesamt- 
Zusammenstellung Z 4 aufgeführt und in dem Kurven- 
bild außerdem die für die Männer sich ergebenden Durch- 
schnittswerte wiedergegeben. 







Ch ze EE ER gees — Atoxyl, 
D D 
a EEE = Arsacetin, 
ce —-—-—-— == Arsenophenylglycin, 
A ———— — Salvarsan. 
850 
8 
Er 
De 
A 
830 
d 
Ñ 

10 

Arseno -| phenyl- oben Salvarsan 
Caty ar I y _— EEE 


Tag 2lag Slog 4lag Alag ETag Zë 


Fig. 1. Kurvenbild für die Durch- 
schnittewerte der Arsenausscheidung 
bei Männern. 


Der Stärke und Schnelligkeit der Arsenausscheidung 
nach ordnen sich die Arsenikalien in abnehmendem Maße in 
der Reihenfolge: Atoxyl, Arsacetin, Arsenophenylglycin, Neo- 
salvarsan, Salvarsan. Die Unterschiede in dem Verlauf der 
. Ausscheidung sind jedoch so groß, daB man von zwei Gruppen 
sprechen kann: der Atoxyl-Gruppe, zu der noch Arsacetin 


gehört, und der Salvarsan-Gruppe, der noch Neosalvarsan 
Biochemische Zeitschrift Band 78. H 


G. Lockemann: 


34 


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To < "rr * *PIS PZ SJusqaıg 
"rr" ` PIS Pé Iy 
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et | = [es< y CNE sı | ver] re Ste — | — | pss 
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G rer PIS Ya agang 












(OU cs (GI (1) Ligeatgg soe Yyruyosysing) 


ne1] |uusw | n817 | uuey | neıg | uue | neıy | uuey 





n817 | uus | neid | uueg| neag | uueg 





































BOU9ABJJUL ue3noqns | a8jnyenweszur 
SQU9ABIJUT qoSt[8xS renou Tani ymysnwesagu uB3noqns u3¿n9qns 
UBSIBATBSOON OegigAtgg mo Ara Lugo UlIJ99881 y ¡Áx03y 





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uopyofur Jo3fpemujo ven Zunpieydsnuuesiy opp my 9I190M8)J1UYOSYOIN(] Jop SUN[[9SUQUIUILBSNZJUBS91) 


+ o 


As-Ausscheidung nach Injektion verschiedener Arsenikalien. 35 


und Arsenophenylglycin zuzuzählen sind. Bei der Atoxyl- 
Gruppe wird schon am ersten oder an den ersten beiden Tagen 
der größte Teil des Arsens durch den Harn wieder aus- 
geschieden, bei der Salvarsan-Gruppe dagegen nur wenige Pro- 
zente oder Bruchteile davon, so daß sich die Ausscheidung 
sehr in die Länge zieht. 

Die von Fischer und Hoppe für Arsenophenylglycin 
und Salvarsan mitgeteilten Zahlen weichen sowohl von den 
Befunden von Frenkel-Heiden und Navassart als von 
den meinigen so stark ab, daß man versucht wird, nicht die 
tatsächlichen Verhältnisse, sondern gewisse Fehlerquellen des 
Untersuchungsverfahrens dafür verantwortlich zu machen. 

Bei näherer Betrachtung unserer Fälle ergibt sich noch 
folgendes: Bei Mann und Frau ist die Ausscheidung im all- 
gemeinen verschieden: Arsacetin wird vom Manne schneller 
ausgeschieden, Arsenophenylglycin und Salvarsan dagegen 
schneller von der Frau. Bei Atoxyl liegt nur ein Beispiel am 
Mann, beim Neosalvarsan nur eins an der Frau vor. 

Das Arsacetin wird beim Durchgang durch den Orga- 
nismus in geringem Maße abgebaut: teils (durch hydrolytische 
Abspaltung lediglich des Acetylrestes) zu freiem Atoxyl, teils 
noch weiter durch Abspaltung des Arsenrestes. Bei der Frau 
war dieser Molekularabbau stärker als beim Manne. 

Gleichmäßig bei Mann und Frau zeigte sich ein wellen- 
förmiger Verlauf in der täglichen Arsenausscheidung, indem in 
den ungeraden Halbtagen (erste, dritte, fünfte 12 Stunden usw.) 
regelmäßig mehr ausgeschieden wurde als in den geraden 
Halbtagen (zweite, vierte, sechste 12 Stunden usw.) nach der 
Injektion. Diese Periodizität war unabhängig davon, ob die 
Halbtage in die Tages- oder Nachtzeit fielen. 

Übereinstimmend zeigte sich, wie schon früher bei dem 
Atoxyl-Fall, daß durch Wiederholung der Injektion die 
Ausscheidung verringert und verlangsamt wird. Das 
war sowohl beim Arsacetin wie beim Arsenophenylglycin und 
in besonders anschaulicher Weise beim Neosalvarsan zu beob- 
achten. 

Über die Dauer der Ausscheidung können endgültige 
Angaben nicht gemacht werden, da sich keine Gelegenheit 
bot, von allen untersuchten Fällen auch noch nach längerer 

ge 


36 G. Lookemann: As-Ausscheidung nach Injektion versch. Arsenikalien. 


Zeit Harnproben zu erhalten, um festzustellen, wann die Arsen- 
ausscheidung tatsächlich beendigt wäre. 

Beim Arsacetin gehen die Beobachtungen nicht über die 
ersten 4 oder 5’ Tage hinaus. Beim Arsenophenylglycin 
war 3 Wochen (23 Tage) nach der Injektion noch 0,049, 
Arsen im Harn nachzuweisen; auch nach Verlauf von an- 
nähernd 9 Wochen (61 Tagen) war der Harn der Frau noch 
nicht arsenfrei (0,01°/,). 

Beim Salvarsan wurde nach intramuskulärer Injektion 
im Harn des Mannes noch nach 3 Wochen (20 Tagen) 0,02°/,, 
im Harn der Frau nach 4 Wochen (27 Tagen) und nach 
5 Wochen (36 Tagen) 0,03°/, Arsen gefunden; in einem Falle 
war nach 5 Wochen der Harn arsenfrei. Nach subcutaner 
Injektion des Salvarsans war beim Manne nach 9 Wochen 
(64 Tagen) noch 0,03°/,, nach 10*/, Wochen (74 Tagen) noch 
0,007°/, Arsen, bei der Frau nach 13*/, Wochen (94 Tagen) 
ebenfalls 0,007°/, Arsen nachzuweisen. Nach einmaliger intra- 
venöser Injektion liegt vom Manne nur eine Untersuchung 
vom 13. Tage vor (0,04°/, As), bei der Frau fand sich noch 
nach 7*/, Wochen (52 Tagen) 0,002°/, Arsen im Halbtagesharn; 
nach zweimaliger intravenöser Injektion war im Halbtagesharn 
beim Manne nach 5*/, Wochen (38 Tagen) 0,001°/,, nach 
13 Wochen (90 Tagen) beim Manne 0,0005°/,, bei der Frau 
im Ganztagesharn 0,003°/, Arsen enthalten. Somit scheint die 
Arsenausscheidung bei der Frau im allgemeinen länger zu 
dauern. Die von anderer Seite angegebene schnellere Aus- 
scheidung nach intravenöser Injektion konnte hier nicht be- 
obachtet werden. 


Zur Kenntnis der Desaminierung. 
Von 
Karl Schweizer. 


(Aus dem chemischen Laboratorium des botanischen Instituts der 
Universität Genf.) 


(Eingegangen am 3. September 1916.) 


Bekanntlich glaubte man bis jetzt, daß die Desaminierung, 
d.h. das Freiwerden von Ammoniak als Schlußakt des Eiweiß- 
abbaues, durch gewisse Fermente, Desaminasen genannt, bewirkt 
werde. Diesen Desaminasen wurde eine hydrolytische Wirkung 
zugeschrieben. Meines Wissens konnte man sie aber bis jetzt 
nicht isolieren, und die bisherigen Versuche wurden entweder 
am lebenden Körper oder wenigstens an überlebenden Organen 
gemacht (Lang, Savaré, Bostock, Effront, Abderhalden 
und Schittenhelm, v. Fürth und Friedmann, Butke- 
witsch, Pringsheim, Ehrlich usw.). Nun beobachteten aber 
Chodat und Schweizer!) im Jahre 1913, daß auch ein oxy- 
dierendes Ferment die Desaminierung hervorruft. Es ist dies 
die Tyrosinase, die sich im Gegensatz zu den vermuteten Des- 
aminasen mit Leichtigkeit aus den Organismen ausziehen läßt. 
Wir glaubten natürlich zuerst an eine neue Eigenschaft der 
Tyrosinase, doch werden wir weiter unten sehen, daß auch die 
Desaminierung aller Wahrscheinlichkeit nach durch die oxy- 
dierende Funktion dieses Fermentes bewirkt wird. 

Dieser Gesichtspunkt wird noch dadurch gestützt, daß 
auch andere Oxydationsvorgänge diese Desamination bewirken 
können. So hat Butkewitsch?) schon im Jahre 1902 be- 
obachtet, daß die Abspaltung von Ammoniak durch Aspergillus 
niger nur bei Anwesenheit von Sauerstoff bewirkt werden kann; 
dasselbe fand er späterhin auch für die Keimlinge höherer 


1) R. Chodat und K. Schweizer, La tyrosinase est aussi une 
désaminase. Arch. d. So. phys. et nat. 1918, IV* période (35), p. 140. 

DW Butkewitsch, Umwandlung der Eiweißstoffe durch die 
niederen Pilze. Jahrb. f. wissenschaftl. Bot. 88, 147, 1902. 


38 K. Schweizer: 


Pflanzen. Neuberg und Blumenthal!) haben als erste ge- 
zeigt, daß die Eiweißbaustoffe und die Aminosäuren durch 
Einwirkung von Wasserstoffsuperoxyd und Eisensalzen ebenfalls 
Ammoniak abgeben. Eine Desamination wurde endlich auch 
von Neuberg durch die Einwirkung des Sonnenlichtes?) in 
Gegenwart von Eisen- oder Uranylsalzen sowie durch den 
elektrischen Strom?) erzielt. Als Produkte erhielt man in 
diesen Versuchen sowohl als auch in den unserigen neben 
Ammoniak noch Kohlensäure und einen um 1 Atom C ärmeren 
Aldehyd als die Aminosäure, von der man ausging. Als Bei- 
spiel erwähne ich hier den später noch zu besprechenden Fall 
des Glykokolls: 

CH, — 600) P 

KE + 0=H-—CZ +NH,+C0, 

NH ` S 

Meine Arbeiten, die ich unter Leitung von Herrn Prof. 
Dr. R. Chodat im Pflanzenchemischen Laboratorium der Uni- 
versität Genf ausführte, scheinen also ein neues Licht auf die 
fermentative Desaminierung zu werfen. Es dürfte daher von 
einigem Interesse sein, hier die springenden Punkte zusammen- 
zustellen. 

Einleitend sei erwähnt, daß die Tyrosinase noch nicht 
lange bekannt ist. Die erste Beobachtung der oxydierenden 
Fermente ist wohl dem Basler Schönbein*) zuzuschreiben. 
Er beobachtete schon im Jahre 1845 eine Bläuung der Guajak- 
harztinktur durch Pflanzenteile. Er sprach von „fermentartigen 
Substanzen“. Ein Ferment, das Polyphenole, Jodwasserstoff 
und Ameisensäure oxydiert, erhielt zuerst die Bezeichnung 
„direktes Ferment“ zum Unterschied von einem anderen, das 
die nämlichen Oxydationen nur in Gegenwart von Wasserstoff- 
superoxyd hervorruft und „indirektes Ferment“ genannt wurde. 


1) C. Neuberg und F. Blumenthal, Deutsche med. Wochenschr. 
1901, Nr.1; Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1902, 2, 238. 

2) C. Neuberg, Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. 
I. u. IV. Mitteilung: Katalytische Reaktionen des Sonnenlichtes. Diese 
Zeitschr. 13, 305, 1908; 29, 279, 1910. 

3) C. Neuberg, Chemische Umwandlungen durch Strahlenarten. 
II. Mitteilung: Wirkungen des elektrischen Stromes. Diese Zeitschr. 17, 
270, 1909. 

4) Schönbein, Poggendorfs Annal. 45, 67, 97 u. f. 


Desaminierung. 39 


Das erstere erhielt später von Bertrand!) den Namen „Lak- 
kase“, da es nach Yoshida?) im Milchsaft des Lackbaumes 
vorkommt. Später wollte man diese Bezeichnung durch „Phe- 
nolase“ ersetzen, was wohl keinen Vorteil bietet, denn gewöhn- 
liche Sterbliche rechnen z. B. den Jodwasserstoff nicht zu den 
Phenolen; dieser Körper wird aber, wie bereits gesagt, von 
der Lakkase auch angegriffen. Das „indirekte Ferment“ wurde 
später von Linossier als Peroxydase bezeichnet. Im Jahre 1896 
entdeckte dann Bertrand?) noch ein drittes Oxydationsferment, 
das zwar viele Eigenschaften mit der Lakkase gemeinsam hat, 
dagegen auf Tyrosin spezifisch wirkt. Er gab ihm daher den 
Namen Tyrosinase. 

Dieses Ferment diente mir nun für meine Versuche. Ich 
isolierte es aus Kartoffeln nach dem von R. Chodat in Ab- 
derhaldens Handb. d. biochem. Arbeitsmethoden angegebenen 
Verfahren. Die so erhaltene Tyrosinase hat gegenüber anderen 
Vorkommnissen den Vorteil, frei von Aminosäuren zu sein, die 
in meinen Versuchen, wo ich ja gerade dieselben studieren 
wollte, gestört hätten. 

Ich habe nun zuerst die Einwirkung von Tyrosinase 
allein auf die Aminosäuren studiert. Es ließ sich zum voraus 
erwarten, daß man weder das eine noch das andere der oben 
genannten drei Produkte in größerer Menge erhalten werde, 
denn Aldehyde, Ammoniak und Kohlensäure sind ja Ver- 
bindungen, die untereinander mit großer Leichtigkeit reagieren. 
Bekanntlich gehen Aldehyde mit Ammoniak, sowie Aldehyde 
unter sich eine Reaktion ein. Aldehyde wirken auch auf die 
NH,-Gruppe der Aminosäuren ein, und Ammoniak wird durch 
Kohlensäure neutralisiert. Endlich können die Aldehyde durch 
ihr Reduktionsvermögen die Reaktion im entgegengesetzten Sinne 
beeinflussen oder aus dem Reaktionsgemisch verschwinden durch 
Weiteroxydation zu der entsprechenden Säure. Wir werden 
später sehen, daß die Reaktion deutlicher wird, wenn wir 


1) G. Bertrand, Sur le latex de l’arbre à laque. Compt. rend. 
118, 1215, 1894. 

®) Kikowkuro Yoshida, Chemistry of laques (urushi). I. part. 
Journ. of the pharm. Soc. 43, 472, 1883. 

3) G. Bertrand, Sur une nouvelle oxydase, ou ferment soluble 
oxydant d'origine végétale. Compt. rend. 122, 1215, 1896; Bull. de la 
Soc. chim., 3”* série 1896, 15, 793. 


40 K. Schweizer: 


eines der entstehenden Produkte eliminieren können (durch 
Phenole). 

Die oben entwickelte Gleichung hat uns gezeigt, daB wir 
mit Glykokoll die Bildung von Formaldehyd erwarten. Um 
denselben zu erkennen, bediente ich mich der auBerordentlich 
empfindlichen, von Schryver?!) etwas abgeánderten Rimini- 
Reaktion. Den Ammoniak suchte ich in der üblichen Weise 
nach Neßler oder Trilliat?). 

Da bekanntlich die Tyrosinase in schwach alkalischem Milieu 
am besten reagiert, so führte ich die Versuche wie folgt aus: 


1. 2. 3. 
Glykokoll . . . . . 0,2g 0,2 g — 
Kalkwasser . . . . 20 com 20ccm 20 cem 
Dest. Wasser. . . . 20 ccm 20 ccm 20 ccm 
Tyrosinase . . . — 0,05 g 0,05 g 


Nach 24stündigem Einwirkenlassen destillierte ich ab, fing 
das Destillat in kaltem Wasser auf und versetzte mit Natron- 
lauge. Die Wirkung von Tyrosinase auf Glykokoll (Nr. 2) 
zeigte eine starke Ammoniakbildung, während die beiden 
anderen Versuche nur Spuren von Ammoniak anzeigten. Am- 
moniakalische Silbernitratlösung wurde nur von Versuch 2 
reduziert (Aldehyd). 

Als alkalisches Milieu für die Tyrosinasewirkung eignet 
sich das Kalkwasser nicht nur, weil es ein nicht zu starkes 
Alkali ist, sondern auch weil es zugleich die entstehende 
Kohlensäure eliminiert, sei es entweder als Carbonat oder als 
Abkömmling der Carbaminsäure, die sich nach Siegfried?) in 
Gegenwart einer Aminosäure bildet. Das Optimum der Kon- 
zentration dieses Alkalis gab mir folgender Versuch: 


Wasser Kalkwasser 
1. 40 ccm — 
2. 30 » 10 ccm 
3. 20 » 20 » 
4. 10 » 30 » 
5. — 40 » 


a S. B. Schryver, Photochemical formation of formaldehyd in 
green plants. Proc. Roy. Soo. London Ser. B 82, 227, 1910. 

2) Trilliat et Turchet, in Bertrand et Thomas, Guide pour 
les manipulations de chimie biologique, Paris 1910, p. 826. 

3) M. Siegfried, Über die Bindung von Kohlensäure durch am- 
photere Amidkörper. Zeitschr. f. physiol. Chem. 44, 85, 1905; 46, 410, 1905. 


Desaminierung. 41 


Die Fermentwirkung war am stárksten bei gleichen Quanti- 
täten von Wasser und gesáttigtem Kalkwasser (Nr. 3). Beim 
Vergleich mit anderen Alkalien (auf 40 ccm gelóst) ergab mir 
das Schryversche Reagens folgende Resultate: 

y Natrium- Calcium- 


bicarbonate carbonat Wasser 
(20 ccm) (0,2g) (0,2g) 
Aktive Tyrosinase . . rot rosa rosa schwach rosa 
Inaktivierte » . . kaum gof. kaum gef. kaum gef. kaum gef. 


Antiseptische Versuche mit Toluol bestätigten die vor- 
liegenden Versuche. 

Ein Vergleichsversuch mit anderen Aminosäuren ergab 
beim Aufsuchen des Ammoniaks folgende Resultate: 


1. Glykokoll: starke Reaktion. 

2. Phenylglykokoll: sehr schwache Reaktion. 
3. Asparagin: starke Reaktion. 

4. Leucin: nichts. 


Beim Phenylglykokoll ließ sich der entsprechende Benz- 
aldehyd erwarten, der sich tatsächlich durch seinen Geruch 
nach bitteren Mandeln erkennen ließ. Aber auch hier kam 
die Reaktion bald zum Stillstand.. 

Dies ändert sich aber, wenn man noch ein Phenol zu- 
fügt, wie z. B. das p-Kresol. Es findet dann sehr wahr- 
scheinlich eine Elimination des einen oder anderen Reaktions- 
produktes unter Bildung des von Chodat und Staub!) ent- 
deckten Kresolazurs statt. Phenole bilden sich bekanntlich 
auch beim Eiweißabbau in der Natur, so daß wir uns also 
bei diesen Versuchen nicht zu sehr von den natürlichen Be- 
dingungen entfernten. 

Auch in diesem Falle bediente ich mich zuerst wieder 
der Kartoffeltyrosinase. Ihre Wirkung auf Aminosäuren sollte 
nach erwähnter Hypothese Kohlensäure in Freiheit setzen, 
was ich nun nachweisen wollte. Die entstehende Menge ist 
aber so gering, daß mit Bariumhydrat ein qualitativer Ver- 
such sehr unsichere Resultate gab. Wenn man sich dagegen 
des Liebigschen Absorptionsapparates bedient, so wird die 
Kohlensäurebildung bestätigt. 

Man führt. zu diesem Zweck die Reaktion mit 15 ccm 


1) R. Chodat et W. Staub, Nouvelles recherches sur les ferments 
oxydante. Arch. des Sc. physiques et naturelles 28, 172, 1907. 


u ee a A 


42 K. Schweizer: 


p-Kresollösung (!/,,,) und 10 ccm Tyrosinaselósung (9%/,,) in 
einer verschlossenen Waschflasche aus und saugt nach 24 Stun- 
den die entstandene Kohlensäure mit in Kalilauge gewaschener 
Luft durch die Absorptionskugeln nach Liebig. Man be- 


obachtet: 
Erhalten Berechnet 


. mit 45 ccm Glykokoll (%"8/,,,) + Occm Wasser: 0,0082g 0,0879g 


n 30 » ” +15 » n : 0,00182g 0,0586 g 
n 15 » ” +30 » ” : 00190g 0,0293 g 
n 10 » „ +35 n » : kein Kresolazur mehr 


Die Zahlen nähern sich in Versuch 3 am meisten, es 
scheint aber, daß nicht alle Aminosäure umgesetzt werden kann. 

Zum Nachweis von Aldehyd und Ammoniak destilliert 
man vorerst, da das Reaktionsgemisch gefärbt ist. Glykokoll 
und Phenylglykokoll geben eine starke Neßler-Reaktion, wäh- 
rend sie mit Alanin und Tyrosin schwächer ausfällt. Glykokoll 
gibt auch hier wieder Formaldehyd, Phenylglykokoll den ent- 
sprechenden Benzaldehyd. Bei den beiden anderen Amino- 
säuren konnte die Aldehydbildung nicht demonstriert werden, 
denn schon p-Kresol allein, das in Spuren auch mitdestillierte, 
reduzierte die ammoniakalische Silbernitratlösung. Es ist selbst- 
verständlich, daß ich vorstehende Versuche durch Leerversuche 
in allen denkbaren Kombinationen verifizierte?). 

In diesem Falle war die Verwendung eines alkalischen 
Milieus nicht zulässig. Mit Glykokoll bildete sich weder Am- 
moniak, noch Formaldehyd, noch Kresolazur. Die Lösung 
blieb farblos. Dies läßt sich wahrscheinlich dadurch erklären, 
daß die OH-Gruppe (in p-) des Kresols durch das Alkali ge- 
sättigt wird. 

Wenn man an Stelle der Aminosäuren das Pepton nimmt, 
so läßt sich eine starke Ammoniakbildung und gleichzeitig eine 
Spur von Formaldehyd erkennen. Beim Hinzufügen von Pepton 
zu den vorhin erwähnten Versuchen, d. h. neben Aminosäuren, 
konnte man sowohl mit Glykokoll als auch mit Phenylglykokoll 
keine Kresolazurfärbung mehr erhalten. Die Färbung war röt- 
lich mit grüner Fluorescenz, die Ammoniakreaktion stärker, 
während die Aldehydbildung abgeschwächt zu sein schien. Ein 


1) Karl Schweizer, Tyrosinase et Désamination. Dissertation, 
Genf 1916. 


Desaminierung. 43 


Leerversuch ohne Tyrosinase gab keinen Ammoniak. Ein 
Versuch, das p-Kresol in vorigen Experimenten durch Pepton 
zu ersetzen, verlief negativ. Auch Glucose verzögert wie 
Pepton. 

Wir prüften nun die erhaltenen Resultate auch noch mit 
physiologisch reiner Tyrosinase. Nach unserer im Jahre 1913 
gemachten vorläufigen Mitteilung über die desaminierende 
Wirkung der Tyrosinase') nahm Bach?) im folgenden Jahre 
an, daß die Tyrosinase kein einheitliches Ferment sei. Nach 
ihm bestünde sie aus Aminoacidase (= Desaminase) und einer 
„gewöhnlichen Phenolase“ (= Lakkase). Hierauf konnten aber 
Chodat und Schweizer zeigen, daß dies nicht der Fall ist. 
Die Desamination findet nämlich auch statt, wenn man sich 
der Pilztyrosinase bedient, die weder Lakkase noch Peroxydase 
enthält. Im übrigen können die Wirkungen von Tyrosinase 
und Lakkase ja auch durch verschiedene Reaktion des Milieus 
getrennt werden. Auch die Peroxydase begünstigt die Kresol- 
azurbildung nicht. 

Nun hat uns auch noch die Frage beschäftigt, ob diese 
Desamination bei Gegenwart von Chlorophyll im gleichen 
Sinne verlaufe. Bekanntlich findet man in grünen Blättern 
Formaldehyd (Pollaci, Harvey, Gibson, Tothesley, 
Schryver). Da dies von einigen Seiten angezweifelt wird, 
wollte ich mich selbst davon überzeugen. Ich umwickelte einige 
Blätter eines kultivierten Papavers mit schwarzem Papier, 
während die anderen der Sonne ausgesetzt blieben. Je 5g 
der Blätter wurden mit Wasser zerrieben und destilliert. Das 
Destillat, in 10 ccm Wasser aufgefangen, wurde mittels des 
Schryverschen Reagens auf Formaldehyd geprüft. Im Falle 
der besonnten Blätter erhielt man eine schwache Rötung, 
während die im Dunkeln gehaltenen Blätter gar keinen For- 
maldehyd zu enthalten scheinen. Obschon die Bildung von 
Formaldehyd aus Kohlensäure und Wasser nach der v. Bayer- 
schen Hypothese immer noch die größte Wahrscheinlichkeit 
besitzt, so kann daneben doch auch die Vermutung aufkommen, 
daß er sich auch in den Blättern, wenigstens zum Teil, durch 


1) R. Chodat und K. Schweizer, diese Zeitschr. 57, 430, 1913. 
3) A. Bach, diese Zeitschr. 60, 221, 1914, 


44 K. Schweizer: 


Einwirkung der Tyrosinase auf Eiweißabbauprodukte bildet. 
In der Tat konnte ich in vielen grünen Blättern und Knospen 
Tyrosinase konstatieren. Hierzu verrieb ich 2 g Blätter und 
neutralisierte den sauren Saft mit Kalkwasser. Beim Zusam- 
menbringen mit 2 ccm p-Kresollósung (?/,,.) und 6 com Glyko- 
kollösung (%78/,,.,) konnte dann die durch Tyrosinase hervor- 
gerufene charakteristische Färbung erhalten werden. Ein Leer- 
versuch mit 8 cem Wasser und 1 ccm Kalkwasser gab keine 
Rötung. 

Ich extrahierte nun das Chlorophyll mittels Benzol und 
ließ dann in Gegenwart von Kreidepulver verdunsten. Dieses 
„Chlorophylipulver“ beschleunigt sowohl im Licht als auch im 
Dunkeln die Desamination durch Tyrosinase Das Schryver- 


sche Reagens zeigte folgende Resultate: 
Licht: Dunkel: 


Glykokoll . . 2 2 2 2 202. ©.. o +. . TOBA 0 
” -+ Kreide allein . ... . , . + TOBA 0 
” + mn mit Chloroph. . . . . . rosa rosa 
» + » n » -+ Tyrosinase rot rot 
no + n rosa rosa 


Wahrscheinlich wirkt hier das Chlorophyll nur durch sein 
Reduktionsvermögen, ähnlich wie das p-Kresol in den voran- 
gehenden Versuchen. 

Mit Alanin waren keine unzweideutigen Resultate zu 
bekommen, dagegen war beim Phenylglykokoll der Benzaldehyd- 
geruch stärker bei Anwesenheit von Chlorophyll. Dies könnte 
eventuell auf die Art und Weise der Benzaldehydbildung in 
gewissen Blättern schließen lassen. 

Wie wir bereits bemerkt haben, spricht alles dafür, daß wir 
es bei vorstehenden Versuchen mit einer oxydativen Desaminie- 
rung zu tun haben. Wie ich einleitend erwähnt habe, beob- 
achtete Butkewitsch dies auch in vivo. Es war deshalb 
wünschenswert zu wissen, ob die Wirkung der Tyrosinase auch 
nur bei Gegenwart von Sauerstoff stattfindet, wie dies der Fall 
bei Aspergillus niger ist. (Bekanntlich enthalten namentlich 
einige Pilze größere Quantitáten von Tyrosinase.) 

Ich ersetzte den Sauerstoff also zuerst durch Kohlen- 
sáure. Obige Versuche gaben in dieser Atmosphäre nun tat- 
sächlich keine Färbung, d. h. also auch keine Desamination. 


Desaminierung. 45 


Auffallenderweise trat aber auch beim nachherigen Aussetzen 
an der Luft der erwartete Reaktion nicht ein. Dies lieB sich 
aber dadurch erklären, daß die Tyrosinase in Gegenwart von 
Säuren nicht wirksam ist. Durch Hinzufügen von Alkali kann 
das Ferment wieder aktiviert werden. Dies könnte nun auf 
eine Verbindung zwischen Tyrosinase und Kohlensäure schließen 
lassen. Aber schon kräftiges Schütteln konnte das Wiederauf- 
treten der Fermentwirkung hervorrufen (Adsorption). 

Wasserstoff dagegen zeigte sich als indifferentes Gas. Beim 
nachherigen Aussetzen an der Luft ging die Kresolazurbildung 
sogar schneller vor sich. Es hatte also eine vorbereitende 
Reaktion stattgefunden. Man konnte eine Verbindung mit dem 
Ferment vermuten. Um zu sehen, ob diese hypothetische Ver- 
bindung imstande sei, der Wirkung der Kohlensäure zu trotzen, 
ließ ich das Reaktionsgemisch zuerst 1 Stunde im Wasserstoff 
und brachte es dann während einer gleichen Zeitdauer in den 
Kohlensäurestrom. Zum Schluß wurde die Luft zutreten ge- 
lassen. Man konnte sodann eine Rötung beobachten, wie dies 
auch der Fall beim direkten Aussetzen an der Luft nach 
1 Stunde ist. Die Rötung ging aber selbst nach 24 Stunden 
nicht weiter. Es hatte sich also wahrscheinlich während des 
einstündigen Verweilens in der Wasserstoffatmosphäre ein Leuko- 
körper gebildet. Die darauffolgende Kohlensáurebehandlung 
tötet dann das Ferment ab, und beim schlieBlichen Aussetzen 
im Freien färbt sich dann nur der vorgebildete Leukokörper 
unter Einwirkung der Luft. Wie dieser Leukokörper sich 
bildet, ob er z. B. nach Bach durch Hydrolyse entstehe, dafür 
liegen bis jetzt noch keine Beweise vor. ` 

Diese Versuche haben die problematische Existenz von 
Desaminasen also noch zweifelhafter gemacht. Es wäre wohl 
von Interesse, zu zeigen, ob die sogenannten Desaminasen nicht 
identisch sind mit oxydierenden Fermenten. Auf jeden Fall 
haben wir nun gesehen, daß ein oxydierendes Ferment, die 
Tyrosinase, die bis jetzt den Desaminasen zugeschriebenen 
Eigenschaften auch besitzt. 


Die „Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 


Von 
H. Sachs und K. Altmann. 


(Aus dem Kgl. Institut für experimentelle Therapie zu Frankfurt a. M. 
[Direktor: Weiland Wirkl. Geh. Rat Prof. Dr. P. Ehrlich, Stellver- 
tretender Direktor: Prof. Dr. H. Sachs.)) 


(Eingegangen am 11. September 1916.) 


Im Jahre 1907 haben Sachs und Teruuchi?) festgestellt, 
daß die hämolytischen Komplemente des Meerschweinchen- 
serums durch Verdünnen mit salzfreiem Wasser inaktiviert 
werden. Dabei ergab sich für die Inaktivierung ein Optimum 
der Verdünnung (10 fach); bei stärkeren Verdünnungsgraden 
blieb die Inaktivierung aus. Ebenso konnte die Inaktivierung 
durch Temperaturerniedrigung verhindert werden. Sie war 
endlich bei Verwendung älteren, bereits gelagerten Serums, 
sowie bei Verwendung frischen und kurz erhitzten Serums nicht 
mehr nachweisbar. Da mithin für diese als „Hydrolabilität“ 
bezeichnete Zerstörbarkeit des Komplements sich außer der 
Salzarmut des Mediums auch die Beschaffenheit des Se- 
rums von maßgebender Bedeutung erwies, imponierte der 
Vorgang zunächst als der Ausdruck der fermentativen Wirkung 
eines labilen Serumbestandteiles, der das Komplement nur in 
salzarmer Lösung, bzw. nur dann, wenn es durch das salzarme 
Medium in eine angreifbare Form verwandelt worden ist, 
zerstört. 

An der Richtigkeit dieser theoretischen Deutung entstanden 
für uns sehr bald Zweifel. Als wir nämlich daran gingen, zur 
Trennung der beiden Komplementkomponenten, die nach dem 


1) H. Sachs und Y. Teruuchi, Berl. klin. Wochenschr., Nr. 16, 
17, 19, 1907. 


H.Sachs u. K. Altmann: „Hydrolabilität‘‘d.Komplements u.i. Ursachen. 47 


Vorgang von Morgenroth und Ferrata mittels Dialyse vor- 
genommen wurde, ein weiteres Verfahren zu gewinnen, ergab 
sich uns als gut brauchbare und seither vielfach benutzte Me- 
thode die Ausfällung des Meerschweinchenserums mit schwacher 
Salzsäure (Laag bis "Leg normal in dest. Wasser). 

Daß hiermit die Gewinnung wirksamer Komplementkom- 
ponenten trotz 1 stündiger Einwirkung des schwach angesäuerten 
Wassers gelang, mußte in Anbetracht der von Sachs und 
Teruuchi festgestellten Tatsache, daß bei entsprechendem 
Verdünnen mit neutralem Wasser Komplementzerstörung ein- 
tritt, überraschen. Ließen uns schon derartige Erfahrungen 
die Mitwirkung von Fermenten zweifelhaft erscheinen, so kam 
als weiteres Moment die inzwischen erschienene Arbeit von 
Tsuda?) hinzu, der zwar prinzipiell unsere Erfahrungen über 
die Komplementinaktivierung im salzfreien Medium bestätigte, 
aber bei dem von ihm benutzten Rinderserum (an Stelle von 
Meerschweinchenserum) in einigen wesentlichen Punkten anders- 
artige Verhältnisse beobachtete, als sie nach den Erfahrungen 
von Sachs und Teruuchi für das Meerschweinchenserum gelten. 
Von besonderem Interesse ist die von Tsuda beschriebene 
Tatsache, daß mit ganz frischem Rinderserum, im Gegensatz 
zu dem Verhalten des gelagerten Rinderserums, die Inaktivie- 
rung durch Wasser oft nicht vollkommen gelingt. Es handelt 
sich also hierbei um das Gegenteil der für Meerschweinchen- 
serum geltenden GesetzmáBigkeiten. Tsuda bemerkt mit Recht, 
daß man zum Verständnis der Unmöglichkeit, ein frisches 
Serum zu inaktivieren, nach der Fermenthypothese von Sachs 
und Teruuchi einen weiteren Faktor annehmen müßte, näm- 
lich die Widerstandsfähigkeit des Komplements gegenüber dem 
Ferment. Tsuda hält daher in andersartiger Deutung es für 
möglich, daß sich im Serum beim Lagern erst ein Stoff bildet, 
der im salzarmen Medium schädigende Wirkung ausübt. 

Wir waren nun bestrebt, die mannigfaltigen Erscheinungs- 
formen, die bei verschiedenen Serumarten oder bei verschieden 
alten Serumproben auftreten, unter einen einheitlichen Ge- 
sichtspunkt zusammenzufassen, und die maßgebenden Richtlinien 
für die in dieser Hinsicht unternommene experimentelle Analyse, 


1) K, Tsuda, Berl. klin. Wochenschr., Nr. 8, 1908. 


48 H. Sachs und K. Altmann: 


über deren wesentliche Ergebnisse bereits kurz im Jahre 1908 
berichtet worden ist!), bot der von uns festgestellte, von 
Sachs und Teruuchi noch nicht untersuchte Einfluß der 
Reaktion: des Mediums auf die Komplementinakti- 
gierung, 

Es ist nämlich nicht nur die saure, sondern auch die al- 
kalische Reaktion von wesentlichem Einfluß auf die Inakti- 
vierung des Komplements beim Verdünnen mit Wasser. Be- 
vor wir auf eine Besprechung dieser Tatsachen eingehen, 
möchten wir zuvor ein Beispiel unserer Versuche, die sich 
hauptsächlich auf Meerschweinchenserum beziehen, wieder- 


geben. . 
Je 0,5 com frisch gewonnenen Meerschweinchenserums werden ver- 
dünnt mit: 


a) 4,5 com 0,85°/, NaCl-Lösung, 
b) 4,1 » Aqu. dest. 








1 1 SlL see HC] (in Aqu. dest.) 

41 » Blaat (n y n i) 41 n Bhs (n ns n ) 

e) 4,1 » Slsee NaOH (n n n k) 41 » foo HCl (n n n ) 
f) 41 » Pleso- NaOH e nn n )41 » Piao HCl (n n n ) 
g) 41 » Pho NaOH (n n n m) 41 » hoy HCl (n » n ) 


Nach 1*/, stündigem Aufenhalt im Brutschrank wurde durch Zu- 
satz von je 0,4 ccm 10°/, NaCl-Lösung zu den Verdünnungen b bis m Iso- 
tonie hergestellt. Außerdem erhielt die 10°/, NaCl-Lösung für die Proben 
c bis m die zur Neutralisation erforderliche HCl-, resp. NaOH-Konzen- 
tration. 

Die derart isotonisch und neutralisiert erhaltenen 10°/ igen Meer- 
schweinchenserumverdünnungen werden nunmehr in üblicher Weise auf 
ihren Komplementgehalt geprüft durch Digerieren absteigender Mengen 
mit je 1 ccm Hammelblutaufschwemmung unter Zusatz von ca. 10 Am- 
boceptoreinheiten spezifischen hämolytischen Immunserums (Volumen: 
2,15 ccm). 

Das Ergebnis zeigt Tabelle I. 

Wie die Tabelle zeigt, ist die Inaktivierung des Komple- 
mentes beim Verdünnen mit destilliertem Wasser (b) nach dem 
Vorgang von Sachs und Teruuchi prompt eingetreten. Da- 
gegen genügt schon ein Gehalt des Wassers an ?/ 00” 
NaOH, resp. HC] (c und h), um die Inaktivierung deut- 
lich zu hemmen. Mit steigender Konzentration an NaOH 
und HCl nimmt auch die Hemmung der Komplementinakti- 


1) Tagung der freien Vereinigung für Mikrobiologie, Berlin 1908. 


„Hydrolabilität‘‘ des Komplements und ihre Ursachen. A0 


Tabelle I. 


Vorbehand- 
lung des 
Meer- 
schweinchen- 
serums mit 







Hámolyse von Hammelblut durch Amboceptor und 
10 fach verdünntes Meerschweinchenserum in den 
Mengen (com) 


0,5 0,1 





a) NaCl. . | komplett | komplett | komplett | komplett stark 
b) H,O.. 0 0 0 0 0 





n.-Na0H 
e) age » - | komplett Spur 0 0 0 
Tiasa n mäßig 0 0 0 
o) Yo . + n komplett wenig 0 0 
I) Hape 28 n n komplett ¡fast kompl.| wenig 
ER n n stark Spur Spürchen 
n.-HCl | 
h) tioo e » | Komplett | wonig Spürchen 0 0 
Da n komplett mäßig Spürchen | Spürchen 
R ao; 0% n n fast kompl. Spur n 
UE Een: = n n komplett |fast kompl. Spur 
m) *!200 n n n fast kompl.| wenig 


vierung zu, und bei”/,,¿¿-NaOH (f), resp. ®/,oo-HCl (m) er: 
scheint die Inaktivierung im salzarmen Medium fast 
vollständig verhindert. 

Der beliebigen Steigerung eines HCl- oder NaOH-Gehaltes 
steht natürlich der Umstand im Wege, daß Salzsäure und 
Natronlauge an und für sich das Komplement seiner Funktion 
berauben. Es erklärt sich daher ohne weiteres, daß eine voll- 
ständige Aufhebung der „Hydrolabilität“ des Komplementes 
praktisch nicht oder nur selten absolut gelingt, sie vielmehr 
in der Regel auch bei optimaler HCI-, resp. NaOH-Konzen- 
tration mehr oder weniger unvollständig bleibt. Das beein- 
trächtigt aber nicht die prinzipielle Schlußfolgerung, daß die 
Hydrolabilitát sowohl durch Alkali, als auch durch 
Säure aufgehoben wird. 

Man könnte nun zunächst daran denken, daß es sich 
gleichwohl um ein fermentartiges, die Komplementinaktivierung 
bedingendes Prinzip handelt, dessen Funktion sowohl durch 
Säure, als auch durch Alkali gehemmt wird. Die weitere 
Analyse hat aber eine andere Erklärung ergeben. Schon 
wenn man die äußere Beschaffenheit der mit salzfreiem 


Wasser hergestellten Meerschweinchenserumverdünnungen mit 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 4 


50 H. Sachs und K. Altmann: 


und ohne Salzsäure-, bzw. Natronlaugezusatz betrachtet, ergeben 
sich deutliche Unterschiede. Die mit neutralem Wasser her- 
gestellte Verdünnung weist eine leichte gleichmäßige Trübung 
auf. Alkalizusatz bewirkt eine Klärung, Säurezusatz eine Ver- 
stärkung bis zur Ausflockung. Die Deutung dieser Unter- 
schiede macht keine Schwierigkeiten. Es handelt sich offenbar 
um typische Veränderungen der Globuline. Die Salzarmut 
bildet ja ein zur Globulinfällung führendes Moment. Beim 
Meerschweinchenserum genügt aber das einfache Verdünnen 
mit Wasser nicht, um eine Fällung der Globuline zu be- 
wirken; die Veränderung äußert sich vielmehr nur in einer 
mehr oder weniger starken Trübung. Alkalizusatz beseitigt 
diese Trübung, und Ansäuern der salzarmen Verdünnung führt 
die Trübung in eine Niederschlagsbildung über. Nimmt man 
dementsprechend an, daß die maximale Hydrolabilität des 
Komplementes abhängig ist von einem bestimmten Grade 
der Globulinveränderung, der sich aber noch nicht als Aus- 
flockung dokumentieren darf, so erscheint die Bedeutung der 
Reaktion des Mediums ohne weiteres verständlich. Denn Alkali 
verhindert die Globulinveränderung, während Säure dieselbe so 
verstärkt, daß ein sichtbarer und zentrifugabler Niederschlag 
entsteht. Erst durch den Umstand, daß die durch Kombination 
von Säure und salzfreiem Medium bedingte Ausflockung gleich- 
zeitig die Komplementinaktivierung verhindert, war es uns 
möglich, in der Salzsäurefällung eine Methode zur Trennung 
von „Mittel- und Endstück“ aufzufinden, 

Wenn man nun für die Komplementinaktivierung im salz- 
armen Medium die Globulinveränderung verantwortlich machen 
und ein fermentatives Agens ausschließen will, so mußte natür- 
lich auch die schon von Sachs und Teruuchi aufgefundene 
Abhängigkeit der Hydrolabilität von der Temperatur 
in gleichsinniger Weise eine Erklärung finden können. Eine 
solche ergibt sich nun ohne weiteres, wenn man berücksichtigt, 
daß Temperaturerniedrigung für die Globulinfällung gleichzeitig 
ein Begünstigungsmittel darstellen kann. Offenbar bewirkt eine 
solche Wasserverdünnung, die bei 37° optimale Bedingungen 
für die Komplementinaktivierung schafft, bei 0% bereits eine zu 
hochgradige Globulinveränderung, und man kann sich leicht 
davon überzeugen, daß mit Wasser bereitete Meerschweinchen- 


„Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 51 


serumverdünnungen, die bei 37° nur getrübt erscheinen, bei 0° 
bereite eine Ausflockung erkennen lassen. Wenn dementspre- 
chend bei Verdünnung frischen Meerschweinchenserums mit 
Wasser nur die zu starke Globulinalteration die Ursache für 
das Ausbleiben der Komplementinaktivierung in der Kälte dar- 
stellt, so mußte es durch Alkalizusatz, also durch das gleiche 
Mittel, das bei 37° die Inaktivierung verhindert, ge- 
lingen, bei 0° eine Inaktivierung herbeizuführen. Die 
Bedingungen mit und ohne Alkalizusatz bei 0° mußten sich also 
zu denjenigen bei 37° gewissermaßen wie das Negativ zum 
Positiv verhalten. Dagegen darf man von der Säure bei 0% 
keine prinzipielle Veränderung des Verhaltens erwarten; man 
könnte höchstens vermuten, daß eine bei 0% partiell erfolgende 
Inaktivierung durch Säure gehemmt bzw. aufgehoben wird. 
Die experimentelle Analyse hat eine vollkommene 
Bestätigung der hier entwickelten Schlußfolgerungen 
ergeben, und es sei gestattet, hierfür im folgenden ein Ver- 
suchsbeispiel anzuführen. 


Je 0,5 com frisch gewonnenen Meerschweinchenserums werden im 
Eistopf (09) digeriert mit: 


a) 4,5 ccm 0,85°/, NaCl-Lösung 
b) 4,1 ccm Aqu. dest. 





c) 4,1 i) 4,1 - 

d 41 » "NaOH k) A) » "Lo HCl 
e) 4,1 »  */100"NaOH 1) 41 » 2/00. HCl 
3 4,1 » iso NaOH m) 41 na Ss HO 
g) ln Slkee- NaOH n) 4,1 » Soe HO 
h) 41 n ?/,.o-Na0OH 0) 41 » Slsse HO 


Alle Normallösung-Verdünnungen in Aqua dest. 

Nach 1'/, stündigem Aufenthalt der Gemische bei 0° wurde durch 
Zusatz von je 0,4 ccm 10°/, NaCl-Lösung zu den Verdünnungen b bis o 
Isotonie hergestellt. Die 10%, NaCl-Lösung enthielt außerdem für die 
Proben c bis o die zur Neutralisation erforderliche HO. resp. NaOH- 
Konzentration. 


Die derart isotonisch und neutralisiert erhaltenen 10°| igen Meer- 
schweinchenserumverdünnungen wurden auf Komplementgehalt durch 
Digerieren absteigender Mengen mit je 1 ccm Hammelblut- Aufschwem- 
mung unter Zusatz von hämolytischem Immunserum (ca. 6 Amboceptor- 
einheiten) geprüft (Volumen: 2,15 ccm). 

Das Ergebnis zeigt Tabelle II. 

4* 


59 H. Sachs und K. Altmann: 







Tabelle II 
deter Hámolyse von Hammelblut durch Amboceptor und 
per Sp l0fach verdünntes Meerschweinchenserum in den 
men, Mengen (ccm) 
ohenserums 
bei 0° mit 0,15 0,1 










wenig 





mäßig 





b) H,O stark n n 
n.-Na0H 
Cd AR mäßig wenig Spur 
d) t iso wenig Spur Spürchen 
e) ?/1000 Spur Spúrchen n 
P) Ve 0 0 0 
g) so > 0 0 0 
h) 250 mäßig wenig Spur 
n.-HCl 
i) *2000 komplett | komplett Test kompl.) mäßig wenig 
k) 1] 600 p n n ” n 
1) 211000 n n n n n 
m) ió ” n n n n 
n) 2/500 ” n n n ” 
o) Lang n n A n ” 





Das in der Tabelle notierte Versuchsergebnis entspricht 
unseren Erwartungen. Die Inaktivierung im salzfreien Medium 
ist bei bei 0° (b) fast vollständig unterblieben, wie das bereits 
durch die Untersuchungen von Sachs und Teruuchi bekannt 
ist. Dagegen bewirkt bereits ein NaOH-Gehalt von 
San (e) eine Abschwächung beim Verdünnen mit 
Wasser, und mit Steigen der NaOH-Konzentration 
(d bis g) zeigt sich in immer höherem Grade auch bei 
0° die Hydrolabilität des Komplementes, dessen Inak- 
tivierung schließlich bei ?/,,, NaOH (g) im salzarmen 
Medium bei 0% fast vollständig gelingt. Eine Komple- 
mentzerstörung durch Alkaliwirkung kommt nicht etwa in 
Frage. Denn einmal hebt ja Natronlauge in entsprechenden Kon- 
zentrationen bei 37° die Hydrolabilität des Komplementes auf. 
Dann aber bewirken auch in der Kälte größere Alkalimengen 
(*/,,) normal), wie Spalte h der Tabelle zeigt, eine Hemmung 
der durch geringere Alkalikonzentrationen grade zum Nachweis 
gelangenden Hydrolabilitát, 

Unter diesen Umständen kann ein Zweifel an der Beweis- 
kraft des Versuches nicht bestehen. Er lehrt uns, daß eine 


„Hydrolabilität‘‘ des Komplements und ihre Ursachen. 53 


durchgreifende Abhängigkeit der Hydrolabilität von 
der Temperatur, wie sie Sachs und Teruuchi annahmen, 
nicht besteht, daß vielmehr im salzarmen Medium 
auch bei 0% die Inaktivierung erfolgt, wenn nur durch 
Alkalizusatz die durch Temperaturerniedrigung ver- 
änderten Bedingungen den bei höherer Temperatur 
und neutraler Reaktion bestehenden adáquat werden. 
Daß Sáurezusatz in der Kälte (i bis o der Tabelle II) ohne 
EinfluB ist oder die Komplementwirkung sogar besser erhált 
als neutrales Medium, entspricht nur den Folgerungen, die wir 
gezogen haben?). 

Mit dem Nachweis, daB fir die Hydrolabilitát des Komple- 
mentes ein prinzipieller Unterschied zwischen 0% und 37% nicht 
besteht, verliert die Fermenthypothese ihre wichtigste Stütze. 
Wir erblicken seither die Ursache der Hydrolabilität 
in einem optimalen Einfluß auf die Serumglobuline. 
Sein Zustandekommen wird offenbar bestimmt einerseits durch 
äußere Faktoren, andererseits durch die Beschaffenheit des 
Serums (Labilität bzw. Stabilität der Globuline, Alkalescenz). 
Ein zu hoher Grad der Globulinalteration, der sich schließlich 
in sichtbarer Flockung zeigt, ist ebenso hinderlich, wie das 
Fehlen der erforderlichen Bedingungen. 

Dieser Auffassung entspricht durchaus die Aufhebung der 
Hydrolabilität frischen Meerschweinchenserums bei Temperatur- 
erniedrigung. Wir glauben aber nicht fehlzugehen, wenn 
wir auch die Aufhebung der Inaktivierung bei zu großer Ver- 
dünnung mit salzfreiem Wasser (vgl. Sachs und Teruuchi) 
auf das gleiche Prinzip zurückführen. Denn mit der Stärke 
der Verdünnung wächst unter sonst gleichen Bedingungen der 
Einfluß auf die Globuline. Wenn dem aber so ist, so müssen 
für das Ausbleiben der Inaktivierung bei 37° durch zu starkes 
Verdünnen dieselben Gesetzmäßigkeiten gelten, wie wir sie für 
einen optimalen Verdünnungsgrad bei 0% kennen gelernt haben. 
Daß tatsächlich dementsprechend auch bei zu starker Ver- 


1) Da Salzsäure an und für sich bei höherer Temperatur stärker 
schädigend auf die Komplemente zu wirken scheint, als bei niedriger, 
dürfte es sich vielleicht in Zukunft empfehlen, die Spaltung des Kom- 
plementes nach unserer Methode bei 0° anstatt bei Zimmertemperatur 
vorzunehmen. 


y AAA A A AY RAR E O AAA As MARA GENEE, ee 


54 H. Sachs und K. Altmann: 


dünnung die Hydrolabilität durch einfachen Alkalizusatz nach- 
gewiesen werden kann, zeigt folgendes Versuchsbeispiel. 
Je 0,25 ccm frischgewonnenen Meerschweinchenserums wurden 
digeriert mit: 
a) 9 com 0,85 °/,iger NaCl-Lösung 
b) 8,2 ccm Aqu. dest. 


ol 8,2 ocm place Na (in Aqu. dest.) | g) 8,2 ccm */,500-HCl (in Aqu. dest.) 
d) 82 » ”/.00m:-Na0H (n a a )|h)82 » Son HCl (n n n ) 
e) 82 » *"l.so-Na0H (n n n Ji) 82 n»n Yro HCl (n n nh) 
f) 82 n "jiso NaOH (n n a )|k) 82 n 2/..-HCl (nn n) 


Nach einstündigem Aufenthalt der Gemische bei 37° wurde durch 
Zusatz von je 0,8 com 10°/,iger NaCl-Lösung zu den Proben b bis k 
Isotonie hergestellt. Die 10°/,ige Kochsalzlösung enthielt außerdem für 
c bis k die zur Neutralisation erforderlichen HCI-, resp. NaOH-Mengen. 
Es resultierten mithin 37fache Meerschweinchenserumverdünnungen. Um 
den Komplementnachweis bei der geringen Konzentration noch hin- 
reichend zu ermöglichen, wurde die Titration mit den Mengen von 2,0 ccm 
begonnen und absteigende Mengen, um das Volum nicht wesentlich zu 
steigern, mit je 0,25 oom 4fach konzentrierten (ca. 20%/,i gen) Hammel- 
blutes unter reichlichem Amboceptorüberschuß digeriert (Volumen: 2,4 ccm). 

Das Ergebnis zeigt Tabelle III. 


Tabelle III 


Hämolyse von Hammelblut durch Am- 
boceptor und absteigende Mengen 37fach 
verdünnten Meerschweinchenserums in 
den Mengen 


0,5 ccm | 0,25 com 








Vorbehandlung des Meer- 
schweinchenserums mit 


2,0 ccm 


Ed o E komplett ¡fast kmpl. 







Deo: we ee komplett ¡fast End: Spürchen 
n-HCl 

De ua rn ae E komplett u komplett | Spürchen 

g 500 p 

VU E A bt i Spur 

Dee en a Spürchen 

Kult ee n 


Die Tabelle zeigt ein ganz ähnliches Bild wie Tabelle II, 
in der die Ergebnisse bei ca. 10fachem Verdünnen im salz- 
armen Medium bei 0% notiert sind. Die Bedingungen ent- 
sprechen also bei starker Verdünnung (37fach) und 


„Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 55 


Brutschranktemperatur denjenigen bei geringerer 
Verdünnung (ca. 10fach) in der Kälte. Auch im ersteren 
Falle ist die Inaktivierung bei neutraler Reaktion nur relativ 
geringgradig (b), wird aber durch NaOH-Zusatz vollständig, 
während stärkere NaOH-Mengen, ebenso wie HCl die Hydro- 
labilität des Komplementes aufheben. Wir werden danach 
die Abnahme der Hydrolabilität des Komplementes bei zu 
groBer Wasserverdünnung auf eine zu starke Globulinalteration 
zurückzuführen und in dem Einfluß geringer NaOH-Konzentra- 
tionen (c und d) eine Herabminderung der Globulinveränderung 
auf den für die Komplementinaktivierung optimalen Grad zu 
erblicken haben. 

Wenn man nun berücksichtigt, daß für das Verhalten der 
Globuline außer äußeren Einflüssen, wie sie durch den Grad 
der Wasserverdünnung, durch Temperatur und Reaktion des 
Mediums bestimmt werden, auch die Beschaffenheit des Serums 
als solche eine maßgebende Bedeutung besitzt, so kann es 
nicht wundernehmen, daß in dem Verhalten der Serumkomple- 
mente beim Verdünnen mit Wasser sowohl in bezug auf die 
Qualität des Serums, insbesondere dessen Alter, als auch in 
bezug auf die Tierart, von der das Serum stammt, wesentliche 
Unterschiede bestehen. 

So erklären sich zunächst die Angaben von Sachs und 
Teruuchi, nach denen die Hydrolabilitát des Komplements 
einerseits durch Lagern des Serums, andererseits durch kurzes 
Erhitzen frischen Serums vermindert oder aufgehoben werden 
kann. Offenbar spielen hierbei Alkalescenzerhöhung, sowie 
erhöhte Stabilität der: Globuline eine Rolle. Dem entspricht 
es, daß, wie wir!) im Anschluß an die von Klausner ange- 
gebene Fällungsreaktion, ebenso wie Citron?), feststellen 
konnten, die Sera ihre Fällbarkeit durch Wasserverdinnung 
beim Inaktivieren oder beim Lagern einbüßen. 

Beim Verdünnen bereits gelagerter Proben von Meer. 
schweinchenserum mit Wasser ist es uns allerdings, auch unter 
Veränderungen der Reaktion durch Salzsäure- bzw. Natron- 


1) Diskussionsbemerkungen Berl. klin. Wochenschr. 522, 1908. (Vgl. 
auch H. Sachs: La semaine médicale, 24. Juni 1908.) 
DJ Citron: Berl. klin. Wochenschr. Nr. 9, 1908. 


56 H. Sachs und K. Altmann: 


laugezusatz, bisher nicht gelungen, einwandfreie Ergebnisse zu 
erhalten. 

Zwar wurden in einer Reihe von Versuchen ältere Sera, die beim 
einfachen Verdünnen mit Wasser nicht oder nur in geringem Grade in- 
aktiviert wurden, bei HCl-Zusatz ihrer Komplementfunktion beraubt. 
Jedoch waren hierzu erhebliche HCI-Konzentrationen erforderlich, die 
bereits in derjenigen Zone lagen, in der eine Ausflockung durch Säure- 
überschuß nicht mehr erfolgt. Immerhin handelte es sich um solche 
Säuregrade, die bei Benutzuug von physiologischer Kochsalzlösung als 
Verdünnungsmedium auf den Komplemeñtgehalt nicht wesentlich von 
Einfluß waren. Wir möchten diese Befunde erwähnen, ohne sie zu be- 
stimmten Schlußfolgerungen zu verwerten. Auch bei Verwendung frischen 
Meerschweinchenserums mit ausgesprochener Hydrolabilitát der Komple- 
mente trat bei einem HCl-Überschuß Inaktivierung ein, obwohl gleiche 
HCI-Konzentrationen in 0,85°/,iger NaCl-Lósung nicht oder nur gering- 
gradig wirkten und geringere HCI-Konzentrationen in Wasser gerade die 
Hydrolabilitát aufhoben. Es sei jedoch dahingestellt, ob die Inaktivie- 
rung bei Säureüberschuß in Wasser eine Folge des Ausbleibens der Aus- 
flockung ist oder ihre Ursache in einer reinen zerstörenden Säurewirkung 
hat, die dann bei Salzgegenwart gehemmt erscheinen würde. 

Erlauben so die Versuche mit verschieden alten Proben 
des Meerschweinchenserums keine bestimmten Schlußfolgerungen, 
so entsprechen vergleichende Untersuchungen mit Meerschwein- 
chenserum und Rinderserum um so mehr unserer Vorstellung, 
nach der die Ursache der Hydrolabilität des Komplementes 
in einer optimalen Globulinalteration gelegen ist. 

Das Rinderserum unterscheidet sich nach den schon er- 
erwähnten Versuchen von Tsuda dadurch vom Meerschwein- 
chenserum, daß es in der Regel gerade im frischen Zustande 
nicht, — dagegen nach dem Lagern beim Verdünnen im salzfreien 
Medium inaktiviert wird. Wenn man nun berücksichtigt, daß 
das Rinderserum bei zahlreichen Flockungsreaktionen, vor allem 
schon beim Verdünnen mit Wasser viel leichter ausgeflockt wird, 
also eine erheblich größere Labilität der Globuline besitzt als 
das Meerschweinchenserum, so wird die von Tsuda aufgefun- 
dene Differenz unter Berücksichtigung unserer mitgeteilten Er- 
fahrungen kaum mehr überraschen können. Man wird dann 
erwarten dürfen, daß es durch eine Herabsetzung der Aus- 
flockbarkeit mittels NaOH-Zusatz beim Verdünnen des Rinder- 
serums mit Wasser ebenso gelingt, eine Inaktivierung zu er- 
reichen, wie beim Meerschweinchenserum in der Kälte. Daß 
dem tatsächlich so ist, zeigt folgendes Versuchsbeispiel. 


„Hydrolabilität‘“ des Komplements und ihre Ursachen. 5 


Je 1,5 ccm frischen Rinderserums wurden mit 
a) 6 ccm 0,85°/,iger NaCl-Lósung 
b) 5,4 ccm Aqu. dest. 





c)5,4 ccm®/,o00-Na0OH (in Aqu. dest.) | h) 5,4 cem %/,000-HC1 (in Aqu. dest.) 
d)5,4 n °%:,000Na0OH(n n» n»n ) 1) 5,4 n ®/ 000” n n ) 
e) 5,4 n P/wo NaOH (n n n n 500 ) 
f}54 a "Jao NaOH(» n n ) 1) 54 n Bee HCl ( » ) 
g)54 » Pjg NaOH (a n n mn Blanc HCI (» 
s/, Stunden im Brutschrank digeriert. Sodann wurde neutralisiert und 
besalzen. Es resultierten also 5-fache Rinderserumverdünnungen, die 
in absteigenden Mengen unter Zusatz von je 0,25 ccm 20°/,iger Kanin- 
chenblutaufschwemmung auf ihren Gehalt an normalem Kaninchenblut- 
hämolysin geprüft wurden (Volumen: 2,25 ccm). 
Das Ergebnis zeigt Tabelle IV. 


Tabelle IV. 


Ne 
a 
~A 
S 
ie 
P 
D 
=. 
Q 
~ 
3 
a 3 3 3 


n 
n 
” 









Vorbehandlung | Hämolyse von Kaninchenblut durch 5fach verdünntes 
des Rinderserums Rinderserum in den Mengen 


mit 2,0 com | 15com | 1,0cem | 0,5 com 


































a) NaCl komplett | komplett komplett stark 
b) H,O . . n | n n Spürchen 
n-Na0H 
e) Haag ° + » + | Komplett komplett Spur 0 
ee . [fast komplett stark 0 
e) swo - - 0 0 0 
f) aso - wenig Spürchen 0 
g) Ys - - e komplett komplett komplett Spúrchen 
n-HCl 
h) 1/3000 komplett komplett komplett Spürchen 
i) "/1000 n n n wenig 
k) "1500 n n n l n 
1) Yeso n mäßig 
m) e n | wenig 


Die Tabelle bestätigt zunächst (in den Spalten a und b) 
die Feststellung Tsudas, daß die Inaktivierung frisch 
gewonnenen Rinderserums im salzarmen Medium nicht 
gelingt. Aus den folgenden Teilen der Tabelle erhellt aber, 
daß unsere Vermutung zutrifft, und daß es durch Alkali- 
zusatz gelingt, die Hydrolabilität des Komplementes 
auch im frisch gewonnenen Rinderserum zu demon- 
strieren. Das Optimum liegt bei einer NaOH-Konzentration 
von "eg normal, die eine vollständige Inaktivierung erlaubt 
(Spalte e). Stärkere NaOH-Konzentrationen (f und g) heben 
die Inaktivierbarkeit wieder auf, weil sie der Globulinalteration 
in zu hohem Maße entgegenwirken, während Säurezusatz aus 


58 H. Sachs und K. Altmann: 


dem umgekehrten Grunde eher einen entgegengesetzten Einfluß 
ausübt. 

Die Richtigkeit unserer Folgerungen ergibt sich weiterhin 
aus -der Analyse solcher Rinderserumproben, die bei gleich- 
artigem Verdünnen mit neutralem Wasser inaktiviert werden. 
Wir selbst haben auch gelegentlich ganz frische Rindersera 
untersucht, deren Komplemente, wie es bei frischem Meer- 
schweinchenserum die Regel ist, hydrolabil waren. Im anderen 
Falle, wofür Tabelle V ein Versuchsbeispiel darstellt, haben 
wir in Übereinstimmung mit den Angaben Tsudas die Hydro- 
labilität der Komplemente beim Lagern eintreten sehen. Gleich- 
gültig aber, ob die Hydrolabilität des Rinderkomplementes von 
Anfang an bestand oder erst nach dem Lagern nachweisbar 
wurde, war es in allen Fällen, in denen die Inakti- 
vierung bei neutraler Reaktion erfolgte, möglich, 
dieselbe sowohl durch NaOH- als auch durch HCl- 
Zusatz zu hemmen. 

So zeigt der folgende Versuch mit einem 2 Tage alten 
Rinderserum die gleichen Verhältnisse, wie sie für frisches 
Meerschweinchenserum typisch sind. 


Je 1,5 ccm 2 Tage alten Rinderserums wurden ?/, Stunden im 
Brutschrank digeriert mit: 
a) 6,0 com 0,85°/,ige NaCl-Lösung. 
b) 54 » Aq. dest. 


0) 5,4 ccm pl NaOH (in Aq. B 





f) 5,4 ccm „nso HOI (in Aq. dest.). 
d) 54 n Phs NaOH (n n» n g) 5,4 n Bloe HCl (n n n ). 
e) 54 n Pjes NaOH (n n» » h) 54 „ Blsse- HO n n ). 

Sodann wurde besalzen und neutralisiert, daB 5fache Verdünnungen 
von Rinderserum resultierten. Dieselben wurden auf ihren Hämolysin- 
gehalt durch Zusatz von je 0,25 ccm 20°/,iger Kaninchenblutaufschwem- 
mung zu absteigenden Mengen der Serumverdünnungen geprüft. 

Das Ergebnis zeigt Tabelle V. 





Die Tabelle V zeigt hier für das Rinderserum dieselben 
Gesetzmäßigkeiten, wie sie für frisches Meerschweinchenserum 
gelten. Während die Komplemente des Rinderserums beim 
Verdünnen mit neutralem Wasser inaktiviert werden, bewirkt 
der Zusatz von Natronlauge oder Salzsäure eine Hem- 
mung bzw. eine Aufhebung der Hydrolabilität. Der von 
Tsuda beschriebene Unterschied zwischen Meerschweinchen- 
serum und Rinderserum erscheint daher keineswegs von prin- 


„Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 59 












Tabelle V. 
Vorbehandlung | Hämolyse von Kaninchenblut durch 5 fach verdünntes 
des Rinderserums Rinderserum in den Mengen 
mit 


0,5 ccm 


Spürchen 
0 












n-Na0H 
eh Pr o. Spürchen 0 0 
d) Viso. . komplett Spur 0 
SU n komplett 0 

n-HCl 
Haag komplett mäßig 0 
g) Laag S n komplett 0 
h) 2/250 n » n 0 








zipieller Natur, hat vielmehr gewissermaßen nur quantitativen 
Charakter. Die Ursache glauben wir, wie wir das erörtert 
haben, in dem verschiedenen Grade der Globulinstabilität er- 
blicken zu sollen, die eben in der Regel beim Meerschweinchen- 
serum weit größer ist als beim Rinderserum. Die Inakti- 
vierung der Komplemente ist in diesem Sinne ab- 
hängig von dem Eintritt einer bestimmten Form der 
Globulinveränderung, die aber im allgemeinen nicht 
so hochgradig sein darf, daß bereits eine Ausflockung 
eintritt. In vielen Fällen gehen daher Komplementinakti- 
vierung und die äußerlich sichtbare Trübung des Serums (ohne 
Niederschlagsbildung) einander parallel. 

Die Hydrolabilität des Komplements wird nach 
alledem bestimmt: 

1. durch die Beschaffenheit des Serums (Labilität 
bzw. Stabilität der Globuline, Alkalescenz), 

2. durch die Temperatur, 

3. durch die Reaktion des Mediums. 


Über die hier mitgeteilten Untersuchungen!) ist zum ersten 
Male im Jahre 1908 auf der Tagung der Freien Vereinigung 
für Mikrobiologie berichtet worden?). Wir haben sodann die 


1) Das Manuskript der bisherigen Ausführungen war bereits Anfang 
1914 fertiggestellt; die Veröffentlichung ist durch äußere Ursachen ver- 
zögert worden. 

2) H. Sachs, Centralbl. f. Bakt., I. Abtlg., Referate, Bd. 42, Bei- 
heft, 1908. 


HI H. Sachs und K. Altmann: 


Bedeutung der Ergebnisse in ihrem Zusammenhange mit anderen 
Formen der antikomplementären Wirkung, zumal mit der Wasser- 
mannschen Reaktion, mehrfach, zunächst in unserem Aufsatz 
„Komplementbindung“ erörtert!) und werden hierauf in 
einer späteren Arbeit auf Grund neu gewonnener experimen- 
teller Ergebnisse zurückkommen. Inzwischen ist insbesondere 
durch die interessanten Untersuchungen U. Friedemanns”) 
die Aufmerksamkeit auf die allgemeine Eigenschaft der Globu- 
line, antikomplementär zu wirken, gelenkt worden. Friede- 
mann erblickt in der antikomplementären Globulin- 
wirkung die Ursache einer Reihe von Erscheinungen (spon- 
taner Komplementschwund, Komplementbindung, auch bei der 
Wassermannschen Reaktion) und verweist u. a. auf die Tat- 
sache, daß die in Betracht kommenden Vorgänge durch Er- 
höhung der Salzkonzentration aufgehoben werden?). 
Schon Friedberger*) hat gezeigt, daß das spontane 
Schwinden des Komplements beim einfachen Lagern durch 
einen starken Kochsalzgehalt verhindert oder erheblich hinaus- 
geschoben werden kann, und dabei, der Auffassung von Sachs 
und Teruuchi über die Hydrolabilität folgend, an die Mög- 
lichkeit gedacht, daß komplementvernichtende Vorgänge im 
Normalserum in ihrer Wirkung gehindert werden. Tatsächlich 
hat der eine von uns°) zeigen können, daß man, ebenso wie 
durch erhöhten Salzgehalt, auch durch kurzdauerndes Er- 
hitzen (etwa 10 Minuten auf 50 bis 52°) die Komplemente 
im Meerschweinchenserum bis zu einem gewissen Grade 
konservieren kann. Es handelt sich also hier um denselben 
Eingriff, der nach Sachs und Teruuchi die Hydrolabilitát 
verhindert, und es ist auch hiernach kaum zu zweifeln, daß 
beiden Vorgängen entsprechende Globulinwirkungen zugrunde 
liegen. Es ist daher in den zahlreichen, aus dem hiesigen 


DH Sachs und K. Altmann, Handb. d. pathogenen Mikro- 
organismen, 1. Aufl., 2. Ergänzungsbd., 1909. l 

2) U. Friedemann, Zeitschr. f. Hygiene 67, 279, 1910. 

3) Vgl. hierzu auch L. Hirschfeld und R. Klinger, Zeitschr. f. 
Immunitätsforsch. 21, 40, 1914; Berl. klin. Wochenschr. 1914, Nr. 25. 

4) E. Friedberger, Berl. klin. Wochenschr. 1907, Nr. 41; Centralb). 
f. Bakt., 1. Abtlg., (Orig.)-Bd. 46, S. 441, 1908. 

5) H. Sachs, Handb. d. pathogenen Mikroorganismen 2, 873, 1913, 
2. Aufl. i 


„Hydrolabilität“ des Komplements und ihre Ursachen. 61 


Laboratorium hervorgegangenen Arbeiten über verschiedene 
Formen der Komplementinaktivierung, bei denen insbesondere 
die Abhängigkeit von der Serumkonzentration und die Resti- 
tuierbarkeit der erloschenen Komplementfunktion auffällig war, 
versucht worden, die Erscheinungen dem allgemeineren Prinzip 
der antikomplementären Globulinwirkung im Sinne Friede- 
manns unterzuordnen. 

Folgt man aber dieser Betrachtung, so kann man in der 
antikomplementären Globulinwirkung immer nur das letzte Glied 
des Vorgangs erblicken. Das ursächliche Moment der Hydro- 
labilität und entsprechender Inaktivierungsvorgänge ist jedoch, 
wie sich aus unseren Versuchen ergibt, die geeignete physika- 
lische Veränderung des Serums bzw. seiner Globuline. Das 
Wesentliche ist dabei der geringe Fällungsgrad, der sich meist 
in einer eben wahrnehmbaren Trübung dokumentiert. Für die 
Hydrolabilität ist also ein Optimum der Globulinalteration maß- 
gebend, dessen Überschreitung den Inaktivierungsprozeß ver- 
hindert. Es dürfte von grundlegender Bedeutung sein, daß für 
diese Zustandsänderung, die man, ganz abgesehen von weiteren 
Vorstellungen, jedenfalls als primär auslösende Phase auffassen 
muß, eine scharfe Abhängigkeit von der Beschaffenheit der 
Globuline (Labilität) und des Mediums (Reaktion, Temperatur) 
besteht. Wie sich schon aus den Versuchen von Sachs und 
Teruuchi ergibt, ist diese wesentliche Serumbeschaffen- 
heit labiler als die Komplementwirkung und kann dem- 
nach durch künstliche Eingriffe beseitigt werden, ohne daß die 
Komplementfunktion erlischt. 

Die sich aus der Analyse der Hydrolabilität ergebende Be- 
trachtungsweise scheint uns für das Verständnis der Komple- 
mentfunktion und der antikomplementären Wirkungen von zu- 
nehmender Bedeutung zu werden. So bestehen zwischen den 
Auffassungen, zu denen P. Schmidt?) in seinen interessanten 
Arbeiten in Gemeinschaft mit Liebers gelangt ist, und unseren 
Vorstellungen in vieler Hinsicht Beziehungen, und die schönen 
Untersuchungen von Hirschfeld und Klinger?) bewegen sich 
in ähnlicher Richtung. Auch die genannten Autoren haben bei 


DP Schmidt und M. Liebers, Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 19, 
373, 1913; 22, 220, 1914. 
2) ]. o., vgl. auch diese Zeitschr. 70, 398, 1915. 


62 H.Sachsu.K. Altmann: , Hydrolabilitát“ d.Komplements u.i. Ursachen. 


gewissen Formen der Komplementinaktivierung das Maßgebende 
in Globulinveränderungen erblickt, und insbesondere schließen 
sich Hirschfeld und Klinger unserer Deutung des Zustande- 
kommens der Hydrolabilität an, indem sie als Folge des Salz- 
mangels die Veränderung des physikalischen Zustandes der 
Serumkolloide betrachten. 

Wir möchten auf Grund unserer Versuche noch einmal als 
wesentlich hervorheben, daß die Veränderung der Globuline 
einen gewissen Grad nicht überschreiten darf — die Verände- 
rung erscheint als eine Vorstufe der sichtbaren Fällung —, und 
erblicken in den seither gewonnenen experimentellen Ergeb- 
nissen eine Bestätigung für die Richtigkeit unserer, schon vor 
vielen Jahren geäußerten Vermutung?), „daß die gleiche Zer- 
störung des Komplements, welche beim Verdünnen mit 
Wasser eintritt, auch im salzhaltigen Milieu erzielt 
werden kann, wenn durch andersartige Faktoren die 
für die Zerstörung wesentliche Alteration des Serums 
bedingt wird.“ 

Zusammenfassung. 

1. Die Hydrolabilität der Komplemente des Meer- 
schweinchenserums (Inaktivierung im salzarmen Medium) wird 
sowohl bei geeigneter saurer als auch bei alkalischer Reaktion 
aufgehoben. 

2. Die Hydrolabilität tritt in der Kälte nur bei alkalischer 
Reaktion ein. | 

3. Bei starker Serumverdünnung bewirkt erst Alkalizusatz 
die Hydrolabilität des Komplements. 

4. Für Rinderserum gelten im wesentlichen die gleichen 
Gesetzmäßigkeiten. Fehlt bei frischen Serumproben die Hydro- 
labilität, so kann sie durch geeignete alkalische Reaktion er- 
zielt werden. 

5. Die Hydrolabilitát ist bedingt durch einen bestimmten 
Grad der Globulinveränderung, für den einerseits die Beschaffen- 
heit des Serums (Labilität bzw. Stabilität der Globuline, Alka- 
lescenz), andererseits Temperatur und Reaktion des Mediums 
maßgebend sind. 


1) H. Sachs und K. Altmann, Handb. d. pathogenen Mikroorga- 
nismen, 1. Aufl., 2. Ergänzungsbd., S. 543 (vgl. auch S. 459), 1909. 


Über die physiologische Verwertung synthetischer 
Fettsäureester. 
Von 
Johannes Müller. 


I. Mitteilung. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 
Von 
Johannes Müller und Hans Murschhauser. 


(Aus dem biochemischen Institut der Düsseldorfer Akademie für 
praktische Medizin.) 


(Eingegangen am 12. September 1916.) 
Mit 11 Figuren im Text. 


Seit mehreren Jahren vertritt der eine von uns (Johannes 
Müller) die Anschauung, daß die akute Alkoholvergiftung in 
ihrem Wesen eine typische Verdrängungsreaktion darstelle. Der 
Begriff der Verdrängungsreaktion ist selbst in der reinen or- 
ganischen Chemie verhältnismäßig spät scharf formuliert worden, 
obwohl eine Reihe von tatsächlichem Material bereits vorlag. 
Ist doch z.B. noch zu der Zeit, als die bekannte Verseifungs- 
methode von Kossel und Obermüller in Aufnahme kam, 
über den Verlauf dieser Reaktion diskutiert worden, ohne daß 
der Begriff „Verdrängung“ herangezogen wurde. In der Phy- 
siologie scheint der Begriff der Verdrängungsreaktion überhaupt 
noch nicht gebraucht worden zu sein, obwohl, wie uns scheint, 
diese Erklärungsmöglichkeit für die Wirkung einer Reihe körper- 
fremder Substanzen mindestens diskutabel ist. Kommt z.B. 
eine gewisse Menge Äthylalkoholin die Ganglienzellen, 
so muß sich eigentlich dort eine Verdrängungsreaktion 
abspielen, indem der Äthylalkohol mit dem Glycerin um den 
Besitz der Fettsäuren, der Fette und der Lipoide konkurriert. 
Die dadurch bedingte Destruktion von Lipoidmole- 
külen müßte dann selbstverständlich weitgehende 
physiologische Folgen haben. 


64 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


Über die seit langem im Gange befindlichen Untersuchungen, 
welche die eben geschilderte Anschauung durch exakte Ana- 
lysen vergifteter Organe stützen sollen, wird demnächst be- 
richtet werden. Schließlich aber ist es eine uralte Erfahrung, 
daß Fett in gewissem Sinne die giftige Wirkung des Äthyl- 
alkohols herabsetzt; vielleicht kann auch die von Salzmann 
im Tübinger pharmakologischen Institut beobachtete Tatsache, 
daß die narkotische Wirkung des Äthylalkohols durch gleich- 
zeitig gereichte starke Fettdosen stark abgeschwächt, gegebenen- 
falls sogar gänzlich aufgehoben werden kann, mit der hier ent- 
wickelten Theorie der Verdrängungsreaktion in Beziehung ge- 
bracht werden. 

Aus der geschilderten Anschauung erwuchs von selbst der 
Wunsch, näheres über das Verhalten von per os verabreichten 
Fettsäureestern im intermediären und allgemeinen Stoffwechsel 
festzustellen. In den Kreis der Untersuchungen sind eine Reihe 
von Estern der natürlichen Fettsäuren mit zahlreichen ein- 
und mehrwertigen Alkoholen gezogen worden; es ist weiter 
beabsichtigt, Glycerinester künstlicher Fettsäuren zu studieren, 
die aus Material wie Kohle, Petroleum usw. gewonnen werden. 
Wenn zunächst über das Verhalten der Fettsäureäthylester be- 
richtet wird, so hat das natürlich seinen Grund in den augen- 
blicklichen Verhältnissen. Wir benötigen im Frieden wie 
im Krieg eine große Menge von Glycerin, und solange 
nicht durch synthetische oder biologische Prozesse 
der Gesamtbedarf an Glycerin aus Kohlenhydraten 
oder dergl. gedeckt werden kann, sind wir auf die 
Spaltung von natürlichen Fetten angewiesen, und da 
die bei der Darstellung des Glycerins restierenden 
Fettsäuren für Ernährungszwecke nicht direkt brauch- 
bar sind, so bedingt der Verbrauch an Glycerin gleich- 
zeitig eine empfindliche Verminderung unseres Nah- 
rungsfettes. Damit ergab sich von selbst der Gedanke, 
falls Fettsäureäthylester ohne Schaden im Organismus 
zur Verwertung kommen, diese aus den Fettsäuren 
darzustellen und in einem passenden Prozentsatz den 
Nahrungsfetten zuzumischen. 

Irgendeine Vorarbeit über das Verhalten der Fettsäure- 
äthylester im allgemeinen Stoffwechsel existiert u. W. nicht. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 65 


Nur Otto Frank hat sich in seinen bekannten Untersuchungen 
„Zur Lehre von der Fettresorption“ auch mit der Resorption 
der Äthylester beschäftigt!) und bei dieser Gelegenheit auch 
einige Ausnutzungsversuche gemacht. Wir werden auf diese 
Versuche weiter unten zurückkommen. 


Methodisches. 
Der Versuch wurde am Hund angestellt. 


Um einen guten Vergleich zu gewinnen, wurden zur Ver- 
fütterung Äthylester benutzt, die aus dem in Vor- und Nach- 
periode verfütterten natürlichen Fett gewonnen waren, die also 
dieselben Fettsäuren mit denselben relativen Mengen wie das 
natürliche Fett enthielten. Als natürliches Nahrungsfett wurde 
der Rindertalg gewählt, der durch Ausschmelzen des aus dem 
Schlachthof gelieferten Materials gewonnen wurde. Er enthielt 
0,299/, Wasser und 0,81°/, freie Fettsäure Zur Darstellung 
der Fettsäuren wurde der Talg in schwach alkoholischer Lösung 
mit NaOH vollkommen verseift, die Fettsäuren durch verdünnte 
Schwefelsäure ausgefällt, mit Wasser gründlich gewaschen, das 
Wasser auf der Nutsche abgepreßt und abgesaugt, die Fett- 
säuren mit Äther aufgenommen und die ätherische Lösung mit 
Chlorcalcium getrocknet. Nach Abdestillieren des Äthers wurden 
die vollkommen trockenen Fettsäuren in absolutem Alkohol, der 
über Natrium getrocknet und destilliert war, gelöst; der Alkohol 
enthielt 3°/, trockene Salzsäure. Die Lösung wurde 24 Stunden 
am Rückflußkühler unter Vorschaltung von Chlorcalcium erhitzt. 
Nunmehr wurden ca. ?/, des Alkohols im Vakuum abdestilliert, 
der Rückstand mit Äther aufgenommen, die wäßrig-alkoholische 
Schicht aus dem Scheidetrichter abgelassen, die ätherische Lö- 
sung der Ester erst mit verdünnter NaHCO,-Lösung, dann 
mehrmals mit Waschwasser in der Kälte ausgeschüttelt, der 
Äther mit Chlorcalcium getrocknet und schließlich abdestilliert. 
Die resultierenden Äthylester enthielten noch 1,35°/, freie Fett- 
säure, auf deren völlige Entfernung verzichtet wurde. 

Der Sauerstofiverbrauch und die Kohlensáureproduktion 
wurden in dem nach dem Prinzip von Regnault und Reiset 
konstruierten Zuntz-Oppenheimerschen Respirationsapparat 


1) Zeitechr. f. Biol. Neue Folge 18. 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 5 


66 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


in 6stündigen Perioden bestimmt‘), Es wäre natürlich er- 
wünscht gewesen, den Gaswechsel in 24stündigen Perioden 
untersuchen zu können; leider war dies aus äußeren Gründen 
undurchführbar. Der Respirationsversuch begann jeweils etwa 
2 Stunden nach der einmal am Tage (7h 30’ morgens) erfolgten 
Fütterung. Ein Teil der 6stündigen Periode fiel also wohl 
sicher in die Zeit nach Ablauf der Verdauung. Wie die unten 
mitgeteilten Versuehsergebnisse zeigen, stimmen die durch Mul- 
tiplikation mit 4 auf 24 Stunden berechneten Ergebnisse des 
6-Stundenversuchs so gut mit den aus anderen experimentellen 
Daten (N-Ausscheidung usw.) berechneten überein, daß keine 
Bedenken dagegen bestehen, das Ergebnis der 6 stündigen Re- 
spirationsperiode der Berechnung für 24 Stunden zugrunde zu 
legen. Offenbar hat die mustergültige Ruhe, in der der Hund 
unter Wasser sich verhielt, bewirkt, daß die Verdauungsarbeit 
sehr annähernd durch den Wegfall von Körperbewegungen kom- 
pensiert wurde. Der Hund wog zu Beginn des Versuches 
11,72 kg. Indem für die Berechnung des Erhaltungsumsatzes 


die Formel 120p 2 zugrunde gelegt und die entsprechende Zu- 


lage bewilligt wurde, bemaß sich der Caloriengehalt des täg- 
lichen Futters auf rund 880 Calorien. 

Als Hauptfutter wurden täglich 300 g mageres Pferdefleisch 
gereicht. Es war die gesamte für den ganzen Versuch nötige 
Menge auf einmal beschafft, in der Fleischhackmaschine zer- 
kleinert und sofort in Tagesportionen von 300 g abgeteilt worden. 
Der Vorrat wurde in einem Eisschrank aufbewahrt, der seiner- 
seits in einem auf einer konstanten Temperatur von +4 2° ge- 
haltenen Kühlraum stand. Die einzelnen Portionen blieben bis 
zum Schluß des Versuches in gefrorenem Zustande und erwiesen 
sich stets als von tadelloser Beschaffenheit. Die Stichproben 
für die Analyse waren am Tage der Verarbeitung aus der Ge- 
samtmenge entnommen worden. 

Für jede Mahlzeit wurden 50 g Talg- bzw. Estergemisch 
nebst etwas Kochsalz kurz vor der Fütterung dem Fleisch gut 
beigemischt; der Hund nahm die Nahrung so gierig, daß nie- 


1) Für Überlassung des Apparaten haben wir dem Direktor der 
Kinderklinik der hiesigen Akademie, Herrn Prof. Dr. Schloßmann, auch 
an dieser Stelle herzlichst zu danken. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 67 


mals sichtbare Reste in der Schale zurückblieben. Zur quan- 
titativen Sammlung von Harn und Kot wurde der Hund außer- 
halb des Respirationsversuches in einem Stoffwechselkäfig in 
einem Raum gehalten, dessen Temperatur (20 bis 21°) konstant 
dieselbe war, wie die des Respirationsapparates. Wasser wurde 
mehrmals am Tage zur beliebigen Aufnahme gereicht, sie war 
im allgemeinen gering. 

Zur Abgrenzung des Kotes wurden am Vorabend der Vor- 
periode 25 g Talkum mit 50 g Fleisch gereicht und ebenso am 
Vorabend der Hauptperiode. Am 2. Tage der Hauptperiode 
ergab sich aus der Dünnflüssigkeit des Kotes der Zusatz von 
täglich 50 bzw. 60 bzw. 80 g Talkum zum Futter, um dem 
Darminhalt mehr Konsistenz zu geben. Dadurch entstand eine 
Abgrenzung zur Nachperiode von selbst. Es mag bemerkt sein, 
daß die Trennung in jedem Falle eine sehr scharfe war. Das 
Ende der Nachperiode wurde ebenfalls durch 60 g Talkum 
markiert. Während der Respirationsversuche hielt sich das 
Tier, wie aus den am Schlusse mitgeteilten Protokollen hervor- 
geht, verhältnismäßig ruhig, nur am 1. Tage war der Hund 
infolge der ungewohnten Verhältnisse etwas unruhiger, was sich 
auch in der Größe des Gaswechsels sofort ausdrückte. Von den 
übrigen 18 Tagesstunden verschlief der Hund mindestens 10. 
Besondere Unruhe zeigte er nur für ganz kurze Zeit. 


Analytische Methoden. 


In den Durchschnittsproben des Fleisches wurde das Wasser 
direkt bestimmt durch Vortrocknung bei 50 bis 60° im Trocken- 
schrank und definitive Trocknung im Vakuum von weniger als 
1 mm Hg bei 40°. Für die übrige Fleischanalyse wurde luft- 
trockenes Fleisch verwendet. Das Eiweiß wurde aus dem nach 
Kjeldahl bestimmten N-Gehalt durch Multiplikation mit dem 
Faktor 6,25 ermittelt. Zur Bestimmung des Fettes bzw. der 
Fettsäuren und des Unverseifbaren im Petrolätherextrakt be- 
nutzte man die Methode von Kumagawa-Suto. 

Der Brennwert des Fleisches wurde in der Berthelotschen 
Bombe bestimmt. Zur Feststellung des Wasserwertes der Bombe 
wurde Naphthalin, Benzoesäure und Campher benutzt. Als Bei- 
spiel sei das Protokoll einer Wasserwertbestimmung mit Benzoe- 


säure angeführt. 
Be 


68 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


Wasserwertbestimmung des Calorimeters durch Verbrennen 
von Benzoesäure: 


Gewicht des Eisendrahtes == 0,0146 g 
+ Benzoesäure. . . . . = 0,7409 g 


Benzoesäure — 0,7263 g 
Wassermenge im Calorimeter = 2330 g bei 20,0°; in der 
Bombe 2 ccm Wasser. 
Temperatur des äußeren Wassermantels = 21,0%; in der 
Bombe 25 Atmospháren Sauerstoffdruck. 








Vorperiode Hauptperiode Nachperiode 










kä e o 
o 


ô, a 13,780 
9 Y. 18,779 
9, Y, 13,778 
EN d 18,777 
9, Y, |8,776 
9, Yo 18,775 
9, Pa 13,774 
9 
H 
H 
H 


Zur Neutralisation der gebildeten Salpetersäure waren er- 
forderlich 4,30 ccm ®/, „Natronlauge. Aus diesen Zahlen be- 
rechnen wir nach Regnault-Pfaundler die durch die Ver- 
brennung entstehende Temperaturerhöhung und die dieser Diffe- 
renz von Y _— 0, hinzuzufügende Korrektion für den Einfluß 
der Außentemperatur nach der Formel: 


Sdt “(29 En Un +9 


Diese Korrektion beträgt + Bann die korrigierte Tem- 
peraturerhöhung somit 1,7190°. 
Durch Verbrennung von 0,7263 g Benzoe- 





—m1) — (n — 1) y. 


säure wurden entwickelt . . . . . . 4600,8 Cal. 
Die Zündungswärme von 0,0146 g Eisen- 

draht beträgt . . d wë e 234 » 
Die Bildungswärme für Salpetersäure 6,0 » 


Die gesamte Wärmeentwicklung entspricht 4630,2 Cal. 
Der Wasserwert des gefüllten Apparates ist folglich 

4630,2 

1,719 





— 2694,0 Cal. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 69 


Da 2332 g Wasser in das Calorimeter gefüllt waren, so 

ist der Wasserwert der Metallteile 

K = 2694,0 — 2332,0 = 362,0 Cal. 

Im Mittel aus 19 derartigen Bestimmungen ergab sich ein 
Wasserwert des Calorimeters von 360 Calorien, wobei in den 
einzelnen Versuchen nur geringe Abweichungen nach oben und 
unten festzustellen waren. Das Fleisch wurde für die Ver- 
brennung in.der Bombe zunächst vorgetrocknet, dann zu feinem 
Pulver verrieben und schließlich abermals getrocknet. Sodann 
ließ man das Pulver 12 Stunden an der Luft stehen und formte 
daraus die Pastille, indem der Eisendraht in die Pastille mit 
eingepreßt wurde. 

Der Kohlenstoffgehalt des Fleisches wurde durch Elementar- 
analyse ermittelt. 

Im verfütterten Fett bzw. Gemisch der Fettsäureäthylester 
wurde der Kohlenstoff ebenfalls durch Elementaranalyse be- 
stimmt. Die Menge des täglich anfallenden Harns wechselte 
leider sehr stark, teils wegen der Unregelmäßigkeit der Harn- 
entleerung, teils wegen der Unregelmäßigkeit der Wasserauf- 
nahme. Da aber das Tier sich vor Beginn der Respirations- 
versuche bereits 7 Tage unter dem gleichen Ernährungsregime 
im, Stoffwechselversuch befand, wobei Stickstoffgleichgewicht 
bestand, und da das Mittel der Stickstoffausscheidung aus den 
gesamten 11 Tagen mit dem Mittel aus den 4 Respirations- 
tagen absolut übereinstimmt, so besteht natürlich keinerlei Be- 
denken wegen der Unregelmäßigkeit der Harnausscheidung. 

Harn und Waschwasser aus dem Käfig wurden täglich auf 
ein rundes Volumen aufgefüllt und in aliquoten Teilen der N 
nach Kjeldahl, der Kohlenstoff durch Elementaranalyse und 
der Brennwert in der Berthelotschen Bombe bestimmt. 

Für die Kohlenstoffbestimmung im Harn wurde in den 
ersten Tagen des Versuchs der Harn im Schiffchen auf aus- 
geglühte Bimsteinstückchen aufgetropft und im Vakuum von 
1 mm Hg getrocknet. In diesem Falle geschah dann die Ver- 
brennung im Dennstedtschen Ofen im Sauerstoffstrom. Aus 
Gründen, die bei einer anderen Gelegenheit geschildert werden 
sollen, gingen wir später zu einem Verfahren über, das im 
wesentlichen dem von Spiro angegebenen entspricht: In einem 
sehr weiten Verbrennungsrohr wurde der in einem sehr großen 


70 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


Schiffchen mit Bleichromat gemischte Harn im Sauerstoffstrom 
direkt verbrannt. Vor dem Schiffchen war zur Erhöhung der 
Geschwindigkeit des Gasstromes ein Glasstopfen eingelegt. Im 
Vorderteil passierten die Verbrennungsgase glühendes Kupfer- 
oxyd und 2 Schifíchen mit Bleisuperoxyd. Das verdampfte 
Wasser wurde in einem entenförmigen Glasgefäßchen konden- 
siert, das in Eiswasser stand. 

Zur Bestimmung des Verbrennungswertes wurde der Harn 
auf Schleicher und Schüllsche Celluloseblöckchen getropft 
und im hohen Vakuum über Schwefelsäure bei 40° zur Trockne 
gebracht. Der beim Trocknungsprozeß unvermeidbare geringe 
Ammoniakverlust wurde dadurch in Rechnung gestellt, daß in 
einem genau ebenso behandelten Kontrollblóckchen gleichzeitig 
der Stickstoff nach der Trocknung bestimmt wurde. 

Der Kot wurde bei schwach saurer Reaktion vorsichtig ge- 
trocknet, gepulvert und nach den mehrfach erwähnten Methoden 
quantitativ auf Stickstoff, Kohlenstoff, Fettsäuren und Unverseif- 
bares im Petrolätherextrakt, Wasser und Brennwert analysiert. 
Für die Herstellung der Pastillen für die Calorimetrie des Kotes 
wurde ein kleiner Kunstgriff angewandt, der wohl auch anderen 
Forschern nützlich sein mag. War der Preßdruck nämlich von 
üblicher Stärke, so war ein Auspressen von etwas Fett aus dem 
Kot unvermeidbar. Wurde der Preßdruck aber nur ebenso- 
weit getrieben, als zur Formung einer guten Pastille notwendig 
war, so gingen auch nicht Spuren von Fett verloren. 


Der Versuch. 


Der Versuch begann, wie schon oben erwähnt, mit der 
Verfütterung von Rindertalg und Pferdefleisch. Zur Kotab- 
grenzung wurden dem Hund am Vorabend des Beginnes der 
ersten Periode, also am 17. II. 1916, 50 g Fleisch und 25 g 
Talkum gereicht. In den darauf folgenden Tagen erhielt das 
Tier täglich morgens gegen 7*!, Uhr in einer Portion 300 g 
Fleisch mit 50 g Rinderfett unter Zusatz von etwas Salz. Die 
Fütterung dieses Gemisches wurde bis zum 28. II. fortgesetzt. 
Die erste Periode dauerte somit 11 Tage. In einer Restportion 
von 50 g Fleisch wurden am Abend des letzten Tages der Vor- 
periode zur Kotabgrenzung 40 g Talkum beigefiittert. In der 
Hauptperiode, die am 29. II. einsetzte, trat in der Zusammen- 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 71 


setzung der Nahrung nur insofern eine Änderung ein, als an 
Stelle von Talg die gleiche Gewichtsmenge des Fettsäureäthyl- 
estergemisches verfüttert wurde. Es mag hier wiederholt werden, 
daß die Beschaffenheit der ersten Faeces dieser Periode eine 
Verbesserung der Konsistenz durch entsprechenden Zusatz von 
Talkum zweckmäßig erscheinen ließ. An die 5tägige Haupt- 
periode schließt sich eine 3tägige Nachperiode an; das Futter 
dieser Periode entspricht dem der Vorperiode in Menge und 
Zusammensetzung. Der Beginn der Nachperiode war in den 
Faeces durch das Ausbleiben, das Ende der Nachperiode durch 
das Auftreten von Talkum gekennzeichnet. 

Über den Prozentualgehalt der einzelnen Nahrungsbestand- 
teile an Wasser, Stickstoff, Kohlenstoff, Fett und Fettsäure, 
sowie über deren Caloriengehalt pro Gramm gibt Tabelle I 
Aufschluß. Die täglich verabreichten Mengen an Fleisch und 
Fett bzw. Estern, ferner die jenen entsprechenden absoluten 
Mengen an Kohlenstoff, Stickstoff und Fett und deren calori- 
scher Wert sind in Tabelle 11 wiedergegeben. Außerdem zeigt 
uns diese Tabelle die täglichen Körpergewichte des Tieres und 
die von ihm aufgenommenen Tagesmengen an Wasser und Talkum. 

Während des ganzen Versuchs wurde der Harn in 24stün- 
digen Perioden gesammelt und analysiert. In den ersten 7 Tagen 
der Vorperiode wurde nur der Stickstoffgehalt des Harns quan- 
titativ ermittelt, an den übrigen Tagen aller 3 Perioden wurde 
dagegen die Analyse des Harns auf die Bestimmung von Stick- 
stoff, Kohlenstoff und Brennwert ausgedehnt. Die Faeces wurden 
für jede einzelne Periode gesammelt, feucht zur Wägung ge- 
bracht und unter Einhaltung schwach salzsaurer Reaktion zur 
Trockne eingedampft. Die in der Tabelle III angegebenen 
Daten für die Menge und Zusammensetzung der Faeces in der 
ersten Periode beziehen sich auf die ganze Dauer der Vorperiode 
von 11 Tagen; die daraus berechneten Zahlen für 24 Stunden 
repräsentieren somit sehr zuverlässige Mittelwerte. Dasselbe 
gilt für die 5tágige Hauptperiode, während die 3tägige Nach- 
periode vielleicht etwas zu kurz gewählt war. In den luft- 
trocken gemachten Faeces der einzelnen Perioden wurden Wasser, 
Stickstoff, Kohlenstoff, Brennwert, Gesamtfettsäuren und die 
unverseifbaren Bestandteile des Petrolätherextrakts quantitativ 
festgestellt. 


~] 
ID 


Johannes Müller und H Murschhasuser: 


Die erste 11tágige Periode umfaßt 3 aufeinander fol- 
gende Tage (25., 26., 27. II.) an denen der respiratorische 
Stoffwechsel des Tieres in 6stündigen Versuchen er- 
mittelt wurde. In der Haupt- und Nachperiode fanden 
täglich annähernd 6stündige Untersuchungen des Gas- 
stoffwechsels des Tieres statt. Sämtliche experimentell 
gefundenen Daten über den Gasstoffwechsel und die Ausschei- 
dungen in Harn und Faeces sind in Tabelle III reproduziert. 
Die in der letzten Horizontalreihe jeder Versuchsperiode unter- 
gebrachten Zahlen stellen für 24 Stunden berechnete Mittel- 
werte dar, die den direkten Vergleich zwischen den 3 Perioden 
ermöglichen. 

An der Hand der Tabellen I, H und III, die uns ein 
umfassendes Bild über die gesamten Einnahmen und Ausgaben 
liefern, können wir den Stoff- und Kraftwechsel des Tieres pro 
24 Stunden für die einzelnen Perioden berechnen. Die Resultate 
sind in den Tabellen IV und V so vollständig und übersicht- 
lich zusammengestellt, daß wir glauben, uns damit begnügen 
zu können, die Durchführung der Berechnung an einem Bei- 
spiel, und zwar der ersten Periode, in extenso zu demonstrieren. 
Wir berechnen den Stoffumsatz, indem wir uns der von Rubner 
inaugurierten Berechnungsart bedienen*). Unser Versuchstier 
schied in der ersten Periode 8,735 g N pro 24 Stunden im 
Harn aus. Diese N-Ausscheidung entspricht einer Eiweißzer- 
setzung von 54,59 g. Nach den Untersuchungen von Rubner 
gehören zu jedem Gramm N im Harn 5,923 1 Sauerstoff und 


Tabelle 1. 


