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Full text of "Biochemische Zeitschrift 86.1918"

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S6IT 
181 


v.84 


ibrary of 





p rinreton Unibersitn. 
Presented by 


Charles Millistan M Alpin , 
Class af '88. 


Biochemische Zeitschrift. 


Beiträge 
zur chemischen Physiologie und Pathologie. 


Herausgegeben von 
F. Hofmeister-Straßburg i. Els., C. v. Noorden-Frankfurt a. M., 
E. Salkowski-Berlin, A. von Wassermann-Berlin, N. Zuntz-Berlin 


unter Mitwirkung von 


M. Ascoll-Catania, L. Asher-Bern, J.Bang-Lund, G. Bertrand-Paris, A, Biekel-Berlin, F. Blumen- 
thal-Berlin, A. Bonanni- Rom, F.Bottazzi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhe i. B., A, Durig-Wien, F. Ehr- 
lich- Breslau, H. v. Euler-Stockholm, 8, Flexner-New York, J. Forssman-Lund, 8, Fränkel- Wien, 
E. Freund-Wien, E. Friedberger-Greifswald, E. Friedmann-Berlin, ©. v, Fürth-Wien, G. Galeotti- 
Neapel, F, Haber- Berlin-Dahlem, H., 3. Hamburger-Groningen, P. Härl-Budapest, A. Heflier- 
Berlin, V. Henri- Paris, V, Henriques- Kopenhagen, W. Henbner- Göttingen, R. Höber- Kiel, 
M. Jacoby-Berlin, R. Kobert-Rostock, M. Kumagawa-Tokio, F, Landolf- Buenos Aires, L, Lang- 
steln-Berlin, P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann-Budapest, J. Loeb-New York, A. Loewy- 
Berlin, A, Maguus-Levy-Berlin, 3. A. Mandel-New York, L. Marchlewski-Krakau, P, Mayer- 
Karlsbad, J. Meisenhelmer- Berlin, L. Michaells- Berlin, H, Molisch-Wien, 3. Morgenroth-Berlin, 
E. Hünzer-Prag, W. Nernst-Berlin, W. Ostwald-Leipzig, W. Palladin-St.Petersburg, W, Paull-Wien, 
R. Picifler-Breslau, E.P.Pick-Wien, 3. Pohl-Breslau, Ch. Porcher-Lyon, F. Roehmann-Breslau, 
P. Rona-Berlin, 8. Salaskin-St. Petersburg, N. Bleber-St. Petersburg, M, Siegiried- Leipzig, 
8. P. L. Sörensen-Kopenhagen, K. Spiro-Straßburg, E. H. Starling-London, J. Stoklasa- Prag, 
W. Straub-Freiburg i. B., A. Stutzer-Königsberg i. Pr., H. v. Tappeiner-München, H. Thoms- 
Berlin, A. J. J. Vandevcide-Gent, ©. Warburg-Berlin, W. Wiechowski-Prag, A. Wohl-Danzig, 
3. Wohlgemuth-Berlin. 


Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin. :.::‘: 





Sechsundachtzigster Band,, 





Berlin. 
Verlag von Julius Springer. 
1918. 


(RECAP) 


8617 
‚(81 {rtle) f6. hd 


Druck von Oscar Brandstetter in Leiptig.. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 


Feigl, Joh. Neue Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 
Fette und Lipoide des Blutes. Chemische Beiträge zur Kenntnis 
der Entwicklung und Charakteristik spezifischer Lipämien ... 1 
Feigl, Joh. und H. Luce. Neue Untersuchungen über akute gelbe 
Leberatrophie. IV. Verhalten von Blutzucker und Glykogen. 
Weitere Beobachtungen über den Reststickstoff des Blutes und 
seine Gliederung. Acetonkörper. Vorläufige Zusammenfassung 
von Ergebnissen über Befunde in Blut und Plasma. ..... 48 
Siegfried, M. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeiten 
durch Lipoide .... 2... ET nn an a Mean Te Saar 08 
Boas, Friedrich. Weitere Untersuchungen über die Bildung löslicher 
Stärke bei Sohimmelpilzen mit besonderer Berücksichtigung der 
Frage nach der Eiweißsynthese der Schimmelpilzre ...... 110 
Loewy, A. und R. von der Heide. Über die Aufnahme des Äthyl- 
alkohols durch die Atmung . . .. 2 22.220. Pr AA E E 
de Corral, José M. Respiratorische Stoffwechselversuche über die Frage 
der Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten 176 
Bäck, Hans. Beiträge zur Kenntnis der Ausscheidung der Saponine 
durch den Kot ... 2222200. ee E EE E TE 
Fieger, Josef. Über die Ausscheidung von Saponinen durch den Harn 


und ihre Wirkung auf das Blut nach innerlicher Darreichung . 243 


Nov xaa 401499 


IV 
Seite 


de Haan, J. Über die Senkungsgeschwindigkeit der Blutkörperohen 
verschiedener Blutarten im Hinblick auf deren Verwendbarkeit 


für Phagocytoseuntersuchungen . ...... sesa sa oa 298 
Hamburger, H. J. Anionenwanderungen in Serum und Blut unter 

dem Einfluß von CO,, Säure und Alkali . 2... 2 2 22 2.. 309 
Meyerhof, Otto. Notiz über Eiweißfällungen durch Narkotica . . . 325 
Jacoby, Martin. Über Fermentbildung. VI. ......... . + 329 
Euler, Hans. Über die Darstellung von Kohlenhydratphosphorsäure- 

ester (Zymophosphat) durch lebende Hefe . ........x 337 


Landsteiner, Karl und Hans Lampl. Über die Abhängigkeit der sero- 
logischen Spezifizität von der chemischen Struktur. (Darstellung 
von Antigenen mit bekannter chemischer Konstitution der spezi- 
fischen Gruppen.) XII. Mitteilung über Antigene... . . . . 343 
Feigl, Joh. Über das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen 
Blutserum. V. Weitere Versuche zur analytischen Wiedergabe 
des Restphosphors. Selbständige Bestimmung dieser Fraktion . 395 
Hasselbalch, K. A. und E, J. Warburg. Ist die Kohlensäurebindung 
des Blutserums als Maß für die Blutreaktion verwendbar?. . . 410 
Freund, Julius. Beiträge zur Kenntnis des Meerschweinchenserums . 421 


Autorenverzeichnis cs s a a operer Da ka u 426 








Neue Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. Ill. 
Fette und Lipoide des Blutes. 


Chemische Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung und Charak- 
teristik spezifischer Lipämien!). 


Von 
Joh. Feigl. 


(Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses 
Hamburg-Barmbeck.) 


(Eingegangen am 11. Oktober 1917.) 


Einleitung. 

Breitere Untersuchung über das Verhalten, die Wandlungen 
und Mengen von Fetten, Fettsäuren, Lipoiden und Cholesterin 
sowie über deren Bindungsformen bei akuter gelber Leber- 
atrophie fehlen völlig. Einschlägige Angaben sind dagegen 
auf indirekter, mikroskopischer Methodik beruhend, gemacht 
worden. Des weiteren fehlen auch Analysen der Reste des 
Organes. Um so größer ist die Literatur, die sich mit der 
Klärung von Fragen der Fettumwandlung, Anreicherung und 
Bewegung bei Phosphorvergiftung beschäftigt. In jüngster 

1) Die Lipämie ist ursprünglich ein pathologisch-klinischer Begriff 
summarischen Inhaltes, die später formulierten Bezeichnungen der (ech- 
ten) Lipämie, Lipoidämie, Cholesterinämie in (allgemein oder speziell) 
pathochemischen (erhöhten) Verhältnissen umfassend („Hypercholesterin- 
ämie“). Die vorliegend beschriebene Lipämie weicht nach ihrer Ent- 
stehung und Zusammensetzung von den meisten übrigen ab (Leeithin- 
schwund, freie Fettsäuren). „Lipoid“ als Normalbegriff für fettartige 
(ätherlösliche) Körper stammt von Overton; später deckte die Bezeich- 
nung Lecithin- und Cholesterinkörper gemeinsam; Lecithin ein Spezial- 
fall der „Phosphatide“. „Lipoide“ nach Overton gleichen den „Li- 
pinen“ nach Gies (darunter Phosphorlipine), den „fats“ von Leather. 