Zusammensetzung und Brennwert des gereichten Futters. 


ar Ae pau 














Freie | . 
Fett Fettsäure | Calorien 
| “Lo , % - Prog 
Pferdefleisch .| 75,82 aan Jııgı ! 13 | — | 1,3424 
Rindertalg . . . .] 091 — 17561 | — 0,81 9,563 
Fettsäureäthyleste 
aus Rindertalg . .| — | — ¡76,38| — 1,35 9,726 


1) Durch die Verbrennung von Alkohol der Athylester mußte in 
der Hauptperiode eine Erhöhung des Sauerstoffkonsums gegenüber der 
Verbrennung von Glycerin entstehen. Für die praktische Ernährungs- 
frage ist sie belanglos und wurde deshalb zunächst in der Rechnung nur 
berücksichtigt bei der Berechnung der absoluten Menge verbrannter Ester. 


Tabelle II. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 




















Rinderfett 












Ss 

23 Kreisch bzw. Ester 
2 3 ¡ i 
le 
Gs E 

= | 
kg gl 

Vorperiode: 

17. 11. 111,72] 50,0: =! — !'— | — — |! | — 125,0 

18. 11,72 | 300,0 9,90 35,73 3,90'402,74 | 50,0; 37, Hu 478, 15] 100,0] — 

19. — 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74150,0'37,80:478,15] — | — 

20. 11,80 | 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74 50,0'37,80 478,15 | 140,01 — 

21. 11,70 | 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74 | 50 0 37,80.478,151 180,0] — 

22. 11,85 | 300.0 9,90 35.73 3,90 402,74 50,0,37,80 47815 140,0] — 

23. 11,85 | 300,0:9,90 35,73 3,90/402,74 | 50,0:37,80 478,151 130,0 | — 

24. 11,85 | 300,0,9,90 35,73 3,90 402,74 | 50,0:37, "80 478,15] 145,0] — 

25. 11,88 | 300,0 9, 90 35,73 3,90' 402,74 50,0:37,80 478,151 30,0] — 

26. 11,88 300,0 9,90 39,193 3.90 402,74 50,0 37, RO) 478,15 130,0] — 

21. 11,90 | 300,0 9,90:35,73 3,90/402,74 | 50,0:37,80 478,15 | 70,0] — 

28. — [300,0 9,90 35,73 3,90/402,74 | 50,0,37,80 478,15 | 130,0 | 40,0 

Hauptperiode: 

29. II. | 11,95 |300, 0 9,90 35,73'3,90 402,74 | 50,0 38,19:486,30 | 120,0] — 
1. III.| 11,85 300,0 9.90 35,73 3.90 402,74 50,0 38,19486,30 | 110,0] — 
2. 11,94 | 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74 | 50,0.38,19' 486, 30] 60,0 | 50,0 
3. — 300,0 9,90 35,73 3.90. 402,74 50,0 38,19 456,30 | 35,0 60,0 
4. 11,79 | 300,0 9,90 35,73 3,90 402,74 | 50,0 38,19 486, 30 | 25,0 | 80,0 

Nachperiode: 
5. III. 135,73 3,90 402,74 | 50,0'37,80 478,15 | 220,0] — 
6. [11.60 | 300,09, aas, 73.3,90 402,74 | 50,0.37,80:478,15 | 200,0 | — 
7. 11,72 | 300, 019, ,90 35 23 3,90 402,74 | 50,0 37,80|478,15 | 110,0 
8. — 100,0) — | — |=;i — = —|-— — 160,0 


4,7541 CO,. Der im vorliegenden Falle erfolgten Ausscheidung 
von 8,735 g N entspricht demnach ein Sauerstofikonsum von 
51,737 1 und eine Kohlensäureproduktion von 41,526 1. 
Mittel der 3 Respirationsversuche betrug der Sauerstofíver- 
brauch 143,66 L die Kohlensäureproduktion 111,48 l. Sub- 
trahieren wir die eben angegebenen auf Eiweißverbrennung 
entfallenden Werte von den Gesamtwerten für 24 Stunden, so 
bleibt ein Kohlensäurerest von 69,95 1 und ein Sauerstoffrest 
von 91,92 l, die sich der Hauptsache nach auf Fett- und 
Glykogenverbrennung beziehen. Der Sauerstoffrest in Litern 
minus dem Kohlensäurerest in Litern, dividiert durch 0,57 
ergibt die Menge des verbrannten Fettes in Grammen: 
91,92 — 69,95 
one 


Im 


— 38,54 g Fett. 


Johannes Müller und H. Murschhauser 


74 





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Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 75 








Aus Umsetzungs- 
produkten 
ermittelt 









K 


‚Aus Nahrung und 
Körpermaterial 








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0,51 |2,15/13,44|225,19]889,04|902,481 901,77] 0,71 









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abgebaut 
g 
0,925] — |34,00|123,34|880,89/914,89|922,92| 8,03 


Aus Körper- 


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II 
II. 





Die Menge der verbrann- 
ten Kohlenhydrate berech- 
net sich nach der Formel: 

b— 1,419 x 

0,828 ’ 
wobei b der eben angege- 
bene Kohlensáurerest und 
x die verbrannte Fettmenge 
darstellt. Es sind dem- 
nach verbrannt 18,43 g Gly- 
Bei der Umrech- 
nung der so ermittelten 
Zahlen für den Stoffum- 
satz in Energiewerte stü- 


kogen. 


tzen wir uns auf die von 
uns durch calorimetrische 
Messungen direkt gefun- 
denen Brennwerte für die 
Nahrungsstoffe und Aus- 
scheidungen. Wir fanden 
im Verbrennungscalorimeter 
einen Brennwert für 100 g 
Fleisch von 134,24 Cal.; 
da das von uns verwen- 
dete Fleisch aber 1,3%, 
Fett enthält, so haben wir 
den auf Fett entfallenden 
Anteil von 12,35 Cal. dann 
zu subtrahieren, und erhal- 
ten so für 100 g fettfreies 
Fleisch einen Brennwert 
von 121,89 Cal., oder bei 
einem N-Gehalt des Flei- 
sches von 3,3°/, einen Brenn- 
wert pro Gramm N von 
36,93 Cal. 


Johannes Müller und H. Murschhauser: 


=] 
Co. 


Den 8,735 g N im Harn entspricht somit 
ein Brennwert von. . . 2 2 2 2 2.2.2... 322,58 Cal.; 
davon gehen ab die noch im Harn enthaltenen 65,46 n 
durch Verbrennen von „Eiweiß“ (Fleisch) 


wurden also geliefert . . . . . . . . . 257,12 Cal, 
38,54 g Fett lieferten . . . 2 2 . . . . .368,44 » 
18,43 g Kohlenhydrate . . . . . . . . . . 77,22 » 
im ganzen also. . . 702,78 Cal. 


Aus Tabelle V geht nun hervor, daß von den 9,9g N, 
die in der Nahrung als Fleisch gereicht wurden, nur 9,0g im 
Harn wieder auftraten, daß also 0,9g N angesetzt wurden. 
Diese 0,9g N, als Eiweiß gerechnet, entsprechen 33,24 Cal. 
Des weiteren geht sowohl aus Tabelle IV wie aus Tabelle III 
hervor, daß von den in der Nahrung enthaltenen 880,89 Cal. 
125,34 Cal. wieder in Harn und Faeces erschienen. Addie- 
ren wir zur Vervollständigung der Energiebilanz die zum An- 
satz gelangten 33,24 und die unausgenutzt ausgeschiedenen 
125,34 Cal. in Harn und Faeces zu den durch Verbrennung 
im Organismus freigewordenen, so nähern wir uns mit 
861,36 Cal. bis auf 19,5 Cal. oder 2,2%, den eingeführten 
880,89 Cal. Rein analytisch noch weit günstiger fiel die Bi- 
lanz in Periode II und III aus. Nach den Angaben der Ta- 
belle IV kamen in der I. Periode 33,24 Cal. aus Eiweiß der 
Nahrung stammend zum Ansatz, in der II. Periode wurden 
13,44 Cal. aus Körpereiweiß zugesetzt, während in der III. Pe- 
riode 116,15 Cal. als Fett angesetzt wurden und 34,0 Cal. aus 
Körpereiweiß frei wurden. In der Ausnutzung der durch die 
Nahrung zugeführten Calorien macht sich in der I. und 
HI. Periode ein Unterschied geltend derart, daß in der 
III. Periode der Brennwert der Faeces um annähernd 
denselben Betrag fällt, als der des Harnes ansteigt; 
dabei ist die Summe der in dem Harn und Faeces aus- 
geschiedenen Wärmemengen in beiden Perioden nahezu die- 
selbe, nämlich 123 bzw. 125 Cal. In der Hauptperiode ist 
gegenüber der Vor- und Nachperiode der unausgenutzte Anteil 
an Calorien ziemlich beträchtlich erhöht. 

In Tabelle V ist schließlich die Stickstoff- und Kohlenstoff- 
bilanz für 24 Stunden wiedergegeben. Wir erläutern rechne- 


77 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 


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78 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


risch wiederum nur die erste Periode. Da der Stickstoff der 
Nahrung nur im Harn und in den Faeces wiedererscheint, so 
gestaltet sich die Aufstellung der N-Bilanz sehr einfach. Bei 
dem N-Gehalt des Fleisches von 3,3°/, erhält der Hund täglich 
9,9g N als Eiweiß; von diesen 9,9 g schied er im Mittel 
pro 24 Stunden 8,735 g im Harn und 0,265 g in den Faeces 
aus, im ganzen also 9,0 g. Es sind somit 0,9 g N angesetzt 
worden. 

Ungleich komplizierter ist die Berechnung der Kohlenstoff- 
bilanz. Nach der Elementaranalyse enthalten 300 g unseres 
Fleisches 35,73 g C; davon entfallen auf das im Fleisch ent- 
haltene Fett 2,99g C. Nehmen wir nun das Verhältnis von 
N zuC im Eiweiß 16:52,5 an, so kommen auf die 9,9g N im 
Fleisch 32,48 gC. In den 50 g Talg der I. Periode erhielt der 
Hund außerdem 37,80 g C. Unter Einsetzung des Wertes 32,48 
als EiweiB-C gelangen wir zu einer Tagesdosis an C von 
73,27 g, während die durch die Elementaranalyse direkt er- 
mittelte Menge 73,53 g beträgt. Von diesen 73,53 g C er- 
scheinen in Harn und Atmungsluft (6,43 +4 59,57) = 66,00 g C 
wieder. Die 59,57 g C sind, wie Tabelle III zeigt, aus der 
produzierten Kohlensäure durch Umrechnung auf C erhalten 
worden. Wir haben zur Kontrolle die Berechnung noch in 
einer anderen Weise vorgenommen, indem wir von den den 
umgesetzten Nährstoffmengen entsprechenden Kohlenstoffmengen 
ausgingen; bei dieser Berechnungsart kommen wir auf eine 
Ausscheidung von C im Harn und durch Respiration von 
65,71 g, eine Zahl, die von der obigen um 0,29 g differiert. 
Von diesen 65,71 g C entfallen 28,38 g auf Eiweiß, 29,14 g 
auf Fett und 8,19 g auf Glykogenzersetzung. Nach der 
Kohlenstoffbestimmung wurden 4,95 g C in den Faeces aus- 
geschieden. An dieser Menge ist das Eiweiß mit 0,88 g C 
(entsprechend 0,265 g ausgeschiedenem N), das Fett mit 3,88 g 
(entsprechend 4,55 g nicht resorbierten Fettsäuren), das Chole- 
sterin mit 0,17 g (entsprechend 0,19 g Cholesterin) beteiligt. 
Wir haben oben bereits erwähnt, daß 0,9g N im Körper 
retiniert wurden. Bei dem Verhältnis N:C wie 16:52,5 im 
Eiweißmolekül entsprechen diese 0,9g N 2,92 g C. Die Kohlen- 
stoffbilanz schließt somit analytisch mit einer minimalen Dif- 
ferenz ab. | 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 79 


In der 65,71 g C verbrannt 
Nahrung auf- 2,92 g C angesetzt 
genommen 4,95 g C unzersetzt ausgeschieden 
73,53 g C 73,58 g C 
Ergebnis. 


Aus den gewonnenen Tafeln der Stickstoff- und 
Kohlenstoffbilanz wie aus der Wärmebilanz ergibt 
sich zweifellos, daß die Fettsäureäthylester die natür- 
lichen Fette im Stoffwechsel vollkommen zu vertreten 
vermögen, daß sie also nach Maßgabe ihres Brenn- 
wertes von 9,726 Calorien pro Gramm den natürlichen 
Fetten isodynam sind. Ob für die Erhöhung des Eiweiß- 
umsatzes während der Fütterung der Äthylester der in ihnen 
enthaltene Alkohol mitverantwortlich gemacht werden muß, 
steht dahin. Die Hauptursache der erhöhten Eiweißverbrennung 
ist jedenfalls durch die mangelhafte Ausnutzung der 
Äthylester gegeben. Denn während der Petrolätherextrakt 
der Faeces in der Vorperiode 4,74 g pro 24 Stunden, in der 
Nachperiode 3,14 g betrug, entsprechend einer Ausnutzung 
von rund 91 bis 94%/, des Fettes, wog der Petroläther- 
extrakt der Faeces pro 24 Stunden der Hauptperiode 12,59 g, 
was einer Ausnutzung der Fettsäureäthylester von 
rund 75°), entsprechen würde. Selbstverstándlich ver- 
mindert sich dadurch die Zahl der dem Tiere zur Verfügung 
stehenden Calorien, und es mußte das Defizit aus seiner Körper- 
substanz decken. Wir finden dementsprechend in der Vor- 
periode einen täglichen Eiweißansatz von 5,625 g, während in 
der Hauptperiode 3,21 g pro Tag Körpereiweiß in Verlust gingen. 

Eine eingehende Diskussion der Versuchsergebnisse, soweit 
sie für rein wissenschaftliche Probleme des allgemeinen Stoff- 
wechsels von Wichtigkeit sein können, soll einer späteren Ge- 
legenheit vorbehalten bleiben. In praktischer Beziehung 
— und unter den Umständen des Krieges steht die 
praktische Ernährungsfrage in erster Linie — ergibt 
sich jedenfalls mit Sicherheit, daß man ohne Bedenken für 
die Ernährung von Mensch und Tier einen gewissen Prozent- 
satz der natürlichen Fette durch Fettsäureäthylester ersetzen 


80 Juhannes Müller und H. Murschhauser: 


kann. Wie weit man dabei gehen soll, das scheint in erster 
Linie von der Empfindlichkeit des Geschmackes abzuhängen. 
Mischt man guter Molkereibutter 20°/, Fettsäureäthylester bei, 
so ist das Gemisch für nicht allzu verwöhnte Menschen durch- 
aus gut genießbar. Bei der Tierfütterung kann man wohl auch 
auf */, des Gewichtes unbedenklich heraufgehen. Die dabei ver- 
abreichte Alkoholmenge ist so gering, daß selbst vom extremsten 
Standpunkte aus Bedenken wohl nicht erhoben werden können. 

Die am Schluß abgedruckten Protokolle orientieren über 
den Verlauf der Respirationsversuche; einer besonderen Er- 
läuterung bedürfen sie wohl nicht. Besonders aufmerksam 
gemacht sei auf die Protokolle, die über den Umfang der 
körperlichen Bewegung des Hundes während des Aufenthaltes 
im Respirationsapparat orientieren. 

Nachtrag: Wir haben schon oben die wichtigen Versuche 
von Otto Frank über die Resorption der Fettsäureäthylester 
erwähnt. Frank hat im Verlaufe seiner Versuche auch einige 
Ausnutzungsversuche mit Fettsäureäthylestern gemacht und 
dabei im allgemeinen Zahlen erhalten, die mit den von uns 
gefundenen sich in derselben Größenordnung bewegen. In 
einigen Versuchen hat er sogar eine bessere Ausnutzung ge- 
funden als wir (im Mittel 87%/,). Ganz aus der Reihe ist in 
der Frankschen Untersuchung die Zahl für die Ausnutzung 
des Stearinsäureäthylesters gefallen, für den er nur eine Aus- 
nutzung von 12,7°/, gefunden hat. Das Faktum hat natürlich 
die Aufmerksamkeit Franks erregt, doch hat er davon absehen 
zu sollen geglaubt, sich für irgendeine der möglichen Erklärungen 
zu entscheiden. Wir haben uns jedenfalls unsererseits für ver- 
pflichtet gehalten, die Ausnutzung des Stearinsäureäthylesters 
und Palmitinsäureäthylesters noch in besonderen Ausnutzungs- 
versuchen vergleichend zu prüfen, da. wir geneigt waren, das 
Resultat von Frank auf eine Verunreinigung des verfütterten 
Stearinsäureäthylesters zurückzuführen. Leider war aus nahe- 
liegenden Gründen keine Möglichkeit, Stearinsäure von möglichst 
vollkommener Reinheit selbst darzustellen, so daß vorhandene, 
als käuflich bezeichnete Präparate von Stearinsäure bzw. von 
Palmitinsäure (Kahlbaum) benutzt werden mußten. Die Dar- 
stellung der Ester geschah nach unserer oben mitgeteilten 
Methode, während Frank seine Ester durch andauerndes Ein- 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 8l 


leiten von trockenem Chlorwasserstoff in die alkoholische Lö- 
sung dargestellt hat. Sowohl der Stearinsäure- wie der Palmitin- 
säureester enthielten noch kleine Mengen freie Säure. Da, 
wie oben bemerkt, das Ausgangsmaterial nicht chemisch rein 
war, insbesondere geringe Mengen Ölsäure enthielt, so lag der 
Schmelzpunkt der Ester tiefer, als die Literatur angibt. 

Die Ausnutzungsversuche wurden an dem gleichen Hund 
(Fox) angestellt, der zu dem großen Stoffwechselversuch benutzt 
worden war. Der Hund erhielt am Abend vor dem ersten 
Versuchstag etwas Fleisch mit Talkum zur Abgrenzung des 
Kotes, dann am Morgen des ersten Versuchstages 100 g Fleisch 
mit 25 g Stearinsäureäthylester und ebenso mittags 100 Fleisch 
und 25 g Stearinsäureester. Da sich am nächsten Morgen eine 


Darmstörung zeigte (dem sehr weichen Kot war etwas Blut ` 


beigemischt), so wurde zur Abgrenzung Kohl mit etwas Fleisch 
gegeben und der Versuch einstweilen abgebrochen. Nach 
8 Tagen, als alle Störungen geschwunden waren, wurde der 
Versuch wieder aufgenommen, und der Hund erhielt 2 Tage 
wieder je 200 g Fleisch und 50 g Stearinsáureester in zwei 
Portionen, sodann 2 Tage an Stelle des Stearinsäureesters 
50 g Palmitinsäureester. Die Abgrenzung des Kotes der ein- 


zelnen Versuche gelang ausgezeichnet. Der schonend getrocknete < 


und gepulverte Kot wurde wieder nach Kumagawa-Suto 
analysiert. Das Ergebnis des Ausnutzungsversuches stellt 
folgende Tabelle dar: 





Nahrung Faeces 


Ges. 
Trocken- 










Fleisch 











23.VII. | 100 g Fleisch +50 g Talk. .| — = | — | = 


25.VII. | 100 g Fleisch + 0,5 g Carmin 





30. 100g nn +5,0g Kohle — — — — 
31.VII. [200 g Fleisch+50g Talk. | 50 | — 69,77 | 17,86 
1.VIIL| 200 g Fleisch + 50 g Talk. 
+ 0,5 g Carmin| — 50 147,83 | 26,30 
2. 200g » +50gTalk. .| — 








8.VIIL| 200 g Fleisch + 5g Kohle .| — = — | — 
Biochemische Zeitsehrift Band 78. 6 


82 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


Hieraus berechnet sich eine Ausnutzung des Palmitin- 
säureesters von rund 74°/,, des Stearinsáureesters von rund 
64°/,. Das befremdende Ergebnis des einen Frankschen Ver- 
suches hat also sicher auf Zufälligkeiten beruht. Immerhin 
geht auch aus unseren eben mitgeteilten beiden Ausnutzungs- 
versuchen eine erheblich schlechtere Verwertung des Stearin- 
säureesters gegenüber dem Palmitinsäureester hervor. Ob das 
auch für die absolut reinen Körper gilt, müssen weitere Unter- 
suchungen entscheiden. 


Protokolle. 


Versuch vom 25. II. 1916. 
Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des 
Hundes Unterlage Versuches 


11,88 kg 820 g 5h 52” 300g Fleisch 
50 g Rindertalg 
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 20,7° 750,43 — 0,02 + 0,06 40 
Endwerte . . 19,70 74645 +2,85 +5,26 93 
Anfangsvolum 194,5001 bei 20,7° u. 743,08 mm Hg. = 176,7461 
Endvolum . 194,4001 bei 20,7%u. 731,75 mm Hg. = 173,960 1 


Ernährung 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,05 9/, 0,499, CO, = 0,05%, 
O, = 20,89 |, 18,779, O, = 98,409/, 
N, = 79,06 9/, 80,74%, N, = 1,55 SC 
100,00%/, 100,009, 100,00 9/, 
Sauerstoffbilanz: 
Vorher vorhanden `, . . . . . 36,922] 
nachher 4 © e e . . 32,652 1 
4,2701 
Anfangsgew. d. Gasometers = 54,415 kg bei 18,2° u. 750,93mm Hg 
Endgewicht » ” =91,050w" a 18,2% » 750,93 m n 


zugeführt ==33,2881 bei 0% und 760 mm Hg 
davon ab ‘N, in O, = 0,516 1 
n » CO, in O, = 0,0171 
EE g os h op Aer 4,2701 
Nettosauerstoffverbrauch 37,025 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 6,3111. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 83 


Kohlensáurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,088 l; aus Lauge .. . . = 27,9041C0, 
nachher ” 0,852 1 Gesamtkohlensäureprod. = 28,668 l; 
0,7641 
Kohlensáure pro Stde. = 4,887 1; Respirator. Quotient == 0,774; 


Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden . , 139,734 l; N, aus O, (1,55°/,) = 0,516 1 
nachher n . . 140,455 1 
0,721 1 


Differenz = + 0,205 1. 


Versuch vom 26. II. 1916. 
Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des 
Hundes Unterlage Versuches 


11,88 kg 820 g 5h 53’ 300g Fleisch 
| 50 g Rindertalg 
Temperatur Bar.korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 19,8 749,68 + 0,03 + 0,08 45 
Endwerte . . 19,8 748,70 + 4,80 + 4,25 90 
Anfangsvolum 194,5001 bei 19,8% und 741,89 mm Hg. =177,005 1 
Endvolum . . 194,4751 » 198% » 735,02 n»n » =175,3401 


Ernährung 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,05 En 0,50 9, CO, = 0,05 9, 
O, = 20,89 |, 19,18 9%, O, = 98,40 DL 
N, = 79,06 DL, 80,32 %, N, = 1,55 %, 
100,00 %/, 100,00 %/, 100,00 °/, 
Sauerstoffbilanz: 
Vorher vorhanden. . . . . . 36,9761 
nachher ” Li e a e 99,0301 
3,346 1 
Anfangsgew. d. Gasometers = 36,230 kg bei 18,3% u. 749,7 mm Hg 
Endgewicht » ” = 71,555 n n» 17,99» 7487 n y 


zugeführt = 32,058 1 bei 0% und 760 mm Hg 
Gë 


84 Johann Müller und H. Murschhauser: 


davon ab N, in O,= 0,497 1 

n n CO, » Uu = 0,016 1 

dazu. .... eœ 3,346 1 

Nettosauerstoffverbrauch 34,891 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,930 1. 


Kohlensáurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,088 l; aus Lauge . . . . - =26,58510C0, 
nachher n 0,877 1 Gesamtkohlensäureprod. = 27,374 l 
0,789 1 
Kohlensäure pro Stde. = 4,6531; Respirator. Quotient = 0,784. 


Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden . . 139,939 l; N, aus O, (1,55 °/,) = 0,497 1; 
nachher ” . . 140,832 1 
0,893 1 
Differenz = + 0,396 1. 


Versuch vom 27. Il. 1916. 
Versuchsobjekt: Hund Fox. 





o Ernährung 
11,90 kg 820 g 5b 58' 300 g Fleisch 
| 50 g Rindertalg 
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 20,1 747,96 + 0,07 + 0,07 42 
Endwerte . . 19,4 747,10 + 1,60 + 2,80 83 


Anfangsvolum 194,480 l bei 20,1% u. 740,61 mm Hg. =176,5001 
Endvolum . . 194,455 1 » 20,1% n 732,48 n»n a =174,5381 


Analysen. 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,05 %/, 0,55 %/, CO, = 0,05 Hl, 
O, = 20,89 %/, 19,01 9, O, = 98,40 |, 
N, = 79,06%, 80,44%, N, = 1559, 
100,00 %/, 100,00 |, 100,00 9/, 
Sauerstofíbillanz: 
Vorher vorhanden. . . . . . 36,871 1 
nachher ” nn. + 33,179 1 


3,692 1 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 85 


Anfangsgew. d. Gasometers = 33,575 kg bei 18,08°u.748,1 mm Hg 
Endgewicht » n = 67,745 n » 18,3% n7471 » » 
zugeführt = 30,913 l bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in O, = 0,4791 
” ” CO, » 0,= 0,0151 
daan. 5 A s.es. 3,692 1 
Nettosauerstoffverbrauch 34,111 1 
Sauerstofíverbrauch pro kg und Stunde = 5,717 1. 


Kohlensäurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,088 l; aus Lauge. . . . . =25,3531C0, 
nachher n 0,960 1 Gesamtkohlensäureprod. — 26,225 1 
0,872 1 

Kohlensáure pro Stde. = 4,395 1; Respirator. Quotient = 0,769. 

-  Stickstoffbilanz: f 
Vorher vorhanden . . 139,541 1; N, aus O, (1,55 %/,) = 0,479 l; 
nachher » . . 140,397 1 n 

0,856 1 


Differenz = + 0,3771. 


Versuch vom 29.11. 1916. 
Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des x 
Hundes Unterlage Versuches Ernährung 
11,95 kg 820 g 5h 53’ 300 g Fleisch 
50 g Ester 


Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 20,2° 747,46 + 0,09 + 0,06 47 
Endwerte . . 19,7° 744,90 — 0,38 + 4,95 82 
Anfangsvolum 194,430 l bei 20,2% u. 739,57 mm Hg.= 176,1481 
Endvolum . 194,4001 » 20,2% » 727,70 » a =173,2921 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,05°/, 0,659, CO, = 0,05%, 
O, = 20,89 ls 18,549, O, = 98,40%, 
N = 79,06%), 80,81%, N, = 1,55%, 


100,009), 100,009, 100,009/, 


86 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


Sauerstoffbilanz: 
Vorher vorhanden. . . . . . 36,797 1 
nachher ” . e è . o . 32,1281 
4,669 1 
Anfangsgew. d. Gasometers = 35,220 kg bei 18,0% u. 747,6 mm Hg 
Endgewicht » n =— 67,475 » n 18,2% n 744,9 » n» 


zugeführt == 29,157 l bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N, in O, = 0,4521 
n n CO, » O, = 0,0141 
dazu. . ..... 4,669 1 
Nettosauerstoffverbrauch 33,360 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,6701. 


Kohlensäurebilanz: | 
Vorher vorhanden 0,088 1; aus Lauge . . . . . =25,3821C0, 
nachher n 1,126 1 Gesamtkohlensäureprod. == 26,420 l; 
1,038 1 


Kohlensäure pro Stde. — 4,491 1; Respirator. Quotient = 0,792. 


Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden . . 139,265 l; N, aus O, (1,55°/,) = 0,452 1 
nachher e  . . 140,0391 
0,7741 


Differenz = + 0,322 1. 


Versuch vom 1. III. 1916. 


Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des d 
Hundes Unterlage Versuches Ernährung 


11,85 kg 820 g 5h 56’ 300 g Fleisch 
50 g Aethylester 
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr 
Anfangswerte 20,7° 742,2 + 0,09 -+ 0,06 51 
Endwerte . . 19,8% 742,2 + 0,45 + 1,93 87 
Anfangsvolum 194,530 1 bei 20,7%u. 732,95 mm Hg. = 174,360 1 
Endvolum . . 1944801 » 20,7%» 724,89 n n» =172,3961 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 87 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,05%, 0,52%, CO, = 0,05%, 
O, = 20,899, 19,33%, O, = 98,40%, 
N, = 79,06%/, 80,159, N= 10575 
100,009/, 100,009/, 100,009/, 
Sauerstoffbilanz: 


Vorher vorhanden. . . . . . 36,424 1 


nachher n o... o o 33,3241 

3,100 1 
Anfangsgew. d Gasometers = 43,115 kg bei 18,4% u. 742,0 mm Hg 
Endgewicht » ” = 77,540 » a 18,28% 7422 n»n » 


zugeführt = 30,896 l bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N,in O, = 0,4791 
” » CO, » 0,= 0,0151 
dazu . . . . . . = 31001 
Nettosauerstoffverbrauch 33,502 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,646 1. 


Kohlensäurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,0871; aus Lauge . . . . . =25,1721C0, 
nachher a 0,896 1 Gesamtkohlensäureprod. — 25,981 1 
0,809 1 


Kohlensäure pro Stde. — 4,379 l; Respirator. Quotient = 0,776. 


Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden . . 137,852 1; N, aus O, (1,55°/,) = 0.479 1 
nachher ” . . 138,175 1 
0,323 1 
Differenz = — 0,1561. 


Versuch vom 2. III. 1916. 


Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des Ernäh 
Hundes Unterlage Versuchs INSNEUNG 


11,94 kg 820 g 5b 50° 300 g Fleisch 
50 g Aethylester 


88 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


Temperatur ` Bar.korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 21.0° 741,13 -+ 0,08 + 0,05 48 
Endwerte . . 20,1° 738,33 + 0,70 + 3,50 87 
Anfangsvolum 194,4401 bei 21,0% u. 732,28 mm Hg. =173,944 1 
Endvolum . . 194,4001 » 21,0% » 722,50 » » =171,5841 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,059, 0,549, CO, = 0,059), 
O, = 20,89%, 18,979), O, = 98,40%, 
N, = 79,06%, 80,499), N, = 1,559, 
100,009/, 100,00°/, 100,00°/, 
Sauerstoffbilanz: 
Vorher vorhanden. . . . . . 36,337 1 
nachher n gë A A a 62,0 
3,7871 
Anfangsgew.d.Gasometers— 34,765 kg bei 18,45 ° u. 741,13mm Hg 
Endgewicht » ” —67,650 n»n » 18,52% » 738,38 o » 


zugeführt — 29,4031 bei 0% und 760 mm Hg 
davon ab N, in O, = 0,4561 
” a CO, » O,= 0,0151 
Co f: tA p sc A 1 3,7871 
Nettosauerstoffverbrauch 32,7191 


Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,609 L 


Kohlensäurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,0871; aus Lauge. . . . . =24,8971C0, 
nachher ” 0,926 1 Gesamtkohlensäureprod. = 25,736 1 


0,839 1 
Kohlensáure pro Stde. = 4,4121; Respirator. Quotient = 0,786. 


Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden , . 137,5221; N, aus O, (1,55°/,) = 0,456 1 
nachher D . . 138,1091 


0,5871 
Differenz = + 0,1311. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 89 


Versuch vom 3. III. 1916. 


Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des 
Hundes Unterlage Versuches 


— 820 g 5b 42” 300g Fleisch 
50 g Äthylester 
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 20,9° 737,24 + 0,10 + 0,05 48 
Endwerte . . 20,30 737,84 + 3,20 — 0,23 87 
Anfangsvolum 194,5301 bei 20,9% u. 728,46 mm Hg = 173,172 1 
Endvolum , . 1944801 » 20,9% » 724,92 a n»n =172,2841 


Ernáhrung 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,059/, 0,47%, CO, = 0,059, 
O, = 20,89%, 19,52%, 0, — 98,40%, 
„= 79,06°|, 80,01 lo N, = 1,56 1,55%), 
100,00%/,  100,009/, 100,009/, 
Sauerstoffbilanz: 
Vorher vorhanden. . . . . . 36,176 ] 
Nachher n © e e e o o 33,6301 
2,546 1 
Anfangsgew.d. Gasometers = 44,355 kg bei 18,6 %u. 737,1 mm Hg 
Endgewicht » n — 79,660 » na 18,22% » 7378 n » 
zugeführt . . . . =— 31,469 l bei 0° und 760 mm Hg 
davon ab N,in O, = 0,4881 


” » CO, » O, = 0,016 1 

dazu Bus by 2,546 1 

Rate 33,511 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,8791. 


Kohlensäurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,0861; aus Lauge . . . . . =25,1521C0, 
Nachher » 0,8101 Gesamtkohlensäureprod. = 25,876 1 
0,7241 
Kohlensäure pro Std. = 4,540 l; Respirator. Quotient = 0,772. 





Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden . . 136,913 1; N, aus O, (1,55°/,) = 0,488 1 
Nachher ” . . 137,845 1 
0,932 1 


Differenz = + 0,444 1. 


90 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


Versuch vom 4. III 1916. 
Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des 
Hundes Unterlage Versuches 


11,79 kg 820 g 5b A9 300 g Fleisch 
50 g Athylester 
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 20,25% 744,62 + 0,10 + 0,05 57 
Endwerte . . 19,6 ° 747,0 + 3,78 + 0,04 93 
Anfangsvolum 194,5901 bei 20,2% u. 734,64 mm Hg = 175,1121 
Endvolum . . 1945401 » 20,2% » 732,27 n n» =174,5041 


Ernábrung 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO,= 0,05%, 0,58%, CO, = 0,05%, 
O, = 20,899/, 19,75%, O, = 98,40%, 
N, = 79,06°/, 79,67%, N, = 1,55%, 
100,009), 100,00 Ye 100,009/, 
Sauerstoffbilanz: 


Vorher vorhanden. . . . . . 36,582 1 
_ Nachher ” e... . . 34,4651 


2,1171 
Anfangsgew.d. Gasometers = 41,405 kg bei 18,45% u. 744,3 mm Hg 
Endgewicht n n =— 77,950 n n 18,3 ° n 7469 n » 


zugeführt . . . . = 32,953 1 bei 0% und 760 mm Hg 
davon ab N, in O, = 0,5101 
n » CO, » O, = 0,016 1 
dazu ......= 21171 
Nettosauerstoffverbrauch 34,544 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,956 1. 


Kohlensäurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,0871; aus Lauge . . . . . = 26,1351 CO, 
Nachher n 1,0121 Gesamtkohlensäureprod. = 27,0601 
0,9251 
Kohlensäure pro Std. = 4,665 l; Respirator. Quotient = 0,783. 


Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden . . 138,445 1; N, aus O, (1,55%/,) = 0,510 1 
Nachher n . . 139,028 1 
0,583 1 


Differenz = + 0,073 1. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 91 


Versuch vom 5.III. 1916, 
Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des 2 
Hundes Unterlage Versuches Ernährung 


11,77 kg 820 g 5253" 300g Fleisch 
50 g Rinderfett 
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 20,7% 752,33 + 0,10 —+- 0,05 44 
Endwerte . . 19,9% 752,18 + 3,23 + 2,32 86 
Anfangsvolum 194,6101 bei 20,7% u. 744,38 mm Hg = 177,1501 
Endvolum . . 194,5401 » 20,7° » 737,85 » n —175,5331 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,05°/, 0,50%, ` CO, = 0,05°/, 
O, = 20,89°/, 19,50°/, O, = 98,40°/, 
N, = 79,06 en 80,00°/, N, = 1,55%, 
100,00%/, 100,009, 100,009, 
Sauerstoffbilanz: 
Vorher vorhanden. . . . , . 37,007 1 
Nachher » ... . . 342291 
2,778 1 
Anfangsgew.d.Gasometers— 38,585 kg bei 18,45° u. 752,38 mm Hg 
Endgewicht » ” = 72,290 n » 18,45%» 752,18 n » 
zugeführt . . . . = 30,661 l bei 0% und 760 mm He 


davon ab N, in O, = 0,475 1 

” n CO, n O, = 0,0151 

dazu . . . . . . = 27781 

Nettosauerstoffverbrauch 32,949 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde — 5,601 L 


Kohlensäurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,0881; aus Lauge . . . . . = 24,4841C0, 
Nachher » 0,8771 Gesamtkohlensäureprod. = 25,2731 
0,7891 
Kohlensäure pro Std. = 4,296 1; Respirator. Quotient — 0,767. 


Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden . . 140,055 l; N, aus O, (1,55°/,) = 0,475 1 
Nachher ” . . 140,426 1 
0,371 1 


Differenz = — 0,104 l. 


92 Johannes Müller und H. Murschhauser: . 


Versuch vom 6. III. 1916. 
Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des 
Hundes Unterlage Versuches 


11,60 kg 820 g 600” 300g Fleisch 
50 g Rindertalg 
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 20,2% 750,98 -+ 0,09 + 0,06 46 
Endwerte . . 19,8% 750,68 + 3,30 + 3,35 85 
Anfangsvolum 194,7801 bei 20,2% u. 742,91 mm Hg = 177,2601 
Endvolum . . 194,7501 » 20,2% » 736,14 » a =175,6161 


Ernáhrung 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Bauerstoffes 
CO, = 0,05 21, | 0,509/, CO, = 0,05 N 
O, = 20,899/, 19,559, O, = 98,40%, 
Na = 79,069), 79,95%, N = 1,55%, 
100,009/, 100,009/, 100,009, 
Sauerstoffbilanz: 


Vorher vorhanden. . . . . . 37,030 1 
Nachher n co... . 34,333 1 


2,697 1 
Anfangsgew.d.Gasometers = 41,825 kg bei 18,57%u. 751,03 mm Hg 
Endgewicht » » =75,190 n n 18,5 fo 750,73 n n 
zugeführt . . . . =30,2761 bei :0% und 760 mm Hg 


davon ab N, in O, = 0,469 1 

» a CO, » O, = 0,015 1 

dazu . . . . . . = 26971 

Nettosauerstoffverbrauch 32,489 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,415 l. 


Kohlensäurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,0891; aus Lauge . . . . . =24,1031C0, 
Nachher n 0,8781 Gesamtkohlensáureprod. = 24,8921 
0,7891 
Kohlensäure pro Std. = 4,149 l; Respirator. Quotient = 0,766. 
Stickstoffbilanz: 

Vorher vorhanden . . 140,142 l; N, aus O, (1,55°/,) = 0,469 1 
Nachher D . . 140,403 1 

0,261 1 


Differenz = — 0,208 1. 


Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 93 


Versuch vom 7.III. 1916. 


Versuchsobjekt: Hund Fox. 


Gewicht des Gewicht der Dauer des 
Hundes Unterlage Versuches 


11,72 kg 820 g 5552 300g Fleisch 
50 g Rinderfett 
Temperatur Bar. korr. Manometer Thermobar. Hygr. 
Anfangswerte 20,2° 749,73 + 0,09 + 0,06 49 
Endwerte . . 19,70 747,7 + 0,13 + 2,60 87 
Anfangsvolum 194,6601 bei 20,2% u. 741,14 mm Hg = 176,725 1 
Endvolum . . 194,6101 » 20,2% » 732,12 n»n n = 174,5291 


Ernährung 


Analysen 
der Anfangsluft der Endluft des Sauerstoffes 
CO, = 0,05°], 0,53%, CO, = 0,059/, 
O, =20,89%/, 19,08%], O, = 98,40%, 
N, = 79,06%), 80,39%, N, = 1,55%], 
100,00°/,  100,00%, 100,00°/, 
Sauerstoffbilanz: 
Vorher vorhanden. . . . . . 36,9181 
Nachher n E SE | 
| 3,6171 
Anfangsgew.d.Gasometers = 38,979 kg bei 18,53° u. 749,8 mm Hg 
Endgewicht » » — 71,035 n n»n 18,30% n 747,8 sa » 
zugeführt . . . . =29,063 1 bei 0% und 760 mm Hg 


davon ab N, in O, = 0,4501 

» n CO, » O, = 0,014 1 

dazu ......= 3,6171 

Nettosauerstoffverbrauch 32,216 1 
Sauerstoffverbrauch pro Stunde = 5,491 1 





Kohlensáurebilanz: 
Vorher vorhanden 0,0891; aus Lauge . . . . . = 24,361 1 CO, 
Nachher n» 0,9251 Gesamtkohlensäureprod. = 25,197 1 
0,8361 


Kohlensäure pro Std. — 4,295 1; Respirator. Quotient = 0,782. 


04 Johannes Müller und H. Murschhauser: 


Stickstoffbilanz: 
Vorher vorhanden . . 139,719 1; N, aus O? (1,55°/,) = 0,450 1 
Nachher D >a 140,308 1 
0,584 1 


Differenz = —+ 0,134 1. 


Versuch vom 25. II. 16. Versuch vom 26. II. 16. 
o 9 10 31 12 1 2 3Uhr o 9 10 1 12 1 2 3Uhr 
2 2 
4 4 
6 6 
8 8 
10 10 
12 12 
14 14 
16 16 
18 18 
20 20 
22 22 
24 24 
E26 S 26 
28 28 
230 ER 
32 
= + = 
36 36 
38 38 
40 40 
42 42 
44 44 
46 46 
48 48 
50 50 
52 52 
54 54 
56 56 
58 58 
60 80 
Versuch vom 27. II. 16. Versuch vom 29. II. 16. 
o 'O 1 12 1 0 3Uhr o 9 10 1 12 1 2 3Uhr 
2 2 
4 4 
6 6 
8 8 
10 10 
12 12 
14 14 
wel 16 
18 18 
20 20 
22 22 
24 24 
c 26 c 26 
2 28 28 
2% 2% 
532 >32 
34 34 
36 36 
38 38 
40 40 
42|- 42 
44|- 44 
46 40 
48 48 
Sol. 50 
52L 52 
54 54 
56l- 56 
58! 58 
60 60 


95 


Versuch vom 2. III. 16. 


Die Verwertung der Fetteäureäthylester. 


Versuch vom 1. II. 16. 





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Minuten 


96 J. Müller u. H. Murschhauser: Die Verwertung der Fettsäureäthylester. 


Versuch vom 5. III. 16. Versuch vom 6. III. 16. 
o 9 0 n 2 1 2 Sub „son 2  3Uhr 
2 2 
4 < 
& 5 
8 3 
10 10 
12 12 
14 14 
16 16 
18 18 
20 20 
22 22 
24 24 
25 El 
30 230 
32 32 
34 234 
36 ze. 
38 38 - 
40 40, 
42) 42 
44- 44 
ap 46 
48 48 
50! 50 
62. 52 
54 54 e 
56- 56 
58 58 
60 60 

Versuch vom 7. III. 16. Zeichenerklärung. 
=. ER I 2 3Uhr 
2 
4 . . .. 
6 liegt ruhig oder schläft; 
8 
10 
12 
14 
16 
> — ganz kurz dauernde Bewegung; 
22 
24 
= S schwache Bewegung; 
30 
32 
34 - 
ei = starke Bewegung; 
40 
42 
44 . 
46 + sitzt aufrecht; 
48 ? 
50 
Ai >  bellt. 
56 
58 


Über die adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen, 
insbesondere der ameisensauren Tonerde. 
Von 
A. Loewy und R. Wolffenstein. 
(Aus dem tierphysiologischen Institut der landwirtschaftlichen Hoch- 


schule und dem organisch-chemischen Laboratorium der kgl. technischen 
Hochschule in Berlin.) 


(Eingegangen am 27. September 1916.) 


Tonerdesalze haben sich in den letzten Jahrzehnten wegen 
ihrer entzündungswidrigen und antiseptischen Wirkung und 
wegen ihrer Billigkeit und Ungefährlichkeit mehr und mehr im 
klinischen Gebrauch eingebürgert, und vorzugsweise ist die essig- 
saure Tonerde für diese Zwecke in Aufnahme gekommen, 

Bei allen Vorzügen, welche das officinelle Präparat der 
letzteren, die 8°/ ige Tonerdelösung, der Liquor alum, acet. 
besitzt, haben sich doch Mängel hierbei insofern herausgestellt, 
als dieses Präparat sich vielfach bei längerem Stehen trübt 
und allmählich einen Niederschlag absetzt. Diese äußerliche 
Veränderung der Lösung beruht auf einer chemischen Zer- 
setzung, indem sich hierbei feste, basisch-essigsaure Tonerde 
abscheidet. Dadurch wird die Lösung in ihrem Tonerdegehalt 
ärmer, verliert also an ihrem Wirkungswert und erhält gleich- 
zeitig durch Abspaltung freier Essigsäure eine unerwünschte 
saure Reaktion. — An verschiedenen Proben des liquor Alu- 
minii acetici haben wir die allmählich zunehmende Säuerung 
titrimetrisch verfolgen können. 

Da nur frische Präparate die vorgeschriebene Zusammen- 
setzung haben, sollen aus den Apotheken nur klare Lösungen 
abgegeben werden, offenbar in der Erkenntnis der oben ge- 


schilderten Verhältnisse. Trüb gewordene Lösungen sollen nicht 
Bioehemische Zeitschrift Band 78. 7 


98 A. Loewy und R. Wolffenstein: 


verkauft werden und werden somit für die Apotheker unbrauch- 
bar und wertlos. 

Aber selbst noch klar erscheinende Lösungen verändern 
mit der Zeit ihren Zustand, wohl im Zusammenhang mit der 
zunehmenden Säuerung, in eigentümlicher Weise. Während näm- 
lich frische Lösungen auch beim Kochen klar bleiben, trüben sich 
hierbei ältere, die in der Kälte noch klar erscheinen, und geben 
Ausscheidungen. Das zeigt, daß durch die Umsetzungen, die 
in den Lösungen der essigsauren Tonerde eintreten, das gelöste 
Material verändert wird, bevor dies unmittelbar für den Augen- 
schein bemerklich wird. 

Es ist nicht ganz ausgeschlossen, daß die Kritiken, die in 
letzter Zeit gegen Verwendung der essigeauren Tonerde laut 
wurden, in der Verschiedenheit der Präparate ihren Grund 
haben können. — 

Wir dachten daher bei der im allgemeinen größeren Akti- 
vität der Ameisensäure gegenüber der Essigsäure im ameisen- 
sauren Aluminium eine therapeutisch viel wirksamere und 
chemisch beständigere Substanz zu haben, die in derselben 
Richtung, aber in vollkommenerer Weise, wie die essigsaure Ton- 
erde verwendbar sei. 

Ameisensaure Tonerdelösungen sind bereits dargestellt, sind 
aber für medizinische Zwecke nicht in Benutzung genommen wor- 
den und unseres Wissens auch noch nie pharmakologisch unter- 
sucht. Vielleicht hat diese Zurückhaltung gegenüber der ameisen- 
sauren Tonerde darin ihren Grund, daß auch hier verschieden- 
artige Präparate mit verschiedenem Verhalten existieren. Es 
wurden von uns Lösungen beobachtet, die sich in konzentriertem 
Zustande klar hielten, aber in verdünntem, gebrauchsfähigem 
sich nach einigen Tagen trübten. Dieses Verhalten der ameisen- 
sauren Tonerdelösungen je nach ihrer Konzentration dürfte auf 
einen lonisierungsprozeß zurückzuführen sein. Diese lonisie- 
rung sollte nun durch Zusatz von Salzen zurückgedrängt werden 
können. — Angesichts des Verwendungszweckes der ameisen- 
sauren Tonerdelösungen war es erwünscht, hierbei Salze zu 
wählen, welche diesen Zweck ihrerseits unterstützten, d. h. also 
die adstringierende Wirkung des Präparates erhöhten. 

Hierzu erwiesen sich Natriumsulfat bzw. Kaliumsulfat als 
günstig. Es ergab sich, daß der Zusatz dieser Salze zu Lösungen 





Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 99 


von ameisensaurer Tonerde die nach Verdünnung allmählich 
vor sich gehende Trübung der Tonerdelösung verhinderte und 
ihre adstringierende Wirksamkeit steigerte. — 

Was wir als „adstringierende Wirkung“ bezeichnen, ist 
das Schlußergebnis einer Reihe von Einzelwirkungen, die teils 
physikalisch-chemischer, teils physiologischer Art sind. — Dabei 
steht die chemische Wirkung im Vordergrunde. Sie besteht 
in einer Fällung der Eiweißbestandteile der Zellen, in die die 
Adstringentien eindringen können, oder der Zellenabsonderungen 
bzw. der Gewebssäfte, mit denen sie in Berührung kommen. 
Der Erfolg dieser Eiweißfällung ist die Bildung eines Über- 
zuges koagulierten Materiales auf Schleimhäuten oder Wund- 
flächen; beide werden dadurch weniger durchlässig gemacht, 
gewissermaßen „gedichtet“. Verstärkt wird dieser Effekt da- 
durch, daß auch die oberflächlichen Zellen der Drüsen, die in 
Schleimhäuten liegen, gleichfalls durch die Adstringentien in 
dem Sinne beeinflußt werden, daß ihr Inhalt koaguliert wird. 
Dadurch wird die Sekretbildung der Drüsen beschränkt 
[Schitz?*)]. — 

Weiterhin erstreckt sich die koagulierende Wirkung der 
Adstringentien auf die oberflächlich gelegenen Eiweißschichten, 
auch auf das Eiweißmaterial der Gefäßwandungen. Infolge- 
dessen werden auch die Gefäßwandungen weniger durchlässig, 
die Transsudation durch sie vermindert sich, und die Auswande- 
rung zelligen Materiales (farbloser Blutzellen) aus den Gefäßen 
wird eingeschränkt. Endlich gehört zur Wirkung der Adstrin- 
gentien eine Gefäßverengerung, wie Heinz?) nachwies. Aber 
diese bildet nicht das Hauptmoment für die Wirkung. Denn 
auch da, wo sie nicht eintritt, und zwar dadurch nicht ein- 
tritt, daß adstringierende Lösungen in einer Konzentration ver- 
wendet werden, die zu Gefäßerweiterung führt, zeigt sich 
eine verminderte Durchgängigkeit der Gefäßwandungen. Auch 
in diesem Falle nämlich hört die Auswanderung von Zellen 
durch die Gefäßwandungen auf. Immerhin beschränkt die 
Gefäßcontraction das eine Symptom der Entzündung, die 


1) Schütz, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 27, 1890. 
2) R. Heinz, Die Wirkung der Adstringentien. Virchows Archiv, 
116, 220, 1889. 


Lg 


100 A. Loewy und R. Wolffenstein: 


Rötung, während die chemische Wirkung den wichtigeren 
Entzündungserscheinungen: der Schwellung durch seröse Durch- 
tränkung und der gesteigerten Sekretion entgegenwirkt. — 

Entsprechend den genannten Einzelwirkungen haben wir 
nun den Effekt unserer ameisensauren Tonerde auf drei ver- 
schiedenen Wegen untersucht, wobei wir besonders den koagu- 
lierenden Einfluß festzustellen suchten. Die erste Reihe der 
Versuche wurde in vitro an Eiweißlösungen angestellt. Dazu 
kam eine zweite Reihe, die ein Analogon zu derjenigen Er- 
scheinung darstellen sollte, die im lebenden Organismus als 
Gewebsdichtung erscheint. An dritter Stelle endlich wurden 
Versuche über die contrahierende Gefäßwirkung ausgeführt. 
Wir beobachteten letztere an der Bindehaut des Kaninchenauges, 
die nach dem Vorgange von Heinz zuvor in Entzündung ver- 
setzt wart). 

Die koagulierende Wirkung unserer ameisensauren Ton- 
erdelösungen prüften wir durch ihre Fähigkeit der Fällung von 
Eiweißlösungen, wobei wir zum Vergleich gewöhnliche wäßrige 
Lösungen der ameisensauren Tonerde heranzogen. 

Dabei ergab sich, daß unsere mit schwefelsauren Alkalien 
versetzte ameisensaure Tonerdelösung eiweißkoagulierend wirkte, 
wo es die reine Tonerdelösung nicht tat, oder eine massigere 


1A nm. Vorkurzemhat K o bert ?°)eine biologisohe Methodezur Prüfung 
der adstringierenden Wirksamkeit angegeben. Er läßt die zu prüfenden 
Lösungen auf in physiologische Kochsalzlösung aufgeschwemmte rote 
Blutzellen einwirken und sieht zu, welche Konzentration eine Agglutination 
und Ausfällung der Erythrocyten herbeiführt. Dieses Verfahren kommt den 
Verhältnissen am lebenden Körper näher als die hier angegebenen, so- 
weit sie sich auf die koagulierenden Effekte beziehen. Aber bei der Ver- 
wendung in praxi kommen die Adstringentien nicht in unmittelbare 
Berührung mit Blutzellen, und die Verhältnisse ändern sich schon, wenn 
die Blutzellen nicht vom Serum befreit sich in Kochsalzlösung befinden, 
sondern im eigenen Serum suspendiert sind, wie Kobert selbst fand. 
Denn kleine Mengen des Adstringens vermögen sich im Serum zu lösen 
und verlieren ihre adstringierende Wirkung auf die Blutzellen. 

Die quantitativen Verhältnisse, die Kobert an gewaschenen Blut- 
zellen fand, verschieben sich danach, und es ist von vornherein nicht zu 
sagen, wie sie sich unter den Bedingungen, unter denen die Adstringentien 
in praxi benutzt werden, gestalten. 

1) R. Kobert und L. Triller, Über die therapeutisch wertvollen 
Inhaltsbestandteile der Moore. Zeitschr. f. Balneol. 9, Nr. 3/4, 8. 15. 


Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 101 


Koagulation herbeiführte als diese, eine Erscheinung, an deren 
Zustandekommen wohl die aussalzende Wirkung der Neutral- 
verbindungen mit beteiligt ist. Die Koagulation, also die Um- 
wandlung und Ausflockung der Eiweißkörper, geschah dabei in 
ganz allmählicher Weise, so daß sie erst nach vielen Stunden 
für das Auge deutlich sich auszubilden begann. Die langsame 
und, wir möchten sagen, milde Wirkung scheint uns für die 
ärztliche Verwendung von Bedeutung zu sein, insofern dadurch 
ein bei intensiverer Wirkung möglicher Ätzeffekt vermieden 
wird und leichter eine gewisse Tiefenwirkung erfolgen kann. 

Als Beispiele dienen folgende Beobachtungen: 

1. Steriles Rinderserum wird versetzt mit gleichen Teilen 
von einerseits a) reiner ameisensaurer Tonerdelósung mit 7 °/, Ge- 
halt, andererseits b) sulfathaltiger ameisensaurer Tonerdelösung 
von gleichem Tonerdegehalt. Beim Zusatz tritt in beiden Proben 
eine kaum merkbare Trübung ein, die nach einigen Stunden 
noch in gleicher Weise besteht. Nach 48 Stunden ist die Mischung 
a) schwach trübe, in b) hat sich ein dickes Eiweißkoagulum ab- 
gesetzt. Das Filtrat dieser Probe gibt mit oder ohne Salpeter- 
säure beim Kochen einen dicken Niederschlag; es war also nur 
ein Teil der Serumeiweiße ausgefallen gewesen. 

2. Dieselbe Anordnung. Derselbe Erfolg, der nach 24 Stunden 
beobachtet wird. 

3. 1°/,ige, etwas trübe Eiereiweißlösung wird wiederum 
a) mit reiner, b) mit sulfathaltiger Tonerdelósung in gleicher 
Menge und Konzentration versetzt. Zunächst keinerlei Ver- 
änderung. Nach 24 Stunden verhält sich a) wie im Beginn, 
b) zeigt ein dickes Koagulum. Das Filtrat gibt hier bei Salpeter- 
säurezusatz in der Kälte oder beim Kochen mit Salpetersäure 
nur eine schwache Trübung, so daß mit den Globulinen auch 
EiweiBalbumin durch die Tonerdelösung ausgefällt worden zu 
sein scheint. 

4. 5 ccm steriles Serum versetzt mit 5 cem 7°/ iger wäßriger 
ameisensaurer Tonerdelösung. Keine Veränderung. Nach 24 Stun- 
den eben merkbare Trübung. Die Probe wird in drei Teile ge- 
teilt; zu dem ersten werden einige Tropfen 7°/ iger sulfat- 
haltiger Tonerdelösung gefügt; zum zweiten einige Tropfen 
reiner 7°/ ‚iger Tonerdelösung; zum dritten einige Tropfen 
destillierten Wassers. Dabei tritt in allen etwas stärkere 


102 A. Loewy und R. Wolffenstein: 


Trübung ein. Nach 48 Stunden besteht diese in den letzten 
beiden Proben in gleicher Weise fort, in der ersten jedoch hat 
sich ein dickes festes Gerinnsel gebildet. 

5. boom steriles Serum + 5 ccm Aqua dest. + 5 com 7°/ iger 
ameisensaurer Tonerde werden vermischt. Dabei keine Ver- 
änderung. Nach 24 Stunden geringe Trübung. Auf Zusatz 
einiger Tropfen sulfathaltiger Tonerdelösung zu einem Teil 
der Mischung tritt Zunahme der Trübung auf. Nach 48 Stunden 
hat sich ein festes, aber weicheres Gerinnsel als im Versuch 4 
gebildet. Zusatz von reiner ameisensaurer Tonerdelösung zu 
der 24 Stunden alten Mischung bringt keine Veränderung, 
Wasserzusatz schwache Trübung hervor. Nach 48 Stunden 
keine weitere Veränderung in diesen beiden Proben. 

6. 5 ccm steriles Serum werden mit 5 ccm Aqua dest. 
verdünnt; keine Veränderung; auch keine nach 24 Stunden. 
Zusatz weniger Tropfen sulfathaltiger Tonerdelösung (7°/,) 
macht dicke Trübung, reine 7!/,°/,ige ameisensaure Tonerde- 
lösung führt zu mäßiger, Wasserzusatz zu minimaler Trübung. 
Nach 48 Stunden ist die mit Sulfattonerdelösung versetzte 
Probe fest geronnen, die mit reiner ameisensaurer Tonerde ist 
wenig trübe, die mit Wasser verdünnte klar mit einem ganz 
geringen Gerinnsel am Boden. 

Die vorstehenden Versuche zeigen, daß der Sulfatzusatz 
zur ameisensauren Tonerde deren Wirkung auf Eiweiß- 
körper verstärkte oder überhaupt erst deutlich in Er- 
scheinung treten ließ. 


Bringt man Eiweißlösungen mit Sulfattonerdelösung in anderen 
Mischungsverhältnissen zusammen, so braucht keine Koagulation einzu- 
treten, aber auch hier erfolgt eine Denaturierung der Eiweißkörper. 
Denn fügt man nach 24 Stunden etwas gewöhnliche ameisensaure Ton- 
erdelösung hinzu, so tritt nun eine Ausfällung der Eiweiße auf. 

So wie beschrieben, verlaufen die Versuche mit frischen sterilen 
Lösungen von Eiweißkörpern. Benutzt man ältere Lösungen, in denen 
schon Zersetzungen sich eingeleitet haben, so werden die Ergebnisse un- 
durchsichtiger. Aber für die Verhältnisse am lebenden Körper spielen 
diese Vorgänge keine Rolle. 


Die Übertragung dieser Ergebnisse — durch die unseres 
Wissens zum erstenmal der direkte chemische Nachweis dafür 
erbracht ist, daß ameisensaure Tonerde, mehr aber noch die 


Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 103 


alkali-sulfathaltige ameisensaure Tonerde, Eiweißkörper derart 
allmählich zu verändern vermögen, daß sie langsam zur Ko- 
agulation kommen — auf die Verhältnisse, unter denen diese 
Substanzen am lebenden Organismus zur Verwendung kommen, 
insbesondere bei ihrer Benutzung als Wundheilmittel, dürfte 
ohne weiteres gestattet sein. Damit erscheint das eine Er- 
fordernis, das an die Wirkung von Adstringentien in der Praxis 
gestellt wird, verwirklicht. 


Auf anderem Wege versuchten wir in der zweiten Ver- 
suchsreihe — wiederum durch Beobachtungen in vitro — die 
Wirkung der verschiedenen Tonerdelösungen auf die Durch- 
lässigkeit des Gewebes nachzuahmen. Hierzu bedienten wir 
uns der Capillaranalyse nach Goppelsröder. Wir wollten 
sehen, wie die verschiedenen Tonerdelösungen in Capillar- 
spalten aufsteigen und wie sie den Aufstieg von Wasser und 
gelösten Bestandteilen in den Capillarspalten beeinflussen. 


Das Verfahren entsprach dem von Goppelsróder?) an- 
gegebenen. Benutzt wurden Streifen schwedischen Filtrier- 
papieres von 24cm Länge und 4 cm Breite. Drei von diesen 
wurden nebeneinander an einem horizontal angebrachten Glas- 
stab befestigt, so daß sie gleichtief in untergestellte gleichgroße 
Bechergläser hineinragten. Die Gläser wurden mit gleichen 
Mengen, d h. also gleichhoch, entweder mit destilliertem Wasser 
(a) oder mit reiner ameisensaurer Tonerdelósung (b) oder mit 
alkalisulfathaltiger Lösung von ameisensaurer Tonerde (c) ge- 
füllt, so daß also die drei Streifen gleichtief hineintauchten. 
Das Eintauchen geschah durch Senken des Glasstabes gleich- 
zeitig. Dann wurden die Aufstieghóhen zu verschiedenen Zeiten 
beobachtet und notiert. Nach Schluß der bis zu einer Stunde 
dauernden Versuche wurden die Streifen herausgenommen und 
die Höhe, bis zu der das Wasser bzw. die in ihm gelösten 
Substanzen emporgestiegen waren, gemessen. 


Wir fanden folgendes: 


1) F. Goppelsröder, Capillaranalyse usw. Verhdl. d. naturforsch. 
Ges. zu Basel. XIV. Basel 1901. Auch: Über die Anwendung der 
Capillaranalyse usw. in: Der Harn (herausgegeben von Neuberg). S. 1361. 
Berlin 1911. 


104 A. Loewy und R. Wolffenstein: 


Versuch 1. 


Eintauchung um 12% 24’: Benutzung von destilliertem 
Wasser (a), ameisensaurer Tonerde (7°/ ig) (b) und alkalisulfat- 
haltiger Tonerde (7°/,ig); ohne weiteren Zusatz. Am schnellsten 
steigt die Flüssigkeit in a, weniger in c, noch weniger in b; 
jedoch erreicht allmählich die Aufstiegshöhe in b die von c, 
um dann höher als in c sich zu erheben. 


Steighöhe: in & in b in c 
12229 . . . 5*/, cm 41), cm 43/, cm 
12548... 81), ” 6%), n 1 ” 
12255... .11 ” 781, n 7 n 
112... .11 ” 78, ” 1 ” 
Versuch 2. 


Anordnung wie in Versuch 1, jedoch wird zu jeder der 
drei Proben gleichviel einer Fuchsinlósung gefúgt. Fuchsin tritt 
mit der ameisensauren Tonerde in Wechselwirkung, wobei es 
zu teilweiser Ausfállung kommen kann. Die Bedingungen, die 
hierbei in Betracht kommen, sind denen vergleichbar, die 
bei der Einwirkung der ameisensauren Tonerde auf Gewebs- 
sáfte sich geltend machen. — Beim Zusatz des Fuchsins färbt 
sich die Wasserprobe sofort tiefrot, die ameisensaure Tonerde- 
lösung langsamer, um aber bald ebenso intensiv wie die Wasser- 
probe gefärbt zu sein. Die Alkalisulfat enthaltende Tonerde- 
lösung ist zunächst hellrosa, färbt sich dann sehr langsam tiefer. 
Nach 24 Stunden sind alle Proben gleich intensiv rot. 

Beim Eintauchen steigt die Flüssigkeit aus der mit de- 
stilliertem Wasser bereiteten Fuchsinlösung am schnellsten, aus 
den Tonerdelösungen weit langsamer, und zwar die aus 
der sulfathaltigen weniger als aus der reinen Tonerdelösung. 
Der Farbstoff steigt am wenigsten aus der Sulfatlösung, und 
die Steigzone ist hellrosa. Aus der reinen Tonerdelösung und 
aus dem destillierten Wasser ist das Fuchsin höher gestiegen, 
und die Färbung der Steigzone ist bei ersterer dunkelrosa, bei 
letzterer dunkelrot. 

Nach 40 Minuten werden die Streifen herausgenommen. 
Nun ist das Verhalten folgendes: 


Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 105 


Steighöhe Steighöhe Farbe 


Tauchflüssigkeit der . des des 
Flüssigkeit Fuchsins Papiers 
a: Fuchsin + Aq. dest. ... 80cm 1,8cm rot 
b: n -+ ameisens. Ton- 


erde ...... 66 » 20 » dunkelrosa 


o »  — sulfathalt, Ton- 
erde ...... 48 » 1,5 » hellrosa. 


Nach 24 Stunden wird an den getrockneten Streifen eine 
neue Messung vorgenommen; sie ergibt die gleichen Werte. 

In gleicher Weise wurden noch zwei weitere Versuche mit 
gleichem Resultate angestellt. 


Versuch 5. 


Frisches Kaninchenblut wird mit dem Neunfachen destil- 
lierten Wassers verdünnt. Die gleiche Menge der Blutlósung 
wird in einer Probe mit destilliertem Wasser, in einer zweiten 
mit reiner ameisensaurer Tonerde, in einer dritten mit alkali- 
sulfathaltiger ameisensaurer Tonerde versetzt. Der Zusatz er- 
folgt mit gleichen Mengen der drei Flüssigkeiten. Der Ton- 
erdezusatz führt zu einer Umwandlung des Hämoglobins, das 
sich braun färbt. Dabei ist bemerkenswert, daß die Bräunung 
in der reinen ameisensauren Tonerde schnell eintritt und vor- 
schreitet, in der sulfathaltigen dagegen viel später einsetzt 
und langsamer zunimmt. In ersterer beginnt sie schon nach 
2 Minuten und ist nach 10 Minuten beendet, in letzterer ist 
sie nach 15 Minuten noch unvollkommen und nach 22 Minuten 
scheinbar beendet. 

Nachdem die Papiere 4 Minuten eingetaucht waren, war 
der Aufstieg der Flüssigkeit aus dem destillierten Wasser 50 mm 
Höhe, der des Hämoglobins 40 mm. Das Papier zeigte braune 
Färbung. Aus der Tonerde war die Flüssigkeit 41 mm hoch 
gestiegen; Färbung war nicht deutlich erkennbar. Ebenso ver- 
hielt sich das in Sulfattonerde tauchende Papier, in dem die 
Flüssigkeit 43 mm hoch gestiegen war. 18 Minuten nach Ein- 
tauchen und folgender Trocknung der Papiere betrug der Flüssig- 
keitsaufstieg aus dem destillierten Wasser: 68 mm, aus der 
ameisensauren Tonerde: 50 mm, aus der Alkalisulfat enthalten- 


106 ‚ A. Loewy und R. Wolffenstein: 


den ameisensauren Tonerde: 46 mm. Das Papier, das in Wasser 
tauchte, war 58 mm hoch braun gefärbt, die beiden anderen 
waren gelblich, und dabei das in die Sulfatlösung eintauchende 
heller als das in reine Tonerde eintauchende. 

Danach ist auch der Aufstieg des Hämoglobins durch den 
Tonerdezusatz und mehr noch durch Sulfatzugabe beeinträchtigt 
worden. — i 

Die vorstehenden Versuche ergeben übereinstimmend, daß 
schon die ameisensaure Tonerde an sich, weit mehr aber noch 
Sulfatzusatz zu dieser das capillare Aufsteigen von Flüssigkeit 
hemmt. Auch der Aufstieg von in dieser gelösten Bestand- 
teilen wurde mehr von der sulfathaltigen Tonerde als von der 
reinen zurückgehalten. 

Man darf vielleicht die vorstehenden Capillarattraktions- 
versuche mit den Vorgängen im Tierkörper in Vergleich setzen. 
Nehmen wir an, daß eine Wunde mit Umschlägen behandelt 
wird, die ameisensaure oder zweckmäßiger noch alkalisulfat- 
ameisensaure Tonerde enthalten, so wird die Wundfläche sich 
mit der Lösung bedecken und auch bis in mehr oder weniger 
große Tiefe sich mit ihr imbibieren können und die Gewebs- 
lücken sich mit ihr füllen. Die Schicht der Lösung, die so die 
Oberfläche überzieht und die angrenzenden Gewebslagen durch- 
dringt, wird nach Analogie der von uns gefundenen Tatsachen 
in der Richtung wirken, daß die Menge der Flüssigkeit, die aus 
den Gewebslücken hervorquillt, oder die transsudiert, und ebenso 
oder vielleicht mehr noch die der gelösten krystalloiden und 
kolloiden Bestandteile, die sie enthält, vermindert wird. Es 
wird so unabhängig von der zuerst beschriebenen koagulieren- 
den Wirkung und vielleicht noch vor deren Zustandekommen 
ein Effekt eintreten, auf den auch die Eiweißfällung hinwirkt, 
nämlich der, den man in der Pathologie als Sekretbeschränkung 
bezeichnet, wenn es sich auch nicht um Sekrete im physio- 
logischen Sinne handelt, vielmehr um Transsudate oder um das 
Hervorquellen von Gewebsflüssigkeit. 

Ob eine länger dauernde Behandlung katarrhalisch ver- 
änderter Schleimhautflächen mit der Sulfatlösung zu einer wirk- 
lichen Verminderung der Sekretion der Schleimhautdrüsen führt, 
ist bei der Annahme des Eindringens der Lösung in die Drüsen- 
ausführungsgänge möglich, aber experimentell nicht erwiesen. 








Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 107 


Die klinischen Erfahrungen, die bisher mit dem Mittel ge- 
wonnen worden sind, sprechen jedenfalls auch für diese Wir- 
kung. Nur ist fraglich, inwieweit daran die koagulierende 
Wirkung beteiligt ist, wahrscheinlich hat sie den Hauptanteil 
daran. 

Die dritte Gruppe unserer Versuche endlich betrifft das 
Verhalten der Blutgefäße unter dem Einfluß der ameisen- 
sauren Tonerde Sie sind, wie schon erwähnt, an der ent- 
zündeten Kaninchenconjunctiva ausgeführt. Um die geeignete 
Entzündung hervorzurufen, träufelten wir in den Bindehautsack 
beider Augen dünne Tanninlösung oder ganz verdünnte Essig- 
sáure. Die Schleimhaut wurde bald gerótet, geschwollen und 
mehr oder weniger gewulstet. Dazu kam bisweilen eine Che- 
mosis. Nun wurden von einer 0,7°/,igen alkalisulfathaltigen 
Lösung der ameisensauren Tonerde einige Tropfen in den einen 
Bindehautsack geträufelt. Der Erfolg war, daß die Schleim- 
haut alsbald — schon nach einer bis zu wenigen Minuten — 
blasser und trockener wurde und die Wulstung zurückging. 
Die Wirkung war bei Vergleichung mit dem zweiten nicht mit 
der Tonerde behandelten Auge besonders gut zu erkennen. 
Später wurde dann auch in dieses zweite Auge die Tonerde- 
lösung eingeträufelt. Die verengernde Wirkung auf die Gefäße 
war auch hier deutlich und kennzeichnete sich durch die ein- 
tretende Abblassung. Die Schwellung der Schleimhaut wurde 
jedoch bei der nun längeren Einwirkung der Entzündung er- 
regenden Mittel und den stärkeren Veränderungen, die sie zu- 
standegebracht hatten, weniger beeinflußt. — 

Wir finden sonach, wenn wir das Ergebnis aller Versuche 
zusammenfassen, bei der alkali-sulfathaltigen ameisensauren Ton- 
erde alle pharmakologischen Eigenschaften, die von einem ad- 
stringierenden Mittel verlangt werden, und die dieses als ent- 
zündungswidriges Heilmittel auf Wunden oder katarrhalisch 
veränderten Schleimhäuten angezeigt erscheinen lassen: Lang- 
sam verlaufende Eiweißkoagulation, Gefäßverengerung mit Ab- 
schwellung und — zum Teil als weitere Folge dieser beiden 
Wirkungen, teilweise wohl auch als besonderen Effekt — Be- 
schränkung der Sekretabgabe. — 

In einer Reihe weiterer Versuche behandelten wir die 
normale Bindehaut des Kaninchenauges mit unserer ameisen- 


108 A. Loewy und R. Wolffenstein: 


sauren Tonerdelösung, dabei in einigen Fällen gleichzeitig die 
des zweiten Auges mit offizineller essigsaurer Tonerdelösung. 
Diese Versuche scheinen uns zum mindesten ebensogut wie die 
am entzündeten Auge geeignet, den adstringierenden Effekt 
und das Wesen desselben sichtbar zu machen und zugleich 
die Überlegenheit zu zeigen, die ameisensaure Tonerde ent- 
haltende Lösung gegenüber der essigsauren Tonerde im adstrin- 
gierenden Effekt besitzt. 

Wir verwendeten unsere Tonerdelösung in dreierlei Kon- 
zentration; nämlich eine solche mit 7°/, ameisensaurer Tonerde 
mit 3%/, und eine mit 0,7°/,. Die beiden ersten wirken reizend 
auf die Bindehaut des Auges; die erste ziemlich energisch und 
eine Reihe von Tagen nachwirkend; die zweite in geringem 
Maße, so daß nach 24 bis höchstens 48 Stunden die Bindehaut 
wieder normal ist. Reizend wirkt auch die offizinelle 8°/ ige 
Lösung der essigsauren Tonerdelösung. 

Dabei ergibt sich nun, daß die adstringierende Wirkung 
bei beiden Lösungen unseres ameisensauren Tonerdepräparates 
weit deutlicher ist als bei der offizinellen essigsauren Tonerde- 
lösung. 

Die Reizwirkung sowohl der essigsauren wie unserer 
7°/,igen und 3°/,igen Tonerdelósungen gibt sich kund durch 
Rötung der Bindehaut, durch Schwellung und, bei höheren 
Graden, durch Ödembildung (Chemosis). 

Dazu kommt bei Benutzung der 7%/,igen Lösung unseres 
Präparats und der offizinellen essigsauren Tonerdelösung ein 
sich allmählich — im Laufe von Stunden — ausbildender und 
nach 24 Stunden deutlicher fibrinöser Belag in den Übergangs- 
falten, der bei Benutzung der essigsauren Tonerde stärker er- 
schien, als bei der unserer 7°/ igen ameisensauren Tonerde- 
lösung. 

Dabei stellt sich nun das Bild, das die mit der essig- 
sauren Tonerde einerseits, mit dem ameisensauren Tonerde- 
präparat andrerseits behandelten Augen bieten, doch verschieden 
par. Denn neben der Reizwirkung macht sich bei unserem 
Präparat sehr deutlich ein adstringierender Effekt bemerk- 
bar, der bei der essigsauren Lösung nur wenig in Erschei- 
nung tritt. 

Die mit der sulfathaltigen ameisensauren Tonerdelösung 





Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 109 


behandelten Augen zeigen stets eine geringere Rötung als 
diejenigen, bei denen essigsaure Tonerde verwandt wurde. Außer- 
dem weist die Bindehautoberfläche ein mattes Aussehen auf 
und ist schon bei Verwendung auch nur der 3°/ (gen Lösung 
auffallend trocken. Demgegenüber ist die Bindehaut der 
mit essigsaurer Tonerdelösung behandelten Augen nicht nur 
mehr gerötet, sondern ist immer noch feucht und etwas spie- 
gelnd, wenn auch diese beiden letzteren Phänomene nicht so 
deutlich wie in der Norm ausgebildet sind. 
Als Belege mögen die folgenden drei Versuche dienen. 


Versuch 2: 10%,ige alkalisulfathaltige ameisensaure Ton- 
erdelösung. 


Einem großen Kaninchen werden instilliert ins rechte Auge 5 gtt. 
der Lösung um 10 Uhr 45 Minuten und eine Minute darin gelassen. — 
10 Uhr 49 Minuten Bindehaut des rechten Auges deutlich, doch wenig, 
geschwollen und gerötet. — 11 Uhr 15 Minuten: Obere Bindehaut wie 
vorher, besonders an der Übergangsfalte; untere Bindehaut kaum gegen 
links verändert. — 12 Uhr: Ganz mäßiges Ödem der Conjunctiva rechts 
oben und unten; Bindehaut oben gerötet, unten blaß. — Nach 48 Stun- 
den Auge normal. 


Versuch 3: Wiederum 10%/,ige Lösung der alkalisulfathaltigen 
ameisensauren Tonerde. 


In das reohte Auge eines Kaninchens werden 3 Tropfen instilliert 
und 1 Minute darin gelassen, um 12 Uhr 32 Minuten. In das linke 
Auge kommen 3 Tropfen offizineller Lösung von essigsaurer Tonerde. 
— Um 12 Uhr 35 Minuten werden die Einträufelungen wiederholt. — 
12 Uhr 40 Minuten: Rechte Bindehaut unten fast normal, oben mäßig 
geschwollen, wenig gerötet. Oberfläche matt; links mehr geschwollen als 
rechte, Rötung stärker, Oberfläche von weniger mattem Aussehen, wenn 
auch nicht normal spiegelnd. — 12 Uhr 48 Minuten: Schwellung der 
Bindehäute beider Augen etwas stärker. Rechts nur wenig gerötet, 
Schleimhautoberfläche matt und ganz trooken. Links: stärkere Rötung, 
Oberfläche feucht, wenn auch weniger als normal, noch ein wenig spie- 
gelnd. 


Versuch 1: 25%,ige Lösung der alkalisulfathaltigen ameisen- 
~ sauren Tonerde, 


In den Bindehautsack des rechten Auges werden 3 Tropfen ge- 
träufelt, die eine Minute darin bleiben, um 10 Uhr 48 Minuten. In das 
linke kommen 3 Tropfen des offizinellen liqu. alumin. acetic, um 10 Uhr 
44 Minuten. — 10 Uhr 46 Minuten: Gefäße des rechten Augapfels etwas 


110 A. Loewy und R. Wolffenstein: 


injiziert, Conjunctiva blaß. Links: Conjunctiva mäßig gerötet. — 10 Uhr 
48 Minuten: Geringe Chemosis an den unteren Übergangsfalten; 
10 Uhr 57 Minuten: Einträufelungen wiederholt. — 11 Uhr 6 Minuten: 
Rechts: Obere Bindehaut etwas geschwollen, doch blaß und von matter 
Oberfläche (adstringierende Wirkung!), untere Bindehaut ebenso, doch 
weniger geschwollen. Links: Bindehaut oben und unten etwas ge- 
schwollen, deutlich gerötet, Oberfläche nicht matt, vielmehr glänzend. — 
11 Uhr 16 Minuten. Rechts: Untere Bindehaut fast normal: obere etwas 
geschwollen, jedoch blaß und matt. Links: Unten fast normal, oben 
weniger geschwollen als rechts, jetzt blaß, fast normal glänzend. — 
1 Uhr 4 Minuten: Rechts: Chemosis oben und unten, oben stärker als 
unten, jedoch an beiden Stellen mäßig ausgebildet. Links: Chemosis 
ebenso wie rechts, doch Schleimhaut stärker gerötet als rechts und glänzend. 

Nach 24 Stunden: Schwellung der oberen Schleimhaut; rechts ge- 
ringer als am Tage zuvor, dabei blaß, matt, mit mäßigem fibrinösem Belag 
in der Übergangsfalte bedeckt. Rechts: Untere Schleimhaut in der Über- 
gangsfalte etwas geschwollen mit Belag. — Links: Oben Schwellung 
geringer als rechts, doch gerötet, sehr feucht, mit stärkerem Belag als 
rechts. — Links unten wie oben; auch hier stärkerer Belag als rechts. — 

Am folgenden Tage: Rechts unten fast normal, nur an der Über- 
gangsfalte noch etwas geschwollen und mit geringem Belag bedeckt. 
Rechts oben noch stärker geschwollen und an der Falte reichlich Fibrin- 
belag. — Links: Unten fast normal, oben etwas gerötet, wenig ge- 
schwollen. 

Am nächsten Tage: Rechts unten normal, rechts oben etwas 
geschwollen und gerötet, Spur-Belag am vorderen Lidwinkel. Linke: 
oben und unten normal. — 


Die 0,7°/ ige ameisensaure Tonerde enthaltende Lösung 
unseres Präparates wirkt nicht mehr reizend, aber noch 
deutlich adstringierend auf die Augenbindehaut. Diese 
sieht trockner, matter, blasser aus als die normale des zweiten 
Auges — 

Im Anschluß an die vorstehenden Protokolle dürfte der 
Hinweis darauf gestattet sein, daß durch sie die Stellungnahme 
gestützt wird, der wir in der Einleitung Ausdruck gegeben 
haben, daß nämlich die adstringierende Wirkung im wesent- 
lichen auf dem chemischen Effekt der Eiweißkoagulation in den 
oberflächlichen Zellschichten beruht, während die Gefäßcontrac- 
tion keine erhebliche Rolle spielt, in Übereinstimmung mit dem, 
was, wie erwähnt, aus den mikroskopischen Beobachtungen von 
Heinz zu folgern war. Denn die Adstriktion, die in unserem 
Falle sich in der Veränderung der Oberfläche (Mattheit statt 
spiegelnden Glanzes; Trockenheit statt Feuchtigkeit) kundgab, 


Adstringierende Wirkung von Aluminiumsalzen. 111 


kam ja zustande, trotzdem die Gefäße über die Norm hinaus 
erweitert waren. 

Diese letzten Versuche an der Conjunctiva geben zugleich 
eine biologische Grundlage für die Verwendung unseres Prä- 
parates zur Behandlung von katarrhalischen Affektionen der 
Schleimhäute und Wundflächen. — 

In einer Anzahl von Fällen wurde dementsprechend unser 
Präparat in praxi versucht. 


Zunächst wurden alte, mindestens handgroße, zum Teil jauchende 
Unterschenkelgeschwüre, die zuvor erfolglos mit allerlei Mitteln, 
auch mit essigsaurer Tonerde, behandelt waren, ausgewählt. Es handelte 
sich um Kranke der niedrigsten Stände, die sich keinerlei Schonung 
angedeihen lassen konnten. 

Unter den beobachteten (12) Fällen hatte unsere Tonerdelösung in 
der überwiegenden Zahl (9) Erfolg, insofern eine Reinigung, Abblassung 
und Verkleinerung der Geschwüre eintrat. Damit einher ging Vermin- 
derung der Absonderung und der Schmerzen. In 3 Fällen war der Erfolg 
nicht bedeutend. — Auch bei alten, stark absondernden Scheiden- 
katarrhen trat eine Beschränkung des Ausflusses ein. — Die Konzen- 
tration der benutzten Lösung war stets sehr niedrig; sie betrug nur 0,1 
bis 0,2°/,. 


Die Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes aus der 

freien und gebundenen Kohlensäure desselben, und die 

Sauerstoffbindung des Blutes als Funktion der Wasser- 
stoffzahl. 


Von 
K. A. Hasselbalch. 


(Aus dem Laboratorium des Finsen-Instituts, Kopenhagen.) 
(Eingegangen am 7. Oktober 1916.) 
Mit 12 Figuren im Text. 


I. 


Die während des letzten Jahrzehntes stattgefundene Aus- 
bildung der elektrometrischen Reaktionsbestimmung CO,-hal- 
tiger Flüssigkeiten hat auch für die Physiologie des Blutes 
eine Reihe wertvoller Aufschlüsse gezeitigt. Wir kennen jetzt 
die Größe der „Wasserstoffzahl“ (—= Wasserstoffionenkonzen- 
tration) im Blute der Säugetiere, wir wissen, daß der gesunde, 
sowie auch der kranke Organismus mit zäher Energie diese 
gegebene Reaktion aufrecht erhält, und wir sind von mehreren 
der Wege und Mittel, wodurch diese Konstanz gewährleistet 
wird, recht wohl unterrichtet. 

Es haften indessen der elektrometrischen Reaktionsbestim- 
mung, am Blute angewendet, gewisse Mängel an. Erstens muß 
die Technik, selbst für den besonders Geübten, als eine recht 
schwierige bezeichnet werden. Zweitens ist die erreichbare Ge- 
nauigkeit, eben in Betracht der so feinen Regulation seitens 
des Organismus, für mehrere Untersuchungszwecke nicht ganz 
befriedigend. Eine Verschiebung des „reduzierten“ Go") des 


1) pp bei 40 mm CO,-Spannung, siehe Hasselbalch: Diese Zeit- 
schr. 74, 56, 1916. 


K. A. Hasselbalch: Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 113 


Blutes um 0,03 liegt an der Grenze der Fehlerbreite, womit 
man bei der Elektrometrie des Blutes zu rechnen hat, und 
doch entspricht eine derartige Verschiebung der reduzierten 
Wasserstoffzahl einer Änderung der CO,-Spannung des Blutes 
um etwa A mm, d.h. einer Zunahme (bzw. Abnahme) der At- 
mungsgröße um etwa 10%/,, wenn unter diesen Umständen die 
„regulierte‘“ Wasserstofizahl*) des Blutes unverändert bleiben soll. 

Das Streben, irgendeine verfeinerte und gleichzeitig leichter 
zu handhabende Methode zur Bestimmung der Wasserstoffzahl des 
Blutes aufzufinden, ist somit wohlbegründet. Eine solche Verfeine- 
rung und Erleichterung habe ich durch die gleichzeitige Bestim- 
mung der freien und gebundenen Kohlensäure des Blutes erzielt. 

Der Gedanke, der dieser Methode zugrunde liegt, ist nichts 
weniger als neu. Bei den bekannten Untersuchungen Walters?) 
von 1877 über Säurevergiftung wurde zum ersten Male der 
CO,-Gehalt des venösen Blutes der Versuchstiere als Maß der 
Säuerung des Organismus benutzt. Richtiger wäre es gewesen, 
stets bei derselben, bekannten CO,-Spannung den CO,-Gehalt 
des Blutes zu bestimmen, wie es neuerdings Morawitz und 
Walker?), sowie auch Christiansen, Douglas und Hal- 
dane?) getan haben. Dabei bleibt ja nämlich die Konzen- 
tration der freien CO, in allen Fällen konstant, während die 
Menge der gebundenen CO, von dem Gehalt des Blutes an 
disponiblen alkalischen Valenzen abhängen muß. 

Wie L. J. Henderson?) hervorhebt, „besitzt die Bestim- 
mung der Kohlensäure den großen Vorteil, daß die gemessene 
Quantität großen Variationen unterworfen ist“. 

Zwei Blutsorten, die bei 38% und 40 mm CO, einen py: von 7,30 
bzw. 7,28 aufweisen, d. h. einen Unterschied, der durch die elektro- 
metrische Bestimmung nur eben nachweisbar ist, enthalten (s. u.) bzw, 
45 und 43 com CO, pro 100 ccm Blut. Wie jedermann weiß, der je mit 
den Gasen des Blutes praktisch beschäftigt war, liegt bei passender Wahl 
der Methode ein soloher Unterschied weit außerhalb des Fehlerbereiches, 

Nun erhebt sich die Frage, ob die beiden Größen, die freie 


1) Die Wasserstoffzahl des Blutes bei alveolarer CO,-Spannung 
Hasselbalch, a. a. O. 

2) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 7, 148, 1877, 

$ Diese Zeitschr. 60, 395, 1914. 

4) Journ. of Physiol. 48, 244, 1914, 


5) Ergebn. der Physiol. 8, 313, 1909. 
Biochemische Zeitschrift Rand 78 8 


114 K. A. Hasselbalch: 


und die gebundene Kohlensäuremenge des Blutes, für mehr als 
eine qualitative Schätzung der aktuellen Blutreaktion, speziell 
ob sie für eine genaue Berechnung derselben verwertbar sind. 

Durch die in dieser Hinsicht grundlegende Arbeit von 
L. J. Henderson wurde der Wahrscheinlichkeitsbeweis er- 
bracht, daß „Kohlensäure im Blutplasma sehr reichlich, wenn 
nicht fast ausschließlich als Kohlensäure, Natriumbikarbonat 
und besonders als Ion HCO, vorhanden ist“*) Der Beweis 
gründet sich auf den Umstand, daß die Co des Blutes, mit 
den damals verfügbaren, etwas mangelhaften Methoden ge- 
messen, von ungefähr derselben Größe ist, wie eine Lösung 
von CO, -+ NaHCO,, wo die freie CO, die Spannung des Blutes 
hat, und die Konzentration des Bikarbonats der gebundenen 
CO,-Menge des Blutes entspricht. 

` Später (1914) stellt sich auch Michaelis?) das Blut als 
eine (in elektrolytischer Hinsicht) einfache wäßrige Lösung von 
CO, + NaHCO, vor. Die Wasserstoffzahl einer solchen Lösung 
wird bei einer Verdoppelung der H,CO,-Konzentration ver- 
doppelt, was auch Michaelis bei seinen folgenden, „halb- 
quantitativen“ Betrachtungen über die Säureempfindlichkeit des 
Blutes voraussetzt. 

In diesem Punkt besteht aber zwischen der Theorie, 
jedenfalls in der Michaelisschen Fassung, und den vorliegen- 
den, unangreifbaren Beobachtungen ein eklatanter Widerspruch. 
Bei einer Verdoppelung der H,CO,-Konzentration wird die Cp. 
im Blute nicht verdoppelt, der pz. wird nicht um log 2 = 0,30 
vermindert, sondern wie die untenstehende Zusammenstellung 
zeigt, z. B. bei einer Steigerung der CO,-Spannung von 25 mm 
bis auf 50 mm, um nur 0,20 kleiner. 


Pu: 


A ii, 
bei 25mm bei 50 mm 
J CO, 00, Dif. Beobachter 
Rinderblut, 38° . 7,57 7,41 0,16 


7,50 7,32 0,18 | Hasselbalch u. 
7,48 7,27 0,21f Lundsgaard’) 
747 725 0,22 





1) a. a. O. S. 274. 
+) Die Wasserstoffionenkonzentration. 1914, S. 90. 
3) Diese Zeitschr. 38, 83, 1912. 


P 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 115 


p 
bei 25mm bei 50mm 


CO, CO, Diff. Beobachter 
Menschenblut, 38° 7,46 7,24 0,22 Peters!) 
NaHCO, jeglicher 


Konzentration u. 
Temperatur . . — — 0,30 

Bei Verdoppelung der H,CO,-Konzentration wird die Was- 
serstoffzahl nicht um 100°/, sondern nur um 60%/, größer. 
Die „halbquantitative“ Betrachtung von Michaelis ist auch 
nur halb richtig. Das Blut ist eine Pufferlösung von weit größerer 
Effektivität als die reine Bikarbonatlósung. Nur die Mög- 
lichkeit, daß das Blut keine konstante, sondern eine 
mit steigender CO,-Spannung zunehmende Konzen- 
tration des Bikarbonats besitzt, kann die halbquan- 
titative Betrachtung in eine quantitative verwandeln. 


II. 


In einer Natriumbikarbonatlösung mit Kohlensäure geht 
die Wasserstoffzahl bekanntlich aus der folgenden Gleichung 
hervor S 
[Bikarb.] 

(CO, Er oe y 
wo K die erste Dissoziationskonstante der Kohlensäure, A den 
den Dissoziationsgrad des Bikarbonats darstellt. Wir führen 
statt K den Ausdruck 10—Px ein und nehmen den Logarithmus 


K = [H] x ð Xx 








[Bik.] 

menge — emo 1 > 

PK Pa + log ô + og [CO,] 

[Bik.] 

= ] 1 . . e . . 2 
Py Pe + og d + 08 [CO,] ( ) 
Die Größe px ist dann — nach einem nicht publizierten Vor- 
schlag von N. Bjerrum — ganz analog zu py. als der nega- 


tive Logarithmus der Dissoziationskonstante zu definieren. 

Der Dissoziationsgrad d liegt für Bikarbonatkonzentrationen 
bis 0,05 n. zwischen 1 und 0,8, das Glied log A der Gleichung (2) 
demnach zwischen O und — 0,1. Es ist aber bei dieser Ge- 
legenheit ganz unnütz, die Größe dieses Gliedes zu kennen. 
Statt pg + log ô schreiben wir px,, also ist 


1) Barcroft, The respiratory function of the blood 1914, 316. 
gs 


116 K. A. Hasselbalch: 


[Bik.] 
p . = , lo ev o e e è e œ 3 
H Px + g [CO,] ( ) 
Wir verfügen jetzt über eine sehr einfache Gleichung zur Be- 
rechnung von pp- in reinen Bikarbonatlösungen mit Kohlen- 
säure, nur muß für eine gegebene Bikarbonatkonzentration der 
entsprechende Wert von px, bekannt sein. 
Bei äquivalenter Konzentration von Bikarbonat mit Kohlen- 
; j Bik. 
säure wird das Glied log 1603 (Gleichung 3) = 0, folglich kann 
2 
die GróBe px, in folgender Weise definiert werden: 
pg, ist pm. bei äquivalenter Konzentration von Salz 





und Säure. 


Es galt nun, die Werte von px, bei Bluttemperatur fest- 
zustellen. 

Die erste Dissoziationskonstante der Kohlensäure wurde 
bei 18° von Walker und Cormack!) aus Leitfähigkeitsbe- 
stimmungen reiner Kohlensáurelósungen zu 10%? berechnet, 
oder, mit der hier gewählten Ausdrucksweise, pg wurde gleich 
6,52 gefunden. 

Bei einer Temperaturerhóhung von 18° bis auf 38% wächst 
bekanntlich der Logarithmus der Gleichgewichtskonstante eines 
Prozesses um den Betrag 

Q Xx (38 — 18) 
4,57 X< (273 + 38) <(273 + 18)’ 
wo Q die Wärmetönung pro Grammäquivalent des reagierenden 
Stoffes bezeichnet. . 

Aus Julius Thomsens thermochemischen Untersuchungen 
ließ sich [L. J. Henderson?)] Q, die Ionisationswärme der 
Kohlensäure, zu — 2750 Cal. berechnen. Bei 38° sollte dem- 
gemäß px für Kohlensäure um 0,13 kleiner sein als bei 18°, 
die Kohlensäure also bei 38° eine stärkere Säure sein als 
bei 180, 

Demgegenüber behaupten Michaelis und Rona?), experi- 
mentell erwiesen zu haben, die Kohlensäure sei bei 38° nicht 
stärker dissoziiert als bei 18°. Es ist mir nicht möglich, die 


1) Journ. of Chem. Soc. 77, 5, 1900. 
») 1. c. 8. 296 Fußnote. 
3) Diese Zeitschr. 67, 188, 1914. 


Berechnung der Wasserstofízahl des Blutes usw. 117 


Beweiskraft dieser Versuche anzuerkennen, und zwar aus dem 
folgenden Grunde. 

Michaelis und Rona bereiten ihre Lösung aus Na,CO, 
und HCl bekannter Konzentration bei Zimmertemperatur 
und bestimmen py elektrometrisch bei 38°, indem sie einfach 
die Lösung im Elektrodengefäß auf 38° erwärmen. Die Ver- 
fasser meinen nun, die Konzentrationen von NaHCO, und H,CO,, 
co der Gleichung (3) 
(s. ol abhängt, seien unverändert geblieben. Die Bikarbonat- 
konzentration ist natürlich von der Erwärmung (praktisch) un- 
berührt geblieben, die Kohlensäurekonzentration aber muß in- 
folge der bei 38° geringeren Löslichkeit unbedingt kleiner sein 
als bei 1801). Wird bei dem benutzten Verfahren py. bei 38° 
gleich pg. bei 18° gefunden, so muß bei 38° die Kohlensäure, 
weil hier ihre Konzentration eine geringere war als bei 18°, 
stärker dissoziiert sein. Um wie viel, ist auf Grund solcher 
Bestimmungen nicht leicht zu sagen, weil die wirklich vorhan- 
dene H,CO,-Konzentration sich einer genaueren Berechnung 
entzieht. Nur durch eine Analyse der Wasserstoffblase des 
Elektrodengefäßes auf deren CO,-Gehalt könnte die H,CO,- 
Konzentration der Versuchsflüssigkeit ermittelt werden. 

Bei meinen Bestimmungen der Werte von px, bei 18° und 
bei 38° bin ich in der folgenden Weise vorgegangen. 

Wäßrige Lösungen von NaHCO, bekannter Konzentrationen 
zwischen 0,005 n. und 0,05 n. wurden in einem einfachen „Sa- 
turator“ im Raume des Luftthermostaten mit einer CO,-Luft- 
mischung analysierten CO,-Gehaltes gesättigt und dann in das 
gleichzeitig mit Wasserstoff beladene Elektrodengefäß?) hinüber- 
gepreßt, das in demselben Thermostaten, direkt unter dem Sa- 
turator angebracht ist. Bei passender Füllung des Elektroden- 
gefäßes mit der Versuchsflüssigkeit — Totalvolumen 5 ccm, 
davon Wasserstoff 1,5 ccm — genügten zwei Erneuerungen der 
Lösung, um vollkommen konstante Werte des Potentials zu 





wovon ja der Betrag des Gliedes log 


1) Der Absorptionskoeffizient œ von CO, in reinem Wasser ist bei 
18° 0,928 und bei 38° 0,560. 

2) Bezüglich der Konstruktion siehe Hasselbalch und Gam- 
meltoft, diese Zeitschr. 68, 235, 1915. 


118 K. A. Hasselbalch: 


sichern, Werte, die gelegentlich auch colorimetrisch — bei Zim- 
mertemperatur mit Methylrot als Indicator — verifiziert wurden. 

Der Saturator (Fig. 1) ist eine 200 ccm fassende, mittels 
eines Motors um ihre Achse rotierende Glasflasche mit doppelt 
durchbohrtem Kautschukstöpsel. In der weiteren, zentral ge- 
legenen Bohrung steckt ein kurzes, bei a geschliffenes Glasrohr, 





Fig. 1. 


wohindurch ein zweites, bei b leicht ausgezogenes Glasrohr lose 
passiert; durch dieses Rohr geht aus einem Gasometer ein per- 
manenter Strom der CO,-haltigen Luft, die im Thermostaten- 
raum zuerst eine Bleispirale, dann eine Waschflasche mit destil- 
liertem Wasser passiert und bei a den Saturator verläßt. Um 
den Luftstrom anzuhalten, braucht man nur dieses Rohr ein 
bißchen zurückzuziehen, so daß die Öffnung bei a durch den 
kleinen aufgebundenen Kautschukschlauch bei b geschlossen 
wird, und die Versuchsflüssigkeit kann, nach Herstellung der 
Verbindungen, zuerst zur Spülung der Verbindungsschläuche, 
dann zur Füllung des Elektrodengefäßes verwandt werden. Die 
Flüssigkeit verläßt den Saturator durch das kleine, gebogene 
Glasrohr c, das durch die zweite, engere Bohrung des Kaut- 
schukstöpsels passiert. 


Die von mir bei variierter Konzentration der Kohlensäure 
und des Natriumbikarbonats bei 18° und bei 38° ausgeführten 
Messungen von py. sind in der untenstehenden Tabelle I auf- 
geführt. Bei der Berechnung von px, (Pp. bei äquivalenter 
Konzentration von Salz und Säure) habe ich in allen Fällen 
bei 18° den Absorptionskoeffizienten 0,928, und bei 38° 0,560 
benutzt, indem die Salzkonzentration überall so gering ist, daß 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 119 


die vom Salze bewirkte Depression des Absorptionskoeffizienten 
in Betracht der unvermeidlichen Fehler bei der elektrometri- 
schen Bestimmung unberücksichtigt bleiben kann. 