Zur Kenntnis der Mitteilungen von W. R. Bloor, beigefügt. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 1 


2 Joh. Feigl: 


Zeit ist die uns speziell vorliegende Frage nach den im Blute 
sichtbar werdenden bzw. dort sich abspielenden Erscheinungen 
der Fettanhäufung und Verlagerung vom Standpunkte der 
Pathologie der Niere mit mikroskopischen Erkenntnismitteln 
in Angriff genommen worden. Ohne hier auf diesen beiden 
Gebieten ins einzelne gehen zu wollen, da uns manche Äuße- 
rungen und Befunde weiter unten noch beschäftigen werden, 
sei erwähnt, daß einzelne Forscher die Frage über die Natur 
von Anstiegen der Lipoide und Fette im Blute nach der 
Beobachtung von Fettanhäufungen in der Niere gestellt haben. 
(Landau, Th. Fahr!)]. Indes ist diesen Andeutungen in Hin- 
sicht auf die quantitative Zusammensetzung von Blut und 
Serum an Körpern der Fettreihe wie auch des Leeithins und 
Cholesterins bisher nichts gefolgt. Eine deskriptive Che- 
mie des Fettes bzw. der Lipoide im Blute bei akuter 
gelber Leberatrophie existiert nicht?). Diese Lücke in 
der Kenntnis von den Umwandlungen des schweren Krank- 
heitsbildes kann durch die Mitteilung nachstehender Unter- 
suchungsergebnisse ausgefüllt werden, insofern als es sich um 
den Versuch handelt, zu prüfen, ob das Blut im allgemeinen 
die lokalen Fettumwälzungen wiederspiegelt. 


Klinisches Material. 


Das uns zur Verfügung stehende Material umfaßt: 

1 Fall mit der höchst seltenen, darum willkommenen Gelegenheit 
zu einer kontinuierlichen Erforschung durch den ganzen Verlauf hin- 
durch, beginnend mit leisen, kaum definierbaren Symptomen. Er ver- 
blieb etwa 6 Wochen in dauernder Beobachtung und gestattete klinischen 
wie auch pathochemischen Einblick in die Entwickelung des Krankheits- 
bildes. Dieser Fall ist zugleich der erste, an dem überhaupt 
Reihenuntersuchungen angestellt wurden, der ferner mit 
modernen Methoden der Analyse von Reststickstoff, Amino- 

1) M. Landau, Zur Morphologie der Sekretion und Resorption in 
den Nieren, Arch. f. klin. Med. 1914, 115, 326. — Th. Fahr, Diabetes- 
studien II. Nierenveränderungen bei Diabetes, zugleich ein Beitrag zur 
Glykogenfrage, Virchows Archiv 1917, 223, 194. 

2) Neuere Literatur bei Joh. Feigl] und H. Luce, Neue Unter- 
suchungen über akute gelbe Leberatrophie I; Über den Reststickstoff 
des Blutes usw.; diese Zeitschr. 79, 3/4, 162, 1917; Festschrift für Johs. 
Orth; besonders F. Umber im Handbuch von Mohr und Staehelin 
Ill, Leber und Gallenwege, Berlin 1914. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 3 


säure, Harnstoff usw. deskriptiv charakterisiert wurde [Joh. 
Feigl und H. Luce, 1917]°). 

2 Fälle waren im Zustande bereits schwerer Erscheinungen nach 
4- bzw. 3tägiger Beobachtung zur Untersuchung gekommen. Auch über 
diese wurde an Hand der Ergebnisse bestimmter Methoden, besonders 
des Reststickstoffgebietes von Joh. Feigl und H. Luce bzw. von 
Joh. Feigl, unter dem Gesichtspunkte der Verteilung und Struktur 
des Phosphors mit einzelnen Zahlen über den sogenannten „Restphos- 
phor“ berichtet?). 

1 Fall stand unter klinischer Beobachtung von H. Luce und ist 
bei Abwägung aller Ergebnisse klinischer bzw. pathochemischer Natur 
als einer der seltenen Fälle angesehen worden, die bei selbst bedenk- 
lichen Befunden in Heilung übergingen. Die Pathochemie beschrieben 
Joh. Feigl und H. Luce?), $). 


1 weiterer Fall kam zu den vorigen jüngst hinzu. Wir 
erhielten Material von 6, 4, 2 Tage ante exitum und wenige 
Stunden vor diesem. Die Krankengeschichten sind hier unseres 
Erachtens nicht von ausschlaggebendem Interesse, da in dem 
letzten wie in den weiteren 2 tödlichen Fällen keine völlig 
durchlaufende, der Entwicklung gerechtwerdende, pathochemische 
Untersuchung stattfand. Außerdem ist auszugsweise die Kran- 
kengeschichte des 1. Falles mitgeteilt worden, (kein Anhalt für 
Lues, WaR. negativ — im Beginn der Krankheit — (Dr. Graetz,) 
früher angeblich Schlaganfall und Lähmungen). Die’ nächsten 
tödlichen Fälle waren zweifelsfrei als luetisch bestimmt; Alter 
48 bzw. 61 Jahre, Mann bzw. Frau, ersterer Trinker, letztere 
bot Anhalt für Störungen des Purinstoffwechsels (Anamnese) 
und gelegentliche Glykosurien, keine Belastungen von seiten 
der Schwangerschaften. Der geheilte Fall (Luce) betraf einen 
Jugendlichen mit sonst nicht beträchtlicheren Symptomen. Der 
letztgenannte war wiederum als luetisch erkannt worden, Alter 
53 Jahre, Mann von stärkerem Körperbau und befriedigendem 
Ernährungszustande, Zusammenhänge mit rheumatischen Be- 
schwerden wurden aufgeklärt, nie Störungen im Zucker- und 
Purinstoffwechsel, dagegen mehrfach Magendarmleiden, einmal 


1) 1. c. 3). 

2) Joh. Feigl s. u. 

HRe. 

4) In Hinsicht der Krankengeschichten sei hier bemerkt, daß der 
eine von uns (H. Luce) in einer klinischen Darstellung der Frage auf 
die Entwicklung der Fälle speziell zurückkommen wird. 

1* 


4 Joh. Feigl: 


Ruhr. Sämtliche Fälle waren, soweit Aufklärung gebracht 
werden konnte, frei von eigentlichen Störungen der Nieren- 
funktion; für einzelne gelang der pathologisch-anatomische bzw. 
mikroskopische Nachweis exakt (Fahr). 


Bisherige neue Ergebnisse. 


In der früheren Untersuchungsreihe von Joh. Feigl und 
H. Luce sowie in weiteren Mitteilungen a. O. von Joh. Feigl 
waren Ergebnisse über die Umstimmungen im Reststickstoff- 
gebiete mitgeteilt worden. Einmal handelte es sich um den 
gesamten Reststickstoff, ferner um seine Struktur hinsichtlich 
der Hauptfraktionen nach J. Bang, sowie der geläuterten 
Formulierung letzterer nach amerikanischen Autoren wie Feigl 
und Luce. Diese eröffnet Einblick in den Gehalt an Harn- 
stoff, über dessen Bedeutung als (indirekten) Indicator eigent- 
licher Nierenstörungen gesprochen wird. Den Hauptumfang 
nimmt die Aminosäurefraktion ein als „summarischer“ und 
„reiner“ Begriff, der seinerseits rechnerisch und präparativ- 
analytisch hinsichtlich der Mengen wie einzelner Individuen 
beschrieben wurde. Purin sowie Kreatinin und Kreatin, letztere 
im gegensätzlichen Verhältnis, endlich Ammoniak in Rücksicht 
auf Acidosen, werden analytisch wiedergegeben. Ausgehend 
vom Purinbestande wird mit gewisser Berechtigung die Ver- 
teilung und Struktur des „säurelöslichen“ Phosphors dargestellt, 
der summarisch erhöht befunden wird, ihm gegenüber der 
fällbare, vorwiegend lipoidische Phosphor mit absinkenden Be- 
trägen. Letzterem, als Teilbegriff der Lipoidfraktion, traten 
Angaben über Anwachsen des Cholesterins in summarischen 
Befunden zur Seite. Über das Gebiet der Gesamt- und Rest- 
reduktion wurden genauere Angaben gemacht, die bei vor- 
eichtiger Einschränkung des derzeit zugrunde gelegten, nun 
obsoleten Begriffes der Restreduktion von Schumm deutlich 
auf Absenkung des Blutzuckers hinzeigten. 