Tabelle I. 
u 180 380 
NaHCO,-Konz. 
> Same mm -CO, | Py | PK, mm. CO, | Par | Pr, 
7,42 | 6,43 , 
403,8 6,48 | 6,43 247,8 6,82 6,33 
74,0 7,23 | 6,44 52,6 7,50 6,34 
147 7 6,92 | 6,43 717,0 6,35 6,33 
6,43 | 6,33 
0,03 n. 40.6 7,43 6,38 
80,7 7,10 6,35 
| 1350 | 6,87 | 6,34 
96,9 7,03 6,36 
| 6,36 
0,02 n. y 123,3 16,78 | 6,39 
| 36,7 7,28 6,36 
| 628 |708 | 639 
| 6,38 
0,01 n. 54,3 6,77 | 6,54 85,0 6,65 6,40 
134,3 6,37 | 6,53 218,6 6,28 6,44 
101,8 6,46 | 6,505 137,4 6,46 6,42 
84,5 | 6,54 | 6,50 189,2 | 635 | 6,44 
68,8 6,68 | 6,545 119,8 6,52 6,42 
92,4 6,54 | 6,54 149,0 6,395 | 6,40 
6,53 6,42 
0,005 n. 23,5 6,97 6,46 
41,35 | 6,70 6,44 
71,8 6,48 6,46 
| 6,45 


Bei dieser Voraussetzung ergibt die Berechnung, daß eine 
0,01 n-Kohlensäurelösung bei 18° einer CO,-Spannung von 
91,7 mm Hg., bei 38% einer CO,-Spannung von 152 mm Hg 
entspricht. Umgekehrt läßt sich die Normalität der Kohlen- 
säurelösung einfach aus der CO,-Spannung des Luftstromes 
nach dem folgenden Schema berechnen: 
ER >< 0,01 n, bei 38° DEE 

Tabelle I enthält folgende Ergebnisse: 

1. Die Kohlensäure ist bei 38° eine stärkere Säure als 
bei 18°. Während die Berechnung auf Grund der Jul. Thom- 


senschen Daten eine Differenz pg!8°— px °®’ = 0,13 erwarten 





Bei 18° >X< 0,01 n. 


120 K. A. Hasselbalch: 


ließ, finde ich eine entsprechende Differenz von 0,10 bis 0,11 ?), 
demnach eine, praktisch betrachtet, vollkommene Überein- 
stimmung. 


2. Der Wert px, steigert sich mit abnehmender Salzkon- 
zentration. Das rührt nun teilweise von dem Umstand her, 


daß gleichzeitig der Dissoziationsgrad A des Bikarbonats an- 
steigt. 


Die untenstehende Zusammenstellung zeigt die hier gefundenen 
Werte von Dr bei 38° und abnehmender Salzkonzentration. Die ent- 
sprechenden Werte von ö sind durch Interpolation aus den Leitfähig- 
keitsbestimmungen von Walker und Cormack”) berechnet worden. 
Die unterste Zahlenreihe gibt die Werte von pg der Kohlensäure bei 
38°, indem pg = Pg, — log ô; diese Werte sind mit abnehmender Salz- 
konzentration zwar etwas ansteigend, doch viel weniger als die Werte 
von Pg,- 


Konz. des Bikarbonats 0,05n 0,03n 0,02n 001n 0,005 n 


PES ee 2633 636 638 642 665 
CL... e . . 0800 0827 081 0,885 0,917 
oe A... . . .—0,10 —0,08 —0,07 —0,05 — 0,04 


_logd. . . . . . . .—010 —008 —0,07 005 —004 _ 
Pr, —logó=pg . . 643 644 645 647 649 


Fig. 2 gibt eine graphische Darstellung der Versuchsergeb- 
nisse bei 38°, die bei der späteren Anwendung der Befunde 
an Blut von Nutzen sein 
wird. Als Abscisse dient die 
Normalität des Bikarbonats, 
teils direkt, teils durch den 
Gehalt an gebundener CO, 
in Volumprozenten (Kubik- 
zentimeter CO, bei 0°, 760 
mm, pro 100 ccm Flüssig- 
keit) ausgedrückt. 

3. Bei gegebener CO,- 
0% a% Spannung ist der py. einer 





0 0,01 002 003 
0 


67 78 90 101 m É ` , 

E Vol % reinen NaHCO,-Lósung. bei 

Fig. 2. px, der Kohlensäure bei 38% etwa 0,12 größer als 
320 bei zunehmender NaHCO,- bei 18°. 


Normalität. 


Eine graphische Darstel- 


1) Vorausgesetzt, daß der Dissoziationsgrad ô von der Temperatur- 
erhöhung unbeeinflußt bleibt. 
2) 1. c. S. 10. 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 121 


lung der Versuchsergebnisse bei 0,05 n. und 0,01 n-NaHCO, 
könnte die Richtigkeit dieses Satzes beweisen. Einfacher ist 
der prinzipielle Nachweis. Wir erinnern uns, daß eine 0,01 n- 
Kohlensäurelösung einer CO,-Spannung von 91,7 mm bei 18°, 
152 mm bei 38° entspricht. Wir nehmen die Salzkonzentration 


0,01 n. und die CO,-Spannung p an. Die Formel (3) läßt sich 
nun schreiben: 


pP; — 6,43 + log 0,01 = 
01 152 
Pr’ u 6,33 -+ log = 


Pu” — Pa’ = — 0,10 + log 152 — log 91,7 = 0,12. 
H,CO, bei 38% ist zwar eine stärkere Säure als H,CO, 
bei 18°, die Wasserlöslichkeit der CO, ist aber bei der höheren 
Temperatur um so viel geringer, daß die Erwärmung einer 
Bikarbonatlósung mit Erhaltung des CO,-Druckes eine Ernie- 
drigung der Wasserstoffionisation bewirkt. 


Ill. 


Nachdem auf diese Weise die Berechnung des py einer 
Natriumbikarbonatlösung bei 38° aus der freien und der ge- 
bundenen Kohlensäuremenge ermöglicht war, erhob sich die 
Frage, ob eine ähnliche Berechnung bei Blut anwendbar ist. 

Schon in der Einleitung zeigte ich, daß die Annahme 
einer konstanten, von dem CO,-Drucke unabhängigen Bikarbo- 
natkonzentration im Blute mit dem vorliegenden Beobachtungs- 
material unvereinbar ist. 

Die Vermutung war nun naheliegend, daß die bekannte 
CO,-Bindungskurve des Blutes, die mit zunehmendem CO,- 
Drucke zuerst rapide, dann langsamer ansteigt, den graphi- 
schen Ausdruck für die Bikarbonatkonzentration des Blutes 
abgebe, daß, mit Hendersons Worten, die gesamte gebundene 
Kohlensäure im Blute als Natriumbikarbonat, d. h. ganz haupt- 
sächlich als Ion HCO, vorhanden sei. 

Die Prüfung dieser Hypothese machte es notwendig, den 
Py: des Blutes sowohl elektrometrisch als auch rechnerisch aus 
den Mengen der freien und gebundenen CO, zu bestimmen. 


Bei diesen Untersuchungen benutzte ich für die Sättigung des (de- 
fibrinierten) Blutes mit CO, einer beliebigen Spannung den oben be- 


122 K. A. Hasselbalch: 


schriebenen Saturator (Fig. 1), worin etwa 15 com Blut erst im Wasser- 
bad bei 38° etwa 5 Minuten lang vorgewärmt wurden, dann im Luft- 
thermostaten bei derselben Temperatur eine halbe Stunde lang im Luft- 
strom rotierten. Etwa 3 com Blut wurden nun für die Elektrometrie 
verwandt, etwa 10 ccm mittels Quecksilberpumpe evakuiert und die 
Gase analysiert. 

Das benutzte Elektrodengefäß ist etwas verschieden von dem bisher 
von mir verwandten Modell"). Die Elektrode ist ein kurzer, hakenfórmig 
gekrümmter Platindraht, dessen Spitze die Wand des Elektrodengefäßes 
leicht berührt. Die Wasserstoffatmosphäre ist auf eine kleine Blase, 
die während des maschinellen Schaukelns des Elektrodengefäßes durch 
das Blut auf- und abwärts wandelt, beschränkt. Während der Messung 
ist die Elektrode nur durch die an dem Glase haftende Serumschicht 
mit dem Blut in Berührung; die vollständige Reduktion des Blutes 
braucht nicht abgewartet zu werden; nach 50 Wendungen des Gefäßes 
stellt sich das bleibende Potential fast augenblicklich ein, und eine Er- 
neuerung des Blutes, die übrigens sehr leicht zu bewerkstelligen ist, ist 
wegen der kleinen H,-Atmospháre bei CO,-Spannungen von 0 bis auf 
etwa 60 mm nicht nötig. Bei höheren CO,-Spannungen muß die ge- 
messene Blutportion aus dem Saturator einmal erneuert werden; das 
Seitenrohr, wodurch die Erneuerung des Blutes ermöglicht wird, zweigt 
sich direkt unter der H,-Blase ab. Diese Modifikation meines Elektro- 
dengefäßes hat sich bei meinen Messungen an Blut und anderen Ge- 
websflüssigkeiten vorzüglich bewährt. Die Elektrode funktioniert ohne 
Neuplatinierung tadellos Wochen hindurch. 

Unmittelbar nach der Blutprobeentnahme für die Elektrometrie 
werden in einem graduierten Quecksilberrezipienten ca. 10 com Blut 
luftfrei aufgefangen und später in den evakuierten Rezipienten der 
Quecksilberluftpumpe hinübergebracht. Das genaue Volumen dieser 
Blutprobe wird durch Wägung des ausgelaufenen Quecksilbers ermittelt. 

Die Spannung der Kohlensäure im Blute geht aus der 
Analyse einer Probe des Luftstromes, aus dem Luftdruck und 
dem Dampfdruck des Wassers bei der Versuchstemperatur her- 
vor. Für die Berechnung der freien Kohlensäure im Blut ist 
außerdem die Kenntnis des Absorptionskoeffizienten erforder- 
lich. Diese Größe ist von Bohr?) auf indirektem Wege be- 


stimmt worden und beträgt für Blut und Serum bei 18° und 38° 


& G 
Blut 18° 0,854 Serum 18° 0,905 
38° 0,511 38° 0,541 


Die freie Kohlensäure im Blute beträgt; bei der CO,-Span- 


1) Diese Zeitschr. 49, 455, 1913. 
2) Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen, 1, 63. 


Berechnung der Wasserstofizahl des Blutes usw. 123 


Tabelle II. 


Py" bei 18% und 38° in Blut, Serum und Hämoglobinlösungen, 
elektrometrisch und rechnerisch ermittelt. 





Rinderblut I . . | 38 39,3 42,6 7,26 7,29 + 0,03 
38 28,1 37,2 7,36 7,38 + 0,02 
18 44,8 54,3 7,18 7,20 + 0,02 
18 22,3 44,3 7,42 7,43 + 0,01 
38 63,1 47,9 7,14 7,12 — 0,02 
38 | 95,6 62,7 7,04 7,05 + 0,01 

Rinderblut II. .| 38 10,7 31,6 7,72 7,74 + 0,02 
38 | 33,6 47,8 7,42 7,40 — 0,02 
38 | 96,7 65,0 7,06 7,06 0 
38 61,2 58,7 7,22 7,22 0 
38 20,1 39,8 7,57 7,56 — 0,01 
38 43,7 51,8 7,31 7,32 + 0,01 
38 | 74,0 64,7 | 7,17 7,18 + 0,01 

Rinderblut II .| 38 | 41,1 48,8 7,32 7,32 0 
38 | 41,0 48,5 7,32 7,32 0 

Serum aus III .| 38 | 41,8 62,0 7,39 7,38 — 0,01 
38 14,5 54,3 7,78 7,79 + 0,01 

Rinderblut III, | 

25 com +0,85%. | 38 | 399 | 435 | 7,29 | 7,29 0 

NaCl, 5 ccm 

Rinderserum IV .| 38 | 40,6 60,6 7,40 7,39 — 0,01 
38 38,9 59,8 7,40 7,40 0 
18 | 4150 64,6 7,31 7,29 — 0,02 

Rinderblut V . .| 38 | 427 44,3 7,26 70 + 0,01 
38 39,3 44,5 7,28 7,30 + 0,02 
38 40,9 42,2 7,24 7,27 + 0,03 

Rinderblut VI .| 38 | 36,3 45,2 7,34 7,35 + 0,01 


20,2 492 | 7,58 | 7,58 0 


DialysierteHämo- 


38 54,4 52,0 7,27 7,23 — 0,04 


globinlösung mit 38 94,2 55,4 7,03 7,01 — 0,02 
NaHCO, 0,025 n. 38 | 7,0 32,9 7,95 7,94 — 0,01 
Menschenblut 

K. A. H. 38 50,8 57,1 7,26 7,29 + 0,03 
a 12 I. 38 45,7 52,9 7,32 7,31 — 0,01 
38 32,7 45,1 7,38 7,39 + 0,01 

38 18,5 35,1 7,55 7,55 0 
O 38 | 224 | 367 | 749 | 748 | —001 

38 80,7 61,3 7,12 7,12 0 

pa 





nung p ie Vol.-9/,. Diese Größe ergibt, von der Gesamt- 


Ce 
kohlensäure (immer in Volumenprozenten ausgedrückt) subtra- 
hiert, die gebundene CO,, die wir s nennen. 

Die Gleichung (3) kann nun, indem H,CO, eine zweibasi- 
sche Säure ist, in folgender Weise geschrieben werden: 


124 K. A. Hasselbalrh: 


be =P, + log 55359 yq = Pe, + log eo. . (4) 

760 
Der zu benutzende Wert von px, hängt von der Größe 
von s ab und ist auf der Kurventafel (Fig. 2) abzulesen?). 
Bei 18% kann px, um 0,10 größer veranschlagt werden (s. ol 
Beispiel: Bei 38% und 40 mm CO,-Spannung enthált eine Blut- 


probe 51,0 Vol.-%/, CO, in gebundener Form. 
Pg, ist bei 51°/, CO, (siehe Fig. 2) 6,375 


38 51 
Pa: = 6,875 + log vn s11 295. 


Die meisten der in der Tabelle II gesammelten Versuche 
wurden nur in der Absicht angestellt, die Geltung der durch 
Gleichung (4) ausgedrückten Gesetzmäßigkeit zu prüfen, und 
beanspruchen nicht, über physiologische Verhältnisse etwas Ent- 
scheidendes auszusagen. Zum Beispiel handelt es sich recht 
oft um altes Blut von etwas fauligem Geruche. Auf die mit 
„Rinderblut II“ und mit Menschenblut angestellten Versuche, 
die physiologisch verwertbar sind, komme ich später zurück. 

Vorläufig bemerken wir, daB sowohl bei 18° als bei 380, 
sowohl bei Serum als bei Blut und Hämoglobinlösungen, die 
elektrometrisch beobachteten und die aus dem CO,- 
Gehalt nach der Gleichung (4) berechneten Wertein allen 
Fällen so vollkommen übereinstimmen, wie die Genauig- 
keit der Methoden (besonders die der elektrometrischen Methode) 
zuläßt. 

In 31 von im ganzen 35 Fällen ist die Abweichung zwischen 
dem „beobachteten“ (d. h. dem elektrometrisch ermittelten) 
und dem (aus der Gasanalyse) „berechneten“ Werte + 0,02 
und kleiner, nur in einem Fall beträgt die Abweichung 0,04. 

Diese Übereinstimmung umfaßt ein Reaktionsgebiet von py= 7 
bis py =8. Bei anderen, hier nicht angeführten Versuchen habe ich 
bei pr =6 und bei pm: = 9 eine fast ebenso gute Übereinstimmung be- 
obachtet; die im letzteren Falle auftretenden CO,-lonen sind noch nicht 
in genügender Konzentration vorhanden, um die Gültigkeit der Gleichung 
(4) in meßbarem Grade zu beschränken. 


Hiermit darf ich den ersten Teil der gestellten Aufgabe 
als gelöst betrachten. Die aktuelle Reaktion des Blutes 


1) Es wird hier hypothetisch und wie der Erfolg zeigt, mit Recht, 
vorausgesetzt, daß der NaCl-Gehalt des Blutes den Dissoziationsgrad 
des Bikarbonats nicht meßbar beeinflußt. 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 125 


kann aus den Mengen der freien und der gebundenen 
CO, leicht und mit großer Genauigkeit berechnet 
werden. 


Die beigefügte Kurve (Fig. 3) gibt eine graphische Dar- 
stellung der mit „Rinderblut II“ im Laufe eines Tages durch- 
geführten Bestimmungen. 
Es handelte sich um fri- 
sches, auf Eis aufbewahrtes 
Blut, so dass die Ergebnisse 
des Versuchs mehr als me- 
thodisches Interesse bean- 
spruchen dürfen. Auf Grund 
der 7 Bestimmungen des 
CO,-Bindungsvermögens bei 
38° wurde erst die (ausge- 
zogene) CO,-Bindungskurve 
aus freier Hand gezeichnet. Fig. 3. 

Diese Kurve wurde zur Kon- * Observierte Punkte der CO,-Bin- 
struktion der (gestrichelten) dungskurve von Ochsenblut bei 38°, 
ausgezogene Kurve. 
Pır-Kurve dieses Blutes ver- pi EE 
wendet. Wie ersichtlich, fal-_ + Observierte Werte von Be bei 38°. 
len die elektrometrisch be- 0 n s n»n n n 18. 
stimmten Py--Werte mit 
dieser letzteren Kurve vollständig zusammen. 

Von großem Interesse ist der Umstand, daß auch die 
bei 18° elektrometrisch ermittelten py-Werte in die 
Kurve fallen. 

Dieser Nachweis, daß bei konstanter CO,-Spannung die 
Wasserstoffzahl des Blutes bei 18° und bei 38° praktisch be- 
trachtet gleich groß ist, geht übrigens auch aus der Tab. II 
(Rinderblut I) hervor und ist meines Wissens hier zum ersten 
Male erbracht worden?). 








1) Daß diese Tatsache, trotz darauf abzielender Versuche, sowohl 
Michaelis und Davidoff (Diese Zeitschr. 12, 1912) als auch mir 
(ebenda 49, 1913) entgangen ist, muß technischen Unvollkommenheiten 
der Methoden zugeschrieben werden. Die Unzulänglichkeit des Michaelis- 
schen Vorgehens habe ich oben (S. 117) erwähnt. Bei meinen früheren 
Versuchen war der H,-Raum unzweifelhaft zu groß, und die Erneuerung 
des Blutes deshalb mangelhaft. 


126 K. A. Hasselbalch: 


Wie man sich erinnert, ist in einer reinen NaHCO,-Lösung 
(bei konstanter CO,-Spannung) Gu, bei 38% um 0,12 größer als 
bei 18% Wenn beim Blut dieser Unterschied weggefallen ist, so 
kann das nur bedeuten, daß mit der Erwärmung des Blutes, 
dessen NaHCO,-Konzentration abnimmt, und zwar in dem 
Maße, daß die geringere Konzentration der — allerdings etwas 
stärker dissoziierten — Kohlensäure fast genau abkompensiert 
wird. Welcher Mechanismus hier im Spiele ist, werden wir 
später untersuchen. 

Die Möglichkeit, daß es sich hier um eine bisher nicht 
erkannte ,Regulationsvorrichtung“ zur Erhaltung der physio- 
logischen Wasserstoffzahl des Blutes trotz eintretender Tempe- 
raturverschiebungen handelt, ist naheliegend. 

Vol CO, Ph Fig. 4 gibt in glei- 
A cher Weise wie Fig. 3 die 
CO,-Bindungskurve mei- 
nes eigenen, an drei ver- 
schiedenen Tagen durch 
Venenpunktur gewonne- 
nen Blutes an. Nur die 
6 Bestimmungen, wo der 
Pp: des Blutes elektro- 


Fig. 4 Menschenblut, 38%. CO,-Bin- metrisch bestimmt wurde, 


dungskurve (ausgezogen) und daraus sind in der Tab. II auf- 
berechnete Pyr Kurve. + Elektrome- 


trisch gemessene Werte. 








0 20 30 w 50 ED 70 80 S0 mt 


genommen worden. Ob- 
schon das Blut, wie ge- 
sagt, drei verschiedenen Probeentnahmen entstammt, ist die 
Angehörigkeit an derselben Kurve unverkennbar. Auf Grund 
der CO,-Kurve wurde demnächst, wie beim Rinderblut, eine 
Pg-Kurve für variierte CO,-Spannungen konstruiert, und die 
damit vorzüglich übereinstimmenden elektrometrischen py--Be- 
stimmungen (durch Kreuze) angegeben. 

Bei 40 mm CO, ist Ge in meinem Blute (siehe Fig. 4) 7,34. 
Aus den in der Literatur vorliegenden CO, -Bindungskurven 
des Blutes lassen sich übereinstimmende Werte berechnen. Aus 
der Arbeit von Christiansen, Douglas und Haldane?) be- 
rechne ich z. B. bei 40 mm CO, im Blute von J.S.H.: pg. = 7,33, 


1) Journ. of Phys. 48, 1914. 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 127 


in dem von COD: Dess 7,32. Dieselben Verfasser zeigen, 
wie früher Morawitz und Walker!), daß eine forcierte Muskel- 
arbeit die CO,-Bindungskurve des Blutes stark herabdrückt. 
Die Zahlenangaben?) sind für die Berechnung des py. im arte- 
riellen Blute leicht verwertbar. 


Versuch 1. 
bei alv. CO,sp. Pr 
mm des Blu 
Vor der Arbeit . . . . 38,2 7,33 
Nach » nooo ‘o 29,4 7,21 
Versuch 2. 
Vor der Arbeit . . . . 39,3 7,32 
Nach » n do 31,8 7,22 
Versuch 3. 
Vor der Arbeit . . . . 38,1 7,33 
Nach » „ E E 31,3 7,21 
1 Stunde nach der Arbeit 35,5 7,35 


Die Berechnung zeigt, daß unmittelbar nach dem Auf- 
hören der Arbeit eine bedeutende, durch die gewaltig erhöhte 
Atemtätigkeit bei weitem nicht kompensierte Säuerung des 
Blutes besteht. Eine Stunde nach der Arbeit ist das Gleich- 
gewicht wiederhergestellt oder vielleicht sogar etwas über- 
schritten (erhöhte Reizbarkeit des Atemzentrums!?). 


IV. 

Was den Mechanismus betrifft, mittels dessen die Bikar- 
bonatkonzentration im Blute keine konstante Größe beträgt, 
sondern mit der CO,-Spannung steigt und fällt, so richtet sich 
die Aufmerksamkeit naturgemäß auf die Eiweißstoffe des Blutes. 
Eine im Blute vorhandene Säure, die bei steigender Alkalinität 
immer stärker dissoziiert, würde die Sachlage klären. 

Daß die Eiweißstoffe des Serums bei der Wasserstofizahl 
des Blutes als schwache Säuren aufzufassen sind, ist ja längst 
bekannt. Auch ich habe feststellen können, daß eine NaHCO,- 
Lösung durch Zusatz von dialysiertem Rinderserum eine sehr 
deutliche Erniedrigung des py. (von 7,32 bis auf 6,96) erlitt. 
Die isoelektrische Reaktion liegt aber für die Serumeiweiß- 


21 eo. 
2 Christiansen, Douglas und Haldane, |. c. S. 251. 


128 K. A. Hasselbalch: 


stoffe bei etwa Do = BIL d. bh. so weit von der Wasserstoff- 
zahl des Blutes entfernt, daß eine im Gebiete py=7 bis 
Pır=8 stark ansteigende Säurenwirkung teils unwahrschein- 
lich, teils mit der Beobachtung (s. u.) nicht vereinbar ist. Die 
Hauptrolle ist unzweifelhaft einem anderen Blutampholyten» 
nämlich dem Oxyhämoglobin zuzuschreiben. Die isoelektrische 
Reaktion des Oxyhämoglobins entspricht (nach Überführungs- 
versuchen von Michaelis und Takahashi” dem De etwa 6,8, 
bei 38° fast genau dem Neutralpunkt. Je mehr man, von dem 
De- 6,8 ausgehend, sich dem py. 8 nähert, eine um so größere 
Reaktionsverschiebung nach der sauren Seite hin soll — der 
Theorie nach — die Anwesenheit des Ampholyten bewirken. 
Oder, um das hier gebrauchte Maß zu benutzen, je niedriger 
die CO,-Spannung, um so geringer das CO,-Bindungs- 
vermögen. Eben diese Bedingung trifft ja für das Blut zu. 
Vol. % CO, Daß diese Betrachtung 
= mehr als qualitativer Art 
ist, wird durch den Fig. 5 
in Kurvenform dargestell- 
ten Versuch gezeigt. Defi- 
briniertes Rinderblut und 
Serum aus derselben 
Blutportion wurden bei 
variierten CO,-Spannungen 





Fig. 5. ——— Serum 18°. auf den Gehalt an gebun- 
A Serum 380, de CO ] . rt hl 
` Blut 180. nerCO, analysiert,sowo 
pg Blut 38°. bei 18° als bei 38°. (In 
t— Blutkörperchen, 38°. derFigur sind noch zwei Be- 


stimmungen an einem mit 
physiologischer Kochsalzlösung zweimal zentrifugierten Blut- 
körperchenbrei aufgenommen; Temp. 38°.) 
Aus den CO,-Bindungskurven berechnete ich, wie gewöhn- 
lich, die pẹ -Werte bei ansteigender CO,-Spannung. Bei 38° 
ergaben sich folgende Zahlen: 


CO, mm 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 
Serum. . . . 7,91 7,64 7,49 7,37 7,29 7,21 7,15 7,10 7,05 7,01 
g{Blut .... 758 746 7,35 7,27 7,20 7,14 7,09 7,05 7,01 6,97 
Blutkörperchen — 7,15 — 704 = = = — — — 


1) Miohaelis und Davidsohn, diese Zeitschr. 33, 1911, 
2) Diese Zeitschr. 29, 1910. 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 129 


Aus dieser Zusammenstellung geht erstens die Bestätigung 
einer längst bekannten Tatsache hervor: bei physiologischer 
CO,-Spannung reagiert (wegen Beimengung der Blutkörperchen) 
das Blut saurer als das zugehörige Serum. Bei sehr hohen 
CO,-Spannungen verschwindet aber allmählieh dieser Unter- 
schied; bei 18° ist dazu eine CO,-Spannung von etwa 90 mm, 
bei 38° eine von etwa 150 mm!) erforderlich. Augenscheinlich 
wäre hiermit eine Methode zur Bestimmung des isoelek- 
trischen Punktes des Oxyhámoglobins (und anderer 
Ampholyten) gegeben. 

Die obige Zusammenstellung von Pır-Werten liefert uns 
demnach ein wertvolles Mittel zur Entscheidung der Frage, 
welcher Blutbestandteil es ist, der den in der Einleitung er- 
wähnten flachen Verlauf der py-Kurve bei ansteigender CO,- 
Spannung bewirkt. Wir erinnern uns, daß bei Verdoppelung 
der CO,-Spannung der pp. einer reinen NaHCO,-Lósung um 
0,30 vermindert wird. 


Bei Erhöhung der ie 
CO Spannung Erniedrigung des pp 


Blut Blutkörperchen 





Die py-Kurve des Serums verläuft nur eine Kleinigkeit 
flacher (0,27 gegen 0,30) als die der NaHCO,-Lösung, und 
zwar bei alkalischer Reaktion (niedriger CO,-Spannung) nicht 
meßbar flacher als bei saurer Reaktion. Die Serumeiweiß- 
stoffe spielen also als Puffer eine zwar nachweisbare, 
doch recht untergeordnete Rolle im Blute. Erst wenn 
dem Serum Blutkörperchen zugesetzt werden, bekommen 
wir die flache und gegen die alkalische Seite hin 
immer flacher verlaufende py-Kurve des Blutes. Eine 
hochkonzentrierte Hämoglobinlösung, wie sie der Blutkörperchen- 
brei darstellt, ist als Puffermischung noch wirksamer: bei Er- 
höhung der CO,-Spannung von 20 bis auf 40 mm fällt der py 
um nur 0,11. 


1) Extrapolierter Wert. 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 9 


130 K. A. Hasselbalch: 


Daß nun wirklich Hämoglobin bei dem py. des Blutes 
CO, -austreibend wirkt, und zwar um so stärker, je alka- 
lischer die Reaktion, wird durch den mit dialysierter Hämo- 
globinlösung (Tab. II) angestellten Versuch bewiesen. 

Die etwa 3 Stunden lang, d.h. recht mangelhaft, dialy- 
sierte Oxyhämoglobinlösung aus gereinigten Rinderblutkörperchen 
wurde mit so viel einer NaHCO,-Lösung versetzt, daß die un- 
gefähr 5prozentige Hämoglobinlösung mit Bezug auf NaHCO, 
0,025 normal war. Während nun eine reine 0,025 n-Na HCO,- 
Lösung bei jeder CO,-Spannung 56,0 Vol.-%/, CO, in gebun- 
dener Form enthält, ergab die Untersuchung, daß bei einer 
CO,-Spannung von 94,2 mm die Versuchsflüssigkeit einen CO,- 
Gehalt von etwa demselben Betrag, 55,4 Vol.-*/,, enthielt, wäh- 
rend bei niedrigerer Co,-Spannung das CO,-Bindungsvermógen 
der Lösung immer geringer wurde. 


CO,-Spannung, 
mm Pu: Vol.-°/ CO, 
94,2 7,01 55,4 
20,2 7,58 42,2 


7,0 7,94 32,9 


Es kann demnach wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß 
bei der Wasserstoffzahl des Blutes das Oxyhämoglobin 
kein Kohlensäurebinder ist, sondern im Gegenteil infolge seiner 
Säurenatur aus den Bikarbonaten des Blutes CO, ver- 
treibt, und zwar um so stärker, je alkalischer die Reaktion. 
Erst bei so saurer Reaktion, wie sie physiologisch im Blute nicht 
vorkommt, verbindet sich das Oxyhämoglobin mit Kohlensäure. 


Wie wir gesehen haben, ist das Blut, hauptsächlich dank 
seines Oxyhämoglobingehaltes, gegen die von CO, bewirkten 
gar zu schroffen Änderungen der Wasserstofizahl vorzüglich 
geschützt. Auch die Stabilität des Blutes gegen Tempe- 
raturänderungen, auf die ich oben die Aufmerksamkeit hin- 
leitete, hängt von dem Hämoglobingehalt, und nur in sehr be- 
scheidenem Umfang von dem Vorhandensein der Serumeiweiß- 
stoffe ab. Aus den Kurven (Fig. 5) berechne ich die folgenden 
Werte von py im Serum und im Blute bei 18% und bei 38% 
(CO, -Spannung 30 mm) 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 131 


Pr 
18° 380 Diff. 
Serum 7,39 7,49 + 0,10 
Blut 7,35 7,35 0 


Das Serum benimmt sich fast genau wie eine reine Na HCO,- 
Lösung, die bei einer Temperaturerhöhung von 18° bis auf 38° 
ihren py um 0,12 vergrößert. Das Blut ist unverändert. Die 
Säurendissoziationskonstante des Oxyhämoglobins muß demnach 
bei 38° recht bedeutend größer sein als bei 10°. 


Schließlich habe ich die Gelegenheit benutzt, die Richtig- 
keit der zuerst von Lundsgaard und mir’), z. T. gestützt auf 
ältere Untersuchungen von Bohr, Krogh und mir”), später 
von Christiansen, Douglas und Haldane?) ausgesprochenen 
Annahme, das reduzierte Hämoglobin sei als Säure schwächer 
als das Oxyhämoglobin, zu prüfen. Speziell wollte ich die 
Größe der Reaktionsverschiebung feststellen, die eine unvoll- 
ständige Reduktion, etwa auf die O,-Spannung des Capillar- 
blutes, bewirkt. Von zwei übereinstimmenden Versuchen führe 
ich den am besten gelungenen an: 


Ochsenblut 38°. 


Pp: im Pp" bei 
CO,-Spann. O,-Spann. Vol 21, CO, Versuche 40 mm CO, 
I 40,9 139,0 42,2 7,26 7,27 
II 39,3 38,0 44,5 7,30 7,29 


Eine partielle Reduktion des Oxyhämoglobins, wie sie im 
Kreislaufe vorkommt, hat also auf die Wasserstofizahl des 
Blutes einen meßbaren Einfluß ausgeübt, und zwar einen sol- 
chen, der dem gleichzeitigen Einfluß der erhöhten CO,-Span- 
nung entgegenwirkt. Nehmen wir mit Christiansen, Dou- 
glas und Haldane*) an, daß die CO,-Spannung des Blutes 
während einer Zirkulation um 5 bis 6 mm ansteigt, so würde 
dadurch allein der py. des Blutes um etwa 0,04 verkleinert 
werden (siehe Fig. 3); die gleichzeitige Reduktion des Blutes 
läßt aber den Do um 0,02 größer werden (s. ol so daß 
als Endresultat der py. im venósen Blute um nur 0,02 
kleiner ist als im arteriellen Blute. Dieses Ergebnis 


1) Diese Zeitschr. 88, 88, 1912. 

2) Centralbl. f. Physiol. 1904, Nr. 22. 
3) 1 c. S. 260. 

4) 1. c. S. 268. 


dh 


132 K. A. Hasselbalch: 


stimmt mit den Anschauungen der eben genannten Verfasser 
überein‘. Auch der Umstand, daß mit steigender CO,- 
Spannung daszirkulierende Blut sauerstoffärmer wird, 
trägt dazu bei, die Wasserstoffzahl des Blutes fast 
konstant zu erhalten. 


V. 


Das Studium der Sauerstoffbindung des Blutes ist durch 
die energische Arbeit Barcrofts und seiner Mitarbeiter?) in 
sehr bedeutsamer Weise befördert worden. Durch die Auf- 
stellung der Hillschen Formel: 

y _ Kx% 
100 1+Kx% 

(y = prozentische Sauerstoffsättigung, x—Sauerstoffdruck, K eine 
„Konstante“, die mit dem CO,-Drucke und überhaupt mit der 
Wasserstoffzahl des Blutes variiert) 
hat die Sauerstoffbindung des Blutes einen, obschon theo- 
retisch nur mangelhaft begründeten, so doch innerhalb weiter 
Grenzen tatsächlich zutreffenden mathematischen Ausdruck ge- 
funden. Sobald in einem Falle die zusammengehörenden 
Werte von x und y bestimmt worden sind, ist damit, wohlge- 
merkt bei der gegebenen CO,-Spannung, der ganze Verlauf 

der Sauerstoffbindungskurve dieses Blutes genau bekannt. 

Peters und Barcroft?) ist der Nachweis gelungen, daß — 
in Barcrofts Blut — der Logarithmus von K eine einfache, 
nämlich eine geradlinige, Funktion von py- des Blutes ist (siehe 
Fig. 6). Bei dieser Feststellung wurde py. ausschließlich mittels 
verschiedener CO, -Spannung variiert. 

Dieser Nachweis, der vorläufig vereinzelt dasteht, ist von 
Barcroft dazu benutzt worden, aus den — durch Arbeit oder 
durch Sauerstoffmangel — experimentell variierten Werten von 
K die aktuelle Reaktion des eigenen Blutes zu bestimmen. 
Ob dieses Vorgehen in allen Fällen berechtigt ist, scheint mir 
zweifelhaft; es wäre ja denkbar, daß die Abhängigkeit zwischen 
Do und log K unter den vorliegenden Versuchsbedingungen 
sich abweichend gestaltete. Auch die Benutzung der indivi- 


1) 1. o. 8. 270. 
2) Barcroft: The respiratory function of the blood. Cambridge 1914. 
3) Barcroft l. o. $. 316. 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 133 


duellen Sauerstoffbindungskurve — präziser ausgedrückt der 
Größe von K bei alveolarer CO,-Spannung — als Indicator 
für die Blutreaktion, wie sie von Barcroft und Mitarbeitern 
geübt wird, scheint mir — ohne eine genauere Feststellung 
der Abhängigkeit — etwas bedenklich. Um so mehr kommt 
mir die direkte Verwertung der Peters-Barcroftschen Zahlen 
(siehe Fig. 6) für die Berechnung der Blutreaktion anderer, 
normalen und sogar pathologischen Individuen!) unberechtigt 
vor. Ich berechnete oben den py. in Haldanes arteriellem 
Blute zu 7,33. Die Konstante K beträgt für Haldanes Blut 
bei alveolarer CO,-Spannung 0,000212?), log K somit — 3,67. 
Nach der Kurve (Fig. 6) bestimmt, sollte der py. in Haldanes 
Blut 7,19 betragen, ein entschieden pathologischer und deshalb 
unwahrscheinlicher Wert. Schon dieser Mangel an Überein- 
stimmung könnte den Verdacht erregen, daß die Peters-Bar- 
croftsche Kurve keine allgemeine Geltung hat. Für Hal- 
danes Blut (übrigens auch für Douglas’ Blut?) liegt die Kurve 
offenbar recht bedeutend höher als für Barcrofts Blut (Fig. 6), 
die Richtigkeit der K-Bestimmungen vorausgesetzt. 

Des weiteren: Bei Higgins‘) wurde am dritten Tage einer 
kohlenhydratfreien Diät der Wert — log K = 3,33 beobachtet, 
bei gewöhnlicher Kost war die entsprechende Zahl 3,58. Würde 
man hieraus unter Benutzung der Peters-Barcroftschen 
Kurve den pe berechnen, so wäre py. vor dem Versuch 7,27, 
während der Diät 7,48. Die kohlenhydratfreie Diät sollte die 
Blutreaktion nach der alkalischen Seite hin verschoben haben 
— schon dieses wirkt befremdend — und zwar um einen so 
ansehnlichen Betrag, daß keine bisherige direkte Messung der 
Blutreaktion ähnliches gezeigt hat. In diesem Falle wäre eine 
Verschiebung der Peters-Barcroftschen Kurve nach unten 
mit der Bewahrung einer physiologischen Wasserstofizahl des 
Blutes vereinbar. 

Ich habe es aus solchen Gründen als lohnend erachtet, 


1) Z. B. berechnet Poulton (Journ. of Physiol., L. 1915, Physiol. 
Proc., Oct. 16, 1915) den pp: im Blute komatischer Diabetiker nach der 
Peters-Baroroftschen Kurve. 

2) Barcroft, Leg 224. 

3) S. o. und Barcroft, ]. c. S. 224. 

4) Barcroft, l. ce. S. 235. 


134 K. A. Hasselbalch: 


mit Hilfe der oben beschriebenen, relativ einfachen und sicheren 
Methode zur py-Bestimmung im Blute die Geltung der Peters- 
Barcroftschen Kurve an verschiedenen Blutsorten etwas näher 
zu untersuchen. 

Wie leicht ersichtlich, galt es nur, 
das Blut im Saturator mit einem Luft- 
strom von passender Spannung von 
Sauerstoff und Kohlensäure zu behan- 
deln, und nach dem Auspumpen so- 
wohl den CO,-Gehalt als auch den 
O,-Gehalt zu bestimmen. Es wurden 
gewöhnlich für jede solche Bestimmung 
5 ccm Blut verwendet, gelegentlich nur 
3, und ich bezweifle nicht, daß bei 
passender Wahl der Dimensionen der 





Fig. 6. 
p,. und O,-Bindung. 
o Diut- son Baroroft Pumpe und des Luftanalysenapparats 


x n» na Hasselbalch. sogar kleinere Mengen ausreichen wür- 
den. Bei Serienversuchen mit dem- 


selben Blut dauert ein Einzelversuch — in der Bestimmung 
des py. und der prozentischen O,-Sättigung des Blutes bestehend 
— ungefähr 45 Minuten. 

Die Sauerstoffkapazität des Blutes, d. h. die bei voller 
Sättigung an das Hämoglobin gebundene O,-Menge, in Volum- 
prozenten ausgedrückt, wurde mittels eines mehrmals mit über- 
einstimmendem Resultat gasanalytisch justierten Autenrieth- 
Königsberger-Apparats colorimetrisch bestimmt. 

Die untenstehende Tabelle III umfaßt 7 Bestimmungen 
der Wasserstofízahl und der Sauerstoffbindungskonstante K 
meines eigenen Blutes, das an drei verschiedenen Tagen unter- 


Tabelle III. 
Blut von RA H. 38°. 





Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 135 


sucht wurde. Die Werte sind in die Fig. 6 eingetragen und 
stimmen, wie ersichtlich, in fast erstaunlicher Weise mit der 
Peters-Barcroftschen Kurve überein. 


Bei der weiteren Prüfung der Peters-Barcroftschen 
Kurve („P-B-Kurve“) verfuhr ich folgendermaßen. 

In Analogie mit dem oben erwähnten Fall von Acidosis 
durch Kohlenhydratentziehung, wo das Blut der Versuchs- 
person (Higgins) eine unzweifelhafte Verschiebung der P-B- 
Kurve erlitt, stellte ich es mir als eine Möglichkeit vor, daß 
das Blut von Schwangeren eine entsprechende Verände- 
rung darbiete. 

In der Schwangerschaft besteht ja, nach den elektrome- 
trischen Bestimmungen von Gammeltoft und mir!) zu ur- 
teilen, eine deutliche Erniedrigung des reduzierten py. im Blute- 
Dieser Befund, der mit den Untersuchungen von Michaelis’) 
nicht übereinstimmt, konnte nun gleichzeitig, mittels der hier 
geübten Methodik, nachgeprüft werden. 

Also wurde bei 5 Schwangeren?) wenige Tage vor der Ent- 
bindung das frisch defibrinierte und zwischen den Einzelbestim- 
mungen kühl aufbewahrte Blut in der oben beschriebenen 
Weise untersucht, und bei denselben Frauen 8 Tage nach der 
Entbindung die Untersuchung wiederholt. 

Das Ergebnis dieser Untersuchungen findet sich in der 
Tabelle IV und in der Kurventafel (Fig. 7), doch mit der Aus- 
nahme einiger wenigen Bestimmungen, die erst am Tage 
nach der Blutentnahme vorgenommen wurden. 


Diese Bestimmungen an nicht mehr ganz frischem Blut zeigen in 
bezug auf das CO,-Bindungsvermögen entschieden abnorme, speziell zu 
niedrige Werte, während das Verhältnis zwischen pg: und log K keine 
Abweichung darbietet. In solchen Fällen hat demnach infolge des Alter- 
werdens des Blutes eine Säurebildung stattgefunden, ohne Schädigung 
des Hámoglobins. Bei noch älterem, schon faulig gewordenem Rinder- 
blute habe ich mehrmals eine Verschlechterung des O,-Bindungsvermögens 
feststellen können, d. h. bei gegebenem py: eine Erniedrigung der Kon- 


1) Diese Zeitschr. 68, 206, 1915. 

?) Die Wasserstoffionenkonzentration, S. 103. 

3) Fúr gefállige Gestattung der Blutentnahme sage ich den Herren 
Professoren L. Meyer und E. Hauch meinen besten Dank. 


136 K. A. Hasselbalch: 


Tabelle IV. 
CO,- und O,-Bindung in Frauenblut vor und nach der Entbindung. 











lo 


Bemerkungen 







13 Tage vor der 
Geburt 


wm cut || gung 


8 Tage nach der 
Geburt, 


stillt 













148 |17,7 1: 7,58 | 47,55] 3,16 

17,1 | 24,25 7,53 | 64,05| 3,21 
142 | — | — 3 Tage vor der 
71,23 55,4 | 3,58 Geburt 
17,07 491 3,82 
7,05 | 47,25] 3,81 





14699 Tage nach der 


Geburt, 
stillt 


8 Tage vor der 
Geburt 


16,0 |10,6 | 19,5 
24.0 25715 
46,5 | SE stillt nicht 


128 115,8 [15,7 : 232 31,8 64,85] 3,15 
37,9 
89,6 | 30.5 
35,4 be 


Ke ee, ` 


9 Tage vor der 
Geburt 


Mit 2°/, n-Essig- 
säure versetzt 


10 Tage nach 
der Geburt, 


17,95| 7,1 119,2 |24 6 | 12,5 |7,825| 69,8 | 2,84 
22,2 1251 [39.2 |11,8 [2,51 [65.6 | 3,22 | |? Tege nach der 
38.0 1268 147,5 | 10.5 [7.35 |58.65| 8,42 En 
64,4 128,1 |57,8 | 8,5 [7,10 |47,5 | 8,66 
85,85 35,4 [86,0 |11,55/7,22 |64,35| 3,62 | Mit 2%, n-Na,- 


CO, versetzt 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 


137 


Tabelle IV (Fortsetzung) 
CO,- und O,-Bindung in Frauenblut vor und nach der Entbindung. 











a CO, | O, | CO, | O, 
17,0 |85,7 ¡42,6 |56,5 111,2 
73,7 bw 54,4 111,7 
46.8 291 |47,05 104 
14,2 (195 125,3 | 75 
23,7 1273 |315 | 96 
14,25| 12,7 | 17,1 E 72 
23.1523 9 |418 | 81 
472 1261 152.0 | 66 
76.6 1270 |598 | 56 
78,5 31,6 [59,9 | 68 
Vol % CO, 
REES 
SENG WEG 
“HE 
AA 
AA 
PTA 
` ee 
Co 030 on 0% es 


Fig. 7a. 


38 |35]| * 

Elia] Ss Bemerkungen 
CEA KH fe 

alo ño| | 

7,06 | 65,8 | 3,79 

1,11 [683,7 | 3,70 4 Tage vor der 
7,25 | 61,051 8,60 Geburt 
7,53 | 44,25] 8,32 

7,40 | 56,3 | 3,48 

7,70 150,8 | 3,07 

1,52 | 57,05] 8,82 | [8 Tage nach der 
7,28 | 46,5 | 3,60 eburt, 
7,13 | 39,15] 8,77 stillt 

7,12 | 47,651 3,79 





70 72 74 76 78 80py 


Pt. Nr. 116. 





Ai Ai 80 70 omm 


Fig. 7b. 


Pt. Nr. 128: 


Frauenblut vor e und nach e der Geburt. 


Links: CO,-Bindung. 


Rechts: O,-Bindung. 
(Gerade Linie: P-B-Kurve.) 


138 


K. A. Hasselbalch: 


Vol. % CO Sch 







oo 70 72 74 76 78 80pP4 


Fig. 7d. Pt. Nr. 100. 


og N 
| um 
somm. Ò, 70 72 74 76 78 60% 
Fig. Te. Pt. Nr. 75. 


Frauenblut vor e und nach © der Geburt. 
Links: CO,-Bindung. Rechts: O,-Bindung. 
(Gerade Linie: P-B-Kurve.) 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 139 


stante K — wobei die Größe — log K ansteigt oder die P-B-Kurve nach 
oben verschoben wird. 


Das Ergebnis der Untersuchungen läßt sich am leichtesten 
an den Kurvenzeichnungen ablesen: 


1. In allen Fällen war während der Schwangerschaft 
das CO,-Bindungsvermögen des Blutes deutlich er- 
niedrigt. 

Berechnet man aus dem CO,-Gehalt bei 40 mm CO,-Span- 
nung den py. des Blutes, py. red., vor und nach der Entbin- 
dung, so ergibt sich: 


Der red. 
— N, 
vor nach 


Nr. 75 730 7,33 
» 100 730 7,33 
„115 730 7,34 
n 128 731 733 
„116 729 7,34 
Im Durchschnitt: 7,80 7,83 


Bei den 9 von Gammeltoft und mir elektrometrisch 
untersuchten Fállen war der reduzierte py. des Blutes vor der 
Geburt im Durchschnitt 0,05 kleiner als nach derselben. Hier 
ist der entsprechende Unterschied 0,03. Obschon die damaligen 
Bestimmungen mit einem systematischen Fehler behaftet waren, 
haben sie doch die Richtung und die ungefähre Größe des 
Unterschieds richtig angezeigt. 

Es findet sich während der Schwangerschaft eine 
Erniedrigung des reduzierten py. des Blutes um etwa 
0,03. 

2. Sowohl vor. als nach der Entbindung besteht 
zwischen der Sauerstoffbindungskonstante K und der 
Wasserstoffzahl des Blutes, oder zwischen den Loga- 
rithmen dieser beiden Größen, die von Peters und 
Barcroft nachgewiesene einfache Abhängigkeit. 


In der Figur ist in allen 5 Fällen die P-B-Kurve ein- 
getragen worden, und ich wage nicht zu behaupten, daß in 
jedem Fall eine sichere Abweichung von dieser Kurve vorge- 
funden wird. Die Übereinstimmung betrifft auch die beiden 


140 K. A. Hasselbalch: 


Fälle (Pat. Nr. 128), wo das Blut mit Essigsäure und mit Na- 
triumkarbonat versetzt war. Das Vorhandensein von Acetat- 
ionen oder eine übermäßige Konzentration von Karbonationen 
ist demnach an und für sich bedeutungslos, nur die resul- 
tierende H-Ionenkonzentration ist für die O,-Bin- 
dungskurve des Blutes maßgebend. 

Die P-B-Kurve scheint demnach eine allgemeinere Gel- 
tung zu haben, als ursprünglich von mir vermutet, indem sie 
bei 7 verschiedenen Personen (Barcroft, mir, und 5 Frauen 
vor und nach der Entbindung) von den vorliegenden Beobach- 
tungen fast genau gedeckt wird. 

Eine entsprechende Untersuchung des Blutes von Hal- 
dane, Douglas und Higgins (bei kohlenhydratfreier Diät) 
wäre von dem größten Interesse. Über Erfahrungen aus der 
Pathologie verfüge ich vorläufig nicht. 

Selbst in dem — nach meiner Ansicht unwahrscheinlichen 
— Falle, daß die P-B-Kurve bei Menschenblut eine allge- 
meine Geltung hat, ist natürlich die CO,-Bestimmung im Blute 
ein direkterer und deshalb vorzuziehender Weg zur Feststellung 
der Blutreaktion als die O,-Bestimmung. Und daß die von 
Haldane und Barcroft ausgebildete Methodik ebenso zuver- 
láBliche CO,-Bindungskurven als die hier benutzte liefern kann, 
das geht aus der ofterwähnten Arbeit von Christiansen, 
Douglas und Haldane sehr deutlich hervor. 


Schließlich habe ich (Tab. V und Fig. 8) für Rinderblut, 
Schweineblut und Taubenblut die P-B-Kurven bestimmt. Da- 
bei diente als Voraussetzung — ob mit Recht, muß dahinge- 
stellt bleiben — daß in der Hillschen Formel für die O,- 
Bindung des Blutes 

yo Kx»? 
100 1-+Kxı 


der Exponent n (dessen wirkliche Bedeutung fraglich ist) die- 
selbe Größe hat, wie im Menschenblut, nämlich 2,5. 

Wie aus der Figur (Fig. 8) ersichtlich, geht unter dieser 
Voraussetzung aus den Bestimmungen eine geradlinige 
P-B-Kurve hervor, deren Lage im Koordinatensystem 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 141 


Tabelle V. 
CO,- und O,-Bindung in Rinderblut, Schweineblut und Taubenblut. 









HE 
E S |Bemerkungen 







Mit 5%, 
n - Essigsáure 
versetzt. 






vn folgen- 
den Tage 
untersucht. 







O,- Bestim- 
mung ver- 
unglüockt. 





Fig. 8. 
p,. und O,-Bindung. 
e. Schweineblut. 
+ Ochsenblut. 
o Taubenblut. 
=-—---- P.B-Kurve für Menschenblut. 


142 K. A. Hasselbalch: 


aber in allen Fállen von der der menschlichen Kurve 
merkbar differiert. Das Schweineblut und besonders das 
Taubenblut unterscheidet sich von dem Menschenblut durch 
eine bei physiologischer Blutreaktion bedeutend schlechtere O,- 
Bindung, bzw. leichtere O,-Abgabe*). Anders ausgedrückt: bei 
gegebener Blutreaktion liegt die O,-Bindungskurve beim Schwein 
und bei der Taube niedriger als beim Menschen. Umstehend 
habe ich bei pg = 7,30 und 30 mm O,-Spannung die prozen- 
tische O,-Sättigung berechnet: 


— log K Dia O,-Sättigung 


Rind . . . 3,50 60,2 
Mensch „ . 3,53 58,9 
Schwein . „ 3,73 47,9 
Taube ., . 3,95 35,5 


Direkt der Tab. V entnommen sind die folgenden drei Be. 
stimmungen, wo die aktuelle Reaktion fast gleich ist und auch 
die O,-Spannungen nur wenig differieren: 


Spannung mm 
[p 


CO, O, pp: %/,0,-Sáttigung 
Rind 41,9 31,25 7,34 64,3 
Schwein 30,4 27,8 7,34 48,9 
Taube 38,5 30,5 7,32 37,3 


Ein so durchgreifender Unterschied der Fähigkeit des Blutes, 
den Sauerstoff aufzunehmen und an die Gewebe abzugeben, ist 
natürlich von der allergrößten physiologischen Bedeutung. Doch 
bin ich mir bewußt, daß die wenigen hier vorliegenden Be- 
stimmungen für diese Frage nicht entscheidend sind. 

Bezüglich des Rinderblutes (Fig. 8) ist der im Vergleich 
mit Menschenblut etwas steilere Verlauf der P-B-Kurve auf- 
fallend. Wörtlich ausgedrückt bedeutet dieser Umstand, daß 
eine gegebene Verschiebung der Reaktion eine um so größere 
Änderung der prozentischen O,-Sättigung bewirkt, je steiler die 


1) Die Versuchstemperatur war wie gewöhnlich 38% Bei der 
höheren Bluttemperatur der Vögel wird der Unterschied noch schärfer 
hervortreten, 


Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 143 


Kurve verläuft. Daß auch ein derartiger Unterschied — falls 
er reell ist — von physiologischer Bedeutung sein kann, ist 
augenfállig. Doch werden auch hier nur fortgesetzte Unter- 
suchungen die Sachlage klären können. 

Nur anhangsweise füge ich noch die Beobachtung hinzu, 
daß bei sehr saurer und bei sehr alkalischer Reaktion die 
P-B-Kurve nicht mehr geradlinig fortgesetzt wird, sondern 
¿-fórmig umbiegt (8 Beobachtungen am Ochsenblut der Tabelle V), 
und zwar in der Weise, daß die Kurve an eine Dissoziations- 
kurve einer schwachen Säure auffallend erinnert. Ob aber die 
Voraussetzung berechtigt ist, daß bei so extremen Reaktionen 
der Exponent n der Hillschen Formel unverändert bleibt, ist 
wohl fraglich. Ich unterlasse es deshalb, das betreffende Zahlen- 
material hier anzuführen. 

Auch einige theoretische Erwägungen über die doppelte 
Rolle des Sauerstofis, indem er teils mit dem Hámoglobin in 
Verbindung tritt, teils dadurch die Wasserstoffzahl des Blutes 
erhöht und somit gewissermaßen die Oxyhämoglobinbildung 
hintanhält, muß ich aus ähnlichen Gründen bis auf weiteres 
aufschieben. 


Zusammenfassung. 


I. Die Wasserstoffzahl des Blutes läßt sich noch genauer 
als auf elektrometrischem Wege gasanalytisch, aus den Mengen 
der freien und der gebundenen Kohlensäure berechnen. Sie 
beträgt normalerweise bei 40 mm CO, etwa 10773, 

IH. Bei dieser Gelegenheit war die Kenntnis der Dissozia- 
tionskonstante der Kohlensäure bei 38° notwendig. In guter 
Übereinstimmung mit Jul. Thomsens thermochemischen Mes- 
sungen wurde die Kohlensäure bei 38° bedeutend stärker dis- 
soziiert als bei 18° befunden. 

III. Die gebundene CO,-Menge des Blutes ist ausschließ- 
lich als Bikarbonat vorhanden. Bei fallender CO,-Spannung 
nimmt die gebundene CO,-Menge hauptsächlich deshalb ab, 
weil Oxyhämoglobin als eine bei alkalischer Reaktion immer 
stärker werdende Säure aufzufassen ist. 

IV. Besonders das Oxyhämoglobin, in geringem Grade die 
übrigen Eiweißstoffe des Blutes, bedingen durch ihren Ampho- 


144 K.A.Hasselbaloh: Berechnung der Wasserstoffzahl des Blutes usw. 


lyten-Charakter die ungewöhnlich große Stabilität des Blutes 
gegen Verschiebungen der Wasserstoffzahl Diese Stabilität 
betrifft sowohl Säurenzusatz als Temperatureinflüsse und fällt 
physiologisch noch mehr ins Gewicht, weil während des Kreis- 
laufs bei ansteigender CO,-Spannung die Sáurenwirkung des 
*"Oxyhämoglobins durch die teilweise Umbildung in reduziertes 
Hämoglobin zurücktritt. 

V. Die von Peters und Barcroft in einem Falle nach- 
gewiesene Abhängigkeit zwischen py und der Konstante K der 
Hillschen Formel für die Sauerstoffbindung des Blutes wurde 
an einem größeren menschlichen Material bestätigt. Im Blute 
von Rind, Schwein und Taube gestaltet sich diese Gesetz- 
mäßigkeit anscheinend etwas abweichend. 

Der reduzierte py — (De bei 40 mm CO,-Spannung) — 
im Blute Schwangerer ist um etwa 0,03 herabgesetzt. 


Nachtrag zu der Abhandlung: „Über die Spezifizität der 
Morphingewöhnung“, von Johannes Biberfeld, Band 77, Seite 
283 bis 297. 

Bedauerlicherweise ist der Hinweis unterblieben, daß Cloötta 
(l. o. S. 473) bereits eine ähnliche Anschauung diskutiert hat, wie die, 
die mir als Arbeitshypothese diente. 


Der Eiweißgehalt panachierter Blätter geprüft mittels 
des makroskopischen Verfahrens von Molisch. 


Von 
Georg Lakon. 


(Aus dem Botanischen Institut der Kgl. Landwirtsch. Hochschule 
in Hohenheim.) 


(Eingegangen am 7. September 1916.) 


Bei Studien, die ich in letzter Zeit an panachierten Pflan- 
zen machte, erschien es mir erwünscht, den Eiweißgehalt der 
albikaten Teile zu prüfen. Die Natur meiner Beobachtungen 
machte es notwendig, daß diese Prüfung möglichst rasch und 
einfach auf makroskopischem Wege geschähe. Ich brachte da- 
her das kürzlich von Molisch*) ausgearbeitete Verfahren zur 
Anwendung. Dieses Verfahren besteht im wesentlichen darin, 
daß die Objekte — ähnlich wie bei der Sachsschen Jodprobe 
— zunächst in siedendem Wasser abgebrüht und dann so lange 
mit warmem Alkohol behandelt werden, bis sie ganz weiß er- 
scheinen. Nach solcher Vorbehandlung können die Objekte 
— in den meisten Fällen mit sehr gutem Erfolg — den besten 
Eiweißreaktionen (wie Xanthoproteinsäurereaktion, Biuretprobe, 
Millons Reagens) unterworfen werden. Das Molischsche Ver- 
fahren leistete mir bei der Untersuchung panachierter Blätter 
vorzügliche Dienste. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen 
dürften allgemeineres Interesse beanspruchen, weil sie erstens 
die Brauchbarkeit des Verfahrens an einem besonders günstigen, 
selbst zu Demonstrationszwecken in hohem Maße geeigneten 
Objekte beweisen und ferner eine Bestätigung der von Mo- 





1) Die Eiweißproben, makroskopisch angewendet auf Pflanzen. 
(Zeitschr. f. Botan. 8, 124 bis 131, 1916.) 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 10 


146 G. Lakon: 


lisch’) auf Grund eines anderen Objektes gewonnenen Ansicht, 
daß „die Hauptmasse des Eiweißes der Blätter in den Chro- 
matophoren steckt“, liefern. 

Wird das rein weiß gerandete Blatt der panachierten 
Spielart von Acer Negundo L. der Molischschen Vorbehand- 
lung unterworfen, so verliert es die Streifung, und die ganze 
Blattfläche erscheint gleichmäßig weiß. Die panachierten Flä- 
chen unterscheiden sich indessen jetzt von den grün gewesenen 
dadurch, daß sie — ähnlich wie die vergilbten Blätter von 
Molisch — glasig und durchscheinend sind, während die grünen 
Stellen milchig trüb, .undurchsichtig erscheinen. Die in dieser 
Weise präparierten Blätter können nunmehr den Eiweiß- 
reaktionen unterworfen werden. Ich brachte genau nach den 
Angaben von Molisch die Xasthoproteinsäurereaktion, die 
Biuretprobe und das Millonsche Reagens zur Anwendung und 
konnte die Zweckmäßigkeit der angegebenen Einzeldaten in 
der Ausführung jener Reaktionen bestätigt finden. Alle drei 
Reaktionen ergaben bei den panachierten Blättern des eschen- 
blättrigen Ahorns ausgezeichnete Resultate: die albikaten 
Teile zeigten eine äußerst schwache, die grün ge- 
wesenen Teile eine sehr intensive Eiweißreaktion. 
Der Kontrast ist hier so groß, daß man das Objekt zu Demon- 
strationszwecken auch aus größeren Entfernungen verwenden 
kann?). Die Xanthoproteinsäurereaktion tritt am schnellsten ein 
mit intensiv kanariengelber Färbung. Die ganze Behandlung 
bis zur Erreichung der höchsten Intensität beansprucht hier 
nicht mehr als eine Stunde. Die Biuretreaktion nimmt da- 
gegen mehrere Stunden in Anspruch; steht aber — was Inten- 
sität und Reinheit der Färbung anbelangt — der Xanthopro- 
teinsäurereaktion keinesfalls nach. Die grünen Teile nebmen 





1) A. a. O. $. 131. 

2) Noch größer als zwischen den grünen und den albikaten Stellen 
der panachierten Blätter ist die Differenz in der Intensität der Eiweiß- 
reaktionen zwischen rein grünen Blättern und albikaten Blatteilen; dies 
beruht auf dem Umstand, daß die grünen Teile der panachierten Blätter 
von Acer Negundo im Gegensatz zu den rein grünen Blättern eine 
chlorophyllfreie subepidermale Zellschicht besitzen und dementsprechend 
.auch im ganzen ärmer an Chlorophyllkórnern sind als die letzteren. 
Näheres über die Verhältnisse der Panachierung bei Acer Negundo 
werde ich demnächst an anderer Stelle mitteilen. 


r 


Eiweißgehalt panachierter Blätter. 147 


hier eine intensive, schöne violette Färbung an. Fast ebenso 
schnell wie die Xanthoproteinsäurereaktion trite die intensive 
ziegelrote Färbung bei Anwendung von Millons Reagens ein. 
Der positive Ausfall der Reaktionen mit scharfen 
Kontrasten zwischen grünen und albikaten Blatteilen 
zeigt, daß die ersteren sehr reich, die albikaten Teile 
aber sehr arm an Eiweiß sind. 

Die mit den Blättern von Acer Negundo erhaltenen 
Resultate konnten auch bei der Untersuchung anderer pana- 
chierter Pflanzenarten bestätigt werden, doch war der Ausfall 
der Reaktionen nicht bei allen Arten von derselben Deutlich- 
keit, einige wenige Arten versagten sogar ganz. Bei den Arten 
mit gelblicher Panachierung waren im allgemeinen die Kon- 
traste zwischen grünen und albikaten Teilen nicht so groß wie 
bei der rein weißen Panachierung, da hier auch die albikaten 
Regionen ziemlich intensive Eiweißreaktionen lieferten. Im 
folgenden sind die Resultate der Untersuchung einiger Arten 
näher angegeben. 

Acer pseudoplatanus L. mit panachierten Blättern. 
Hier sind intensiv grüne, hellgrüne und ganz reinweiße Stellen 
zu unterscheiden. Da die hellgrünen Stellen vielfach den Über- 
gang von den dunkelgrünen zu den reinweißen Stellen ver- 
mitteln, so kommen hier die Kontraste nicht immer zur vollen 
Geltung. Dies trifft insbesondere für die Biuret- und die Mil- 
lonsche Probe zu, die an sich auch hier gute Reaktionen 
liefern. Durch die Xanthoproteinsäurereaktion werden dagegen 
alle drei Abstufungen vorzüglich wiedergegeben: die reinweißen 
Stellen bleiben fast vollkommen ungefärbt, die hellgrünen 
werden intensiv reingelb, die dunkelgrünen intensiv dunkelgelb 
von unreiner Farbe mit einem Stich ins Braune. Diese un- 
reine Färbung der tiefgrünen Regionen beruht wohl darauf, 
daß diese Stellen auch nach der Entfärbung mit Alkohol un- 
rein weiß bis grau bleiben, und zwar aus Gründen, die nicht 
näher untersucht wurden. 

Abutilon vexillarium var. marmoratum. Die pana- 
chierten Stellen sind hier nicht ganz rein weiß, sondern mehr 
gelblich. Die Xanthoproteinsäurereaktion fällt hier weniger 
befriedigend aus, da hier auch die panachierten Stellen deut- 
lich gelb, wenn auch weniger intensiv gefärbt werden. Die 

10* 


148 G. Lakon: 


Biuretreaktion gibt dagegen auch hier vorzügliche Resultate: die 
grünen Stellen nehmen eine intensive rein violette Färbung 
an, während die albikaten Regionen hell grünlich gelb gefärbt 
werden. Die ziegelrote Färbung durch das Millonsche Reagens 
fällt hier nur stellenweise sehr schön aus; im ganzen iet die 
Reaktion ungleichmäßig. 

Aegopodium podagraria L. Das panachierte Aegopo- 
dium gibt ausgezeichnete Eiweißreaktionen, wenngleich die Blätter 
auch nach der Entfärbung durch Alkohol stellenweise dunkle 
Flecke aufweisen. Obwohl hier die albikaten Stellen nicht ganz 
weiß, sondern mehr gelblich sind, fallen die Kontraste bei allen 
drei Reaktionen vorzüglich aus. Zu Demonstrationszwecken 
eignen sich die unansehnlichen, etwas krausen und mit den 
erwähnten Flecken versehenen Blätter dieser Pflanze nicht so 
gut wie die des eschenblättrigen Ahorns. 

Phalaris arundinacea L. Die albikaten Stellen sind 
hier infolge des Vorhandenseins violetten Farbstoffes meist nicht 
ganz rein weiß. Nach der Vorbehandlung mit kochendem 
Wasser und heißem Alkohol werden die Blätter nichtsdesto- 
weniger schön rein weiß und liefern vorziigliche Eiweißreak- 
tionen. Bei der Xanthoproteinsäure- und der Biuretreaktion sind 
die Färbungen zwar sehr rein und deutlich, aber ihre Intensität 
ist nur gering, so dal auch die Kontraste wenig scharf ausfallen. 
Bei der Millonschen Reaktion ist die ziegelrote Färbung sehr 
intensiv, und dementsprechend sind auch die Kontraste hier 
sehr scharf. 

Sambucus nigra L. mit rein weißem Albinismus. Diese 
Pflanze gibt, anscheinend infolge des Vorhandenseins von Stoffen, 
die die Eiweißreaktion stören, unbefriedigende Resultate. Bei 
Anwendung der Xanthoproteinsäurereaktion werden zwar nur die 
grünen Teile gefärbt, doch ist die gelbe Farbe unrein. Bemerkens- 
wert ist der Umstand, daß hier die Blätter bei der Übertragung in 
die Salpetersäurelösung zuerst eine zart rosa Färbung annehmen. 
Auf diese Erscheinung werden wir später zurückkommen. Die 
Biuretprobe fällt undeutlich aus und liefert unreine Färbungen. 
Einigermaßen gute Ergebnisse werden mit dem Millonschen 
Reagens erzielt, doch sind auch hier die Kontraste wenig 
scharf. 

Vinca major L. Die albikaten Stellen der panachierten 


Eiweißgehalt panachierter Blätter. 149 


Vinca sind von gelber Farbe. Alle drei Reaktionen gelingen 
gut, doch sind die Kontraste gering, da hier nicht nur die 
grünen, sondern auch die albikaten Regionen ziemlich intensiv 
gefärbt werden. 

Tradescantia zebrina. Die Blätter sind glatt und 
weisen albikate Streifen auf von weißer Farbe, untermischt mit 
violett. Die grünen Stellen haben hellgrüne Farbe und sind 
ungefähr ebenso durchscheinend wie die albikaten. Die Xan- 
thoproteinsäurereaktion und die Biuretprobe treten zwar deut- 
lich ein, erreichen aber eine nur geringe Intensität. Das Millon- 
sche Reagens liefert dagegen schärfere Konträste. 

Tradescantia cumanensis Knuth. Die rauhhaarigen 
Blätter zeigen albikate Streifen von ziemlich rein weißer Farbe; 
die grünen Stellen sind hellgrün und durchscheinend. Hier 
gelingt nur die Xanthoproteinsäurereaktion einigermaßen gut, 
während die anderen beiden Reaktionen äußerst schwach und 
undeutlich eintreten. 

Evonymus radicans. Die albikaten Stellen haben hier 
eine unreine weiße Farbe. Keine einzige von den drei Eiweiß- 
reaktionen liefert an diesem Objekte positive Resultate. Bei 
Anwendung der verschiedenen Reagenzien treten Färbungen 
ein, die mit den Eiweißreaktionen nichts zu tun haben und 
auf das Vorhandensein störender Fremdstoffe hinweisen. So 
wurden z. B. die Blätter in Salpetersäure zunächst gleich- 
mäßig lachsrot. Mit Millons Reagens treten Schwärzungen auf. 

Überblicken wir die oben geschilderten, bei Anwendung 
des Molischschen Verfahrens gewonnenen Resultate, so sehen wir, 
daß die panachierten Blätter einiger Pflanzen, vor allem die 
von Acer Negundo, ein außerordentlich günstiges Objekt zur 
makroskopischen Demonstration der Eiweißreaktionen abgeben, 
da hier eiweißarme mit eiweißreichen Stellen an ein und dem- 
selben Blatte vereinigt sind. Von den Arten, die — infolge 
des Fehlens fremder, die Reaktion störender Stoffe — reine 
Eiweißreaktionen abgeben, liefern im allgemeinen nur diejenigen 
scharfe Kontraste zwischen den eiweißreicheren grünen und 
den eiweißärmeren albikaten Stellen, die folgende Beding- 
ungen erfüllen: | 

: 1. Rein weiße, zum mindesten nicht mit Gelb untermischte 
Farbe der albikaten Teile; 


150 G. Lakon: 


2. Intensiv grüne Farbe der grünen Teile; 

3. Plötzlicher Übergang von den grünen in die albikaten 
Teile ohne vermittelnde Abstufungen. 

Um die Bedeutung dieser Regeln richtig würdigen zu 
können, müssen wir die Gehaltsverhältnisse panachierter Blätter 
an Chromatophoren berücksichtigen. Der Gehalt der albikaten 
Teile an Chromatophoren ist bekanntlich bei den verschiedenen 
Pflanzenarten verschieden. Nach Pantanelli!) kann man 
hierüber im allgemeinen folgende Regeln aufstellen; 

1. In makroskopisch rein weißen Teilen fehlen überhaupt 
Chromatophoren; 

2. In gelben Teilen gibt es Chromatophoren in sämtlichen 
Zellen oder wenigstens im Schwammparenchym. 

Im zweiten Falle sind also chlorophyllfreie Chloroplasten 
vorhanden. Die verschiedenen Übergänge vom hellsten bis 
zum intensivsten Gelb entsprechen der geringeren oder .ver- 
mehrten Anzahl der chlorophyllfreien Chloroplasten im Meso- 
phyll. In den Zellen der rein weißen Blatteile, die überhaupt 
keinen Chlorophyllapparat enthalten, kommen die Chloroplasten 
entweder von vornherein gar nicht zur Ausbildung, oder sie 
werden im Laufe der Blattentwicklung aufgelöst‘). Vergleichen 
wir dieses Verhältnis zwischen Farbe und Anzahl der vorhan- 
denen nicht grünen Chromatophoren (bzw. der völligen Ab- 
wesenheit von solchen) mit dem Verhältnis zwischen der Farbe 
der albikaten Teile und dem Gelingen der Eiweißreaktionen, so 
gelangen wir zu dem Resultat, daß der positive Ausfall der 
Reaktionen an dem Vorhandensein von Chromato- 
phoren gebunden ist. Die Intensität der durch die Eiweiß- 
reaktionen erzielten Färbungen hängt von der Dichtigkeit der 
Chromatophoren ab; beim vollständigen Fehlen von 
Chromatophoren nehmen die albikaten Teile nur 
äußerst schwache Färbungen an. Wir gelangen somit zu 
demselben Schluß, zu dem Molisch auf Grund seiner Unter- 
suchungen mit vergilbten Blättern gekommen ist, daß nämlich 


— 


1) Über Albinismus im Pflanzenreich. Zeitschr. f. Pflanzenkr. 15, 1 bis 
21, 1905). 8. 5. 
. Y Vgl. Sorauer, Handbuch der Pflanzenkrankheiten. 3. Aufl. 
1, 671 fl. 


Eiweißgehalt panachierter Blätter. ` 151 


die Hauptmasse des Eiweißes der Blätter in den Chro- 
matophoren steckt. 

Die mikroskopische Nachprüfung konnte in allen Fällen 
den Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Chroma- 
tophoren und der Intensität der. Eiweißreaktionen bestätigen. 
Auch der scheinbare Widerspruch bei Aegopodium poda- 
graria, dessen Blätter trotz der gelblichen Färbung ihrer 
albikaten Teile bei den Eiweißreaktionen die schärfsten Kon- 
traste liefern (s. o.), tut diesem Zusammenhang keinen Abbruch, 
da diese Pflanze eine Ausnahme von der Regel, daß beim 
gelben Albinismus Chromatophoren vorhanden sind, bildet. Die 
Ausnahmestellung dieser Pflanze, die in ihren gelblichen albi- 
katen Teilen keine Chromatophoren enthält, wird von Panta- 
nelli*) ausdrücklich hervorgehoben und konnte auch von mir 
bestätigt werden. Das abweichende Verhalten dieses Objektes 
liefert somit geradezu eine Bestätigung, daß das Gelingen der 
Eiweißreaktionen an dem Vorhandensein von Chromatophoren 
gebunden ist. 

Die chromatophorenfreien, ganz weißen albikaten Teile 
geben, wie schon erwähnt, nur äußerst schwache, vielfach kaum 
wahrnehmbare Eiweißreaktionen. Diese schwachen Färbungen 
sind auf den plasmatischen Inhalt der lebenden Zellen zurück- 
zuführen. Meist besitzen aber die albikaten Blatteile im Ver- 
gleich zu den grünen eine nur geringe Dicke infolge Reduktion 
der Größe der chlorophyllfreien Mesophyllzellen. Die Intensität 
der Färbungen bei den Eiweißreaktionen würde daher bei den 
grünen Teilen auch ohne die Chromatophoren intensiver aus- 
fallen als bei den albikaten Regionen. Daß aber diese Diffe- 
renz in der Intensität der Reaktionen zwischen grünen und 
albikaten Teilen ganz gering ist und gegenüber der großen 
Intensität der Färbung infolge des Vorhandenseins von Chro- 
matophoren ganz in den Hintergrund tritt, kann in mannig- 
facher Weise gezeigt werden. So können wir, selbst wenn wir 
den Unterschied in der Blattdicke durch Aufeinanderlegen 
von albikaten Blatteilen reichlich auszugleichen versuchen, 
nicht entfernt die Intensität der Färbung der grünen Teile er- 
reichen. Andererseits kann der Kontrast in der Färbung 





1) A.a. O. S. 5. 


152 G. Lakon: 


zwischen albikaten und grünen Teilen auch bei solchen Pflanzen 
hohe Werte erreichen, bei denen — wie z. B. bei Phalaris 
arundinacea — kein Unterschied in der Blattdicke sich be- 
merkbar macht. Wir sehen also, daß für die Intensität der 
Reaktion in erster Linie das Vorhandensein von Chloroplasten 
maßgebend ist. Wie schon Molisch*) hervorgehoben hat. ist 
die Intensität der Färbungen in chromatophorenreichen Pflanzen- 
teilen so groß, daß hierbei der Grad des Reichtums der Zellen 
an sonstigem Eiweiß gar nicht angezeigt werden kann. Daß 
dickere Blätter mit mehreren Reihen chromatophorenreicher 
Zellen intensivere Färbungen liefern als dünnere, ist selbst ver- 
ständich. 

Zum Schluß sei noch eine Erscheinung kurz berührt, die 
nicht selten bei der Ausführung der Xanthoproteinsäurereaktion 
und zwar bei der Übertragung der Blätter in die Salpeter- 
säure auftritt. Manche Blätter werden nämlich hierbei zu- 
nächst mehr oder weniger deutlich rot (bzw. rosa) gefärbt. 
Dies ist z. B. von den oben angeführten Arten bei Sambucus 
nigra der Fall. Diese Rotfärbung beruht in vielen Fällen. so 
bei Sambucus, auf dem Vorhandensein von Anthocyanfarb- 
stoffen. Werden anthocyanhaltige Blumenblätter mit kochen- 
dem Wasser und heißem Alkohol behandelt, so werden sie 
entfárbt. Der Auszug, in dem das Anthocyan enthalten ist, 
ist farblos, weil bekanntlich?) das Anthocyan in verdünnten 
Lösungen in eine farblose isomere Verbindung übergeht. Diese 
farblosen anthocyanhaltigen Lösungen werden durch Säurezusatz 
intensiv rot gefärbt und geben dann die bekannten Reaktionen. 
Die erwähnte Isomerisation des Anthocyans in Lösungen tritt 
nun offenbar auch im Zellsaft, innerhalb der Zellen der mit 
siedendem Wasser und heißem Alkohol ausgezogenen Blumen- 
blätter ein. Die Zellen enthalten nunmehr eine verdünnte 
Anthocyanlösung und erscheinen daher farblos. Dies ist aus 
dem Umstand zu schließen, daß die nach der Behandlung 
farblosen oder nur ganz zart rosa erscheinenden Petalen durch 
Eintauchen in Säuren intensiv rot werden. Ich habe den Versuch 
mit den Petalen von zahlreichen Pflanzenarten gemacht, wie Rosen, 


1) A. a. O. S. 131. 
2 Vgl. Willstätter, Uber Pflanzenfarbstoffe. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. Nr. 15, 1914, 2867. 


Eiweißgehalt panachierter Blätter. 153 


Geranien usw., stets mit dem gleichen Erfolg. Sehr instruktiv 
ist der Versuch, wenn man weiße und rote Blüten derselben 
Pflanzenart der Behandlung unterwirft. Sehr schöne Resultate 
erhielt ich z. B. mit den Blüten der wohlriechenden Wicke 
(Lathyrus odoratus). Weiße und rote Blüten werden so 
lange mit kochendem Wasser und heißem Alkohol behandelt, 
bis die roten Blüten vollkommen weiß werden und von den 
weißen nicht zu unterscheiden sind; nach dem Eintauchen in 
die Säurelösung werden die ursprünglich rot gewesenen Blüten 
wieder intensiv rot, im Gegensatz zu den weißen, die auch 
jetzt weiß bleiben. Ähnliche Resultate erhielt ich auch mit 
anthocyanhaltigen Blättern, und zwar: 

1. Mit den roten Blättern der Blutbuche, des Blutahorns 
und der Bluthasel; 

2..Mit den jugendlichen, noch roten Blättern verschiedener 
Bäume und Sträucher, insbesondere mit solchen von den Jo- 
hannistrieben der Eiche, des Ahorns usw. 

3. Mit den rot verfärbten, absterbenden Blättern zahl- 
reicher Gewächse. 

Alle diese Blätter wurden nach der Entfärbung mittels 
kochenden Wassers und heißen Alkohols bei der Übertragung 
in Säurelösungen intensiv rot gefärbt. 

Bei dem oben erwähnten Falle der panachierten Blätter, 
die bei der Übertragung in die Säure rot werden, handelt es 
sich offenbar ebenfalls um anthocyaninhaltige Objekte, die aber 
wegen des geringen Inhalts an Anthocyanin äußerlich als solche 
nicht kenntlich sind. Aus den Blättern der panachierten 
Sambucus nigra konnte ich nun tatsächlich einen grünlichen 
wäßrigen Auszug gewinnen, der bei Säurezusatz rötlich, bei 
nachträglichem Alkalizusatz grünlich bis gelblich wurde Ein 
Auszug aus den Blättern von Evonymus radicans — die, 
wie schon oben erwähnt, bei der Übertragung in die Salpeter- 
säure eine lachsrote Färbung annehmen — lieferte dagegen 
keine befriedigenden Resultate, wenngleich auch hier schwache 
Farbenumschläge bei Säure- oder Alkalizusatz unverkennbar 
waren. Ich vermute, daß auch die lachsrote Färbung, die 
nach Molisch!) vergilbte Blätter bei der Übertragung in die 


1) A. a. O. S. 125 Anm. 1. 


154 G. Lakon: Eiweißgehalt panachierter Blätter. 


Salpetersäure vielfach annehmen, ebenfalls auf dem Vorhanden- 
sein gewisser Mengen von Anthocyaninfarbstoffen beruht. Da 
in den Blättern bei der herbstlichen Verfärbung vielfach An- 
thocyan auftritt, so ist die Annahme nicht unwahrscheinlich, 
daß auch bei herbstlich vergilbten Blättern, bei denen keine 
rote Färbung sichtbar ist, Anthocyaninfarbstoffe in geringen 
Mengen vorhanden sind, die erst durch den Säurezusatz zum 
Vorschein kommen. In einigen Fällen gelang es mir tatsäch- 
lich, aus absterbenden, vergilbten Blättern einen Auszug zu 
gewinnen, der bei Säure- und Alkalizusatz schwache Farben- . 
umschläge ergab. 

Die Ergebnisse der obigen Untersuchungen lassen sich in 
folgenden Sätzen kurz zusammenfassen: 

1. Die panachierten Blätter vieler Pflanzenarten, ins- 
besondere die von Acer Negundo, stellen ein vorzügliches 
Material zur makroskopischen Demonstration der Eiweißreak- 
tionen nach dem Molischschen Verfahren dar. | 

2. Die gewonnenen Bilder sind hierbei sehr kontrastreich, 
da die eiweißreichen grünen Stellen sehr intensiv, die eiweiB- 
armen albikaten Stellen dagegen nur äußerst schwach gefärbt 
werden. 

3. Der EiweiBreichtum der grünen (bzw. die Eiweißarmut 
der albikaten) Stellen steht mit dem Vorhandensein (bzw. 
Fehlen) von Chromatophoren in Zusammenhang. 

4. Eine Ausnahme von der unter 2 aufgestellten Regel 
bilden im allgemeinen die gelben Panachierungen, da hier — 
im Gegensatz zu den rein weißen Panachierungen — auch die 
albikaten Stellen Chromatophoren enthalten und demnach ei- 
weißreich sind. | | 

5. Die Untersuchungen bestätigen die Ansicht Molischs, 
daß die Hauptmasse des Eiweißes der Blätter in den Chroma- 
tophoren steckt. 

5. Blätter, die Anthocyan enthalten, nehmen bei der 
Xanthoproteinsäurereaktion, bei der Übertragung in die Sal- 
petersäurelösung zunächst eine rötliche Färbung an, weil sie — 
‚trotz der Entfárbung — noch Anthocyanin enthalten und zwar 
in der farblosen isomeren Form, wie sie für Lösungen be- 
kannt ist. 


Ein Beitrag zur Chemie der Tuberkelbacillenfette. 


Von 


Max Bürger. 
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Straßburg.) 


(Eingegangen am 19. September 1916.) 


Die Fette und Lipoide der Tuberkelbacillen waren schon 
verschiedene Male Gegenstand der chemischen Untersuchung. 
Ihre genaue Kenntnis hat in mehrfacher Hinsicht Interesse; 
werden doch die eigenartige Reaktion der Gewebe auf Tuberkel- 
bacilleninfektion, die Sáurefestigkeit der Kochschen Bacillen, 
ihre geringe antigene Wirksamkeit, ihre große Resistenz gegen 
Desinfektionsmittel in Beziehung gebracht zu dem bemerkens- 
wert hohen Gehalt dieser Bacillen an Fetten und fettähnlichen 
Substanzen. Neuerdings lieferten die Tuberkelbacillenfette auch 
Material für Untersuchungen von allgemeinbiologischem Inter- 
esse. Much!) und seine Mitarbeiter versuchten die antigenen 
Eigenschaften der Tuberkelbacillenfette darzutun (Partialantigene) 
und weiterhin an ihnen überhaupt etwas über den Fettstoff- 
wechsel der Zelle?) zu erfahren. 

Soweit die vorliegenden Untersuchungen ein Urteil ge- 
statten, setzt sich das Fett der Tuberkelbacillen aus nach- 
stehenden Stoffen zusammen: 

1. Aus größeren Mengen höherer Fettsäuren, meist nur 
durch ihren Schmelzpunkt charakterisiert, und zwar: 

Laurinsáure, C,¿H,,0, [de Schweinitz und Dorset’), 
Bulloch und Macleod?*)], 


1) Much und Leschke, Beiträge z. Klin. der Tub. 20, Heft 3, 1911. 
2 Much und W. Müller, Deutsche med. Wochenschr. 1915, 970. 
.9 de Schweinitz und Dorset, Centralbl. f. Bakt. 19, 704, 1896. 
*) Bulloch und Macleod, Journ. of Hyg. 4, 1,- 1904. 


156 M. Bürger: 


Myristinsäure, C,,H,¿0, [Bulloch und Macleod?)), 

Isocetinsáure, C H30, [Bulloch und Macleod”)), 

Palmitinsäure, C,,H,,0, [Hammerschlag und Nencki”), 
de Schweinitz und Dorset?)], 

Ölsäure, C,¿H,,0, [Bulloch und Macleod'?)]. 

Ein großer Teil wurde stets in freiem Zustande gefunden. 
Ob sie auch als echte Fette, an Glycerin gebunden, vorliegen, 
ist nicht sicher. Zwar haben Bulloch und Macleod!) sowie 
Ruppelt) durch die Acroleinreaktion Glycerin nachgewiesen, 
wie jedoch Arthur Meyer’) mit Recht hervorhebt, ist der 
Nachweis bei dem Umstand, daß die Bacillen auf glycerin- 
haltigen Nährböden gezüchtet wurden, nicht schlagend. Meyer?) 
weist darauf hin, daß das Glycerin überhaupt bei dem Aufbau 
der Bakterienfette nicht oder nur in ganz verschwindendem 
Maße beteiligt ist. Auch der hohe Gehalt an freien Fettsäuren 
scheint ihm ein spezifisches Charakteristikum der Bakterienfette 
zu sein. 

2. Eine sehr geringe Menge eines von Hammerschlag?) 
und anderen als „Lecithin“ bezeichneten phosphorhaltigen 
Körpers, den S. Tamura’) nach seinem Phosphor- und Stick- 
stoffgehalt als ein Diaminomonophosphatid bestimmte. 

3. Reichliche Mengen von hochmolekularen Alkoholen und 
deren schwer verseifbaren Estern. Ihnen verdankt das Fett- 
gemenge seine wachsartige Beschaffenheit [Aronson?)], seine 
Säurefestigkeit und spezifische Färbbarkeit [Klebs?)]. 

Kozniewski!*") erhielt durch Extraktion mit heißem Aceton 
eine in der Kälte ausfallende wachsartige Substanz von der 
Zusammensetzung C,,H,¿0,, die der Laurinsäureester eines 
Dodecylalkohols sein könnte. Tamura”) konnte aus Tuberkel- 


1) Bulloch und Macleod, Journ. of Hyg. 4, 1. 1904. 

1) Hammerschlag, Centralbl. f. inn. Med. 12, 9, 1891. 

3) de Schweinitz und Dorset, Centralbl. f. Bakt. 19, 707, 1396. 

t) Ruppel, Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 218, 1898. 

5) A. Meyer, Die Zelle der Bakterien. 1912. 

a Hammerschlag, l. c. 

"BR Tamura, Zeitschr. f. phys. Chem. 87, 84, 1913. 

D Aronson, Berl. klin. Wochenschr. 1898, 484. 

9) Klebs, Centralbl. f. Bakt. 20, 484, 1896. 

10) Kozniewski, Anzeiger d. Akad. d. Wiss. in Krakau, Math.- 
naturwiss, Kl., 1912, 942. 


Tuberkelbacillenfette. 157 


bacillen nach eingreifender Hydrolyse — Verreiben mit einer 
Mischung von 2 Teilen konzentrierter Schwefelsäure mit 1 Teil 
Wasser, Verdünnen mit Wasser und 14stündigem Erhitzen des 
ausfallenden Niederschlags mit 25°/ iger Schwefelsäure — nach 
Extraktion mit Äther einen gut charakterisierten ungesättigten, 
bei 66% schmelzenden Alkohol, das „Mykol“ C,,H,¿O, dar- 
stellen, das noch die Säurefestigkeit und spezifische Färbbar- 
keit aufwies. Dieser Alkohol war in der nicht hydrolysierten 
Substanz wenigstens zum Teil in Esterform vorhanden, da er 
such aus dem Ätherextrakt durch Verseifung mit alkoholischer 
Kalilauge dargestellt werden konnte. Tamura!) bemerkt, daß 
noch andere ähnliche Ester vorhanden sein dürften. 

4. Auch auf Kohlenwasserstoffe gibt Tamura!) an, ge- 
stoßen zu sein. 

5. Die Anwesenheit einer die Salkowskische Cholesterin- 
reaktion darbietenden Substanz wird mehrfach angegeben 
[Kreshing?), Baudran?)]. Andrereits ist die Liebermannsche 
Reaktion vermißt worden [Aronson*)]. In Krystallen isoliert 
wurde Cholesterin nicht erhalten. Panzer’) fand mit Hilfe 
der Digitoninmethode kein Cholesterin, wohl aber sehr geringe 
Mengen eines anderen Körpers, der sich mit Digitonin ver- 
bindet. Jedenfalls ist nach seiner Angabe der Gehalt an 
Cholesterin bzw. an den Sterinen angehörigen Stoffen minimal. 
Den Ätherfraktionen haften meist Riech- und Farbstoffe in 
geringer Mege an. Regelmäßig wird ein angenehmer aromati- 
scher, bienenwachs-, nach anderen hyazinthenähnlicher Duft 
beobachtet. Der riechende Körper ist noch nicht ermittelt, 
seiner Flüchtigkeit nach kann er nicht als Fett oder Wachs 
aufgefaßt werden, 

Eigene Untersuchung. 

Mein Ausgangsmaterial®) bestand in 240 g wasserfreier 

Tuberkelbacillen vom Typus humanus. Die Bacillen waren 


1) S. Tamura, Zeitschr. f. phys. Chem. 87, 84, 1913. 

2) Kreshing, Centralbl. f. Bakt. 30, 897, 1901. 

3) Baudran, Compt. rend. de l’Acad. des sciences 142, 657, 1906. 

t) Aronson, Berl. klin. Wochenschr. 1898, 484. 

5) Panzer, Zeitschr. f. phys. Chem. 78, 414, 1912. 

6) Das Material wurde mir durch Vermittelung von Herrn Prof. 
Móllers vom Institut Robert Koch geliefert. Die Untersuchung wurde 
mit den Mitteln der Robert-Koch-Stiftung durchgeführt. 





158 M. Bürger: 


sämtlich auf eiweißfreien Nährböden (Proskauer-Nährböden) 
gezüchtet und durch Trocknen im Exsiccator über Schwefel- 
säure abgetótet. Zur Orientierung wurden zunächst gleiche 
Mengen (0,25 g) dieses Materials mit je 50 ccm verschiedener 
Extraktionsmittel 48 Stunden lang geschüttelt. Nach Filtration 
durch Berkefeldkerzen, Verdampfen des Extraktionsmittels, 
Trocknung des Rückstandes bis zur Gewichtskonstanz wurden 
folgende Mengen gewogen: 


Rückstand aus Aceton. . . . . 0,0090 g = 3,60%, 
” n Alkohol abs. . . 0,0125 g = BOOT, 
E » Äther . . . . . 0,0151 g = 6,040, 
» » Methylalkohol . . 0,0220 g = 8,80°|, 
P » Chloroform . . . 0,0230 g = 9,80°|, 


Die Bakterien werden sodann in Einliterflaschen (je 50 g 
auf 1000 ccm Extraktionsmittel) extrahiert, die Extraktion 
8 Tage lang unter mehrfachem Wechsel jedes Extraktions- 
mittels fortgesetzt. Täglich wurde mehrere Stunden auf der 
Maschine geschüttelt. Die Extrakte wurden durch Berkefeld- 
filter abfiltriert und im Vakuum bei niederer Temperatur ein- 


geengt. 
Das Acetonextrakt, 


Die zuerst vorgenommene Acetonextraktion liefert ein Ex- 
trakt von 5,50 g aus 238 g getrockneten Bacillen. Dieses 
Extrakt ist schwarzbraun gefärbt, hat einen angenehmen aro- 
matischen Geruch (Bienenwachsgeruch der Autoren) und 
schmierige Konsistenz. Es enthält Stickstoff und Phosphor, 
gibt die Fichtenspanreaktion und reagiert gegen Lackmus 
deutlich sauer. Das Acetonextrakt läßt sich in eine äther- 
unlösliche und eine ätherlösliche Fraktion trennen. Das Äther- 
unlösliche ist auch in kaltem Alkohol, Benzol und Aceton un- 
löslich, löslich dagegen in heißem Alkohol und heißem Aceton, 
aus dem es beim Erkalten nur schwer ausfällt. Die Substanz 
enthält viel Sauerstoff, keinen Phosphor. Ihre warme alko- 
holische Lösung gibt mit Chlorcadmium keine Fállung. Die 
Substanz ist mit alkoholischer Kalilauge leicht verseifbar, die 
wäßrige Seifenlösung ist klar, trübt sich beim Ansäuern mit 
Salzsäure. Die Trübung verschwindet nach Ausschütteln mit 
Äther. 


Tuberkelbacillenfette. 159 


Die zweite Fraktion des Acetonextraktes wird in Äther 
gelöst, der Äther mit Wasser gewaschen. Das Waschwasser 
enthält neben anorganischen Salzen (Sulfaten) eine stark aro- 
matisch riechende Substanz. Nach Entfernung dieser Substanz 
wird der Äther von neuem mit schwach alkalischem Wasser 
(Na,CO,) ausgeschüttelt und dies so lange fortgesetzt, bis das 
Wasser nach Ansäuern mit Salzsäure sich nicht mehr trübt. 
Aus der gesammelten wäßrigen Seifenlösung werden nach An- 
säuern durch Ausäthern im ganzen 0,9 g Fettsäuren gewonnen. 
Diese krystallisieren in feinen geschwungenen Nadeln und zeigen 
nach mehrfachem Umkrystallisieren einen Schmelzpunkt von 
40°. Nach dem Verseifen des Ätherlöslichen bleibt im Äther 
ein Rückstand, der noch stark verunreinigt ist durch aromatisch 
riechende Stoffe und stickstoffhaltige Produkte. Diese lassen 
sich zum großen Teil in niedrig siedendem Petroläther lösen. 
Es bleibt ein in Petroläther unlöslicher, glasharter brauner 
Rückstand, der nicht weiter untersucht wird. Mit ihm identisch 
ist vielleicht ein phosphorhaltiger Körper, der sich aus der 
ätherlöslichen Fraktion des Acetonextrakts nach Entfernung 
der Seifen und Fettsäuren durch Alkohol ausfällen läßt. 


Der Riechstoff der Tuberkelbacillen. 


Der aromatisch riechende Körper, der fast alle Fraktionen 
des Acetonextrakts begleitet, zeigt folgende Eigenschaften: Er 
läßt sich aus einer ätherischen Lösung mit Wasser ausschütteln; 
wird das Wasser bei niederer Temperatur vorsichtig entfernt, 
so bleibt eine ölige Emulsion zurück. Unterschichtet man eine 
Ätherlösung dieser Substanz mit einer stark verdünnten wäß- 
rigen Eisenchloridlösung, so tritt eine schöne Weinrotfärbung 
ein, und man sieht, wie der Körper in das Wasser übergeht. 
Bei Gegenwart von Alkali und Sauerstoff, namentlich beim 
Schütteln, färbt sich die Substanz tintenschwarz; sie läßt sich 
durch die Eisenchloridprobe und den charakteristischen Honig- 
geruch leicht und sicher in verschiedenen Fraktionen nach- 
weisen. Der Körper zeigt außer der weinroten Färbung mit 
verdünntem Eisenchlorid, die beim Ansäuern und beim Alkali- 
sieren der Probe verschwindet, folgende Reaktionen: Am- 
moniakalische Silbernitratlösung wird reduziert; eine mit schwef- 
liger Säure entfärbte Fuchsinlösung wird nach Zusatz des 


160 M. Bürger: 


Körpers blaßrosa. Phenylhydrazin in Eisessig wird ölig getrübt 
und deutlich gelb gefärbt. Nach dem reaktionellen Verhalten 
handelt es sich um einen Aldehyd. Der aromatische Geruch 
und der Ausfall der Eisenchloridprobe (die Farbennuance der- 
selben) gleichen am meisten dem des Salicylaldehyds. Der 
den Tuberkelbacillen eigentümliche, bienenwachsartige Geruch 
ist wahrscheinlich auf die Anwesenheit dieses Körpers zurück- 
zuführen. Vielleicht ist in ihm auch die Ursache des Braun- 
werdens alter Tuberkelbacillenkulturen zu suchen. 


Das Petrolätherextrakt. 


Das auf gleiche Weise wie das Acetonextrakt hergestellte 
Petrolätherextrakt (8tägige Extraktion bei täglich 4stündigem 
Schütteln mit im ganzen 4 Litern bei 47° siedenden Petrol- 
äthers) hat nach Filtration durch eine Berkefeldkerze eine leicht 
gelbe, ins Grüne spielende Farbe. Die Ausbeute beträgt 3,20 g 
Substanz, die nach dem Einengen des Petrolätherextrakts im 
Vakuum krystallinisch ausfällt. Es lassen sich mit heißem 
Alkohol zwei Fraktionen gewinnen: Eine im heißen Alkohol 
unlósliche, die etwa */, der ganzen Petrolätherausbeute aus- 
macht. Sie sondert sich in klaren öligen Tropfen vom siedenden 
Alkohol und wird von diesem durch Decantieren getrennt. Das 
Öl erstarrt beim Erkalten zu einer festen paraffinähnlichen, 
leicht gelb gefärbten Masse, die durch gründliches Waschen mit 
siedendem Alkohol schließlich rein weiß gewonnen wird. Der 
Körper krystallisiert aus Äther-Alkohol in unregelmäßig zackig 
begrenzten doppelbrechenden Blättchen. Er ist nicht verseifbar, 
Nach mehrfachem Umkrystallisieren aus Äther-Alkohol bleibt der 
Schmelzpunkt konstant bei 37°. 

Der Körper enthält keinen Stickstoff und keinen Phosphor. 
Die ätherische Lösung entfärbt langsam zugesetzte Lösung von 
Brom in Eisessig. 

Die Verbrennung ergibt: 

4,165 mg:12,365 mg CO,; 4,96 mg H,O — 80,97°/,C, 13,33%), H, 
4,099 » :12,210 » CO,; 4,895» H,O — 81,24°/,C, 13,36%, H, 

berechnet für C,¿H,¿O : 81,35%/, C, 12,949/, H. 

Der in heißem Alkohol lösliche Anteil des Petroläther- 
extrakts fällt beim Erkalten in weißen Flocken wieder aus. 


Tuberkelbacillenfette. 161 


Diese Substanz ist in Chloroform leicht lóslich und kann aus 
Chloroform durch Alkohol gefállt und so gereinigt werden. Sie 
krystallisiert aus Äther-Alkohol in kurzen doppelbrechenden 
Nadeln, ist nicht verseifbar. Sie wird bei 50° glasig und schmilzt 
bei 51°. Auch diese Substanz ist stickstoff- und phosphorfrei 
und nimmt Brom auf. Sie löst sich nicht in kaltem, wohl aber 
leicht in kochendem Essigsäureanhydrid. Beim Erkalten scheidet 
sich ein gelatinöser flockiger Niederschlag aus. 

Die Verbrennung ergibt: 

4,247 mg:12,475 mg CO,; 4,95 mg H,O — 80,09°/, C, 13,04°/, H, 
4,981 n :14,634 » CO,; 5,59 » H,O — 80,13°/, C, 12,55°/, H, 

berechnet für C,¿H,¿0 :80,27%/, C, 12,59°/, H. 

Das Material wird nach Erschöpfung durch Petroläther in 
gleicher Weise unter täglich mehrstündigem Schütteln mit Äther 
behandelt. Auf diese Weise werden noch 0,6g einer braun- 
gefärbten aromatisch riechenden Masse gewonnen, die bei 37° 
schmilzt. Sie enthält Phosphor und entwickelt beim Verbrennen 
einen stechenden Geruch. Versuche, durch Fraktionieren zu reinen 
Substanzen zu kommen, schlugen fehl. 


Das Alkoholextrakt. 


Nachdem sich gezeigt hatte, daß kalter Alkohol aus dem 
mit Aceton und Äther erschöpften Material nur noch Spuren 
fettartiger Körper extrahiert, werden die Bacillen 8 Tage lang 
unter täglichem Wechsel 6 Stunden lang mit siedendem Alkohol 
behandelt. Auch dann noch fallen beim Erkalten des stets er- 
neuten Alkohols weiße flockige Massen aus. Durch eine weitere 
Extraktion mit einem Gemisch von 750 cem Alkohol mit 250 cem 
Chloroform wird keine wesentlich bessere Extraktion erreicht. 
Es wird daher der Versuch gemacht, das Material durch Be- 
handeln mit Kalilauge aufzuschlieBen. Zu diesem Zwecke wird 
die Bacillenmasse nach Extraktion mit Wasser bei 100° 72 Stunden 
mit 4°/ iger alkoholischer Kalilauge digeriert; die Lauge wird 
abgenutscht und der Rückstand mit Alkohol und Alkohol- 
Chloroform bei täglich mehrstündigem Sieden der Extraktions- 
mittel 3 Tage lang ausgezogen. Eine Erschöpfung des Bacillen- 
materials ist auch jetzt noch nicht erreicht. Die Extraktion 
wird jedoch abgebrochen. Wegen des sehr verlustreichen Arbeitens 


beim Aufschließen der Bacillenmasse können zuverlässige quanti- 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 11 


162 M. Bürger: 


tative Angaben über die Ergiebigkeit des Extractionsverfahrens 
nicht gemacht werden. Die weiteren Bemühungen richteten sich 
vor allem darauf, die zuletzt mit dem Alkohol-Chloroformgemisch 
extrahierte Substanz zu reinigen, was sehr schwer hält. Die 
Substanz ist nur löslich in Benzol und Chloroform und scheidet 
sich aus siedendem Alkohol in klaren óligen Tropfen ab, die 
sich am Boden des Gefäßes sammeln, also spezifisch schwerer 
sind als absoluter Alkohol. Die Reinigung wird im wesent- 
lichen durch Umfällen der Substanz aus Chloroform durch 
Alkohol erreicht. Sie enthält neben Asche noch Spuren anderer 
fettartiger, offenbar in ihr gelöster Substanzen. Folgende Ana- 
lysen zeigen die allmähliche Befreiung des Körpers von Ver- 
unreinigungen. 









Schmelz- Ausgangs: C 
menge 
punkt ohne Asche 





Die Reinigungsversuche wurden fortgesetzt unter stándiger 
Kontrolle des Schmelzpunkts des erhaltenen Produkts. Es ge- 
lang jedoch nicht, den Schmelzpunkt über 230 ° hinaufzutreiben 
und die Substanz von den letzten Spuren Asche zu befreien. 
Die Substanz stellte nach dem Erstarren aus siedendem Alkohol 
eine feste paraffinähnliche Masse dar, es gelang nicht, sie in 
größeren Mengen krystallinisch zu erhalten. Nur einmal konnten 
bei einer kleinen Probe bei + 2° aus Benzol Krystalle erhalten 
werden, die denen des Cholesterins nicht unähnlich waren und 
im Polarisationsmikroskop schöne Doppelbrechung zeigten. Die 
Probe mit Essigsäureanhydrid und Schwefelsäure zeigte jedoch 
nicht die Spur einer Grünfärbung?). Die Substanz war stickstoff- 
und phosphorfrei und nicht verseifbar. 


1) Bemerkenswerterweise fiel die gleiche Reaktion auf Cholesterin 
auch mit allen anderen Fraktionen und Teilfraktionen negativ aus. Im 
alkohollöslichen Anteil des primären Acetonextrakts gelang es, mit alko- 
holischer Digitoninlösung eine spärliche weiße Fällung zu erzielen. Die 
Menge reichte jedoch zur Durchführung einer Analyse nicht aus. Meine 
Erfahrungen bestätigen somit Panzers Beobachtung. 


Tuberkelbacillenfette. 163 


Das Ergebnis der letzten Analyse kommt den Zahlen sehr 
nahe, die Tamura für das Mykol aus Tuberkelbacillen angibt 
(82,46 %/, C und 13,58°/, H). Die Schmelzpunkte dagegen (My- 
kol 66° gegen 230° unserer Substanz) zeigen, daß es sich nicht 
um den gleichen Körper handelt. Für das Mykol aus Myko- 
bakterium lacticola wird angegeben, daß es sich in Petroläther 
und Äther und etwas schwerer in heißem Alkohol löse; auch 
das trifft für den zuletzt besprochenen Körper nicht zu. Es 
ist sehr wahrscheinlich, daß in meiner letzten Chloroform- 
Alkoholfraktion noch ein oder mehrere Körper mit niedrigerem 
Schmelzpunkt vorhanden waren; unter ihnen ist möglicherweise 
das Mykol Tamuras ou finden. Es wurde versucht, diese Sub- 
stanzen durch ihre differenten Löslichkeitsverhältnisse in ver- 
schieden temperiertem Alkohol zu trennen. Aus Alkohol von 
— 4° fiel ein Gemisch von weißen flockigen Körpern aus, dessen 
Schmelzpunkt von 60° bis 140° schwankte. Aus Alkohol von 
16° fielen Gemische aus, deren Schmelzpunkte bei 168°, 175°, 
198° lagen. 

Es ist daher wahrscheinlich, daß sich bei genügend großem 
Ausgangsmaterial neben den von Kozniewski, Tamura und 
mir beschriebenen kohlenstoffreichen Substanzen noch eine ganze 
Reihe weiterer ähnlicher Körper werden finden lassen, wobei 
die Art der Nährböden, das Alter der Kulturen oder die Rasse 
der Bacillenstämme vielleicht entscheidend sind für das quanti- 

tative Überwiegen dieses oder jenes Körpers. 
| Nach den sämtlichen vorliegenden Untersuchungen des 
„Fettes“ der Tuberkelbacillen entspricht seine Zusammensetzung 
jener anderer meist als ,Pflanzenwachs* bezeichneten Pflanzen- 
fette. Diese enthalten?!) regelmäßig neben geringen Mengen 
echter Fette, verschiedene hochmolekulare Fettsäuren und Alko- 
hole sowie Ester derselben und auch Kohlenwasserstoffe. Als 
chemisch schwer angreifbare Verbindungen haben sie im Gegen- 
satz zu den echten Glyceriden, den „Nahrungslipoiden“, keinen 
merklichen Anteil an dem Stoffwechsel, sondern scheinen nur 
dem Schutze der Gewebe zu dienen, indem sie deren chemische 
und mechanische Widerstandsfähigkeit erhöhen und die Ver- 
dunstung herabsetzen. Sie finder sich besonders reichlich bei 


1) Vgl. Czapek, Biochemie der Pflanzen. 2. Aufl. 1, 814, 1913. 
11* 


164 M. Bürger: Tuberkelbacillenfette. 


xerophytischen Gewächsen und fehlen bemerkenswerterweise 
submersen Pflanzenteilen. Czapek hat diese Gruppe fettartiger 
Stoffe unter dem Namen Cerolipoide zusammengefaßt. Ihrer 
chemischen Natur nach sind sie verschieden zusammengesetzt. 
In der Regel sind sie aber Gemenge homologer Verbindungen. 

Auch für das Gemenge der Cerolipoide aus den Tuberkel- 
bacillen scheint sich das gleiche zu ergeben. Denn einerseits 
enthält es homologe Fettsäuren von der Formel CDs, von 
der Laurinsäure aufwärts bis zur Palmitinsäure, andrerseits 
hochmolekulare Alkohole von der Formel CnH,n_,0: C,¿H,¿0, 
C,¿H,¿0, C¿pH,¿0. Wenn ferner allgemein die große chemische 
und sonstige Widerstandsfähigkeit der Tuberkelbacillen mit deren 
auffallend hohem „Fett“gehalt in Beziehung gebracht wird, so 
entspricht das nur der auch sonst für die Cerolipoide der 
Pflanzen nachweisbaren biologischen Funktion, 


Untersuchungen über die Ammoniakmenge im Blute. 
Von 
V. Henriques und E. Christiansen. 


(Aus dem physiologischen Institut der Universität Kopenhagen.) 
(Eingegangen am 19. September 1916.) 


Das Vorhandensein des Ammoniaks im Blute, teils unter 
normalen und teils unter pathologischen Verhältnissen, ist eine 
Frage, welche die Physiologen seit einer Reihe von Jahren be- 
schäftigt. 

Das Ammoniak wird bekanntlich als intermediäres Stoff- 
wechselprodukt beim Stickstoffumsatz betrachtet und ist ein 
Vorstadium des Harnstofts. Nach v. Schröders!) Unter- 
suchungen, die später von Lenzner?) bestätigt wurden, soll 
die Leber der Ort sein, wo die Harnstofisynthese stattfindet, 
und auch von russischen Forschern sind umfassende Unter- 
suchungen angestellt worden, die dartun sollen, daß ein Über- 
schuß von Ammoniak in der Leber verschwindet. Daß das 
Ammoniak im Organismus auch bei der Neutralisation von 
Säuren, die sich beim Stoffwechsel im Organismus bilden, eine 
Rolle spielt, kann als festgestellt betrachtet werden. 

Eine der ersten Methoden zur Bestimmung der Ammoniak- 
menge in Blut und Geweben wurde von Nencki und Zaleski?) 
ausgearbeitet. Die Methode besteht darin, daß das Ammoniak 
unter Vakuumdestillation und Anwendung von Kalkmilch in 
»/,y"Sáure hinüberdestilliert wird, worauf mit ”/,¿- NaOH zurück- 
titriert wird. 1 ccm 2/, o- NaOH = 0,425 mg NH,. 1 ccm Säure 
= 2,1 mg NH,. Hierbei ist gleich einzuwenden, daß die 


1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 15 u. 19, 1882 bis 1885. 
2?) Kasan (russisch). 1899. 
D Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmako]. 36, 385, 1896. 


166 V. Henriques und E. Christiansen: 


angewandten Titrierflüssigkeiten nicht hinlänglich verdünnt 
sind; wenn beim Abmessen der Säure nur ein Tropfen zu 
wenig oder zu viel genommen, mit einem oder zwei Tropfen 
n/ o- NaOH zu wenig oder zu viel titriert wird, kann sehr 
leicht ein Fehler von ca. 0,20 mg NH, pro 100 ccm Blut ein- 
laufen, welche Menge sich nach unseren unten mitgeteilten 
Untersuchungen oft im Blute finden kann. Es haften der 
Methode auch andere und größere Fehler an. So geben 
Nencki und Zaleski selbst an, daß sie, wenn sie 49 ccm 
Blut in Arbeit nehmen, 1,0 mg NH, pro 100 ccm Blut finden, 
während sie bei Anwendung von 17 ccm Blut 2,2 mg NH, pro 
100 ccm Blut finden. In arteriellem Hundeblut fanden Nencki 
und Zaleski von 1,4 bis 2,7 mg NH, pro 100 ccm Blut, welche 
Werte sicherlich viel zu hoch sind. Biedl und Wintherberg') 
fanden durch Kontrollversuche, daß man bei Anwendung ver- 
schiedener Mengen von Blut zur Analyse Resultate bekommt, 
von denen das eine bis 5mal so hoch sein kann wie das 
andere. Nach dieser Methode haben Nencki, Pawlow und 
Zaleski? — Nencki und Pawlow*) — Salaskin!) — 
Salaskin und Zaleski°) Untersuchungen angestellt, und zwar 
mit folgenden Resultaten: 

1. Das Blut des Pfortadersystems enthält 3- bis 4mal so 
viel Ammoniak als das Arterienblut. 

2. Der Ammoniakgehalt von Arterienblut von Hunden mit 
Eckscher Fistel nähert sich in der akuten Vergiftungsperiode 
dem des Pfortaderblutes. 

3. Die Magen- und Darmschleimhaut, sowie die Bauch- 
speicheldrüse enthält, wenn der Verdauungsprozeß seinen Gipfel- 
punkt erreicht hat, bedeutend mehr Ammoniak als im Ruhe- 
zustand. 

4. Der Ammoniakgehalt im Gehirn von Hunden mit 
Eckscher Fistel nimmt während der Vergiftungsperiode be- 
deutend zu. 


1) Arch. f. d. ges. Physiol. 88, 1902. 

®) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 87, 1897. 
3) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 38. 

4) Zeitschr. f. physiol. Chem. 25. 

5) Zeitschr. f. physiol. Chem. 29. 


Ammoniakmenge im Blute. 167 


5. Alle untersuchten Flüssigkeiten, Gewebe und Organe 
des tierischen Organismus enthalten Ammoniak. 

Da diese Resultate auf einer Methode mit großen Fehlern 
beruhen, können sie höchstens eine gewisse Relativität Lesitzen. 
Von Biedl und Wintherberg dazu angeregt, die durch vor- 
läufige Untersuchungen zu anderen Resultaten gekommen waren 
als die russischen Forscher, verbesserten Nencki und Zaleski?) 
ihre Methode, indem sie statt Kalkwasser Magnesia benutzten. 
Nach dieser Methode stellten Horodynski, Salaskin und 
Zaleski?) neue Untersuchungen an und erhielten folgende 
Hauptresultate: 

1. Der Ammoniakgehalt von arteriellem Blut ist sehr kon- 
stant. Bei Hunden findet man nach Fütterung einen mittleren 
Wert von 0,41, nach Hunger 0,42, und nach Eingabe von 
Ammoniaksalz 0,42 mg NH, pro 100 ccm Blut. Im Pfortader- 
blut findet sich 3- bis 5mal so viel Ammoniak als im arte- 
riellen Blut. Somit bestätigen sich die Resultate von Nencki, 
Pawlow und Zaleski. 

2. Der Umstand, daß man bei Anwendung von Kalkwasser 
statt Magnesia höhere Werte vorfand, spricht für das Vorhanden- 
sein von leicht Ammoniak abgebenden Verbindungen. Von 
solchen Stoffen enthält, nach den Analysen zu urteilen, das 
Pfortaderblut unter normalen Umständen mehr als das Ar- 
terienblut. 

3. Der Ammoniakgehalt der Organe, namentlich der des 
Gehirns, ist ziemlich konstant; eine Ausnahme bilden die Drüsen, 
deren Tätigkeit vom Verdauungszustand abhängt, und deren 
Ammoniakgehalt infolgedessen sckwankt. 

Fast zu gleicher Zeit wie die Arbeit von Horodynski, 
Salaskin und Zaleski erschien ein Aufsatz über dasselbe 
Thema von Biedl und Wintherberg?). Ihre Analysen sind 
mit Kalkwasser nach Nencki und Zaleski ausgeführt, und 
ihre Zahlenwerte können somit nur relative Bedeutung haben. 
Die von ihnen in Hundeblut gefundene Ammoniakmenge 
schwankt zwischen 0,3 und 1,0 mg pro 100 eem Blut. Ihre 


— 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 88, 1901. 
D Zeitschr. f. physiol. Chem. 35, 1902. 
Dan O. 


168 V. Henriques und E. Christiansen: 


Resultate widersprechen in vielen Beziehungen denen der Peters- 
burger Schule. Biedl und Wintherberg behaupten u. a.: 

1. daß die Leber nicht das einzige Organ sei, das das 
Blut von einem Ammoniaküberschuß zu befreien vermag; 

2. daß man bei vergleichenden Untersuchungen über den 
Ammoniakgehalt des Pfortaderblutes und des arteriellen Blutes 
an beiden Orten dieselbe Menge, mitunter gar mehr Ammoniak 
im arteriellen Blute als im Pfortaderblut findet. 

Spätere Untersuchungen von Folin und Denis?) über 
den Ursprung und die Bedeutung des Ammoniaks im Blute, 
speziell im Pfortaderblut, bestätigen Biedls und Winther- 
bergs Untersuchungen in der Beziehung, daB das Pfortader- 
blut nicht immer mehr Ammoniak enthält als das arterielle 
Blut. Folins und Denis’ Zahlenwerte sind kleiner als sowohl 
die der Petersburger Schule wie die von Biedl und Winther- 
berg, was Folin und Denis, und zwar sicherlich mit Recht, 
der Verbesserung der Untersuchungsmethoden zuschreiben. Die 
Methodik der Untersuchungen von Folin und Denis?) ist: 
10 ccm Blut werden in ein großes Jena-Reagensglas getan, und 
es werden 2 bis 3 ccm 15°/, Kaliumoxalat und 10°/, Na,CO, 
und 5 ccm Toluol hinzugesetzt. Das Ammoniak wird mittels 
Durchsaugen von ammoniakfreier Luft aus der Flüssigkeit ent- 
fernt und in einem anderen großen Jena-Reagensglas mit 5 bis 
6 Tropfen ®/ „Säure und 1 ccm Wasser gesammelt. Nach Auf- 
hören des Saugens wird das Ammoniak colorimetrisch durch 
Neßlerisation bestimmt. Folin und Denis stellten ihre Ver- 
suche an Katzen an und fanden durch vergleichende Unter- 
suchungen über die Ammoniakmenge im Blute aus verschie- 
denen Gefäßgebieten, daß das Pfortaderblut in der Regel etwas 
mehr Ammoniak enthielt als das arterielle Blut. Ferner fanden 
sie durch Untersuchung der Ammoniakmenge in den verschie- 
denen Ästen der Pfortader, daß das Blut aus dem Dickdarm 
besonders ammoniakhaltig war, während das Blut aus dem 
Dünndarm und der Milz verhältnismäßig wenig Ammoniak ent- 
hielt. Dies rührt, nach der Ansicht der beiden Verfasser, von 
der Wirksamkeit der Bakterien im Dickdarm her. 


1) Journ. of Biolog. Chem. 11, 161. 
*) Journ. of Biolog. Chem. 11, 533. 


Ammoniakmenge im Blute. 169 


Die folgende Tabelle gewährt einen Überblick über die 
von Folin und Denis gefundenen Zahlenwerte: 


Bemerkungen 


e 
a 
$ 
i3 
dä 
> 


2 Tage Fleischnahrung. 17 Std. Hunger. 
18 Tage Diät von Dextrose und Rahm. 


In betäubtem Zustande; hatte im vor- 
aus Fleischnahrung bekommen. 

Ventrikel leer. 

4 Tage Fleischnshrung. 24 Std. vor dem 
Versuch Inanition. 

Erhielt ein pankreasverdautes Gemisch 
in den unterbundenen Dünndarm. 

4 g Glykokoll in 50 ccm H,O in den 
unterbundenen Dünndarm injiziert. 


5 g Asparagin in 50 ccm H,O injiziert. 





Nach Bangs?) Ansicht sind Folins Zahlen gar zu niedrig. 
Bang bat mm einigen wenigen Versuchen die Ammoniakmenge 
im Blute von Kaninchen bestimmt. Er verfuhr dabei in fol- 
gender Weise: Das Blut wird in gesättigtem KCl angesammelt, 
Es wird ein Überschuß von Methylalkohol zugesetzt, und zu 
einem Teil des Filtrates wird Natriumcarbonat gesetzt, wonach 
das Ammoniak bei ca. 45° ausgetrieben wird. Im Blute zweier 
Kaninchen fand Bang 0,81 und 1,27 mg NH,-N pro 100 ccm 
Blut, welche Zahlen ja weit über den von Folin gefundenen 
liegen. 

Um festzustellen, ob der Thyreoideakomplex auf das Vor- 
handensein des Ammoniaks im Blute einen Einfluß hat, stellte 
A. Medwedew?) eine Reihe von Untersuchungen an über die 
Ammoniakmenge im Blute thyreoidektomierter Hunde Er 
findet in normalem Hundeblut von 0,47 bis 0,64 mg (im Mittel 
0,56 mg) Ammoniak pro 100 ccm Blut. Der Ammoniakgehalt 
im Blute von Hunden nach totaler Thyreo-Parathyreoidektomie 
schwankte zwischen 0,69 und 2,04 mg pro 100 cem Blut. Der 
Ammoniakgehalt im Blute auf der Höhe des Tetanieanfalls 
hat einen mittleren Wert von 0,79. Kurz vor dem Tode des 


1) Diese Zeitschr. 72, 144. 
”) Zeitschr. f. physiol. Chem. 72, 410. 


170 V. Henriques und E. Christiansen: 


Tieres ist die Ammoniakmenge 2 bis 3mal so groß wie zu 
Anfang der Tetanie und 21/, bis 3*/,mal so groß wie bei 
normalen Tieren. Vergleichshalber kann angeführt werden, daß 
Mac Callum und Voegtlin?) während des Tetanieanfalls 
ganze 10 mg pro 100 ccm Blut, im normalen Hundeblut, aber 
4 mg pro 100 ccm Blut fanden. 

Gleichzeitig mit den Untersuchungen an thyreo-parathyreoid- 
ektomierten Hunden stellte Medwedew Untersuchungen an 
über den Ammoniakgehalt im Blute von Hunden, die lange 
Zeit hindurch nicht gefressen hatten, und bestimmte den Am- 
moniakgehalt des Blutes vor und nach längerem Stehenlassen 
bei ca. 37°. Das Blut wurde bei aseptischen Kautelen auf- 
gesammelt. Medwedew fand in arteriellem Blut von normalen 
Hunden 1. eine von 0,64 bis 1,95 mg und 2. eine von 0,47 bis 
1,90 mg pro 100 ccm Blut zunehmende Ammoniakmenge bei 
ca. 30stündigem Stehenlassen des Blutes. Bei Hunden mit 
totaler Thyreo-Parathyreoidektomie betrug die Zunahme der 
Ammoniakmenge im Laufe von 24 Stunden: 1. 0,69 bis 2,93, 
2. 0,81 bis 2,76, 3. 0,87 bis 2,69 mg. Ein sehr eigentümliches 
Verhältnis fand Medwedew im Blute von Hunden, die lange 
Zeit keine Nahrung erhalten hatten; hier nimmt die Ammoniak- 
menge im Blute beim Stehenlassen nämlich erst ab, um später 
wieder zuzunehmen. Zum Beispiel: 

1. Bei 49tägiger Inanition: 1,63 — 0,98 — 1,58 mg NH, 

2. n 28 n n 1,97 — 1,36 — 1,94 n NH, 

3. n»n 45 y» n 1,82 — 1,02 — 1,76 » NH, 
pro 100 ccm Blut. 


Medwedew folgert aus seinen Versuchen, daß im Blute 
normaler Tiere nebeneinander zwei Prozesse verlaufen, teils 
eine Abspaltung von Ammoniak infolge eines Desamidierungs- 
prozesses, teils eine Bindung von Ammoniak infolge eines syn- 
thetischen Prozesses. Diese Theorie beruht jedoch auf einer 
Methode, deren Brauchbarkeit nichts weniger als sicher ist. 
Medwedew benutzt die Vakuumdestillation. Das Ammoniak 
wird in 2/,-Säure gesammelt, und es wird mit ”/ „NaOH mit 
Lackmoid-Malachitgrún als Indicator zuricktitriert. In An- 
betracht der kleinen Mengen, um die es sich handelt, bedeutet 


1) Journ. of experim. Med. 11, 143, 1909. 


Ammoniakmenge im Blute. 171 


1 Tropfen NaOH +- 1 Tropfen Säure zusammen einen Fehler 
von ca. 0,25 mg NH,-N; bei Anwendung von 50 ccm Blut be- 
deutet das also einen Fehler von ca. 0,50 mg NH,-N pro 
100 eem Blut. Da sich normaliter nur ca. 0,3 mg NH,-N 
pro 100 ccm Blut finden, kann man Medwedews Unter- 
suchungen keine besondere Bedeutung beimessen. Seine Be- 
obachtung, daß der Ammoniakgehalt im Blute bei Stehenlassen 
zunimmt, wird jedoch durch die Untersuchungen von Alice 
Rohde!) bestätigt. Die Ursache zur langsamen Befreiung des 
Ammoniaks findet Alice Rohde in den nicht dialysierbaren 
Bestandteilen des Blutes. Alice Rohdes Zahlenwerte der 
Ammoniakmenge pro 100 ccm Blut sind jedoch in der Regel 
niedrig; sie schwanken durchgehends zwischen ca. 0,18 und 
ca. 0,45 mg pro 100 ccm Blut; in einem vereinzelten Fall 
fanden sich doch von 0,72 bis 1,78 mg NH,-N pro 100 com 
Blut. Vor ganz kurzem erschien eine Reihe sehr vollständiger 
Analysen von Gettler und Baker?) über die Zusammen- 
setzung des Blutes bei normalen Menschen. Die Bestimmung 
der Ammoniakmenge im Blute fand dabei nach Folin und 
Denis’ Methode statt. Die Werte schwanken zwischen 0,4 und 
1,1 mg NH,-N pro 100 cem Blut. — Schließlich kann angeführt 
werden, daß nach Wintherbergs Untersuchungen die Am- 
moniakmenge im Blute des Menschen 0,6 bis 1,3 mg pro 
100 cem Blut beträgt. 

Wie aus den oben besprochenen Ammoniakmengen im 
Blute zu ersehen sein wird, unterliegen die in der Literatur 
angegebenen Zahlen oft großen Schwankungen; als extreme 
Werte können Folins 0,03 mg pro 100 ccm Blut und Mac 
Callum und Voegtlins 4,0 mg pro 100 ccm Blut angeführt 
werden. Es schien uns daher von Interesse zu sein, die Frage 
von der Ammoniakmenge im Blute näher aufzuklären. 


Bei unseren Untersuchungen benutzten wir eine Methode, 
deren Prinzip dasselbe ist wie das des Folin-Denisschen 
Verfahrens. Das Blut wurde in der Regel durch Einführung 
einer Stichkanüle in die Vena jugularis entnommen; in einigen 


1) Journ. of Biolog. Chem. 1915. 
D Journ. of Biolog. Chem. 25. 


172 V. Henriques und E. Christiansen : 


Fällen stammte es aus einer Arterie. Es wurde in einem 
Kolben aufgesammelt, worin sich eine angemessene Menge von 
fein pulverisiertem Kaliumoxalat befand. Um ein Scháumen 
zu verhindern und um jede Fermentwirksamkeit möglichst 
schnell unterbrechen zu können, wird das Blut in eine größere 
Menge Äthylalkohol getan. 

Es wird in folgender Weise verfahren: 20 cem Blut werden 
abpipettiert und in einen 1-1-Jenakolben mit langem Hals hin- 
übergebracht; es werden sofort 80 ccm Äthylalkohol hinzu- 
gesetzt, worauf umgeschüttelt wird und noch 5 ccm 10°/,ige 
ausgekochte Natriumcarbonatlösung hinzugesetzt werden. Der 
Kolben wird mit einem Kautschukstöpsel mit zwei Glasröhren, 
einer fast bis auf den Boden des Kolbens reichenden Zu- 
leitungsröhre und einer ca. 15 cm hohen Ableitungsröhre ver- 
sehen, welch letztere direkt unter dem Kautschukstöpsel mündet. 
Die Ableitungsröhre wird mit einer Zuleitungsröhre verbunden, 
die durch einen Kautschukstöpsel fast bis auf den Boden eines 
100-cem-Kjeldahlkolbens reicht, worin sich 30 cem ca. ?/,-H,SO, 
finden. Der Kjeldahlkolben ist auch mit einer Ableitungsröhre 
versehen, die mit einem anderen ähnlichen Kolbenkomplex in 
Verbindung steht. Es wurden so große Kolben angewandt, 
um ein Hinüberspritzen in die Säure zu verhüten. Das Durch- 
saugen durch die Kolben dauerte 3 Stunden. Mit dem Am- 
moniak zusammen wird ein Teil vom Äthylalkohol in die 
Säure hinübergesaugt. Nach beendigtem Durchsaugen werden 
die zu den Kjeldahlkolben gehörenden Glasröhren mit de- 
stilliertem Wasser ausgespült, und es wird mit destilliertem 
Wasser bis zu ca. 80 ccm aufgefüllt, worauf der Kjeldahlkolben 
mit einem kleinen Kjeldahldestillationsapparat in Verbindung 
gesetzt wird, dessen Kühlröhre in eine ca. 10 cm lange silberne 
Röhre endigt. Es werden ca. 60 ccm abdestilliert, worin sich 
aller Äthylalkohol befinden wird; dies Destillat wird in der 
Regel der gebildeten Äthylschwefelsäure wegen mehr oder 
minder opalescierend. Nachdem auf diese Weise aller Äthyl- 
alkohol entfernt worden ist, werden aus einem Scheidetrichter 
ca. 10 ccm ausgekochte Natronlauge hinzugesetzt und das Am- 
moniak in einen 100-ccm-Jenakolben hinabdestilliert, worin 
sich 5 ccm stark verdünnte Schwefelsäure (ca. ”/,pp) finden, 
deren Titer gegenüber ”/,¿ -Na,S,O, bekannt ist. Während 


Ammoniakmenge im Blute. 173 


der Destillation miindet die silberne Róhre direkt unter der 
Oberfläche der Flüssigkeit. Es wird abdestilliert, bis in der 
Vorlage im ganzen 20 ccm sind, worauf die silberne Röhre 
mit 2 bis 3 ccm redestilliertem Wasser nachgespült wird. Zum 
Destillate werden 2 Tropfen 5°/, KJO,, 2ccm 5%/, KJ ge- 
setzt, worauf es 5 Minuten stehen gelassen wird*); nach dieser 
Zeit werden 5 Tropfen 2°/ ige Stärkelösung, mit NaCl gesättigt, 
zugesetzt, und es wird mit "/,¿-Na,S,Oz (1 ccm = 0,05 mg N) 
zurúcktitriert. 

Zur Kontrolle der Normalflüssigkeiten wurden 5 Analysen 
nach der oben besprochenen Methode angestellt. Es wurden 
0,103 mg N [als (NH,),SO,] in Arbeit genommen; als höchster 
Wert stellte sich 0,107 heraus, als niedrigster 0,102 mg N. 
Um die Methode zu kontrollieren, wurden 4 einander gleiche 
Blutproben genommen, und zu der einen davon wurden 
0,103 mg N [als (NH,),S0,] gesetzt. Die gefundenen Werte 
waren bei den drei Analysen: 0,040, 0,044 und 0,036, bei 
der vierten, wo 0,103 mg N zugesetzt worden waren, 0,145 
(= 0,103 + 0,042). Ab und zu stellten wir Kontrollanalysen 
an, indem wir 0,103 mg N zu der einen der Doppelanalysen 
hinzufügten; die Resultate entsprachen dann dem oben an- 
geführten. 


Nach der hier geschilderten Methode haben wir eine größere 
Reihe Bestimmungen des Ammoniakgehaltes im Blute angestellt, 
teils unter normalen Verhältnissen, teils nach verschiedenen 
Eingriffen. Wir führen zuerst unsere Resultate in betreff des 
Ammoniakgehaltes normaler Tiere an. 

Aus den in Tabelle I angeführten Zahlen erhellt, daß die 
Ammoniakmenge des Blutes (teils des Arterien-, teils des Venen- 
blutes) etwas niedriger ist, als bisher angenommen wurde, 
Nur die von Folin gefundenen Werte sind von derselben Größen- 
anordnung wie die unsrigen. Man kann sagen, daß der Am- 
moniakgehalt des Blutes der oben angeführten Tierformen pro 
100 ccm Blut zwischen 0,15 und 0,30 oder 0,40 mg liegt. Da 
die verschiedenen Versuche so gut übereinstimmen, unterliegt 


1) Bang, Methoden zur Mikrobeetimmung einiger Blutbestandteile, 
8. 21. 


174 V. Henriques und E. Christiansen: 









Tabelle I. 
o 5 
E E 
3 S EE Bemerkungen 
A'o S S 
< 
Ziegenbock I. 8 Venenblut. 
n I e e 1 nm 
n III a a 1 » 
f Wep Venenblut. Das Blut wurde 5 Std 
enenniut. as ut wurde y 5ta. 
esa 7 e. 5 } nach Fütterung mit 1kg Fleisch 
S entnommen. 
a III. 2 Venenblut. 
n IV e e e o 1 nm 
Kaninchen I, . 1 Arterienblut. 
n II 1 » 
n III . 1 D) 
D IV . 1 nm 
Huhn I... 1 
Katze I... .| 1 0,16 0,16 | Arterienblut. 
Menschen `, `. . 3 0,10-0,35-0,48 0,31 Venenblut. 


Durchschnittszahl aller Bestimmungen = 0,27 mg NH,-N 

pro 100 ccm Blut. 
es kaum einem Zweifel, daß die von anderen Autoren ange- 
führten Werte der Ammoniakmenge des Blutes, die bedeutend 
über 0,50 mg pro 100 eem Blut liegen, auf Irrtümern beruhen. 
Wenn z. B. Bang im Blute eines normalen Kaninchens 1,27 mg 
NH,-N in 100 g Blut findet, so ist dies Resultat ohne Zweifel 
zu hoch, und Bang hat nicht recht, wenn er von Folins 
Normalwerten schreibt, daß sie „unmöglich richtig sein können“. 
Die von uns gefundenen Zahlen stimmen mit den Folinschen 
recht gut überein, doch sind Folins Werte von NH,-N im 
Arterienblut in den meisten Fällen ein Teil niedriger als die 
unsrigen. 

Unsere Bestimmungen der NH,-N-Menge im Venenblut 
von Hunden zeigen, daß die Menge bei Brot +4 Fettnahrung 
um 0,25 mg pro 100 ccm Blut liegt. Bei sehr starker Fleisch- 
fütterung scheint die Ammoniakmenge etwas zuzunehmen, doch 
nicht bedeutend; in einem Versuch fanden wir 0,44 mg, in 
zwei anderen bzw. 0,28 und 0,37 mg. 

Die drei Bestimmungen in Menschenblut hätten eigentlich 
in dieser Tabelle nicht angeführt werden sollen, da sie nicht 
von „normalen“ Menschen herrühren, sondern von Patienten 
mit recht schweren Herzleiden und Kreislaufstörungen. Daß 


Ammoniakmenge im Blute. 175 


sie dennoch mit herangezogen worden sind, beruht darauf, daß 
die Werte mit den bei normalen Tieren gefundenen recht gut 
übereinstimmen. 

Wir sahen also, daß die Ammoniakmenge im Blute ver- 
schiedener Tiere nur wenig schwankt. Wir haben darauf unter- 
sucht, ob es möglich ist, die Ammoniakmenge durch verschieden- 
artige Eingriffe in nennenswertem Grade zu steigern. Die ein- 
fachste Weise, in der man die Ammoniakmenge des Blutes 
steigern kann, ist natürlich die intravenöse Injektion von Am- 
moniaksalzen. Wir stellten zwei derartige Versuche an einem 
Ziegenbock (Gewicht 36,7 kg) an. Zur Injektion benutzten wir 
eine Lösung von Ammoniumacetat, die 0,202°/, N enthielt. 
Der Gefrierpunkt der Lösung war — 0,55°. Das Resultat war: 


mg NH,-N 
in 100 ccm Blut 





Vor der Injektion . ... . 2222 e 

Nach */,stúndiger Injektion von im ganzen 360 ccm 
Ammoniumacetatlösung . . . . s.s sss oso 0,97 

10 Minuten nach Aufhören der Injektion . ..... . 0,55 


Am folgenden Tage wurde der Versuch an demselben Ver- 
suchstier wiederholt, und zwar mit folgendem Resultat: 


mg NH,-N 
in 100 ccm Blut 











Vor der Injektion 0,29 

Nach !/,stündiger Injektion von im ganzen 360 ccm 
Ammoniumacetatlösung 0,71 
0,20 


Wie aus diesen Versuchen hervorgehen wird, vermochte 
die Injektion einer sehr bedeutenden Menge Ammoniumacetat 
ins Blut nicht, den Ammoniakgehalt über 0,97 und 0,71 mg 
Ammoniak-N zu steigern. Das ins Blut eingeführte Ammoniak 
wird also schnell entfernt, entweder durch Ausscheidung durch 
die Nieren oder durch Ablagerung in den Geweben, oder aber 
durch Umwandlung in Harnstoff. Natürlicherweise wird es 
möglich sein, den Ammoniakgehalt des Blutes durch plötzliche 
Einführung großer Mengen Ammoniak ins Blut höher hinauf- 
zutreiben als in den beiden oben angeführten Versuchen. In 
dem Falle tritt Ammoniakvergiftung und darauf folgender Tod 
ein. Derartige Versuche sind angestellt worden von Bang?), 


1) Diese Zeitschr. 72. 


176 V. Henriques und E. Christiansen: 


der Kaninchen große Mengen Ammoniumacetat oder Ammonium- 
carbonat per os eingab. Auch durch Injektion von ca. 10 g 
Harnstoff in den Ventrikel erzielte Bang Vergiftung und Tod, 
was zweifellos auf der Umwandlung des Harnstofis im Darm 
in Ammoniak und der darauf folgenden Resorption desselben 
beruhte. Bang fand, daß die Vergiftung am zuverlässigsten 
bei Kaninchen eintrat, die einer Inanition ausgesetzt waren, 
während die Vergiftung bei wohlgenährten Tieren ausbleiben 
konnte. Wir wiederholten Bangs Versuche und fanden: 

1. Wohlgenährtes Kaninchen, Gewicht 2,8 kg; erhielt per os 
10 g Harnstoff in 20 com Wasser; nach ca. 4 Stunden befand 
das Tier sich noch immer wohl. Das der Carotis entnommene 
Blut ergab = 0,46 mg NH,-N in 100 ccm Blut. 

2. Wohlgenährtes Kaninchen, Gewicht 2,5 k; erhielt 2,5 g 
Ammoniumacetat in 20 ccm Wasser; nach 4 Stunden noch 
immer normal. Das der Carotis entnommene Blut ergab 
0,33 mg NH,-N in 100 ccm Blut. 

3. Wohlgenährtes Kaninchen, Gewicht 2,3 kg; erhielt 5,5 g 
Ammoniumacetat in 20 ccm Wasser; nach 4 Stunden noch 
immer normal. Das der Carotis entnommene Blut ergab 0,55 mg 
NH,-N in 100 cem Blut. | 

. Aus den 3 angeführten Versuchen geht hervor, daß die 
Einführung großer Mengen Ammoniaksalze oder Harnstoff in 
den Verdauungskanal wohlgenährter Kaninchen nur eine ge- 
ringe Steigerung des Ammoniakgehaltes des Blutes bewirkt, 
wenn sich keine Vergiftungssymptome einstellen. Falls solche 
eintreten, nimmt aber, wie Bang dargetan hat, der Ammoniak- 
gehalt sehr bedeutend zu. Die beiden folgenden von uns an- 
gestellten Versuche veranschaulichen dies: 

4. Kaninchen, Gewicht 2,4 kg. 2tägige Inanition. Erhielt 
8,25 g Ammoniumacetat in 20 ccm Wasser. Nach 17 Minuten 
starke Krämpfe. Das der Carotis entnommene Blut ergab 
7,38 mg NH,-N pro 100 ccm Blut. 

5. Kaninchen, Gewicht 2,2 kg. 4tägige Inanition. Erhielt 
per os 12 g Harnstoff in 20 ccm Wasser. Nach 2*/, Stunden noch 
keine Vergiftungssymptome. Erhielt daher wieder 12 g Harn- 
stoff per os; ca. */, Stunden danach traten Krämpfe ein, und 
eine der Carotis entnommene Blutprobe ergab 4,52 mg NH,-N 
pro 100 ccm Blut. 


Ammoniakmenge im Blute. 177 


Schließlich führen wir zwei Versuche an, die wir anstellten, 
um zu untersuchen, ob die Ammoniakmenge im Blute sich durch 
eine Entfernung der Nieren (oder Unterbindung der Ureter) 
steigern läßt. Außer der Ammoniakmenge des Blutes bestimmten 
wir gleichzeitig den Reststickstoff und Harnstofistickstoff (nach 
Bang?), sowie den Trockensubstanzgehalt im Serum. Als Ver- 
suchstiere dienten Ziegenböcke. 

Ziegenbock Nr. 2; Gewicht 22,5 kg: am 9.V. 1916 wurden 
bei Äthernarkose beide Nieren entfernt. Das Tier lebte 5 Tage 
und erhielt während des Versuchs keine Nahrung. Der Tod 
trat ohne Krämpfe ein. Die letzten 24 Stunden lag das Tier 
in komatösem Zustande danieder. 


Tabelle II. 


„Amino- 
säure-N“ 





NH,N Rest-N Harnstoff-N 
pro pro pro ro 
100 com Blut|100 ccm Blut|100 com Blut|, ¿y A Blut 


mg mg 
Vor der Operation = | = 
Nach n ” en | FREE 
n n 125 | 14 
e, 8 E 173 | 20 
n n n 238 35 
a. 81 | 50 


Aus den angeführten Zahlen ergibt sich, daß die Ammoniak- 
menge im Blute durch die Entfernung der Nieren sozusagen 
nicht abgeändert wird. Erst während: der letzten 24 Stunden 
findet eine Zunahme statt, was auf einer herabgesetzten Leber- 
wirksamkeit in der Agonie beruhen kann. 

Dagegen nimmt, wie zu erwarten war, sowohl die Menge 
von Reststickstoff wie die von Harnstoffstickstoff zu; außerdem 
nimmt auch die Menge von „Aminostickstoff* (— Differenz 
zwischen den Werten des Rest-N und des Harnstoff-N) während 
des Versuchs gleichmäßig zu. 

Ziegenbock Nr. 3; Gewicht 28,3 kg; am 16. V. 1916 wurden 
bei Äthernarkose beide Ureter unterbunden. Das Tier lebte 
7 Tage. Der Tod trat ohne Krämpfe ein. 


1) Bang e. a. O. 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 12 


178 V. Henriques und E. Christiansen: 


Tabelle III. 



































Ai | +2 + O » 
SIS 21,53] Eg $ 
= En S S Sm 38 2 
8 g SiE me kt Pp HE Anmerkungen 
sem ss es PB 
mg mg °C = 








Vor der Operation 






nn n ı 6,3 
Nach n n 21 6,5 
nn n 25 — 7,0 | 200 ccm Wasser. 

n n 164 40 | 36,7—86,5 | 7,21 870 „ »  +100g Heu. 
nn n 191 58 | 36,4—37,4 | 7,2 | 20 „ ,  +ein bißchen Heu. 
nn n — | — — — | 86,4—36,8 | — | 200 „ 
nn » 0,35 | 307 | 266 41 |36,6-36,1 | 7,5 | 200 „ 

r » ” 0,36 | 339 | 279 | 60 | 35,4—34,0 7,2 
n n n — — — — == — 


Aus den Zahlen ergibt sich, daß die Ammoniakmenge des 
Blutes nach der Unterbindung der Ureter in keinem nennens- 
. werten Grade zunimmt. Den höchsten Wert finden wir am 
letzten Tage vor dem Tode; er ist nur ein wenig höher als 
die bei Ziegenböcken unter normalen Verhältnissen vorkommen- 
den Werte. Dagegen nehmen, wie zu erwarten ist, die Mengen 
von Rest-N und Harnstoff-N sehr bedeutend zu: der Reststick- 
stoff von 36 bis zu 339 mg, der Harnstoffstickstoff von 26 bis 
zu 279 mg pro 100 ccm Blut. Auch die Menge von Amino- 
stickstoff nimmt anfänglich zu, scheint aber nach 5 Tagen das 
Maximum erreicht zu haben und hält sich die drei letzten 
Tage hindurch um ca. 60 mg pro 100 ccm Blut. 


Zusammenfassung. i 


1. Es wird eine Methode zur Bestimmung der Ammoniak- 
menge des Blutes angegeben. Deren Anwendung hat gezeigt, 
daß die Ammoniakmenge des Blutes bedeutend geringer ist als 
die von den meisten Forschern gefundene. Als durchschnitt- 
liche Zahl einer großen Menge Bestimmungen der Ammoniak- 
menge des Blutes verschiedener Tiere fanden wir 0,27 mg pro 
100 cem Blut. 

2. Bei starker Fleischnahrung (Hunde) nimmt der Am- 
moniakgehalt des Blutes (aus der Vena jugularis) in keinem 
nennenswerten Grade zu. 





Ammoniakmenge im Blute. 179 


3. Nach Injektion bedeutender Mengen von Ammoniak- 
salzen ins Blut findet sich unmittelbar nach Aufhören der In- 
jektion nur ca. 0,9 mg N pro 100 ccm Blut, und nach kurzer 
Zeit ist die Ammoniakmenge wieder normal. 

4. Weder eine Exstirpation der Nieren noch eine Unter- 
bindung der beiden Ureter bewirkt eine Zunahme der Ammoniak- 
menge des Blutes. Dagegen wächst selbstverständlich die Menge 
von Reststickstoff und Harnstickstoff von Tag zu Tag sehr stark 
zu. Der Aminostickstoff wächst die ersten Tage an, scheint jedoch 
nicht über ca. 60 mg N pro 100 cem Blut anzusteigen. 


12* 


Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 


Von 
T. Folpmers. 


(Aus dem mikrobiologischen Laboratorium der technischen Hochschule 
zu Delft.) 


(Eingegangen am 20. September 1916.) 


Obwohl es schon lange bekannt war, daß einige Pflanzen- 
säfte, u. a. feinzerriebener Kartoffeln, Dahlienknollen usw. an der 
Luft nacheinander rot und langsam schwarz werden, ist es doch 
erst dem französischen Gelehrten Bertrand!) im Jahre 1896 
gelungen, dafür eine plausible Erklärung zu geben und einige 
wichtige Eigenschaften des betreffenden Fermentes festzustellen. 

So bemerkte er sofort, daß für die Wirkung des Fermentes 
der Sauerstoff der Luft entschieden notwendig war, und er 
teilte es daher unter die Oxydasen ein, unter denen er einen 
wichtigen Repräsentanten, die Laccase, einige Jahre vorher im 
Milchsafte des Lackbaumes (Rhus vernicifera) gefunden hatte. 

Auch entdeckte er eine Eigenschaft, wodurch sich die Ty- 
rosinase von allen anderen Oxydasen unterscheidet und woher 
sie ihren Namen hat, nämlich die Eigenschaft, Tyrosin anzu- 
greifen und zu oxydieren. 

Die Fermentnatur folgte aus dem Versuche, daß gekochte 
Kartoffeln sich ganz und gar nicht verfärbten. Er machte die 
Beweisführung treffend dadurch, daß er auch noch im Kartoffel- 
safte Tyrosin fand, eine Verbindung, die im Jahre 1846 von 
Liebig beim Schmelzen von Käse mit Kali entdeckt wurde. 

Das gewöhnliche Tyrosin aus Eiweiß ist immer linksdrehend. 
Nach Bertrand?) wirkt die Tyrosinase genau so schnell auf 


1) Compt. rend. 122, 1215. 
2) Bull. Soo. Chim. de France (4) 1, 395. 


T. Folpmers: Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 181 


d- als auf 1-Tyrosin. Aus einer Mischung von überschüssigem 
l-Tyrosin und d-Tyrosin bekam er nach Hinzufügung von gleich- 
viel Tyrosinase gleichviel Melanin; nach Abderhalden') soll 
jedoch eine stärkere Wirkung auf 1-Tyrosin bestehen. 

Sofort macht Bertrand Versuche, um das neue Ferment 
seinen Reaktionen gemäß scharf von der Laccase oder Pheno- 
lase, wie Bach sie nennt, zu unterscheiden. Die Laccase wirkt 
gar nicht auf Tyrosin ein, jedoch auf diejenigen aromatischen 
Körper, die zwei Hydroxyl- oder Aminogruppen im Kerne be- 
sitzen, welche am besten in para- oder ortho-Stellung zueinan- 
der sitzen. Auch von den höher hydroxylierten Phenolen wird 
Pyrogallol (1, 2, 3) gut, Phloroglucin (1, 3, 5) nicht, das Hexa- 
oxybenzol vorzüglich oxydiert. 

In betreff der Einwirkung der Tyrosinase auf diese Körper 
sind die Forscher im Widerspruch. Bertrand”) behauptet, daB 
es ihm gelungen sei, eine Tyrosinase zu gewinnen, die gar nicht 
einwirkt auf Hydrochinon, Pyrogallol und derartige Körper; 
er erhielt sie, indem er Chloroformwasserextrakt von Russula 
delica mit Alkohol präcipitierte. 

Im Filtrat sollte sich allein die Laccase vorfinden. Sechs 
Jahre später widerspricht Bach?) dieser Vorstellung mit der 
Behauptung, daß, obgleich er der Arbeitsweise genau folgte, es 
ihm nie gelungen sei, die Tyrosinase von der Laccase oder 
Phenolase zu scheiden, so daß er eine Theorie aufstellt, daß 
die Tyrosinase eine Mischung von zwei Enzymen sein sollte. 

Chodat) dagegen hält an der Ein-Enzymtheorie der Tyro- 
sinase fest. 

Wie wirkt denn die Tyrosinase auf das Tyrosin? 

Eine hydrolytische Spaltung, wie Gonnermann?) sich vor- 
stellt, wurde schon durch einen Versuch von Bertrand wider- 
legt. Läßt man nämlich eine Tyrosinaselösung bei Luftabschluß 
auf eine Tyrosinlösung einwirken, z. B. während 24 Stunden, 
und tötet dann das Ferment durch Aufkochen, so tritt später 
an der Luft gar keine Reaktion mehr ein, auch nicht wenn 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 54, 337. 

N) Compt. rend. 123, 463. 

$) Diese Zeitschr. 60, 220. 

*) Arch. sc. phys. et nat. (IV.) 89, 327. 

°) Arch. f. d. ges. Physiol. 82, 289. — Centralbl. 2, 984, 1900. 


182 T. Folpmers: 


Bertrand darauf Laccase hinzufügt. Zum Anfang der Reaktion 
ist also der Sauerstoff der Luft notwendig. 

Die älteste Theorie, welche man noch bei Czapek') finden 
kann, ist die Bildung der Homogentisinsäure als erstes Oxy- 
dationsprodukt des Tyrosins. 


NCH,CHNH,COOH /NoH 

po, J +0,=H0\ /CH,COOH+NH,-+CO, 
Die Homogentisinsäure wird darauf weiter oxydiert. Diese 
Theorie wurde noch von Gonnermann?) und Bertel?) ver- 
teidigt. 

Die physiologische Chemie kann auch hierfür Beweise bei- 
bringen. Es ist nämlich bekannt, daß der Harn bei manchen 
normalen Personen beim Stehen an der Luft allmählich eine 
dunkle Farbe annimmt, besonders wenn der Harn schon von 
Anfang an schwach alkalisch war. 

Schon bald merkte man, daß der Sauerstoff der Luft für 
die Reaktion nötig war. Man hat dieser Erscheinung auch einen 
Namen gegeben und spricht dann von Alkaptonurie, wobei also 
der Urin in Gegenwart von etwas Alkali begierig den Sauer- 
stoff absorbiert. 

Die Ersten, die hierauf aufmerksam machten, waren Bau- 
mann und Wolkow‘). Sie untersuchten den Harn eines solchen 
Patienten planmäßig, schüttelten in saurer Lösung mit Äther 
aus, verdampften den Äther und mischten der wäßrigen Lösung 
warme neutrale Bleiacetatlösung zu und bekamen ein Bleisalz, 
aus dem sie die Säure mit Schwefelwasserstoff in Freiheit 
setzten. 

Von dieser Säure nun bewiesen sie, daß sie die Struktur 
eines Homologen der Gentisinsäure oder Hydrochinoncarbon- 
säure hat. Später wurde sie auch synthetisch aus Hydro- 
chinon bereitet. Überdies zeigte es sich, daß bei Verabreichung 
von Tyrosin an einen solchen Patienten die Menge der ab- 
geschiedenen Homogentisinsäure zunimmt. Mit Fleischdiät konnte 
aus dem Urin 1,724 g Bleisalz abgeschieden werden. Verab- 


1) Biochemie der Pflanzen 2, 462, 1905. 
2) 1. o. 

3) Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 20, 454. 
*) Zeitschr. f. physiol. Chem. 15, 228. 


Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 183 


reichung von 12,5 g Tyrosin überdies ergab 13,086 g Bleisalz 
der Homogentisinsäure. 

Abderhalden gab einem Patienten Monopalmityltyrosin, 
Distearyl-l-tyrosin und bekam gleichwohl vermehrte Abschei- 
dung von Homogentisinsäure. Jedoch konnten Falta und Lang- 
stein!) mit 1-Phenylalanin auch eine Vermehrung von Homo- 
gentisinsäure konstatieren. Der Körper scheint also imstande, 
Sauerstoff in den Benzolkern einzuführen. 

Normaliter verschwindet das Tyrosin im Körper ganz und 
wird zu Kohlensäure, Wasser und Ammoniak oxydiert, soweit 
es nicht von Bakterien in Phenole und aromatische Oxysäuren 
gespalten wird. Die Phenole und aromatischen Oxysáuren 
werden vom Körper in Form von schwefelsauren Estern ab- 
geschieden. Die schädliche Wirkung scheint dadurch aufgehoben. 

Im Zusammenhang hiermit ist es wohl interessant, daß 
Bact. coli (Faeces) imstande ist, aus Tyrosin p-Oxyphenyláthyl- 
amin abzuspalten?) und daß dies sogar eine gute Bereitungs- 
weise dieses Körpers sein dürfte. 

Die Theorie der Homogentisinsäurebildung als erstes Oxy- 
dationsprodukt des Tyrosins wurde von Beyerinck?) über- 
nommen, um das Verhalten von zwei Mikrobenarten zu er- 
klären, welche allein in Symbiose imstande sind, das Tyrosin zu 
einem schwarzen Pigmente zu oxydieren. Es ist eine Actino- 
mycesart (Streptothrix) und eine andere Art Bakterie, kurz 
symbiotische Bakterie genannt, ein ganz dünnes, polarciliates 
Stäbchen, das keine Sporen bildet und Kulturgelatine stark ver- 
flússigt. 

Keiner der beiden Organismen für sich ist imstande, schwarzes 
Pigment aus Tyrosin zu bilden. Zieht man jedoch auf einem 
geeigneten Nährboden Striche von beiden Organismen, so findet 
Melaninbildung nur da statt, wo die Striche sich einander 
nähern. 

Der Actinomyces sollte nun das Tyrosin zur Homogentisin- 
sáure oxydieren, während die symbiotische Bakterie diesen Prozeß 
weiter fortsetzt bis zur Bildung des schwarzen Pigmentes. 

Der Actinomyces ist allein auf einem Homogentisinsäure- 

1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 37, 513. 


7) Diese Zeitschr. 59, 429. 
3) Koninkl. Akad. v. Wetensch., Amsterdam, 19. Febr. 1913. 


184 T. Folpmers: 


boden nicht imstande, diese zu einem schwarzen Pigmente 
zu oxydieren, die symbiotische Bakterie jedoch wohl. Macht 
man die Annahme, daß die Bakterien ihre Wirkung durch En- 
zyme ausüben, da zeigt es sich, daß zum Oxydieren von Ty- 
rosin zu Melanin offenbar zwei Enzyme nötig sind. 

Auch das Enzym der Microspira tyrosinatica, das allein 
das Tyrosin zu Melanin oxydieren kann, ist imstande, aus 
Homogentisinsáure ein schwarzes Pigment zu bilden?). 

Ebenso konnte Beyerinck in der Tyrosinase aus dem 
Milchsafte der Euphorbia lathyris die Anwesenheit von zwei 
Enzymen plausibel machen. 

Der Zweienzymentheorie der Tyrosinase schließt sich Bach 
an?). Wie gesagt, konnte er keine völlig laccasefreie Tyrosinase 
bekommen. 

Er stellt die Theorie auf, daß für die Tyrosinasewirkung 
zwei Fermente nötig seien, eine Desamidase oder Aminoacidase 
und eine Phenolase. Phenolase ist nie imstande, welche Kata- 
lysatoren auch hinzufügt werden, das Tyrosin zu oxydieren. 

Um seine Theorie zu bestätigen, macht er den folgenden 
Versuch. Mit einem Tyrosinasepräparat läßt er die Wirkung 
bis zu einer roten Verfärbung sich vollziehen, kocht dann auf, 
fügt Phenolase oder Peroxydase + H,O, zu und kann die Oxy- 
dation zur Melaninbildung fortführen. Jedoch ist immer eine 
Anfangswirkung der Aminoacidase notwendig, und Bach ver- 
gleicht diese Reaktion mit der Reaktion von Strecker. 

Strecker?) hat nämlich gefunden, daß, wenn man «-Amino- 
säuren mit Alloxan in wäßriger Lösung erhitzt, die Aminosäuren 
CO, und NH, abspalten und in das Aldehyd der náchstnie- 
deren Reihe übergehen. 

Das Alloxan selbst wird dabei reduziert und später kon- 
densiert zu Murexid. Für die Reaktion ist also Wasser not- 
wendig und ein Wasserstoffakzeptor, wofür das Alloxan fungiert. 
Bei der Tyrosinasewirkung dient dazu das Ferment selbst, und 
die lose Bindung wird immer wieder vom Sauerstoff der Luft 
gelöst. 

Chemisch gelang es mir gleichfalls, in einem Reagensrohr 

1) Koninkl. Akad. e Wetensch., 25. Febr. 1911, 1092. 


2) Diese Zeitschr. 60, 220. 
*) Annal. d Chem. 123, 363. 


Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 185 


die Tyrosinasewirkung einigermaßen nachzuahmen. Ich erhitzte 
dazu Tyrosin mit Alloxan in wäßriger Lösung und versetzte 
abwechselnd mit NH, und H,O,. Die rote Farbe verschwand 
und ging allmählich in eine dunkelbraune über. 

Ebenso konnte Bach mit p-Oxybenzaldehyd, NH, und 
H,O, + Peroxydase eine rote und schließlich braune Verfärbung 
erzielen. 

Außer Alloxan können noch oxydierend wirken Isatin, 
Benzo- und Toluchinon, nicht jedoch Naphthochinon, Anthra- 
chinon, Parabansáure und Chloranil. 

Aus Alanin konnte Acetaldehyd, aus Phenylaminoessigsäure ’) 
Benzaldehyd erhalten werden. 

Im Jahre 1913 publizierte Chodat dann die Entdeckung, 
daß er mit Kartoffeltyrosinase aus Glykokoll NH,, CO, und 
Formaldehyd, aus Phenylaminoessigsäure den Geruch des Benz- 
aldehyds erhalten habe. 

Ich benutzte nun das starke von Beyerinck im Milch- 
safte der Euphorbia lathyris gefundene Tyrosinasepräparat, 
und machte Platten von der Zusammensetzung: destilliertes 
Wasser 100, Agar 1*/, °/,, Tyrosin 0,1°/,, während das Tyrosin 
nacheinander ersetzt wurde durch 0,1°/, Phenylalanin, 0,1 °/, 
Phenylaminoessigsäure, einen Tropfen Benzaldehyd und die be- 
rechnete Menge Na,CO,, während auch die Benzaldehydplatte 
einige Milligramm Soda und etwas Ammoniak erhielt. 

Nacheinander ließ ich den Milchsaft der Euphorbia lathyris 
auf die Platten tropfen. Schon in einer Viertelstunde zeigten 
sich schwarze Flecken. Als Kontrolle wurde eine Blankoplatte 
gemacht, da der Saft, wie Beyerinck schon bemerkte, gleich- 
falls eine geringe Reaktion zeigt, der gleichzeitigen Anwesen- 
heit von Trypsin und Eiweiß zufolge. Die Phenylaminoessig- 
säureplatte hatte einen starken Benzaldehydduft. Zugleich änderte 
ich den Versuch etwas ab. In einem Destillierkölbchen löste 
ich 100 mg Phenylaminoessigsäure in der berechneten Menge 
Soda und 10 ccm Wasser und tropfte den Milchsaft dazu. Schon 
nach einer Viertelstunde machte sich ein starker Benzaldehyd- 
geruch bemerkbar. Nachdem die Probe einen Tag bei 30° ge- 
standen hatte, wurde nach Ansäuern mit Schwefelsäure im 


1) Ber. d Deutsch. chem. Ges. 44, 3145. 


186 T. Folpmers: 


CO,-Strom destilliert, und ich kondensierte das Benzaldehyd mit 
p-Nitrophenylhydrazin. Es wurde 20 mg Hydrazon erhalten, 
welches nach Umkrystallisieren scharf bei 192 bis 193° schmolz. 
Zugleich zeigte es die Reaktionen dieses Hydrazons. 

Diese Reaktion gelang mir nicht allein mit dem Milch- 
safte der Euphorbia lathyris, sondern ich konnte gleichfalls mit 
dem Safte der Morus nigra und des Ficus Necbudi die Phenyl- 
aminoessigsäure zum Benzaldehyd spalten und mit p-Nitro- 
phenylhydrazin diesen wieder kondensieren. 

Die beiden letzten Pflanzensäfte geben sowohl mit Tyrosin 
als Phenylalanin und Phenylaminoessigsäure eine grüne Ver- 
färbung. Auch ließ ich den Milchsaft der Euphorbia einen Tag 
auf eine neutrale Tyrosinlösung einwirken. Nachdem schwach 
angesäuert worden war, schüttelte ich mit Äther aus, verdampfte 
den Äther und kondensierte wieder in alkoholischer Lösung mit 
p-Nitrophenylhydrazin. Es wurde ein krystallines Kondensations- 
produkt erhalten, jedoch zu wenig, um weiter damit zu arbeiten. 

Ganz überzeugend wird noch der Versuch mit dem Milch- 
saft in der folgenden Weise. In kleinen Bechergläsern löste 
ich 36,2 mg Tyrosin, 33 mg Phenylalanin, 30,2 mg Phenylamino- 
essigsäure in der Kochhitze in 10 ccm Wasser und der be- 
rechneten Menge, d.h. 2ccm 0,1-KOH. Darauf fügte ich allen 
Proben noch 0,5 ccm 0,1-KOH zu und machte ebenso eine 
Blankoprobe mit 12 ccm Wasser und 0,5 ccm 0,1-KOH. In 
jedes der vier Bechergläser tropfte ich 10 Tropfen des Milch- 
saftes derselben Euphorbia, welche Pflanze diesen Saft im 
Hochsommer reichlich liefert. Die Blankoprobe wurde sofort 
braungelb, nach */, Stunde zeigte sich eine etwas dunklere 
Farbe. Die Tyrosin- und Phenylaminoessigsäurelösungen zeigten 
jedoch in derselben Zeit eine dunkle schwarzgraue Farbe, die 
erstere war etwas dunkler als die letztere. Das Phenylalanin 
wird etwas schwerer oxydiert. Nach */, Stunde jedoch trat 
auch hier eine Differenz mit dem Blankoversuch ganz deutlich 
hervor. Die Proben wurden darauf in einen Thermostaten 
von 30° gestellt. Nach 24 Stunden wurden sie kontrolliert. 
Die Blankoprobe war noch braungelb, während in den drei 
anderen schwarze Flocken herumtrieben. Diese zeigten Melanin- 
eigenschaften, d. h. sie waren unlöslich in verdünnten Säuren 
und Laugen. Vergleicht man die Strukturformeln der drei 


Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 187 


Verbindungen miteinander, dann zeigt sich eine große Ähn- 
lichkeit. 

Die erste Phase der Einwirkung der Tyrosinase wird also, 
der Wirkung auf die Phenylaminoessigsäure gemäß, eine des- 
aminierende sein. 

C,H,CHNH,COOH +- O =C,H,COH + NH, + CO, 
C,H,CH,CHNH,COOH + O = C,H,CH,COH + NH, + CO, 
OHC,H,CH,CHN H,COOH + O = OHC,H,CH,COH + NH, 
+ CO,. 

Da nun die Phenylaminoessigsäure zu einem Melanin 
weiteroxydiert wird, so ist man gezwungen, anzunehmen, und 
dies folgt auch aus dem Versuch mit dem Benzaldehyd, daß 
die Phenolase (wenigstens die der Euphorbia), welche die 
Tyrosinasewirkung vervollständigt, imstande ist, Sauerstoff in 
den Kern einzuführen. Die Stellen, die dafür in Betracht 
kommen, sind para- und ortho. 

In der folgenden Weise habe ich versucht nachzuweisen, 
daß dies an der p-Stelle geschieht. Ich goB dazu Platten 
von der Zusammensetzung: destilliertes Wasser 100, Agar 
117%, Helicin 0,5%/, und mischte vor dem Erstarren eine 
Messerspitze Emulsin bei. Schon bald machte sich der Ge- 
ruch des Salicylaldehyds bemerkbar. Auf die Platten tropfte 
ich wieder den Milchsaft der Euphorbia. Nach */, Stunde 
zeigte sich um den Tropfen herum eine rosa Farbe, die am 
náchsten Tage in eine braunschwarze sich verwandelt hatte. 

Hätte also die Phenolase in den Benzaldehyd Sauerstoff 
an die Orthostelle eingeführt, dann wäre Salicylaldehyd und 
eine rosa Farbe entstanden. 

Aus dem Tyrosin soll also p-Oxyphenylacetaldehyd ent- 
stehen. Vermutlich wird dies rasch weiteroxydiert und kon- 
densiert, was sich an dem geringen Kondensationsprodukte 
zeigt, das ich mit p-Nitrophenylhydrazin erhalten konnte. 

Das Ammoniak, das abgespalten wird, braucht nicht ganz 
frei zu werden, da es weiter in der Reaktion aufgenommen 
werden kann, nämlich auf den Aldehyd einwirken kann. Wahr- 
scheinlich läßt sich der p-Oxyphenylacetaldehyd wohl mit Am- 
moniak und Wasserstoffperoxyd zu einem Melanin kondensieren. 
Diesen Aldehyd hatte ich jedoch nicht zu meiner Verfügung. 


188 T. Folpmers: 


Wie gesagt, wird also die erste Phase der Melaninbildung 
von einer Desamidase oder Aminoacidase nach Bach bewirkt 
und ist also weniger die Bildung eines Aldehyds mit einem 
Kohlenstoffatom als die zugehörige a-Aminosáure. 

Die zweite Phase geht mit der Einführung von Sauerstoff 
in den Kern und weiterer Kondensation einher, wobei das 
zuerst abgespaltene Ammoniak sich wieder an der Reaktion 
beteiligt. 

In den Melaninen doch, künstlichen sowohl als natür- 
lichen, befindet sich immer Stickstoff, und zwar ungefähr in 
der gleichen Menge wie im Tyrosin. Dies zeigt sich auch an 
den Spaltungsprodukten der Melanine, unter denen sich NH,, 
HCN, Pyrrol, Pyridin oder Pyridinbasen, bisweilen Indol und 
Skatol vorfinden. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß man in 
den natürlichen Melaninen immer das Tyrosin als Chromogen 
anzunehmen hat. Für einige, wie z. B. das Hippomelanin, 
ist dies von v. Fürth und Jerusalem!) erwiesen. Zu- 
gleich zeigten sie, daß der Schwefel kein integrierender Be- 
standteil der Melanine ist. Von wieder anderen Melaninen 
konnte wohl die Tyrosinase als Urheber der Reaktion, aber 
kein Tyrosin, jedoch wohl Tyrosinkomplexe als Chromogene 
dargelegt werden. Auch das Tryptophan, p-Oxyphenyláthy]l- 
amin und Adrenalin können dazu nach Neuberg?) dienen. 
Andere Oxydasen als die Tyrosinase geben ebenso mit Adrenalin 
zur Bildung von Melaninen nach Neuberg?) und Jäger) Ver- 
anlassung. 

Der Körper scheint wohl befähigt, die Melanine wieder 
zu lösen, was sich z. B. in dem Weißwerden der Haare zeigt. 
Vielleicht liegt hier der Weg, um Zwischenprodukte in die 
Hand zu bekommen. 


Um zu untersuchen, ob es auch Mikroben gäbe, welche 
die Phenylaminoessigsäure zu einem schwarzen Pigment oxy- 
deren könnten, goB ich Platten von der folgenden Zusammen- 


1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 10, 131. 
2) Diese Zeitschr. 8, 383. 

3) Virchows Arobiv 192, 514. 

4) Ebenda 198, 62. 


Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 189 


setzung: Leitungswasser 100, Agar 1'/,°/,, 0,1°/, Phenylamino- 
essigsäure neutralisiert mit der berechneten Menge Soda, 0,059/, 
K,HPO,. Auf den Platten streute ich 0,2 g Gartenerde, Klo- 
akenschlamm und Grubenwasser aus. Viele verschiedene Sorten, 
unter ihnen Fluorescenten, Sporenbildner, Actinomyceten und 
Schimmelpilze, wuchsen auf den Platten. Unter tausenden 
Kolonien war jedoch keine einzige, die ein schwarzes Pigment 
bildete. Auch die Microspira tyrosinatica, die auf einer Kon- 
trollplatte mit Tyrosin ein schönes Pigment bildete, war ohne 
jede Wirkung. 

Wurde 0,1°/, Amygdalin in eine Fleischpepton-Agarplatte 
gebracht und vor dem Erstarren eine Spur Emulsin, dann war 
im allgemeinen das Wachstum von Fluorescenten und Micro- 
spira tyrosinatica im Anfang wohl wegen der gleichzeitigen 
Abspaltung von HCN schlecht, und auch von einer Oxyda- 
tion des Benzaldehyds zu einem schwarzen Pigment wurde 
nichts bemerkt. Fluorescenten wurden gewählt, da diese auch 
auf einer Tyrosinplatte eine rote Farbe hervorbringen. 

Im übrigen wurde Tyrosinfärbung durch Bakterien ge- 
funden von Carbone!) in alten Cholerakulturen, von Leh- 
mann?) und Sano durch die Wirkung von Bact. putidum, 
Bact. phosphorescens und Actinomyces chromogenes, und von 
Abt?), der ein sporenhaltiges verflüssigendes Stäbchen als die 
Ursache der Bildung von schwarzen Flecken auf Häuten er- 
kannte. 


Zum Schluß möchte ich Herrn Prof. Blanksma zu Leiden 
meinen verbindlichsten Dank für die freundliche Überlassung 
der Phenylaminoessigsäure aussprechen. 


Literatur der Melanine. 
Maurice Piettre, Compt. rend. 153, 1037; 155, 594. 
Rona und Riesser, Zeitschr. f. physiol. Chem. 57, 143; 61, 12. 
Adler und Herzmark, diese Zeitschr. 49, 130. 
Landolt, Zeitschr. f. physiol. Chem. 28, 192. 


1) Rendi conti d'Istituto Lombardo 1906. Ref. Centralbl. f. Bakt. 
Landwirtschaftl. Teil 29. X. 07. 19. Nr. 19/20. 

1 Arch. f. Hygiene #7, 99. 

5, Collegium 1918, 204. 


190 T. Folpmers: Tyrosinase, ein Gemenge von zwei Enzymen. 


Fasal, diese Zeitschr. 55, 393. 

Eppinger, ebenda 28, 181. 

Helman, Arch. intern. de Pharm. 12, 271. 

Nencki und Sieber, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 24, 17. 

Jones, Amer. Journ. of Phys. 2, 380. 

Jones and Auer, ebenda 5, 321. 

Mörner, Zeitschr. f. physiol. Chem, 11, 66. 

Miura, Virchows Archiv 107, 250. 

Brandl und Pfeiffer, Zeitschr. f. Biol. 26, 348. 

Pouchet, Compt. rend. 112, 884, 

Schmiedeberg, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 39, 65. 

v. Duneschi, Atti Real. Ac. Lincei 10, 180. 

Franz Samuely, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 2, 355. 

Marussia Bakunin und G. Dragotti, Rend. Accad. Sc. Fis.-Mat. 
Napoli 10, 222. 

Hirschfeld, Zeitschr. f. physiol. Chem. 18, 407. 

Nencki, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 28, 567. 

Berdez und Nenoki, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmako!. 
20, 348. 

Abel and Davis, Journ. of experim. Med. 1, Nr.3, 361. 

Chittenden and Abro, Amer. Journ. of Physiol. 2, 291. 

v. Fürth, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1, 229; 10, 131. 

Spiegler, ebenda 4, 40. 

Wolff, ebenda 5, 476. 

Neuberg, Virchows Archiv 192, 514; diese Zeitschr. 8, 383. 

Jäger, ebenda 198, 62. 


Über die w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsin- 
säure. 


Von 


J. Abelin. 


(Aus dem medizinisch-chemischen und pharmakologischen Institut der 
Universität Bern.) 


(Eingegangen am 24. September 1916.) 


Die Derivate der formaldehydschwefligen und der form- 
aldehydhydroschwefligen Säure, deren chemisches Verhalten dank 
den Untersuchungen von Hugo Schiff?*), Miller und Plöchl?), 
Knovenagel*), Bucherer*) und Reinking, Dehnel und 
Labhardt°) genau bekannt ist, haben in der letzten Zeit auch 
ein therapeutisches Interesse gefunden. Nach Volkmar soll 
dem Natriumsalz der formaldehydschwefligen Säure (w-methyl- 
sulfonsaures Natrium) eine günstige Wirkung bei der Gicht, 
sowie bei Pneumonie zukommen — eine Angabe übrigens, die 
von anderen Autoren bestritten wird. Das Natriumsalz der 
w-Methylsulfonsäure des 1-phenyl-2-3-dimethyl-4-amido-5-Pyra- 
zolons (Melubrin) wird neuerdings als Mittel gegen Gelenk- 
rheumatismus empfohlen®). Als bekanntester Vertreter dieser 
Körperklasse gilt aber das Neosalvarsan, das Natriumsalz 
der w-Methylsulfoxylsäure des Dioxydiamidoarsenobenzols. 


») Hugo Schiff, Annal. d Chem. 140, 125; 144, 145; 210, 123. 

D Miller und Plöchl, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 24, 1700, 1891. 

D Knovenagel, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 87, 4095, 1904. 

4) Bucherer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 89, 986, 1906. 

D Reinking, Debnel und Labhardt, Ber. d. Deutsch. ohem. 
Ges. 88, 1069, 1905. 

© Loehing, Münch. med. Wochenschr. 59, 1912. 


192 J. Abelin: 


As = As 

A N | 
vu) u H, .0.SONa 

Op OH 


Im Anschluß an eine ganze Reihe w-Sulfonsäurederivate 
aromatischer Amine!), über deren pharmakologisches Verhalten 
nächstens berichtet werden soll, habe ich auch die w-Methyl- 
sulfonsäure der p-Amidophenylarsinsäure dargestellt. 


OH 
As € O 
$ OH 
| N 
CH,.O.SO,H. 

Die neue Verbindung ist also ein Atoxylderivat, und 
zwar ein am N substituiertes Derivat. Sie steht ihrer chemi- 
schen Beschaffenheit nach dem Arsacetin (Acetyl-p-amido- 
phenylarsinsäure) nahe. Trotz des ähnlichen chemischen Auf- 
baues unterscheidet sich aber das neue Atoxylderivat grundsätz- 
lich von dem Arsacetin. Durch die Einführung des Essigsäure- 
restes wird das Atoxyl (wie viele andere aromatische Amine) 
entgiftet, ohne daß seine Heilwirkung dadurch ungünstig beein- 
flußt wird. Nach den Angaben von Ehrlich?) und Blumen- 
thal und Jacoby?) können vom Arsacetin 3- bis 10mal größere 
Dosen gegeben werden als vom Atoxyl. Es gelingt sogar mit 
dem Arzacetin eine Heilung der mit Trypanosomen infizierten 
Mäuse auch in den Fällen durchzuführen, in denen das Atoxyl 
versagt hat (Ehrlich). Anders verhält sich die w-Methylsulfon- 
säure der p-Amidophenylarsinsäure: hier bedingt die Einführung 
des formaldehydschwefligsauren Restes eine weitgehende Ent- 
giftung. Die Herabsetzung der Giftwirkung ist aber von einer 
bedeutenden Schwächung der therapeutischen Wirksamkeit be- 
gleitet. 

Man würde auf den ersten Blick geneigt sein, diese Tat- 
sache durch die Anwesenheit einer Sulfogruppe (SO,H) im 


1) Annal. d Chem. 411, 216, 229. 
») Ehrlich, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 42, 25. 
3) F. Blumenthal und E. Jacoby, diese Zeitschr. 16. 


H 


w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsinsäure. 193 


Molekül zu erklären. Denn gerade von der Sulfogruppe ist ja 
am sichersten bekannt, daß sie das Molekül entgiftet, zugleich 
aber therapeutisch unwirksam macht. Die nähere Betrachtung 
der chemischen Konstitution des neuen Atoxylderivates ergibt 
aber, daß die Verbindung keine Sulfogruppe enthält, da die 
w-Methylsulfonsäure und ihre Derivate nicht als Sulfonate, 
sondern als Ester der schwefligen Säure zu betrachten 
sind. Die Ester der schwefligen Säure enthalten aber keine 
direkte Kohlenstoff-Schwefelbindung, wie es die Sulfonatformel 
voraussetzt, sondern eine indirekte, vermittels des Sauerstoff- 
atomes. 

Für letztere Bindungsart spricht auch die leichte Abspalt- 
barkeit des Formaldehyds aus dem Molekül: wird eine kleine 
Menge der w-Methylsulfonsäure der p- Amidophenylarsinsäure 
mit 1 com einer 1%/,igen frisch hergestellten salzsauren Phenyl- 
hydrazinlösung versetzt, aufgekocht und nach dem Erkalten 
mit 2 ccm einer frischen 5%,igen Ferricyankaliumlösung und 
mit 5 oem konz. HCl zusammengebracht, so entsteht die für 
den Formaldehyd typische Rotfärbung (Reaktion von Schryver). 
Die leichte Formaldehydabspaltung widerspricht der Annahme 
einer Sulfogruppe (also einer direkten Kohlenstoff -Schwefel- 
bindung). 

Die Entgiftung und die Herabsetzung der Wirksamkeit 
ist höchstwahrscheinlich auf die eigentümliche chemische Kon- 
stitution des formaldehydschwefligsauren Restes, sowie auch des 
Atoxyls zurückzuführen. Daß es dabei auch auf den speziellen 
chemischen Aufbau des Atoxyls ankommt, geht daraus hervor, 
daß in vielen anderen Fällen die Einführung der formaldehyd- 
schwefligen bzw. der formaldehydroschwefligen Säure eine Ent- 
giftung ohne Veränderung der Wirksamkeit herbeiführt. 
Als Beispiel möge das w-metlylsulfonsaure Natriumsalz des 
Salicylsäure-p-aminophenylesters dienen, das neben geringer 
Toxizität die volle Salicyl- und p-Amidophenolwirkung besitzt. 
Auch im Neosalvarsan ist die spirillocide Wirkung voll- 
kommen erhalten. 

Die w-Methylsulfonsáure der p-Amidophenylarsinsäure stellt 
also ein gutes Beispiel der eigentümlichen Beziehungen zwischen 
der chemischen Konstitution und der physiologischen Wirksam- 


keit dar. Der Einfluß des chemischen Aufbaues ist hier um so 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 13 


194 J. Abelin: 


mehr auffallend, als die w-Methylsulfonsäure der p-Amidopheny]- 
arsinsäure: 
H OH 
"RG. Ae, 
HO,S.O.CH, OH 
sowie das Atoxyl: 
H 
NH, CE Ac 0 + 4H,0 
ONa 


genau den gleichen Arsengehalt besitzen (As = 24,11%/, und 
24,10°/,). 


Darstellung. 


Wegen der sehr leichten Wasserlöslichkeit des Dinatrium- 
salzes der w-Methylsulfonsäure der p-Amidophenylarsinsäure 
gelingt die Reindarstellung dieser Verbindung durch Umsetzen 
des Natriumsalzes der p-Amidophenylarsinsäure (Atoxyl) mit 
einer konz. wäßrigen Formaldehydnatriumbisulftlósung nicht. 
Nach längerem Stehenlassen dieses Reaktionsgemisches erhält 
man gewöhnlich das Dinatriumsalz in Form einer farblosen 
Masse, die aber von anhaftendem Formaldehydnatriumbisulfit 
nicht befreit werden kann, da sie bei jeder Berührung mit 
Wasser sofort in Lösung geht. Man ist daher auf die Dar- 
stellung der freien w-Sulfonsäure angewiesen. Diese geschieht 
wie folgt: 

6 g Formaldehydnatriumbisulfit werden in 10 ccm Wasser 
(eventuell unter schwachem Erwärmen) gelöst, die Lösung filtriert 
und mit 6,2 g des Mono-Natriumsalzes der p-Amidophenylarsin- 
säure versetzt. Die schwach gelb gefärbte, sirupdicke Flüssig- 
keit wird nach dem Abkühlen mit verdünnter Salzsäure ver- 
setzt, worauf die freie w-Sulfonsäure in Form von prächtigen, 
schneeweißen Nadeln ausfällt. Dieselben werden sofort ab- 
gesaugt, mit wenig salzsäurehaltigem Wasser und dann mit 
Alkohol gut gewaschen und getrocknet. Die so erhaltene Säure 
ist analysenrein und zersetzt sich unter Gasentwicklung und 
Gelbfärbung bei 148% Die Haltbarkeit der Säure hängt 
sehr viel von der Arbeitsweise ab. Im allgemeinen erhält man 
Produkte, die längere Zeit haltbar sind. Es kommt aber auch 
vor, daß sich die Säure an der Luft gelblich färbt und dann 
einen niedrigeren Zersetzungspunkt (131 bis 134°) aufweist. 


` 


w-Methylsulfonsáure der p-Aminophenylarsinsäure. 195 


Methyl-Sulfonsäure der p-Aminophenylarsinsäure. 





Injizierte Menge 
in 





com |gr-Substanz 


1/¿9/¿ige Lösung. 











1 15 0,5 0,0025 0,0032 
2 13 0,6 0,0030 0,0046 Leb blieb 
3 13 0,6 0,0030 0,0046 Bon BEDIENEN: 
4 20 0,8 0,0040 0,0040 
5 10 0,5 0,0025 0,0050 Nach 3 Tagen tot. 
6 15 0,8 0,0040 0,0053 
7 15 1,0 0,0050 0,0066 Leben geblieben. 
8 12 0,6 0,0030 0,0050 
1°/ ige Lösung. 
9 25 1,0 0,010 0,0080 
10 25 0,8 0,008 0,0064 
11 I: 25 0,6 0,006 0,0048 
12 20 0,7 0,007 0,0070 
13 24 0,5 0,005 0,0040 
14 25 0,6 0,006 0,0048 
15 | 3 10 | 0.010 0.0080 Leben geblieben. 
16 27 1,2 0,012 0,0090 
17 25 0,9 0,009 0,0072 
18 20 0,7 0,007 0,0070 
19 15 1,0 0,010 0,0130 
20 17 0,8 0,008 0,0100 
2°/,ige Lösung. f i 
21 25 0,6 0,012 0,096 Nach 2 Tagen tot. 
22 25 0,5 0,010 0,080 . 
23 | 15 0,6 | 0,010 o013 |} Leben geblieben. 
4°) ige Lösung. 
24 20 0,6 0,024 0,024 
25 20 0,3 0,012 0,012 Leben geblieben. 
26 20 0,15 0,006 0,006 
50°/ ige Lösung. 
27 15 0,5 0,025 0.033 ; 
28 | 20 | 0,4 | 0,020 | 0,020 } Lopen geben, 
10°/ ige Lösung. 
29 | 20 0,4 0,04 0,04 
30 21 0,5 0,05 0,05 
31 20 0,6 0,06 0,06 Leben geblieben. 
32 19 0,7 0,07 0,07 
33 20 0,8 0,08 - 0,08 
34 22 0,8 0,08 0,08 Nach 3 Tagen tot. 
35 20 1,0 0,10 0,10 n 2 n n 
Kontrollversuche mit Atoxyl (0,5°/,ige Lösung). 
1 15 0,8 0,004 0,00430 Nach 4 Tagen tot. 
2 15 1,0 0,005 0,00665 n 2 n n 
3 15 0,8 0,004 0,00430 n 3 » n 

















13* 


196 J. Abelin: w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsinsáure. 


Die Säure darf nicht im Schwefelsäureexsiccator getrocknet 
werden, da sie sich dabei unter Schwefeldioxydabgabe 
zersetzt. . 

N-Bestimmung: 

0,2385 g Substanz gaben bei 18° und 719 mm Barometer- 
druck 9,6 cem Stickstoff. 

C,H,¿O¿NAsS. N ber. = 4,50%, 

N gef. = 4,47°|,. 


Schwefelbestimmung: 


0,244 g Substanz gaben 0,1815 g BaSO,. 
S ber. = 10,30°/, 
S gef. = 10,20%/,. 


Arsenbestimmung: 

0,2440 g Substanz gaben 0,1210 g Mg,As,0.. 
As ber. = 24,11°/, 
As gef. — 23,93 °|,. 


Die Toxizitätsversuche wurden an weißen Mäusen aus- 
geführt. Die w-Sulfonsäure wurde subcutan injiziert. Nach 
den Angaben von Ehrlich (l. c.) wirkt 1 ccm einer 0,5°/ igen 
Atoxyllösung bei einer Maus von 20 g Körpergewicht tödlich. 
Dagegen werden von den Mäusen 0,5 ccm einer 5, sogar einer 
10°/,igen Lösung der w-Methylsulfonsäure der p-Amidophenyl- 
arsinsáure ertragen. Die Entgiftung ist also eine sehr 
weitgehende. Näheres über die Versuche enthält vorstehende 
Tabelle auf S. 195. 

Chemotherapeutische Untersuchungen an infizierten 
Mäusen mußten wegen des Krieges unterbrochen werden, so 
daß ein abschließendes Urteil über die therapeutische und pro- 
phylaktische Wirkung des Präparates nicht vorliegt. Die bereits 
ausgeführten Versuche lassen aber vermuten, daß die Heilwir- 
kung der w-Methylsulfonsäure der p-Aminophenylarsinsäure 
gegen Trypanosomen im Vergleich mit dem Atoxyl bedeutend 
schwächer ist. 


Notiz betreffend die proteolytischen Enzyme der Sec 
rotundifolia. 


Von 


K. G. Dernby. 
(Aus dem Nobelinstitut für physikalische Chemie zu Stockholm.) 
(Eingegangen am 30. September 1916.) 


Mehrere Forscher haben die proteolytischen Enzyme der 
Drosera- Arten untersucht, so z.B. Morren?), der zuerst zeigte, 
daß es sich um eine wirkliche Verdauung und um keine Bak- 
terienwirkung handelte. Abderhalden?) hat angegeben, daß die 
Drosera-Enzyme keine einfachen Peptide angreifen, und danach 
J. White), daß das Drosera-Extrakt genuine EiweiBstoffe in 
Peptone, die ihrerseits nicht angegriffen werden, umwandelt. 
Diese Reaktion geht nur in saurer Lösung vor sich. In den 
Drosera-Blättern gibt es also ein pepsinähnliches Enzym. 

Ich habe diese Untersuchungen unter Anwendung von 
etwas anderen Versuchsmethoden wiederholt, und diese sind in 
einigen früheren Arbeiten ausführlich besprochen 71. Als Aus- 
gangsmaterial dienten ca. 300 g frische Blätter von Drosera 
rotundifolia, die nach Zusatz von Glycerin und einigen 
Tropfen Chloroform für zwei Tage bei Zimmertemperatur sich 
selbst überlassen wurden. Dann wurden die Blätterreste ab- 
filtriert, das tiefbraune Glycerinextrakt in einen Sörensen- 
schen Dialysator mit Kollodiummembran gebracht und in vier 
Tagen dialysiert, bis alles Glycerin herausgetreten war. Die 
hinterbliebene kolloidale Lösung, die ganz neutral reagierte 


1) Morren, Bull. de l’Acad. de Sc. Belg. 1875/76, 39, 40, 42. 

”) Abderhalden und Teruuchi, Zeitschr. f. physiol. Chem. 1906, 49. 
AJ White, Proc. Roy. Soc. 83, 1910. 

*) Dernby, Medd. fr. K. Vet. Ak. Nobelinst. 3, Nr. 14 u. 15, 1916. 


198 K. G. Dernby: 


(pe °), wurde im Eisschrank aufbewahrt. Diese Flüssigkeit 
diente dann als Enzympräparat. 

In der einen der oben erwähnten Arbeiten habe ich die 
proteolytischen Enzyme einer anderen insektenfressenden Pflanze, 
der Pinguicula vulgaris, untersucht und dabei mit Sicher- 
heit ein trypsinähnliches Enzym, aber keins vom Erepsincharakter 
gefunden. Wahrscheinlich gibt es auch Peptasen, die das Ei- 
weiß zuerst angreifen. 

Die Analysen sind meistens nach der Formoltitrations- 
methode Sórensens?”), ausgeführt und die folgenden Resultate 
sind erhalten worden: 


1. Peptasen. 


Als Substrat wurde eine Acidalbuminlósung?), die durch 
Zusatz von ”/,-Salzsáure bei verschiedenen Wasserstoffionen- 
konzentrationen (py *°%$8) in den verschiedenen Fällen ge- 
halten war, angewendet. Die Kölbchen, die die Mischungen 
von Acidalbumin, Salzsäure, Drosera-Extrakt und Wasser ent- 
hielten, waren in einem Wasserthermostaten, worin die Tem- 
peratur auf konstant 38° gehalten war, eingesenkt. Die Formol- 
titration gab, wie auch zu erwarten war, keine deutlichen 
positiven Resultate. i 

Dagegen gab die Fällungsmethode mit Stannochlorid nach 
Schjerning*) deutlich positive Resultate, so z. B. waren nach 
drei Tagen in einem Versuche, wo die Wasserstoffionenkonzen- 
tration pg”? entsprach, ca. 20%/, des ursprünglichen Eiweißes 
in Peptone umgewandelt. 


2. Tryptasen. 


Als Substrat dienten zentrifugierte und von Fett be- 
freite Milchlösungen, die durch Zusatz passender Mengen 
a/ -Natronlauge auf verschiedenen Wasserstoffionenkonzentra- 
tionen (pg 7° 9) gehalten wurden. Die Versuchstemperatur 


1) Pu bezeichnet nach Sörensen den Logarithmus der Wasserstoff- 
ionenkonzentration, z. B. bedeutet Du = 7,8, daß die Wasserstoffionen- 
konzentration 10—”-* ist. 

2) Jessen-Hansen, Die Formoltitration, Handb. d biochem. Arb.- 
Method. 6, 270. 

3) S. P. L. Sörensen, Enzymstudien II, diese Zeitschr. 1909, 21. 

4% Schjerning, Zeitschr. f. anal. Chem. 1898, 37. 


Proteolytische Enzyme der Drosera rotundifolia. 199 


war ebenso 38°, und als Antisepticum wurde Chloroform an- 
gewendet. In keinem Falle, auch nicht nach sechs Tagen, war 
irgendeine Spaltung eingetreten. 


3. Ereptasen. 


Diese Versuche wurden in derselben Weise wie die vorigen 
ausgeführt, nur wurden anstatt Casein Glycylglycinlösungen 
benutzt. Auch hier war das Resultat vollständig negativ. 


Diese kleine Untersuchung scheint also die vorhergehenden 
zu bestätigen. Nur ein Enzym vom Pepsintypus, aber keine 
trypsin- oder erepsinähnlichen wurden im Extrakte der Blätter 
von Drosera rotundifolia gefunden. 


Über den Purinstoffwechsel nach Giften. 
Von 
Julius Pohl. 
(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität zu Breslau.) 
(Eingegangen am 8. Oktober 1916.) 


Systematische Untersuchungsreihen über Änderung des 
Purinstoffwechsels durch chemische Agentien liegen kaum vor. 
Meist sind es vereinzelte Stoffe, die in dieser Richtung unter- 
sucht werden. Ich verweise auf die Darstellung von Wie- 
chowski in der Analyse des Harns, von Neubauer-Huppert, 
11. Auf, 8. 1067 resp. 914. 

Durch die Untersuchungen von Minkowski!), der auf die 
Bedeutung des Allantoins im Purinstoffwechsel des Hundes als 
erster hingewiesen, Poduschkas, der die Unangreifbarkeit des 
Allantoins?) festgestellt hat, und insbesondere durch die auf 
quantitativer Basis beruhenden Untersuchungsreihen von Wie- 
chowski ist das Allantoin als Endprodukt des tierischen Purin- 
stoffwechsels erkannt worden. Alle älteren Literaturangaben, 
die sich mit der Änderung des Purinstoffwechsels beim Tiere 
beschäftigen, ohne auf das Allantoin Rücksicht zu nehmen, 
sind fast unbrauchbar und bedürfen der Ergänzung. Speziell 
bei Besprechung vieler als Stoffwechselgifte angesehenen Sub- 
stanzen macht sich das Fehlen diesbezüglicher Angaben fühlbar, 
und eine ganze Reihe derselben müssen wenigstens einmal nach 
dieser Richtung hin untersucht werden: ich glaube daher, daß 
eine Kasuistik dieses Gebietes erhoben, und selbst wenn sie 
vielfach negativ verläuft, veröffentlicht werden mußte. 


1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 41, 375, 1898. 
D Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 44, 49, 1900. 


J. Pohl: Purinstoffwechsel nach Giften. 201 


Im allgemeinen werden Befunde, die am Tier durch die 
Allantoinbewegung gemessen werden, in dem Sinne auch für 
den Menschen Geltung haben, daB man bei ihm eine homologe 
Änderung der Harnsáure annimmt. Doch müssen die Erfah- 
rungen mit Atophan, das quoad Harnsäure am Menschen so 
deutlich zur Wirkung kommt, nicht aber am Tier, in dieser 
Richtung zur Vorsicht mahnen. 

Die folgenden Versuche sind im wesentlichen mit dem 
Quecksilberacetatverfahren von Wiechowski angestellt wor- 
den. Eine methodische Untersuchungsreihe ging zunächst da- 
hin, durch Entfernung des die Allantoin-Quecksilberfällung stören- 
den Harnstoffs das Verfahren zu verbessern. Durch Behand- 
lung des Harns mit Formalin und Schwefelsäure fällt man eine 
Verbindung von Formaldehydharnstoff der Zusammensetzung 
nach C,H, AN, nach C. Goldschmidt [siehe de Jager" Die 
Bemühungen, durch Entfernung des Harnstoffs in dieser Form 
(Filtration) vor weiterer Verarbeitung des Harns eine Verbes- 
serung des Verfahrens der Allantoinbestimmung herbeizuführen, 
sind nicht gelungen; wenn auch einzelne zufriedenstellende 
Zahlen gefunden worden sind?), so lehrt jedoch eine neuerliche 
Überprüfung des Verfahrens einen Mangel desselben: es zeigte 
sich, daß das Allantoin mit Formaldehyd in wechselnden Mengen, 
insbesondere in der Wärme, eine Verbindung eingehen kann, 
die sich der Quecksilberfällung entzieht. 

Hingegen kann ich insofern eine Verbesserung der Methode 
mitteilen, als ich die Erfahrung gemacht habe, daß man den 
so lästigen Schwefelwasserstoff umgehen und das Verfahren 
wesentlich verkürzen kann, wenn man entweder mit Grünfutter 
genährte Kaninchen benutzt oder Hunden chlorarme Kost 
reicht. Die Allantoinbestimmung nimmt dann folgenden 
Verlauf: 

A. 150 ccm des eventuell auf 300 ccm verdünnten Tages- 
harns werden mit 7 ccm verdünnter Schwefelsäure, 3 com ver- 
dünnter Essigsäure und 70 ccm einer 50°/,igen Phosphorwolf- 
ramsäure versetzt und nach Absetzen des Niederschlags (*/, 
Stunde) scharf abgesaugt. 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 64, 112. 
2) Regehly, Dissertation Breslau 1914: „Versuche über die Be- 
einflussung der Allantoinausscheidung durch Benzol“. 


202 J. Pohl: 


B. Das Filtrat wird mit Bleioxyd in Substanz verrieben, 
bis die über dem Niederschlag stehende, nunmehr farblose 
Flüssigkeit alkalisch reagiert. Daraufhin wird abgesaugt und 
mit 1 ccm des Filtrates auf Cl geprüft. Ist viel Cl vorhan- 
den, dann ist das Verfahren nach Wiechowski-Handowsky') 
einzuschlagen. Bei geringem Chlorgehalt 

C. Einleiten von CO, in das mit festem CaCO, versetzte 
Filtrat des Bleiniederschlages. Nach 10 Minuten kräftigen 
Kohlensäurestromes Prüfung in einem abfiltrierten Kubikzenti- 
meter auf Pb mit Na,S; bei Bleifreiheit (alkalische Reaktion) 
Absaugen und 

D. Filtrat messen und mit der dreifachen Menge des 
1/ %/igen Quecksilberacetatreagenzes zu versetzen. Der Nieder- 
schlag, der nach häufigem Umrühren bald grobflockig wird, 
wird nach */, Stunde aufs Filter gebracht, bis zur Quecksilber- 
freiheit ausgewaschen und zwecks N-Bestimmung in einem 
Kjeldahlkolben gespült (Zusatz von 20%/,igem Natriumthio- 
sulfat zur NH,-Destillation!!). Das Verfahren erfordert bis zur 
N-Bestimmung etwa 1*/, Stunden. 


Beleganalysen. 


a) Von 0,1530 g zu Kaninchenharn zugesetztem Allan- 
toin werden durch Vergleich mit dem nativen Harn 0,1465, 
d. h. 96°/, wiedergefunden. 

b) Vergleich des Schwefelwasserstoffverfahrens mit der 
Kohlensäuremethode: in je 150 ccm desselben Hundeharns 


mit Ag. acet. + H,S: 0,265 g Allantoin, 
ohne HS mit CO,: 0,283 g n 


Da bei toxikologischen Versuchen der Hunger vielfach 
mitspielt, gewisse Versuchsreihen absichtlich im Hunger durch- 
geführt werden, so muß der Einfluß des Hungerns auf die 
Allantoinausscheidung sichergestellt sein. Wiechowski?) findet, 
daß die Allantoinausscheidung von vorher mit Hafer gefütterten 
Kaninchen und fleischfrei ernährten Hunden im Hungern nicht 
abnimmt. Meine Erfahrungen am Hunde geben folgende Ver- 





1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 211, 1914. 
2) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 11, 112. 


Purinstoffwechsel nach Giften. 203 


suche 1 und 2 wieder; hier wie in allen Protokollen sind im 
Stab ccm die Harnmengen angeführt. 


Versuch 1. 
Hund A. Letzte Nahrung am 19. II. Gewicht 6700 g. 
1. Versuchstag 20. bis 21. 
Datum Gew.g ccm Gesamt-N Allant. U Bemerkung 
1. Hungertag 6400 214 5,40 0,641 Spur ohne Wasser 
2. 


” 6300 174 3,92 0,304 n mit n 
3. ” 211 5,48 0,4569 ” mit » 
Versuch 2. 

Hund D 4500 g. Letztes Futter am 1. IV. 1. Versuchs- 

tag 2. bis 3. IV. 
Datum Gew.g cem Gesamt-N Allant. Bemerkung 

1. Hungertag 3900 117 5,35 0,548 Wasser ad lib. 
2. ” 3900 0 ) 2.82 nn. 
3. » 3900 62 á (0,156 p. die) 
4. n 3800 0,557 
5. ” ss a ne loza p. die) 
6. ” 3600 102 4,47 0,422 


Der Hunger bedingt somit ein Absinken der Allantoinwerte. 
Die Tiere wurden in Glaskäfigen gehalten, die Harne in etwas 
vorgelegter verdünnter Schwefelsäure aufgefangen; das Futter 
wurde immer zugewogen. 