Im Falle 1 geschah die analytische Beschreibung in lücken- 
loser Entwicklung und zeigte die Wandlungen durch Anstiege 
im Reststickstoffgebiete, spezifisch für den Amino-N, Purin, 
Kreatinin und Kreatin an. Umstimmungen zeigten sich durch 
Herabsetzung des Lipoid-P, durch Ansteigen des Gesamt- 
cholesterins, durch beträchtliches Hinaufrücken des säurelös- 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. HJ. 5 


lichen Phosphors, durch Veränderung und charakteristische 
Abartung in seiner Struktur mit starkem Hervortreten der 
Fraktion des „Restphosphors“ (Feigl). Befunde der letzteren 
Art wurden auch in den späteren Fällen erhoben, desgleichen 
solche über Cholesterin usw. 

Die bisherigen kurzen Angaben waren nur als Beigabe 
mitgeteilt worden und sollen nunmehr, soweit angängig, be- 
trächtlich erweitert, beschrieben werden. Es haben sich, an- 
scheinend wesentliche, Umstimmungen und besondere Verhält- 
nisse in der Entwicklung bei Fetten und Lipoiden von Blut 
und Serum nachweisen lassen. (Maskierte Lipämie.) 


Methodik. 


Die Analysen der Fette (bzw. des Neutralfettes und der Gesamt- 
fettsäuren) wurden nach W. R. Bloor durchgeführt!). In dem ältesten 
Falle (1) wurde Cholesterin nach W. Authenrieth und A. Funk be- 
stimmt?). Später wurde diese Methode durch das Verfahren nach W. 
R. Bloor, teils aus deskriptiven, teils aus methodologischen Gründen 
ergänzt?) Weitere Verfahren der Cholesterinanalyse (Weston und 
Kent, Gettler und Baker, Grigaut) wurden mit aufgenommen, sind 
jedoch nach ihren Ergebnissen von speziellerem Interesse und werden 
daher hier nicht berührt‘). Die Differentialanalyse des freien und ge- 
bundenen Cholesterins wurde nach W. R. Bloor in den späteren Fällen 
bewirkt’). Makrochemische Grundlagen wurden nur aus systematischem, 
bier nicht wichtigem Interesse gewählt. Es genügt zu sagen, daß so- 
wohl die Frage des Fettes bzw. die der Gesamtfettsäuren bei direkter 
Verseifung nach L. Liebermann bzw. Kumagawa-Suto®°) im ganzen 

1) W. R. Bloor, A method for the determination of fat in small 
amounts of blood, Journ. of Biolog. Chem. 17, 877, 1914. 

2?) W. Authenrieth und A. Funk, Über colorimetrische Be- 
stimmungsmethoden. Die Bestimmung des Gesamtcholesterins in Blut 
und Geweben. Münch. med. Wochenschr. 1913, 1243. 

®») W. R. Bloor, The determination of total cholesterol in small 
amounts of blood. Journ. of Biolog. Chem. 24, 227, 1916. 

4) Besondere einschlägige Arbeiten gemeinsam mit J. Neumann 
(seit 1915) stehen vor dem Abschlusse. 

5) W. R. Bloor und A. Kundsen, The separate determination of 
cholesterol and cholesterolesters in small amounts of blood. Journ. of 
Biolog. Chem. 27, 107, 1916; sowie 29, 1917. 

°) v. Szek&ly betonte, daß die Benennung nach Kumagawe- 
Suto der Wahrheit nicht gerecht wurde, da sie eine Weiterbildung des 
methodischen Gedankens von L. Liobermann sei. Über Fettbestimmung. 
diese Zeitschr. 42, 5, 412, 1912. Ebenso präzis sagt Bloor l. o. ?), sie 


6 Joh. Feigl: 


prinzipiell die gleichen Werte lieferte, was auch von der Lipoid- bzw. 
Cholesterinbestimmung mit größeren Mengen gilt und in den Befunden 
vorwiegend methodenkritisches Interesse in Anspruch nimmt. Die Ana- 
lyse der Lipoidfraktion geschah auf zwei Wegen’): Einmal wurde die 
dem rechnerischen Zusammenhange des Fettgebietes angehörende Mə- 
thode von W. R. Bloor gewählt, jedoch von Anfang an nicht auf Grund 
der Analyse durch Nephelometrie des Silberphosphates, vielmehr des 
komplexen Strychninphosphormolybdates®), °). Gleichzeitig wurde die 
Phosphorverteilung durch die Methodik des fällbaren einerseits, des säure- 
löslichen andrerseits im Sinne von J. Greenwald‘) nach technischen 
Angaben von .P. A. Kober und Gr. Egerer°) bzw. nach allgemeinen 
Erfahrungen von Joh. Feigl) gewählt. Die hieran anschließende Frage 
der Struktur des säurelöslichen Phosphors wurde im Zusammenhang mit 
methodischen Arbeiten von Joh. Feigl’), ?) und im Anschlusse an Mit- 
teilungen von J. Greenwald?) bearbeitet. 

“ Für größere Reihen von Untersuchungen an einem Falle bzw. für 
größere Analysen aus einmaliger Probe kommen nur mikrochemische 
Verhältnisse in Frage. Diesen Anforderungen werden u. a. die Methoden 


sei eine Modifikation der ersteren. Für Blut kommt die vorgängige Al- 
koholextraktion nach Shimidzu in Betracht. 

1) Bisherige Angaben bei Joh. Feigl und H. Luce, l. o. 1917 
nur nach Lipoidphosphor. 

2) W. R. Bloor, A method for the determination of lecithin in 
small amounts of blood. Journ. of Biolog. Chem. 22, 133, 1915. 

3) Derselbe Autor schlug die Verwendung des komplexen Alkaloid- 
salzes nach Vorgang von J. Pouget und D. Chouchak erst 1918, 
l. c. 58t, vor. Der Vorteil gegenüber dem Silberphosphat beruht in der 
für die Fällung zulässigen, sauren Reaktion, die bei ersterem hingegen 
genau auf den Neutralpunkt abgestimmt sein muß. 

1) J. Greenwald, The estimation of lipoid- and acid-soluble phos- 
phorus in small amounts of serum, sowie ältere Arbeiten, zitiert ebenda. 
Journ. of Biolog. Chem. 21, 29, 1915. 

5) P. A. Kober und G. Egerer, Nephelometric determination of 
phosphorus. Journ. of Amer. Chem. Soc. 87, 2373, 1915. 

6) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch- 
lichen Blutserum, I. Säurelöslicher Phosphor bei Gesunden und Kran- 
ken, diese Zeitschr. 81, 5/6, 380, 1917. 

7% Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten, II. Säure- 
löslicher (Gesamt)Phosphor, vorgebildetes Orthophosphat, Restphosphor 
beim Gesunden, diese Zeitschr. 83, 81, 1917. 

3) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten, III. Säure- 
löslicher (Gesamt-)Phosphor, Orthophosphat und Restphosphor bei Krank- 
heitezuständen. A, diese Zeitschr. 83, 218, 1917. 

®) J. Greenwald, The nature of the acid-soluble phosphorus of 
the serum. Journ. of. Biolog. Chem. 25, 431, 1916. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 7 


von Bloor und den übrigen genannten Autoren gerecht. Die Wahl 
wurde erleichtert durch die eingehenden Mitteilungen und Analysen 
Bloors an einigen Gesunden und Kranken!), unter denen allerdings 
verwandte Erscheinungen, wie z. B. Phosphorvergiftung, und gerade die 
Leberatrophie fehlen, so daß Vergleiche nicht gemacht werden können. 
Weitere eigene Erfahrungen an Gesunden und Kranken’), an Unter- 
ernährten®) nach Muskelarbeit‘), bei Avitaminosen®), nach Knochen- 
operationen®) stehen uns zu Diensten, um, abgesehen von nicht mit- 
geteilter Kritik der Nephelometrie des Fettes, die Methodik an sich 
empfehlen zu können. Über die Enteiweißung und Extraktion spricht 
sich J. H. Müller’) anerkennend aus. 

Diese Methodik hat den Vorzug, die Glieder des ganzen 
Gebietes, teils selbständig in analytischer Bestimmung, teils 
in gegenseitiger, rechnerischer Verkettung aus einem Wurfe 
darzustellen. Wir folgen hierin der Darlegung Bloors®) bei 
möglichster Kürze. 