II. Änderung der Allantoinausscheidung durch chemische Stoffe. 


A. Halogensalze. 


Die Beeinflussung des Stoffwechsels durch Halogensalze, 
gemessen durch Bestimmung des Gesamt-N, ist am Kaninchen 
von Sgalitzer*) untersucht worden. Seine Arbeit hat vor 
allem ergeben, daß gegenüber der Indifferenz von NaCl und 
NaBr das Jodalkali eine eingreifende Änderung des Stoffwechsels 
hervorruft. Es förderte oder hemmte in wechselnder Weise 
den Gesamtstoffwechsel. Außerdem rief es häufig anatomisch 
nachweisbare Schädigungen der Leber hervor. Bemerkenswert 
erscheint ein Versuch, wo an demselben Tier Kochsalz und 
hinterher Jodnatrium verabfolgt wurde: während auf Kochsalz 
eine Stickstoffverminderung um 3,1°/, eintrat, stieg nach einer 


1) Kritische Versuche zur Beurteilung der Jodalkaliwirkung. Arch. 
internation. de Pharmakodynamie 18, 285, 1908. 





204 J. Pohl: 


äquimolekularen Menge Jodnatrium der Stickstoffwert um 20,8%/, 
über das Normale. 

Über die Beeinflussung des Purinstoffwechsels mit Brom- 
und Jodnatrium liegen folgende Angaben aus Marforis Labo- 
ratorium (Neapel) vor: Chistoni*) findet bei Hunden nach 
großen und mittleren Dosen per os gereichten Jodkaliums 


eine Steigerung des Stoffwechsels gemessen am N, Ü, U und 
Purinbasen. Die konstante und fortschreitende Vermehrung der 
Purinbasenausscheidung erklärt er für eine bedeutsame Stoff- 
wechselwirkung dieser Salze. 1912 findet Jappelli?) in homo- 
logen Versuchen am Hunde nach Bromkali eine Verminde- 
rung der Harnsäure unter Änsteigen der Alloxurbasen, was 
auf eine Hemmungswirkung der Xanthinoxydase durch das 
Bromion zurückgeführt wird. Alle diese Versuchebedurften natür- 
lich der Ergänzung durch Bestimmung der Allantoinausscheidung. 


Versuch 3. 
Hund mit trockenem Fleisch, 75 g Graupe und 100g 
Kartoffeln ernährt. 


Datum Gew.g com N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 6100 310 2,38 0,416 0,015 
n 6100 267 2,30 0,413 0,012 (2 g NaCl subcu- 
1.Versuchstag 6100 273 2,05 0,468 0,009! tan in20ccm 
2. ” 6100 283 1,96 0,360 0,009| Wasser 


1.Versuchstag 6000 339 2,16 0,389 0,017? cutan in 50 


Normaltag 6000 220 1,96 0,344 0,005 (4,7 g NaBr sub- 
2. n 6000 297 1,90 0,390 0,005| ccm Wasser 


Versuch 4. 
Hund mit 250 g frischem Pferdefleisch und 150 g Kar- 
toffeln gefüttert. 
Datum Gew. g com N Allant. U Bemerkung 


Normaltag 7800 307 5,92 0,44 0,03 (3,24 g NaBr sub- 
1.Versuchstag 7800 470 6,97 0,52 0,01% cutanin32ccm 
2. n 7800 414 6,63 0,69 0,04| Wasser 
Normaltag 8200 347 7,43 0,688 

1.Versuchstag 8200 410 8,05 0,698 2 g NaJ subcutan 
2 e 8200 397 7,90 0,624 


Normaltag 7800 331 7,96 0,615 
1.Versuchstag 7800 299 712 0,539| 
2.» 7900 316 6,83 0,594 


3) Arch. internation. de Pharmakodynamie 21, 339, 1911. 
2) Arch. internation. de Pharmakodynamie 22, 283, 1912. 


6 g NaJ subcutan 
in 40 ccm Wasser 


Purinstoffwechsel nach Giften. 205 


Versuch 5. 
Anderer Hund. Futter wie vorstehend. 


Datum Gew.g om N Alart. U Bemerkung 


Normaltag 9700 300 7,27 0,52 0,021 (10g Naj subou- 
1.Versuchstag 9700 582 10,01 0,53 0,004% tanini00ccm 
2. ” 9700 409 8,82 0,52 0,003| Wasser 


Berücksichtigt man den Umstand, daß Schwankungen der 
Allantoinwerte bis 5b cg im Rahmen der Methodik und der 
Norm liegen, so muß den Halogensalzen eine Fähigkeit zur 
regelmäßigen Beeinflussung des Purinstoffwechsels am Tier ab- 
gesprochen werden. Insbesondere erscheint Versuch 5 beweisend, 
wo trotz der gewaltigen Dosis von 10 g Jodnatrium die Allan- 
toinwerte konstant blieben. 


~ 


B. Chlorcalcium. 


Über den Einfluß der Calciumsalze liegt aus dem Jahre 
1912 eine Untersuchung von H. Lubienicki!), die ein wech- 
selndes Resultat ergab, vor. Lubienicki fand unter 16 Ver- 
suchen 9 mal, d. h. also in der Mehrzahl der Fälle eine Herab- 
setzung der Allantoinausscheidung, am Menschen (2 Versuche) 
Herabgehen der Harnsäurezahlen, von 0,54 auf 0,43, von 0,44 
auf 0,33. Mein Versuch am Hunde stimmt mit der Mehrzahl 
der Lubienickischen Versuche am Kaninchen überein. 


Versuch 6. 


Hund mit trockenem Fleisch, etwa 75 g Graupe, 100 g 
Kartoffeln gefüttert. 

Datum Gew. g cm N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 6100 243 2,13 0,397 Spur 


1.Versuchstag 6100 110 1,08 0,104 n  2gCaCl, subou- 
nn 6300 535 4,90 0,325 0,067(?) tan 


Dabei bestand Abscedierung an der Injektionsstelle, was bei 
subcutaner Injektion von Calciumsalzen nicht zu vermeiden 
ist: ich verzichte deshalb auf weitgehende Verallgemeinerung. 


— 





1) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 68, 394. 


206 J. Pohl: 


C. Arsenik. 
Nächst dem Phosphor gilt Arsen in Form der arsenigen 
Säure für eines der heftigsten Stoffwechselgifte. Meine Versuche 
verliefen folgendermaßen: 


Versuch 7a. 
Kaninchen, 2200 g. Rübenfutter. 
Datum Gew. g com N Allant. Bemerkung 
2 Normaltage 2150 302 1,455 0,1814 
1.u.2.Versuchstag 2100 253 1,340 nn arsenige Säure 
3.u.4. ” 2100 460 1,211 0,3190) subcutan, Harn ei- 
weißfrei 
Versuch 7b. 
Hund mit gemischtem Trockenfutter (150 g) und 200 g 
Kartoffeln gefüttert. 
Datum Gew. g cm N Alant. U Bemerkung 
Normaltag 7600 597 3,62 0,5644 0,014 
1. Versuchstag 7600 560 3,88 0,5961 0,021 10 mg arsenig- 
saures Natron 


subcutan. 
2. ” 7600 730 3,84 0,5919 0,016 20 mg arsenig- 
3. ” 7600 458 3,60 0,6326 0,021 saures Natri- 


um subcutan. 
Beide Versuche verliefen in gleichem Sinne: es tritt Stei- 
gerung des Purinkörperumsatzes ein. 


D. Blei. 

Seit Garrods Zeiten wird dem Blei átiologische Bedeu- 
tung fúr die Entstehung einer besonderen Gichtform zuge- 
sprochen. So fest die Klinik diesen Standpunkt behauptet, so 
schwankend sind die experimentellen Grundlagen fiir denselben. 
Eine der letzten Arbeiten aus diesem Gebiet stammt von 
Lithje*) aus dem Jahre 1896. Lüthje fand beim Hunde 
nach Bleizufuhr keine Änderung der Harnsäureausscheidung, 
wohl aber hohe Alloxurbasenwertee Rambousek?) fand 
bei bleivergifteten Kaninchen ein Anwachsen der mit Phos- 
phorwolframsäure fällbaren N-Fraktion des Harns. Allantoin- 
zahlen fehlen bei beiden Autoren. Meine Erfahrungen bringen 
folgende Versuchsreihen, bei denen die Bleizufuhr einerseits 
vom Darme aus, andererseits durch Setzen eines subcutanen 
Bleidepots durchgeführt wurde. 


1) Zeitschr. f. klin. Med. 29, 266. 
2) Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 7, 1910. 


Purinstoffwechsel nach Giften. 207 


Versuch 8. 


Kaninchen. Riibenfutter. 
Datum Gew.g cem N Allant, Bemerkung 
Normaltag 2600 CH 
2530 175 3,122 0,220 
2300 135 
2300 70 
2460 
1601295 2,164 0,192 
2240 240 
2220 150 
Versuchstag 2200 el 
S 2100 205 1,464 0,093 y 
nm 2000 nn 
» 2000 190 
” 2020 SE 
” 2040 300 
n 2000 320 
nm 2000 360 
” 2025 285 
” 2020 175 
” 2000 245 
12. ” 1980 230 
n 
” 
H 


da,123 


3333333 


h, 804 0,150 


0,25 an peros 
0,25 g n »nEiweiBW+ 


0,258 n nn n» 
N sg S SES 


1,930 0,122 


SI SER INA IPI A o N 


So++++++ 


» 
al 
99 
12,970 0,111 á 
» 
” 


1700 420 

1500 En a did 

1520 50 Tot. Kein Sektionsbefund. 
Lungen normal. 


Versuch 9. 


Kaninchen B. Riibenfutter. 
Datum Gew.g ccm N Alant. Bemerkung 
. Normaltag 2040 SC | 

, 2080 192 1,985 0,2198 
» 2040 198 
” 2080 215 


) 2,077 0,1668 
.Versuchstag 1960 SC 


0,25g PbCO, peros 
025g n n » ohne Eiweiß 
0,258 » » » Spur n 
025g » nn n n 
ohne n 

H 

kad 


1940 205 1,928 0,1557 


1940 175 
1960 335 
1980 270 
1900 168 


j 
1740 = 
j 


0,874 0,1536 
0,687 0,0822 g 


” 
” ” 
1700 120 1,676 0,0578 S 


1680 167 


1640 103 


1 
2 
3 
4 
1 
2 
3. 
4. 
5 
6 
1 
8 
9 
0 1,716 0,1242 


332333303 33 


10. 


208 J. Pohl: 
Datum Gew.g ccm N Allant. Bemerkung 
11.Versuchstag 1740 220 0,069 0,0514 
17. D 1880 
18. ” 1920 350 
19. n 1900 SCH 210E 92009 


Zusammenfassung der Versuche mit per os gereichtem Blei: 
Abnahme des Allantoins, mit nachherigem Ansteigen zur Norm 


im letzten Fall. 


Kaninchen C. Rübenfutter. 


Datum Gew.g 


1. Normaltag 2600 
2. ” 2600 
3. ” 2600 
4. n 2600 
1.Versuchstag 2640 
2. n 2540 
2500 
2500 
2400 
2340 
2260 
2260 
2100 
2000 
1900 
1860 
1900 
1860 
19. 1800 


3323230330933 33 3 3 


Versuch 10. 
com N Alant. Bemerkung 
oa 
158 2,419 0,207 
207 
Séi 2,1610249 1 g Pb carb. subc. Harn keinEiw. 
195 nn 
Se) 4,45 0,299 Se: 
245 etwas n 
Se Sea Se viel » 
308 
408 
340 e wenig » 
mol SEET en kein n 
325 
415 
re 6,50 1,268 


7) 2,474 0,3382 1g Pb carb. subo. kein » 


n ” 


Somit hier andauernde E der Allenköinwerte: 


Organische Stoffe. 


Wiener!) hat, um eine etwaige Harnsäuresynthese beim 
Hunde zu prüfen, an solche malonsaures Natron plus Harnstoff 
verfüttert. Da seine Versuche nur auf Harnsäure, nicht auf Allan- 
toin, Rücksicht nehmen, so bleibt die obige Frage noch offen, 
und ich nahm diesen Versuchstypus noch einmal auf. 


E. Malonsaures Natron. 


Es wurde einmal Natriummalonat und andererseits Natrium- 
malonat + Harnstoff subcutan gereicht. Bei Eintritt einer 


—— (m a e 


1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 2, 42 resp. 74. 


Purinstoffwechsel nach Giften. 209 


sy hthetischen intermediáren Harnsáurevermehrung auf diesen 
Körper hin müßte sich dieselbe in den Allantoinzahlen äußern. 


Versuch 11. 
Gelber Hund. 8100 g. Futter: 250 g frisches Pferdefleisch, 
150 g Kartoffeln, Wasser ad libit. 
Datum ccm N Alant. U Bemerkung 


Normaltag 406 12,42 0,478 0,05 2 
1.Versuchstag 350 11,82 0,444 — (3 on i 
2.» 378 10,93 0,456 0,04 EEN 


Versuch 12. 
Dackel. 4900 g. 
Datum com N Allant. U Bemerkung 


Normaltag 288 8,71 0,662 0,03 A 
1.Versuchstag 262 7,96 0,646 0,02 (258 in. 3g 
2. 315 5,60 0,412 om ` Hams 


Auch diese Versuche sprechen somit nicht für eine Harn- 
säuresynthese beim Säugetier. 


F. Cyannatrium. 

Bei der maximalen Cyanvergiftung verquickt sich eine 
sekundäre Erstickungswirkung mit einem spezifischen Einfluß 
der Cyanwasserstoffsäure auf den Stoffwechsel. Die Möglich- 
keit einer fermentativen Störung des Abbaus der Stickstoff- 
körper sollten Versuche von A. Loewy!) und A. Loewy, 
Wolf und Osterberg?) feststellen. Doch ergaben dieselben, 
daß die Harnstoffwerte sich im Verhältnis zum Gesamtstickstoff 
nach Cyanalkali gar nicht änderten, während die übrigen Be- 
funde eine Schlußfolgerung in irgendeiner Richtung nicht ge- 
statten. Bei meinem Versuche, der absichtlich so geleitet war, 
daß schwere Vergiftungserscheinungen vermieden wurden, die 
Dosis sich hart an die Grenze einer sinnfälligen, toxischen Ver- 
giftung befand, wurden folgende Befunde erhoben: 


| Versuch 13. s 
Hund G. 65g trockenes Pferdefleisch, 100 g Kartoffeln pro Tag. 
Datum Gew.g ccm N Allant. U Bemerkung 


1.Versuchstag 6400 155 5,733 0,454 Spur ¿als K-Salz subcutan. 
2. n 6380 183 7,00 0,375 n» (Keine Erscheinungen 


= D) Diese Zeitschr. 3, 439, 1907. 


2) Diese Zeitschr. 8, 132, 1908. 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 14 


Normaltag 6420 179 6,824 0,438 0,01 fa je 6,5 mg HCN 


210 J. Pohl: 


Somit hat eine derartige Intoxikation keinen auffälligen 
Einfluß auf die Allantoinausscheidung. Anders verlief ein Ver- 
such an demselben Tier, das schon nach der zweiten Injektion, 
d.h. nach 15,2 mg Cyannatrium innerhalb 2 Stunden schwere 
Vergiftungserscheinungen, wie Zittern, starkes Erbrechen, usw. 
zeigte. 

Versuch 14. 
Datum Gew.g com N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 6600 196 8,04 0,433 0,02 | Um 11* 6,5 mg HCN 


1.Versuchstag 6300 133 8,82 0,428 0,006 n 1987 » e 


” h n n 
2. » 6360 139 6,12 0,374 0,02 | Ebrechen um (ui 


Unter diesen Bedingungen kam es demnach zu einer re- 
lativen Steigerung der Allantoinausscheidung, da man die ver- 
minderte Nahrungsaufnahme (vgl. Harnmenge und Stickstoffwert) 
in Betracht ziehen muß. 


G. Benzol. 


Die klinische Benützung des Benzols bei der Leukämie 
gründet sich auf die experimentellen Feststellungen seiner die 
Leukocytenzahl vermindernden Kraft!) Dieser Schädigung 
könnte eine vermehrte Purinausscheidung parallel gehen, was 
zu quantitativen Versuchen auffordert. Die Erfahrungen, die 
Regehly?) gesammelt hat, brachten keine Entscheidung; denn 
er fand zwar eine Steigerung der Allantoinzahlen, doch gingen 
seine Werte nicht über die beim Normalen zu beobachtenden 
Zahlen hinaus. Auch ich möchte nach folgendem Versuch von 
keiner Vermehrung des Allantoins durch Benzol sprechen. Viel- 
leicht daß erst wiederholte Benzoldarreichung die doch mög- 
liche Allantoinvermehrung ergibt. 


Versuch 15. 


Hund 8500 g. 

Datum ccm N Allant. Bemerkung 
Normaltag 386 7,89 0,629 i 
1. Versuchstag 382 6,76 0,623 5 com Benzol per os 
2. ” 428 7,21 0,536 


3. » 372 614 0,524 


1) L. Selling, Benzol ala Leukotoxin, Zieglers Beiträge 51, 1911. 
9) Lo 


Purinstoffwechsel nach Giften. 211 


e 


H Brombenzol. 


Hieran schließen sich noch Versuche mit Brombenzol, das 
ich mit Rücksicht auf seine schwere Giftigkeit und die eigen- 
artigen synthetischen Stoffwechselprodukte (Baumann) heran- 
gezogen habe. 


` Versuch 16. 
Hund 14100 g (250 g frisches Pferdefleisch und 150 g Kar- 
toffeln). 
Datum ccm N Alant. Bemerkung 


4ccm Brombenzol kein Eiweiß 


Normaltag 343 8,54 0,791 
1.Versuchstag 580 8,49 0,887 { 


2 e 252 7,42 0,758 ES nm 
3. 2 332 12,24 0,93 ” » 
Versuch 17. 
Hund 8300 g. 
Datum ccm N Alant. Bemerkung 


3ccm Brombenzol ohne Eiweiß 


1.Versuchstag 343 7,75 0,548 
per os n n 


2L n 262 9,38 0,649 
a ew 625 7,57 0,589 Spur » 


Normaltag 311 7,45 0,449 


Beide Brombenzolversuche ergaben somit eine nennens- 
werte Allantoinsteigerung, die mit einer gleichen Bewegung des 
Gesamt-N parallel geht. 


J. Salicylsäure. 


Mit Rücksicht auf die Angaben, daß Salicylsäure beim 
Menschen Harnsäurevermehrung hervorrufe, wurde folgender 
Versuch am Hunde angestellt, der im wesentlichen eine In- 
differenz der Substanz in der uns interessierenden Richtung 
ergab; auffällig allein ist die Harnsáureausscheidung: deutliche 
Zunahme der Harnsäurewerte ohne Steigerung der Allantoin- 
zahlen. 


Versuch 18. 
Hund. Frisches Pferdefleisch. 
Datum Gew.g cm N Alant. U Bemerkung 


Normaltag 8120 392 9,59 0,445 Spur 
1.Versuchstag 8100 493 10,20 0,490 0,04 2g salicylsaures Na 
2. ” 8120 377 10,07 0,343 — per 08 
3. n 8000 345 10,44 0,402 0,03 
14* 


212 J. Pohl: 


K. Phenylcinchoninsaures Natrium (Atophan). 

Über die Einwirkung des Atophans auf die Purinausscheidung 
liegen entgegengesetzte Beobachtungen vor. Einerseits die An 
gabe von Starkenstein*), der eine Allantoinvermehrung 
fand und andererseits von Fromherz?), der wechselndes Ver- 


halten erhob. 


Versuch 19. 
Hündin. Frisches Pferdefleisch. 
Datum com N Allant. Bemerkung. 


Normaltag 340 6,62 0,56 
Versuchstag 275 7,72 0,46 1,5 g Atophan-Na per os 
Der Vollständigkeit wegen sei erwähnt, daß F. Bönheim’); 
nach einer Reihe von Oxychinolinderivaten starke Allantoin- 
zunahmen nachwies. | 
L, Pilocarpin. 

Über das Pilocarpin liegen literarische Angaben vor, nach 
denen dieses die Drüsensekretion und Darmbewegung erregende 
Mittel harnsäuresteigernd wirken soll. Nachdem sich heraus- 
gestellt hatte, daß 5 mg Pilocarpin subcutan bei einem 9240 g- 
Tier zu Erbrechen und dadurch zu Versuchsstörung führt, habe 
ich den folgenden Versuch (Versuch 20) mit geringerer Dosis und 
im Hunger ausgeführt. Bei Darreichung von 4 mg Pilocarpin 
innerhalb 2 Stunden betrug die Allantoinausscheidung 0,746g in 
den nächsten 24 Stunden, während in einem homologen Hunger- 
versuch an demselben Tiere in entsprechend gleicher Zeit 0,758 g 
Allantoin ausgeschieden wurde. Somit liegt auch hier ein nega- 
tives Resultat vor. 

M. Morphin. 

In der Arbeit von Luzzato*) über Natur und Ursachen 
der Morphinglucosurie findet sich die Angabe starker Harn- 
räuresteigerung nach Morphinzufuhr. Luzzato fand in einer 
Vorperiode 0,1053 Harnsäure, in der Hauptperiode nach 1,25 g 
Morphin 0,38 und in einer Nachperiode 0,097 g U. 

Ich habe mit Rücksicht auf das regelmäßige Erbrechen 


1) Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 65, 1911. 

2) Diese Zeitschr. 35, 494, 1911. 

2) Zeitschr. f. experim. Path. u. Therap. 15, 379, 1914. 
4) Arch. f. experim. Path. u. Pharm. 52, 95, 1905. 


Purinstoffwechsel nach Giften. 218 


gefütterter Tiere nach Morphindarreichung den Versuch am 
hungernden Tier durchgeführt. 


dE Versuch 21. 

Hund. 7900 g. 

: Datum ccm N Allant. D Bemerkung 
Normaltag 110 2,526 0,0976 0,007 f com 4°/, Morphin- 


Versuchstag 163 2,501 0,1763 0,011 lösung subcutan. 


Es ist demnach im Sinne Luzzatos eine deutliche Allantoin- 
steigerung zu verzeichnen. 


N. Chinin. 


Das Chinin gilt unbestrittenermaßen als ein Mittel, um 
den Eiweißumsatz zu hemmen [siehe in der älteren Literatur 
die Arbeit Prior‘). Es war nun interessant, gegenüber den 
bekannten Störungen des Gesamt-N resp. Harnstoffs der Allan- 
toinausscheidung nachzugehen. 


Versuch 22. 
Hund. 6780 g, gefüttert mit getrocknetem Pferdefleisch. 
Datum com N Alant. U Bemerkung 


Vorperiode pro die 218 7,94 0,38 0 

2 Vers.-Tage » „ 216 8,89 0,41 0.02 

Nachperiode » , 184 8,75 0,39 0,03 
Demnach muß ich das Alkaloid als indifferent in dieser 

Richtung bezeichnen. Auch mit dem 


O. Colchicin, 


das in der Therapie der Gicht eine so groBe Rolle spielt und 
dessen Wirkung vielleicht mit dem Purinstoffwechsel direkt gar 
keinen Zusammenhang hat, machte ich die gleiche Erfahrung. 
In beiden Fällen ist aber die Harnsäuresteigerung beachtenswert. 


0,5 g Chinin. hydro- 
chloric. subcutan 


Versuch 23. 

Hund. Frisches Pferdefleisch und Kartoffeln. 

Datum Gewicht cem N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 7300 376 11,81 0,595 0,014[1mgColchicin 
1. Versuohstag 7220- 225 13,09 0,467 0/036/1n H,O subcu- 
2. n 6200 310 13,35 0,435 0,045 |" Keine be- 


sonderen Er- 
3. n 1220 335 10,70 0,452 0,023 scheinungen 


1) Arch. f. d. ges. Physiol. 34, 237, 1884. 





214 J. Pohl: 


IIL Innersekretorisch gebildete Stoffe. 


Adrenalin. 


Daß den Drüsen mit innerer Sekretion eine bedeutsame 
Wirkung auf den Stoffwechsel zukommt, ist für die Schild- 
drüse vollkommen sichergestellt. Weniger eingehend untersucht 
ist die eigenartige Wirkung der Nebenniere resp. des Adrenalins. 
Es ist das Verdienst Faltas?), als erster auf die Veränderung 
des Purinstoffwechsels nach Adrenalin hingewiesen zu haben. 
Er fand beim Hunde eine gesteigerte Allantoinausfuhr, nicht 
aber am Menschen eine homologe Harnsäuresteigerung. Fleisch- 
mann und Salecker?) haben die Beobachtungen Faltas 
bestätigt und in Einzelheiten erweitert. Wie meine folgenden 
Versuche zeigen, ist die Wirkung des Adrenalins keine ganz 
gleichmäßige: meist trat eine Harnsáuresteigerung, mitunter 
eine Allantoinsteigerung ein. 


Versuch 24. 


Schwarzer Hund. 250 g frisches Pferdefleischh 150 g 
Kartoffeln. 

Datum Gewicht cm N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 9500 510 8,72 0,426 0,006 {3 mg Suprarenin 
1. Versuchstag 9500 440 10,05 0,912 0,1345 $ hydrochloric. 
2. A 9600 525 9,20 0,534 0,034 |syath. suboutan 


Versuch.25. 
Dasselbe Tier, nach 4tägiger Pause. 


Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 9400 418 8,638 0,590 0,027 (3mgSuprarenin 
1. Versuchstag 9600 270 8,824 0,675 0,105} hydrochloric. 
2. A 9400 556 9785 0,553 0,037 loin, Dpur 


Eiweiß. Kein 


3. S 9400 432 8,250 0,402 0,016 Trommer. 


Versuch 26. 


Gelber Hund. Futter wie beim vorhergehenden. 


Datum Gewicht com N Allant. U 
Normaltag 8000 300 6,258 0,383 0,033 
1. Versuchstag 8000 389 6,188 0,548 0,055 3 mg Suprarenin 


hydrochlorio. 
f; n 8000 335 5,919 0,588 0,025 aboan 


1) Zeitschr. f. experim. Path. u. Ther. 15, 356, 1914. 
3) Zeitschr. f. klin. Med. 80, 456, 1914. 


Purinstoffwechsel nach Giften. 215 


Versuch 27. 
Dasselbe Tier, nach 4tägiger Pause. 
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung 


Normaltag 8000 331 8,035 0,639 0,033 ( 3 mg Supra- 
1. Versuchstag 8000 380 8,289 0,584 0,047 | "onin wie oben. 
2. n 8100 263 8049 — Spur | trommer. Spur 
3. n 8200 322 7,330 0,528 0,032 Eiweiß. 
Infolge des Resultates des letzten Versuches (keine Allan- 
toinvermehrung) habe ich, eine Störung der Harnsäureoxydation 
durch das Adrenalin vermutend, folgenden Versuch mit Harn- 


säureinjektion nach Adrenalindarreichung angestellt. 


Versuch 28. 
Gelber Hund (von den Versuchen 26 u. 27). 
Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkung 


Normaltag 8300 342 8,26 0,593 0,014 | 
1. Versuchstag 8300 345 7,58 0,682 0,064 {0,16 g U als Na-Salz 
D 8400 322 7,34 0,559 0,012 subcutan 

» 8300 335 7,45 0,506 0,022 = 

e 8300 360 6,77 0,539 0,0644 E 

” 8200 335 7,33 0,443 0;034 Spur Eiweiß. 

” 8000 332 7,33 0,307 Spur 
Während im Normalversuch am 2. Versuchstage 68°/, der 
injizierten Harnsáure als Allantoin ausgeschieden wurden, fällt 
bei Kombination Adrenalin plus Harnsäure die erwartete 
Allantoinvermehrung aus, ja es besteht ein auffälliges Harn- 
säuredefizit in Allantoinform. Da in diesem Falle die Allan- 
toinmengen nicht entsprechend der Harnsäurezufuhr gestiegen 
waren, so mußte noch der Versuch von gleichzeitiger Allantoin- 
und Adrenalinzufuhr durchgeführt werden. 


emp yo pe 


Versuch 29. 
Gelber Hund. Frisches Pferdefleisch, Kartoffeln. 
Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkung 


1. Versuchstag 8600 405 11,02 0,934 0,0621 3 mg Suprarenin 


Normaltag 8800 395 7,90 0,548 0,041 f 0,5 g Allantoin + 
subcutan. 


2. e 8600 380 9,55 0,486 0,029 | Kam Zucker. 
Versuch 30. 
Schwarzer Hund. Frisches Pferdefleisch, Kartoffeln, 
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung 


1. Versuchstag 6600 400 8,31 0,753 0,016) 4drenalinsuboutan, kein 


2. » 7000 365 8,77 0,412 0,023 Zuok. Starke Diarrhoen; 


Normaltag 7400 285 5,27 0,396 0 k g Allantoin + 3 mg 
Gewichtsverl. Absoeß. 


216 J. Pohl: 


Da also zugeführtes Allantoin zu 77 resp: 71°), ausge- 
schieden wurde, so kann der Kombinationsversuch (Harnsäure 
plus Adrenalin) wohl nur im Sinne einer Oxydationsstörung und 
U-Retention gedeutet werden. 

Sodann ging ich zur Frage der Nucleinsäureverarbeitung 
unter dem Einfluß des Adrenalins über. Ich vermutete, daß 
sich die auf Nucleinsäure an sich eintretende Allantoinver- 
mehrung durch Adrenalin nur noch steigern würde. 

Die Nucleinsäure (aus Hefe, Präparat von Merck) enthält 
laut meiner Analyre 14,71%/, N. 


Versuch 31. 
Gelber Hund. Zugewogenes Futter. 
Datum Gewicht cm N Allant. U Bemerkung 


Normaltag 8200 280 8,15 0,324 Spur Bee 
1. Versuchstag 8200 304 10,05 0,555 0.094 Fern ohne Eiweiß 


subc. Harn ohne Eiweiß 


2. » 8100 375 10,08 0,329 0,050 

4 Tage später 

Normaltag 8300 323 9,23 0,306 0,038 ( 2g Hefenucleinsáure 
1. Versuchstag 8400 305 9,53 0,201 0,057 ! + 3 mg Adrenalin 
2. ” 8500 332 10,64 0,254 0,048 | subcutan.  Eiweiß- 
3. » 8500 473 12,75 0,518 0,054 |-  heltig. 

Es zeigte sich also homolog mit dem U-versuch auch hier 
keine Addition der Wirkungen, sondern im zweiten Falle hóch- 
stens eine Spätausscheidung vermehrten Allantoins. 

Wie energisch die Adrenalin wirkung ist, geht auch aus 
nachstehendem Versuch im Hunger hervor. 


Versuch 32. 


Hund. Dackel. Letztes Futter 18. III, Gewicht am 
19. III. 4940 g. 
ae Gewicht com N Allant. U Bemerkung 
20. . 16. 4500 d 
21. III. 16. 4300 ei SS GE j 
22. III. 16. 4400 0 
23. III. 16. 4160 170 


24. III. 16. 4060 
25. III. 16. 2000 114 5,535 0,699 0,044 


Während sonst im Hunger die Tendenz zum Absinken des 
Stickstoffs, Allantoins und der Harnsäure-Werte besteht, sehen 
wir hier unter dem Einfluß des Adrenalins das Gegenteil ein- 
treten, Ä 


Am 22. III. früh 3mg 
14,137 0,676 0,006 Adrenalin subcutan. 


Purinstoffwechsel nach Giften. 217 


Um nun festzustellen, ob durch Vergrößerung der Adre- 
nalindosis die Stoffwechselwirkung parallel zunimmt, stellte ich 
folgende Versuche an. 


Versuch 33. 


Hund. Trockenfutter, Wasser nach Belieben. 
Datum Gew.g com N Allant. P,O, U Bemerkung 


Vortag 7400 855 3,83 0,464 0,69 0,014 Erbält um 10», 
1. Versuchstag 7500 1020 4,23 0,807 0,61 0,059) ! a mg 
Ss 7800 788 15,7? 1,173 1,41 0,170| 150 6 mg im 


3. j 7700 755 6,1 0,525 0,83 0,005| ganzen. 


Der außerordentlich hohe Harnsäurewert am 2. Versuchs- 
tage veranlaßte mich zu einer zweiten Bestimmung mit einem 
Quantum desselben Harns: wir erhielten einen dem ersten ganz 
nahestehenden Wert. Die tadellos aussehenden Krystalle ent- 
hielten 33,0%, N, ein Stäubchen derselben gab kräftigste 
Murexidreaktion. 

Dasselbe Tier dient nach 4 Tagen zu folgendem Versuch 
mit 10(!) mg Adrenalin. 

Versuch 34. 

Datum Gew. g com N Allant. P,O, U Bemerkung 
Normaltag 7700 650 2,91 0,501 0,52 0,17 (9%, 11>, 1%, 3, 52 
1. Versuchstag 7400 750 4,05 0,665 0,53 Col je 2 mg Adre- 
a n» 7500 715 3,26 0,439 0,82 0,005: "elin subout. 
3. 2 7600 650 2,97 0,46 0,72 0,018 


Die gewaltige Dosis von 1 cg Adrenalin hat also nicht 
stärker gewirkt als sonst oft 3 mg. 

Beachtenswert erscheint in beiden Versuchen die Phosphor- 
säureausscheidung: sie zeigt als Beweis, daß wirklich Nucleo- 
proteide oder Nucleine vom Adrenalin angegriffen werden, Zu- 
nahmen. Gerade hierin ist ein prinzipieller Unterschied gegen- 


über der Atophanwirkung am Menschen gegeben, wo die Phos- 


phatausscheidung konstant bleibt. 

Läßt sich die Allantoinvermehrung nach Adrenalin allein 
nun mit der Einwirkung des letzteren auf den Zucker- resp. 
Glykogenbestand vergleichen? Dort wird durch die Erregung 
sympathischer Nervenendigungen das Glykogen mechanisch in die 
Anfänge der Lymphgefäße gedrängt (Hofmeisters?) Theorie der 

1) Hofmeister, Der Kohlenhydratstoffwechsel der Leber. Wien 
1913. 


218 J. Pohl: 


Pigüre). Es wird der Diastase des Blutes überantwortet und als 
Zucker ausgeschieden. Hier könnte es sich jetzt um eine Harn- 
säureausschwemmung oder Purinabspaltung handeln. Da ich die 
Existenz von Harnsäuredepots im normalen Körper (physiolo- 
gische Gicht!) für nicht bewiesen halte, so bleibt zur Deutung 
des Befundes nur die Vorstellung gesteigerter Spaltung oder 
Oxydation von Nucleoproteiden (Nucleosiden und Nucleotiden) 
übrig. Daß das zugeführte Adrenalin etwa die Rolle eines 
oxydativen Ferments spiele, steht im Gegensatz zu allem, 
was wir über die fermentative Leistung des Adrenalins wissen. 
Daß das Phänomen etwa indirekt durch eine vom Adrenalin 
hervorgerufene Leukocytose bedingt ist, möchte ich aus fol- 
gendem Grunde ablehnen: Am Menschen, für den die Adrenalin- 
leukocytose nachgewiesen ist, wirkt, wie oben angeführt, das 
Adrenalin quoad Harnsäure nicht, und am Tier (Kaninchen) ist 
eine nennenswerte Leukocytose nach Imchanitzky?) nicht 
vorhanden. 

Als weiteres Material für eine spätere endgültige Klarstellung 
dieses interessanten Phänomens sei auch nachfolgender Versuch 
angeführt. Man könnte sich vorstellen, daß das Adrenalin nicht 
direkt, sondern durch Vermittelung einer anderen, den Stoff- 
wechsel alterierenden Drüse mit innerer Sekretion wirksam ist, 
z. B. der Schilddrise?). Diese letztere Auffassung widerlegt 
folgender Versuch an einem Hunde, dem 14 Tage zuvor beide 
Schilddrüsen total exstirpiert worden waren. Das Tier bekommt 
die letzte Nahrung am 23. II. früh. Gewicht 7600. 


Versuch 35. 
Gewicht cm N Allant. U Bemerkung 
Normaler Hungertag 7100 290 12,80 0,660 0,12 
1. Versuchstag 7100 620 11,42 0,847 0.16 3mg Adrenalin 


subcutan 
somit typische Adrenalinwirkung am schilddrüsenfreien Tiere. 


Nachdem in der Literatur die Angabe sich findet, daß 
Chlorcalcium die Adrenalin- und Phloridzin-Glykosurie zu hemmen 
imstande ist), mußten auch entsprechende Versuche quoad 


1) Berlin. Med. Diss. 1911. 

2) Ich erinnere an die Mitteilung von L. Asher (Deutsche med. 
Wochenschr. 1916, N. 34) mit Angaben über Förderung der Adrenalin- 
wirkung durch Schilddrüsensekret. 

H Schrank, Maly Jahresber. 1909, S. 1273; Brown, Chem. Centr. 
1904, 2, 141. 


Purinstoffwechsel nach Giften. | 219 


Allantoin resp. Harnsäureausfuhr nach Adrenalin durchgeführt 
werden. 


Versuch 36. 
Hündin. Getrocknetes Pferdefleisch. Kartoffeln. 
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung 


Normaltag 6380 183 7,00 0,375 0,013 
1. Versuchstag 6360 287 6,16 0,463 0,044 3 mg Adrenalin sub- 
2 n 6360 215 8,45 0,431 0,020 cutan. 


Normaltag 6360 256 8,69 0,397 0,032 
3 mg Adrenalin + 1g 
CaCl, subcutan. 


1. Versuchstag 6380 245 8,69 0,489 0,045 
2. ” 6380 298 10,33 0,384 0,050 
Während mein Versuch S. 205 und auch eine Anzahl in der 
Literatur mitgeteilter dem Chlorcalcium eine Hemmungswirkung 
quoad Allantoinausscheidung nachweisen, ergibt sich hier, daß 
das Adrenalin diese Störung zu überwinden imstande ist!). 


r-Adrenalin, 
Um die Differenz der Wirkung, die für l- und d-Adrenalin 
von Abderhalden und Müller?) festgestellt worden ist, auch 
für Allantoin nachzuprüfen, wurde folgender Versuch ausgeführt. 


Versuch 38. 
Hund, Frisches Pferdefleisch und Kartoffeln. 
Datum Gewicht eem N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 7200 315 12,52 0,471 0,03 
nm 7200 363 11,50 0,497 0,01 
1. Versuchstag 7220 553 11,69 0,478 0,05 15 mg d-Suprarenin 
2. n 7260 352 12,22 0,460 — (Höchst) 


1) Eine Bestätigung vorstehender Versuche am Hunde bringt auch 
der Kaninchenversuch 37, der mir nur wegen des am 3. Versuchstage 
eingetretenen Todes des Tieres (Bauchfelltuberkulose) nicht unbedingt 
zuverlässig zu sein scheint. 


Versuch 37. 
Kaninchen. Rübenfutter. 8 
Datum Gewicht com N Alant. U Bemerkung 

1. Normaltag 2700 187 
2 S 2700 126 5,997 0,40 0,02 
8. ” 2700 190 
i oa 2500 1775 #5 028 — 
1. Versuchstag 2400 250 3,318 0,34 0.04 2 mg Adrenalin sub- 
2. n 2300 225 2,797 0,60 ? cutan. 


*) Zeitschr. f. physiol. Chem. 58, 185. 


220 J. Pohl: 


Trotz Darreichung der dreifachen Menge von d-Adrenalin 
gegenüber dem sonst wirksamen l-Adrenalin ist in bezug auf 
Allantoin seine vollkommene Indifferenz hiermit sichergestellt. 

Es wäre von Bedeutung, den Einfluß der Nebennieren- 
rinde auf das beschriebene Adrenalinphänomen kennen zu 
lernen. Da es mir nicht gelang, präparativ Nebennierenrinde 
frei von Mark zu erhalten, die gewonnenen Extrakte deutlich 
blutdrucksteigernd wirkten, so habe ich jenen Bestandteil der 
Nebennierenrinde, der vielfach als Antagonist des Adrenalins 
besprochen wird, das Cholin gleichzeitig mit Adrenalin ge- 
reicht (Versuch 39). 


Versuch 39. 
Pudel. Trockenfutter, Wasser nach Belieben. 
Datum Gew.g cm N Allant. U Bemerkung 


1. Versuchstag 7500 580 4,27 0,8261 0,0327 (Höchst) sub- 
2. ” 7500 595 4,44 0,8275 0,035! cutan. 


Normaltag 7600 603 3,93 0,5482 0,027 (0,1 g Cholin und 
1. Versuchstag 7600 725 3,83 0,6348 gel ge EE 
2. n 7600 1020 3,97 0,2447 0,026| erteilt). 

Die gereichte Cholingabe ist ohne Einfluß auf den Adre- 
nalineffekt. 

In bezug auf ein weiteres innersekretorisches Produkt, das 
Pituglandol resp. Pituitrin sei auf die oben zitierten Ver- 
suche von Fleischmann und Salecker verwiesen. Diese 
Autoren fanden am purinfrei ernährten Tiere eine geringe Ver- 
mehrung des Allantoins, am Hungertier tritt nach einem von 
mir angestellten Versuch dieser Allantoinanstieg nicht mehr ein. 
Esbesteht somit ein Gegensatz zuobigem Adrenalin-Hungerversuch. 

Da in letzter Zeit dem Hypophysensekret hemmende 
Kräfte für andere innersekretorische Drüsen zugesprochen 
werden?), so wurde noch nachfolgender Versuch ausgeführt. 


Normaltag 7600 564 4,16 0,7785 ooa g Cholin 


Versuch 39a. 


Hund. Trockenfutter, Wasser nach Belieben.. 

Datum Gew. g ccm N Allant. P,O, U Bemerkung 
Normaltag 7500 725 3,19 0,553 0,5 Spur 3 mg Adrenalin 
1. Versuchstag 7500 643 3,78 0,524 0,36 0,032] und 3 mg Pitu- 
2. n 7500 761 3,37 0,419 0,80 0,0191 glandol subcut. 


1) J. Pal, Chem. Centralbl. 2, 669, 1916. 





Purinstoffwechsel nach Giften. 221 


Die harnsäuretreibende Wirkung des Adrenalins tritt hier 
unvermindert auf. 

Als wirksamer Bestandteil der Hypophyse wird u. a. das 
ß-Imidazolyläthylamin angenommen, und so führte ich 
such mit diesem Körper zwei Versuche durch. Es ergab sich 
als in der uns hier interessierenden. Stoffwechselrichtung in- 
different resp. nicht sicher wirksam. 


Versuch 40. 

Gelber Hund. Frisches Pferdefleisch und Kartoffeln. 
Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 8080 312 11,38 0,386 0,05 ( 6 mg f-Imidazolyl- 
1. Versuchstag 8100 505 8,92 0,295 0,03 | äthylaminchlorhy- 
2. e 8060 317 6,38 0,372 0,0251 drat subcutan. 

nach 6 Tagen 


1. Versuchstag 8120 250 10,86 0,345 0,0374 äthylaminchlorhy- 
2. » 8140 434 11,28 0,491 0,0178 drat suboutan. 


Schilddrüse. 

Meine Erfahrungen mit diesem Organ seien nachstehend 
geschildert. Versuche über Jodothyrin und Jodothyrin + Na- 
triumnucleinicicum haben bereits Fleischmann und Salecker”) 
angestellt. 


Normaltag 8100 345 10,44 0,402 cl) mg ß-Jmidoazolyl- 


Versuch 41. 
Hund. 150g frisches Pferdefleisch, 100 g Kartoffeln. 
Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkungen 
Normaltag 7500 425 10,05 0,640 0,027 
n 7400 377 10,44 0,634 0,033 


1. Versuchstag 7100 360 13,54 0,583 0,005 14,5 g Schweinsschild- 


drüse per os 


2. y 7200 285 10,41 0,450 0,015 14,5 g Schweinsschild- 
drüse per os 
3. n 7600 300 12,12 0,440 0,040 
4. ” 7580 375 13,63 0,575 0,036 
Versuch 42. | 
Dasselbe Tier wie in Versuch 38, nach 14 Tagen. 
Datum Gewicht om N Alant. U Bemerkung 
Normaltag 7220 235 10,70 0,452 0,023 i 
” 7220 313 10,60 0,460 0,031 
1. Versuchstag 7240 250 10,73 0.356 0,006 1*£ een 
se per 08 
2. n 7000 515 11,32 0,526 0,011 14 g Schweinsschild- 


drüse per 08 
1) L o. 8. 470. 


222 J. Pohl: 


Schilddrüsensubstanz wirkt nach diesen Erfahrungen min- 
dernd auf die Harnsäure- und Allantoinausscheidung; eine Störung 
der Harnsäureoxydation unter Schilddrüsensubstanz findet, wie 
folgende Versuche lehren, selbst dann statt, wenn die Harnsäure 
von außen zugeführt wird. Das Schicksal der injizierten Harn-. 
säure bleibt ein Problem für sich. 


Versuch 43. 


Grauer Hund. 65 g getrocknetes Pferdefleisch, 100 g Kar- 
toffeln. | 


Datum Gewicht ccm N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 8400 246 6,19 0,558 0 
e 8200 297 8,94 0,566 0 
1. Versuchstag 8100 332 8,55 0,685 0,022 0,3 g Na-Urat suboutan 
(65°/ , als All. wiedergef.) 
2. n 7900 341 8,56 0,517 0 (0,3 g Na-Uratsubcutan 
3. 3 7900 387 8,61 0,506 — D 13 g Schweinsschild- 
4. » 7900 256 5,33 0,319 0,003 drüse per oe 
5. n 7900 445 9,66 0,671 0 , i 
6. » 7900 513 9,78 0,603 0 138 Schweinsschild- 
ge per os 
7. j 7900 485 9,02 0,618 0 
Versuch 44. 

Hund mit getrocknetem Pferdefleisch gefüttert. 

Datum Gewicht com N Allant. U Bemerkung 
Normaltag 6700 247 9,39 0,413 0,031 on 
1. Versuchstag 6640 226 8,70 0,531 0,014 1? 8 Sohweinsschild- 

rüse per 08 
2. n 6700 203 8,57 0,464 0,026 f 14g Schilddrüse per 
3. » 6700 215 8,52 0,299 ap) + 0,3 g Na-Urat- 
subcutan 
4. e 6700 175 8,10 0,455 0,028 
b. e 6720 189 8,78 0,460 0,030 
Normaltag 6700 240 7,94 0,465 0 
1. Versuchstag 6700 269 7,88 0,606 0,014 0,3 g Na-Urat subcutan 
a n 6600 196 7,04 0,433 0,016 (7% /o *IsAll. ausgesch.) 


Überblicken wir die Resultate vorstehender Versuche, so 
stützen sie die Erkenntnis, daß sich der Stickstoff-Stoffwechsel, - 
der Eiweißkörperumsatz in zwei voneinander unabhängigen 
Formen bewegt. Änderung jener Umsetzungen, deren End- 
produkt die Gesamtstickstoffsteigerung, die Harnstoffbildung ist, 
sind leicht hervorrufbar. Hingegen ist der Nucleoproteinstoff- 


Purinstoffwechsel nach Giften. 223 


wechsel, wie er sich durch Harnsäure resp. Allantoinbestimmung 
messen läßt, äußerst schwer erregbar, fast stabil zu nennen, 
Gegenüber der großen Reihe negativ verlaufender Versuche 
seien zum Schluß die positiv ausgefallenen angeführt: Arsenik 
(Versuch 7), Blei (Versuch 10), Cyannatrium (Versuch 14), 
Brombenzol (Versuch 16, 17), Morphin (Versuch 21), Colchicin 
(Versuch 23), Adrenalin (Versuch 24, 25, 26, 32, 33, 34, 35, 
36, 39). | 

Die harnsäuremindernde Kraft verfütterter Schilddrüsen 
bedarf noch weiterer Analyse. 

Dabei sind die Resultate gewiß keine abschließenden; 
vielfach konnte ich nur einen Versuch durchführen: Wieder- 
holung dieser, allerdings recht zeitraubenden Versuche wäre 
nur erwünscht. 

Für die Mitwirkung an den Versuchen in analytischer 
Richtung bin ich Frl. Dr. M. Rawicz zu großem Danke ver- 
pflichtet. 


Quantitative Bestimmung der Acetonkörper im Harı. 


Von 
Emil Lenk. 


(Eingegangen am 11. Oktober 1916.) 


I. 


Aceton und Acetessigsäure. 


Unter bestimmten Bedingungen treten Acetonkörper im 
Harn auf. Unter dieser Bezeichnung fassen wir 3 Substanzen 
zusammen: 

Aceton . . . . . . . CH,¿+CO-CH, 

Acetessigsäure . . . . CH, : CO - CH, -COOH 
und 

ß-Oxybuttersäure. . . CH, - CH(OH).CH, -COOH 
Als Muttersubstanzen sind nach neueren Anschauungen die 
Fettsáuren anzusehen, aus denen die Acetonkórper bei unge- 
nügender Kohlenhydratverbrennung entstehen. 

Aus dem Zuckermangel erklären sich alle Formen der 
Ketonurie: Beim Hunger, bei Verengerung der Speiseröhre, bei 
Krankheiten mit hohem Fieber usw.; vor allem aber bei der 
Zuckerharnruhr und hier besonders dann, wenn der Organismus 
sämtliche Kohlenhydrate der Nahrung ungenutzt ausscheidet 
und selbst der aus Eiweiß entstandene Zucker den Körper 
unverbraucht verläßt. Deshalb läßt sich die nicht-diabe- 
tische Ketonurie durch Kohlenhydratzufuhr steuern‘); beim 
Diabetiker ist dies jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten 
verbunden; jedenfalls ist die Ketonurie der Vorbote für das 
Coma diabeticum. 

Es erscheint deshalb von großer Wichtigkeit, die täglich 


1) von Noorden: Die Zuckerkrankheit. 5. Aufl. 1910. S. 133. 


E. Lenk: Bestimmung der Acetonkórper im Harn. 225 


ausgeschiedene Menge der Acetonkörper kennen zu lernen. So 
hat Messinger!) die Liebensche Jodoformprobe?) zu einer 
quantitativen Bestimmung des Acetons ausgearbeitet. Dieselbe 
beruht darauf, daß das Aceton des Harndestillates durch eine 
alkalisch gemachte Jodlösung in Jodoform verwandelt und das 
überschüssige Jod nach dem Ansäuern mit Thiosulfat zurück- 
titriert wird: 

2 KOH + 2 J =H,0 + KJ + KOJ 

CH, : CO - CH, + 3 KOJ =— CH, -CO - CJ, + 3 KOH 

CH, : CO - CJ} +- KOH = CH, - COOK + CHJ, | 
Bei dieser Methode wird auch das beim Destillieren des Harns 
aus der Acetessigsäure entstandene Aceton mitbestimmt (prae- 
formiertes + abgespaltenes Aceton). Die beste Beschreibung 
dieser Methode findet sich bei Neuberg?). 

Seit längerer Zeit sind bereits Methoden bekannt geworden, 
nach denen man Aceton und Acetessigsäure derart getrennt 
bestimmen kann, daß man zuerst das Gesamtaceton (präfor- 
miertes + abgespaltenes), dann das präformierte feststellt 
und aus der Differenz die Acetessigsäuremenge berechnet. So 
hat Folin*) nach Versuchen von Schwarz’) und Wald- 
vogel*) eine später von Stuart Hart’) verbesserte Methode 
angegeben, die auf der leichteren Flüchtigkeit des Acetons bei 
niederer Temperatur beruht, bei welcher die Acetessigsäure 
noch nicht in Aceton und Kohlensäure zerfällt. Auf der- 
selben Grundlage basiert die Methode von Embden und 
Schliep?). 

Bei all diesen Bestimmungen ist aber eine Destillation des 
Harns unerläßlich, weil auch im normalen Harn jodbindende, aber 
nicht flüchtige Substanzen vorkommen. Es ist auch ausgeschlossen, 
eine quantitative Trennung des Acetons und der Acetessigsäure 


1) J. Messinger: Ber. d. chem. Ges. 21, 3366, 1888. 

7) A. Lieben: Ann. d Chem. u. Pharm. 7, Suppl. 236, 1870. 

3) C. Neuberg: Der Harn 1, 302ff., 1911. 

4) O. Folin: Journ. of biol. Chem. 3, 177, 1907. 

5) L. Schwarz: Arch. f. experim. Path. u. Pharmakol. 40, 168, 1897. 
DR Waldvogel: Die Acetonkörper. Stuttgart 1903. 

7) P. Stuart Hart: Journ. of biol. Chem. 4, 473 u. 477, 1908. 
DO Embden u. L. Schliep: Centralbl. f. d. ges. Physiol. u. Path. 


des Stoffwechsels (N.F.) 2, 250 u. 289, 1907. 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 15 


226 E. Lenk: 


nach der oben erwähnten Weise zu erzielen. Ich habe es mir 
zur Aufgabe gemacht, zur Bestimmung des Acetons und der 
Acetessigsäure die Destillation des Harns dadurch zu umgehen, 
daß die jodbindenden, nicht Aceton liefernden Substanzen zer- 
stört werden. Vor allem mußte besonders darauf Rücksicht 
genommen werden, daß auch der Traubenzucker, der ein fast 
steter Begleiter der Ketonkörper ist, leicht in Substanzen von 
Ketoncharakter zerfällt. 

Die normal jodbindenden Harn-Substanzen plus dem Trau- 
benzucker wurden auf die verschiedenste Weise zu zerstören 
versucht. Am besten hat sich das Kaliumpermanganat in 
saurer Lösung bewährt,‘ welches die erwähnten Harnsubstanzen 
in nicht mehr jodbindende umwandelt. — 

Als Säure wurde zuerst Schwefelsäure genommen. Die 
Methode war derart, daß Harn, der jeweils verschiedene Mengen 
Traubenzucker enthielt, mit Permanganat in schwefelsaurer 
Lösung unter Rückflußkühlung gekocht, dann Oxalsáure bis 
zur Entfärbung zugegeben wurde. Schließlich wurde die er- 
kaltete Lösung alkalisch gemacht, die Mangansalze abfiltriert 
und das Filtrat mit */ ¿-Jodlósung versetzt; nach einer Viertel- 
stunde wurde nach dem Ansäuern das ausgeschiedene Jod mit 
Thiosulfat zurücktitriert. Niemals war bei entsprechender Menge 
von Permanganat Jod verbraucht worden. 

Mithin schien die Acetonbestimmung direkt im Harn ausführ- 
bar, weil Aceton von Permanganat nicht oder nur schwer ange- 
griffen, ja oft mit Permanganat in einer Acetonlösung gearbeitet 
wird!) Es stellte sich jedoch heraus, daß die Acetessigsáure 
dabei zwar in Aceton glatt übergeht, daß aber das Aceton 
selbst, beim Erhitzen der schwefelsauren Lösung zerstört wird, 
mag man die Schwefelsäure auch noch so verdünnt nehmen. 
Das Aceton wird dabei zum Teil in Mesitylen umgewandelt. 
Deshalb wurden die verschiedensten Säuren auf ihre Eigen- 
schaft untersucht mit Permanganat: 1. die jodbindenden im 
normalen Harn vorkommenden Substanzen + dem Trauben- 
zucker zu zerstören, und 2. das Aceton intakt zu lassen. Am 
besten hat sich die Essigsäure bewährt. 


1) Lassar-Cohn: Arbeitsmethoden für org.-chem. Laboratorien, 
Spez. Teil 1049, 1907. 


Bestimmung der Acetonkörper im Harn. 227 


tl 


Dabei konnte eine eigenartige Beobachtung gemacht 
werden, die für die Trennung der beiden beschriebenen Aceton- 
körper von großer Wichtigkeit ist. Während im allgemeinen 
Säuren und Laugen die Acetessigsáure in Aceton und Kohlen- 
säure spalten (Ketonspaitung) und nur alkoholische Kalilauge 
einen Zerfall der Acctessigsáure in Essigsäure bewirkt (Säure- 
«paltung), vermag das Permanganat in essigsaurer Lösung die 
Säurespaltung auszulösen. Diese Tatsache wird näher unter- 
sucht und in kurzer Zeit darüber berichtet werden. 

Zur Darstellung der Acetessigsäure wurde der entsprechende Äthyl- 
ester in der Kälte mit Natronlauge verseift, die Lösung mit Kohlensäure 
gesättigt, der Ester mit Äther entfernt und die Lösung des acetessig- 
sauren Natriums mit verdünnter Schwefelsäure neutralisiert. — Das 
Aceton wurde zur Reinigung über Permanganat destilliert. 

Die Trennung der Acetessigsiure vom Aceton wird nun 
folgendermaßen ausgeführt: Beim Kochen der Lösung der 
beiden Acetonkörper mit Oxalsáure wird die Acetessigsäure in 
Aceton übergeführt (Gesamtaceton), beim Kochen mit Essig- 
säure bleibt das Aceton unberührt, während die Acetessigsäure 
in das Acetat der ß-Oxycrotonsäure übergeht. 


Kochen mit 





Oxalsäure 
CH, OO. CH, COOH — > CH, CO. CH, + CO, 
Kochen mit 0.00. CH, 


Essigsäure 

CH, :CO - CH, - COOH —————> CH, : C = CH . COOH 
Das Acetat der P-Oxycrotonsáure gibt nicht mehr die gewöhn- 
lichen Acetessigsáurereaktionen, spaltet sich aber bei Gegenwart 
von Permanganat höchstwahrscheinlich an der Stelle der Doppel- 
bindung auf. — Wird die Untersuchung mit Harn ausgeführt, 
so werden die normal vorkommenden jodbindenden Substanzen, 
sowie der Traubenzucker durch das Permanganat zerstört, das 
Aceton jedoch intakt gelassen. Der gebildete Braunstein wird 
sodann mit Oxalsáure entfärbt, die Mangansalze werden mit 
Natronlauge gefällt und abfiltriert. Im Filtrat wird das Aceton 
nach der üblichen Methode als Jodoform bestimmt. Die Ent- 
fernung der Mangansalze hat sich als nötig erwiesen, weil sie 
ebenfalls Jod binden; die Natronlauge, die zur Fällung dient, 
darf nicht zu konzentriert sein. 

Praktisch wird diese Methode folgendermaßen ausgeführt: 

15* 


228 E. Lenk: 


I. Bestimmung des präformierten Acetons. 


10 ccm Harn werden in einem 250 cem fassenden Erlen- 
meyerkolben mit 1 ccm konzentrierter Essigsäure, 50 ccm 2/,- 
Permanganatlösung und zur Verhütung des Stoßens mit etwas 
Bimsstein versetzt. Die Lösung wird bei Anwendung von guter 
Rückflußkühlung (Schlangenkihler) 20 Minuten im Sieden 
erhalten, sodann die Flamme entfernt, Oxalsäure bis zur Lösung 
des Braunsteins zugesetzt, indem man die Oxalsäure durch den 
Rückflußkühler eingießt. Unter Kohlensäureentwicklung löst 
sich der Braunstein rasch auf. Der Erlenmeyerkolben wird 
in einem Behälter mit kaltem Wasser abgekühlt, wobei 
man jedoch den Kolben an dem Rückflußkühler beläßt. Nach 
dem Erkalten der Lösung wird der Kolben vom Rückflußkühler 
entfernt, Stopfen (Gummi) und Kühler mit destilliertem Wasser 
gespült und die Lösung mit ca. 20 ccm einer 20%/,igen Natron- 
lauge bis zur deutlichen alkalischen Reaktion versetzt. Nach 
dem raschen Absitzen wird das ausgefallene Manganhydroxyd 
mit Hilfe eines Faltenfilters abfiltriert, das Filtrat mit 20 ccm 
(bzw. mehr) einer "/ ,-Jodlósung versetzt. Nach 10 Minuten 
wird mit Salzsäure vorsichtig angesäuert und das überschüssige 
Jod mit 2/,,-Natriumthiosulfatlósung, zuletzt unter Zugabe von 
etwas Stärkelösung zurücktitriert. 


II. Gesamtaceton. 


10 ccm Harn werden mit 5 ccm ?/ ¿-Oxalsáurelósung 10 Mi- 
nuten unter guter Rückflußkühlung gekocht, sodann mit 1 ccm 
konzentrierter Essigsäure, 50 ccm "/ -Permanganatlösung ver- 
setzt, indem man die Lösungen durch den Rückflußkühler ein- 
gießt. Weiter wird wie bei der Bestimmung des präformierten 
Acetons verfahren. 

Die 50 ccm ”/,-Permanganatlósung, die zur Oxydation 
von 10 ccm Harn dienen, sind so berechnet, daß sie bis zu 
einer Anwesenheit von 2,5%/, Traubenzucker genügen. Bei 
Mehrgehalt des Harns an Zucker usw. muß die Permanganat- 
menge entsprechend erhöht werden. Jedenfalls darf die mit 
Permanganat gekochte Lösung nicht völlig entfärbt werden, 
d.h. die Lösung muß noch freies Permanganat enthalten. Ist 


Bestimmung der Acetonkörper im Harn. 229 


dies nicht der Fall, so muß Permanganat, bis zur in der Hitze 
deutlich bleibenden Violettfärbung, durch den Rückflußkühler 
zugesetzt werden. Es wurde angenommen, was auch Versuche 
wiederholt bestätigten, daß 1 Molekül Permanganat in essigsaurer 
Lösung 3 Atome Sauerstoff abgibt. 

1 ccm verbrauchtes al, „Jod entspricht 0,000967 g Aceton. 

Noch einfacher und ebenso genau gestaltet sich 
die Methode, wenn man statt 10 ccm 1 ccm Harn zur 
Analyse benutzt. Von den verwendeten Lösungen 
wird dabei natürlich nur der zehnte Teil genommen. 
Die Jodlósung und die Thiosulfatlósung sind ”',, 
oder besser Blat 

Zum Schlusse sei den Herren cand. chem. Fritz Roß- 
teutscher und cand. chem Walther Hahn für ihre Mithilfe 
bestens gedankt. 








Beleganalysen. 
Tabelle I. 
Aceton. 
| Vorgelegt o Gefunden o 
ccm | g g | o 0 





a) Verfahren wie bei der Bestimmung des präformierten Acetons. 


1 0,000078 0,000076 97,43 
OoOo 0.000078 0,000075 96,15 
10 0,00078 0,00078 98,59 
10 0.000 78 0.000 76 | 97.43 
1 0.000 78 0.000 76 97.43 
10 0.0078 0,0080 102,56 
10 Ä 0,0078 0,0078 100,00 
1 0,078 0,076 | 9748 
10 | 0,78 0,75 96,15 
Lo: 0,78 0,74 987 
b) Verfahren wie bei der Gesamtacetonbestimmung. 
1 0,000078 0,000074 94,87 
10 0,00078 0,00076 97.43 
1 0.000778 0,000 78 100.00 
10 0.0078 0,0072 92,30 
1 0,0078 0,0073 | 93/59 
10 0,078 0,076 | 97,48 
oOo | 0,078 0,079 | 10128 
10 0,78 0,74 94,87 
1 0,78 0,77 | 0872 


230 E. Lenk: Bestimmung der Acetonkörper im Harn. 


Tabelle II. 


Acetessigsäure: 





Vorgelegt Gefunden 


ccm g g vi 





a) Verfahren wie bei der Bestimmung des präformierten Acetons. 


1 0,0002 0 | 0 
10 0,002 0 | 0 
1 0,002 0 | 0 
10 0,02 0 | 0 
1 0,2 0 | 0 
10 1 0 | 0 


b) Verfahren wie bei der Bestimmung des Gesamtacetons, in Acetessig- 
säure umgerechnet. 


1 0,0002 0,00017 85 
10 0,002 0,0019 95 
1 0,0002 0,00021 100,5 
10 0.004 0,0038 95 
1 0.004 0.0038 95 
1 0.006 0.0057 95 
10 0.006 0.0058 96,7 
1 0.00002 0.000019 95 
10 0,008 0.0082 100,25 
1 0.01 0.0096 | 96 
10 0.01 0.0098 | 98 
1 01 0,1004 100,4 
10 01 0,1008 100,8 
1 0.00001 0.00001 | 100 


Tabelle III. 


Aceton + Aocetessigsäure im EE Harn 















Vorgelegt Gefunden 


Aceton >. Acetessigsäure 









































g 288 g | 
1 | 0,02 |0,000078| 0,00001 | 0,000075 | 96,15 | 0,00001 |100 
10 | 02 |0,00078 | 0,0001 [0,00076 | 97,43 0,0001 i100 
I! 0.02 !0,00078 | 0,00002 | 0,00076 | 97,43 | 0,000019 | 95 
10 | 02 10.0078 | 0.0002 [0,0079 [101,28|0/00021 |100,5 
1 | 0,05 |0,00078 | 0,004 Loan | 98,72 0,0038 | 95 
10 | 05 lo0078 | 004 [000077 | 98,72 0,0039 | 97,5 
1 | 0,05 |0,00078 | 0,1 0,00074 | 94,87 0,098 98 
10 | 05 ¡0,0078 | 1,0 0,0076 | 97,43; 0,998 99,8 
1 | 004 |0078 nm |0079 101,28 | 0,0078 | 97,5 
10 | 04 10,78 008 {0770 987210076 | 95 


Bemerkungen zu der von Gad-Andresen beschriebenen 
„neuen“ Methode zur Bestimmung von Kohlenoxyd 
im Blute?). 


Von 
N. Zuntz. 


(Eingegangen am 27. Oktober 1916.) 


Die Methode ist in ihren Grundzügen nicht neu, vielmehr 
bereits in dieser Zeitschrift 11, 47ff. von mir im Verein mit 
J. Plesch beschrieben worden. Wir gingen damals von den 
Erfahrungen aus, die auch Herr Gad-Andresen in bezug auf 
die Methode von Haldane gemacht hat. Es gelang auch uns 
nicht, nach der Haldaneschen Methode exakte Resultate zu 
bekommen. Offenbar hängt die Genauigkeit dieser Methode von 
Eigenschaften des Auges ab, die nicht allzu verbreitet sind. 
Ich habe mich selbst bei Gelegenheit eines Zusammenarbeitens 
mit Douglas (Teneriffa-Expedition) überzeugt, daß dieser im 
Gegensatz zu mir sehr gute Resultate erhielt. 

Als Herr Plesch und ich unsere Methode ausarbeiteten, 
waren die Verfeinerungen, die Barcroft inzwischen an seiner 
Methode angebracht hat, speziell die Verwendung des sehr 
empfindlichen Nelkenöles als Manometerflüssigkeit noch nicht 
bekannt. Wir hielten uns außerdem an das Ammoniak zum 
Lackigmachen des Blutes gebunden, da wir den Eindruck 
hatten, daß Natronlauge unter Umständen tiefgreifendere Zer- 
setzungen bewirkt. Diese Gefahr vermeidet Gad-Andresen 
dadurch, daß er die Wirkung der Natronlauge mit Saponin- 
lösung unterstützt. Bei unserem Verfahren, das an der ange- 
gebenen Stelle nachgelesen werden möge, ist ja das Ammoniak 
bei der Verbrennung vollkommen ausgeschlossen, weil wir die 


D Diese Zeitschr. 74, 357. 


232 N. Zuntz: Bemerkungen. 


Zerstörung der Blutkörperchen in einem besonderen Behälter 
vornehmen, aus dem dann nur das entwickelte Gas unter 
Zwischenschaltung einer Schwefelsäurepipette zur Absorption 
des Ammoniaks in den Verbrennungsapparat eingeleitet wird. 
Die von Gad-Andresen befürchte Verbrennung von Ammo- 
niakdampf wird durch diese Maßregel ausgeschlossen. Ander- 
seits haben wir nachgewiesen, daß beim Glühen etwas Stick- 
stoff der Luft verbrennt. Dieser Fehler wirkt bei unserer An- 
ordnung nicht auf das Resultat, weil ja in beiden Birnen das 
Glühen gleich stark und gleich lang erfolgt. Wir haben uns 
durch besondere Versuche überzeugt, daß Glühen der Luft 
allein, ohne daß brennbares Kohlenoxyd darin vorhanden ist, 
den Stand der Manometer nicht verändert. 

Insofern erscheint unsere Methode nicht ganz so voll- 
kommen wie die von Gad-Andresen, als wir beim Versuch 
nicht zugleich die Absorptionsfähigkeit des Blutes für Sauer- 
stoff bestimmen. Wir haben aber diese stets in einem beson- 
deren Versuch ermittelt, indem wir eine Portion des Blutes 
vollständig mit Kohlenoxyd sättigten, dann dieses austrieben 
und zur Verbrennung brachten und so die gesamte Kohlen- 
oxydkapazität des Blutes ermittelten. 

Die Resultate, die mit unserer Methode beim Menschen 
gewonnen wurden, sind in der Abhandlung von Plesch: „Hä- 
modynamische Studien“ t) klinisch verwertet. 


Nachschrift; 


Durch die Freundlichkeit des Herrn Geheimrat Zuntz mit 
obenstehender Notiz bekannt gemacht, bedauere ich sehr, die 
betreffende Abhandlung von Zuntz und Plesch übersehen zu 
haben und gestehe bereitwilligst zu, daß die Priorität für die 
Kombination der Barcroftschen Blutgasbestimmung mit Ver- 
brennung des Kohlenoxyds den genannten Autoren unbedingt zu- 


komme. 
R. L. Gad-Andresen. 


1) Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 6, 380. 


Hornalbumose als teilweiser Ersatz von Fleischeiweiß 
beim Hunde. 


Von 
Carl Neuberg. 


Die im folgenden mitgeteilten Versuche sind vor 10 Jahren 
ausgeführt; ihre Veröffentlichung ist damals unterblieben, da 
das angestrebte Ziel eines vollständigen Ersatzes von Nahrungs- 
eiweiß durch schwach hydrolysiertes Horn nicht erreicht wer- 
den konnte. 

Durch den praktisch so bedeutsamen Vorschlag von 
N. Zuntz'), den Leim durch Zugabe der ihm fehlenden Eiweiß- 
bausteine in Form von Hornsubstanz zu ergänzen und so dieses 
unvollständige Protein zu einem in ernährungsphysiologischer 
Hinsicht vollwertigen Futtereiweiß zu machen, hat jeder Bei- 
trag zur Frage nach der Ausnützbarkeit von Horn Interesse 
erlangt. 

Die verwendete Hornalbumose war folgendermaßen, zum 
Teil fabrikmäßig, gewonnen. Äußerst fein zerkleinertes käuf- 
liches Hornmehl wurde unter mechanischer Rührung in die 
10fache Menge 40° warmer 40°/ iger Schwefelsäure eingetragen. 
Der erhaltene gleichmäßige Brei wurde dann im Brutschrank 
aufbewahrt, bis fast vollständige Lösung erfolgt wär. Dann 
wurde ohne Rücksicht auf noch vorhandene feste Partikel die 
Schwefelsäure unter Kühlung mit Barytwasser ausgefállt. Der 
entstandene Niederschlag von Bariumsulfat entfärbte zugleich 
die tiefbraune Flüssigkeit. Das neutralisierte Gemisch wurde 
dann aufgekocht, worauf das Bariumsulfat leicht filtrierbar 
wurde. Der zurückgebliebene Niederschlag wurde wieder in 


1) N. Zuntz, Ersatzfuttermittel. Nachrichten aus dem Klub der 
Landwirte 1916, Nr. 597. 


234 C. Neuberg: 


heißem Wasser suspendiert, abfiltriert und gründlich aus- 
gewaschen. Die vereinigten klaren Filtrate, die von Spuren 
in Lösung befindlichen Bariums durch H,SO, befreit werden 
müssen, wurden dann. im Vakuum eingeengt und mit Alkohol 
gefällt. Der erhaltene Niederschlag wird abfiltriert, ausgewaschen 
und nach dem Trocknen abermals in Wasser gelöst und mit 
Alkohol wieder ausgefállt. Bei richtig gelungener Ausführung 
bildet die Hornalbumose ein gelbes, sandiges-Pulver, das nicht 
hygroskopisch und völlig luftbeständig ist. Sie löst sich in 
Wasser mit schwach saurer Reaktion und zeigt alle Farben- 
reaktionen des ursprünglichen Keratins; der Stickstoffgehalt 
war = 15,33]. 

Obgleich in der Hornsubstanz alle wichtigen Aminosäuren 
als Bausteine vertreten sind — vielleicht mit Ausnahme des 
Tryptophans, das nicht als Spaltprodukt isoliert, sondern nur 
mittels Farbenreaktionen nachgewiesen ist, und des Phenyl- 
alanins, das nicht aus sämtlichen Hornsorten abgeschieden werden 
konnte!) —, gelang es, wie erwähnt, selbst bei Zulage von 
Tryptophan und Phenylalanin nicht, mit reichlichen Mengen des 
Gemisches sowie mit Speck beim Hunde Stickstoffgleichgewicht 
zu erzielen. Nach den Versuchen?) von O. Loewy, V. Hen- 
riques und C. Hansen sowie von E. Abderhalden und 
seinen Mitarbeitern ist es aber möglich, sogar mit vollständig 
abgebautem Eiweiß, sowohl mit enzymatisch verdautem als 
durch Säurehydrolyse zerlegtem, Tiere zu ernähren und im 
Stickstoffgleichgewicht zu erhalten. Der Mißerfolg mit den 
Keratinalbumosen kann auch nicht der chemischen Zusammen- 
setzung des Gemisches, einem Mangel an bestimmten Bau- 
steinen, zur Last gelegt werden, sondern er hat einen äußer- 
lichen Grund: die Unverträglichkeit der Albumose infolge ihrer 
Durchfall erregenden Wirkung. 

Der Stoffwechselversuch zeigt dementsprechend, daß bei 


— — 





1) Nach E. Fischer und Th. Dörpinghaus (Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 36, 462, 1902) findet sich Phenylalanin reichlich unter den hydro- 
Jytischen Spaltungsprodukten des Rinderhorns; nach E. Abderhalden 
und H G. Wells (ebenda 46, 91, 1905) ist es nicht mit Sicherheit aus 
Pferdehaaren darstellbar. 

2) Literatur siehe bei O. v. Fürth, Probleme der phvsiol. u. pathol. 
Chem. 2, S. 63 u. ff. 


Hornalbumose als teilweiser Ersatz von Fleischeiweiß beim Hunde. 235 


teilweisem Ersatz von Nahrungseiweiß (Pferdefleisch) durch 
. Hornalbumose nicht nur Stickstoffgleichgewicht, sondern auch 
eine allerdings mäßige Gewichtszunahme erreicht werden kann. 
Rund 30°/, des dargereichten Stickstoffs konnten als Horn- 
albumose verabfolgt werden. Dieser Wert stellt die Grenze 
dar, die durch die abführende, im allgemeinen Albumosen- 
charakter gelegene Wirkung gezogen war. 

Das Keratin, das durch den VerhornungsprozeB aus den 
EiweiBkórpern des Tierleibes hervorgeht und das gewisser- 
maßen die Merkmale eines Exkrets besitzt, ist wegen seiner 
Unlöslichkeit in den Verdauungssäften für Ernährungszwecke 
ungeeignet. Nur die Motte und verwandte Tiere sind imstande, 
Hornsubstanz auszunutzen. Wenn aber durch eine Vorbehand- 
lung die zufällige Unangreifbarkeit des Keratins beseitigt und 
dasselbe den Stoffwechselfermenten zugänglich gemacht ist, 
kann auch das Horn wieder in den Kreis der Nährstoffe zu- 
rückkehren. 

Die 

Versuche 

ergaben, soweit sie mit Hornalbumose als alleiniger Stickstofi- 
quelle angestellt worden waren, nur Mißerfolge. Ein Versuchs- 
tier verweigerte das Futter, ein aus angebratenem Speck, 
Stärke und Albumose bestehendes Gemisch, auch nach Würzung 
mit Salz und Fleischextrakt. Ein anderer Hund nahm das- 
selbe, bekam aber nach kurzer Zeit Durchfälle, die auch durch 
gleichzeitige Verabfolgung von Tannin nicht gestillt werden 
konnten. 

Die Versuche gliederten sich, wie üblich, in eine Vor- 
periode, Hauptperiode und Nachperiode. Angeführt sei ein 
gut gelungener Versuch, bei dem rund ?/,, des Nahrungs- 
stickstoffs durch Hornalbumose ersetzt werden konnten. 

Zu den Versuchen diente eine Hündin, deren Anfangs- 
gewicht 9,93 kg betrug. Die tägliche Nahrung des Tieres in 
der Vorperiode bestand aus: 

BO g Speck . . . . (N-Gehalt = 0,202%/,) = 0,101 g N, 
280 g Pferdefleisch . ( » = 3,400%/,) = 9,520 g N, 
insgesamt 9,621 g N. 

Zur 24stündigen Nahrung wurden 2 g Kochsalz gefügt. Das 

Tier erbielt täglich nach Belieben frisches Wasser. 


236 C. Neuberg: 


Wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich ist, befand sich 
die Hündin bei dieser Nahrung angenähert im Stickstoffgleich- 
gewicht. Das Tier war für derartige Versuche besonders des- 
halb geeignet, weil es in der erwähnten Weise ohne Darreichung 
von Kohlenhydraten ernährt werden konnte und gegen die 
abführende Wirkung der Albumose unempfindlich war. 

In der Hauptperiode hatte die tägliche Nahrung folgende 
Zusammensetzung: 


50 g Speck. . . . (N-Gehalt = 0,202°/,) = 0,101 g N, 
190 g Pferdefleisch .( » == 3,400%/,) = 6,460 g N, 
20 g Hornalbumose ( » — 15,330%/,) = 3,066 g N, 


insgesamt 9,627 g N. 


Die Darreichung dieser Nahrung gelang am besten, wenn 
die Hornalbumose mit dem gehackten Pferdefleisch innig ge- 
mischt und zu einem deutschen Beefsteak geformt war, das 
mit dem verabfolgten Speck leicht angebraten wurde. 

In der Nachperiode hatte die tágliche Nahrung wieder 
dieselbe Zusammensetzung wie im Zeitraum des Vorversuchs. 

Aus den tabellarischen Übersichten ergibt sich, daß die 
N-Bilanz, die in der Vorperiode ein ganz geringes Defizit auf- 
wies, in der Hauptperiode positiv wurde, und diese positive 
Bilanz blieb auch in der Nachperiode bestehen. Den mit- 
geteilten Daten ist zugleich zu entnehmen, daß durch die 
Zugabe von Hornalbumose keine Verschlechterung in der 
Resorption des verabfolgten Gesamtnahrungsstickstofís einge- 
treten ist. 







Urin 


Menge IN-Gehalt 


Faeces 








Menge N-Gehalt 











ccm g 

Vorperiode: 
1. Tag - — =- -— - 
2. n 9,621 -— — 310 8,862 
S. » 9,621 24,5 0,928 325 9,735 

(mit Knochenasche 

und Kieselgur) 
4. » 9,621 5,8 0,273 420 9,380 
A. D 9,2 
6. y 12,3 
Er 939 | 

| 


Hornalbumose als teilweiser Ersatz von Fleischeiweiß beim Hunde. 



































Hauptperiode: 
8. Tag 9,88 9,627 — 360 
H » 9,93 9,627 ; 0,737 200 
(mit Knochenasche 
und Kieselgur) 

10. » 9,91 9,627 BE — 210 
11. a 10,10 9,527 11,8 0,634 285 
12. » 10,12 9,627 12,6 0,923 215 
13. e 10,10 9,627 — =- 170 
14. » 10,26 9,627 12,0 1,112 185 
15. n 10,21 9,627 — — 295 
16. » 10,18 9,627 — — 225 
on 12,6 0,702 190 










Insgesamt | 4,108 
Nachperiode: 
18. Tag 20,6 225 
(mit Knochenasche 
und Kieselgur) 
19. » — 270 
20. » — 205 
21. » 11,5 185 
22. » 5,9 235 
23. » — 
24. » 6,3 










237 


8,924 
10,011 


8,940 
9,036 
8,920 
8,890 
8,865 
9,100 
9,062 
9,140 





| 90,888 





Über den Verlauf der alkoholischen Gärung 
bei alkalischer Reaktion. I. 


Zellfreie Gärung in alkalischen Lösungen. 
Von 
Carl Neuberg und Eduard Färber. 


(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie, 
Chemische Abteilung, in Berlin-Dahlem.) 


Die Vergärung der Brenztraubensäure durch das Enzym 
Carboxylase, die verschiedenartigen Beziehungen dieses Fer- 
ments zu dem Gesamtkomplex der Zymase und nicht am 
wenigsten die glatte Bildung von Kohlendioxyd und Äthyl- 
alkohol (über primär entstandenen Acetaldehyd) beim Zerfall 
der Brenztraubensäure weisen eindringlich darauf hin, daß unter 
den 3-Kohlenstoffverbindungen die Stoffe zu suchen sind, an 
denen sich der wirklich charakteristische Gärungsvorgang ab- 
spielt. Dieser besteht eben in letzter Linie in der Zerreißung 
der Kohlenstofikette unter gleichzeitiger Bildung je eines Kör- 
pers der 1- und der 2-Kohlenstoffreihe. Diese späten Phasen 
des Gäraktes können als weitgehend geklärt gelten; der Fest- 
stellung harren noch die früheren Abbaustufen. Wie wieder- 
holt auseinandergesetzt worden ist, bleibt es für das eigentliche 
Gärungsproblem gleichgültig, ob die Zucker der 3-Kohlenstofi- 
reihe, der Glycerinaldehyd und das Dioxyaceton, an sich gären, 
oder ob sie zuvor erst in Hexosen zurückverwandelt werden 
müssen. Eine vorübergehende Entstehung der Hexosediphos- 
phorsäure besagt ebenfalls für diesen Teil der Gärungsfrage 
nichts, sondern stellt noch eine neue Komplikation des Vor- 
ganges dar, solange die Vorfragen nicht geklärt sind, welche Ver- 
bindung nach Loslösung der beiden Phosphorsäuremoleküle 
eigentlich zerfällt, und ob denn überhaupt bei einer normalen 
Gärung — mit lebender Hefe — stets der Zuckerphosphorsäure- 
ester entsteht, dessen Bildung doch nur bei ungewöhnlich hohen 
Phosphatkonzentrationen und unter unnatürlichen Bedingungen 


C. Neuberg u. E. Färber: Verl. d. alkohol. Gärung bei alkal. Rk. I. 239 


beobachtet werden konnte. Ganz hiermit in Übereinstimmung 
ließe sich weiter gegen die Bedeutung des Hexosephosphates als 
zwangsläufiger Zwischenphase anführen, daß es von lebender 
Hefe weder gespalten noch vergoren werden kann. 

Wenn es auch nicht erforderlich erscheinen mag, jedes 
Zwischenprodukt der alkoholischen Gärung in Substanz zu 
fassen, so sind doch alle Versuche nach dieser Richtung hin 
wünschenswert, da jedes positive Ergebnis naturgemäß einen 
wesentlichen Fortschritt bedeutet. Zwei Wege erscheinen gang- 
bar, um zu intermediären Gliedern des Zuckerabbaus zu ge- 
langen. Erstens kann man versuchen, durch entsprechende 
Zusätze ein Zwischenprodukt zu binden und es so der nor- 
malen weiteren Umwandlung zu entziehen. Zweitens besteht 
die Möglichkeit, durch geeignete Veränderungen der Reaktion 
die Bildung neuer, ihrer Herkunft nach eindeutiger Umwand- 
lungsprodukte zu erzwingen. 

Da in der Stufenfolge der Zuckerabbauprodukte bis zur 
Brenztraubensäure herab alle Glieder wahrscheinlich Gebilde 
mit sehr reaktionsfähigen Carbonylgruppen darstellen dürften, 
so ist bei der ähnlichen Struktur des Ausgangsmaterials (Aldose 
oder Ketose) von vornherein die Aussicht gering, Reagenzien 
zu finden, die nur die Abbauerzeugnisse abfangen, ohne schon 
durch Bindung an das Ausgangsprodukt dessen Vergärung zu 
verhindern. Aus diesem Grunde kommen z. B. Substanzen wie 
Hydroxylamin oder Hydrazinbasen usw. nicht in Betracht). 

Auf dem zweiten genannten Wege eröffnen sich etwa die 
beiden Möglichkeiten, die Reaktion des Gärguts durch Säuren 
oder durch Alkalien zu verändern. Die erste von ihnen ist 
dadurch begrenzt, daß die Zymase nur bis zu einer gewissen, 
nicht sehr verschiebbaren Aciditätshöhe ihre Wirkung ausübt. 
Zwar tritt alkoholische Gärung noch bei Zusatz größerer Mengen 
bestimmter natürlicher Pflanzensäuren (wie Milchsäure, Äpfel- 


1) A. Fernbach und M. Schoen (Compt. rend. de l’Aoad. 157, 
1478, 1913) haben angegeben, daß sich durch Zusatz von Calciumcarbonat 
die intermediär entstehende Brenztraubensäure bei der Vergärung von 
Zucker durch Champagnehefe in größeren Mengen abfangen ließe. Leider 
ist uns eine Verwirklichung dieses Versuches mit deutschen Hefen bisher 
nicht gelungen, und jene Behauptung muß zunächst auch befremdlich 
erscheinen, da Calciumpyruvinat erstens löslich und zweitens selbst wei- 
ter vergärbar ist. 


240 C. Neuberg und E. Färber: 


säure, Brenztraubensäure u. dgl.) ein. Aber hierbei handelt es 
sich offenbar um eine Anpassung der Hefen, die somit den 
normalen Ablauf des Gäraktes gewährleisten wird. 
Aussichtsreicher erschienen die Versuche, die Vergärung 
in alkalischer Lösung sich abspielen zu lassen, und 
zwar aus mehreren Gründen. Gerade unter dem Einflusse von 
Alkalien vollziehen sich jene eigentümlichen Übergänge von 
Zuckern der 6-Kohlenstoffreihe zu Substanzen mit drei Kohlen- 
stoffatomen in Moleküle. Die Umwandlung der Hexosen in 
Milchsäure, Acetol und Methylglyoxal gehören hierher. Für 
- den Vorgang der Methylglyoxalbildung aus den Zuckerarten 
haben C. Neuberg und W. Oertel!) sowie C. Neuberg und 
B. Rewald?) in eingehenden Vorstudien zu der Frage des Zucker- 
umsatzes in alkalischen Lösungen zeigen können, daß hierzu 
keineswegs die Einwirkung starken Alkalis nötig ist, sondern 
daß schon schwächer alkalisch reagierende Substanzen, wie die 
Phosphate, Borate, Sulfite, Bicarbonate und Carbonate der Al- 
kalien ausreichen. Ein Schritt weiter nach dieser Richtung 
geschah durch die Feststellung?), daß die Zymase gegen alka- 
lisch reagierende Substanzen ersichtlich beständiger ist, als man 
früher angenommen hatte. So zeigte der eine von uns?), daß 
z. B. Hefemacerationssäfte eine viertelstündige Digestion mit der 
Hälfte ihres Volumens an al, ROU bei 37° vertragen, ohne daß 
die darin enthaltene Zymase oder Carboxylase wesentlich be- 
einträchtigt werden; auch ein Zusatz von organischen Basen, wie 
z. B. von Pyridin, erwies sich in beträchtlicher Höhe als móglich?). 
Ganz gelegentlich und zu anderen Zwecken sind wohl auch 
sonst alkalische Zusätze bei Gärungen vorgenommen worden. So 
erwähnt Th. Bokorny‘), daß ein Zusatz von 0,1 bis 0,5%/, Natron- 
lauge (das entspricht einer Konzentration der Mischung von 0,025 
bis 0,125 molekular) die Gärung schädige; ähnliche Angaben 
machen Ch. Knoesel’) und W. Henneberg’). E. Buchner 
und H. Haehn’) zeigten, daß eine hinreichende Alkalimenge 


3 1) C. Neuberg und W. Oertel, diese Zeitschr. 55, 495, 1913. 
*) C. Neuberg und B. Rewald, diese Zeitschr. 71, 144, 1915. 
2 C. Neuberg, diese Zeitschr. 71, 51 u. 57, 1915. 
*) Th. Bokorny, angeführt nach Hägglund, zit. s. S. 241. 
5) Ch. Knoesel, Chem. Centr. 1902, I, 884 u. 1065. 
6) W. Henneberg, Chem. Centr. 1906, II, 1777. 
7) E. Buchner und H. Haehn, diese Zeitschr. 19, 203, 1909. 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 241 


das Koferment der Zymase zerstört, und fanden dement- 
sprechend für Hefepreßsaft bei einem Gehalte von 0,85°/, Ka- 
liumcarbonat (= 0,06 m) noch unveránderte Gárkraft, die bei 
1,7°/, (50,12 m) und 2,5°/, (= 0,18 m) Kaliumcarbonat dagegen 
nicht entfernt mehr die normale Höhe erreicht. Wie wir im 
folgenden zeigen werden, läßt sich auch mit so starken und 
noch größeren Konzentrationen an Kaliumcarbonat vollständige 
Vergärung erzielen. Das gelingt, wenn man das Alkali nicht 
von vornherein zugibt, sondern erst nach dem Beginne der Gä- 
rung. Die Beachtung dieses Umstandes, der der Aufmerksamkeit 
der früheren Beobachter entgangen ist, hat sich von ausschlag- 
gebender Wichtigkeit erwiesen. E. Hägglund!), der die Zucker- 
gärung durch lebende Hefe in Gegenwart von Natronlauge und 
Kaliumcarbonat untersuchte, hat nur ganz niedrige Konzentra- 
tionen der Basen angewendet, im Höchstfalle 0,048 n. Dabei 
fand er eine zunächst sehr erhebliche Verzögerung der Gärung, 
nach 120 Stunden aber, am Ende des Versuches, keinen wesent- 
lichen Unterschied in der gespaltenen Gesamtzuckermenge, da 
die Alkoholausbeute praktisch die normale war. 

‚Diese bisher vorliegenden Angaben sind, wieauch Hägglund 
(1. c.) betont, außerordentlich spärlich, und ihre Erweiterung 
erscheint wünschenswert nicht nur von den einleitend erwähnten 
Gesichtspunkten aus, sondern auch zur Klärung der Frage, in 
welchem Umfange überhaupt die Gärung in alkalischen Lösungen 
möglich ist. Denn bisher gilt es als ausgemacht und 
als eine Grundregel des praktischen Brennerei- und 
Brauereibetriebes, daß die Hefe nur bei saurer Reaktion 
richtig wirkt; das Optimum der Acidität liegt bei einer Wasser- 
stoffionenkonzentration von 4.107% bis 2-107*. 

Das Streben der Hefe nach einem sauren Milieu 
geht sogar so weit, daß sie sich nach den Feststellungen von 
Liiers*) eine natürliche Acidität schafft, die ungefähr einer 
Wasserstoffionennormalität von 1,86-1073 entspricht. Dabei 
kann die Acidität während einer 160stündigen Gärdauer auf 
das etwa 550fache des Anfangswertes steigen! Diese sich 
hiermit offenbarende, recht beträchtliche normale Säurebildung 


1) E. Hägglund, Sammi. chem. u. chem.-techn. Vortr. Bd. 21, 
Sonderabdruck, 1914; dort auch die Literatur. 

2) Liers, Zeitschr. f. d. Ges. Brauw. 37, 79, 1914; Chem. Centr. 
1914, I, 1101. 


Biochemische Zeitschrift Band 78. 16 


949 C. Neuberg und E. Färber: 


vollzieht die Hefe nach Lúers auf Kosten des vorhandenen 
gärfähigen Zuckers. 

Falls nun diese Säureproduktion der Hefe mit der Tätigkeit 
der Zymase, d. h. mit dem Zuckerabbau, ursächlich verknüpft 
ist, so kann man von dem Zusatz alkalisch reagierender 
Stoffe eine Einwirkung auf den Gárakt erwarten, die 
etwa dem Einflusse vergleichbar wáre, den die Entfernung eines 
Reaktionsproduktes auf den Ablauf einer Umsetzung auszuüben 
vermag. In dem hier vorliegenden besonderen Falle eines bio- 
logischen Vorganges muß man natürlich damit rechnen, daß 
die anwendbare Hydroxylionenkonzentration eine gewisse Stärke 
nicht überschreiten darf. 

Die Bestimmung dieser Grenzen der anwendbaren 
Alkalikonzentration war erforderlich, bevor wir an die 
eigentliche Aufgabe herantreten konnten, etwaige Änderungen 
im Verlaufe der Gärung unter dem Einflusse der Alkalien fest- 
zustellen. Zu diesem Zwecke prüften wir die Einwirkung ver- 
schiedenartiger alkalisch reagierender Stoffe und ihre Wirkung 

‚bei wechselnden Konzentrationen. Die Verwendung von stär- 
keren Ätzlaugen war — abgesehen von ihrer Giftigkeit für die 
lebenden Hefezellen — deswegen überflüssig, weil ja im Ver- 
laufe der Gärung durch die entwickelte Kohlensäure Carbonate 
entstehen müssen, Wir wählten diejenigen alkalisch rea- 
gierenden Stoffe, die auch die vorerwähnte chemische 
Umwandlung der Hexosen in Methylglyoxal zuwege 
bringen, nämlich 'Carbonat bzw. Bicarbonat, Borat, Sulfit 
und dreibasisches Phosphat*). Diese Substanzen sollen nach- 
stehend als Alkalisatoren bezeichnet werden. Sie wurden in 
Form folgender Salze angewendet: Kalium- und Natrium- 
carbonat, Trikaliumphosphat, Kalium- und Natrium- 
sulfit und Kaliummetaborat. Um zunächst die Beein- 
flussung der lebenden Substanz auszuschließen, haben wir die 
Alkalisatoren auf rein enzymatische Gäransätze ein- 
wirken lassen, auf Macerationssäfte von Trockenhefen ver- 
schiedenen Alters, die mit Rohrzucker, Traubenzucker und 
gelegentlich auch Fruchtzucker versetzt waren. 


1) Wir benutzten letzteres und nicht das gleichfalls alkalisch, rea- 
gierende Dialkaliphosphat, da dieses ja bekanntlich ganz andere Wir- 
kungen entfaltet. 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 243 


Á 


Uneere anfangs einander widersprechenden Ergebnisse fanden 
ihre Erklärung, als wir erkannten, daB der Zeitpunkt des 
Alkalisatorzusatzes von wesentlicher Bedeutung für 
den Vorgang ist. Es besteht ein erheblicher Unterschied im 
Verhalten der von vornherein gleichzeitig mit Zucker und Al- 
kalisator versetzten Zymaselósungen und dem Verhalten solcher 
Proben, die erst nach Beginn der normalen Gärung mit den 
alkalischen Substanzen beschickt wurden. Durchgehends wird, 
wenn die Hefemacerationssäfte mit Zucker und sofort 
mit Alkalisator versetzt werden, weit weniger von 
letzteren vertragen, als wenn die Zugabe erst nach dem 
Einsetzen der deutlichen Kohlensäureentwicklung ge- 
schieht. Letztere tritt nun bekanntlich bei den Macerationssäften 
nicht unmittelbar, sondern nach einer Einwirkungsdauer ein, die 
mit der Natur der Hefe schwankt und wohl unter anderen von 
der vorhandenen Menge Enzyms und Koferments abhängt. 

Die drei untersuchten Zucker verhalten sich nach dieser 
Richtung gleich. Dabei ist es bemerkenswert, daß der Rohr- 
zucker überhauptin den alkalischen Lösungen vergoren 
wird. Dieser Umstand besagt zugleich, daß — wohl auch ent- 
gegen theoretischen Voraussetzungen — die Invertase trotz 
der erheblichen Konzentration an Hydroxylionen in 
Wirksamkeit tritt. 

Das durchaus verschiedene Verhalten der nicht angegorenen 
und der vorbehandelten Hefesäfte ist nicht durch das vor- 
erwähnte Bestreben der Hefe bedingt, sich eine gewisse Eigen- 
acidität zu schaffen; denn die verwendeten Mengen Alkali sind 
zu groß und die Inkubationszeiten zu kurz, als daß jener natür- 
liche Ausgleich eintreten könnte. 

Einen wichtigen Anhalt für einen Erklärungsversuch wird 
folgende Erscheinung gewähren können. Versetzt man den ge- 
zuckerten, noch nicht gärenden Macerationssaft mit der gärungs- 
hemmenden Alkalisatormenge — sie liegt (siehe die Tabellen 
S. 257, 258 u. 259) bei einem Gehalte der Gäransätze, der rund 
einer 0,1 molekularen Lösung entspricht —, so entsteht ein 
Niederschlag, der sich in Form eines weißen bis gelblichen 
schweren Pulvers ziemlich schnell zu Boden senkt. In den 
angegorenen Säften bleibt dieser Niederschlag selbst bei den 
hier vertragenen viel höheren Alkalisatorkonzentrationen (siehe 

16* 


244 C. Neuberg und E. Färber: 


Tabellen S. 257 bis 259), z. B. 0,2 bis 0,3 m, aus oder tritt 
nur schwach auf, wenn man sich dem Hemmungswerte des 
Alkalisators nähert. Die Menge des Niederschlags hängt von 
der Höhe des Alkalisatorzusatzes ab. Ist er groß genug und 
demnach der Niederschlag reichlich, so unterbleibt jede Gärung; 
genügt er nicht zu einer Fällung von bestimmter Stärke, so tritt 
mehr oder minder kräftige Gärung ein. Das Gesagte trifft für 
die Alkalisatoren Natrium- und Kaliumcarbonat, Trikalium- 
phosphat sowie Kaliummetaborat zu. Bei den Sulfiten liegen 
die Verhältnisse bezüglich der Inkubationszeit, die den Saft 
auch hier gegen höhere Konzentrationen an schwefligsaurem 
Salz widerstandsfähig macht, ganz ebenso; die anwendbaren 
Mengen von Sulfit sind geringer und zur Bildung eines 
entsprechenden Niederschlages kommt es nicht, sondern erst 
bei hohem, den Hemmungswert weit übersteigendem Sulfit- 
gehalte entsteht eine geringe krystallinische Ausscheidung. 
Der durch Pottasche oder Soda erzeugte Niederschlag be- 
steht hauptsächlich aus Ammonium-Magnesiumphosphat und 
Calciumphosphat. Calcium- und Magnesiumsalze gehen als Be- 
standteile der Hefezellen natürlich in den Macerationssaft über; 
das Ammoniak entstammt Ammoniumsalzen, die wohl größten- 
teils erst bei der Bereitung des Saftes durch eine Autolyse 
entstehen. 

Läßt man also vor Zusatz der genannten Alkalisatoren 
zum gezuckerten Saft eine gewisse Zeit verstreichen, so gehen 
offenbar die bei sofortiger Zugabe niedergeschlagenen Salze in 
einen nicht mehr fällbaren Zustand über. Nun kennt man 
wohl eine nicht direkt fällbare Form, in die Phosphate bei der 
Gärung verwandelt werden können und die nach Harden und 
Young für den Eintritt der Gärung von wesentlicher Bedeu- 
tung ist: die Hexosediphosphorsäure; ihr Calcium- und Magne- 
siumsalz ist in der Tat verhältnismäßig löslich. Dennoch ist 
es nicht wahrscheinlich, daß eine Bildung von Hexosediphos- 
phorsäure und eine Behinderung ihrer Entstehung bei früh- 
zeitigem Alkalisatorzusatz von erheblicher Bedeutung für die 
beschriebenen Erscheinungen sind. Zunächst einmal kann nám- 
lich das auf Zusatz von Alkalisatoren ausfallende Phosphat- 
gemisch nur einen kleinen Teil der vorhandenen Phosphationen 
aus der Lösung entfernen, da nach der Analyse (s. S. 250 u. 251) 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 245 


die Menge des vorhandenen Calciums und Alagnesiums viel zu 
gering im Vergleich mit der PO,-Quantitát ist. Dann ist zu 
beachten, daß bei Sulfitzusätzen ja überhaupt keine Phosphat- 
fällungen erzeugt werden. Fügt man schließlich den Gärungs- 
ansätzen neue Phosphationen hinzu — entweder durch die Zu- 
gabe von Trikaliumphosphat zum gezuckerten Safte oder in Form 
von Monokaliumphosphat in den Fällen, wo von vornherein 
Kaliumcarbonat in der gärungshemmenden Konzentration an- 
gewendet worden war —, so bleibt die Gärung trotzdem weiter 
aus. Ebensowenig vermag der nachträgliche Zusatz von reinem 
hexosediphosphorsaurem Kalium oder Calcium zu erreichen, was 
die Angärung zuwege bringt. Dagegen kann durch Zugabe von 
freier Phosphorsäure oder Milchsäure zu dem vom Niederschlage 
der Phosphate getrübten oder auch davon abfiltrierten Gemische 
des gezuckerten Saftes mit Alkalisator die Gärung wieder ent- 
facht werden, selbst dann, wenn rechnungsmäßig noch so viel 
Kaliumcarbonat unneutralisiert bleibt, als in den nicht ange- 
gorenen Säften die Gärung verhindert. 

Daraus folgt, daß der Zusatz von alkalisch reagie- 
renden Stoffen die Gärung in doppelter Weise beein- 
flußt. Einmal handelt es sich um eine allgemeine 
Gärungshemmung, die von der OH-Ionenkonzentration 
abhängt. Dieses Verhalten ist ohne weiteres verständ- 
lich. Daneben besteht aber eine Einwirkung des Al- 
kalis auf die Vorgänge, die sich bei der Gärung vor 
dem Beginn des Freiwerdens von Kohlendioxyd ab- 
spielen. Diese vorbereitenden Stufen des Zuckerzer- 
falls unterliegen, wenn sie einmal eingeleitet sind, 
keiner Beeinträchtigung durch den nachträglichen 
Zusatz der gleichen, sonst hemmenden Alkalimenge. 
Diese Erscheinung, derzufolge angegorene Ansätze viel höhere 
OH-Ionenkonzentrationen ertragen, kann zunächst nur fest- 
gestellt, aber nicht erklärt werden. 

Um den Einfluß der Alkalisatoren auf die Gärung zahlen- 
mäßig zu belegen, haben wir die Menge des entwickelten Kohlen- 
dioxyds ermittelt, obwohl diesem Verfahren unzweifelhaft gerade 
wegen der Gegenwart alkalischer Stoffe Mängel anhaften. Aber 
für Vergleichszwecke schien die Methode doch die brauchbarste 
zu sein, und jede andere begegnet ebenfalls berechtigten Ein- 


246 C. Neuberg und E. Färber: 


wánden: Gegen eine polarimetrische Verfolgung der Vorgánge 
z. B. spricht schon das Bedenken, daß sich die Drehung der 
Zucker in der alkalischen Lösung ändern kann. Einer Be- 
stimmung aus dem gebildeten Alkohol steht die Tatsache ent- 
gegen, daß der quantitative Verlauf der alkoholischen Gärung 
in alkalischer Lösung eine Verschiebung erfährt, worüber in 
einer späteren Abhandlung berichtet werden soll. Eine rein 
chemische Zerstörung des Zuckers brauchten wir nicht zu be- 
rücksichtigen, da die Alkalimengen immerhin so niedrig sind, 
daß sie in dieser Richtung bei der eingehaltenen Temperatur 
(Zimmertemperatur) und innerhalb der Versuchsdauer kaum 
wirken dürften; vielmehr beruhen, wie später ausführlich ge- 
zeigt werden wird, die eintretenden Abänderungen der Gärungs- 
produkte auf einer spezifischen Wandlung in den Leistungen 
der Hefe bei alkalischem Medium. Sie bestehen in einer ver- 
minderten Produktion von Alkohol, einer vermehrten 
Erzeugung von Aldehyd, in einer sehr beträchtlichen 
Steigerung der Glycerinmenge und in der Bildung eines 
neuen alkoholischen Gärproduktes aus der 3-Koblen- 
stoffreihe, des Trimethylenglykols. 

Die eingehaltene Anordnung der Versuche war im großen 
und ganzen die folgende: In einer gemessenen Menge von 
Hefesaft wurde der betreffende Zucker gelöst und der zu 
prüfende Alkalisator in Form einer Lösung bestimmten Ge- 
haltes hinzugefügt. Zum Vergleich diente eine ebenso stark 
gezuckerte Saftprobe, die in dem der Alkalisatormenge ent- 
sprechenden Verhältnis mit Wasser verdünnt war. Dabei war 
immer durch besonders reichliche Zugaben von Toluol, nämlich 
von 10°/,, dem Eintritt von Fäulnis wirksam vorgebeugt. Die 
Selbstgärung war bei den von uns verwendeten Macerations- 
säften in Übereinstimmung mit früheren Erfahrungen!) stets 
völlig oder praktisch gleich Null. Die Messungen des gebildeten 
Kohlendioxyds geschahen alle in Eudiometern über Quecksilber. 
Die Kohlensäureentwickelung war nach 3 Tagen beendet; die 
Versuche wurden dann abgebrochen. Die in Gegenwart der 
Alkalisatoren freigewordenen Kohlensäuremengen waren, wie zu 
erwarten stand, geringer als bei den reinen Zuckerlösungen. 


1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 51, 139, 1913 und 71, 96, 1915. 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 247 


Wieviel Kohlendioxyd durch den vorhandenen Alkalisator ge- 
bunden wird, läßt sich schwer in genaue Rechnung stellen, und 
bei zellfreier Gärung bleibt auch trotz völligen Verschwindens des 
Zuckers in den (ohne alkalischen Zusatz) normal vergorenen 
Proben die entwickelte Kohlensäuremenge bekanntlich aus ver- 
schiedenen Gründen hinter der theoretischen zurück. Der vor- 
her erwähnte Niederschlag, den man in den Röhren über dem 
Quecksilber schweben sieht, darf nicht verwechselt werden mit 
jener Ausscheidung, die auch bei gewöhnlichen Hefesaftgärungen 
nach längerer Zeit auftritt. 

Bei den Ansätzen mit voraufgegangener Angärung ließen 
wir den frisch gezuckerten Saft bei Zimmertemperatur stehen, 
bis eine deutliche regelmäßige Kohlensäureentwicklung auftrat. 
Davon wurde dann eine bestimmte Menge schnell abpipettiert 
und mit der Alkalisatorlösung sowie mit Toluol versetzt. Diese 
vorbehandelten Säfte bleiben dann bis zu relativ hohen Kon- 
zentrationen der Alkalisatoren völlig klar. 

Bei der Hauptgruppe der Alkalisatoren, der mit Ausnahme 
der Sulfite alle genannten angehören, liegen — mit gewissen 
physiologischen Schwankungen natürlich — die gärungshemmen- 
den Konzentrationen ziemlich regelmäßig bei einem Gehalte 
des Gärgutes von 0,1 bis 0,2 m, wenn keine Vorgärung erfolgt 
war; die angegorenen Säfte vertrugen dagegen Alkalisatormengen 
bis zu einem Gehalte der Mischung von 0,25 bis 0,3 m, in 
einigen Fällen auch 0,35 m. Damit ist die Durchführung des 
Gäraktes bei Alkalinitäten erreicht, deren Stärke den höchsten 
früher versuchten, aber als völlig gärungshemmend befundenen 
Wert erheblich übersteigt. 

Benuzt man dagegen die neutralen schwefligsauren Salze 
der Alkalien als Alkalisatoren, so liegt die vertragene Konzen- 
trationsgrenze weit niedriger, nämlich für die nicht angegorenen 
Säfte zwischen 0,01 “und 0,02 m, bei vorbehandelten zwischen 
0,04 und 0,05 m-Sulfit. Ein spezifischer Einfluß der Alkalisulfite 
zeigt sich also hierin wie auch in dem schon oben erwähnten 
Ausbleiben einer Fällung in den Säften. 

Zur Beurteilung dieser Verhältnisse, über die weiter zu be- 
richten wir uns vorbehalten möchten, ist der Umstand wichtig, daB 
während und am Schlusse der Gärungen die Reaktion gegen Lack- 
mus alkalisch ist und der Zucker vollständig umgesetzt werden kann. 


248 C. Neuberg und E. Färber: 


Somit läßt sich zeigen, daß zellfreie alkoholische 
Gärung in recht stark alkalischen Lösungen möglich 
ist. Für die Vergärung alkalischer Zuckerlösungen 
durch lebende Hefen liegen, wie wir schon jetzt er- 
wähnen wollen, die Verhältnisse prinzipiell ebenso. 


Experimentelles, 


Alle Versuche wurden bei einer um 20° herum liegenden 
Zimmertemperatur ausgeführt und erstreckten sich auf 72 Stunden. 

Die Macerationssäfte wurden aus verschiedenen Proben von 
Trockenhefe hergestellt, die den Jahren 1914 bis 1916 ent- 
stammten. Die Säfte wurden stets frisch, am häufigsten aus 
100 g Trockenhefe, durch 2*/ stündige Digestion mit dem drei- 
fachen Volumen Wasser bei 37° und nachherige Filtration be- 
reitet. Mit den so erhaltenen Säften wurden immer mehrere 
Versuche gleichzeitig angestellt. 

Eine solche Versuchsreihe gestaltete sich z. B. folgender- 
maßen bei Anwendung von Kaliumcarbonat: 

5.0 g reinster feingepulverter Traubenzucker wurden im 
Saft auf 90,0 ccm rasch gelöst; 5 mal je 9,0 ccm dieser Lösung 
wurden dann sofort abpipettiert und in Eudiometerröhren ge- 
geben, die mit Quecksilber so weit gefüllt waren, daß noch 
etwa 12 ccm freiblieben. Nun wurde unter Schütteln je 1,0 ccm 
folgender Flüssigkeiten hinzugegeben: In Rohr 1: Wasser; in 2: 
1 m-Kaliumcarbonat; in 3: 2 m-K,CO,; in 4: 3 m-K,CO, und 
in 5: 4m-K,CO,. Nach Zugabe von 1,0 ccm Toluol wurden 
darauf die Röhren mit Quecksilber vollständig aufgefüllt und 
mit der Mündung unter Quecksilber umgekehrt befestigt. 

Die verbliebenen 45 ccm des gezuckerten Saftes wurden 
bei Zimmertemperatur belassen, bis eine regelmäßige Bläschen- 
entwicklung begann. In vier wie oben mit Quecksilber beschickte 
Eudiometer wurden dann rasch je 9,0 ccm der gärenden Mischung 
gegeben und nunmehr entsprechend hinzugefügt je 1,0 ccm der 
Kaliumcarbonatlösungen von folgenden Konzentrationen: 6. 1 m- 
K,CO,; 7. 2 m-K,CO,; 8. 3 m-K,CO, und 9. 4 m-K,CO,. Die 
weitere Behandlung geschah wie bei den ersten Róhren: Zugabe von 
Toluol, Auffüllen mit Quecksilber und Einbringen unter dieses. 

Die Gärungen verliefen somit bei einem Unterdruck, der 
am Anfang natürlich am größten war; von?/, bis 1/, Atmosphäre 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 249 


stieg der Druck bei fortschreitender Gärung bis auf etwa 50 bis 
100 mm unter Luftdruck. Am Schlusse der Gärung wurde das 
Bestehen einer alkalischen Reaktion gegen Lackmus festgestellt, 
in einigen Fällen auch während der Gärung an einem mit ein- 
geführten Streifchen Reagenzpapier. Das Gärgut nahm meist eine 
dunkelgelbe Farbe an. Bei keinem der Ansätze beobachteten wir 
eine Graublaufärbung, wie sie von Buchner und Haehn bei 
Zusatz von Kaliumcarbonat zum Hefepreßsaft festgestellt ist?). 
Diese Verfärbung (Eisensulfid?) beruht wohl auf zufälligen Bestand- 
teilen der Hefen; wir sahen sie gelegentlich bei ähnlichen Ver- 
suchen mit bestimmten lebenden Hefen auftreten. 

Nach drei Tagen war die Kohlensäureentwicklung in den 
gärenden Proben beendet. Der Stand des Flüssigkeitsmeniskus 
wurde markiert, die Höhe der Quecksilbersäule gemessen, nach 
vorsichtiger Entleerung des Quecksilbers die Saftmischung auf- 
bewahrt und das angezeichnete Volumen durch Eingießen von 
Wasser ausgewertet. Im folgenden werden nur die auf den 
Normalzustand bezogenen Volumina der Kohlensäure ange- 
geben. Für die Umrechnung wurde der Wasserdampfdruck 
halb so groß wie der von reinem Wasser angesetzt. Die hieraus 
entspringenden Fehler sind unvermeidlich, da der Dampfdruck 
solcher toluolhaltigen Saftmischungen natürlich nicht bekannt 
ist; sie dürften aber für das Endresultat ganz belanglos sein. 

Die aus den Eudiometern entleerten Mischungen wurden 
mit Essigsäure angesáuert, auf dem Wasserbade erhitzt und 
nach der Filtration von den koagulierten Eiweißstoffen mit 
Mercuriacetat versetzt, um noch gelöste stickstoffhaltige Sub- 
stanzen zu entfernen, welche die Zuckerproben stören. Der 
Überschuß des Quecksilbersalzes wurde durch Schwefelwasser- 
stoff und dieser durch Erwärmen auf dem Wasserbade entfernt. 
Nunmehr konnte mit Fehlingscher Lösung geprüft werden. 

Mit diesem Verfahren gelingt es, den störenden Einfluß zu 
beseitigen, welchen die durch proteolytische Vorgänge aus dem 
Hefeeiweiß erzeugten stickstoffhaltigen Spaltungsprodukte auf 
die Ausscheidung des Kupferoxyduls sonst?) ausüben. Daß 
essigsaures Quecksilberoxyd ein besonders gutes Fällungsmittel 


1) Diese Zeitschr. 19, 191, 1909. 
2) Siehe Buchner, Zymasegärung, S. 211 und 212. 


250 C. Neuberg und E. Färber: 


für Eiweißabbauprodukte darstellt, wurde früher gezeigt*), und 
dieser Umstand ist seither vielfach zur Reinigung von Zucker- 
lösungen benutzt worden. Im vorliegenden Fall erprobten wir 
die Brauchbarkeit durch folgende Kontrollversuche: 

Proben verschiedener Macerationssáfte zu je 10,0 ccm 
wurden unter Zusatz von Toluol einer 3tägigen Selbstverdauung 
bei 37° überlassen. Die in der angegebenen Weise mit Essig- 
säure aufgekochten, filtrierten, dann mit Mercuriacetat gefällten 
und wieder entquecksilberten Flüssigkeiten zeigten nach Kon- 
zentration auf 10 ccm kein Reduktionsvermögen. Solches trat 
sofort äußerst stark ein, wenn 0,005 g Traubenzucker zugesetzt 
waren. Den auf Zugabe von Fehlingscher Mischung und etwas 
Lauge in der Kälte entstehenden flockigen Niederschlag (Hefen- 
gummi?) filtriert man zweckmäßig vorher ab. Jedenfalls ge- 
lingt es so sehr scharf, eine Zuckermenge nachzuweisen, die 
den */¡pp Teil der bei den Gärungsansätzen ursprünglich vor- 
handenen beträgt. 


I. Untersuchung der Macerationssäfte. 


a) Analyse. 
Der Macerationssaft aus Trockenhefe vom Juli 1916 vom 
spezifischen Gewichte 1,050 zeigte (nach der Kjeldahl-Methode 
ermittelt) einen Gehalt von 1,40 9/, N. 


1,051 g Saft gaben ein Destillat, das 10,5 cem */,,-H,S0, 
verbrauchte (= 0,0147 g N). 


E. Buchner sowie A. Harden fanden für HefepreBsaft 
recht ähnliche Werte °). 

Wegen der S. 244 erörterten Beziehungen zwischen den 
durch Alkalisatoren erzeugten Niederschlägen und den vorhan- 
denen Mengen an Calcium-, Magnesium- und Phosphationen 
wurden diese Bestandteile des Saftes ebenfalls bestimmt: 


Direkt fällbares Phosphat: 
(Fällung mit Magnesiamischung in der Kälte und Reinigung 
des Niederschlags über die Molybdänverbindung.) 
1. 10,471 g Saft geben 0,1733 g Mg,P,O.. 
2. 10,500 g Saft geben 0,1748 g Mg,P,O.. 
PA: 1. 1,06 %/,; 2. 1,06 Die 
1) C.Neuberg, diese Zeitschr. 24, 429, 1910; 87, 142, 1911; ferner 


Neuberg „Der Harn“, Handb. S. 328, 331 u. 333. 
2) Zymasegärung, S. 75; Chem. Centralbl. 1906. I. 257. 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 251 


Gesamt-Phosphate: 
Nach Zerstörung der organischen Substanz geben 10,600 g 
Saft 0,1855 g Mg,P,O.. 
10,18%. 
E. Buchner und H. Haehn') geben für den P,O,-Gehalt 
der Hefesäfte um 1,0 °/, schwankende Zahlen an. 


Calcium und Magnesium: 
10,500 g Saft geben 0,0122 g CaO und 0,0275 g Mg,P,O. 
Ca — 0,09 %/,, Mg = 0,06 DA 


b) Untersuchungen auf Selbstgärung. 

9,0 cem der Säfte wurden mit 1,0 ccm Wasser und 1,0 ccm 
Toluol 72 Stunden in Eudiometern über Quecksilber aufbewahrt. 
Die entwickelte Kohlensäuremenge betrug nur Bruchteile von 
Kubikzentimetern oder war völlig Null. 


c) Vergärung von Zuckern. 

9,0 ccm der Macerationssäfte, die je 0,5 g des Zuckers ent- 
hielten, wurden nach Zusatz von 1,0 ccm Wasser und 1,0 ccm 
Toluol drei Tage lang in Eudiometern belassen. 











| 
Hefe vom Zucker | EEN 

gef. | ber 
A IN Rohrzucker 102,4 | 131,2 
ege: UE os Traubenzucker 1003 | 1247 
Januar 3910 = A e Traubenzucker 101,6 124,7 
sanuar ADS + ur E Fruchtzucker | 109,2 124,7 
JOOST ION ¿aaa Ze AN Rohrzucker | 108,0 131,2 
MATE TITO u aa Traubenzucker 108,5 124,7 
SÉ EK 7 8 AE ER Traubenzucker | 111,0 124,7 


Am Ende der Gárungen war kein Zucker mehr vorhanden. 
Die Säfte aus Hefen jüngeren Datums entwickelten etwas mehr 
Kohlensäure als die aus älteren; doch blieb auch bei jenen der 
gemessene Wert hinter dem berechneten um mehr als 10°/, 
zurück. In allen als Stichproben untersuchten Fällen war hier 
wie im folgenden das gebildete Gas durch Kalilauge restlos 
absorbierbar, also reines Kohlendioxyd. 

Die Säfte dieser Hefen, die demnach eine gute Gärkraft 
aufwiesen, dienten zu den nachstehend beschriebenen Versuchen 
mit Alkalisatoren-Zusätzen. 





1) Diese Zeitschrift 27, 421, 1910. 


252 C. Neuberg und E. Färber: 


II. Vergärung von Zucker durch Macerationssäfte bei 
Gegenwart von Kaliumearbonat. 


A. Nichtangegorene gezuckerte Säfte. 


1. Konzentration desK,CO, in der Mischung: 0,08 m. 


9,0 ccm eines Saftes aus Hefe vom Juli 1916, die 0,5 g 
reinen Traubenzucker enthielten, wurden mit 1,0 ccm 0,8 m- 
K,CO, - Lösung und 1,0 ccm Toluol versetzt. Allmählich trat 
eine deutliche Trübung ein. Nach etwa 1*/, Stunden begann 
die Kohlendioxydentwicklung. Ein Streifchen roter Lackmus- 
papier, das mit der Mischung in das Rohr gegeben worden 
war, blieb schwach blau. Insgesamt wurden nach vollständiger 
Umsetzung des Zuckers in 3 Tagen 95,0 cem Kohlendioxyd 
entwickelt. Auch die vergorene Mischung reagierte deutlich 
alkalisch. 


2. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,10 m. 


a) 9,0 ccm desselben Saftes mit dem gleichen Gehalte von 
0,5 g Traubenzucker gaben bei Hinzufügung von 1,0 ccm 
1 m-Kaliumcarbonatlósung und 1,0 ccm Toluol stärkere Trü- 
bung, dann einen allmählich sich absetzenden Niederschlag. Es 
trat keine Vergärung ein, und Zucker war beim Abbrechen des 
Versuches nach 72 Stunden reichlich vorhanden. Die Reaktion 
blieb ständig alkalisch. 

b) undc) Aus Hefe vom März 1916 hergestellter Saft ent- 
wickelte ebenso wie ein solcher aus Hefe vom Januar 1915 
unter im übrigen genau den gleichen Bedingungen wie eben 
übereinstimmend 88,0 cem CO,. 

d) Bei Anwendung von Hefe vom April 1914 und Ver- 
wendung von 0,5 g Rohrzucker in 9,0 ccm das Saftes wurden 
98,3 com CO, erhalten. Zucker war am Schlusse in keinem 
dieser Fälle durch Fehlingsche Lösung nachweisbar, auch nicht 
im Rohrzuckerversuch, weder unmittelbar, noch nach voran- 
gegangener Behandlung mit kochender Salzsäure. 


3. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,15 m. 


a) 9,0 ccm eines aus Hefe vom März 1916 hergestellten 
Saftes, die 0,5 g Traubenzucker enthielten, wurden mit 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 253 


1,0 ccm 1,5 m-K,CO, und 1,0 ccm Toluol versetzt: Geringer 
Niederschlag; 86,3 ccm CO,; kein Zucker am Ende der Gärung. 

b) Der Saft aus der Hefe vom Januar 1915 entwickelte 
bei ganz gleichen Bedingungen kein Kohlendioxyd und enthielt 
reichlich unveränderten Zucker. 


4. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,2 m. 


Wurden zu 9,0 ccm von Säften verschiedener Abstammung 
je 1,0 ccm 2m-K,CO, gesetzt und Toluol wie oben hinzu- 
gefügt, so lieferte nur der aus Hefe vom April 1914 er- 
haltene Saft mit Rohrzucker in 3 Tagen 79,0 ccm CO, unter 
vollständiger Umsetzung der Saccharose, während alle anderen 
erwähnten Hefensäfte weder mit Traubenzucker noch mit 
Fructose oder Rohrzucker Kohlendioxydentwicklung zeigten 
und dementsprechend unvergarenen Zucker enthielten. 


5. Höhere K,CO,-Konzentrationen. 

Bei Zusatz von 1,0 ccm 2,5 m- bis 4 m-K,CO, traten mit 
der Alkalikonzentration zunehmende Niederschlagsmengen auf, 
bei den hóchsten Konzentrationen erfolgte Gelatinierung; nie- 
mals kam es zur Gárung. 


B. Angegorene gezuckerte Säfte. 


Voraus sei bemerkt, daß bei den Angárungen nicht genau 
bestimmte Mengen Kohlendioxyd verloren gingen. 


1. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,1 m. 


9,0 ccm Saft aus Hefe vom Januar 1915 mit 0,5 g 
Traubenzucker, 1,0 ccm 1m-K,CO, und 1,0 ccm Toluol 
entwickelten bei vollständiger Umsetzung des Zuckers innerhalb 
3 Tagen 84,2 ccm CO, Die Lösung war klar und trübte 
sich höchstens in demselben Maße beim Fortschreiten der 
Gärung, wie es ein nur mit Wasser in der angegebenen Menge 
verdünnter gezuckerter Saft bei Aufbewahrung tut. 


2. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,15 m. 


Bei Zugabe von 1,0ccm 1,5 m-K,CO, zu 9,0 eem des- * 
selben, mit Traubenzucker und Toluol wie üblich versetzten 
Saftes wurden 81,8 ccm CO, frei unter ganz gleichen Begleit- 
erscheinungen wie unter 1. 


254 C. Neuberg und E. Färber: 


3. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,2 m. 


Die Mischungen wiesen bei dieser Alkalimenge bald eine 
schwache Trübung auf, die sich allmählich verstärkte. Während 
bei dieser Alkalikonzentration nicht angegorene Macerations- 
säfte nur ganz ausnahmsweise gären, tritt in den vorbehandel- 
ten Säften regelmäßig die Gärung ein. 

Je 9,0 ccm Saft aus Hefe vom Januar 1915, die 0,5g 
Traubenzucker enthielten, entwickelten nach Zugabe von 
1,0 ccm 2 m-K,CO, 66,3 bzw. 68,0 cem CO,. Der Zucker war 
vollständig umgesetzt, so daß der große Unterschied zwischen 
der gemessenen und der berechneten Menge CO, auf der Bin- 
dung als Bicarbonat beruhen muß. 

Derselbe Saft ergab bei gleicher Alkalisatormenge mit 
0,5 g Fructose 59,7 ccm CO,*). Bei Anwendung von 0,5 g 
Rohrzucker wurden 82,2 ccm CO, in Freiheit gesetzt. Ein 
Saft aus Hefe vom April 1914 lieferte mit 0,5 g Rohrzucker 
sogar 100,5 ccm CO. 


4. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,25 m. 


9,0 ccm 0,5 g Traubenzucker enthaltender Saft aus Hefe 
vom Juli 1916 wurden mit 1,0 ccm 2,5 m-K,CO, und 1,0 ccm 
Toluol versetzt: 58,8 ccm CO, entwickelt; kein Zucker am 
Ende nachweisbar. 


5. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,3 m. 


Die eben erwähnte Hefe vom Juli 1916 lieferte einen 
Saft, der bei dieser Konzentration an Kaliumcarbonat Trauben- 
zucker nicht mehr vergor; die Mischung enthielt von Anfang 
an einen starken Niederschlag. 

Der Saft aus Hefe vom März 1916 vergor dagegen 
den Traubenzucker vollständig unter Entwicklung von 
65,4 ccm CO,. 

Die Macerationssáfte aus Hefe vom Januar 1915 vergoren 
zwar Traubenzucker bei dieser Alkalisatormenge nicht, wohl 
aber Fruchtzucker, mit dem einmal 24,5, ein anderes Mal 


1) Bemerkenswert ist, daß die Fructose im Vergleich zu Trauben- 
und Robrzucker hier deutlich schwächer vergoren ist, während jene 
normalerweise sogar leichter, mindestens aber ebenso vollständig wie 
Glucose durch Zymase gespalten wird. 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 255 


37,5 ccm CO, entwickelt wurden. Dabei fiel am Ende des 
Versuches die Zuckerreaktion noch schwach positiv aus. Aus 
Rohrzucker entstanden einmal 60,7 ccm, ein anderes Mal 
42,3 ccm CO, bei vollständigem Verschwinden des Zuckers. 

Auch die Hefe vom April 1914 lieferte einen Saft, der 
Rohrzucker vollständig vergor und dabei 71,1 ccm CO, aus 
0,5 g Saccharose in Freiheit setzte. 

Die Zugabe von 1,0 eem 3 m-K,CO, zu 9,0 ccm ge- 
zuckertem Saft vermochte also in manchen Fällen die Ver- 
gärung des Traubenzuckers zu verhindern, nicht aber die von 
Fructose und von Rohrzucker. 


6. Konzentration des K,CO, in der Mischung: 0,35 m 
und 0,4 m. 


Allein die Hefe vom März 1916 gab einen Macerations- 
saft, der Traubenzucker bei einem Gehalt an Kaliumcarbonat 
von 0,35 m noch vollständig vergor unter Entbindung von 
60,4 ccm CO,. Die anderen Hefensäfte büßten dagegen ihr 
Gärvermögen bei dieser hohen Alkalisatorkonzentration ein, und 
bei 0,4 m-K,CO, war es auch bei dem ersterwähnten aktivsten 
Hefensaft erloschen. 


C. Versuche zur Wiederherstellung des Gärvermögens von 
nicht vorbehandelten Hefensäften, die durch Zusatz von 
Kaliumcarbonat unwirksam gemacht sind. 


Zu den folgenden Versuchen wurde Saft der Trockenhefe 
vom Januar 1915 verwendet, der bei dem Gehalte an 5,0 g 
Traubenzucker auf 90,0 ccm Macerationssaft und nach Zusatz 
von 10,0 cem 3 m-K,CO,-Lósung nicht mehr gor. 


å 1. Zugabe von Monokaliumphosphat. 


Zu 18,0 ccm des Gemisches, das klar von dem durch das 
Kaliumcarbonat erzeugten Niederschlage abfiltriert war, wurden 
2,0 ccm 2 m-KH,PO,-Lösung gegeben. Es trat keine Gárung ein. 


2. Zugabe von Säuren. 


Während bei den unter C1 angegebenen Verhältnissen 
weder die PO,-Ionen noch die Acidität des Monophosphats die 
Gärungsbehinderung von seiten des Kaliumcarbonats aufzuheben 


256 C. Neuberg und E. Färber: 


vermögen, gelang dieses durch Säuren. Da die starken Mineral- 
säuren (Salz- und Schwefelsäure z. B.) in der verwendbaren 
Konzentration eine kräftige Ausflockung von Eiweißkörpern in 
den Saftgemischen hervorriefen, wurden die Phosphorsäure und 
die Milchsäure benutzt, die ein in dieser Beziehung viel 
günstigeres Ergebnis lieferten, indem sie keine Fällung, sondern 
nur eine Trübung verursachten. Für dieses Verhalten ist wohl 
auch maßgebend, daß eine aussalzende Wirkung durch das 
gebildete Phosphat und Lactat sich nicht so geltend macht 
wie diejenige, die das entstandene Kaliumsulfat bzw. Kalium- 
chlorid ausüben. 


Je 9,0 ccm des mit 0,5 g Traubenzucker und 1,0 ccm 
3 m-K,CO, ohne Angärung versetzten Saftes wurden ge- 
mischt mit 


a) 12,0ccm Wasser: es erfolgte keine Gärung, 

b) 6,0 » n-Milchsäure + 6,0 cem Wasser: entw.87,0ccm CO,, 
c) 6,0 » n-Phosphorsäure+ 6.0 » n 2n 642 sa CO, 
d) 12,0 » n-Phosphorsäure: n»n 63,5 » CO, 


Die gleichen Versuche wurden mit ebenso alkalisierten, 
aber von der entstandenen Fällung abfiltrierten Gemischen an- 
gestellt. Zu 9,0 ccm klarem Filtrat wurden gefügt: 


e) 12,0ccm Wasser: es erfolgte keine Gärung, 
f) 6,0 » n-Milchsäure + 6,0 ccm Wasser: entw.67,6ccm CO,, 
g) 12,0 » n-Phosphorsäure: entw. 83,3 cem CO,. 


Diese Versuche zeigen die Wiederherstellbarkeit des Gä- 
rungsvermögens durch hinzugefügte Milchsäure oder Phosphor- 
säure. Die mit Milchsäure versetzten Lösungen reagierten 
gegen Lackmuspapier schwach sauer, die mit nur 6,0 ccm 
n-Phosphorsäure schwach alkalisch, die mit 12,0 cem n-Phos- 
phorsäure sauer. 


3. Zugabe von Lösungen hexosediphosphorsaurer Salze. 


Zu 9,0 ccm eines in bezug auf Kaliumcarbonat 0,3fach 
molekularen Zucker-Saftgemisches wurde die Lösung von 0,2 g 
Calciumhexosediphosphat in 2,0 com 2/,-HCl gegeben. Die 
Gärung blieb aus. 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 257 


Aus 0,3 g reinem Bariumhexosediphosphat wurde durch 
Verrühren mit der berechneten Menge Schwefelsäure und Neu- 
tralisation des Filtrates durch n-K,CO, eine Lösung von Kalium- 
hexosediphosphat (4 ccm) hergestellt und zu 9,0 ccm gezuckerten 
Saftes gegeben, die mit 1,0 ccm 3 m-K,CO, alkalisiert waren?). 
Auch hier trat keine Gárung ein. 


Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien Gá- 
rungen in Anwesenheit von Kaliumcarbonat ent- 
wickelten Mengen Kohlendioxyd. 

a) Ohne Angárung: 









Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 cem K,¿CO,- 
Lósung von der Konzentration 








9,0 ccm Saft 


Hefe vom | nihalten 0,5 g 












April 1914 | Rohrzucker | — 179,0 
Jan. 1915 |Traubenzucker — | egol o : o 
März 1916 — 1880 | 863 : 0 
Juli 1916 » 950 | 0 y —= i — 


ß) Nach Angárung: 


PP EE mn ne -a = Bees e — — See 










Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 cem K,CO,- 
Lösung von der Konzentration 


0 |1m/1,5m]| 2m |25m| 3m |3,5m 


9,0 com Saft 
enthalten 0,5g 








April 1914 


Jan. 1915 84,281,810 683% — 


b) 68,0 









a) 24,5 °) 

a) 60,72) 
Jan. 1915 b) 423 — 
März 1916 





Juli 1916 


IH. Vergärung von Zucker durch Macerationssäfte bei Gegen- 
wart von Natriumcarbonat. 


Bei diesen Versuchen wurde ganz den vorstehend beschrie- 
benen Pottascheansätzen entsprechend verfahren. Auf je 9,0 ccm 


1) Der Gesamtgehalt an Alkali war also hier 0,22m, d.h. eine 
Konzentration, bei der nur die angegorenen, nicht aber die unvorbe- 
handelten Säfte giren. 

2) Die Doppelversuche zeigen, daß bei der Angärung, wie S. 253 
bereits erwähnt, Verluste an CO, eintreten; sie schwanken je nach der 


Zeit, die vom Beginne der Gärung bis zur Einfüllung verstreicht. 
Rinchemische Zeitschrift Band 78. 17 





258 C. Neuberg und E. Färber: 


des 0,5 g Traubenzucker enthaltenden Saftes kam je 1,0 ccm 
der betreffenden Sodalösung, und zwar entweder sofort oder 
nach dem Angären; dann wurde das Gemisch mit 1,0 ccm To- 
luol in Eudiometerröhren über Quecksilber 3 Tage lang belassen. 
Sämtliche mit Natriumcarbonatlösungen versetzten Mischungen 
reagierten von Anfang an alkalisch. Bei allen Gärungen wurde 
der Zucker vollständig umgesetzt; wo keine CO,-Entwicklung 


eingetreten war, ließ sich der Zucker am Schluß der Versuche 
nachweisen. 


Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien 
Gärungen in Anwesenheit von Natriumcarbonat 
entwickelten Mengen Kohlendioxyd. 







Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 cem Na,CO,- 
Lösurfg von der Konzentration 


0 [0,8m| 1m | 2m | 1m | 2m | 3m '3,5 m 
ohne Angärung nach Angärung 
Kee Ee se EE ee e 

Jan. 1915 | Traubenzucker | 100,3: 98,3 | 0 | d | 69 |58,5 | 56,5 | 50, 


IV. Vergärung von Zucker durch Macerationssaft bei Gegen- 
wart von Trikaliumphosphat. 


Die Versuche wurden ganz entsprechend den bisher be- 
schriebenen angestellt, d. h. zu 9,0 ccm des Macerationssaftes 
wurde 1,0 ccm Trikaliumphosphatlösung von den nachstehend 
verzeichneten Konzentrationen gegeben und dann 1,0 ccm Toluol 
hinzugefügt. Auch hier reagierten die phosphathaltigen Mi- 
schungen alkalisch; der Zuckerumsatz war, wenn Gärung ein- 
trat, vollständig. Die gärungshemmenden molekularen Konzen- 
trationen erwiesen sich denen von Soda und Pottasche ähnlich, so- 
wohl wenn eine Angärung eingeleitet war, als auch ohne eine solche. 






90 com Saft 
enthalten 0,5 g 





Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien 
Gärungen in Anwesenheit von Trikaliumphosphat 
entwickelten Mengen Kohlendioxyd. 









Volumina CO, bei Zusatz von 1,0ccm K,PO,- 


9,0 ccm Saft Lösung von der Konzentration 


enthalten 0,5 g 






Hefe vom 






0 |0,75m| 1m 
ohne Angärung 


im |1,5m | 2m | 3m 
nach Angärung 
Jan. 1915 | Traubenzucker | 100,3 | 75,3 | 0 | 75,0 | 62,8 | 42,4 | 0 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 259 


V. Vergärung von Zucker durch Macerationssaft bei Gegen- 
wart von Kaliummetaborat. 

Die Versuchsanordnungen waren den bisherigen analog. 
Zu je 9,0 ccm des gezuckerten Saftes wurden je 1,0 ccm Kalium- 
metaboratlösung von der in der folgenden Tabelle verzeichneten 
Konzentration und dann 1,0 ccm Toluol gegeben. Diese Mi- 
schungen reagierten alkalisch; bezüglich des Vorhandenseins von 
Zucker am Ende der Versuche gilt das bei IV Gesagte. 


Tabellarische Übersicht über die bei der zellfreien 
Gärung in Anwesenheit von Kaliummetaborat 
entwickelten Mengen Kohlendioxyd. 


Volumina CO, nach Zusatz von 1,0 com KBO,- 
9,0 ccm Saft Lösung von der Konzentration 


Hefe vom [enthalten 0,5 el 0 | ım |1,5m 


im | 2m | 3m | 4m 
ohne Angärung nach Angärung 





VI. Vergärung von Zucker durch Macerationssäfte bei Gegen- 
wart von Dikalium- und Dinatriumsuliit. 


Die Versuchsanordnungen waren auch hier den zuvor be- 
schriebenen ganz gleichartig. Bei den gewählten Sulfitkonzen- 
trationen blieben alle Mischungen vollständig klar und trübten 
sich erst nach längerer Zeit unspezifisch in der Art gewöhn- 

Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien 

Gärungen in Anwesenheit von Dikaliumsulfit 

entwickelten Mengen Kohlendioxyd. 
x) Ohne Angárung. 









Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 ccm 
K,SO,-Lösung von der Konzentration 








9,0 ccm Saft 


Hefe vom enthalten 0,5 g 


Jan. 1915 | Traubenzucker | 101,6 Se" 0 | 0 


Juli 1916 n 111,0 — 
ß) Nach Angárung. 









Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 ccm 
K,SO,-Lösung von der Konzentration 


0 | 0,1m | 08m | 04m | 0,5m 








9,0 cem Saft 


Hefe vom enthalten 0,5 g 





Jan. 1915 | Traubenzuoker 
Juli 1916 


260 C. Neuberg und E. Färber: 


licher Macerationssaftansätze. Sie reagierten mehr oder weniger 
stark alkalisch und enthielten am Schlusse der Gärungen noch 
Sulfit. Bei dem stärksten anwendbaren Gehalte an schweflig- 
sauren Salzen, bei 0,04 m bzw. 0,05 m, trat zwar noch eine 
Gärung ein, aber sie blieb unvollständig, und zum Schluß war 
noch eine Reduktionswirkung gegen Fehlingsche Lösung vor- 
handen !), während bei allen übrigen Gärungen der Zucker voll- 
ständig verschwunden oder in den nichtgärenden Proben un- 
verändert geblieben war. 


Tabellarische Übersicht über die bei zellfreien 
Gärungen in Anwesenheit von Dinatriumsulfit 
entwickelten Mengen Kohlendioxyd. 


ei Ohne Angärung. 
















Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 ccm 
PE -Lósung von der Konzentration 


H - 1m |0 0,2 m | 03m 0,3 m | 04m 


Jan. 1915 Traubenzucker 101.6 92,4 mn 019 
Juli 1916 Ss ZE 28 


f) Nach Gage 


9,0 cem Saft 


Hefe vom enthalten 0,5 g 


Volumina CO, bei Zusatz von 1,0 ccm 
Pia -Lösung von der Konzentration 


Lm Ma sim osm oen 


Jan. 1915 Traubenzucker 101 d 96,1 94,4 | — 
Juli 1916 111, SE 85 e | 0 


Zusammenfassung. 






90 com Saft 
enthalten 0,5 g 






Die letzten Stufen der alkoholischen Gärung, die Zerlegung 
der Brenztraubensäure in Kohlendioxyd und Acetaldehyd sowie 
weiterhin die Reduktion des letzteren zu Äthylalkohol, scheinen 
durch frühere Untersuchungen geklärt. Sie stellen die wesent- 
liche Leistung des Gärungsvorganges dar, d. h. die Zerreißung 
der Kohlenstoffkette unter Bildung eines Körpers mit einem 


1) In den entsprechenden Tabellen sind diese Fälle durch einen * be- 
zeichnet. In der alkalischen Lösung wirkt Sulfit bei diesen Konzen- 
trationen nicht auf Fehlingsche Lösung ein; übrigens war durch Auf- 
kochen in essigsaurer Lösung ein Teil der schwefligen Säure zuvor 
ausgetrieben. 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 2061 


und eines mit zwei Kohlenstoffatomen. Die Vorgänge der 
Depolymerisation und Umwandlung, welche vor der Brenz- 
traubensäurestufe liegen, sind unbekannt. 

Die normale Gärung vollzieht sich in saurer Lösung. Wenn 
es gelang, auch bei einer wesentlichen Störung dieser Reaktions- 
verhältnisse Gärung zu erzwingen, so durfte man hoffen, atypische 
Erzeugnisse oder die gewöhnlichen Gärungsprodukte in anomalen 
Mengen zu erhalten, welche einen Schluß auf die Zwischenstufen 
ermöglichen. Eine Steigerung der Acidität über ein bestimmtes MaB 
hinaus ist ohne völlige Unterdrückung der Gärung nur bei solchen 
Säuren möglich, an welche die Hefe durch natürliche Verhältnisse 
gewöhnt ist; sie aber bewirken keine Abänderung des Gärungs- 
verlaufs.. Andererseits schafft sich die Hefe selbständig in nicht 
genügend saurem Medium eine optimale Acidität. 

Es ist daher recht überraschend, daß diese starke Säurebe- 
gierde der Hefe überwunden werden kann und daß man entgegen 
allen Erwartungen imstande ist, den Eintritt der alkoholischen 
Gärung in dauernd alkalisch gehaltenen Lösungen zu erreichen. 

Um Einflüsse der lebenden Zellen zunächst auszuschließen, 
wurde die Einwirkung von Alkali auf die rein enzymatische, 
durch Hefensäfte bewirkte Vergärung verschiedener Zucker 
untersucht, nachdem frühere Versuche die relative Unempfind- 
lichkeit der Zymase und neue auch die der Invertase gegen 
Alkalien gelehrt hatten. Als Alkalisatoren dienten Dikalium- 
und Dinatriumcarbonat, Trikaliumphosphat, Dikalium- und 
Dinatriumsulfit sowie Kaliummetaborat, d. h. dieselbe Gruppe 
von Substanzen, welche nach vorangegangenen Ermittelungen 
einen Übergang von Zucker in Verbindungen der 3-Kohlen- 
stoffreihe bewirkt. 

Die Gäransätze, die 5%/, Zucker enthielten, zeigten bei der 
Zugabe von Ile des Volumens an wáBrigen Alkalisatorenlósungen 
und nach Zufügung von 10°/, Toluol zu der Mischung folgende 
Erscheinungen: Völlige Vergärung des Zuckers erfolgt bei einer 
Gesamtalkalinität der erwähnten Gemische von 0,1 bis 0,2 m 
an Carbonaten, an Borat und an Trialkaliphosphat. Bei den 
sekundären schwefligsauren Salzen liegt die Grenze der voll- 
kommenen Vergärung bei Konzentrationen von 0,02 m. 

Sehr viel höhere Alkalimengen werden nun vertragen, wenn 
man die Alkalisatoren erst hinzufügt, nachdem das Gemisch 


262 C. Neuberg und E. Färber: 


gerade zu gären begonnen hat. Dann sind Zusätze möglich, 
die einem Gesamtgehalte von 0,25 bis 0,35 m-Carbonat, 
Borat oder Triphosphat entsprechen, während von Sulfiten auch 
hier wieder nur eine geringere Konzentration vertragen wird, 
nämlich 0,04 bis 0,05 m. Solche Ansätze enthalten dann rund 
4,8°/, Pottasche oder 0,79 %/, Kaliumsulfit. 

Diese Verhältnisse finden eine äußere Kennzeichnung in 
der Erscheinung, daß in den angegorenen Gemischen die Al- 
kalisatoren keine Niederschläge erzeugen, selbst wenn sie in 
Konzentrationen zugegen sind, die bei nicht angegorenen 
Säften eine starke Källung von Ammonium-Magnesiumphosphat 
und phosphorsaurem Kalk hervorrufen. Die angegebenen 
Höchstgrenzen der Alkalisatorenkonzentrationen entsprechen 
dem Punkte, wo noch keine starke Niederschlagsbildung 
erfolgt. 

Die Verhinderung der Gärung durch größere Alkalisatoren- 
mengen beruht nicht einfach auf der Entfernung der Phos- 
phationen oder einer dadurch bedingten Verhinderung der Bil- 
dung von Hexosediphosphorsäure; denn weder die Zugabe 
löslicher Phosphate noch die Hinzufügung fertiger reiner 
hexosediphosphorsaurer Salze stellt das Gärvermögen wieder 
her. Wohl aber bewirkt dies ein Zusatz von freier Phosphor- 
säure oder Milchsáure. Daraus kann vorläufig nur geschlossen 
werden, daß es sich hier um eine innerhalb der untersuchten 
Konzentrationen reversible Aufhebung des Gärvermögens 
durch die Alkalisatoren handelt. 

Während und am Schluß der Versuche bestand alkalische 
Reaktion gegen Lackmus, so daß sich der ganze Gärakt in 
alkalischer Lösung abspielt. 

Demnach beeintlussen alkalisch reagierende Stoffe die 
Gärung in doppelter Weise: Einmal liegt eine allgemeine, von 
der OH-Ionenkonzentration abhängige Gärungshemmung vor. 
Sodann wirkt das Alkali auf die Teilvorgänge des Gärungs- 
prozesses, die sich vor dem Eintritt der Kohlensäureentwicklung 
vollziehen. Diese vorbereitenden Stufen des Zuckerzerfalles sind 
nach einmal erfolgter Einleitung unempfindlich gegen erhöhte 
Alkalisatorkonzentrationen, die ohne vorherige Angärung die 
Zuckerspaltung verhindern. 

Die Feststellung, daß angegorene Zuckerlösungen viel 


Verlauf der alkoholischen Gärung bei alkalischer Reaktion. I. 263 


widerstandsfähiger gegen Alkalisatoren sind, ermöglicht die 
Durchführung der Gärung in Lösungen von so hoher Alkali- 
nität, wie sie früher aus theoretischen Gründen für ganz un- 
möglich gegolten hat. Unter diesen Bedingungen erfolgt auch 
eine Veränderung in den Produkten der alkoholischen Gärung, 
die teils in einer quantitativen Verschiebung der bisher be- 
kannten, teils im Auftreten neuer besteht. 

Bei lebenden Hefen liegen die Verhältnisse prinzipiell ebenso. 


Über das Vorkommen emulsinartiger von den Hefezellen 

abtrennbarer Fermente in den untergärigen Helen şo- 

wie das Fehlen von Myrosin in Berliner Ober- und 
Unterhefen. 


Von 
Carl Neuberg und Eduard Färber. 


(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie. 
Chemische Abteilung, Berlin-Dahlem.) 


Die Spaltung des Amygdalins in Glucose, Benzaldehyd 
und Blausäure, die früher der Wirkung eines Fermentes, des 
„Emulsins“, zugeschrieben wurde, wird nach neueren An- 
schauungen durch drei Fermente besorgt, die wahrscheinlich 
[vgl. S. J. M. Auld!)] in folgender Reihenfolge zusammen- 
wirken: 

Zuerst spaltet ein auf «-Glucoside eingestelltes Ferment 
ein Molekül Hexose ab und erzeugt Mandelnitrilglucosid. 
Dieses Ferment bewirkt also die Zerlegung des im Amygdalin 
vorhandenen Disaccharids, der Amygdobiose, und wird Amyg- 
dalase genannt. 

Das Mandelnitrilglucosid oder Prunasin wird dann in 
Traubenzucker und Benzaldehydcyanhydrin gespalten durch 
die Wirkung eines ß-Fermentes, der Prunase. 

Die letzte Stufe des Abbaues, die aus dem Benzaldehyd- 
cyanhydrin Bittermandelöl und Blausäure erzeugt, ist das 
Werk der Oxynitrilase. 

Allein die mittlere von diesen drei Reaktionen ist eine 
wirkliche P-Glucosidspaltung. Nur das Ferment für diese Re- 


1 S. J. M. Auld, Chem. Centralbl. 1907, I, 1698. 


C. Neuberg u. E. Färber: Vork. emulsinart. Ferm. i.d. unterg. Hefen usw. 265 


aktion, die Prunase, ist dem alten „Emulsin“ vergleichbar. 
Die Hydrolyse des Amygdalins durch Hefe ist nachgewiesen. 
Noch nicht völlig geklärt ist aber die Frage nach der Ab- 
trennbarkeit der drei Fermentwirkungen von der Hefenzelle, 

Emil Fischer?) zeigte vor Jahren, daß durch Wasser von 
amygdalinspaltenden Fermenten aus Frohberg-Hefe allein die 
Amygdalase aufgenommen wird; aus dem Amygdalin wird durch 
einen solchen Extrakt Traubenzucker und Mandelnitrilglucosid 
gebildet, ohne daß mehr als Spuren Blausäure und Benzaldehyd 
freigemacht würden. 


Th. A. Henry und S. J. M. Auld?) fanden, daß der Preß- 
saft aus obergäriger englischer Preßhefe, ebenso wie diese selbst, 
das Amygdalin vollständig spaltet. Aus den in dieser Richtung 
nicht ganz übersichtlichen Angaben von R. J. Caldwell und 
J. L. Courtauld?) kann man wohl schließen, daß sie mit Ex- 
trakten von ober- wie untergärigen Hefen, ebenso wie Emil 
Fischer, -das Mandelnitrilglucosid erhielten und daß dieses 
nicht weiter zerlegt wurde. A. Bau‘) konnte kein blausäure- 
abspaltendes Ferment in wäßrigen Auszügen seiner Trocken- 
hefen nachweisen, die trotz ihres Alters in toto noch alle die 
drei genannten Enzyme in wirksamem Zustande enthielten; 
extrahierbar war nur die Amygdalase und sicher kein cyano- 
genes Ferment. Ähnlich lautet eine Angabe von Th. Bokorny?): 
ein wäßriger Extrakt aus der von ihm verwendeten, in frischer 
und trockener Form das Amygdalin cyanogen spaltenden 
Hefe gab keinen Bittermandelölgeruch mit Amygdalin; ob 
Amygdalasewirkung eintrat, stellte er nicht fest. 

Obergärige wie untergärige Hefen enthalten in frischer 
und getrockneter Form die zur vollständigen Aufspaltung 
des Amygdalins in seine vier Komponenten nötigen Fermente. 
An Wasser geben die Hefen bei einfacher Digestion höchstens 


1) Emil Fischer, Ber. 28, 1508, 1895. 

2) Th. A. Henry und S. J. M. Auld, Proc. Roy. Soc. 76, 568, 
1905; Chem. Centralbl. 1905, II, 1812. 

3) R. J. Caldwell und S. L. Courtauld, Proc. Roy. Soc. 79, 350, 
1907; Chem. Centralbl. 1907, II, 620. 

4) A. Bau, diese Zeitschr. 78, 340, 1916. 

5) Th. Bokorny, diese Zeitschr. 75, 376, 1916; Arch. f. d. ges. 
Physiol. 164, 203, 1916. 


206 C. Neuberg und E. Färber: 


die Amygdalase ab, in den Preßsaft aus englischer Oberhefe 
gehen aber alle drei Fermente über. 

Dies fanden wir nun auch für den Hefemacerations- 
saft der untergärigen Münchener Trockenhefe von 
Schroder. Bei Gegenwart von Toluol entwickelt der wie üb- 
lich hergestellte Macerationssaft aus dem Amygdalin Zucker 
bzw. Alkohol und Kohlendioxyd und bildet Benzaldehyd und 
Blausäure, die beide nachgewiesen wurden. Aus der Titration 
der erzeugten Blausäure berechnet sich eine Spaltung von 
30,2°/, des angewandten Amygdalins. 

Damit ist also die Abtrennbarkeit der sämtlichen 
zur Amygdalinhydrolyse erforderlichen Fermente von 
der lebenden Zelle auch durch die Maceration und 
auch für Unterhefe festgestellte Damit war aber noch 
kein sicherer Schluß auf die Wirkung des Macerations- 
saftes gegenüber wirklichen $-Glucosiden möglich; denn 
es ist ja auch zweifelhaft, zu welchen Glucosidasen die Pru- 
nase zu zählen ist. Die bisher vorliegenden Literaturangaben 
geben keinen AufschluB über diese Fragen. 

Zwar dehnten Henry und Auld?!) ihre Untersuchungen 
auch auf andere, einfache Glucoside aus; sie prüften aber nur 
die Einwirkung der lebenden englischen Hefe, nicht auch die 
des Preßsaftes. Sie fanden, daß bei Gegenwart von Toluol zwar 
Salicin, Arbutin und Phaseolunatin, nicht aber Quercitrin, Di- 
gitalin und Sinalbin gespalten wurden. Th. Bokorny?) hat 
ebenfalls keine Enzymlösungen, sondern nur frische oder trockene 
Hefen selbst (Münchener Brauereihefe, zum Teil auch Getreide- 
hefe) auf einige einfache Glucoside einwirken lassen. Wenn 
er weder bei Arbutin noch bei Salicin und Coniferin eine Zer- 
legung findet, so wäre es möglich, daß der Mißerfolg an seiner 
Untersuchungsmethode liegt. Er schreibt, daß er beim Zu- 
sammenrühren in einem Becherglase weder Gärung noch Geruch 
bemerkt habe. Ein Geruch war überhaupt nicht zu erwarten, 
da die Paarlinge der erwähnten Glucoside [außer Hydro- 
chinon und o-Oxybenzylalkohol auch Coniferylalkohol?)] nicht 





— 


"aa O. 
?) a. a. O. 
3) F. Tiemann, Ber. 11, 669, 1878. 


Vorkommen emulsinartiger Fermente in den untergärigen Hefen usw. 267 


riechen; und wie das Ausbleiben der Gärung sicher festgestellt 
wurde, ist aus seinen Angaben nicht zu erkennen. 

= Wir fanden den Hefemacerationssaft!) aus Münchener 
Trockenhefe auch gegen Arbutin und Salicin wirksam. 
Bei Gegenwart von Toluol lieferte er im Eudiometer mit beiden 
Glucosiden sowohl Kohlendioxyd als auch die an den Zucker 
gebundenen Komponenten Hydrochinon bzw. Saligenin, die 
isoliert und identifiziert werden konnten. 

Wesentlich anders liegen die Verhältnisse bezüglich des 
Myrosins. Die Erkenntnis, daß zu einer Spaltung der ganz 
abweichend konstituierten Senfölglucoside ein besonderes Fer- 
ment erforderlich ist, wird auch durch die mit Hefen an- 
gestellten Spaltungsversuche bekräftigt. Henry und Auld’) 
fanden nämlich kein Myrosin in der englischen obergiirigen 
Preßhefe, während diese, wie erwähnt, gewöhnliche Glucoside 
spaltet. Kurz vorher hatte auch A. Kossowicz?) mitgeteilt, 
daB sich durch Hefen keine Abspaltung von Senföl aus myron- 
saurem Kalium erzielen läßt. Im Gegensatz dazu gibt Bo- 
korny*) an, daß Münchener Brauerei- und Getreide-Preßhefe 
Myrosin enthalten; allerdings ist hier das Bedenken am Platze, 
daß Bokorny kein Antisepticum angewendet hat, das bei seiner 
Versuchsanordnung besonders wünschenswert gewesen wäre. 

Um die Widersprüche zwischen diesen Angaben aufzu- 
klären, haben wir myronsaures Kalium (Sinigrin) der Wirkung 
von untergäriger Münchener Trockenhefe bei Gegenwart von 
wenig Thymol oder Toluol in wechselnden Mengenverhältnissen 
ausgesetzt: ein Senfólgeruch oder die beweisendere Abspaltung 
von Bisulfat oder Eintritt einer Gärung waren selbst während 
langer Versuchsdauer niemals wahrzunehmen. Ebenso erfolglos 
waren die Versuche, eine Myronatspaltung durch Hefemacera- 
tionssäfte oder frische Hefen zu erreichen; frische Münchener 
Unterhefe stand uns nicht zur Verfügung, untergärige und 
obergärige Berliner Hefe (Rasse U und OM) wirkten in Gegen- 


1) Besonders betont sei, daß nur nach weitgehender Zertrúmmerung 
der Hefezelle, nicht aber durch einfache Auslaugung mit Wasser das 
emulsinartige Ferment in Lösung gebracht werden kann; es dürfte des- 
halb wie die Zymase zu den Endoenzymen gehören. 

Da a. O. 

2) A. Kossowicz, Ch. C. 1905, II, 643. 

t) a. a. O. 


208 C. Neuberg und E. Färber: 


wart von Thymol jedenfalls nicht auf Kaliummyronat. Auch 
ohne Antiseptikum blieb innerhalb 48 Stunden die Spaltung aus. 

Es ergab sich also folgendes: 

1. Von untergäriger Hefe lassen sich alle drei zur 
vollständigen Amygdalinhydrolyse notwendigen Fer- 
mente (Amygdalase, Prunase und Oxynitrilase) ab- 
trennen. Sie gehen in den Hefemacerationssaft über 
und wirken in Anwesenheit von Toluol. 

2. Wahre ß-Glucoside, die durch frische englische 
Oberhefe zerlegt werden, unterliegen auch der Spal- 
tung durch den Macerationssaft aus Münchener Unter- 
terhefe in Gegenwart von Toluol. 

3. Myrosinferment ist (ebensowenig wie in fri- 
schen englischen Oberhefen) weder in untergáriger 
Münchener Trockenhefe oder in dem daraus bereite- 
ten Macerationssaft noch in frischer Berliner Ober- 
und Unterhefe nachweisbar. 


Auszug aus den Versuchsprotokollen. 


I. Spaltung des Amygdalins durch Macerationssaft aus 
untergäriger Hefe. 


a) 0,5 g Amygdalin (C,,H,.NO,, + 3H,0) werden in 
10,0 cem Macerationssaft aus Münchener Trockenhefe vom 
April 1914 gelöst und nach Zusatz von 0,5 ccm Toluol bei 
37° aufbewahrt. Nach 12 Stunden war starker Geruch nach 
Benzaldehyd vorhanden und mäßige Gärung im Gange. Nach 
drei Tagen wurde die in einer Flasche mit Gärverschluß auf- 
bewahrte Flüssigkeit, die während dieser Zeit ununterbrochen 
Kohlensäure entwickelt hatte, nach Verdünnung durch Wasser 
mit Dampf destilliert. Es gingen über: Bittermandelöl, nach- 
weisbar als Phenylhydrazon, sowie Blausäure, die in Berliner- 
blau übergeführt wurde. 

b) Es wurde eine Lösung von 4,0 g Amygdalin in 80,0 ccm 
Macerationssaft (aus 1914er Hefe) hergestellt. Davon wurden: 

1. 30,0 cem im Brutschrank bei 37° und 

2.300 » y ” n 44 bis 45° 
nach Zugabe von 0,5 ccm Toluol aufbewahrt. 


Vorkommen emulsinartiger Fermente in den untergärigen Hefen usw. 269 


In der bei 44 bis 45° (45° wird als optimale Temperatur 
für die Emulsinwirkung angegeben) aufbewahrten Lösung war 
kräftigere Sohaumbildung und ersichtlich stärkere Gärung ein- 
getreten. Nach 3 Tagen wurden aus beiden Proben durch 
Behandlung mit Wasserdampf Blausäure und Benzaldehyd 
übergetrieben. 

c) 20,0 ccm der obigen Mischung wurden mit 0,5 ccm 
Toluol in ein Eudiometer übergeführt und bei 37° aufbewahrt. 
Dabei wurden entwickelt nach: 

2 14 26 40 60 65 Stunden 

6,5 7,5 13,5 24,0 26,2 26,4 ccm CO, 

Der Inhalt des Eudiometers wurde dann mit Wasser in 
einen Destillationskolben übergeführt und mit Wasserdampf 
vorsichtig destilliert. Das Destillat verbrauchte 3,0 ccm 2/,,- 
AgNO, = 16 mg Blausáure. Diese Menge entspricht einer 
Spaltung von 0,302 g krystallwasserhaltigem Amygdalin = 30,2°/, 
der angewendeten Menge. 








11. Spaltung des Arbutins durch Macerationssaft aus unter- 
gäriger Hefe. 


3,0 g Arbutin wurden in 50,0 ccm Macerationssaft gelöst 
und im Eudiometer zusammen mit Leem Toluol bei 37° auf- 
bewahrt. Nach 7 Tagen hatten sich 49,0 ccm Kohlendioxyd 
angesammelt. Dann trat Stillstand der Gärung ein. 

Durch Erhitzen auf dem Wasserbade wurde die im Eudio- 
meter enthalten gewesene Flüssigkeit von koagulabelem Eiweiß 
befreit. Die filtrierte Lösung wurde im Vakuum eingeengt 
und mit heißem Alkohol extrahiert. Der alkoholische Auszug 
wurde im Vakuum zur Trockne verdampft und der Rückstand 
mit Äther verrührt, in dem das unveränderte Glucosid unlöslich 
ist, während entstandenes Hydrochinon leicht aufgenommen 
wird. Die ätherische Lösung hinterläßt beim Verdampfen einen 
braunen, Oldurchtránkten Rückstand. Durch Umkrystallisieren 
desselben aus heißem Wasser erhält man Hydrochinon in noch 
etwas braun gefärbten Krystallen. Durch Zusatz von Eisen- 
chlorid oder Kaliumbichromat zur wäßrigen Lösung tritt vor- 
übergehend Chinhydronfärbung und scharfer Chinongeruch auf. 


270 C. Neuberg und E. Fárber: 


Ill. Spaltung des Salicins durch Macerationssaft aus unter- 
gáriger Hefe. 


3,0 g sehr fein gepulvertes Salicin wurden in 50,0 ccm 
Macerationssaft eingetragen und nach Zugabe von 1 ccm Toluol 
in einem Eudiometerrohr über Quecksilber bei 37% aufbewahrt. 
Nach 5 Tagen waren 39,5 ccm Kohlensáure entwickelt, und 
die Gárung war beendet. Die Aufarbeitung geschah genau in 
der beim Arbutin (sub II) beschriebenen Weise. Aus der 
ätherischen Lösung krystallisierte das durch Hydrolyse des 
Salicins entstandene Saligenin (o-Oxybenzylalkohol) direkt aus; 
es schmolz nach dem Abdecken mit Benzol und Streichen auf 
Ton wie ein reines Präparat von Kahlbaum bei 80 bis 81° 
und zeigte die diesem zukommenden Reaktionen. 


IV. Versuche zur Zerlegung von myronsaurem Kalium durch 
Macerationssaft aus untergäriger Hefe. 


a) 0,5 g myronsaures Kalium wurden in 10,0ccm Macerations- 
saft aus Hefe vom April 1914 gelöst und bei 37° unter Zusatz 
von 0,05 ccm Toluol aufbewahrt. Im Verlauf von 7 Tagen 
trat kein Geruch nach Senföl auf, und auch bei Behandlung 
mit Wasserdampf wurde kein nach Senföl riechendes Destillat 
erhalten. 

b) 1,0 g myronsaures Kalium wurde in 100,0 ccm Macerations- 
saft vom Januar 1915 gelöst. Die Probe wurde in 2 Teile 
geteilt und die eine Hälfte mit 0,25 g Thymol versetzt. Diese 
zeigte auch nach 10 Tagen weder Gärung noch Abspaltung 
von Senföl. In der ohne Antisepticum aufbewahrten Probe 
war nach 5 Tagen Fäulnis und zugleich ein ganz schwacher 
Geruch nach Senföl aufgetreten. 

c) Eine Wiederholung des Versuches b) mit Saft aus 
Münchener Trockenhefe vom März 1916 ergab das gleiche 
Resultat: nur in dem Ansatz ohne Toluol trat ein undeutlicher 
Geruch nach Senföl auf, und es entwickelte sich bei der ein- 
getretenen Fäulnis 1,2 ccm Gas, von dem 0,9 ccm durch Kali- 
lauge nicht absorbierbar waren. 


Vorkommen emulsinartiger Fermente in den untergärigen Hefen usw. 271 


V. Versuche zur Zerlegung von myronsaurem Kalium durch 
getrocknete Münchener Unterhefe. 


a) 0,5 g myronsaures Kalium wurden gelöst in 5 ccm Wasser 
und versetzt mit 0,5 g Trockenhefe vom März 1916. 

b) 0,5 g myronsaures Kalium wurden gelöst in 10 ccm Wasser 
und versetzt mit 0,5 g Trockenhefe vom März 1916. 

c) 0,2 g myronsaures Kalium wurden gelöst in 20 ccm Wasser 
und versetzt mit 0,5 g Trockenhefe vom März 1916. 

Nach Zugabe einer Spur Thymol trat in keiner der ver- 
schlossenen Proben nach Aufbewahrung bei Zimmertemperatur 
Spaltung ein, selbst nach 2 wöchentlichem Stehen nicht. Der 
Zusatz von Thymol erwies sich auch hier als notwendig, um 
Fäulnis auf die Dauer zu verhindern. 

d) e) f) und g) In Eudiometern wurden dann — ohne 
Zugabe eines Antisepticums — noch folgende Versuche an- 
gestellt. 

d) 18,0 ccm H,O, 

2,0 g Trockenhefe, 
0,5 g Kaliummyronat. Es wurden entwickelt nach: 


14 | 24 | 48 Stunden 
02 | 1,5 | 2,5 ccm CO, 


e) 18,0 ccm H,O, 
2,0 g Trockenhefe, 
0,2 g Traubenzucker. 'Es wurden entwickelt nach: 


14 | 24 | 48 Stunden 


al 70 | 11,5c0mCO, 
D 18,0 ccm H,O, 
2,0 g Trockenhefe. Es wurden entwickelt nach: 
14 | 24 | 48 Stunden 


0,2 | 1,5 | 3,0 com CO, 


Daraus geht hervor, daß innerhalb 48 Stunden, d.h. solange 
hinreichende Sterilität gewährleistet schien, die gärkräftige 
Troekenhefe aus Myronat nicht mehr Kohlendioxyd in Frei- 
heit zu setzen vermochte, als der bekannten Selbstgärung dieses 
Materials entsprach; dagegen wurde aus einem der Myronat- 


272 C. Neubergu. E. Fárber: Vork. emulsinart. Ferm.i.d.unterg. Hefen. usw. 


menge entsprechenden Quantum Traubenzucker eine ansehn- 
liche Menge CO, entwickelt. 


VI. Versuche zur Zerlegung von myronsaurem Kalium durch 
frische Berliner Unter- und Oberhefe?). 


a) 0,5 g myronsaures Kalium wurden mit 10 ccm Wasser 
und 2g frischer untergäriger Hefe (Rasse U) versetzt, und 
nach Zugabe von 0,05 g Thymol blieb die Mischung eine Woche 
im Brutschrank bei 37° stehen. Es war keine Spaltung des 
Myronats erkennbar. 

b) und c) Ebenso negativ verliefen die entsprechenden 
Versuche mit 0.5 g myronsaurem Kalium in 20 ccm Wasser 
plus 4 g Unterhefe und 0,05 g Thymol sowie mit 1 g Kalium- 
myronat in 40 ccm Wasser und 0,1 g Thymol sowie 10 g Un- 
terhefe bei 37°. 

d) e) und f) Drei ganz entsprechende Versuche wurden 
mit frischer Berliner Oberhefe (Rasse OM) ausgeführt, sie 
hatten das gleiche Ergebnis. 

g) h) i) k) 1) m) Schließlich wurden die Versuche (a bis f) 
nochmals mit denselben Hefenrassen (U und OM) zu anderen 
Zeiten angestellt, aber ohne Antisepticum. Sie konnten so 2 
bis 3 Tage einwandfrei bei 37° aufbewahrt werden; die Zer- 
legung des Myronates blieb jedoch auch hier überall aus. 


1) Die Hefen verdanken wir dem Institut für Gärungsge- 
werbe in Berlin; sie waren von gewohnter Güte. 


Über Magenatmung beim Menschen. 


Von 
Arvo Ylppö. 


(Aus dem Kaiserin Auguste Victoria Hause zur Bekämpfung der Säug- 
lingssterblichkeit im Deutschen Reiche, Charlottenburg.) 


(Eingegangen am 25. Oktober 1916.) 
Mit 1 Figur im Text. 


Zu dieser Arbeit gab folgende Beobachtung Anlaß: Ge- 
legentlich von Untersuchungen der Magengase bei Säuglingen 
mit pathologischem Luftschlucken (Aerophagie) fand ich oft 
Werte für den CO,-Gehalt, die auffallend wenig voneinander 
abwichen. Um die Ursache dieser Konstanz klarzulegen, habe 
ich die hier folgenden Selbstversuche vorgenommen. Ich glaube, 
durch sie in diese Frage der CO,-Konstanz einiges Licht ge- 
bracht zu haben, indem ich durch die folgenden Untersuchungen 
einen eindeutigen Zusammenhang der Magengase, darunter der 
Kohlensäure, mit den Alveolargasen nachgewiesen habe. Dies 
nur vorweg. 

Der genauen Mitteilung meiner Untersuchungen sei in 
Kürze eine Übersicht unserer bisherigen Kenntnisse über das 
Verhalten der Gase, speziell Resorption und Diffusion im mensch- 
lichen Magen-Darmkanal vorangeschickt. 

Im Tierreiche haben wir zahlreiche Beispiele dafür, daß 
neben der Lunge andere Einrichtungen und. Organe bei der 
Atmung eine wichtige Rolle spielen. Ich erwähne hier nur die 
Hautatmung bei Fröschen und die Darmatmung beim Schlamm- 
peizger (Cobitis fossilis), einem Fisch, bei dem sie zu höchst 
wichtiger funktioneller Bedeutung gelangt. Dieser Fisch kann 
ausschließlich von heruntergeschluckter Luft leben, die dann 


später mit geringerem O,-Gehalt und vermehrtem CO,-Gehalt 
Biochemische Zeitschrift Band 78. i 18 


274 A. Ylppö: 


per Anum entleert wird, was von Baumert!) schon im Jahre 
1855 festgestellt worden ist. Beim Menschen dagegen spielt 
nach der allgemeinen Ansicht der Gasaustausch im Magen-Darm- 
kanal keine Rolle. Von seiten der Physiologen wird aber immer- 
hin ein Diffundieren der Gase durch die Magen- und Darmwand 
nicht in Abrede gestellt. Hermann?) z. B. erwähnt in seinem 
Lehrbuch kurz, daß im Darm „der Sauerstoff der verschluckten 
Luft verschwindet und durch Kohlensäure ersetzt wird“. Bohr?) 
sagt ebenfalls, „daß im Darmkanal der Warmblüter der Sauer- 
stoff aus der mit dem Speichel verschluckten atmosphärischen 
Luft nach und nach durch die Wände des Verdauungstraktus 
hindurch aufgenommen wird, ebenso wie einige Kohlensäure 
aus dem Blute in den Darmkanal oder umgekehrt diffundieren 
kann, je nachdem der prozentige Gehalt an Kohlensäure, die 
beim Verdauen in verschiedener Menge gebildet wird, im Darm- 
kanal mehr oder weniger reichlich ist“. 

Die ersten speziellen Untersuchungen über Magengase stam- 
men von Planer) aus dem Jahre 1860. Sie beziehen sich, 
mit Ausnahme von einigen Untersuchungen an verstorbenen 
Menschen, auf Hunde, deren Magen- und Darmgase mitten in der 
Verdauung, einige Stunden nach der letzten Mahlzeit der getöteten 
Tiere, entnommen wurden. Planer fand hierbei nur zweimal 
eine zur Analyse genügende Menge Gas. Dieses Gas bezeich- 
nete er als verschluckte Luft. Weil nun aber zufälligerweise 
das Verhältnis (die absoluten Prozentzahlen wichen wegen der 
stattfindenden Verdauung stark voneinander ab) der CO, zu 
der im Magen verschwundenen O,-Menge (O,-Menge der Luft 
als Ausgangspunkt angenommen) sich wie 2:1 verhielt, so 
glaubte er, daß dies auf irgendein Diffusionsgesetz zurückzu- 


1) Baumert, Chemische Untersuchungen über die Respiration des 
Schlammpeizgers (Cobitis fossilis), Heidelberg 1852 (Monographie). 

2 Hermann, L., Lehrbuch der Physiologie, 13. Auflage, Berlin 
1905. Daselbst IX. Kapitel XXX, S. 535. Die Haut- und die Darm- 
atmung. 

3) Bohr, Christian, Blutgase und respiratorischer Gaswechsel. 
Handbuch der Physiologie des Menschen (Nagel). 1, 1. Hälfte 1909. 
Daselbst 4. Abschnitt, S. 219, die Darmatmung. 

t) Planer, Die Gase des Verdauungsschlauches und ihre Bezieh- 
ungen zum Blute. Sitzungsber. d. mathem.-naturw. Klasse d. K. Akad. 
d. Wissensch. 42, 307, 1861. 


€ 


Magenatmung beim Menschen. 275 


führen wäre, nach dem für jedes aufgenommene Volumen O, 
immer 2 Volumen CO, durch die Magenwand abgegeben wer- 
den sollten. 

Den Hund hat auch Schierbeck!) als Versuchsobjekt in 
seinen Untersuchungen über „Kohlensäure im Ventrikel“ be- 
nutzt. Er hat versucht, Aufschluß über die Magengase da- 
durch zu bekommen, daß er den Hunden größere Mengen von 
Wasser entweder in den nüchternen oder in den verdauenden 
Magen einführte, es nach kürzerer Zeit (8 bis 10 Minuten) wie- 
der ausheberte und durch eine sehr umständliche Methode 
seinen Gehalt auf CO, prifte. Die gefundenen Werte über- 
‘trug er dann auf die Verhältnisse im Magen und gibt als Er- 
gebnis seiner Untersuchungen an, daß die CO,-Spannung von 
der Verdauung abhängig ist, auf der Höhe derselben ca. 130 
bis 140 mm beträgt, um, nachdem die Nahrung den Ven- 
trikel wieder verlassen hat, auf ca. 30 bis 40 mm zu fallen, 
welch letzteren Wert die Spannung im nüchternen Magen stets 
bewahrt. Weil er Kohlensäure im ausgespülten und vom Darm 
abgesperrten Magen fand, glaubte Schierbeck, daß die CO, 
nur allein auf eine sekretorische Tätigkeit der Magen- 
schleimhaut zurückzuführen wäre Für diese Ansicht 
ficht er noch in einer weiteren Arbeit?), und auch Bohr?) 
scheint ihm beizustimmen. 

Die Magengase beim Menschen hat meines Wissens Hoppe- 
Seyler*) zuerst untersucht. Er hat aber nur kranke Menschen 
beobachtet und seine Versuche nicht bei nüchternem Magen, 
sondern während der Verdauung resp. bei Vorhandensein von 
Nahrungsresten im Magen ausgeführt. Die Gase wurden mit- 
tels Woulfscher Flasche über H,O aufgefangen, sie waren 
meistens brennbar und bestanden aus CO,, O, und H,, ohne 
daß hierbei bezügl. der prozentuellen Zusammensetzung irgend- 
welche Gesetzmäßigkeit sich herausgestellt hätte. 

1) Schierbeok, Über Kohlensäure im Ventrikel. Skandin. Arch. 
f. Physiol. 8, 437, 1892. 

D Schierbeck, Fernere Untersuchungen über das Auftreten der 
Kohlensäure im Magen. Skandin. Arch. f. Physiol. 5, 1, 1895. 

8) s. Anmerk. ?) auf S. 274. 

4) Hoppe-Seyler, Zur Kenntnis der Magengárung mit beson- 
derer Berücksichtigung der Magengase. Deutsches Arch. f. klin. Med. 


50, 83, 1892. 
18* 


276 A. Ylppö: 


Auch beim Säugling sind schon einmal von Leo?) die 
Magengase analysiert worden. Sein Material umfaßt in der 
Hauptsache kranke Kinder, bei denen die Magengase außer- 
ordentlich starke Abweichungen voneinander zeigten. Beim 
gesunden Kinde hat er 1*/, bis 2 Stunden nach der Mahlzeit 
niedrigere Werte für CO, (3,8 bis 4,6°/,) gegenüber den be- 
 deutend höheren Werten (bis 17°/,) bei kranken Kindern ge- 
funden. Bei Versuchen, das Vorhandensein der CO, im Magen 
zu erklären, bespricht er verschiedene Möglichkeiten, in erster 
Linie die Gárungsprozesse. Uns interessiert aber an dieser 
Stelle besonders seine Vermutung, daß die CO, auch teils durch 
die Diffusion der CO, aus dem Blute stammt. 

Fernerhin hat Loening’) beim Menschen die Resorption 
der CO, aus CO,-haltigem Wasser einem besonderen Studium 
unterworfen. Sein Verfahren gleicht im großen und ganzen 
dem bei Schierbeck?) besprochenen. Er hat hierbei festge- 
stellt, daß der menschliche Magen imstande ist, in erheblichem 
Maße CO,, die ihm im Wasser zugeführt wird, zu resorbieren. 
Nach ihm wird die Hauptmenge schon in den ersten Minuten 
resorbiert, nach 10 bis 15 Minuten ist schon ?/, von der ein- 
geführten Gesamtmenge resorbiert. Er betont aber interessanter- 
weise, daß noch nach 1 Stunde immerhin ein kleiner Rest von 
CO, übrig bleibt, ein Rest, der entweder außerordentlich lang- 
sam oder überhaupt nicht resorbiert wird. 

Zuletzt wäre noch zu erwähnen, daß Quest*), der haupt- 
sächlich mit den Flatusgasen der Säuglinge sich beschäftigt hat, 
auch einmal bei einem Kinde die Magengase untersuchte Er 
hat einen Versuch ausgeführt, indem er einem Kinde 150 ccm 
Zimmerluft mittels Woulfscher Flasche einführte und nach 
20 Minuten 120 ccm ausheberte. Die Zusammensetzung der 
Magengase zeigte einen CO,-Gehalt von 4,03°/, und einen 0,- 
Gehalt von 17,82°/,. Weil sich nun die gefundene CO. Menge 
zu der im Magen verschwundenen O,-Menge annähernd wie 
2:1 verhielt, so glaubte er, daB dieses Verhältnis auf irgend- 


1) Leo, Über den gasförmigen Mageninhalt bei Kindern im Säug- 
lingsalter. Zeitschr. f. klin. Med. 41, 108, 1900. 

2) Loening, Das Verhalten der Kohlensäure im Magen. Zeitschr. 
f. klin. Med. 56, 26, 1905. 

3) s. Anmerk. ?) auf S. 275. 
4 Quest, Untersuchungen über Darmgase bei Säuglingen mit Tym- 
panites. Jahrb. f. Kinderheilk. 59, 293, 1904. 


Magenatmung beim Menschen. 277 


eine Weise bei Resorption der Gase aus dem Magen-Darm- 
kanal immer konstant wäre, eine Vermutung, die, wie erwähnt, 
schon früher von Planer?) ausgesprochen wurde. 

Dies wäre so schließlich alles, was man über die Magen- 
gase weiB?), Um nun einen genaueren Einblick in die Resorp- 
tions- und Diffusionsverhältnisse verschiedener Gase im mensch- 
lichen Magen zu bekommen, habe ich zunächst folgenden Weg 
eingeschlagen: Ich ging von dem Gedanken aus, daß die CO, 
des nüchternen Magens in erster Linie durch Diffusionsvorgänge 
aus dem Blute stammen sollte. Die oben erwähnte Konstanz 
des CO,-Gehaltes im Magen der luftschluckenden Säuglinge gab 
ja einen Hinweis, daß die Ursprungsquelle der CO, in erster 
Linie in den Blutgasen, die bekanntlich ihrerseits konstante 
Zusammensetzung besitzen, zu suchen wäre. Damit war für 
mich der Weg gegeben, um den Beweis eines möglichen Ab- 
hängigkeitsverhältnisses zwischen den Magengasen und den Blut- 
gasen zu erbringen. Ich mußte demzufolge die Zusammen- 
setzung der Blut- und der Magengase gleichzeitig bestimmen. 
Nun weiß man aber, daß die Alveolargase im Gleichgewicht mit 
den Blutgasen stehen. Ich konnte folglich meine Aufgabe dadurch 
lösen, daß ich gleichzeitig Alveolar- und Magengase analysierte. 


Methode. 

Zur Bestimmung der Alveolargase benutzte ich die Methode 
von Haldane und Priestley. Ihr Verfahren besteht darin, 
daß man durch einen etwa 1!/, m langen Gummischlauch mit 
einem gläsernen Mundstück von ca. 25 mm Lichtung ausatmet. 
An dem Mundstück ist ein kleines seitliches Capillarrohr be- 
festigt, das im Zusammenhang mit einer mit Quecksilber ge- 
füllten Gasbürette steht. Die Gasentnahme selbst geschieht 
dadurch, daß man zuerst bei geschlossener Nase eine möglichst 
tiefe Exspiration macht, dann das Mundstück mit der Zunge 
schließt und eine Probe von dem letzten Teil der Exspirations- 

2) S. Anmerk. d auf S. 274. 

SE die Behauptung von Federn (Münch. med. Wochenschr. 
1916, S. 1820) auf meine vorläufige Mitteilung (Münch. med. Wochenschr. 
1616, S. 1650), daß er die Magenrespiration beim Menschen bereits vor 
mir durch rein äußerliche „Beobachtung“ und „Perkussion“ des 
Magens nachgewiesen hätte, ändert hieran nichts. Die Federnsche Ar- 
beit (Über Tuberkulose, siehe Wien. klin. Wochenschr. 1914, S. 1291), 


worauf er seine Behauptung stützt, hat außer dem Wort Magenrespiration 
nichts Gemeinsames mit der Magenatmung, wie sie hier aufgefaßt wird. 


278 A. Ylppö: 


luft durch Senken des Quecksilbers in die Gasbürette bringt. 
[Siehe Genaueres über die Methode bei Barcroft?)?).] 

Die Untersuchungen der Magengase verliefen folgender- 
maßen: In den nüchternen Magen wurden morgens früh, ca. 
14 bis 18 Stunden nach der letzten Mahlzeit, verschiedene 
Mengen (700 bis 1100 ccm) von Gasen (Zimmerluft, O,, CO,) 
eingeführt. Der Vorgang bei der Magenfüllung wird durch die 
nebenstehende Skizze ver- 
anschaulicht. 

Die Gase wurden 
durch Wasserdruck lang- 
sam in den Magen ge- 
preßt. Nach der Ein- 
führung von ca. 700 bis 
1100 eem fühlte ich eine 
gewisse Spannung und 
einen leichten Druck in 
der Magengegend; ich 
hörte dann mit der Ein- 
führung auf. Die Magen- 
sonde wurde rasch heraus- 
gezogen, danach verrich- 
tete ich teils klinische, 
teils Laboratoriumsarbei- 
ten und entnahm die Gas- 

Fig. 1. proben in Abständen von 

15 Minuten bis 2 Stunden 

nach der Einführung. Zur Entnahme der Magengase benutzte ich 
denselben ca. 1 cm dicken Magenschlauch wie eingangs be- 
schrieben. Derselbe wurde vor dem Einführen mit Wasser ge- 
füllt und mit einer Klemme verschlossen in den Magen ge- 





1) Barcroft, The respiratory function of the blood. Cambridge 
1914 (Monographie). Daselbst S. 309. 

?) Um die Luftproben immer zu gleichem Zeitpunkt am Ende des 
Exspiriums entnehmen zu können, bedarf es einer gewissen Übung. Ich 
überwand in einiger Zeit diese methodischen Schwierigkeiten und bekam 
gut übereinstimmende Werte. Diese sind, da ich keine Luftproben am 
Ende des Inspiriums analysiert habe, demnach eigentlich als Höchst- 
werte für CO, zu betrachten. 


Magenatmung beim Menschen. 279 


führt!) Nachher wurde die Klemme geöffnet, das Wasser mittels 
Bauchpresse aus dem Schlauch in ein Schälchen unter Wasser 
herausgepreßt, bis zum Erscheinen der ersten Gasblasen. Dann 
wurde der Hahn geschlossen, der Schlauch direkt an eine mit 
Quecksilber gefüllte Gasbürette angeschlossen und durch lang- 
sames Senken des Quecksilbers die Gasprobe aus dem Magen 
entnommen. Alle Analysen wurden im Haldaneschen Gas- 
analysen-Apparat ausgeführt. Bestimmt wurden CO, und O,; 
die erstere mittels 20°/,iger Kalilauge, die letztere mittels 
10°/ ,igem Pyrogallol in stark konzentrierter Kalilauge (200 Kali- 
lauge, 100 Wasser). Es wurden überall Doppelanalysen gemacht. 
Durch diese „trockene“ Gasentnahmie wurde jeglicher Ver- 
lust von CO, vermieden, im Gegensatz zu den „nassen“ Me- 
thoden, bei denen die Gase über Wasser aufgefangen werden. 
Dies letztere Verfahren führt ja wegen der großen Löslichkeit 
der CO, im Wasser leicht zu größeren Fehlern. Die größten 
Schwierigkeiten der Methode sind folgende: Nach der Gasfüllung 
des Magens muß man sich peinlich vor Schluckbewegungen 
hüten, durch die frische Luft in den Magen kommen könnte. 
Und fernerhin muß man bei Einführen der Sonde zum Zwecke 
der Gasentnahmen jegliches Schlucken möglichst-unterdrücken 
und den Schlauch möglichst nur durch Drücken in den Magen 
einführen, um den Zufluß von frischer Luft zu vermeiden, Es 
dauert eine gewisse Zeit, bis man diese Schwierigkeiten zu über- 
winden lernt. Aus diesem Grunde, und weil das wiederholte 
Schlucken eines Magenschlauches manchem sowieso nicht an- 
genehm ist, habe ich meine Versuche auf mich selbst beschränken 
müssen. Diesen Nachteil habe ich durch um so zahlreichere 
Bestimmungen einigermaßen aufzuheben versucht. 


Versuche mit Zimmerluft. 


Die ersten Versuche habe ich mit Zimmerluft angestellt. 
In den nüchternen Magen führte ich von dieser ca. 750 ccm ein 


1) Die Länge des eingeführten Schlauches, von der Zahnreihe ge- 
messen, betrug jedesmal 40 om. Dann reichte die Spitze des Schlauches 
mit den beiden ovalen Öffnungen einige Zentimeter in den Fundusteil 
des Magens hinein (siehe die Skizze), wie ich es röntgenologisch fest- 
stellen konnte. Bekanntlich sammeln sich die letzten Gasreste immer 
an dem obersten T3il des Magens. Um sie auffangen zu können, ist dies 
Verfahren unbedingt nötig. 


280 A. Ylppö: 


und entnahm in verschiedenen Zeitabständen, wie aus der 
folgenden Tabelle I genauer ersichtlich, kleinere Gasproben aus 
dem Magen. Dabei stellte sich heraus, daß die CO, schon in 
kurzer Zeit in beträchtlichen Mengen, 2 bis 3%/,, vorhanden 
war. Nach 40 bis 60 Minuten trat dann eine gewisse Kon- 
stanz auf, bei der die einzelnen CO,-Werte zwischen 4 und 5°|, 
schwankten. Bei den späteren Gasproben, soweit überhaupt 
noch Gas im Magen vorhanden war, fand ich meistens wieder 
den gleichen Wert; nur bisweilen war der Prozentgehalt der 
CO, niedriger als 4°/,, was aber aller Wahrscheinlichkeit nach 
darauf zurückzuführen ist, daß bei der Einführung des Magen- 
schlauches trotz aller Vorsichtsmaßregeln doch kleinere Mengen 
Luft mit hineingedrungen waren, die aber genügten, um die 
noch im Magen vorhandene geringe Menge Gas in seinem CO,- 
Gehalt herabzusetzen. Als mittlere Zahl des CO,-Gehaltes nach 
ca. 40 bis 60 Minuten ergab sich 4,4°/,, für den O,-Gehalt der 
gleichen Gasproben 15,9%/,. Die eingeführte Luft, die 0,2 bis 
0,3°/, CO, und 20 bis 21°/, O, enthielt, hat also im Magen 
eine ganz andere, aber ziemlich konstante Zusammensetzung an- 
genommen; eine Zusammensetzung, die, wie die obigen Zahlen 
zeigen, der für die Gase der Alveolarluft beim Menschen an- 
nähernd gleicht. Und die gleichzeitig bei mir ausgeführten 
Alveolargas-Analysen ergaben auch dementsprechend bei ver- 
schiedenen Analysen, an allen Versuchstagen, für CO, im Mittel 
4,8°/, und für O, 15,6%/,. Diese Zahlen und ihr konstantes 
Auftreten beweisen meiner Meinung nach zur Genüge, daß es 
sich hier nicht um gassekretorische Tätigkeit der Magen- 
schleimhaut [Schierbeck?)?)], auch nicht um zufälliges Hin- 
eindringen von Darmgasen handeln kann, sondern daß sie 
nur so zu erklären sind, daß im Magen ein Gasaustausch zwi- 
schen Blutgasen und den in den Magen eingeführten Gasen 
‘etwa in ähnlicher Weise stattfindet, wie in der Lunge. Das 
Gleichgewicht der Magengase mit den Blutgasen spricht 
demnach eindeutig dafür, daß der Gasaustausch im Magen ein- 
fach durch Diffusionsvorgänge vor sich geht. Nach diesem 
‚Ergebnis möchte ich noch nebenbei darauf hinweisen, daß man 


1) Siehe Anmerk. 3) auf S. 275. f 
1 Siehe Anmerk. *) auf S. 275. 


Magenatmung beim Menschen. 281 


in diesen einen weiteren Beitrag für die Loewy-Zuntzsche') 
Anschauung erblicken kann, nach der der Gasaustausch in der 
Lunge lediglich durch Diffusionsvorgänge erfolgt, dies gegen- 
über der von Bohr?) lebhaft angefochtenen Behauptung, daß 
der Gasaustausch der Lunge auf bestimmte Sekretionsvorgänge 
der Alveolarzellen zurückzuführen wäre. 

Führt man nun Luft in den menschlichen Magen-Darm- 
kanal, so verschwindet aus derselben O,, während dieselbe mit 
CO, angereichert wird. Der Stickstoff aber ist als Gas im all- 
gemeinen an den Verbrennungsvorgängen nicht beteiligt. Es 
ist demnach anzunehmen, daß derselbe aus dem Magen-Darm- 
traktus unverändert wieder ausgeschieden wird. Ich habe die 
Veränderungen des N, des weiteren analytisch nicht festgestellt, 
an der Hand meiner Selbstversuche beobachtete ich aber nach 
jedem Versuch mit Zimmerluft, beginnend ca. 2 Stunden nach 
der Einführung, eine ziemlich starke Flatulenz, die 2 bis 3 
Stunden andauerte. Dies spricht dafür, daß N, als toter Bal- 
last den Körper in viel kürzerer Zeit verläßt, als man im all- 
gemeinen von der Durchgangspassage der Gase im Darmkanal 
angenommen hat. Breslau?) z. B. hat angenommen, daß die 
Darmgase 12 Stunden benötigen, um bei Neugeborenen den 
ganzen Darmkanal zu passieren. 


Versuche mit CO. 


Diese Versuche geben einen weiteren Beitrag dafür, daß 
das Vorhandensein der CO, im Magen auf Diffusionsvorgänge 
und nicht auf sekretorische Tätigkeit der Magenschleimhaut 
zurückzuführen ist. Ich führte in meinen Magen reine CO,, 
die aus dem Kippschen Apparat direkt in das Gasreservoir 
geleitet worden war, und die einen CO,-Gehalt von 94 bis 98°/, 
zeigte. Die eingeführten Mengen betrugen, wie aus der Ta- 
belle II ersichtlich, ca. 700 bis 1050 ccm. Die Gasproben, die 


1) Loewy: Die Gase des Körpers und der Gaswechsel. I. Die Gase 
des Körpers. Handbuch d. Biochem. des Menschen u. d. Tiere. (Oppen- 
heimer.) 4, 1. Teil, 10, 1911. 

2) Siehe Anmerk. °) auf S. 274. 

2) Breslau, Über Entstehung und Bedeutung der Darmgase beim 
neugeborenen Kinde. Monatsschr. f. Geburtek. 28, 1, 1866, 


A. Ylppö: 


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284 A. Ylppö: 


nach ca. 1 Stunde aus dem Magen entnommen wurden, zeig- 
ten mit Ausnahme von einer einzigen Bestimmung (Versuch 38) 
konstant Werte zwischen ca. 4,4 bis 5,2°/,; mit Berücksich- 
tigung des Ausnahmeresultates war der Durchschnittswert 5,3°/, 
CO,. Und diesem gegenüber ergab der CO,-Gehalt der Alveo- 
larluft den Durchschnittswert von 4,9%/, CO,. Also hier hatte 
die CO, aus dem Magen hinausdiffundiert und hatte sich 
auch in ca. 1 Stunde annáhernd ins Gleichgewicht mit 
den Blutgasen gesetzt. Gleichzeitig war wiederum 
O, aus dem Blute in den Magen hineindiffundiert, und 
der O,-Gehalt resp. die Spannung im Magen entsprach 
annähernd dem des Blutes. 

Als interessante Beobachtung in diesen Versuchen möchte 
ich zunächst erwähnen, daß ich keinen nennenswerten Ructus 
hatte, wie er nach dem Trinken von CO,-haltigen Wässern be- 
kannt ist. CO, an und für sich scheint den Ructus auch nicht 
in stärkster Konzentration hervorzurufen; ob seine Entstehung 
auf die heftige Entwicklung der freien CO, in der Magenwärme 
und dadurch entstehende plötzliche Spannung der Magenwand 
oder auf Reiz der kalten Flüssigkeit auf die Contraction der 
Magenmuskulatur beruht, vermag ich nicht zu entscheiden, son- 
dern will hier nur die Tatsache feststellen. 

Dagegen hatte ich während dieser und anderer Versuche 
unter ziemlich hochgradiger Salivation zu leiden, ferner, was 
besonders interessant ist, blieb bei diesen Versuchen jegliche 
Flatulenz aus. Die CO, wurde demnach restlos durch 
die Lunge ausgeschieden. Hierbei kam es jedoch nicht 
zu einer Steigerung des CO,-Gehaltes in der Alveolarluft, wie 
man zunächst vielleicht hätte annehmen können, sondern dieser 
Extrazugang verteilte sich auf so große Mengen von Exspira- 
tionsluft, daß eine feststellbare Anreicherung nicht auftreten 
konnte. Nebenbei sei noch erwähnt, daß der Puls eine Be- 
schleunigung von 64 bis 84 unmittelbar nach Einführung der 
CO, in den Magen zeigte, auch machte sich ein leichtes Schwindel- 
gefühl nach den zwei ersten Versuchen bemerkbar, das später- 
hin nicht mehr auftrat. 





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286 A. Ylppö: 


Versuche mit 0,. 

Der O,, der in diesen Versuchen benutzt wurde, war aus 
O,-Bomben entnommen und enthielt 90 bis 97,2%, O,. Von 
demselben wurden wieder Mengen von 700 bis 1100 ccm auf 
einmal, oft zweimal im Verlaufe des Vormittags in den nüch- 
ternen Magen eingeführt. In diesen Versuchen zeigte sich, 
daß O, aus dem Magen auch allmählich verschwindet. Führte 
ich nur ca. 700 ccm ein, so war nach ca. einer Stunde der 
mittlere O,-Gehalt der Magengase nur noch 24,2°/,, 
also ziemlich nahe dem in den Alveolargasen gefun- 
denen Werte für O, Bei Einführung von 1000 ccm und 
mehr war aber der O,-Gehalt der Magengase nach ca. 1 Stunde 
noch bedeutend höher, die Diffusion hatte also noch nicht 
ausgereicht, um in diesen größeren Mengen ein Gleichgewicht 
mit den Alveolargasen hervorzurufen. Der O,-Gehalt der Al- 
veolargase in den Proben, die während dieser Versuche ent- 
nommen wurden, war etwas größer als in den vorangegangenen 
Versuchsserien. Ob dies irgendwie im Zusammenhang mit der 
O,-Einführung in den Magen steht, lasse ich dahingestellt. Aus 
der bei CO, besprochenen Überlegung heraus scheint es mir 
aber nicht wahrscheinlich. 

Irgendwelche Störungen des Allgemeinbefindens, auch be- 
sondere Veränderungen bezüglich der Pulszahl während dieser 
O,-Versuche konnte ich nicht beobachten. Was die Flatulenz 
betrifft, so fehlte sie bei Versuchen mit nur 700 ccm 
völlig, bei Versuchen mit größeren Mengen oder in den wie- 
derholten Versuchen mit 700 ccm im Verlaufe eines Vor- 
mittags trat sie im. mäßigen Grade auf, aber doch lange 
nicht so intensiv wie nach Einführung von Zimmerluft. Dieser 
letztere Umstand ist auch erklárlich, wenn man bedenkt, daß 
wegen des im Blute herrschenden O,-Partialdruckes von dem 
in den Magen-Darmkanal eingefiihrten O, nur so viel aufge- 
nommen werden kann, bis diese Spannungsdifferenz ausgeglichen, 
d. h. bis der O,-Gehalt der Magen-Darmgase bis zu ca. 15%, 
herabgegangen ist. Hatte ich demnach im Verlaufe des Vor- 
mittags z. B. insgesamt 2000 ccm O, in den Magen eingeführt, so 
müßten nach dieser Berechnung ca. 300 ccm .unresorbiert im 
Darmkanal zunächst verbleiben, um sich später als Flatus zu ent- 
leeren. Das letztere schien bei mir binnen kurzem zu geschehen. 


Magenatmung beim Menschen. 287 


Die Versuchsanordnung bot nun keinen sicheren Anhalt 
dafür, ein wie großer Teil von den eingeführten Gasen im Magen 
selbst aufgenommen wurde. Dies aus dem Grunde, weil der 
Weg nach dem Pylorus zu offen war, und ein Teil der Gase 
sich während des Versuches nach dem Darm entleeren konnte. 
Dies ließe sich nur durch Tierversuche feststellen, wozu mir 
aber während des Krieges keine Gelegenheit gegeben ist. 

Aus allem Vorangegangenen ist somit feststehend, daß die 
Resorption der Gase aus dem Magen im Grunde durch physikali- 
sche Kräfte und Gesetze geregelt wird. Und hiermit zeigt sich 
ein Weg, um einen annähernden Überblick über die im Magen 
resorbierten Mengen von O, und CO, zu bekommen. 

Nehmen wir zuerst die Resorption von CO,. Wenn ich 
versuche, die Mengenverhältnisse hierbei durch Berechnung fest- 
zustellen, so muß ich vorausschicken, daß man mit viel Nähe- 
rungswerten und mit vielen Vermutungen rechnen muß, die 
bei Beurteilung des Resultates nicht vergessen werden dürfen. 


Die diffundierende Gasmenge läßt sich nach folgender Formel be- 


rechnen: 
_ L-((P,—e)—Pn:e. 


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Diese Formel gibt an, wieviel Kubikzentimeter Gas in 1 Minute durch 
eine 1 gem große Fläche und 1 mm dicke Flüssigkeitsschicht hindurch- 
diffundiert [siehe Loewy?) Le S. 104]. 


L = Absorptionskoeffizient bei 37° für CO,. .= 0,57 
(aus Loewyschen Zahlen [l. o. S. 103] 
durch Interpolation berechnet). 
m == Molekulargewicht ........ . = 44,0 
P; = Anfangs-CO,-Spannung für 1009/, co, . . . = 760,0 mm Hg 
e — Wasserdampftension bei 37% . . . . . .= 46,6 mm Hg 
Py, = CO,-Spannung in den Magenvenen. . . «= 40,0 mm Hg 
c = Diffusionsfaktor für die Lunge . . « . .= 0,139 


[Dieser Wert von Loewy und Zuntz’ 
für das Lungengewebe, einerlei ob lebend 
oder tot, mit Säuren oder Alkalien be- 
handelt, gefunden. Nach ihnen hängt die- 
ser Wert mit der lipoiden Membran der 
Zellen zusammen, womit auch die Zellen 
der Magenschleimhaut versehen sind.] 


1) Loewy, s. Anmerk. !) auf S. 281. 
2!) Derselbe, ebenda. 


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Magenatmung beim Menschen. 


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Biochemische Zeitschrift Band 78. 