Gesamtfettsäuren — Gesamtfett weniger Cholesterin. Lecithin — 
Phosphorsäure (H,PO,) mal 8. Neutralfett im Plasma wird ermittelt, 
indem die in heterogener Bindung stehenden Fettsäuren von dem Ge- 
samtbetrage abgesetzt werden; für Lecithin der gefundene Wert >< 0,70 
auf Grund der Annahme einer Oleo-Stearylverbindung, für Cholesterin 
der gefundene Wert >< 0,48, da im Plasma ?/, des Gesamtcholesterins 
als verestert angesehen werden. Willkürliche, später geprüfte Annahme. 

Für Körperchen findet diese letztere Korrektur nicht statt, das 
Cholesterin gilt als durchaus ungebunden. Der sonach ermittelte Rest- 
betrag an Fettsäuren ergibt >< 1,05 das gesuchte Neutralfett. Ge- 
samtätherlösliches ist die Summe aus Leeithin, freiem und gebundenem 
Cholesterin und Neutralfett (Plasma). 

Als Fehlergrenzen der Einzelverfahren, vielleicht der ganzen Ana- 


1) W. R. Bloor, The distribution of the lipoids („fat“) in human 
blood. Journ. of Biolog. Chem. 25, 577, 1916. 

®) Zur Zeit noch unveröffentlicht, teilweise in Verbindung mit K. 
Th. Fahr an Diabetikern usw. 

3) Joh. Feigl, zitiert bei A. V. Knack und J. Neumann, Bei- 
träge zur Ödemfrage, Deutsche med. Wochenschr. 29, 901, 1917. 

4) In Untersuchungen über Blutchemie und Marsch, noch unver- 
öffentlicht. 

®) Noch unveröffentlicht, aber z. T. erwähnt in *°). 

©) Mehrere Fälle, darunter ein exitus durch Fettembolie des Ge- 
hirns, überwiesen von F. Oehlecker u.a. , 

2 J. H. Müller, A comparison of the results obtained by the 
colorimetric and gravimetric determinations of cholesterol. Journ. of 
Biolog. Chem. 25, 549, 1916. 

®) W. R. Bloor, l. ce. 1°) 25, 587, 1916. 


8 Joh. Feigl: 


lyse nimmt Bloor 5°/,, zumeist weniger, an. Wir können an dieser 
Stelle bei aller Wertschätzung der Methoden nicht umhin, anzugeben, 
daß allerlei schematische Annahmen und gewisse technische Bedenken 
immerhin modifizierend wirken müssen, so daß die Gesamtgenauigkeit 
sicher geringer ausfällt. Es gilt diese Einschränkung einmal von der 
Variabilität des Verhältnisses zwischen freiem und gebundenem Chol- 
esterin im Plasma. Wir haben — allgemein vielleicht ja nur unter dem 
mächtigen Eindrucke der alimentären Herabstimmungen unserer Kriegs- 
verhältnisse — doch auch speziell bei einzelnen Krankheitsfällen und 
physiologischen Abwandlungen weitere Veränderungen im Bindungsanteile 
des Cholesterins gesehen. Es sei daran erinnert, daß bei Inanitions- 
ödemen Beträge von 18°/,, 15°/, (und weniger!) für letzteres festgestellt 
wurden. Danach muß sich die oben skizzierte Rechnung im Sinne eines 
höheren Restbetrages der Wert für Neutralfett unseres Wissens verschieben. 
Ferner sind nach neucsten Befunden von P. G. Weston!) die Chol- 
esterinwerte in Zweifel zu ziehen. Diese Frage, zu der übrigens Müller 
nicht im gleichen Sinne Stellung nimmt?), muß als besondere methoden- 
kritische Aufgabe reserviert bleiben. Es ist leicht möglich, daß an 
dieser Stelle, wo die Isolierungsverfahren — vorgängige starke Hydrolyse 
durch Alkali (Authenrieth-Funk u. a.) oder indifferente Extraktion 
(Bloor) bestimmend eingreifen, zerstörbare Umwandlungsprodukte des 
Cholesterins bzw. anderer ähnlicher Körper Bedeutung für Farben- 
proben nach Liebermann-Burchard erlangen, z. B. die Oxycholesterine 
(Lifschütz), Gallenfarbstoffderivate u. a.®). Des weiteren muß das Vo- 
lumen der Blutkörperchen entweder vorausgesetzt werden, wie es Bloor 
nach Keith, Geraghty und Rowntree tut — 43°), bei Gesunden 
— oder durch die analytische Vorbereitung zur Bestimmung gelangen *). 
Die Trennung von Blut und Plasma geschieht nach Bloor durch Citrat- 
beigabe und scharfes Zentrifugieren, das der Herstellung der Fraktionen 
der Blutflüssigkeit vorangeht. 

Der Ermittelung der Mengen von Fetten, Lipoid und Cholesterin 
im Blut, Plasma und Körperchen folgt die aus deskriptivem und dia- 
gnostischem Interesse bezeichnende und wertvolle Aufstellung folgender 


1) P. G. Weston, Colorimetric methods for determining cholesterol 
in serum. Journ. of Biolog. Chem. 28, 383, 1916/1917. 

*) J. H. Müller, 1l. c. 1916. 

°) J. Lifschütz, Quantitative Bestimmung der Cholesterinstoffe, 
I, diese Zeitschr. 54, 3/4, 212, 1913, sowie spätere Arbeiten. — E. Schrei- 
ber und Lenard, Über Oxycholesterin, diese Zeitschr. 49, 6, 458, 1913. 
— E. Schreiber, Zur quantitativen Bestimmung des Cholesterins und 
Oxycholesterins nach Authenrieth und Funk, Münch. med. Wochen- 
schr. 1913, 36, 2001. — W. Authenrieth und A. Funk, Zur Kennt- 
nis der Liebermannschen Cholesterinreaktion, Münch. med. Wochen- 
schr. 1913, 32 1776. — Polemik gegen Lifschütz, nach dem reine 
Fettsäureester von Cholesterin und Oxycholesterin die Reaktion geben. 

% W. R. Bloor, l. c. 1916, 587. ; 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 9 


Beziehungen. Im ersten Falle ermittelt man Gesamtfettsäuren zu Le- 
eithin, im zweiten Lecithin zu Cholesterin. Die relativen Werte er- 
läutern die Frage bedeutend, wie Bloor nach dem Vorgange von 
A. Mayer und G. Schäffer wie E. F. Terroine und D. Weill an 
Hand einiger pathochemisch wichtiger Zahlen darlegte'), Verf. bzw. 
Knack und Neumann an den speziellen Fall der alimentären Um- 
stimmung in der Kriegszeit für Ödempatienten gleichfalls belegten *)?). 
Auf die Konstanten, die Bloor selbst ermittelt, und die, durch eigene 
Studien erweitert, vorliegen, wird unten näher einzugehen sein. 

Im ganzen sei noch einmal hervorgehoben, daß der Kreis 
der Methoden und Rechnungen über das Gebiet der Fette 
und Lipoide im Blute nach Bloor ein sehr brauchbares, tech- 
nisch durchaus angenehmes und leistungsfähiges Erkenntnis- 
mittel zur Förderung verschiedener Fragen darstellt, daß aber 
trotz der bisherigen Ergebnisse weitere Befunde gesammelt, 
abgewogen und beurteilt werden müssen. Der gewissen, an 
manchen Stellen nicht unbeträchtlichen, analytischen Schwierig- 
keit tritt die Tatsache der inneren Verkettung gegenüber, die 
das Gebiet zusammenfassend in einer Weise darstellt. 


Darstellung der Ergebnisse in Tabellen und Befunden. 


Tabellen. 
Die mit Hilfe der oben besprochenen Methoden gewon- 
nenen Ergebnisse sind in den nachfolgenden Tabellen I bis VII 


aufgeführt. 
Tabelle I. 
Fette und Lipoide im Blute und im Plasma bei akuter 
gelber Leberatrophie I. 
Gesamtfettsäuren, Lecithin, Cholesterin, Gesamtätherextrakt sowie Phos- 
phorverteilung (im Serum) in Beziehung zu den Werten für Gesamtrest- 
stickstoff und dessen Aminostickstoff ber. auf 100 ccm Blut, Plasma oder 
Körperchen. 


1) A. Mayer und G. Schäffer, Coöfficients lipocytiques .... , 
Compt. rend. 156, 1253, 1913. Dieselben, Recherches sur la teneur 
des tissues en lipoides. Existence possible d’une constance lipocytique. 
Journ. de la Physiol. Pathol. 15, 510, 534, 1913. — E. F. Terroine und 
J. Weill, Indices lipocytiques .. .., ebenda 15, 549, 1913. Der ge- 
nannte Index, Cholesterin: Fettsäuren wird als charakteristisch ange- 
sehen, weicht übrigens nach der Formulierung von der Relation Bloors 
ab. Eigene analytische Methode. Rücksicht auf Inanitionen wird ex- 
perimentell betätigt. 

2) Joh. Feigl, l.o. 

®) A. V. Knack und J. Neumann, |. c. 1917. 


10 Joh. Feigl: 


Durchgehende Untersuchung eines tödlichen Falles. 
Fall 1 (1915), mitgeteilt nach RN-Befunden bei Feigl und Luce, 1917. 





Amino-N| Srst- | Neuraitert 














Lecithin | P-Verteilung | Gesamt- 














. g 
g g fettsñäuren EË 
3 z r PEA a ú e |Z|» a |a |an | Rest-P | Ather- 
2 582] 8] i|| j23|E)§ |a liz 3e] extra 
Ə |>| slala] E à [3 |22] iss. | Plasma 
[m | me| me | me | me mg | mg | mg | | {ng 
5. | 32,0 56,0) 44,0|320,0136 145,01130,0|370,0 |: 20,0 | 570,0 
17. | 40,0]65,5|52,5] — 
21. | 70,0| 71,0|64,0 300,0 285, 0 140, 0 420, 0 25,0 | 700,0 
1. | 80,0|72,5 62,5] — — 180,0 
14. |122,0| 80,0 |67,11292,0 420.01270,0]3* 0, 0 ; 32,0 11050,0+) 
17. [182,0] 82 ‚0,71, 0|240,0,917, 523,01400,0[280,0 44,0 |1500, 2 
18. 258,0 78,0168,0] — |j960,0| — | — [140,0 — {1700,04 


2 (a) |101,0|80,0| 68,0 | 520,0]320,0|680,0 | 2 
(b) |148,0165,0| 55,0 | 911,0 120,0 880,0 




















Bemerkungen: 1. Cholesterin steht hierin nach Authenrieth- 
Funk bestimmt. 

2. Der Gesamtätherextrakt wurde für sich bestimmt und berechnet 
nach Bloor unter willkürlicher Annahme des veresterten Cholesterins 
nach Angaben zu späteren Fällen. 

3. Cholesterin wurde im Vollblute bestimmt. Die Anstiege betreffen 
fast ausschließlich das Plasma. Nach gekürzter Umrechnung ergeben 
sich daher die korrigierten Ätherextrakte „Gesamtätherlösliches“ für den 
14., 17., 18. VI., (bezeichnet mit +). 

4. Die Werte für RN und Amino-N sind im Blut ermittelt und 
erhöhen sich für Plasma in der kritischen Zeit um rund 20°/, (Feigl 
und Luce). 


Tabelle II. 
Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber 
Leberatrophie II. 
Gesamtfettsäuren, Lecithin, Cholesterin, Gesamtätherextrakt sowie Phos- 
phorverteilung (im Serum) in Beziehung zu den Werten für Gesamt- 
reststickstoff und dessen Aminostickstoff, berechnet auf 100 ccm Plasma. 
Durchgehende Untersuchung tödlicher Fälle. 
Fälle 2 und 3 (I und II Feigl und Luce, 1917) sowie Fall 5 (1917). 








ge . . 

als i 5 a| Z «| Cholesterin | S a P-Verteilung 
e E Ez re = 3 8 3 g ver- S fz] G |o 5 
E En in °/, des 233 £ 3 gesamt| sátort 33 Lip-- È u| Rest- | 
= © [Ge.-RN S5&|2 | Plasma [A| Pi P |o 











__ | mg [bane] roon] mg | mg | mg (Go| me | mg | mg auas] e _ 



















12,0| 25,0 
16,5 24,0 








33,0 


3 (a) | 88,0]75,0|60,0| 391,01204,0 | 11 
(b) 1127,0|66,0|60.0| 790,0|22: AEA 50 



















1000,0 
40,0 | 1400,0 


650,0 











720| 3.2 |20,0 
a | 60,«]70,0| 62,0 | 386,0]167,0]230,0 o| 7,2115,0| 34,0 
b 387,0|149.0|260.0 1250| 5.2 |20.0| 36.0 | 630.0 
c 70.0 | 638,0|388/0|560,0 h 140.0] 5.5 |28,0| 500 | 1200.0 
d 65,0 |1023,0|634,0|960,0 105,0] 4,2|25,0| 420 | 1900,0 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 11 


Bemerkungen: 1. Die Befunde für Neutralfett, Lecithin und 
Cholesterin, damit für Gesamtfettsäuren der Körperchen bleiben in 
diesen Fällen innerhalb der äußersten Grenzen für die Norm. Sie werden 
daher hier nicht mit aufgeführt. 

2. P-Verteilung mit Rest-P in °/, des säurelöslichen (Gesamt-)P. 
Fälle 2 und 3 bei Feigl, Phosphate III (1917), Fall 5 ebendort noch 
nicht genannt. 

3. Für Fälle 2 und 3 RN- und Amino-Werte im Vollblute bestimmt 
(Korrektur annähernd hei Feigl und Luce), Fall 5 gibt Werte direkt 
im Serum. 


Tabelle III. 
Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber 
Leberatrophie III. 

Gesamtfettsäuren, Lecithin, Cholesterin, Gesamtätherextrakt sowie Phos- 
phorverteilung (im Serum) in Beziehung zu den Werten für Gesamtrest- 
stickstoff und dessen Aminostickstoff ber. auf 100 ccm Plasma. 
Durchgehende Untersuchung eines geheilten Falles. 
Fall 4 (geheilt 1917, mitgeteilt nach RN-Befunden von Feigl und 





























Luce 1917). 

5 ino-NI# E z Cholesterin | s P-Verteilung | . 
a (8 [ee EEEE er EE I ,;, 1. [983 
= ja in °/, des 228 Ed K | estert FE date, Rest.- Er: 
A Io |Ge-RN J5Zul2%| Plasma |S® IS 2 P jte 

| me [ee] ih] 3 mg | mg |€ ko] me | me | mg Sauer] 8 
33 1202,0| 8,2 9 600,0 
‘052.0 331. 'ol160.0. 40 [1770 1alse 5 [5500 
3. | 71.0 [70.0 60.0 | 439.0 |14x.0[200.01 30 1253.0[10,5 85 | 35 | 700,0 
4. | 30,0 |56,0 | 47,0 | 377,0 |121,0]190,0)| 35 [210,0 84| 32 8 | 600,0 








Tabellen I, II, III enthalten die deskriptiven Zusammen- 
stellungen der Befunde für die einzelnen Fälle; Tabelle I 
bringt, schematisch der früheren Mitteilung angepaßt, mit Auf- 
führung auch der Werte für Körperchen, die Befunde für den 
in lückenloser Reihenbetrachtung stehenden Fall von Feigl 
und Luce (1915). Zu berücksichtigende, gegenseitige Abstim- 
mungen von Methoden und Voraussetzungen für die Stichhal- 
tigkeit in Vergleichen sind kurz benannt und werden unten 
näher besprochen. Tabelle II enthält die Werte der je zwei- 
fachen Untersuchung der beiden gleichfalls tödlichen Fälle 
Nr.2 und 3 von Feigl und Luce (dort I und II), dazu den 
Fall 5 (neu 1917) mit viermaliger Analyse in der kritischen 
Zeit vor dem Exitus. In diesem werden — Anmerkung zu 
den Tab. — Befunde an Körperchen nicht mit genannt, da 


12 Joh. Feigl: 


sich zeigen ließ, daß die einschlägigen Zahlen den äußersten 
Grenzen der Norm nach angepaßt sind. Korrekturen und Hin- 
weise siehe auch weiter unten. Tabelle III zeigt die — vier- 
malige — Untersuchung des geheilten Falles von Feigl und 
Luce mit Beginn, Höhepunkt und (endgültiger) Restitution 
zur Norm. Die Zahlen sind im allgemeinen mg für 100 ccm 
Blut bzw. Plasma, sonet entsprechende Relationen nach °/, 
der jeweiligen, übergeordneten Komplexgröße. Die Berechnung 
erfolgte nach den obengenannten Angaben von Bloor mit 
zum Teil mäßiger Abrundung, die nur für den „Gesamtäther- 
extrakt“ (rechnerisch) über die unmittelbaren Zahlen hinausgeht. 


Tabelle IV. 


Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber 
Leberatrophie; spezielle Angabe A. 


Absolute Werte und Verteilung der Fettsäuren nach ihren 

Bindungsformen im Lecithin, im Esteranteil des Cholesterins, zu 

Neutralfett, berechnet aus den Werten für die Gesamtfettsäuren mit denen 

für Lecithin (aus Lipoid-P) und der Ermittelung des Estercholesterins, 
berechnet auf 100 ccm Plasma. 


Fälle 2und 3 (Iund II Feigl und Luce, 1917), Fall 4 (geheilt, ebenda), 
Fall 5 (neu, 1917). 








i 
! 
| 








B. B. C D. E. F. G. 
ga 3 ssPole st], Bemerkungen. 
Yal 5 $ Fettsäuren os £ pes 5 4 & |genäherte Korrektur d'r als 
Termin| s:2 lipoidgeb. an |38® |32 £]= 2 £ |Neutralfett berechn. Fettsäu- 
Ê? ERRAR 5 &< k rendurcheolche,d.frei, unimnit- 
$ | Lecithin | Cholesterin | 3:5 © ENDA telbar nachgewiesen wurden. 
No | me| ms | mg | me | me | me | m 
























215,0 | 320,0 |1300,0 
511,0 | 410,0 | 1900,0 FFreieFettsäuren nachgewiesen 
(korr. ca. 160,0 mg 


2. a | 520,0 | 106,0 | 1090 
b {9110| 890 | 422,0 




















3. a 
b freie Fettsäuren vorhanden 
. a | 356,0 142,0 
b | 331,0 124,0 96,0 | 220,0 freie Fettsäuren sowie Sei- 
c | 439,0 | 207,0 90,0 | 297,0 fen nicht nachgewiesen 
d | 347,0 138,0 95,0 | 237,0 
. a | 386,0 124,0 104 0 228,0 | 167,9 | 650,01 
b 1 387,0 89,0 156,0 | 245,0 | 149,0 | 63,0 


638,0 97,0 168,0 | 265,0 | 388.0 |1200,0 |freie Fettsäuren sicher nach- 
gewiesen 

1023,0] 75,0 317,0 | 392,0 | 654,0 |1900,0 |freieFettsäuren nachgewiesen 
(Cur, 202,0 mg 


a 


= 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 13 


Die anschließenden Tabellen IV bis VI enthalten Einzel- 
angaben über Fette und Lipoide, gleichfalls nach Fällen orien- 
tiert. Tabelle IV berichtet über die Gliederung der Unter- 
anteile des summarischen Begriffes der „Gesamtfettsäuren“ und 
enthält nach dem rechnerischen Modus von Bloor die Vertei- 
lung derselben auf die Lipoide im Lecithin, den Esterfrakturen 
des Cholesterins — fußend auf der getrennten Bestimmung 
und prozentischen Angabe der Teile in Tabelle I, II, III sowie 
Tabelle V bis VI der danach zu ziehenden Summe, aus der die 
Werte für Neutralfett hervorgehen. Diese letzteren, wie unten 
zu erörtern sein wird, jedenfalls für einen Ausschnitt der Analysen 
bei einigen Fällen, sind als schematische Befunde anzusprechen, 
da der Nachweis freier (höherer, gesättigter) Fettsäuren als 
gelungen betrachtet wird. Nach den Molekulargewichtsver- 
hältnissen treffen indes diese Zahlen annähernd (durch 1,05 
dividiert) ziemlich genau mit den wirklichen Größen für freie 
Säuren zusammen. Die pathochemische Bedeutung der Ergeb- 
nisse dieser Tabelle ist unten zu besprechen; sie gibt außerdem 
Grundlagen für die Tabellen I, II, III ab. Tabelle V enthält 
die Werte für Cholesterin und seine Fraktionen (prozentisch 
nach dem Gesamtcholesterin), so wie sie sich in verschieden- 
artigen Isolierungs- und Bestimmungsverfahren darstellen. Die 
rechnerische Durchführung verlangt nach unserer Meinung die 
Bevorzugung der Resultate nach Bloor, wennschon die Ob- 
jektivität der Werte dieses Analysenganges (speziell für Gesamt- 
cholesterin) nicht an erster Stelle unter denen der übrigen 
Methoden gerückt wird. Die Methodenkritik wird unten, soweit 
hier möglich, abgehandelt. Tabelle VI bringt zusammenfassend 
die relativen Größen aus den Wechselbeziehungen der Lipoide 
untereinander und zu den Gesamtfettsäuren. Tabelle VII 
enthält Aufstellungen über den prozentischen Aufbau des Ge- 
samtätherextraktes. 


Befunde. 


Die Beschreibung der erhobenen Befunde wird bezogen 
auf die Normalanalysen in den Arbeiten von W. R. Bloor’), 


1) Nach Bloor lauten die Grenzzahlen für Körperchen bei Männern 
hoch 0,45 g, niedrig 0,28 g, der Durchschnitt 0,36 g, bei Frauen bzw. 
0,34 g, bzw. 0,27 g, bzw. 9,29 g. 


14 Joh. Feigl: 


wobei wir uns zu vergegenwärtigen haben, daß deren Ergebnisse 
über die Gesamt-Fettsäuren durchweg dem Mittel der Werte 
aus maßgebenden sonstigen Verfahren nahestehen. Eigene weitere 
Arbeiten an Gesunden und Kranken mit Einschluß methoden- 
kritischer Vergleiche zu makrochemisch gewonnenen Zahlen 
belegen diese so weit, daß ihre Stichhaltigkeit für uns außer 
Zweifel steht. Diese Zuverlässigkeit ist größer auf seiten der 
Befunde im Blutplasma (als in den Körperchen), weil ebendort 
die Schätzung des veresterten Anteiles im Gesamtcholesterin 
nach sonstigen Urteilen als zutrefiend begutachtet werden darf. 
Auf dieser Grundlage — zuzüglich der Verrechnung nach dem 
Phosphor, der Phorphorsäure, dem Lecithin — beruht die in- 
direkte Ermittelung der Werte für das Neutralfett. Dieses 
sehen wir sonach in der Norm als genugsam zutreffend beur- 
teilt bzw. bestimmt an. Für Körperchen kommt die Erwägung 
nur nebensächlich in Frage, insofern als die Pathochemie des 
Fettes, der Lipoide in ihren nach bisherigen Darlegungen — 
die indes zu erweitern und auf hämatolog'sch-morphologischer 
Basis zu kritisieren sein werden — keineswegs eindeutige, 
stark umrissene Bilder erzeugt, die an Schwere mit den glei- 
chen Erscheinungen im Plasma zu konkurrieren vermögen, die 
ferner demnach nicht wohl in dem Maße charakteristisch für 
die heterolytischen Destruktionsvorgänge bei akuter gelber 
Leberatrophie sein dürften. Die Frage nach der vergleichs- 
weisen Stichhaltigkeit bzw. selbständigen Objektivität der Be- 
funde für Lipoid-P bzw. Lecithin einerseits, für Cholesterin 
(Gesamt- wie Gliederung in freies oder verestertes) anderer- 
seits wird uns Weiter unten beschäftigen. 

Nach Bloor bezifferten sich die oberen Grenzwerte für Ge- 
samtfettsäure im Plasma zu 0,43 g für 100 cem (Männer), zu 0,40 g 
(Frauen); die niederen lauten entsprechend 0,30 g bzw. 0,35 g, da- 
nach der Durchschnitt 0,38 g (Männer), 0,40 g (Frauen). Eigene Unter- 
suchungen (Feigl) an nüchternen, ausgeruhten, befriedigend ernährten 
(erstes und zweites Kriegsjahr, spätere Analysenergebnisse zumeist 
auf Grund alimentärer Herabstimmung verdächtig auf nicht einwand- 
freie Voraussetzungen und Befunde) Männern stimmen im ganzen 
mit obigen Angaben — größere Ausschläge — überein. Mit gewissem, 
vorsichtigen Blick bewertet, können die allgemeinen Grenz- 
zahlen zu 0,45 g (hoch), 0,25 g (niedrig), der große Durch- 
schnitt zu 0,35 g eingesetzt werden. Bei Frauen gilt unter 
gleicher Voraussetzung die Formulierung folgender Grenzen: 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 15 


0,45 g (hoch), 0,20 g (niedrig) mit dem Durchschnitte von 
0,33 g für 100 ccm Plasma. An ihnen haben die eigenen Befunde 
(Feigl) bestimmenden Anteil. 