290 A. Ylppö: 


d = Dicke der Gewebsschicht, hier gleich Dicke 
der Zellen der Magenschleimhaut . . . .= 0,01 

[Dieser Wert ist von Koellikerschen?) 

Angaben [l. c. S. 159] abgeleitet, wonach 

die Belegzellen den größeren Durchmesser 

von 13 bis 22 u haben, während andere 

Drüsenzellen kleiner sind; deshalb der 

Durchschnittswert = 10 u = 0,01 mm. 

Weil nun die Anordnung der Gefäße der 

Magenschleimhaut nach Koelliker?) 

eine solche ist, daB sie die Drisenzellen 

direkt umweben, so ist der Weg für die Dif- 

fusion in der Dicke der Zellen zu suchen.] 
Setzen wir die obigen Werte ein, so erhalten wir: 

v=0,88 ccm CO, pro Minute pro 1 qcm Magenwand. 
Nach Einführung der Luft in den Magen nimmt derselbe eine Form an, 
die am einfachsten mit einer Kugel zu vergleichen wäre. Die Berech- 
nung der Oberfläche dieser Kugel von 1000 ccm Rauminhalt kann mit 
Hilfe folgender Gleichung ausgerechnet werden: 
l d. BS. 
3 

Hiernach beträgt die Oberfläche einer solchen Kugel = 490,6 gem oder 
rund 500 qcm. 

Die resorbierende Oberfläche des mit 1000 ocm gefüllten Magens 
würde, wenn die Schleimhaut des Magens als eine glatte Wand zu be- 
trachten wäre, 500 qcm ausmachen. In den folgenden Berechnungen 
wird dieser Wert, der die Schleimhautfalten unberücksichtigt läßt und 
deswegen als Minimalwert zu betrachten ist, für die Magenoberfläche 
angenommen. 

Damit würden in 1 Minute durch die Magenwand 500.0,88 = 
440 ocm CO, diffundieren, und in 1 Stunde 60 mal mehr = 
26400 eem CO,. Bei der Diffusion sinkt aber die Spannungsdifferenz 
der CO, im Magen und im Blute allmählich auf Null, wonach zum 
Schluß die pro Zeiteinheit diffundierende Menge auch = Null ist. Tat- 
sächlich diffundiert aber deshalb im Mittel nur ca. die Hälfte der obigen 
Menge pro Stunde durch die Magenschleimhaut und folglich: 


13200 ocm CO, pro Stunde duroh die Gesamt-Magenwand. 


Dieselbe Rechnungsweise ist auch für die Resorption des 
O, durch die Magenwand anzuwenden, nur sind in der obigen Formel 
für die Diffusionsgeschwindigkeit die Werte für die einzelnen Faktoren 
andere, und zwar: 


= 1000 ocm; 





1) Koelliker, Handb. d. Gewebelehre des Menschen. 6. Auf. 8, 
1899 (Leipzig). 
%) Derselbe, ebenda S. 169. 


Magenatmung beim Menschen. 291 


= Q, bei 37° ............ = 0,0239, 
m = 100%, iger Os ........... = 32,0, 
Pr = O, ee EL o oa oo ooo oo = 760,0 mm Hg, 
e = wie oben, 
Pir = 0,-Spannung in den Magenarterien = 100,0 mm Hg, 
c = wie oben ....... ai 0,199: 
d = wie oben ............ = 0,01 mm Hg. 


Setzen wir diese Werte in die Formel ein, so erhalten wir: 
y = 0,0462 ccm O, pro Minute 1 qom Magenwand, 
daher 0,0462.60.500 = 1392 pro Stunde durch die Magenwand. Wegen 
des Spannungsabfalles während der Diffusion ist dieser Wert wie oben 
noch zu halbieren, womit als Endwert 696 ccm = rund 700 ccm pro 
Stunde O, durch die Magenwand resultiert. 

Es stellt sich demnach heraus, daß die resorbierte CO,- 
Menge bedeutend größer ist als die resorbierte O,-Menge, und 
zwar rund 20mal größer. Dieses Resultat steht ja in guter 
Übereinstimmung mit meinen Beobachtungen während der Ver- 
suche. Hat doch da die eingeführte CO, sich bedeutend rascher 
in annäherndes Gleichgewicht mit den Blutgasen gestellt. An- 
_dererseits ist es interessant, daß hier rechnerisch für die Re- 
sorption im Magen pro Stunde eine Zahl herauskommt, die 
übereinstimmt mit der O,-Menge, die im Versuche innerhalb 
einer Stunde aus dem Magen verschwunden war. Rechnerisch 
hätte also diese ganze Menge einfach durch die Magenwand 
aus dem Magen verschwinden können, ohne daß ein Teil sich 
hätte in den Darm entleeren müssen, wie es in meinen Ver- 
suchen teils der Fall gewesen ist. 

Die große Resorbierbarkeit der CO, im Magen-Darmkanal, 
die aus den Versuchen und aus dieser Berechnungsweise zur 
Genüge hervorgeht, ist für die Frage über die Entstehung 
des Meteorismus von großem Interesse. Sie zeigt, daß eine 
wenn auch noch so hochgradige Vermehrung der CO, im Darm- 
kanal keinen Meteorismus hervorrufen kann, wenn die Resorp- 
tion normalerweise vor sich geht. Für die Entstehung des 
Meteorismus müssen demnach andere, nicht oder schwer resor- 
bierbare Gase (H,, CH,) oder eine Behinderung der CO,-Re- 
sorption in Frage kommen. Kan Kato!) hat auch im Ex- 
periment am Kaninchen nachgewiesen, daß die Unterbindung 
der Vena portae zu einer Behinderung der Gasresorption in 


1) Kan Kato, Über Gasresorption im Darm. Intern. Beitr. z. 
Pathol. u. Therapie d. Ernährungsstörungen 1, 315, 1910. 
| 19* 


292 A. Ylppö: 


einer isolierten Darmschlinge führt und hierdurch den Wert 
der Zirkulationsstörungen für die Entstehung des Meteorismus 
schon hervorgehoben. Hiermit ist aber die Entstehung des 
Meteorismus noch lange nicht geklärt. 

Die O,-Menge, die durch die Magenwand allein resorbiert 
werden kann, ist im Verhältnis zur CO, gewiß klein, nehmen 
wir aber einen anderen und für den Körperhaushalt wichtigeren 
Vergleichsmaßstab dafür, so sehen wir, daß sie auch ihre Be- 
deutung haben kann. Durch die Magenwand diffundieren nach 
der obigen Berechnung pro Minute ca. 12 com O,, und wenn 
wir bedenken, daß der Mensch in der Ruhe nur ca. 250 com O, 
verbraucht, so ergibt sich, daß der Magen allein den O,-Bedarf 
des Körpers bis 5°/, decken kann. Nun haben wir aber allen 
Grund anzunehmen, daß die Schleimhaut des Darmes bezüglich 
der Diffussion des O, sich in ähnlicher Weise verhält wie die 
des Magens, wenigstens in den gefäßreicheren Partien, in denen 
auch Nahrungsresorption vor sich geht. Demnach kann sicher- 
lich durch den gesamten Magen-Darmkanal bedeutend mehr O, 
als die obigen 5°/, des Ruhebedarfs von O, ins Blut übernommen 
und durch diese Magen-Darmatmung die Lungenatmung gewisser- 
maßen ergänzt werden. Normalerweise kommt ja die Darmatmung 
zu keiner praktischen Bedeutung, weil die Lunge in überreich- 
lichem Maße den O,-Bedarf und die CO,-Elimination des Körpers 
decken kann. Ist aber die Lungenatmung aus irgendwelchem 
Grunde stark herabgesetzt oder unmöglich geworden, so liegt es 
nach dem Vorhergesagten nahe, diesen drohenden O,-Manyel des 
Körpers durch Inanspruchnahme der Darmatmung auszugleichen. 
Von dieser Überlegung heraus habe ich bereits bei asphykti- 
schen Frühgeburten, bei denen die Lungenatmung in den ersten 
Tagen in bedrohlicher Weise oft aussetzte, während die Zirku- 
lation keine besonderen Störungen aufwies, durch wiederholte 
Einführung von kleinen O,-Mengen mitteis Nelatonkatheters 
den O,-Mangel zu bekämpfen versucht. Weiterhin auch in einigen 
Fällen von Croup und auch von diffuser Capillarbronchitis, bei 
denen die O,-Aufnahme durch Schwellung der Larynxschleimhaut 
resp. durch die stark mit Schleim verstopften Alveolen außer- 
ordentlich behindert war. Ich beschränke mich auf diesen Hin- 
weis und hoffe hierdurch eine Anregung für diese Form der 
O,-Therapie in der Klinik gegeben zu haben. 


Magenatmung beim Menschen. 293 


Zusammenfassung. 


In Selbstversuchen, in denen in den nüchternen 
Magen 700 bis 1100 ccm Zimmerluft oder O,, oder CO, 
eingeführt wurden, wurde festgestellt, daß die einge- 
führten Gase in verhältnismäßig kurzer Zeit mit den 
Blutgasen in annäherndes Gleichgewicht treten. Der 
Beweis dafür wurde durch gleichzeitige Bestimmung der Al- 
veolar- und Magengase erbracht. Zum Beispiel bei Einführung 
von Luft ergaben sich folgende Mittelwerte: 


co, 0, 
d, Jon Hei “o [mm Hg 





Ca. 1 Std. nach der Ein- Magengase 1134 
führung der Luft Alveolar 1112 
gleichzeitig untersucht. gase. . , 


Die Spannung ist für Luftdruck 760 mm Hg nach Abzug der Wasser- 
dampftension 46,6 mm Hg bei 37° berechnet. 

In Versuchen mit CO, (94 bis 98°/,) und O, (90 bis 97,2°/,) 
wurde nachgewiesen, daß die CO, bedeutend rascher als 
der O, soweit durch die Magenwand diffundiert resp. 
resorbiert wird, bis das erwähnte Gleichgewicht eingetreten 
ist. Nach Einführung von Luft wurde im Zeitraum von 
der 2. bis 5. Stunde nach dem Versuche eine beträchtliche 
Flatulenz beobachtet; dieselbe fehlte bei CO,-Einfuhr 
vollständig, ebenso beim Einführen von nur `700 ccm 
O,, während sie bei Einfuhr von größeren Mengen O, in leich- 
terem Grade vorhanden war. 

Dieses Verhalten des Flatus beruht auf dem Übergang 
der eingeführten CO, und des O, aus dem Magen-Darmkanal 
ins Blut und steht in gewissem Einklang mit den Zahlenwerten, 
die man für die CO,- und O,-Diffusion aus den physikalischen 
Diffusionsgesetzen ableiten kann. Nach denselben Gesetzen 
würde resultieren, daß durch die Magen-Darmwand gar nicht 
so geringe Mengen O,, durch die Magenwand allein unter be- 
stimmten Voraussetzungen ca. 5°/, des Ruhebedarfs des Körpers, 
aufgenommen werden können. Dieses letztere Ergebnis wurde 
auch in der Praxis zu erproben versucht, indem man bei 
schwersten Störungen der Lungenatmung O, in den Magen 
einführte! 


Zur Frage der Oxydationswirkungen von Hefen. 
Von 
E. Färber. 


(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie, Chemische, 
Abteilung, in Berlin-Dahlem.) 


(Eingegangen am 28. Oktober 1916.) 


Wie Neuberg?) und seine Mitarbeiter in den letzten Jahren 
gezeigt haben, besitzen Hefen die biologisch allgemein inter- 
essante Fähigkeit, Reduktionen zu bewirken. Dieses Reduk- 
tionsvermögen der Hefe tritt zutage bei der Überführung von 
Aldehyden in Alkohole, von Thioaldehyden in Mercaptane, von 
Disulfiden in Sulfhydrate, von Nitrokörpern und Nitrosover- 
bindungen in Amine usw. Sowohl Vertreter der aliphatischen 
wie der aromatischen Reihe unterliegen dieser phytochemischen 
Reduktion. Der Mechanismus dieser Hydrierungen ist noch nicht 
völlig geklärt. Woher der zur Reduktion der Nitro- und Ni- 
trosoverbindungen dienende Wasserstoff stammt, ist unbekannt, 
und für die Umwandlung der Aldehyde in Alkohole steht so 
viel fest, daß sie nicht nach dem Schema der Cannizzaro- 
schen Reaktion erfolgt; denn hiergegen sprechen schon einfach 
die Ausbeuten, die höher an Reduktionsprodukt sind, als der 
Gleichung: 

2R.COH + H,O = R.COOH + R.CH,OH 
entspricht. 

Immerbin haben sich in manchen Fällen Anhaltspunkte 
für die Entstehung kleiner Mengen Säuren bei der Einwirkung 
von Hefen auf Aldehyde ergeben (vgl. die Mitteilungen von 
Neuberg und Mitarbeitern über das Verhalten der Aldehyde 
zu Hefen). Da nun überhaupt wenig über Oxydationsleistungen 
der Hefe bekannt ist, habe ich die hauptsächlich hierüber vor- 
liegende Angabe nachgeprüft. 


1) C. Neuberg und Mitarbeiter, diese Zeitschr. 1912 bis 1915. 





E. Färber: Zur Frage der Oxydationswirkungen von Hefen. 295 


Vor 13 Jahren hat R. O. Herzog?) in einer vorläufigen 
Mitteilung angegeben, daß Salicylalkohol bei der Digestion mit 
Hefe zu Salicylsäure oxydiert wird, daß in ähnlicher Weise Thy- 
mol in eine Säure übergeht und daß Cymol eine merkwürdige 
Umwandlung zu einer stickstoffhaltigen Substanz erfährt. Da 
der Autor in der vergangenen langen Zeit über die damals 
angekündigte Fortsetzung dieser Versuche meines Wissens nichts 
berichtet hat, so glaubte ich, ruhig die einzige genaue Angabe 
von Herzog, die Umwandlung von Salicylalkohol zu Salicyl- 
säure durch Hefe, nachprüfen zu dürfen. Die von dem Autor 
eingeschlagene Versuchsanordnung war folgende: 

„Die Versuche wurden stets so angestellt, daß ca. 21 gut 
gewaschener frischer Bierhefe mit ca. 10 g Substanz versetzt 
wurden und, wenn diese nicht selbst antiseptische Eigenschaften 
besaß, genügend Toluol zugesetzt. Dann wurde im Brutschrank 
(bei 38% 2 bis 3 Wochen oder bei Zimmertemperatur zirka die 
doppelte Zeit lang stehen gelassen. 

Die Verarbeitung gestaltete sich meist so, daß zunächst 
von dem abgesetzten Niederschlag abgegossen und filtriert 
wurde, dann wurde bis zur Koagulation erhitzt, wieder filtriert 
und hierauf zumeist mit Äther ausgeschüttelt oder im Extrak- 
tionsapparat mit Äther erschöpft.“ 

Dieselbe Arbeitsweise habe auch ich eingeschlagen mit dem 
einzigen Unterschiede, daß ich statt der schlecht definierten 
flüssigen Bierhefe Reinkulturen von Hefe benutzt habe, und 
zwar von untergäriger wie obergäriger. Zur Verwendung ge- 
langten die Hefe U sowie die Hefe OM des Instituts für 
Gärungsgewerbe in Berlin. 

Indem ich bezüglich der Einzelheiten auf einige nachstehend 
angeführten Versuchsprotokolle verweise, will ich vorweg an- 
geben, daß es mir in keinem Falle gelungen ist, eine Um- 
wandlung des Salicylalkohols (Saligenins) in Salicylsäure nach- 
zuweisen. Bemerken möchte ich noch dazu, daß die Hefe nach 
von P. Mayer?) mitgeteilten Erfahrungen keine Neigung be- 
sitzt, selbst Salicylaldehyd zu Salicylsäure zu oxydieren. 

Die einfachste Erklärung für meine abweichenden, aber mit 
einwandfreien Hefenarten erzielten Ergebnisse dürfte die sein, 


1) R. O. Herzog, Zeitschr. f. physiol. Chem. 87, 396, 1903. 
Paul Mayer, diese Zeitschr. 62, 461, 1914. 


296 E. Färber: Zur Frage der Oxydationswirkungen von Hefen. 


daß Herzog mit einem durch fremde Erreger verunreinigten 
Hefematerial gearbeitet hat, so daß seine Befunde nicht re- 
produzierbar sind. Unter diesen Umständen habe ich die Um- 
wandlungen von Thymol und Cymol, die der Verfasser in che- 
mischer Hinsicht selbst offen läßt, nicht erst nachgeprüft. 


Versuche. 


Versuch 1. 5 g Saligenin wurden in 1000 ccm Wasser 
gelöst und mit 100 g Hefe U + 10 ccm Toluol versetzt. Toluol 
wurde zugegeben, weil bei Vorversuchen ohne diesen Zusatz 
Fäulnis eingetreten war. 

Die Mischung wurde 2 Wochen bei 37° aufbewahrt. Dann 
wurde aufgekocht, klar filtriert und nach dem Alkalisieren mit 
Soda im Vakuum eingeengt. Der etwa 50 ccm betragende 
Rückstand wurde in einem kontinuierlich arbeitenden Ex- 
traktionsapparat mit Äther erschöpft. Aus dem Ätherauszuge 
schieden sich reichliche Mengen unveränderten Saligenins ab. 
Die Extraktion wurde fortgesetzt, bis der Verdunstungsrück- 
stand des Äthers mit Eisenchlorid keine Blaufärbung mehr er- 
gab. Nunmehr wurde die bei alkalischer Reaktion erschöpfte 
Lösung mit Schwefelsäure angesäuert und abermals im Perko- 
lator mit Äther behandelt. Es ging keine Spur Salicylsäure 
in den Ätherextrakt über. Zur Sicherheit wurde außerdem der 
saure Rückstand noch mit Wasserdampf destilliert. Das durch 
kleine Mengen flüchtiger Säuren sauer reagierende Destillat 
(1*/, 1) wurde mit Natronlauge versetzt und bei alkalischer 
Reaktion auf dem Wasserbade bis auf 30 ccm eingeengt; auch 
hier verlief die Prüfung mit Eisenchlorid auf Salicylsäure ne- 
gativ. 

Versuch 2. Ansatz genau wie bei 1, jedoch vierwöchent- 
liche Aufbewahrung bei Zimmertemperatur während der Mo- 
nate Juni—Juli. 

Versuch 3. Entsprechend mit Hefe OM; 14tägiger Auf- 
enthalt im Brutschrank bei 38°. 

Versuch 4. Ebenso mit Hefe OM; 8 Wochen bei Zim- 
mertemperatur während der Monate Juli— August. 

Bei keinem der Versuche war Salicylsäure entstanden. 


Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 
í Von 
Alfred Resch, Zürich. 


(Eingegangen am 13. November 1916.) 


In den neueren Arbeiten auf dem Gebiet der Gerinnungs- 
physiologie haben Herzfeld und Klinger!) versucht, tiefer 
in das biologische Geschehen des Gerinnungsvorganges ein- 
zudringen. Die beiden Autoren gingen von einer von Herz- 
feld?) neu aufgestellten Theorie aus, die darin gipfelt, daß als 
echte Eiweißkörper nur die durch Hitzekoagulation gewonnenen 
zu bezeichnen sind, während die in Lösung sich befindenden 
Proteine eine Mischung von kolloidalem Eiweiß und ihren 
Abbauprodukten darstellen, wobei den letzteren die Funktion 
zukommt, die einmal eingeleitete hydrolytische Spaltung der 
Eiweißkörper weiter zu unterhalten und den einmal erreichten 
kolloidalen Zustand der Proteine zu erhalten. Allerdings sind 
es nicht die Abbauprodukte als solche, denen diese Fähigkeit 
zukommt, sondern ihre komplexen Verbindungen mit NaCl. 
Indem sich das NaCl an die NH,-Gruppe anlagert, bildet sich 
eine Neutralsalzverbindung im Sinne Pfeiffers?). 

Auf Grund dieser Anschauung unterwarfen Herzfeld und 
Klinger die bei der Gerinnung einzeln beteiligten Kom- 
ponenten einer ausgedehnten experimentellen Prüfung. Dabei 
konnten sie zeigen, daß der Globulinkörper Fibrinogen als ein 


1) Herzfeld und Klinger, diese Zeitschr. 70, 391, 1915; 75, 145, 
1916. 
D Herzfeld, diese Zeitschr. 70, 262, 1915. 
2) Pfeiffer und e Modelski, Zeitschr. f. physiol. Chem. 81, 381, 
1912; 85, 1, 1913. — Pfeiffer und Wittka, Ber. 48, Heft 12, S. 1289, 
1915. , 


298 A. Resch: 


durch Eiweißabbauprodukte 4 NaCl in Lösung gehaltener 
Eiweißkörper aufzufassen ist. 

Im Gegensatz zu dieser NaCl-Salzverbindung stellt das 
Thrombin eine Verbindung von Eiweißabbauprodukten mit 
CaCl, dar. Diese besitzen für das Fibrinogen keine lösenden 
Eigenschaften, sondern sollen von diesem adsorbiert werden 
und dadurch seine Ausfällung als Fibrin bewirken. Überwiegen 
die NaCl-Verbindungen, so bleibt das Fibrinogen in Lösung, 
überwiegen die CaCl,-Verbindungen, so tritt Gerinnung ein. 

Die übrigen Komponenten der Gerinnung, das Serozym 
und Cytozym, sind an dem eigentlichen Gerinnungsvorgang 
nicht beteiligt, sondern haben für diesen eine vorbereitende 
Bedeutung, identisch den bisherigen Anschauungen. 

Herzfeld und Klinger sehen nun in dem Serozym die 
durch Hydrolyse des Serums gebildeten polypeptidartigen Ei- 
weißabbauprodukte, die ihrerseits durch Anlagerung von CaCl, 
das Thrombin bilden. Das Cytozym befördert die hydrolytische 
Spaltung, unterstützt somit die Bildung der zum Gerinnungs- 
prozeB nötigen Abbauprodukte. 

Diese in den erwähnten Arbeiten niedergelegten Vor- 
stellungen veranlaßten mich, auch vom physikalisch-chemischen 
Standpunkte aus das Problem experimentell anzugehen und 
durch Überführungsversuche bei bestimmter Wasserstoffionen- 
konzentration näheren Aufschluß über die elektrische Aufladung 
der einzelnen Gerinnungskomponenten zu erhalten. Es war 
nicht ausgeschlossen, auf diese Weise auch über deren chemi- 
schen Aufbau Näheres zu erfahren. 

Bekanntlich verhalten sich die Eiweißkörper und die ganze 
Skala ihrer hydrolytischen Abbauprodukte bis zu den Amino- 
säuren hinunter wie amphotere Elektrolyten. Auf Grund der 
NH,- und COOH-Gruppe treten sie in saurer Lösung als Base, 
in alkalischer Lösung als Säure auf. Ihre elektrische Ladung 
ist folglich je nach der vorhandenen Reaktion nicht nur 
quantitativ, sondern auch qualitativ variabel. In diesem Sinne 
interessiert uns besonders das Verhalten des kolloidalen Ei- 
weißes, denn in dem Thrombin haben wir nicht nur CaCl,- 
Verbindungen von tieferen Abbaustufen zu sehen, sondern 
neben Produkten weitgehender hydrolytischer Spaltung werden 
auch hochmolekulare, noch mit allen kolloiden Eigenschaften 


Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 299 


ausgestattete Verbindungen mit OaCl, in Reaktion treten. 
Ebenso liegen die Verhältnisse bei dem Fibrinogen. 

Wir wissen, daß entgegengesetzt geladene Kolloide sich 
gegenseitig ausfállen. Nicht alle im kolloidalen Zustand sich 
befindenden Stoffe gehorchen so weitgehend diesen elektrischen 
Gesetzen. Wenn der gesetzmäßige Ablauf elektrischer Erschei- 
nungen auch für die Suspensoide seine volle Gültigkeit besitzt, 
so lassen die Emulsionskolloide ein gewisses Hervortreten anders- 
artiger Vorgänge erkennen. Trotzdem lag die Vermutung nahe, 
daß bei dem Gerinnungsphänomen die elektrische Aufladung 
der kolloiden Eiweißmoleküle sowohl bei dem Thrombin wie 
auch dem Fibrinogen eine wesentliche Rolle spielt. _ 

Ferner ließ ich die Kataphorese bei verschiedenen Wasser- 
stoffionenkonzentrationen vor sich gehen, um darüber Aufschluß 
zu erhalten, wie sich Thrombin und Fibrinogen im Bereiche eines 
ev. vorhandenen isoelektrischen Punktes verhalten würden. 

Die in vorliegender Darstellung mitgeteilten Versuche er- 
strecken sich auf Thrombin und Fibrinogen. 


Technik. 


Zur Bestimmung der Wanderungsrichtung bediente ich 
mich des von Michaelis!) angegebenen Apparates, der ein 
Konstanthalten der einmal gegebenen Wasserstoffionenkonzen- 
tration ermöglicht. Außerdem besitzt er den Vorzug, daß durch 
die Depolarisation eine Änderung der Reaktion an den Elek- 
troden verhindert wird. 

Die Thrombinlösung wurde nach der Schmidtschen Methode 
gewonnen (Serum von spontan geronnenem frischen Blut ab- 
zentrifugiert, mit 20facher Menge 93°/,igem Alkohol versetzt, 
die zum Versuch nötige Menge des Niederschlages abfiltriert, 
im Wärmeschrank getrocknet, in der Reibschale zu Pulver 
zerrieben und 12 bis 24 Stunden mit 2°/ iger NaCl-Lösung 
bei Zimmertemperatur extrahiert). Zum Nachweis des mit dem 
elektrischen Strom gewanderten Thrombins kam ein nach 
Alex. Schmidt bereitetes Fibrinogen zur Verwendung. 1 Teil 
Magnesiumsulfatlösung (28°/,ig) wird mit 3 Teilen Blut ge- 


1) Michaelis, Die Wasserstoffionenkonzentration, 1914. 


300 A. Resch: 


mischt, geschüttelt, scharf zentrifugiert. Zu dem Versuch wird 
das Plasma 10fach verdünnt. 

Die Kataphorese mit Fibrinogen wurde mit einer nach 
Herzfeld und Klinger?) hergestellten Fibrinogenlösung vor- 
genommen. (100 ccm scharf abzentrifugiertes Oxalatplasma 
werden mit 100 ccm gesättigter NaCl-Lösung und 25 ccm ge- 
sättigter Ammoniumsulfatlösung versetzt, der Niederschlag ab- 
zentrifugiert und in 100 ccm 2°/,iger NaCl-Lösung wieder ge- 
löst.) Um die mit dem Niederschlag mitgerissenen erheb- 
' lichen Mengen von Eiweißabbauprodukten möglichst zu redu- 
zieren, wird die erhaltene Lösung nochmals mit gesättigter 
NaCl-Lósung ausgefällt, zentrifugiert und der Niederschlag 
erneut in 2°/ iger NaCl-Lösung gelöst. Die so erhaltene ziem- 
lich reine Fibrinogenlösung gelangt für den Versuch unverdünnt 
zur Verwendung. 

Die gewünschte Wasserstoffionenkonzentration stellte ich 
mit Hilfe der von Sórensen?) angegebenen Regulatoren her, 
deren Mischungsverhältnis nach der Sörensenschen graphischen 
Tabelle bestimmt wurde, unter Berücksichtigung der für die 
Phosphatkurve notwendigen Korrektur (Palitzsch). 

Um womöglich auch in die quantitativen Verhältnisse der 
überführten Thrombin- und Fibrinogenmengen einen Einblick 
zu gewinnen, schien mir die Wohlgemuthsche Reihenmethode 
sehr geeignet. l 

Vor jedem Versuch wurde die Fibrinogen- und Thrombin- 
lösung auf ihre Wirksamkeit geprüft. Trat bei der Mischung 
von 1 ccm Thrombin +- 2 ccm Fibrinogen innerhalb */, bis 
1/, Stunde keine Gerinnung ein, so fanden die beiden Lösungen 
keine Verwendung und wurden durch frische ersetzt (die be- 
nötigten Blutmengen verdanke ich dem Entgegenkommen von 
Herrn Dr. Schellenberg). Kontrollversuche mit dem Regula- 
torengemisch ergaben, daß diese den Gerinnungsvorgang weder 
im negativen noch im positiven Sinne beeinflussen. Als un- 
brauchbar erwiesen sich Regulatorengemische von al, prim. 
Natriumphosphat und 2/,-sek. Natriumphosphat, hergestellt nach 
den Angaben von Michaelis®). Deren Verwendung läßt das 


1) Herzfeld und Klinger, Le 


2) Sörensen, diese Zeitschr. 21, 131, 1909. 
5 Miohaelis, l. c., $. 182. 


"Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 301 


Fibrinogen auch ohne Thrombinzusatz in kurzer Zeit gerinnen. 
Der durchgeleitete Strom erreichte eine Spannung von 105 Volt. 
(Herr Prof. Feer stellte mir in liebenswürdiger Weise die 
Gleichstromeinrichtung seines Laboratoriums zu Verfügung.) 


Thrombin. 


Versuch 1. Die Mittelflüssigkeit setzt sich zusammen 
aus 3 ccm einer Mischung von 8,82 ccm sek. Natriumphosphat 
+ 1,18 ccm prim. Kaliumphosphat. Dazu kommen 30 ccm 
wäßriger Thrombinlósung. Die gegebene Wasserstoffionenkon- 
zentration ist somit 

[HE] = 2,56:10° oder P= 7,59 
bei 18% +0,5°. 

Seitenflüssigkeit: Um die entsprechende [H'] in den Seiten- 
gefäßen zu erzielen, wurden 6 ccm obiger Regulatorenmischung 
mit 62 ccm destilliertem Wasser versetzt. Durchströmungsdauer 
24 Stunden bei 18°. 


Tabelle I. 





Anodenflüssigkeit: 
Fibrinogen- 
z ; Anoden- Absol. lösung 
en 1°/ iges NaCl flüssigkeit | Thrombin- |10fach ver- Ge- 
n menge dünnt MERNNE 
ccm ccm ccm 
1 0,0 1,0 1,0 2,0 3 + 
2 1,0 1,0 0,5 2,0 Ei + 
a meng g a © 
3 1,0 1,0 0,25 2,0 E FE 
` , , 3 3 Eg + 
4 1,0 ma jedeemal| 0,125 2,0 ir EE + 
5 1,0 0,062 2,0 as + 
6 Lo | aachen | 0,081 2,0 = | Spur 
7 1,0 0,0 0,0 2,0 A = 


3 


In der Kathodenflüssigkeit war kein Thrombin nachweisbar. 
Versuch 2. Mittelflüssigkeit: 3 ccm einer Mischung von 
9,7 ccm sek. Natriumphosphat + 0,3 ccm prim. Kaliumphosphat 
zu 30 ccm wäßrigem Thrombinextrakt. 
[H] = 1.1078 Pa = 8. 
Seitenflüssigkeit: 6 ccm des Regulatorengemisches + 62 ccm 
dest. Wasser. Durchströmungsdauer 24 Stunden. 


302 A. Resch: 


Tabelle II. 
Anodenflüssigkeit: 










Fibrinogen- 
Anoden- Absol. lösung 

fliissigkeit | Thrombin- | 10fach ver- 
menge dünnt 


















1 er SE 

2 2,0 BEB + 
st= 

8 2,0 SER | + 

4 2,0 SES = 

5 20 u Ss 


Die Kathodenflüssigkeit ist frei von Thrombin. 


Versuch 3. Mittelflissigkeit: 3 ccm einer Mischung von 
8,77 ccm prim. Kaliumphosphat — 1,23 ccm sek. Natriumphos- 
phat mit 30 ccm wäßriger Thrombinlösung gemischt. 

[H] = 1-10 Py = 6. 

Seitenflússigkeit: 6 ccm des Regulatorengemisches + 62 ccm 
dest. Wasser. Durchströmungsdauer 24 Stunden. 


Tabelle III. 


Anodenflüssigkeit: 
Fibrinogen- 

Š : Anoden- Absol. lösung | 
Röhr- j 10/ iges NaCl| g.. A8 d | Qe- 
Baan loig flüssigkeit | Thrombin- |10fach ver- rinnung 

menge dünnt 
ccm ccm ccm 
1 0,0 1,0 1,0 2,0 > + 
2 1,0 1,0 0,5 2,0 Se E + 
KE ae ze WE 
Ss 

3 1,0 1,0 0,25 20 [ŽES] + 

4 1,0 1,0 0,125 2,0 "es = 

5 1,0 0,0 0,0 2,0 — 


Kathodenflússigkeit ist frei von Thrombin. 


Versuch A Mittelfliissigkeit: 3 ccm einer Mischung von 
9,89 ccm prim. Kaliumphosphat 4 0,11 ccm sek. Natriumphos- 
phat zu 30 ccm wäßrigem Thrombinextrakt. 

[H] = 1:10" Pa = 5. 

Seitenflüssigkeit wie oben. 


Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 303 










Tabelle IV. 
Anodenflüssigkeit: 
Fibrinogen- 
a Absol. lösung 
a Thrombin- |10fach ver- en 
menge dünnt 8 


Zimmertemp. 
stehen lassen 





24 Std. bei 


Kathodenflüssigkeit ist frei von Thrombin. 


Die Versuche zeigen übereinstimmend eine eindeutige 
Wanderung des Thrombins nach der Anode, und zwar im Be- 
reiche einer Wasserstoffionenkonzentration von Pg= 5 bis Py =8. 
Die Wanderungsrichtung ist in der untersuchten Aciditätszone 
somit nicht von der [H] abhängig. Selbst bei einer stark sauren 
Reaktion (P„= 5), die wesentlich über den wahren Neutral- 
punkt hinausgeht, tritt keine Änderung des Wanderungssinnes 
ein. Das Thrombin verhält sich folglich kataphoretisch wie 
eine Säure, obschon an seinem Aufbau amphotere Elektrolyten 
zur Hauptsache beteiligt sind. Die bisher nach dieser Richtung 
untersuchten Proteine, Peptone, Polypeptide und Aminosäuren 
äußern ihren amphoteren Charakter ja gerade darin, daß sie 
bei einer bestimmten Wasserstoffionenkonzentration ihre elek- 
trische Ladung verlieren, bzw. sie wandern bei diesem Punkte 
überhaupt nicht oder die Wanderung geht nach beiden Elek- 
troden. Wird die [H] größer als die des isoelektrischen Punktes, 
der für jeden Ampholyten eine mit ziemlicher Genauigkeit 
fixierbare Größe besitzt, so verhält sich der amphotere Elek- 
trolyt wie eine Base, wird die [H] vermindert, wie eine Säure. 
Wie aus den Versuchen hervorgeht, scheint dem Thrombin der 
isoelektrische Punkt zu fehlen, wenigstens in der untersuchten 
Aciditätszone. Es ist aber kaum wahrscheinlich, daß bei einer 
noch weiteren Erhöhung oder Verminderung der [H] der iso- 
elektrische Punkt für das Thrombin doch noch auffindbar wäre. 
Denn die bisher festgestellten Aciditätswerte im isoelektrischen 
Punkte der meisten Aminosäuren, Polypeptide und Proteine 


304 A. Resch: 


bewegen sich zwischen 22.107 und 6,2-107*, folglich inner- 
halb der bei den Versuchen festgesetzten Aciditätszone Nur 
das Casein (4,1:10”°) und das genuine Serumalbumin (1,9 . 1073) 
haben ihren isoelektrischen Punkt bei einer etwas saureren Re- 
aktion. Wir müssen daher annehmen, daß durch die Anlage- 
rung von CaCl, an das Molekül der Proteine und der Eiweiß- 
abbauprodukte diese ihre amphotere Eigenschaft eingebüßt 
haben. Diese Eiweiß-Neutralsalzverbindungen zeigen nun durch 
ihre anodische Wanderung ein Verhalten, wie wenn sie der 
saure Bestandteil eines Salzes wären. Das von Pfeiffer und 
Modelski?) den Peptid-Neutralsalzverbindungen gegebene Kon- 
stitutionsschema ist Bëss z 
Anion bezeichnet. Eine Leitung des elektrischen Stromes ist 
aber nur möglich, wenn das Amphisalz sich in einer Ionisation 


befindet nach der Formel Met und Rx) Die anodische 
3 


Wanderung des Thrombins zwingt uns zu der Annahme, daß 
die tieferen Abbaustufen desselben in gleicher Weise dissoziieren. 
Für diese Ionisation müßte sich der endgültige Beweis erbringen 
lassen, wenn es gelänge, in der Kathodenflüssigkeit das Ca (in 
Bindung mit Phosphationen) nachzuweisen. 

Handelt es sich aber um höher molekulare Abbaustufen, 
die noch in vollem Besitz ihres kolloidalen Charakters sind, 
und um Proteine selbst — beide müssen wir im Thrombin als 
vorhanden annehmen —, so ist in Analogie der Ionisation des 
Alkalieiweiß kaum eine wesentliche Bildung von reinen Metall- 
kationen (Ca) zu erwarten, sondern es dominieren umfangreiche 
organische Kationen (Robertson). Es könnte in diesem Falle 
die vollständige Unwirksamkeit der Kathodenflüssigkeit nur so 
eine Erklärung finden, wenn die an das positive Ca angelagerte 
positive organische Komponente des Thrombins für den Ge- 
rinnungsvorgang überhaupt nicht in Betracht käme. Anderer- 
seits kann der anodisch gewanderte Thrombinkomplex nicht 
völlig von Ca entblößt sein. Dessen Fehlen würde die Aus- 
fällung des Fibrinogens verhindern oder wenigstens erheblich 
verlangsamen. Hier kann aber nur eine reine physikalische 


wo Me das Kation und X das 


1) Pfeiffer und e Modelski, 1. c. 


Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 305 


Adsorption in Betracht kommen, indem das Proteokolloidanion 
bei seiner Wanderung nach der Anode zum Teil dissoziiertes, 
zum Teil undissoziiertes CaCl, an sich reißt und mitschleppt. 
Je nach der Verwendung von noch nicht durchströmtem 
Thrombin-Regulatorengemisch oder der Anodenflüssigkeit (nach 
24stündiger Kataphorese) zeigt sich bei letzteren eine ent- 
schiedene Verlangsamung der Gerinnung, was auf geringeren 
Ca-Gehalt zurückgeführt werden kann. Allerdings muß auch 
der Verdünnungsfaktor berücksichtigt werden, da bei einer 
Durchströmungsdauer von 24 Stunden nicht alles Thrombin 
restlos nach der Anode wandert. Es bleibt somit die Frage’ 
immer noch offen, ob der undissoziierte Anteil des Thrombi:ı- 
moleküls oder das Thrombinanion bei dem Gerinnungsvorgang 
hauptsächlich in Betracht kommt. Weitere Versuche müßten 
darüber näheren Aufschluß erbringen. 

Die absichtlich gewählte [H] von P¿=7,59 entspricht 
der Alkalität des venösen Blutes bei 18°. 


Fibrinogen. 


Die Versuchsanordnung bleibt die gleiche, auch das zum 
Nachweis des Fibrinogens gebrauchte Thrombin wurde auf die- 
selbe Weise gewonnen. 

In sämtlichen Versuchen zeigte das Fibrinogen bei den 
4 verschiedenen Wasserstoffionenkonzentrationen weder eine 
Wanderung zur Anode noch zur Kathode. Es verhält sich als 
Polyaminosäurederivat wie ein schwacher amphoterer Elektrolyt, 
dessen Dissoziation so gering ist, daß sich die durch den 
konstanten Strom nach der Anode bzw. der Kathode über- 
führten Ionen dem Nachweis entziehen. Die elektrische Neu- 
tralität wird auch von einer sauren Reaktion von Pg =5 auf- 
fallenderweise nicht beeinflußt. 

Die ursprüngliche Annahme, daß vielleicht die Gerinnung 
auf der Ausfällung entgegengesetzt geladener Kolloide beruht, 
besteht folglich nicht zu Recht. Doch wissen wir aber, daß 
gerade elektrisch neutralen Eiweißkörpern in ihrem physiko- 
chemischen Verhalten eine gewisse Labilität eigen ist. Neben 
verminderter innerer Reibung und geringerer Hydratation be- 
sitzen sie eine erhöhte Koagulierbarkeit. Ferner ist uns be- 


kannt, daß die Erdalkalisalze in der Vermehrung der neutralen 
Biochemische Zeitschrift Band 78 20 


306 A. Resch: 


Eiweißteilchen und damit der Fällbarkeit (durch Herabsetzung 
der Hydratation) den Alkalisalzen weit überlegen sind. 

Nach Herzfeld und Klinger hätten wir in dem Fibri- 
nogen ein durch EiweiBabbauprodukte-Neutralsalzverbindung 
in kolloidalem Zustand gehaltenes Eiweiß zu sehen. Arbeiten 
von Pauli und Handowsky haben gezeigt, daß komplexe 
` Verbindungen von Salzen und Eiweißmolekülen nach dem 


NH, Cl 
Schema R< ı durchaus im Bereich des Möglichen liegen. 
NCOONa 


Die Doppelbindung bewirkt eine mehr oder weniger starke 
Dehydrierung und Ionenverminderung, die bis zur völligen 
elektrischen Neutralität gehen kann, aber doch noch den 
flüssigen kolloidalen Zustand des ganzen Komplexes garantiert. 
Als einen solchen Zustand können wir auch das Fibrinogen 
ansehen, wobei wir auf die Eiweißabbauprodukte als lösenden 
Faktor verzichten könnten. Das höchst labile Gleichgewicht 
dieses Komplexes kann nun durch CaCl, derart gestört werden, 
daß Ca durch Anlagerung an die Carboxylgruppe das hier 
locker gebundene Na nach der Aminogruppe verdrängt, nach 


ap Ge 
dem Schema ¿0 (Pauli), wobei der noch gerade in 
oo? l 


gelöstem Zustand RE EiweiB-Neutralsalzkomplex zur Aus- 
fällung gelangt. Der dem Ca angelagerte organische Komplex 
. würde bei diesem Verdrängungsprozeß unterstützend wirken. 

Wir- hätten somit in dem Gerinnungsvorgang einen dem 
Auftreten von Adsorptionsverbindungen analogen Prozeß zu 
sehen, der den Adsorptionsgesetzen gehorcht und wo die che- 
mische Umlagerung im Fibrinogenmolekül genügt, um dieses 
aus dem Sol- über den Gelzustand der Gerinnung zuzuführen. 

Ferner widerspricht das elektrisch neutrale Verhalten des 
Fibrinogens der Annahme Hekmas!) Dieser Autor glaubt 
auf Grund seiner Versuche dem Fibrinogen den Charakter 
eines Alkalihydrosols zusprechen zu dürfen. In diesem Falle 
müßte sich das Fibrinogen unbedingt wie Alkalieiweiß verhalten 
und nach der Anode wandern, was aber nicht zutrifft. 


1) Hekma, diese Zeitschr. 65, 311, 1914. 


Kataphoretische Versuche mit Thrombin und Fibrinogen. 307 


Zusammenfassung. 


1. Das Thrombin bzw. der negativ geladene Teil desselben 
wandert im Gleichstromfeld anodisch. 

2. Die Dissoziation des Thrombins verläuft zum Teil nach 

ar 
dem Schema ( 00 
komplizierter organischer Kationen und Anionen. Der anodische 
Komplex enthält höchstwahrscheinlich das Ca in Form einer 
reinen physikalischen Adsorption. 

3. Ob das undissoziierte Thrombin oder sein Anion durch 
Anlagerung an das Fibrinogenmolekül die Gerinnung herbei- 
führt, ist noch nicht sichergestellt. 

4. Der Ladungssinn des Thrombins wird durch eine Aci- 
ditát von P„=5 bis Pa = 8 nicht beeinflußt. 

5. Fibrinogen zeigt keine Wanderung, es verhält sich 
elektrisch neutral. 

6. Der Gerinnungsvorgang hängt sehr wahrscheinlich mit 
einer chemischen Umlagerung zusammen. Die Ca-Komponente 
verdrängt im Fibrinogenmolekül durch Addition das Na von 
der COOH-Gruppe nach NH, und führt damit das vorher 
schon in labilem Solzustand gehaltene Fibrinogeneiweiß über 
den Gelzustand zum Fibrin über. 

7. Die ursprüngliche Annahme, daß bei der Gerinnung 
neben anderen physikalisch-chemischen Vorgängen auch dem 
entgegengesetzten Ladungssinn des Thrombins und Fibrinogens 
eine Bedeutung zukommt, besteht nicht zu Recht. 


und Ca*, zum Teil unter Bildung 


20* 


Stärkebildung bei Schimmelpilzen. 
Von 
Friedrich Boas. 


(Aus dem botanischen Laboratorium der Akademie Weihenstephan.) 
(Eingegangen am 22. November 1916.) 


Stärke und stärkeähnliche Produkte kommen bei Schim- 
melpilzen nicht vor, d.h. sie wurden bis jetzt nicht konstatiert. 
Außerdem ist der Stoffwechsel der Pilze so verschieden von 
dem der grünen Pflanze, daß Stärkebildung unter normalen 
Bedingungen auch nicht zu erwarten ist. Die Angaben Bel- 
zungs über Stärke bei Pilzen erwiesen sich denn auch als 
falsch. 

Dagegen liegen Beobachtungen von E. Tanret und C. 
Wehmer vor, aus denen erhellt, daß bei Pilzen unter dem 
Einflusse bestimmter Säuren Substanzen erhalten werden kön- 
nen, die mit Jodlösung allein sich bläuen, sich also wie Stärke 
verhalten. Indessen wurden diese Beobachtungen nicht weiter 
verfolgt und auch nicht genauer studiert. 


1. Methodik. 


Zu den Versuchen dienten sterilisierte Zuckerlösungen mit 
Ammonsalzen der Mineralsáuren als Stickstoffquelle.. Gewöhn- 
lich wurden 5- bis 10%/,ige Lösungen (100 bis 200 cem) mit 
1 bis 5%, Ammonsalz verwendet. Diese Lösungen in destil- 
liertem Wasser enthielten noch 0,2%/, der notwendigen Salze 
Magnesiumsulfat und sekundäres Kaliphosphat. 

Die Temperatur betrug stets über 30°, meist 33°; doch 
wurden Kulturen auch noch bei 37° ausgeführt. Diese hohen 
Temperaturen sind nötig, da bei Zimmertemperatur die Resul- 


F. Boas: Stärkebildung bei Schimmelpilzen. 309 


tate unsicher werden. Damit ist von vornherein der Ein- 
fluß der Temperatur festgelegt. 

Als Versuchsorganismus diente meist Aspergillus niger; 
doch kamen auch noch andere Arten von Aspergillus zur An- 
wendung, ebenso die Arten der Gattung Penicillium. 


2. Chemische Vorgänge bei der Stickstoffversorgung. 


Bei der Ernährung mit Ammonsalzen treten die Erschei- 
nungen der Ionenwirkung in ausgesprochenem Maße in Er- 
scheinung. Es wird aus der Nährlösung das Ammonradikal 
verbraucht, das Säureradikal reichert sich in weitgehendem 
Maße in der Nährlösung an. Daneben bildet sich bei nie- 
drigeren Temperaturen noch bei Anwendung von Aspergillus 
reichlich Oxalsáure, was Wehmer schon vor Jahren konsta- 
tierte. 

Man könnte also sagen, das Zuckermolekül steht unter 
der Wirkung einer nascierenden Mineralsäure, da ja andauernd 
als Folge des Eiweißaufbaues neue Mineralsäureanionen aus 
den Ammonsalzen abgespalten werden. Indessen ist auf die 
Entstehung der nascierenden Säure, wie spätere Versuche be- 
weisen, kein besonderes Gewicht zu legen. 

Unter dem Einfluß der Säure entsteht aus Zucker eine 
Substanz, die folgende Eigenschaften hat: 

1. Sie erhält durch Jodlösung eine intensive reinblaue 

Farbe. 

2. Sie wird durch Diastase (Malz- und Speicheldiastase) 
abgebaut, die Färbung mit Jod unterbleibt also. 

3. Durch Erwärmen verschwindet die Bläuung. 

4. Durch Kalilauge kann man in günstigen Fällen eine 
intensive Quellung erzielen. (An Präparaten unter dem 
Mikroskop). 

Alle diese Erscheinungen kommen der Stärke zu. Man 
kann also mit Sicherheit behaupten: Unter dem Einflusse 
von Säure bilden gewisse Schimmelpilze aus Zucker 
eine der Stärke äußerst nahestehende Substanz. 


8. Wo befindet sich diese Pilzstärke? 


Diese Pilzstärke, wie wir sie nennen wollen, findet sich 
in der Nährflüssigkeit in Lösung. Denn die Nährlösung gibt 


310 F, Boas: 


mit Jod eine mehr oder weniger intensive Bläuung. Weder 
durch Zentrifugieren noch durch Filtrieren ist diese Stärke aus 
der Nährlösung zu entfernen. Dagegen bleibt natürlich die 
Bläuung aus, wenn die Lösung mit Diastase behandelt war. 
Außer in Lösung findet sich auch noch an den Wänden 
der Pilzzellen ein stark jodbläuender Körper, der sich von 
außen her an die Wände als krystallinische (?) Inkrustation 
niederschlägt. Jedenfalls kann man durch Kochen mit Wasser 
Stärke aus den Pilzzellen in Lösung bringen. Natürlich müssen 
die Mycelien der Versuchspilze vor dem Aufkochen säurefrei 
gewaschen werden, da sonst die Stärke durch die Säure hy- 
drolisiert wird und dann die Jodreaktion negativ ausfällt. 
Behandelt man junge Mycelteile nach der Tötung durch 
Alkohol mit Diastase, so unterbleibt Blaufärbung nach Jodzu- 
gabe. Es findet sich also auch in und an den Mycelien Pilz- 
stärke, denn unbehandelte Mycelien färben sich mit Jod blau. 
Aufkochen mit verdünnten Säuren bringt natürlich die 
Stärke zur Hydrolyse; die Bläuung mit Jod bleibt dann aus. 
Aus der filtrierten Nährlösung läßt sich durch Alkohol (in 
großem Überflusse) eine flockige Substanz niederschlagen; durch 
Zentrifugieren von der Flüssigkeit getrennt, gibt sie alle oben 
angeführten Reaktionen der Stärke. 


4. Aus welchen Zuckern bildet sich die Pilzstärke? 


Auf diese Frage soll folgende Tabelle Antwort geben. Die 
Tabelle bezieht sich auf Kulturen, die bei 33 bis 36° vier 
Tage lang im Brutschrank standen. Die Nährlösung betrug ` 
100 ccm; der Versuchspilz war Aspergillus niger; als Stickstoff- 
quelle diente Ammonnitrat (1 bis 5°|,). 

Kohlenstoffquelle Reaktion des Mycels Reaktion der Nährlösung 


Dextrose jodbläuend jodbläuend 
Lävulose jodbläuend jodbläuend 
Saccharose jodbläuend jodbläuend 
Galaktose — — 
Milchzucker — — 
Maltose — — 
Dextrin jodbläuend ? 
Tannin —_— = 


Glycerin — — 


Stärkebildung bei Schimmelpilzen. 311 


Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, daß Dextrose, 
Lävulose und Saccharose geeignet sind zum Aufbau der Stärke. 
Dann bildet sich auch noch aus Dextrin (Handelsdextrin, auf- 
gekocht angewendet und nicht mehr jodbläuend) Stärke. Ob 
aus den anderen Zuckern unter gewissen Umständen sich nicht 
auch Stärke bilden kann, ist noch nicht sicher. Jedenfalls ist . 
charakteristisch, daß die natürlich vorkommenden Zucker: Dex- 
trose, Lävulose und Saccharose auch rasch wieder in Stärke 
übergeführt werden können. 

Unter den Substanzen, die die höhere Pflanze rasch in 
Stärke überführen kann, ist auch das Glycerin zu nennen, wo- 
rüber man Pfeffers Pflanzenphysiologie vergleichen möge. 
Unter den gewählten Bedingungen wird Glycerin jedenfalls 
nicht in Stärke úbergefiihrt. Es dürfte sich demnach bei den 
Pilzen um eine Stärkebildung handeln, die mit der der höheren 
Pflanzen nicht gleichzusetzen wäre. Doch müssen hier noch 
weitere Untersuchungen ausgeführt werden. 

Die gebildeten und bis jetzt erhaltenen Stärkemengen sind 
sehr gering, so dal eine Analyse noch nicht vorgenommen 
werden konnte. Physiologisch ist, der Vorgang jedenfalls inter- 
essant, denn er zeigt, daB Organismen Stoffe unter Umständen 
bilden können, die normal in ihrem Stoffwechsel niemals auf- 
treten und deren Fehlen als ein hervorragendes Charak- 

teristikum einer ganzen großen Gruppe von Organismen gilt. 


5. Ist bei der Bildung der Pilzstärke ein Enzym beteiligt? 


Betrachtet man die bis jetzt mitgeteilten Versuche, so 
könnte man zu der Annahme kommen, Stärke bilde sich aus 
Zucker unter dem Einfluß einer nascierenden Säure Es würde 
sich also nur darum handeln, Säure in statu nascendi auf 
Zucker wirken zu lassen, um Stärke zu erhalten. Diese An- 
nahme scheint nicht zu Recht zu bestehen. Denn man be- 
kommt ebenfalls Stärke, wenn man Bierwürze, die ja neben 
Maltose geringe Mengen Dextrose und Lävulose enthält, mit 
freier Schwefelsäure versetzt und dann impft. Die Säure- 
gabe betrug gewöhnlich 2 bis 3 ccm *»/ -Schwefelsáure auf je 
10 com Würze. Bereits innerhalb 20 Stunden erhält man ein 
stark jodpositives Mycel; die Würze selbst ist nach 2 bis 3 
Tagen meist deutlich jodpositiv. Bei der Ausführung dieser 


312 F. Boas: Stärkebildung bei Schimmelpilzen. 


Reaktion mit Würze ist einige Vorsicht nötig, da es vielfach 
von Haus aus jodpositive Würzen gibt. 

Statt Schwefelsäure kann man auch Phosphorsäure ver- 
wenden; auch hohe Gaben von Weinsäure wirken ähnlich. 
Jedenfalls erhielt ich bei Gegenwart von 10 bis 20°/, freier 
Weinsáure bei anderen Schimmelpilzen ganz ähnliche Resultate. 

Durch die Zugabe freier Säure zu Würze fällt die Mög- 
lichkeit der Bildung der Stärke durch nascierende Säure weg. 
Denn in Würze ist keine anorganische Stickstoffquelle vor- 
handen, aus der der Pilz Mineralsäuren abspalten könnte. Da- 
gegen hat er neben Maltose, Dextrose, Lävulose und Dextrinen 
reichliche Mengen organischer Stickstoffverbindungen. Es ist 
damit der Schluß gerechtfertigt, daB die Bildung der Stärke 
aus Zucker bei Gegenwart freier Mineralsäuren (in ge- 
ringer Konzentration) oder freier organischer Säuren (in hoher 
Konzentration) unter dem Einfluß eines Enzyms statt- 
findet. 


Literatur. 


Belzung, Nach Czapek: Biochemie der Pflanzen 1, 300, 1913 
(2. Auflage). ` 

Pfeffer, Pilanzenphysiologie 1, 808, 1897 (2. Auflage). 

Tanret, Bull. soo. chimique de Paris 1907. (Nach Lafar-Cohn, 
Technische Mykologie 1, 224.) 

Wehmer, Übergang älterer Vegetationen von Aspergillus fumiga- 
tus in Riesenzellen unter Wirkung angehäufter Säure. Ber. d. Deutsch. 
botan. Ges. 81, 257ff., 1913. 


Beiträge zum Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 
Von 
Paul Hári. 


(Aus dem Physiolog.-chem. Institut der Universität Budapest 
[Direktor: Paul Hári)). 


(Eingegangen am 23. November 1916.) 


Der Stoffwechsel und Energieumsatz der Vögel wurde bis- 
her nur wenig untersucht. Außer älteren Versuchen von 
Regnault und Reiset?), ferner von Richet?) an Gänsen im 
„Stadium der Verdauung“, liegen aus neuerer Zeit solche von 
Bleibtreu?) und von Lehmann und Voit*) vor; es wurde 
von diesen Autoren der Gaswechsel hungernder und gefütterter 
Gänse untersucht. Aus neuester Zeit stammen die ausführ- 
lichen Untersuchungen von Gerhartz°) an hungernden und 
gefütterten Hühnern. 

Da es auf diese Weise wünschenswert erschien, diese spär- 
lichen Daten durch neuere zu ergänzen, will ich im folgenden 
über mehrere Versuchsreihen berichten, die ich in den Jahren 
1909 bis 1911 im Patholog. Institut der Universität (damaliger 
Direktor: Prof. Tangl) an hungernden und gefütterten Gänsen 
ausgeführt habe. ` 


1) Bei N. Zuntz in Hermanns Handbuch der Physiologie 4, 2, 
S. 135 ff. 

2) Charles Richet, De la mesure des combustions respiratoires 
chez les oisaux. Arch. de physiolog. norm. et path. 22, 483. 

3) Max Bleibtreu, Fettmast und respiratorischer Quotient. Arch. 
f. Physiol. 85, 345. 

1) K. B. Lehmann und Erwin Voit, Die Fettbildung aus Kohlen- 
bydraten. Zeitschr. f. Biol. 42, 619. 

5) Heinrich Gerhartz, Über die zum Aufbau der Eizelle not- 
wendige Energie (Transformationsenergie). Arch. f. d. ges. Physiol. 156, 1. 


314 Paul Häri: 


I. Versuchseinrichtung. 


Zu meinen Versuchen wurden 4 Tiere (A, B, C und D) 
verwendet. An den Tieren A und B wurden in kürzeren oder 
längeren Zwischenräumen verschiedene Versuchsreihen ausge- 
führt, im Hunger sowohl als auch bei verschiedener Fütterung; 
an den Tieren C und D hingegen bloß je 3 Hungerversuche. 

Die Tiere wurden in einem Stoffwechselkäfig gehalten, der 
das Sammeln der Entleerungen (Harn und Kot vermischt) ohne 
Verlust ermöglichte. Zu diesem Behuf war über dem Boden 
des Käfigs ein Gitter angebracht, bestehend aus 0,5 cm dicken, 
gut verzinkten Eisenstäben in Abständen von 1 cm, welche 
die flüssigen und festen Ausscheidungen in eine darunter be- 
findliche geräumige Schale aus Porzellan durchfallen ließen. 
Ganz ähnlich, wie dies schon Lehmann und Voit beschrieben, 
habe ich im Käfig seitlich und rückwärts herausnehmbare Tafeln 
aus Blech angebracht, an denen die aus der Kloake oft weit- 
hin gespritztem Entleerungen in die unter dem Gitter befind- 
liche Porzellanschale hinunterflossen. 

Um die Entleerungen möglichst frei von den beständig 
in großer Menge abfallenden Federflaum und Bruchstücken der 
Federkiele zu erhalten, haben Lehmann und Voit ihre Tiere 
in einem Tuch „aufgehängt, so daß die Beine durch zwei 
Schlitze des Tuches gesteckt frei sich bewegen konnten, wäh- 
rend die Flügel mit drei Binden fest zusammengehalten wurden“. 
Ich habe, um das Aufhängen der Tiere zu vermeiden und mehr 
natürliche Lebensbedingungen zu schaffen, sie in ein Kleid aus 
dichtem Organtin förmlich eingenäht. Das Kleid hatte drei 
Schlitze; durch einen wurde vor dem Vernähen der Kopf mit 
dem Hals durchgezogen, durch die beiden anderen die Beine. 
Organtin habe ich statt des Tuches gewählt, um die durch das 
dichte Federkleid ohnehin eingeschränkte Wärmestrahlung nicht: 
noch mehr zu beeinträchtigen. 

In den ersten orientierenden Versuchen entstanden nennens- 
werte Fehler daraus, daß die Gänse die Entleerungen, die sie 
an die hintere Blechtafel spritzten, mit dem langen Feder- 
schwanz teilweise wieder abwischten. Um dies zu vermeiden, 
habe ich die Schwanzfeder der Tiere möglichst kurz zugestutzt, 
und da auch das nicht half, die Tiere mit einem Riemzeug 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 315 


und zwei langen leichten Ketten so an den Vorderteil des 
Käfigs fixiert, daß sie sich wohl verhältnismäßig frei bewegen, 
jedoch die hintere Blechtafel nicht abwischen konnten. 

Die spärlichen Entleerungen der Hungertiere waren am 
Ende eines jeden Versuchstages in der Porzellanschale bereits 
halb trocken vorgefunden. Ein anderer Teil war an den Gitter- 
stäben und an den Blechtafeln angetrocknet und wurde mög- 
lichst ohne Verlust heruntergeschabt, mit der Hauptmenge 
vereinigt und die ganze Menge bei etwa 30° eingetrocknet, 
24 Stunden lang im Zimmer stehen gelassen und dann luft- 
trocken gewogen. In der lufttrockenen, nur wenig Gramm 
wiegenden Substanz habe ich den N-, C- und Energiegehalt 
bestimmt, und zwar in Versuchsreihen I, II, V und VI in der 
täglich gesondert aufgefangenen Menge, in Versuchsreihen III 
und IV in der während der ganzen Versuchsreihen gesammelten 
Menge. Der N wurde nach Kjeldahl unter Verwendung von 
metallischem Quecksilber als Katalysator, C auf nassem Weg 
nach dem von Tangl und Kereszty') modifizierten Verfahren 
von Messinger-Brunner-Schultz, der Energiegehalt durch 
Verbrennung in einer modifizierten Berthelot-Mahlerschen Bombe. 

Die hauptsächlich aus Harnsäure bestehenden Entleerungen 
der hungernden Gänse konnten ohne geeigneten Zusatz nicht 
verbrannt werden; sie verbrannten aber rasch und vollkommen 
unter Zusatz einer aus 0,10 bis 0,15 g Naphthalin gepreßten, 
sorgfältig gewogenen Pastille. 

Die Gitterstábe, die Blechtafeln und die Porzellanschale 
wurden nach peinlich genauer Entfernung der angetrockneten 
Entleerungen mit lauwarmem Wasser abgespúlt und in dem 
Spülwasser der N-Gehalt bestimmt. Aus der Relation zwischen 
dem N-Gehalt der Hauptmasse der Entleerungen und des Spül- 
wassers wurde der C- und Energiegehalt des letzteren berechnet. 
In einigen Versuchen gelang das Abschaben der Entleerungen 
besser, in anderen so wenig, daß das Spülwasser mehr N als 
die Hauptmasse selbst enthielt. 

Die Menge des in den Entleerungen ausgeschiedenen N 
und C war an den den Respirationsversuchen folgenden freien 


1) F. Tangl und G. v. Kereszty, Zur Methode der Bestimmung 
des Kohlenstoffs organischer Substanzen auf nassem Wege. Diese Zeitschr. 
82, 266. 


316 Paul Hári: 


Tagen in der Regel größer, offenbar weil die Tiere an den 
Respirationstagen kein Wasser tranken und so durch die ver- 
ringerte Diurese N- und C-haltige Abbauprodukte zurückhielten, 
die erst am nächsten Tag, wo die Tiere wieder Wasser erhielten, 
durch die größere Harnflut wieder herausgeschwemmt wurden. 
Um den hierdurch bedingten Fehler zu korrigieren, wurden zur 
Berechnung des N- und C-Umsatzes in denjenigen Versuchs- 
reihen, in denen die Respirationsversuche von je einem freien 
Tag unterbrochen waren, die Mittelwerte des N- und C-Gehaltes 
der Entleerungen von dem betreffenden Respirations- und einem 
vorangehenden resp. nachfolgenden Tag verwendet. 

Von Zeit zu Zeit wurden an den Tieren die Respirations- 
Versuche in der Dauer von 18 bis 23 Stunden im Rubner- 
schen Respirationscalorimeter angestellt; und zwar in einigen 
Versuchsreihen immer in Zwischenpausen von je mindestens 
24 Stunden, in anderen von höchstens einigen Stunden. Der 
Respirationsschrank war ähnlich wie der Stoffwechselkäfig mit 
Gitter, Blechtafeln und Schale zum Auffangen der Entleerungen 
versehen. 

In den Respirationsversuchen wurde einerseits die Menge 
der durch Strahlung und Leitung abgegebenen Wärme bestimmt, 
andererseits die der abgegebenen Kohlensäure und des Wasser- 
dampfes. 

Der Sauerstoffverbrauch wurde nicht direkt bestimmt, 
sondern aus den Angaben des Tieres und seiner Gewichtsver- 
änderung während des Respirationsversuches berechnet, enthält 
daher alle Fehler der genannten Bestimmungen. Da aber diese 
kaum mehr als je 0,1 bis 0,2 g, also insgesamt höchstens 1 g 
betragen, so dürfte die Bestimmung des Sauerstoffverbrauches 
auf etwa 2 bis 3°/, richtig sein; darum habe ich sie in die 
weiter unten angeführten Tabellen aufgenommen. 

An den vier Tieren wurden insgesamt 6 Versuchsreihen 
angestellt, und zwar vier (I bis IV) bei 27 bis 28°, zwei (V 
bis VI) bei etwa 16°. 


II. Die Ergebnisse der Hungerversuche 


sind in den Tabellen I bis VII ersichtlich. 
Da es zur Beurteilung der Ergebnisse mancher Versuchs- 
reihen wünschenswert sein kann, die Ernährungs- und Gewichts- 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 317 


verhältnisse der lange Zeit hindurch beobachteten Tiere A und B 
während der den einzelnen Versuchsreihen vorangehenden Pe- 
rioden zu kennen, habe ich in den Tabellen I und II alle hier- 
auf bezüglichen Daten zusammengestellt. Tabelle III enthält 
die allgemeinen Daten der Respirationsversuche; Tabelle IV die 
auf 1 kg Körpergewicht und 1 qm Körperoberfläche!) redu- 


Tabelle I: (Gans A). 








E Sait Veränderung des 185? 
Ð Täglich verzehrt Körpergewichtes Ee 
E — Ser 
5 2003 
p PEF 
o ba 
> 355 





I 18.—23. X. 09 







23.—24. 0 1 
24.—25. 
25.—26. 2 
26.—27. 
27.—28. 3 
25 
| 26 
3504—3655 | + 14 
3655—3578 |— 77 
3578—3452 | — 126| 20 
3504—3467 |— 37| 21 
.—18. 3467—3442 |— 4 
18. 1.—23. IV. 10 100 lad libitum| 3442—3352 | —1 
V 23.—27.1V. 10 O lad libitum] 3352—2737 |— 154 
27.—28. 0 0 2737—2636 |—101] 14 
28.—29. 0 (ad libitum | 
29.—30. 0 0 2633—2541 |— 92] 15 
30. IV.—2. V. O ` od libitum Ä 
2.—8. 0 0 2486—2408 |— 78| 16 
3.—4. 0 |adlibitum | 
XI 4.— 6.V.10 100 lad libitum 
6.— 7. 100 150 | 2501—2498 | — 3 | 30 
7.— 9. 100 lad libitum | 
9.—10, 100 50 | 2495—2461 | —34 | 31 
10.—11 100 500 | 
11.—12 100 75 | 2520—2514 | — 6 | 32 


1) Oberfläche = 10,45 x Körpergewicht ?/,. 


318 Paul Häri: 


zierten Werte für die 24 stündige Kohlensáure- und Wasser- 
abgabe und den Sauerstofiverbrauch; Tabelle V die Analyse 
der Entleerungen; Tabelle VI die Daten zur Berechnung des 
Eiweiß- und Fettverbrauchs und der Wärmeproduktion (in- 
direkte Calorimetrie); Tabelle VII die Daten der direkten Ca- 
lorimetrie. 


Tabelle II (Gans B). 














Veränderung des 
Körpergewichtes 





Täglich verzehrt 





Versuchsreihe 
An diesem Tage 
wurde ausgeführt 


der Respirations- 
versuch Nr 























Wechseln- 
de Mengen 
do. 






28. IX.—7. X. 09 
7.—23. X. 


ad libitum 
do. 


3341—3175 | — 18 

















23. —29. X. 09 O |adlibitum 
29.—30. 0 2956—2878 | — 83 4 
30.—31. 0 400 
31. X.—1. XI. 0 0 2882—2803 | — 79 5 
1.—2. 0 775 
2.—3. 0 0 2814—2736 | — 78 6 
3.—4. 0 300 
4.—5. 0 | 0 2741—2659 | — 82 7 
5.—11.X1.09 | 200 "ee 1000 | 2659—3017 | +60 
11. XI.—19, XII. 100 | ca. 800 | 3017—3205 | + 23 
VII 19.—20. XII. 09 50 0 3205—3138 | — 67 22 
20.—21. 50 500 
21.—22. 50 125 3155—3066 | — 89 og 
22.—23. 50 500 
23.— 24. 50 150 3097—3086 | — 11 |' 24 
X 124. XII. 09—2.I. 10 100 500 3086—8098 |+ 0 
2.—3 100 500 
3.—4. 100 0 3096—2984 |— 1121| 27 
4,—5. 100 700 
5.—6. 100 100 3171—3050 | — 121| 28 
H 100 700 
7,— 100 130 3109—3032 |— 77| 29 
16.19.10 | 100 _fadtibitam| [| 
VI SE TA 10 0 ad libitum 
21.—22. 0 do. 2964—2843 | — 121| 17 
22.—23. 0 do. 
23.—24 0 do. 2906—2817 | — 89| 18 
24.—25 0 do. 
25.—26 0 do. 2871—2751 |— 120] 19 


319 


Stoff- nnd Energieumsatz der Vögel. 














0080 |8'Sp | 019 
6vL'0 | LPE] 607 
SILO | e‘as | 29 
62L'0 | 6'Ep | 2‘83 
2880 | 1'68 | 3.18 
ro|orr (KL 
c99 081 
0 OAI 
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63, |0'L 
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2107 





ISS +09 153463 |3°690€ 
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L'99L2|0.1°82 
0'09%3 | 01963 


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III Oq L 


Bei 16° 


Bei 27 bis 28° 





320 Paul Hári: 


Tabelle IV. 
CO,-, H¿0-Ausgaben und O,-Verbrauch auf 24 Stunden, ferner auf 1 kg 
Körpergewicht und 1 qm Körperoberfläche berechnet. 





Bei 27 bis 28° 


Bei 16° 


Pro 24 Stunden Pro 24 Stunden und | Pro 24 Stunden und 











2 E 2 = 3 1 kg Körpergewicht | 1 qm Körperoberfl. 
E 2 F 3 Mit der 2 Mit der E Mit der | 2 
$ e E 2 E | Ventilations- „a | Ventilations- | . 3 | Ventilations-| , 3 
S S Pia luft abgeführt] O & |luftabgeführt| Sg |luftabgefibrt 55 

© |: CH E m PRA AE Y, EN A 
> |-[¡22S[co.|[Ho| $ | colmo] =|co,|H0| > 

elileleleieleljJelelea 
I 1 | 3169 | 46,8 | 95,9 | 42,5 | 14,8 | 80,3 | 13,4 | 207,6 ¡ 425,4 | 188,6 
Gans Ai 2 | 3089 | 48,3 | 94,6 | 45,7 | 14,4 | 30,6 | 14,8 | 200,9 | 427,1 | 206,4 
3 | 3019 | 50,2 | 83,5 | 48,5 | 16,6 | 27,6 | 16,0 | 230,1 | 382,4 | 222,0 
) 


























9 2 
5 8 
ni | 8| 4039 | 82,3 | 218,2 | 76,6 
Gans CÌ 9| 3768 | 82,0 | 157,8 | 79,0 
ne 10 | 3466 | 63.9 |1312| 650 
IV |11| 3792 | 84,2 | 202,2 | 73,8 
Gans D| 12 | 3562 | 74,1 | 164,1 | 68,9 
13 | 3442 | 71,8 | 128,8 | 67,2 
V |14| 2737 | 450 | 61,9 | 42,7 | 16,4 | 226 | 15,6 | 220,0 | 302,7 | 208,9 
Gans A| 15| 2633 | 46,6 | 57,4 í 40,6 | 17,7 | 218 | 15,4 | 234,0 | 288,1 : 203,6 
16| 2486 | 45,9 | 51,1 | 45,8 | 18,5 | 20,6 | 18,4 | 239,4 266,6 | 238,9 
VI |17| 2964 | 52,8 | 60,5 | 539 | 17,8 | 20,4 | 18,2 | 244,8 | 280,5 | 250,0 
Gans B| 18| 2906 | 48,3 | 63,6 | 46,9 | 16,6 | 21,9 | 16,1 | 227,2 | 298,8 | 220,5 
19] 2871 | 50,7 | 55,8 | 46,1 | 17,7 | 19,2 | 16,1 | 240,4 261,8 | 218,5 











1. Der Kórpergewichtsverlust im Hungerzustand. 


In nachstehender Tabelle VIII habe ich den täglichen 
Gewichtsverlust der Tiere während der Hungerperiode, inner- 
halb deren die Respirationsversuche stattfanden, berechnet und 
in Prozenten des Anfangsgewichtes ausgedrückt. Vergleichs- 
halber habe ich auch die entsprechenden Werte aus den Ver- 
suchen der obengenannten Autoren berechnet und in die Ta- 
belle eingetragen. 


1) Im Respirationsraum hat sich Kondenswasser angesamm elt 
daher sind die Daten der Wasserdampfbestimmung bloß zur direkten 
Calorimetrie zu verwenden. 

2) Das Kondenswasser vom vorigen Versuch ist in diesem Versuch 
wieder verdampft; daher sind die Daten der Wasserverdampfung nur 
zur direkten Calorimetrie zu verwenden. 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 321 


Tabelle V. 
Zusammensetzung der Entleerungen. 














| 

















a3 la 00% TEP EST A 
o Dg 3 | E WE? lufttrookene') In 24 Stunden ` KE 
E aan lm © ntleerungen & a 
E SER SL bas int] wurden entleert [*33. 
i EICHE (ohne Spülwasser) inklusive Spülwasser ie 
AE ZS Ee gt Sp enthalten EEF 
o 3% 23 Mt 
S 132823 TEE 
E DO o Ge O — N N | C Ch 
> 253 353 

OS g g e lg 



















































































































I | 19.—20.X.09 | 0,88 | — 
20.—21. | | 0,69 | = 
21.—22. | 16,22 | — 0,62 | — 
22,—23. | 18,96 | 32,81 0,51 10,89 | 85 
23.—24. 19,58 | 32,64 | 305,7 | 0,51 | 0,88 | 7,9 1 
24.—25. 20,24 133,47 | 345,2 | 0,56 | 0,93 | 9,6 
25.—26. 19,19 | 31,85 | 812,7 | 0,44 | 0,73 | 72 2 
26.—27. | 20,88 | 34,39 | 356,2 | 0,51 | 0,87 | 8,6 
27.—28. | 1,44 |26,34 |31,10| 300,2 | 0,49 | 0,60 | 56 | 3 
II | 26.—27.X.09 | 82,0 | 2,50 [19,31 | — | — 10,9 | 
27.—29. 40,0 | 1,23 [26,42 |30,42! 328,0 | 0,53 | 0,61 | 7,9 
29.—30. 21,9 | 1,26 |23,04|30,23 | 296,9 | 0,41 | 0,57 | 4,8 4 
30.—31. 25,7 | 0,91 |15,72| ? ? |059] ? ? 
81. X.—1. XI. | 22,2 | 1,19 [24,17 | 32,37 | 272,6 | 0,39 | 0,53 | 4,4 5 
1.—2. 25,9 | 1,77 |20,59|38,38| 397,4 | 0,63 | 1,18 | 12,2 
2.—3. 23,0 | 1,32 |28,30 |30,27 | 283,9 | 0,46 | 0,49 | 4,6 6 
3.—4. 24,9 | 1,59 |22,10 |56,63| 374,2 | 0,56 | 0,92 | 9,4 
4.—5. 22,6 | 1,16 [25,22 |36,35| 277,1 | 0,34 | 0,49 | 3,8 7 
Hri 5.— 8.xrıı | 78 | 5.26 |16,59/2291 | 2? | 139 | 097 | ? | 8—10 
IV| 8.—12.X1.11 | 89 | 3,49 |21,45 |31,93 | 308,5 | 1,44 | 2,03 | 20,5 [11—13 
V | 27.—29. IV. 10 | 48,0 | 2,53 |22,60|34,87| 316,0 | 0,73 | 1,19 | 10,5 | 14 
29. IV.—2. V. | 73,8 | 2,48 [23,99 35,25| 314,4 | 0,75 | 1,28 | 10,2 | 15 
2—4. 45,5 | 2,72 | 24,07 | 34,85 | 308,4 3 | 1,25 | 
VI | 21.—23. IV. 10 | 54,7 | 1,90 [19,75 |38,04| 319,7 | 0,64 | Wé SE 11:17 
23.—25 41,2 | 1,30 |22,05|34,09| 324,0 | 0,58 | 1,14 | 121 | 18 
25.—27 48,0 | 1,44 |24,57|38,02| 323,5 | 0,57 | 1,15 | 10,0 19 
Bei Lehmann und Voit. 
II 24 | 2,15 | 









ee WE Eë }18.64| 29,07 


8.7 0% 
2. Hungertag | 24 | 4,06 
JEJEG 


III/3 e Hungertag | 24 | 4,89 M6 83 34 58 
b n i ? 








III/a 











24 
1) Wassergehalt 4 bis 6°/,. 
2) Im mikroskopischen Präparat noch reichlich Pflanzenfasern ent- 
haltend. 
Biochemische Zeitschrift Band 78. 21 


Paul Häri 


322 





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Stickstoff in 
Entleerungen 


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KS 
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Versuchs-Nr. 





q sue; 
JA 


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A 


q SUSO 
AI 


Y sus) 
III 


Versuchsreihe 


d 


Bei 16° 


Bei 27 bis 28° 








Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 323 


Tabelle VII. 
Wärmeproduktion (direkt bestimmt). 






























3 e Wärmeabgabe (B) ä Wärme- 
ga ; SCH E 2 produktion 
2 |zI8|22|8 |e |3| © |,5&28| 8 _| pro 24 Std. 

S jelslz8|&s | 38 | E55 az gm ar 

s |E HE | 3% | 35 | 233 | 28 pise El z 
3 S| s| &8 | 38 >% S°3 EK 59573 on SI. 42 
EI SI Gro E Qu e o EE E g Ek go. 

E ol 3 3s | ša | 832 | $8 [5 538 5 [M Epo ee 
|: | 3 z HE al e R- 05 | MS 
21m Y 3 GK > O 
Ei m kg/Cal |kg/Call kg/Cal |kg/Call kg/Cal| kg/Cal 


158,5 155,4 | 49,0 | 689 
172,8 169,8 | 55,0 | 766 
152,9 150,4 | 49,8 | 689 





I 5| 8169 | 980| 42 | 56,3 
Gans 4 7| 3089 | 113,3; 3,9 | 55,6 
9| 3019 | 100,4 | 3,5 | 49,1 


























o | IT [4/7 4 | 26,41] 145,6 | 4,1 
N [Gans B| 5| 9| 2882 5| 684%) 157,0 | 3,0 
2 6|11| 2814 8| 468 11557 | 2,5 
AJ 7 |13| 2741 9| 512 |1288| 3,5 
> 

el Tm | 8| 3] 4039 | 128,1 | 16,4 | 128,1 |272,6| 6,4 
3 |Gansc | 9| 4| 3768 | 175,1 | 16,4 | 92,7 | 284,2 | 4,8 
S 10| 3] 3466 | 155,3 | 11,0 | 771 |2434| 5,0 
IV 3| 3792 | 154,3 | 15,1 | 118,8 | 288,2 | 5,7 
Gans D 4| 3562 | 159,8 | 14,2 | 96,4 | 270,4] 5,6 

6| 3442 | 133,5 | 14,1 | 75,6 | 223,2 | 4,6 i 

V [14| 4| 2737 | 118,6 | 13,4 | 364 |168,4| 77 | 160,7 

o [Gans BI 15| 6| 2633 | 114,2! 13,0 | 33,7 !1609| 6,7 |154,2 

SS 16 2486 | 121,9 | 11,6 | 30,0 | 1635| 62 | 157,3 
SI vı |17| 4| 2964 | 109,8 | 13,8 | 35,5 |1591] 7,5 
Gans B|18| 6] 2906 | 132,0 | 13,5 | 37,3 | 182,8 | 4,6 
19| 8| 2871 | 136,1 | 14,1 | 82,5 |182,7| 56 














a) Gewichtsverlust bei 27% Wie ersichtlich, war der 
Gewichtsverlust der Tiere A und B wesentlich geringer als 
der der Tiere C und D Dies hat zum Teil wohl folgenden 
Grund: Um die Hungerversuche möglichst lange fortsetzen zu 
können, habe ich den Tieren A und B bloß die Nahrung, 
aber nicht auch das Wasser entzogen. (Tiere C und D er- 
hielten auch kein Wasser!) Sie erhielten an den freien Tagen 
zwischen je zwei Respirationsversuchen 11 Wasser vorgesetzt, 
und nachher wurde aus dem Rückstand die Wassermenge be- 
rechnet, die die Tiere in 24 Stunden aufgenommen hatten 
(s. Tabellen I und OD). Es hatte dies den Vorteil, daß die 


1) Bildung von Kondenswasser im Tierraum. 
2?) Verdampfung des Kondenswassers vom vorangehenden Versuch. 
21* 


324 Paul Häri: 


Tierkörper, die im Respirationsschrank verhältnismäßig große 
Mengen von Wasserdampf abgegeben hatten, den starken 
Wasserverlust an den freien Tagen wieder decken konnten, 
wodurch auch eine Entstellung der Körpergewichtsverluste 
hintangehalten werden konnte. Durch diese Wasseraufnahme 
ist es auch erklärlich, daß die Tiere am Beginn eines nächsten 
Respirationsversuches manchmal ebensoviel, manchmal sogar 
mehr wogen als 24 Stunden vorher, am Ende eines voran- 
gegangenen Respirationsversuches. Zum größeren Teil wurde 
der stärkere Gewichtsverlust der Tiere C und D sicherlich 
durch den regeren Stoffumsatz (s. unten) verursacht. 


Tabelle VIII. 





























533 
E EE e 
a | & sE | 58 | 2% |578 
00 
3 E SS ER ER = So Anmerkungen 
5 9 © ; Sr 
> ad ||? 
o YX < 
CP Gi 


An versuchsfreien Tagen 
Wasser getrunken 








16 | 2737 | 2408 


An versuchsfreien Tagen 
VI |4.—8.] 16 2964 | 2751 


) Kein Wasser getrunken 
) Wasser getrunken 


Bei Bleibtreu: 


I | IV |1.—6.| 10 | 6570 | 6090 | 1,8 
II} V |1.—3.] 14 | 3990 | 3640 2,9 


Bei Lehmann und Voit: 


VII II I4.u.5| 14 3739 | 3671 0,9 | In 2 Tagen 90 g Wasser gett 
VII [III/1]2.u.3.| 16 3782 | 3637 18 |.,2 „ 108 » 
VIII ]III/2]2.u.3.| 13,5] 3553 | 3403 2,1 „2 „ ken „ 

IX I1ll/3|2.u.3.| 15 3045 | 2901 24 [Am 3. Tag 738g „ 





b) Gewichtsverlust bei 16°. Solche Versuche wurden 
bloB an Tieren A und B angestellt; der Gewichtsverlust ist 
etwas größer als an denselben Tieren bei 27°, was ja ganz 
begreiflich ist, wenn wir den der niedrigeren Temperatur ent- 


1) In meinen Versuchen: ohne Futter, Trinkwasser, Riemzeug und 
Organtinkleid. 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 335 


sprechenden höheren Stoffverbrauch der Tiere in Betracht ziehen 
(s. weiter unten S. 327). Mit diesen etwas größeren Werten 
stimmen im großen und ganzen auch die von Bleibtreu so- 
wie Lehmann und Voit überein, deren Versuche bei einer 
ähnlich niedrigen Temperatur angestellt wurden (Tabelle VIII). 
' Ein Vergleich mit den Werten, die für den täglichen Ge- 
wichtsverlust anderer hungernder Warmblüter von früheren 
Autoren erhalten wurden, zeigt, daß sich die Gans von jenen 
nicht unterscheidet. So wurde gefunden 
beim Hung", . . . 3 bis 28 kg 
bei der Katzen. . . 3 kg 1,6 bis 2,5°/,, 
beim Kaninchen?). . 1,5 bis 3 kg 2,1 bis 4,1%, 
wobei zu bemerken ist, daB in den hier zitierten Versuchen 


es meistens nicht angegeben ist, ob den Tieren auch das Wasser 
entzogen wurde oder ‘nicht. 


1,1 bis 2,8°/,, 


2. Die Kórpertemperatur' 


der Tiere (s. Tabelle III) war vor dem Einsetzen in den Re- 
spirationsschrank in der Regel ca. 40% also durchaus normal. 
Während des 17 bis 23 Stunden langen Aufenthaltes bei 
27 bis 28° (Versuchsreihe I bis IV) blieb die Temperatur 
nahezu unverändert, indem sie bloB um einige 0,1% sank oder 
stieg. In Versuchsreihen V und VI, bei 16°, war durchwegs 
eine Abkühlung der Tierkórper um etwa 1° erfolgt. Es ist 


1) Ferdinand August Falck, Physiologische Studien über die 
Ausleerungen der auf absolute Karenz gesetzten Hunde. Beiträge z. 
Hygiene, Pharmakol. u. Toxikol. 1, 39, 1875. — Immanuel Munk, 
Die Fettbildung aus Kohlenhydraten beim Hund. Virchows Archiv 101, 
96, 1885, und Beiträge zur Stoffwechsel- und Ernährungslehre. Arch. f. 
d. ges. Physiol. 58, 319, 1894. — Bernhard Schöndorff, Über den 
Einfluß der Schilddrüse auf den Stoffwechsel. Ebenda 67, 432, 1897. — 
E. Leyden und A. Fraenkel, Über den respiratorischen Gasaustausch 
im Fieber. Virchows Archiv 76, 161 u. 164, 1879. 

1?) August Carl Sedlmair, Über die Abnahme der Orgáne, ins- 
besondere der Knochen, beim Hunger. Zeitschr. f. Biol., N. F. 19, der 
ganzen Reihe Bd. 37, 37 u. 38. — C. Voit, Über die Verschiedenheiten 
der Eiweißzersetzung beim Hungern. Zeitschr. f. Biol. 2, 327, 1866. 

2) H. Weiske, Über Knochenzusammensetzung bei verschieden- 
artiger Ernährung. Zeitschr. f. Biol. 10, 421, 1874. — K. Katsuyama, 
Über die Ausscheidung der Basen des auf absolute Karenz gesetzten 
Kaninchens. Zeitschr. f. physiol. Chem. 26, 547, 1889. 


326 Paul Häri: 


dies eine um so eher bemerkenswerte Tatsache, da ja die 
Temperatur von 16° nicht als besonders niedrig bezeichnet 
werden kann, und spricht für eine auffallende Labilität der 
Körpertemperatur hungernder Gänse gegenüber einer relativ 
‚nicht besonders kalten Umgebungstemperatur — eine Labilität, 
die bei größeren Säugetieren wohl nicht zur Beobachtung 
kommt. 


3. Die Wasserdampfabgabe. 


a) Bei 27 bis 28° Die Menge des in der Ventilations- 
luft abgegebenen Wasserdampfes, pro 24 Stunden und 1 qm 
Körperoberfläche berechnet, betrug an Tier A 382 bis 425 g, 
bei Tier B 380 bis 423 g; hingegen bei Tier C 498 bis 823 g 
und bei Tier D 540 bis 796 g. Die bei weitem größere 
Wasserdampfabgabe der beiden letzteren Tiere entspricht ihrer 
größeren Wärmeproduktion, wovon weiter unten die Rede 
sein wird. 

b) Bei 16° Entsprechend der niedrigen Umgebungs- 
temperatur, durch die die Wärmeabgabe durch Strahlung 
wesentlich gefördert wird, war die Wasserdampfabgabe der 
Tiere A und B bei 16° wesentlich geringer als bei 27° 
(Tiere C und D wurden bloß bei 28° untersucht); sie betrug 
an Gans A 220 bis 239 g, an Gans B 227 bis 245g. In den 
erwähnten Versuchsreihen von Lehmann und Voit, die bei 
14° angestellt wurden, verhalten sich die betreffenden Werte 
wie folgt: 


Versuchsreihe II. Versuchsreihe III/2. 

4. Hungertag . . . 193 2. Hungertag . . . 158 
5. n . . . 232 3. n o... 157 
Versuchsreihe III/1. Versuchsreihe III/3. 

2. Hungertag . . . 202 2. Hungertag . . . 220 
3. n . . . 158 3. n . e . 249 

Gerade jene Versuchsreihen (H und III/3), in denen die 
Tiere Wasser getrunken hatten — wenn auch weniger als 
meine —, zeigen in der Menge des ausgeschiedenen Wasser- 


dampfes eine gute Übereinstimmung mit meinen Versuchen. 
So viel erhellt aus meinen Befunden jedenfalls, daß die 

Wasserdampfabgabe wohl von der Umgebungstemperatur und 

von dem Umstande abhängt, ob die Tiere während des Hun- 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 327 


gerns Wasser zu trinken erhielten oder nicht, jedoch unter 
gleichen äußeren Umständen eine ziemlich konstante Größe hat. 


4. Die Kohlensäureproduktion. 


Obzwar die Werte für die Kohlensäureproduktion und den 
Sauerstoffverbrauch an sich kein weiteres Interesse beanspruchen, 
da ja der Energieumsatz — sowohl aus den Zersetzungen be- 
rechnet als auch durch direkte Calorimetrie bestimmt — weiter 
unten besprochen sein soll, will ich sie doch kurz besprechen 
und zwar aus dem Grunde, da calorimetrische Versuche 
— namentlich direkte — von anderer Seite nur in spärlicher 
Anzahl vorliegen, und weil ein Vergleich meiner Versuchs- 
ergebnisse mit früheren wohl nur auf Basis der Kohlensäure- 
produktion und des Sauerstoffverbrauches vorgenommen werden 
kann. Die Kohlensäureproduktion betrug: 


a) Bei 27 bis 28% pro 24 Stunden und 1 qm Körper- 
oberfläche bei Gans A 208 bis 230 g, bei Gans B 207 bis 234 g, 
bei Gans C 267 bis 311, bei Gans D 301 bis 331g. Die 
höheren Werte bei den beiden letzteren Tieren entsprechen 
ihrem höheren Stoffverbrauch (S. 325). 

b) Bei 16° produzierte Gans A 220 bis 239 g, Gans B 
227 bis 245 g, also um 4,5 resp. 7%/, mehr als bei 27°. Diese 
Steigerung zeugt für den erhöhten Stoffverbrauch bei der 
. niedrigeren Außentemperatur und entspricht der chemischen 
Regulation der Körpertemperatur. 

In den obengenannten Versuchen von Bleibtreu pro- 
duziert Tier I bei 10% 640 g, Tier II bei 14% 523 g Kohlen- 
sáure, also das 2- bis 3fache der von mir an Tieren A und B 
bei 16% erhaltenen Werte. Dieser enorme Unterschied ist wohl 
nur zu einem geringen Teile der niedrigeren Außentemperatur 
zuzuschreiben, zum größeren Teil dem Umstande, daß Bleib- 
treus Versuche bloß 65 resp. 39 Minuten gedauert hatten, in 
so kurzdauernden Versuchen aber Unruhe des Tieres einen 
ganz bedeutenden Ausschlag geben kann. 

In den Versuchsreihen von Lehmann und Voit bei 14° 
war die Kohlensäureproduktion weit geringer als in denen von 
Bleibtreu. Sie betrug: 


328 Paul Häri: 


Versuchgreihe II. Versuchsreihe III/2. 

4. Hungertag . . . 322 2. Hungertag . . . 242 
5. » , . . 335 3. » . 244 
Versuchsreihe III/1. Versuchsreihe 111/3. 

2. Hungertag . . . 313 2. Hungertag . . . 207 
3. ” . 292 3. n u. 294 


Die Kohlensäureproduktion war also bald so groß wie an 
meinen Tieren A und B, bald weit größer. 


5. Der Sauerstoffverbrauch betrug: 


a) bei 27 bis 28° pro 24 Stunden und 1 qm Körper- 
oberfläche bei Gans A 189 bis 222 g, bei Gans B 208 bis 209 g, 
bei Gans C 277 bis 312 g, bei Gans D 282 bis 290 g; also 
an beiden letzteren Tieren wesentlich mehr. 

Ganz ähnliche Werte wie an meinen Gänsen A und B 
erhält man aus der Umrechnung der Gerhartzschen Zahlen 
in der sog. Ruheperiode bei 28,7 resp. 23,8°. Unter diesen 
Umständen verbrauchten seine Hühner 210 resp. 203 g Sauer- 
stoff. 

b) bei 16° verbrauchte Gans A 209 bis 239 g, Gans B 
220 bis 251) g, Bleibtreus Tiere bei 10 resp. 14° das 2- bis 
3fache davon; der Grund hierfür war schon oben (S. 327) be- 
sprochen. Lehmann und Voits Tiere verbrauchten bei 14°: 


Versuchsreihe II. Versuchsreihe III/2. 
4. Hungertag . . . 311 2. Hunge 2. 260 
5 » .. . 351 3. n . > . 209 
Versuchsreihe III/1. Versuchsreihe 111/3. 
2. Hungertag . . . 320 2. Hungertag . . . 297 
3. ” , . . 265 3. n . . . 258 


Die Werte zeigen dieselben großen Schwankungen wie die 
der Kohlensäureproduktion. 


6. Der respiratorische Quotient. 


Da die Berechnung des Sauerstoffverbrauches, wie erwähnt, 
auf einige Prozente sichergestellt ist, sind auch die Werte für 
den respiratorischen Quotienten wohl zu verwenden. Unter 
17 Hungerversuchen war der höchste Wert 0,830, der niedrigste 
0,711; im Mittelwert aller Versuche betrug er 0,764. Aus 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 329 


diesen Zahlen ist zu ersehen, daß der Glykogenvorrat der 
Gänse durch einige Tage langes Hungern großenteils ver- 
schwindet, gleichwie bei den Säugetieren. 

Bleibtreu fand Quotienten von 0,728 und 0,690. Aus 
Lehmann und Voits Daten berechnete ich: 


Versuchsreihe II. Versuchsreihe III/2. 
4. Hungertag . . . 0,753 | 2. Hungertag. . . 0,679 
5. » . . . 0,694 3. » . . . 0,846 
Versuchsreihe III/1. Versuchsreihe III/3. 
2. Hungertag . . . 0,710 2. Hungertag . . . 0,703 
3. » . . . 0,800 3. ” . . » 0,828 


Gerhartz” in der Ruheperiode am Huhn angestellte Ver- 
suche ergeben Quotienten von 0,632 und 0,799. 


7. Harn und Kot. 

Sowohl die Menge der Hungerentleerungen, als auch die 
absolute Menge des in ihnen ausgeschiedenen N und C weisen, 
wie aus Tabelle V zu ersehen ist, an den Tieren A und B 
einerseits und C und D andererseits bedeutende Unterschiede 
auf. Dieselben Schwankungen sind auch an Lehmann und 
Voits Daten aufzufinden, die ich vergleichshalber in Tabelle V 
zu unterst eingetragen habe. Der N- und C-Gehalt der Ent- 
leerungen stimmt in diesen und meinen Versuchen gut überein. 


Den Quotienten = der Entleerungen habe ich aus den 


Daten der Tabelle V berechnet. Derselbe beträgt in Versuchs- 
reihe I 15,7, in Versuchsreihe II 14,2, in Versuchsreihe IV 
14,2, in Versuchsreihe V 13,8, und bloß in Versuchsreihe VI 
wesentlich mehr: 19,6. Es wäre natürlich von großem Wert, 
diesen Quotienten für den reinen, nicht mit Kot vermischten 
Harn zu berechnen; da aber dieser an meinen Tieren nicht 
gesondert aufgefangen wurde, mußte ich mich mit obigen 
Quotienten begnügen. 


8. Der Energieumsatz. 

In allen Versuchsreihen wurde die Wärmeproduktion einer- 
seits direkt bestimmt, andererseits aus den Zersetzungen unter 
Vernachlässigung des Glykogens berechnet, was ja am Hunger- 
tier — wenn auch prinzipiell fehlerhaft — doch gestattet ist. 


330 Paul Häri: 


In zahlreichen Respirationsversuchen, die ich im Laufe der 
Jahre an Hunden ausführte und deren mehrere in dieser Zeit- 
schrift mitgeteilt wurden, war der prozentuale Unterschied 
zwischen der direkt bestimmten und der berechneten Wärme- 
produktion oft recht gering, namentlich wenn es sich um 
größere Tiere gehandelt hatte. Wurde jedoch die Wärme- 
produktion an kleineren Tieren, wie z. B. in vorliegender Arbeit 
an leichteren Gänsen, bestimmt, so müssen die unvermeidlichen 
Versuchsfehler auch bei direkter Calorimetrie, weit mehr bei 
indirekter Calorimetrie stark ins Gewicht fallen, demzufolge 
auch einen weit größeren prozentualen Unterschied in den 
nach den zwei Methoden erhaltenen Werten bedingen. In je 
einem Versuch ist bald der durch direkte Bestimmung, bald 
der durch Berechnung erhaltene Wert höher; doch gleichen 
sich diese Unterschiede so ziemlich aus, wenn man innerhalb 
jeder Versuchsreihe die Mittelwerte vergleicht. So erhielt ich 
in kg/Cal pro 24 Stunden in: 

Versuchsreihe Direkt Indirekt | Versuchsreihe Direkt Indirekt 
I... 158,5 159,2 IV .. . 2553 253,0 
I... 1433 151,3 Vo... 1574 153,4 

III (2 Vers.) 272,8 272,1 VI... 1690 169,7 

Da die Versuchsfehler der direkten Calorimetrie offenbar 
die geringeren sind, sollen in nachfolgender Betrachtung immer 
nur die durch direkte Bestimmung erhaltenen und auf 1 qm 
Körperoberfläche reduzierten Werte in Betracht gezogen werden 
(Tabelle VID. 

a) Energieumsatz bei 27 bis 28° Die Wärmepro- 
duktion von Gans A und B beträgt für die Einheit der Körper- 
oberfläche im Durchschnitt von je 3 resp. 4 Versuchen 715 
resp. 682 kg/Cal, die der Gänse C und D 1035 resp. 1038 kg/Cal; 
die beiden letzteren Tiere produzieren demnach um etwa 48%/, 
mehr Wärme als die beiden ersteren. 

Worin ist dieser Unterschied begründet? Man könnte zu- 
nächst an die bekannte Tatsache denken, daß im protrahierten 
Hunger der Energieumsatz abnimmt; in der Tat handelt es 
sich bei Gans A um den 5. bis 9., bei Gans B um den 7. bis 
13., bei Gans C hingegen um den 3. und 4., bei Gans D um den 
3. bis 6. Hungertag. Nun ist ja der Unterschied in der Dauer 
der vorausgegangenen Hungerperiode zwischen Gans B und C 





Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 331 


tatsächlich recht groß, jedoch bei weitem nicht so groß zwischen 
Gans A und D; und doch verhalten sich einerseits Gans A 
und B, andererseits C und D ganz gleichmäßig. 

Wenn auch die kürzere Hungerzeit der beiden letzten 
Tiere ihren größeren Energieumsatz teilweise verursachen kann, 
muß der eigentliche Grund hierfür anderswo zu suchen sein; 
so kann es sich zunächst um Rassenunterschiede zwischen 
beiden Tierpaaren handeln, denn Tiere A und B wurden 
gleichzeitig bei einem Händler gekauft, desgleichen 1'/, Jahre 
später Tiere C und D bei einem anderen Händler. Natürlich 
habe ich gar keine Gewähr dafür, daß je 2 Tiere auch wirklich 
je einer Zucht angehören, mit einiger Wahrscheinlichkeit kann 
dies jedoch angenommen werden. 

Ferner konnten A und B einerseits und C und D anderer- 
seits jüngere resp. ältere Tiere, oder umgekehrt, gewesen sein. 

Der deutliche Unterschied im Gewichte der beiden Tier- 
paare (C und D waren wesentlich schwerer) konnte durch 
Rassen- oder Altersunterschied bedingt sein, oder etwa auch 
durch einen reichlicheren Fettvorrat der Tiere C und D, wo- 
von ich mich nach Abschluß der Versuche zu überzeugen leider 
versäumt habe. Wäre nun letzteres der Fall gewesen, hätte er 
den größeren Energieumsatz um so weniger erklären können, 
da ja in diesem Falle ceteris paribus ein relativ geringerer 
Energieumsatz hätte konstatiert werden müssen. Wie dem 
immer sei, der unmittelbare Grund der starken Divergenz im 
Energieumsatz ist anderswo, und zwar meines Erachtens in 
dem Umstande zu suchen, daB die Eiweißzersetzung in 
den Tieren C und D wesentlich höher war als in A 
und B. An der Hand von 17 Versuchsreihen, die ich an 
Hunden ausgeführt und an anderer Stelle!) ausführlich be- 
schrieben hatte, wurde gezeigt, daß die bei kritischer Tempe- 
ratur hungernden Hunde, auf 1 kg Körpergewicht oder 1 qm 
Körperoberfläche berechnet, einen um so größeren Energie- 
umsatz aufweisen, je mehr Eiweiß sie zersetzen. Es wurde 
dort gezeigt, daß in den Tieren mit dem relativ geringsten 
Stoff- und Energieumsatz die Relation: Eiweiß: Fett : Energie- 
umsatz sich verhält wie 1:3,3:34,8. Wird jedoch in einem 


1) Diese Zeitschr. 66, 1. 


332 Paul Hári: 


hungernden Hunde mehr Eiweiß als das erwähnte Minimum 
zersetzt, so wird auch entsprechend mehr Fett in die Ver- 
brennung mit hineingezogen, und zwar entspricht einer Mehr- 
verbrennung von 1 g Eiweiß eine Mehrverbrennung von eben- 
falls ca. 1g Fett. Dem Plus von je 1g an verbranntem Ei- 
weiß und Fett entspricht dann die Steigerung des Energie- 

umsatzes um 14 bis 15 kg/Cal. | 

Wir wollen nun sehen, ob sich diese Gesetzmäßigkeit auch 
in den an Gänsen ausgeführten Versuchen wiederfindet. 

In nachstehender Tabelle IX habe ich den Eiweiß- und 
Fettverbrauch in den Hungerversuchsreihen I bis IV auf 1 kg 
Körpergewicht und 1 qm Körperoberfläche berechnet und dabei 
folgendes gefunden. 


Tabelle IX. 

































5 Eiweiß zersetzt Fett zersetzt | Wärmeproduktion 
pro Std. pro 24 Std. pro 24 Std. 
Versuchs- KE ee AS ee 
Ä © | und 1 kg | und 1 qm | und 1 kg | und 1 qm | und 1 kg | und 1 qm 
reihe 5 | Körper- Ü Körper- | Körper- | Körper- | Körper- 
E gewicht gewicht | oberfläche | gewicht | oberfläche 
> kg-Cal 





kg-Cal 

1 1,00 14,1 4,90 68,9 49,0 689 

2 1,02 14,2 5,20 72,4 55,0 766 
1,04 14,3 5,90 76,1 49,8 689 


wegl | f s | ms 


II dl 0,99 13,7 5,28 72,5 47,9 657 
Gans B A 1,07 14,5 5,61 76,4 53,4 728 
> 1,21 16,4 5,00 67,6 54,2 733 

1,02 13,7 5,10 68,3 45,7 612 


Minor IO Cos 


DI 8I 2,15 32,7 6,44 1004 
Gans C 9 2, 30 34,3 6,87 1104 
10 ? 996 





Mittelwerte: 33,5 1035 








IV 2,38 35,5 SEH 103,6 745 | 1111 
Gans D 2,53 37,0 6,38 93,3 74,3 | 1086 
2,62 37,9 6,37 92,1 68,5 917 

Mittelwerte :| | 86.8 | 96,3 | 1038 


Bei Gans A und B wird durchschnittlich 14,4 g Eiweiß 
und 71,8 g Fett verbrannt und 706 kg/Cal umgesetzt; bei 
Gans C und D 35,1 g Eiweiß und 98,2 g Fett verbrannt und 
1036 kg/Cal umgesetzt; das Plus an Eiweiß beträgt 20,7 g, an 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 333 


Fett 26,4 g, an Wärmeproduktion 330 kg/Cal. Berechnen wir 
hieraus das Plus an verbranntem Eiweiß und Fett und an 
umgesetzter chemischer Energie bei Tieren C und D im Ver- 
gleich zu den Tieren A und B, so ergibt sich auch hier, wie 
bei den hungernden Hunden, daß die Mehrverbrennung von 
1 g Eiweiß eine Mehrverbrennung von Fett, und zwar in einer 
Menge von ca. 1,3 g involviert, indem dieses quasi in die Ver- 
brennung mit hineingerissen wird, wodurch es nun aus doppeltem 
Grund zu einer Steigerung des Energieumsatzes kommt. 

Natürlich ‘darf es nicht übersehen werden, daß ich in 
meinen Hundeversuchen 5 Versuchsreihen mit dem kleinsten 
Eiweißverbrauch als Vergleichsbasis zur Verfügung hatte, und 
weitere 12 Reihen, in denen aus dem in verschiedenem Grade 
gesteigerten Eiweiß- und Fettverbrauch eine Gesetzmäßigkeit 
leicht abgeleitet werden konnte. 

Über eine ähnliche Fülle an Versuchen über Gänse ver- 
füge ich leider nicht; bloß über 2 Versuchsreihen mit einem 
geringeren und 2 Versuchsreihen mit einem wesentlich höheren 
Stoff- und Energieverbrauch. Allerdings sind die Unterschiede 
sehr bedeutend, indem die an den 4 Gänsen beobachteten 
niedrigsten und höchsten Werte für den Energieumsatz dem 
in 17 Hundeversuchsreihen beobachteten Minimum und Maxi- 
mum nahezu gleichkommen. 

Ferner ist auch zu bemerken, daß die Temperatur von 
27 bis 28°, bei der alle Versuche angestellt wurden, sicherlich 
sehr nahe der kritischen Temperatur für Hunde ist, während 
für Gänse die kritische Temperatur noch nicht festgestellt ist 
(Gerhartz vermutet sie für Hühner bei 23°). 

Obzwar demnach die — in einer größeren Anzahl von Ver- 
suchsreihen — an Hunden festgestellten Gesetzmäßigkeiten 
nicht ohne weiteres auf andere Tierarten, namentlich auf Vögel, 
übertragbar sind, glaube ich auch in den oben mitgeteilten 
wenigen Versuchsreihen die Analogie mit den Ergebnissen der 
Hundeversuche wiederzufinden und den auffallenden Unter- 
schied im Energieumsatz der beiden Tierpaare in der verschieden 
starken Eiweißzersetzung begründet zu sehen. 

b) Der Energieumsatz bei 16° wurde bloß an den 
Tieren A und B festgestellt; derselbe beträgt im Mittel von 
je drei Versuchen an beiden Tieren 793 kg/Cal pro 1 qm. Die 


334 Paul Häri: 


Steigerung gegenüber der bei 27 bis 28° gefundenen Werte 
beträgt daher 78 resp. 96 kg/Cal, d. i. 10 resp. 13%/,. Wäre 
die kritische Temperatur für Gänse festgestellt, so ließe sich 
aus den bei 27 bis 28° und den bei 16° ausgeführten Ver- 
suchen berechnen, um welchen Betrag der Energieumsatz ge- 
steigert wird, wenn die Umgebungstemperatur um 1° sinkt. 

Da jedoch die kritische Temperatur der Gänse noch nicht 
bekannt ist und entsprechende Versuche auch in meinen Ver- 
suchsreihen fehlen, läßt sich obige Berechnung nur annäherungs- 
weise und zwar in der Annahme ausführen, daß die kritische 
Temperatur bei 27 bis 28° liegt. In diesem Falle würde das 
Sinken der Umgebungstemperatur um 1° den Energieumsatz 
um etwa 0,8 bis 1,1°/, steigern. 

Es wäre auch von Interesse gewesen, zu berechnen, ob in 
diesen, bei niedrigerer Außentemperatur angestellten Versuchen 
ein ziffernmäßig ähnlicher Zusammenhang zwischen gesteigertem 
Eiweiß- und Fettverbrauch besteht, wie oben ausführlich er- 
órtert war; mit anderen Worten, ob ein Plus von 1 g ver- 
brannten Eiweißes auch in dem Falle eine Mehrverbrennung 
von gerade 1,3 g Fett verursacht, wenn nicht die Stoffzersetzung 
zweier bei derselben Temperatur untersuchter Tiere verglichen 
wird, sondern die eines, bei verschiedenen Außentemperaturen 
untersuchten Tieres. 

Leider läßt sich diese Berechnung nicht ausführen, da die 
Eiweißverbrennung der Tiere A und B bei 16° eine sehr verschie- 
dene war, indem sie pro 24 Stunden und 1 qm Körperober- 
fläche bei Tier A 24,3 g, bei Tier B jedoch bloß 17,6 g beträgt. 

Ich habe in Lehmann und Voits bei 14° angestellten 
Versuchen den Energieumsatz aus den Zersetzungen berechnet 
und die Ergebnisse in folgendem zusammengestellt: 


Versuchs- eegen 1085 | Versuchs- © Hungertag 830 


reihe II (5. n 1128 | reihe 111/2 U3. n 827 
Versuchs- ZE ” 1055 | Versuchs- E n 997 
reihe UI) 3. a 985 | reihe 111/3 3. nm 1100 


Man sieht, daß die Schwankungen recht große sind, ebenso 
wie es die Kohlensäureproduktion und der Sauerstoffverbrauch 
waren; und daß auch der kleinste Wert höher ist, als die von 
mir gefundenen; es kann dies teilweise aus der um zwei Grade 


niedrigen Versuchstemperatur erklärt werden. 
1 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 335 


c) Kritische Temperatur der Gänse. 


Es wäre erwünscht gewesen, diese bei 16° und 27 bis 28° 
angestellten Hungerversuche durch solche in mehreren Tempe- 
raturintervallen zu ergänzen; dadurch wäre es möglich gewesen, 
auch die kritische Temperatur der hungernden Gänse festzu- 
stellen. Leider mußte dies aus äußeren Gründen unterbleiben. 
Daraus jedoch, daß bei 27 bis 28% eine Hyperthermie der 
Tiere nicht eintrat, läßt sich folgern, daß diese Temperatur die 
kritische, wenn sie sie überhaupt erreicht hat, nur wenig hatte 
überschreiten können. 

d) Verteilung der Wärmeabgabe. Es ist von vorn- 
herein zu erwarten, dal in der Wärmeabgabe Strahlung und 
Leitung einerseits, Wasserverdampfung andererseits sich bei 
hoher resp. niedrigerer Außentemperatur nicht im selben Ver- 
hältnis beteiligen werden, und daß jenes Verhältnis sich zu- 
gunsten der ersteren um so mehr verschieben wird, je niedriger 
die Außentemperatur gehalten wird. In nachstehender Tabelle X 
habe ich die prozentuale Beteiligung der Wärmeabgabe der 
beiden Faktoren in allen Versuchen berechnet?). 





Tabelle X. 
Bei 27 bis 28° entfallen Bei 16° entfallen 
von der gesamten von der gesamten von der gesamten 
3 E Wármeabgabe E E Wärmeabgabe E E Wärmeabgabe 
———ll "9 |4 I 
E 2| auf auf E E auf auf Walz auf auf 
9 | 5 [Strahlung| Wasser- || 3 | 3 Strahlung) Wasser- || 9 | 5 |Strahlung| Wasser- 
SI und ver- SIS und ver- PIÉ und ver- 
d $ Leitung dampfung || 2 > | Leitung |dampfung > = | Leitung |dampfung 
ei al °] SI 3 
0 0 0 0 0 0 





Aus Tabelle X ist ohne weiteres ersichtlich, daß beim 
Übergang von 28 auf 16° die Wärmeabgabe durch Strahlung 
und Leitung von 59 bis 70°/, auf 78 bis 83°/, ansteigt, also 


1) Versuch 4 und 5 bleiben hier unberücksichtigt, da im ersteren 
Kondenswasser im Respirationsschrank zurückgeblieben, im letzteren 
aber dasselbe wieder verdampft ist. 


336 Paul Häri: 


um etwa den fünften Teil zunimmt; und umgekehrt, die Wärme- 
abgabe durch Wasserverdampfung, die an sich bereits geringer 
ist, von 30 bis 41°/, auf 17 bis 22°/,, also auf nahezu die 
Hälfte sinkt. 

Es ist dies ein lehrreiches Beispiel der mannigfaltigen 
kompensatorischen Einrichtungen im Wärmehaushalt der Warm- 
blüter, vermöge deren sie ihre Körpertemperatur nahezu un- 
“verändert beibehalten. Schwer ist allerdings zu sagen, welcher 
Vorgang der primäre ist; denn die Steigerung der Wärmeabgabe 
durch Strahlung und Leitung bei niedrigerer Außentemperatur 
ist im großen und ganzen rein physikalisch ebenso begründet, 
wie die Einschränkung der Wasserverdampfung. 


B. Versuche an gefütterten Gänsen. 


Zweck dieser Versuche war, manche, an gefütterten Tieren 
der Vogelwelt noch wenig oder gar nicht bearbeiteten Fragen 
der Lösung näher zu bringen. Zu ersteren gehören der Stoff- 
und Energieumsatz gefütterter Vögel überhaupt, der abnorm 
hohe respiratorische Quotient bei starker Kohlenhydratfütterung, 
zu letzteren die Feststellung der kritischen Temperatur ge- 
fütterter Gänse, sowie die Berechnung des Produktionswertes 
des an Gänse verfütterten Maisfutters. 

Leider muß ich vorausschicken, daß der bereits genannten 
äußeren Umstände halber die geplante Anzahl der Versuchs- 
reihen wesentlich reduziert werden mußte, und auch von den 
ausgeführten einige, als mißlungen, nicht verwendet werden 
konnten. Es blieben mir so insgesamt 5 Versuchsreihen, die 
wohl Genügendes über den Energieumsatz gefütterter Gänse 
und über das Verhalten des respiratorischen Quotienten ergaben, 
jedoch hinsichtlich der beiden anderen obengenannten Fragen 
nur wenig Stützpunkte liefern. 


I. Versuchseinrichtung. 


Zu diesen Versuchen wurden die Gänse A und B der oben er- 
örterten Hungerversuche verwendet. Bezüglich der Versuchsein- 
richtung kann ich auf Kapitel A verweisen, da sie nurin folgen- 
den geringen Details von der dort getroffenen verschieden war. 

Vom Mais, den die Tiere erhalten sollten, wurde eine 
große Menge gut durchgemischt, und davon einerseits eine für 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 337 


Monate hinreichende Anzahl von Portionen zu 50 resp. 100 g 
auf 1 dg genau abgewogen und in Papiertüten verwahrt. An- 
dererseits wurden 100 g Mais vermahlen und im groben Mehl 
N-, C- und Energiegehalt bestimmt. Das Mehl enthielt 1,78°/, N, 
41,06%/, C; 1 g desselben hatte einen Gehalt an chemischer 
Energie von 4033 g/Cal. 

Die sehr massigen Entleerungen der Tiere sonderten sich 
sehr bald in einen mehr festen, dickbreiigen und einen ganz 
flüssigen Anteil, die voneinander durch bloßes Neigen der 
zum Aufsaugen dienenden Porzellanschale mit Leichtigkeit zu 
trennen waren. Nachdem spärliche Reste von Federn sorg- 
fältig herausgelolt und abgespült wurden, habe ich, um nicht 
zu große Mengen von Flüssigkeiten eindampfen zu müssen, 
was viel Zeit und wahrscheinlich bedeutende Verluste an N und 
vielleicht auch an C verursacht hätte, den festen Anteil vom 
flüssigen einfach durch Abgießen getrennt und gesondert auf- 
gearbeitet. Der flüssige Anteil wurde durch Glaswolle filtriert, 
der Filterrückstand zum festen Anteil geschlagen, und dieser 
durch einen raschen, 30° warmen Luftstrom getrocknet, was 
in der Regel 12 bis 20 Stunden in Anspruch nahm. In der 
getrockneten Substanz wurde N, C und chemische Energie, im 
Filtrate bloß der N bestimmt und sein Gehalt an C und che- 
mischer Energie aus der Relation des N-Gehaltes des festen 
und flüssigen Anteiles berechnet. 

In einer Versuchsreihe wurden alle Bestimmungen täglich 
ausgeführt. In allen übrigen aber, da dies bei den sehr vari- 
ierenden Mengen der täglichen Entleerungen als zwecklos sich 
herausstellte, in den gesammelten Entleerungen der betreffenden 
Versuchsreihen. An den Gänsen A und B wurden insgesamt 
5 Versuchsreihen angestellt, und zwar Versuchsreihe VII und 
VIII bei 27° und einer täglichen Maisration von 50 g; Ver- 
suchsreihe IX und X bei 27° und täglich 100 g Mais; Ver- 
suchsreihe XI an Gans A bei 16° und einer Maisration von 
täglich 100 g. i 


II. Die Ergebnisse der Fütterungsversuche 


sind in nachfolgenden Tabellen XI bis XV enthalten, und zwar 
enthält Tabelle XI die allgemeinen Daten der Respirations- 
versuche. Tabelle XII die auf die Körpergewichts- und Ober- 


Biochemische Zeitschrift Band 78. 22 


Paul Häri 


338 


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Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 339 


flächeneinheit reduzierten Werte für die 24stündige Kohlensäure- 
und Wasserabgabe und den Sauerstoffverbrauch; Tabelle XII 
die Analyse der Entleerungen; Tabelle XIV die Daten zur Be- 
rechnung des Eiweiß- und Fettverbrauchs und der Wärme- 
produktion (indirekte Calorimetrie); Tabelle XV die Daten der 
direkten Calorimetrie. 

1. Die Körpertemperatur blieb in den Versuchen bei 
27° beinahe unverändert. Auch bei 16°, bei der bloß Gans A 
untersucht wurde, fand eine Abkühlung des Tierkörpers nicht 
statt, während am selben Tiere bei dieser Temperatur im Hunger- 
zustande eine Erniedrigung der Körpertemperatur um mehr als 
1° zu konstatieren war. Die dort erwähnte Labilität bezieht 
sich demnach bloß auf das Hungertier. 


Tabelle XII. 


CO,- H,O- Abgabe und O,-Verbrauch auf 24 Stunden, 
ferner auf 1 kg Körpergewicht und 1 qm Körperoberfläche berechnet. 













e 3 Pro 24 Stunden 
33 und I qm Körper- 
© [la 2 oberfläche 
= = |2 > be 
© Lë 
S ZS 5 S Ventilations- © 
e o SG 3 
= S CH = luft 'a 8 
É s LES abgeführt E 
> Hä > 

























22113205 397,8 | 650,3 
Gans B | 23) | 3155 381,9 | 813,0 
24 1) | 3097 380,5 | 748,1 












Bei 27° 


IX E 















271) 
281) 
291) 


3097 107,2 | 19 8l ? 
$171 | 105,2 | 183,8! ? 
? 
































30 12499 60,5 | 38, 3 | 24,2 | 503,9 509,2 | 314,2 
=? Gans A | 31 [2495] 86,5 | 77,5 | 54,1 ` ‚1|21,71449,9 | 403,2 | 281,6 
32 |2520] 90,7| 63,2 | 51,4 | 36, ‚1|20,4 | 468,7 | 326,5 | 265,9 





1) CO,- und Wasserdampfbestimmung auf etwa 5°/, ungenau; daher 
die Berechnung des O,-Verbrauches unmöglich. 
22* 


340 Paul Häri: 


Tabelle XIII. 





















e Ge 
D | Täglich wurden 
S 85 en Lënsen ausgeschieden 
Si 295| ohne Spülwasser 2 ; 
A 202 enthalten inklusive 
E Exkremente, [E £ se Spülwasser 
9 | gesammelt von Lë ga 
T =o C chem chem. 
> a Energie Energie 
g kg/Cal kg/Cal 





| 


9.—10. I. 09 
10.—11. 
11.—12. 
12.—13. 


21.—22. XII. 09 
22.—23. 
23.—24. 


42,24 | 383,3 





2. Die Wasserdampfabgabe. 


a) Bei 27% Ein Vergleich der auf 1 qm berechneten 
Wasserdampfabgabe bei der Fütterung mit verschiedenen Mengen 
von Mais ergab folgendes: 


1) In Versuchsreihe IX wurde der N- und C-Gehalt täglich, der 
Energiegehalt in einem Gemisch aus aliquoten Anteilen der Exkremente 
von jedem Versuchstage bestimmt; zur Berechnung der Respirations- 
versuche wurden die Mittelwerte von den 6 Versuchstagen benutzt. — 
In allen übrigen Versuchsreihen wurden die Bestimmungen in den ver- 
einigten Exkrementen ausgeführt. 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 341 


Gans A Gans B 
Hunger . . . 382— 425 380—433 
50 g Mais .591— 662 650—813 
100 g Mais . 952—1015 815—890 


Es ist daher die Wasserdampfabgabe bei der spärlichen 
Fütterung um mehr als die Hälfte, bei reichlicher Fütterung 
hingegen auf mehr als das Doppelte gegen den Hungerzustand 
angestiegen. Weiteres über die Bedeutung dieser Daten soll 
weiter unten ausgeführt werden. 


b) Bei 16° ist naturgemäß die Wasserdampfabgabe weit 
geringer als, bei 27°; darauf kommen wir weiter unten noch 
zurück. 


3. Die Kohlensäureproduktion. 


a) Bei 27°. Der Vergleich mit den betreffenden pro 
1 qm Körperoberfläche berechneten Daten im Hungerzustande 


ergibt folgendes: 
Gans A Gans B 


Hunger . . . 208—230 207—234 
50 g Mais . 325—325 380—398 
100 g Mais . 467—478 466—482 


Es findet also bei 50 g Mais gegenüber dem Hungerzu- 
stande eine Steigerung um zirka 48 resp. 78 %/, statt; bei 100 g 
Mais beträgt die Steigerung an beiden Tieren über 100°/, 


b) Bei 16° ist die Steigerung an Gans A bloß in einem 
Versuche größer als bei 27°, sonst ungefähr gleich. 


4. Die Berechnung des Sauerstoffverbrauches ist leider 
nur in zwei Versuchsreihen möglich gewesen; in allen übrigen 
hatte sich infolge einer schadhaften Lötstelle im Ventilations- 
rohr ein Fehler in der Kohlensäure- und Wasserbestimmung 
von etwa 5%/, eingeschlichen (wie nachträglich festgestellt 
wurde), die die Brauchbarkeit dieser Werte wohl wenig beein- 
flußt, jedoch die Berechnung des Sauerstoffverbrauchs und, 
was besonders zu bedauern ist, die des respiratorischen Quo- 
tienten unmöglich macht. 

Bei 27° hatte der Sauerstoffverbrauch von Gans A im 
Hungerzustande 189 bis 222 g pro 1 qm Körperoberfläche be- 
tragen, bei der Fütterung mit 100 g Mais 335 bis 346, also um 


Paul Hari 


342 
































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Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 343 > 


Tabelle XV. 
Wärmeproduktion (direkt bestimmt). 





























































































































































n wW l bgab lO, 0 
83 8 | farias m x 505 $ = Wärme- 
e A. plays o |2:3 LL E produktion 
= = 132 3 (32 Os 2% 25% 32 | pro 24 Std. 
E a lEz2| 30 siet: BS 3. TE SI und 
3 3185[|73 ebe 8222| 388388] Se An- 
s R E o go SIE cF- TEHE "ka = ——| merkung 
2 E Ss e ' p |P o Bal AIDA: E k 1 qm 
S > K 5, O u E = = 5 <> A E az > Körper- ran 
af r- zer St Ge Gewicht) aäche 
g Eg/Uul kg/Cal RO | kaycal | gece kg/Cal  kayCal bei Elva! 
va | 209|3578 [106,5 155 | 951 l207,1 58 [191,3 | 535 | 783 y täglich 
GansA| 21:)[3504| 101,3 | 8,8 | 837 |1938 | 37 [190,1 | 542 | 788 lan 50 g Mais 
VIII | 22)|3205 | 191,2?| 6,9 | 868 1194,97) 4,1 [190,82] 59,52) 8402) täglich 
o, |GansB| 231) |3155 [138,7 | 6,9 | 107,0 (2526 | +0 [252,6 | 80,1 | 1124 |). E Make 
a 241) | 3097 | 130,7 |67 | 976 12350 | 57 12293 | 74.0 | 1033 g 
Zil Ix |25 |3524| 135,2 | 9,2] 1859 [280,3 | 3 | 1146 y täglich 
GansA| 26 |3474| 117,8 |11,7| 143,5 |273,0| 2, | 1125 |$100 g Mais 
27 1) | 3097 | 129,9 | 7,4 | SL 
281)13171|110,6 | 7, N 
29 1) | 3109 | 123,4 g Mais 
A 30 |2499 | 168,7 58, 230,6 | 92,3 | 1198 || vu, 
=!GansA| 31 |2495|158,4 ¡144| 46,0 |218,8 5 1212,3 | 85,1 | 1104 1005 Maia 
S 32 |2520|188,1 (13,3| 37,1 1238,5 6 [232,9 | 92,4 | 1203 8 


























etwa 65°/, mehr. Bei 16° im Hungerzustande 227 bis 245 g, 
mit 100 g Mais gefüttert 265 bis 314, also bloß um 21°/, mehr. 

Ist der calorische Wert des verbrauchten Sauerstoffes schon 
recht verschieden, wenn die respiratorischen Quotienten in 
normalen Grenzen, d. i. von 0,7 bis 1 schwanken, kann die Ver- 
wertung des Sauerstoffverbrauches zur quantitativen Schätzung 
der energetischen Vorgänge schon gar nicht herangezogen wer- 
den, wenn es sich um so abnorm große Quotienten handelt, 
wie sie in meinen Versuchen vorkamen und gleich besprochen 
werden sollen. Aus diesem Grunde ist es überflüssig, die Ver- 
änderung des Sauerstoffverbrauches gegen den Hungerzustand 
näher zu besprechen. 

5. Der respiratorische Quotient konnte aus Gründen, 
die bei Besprechung des Sauerstoffverbrauches erwähnt waren, 
bloß in Versuchsreihen IX und XI berechnet werden. Er ist 


1) Wasserdampfbestimmung auf etwa 5°/, ungenau; dies bedeutet 
in der calorimetrischen Bestimmung einen Fehler von höchstens 291. 





344 Paul Hári: 


im ersteren etwas größer als 1, im letzteren sogar weit größer, 
entsprechend der Umwandlung von Kohlenhydrat in Fett, die 
besonders in Versuchsreihe XI in bedeutendem Umfange (bis 
zu 10 g Fett täglich) stattgefunden hat. 

Solch hohe Quotienten finden sich auch an Bleibtreu's 
gemästeten Gänsen, und zwar Werte von 1,117 bis 1,380. In Leh- 
mann u. Voits Versuchen sind die für den Sauerstoffverbrauch 
berechneten Werte nach eigener Angabe der Autoren, insbe- 
sondere infolge „..... der ungenügenden Schätzung des auf- 
genommenen und mit den Exkrementen abgegebenen Wassers“ 
mit großen Fehlern behaftet. 

Ich berechnete die Quotienten in ihrer Versuchsreihe II 
zu 1.125, 0,757, 1,155, 1,224, 2,070 (!), 2,250 (!), 0,864. 

6. Der Energieumsatz. War schon an Hungertieren in 
mehreren Versuchen ein erheblicher Unterschied zwischen der 
aus den Zersetzungen — unter Vernachlässigung des Glykogens 
— berechneten und der direkt gemessenen Wärmeproduktion 
zu konstatieren, so ist dies in noch weit erheblicherem Grade 
für die Fütterungsversuche der Fall, denn hier fällt die Ver- 
nachlässigung des Glykogens ganz bedeutend in die Wagschale, 
namentlich wenn das Futter überwiegend aus Kohlenhydraten 
besteht. 

Wenn man z. B. für Versuchsreihen VII und VIII, in denen 
täglich noch 6 bis 11 g Fett verbrannt sein sollen, annimmt, daß 
dem C-Defizit entsprechend nicht Fett, sondern Glykogen ver- 
brannte, so wären in Versuch 20 nicht 6,76 g Körperfett, 
sondern 11,7 g Glykogen aus dem Körperbestand verbrannt 
und daher nicht 63,5, sondern bloß 49,5 kg;Cal Wärme ent- 
standen. Dann würde der Unterschied zwischen der direkt 
gemessenen und der berechneten Wärmeproduktion nicht 37,5, 
sondern bloß 23,5 betragen. Hierbei haben wir aber nur die- 
jenige Menge von C in Betracht gezogen, die als Defizit aus 
den C-Einnahmen und -Ausgaben des Tieres zu berechnen war. 
Es ist aber möglich, daß noch ein weiterer Anteil des C nicht 
von verbranntem Fett, sondern von Glykogen herstammt; in 
diesem Falle wäre dann noch eine weitere Reduktion der aus 
den Zersetzungen berechneten Wärmeproduktion vorzunehmen. 

Dies sind längst bekannte Tatsachen, und obige Ausfüh- 
rungen liefern eben nur wieder ein Beispiel dafür, daß ohne 


Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 345 


genaue Feststellung des Sauerstoff- und auch des Wasserstoff- 
umsatzes eine genaue Berechnung der Wärmeproduktion aus 
den Zersetzungen nicht möglich ist. Aus diesem Grunde sollen 
bei der Besprechung des Energieumsatzes in folgendem haupt- 
sächlich die direkt ermittelten und zwar auf 1 qm Körperober- 
fläche berechneten Werte berücksichtigt werden. 

a) Energieumsatz bei 27°. In nachstehender Tabelle XVI 
habe ich die Mittelwerte für die Veränderung des Energieum- 
satzes an beiden Tieren nach Einführung von 50 und 100 g 
Mais berechnet und sowohl die direkt bestimmten, als die be- 
rechneten Werte eingetragen. 


Tabelle XVI. 
Einfluß der Maisfútterung auf den Energieumsatz bei 27°. 


— 


Energieumsatz pro 24 Stunden und 1 qm 


Körperoberfläche 
: . | aus den Zorsetzungen 
Waite 2 direkt bestimmt berechnet 
es — | 
ti DÉI .. 
ler Verde: _ Veränderung g Veränderung 
kg/Cal in %/, des| kg/Cal in %/, des 
gls kg/Cal Hunger- ea kg/Cal Hunger- 
wertes wertes 
Gans A | Hunger . . 715 726 
50 g Mais . 785 |+70 + 10 935 |4+4209¡ +29 
100 g Mais . | 1135 |+420| +59 | 1247 |+521| +72 
Gans B | Hunger . .| 682 | 720 
50 g Mais.] 999 |+317]| +46 | 1117 |4+397| +55 
100 e Mais | 1043 |+361| +58 | 1239 | +517] +72 











Aus Tabelle XVI ist ohne weiteres zu sehen, daB der 
Energieumsatz beider Tiere in guter Übereinstimmung um mehr 
als 50 °/, ansteigt, wenn ihnen 2*/,mal soviel chemische Energie 
im Mais zugeführt wird, als ihr Hungerumsatz beträgt. (Durch 
indirekte Calorimetrie ermittelt beträgt die Steigerung an beiden 
Tieren 72 °/,.) 

Bei dem überwiegenden Gehalt an Kohlenhydraten im 
Mais ist es nicht zu bezweifeln, daß diese ganz bedeutende 
Steigerung als die beinahe reine spezifisch-dynamische Wirkung 
(resp. Verdauungsarbeit) der Kohlenhydrate (resp. des Kohlen- 

hydratfutters) anzusehen ist, da ja die Außentemperatur in 
diesen Versuchen jedenfalls in nächster Nähe der kritischen 
Temperatur gelegen war. 


346 Paul Hári: 


Diese Wirkung zeigt sich auch bei der Fütterung mit 50 g 
Mais, durch die der Hungerbedarf bloß um ?/, überschritten 
wird. Nur verhalten sich hier Gans A und B wesentlich ver- 
schieden; bei der ersteren ist die Steigerung auffallend gering, 
bei der zweiten auffallend groß. (In meinen Versuchsproto- 
kollen ist von einer besonderen Unruhe von Gans A nichts 
verzeichnet, und auch sonst weiß ich für das verschiedene Ver- 
halten beider Tiere keinen Grund anzugeben.) Jedenfalls macht 
es die Divergenz der Ergebnisse unmöglich, eine nähere Be- 
rechnung auszuführen. 


b) Der Energieumsatz bei 16 ° wurde bloß an Gans A, 
die mit 100 g Mais täglich gefüttert wurde, bestimmt. Im 
Mittel von 3 Versuchen betrug die Wärmeproduktion auf die 
Einheit der Körperoberfläche reduziert 1168 kg/Cal, also etwa so 
groß wie bei 27°. Im Sinne der Rubnerschen Kompensa- 
tionstheorie läßt sich dies ohne weiteres so erklären, daß bei 
einer Temperatur, die sich unterhalb der kritischen befindet, 
die zur chemischen Regulation der Körpertemperatur nötige 
Wärme eine reichliche Deckung in der großen Menge von 
Wärme findet, die infolge der spezifisch-dynamischen Wirkung 
der eingeführten Nahrung freigeworden ist. Da auf diese Weise 
nahezu die ganze Umsetzung, die sonst zur chemischen Regu- 
lation notwendig gewesen wäre, erspart wurde, war der Energie- 
umsatz an dem mit 100 g Mais gefütterten Tier bei 27 und 
16° nahezu gleich groß. 


c) Vergleichen wir die Verteilung der Wärmeabgabe 
auf Strahlung und Leitung einerseits und Wasserverdampfung 
andererseits, zwischen hungernden und mit 100 g täglich ge- 
fütterten Tieren, so ergeben sich folgende, in nachstehender 
Tabelle XVII zusammengefaßte, sehr interessante Daten. 


Tabelle XVII. 


Durch Wasserverdampfung 
pro 24 St. kg. Cal 


Gans A | Gans B 


—— 


qxpPRo- 3 EXKáAA>— A U 






Durch Strahlung und 
Leitung pro 24 St. kg/Cal 


Gans A | Gans B 














Im Hungerzu- 

stand... . 

Mit 100 g Mais 
gefüttert 











139,7 | 112,1 






| 
136,9 | 1282 





Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 347 


.Es ist klar ersichtlich, daß das Wärme-Plus, das die bei 
27° gehaltenen Tiere entsprechend der spezifischen dynamischen 
Wirkung der täglich eingeführten Nahrung abgeben mußten, 
zum größeren Teile durch eine relativ und auch absolut größere 
Steigerung der Wasserverdampfung abgegeben wurde. Während 
nämlich die gefütterten Tiere A und B durch Strahlung usw. 
bloß um 27 resp. 30 %/, mehr Wärme abgegeben hatten, als 
dieselben Tiere im Hungerzustande, betrug die Steigerung der 
Wasserverdampfung 160 resp. 133 |,. 

Es weist dies jedenfalls darauf hin, daß sich in diesen Ver- 
suchen die Tiere sehr nahe zur kritischen Temperaturgrenze 
befunden haben, indem die physikalische Regulierung ihrer 
Körpertemperatur bereits sehr stark in den Vordergrund ge- 
treten ist. 

Vergleichen wir endlich die Verteilung der Wärmeabgabe 
des mit 100 g Mais gefütterten Tieres A bei 27 und bei 16°, 
so ergibt sich auch hier der am Hungertier beschriebene Zu- 
sammenhang. Wie nämlich aus nachstehender Tabelle XVIII 
ersichtlich, findet am gefütterten, ebenso wie am Hungertier 


Tabelle XVIII. 





: | Bei 27° entfallen von der 
gesamten Wärmeabgabe 








Bei 16° entfallen von der 
gesamten Wärmeabgabe 


Versuchseihe 
Versuchs-Nr. 








auf auf 
Strahlung Wasser- 
und Leitung ¡Verdampfung 
oo oo 
IX 125 52 48 XI 130 76 | 24 
26 47 53 31 80 | 20 
32 84 16 





eine bedeutende Verschiebung in dem Sinne statt, daß bei 
niedrigerer Außentemperatur die durch Strahlung und Leitung 
abgegebene Wassermenge zu-, die durch Wasserverdampfung 
abgegebene aber abnimmt. 


Die Ergebnisse der besprochenen Versuche lassen sich kurz 
in folgendem zusammenfassen: 

1. Es wurde der Stoffwechsel und Energieumsatz 
hungernder und gefütterter Gänse bei 27 bis 28° und 
bei 16° untersucht. 


348 Paul Häri: Stoff- und Energieumsatz der Vögel. 


2. Der respiratorische Quotient im Hungerzustand 
ist ähnlich dem, der an hungernden Säugetieren beob- 
achtet wird. 

3. Der Hungerumsatz beträgt bei 27 bis 18° 682 
bis 1038 kg/Cal pro 1 qm Körperoberfläche, bei 16° 
um 10 bis 13°/, mehr. 

4. Die Größe des Hungerumsatzes hängt vom Ei- 
weißverbrauche ab. 

5. Am reichlich gefütterten Tier ist der respirato- 
rische Quotient größer als 1. | 

6. 100 g Mais steigern bei 27° den Energieumsatz 
um mehr als 50%/,; bei 16° findet keine weitere Stei- 
gerung statt. 


Weitere Untersuchungen zur Chemie der Eiweißkörper. 


Von 
E. Herzfeld und R. Klinger. 


(Aus dem chem. Laboratorium der mediz. Klinik und aus dem Hygiene- 
Institut der Universität Zúrich.) 


(Eingegangen am 24. November 1916.) 
Mit 2 Figuren im Text. 


In früheren Arbeiten haben wir auf die Bedeutung hin- 
gewiesen, die den Eiweißabbauprodukten für die Löslich- 
keit, d. h. kolloidale Verteilung der Eiweißkörper zukommt. Es 
konnte gezeigt werden, daß kolloidale Eiweißlösungen nur dann 
zustande kommen, wenn genügend Abbauprodukte vorhanden 
sind und daß deren Wegnahme oder gewisse chemische Um- 
wandlungen derselben zur Folge haben, daß das Eiweiß aus 
seinen Lösungen ausfällt. 

Wir möchten in dem folgenden eine Erscheinung näher 
beschreiben, die geeignet sein dürfte, diese Vorstellungen zu 
stützen und in mancher Hinsicht zu erweitern. 

Wenn man eine Eiweißlösung, z. B. Blutserum, auf einer 
Glasplatte, an der Luft oder im Exsiccator bei gewöhnlicher 
Temperatur eintrocknet, so erhält man eine glasig-spröde Schicht, 
die auch nach vollständiger Trocknung leicht wieder durch 
Wasserzusatz in Lösung gebracht werden kann. Wird im ent- 
sprechenden Volumen reinen Wassers gelöst, so unterscheidet 
sich die neue Lösung in nichts Wesentlichem von der ursprüng- 
lichen. Wird aber das trockene, harte Eiweiß in einer Por- 
zellanschale zu einem feinen Pulver verrieben, so gelingt es 
hinterher nur noch sehr unvollkommen, dieses Eiweißpulver in 
Wasser wieder aufzulösen. Ein Teil des Eiweißes wird zwar 
auch jetzt wieder kolloidal gelöst, ein meist nicht unbeträcht- 
licher Anteil bleibt dagegen in Form von kleinen Flocken und 


390 E. Herzfeld und R. Klinger: 


Partikelchen schweben und kann trotz wiederholtem Schütteln, 
Stehenlassen, Vermehrung des Lósungsmittels (physiol. NaCl- 
Lósung) nicht besser gelóst werden. Beim Stehen setzen sich 
die groben Teilchen allmählich zu Boden, darüber bleibt die 
Flüssigkeit mehr oder weniger trüb. 

Diese Erscheinung dürfte vermutlich manchem, der sich 
mit Verarbeitung und Konservierung von EiweiBlósungen be- 
schäftigt hat, aufgefallen sein. Unseres Wissens wurde sie aber 
noch nicht näher beschrieben und zu erklären versucht. Wir 
möchten folgende Erklärung für wahrscheinlich halten: 

Wir nehmen an, daß die einzelnen Eiweißteilchen kugelige 
Gebilde vorstellen, die an ihrer Oberfläche mit einer Schicht von 
adsorbierten Eiweißabbauprodukten umgeben sind, welche die 
Wasserlöslichkeit vermitteln. Beim Eintrocknen kleben sie zu 
einer festen, durchscheinenden Masse zusammen, die aber nicht 
ganz homogen ist, sondern neben den kompakten Eiweißteilchen 
noch aus den in dünnen Schichten zwischen denselben ein- 
getrockneten Abbauprodukten besteht. 





Obige Zeichnung gibt schematisch die einzelnen Eiweiß- 
teilchen: bei Fig. 1a nach der Eintrocknung auf der Glasfläche, 
bei Fig. 1b mit Wasser in kolloidale Lösung übergeführt. 


Z b 





ISA S RS > 
ya a0: SS = 
mei en D 





Fig. 2. 


Fig. 2a zeigt die beim Verreiben eines derartigen Trocken- 
eiweißes auftretenden Rißflächen (im Verhältnis zur Molekül- 
größe natürlich zu eng gezeichnet). Fig. 2b stellt die daraus 
beim Lösen in Wasser freiwerdenden Teilchen vor, mit den 


Zur Chemie der Eiweißkörper. 351 


neuen Oberflächen, denen die angetrocknete Schicht von 
Abbauprodukten fehlt. 

Wird eine eingetrocknete Eiweißschicht mit Wasser ver- 
setzt, so dringt dieses längs den Spalten, in denen sich die 
wasserlöslichen Abbauprodukte befinden, ein, diese gehen in 
Lösung, die zusammengeklebten Eiweißteilchen fallen wieder 
auseinander, ein jedes ist neuerlich von seiner Zone von Ab- 
bauprodukten umgeben, ihre kolloidale Verteilung kann sich 
daher wieder rasch herstellen. Wird dagegen die ganze Masse 
vor der Wiederauflösung fein zerrieben, so wird sie durch tausende 
von Rissen und Brüchen zersprengt, es entstehen ganz unregel- 
mäßige Bruchstücke und eine große Anzahl neuer Oberflächen, 
auf denen keine Abbauprodukte absorbiert sind. Wird nun Wasser 
mit diesem Pulver verrührt, so dringt es zwar auch diesmal in 
die Spalten ein und löst so die mehr oder weniger intakten kol- 
loidalen Teilchen auseinander. Es resultieren aber hier nicht, 
wie oben, rings von Abbauprodukten besetzte Teilchen, sondern 
vielfach nur Trümmer von solchen, die nur auf einem Teil ihrer 
Oberfläche Abbauprodukte tragen, während alle neuen Bruch- 
flächen frei davon sind. Diese nackten Oberflächen sind aber 
für die kolloidale Verteilung des Eiweißes wertlos, ja sie ver- 
hindern dieselbe geradezu. Denn die nicht mehr durch eine 
Sphäre von wasserlöslichen Stoffen getrennten Teilchen legen 
sich aneinander, verkleben zu größeren zum Teil schon mit dem 
Auge sichtbaren Komplexen, und nur noch ein kleiner Teil in- 
takt gebliebener, oder relativ wenig geschädigter Eiweißteilchen 
kann in genügend fein disperse „Lösung“ übergeführt werden. 

Während bei wirklich wasserlöslichen Stoffen (wie Salzen) 
die Lösung um so rascher eintritt, je größer die Berührungs- 
fläche mit dem Lösungsmittel ist, liegen die Verhältnisse bei 
den Eiweißkörpern ganz anders. Der Grund hierfür ist darin 
gegeben, daß das Wasser nicht direkt, sondern nur mit Hilfe 
von Abbauprodukten die Lösung von Eiweiß hervorrufen kann, 
weshalb die zwar sehr reichlichen, aber gewissermaßen kahlen, 
neuen Oberflächen für die Lösung nicht in Betracht kommen. 

Dieses Phänomen liefert somit einen neuen Beweis für die 
Bedeutung, die den Abbauprodukten beim Zustandekommen 
kolloidaler EiweiBlósungen zukommt. Es findet durch die von 
uns vertretene Ansicht über den Bau der Eiweißkörper eine 


Lë 


352 E. Herzfeld und R. Klinger: 


zwanglose Erklärung, während die bisherigen eiweißchemischen 
Vorstellungen hierzu kaum imstande sein dürften. Wir glauben 
ferner, daß es berechtigt ist, auf Grund desselben noch folgenden 
Schluß über den Bau der einzelnen Eiweißteilchen zu ziehen: 
Wir haben uns öfters die Frage vorgelegt, ob diese Teilchen 
als homogene, dichtgefügte Kugeln vorzustellen sind, an 
denen bloß die Oberflächen von Abbauprodukten besetzt sind, 
oder ob eher eine schwammige Struktur derselben anzu- 
nehmen ist, wobei Eiweiß und Abbauprodukte sich gegenseitig 
durchtränken. Die mitgeteilte Beobachtung läßt uns die erstere 
Annahme wahrscheinlicher erscheinen, denn unter der Voraus- 
setzung einer schwammigen Verteilung der Abbauprodukte im 
Inneren der einzelnen Teilchen wäre das Unlöslichwerden nach 
dem Verreiben nicht erklärbar. 

Unsere Beobachtung ist auch für die Praxis der Eiweiß- 
chemie nicht unwichtig. Sie lehrt, daß es falsch wäre, ein- 
getrocknetes Eiweiß, das wieder in Lösung gebracht werden 
soll, zum Zwecke bequemerer Konservierung, Wägung usw. zu 
pulverisieren. Dies ist namentlich für die zu biologischen Re- 
aktionen bestimmten Eiweißlösungen, wie Immunsera, komple- 
mentierende Sera usw. von Wichtigkeit. Es läßt sich leicht 
nachweisen, daß mit der unvollständigen Lösung, die nach dem 
Pulverisieren eintritt, eine entsprechende starke Einbuße der 
serologischen Funktionen verbunden ist. So sinkt die Komple- 
mentwirkung von Meerschweinchenserum (an sensibilisierten 
Blutkörperchen geprüft) durch schonendes Trocknen und Wieder- 
auflösen nicht merklich, nach Pulverisieren dagegen auf ?/, bis 
1/, des früheren Wertes herab. Ähnliches gilt natürlich für 
alle anderen, an die kolloidale Verteilung der Teilchen ge- 
knüpften biologischen Reaktionen. 

Nur solche Eiweißmischungen, die sehr reich an Abbau- 
produkten sind, wie z. B. aus Bakterienkulturen, können pul- 
verisiert werden, ohne daß ihre Wasserlöslichkeit darunter leidet. 
Hier überwiegen die wasserlöslichen Bestandteile so sehr, daß 
auch nach dem Verreiben noch genügend die kolloidale Lösung 
vermittelnde Stoffe zugegen sind. 

Wir haben versucht, ob durch Zusatz von NaCl op Seren 
der schädliche Einfluß des Pulverisierens vermieden werden 
kann. Dies war aber nicht der Fall; nach Zusatz von 10 °/, 


Zur Chemie der Eiweißkörper. 353 


NaCI-Lósung eingetrocknetes und dann verriebenes Serum war 
ebenso in seiner Löslichkeit herabgesetzt als direkt getrock- 
netes. 

Wir möchten das im vorhergehenden beschriebene Phä- 
nomen als „mechanische Denaturierung“ der Eiweißkörper 
bezeichnen und glauben, daß es uns gelungen ist, dasselbe nicht 
nur in befriedigender Weise zu erklären, sondern mit demselben 
eine weitere Stütze für die von uns vertretenen Ansichten über 
die Chemie der EiweiBkórper zu erbringen. 


Biochemische Zeitachrift Band 78 23 


Die physiologische Bedeutung des Kaliums in der Pflanze. 
Entgegnung. 


Von 
Th. Weevers (Amersfoort, Holland). 


(Eingegangen um 24. November 1916.) 


In einer neulich in dieser Zeitschrift erschienenen Arbeit 
Stoklasas!) behauptet dieser Autor, daß ohne Kalium zwar bei 
den Bakterien keine Eiweißbildung stattfinden kann, jedoch 
bei der Zuckerrübe in CO,-freier Luft bei Gegenwart von 
Kohlenstoffquellen sowohl bei An- als Abwesenheit von Kalium 
die Eiweißbildung erfolgt, wenn nur Sonnenenergie einwirkt. 
Stoklasa verhält sich also ablehnend gegen die Betrachtungen, 
die ich in meiner Arbeit?) veröffentlicht hatte. 

In dieser Arbeit hatte ich nachgewiesen, daß das Kalium 
hauptsächlich in den Vakuolen vorhanden ist und in den Chro- 
matophoren fehlt, also nicht direkt am AssimilationsprozeßB be- 
teiligt sein kann). Dagegen hatte ich die Ansicht Jost s*) her- 
vorgehoben, daß das Kalium besonders beim Aufbau der Ei- 
weißkörper sich beteiligt und einige Tatsachen dafür angeführt. 
Später hat auch Benecke in seiner Arbeit „Stoffwechsel der 
Pflanzen“°) sich dieser Meinung angeschlossen. 


1) J. Stoklasa, Ist das Kaliumion an der EiweiBsynthese in der . 
Pfianzenwelt beteiligt? Diese Zeitschr. 73, 107, 1916. 

2) Th. Weevers, Untersuchungen über die Lokalisation und Funk- 
tion des Kaliums in der Pflanze. Recueil des Travaux botaniques Neer- 
landais, 8, 1911. 

$) Ich untersuchte die Chromatophoren, z. B. bei Mnium hornum, 


- Marchantia polymorpha, Spirogyra, Nitella und Bryopsis plumosa. Eigen- 


tümlich ist das Verhalten der beiden letzten Objekte; beide geben eine 
ntensive Kaliumreaktion mit Macallums Reagens, die Zellen werden 
ganz schwarz. Preßt man dann die Zellen zwischen zwei Gläsern, so 
tritt der Zellinhalt hervor, der nebst dem schwarzen Niederschlag ganz 
grüne Chromatophoren zeigt. 

4) Jost, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, I. Auflage. 

5) Benecke, Handwörterbuch der Naturwissenschaften, 1913. 


Th. Weevers: Physiolog. Bedeut. des Kaliums in der Pflanze. 355 


Dem Anschein nach widersprechen die Ergebnisse, die 
Stoklasa in obengenannter Arbeit erhielt, meiner Ansicht; ich 
glaube jedoch, daß Stoklasa sein Experiment mit der Zucker- 
rübe völlig unrichtig gedeutet hat und möchte hier einige 
Gründe für meine Meinung anführen. | 

Zunächst will ich die Frage untersuchen, ob bei Stoklasas 
Versuchen die Entwicklung der Zuckerrüben, wie er behauptet, 
in einem Nährmedium ohne Kalium stattfand. Die Versuchs- 
anstellung beschreibt Stoklasa folgendermaßen. „Die Keim- 
pflanzen entwickelten sich in einem Sand, der mit konzentrier- 
ter kochender Salzsäure so lange ausgewaschen wurde, bis keine 
Spuren von Kaliumoxyd mehr nachweisbar waren. Dann wurde 
der Sand zuerst mit heißem und kaltem Wasser ausgewaschen, 
bis die Chlorreaktion vollständig verschwand. Hierauf wurde 
der Sand mit durchgesiebtem, getrocknetem Torf gemischt. 
Der Torf wurde ebenfalls mit kochender Salzsäure und warmem 
Wasser gut ausgewaschen, bis keine Spuren von Kalium kon- 
statierbar waren. Das Gemisch, bestehend aus 90°/, Sand und 
10°), Torf wurde in 34 Vegetationsgefäße gefüllt; in jedem 
Vegetationsgefäß befanden sich 18 kg Sand.“ 

„Die Nährlösung enthielt 1,0 g Natriumnitrat, 0,5 g Mono- 
calciumphosphat, 0,2 g Calciumsulfat, 0,1 g Magnesiumchlorid, 
0,01 g Ferrichlorid, 0,2 g Natriumchlorid pro 1 1.* 

Zu jedem Vegetationsgefäß wurden von der Nährlösung 
41 bis zum 15. Juni zugesetzt, später in jeder Woche 0,5 1. 

Die ersten Daten über das Gewicht der Objekte, über Ei- 
weiß- und Zuckergehalt gibt Verfasser vom 3. Juli, die letzten 
vom 30. September. Die Quantität des zu jedem Vegetations- 
gefäß zugesetzten Wassers war also 41+15x<0,51=1151l 

Wenn wir bedenken, wie schwierig es ist, große Quanti- 
täten eines kolloidalen Mediums wie Torf völlig kaliumfrei zu 
machen, daß in destilliertem, in gewöhnlichen Glasgefäßen auf- 
bewahrtem Wasser stets Kalium nachzuweisen ist und zuletzt 
noch in Betracht ziehen, daß die Zuckerrübensamen ziemlich 
viel Kalium enthalten?), so ist es deutlich, daß nicht von einem 
Nährmedium ohne Kalium, lediglich von einem Medium mit 


1) Das Gewicht der Samen ist meistens 10 bis 50 mg, der Kali- 
gehalt + 1,2 °],. 
23* 


356 Th. Weevers: 


sehr wenig Kalium, nicht von Pflanzen ohne Kalium, sondern 
von kaliumarmen Pflanzen hier die Rede sein kann. 

Die Pflanzen enthalten gewiß Kalium in ihrer Asche, eine 
Tatsache, deren Prüfung Stoklasa leider vernachlässigt hat. 
Durch diese Betrachtung verschwindet also der Gegensatz, der 
zwischen Stoklasas neuesten Versuchen und der altbekannten 
Erfahrung, daß eine Pflanzenkultur*) ohne Kalium unmöglich 
ist, zu bestehen schien. 

Der Kalimangel in den Versuchspflanzen bedingte auch 
ihre schwache Entwicklung, wie z. B. aus den Trockengewichten 
hervorgeht. Blätter, Stiele und Wurzel zusammen waren am 3. Juli 
16,39 g, 25. Juli 20,29 g, 30. Sept. 20,9 g, dagegen bei den 
Kontrollpflanzen im Nährmedium mit normaler Kaliumqualität: 
3. Juli 83,92 g, 25. Juli 104,8 g, 30. Sept. 144 g. Mit derartigen 
durch Kalimangel verkümmerten Pflanzen Versuche in bezug 
auf Eiweiß- und und Zuckerproduktion anzustellen, ist meines 
Erachtens gefährlich, denn eine Folge des allgemeinen, krank- 
haften Zustandes kann leicht als eine spezielle Folge des Kali- 
mangels betrachtet werden. 

Wo Stoklasa also sagt: „Die Daten zeigen ganz deutlich, 
daß der Rübenorganismus bei Abwesenheit von Kaliumion im 
Nährmedium fast dieselben Quantitäten von Gesamtstickstoff 
sowie Stickstoff in Eiweißform aufwies als bei Gegenwart von 
Kaliumion im Nährmedium. — Ganz andere Verhältnisse aber 
finden wir bei der Zuckerproduktion, die bei Nichtvorhanden- 
sein von Kaliumion stark gesunken ist.“ So ist diese Folge- 
rung gewiß gefährlich, aber sie ist überdies falsch, denn seine 
Versuchsdaten geben Stoklasa kein Recht zu solcher Folge- 
rung. Sehen wir uns die Sache etwas genauer an. Stoklasa 
zieht diese Folgerung aus den Werten des Eiweißstickstoffs 
und Zuckergehalts, in Prozenten des Trockengewichts ausge- 
drückt, und hat dann dem Anschein nach recht. Für Eiweiß- 
stickstoff sind die Werte in den Pflanzen ohne Kalium fast 
denjenigen der Kontrollpflanzen gleich, für Zucker sind sie um: 
die Hälfte niedriger. Jedoch muß man hier nicht mit Prozent- 
werten, sondern mit den absoluten Werten Rechnung halten, 
und dann wird das Ergebnis ein ganz anderes. 


1) Mit Ausnahme der Cyanophyceae. Vergl. Czapek, Biochemie 
der Pflanzen, II. T., S. 843. 


Physiolog. Bedeut. des Kaliums in der Pflanze. 357 


Berechnet (aus Stoklasas Protokollen) sind die Werte für 
Wurzel, Blätter und Stiele zusanımen. 
1% Bei Abwesenheit von Kalium im Nährmedium: 


N in Eiweißform Zucker 
3. Juli . . . . 0,298 g 2,904 g 
2.» 2.22.0280 „ 4,465 „ 
30. Sept. . . . . 0,307 „ 4,833 „ 
2°. Kontrollpflanzen bei Gegenwart von Kalium: ` 
N in Eiweißform Zucker 
3. Juli . . . .1,787 g 16,698 g 
Me» .. . .1885, 37,455 „ 
30. Sept. . . . 2,001 „ 74,489 „ 


Bei Vergleichung dieser Werte kann die SchluBfolgerung 
keine andere sein, als daß die Eiweißzunahme bei Kalimangel 
Null ist, weil Dissimilation und Assimilation einander die Wage 
halten, die Zuckerbildung dagegen, obschon natürlich in Ver- 
gleichung zu den Kontrollpflanzen abgeschwächt, liefert doch 
ein Plus von fast 2 g, ist also durch Kalimangel viel weniger 
gehemmt als die Eiweißbildung; völlig das Gegenteil also von 
der Behauptung Stoklasas. 

Die Versuche, die dieser Autor mit künstlich ernährten 
Zuckerrübenkeimlingen anstellte, sind für die Frage nach der 
Bedeutung des Kaliums im Stoffwechsel wertlos, denn beim 
Ende der Versuche hatten die angeblich ohne Kalium ent- 
wickelten Pflanzen ein Trockengewicht von 43 bis 47 mg. Diese 
Werte sind so klein, daß schon der Kaligehalt der Keimlinge 
fast für derartige Zwergpflanzen ausreichen kann und wiederum 
höchstens von Kalimangel, nicht von Abwesenheit des Kaliums 
die Rede sein konnte. 

Ich meine also, daß ich meine Behauptung, daß das Kalium 
nicht in den Chromatophoren vorhanden ist und nicht an der 
Assimilation beteiligt sein kann, auch nach Stoklasas Ver- 
öffentlichung ruhig aufrecht erhalten kann. Mit der Hypothese, 
daß das Kalium sich am Auf- und Abbau der Eiweißstuffe 
beteiligt, lassen Stoklasas Versuche sich ganz gut vereinbaren. 
Die Gründe für diese Hypothese kann ich hier nicht anführen 
und muß also auf meine obengenannte Arbeit im Recueil des 
Travaux botaniques Neerlandais verweisen. 


Untersuchungen über die Verdaulichkeit der Nährhefe. 


Von 


A. Deutschland. 


(Aus der Ernährungsphysiologischen Abteilung des Instituts für Gärungs- 
gewerbe der Kgl. Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin.) 


(Eingegangen am 28. November 1916.) 


Die Frage nach der Verwertung der getrockneten Bierhefe 
durch die landwirtschaftlichen Nutztiere ist in den letzten 
Jahren durch eine Reihe von praktischen Fütterungs- und 
exakten Stoffwechselversuchen beantwortet worden, die im 
wesentlichen von W. Völtz und seinen Mitarbeitern ausgeführt 
und im 42. bis 45. Band der Landwirtschaftlichen Jahrbücher 
veröffentlicht worden sind. Im Verfolg dieser Arbeiten, die 
ohne Ausnahme in der Trockenhefe eins der konzentriertesten 
und höchstverdaulichen Futtermittel erkennen ließen, wurde 
auch die Verwendbarkeit der Hefe als menschliches Nährmittel 
geprüft. Voraussetzung für einen solchen Gebrauch ist die 
Entfernung der intensiv bitteren Hopfenbestandteile aus der 
breiigen Bierhefe, die durch Behandlung mit schwach alkalischen 
Lösungen vor der Trocknung ohne Schwierigkeit erreicht wird. 
Mit derartigem Material haben W. Vóltz und A Baudrexel!) 
einen exakten Ausnutzungsversuch am Menschen durchgeführt, 


in dem folgende Verdauungswerte für die Nährhefe ermittelt 
wurden: 


Organ. Substanz Rohprotein Rohfett we e Calorien 
90 86 70 100 88 


1) W. Völtz und A. Baudrexel, Die Verwertung der Hefe im 
menschlichen Organismus. Diese Zeitschr. 80, 457 bis 472, 1911, und 81, 
855 bis 357. 


A. Deutschland: Verdaulichkeit der Nährhefe. 359 


Der physiologische Nutzeffekt des Präparates betrug 75°/, 
seines Energiegehaltes. 

Nach diesen und anderen in praktischen Ernährungsver- 
suchen gewonnenen günstigen Erfahrungen ist die in der Ver- 
suchsanlage des Instituts für Gärungsgewerbe hergestellte „Nähr- 
hefe“ dauernd an weite Kreise abgegeben worden. Die Pro- 
duktionsbeschränkungen im Braugewerbe und die gesteigerte 
Nachfrage nach dem Nährmittel machten es schon im ersten 
Kriegsjahre notwendig, nicht nur aus der überschüssigen Bier- 
hefe Nährhefe zu gewinnen, sondern die Züchtung der Hefe 
nach dem Verfahren des Instituts für Gärungsgewerbe in selb- 
ständigen Großbetrieben vorzunehmen. Da man hierbei der 
Hefe außer Zucker (in Form von Melasse) nur anorganische 
Salze zuführt, wird das Produkt auch als „Mineralhefe“ be- 
zeichnet. Sie stellt die Lösung des gerade jetzt sehr bedeutungs- 
vollen Problems dar, aus Ammonsalzen, die nach dem Haber- 
schen Verfahren unter Nutzbarmachung des Luftstickstoffs ge- 
wonnen werden können, in wenigen Stunden hochmolekulares 
Eiweiß zu synthetisieren. 

Die Resorption der Mineralhefe, die natürlich frei von 
Bitterstoffen ist, wurde zuerst von Völtz!) in einer Versuchs- 
reihe am Hunde festgestellt, der neben 500 g Fleisch täglich 
150 g von dem Trockenpräparat erhielt. Die Nährstoffe der 
Hefezulage wurden zu folgenden Prozentsätzen verdaut: 

Organ. Substanz Rohprotein Rohfett Kohlenhydrate Calorien 
71,1 85 34,1 54,5 71,8 
Der physiologische Nutzwert der Hefe wurde zu 60,4°/, ihres 
Energiegehaltes ermittelt. 

Diese Zahlen stehen in befriedigendem Einklang mit dem 
Befund aus einem früheren Stoffwechselversuch am Hunde, der 
ebenfalls von Völtz?) ausgeführt worden ist und für die Ge- 
samtnährstoffe (Calorien) und das Protein die Verdauungswerte 


_ ve 


1) W. Völtz, Über die Ausnutzung der in Lösungen von Zucker 
und anorganischen Salzen gezüchteten Hefe durch den tierischen Orga- 
nismus. Vortrag in der Berliner physiologischen Gesellschaft vom 9. Juli 
1915. Berl. klin. Wochenschr. 1915, Nr. 33. 

2) W. Völtz, Über den Einfluß verschiedener Eiweißkörper und 
einiger Derivate derselben auf den Stickstoffumsatz usw. Arch. f. d. ges. 
Physiol. 107, 388, 1905. 


360 A. Deutschland: 


70 bzw. 87 ergab. Die damals benutzte Hefe war eine von 
Buchner zur Verfügung gestellte Aceton-Dauerhefe, deren 
Provenienz und Rasse im übrigen unbekannt sind. 

Einen mit gleichartigem Regime — Fleisch + Nährhefe — 
durchgeführten Ausnutzungsversuch am Hunde hat M. Rubner 
unlängst publiziert. Sein Versuchstier erhielt täglich 150 g 
lufttrockene Nährhefe als Zulage zu 1000 g Fleisch. Nach 
Rubners Ergebnissen wurden die Calorien der Hefe zu 89,6°/,, 
der Stickstoff zu 98,4%/, resorbiert, also nicht unwesentlich 
höher, als aus den Versuchen von Völtz hervorgegangen war. 
Welcher von beiden Gattungen die von Rubner verfütterte 
Nährhefe angehörte, ist aus seinen Mitteilungen nicht eindeutig 
ersichtlich. Der Aschengehalt von 8,6°/, läßt auf entbitterte 
Bierhefe schließen, da die Mineralhefe wegen der Eigenart der 
Züchtungsform meist über 10°/, anorganischer Bestandteile 
enthält. Andererseits deuten die einleitenden Bemerkungen 
Rubners, die sich mit dem neuen Herstellungsverfahren be- 
schäftigen, auf die Verwendung der hiernach gewonnenen Mineral- 
hefe hin. 

Für die Nachprüfung und Ergänzung der zitierten Arbeiten 
durch die nachstehend mitgeteilten Versuche waren verschiedene 
Erwägungen maßgebend. 

Die ältere Art der Nährhefe wurde aus untergäriger Bier- 
hefe erhalten, während für die Züchtung der Mineralhefe aus- 
schließlich obergärige Rassen verwendet wurden. Es bestand 
die Möglichkeit, daß diese Rassenunterschiede, die morphologisch 
und biologisch mannigfach in Erscheinung treten, sich auch in 
den Resorptionsverhältnissen geltend machten. Die Klärung 
dieser Frage war nur durch Stoffwechselversuche mit beiden 
Arten der Nährhefe an der gleichen Tiergattung zu erzielen, 
die bis dahin noch nicht vorlagen. 

Mit Rücksicht auf den von Völtz bereits ausgeführten 
Versuch mit Mineralhefe am Hunde hätte die Wiederholung 
mit entbitterter Bierhefe unter sonst gleichen Bedingungen ge- 
núgt. Da man aber inzwischen in der Mineralhefefabrikation 
zur Verwendung besonders schnellwüchsiger Rassen übergegangen 


1) M. Rubner, Die Resorbierbarkeit der Náhrhefe. Münch. med. 
Wochenschr. 1916, 63. Jahrg., Nr. 18, 629 bis 631. 


Verdaulichkeit der Nährhefe. 361 


war, die ebenfalls Eigentümlichkeiten hinsichtlich ihrer Ver- 
daulichkeit äußern mochten, so schien es angezeigt, den Mineral- 
hefeversuch mit neuem Material zu wiederholen. Schließlich 
ließ auch die Unstimmigkeit in den Ergebnissen von Vóltz 
und Rubner die einheitliche Durchführung einer Versuchsreihe 
mit beiden Hefepräparaten am Hunde wünschenswert erscheinen. 

Die Versuchsanstellung schloß sich insofern an die von 
den beiden genannten Autoren gewählte Methode an, als die 
zu prüfenden Hefepräparate als Zulage zu einem nur aus Fleisch 
bestehenden Grundfutter verabreicht wurden. Zugunsten grö- 
Berer Ausschläge in den Resorptionszahlen wurde das Verhält- 
nis Fleisch : Hefe in den Rationen enger gewählt als bei Rub- 
ners Versuch. | 

Von dem Fleisch waren früher Portionen von je 500 g im 
Dampftopf sterilisiert und in luftdicht verschlossenen Gläsern 
aufbewahrt worden. Seine Zusammensetzung und Verdaulichkeit 
waren von Völtz gelegentlich seines Mineralhefeversuches in 
einer Periode am Hunde ermittelt worden. Da von Völtz die 
betreffenden Zahlen bisher nur auszugsweise veröffentlicht worden 
sind, hat er mir dieselben zur Verfügung gestellt. Es handelt sich 
um die unter „Grundfutter-Periode“ wiedergegebenen Daten. 

Das Versuchstier, eine etwa 11 kg schwere Hündin, wurde 
in dem von Abderhalden beschriebenen Stoffwechselkäfig ge- 
halten. Die Harnabgrenzung erfolgte an jedem Morgen durch 
Katheterisieren. Da die spontane Entleerung der Blase nur 
selten erfolgte, so gelang auf diese Weise meist die Gewinnung 
des Tagesharnes in einer Portion. Die scharfe Abgrenzung des 
Kotes, der in allen Fällen von normaler Konsistenz und gut 
geformt war, wurde leicht mit Hilfe von gepulverter Holzkohle 
und Kieselgur oder durch mehrtägige Verfütterung von Knochen 
erzielt. In dem unter Zusatz von etwas Salzeäure getrockneten 
Kot wurde außer dem direkt extrahierbaren Fett auch das 
Seifenfett nach Aufspaltung mit alkoholischer Salzsäure bestimmt. 
Die Fettbestimmung in den Hefepräparaten wurde nach der 
von Vóltz*) angegebenen Methode unter Zertrümmerung der 
Zellen vorgenommen. Die calorimetrische Bestimmung des 


1) W. Völtz, Eine neue Methode der Fettbestimmung. Arch. f. d. 
ges. Physiol. 97, 606 bis 633, 1903. — Auch die Fettbestimmung im 
Fleisch war nach dieser Methode erfolgt. 


362 A. Deutschland: 


Harnes erfolgte mit Hilfe von Celluloseblöckchen von bekanntem 
Brennwert, auf denen je 10 ccm des angesäuerten Harns im 
Vakuum zum Eintrocknen gebracht wurden. 

Die prozentische Zusammensetzung des Fleisches und der 
beiden Hefepräparate enthält die folgende Tabelle. 


Tabelle I. 







Fleisch... . 
Mineralhefe . 11,08 | 83,32 454,3 
Entbitterte 

Bierhefe . . 421,6 


Das zur Kotabgrenzung benutzte‘ Kohlenpulver lieferte 
6,564 Cal. pro 18. 

Es folgen zunächst die Daten über die von Völtz!) an 
einem männlichen, 16,9 kg schweren Hunde durchgeführte Pe- 
riode mit ausschließlicher Fleischfütterung. 


Grundfutter-Periode Nr. I vom 23. bis 27. IV. 1915. 
Versuchstier: Mánnlicher Hund. Gewicht: 16,9 kg. 
Das Tier verzehrte táglich: 


500 g Fleisch mit 121,15 g on 16,10g N und 669,5 Cal. 


N-Bilanz. 











Stickstoffausscheidung 























im Harn im Kot Summa 
0/, der | 9/, der | 0/, der °/, der 
Zufuhr| € ¡Zufubr Zufuhr Zufuhr 





Im Mittel 
pro Tag 
Das Rohprotein wurde also zu 96,3°/, resorbiert. 
Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag erhielt das Tier 
0,95 g N und 39,6 Cal. 
Zur SchluBabgrenzung des Kotes wurden 3 g Kohlenpulver 
verwendet. Vorangegangen war eine Periode mit kieselgur- 
haltigem Endkot. 


118,67 116,0 | 0,60 — 8,17) — 19,7 


1) S. auch Anm. 1 auf S. 359. 


Verdaulichkeit der Nährhefe. 363 


Der Kot der vorliegenden Grundfutter-Periode Nr. I wog 
lufttrocken 36,90 g und enthielt in Prozenten: 












Calorien 
hydrate | in 100g 


Trocken- 


aubai Rohfett 





9541 |1740| 7801 | 40,81 | 11,68%) 


Aus diesen Zahlen ergibt sich der folgende Gehalt an 
Einzelbestandteilen in Gramm pro die: 


4 


Roh- Kohlen- C 


Lufttrockener |Trocken- Aso Organ.| Roh- 
Kot substanz Subst. | protein 


fett |hydrate alorien 











9,23 8,80 
Nach Abzug der 
zur Abgrenzung |} 8,08 
benutzten Kohle 


Die folgende Tabelle enthält die Verdauungswerte der vor- 


liegenden 
Periode Nr. I. 


Tabelle II. 
Trocken-| Organ. Roh- | Roh- | Kohlen- Calorien 
substanz | Substanz | protein | fett | hydrate Vom 








500 g Fleisch 669,50 
Faeces.... 39,51 
Also 629,99 
resorbiert 19/, 94,1 
Energieumsatz: 
Einnahmen pro Tag . . . . 2. 22 2.2.2.2... 669,50 Cal. 


Ausgaben pro Tag: 

Im Kot . = 39,51 Cal.’’)= 5,9°/, der Zufuhr 
Im Harn. =150,15 » =22,4%, » 
Sa.: 189,66 Cal. = 28,3°/, der Zufuhr = 189,66 Cal. 
Somit beträgt der physiologische Nutzwert . 479,84 Cal. 
entsprechend 71,7%/, der Zufuhr. 
Harn — Cal. 150,15 
Harn N 18,67 

1) Darin 2,77°/, Fett aus Seifen. 


1 Der Kot der 4 Versuchstage wog getrooknet 36,90 g und enthielt 
pro 1 g 4,816 Cal., also insgesamt 177,72 Cal. Die zur Abgrenzung der 


” 





Calorischer Quotient | )= 8.0. 


364 A. Deutschland: 


Die Resorption des aus Lösungen von Zucker mit an- 
organischen Salzen gewonnenen Hefepráparats, im folgenden 
als „Mineralhefe“ bezeichnet, wurde in einer 4 tägigen Periode 
ermittelt. Zur Abgrenzung des Kotes wurden der ersten Tages- 
ration 3 g Kohlenpulver, der letzten 9 g geglúhte Kieselgur 
zugesetzt. 


Mineralhefe-Periode Nr. II vom 17. bis 20. VI. 1916. 
Versuchstier: Hündin. Gewicht: 11,25 kg. 
Das Tier verzehrte täglich: 
als Grundfutter: 


Trocken- 
125 g Fleisch mit 30,29 B ubstanz. 4,03 g N und 167,4 Cal. 
als Zulage: 


37,5 g Mineralhefe mit 35,40 g oo 3,15 g N und 170,4 Cal. 


Trocken- 
Sa. 65,69 g Substanz, 7,18 g N und 337,8 Cal. 


N-Bilanz. 


== — on — €IóéI XX 5 m 


Stickstoffausscheidung 









ım Harn im Kot 





Summa 
0/, der D, der 9/, der 
8 Zufuhr) £ Ee 8 Zufuhr 








ee PA 
Im Mittel | | 
pro Tag 1676 | 941 | 0,67 | 9,3 Ä 7,43 | 103,4 |—0,25| — 3,4 


Das Rohprotein wurde also zu 90,7%/, resorbiert. 

Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag erhielt das Tier 
0,64 g N und 30,03 Cal. 

Der Kot der vorliegenden Mineralhefe-Periode Nr. II wog 
lufttrocken 76,7 g und enthielt in Prozenten: 








Trocken- Organische | Roh- Kohlen- | Calorien 
substanz Agong Substanz | protein Rohfett hydrate | in 100 g 


9528 |3448| 6080 | 2187 | 7881) | 31,55 | 827,2 


Faeces verfütterten 3 g Kohle enthielten 19,692 Cal. Der Caloriengehalt 
der Faeces betrug somit 197,72 — 19,692 = 158,03 Cal., bzw. pro Tag 
39,51 Cal. 

1) Einschließlich 0,68%, Seifenfett. 


Verdaulichkeit der Nährhefe. 305 


Aus diesen Zahlen ergibt sich der folgende Gehalt an 
Einzelbestandteilen in Gramm für den gesamten Kot der 4 Tage: 











Lufttrockener |Trocken- gan.| Roh- | Roh- |Kohlen- 
KEE protein| fett |hydrate Calorien 





















76,70 73,083) | 26,45 | 46,68 16,77 | 5,66 | 24,20 | 251,0 
Nach Abzug von 
3 g Kohle und |} 61,08 16,77 | 5,66 231,3 





ni 43,63 21,20 | 


9 g Kieselgur 


Die folgende Tabelle enthält die Verdauungswerte der vor- 
liegenden 


Periode Nr. IL 
Tabelle III. 


Trocken-| Organ. | Roh- | Roh- Kohlen- | Calori 
substanz Substanz! protein | fett | hydrate | “> "en 


500 g Fleisch... 115,50 
150 g Mineralhefe ; 124,98 | 

Summa ..... 32, 240,48 | 
Faeces....... 43,63 


Also g.. ; 196,85 
resorbiert 19%, - . 





Die Verdauungswerte für die Mineralhefe sind aus der 
folgenden Tabelle ersichtlich. 


Tabelle IV. 











Kohlen- 
substanz|¡Substanz| protein | fett 


Trocken-| Organ. Roh- | Roh- 


hydrate Calorien 










In den Faeces der 














Hauptperiode. . 43,63 16,77 5,66 | 21,20 231,3 
In den Faeces der | 

Grundfutter- i 

periode ..... 8,08 | 6,48 | 3,72 | 108 | 1,68 | 395 
Mehr in den Faeces 












d. Hauptperiode 13,05 | 4,58 | 19,52 191,8 


Die Mineralhefe- 


53,00 37,15 







zulage enthielt .| 141,60 | 124,98 78,87 8,65 | 87,46 681,5 
Also von der Zu- { g 88,60 87,83 65,82 4,07 | 17,94 489,7 
lage resorbiert V/,| 62,6 70,3 83,5 47,0 479 71,8 





ge EE nn 


1) Einschließlich 9 g Kieselgur und 3 g Kohle. 


366 A. Deutschland: 


Mineralhefe-Periode Nr. II. 
Energieumsatz: 
Einnahmen pro Tag . . . . 2 2 2 2.2.2.2... 337,80 Cal. 
Ausgaben pro Tag: 
Im Kot .= 57,82 Cal. = 17,1°/, der Zufuhr 
Im Harn . = 58,35 » =17,3%, » ” 
Sa.: 116,17 Cal. = 34,4%/, der Zufuhr = 116,17 Cal. 
Somit beträgt der physiologische Nutzwert . 221,63 Cal. 
entsprechend 65,6°/, der Zufuhr. 
Harn — Cal. Gel Ber 


Calorischer Quotient en 


Physiologischer Nutzwert der Mineralhefezulage: 


In Faeces und Harn der vorliegenden Mineralhefe- 


Periode . . . 2 2 2 2 2 LIBIN Cal. 
In Faeces und Harn der Grundfutter-(Fleisch-)Periode 47,41 n 
Somit mehr in der Hauptperiode. . . . 2... 68,76 Cal. 
Die Mineralhefezulage enthielt . . . . . . . . .170,40 » 


Somit beträgt der physiologische Nutzwert 
der Mineralhefe . . . 2. 2 2 , 101,64 Cal. 
— 59,69]... 

Die folgende Periode III mit entbitterter Bierhefe, die in 
den nachstehenden Tabellen der Kürze wegen als „Nährhefe“ 
bezeichnet ist, dauerte 6 Tage. Zur Kotabgrenzung wurden 
3 Tage vor Beginn der Periode nur Knochen verabreicht; die 
SchluBabgrenzung geschah durch Zusatz von 15 g Kieselgur 
zur letzten Tagesration. 


Nährhefe-Periode Nr. III vom 8. bis 14. VII. 1916. 
Versuchstier: Hündin. Gewicht: 9,82 kg. 
Das Tier verzehrte täglich: 
als Grundfutter: 
166,67 g Fleisch mit 40,38 g Trocken- 5 37 y N und 223,2 Cal. 


substanz, 
als Zulage: 
50 g Nährhefe mit 44,32 g Trocken- 4 15 g N und 210,8 Cal. 
i substanz, 





Sa. 84,70 g 2. 9,52 g N und 434,0 Cal. 


Verdaulichkeit der Nährhefe. 367 



























N-Bilanz. 
Stickstoffausscheidung 
N-Ansatz 
im Harn im Kot Summa 
|9/, der Di, der | D, der 
8 |Zufuhr| 8 Zufuhr| g Zufuhr 


Im Mittel = | 
pro Tag )8,62 | 90,5 | 0,66 | 6,9 928 | 974 | 0,24 | 26 


Das Rohprotein wurde also zu 93,1°/, resorbiert. 

Pro Kilogramm Lebendgewicht und Tag erhielt das Tier 
0,97 g N und 44,2 Cal. 

Der Kot der vorliegenden Nährhefe-Periode Nr. III wog 
lufttrocken 91,2 g und enthielt in Prozenten: 










Calorien 
in 100g 


Trocken- 
substanz 





Organische | 
Asche Substanz 


| 


96,83 | 21,88 14,95 27,01 4,713) 43,23 379,8 





Aus diesen Zahlen ergibt sich der l folgende Gehalt an 
Einzelbestandteilen in Gramm für den gesamten Kot der 6 Tage: 


Lufttrockener | Trocken- Organ.) Roh- | Roh- |Kohlen-) 
Asche 


Kot substanz Subst. | protein| fett |hydrate Calorien 













91,20 88,819) | 19,95 | 68,36 | 24,63 346,4 
Nach Abzug von 
15 g Kieselgur |J 7231 |, 495 | 68,36 | 24,63 346,4 





Die folgende Tabelle enthált die Verdauungswerte der vor- 


liegenden 
Periode Nr. III. 


Tabelle V. 


Trocken. Organ. | Roh- | Rob- | Kohlen- 


substanz Substanz| protein | fett | hydrate Calorien 














242,30 | 231,00 | 201,30 
265,89 | 238.83 | 155,73 
508.19 | 469,83 | 357.03 


1000 g Fleisch .. 
300 g Nährhefe . 
Summa ..... 






Faeces ....... 7331 | 6836 | 24,63 346.4 
Also ‚| 434,88 | 401,47 | 332,40 22574 
resorbiert 1%, . .| 85,6 85,5 93,1 86,7 








1) Einschließlich 0,87°/, Seifenfett. 
1) EinsehlieBlich 15 g Kieselgur. 


308 A. Deutschland: 


Die Verdauungswerte für die Nährhefe sind aus der fol- 
genden Tabelle ersichtlich. 


Tabelle VI. 





Trocken-| Organ. | Roh- | Roh- | Kohlen- | 


substanz Substanz| protein | fett |hydrate Calorien 
In den Faeces der | | 
Hauptperiode. .| 73,31 68,36 24,63 | 4,30 | 39,43 Ä 346,4 
In den Faeces der 
Grundfutter- 
periode ..... 16,16 12,96 7,44 | 2,16 3,36 79,0 


Mehr in den Faeces 

d. Hauptperiode | 57,15 55,40 17,19 | 2,14 | 36,07 267,4 
Die Náhrhefezu- 

lage enthielt . .| 265,89 | 238,83 | 155,73 | 8,64 | 74,46 | 1264,8 
AlsovonderZu-yg | 208,74 | 183,43 | 138,54 | 6,50 | 38,39 997 4 
lage resorbiert d 18,5 76,8 890 175,2 51,6 18,9 


Periode Nr. ITI. 
Energieumsatz: 
Einnahmen pro Tag... . 2 2 2 2 2 . . . . . 434,0 Cal. 
Ausgaben pro Tag: 
Im Kot . = 57,7 Cal. =13,3%/, der Zufuhr 
Im Harn . = 704 Cal. = 16,2% » » 
Sa.: 128,1 Cal. = 29,5°/, der Zufuhr = 128,1 Cal. 


Somit beträgt der physiologische Nutzwert . . 305,9 Cal. 
entsprechend 70,5°/, der Zufuhr. 


Harn — Cal. 70,4 


Calorisch tient (re 
alorischer Quotien Ham N 862 


Lag 


Physiologischer Nutzwert der Nährhefezulage: 


In Faeces und Harn der vorliegenden Nährhefe-Periode 128,1 Cal. 
nn n = n» n Grundfutter-(Fleisch-)Periode. 63,2 » 


Somit mehr in der Hauptperiode . . . . . . . . 64,9 Cal. 
Die Nährhefezulage enthielt . . . . . . . . . . 210,8 » 
Somit betrágt der physiologische Nutzwert 

der Náhbrhefe. . . . 2 2 2 2 . . . . . . 145,9 Cal. 

= 69,2/,. 

In der nachstehenden Ubersicht sind die bisher aus Stoff- 
wechselversuchen am Hunde ermittelten Verdauungswerte fiir 
Hefetrockenpräparate zusammengestellt. 


Verdaulichkeit der Nährhefe. 369 


Tabelle VIL 










Verdauungswerte 





















Art e Physio- 
Autor des Hefe- d E | A E 3 EE logischer 
präparats we gja jao Nutzeffekt 
Hä am mz 

















{ Aceton- 
Dauerhefe | 
Mineralhefe |61,83)| 71,1 | 85 134,1 














Rubner ? — — |984| — | — — 
Deutschland Mineralhefe 62,6*)| 70,3 | 83,5 147,0| 47,9 171,8 59,6 
Deutschland er 18,5 | 76,8 | 89 (75,2, 51,6 17891 692 


Die Übereinstimmung der von Völtz und von mir für die 
Verdaulichkeit der Mineralhefe an zwei verschiedenen Tieren 
ermittelten Werte ist sehr befriedigend und läßt darauf schließen, 
daß innerhalb der obergärigen Rassen wesentliche Unterschiede 
hinsichtlich der Ausnutzung nicht bestehen. Die Verdauungr- 
werte für das Rohfett, die allein eine größere Differenz auf- 
weisen, sind an sich wegen des geringen Fettgehaltes der Hefen 
unsicher. 

Für das aus Brauerei-Unterhefe durch Entbitterung und 
Trocknung gewonnene Nährpräparat stellen sich Resorption 
und Ausnutzung etwas günstiger als für die Mineralhefe. Es 
ist zu vermuten, daß die Zellmembran der Mineralhefe den 
Verdauungsenzymen gegenüber resistenter ist, so daß ein Teil 
der Zellen den Darm unverändert verläßt. Übrigens sind die 
in Versuchen am Hunde bestimmten Werte für die Verdaulich- 
keit der Hefenährstoffe nicht ohne weiteres auf den Menschen 
übertragbar. Aus den Versuchen mit der Brauereihefe hat sich 
herausgestellt, daß zwar hinsichtlich der Verdaulichkeit des Hefe- 
eiweiß keine wesentlichen Unterschiede bei den verschiedenen. 
Tierspezies (ausgenommen das Haushuhn) bestehen; dagegen 
werden die Kohlenhydrate der Hefe vom Hunde verhältnismäßig 
schlecht ausgenutzt (zu ca. 50°/,), während sie vom Menschen 
und Herbivoren restlos verdaut werden. Ganz analog dürften 


1) Bei der Mineralhefe bilden einen wechselnden Teil der Trocken- 
substanz zellfremde anorganische Substanzen von geringer Löslichkeit 
(koblensaurer und phosphorsaurer Kalk), die die Verdaulichkeit der Zell- 


trookensubstanz nicht klar hervortreten lassen. 
Biochemisehe Zeitschrift Band 78. 24 


370 A. Deutschland: Verdaulichkeit der Nährhefe. 


auch die Nährstoffe der Mineralhefe vom Menschen höher ver- 
wertet werden als vom Hunde. 

Die von Rubner ermittelten Verdauungswerte für Stick- 
stoff und Calorien der Nährhefe weichen von Völtz’ und meinen 
Resultaten erheblich nach oben ab. Dies ist um so weniger 
erklärlich, als Rubner im Gegensatz zu uns nach der Verab- 
reichung der Nährhefe bei seinem Hunde Durchfall beobachtet 
hat und bei derartigen Darmstörungen erfahrungsgemäß die 
Ausnutzung der Nährstoffe herabgesetzt wird. Übrigens 
stößt unter diesen Umständen die Abgrenzung der Faeces auf 
erhebliche Schwierigkeiten. ` 

Rubner findet das Gesamtergebnis seines Resorptions- 
versuches, der eine Verdaulichkeit der Calorien zu 89,6°/, und 
des Proteins zu 98,4°/, ergab, „nicht ungünstig“, will aber in 
der Nährhefe nichts anderes sehen, als ein Eiweißpräparat ohne 
diätetische Bedeutung. Demgegenüber darf an das bemerkens- 
werte Resultat der von Völtz!) ausgeführten Versuche an 
Ratten erinnert werden, die besonders deutlich den hohen diä- 
tetischen Wert der Trockenhefe im Vergleich mit einem wirk- 
lichen Eiweißpulver illustrieren. Es zeigte sich nämlich, daß 
bei Verabreichung von Trockenhefe als einziger Stickstoffquelle 
im Futter es nicht nur gelang, die Tiere längere Zeit am Leben 
zu erhalten, sondern daß die Hefe allein sogar beim trächtigen 
und später beim säugenden Tier den Stickstoffbedarf für die 
Entwickelung der Jungen und für die Produktion von Milch 
vollkommen zureichend lieferte. In Parallelversuchen mit Ver- 
abreichung von Casein als ausschließlicher Stickstoffsubstanz 
wurden die Tiere schon nach kurzer Zeit schwach und apa- 
thisch, konnten aber durch nachfolgende Hefefütterung wieder 
hochgebracht werden. 


1) Jahrb. der Vers.- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin 1910, 
408 bis 412. Siehe auch Völtz, Paeohtner und Baudrexel, Über 
die Verwertung der Trockenhefe durch die landwirtschaftlichen Nutztiere. 
Landwirtsch. Jahrbücher 42, 193 bis 254, 1912. 


Notiz über die reduzierenden Eigenschaften der Stärke. 
Von 
Wilhelm v. Kaufmann. 


(Aus dem Kaiser Wilhelm -Institut für experimentelle Therapie, 
Chemische Abteilung, Berlin- Dahlem.) 


(Eingegangen am 16. November 1916.) 


Wie ich an anderer Stelle!) zeigen konnte, sind die von 
Gertrud Woker gemachten Angaben?) über die diastatische Ein- 
wirkung des Formaldehyds auf Stärke irrig. Auf Grund des 
Umstandes, daß 1°/ ‚ige Stárkelósungen nach Zugabe bestimmter 
Mengen Formaldehyds und kurzer Aufbewahrung der Gemische 
im Brutschrank die Fähigkeit einbüßen, mit ”/,¿-Jodlósung sich 
zu bläuen, hatte die genannte Autorin angenommen, daß hier 
ein Abbau der Stärke unter dem Einfluß des Formaldehyds 
stattfindet. Ordnet man diesen Versuch in der bei serologischen 
Arbeiten üblichen Weise an, indem man z.B. in 10 fortlaufend 
numerierten Reagensgläsern je 2,0 ccm der 1°/,igen Stärke-- 
lösung mit je 1,0 ccm Formaldehyd versetzt, der in Verdünnung 
von 1 bis 1:10 aus der 35- bis 38°/,igen Handelsware dar- 
gestellt ist, so beobachtet man, daß nach ?/, stiindigem Ver- 
weilen im Brutschranke und darauf folgender Abkühlung die 
Jodreaktion bei den stärkeren Konzentrationen vollkommen 
ausbleibt und erst bei einem bestimmten Verdünnungsgrade 
des Formaldehyds noch positiv ist. Diese Grenze ist nicht 
absolut scharf, sondern es treten rosa und violette Farbentöne 
bei den benachbarten Konzentrationen auf. Dieses Verfahren 
entspricht der Wohlgemuthschen Reihenmethode der Diastase- 
bestimmung, bei der das Violett als Grenzwert gilt. 

In der Tat zeigt das sich bietende Bild eine äußerliche 
Ähnlichkeit mit der Erscheinung, wie sie beim wirklichen fer- 

1) W. v. Kaufmann, Ber. d. Deutsoh. chem. Ges. 50, 1917. 


2) G. Woker, Ber. d Deutsch. ohem. Ges. 49, 2311, 1916. 
24% 


372 W. v. Kaufmann: 


mentativen Abbau der Stärke durch Diastase zutage tritt. Da 
ich aber!) dargetan habe, daß die Fähigkeit zur Blaufärbung 
sofort zurückkehrt, wenn der vorhandene Formaldehyd in irgend- 
einer Weise entfernt wird — sei es durch Abdampfen oder durch 
Überführung mit Ammoniak in Hexamethylentetramin oder ein- 
fach durch Aufhebung der lockeren Stärke-Formaldehydverbin- 
dung durch eine Mineralsäure, — so ist ersichtlich Woker einer 
Täuschung zum Opfer gefallen, die darauf beruht, daß sie die 
Fähigkeit der Stärke zur Bildung einer reversiblen Verbindung 
mit Formaldehyd übersehen hat. 

Das Vermögen, eine Reaktion mit Formaldehyd einzugehen, 
teilt die Stärke mit ungefähr allen Kohlehydraten. Mit den 
einfachen Zuckerarten hat nun die lösliche Stärke auch das 
Reduktionsvermögen gegenüber Fehlingscher Lösung gemein, 
eine Eigenschaft, die wenig beachtet und in den Lehrbüchern 
kaum erwähnt wird. Sämtliche mir zugänglichen Sorten von 
löslicher Stärke des Handels zeigten Reduktionsvermögen in 
1°/,iger, zum Teil auch in 1°/ „iger Lösung. Da lösliche Stärke 
in 1°/ iger Lösung vielfach als Substrat für den Nachweis dia- 
statischer Prozesse dient, so ist auf diese Eigenschaft Rück- 
sicht zu nehmen, sobald Reduktionsproben als Indicator für 
den eingetretenen Abbau dienen sollen. 

Mit einer reduzierenden freien Aldehydgruppe hängt auch 
der Eintritt der sogenannten Moore-Hellerschen Probe zu- 
sammen, die in der erwähnten Arbeit Gertrud Woker eben- 
falls irrtümlicherweise heranzieht zum Beweise eines Abbaues 
der Stärke durch Formaldehyd. Die Moore-Hellersche Re- 
aktion beruht auf der Gelbfärbung, die sich beim Erwärmen 
von Zuckerlösungen mit Alkali einstellt. Ein einfacher Kontroll- 
versuch lehrt, daß Formaldehyd allein mit Alkali sich bräunt, 
was ja auch eine bekannte Aldehydreaktion darstellt. Freilich 
kommt es hier auf die Konzentrationsverhältnisse an; denn bei 
den stark reduzierenden Eigenschaften des Formalins kann die 
Bräunung einer Zuckerlösung durch Alkali durch viel Form- 
aldehyd verhindert oder abgeschwächt werden. Im übrigen 
hängt es gleichfalls von der Konzentration der Stärkelösung 
ab, ob sie nicht schon an sich die sogenannte Moore-Heller- 


lo. 


Reduzierende Eigenschaften der Stärke. 373 


sche Reaktion gibt. Die im Handel befindlichen Sorten von 
löslicher Stärke liefern in 1°/,iger Lösung sämtlich deutlichste 
Gelbbraunfärbung mit Alkali ganz entsprechend dem vorhin 
erwähnten Reduktionsvermögen gegen Fehlingsche Mischung. 

In gleicher Weise ist die lösliche Stärke auch befähigt, 
mit Phenylhydrazin in Verbindung zu treten. Denn es ist be- 
kannt, daß die mit ihr nahe verwandten bzw. in ihr enthaltenen 
Amylodextrine mit Phenylhydrazin Osazone bilden. Alle Sorten 
von löslicher Stärke des Handels verhalten sich ebenso. Sie 
geben beim Erwärmen mit essigsaurem Phenylhydrazin gelb- 
braune Niederschläge, deren Menge beim Stehen in der Kälte 
zunimmt. Deshalb beweist auch die Angabe Wokers, daß man 
aus Formaldehyd-Stärkelösungen mit Phenylhydrazin eine Ver- 
bindung erhalten kann, gar nichts für eine eingetretene Hydro- 
lyse. Überdies führt die Verfasserin an, daß sie mit diesem 
Reagens eine farblose Verbindung erhalten habe, was sich schon 
gewiß nicht im Einklang mit einem Abbau befindet, da alle 
wirklichen Osazone der Zuckerarten gelb gefärbt sind: Viel- 
leicht liegt hier Verwechslung mit einer Formalinverbindung vor. 

Es erübrigt sich die Angabe besonderer Versuchsprotokolle 
über das eindeutige Verhalten von Stärkelösungen zu Fehling- 
scher Mischung und zu essigsaurem Phenylhydrazin. Über den 
Verlauf der Moore-Hellerschen Probe geben folgende Daten 

Auskunft. 

Es wurden mehrere Reihenversuche in folgender Weise an- 
gestellt: In 10 Reagensgläsern wurden je 2,0 ccm Stärkelösung 
mit 1,0 ccm 35°/ iger Formaldehydlósung (D. A. B. 5), dann mit 
0,9 ccm, 0,8 ccm und herab bis 0,1 ccm CH,O versetzt. Durch 
entsprechende Zugabe von Wasser wurde stets das Gesamt- 
Volumen von 3,0 com hergestellt. Nach halbstündiger Bebrü- 
tung und Abkühlung wurde zu jedem Reagensglase das gleiche 
Volumen (= 3,0 ccm) 50°/,iger Natronlauge oder Kalilauge ge- 
fügt. Zur Kontrolle wurde dann noch ein 11. und 12. Glas an- 
gesetzt, ersteres mit 1,0 ccm Formaldehyd, 2,0 com Wasser und 
3,0 com Lauge, letzteres mit 2,0 com 1°/ ‚iger Stärkelösung, 
3,0 com 50°/,iger Natronlauge und 1,0 cem 35°/,igen Form- 
aldehyds. Die nichtbebrüteten Gläser 11 und 12 wurden mit 
den 10 bebrüteten zugleich in ein siedendes Wasserbad ver- 
senkt: Sämtliche Gläser zeigten eine Gelbbraunfärbung, die an 


` 


374 W. v. Kaufmann: Reduzierende Eigenschaften der Stärke. 


Tiefe von Reagensglas 1 bis 10 abnahm. Der Grad der Bräunung 
ging vollkommen parallel dem Gehalte an Formaldehyd. Dem- 
entsprechend zeigte auch Probe 11 eine Gelbbraunfärbung un- 
gefähr von der Stärke des Reagensglases 2; Reagensglas 1, das 
die höchste Konzentration an Formaldehyd neben Stärke ent- 
hielt, wies eine unwesentlich tiefere Gelbfärbung auf. Daß die- 
selbe nicht einer wirklichen hydrolytischen Spaltung der Stärke 
zu Zucker ihre Entstehung verdankt, lehrt der Kontrollver-. 
such 12, bei dem die Reagenzien in folgender Reihenfolge un- 
mittelbar vor dem Versenken ins Wasserbad gemischt wurden: 
2,0 cem Stärkelösung, 3,0 ccm 50%/,ige Natronlauge, 1,0 cem 
Formaldehyd. Obgleich keine Digestion bei 37° voranging und 
der CH,O zur stark alkalischen Stärkelösung zugesetzt war, also 
wohl kaum „spalten“ konnte, nahm diese Probe 12 die gleiche 
Nuance wie Probe 1 an. Der Versuch ist mit dem gleichen 
Ergebnis mehrfach wiederholt. Worauf die etwas stärkere Gelb- 
fárbung bei den Gläsern 1 und 12 beruht, muß dahingestellt 
bleiben. 

Daß die Moore-Hellersche Probe, die als eine der un- 
zuverlässigsten Zuckerreaktionen von allen Analytikern nahezu 
verlassen ist, durch Formaldehyd noch unsicherer gemacht 
werden kann, zeigen folgende Versuche: 

In 2 Reagensgläser wurden je 1,0 ccm 1°/ „iger Maltose- 
lösung gefüllt. In das erste Glas wurden außerdem 2,0 ccm 
der 35°/,igen Formalinlösung und 0,5 ccm 50°/,ige Lauge, in ' 
das zweite 2,0 com Wasser und 0,5 com 50°/,ige Lauge ge- 
geben. Während im zweiten Reagensglase beim Erwärmen so- 
fort eine starke Gelbfärbung entstand, trat dieselbe bei dem 
ersten, das also den Zusatz von Formaldehyd enthielt, auch 
nach längerem Erwärmen nicht auf. Ganz entsprechend ver- 
hielten sich 1%/,ige Traubenzuckerlösungen. Dieses Ergebnis 
bestätigten mehrfache Versuche der angegebenen Art. 
Während 1°/ „ige Lösungen von käuflicher löslicher Stärke 

durch starkes Alkali nicht gebräunt wurden, trat diese Reaktion 

mit 1°/ iger Lösung recht deutlich auf. Dementsprechend fand 
ich auch alle käuflichen Sorten von löslicher Stärke befähigt, 
mit Phenylhydraziu zu reagieren (siehe S. 373). 


Autorenverzeichnis. 


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sulfonsäure der p-Aminophenyl- ` 


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