Verglichen mit den obigen Zahlen von Bloor und dem 
einen von uns (Feigl) ergibt sich folgende Beurteilung: 

Fall 1 (1915). Die Zahlen vom 5.V. (360,0 mg) und 
21. V. (281,0 mg) sind normal, nicht unerheblich bzw. stark 
gesteigert diejenigen vom 14. VI. (710,0 mg) bzw. vom 17. VI. 
. (917,0 mg) und vom 18. VI. beim Exitus 960,0 mg. Ersterer 
Wert ist nahezu das Doppelte des Durchschnitts, letzterer ent- 
sprechend das Dreifache. Die Erhöhung gegen die oberen 
Grenzen der Norm sind um deren Hälfte, bzw. Verdoppelung. 

Fall 2 (I 1917). Wert (a) 520,0 mg ist eine zweifellose 
Steigerung um bezüglich 40°/, und 20°/,, Wert (b) 790,0 mg 
ist demnach reichliche Verdoppelung bzw. Zuschlag von 40 °/,. 

Fall 3 (II 1917). Wert (a) 391,0 mg (allgemein beurteilt) 
noch normal, Wert (b) 790,0 mg stellen sich als (vermutlich 
individuell höher zu schätzende) Zahl mit Zuschlag von 100°], 
bzw. 70°], dar. 

Fall 5 (1917) Wert (a) und (b) 386,0 mg bzw. 384,0 mg 
sind normal, Wert (c) 638,0 mg verdoppelt bzw. rund verdrei- 
facht. Wert (d) 1023,0 mg ist der dreifache Durchschnitt 
und enthält gegen die obere Grenze der Norm als einen Zu- 
schlag, der diese noch übersteigt. 

Fall 4 (geheilt 1917). Sämtliche Zahlen, a (356,0 mg), 
b (331,0 mg), c (439,0 mg), d (377,0 mg), sind bei vorsichtiger 
Beurteilung als normal anzusprechen. Der relative Anstieg 
in der Krise ist noch zu beurteilen, immerhin vermutlich nicht 
gegenstandslos. 

Bei akuter gelber Leberatrophie kommt es (im 
späteren Verlaufe bei tödlichen Fällen) nach der eigentlichen 
Krise (Umschwung zur Heilung) im letalen Stadium (sche- 
matisch nach obigen Befunden an den letzten drei Lebenstagen) 
zu achtbaren bis starken Anstiegen in den Werten von 
Gesamtfettsäuren des Blutplasmas. Diese Anstiege 
rangieren mit ähnlichen Beobachtungen über Lipämie bei Dia- 
betes (nicht jeder Fall zeigt Lipoid- und Fettzuwachs, Rumpf 
u. a., Fzhr) nach Bloors wenigen Zahlen einmal mit 700,0 mg 
(höchste siehe später), nach Verfs. Befunden mit 600,0 bis 800,0 mg; 


16 Joh. Feigl: 


bei gewissen chronischen Nephriten (bis 900,0 mg, Verf.) nach 
der Größe auf einer Stufe. In den Körperchen machen sich 
etwaige Erscheinungen kaum bemerkbar. 

Nimmt man sowohl die statistischen Grundlagen (Bloor, 
Feigl), wie auch den Modus der rechnerischen Wiedergabe 
(Bloor) über Neutralfett im Plasma als stichhaltig und der 
Verwendung in der Diskussion als fähig an, so ergibt sich 
folgendes. 

Nach Bloor liegen bei gesunden Männern die Grenzwerte um ' 
160,0 mg (hoch), 40,0 g (niedrig) und der Gesamtdurchschnitt um 110,0 mg, 
für Frauen nennt er bezüglich 200,0 mg und 120,0 mg und 160,0 mg. 

Verf. berücksichtigt unter obigen Verhältnissen nach 
eigenen Analysen (25) auch Zahlen von 200,0 mg (obereGrenze, 
Männer) und 50,0 mg (untere Grenze, Männer), allgemeine 
Durchschnitte von 100,0 mg bis 120,0 mg. Bloor findet in den 
Körperchen 150,0 mg bzw. 0,0 mg bzw. 70,0 mg als Gesamtdurchschnitt 
(Männer) und 30,0 mg bzw. 0,0 mg bzw. 10,0 mg Durchschnitt (Frauen). 
Verf. nennt 40,0 mg als Durchschnitt. 

Verglichen mit den genannten Zahlen ergibt sich bei der 
Bewertung der Befunde im Falle 1 (1915): Normalwert am 
5. V. (145,0 mg), erhöhte am 21. V. (281,0 mg), 14. V. (420,0 mg) 
und am 17. V. (523,0 mg). Sie stellen dar gegen den Durch- 
schnitt Erhöhungen auf das 5fache, 8fache, 10fache, gegen die 
hohen Grenzwerte auf kaum das Doppelte, das knapp Drei- 
fache, das Dreieinhalbfache und bedürfen einer rechnerischen 
Korrektur (freie Säuren), die die hohen letalen Werte auf das 
höchstens 3fache bringt, andere entsprechend modifiziert. 

Fall 2 (II 1917) zeigt mit 320,0 mg (a) und 420,0 mg (b) 
Werte, die das 6fache bzw. 8fache, andererseits das Dop- 
pelte und 4fache (knapp) darstellen und ev. korrigiert sich um 
1J bis '/, der Beträge erniedrigen, da freie Säuren mit sub- 
summiert sind. 

Fall 3 (II 1917) zeigt mit 204,0 mg (a) und 227,0 mg (b) 
Zahlen, die leichte, durch Korrektion modifizierbare (dann viel- 
leicht kaum übernormale) Ausschläge darstellen. 

Fall 5 (1917) gibt (Termine a bzw. b) mit 167,0 mg bzw. 
149,0 mg Zahlen nach normalem Ausmaße, während c mit 
388,0 mg mäßige (8fache bzw. 2!/,fache), d mit 634,0 mg starke 
(12fache bzw. 4fache) Erhöhungen versinnbildlichen, die korri- 
giert noch erheblich hohe Zuschläge zur Norm enthalten. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 17 


Fall 4 (geheilt, 1917) zeigt mit 132,0 mg (a), 117,0. mg (b), 
148,0 mg (c), 121,0 mg (d) durchweg normale Werte mit rela- 
tiven Schwankungen. 

Beiakuter gelber Leberatrophie kommtim späteren 
Verlaufe tödlicher Fälle (verkettet mit den Werten für die 
Gesamtfettsäuren) ein Hinaufschnellen des Neutralfettes 
im Plasma vor. Die kritische Bewertung dieser rechnerischen 
Größe verlangt‘ die Mitberücks'chtigung der Tatsache, daß freie 
Fettsäuren im Plasma erscheinen können. Indes ist trotz 
dieses (seltenen, im Spätverlaufe gesehenen) Befundes die 
Erhöhung des Neutralfettes vermutlich außer Zweifel 
gerückt worden. 

Erscheinungen ähnlicher Natur wurden in den Körperchen 
nicht nachgewiesen. Die Beobachtungen im Plasma stellen 
sich, vergleichsweise zu solchen bei Diabetes (Bloor nur orien- 
tierend, Feigl u.a. höhere Zahlen, Carcinom, Anämien usw. nach 
Bloor) immerhin als beträchtlich dar. Über das Vorkommen 
freier Fettsäuren bei diesen lipämischen Zuständen, zu denen 
auch Cirrhosen treten, ist wenig bekannt. 

Über das Verhalten der Cholesterinämie bei Leber- 
atrophie ist wie folgt zu berichten. Wird das Gesamt- 
cholesterin im Plasma bestimmt, so zeigt sich in den Er- 
gebnissen der angewandten einschlägigen Methoden überein- 
stimmend ein Anstieg. 


Nimmt man Authenrieth und Funks Werte bis zu 150,0 mg, 
nach Beobachtungen des Verfs. solche um 120,0 mg bis 140,0 mg an, und 
sieht man nach Bloor im Plasma bei Männern die unteren Grenzen um 
190,0 mg, die oberen Grenzen um 300,0 den Gesamtdurchschnitt um rund 
220,0 mg, bei Frauen bezüglich um 260,0 mg, 190,0 mg, 240,0 mg, was 
nach Erfahrungen des Verf. unter obigen Kautelen im großen 
Ganzenzuhochgegriffen ist— Durchschnitt 180,0 bis 200,0 mg — 
so ergibt sich das folgende (s. a. W. Denis, 1917): 


Tabelle V. 


Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber 
Leberatrophie; spezielle Angaben B. 
Absolute Werte und Verteilung des Gesamtcholesterinse. 


Vergleichende colorimetrische Analyse nach verschiedenen Methoden der 
Isolierung. Freies und verestertes Cholesterin in prozentischer Wiedergal:e 


berechnet auf die Gesamtfraktion. g Cholesterin in 100 cem Plasma. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 2 


18 Joh. Feigl: 


Letale Fälle 2 und 3 (I und II Feigl und Luce 1917), Fall 5 (1917) 
und der geheilte Fall 4 (Feigl und Luce). 






































\ f Verteilung 
Gesamtcholesterin des Cholesterins 
RE nach | nach verestert. bzw freier 
= 5 Aut hen- nach Gettler| nach |Anteilin Proz.desGe- 
m 5 | rieth und | Bloor’) und |Weston‘) samtcholesterins n. 
E Funk!) Baker?) Blooru. Knudsen 
2a 0,60 0,68 0,58 060 | n 89 
b 0,81 0,88 0,80 0,78 33 __6 
38 0,48 0,56 0,40 0,47 ll 89 
b 0,66 0,75 0,60 0,70 50 50 
4a 0,12 0,18 0,10 0,12 33 67 
b 011 0.16 0,12 0,12 40 60 
c 0,15 0,20 0,12 0,16 30 70 
d 0.12 0,19 0,11 0,11 35 J 6o 
5a 0,15 0,23 | 0,15 013 | 3 69 
b 0,17 0.26 0,18 0,18 40 60 
c 0,48 0,56 0,42 0,50 20 82 
d 0,88 0,96 0,90 0,82 25 75 





Bemerkungen: Kurze Angabe wesentlichster Züge der in An- 
wendung gezogenen Methoden. 

1) Vorbehandlung durch partielle Hydrolyse des Plasmaproteins mit 
25°, KOH in der Sidebitze, Colorimetrie nach der Reaktion von 
Liebermann-Burchard im Colorimeter von Hellige, (Authenrieth, 
Koenigsberger). 

2) Vorbehandlung durch Extraktion mit großem Überschuß von 
Alkoholäther beim Siedepunkte des Gemisches, wobei Hitzekoagulation 
des Proteins eintritt. Colorimetrie nach '). 

3) Vorbehandlung durch Aufsaugung in Würfel von Filtrierpap‘'er- 
masse, schärfstes Troeknen im Vakuum bei gewöhnlicher Temperatur über 
POs, Extraktion. Colorimetrie nach '). 

4) Vorbehandlung durch Hydrolyse wie '), Einkochen, Fällung mit 
Ca(OH), in der Kälte, Trocknung der Adsorptionsfällung, Extraktion und 
Colorimetrie nach der Reaktion von Salkowski. Für °), °’), 4) wurde 
die Analyse mit entsprechenden Vergleichslösungen reinen Cholesterins 
durchgeführt. 


Fall1(1915): am 5. V. mit 130,0 mg, am 21. V. mit 140,0 mg 
normal, am 14. VI. mit 270,0 mg Erhöhung, am 17. VI. und 
18. VI. mit 400,0 mg und 440,0 mg auf das (rd.) 3fache der 
(hohen) Norm. Diese Zahlen entstammen der Analyse des Voll- 
blutes nach Authenrieth und Funk. 

Fall 2 (I 1917) zeigt bei der Analyse im Plasma nach 
Bloor 680,0 mg (a) und 880,0 mg (b). Die Zahlen liegen in 
der Höhe des 6!/,fachen bzw. 8!/„fachen Durchschnitts, der 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 19 


gut doppelten bzw. 3fachen Höhe — Zuwachs zur Norm 
gleiche bzw. doppelte Menge — der oberen Grenzbeträge. 

Fall 3 (II 1917) ergab 560,0 mg (a) und 750,0 mg (b), wie 
Fall 2 analysiert, demnach in bezug auf die Norm ähnliche, 
nicht ganz so starke Zuschläge. 

Fall 5 (1917) mit 230,0 mg (a), 260,0 mg (b) normal, 
560,0 mg (c) 2*/, fach bzw. fast 2fach erhöht, 960,0 mg (d) stark 
gesteigert, 4fach, gut 3fach, wobei also die Normalwerte für 
Durchschnitt bzw. obere Grenze einen 2fachen bzw. 3fachen 
Zuschlag erfahren. 

Fall 4 (geheilt 1917) mit 180,0 mg, 160,0 mg, 200,0 mg, 
190,0 mg zeigt (Analyse wie Fall 2, 3) niedrig normale (Bloor) 
allgemein normale (Feigl) Werte mit relativen Anstiegen. 

Das Cholesterin der Blutkörperchen (nach Bloor) liegt um 
200,0 mg (Männer), 240,0 mg (Frauen), nach Verf. ebenso be- 
stimmt, allgemein wohl unter 200,0 mg niedriger als im Plasma 
und wird zwar gegensätzlich als frei angesehen. Unsere Befunde 
ergeben nur geringfügige Anstiege (sonst Inkonstanz der über- 
wiegend normalen Werte). Danach entfällt auch das Anwachsen 
des Cholesterins — fast ganz auf das Plasma, und die späten 
Zahlen der Untersuchungsreihe des Falles 1 (1915) lehren, daß 
die Werte im Plasma viel höher gewesen sein müssen. Die 
vergleichende Methodenkritik gehört nicht an diese Stelle, da 
ihre Erwägungen auf die summarischen Ergebnisse über die 
Hypercholesterinämie kaum einen Einfluß haben. 

Die Annahme von Bloor hinsichtlich des veresterten 
Anteiles vom Plasmacholesterin — rund 33°/, — stützt 
sich auf die Mehrheit der Stimmen in der Literatur. Verf. hat mit 
der Methode von Bloor und Knudsen unter genannten Kau- 
telen Untersuchungen angestellt und gefunden, daß sowohl bei 
derselben Person, auch im Zustande guter Ernährung bei Nüch- 
ternheit und Ausgeruhtsein, wie bei Personen verschiedenen 
Alters und Geschlechts u. dgl. nicht unbeträchtliche Unterschiede 
vorkommen. Man kann in der Norm mit einer Breite rechnen, 
die zwischen 50°), und 30°/, Estercholesterin im Gesamt- 
cholesterin des Blutplasmas liegt (sorgfältige Untersuchung der 
möglichst frischen Proben unerläßlich, siehe später) und finden, 
daß tatsächlich 72°), der Einzelbeobachtungen nur 38°], er- 
geben. Nach Bloor und Knudsen scheint es (wenige Zahlen 

2* 


20 Joh. Feigl: 


ohne statistische Kritik) höher zu stehen. Mit dieser Voraus- 
setzung ersehen wir aus den Ergebnissen der Untersuchung 
— Fall 1 (1915) fehlt — das folgende: 

Fall 2 (I 1917) zeigt (Termin a) 11°/,, (Termin b) 33°/,. 

Fall 3 (II 1917) entsprechend 11°/, und 50°/,. 

Fall 5 (1917) bei den Terminen a bzw. b bzw. c bzw. d 
Befunde von 31°/, bzw. 40°, bzw. 20°/, bzw. 25°], veresterten 
Cholesterins. 

Fall 4 (geheilt 1917) zeigt für die Termine a bis d 30°, 
bis 40°, (Tab. III) der Norm im weiteren Sinne angehörige 
Prozentzahlen. 

Danach sind die jeweiligen Befunde a von Fall 2 und 
Fall 3, die Befunde c und d von Fall 5 als herabgesetzt an- 
zusehen, die übrigen (Fall 5a, b, Fall 2b) als normal, der Be- 
fund Fall 3b als erhöht, die des geheilten als normal. 

Weniger dies relative Zahlenverhältnis zwischen Gesamt- 
cholesterin und seinem veresterten Anteil als die zeitlichen 
Schwankungen sind von Interesse; nach erheblichen Absen- 
kungen (vielleicht nur relativ durch Zuwachs von freiem Chol- 
esterin?) steigt gelegentlich der Esteranteil wieder an. 

"Bei akutergelberLeberatrophie kann esinspäteren 
Stadien tödlicher Fälle (nach der Krise) zu einer beträcht- 
lichen Hypercholesterinämie kommen, die das Plasma, 
kaum die Blutkörperchen betrifft. Die nähere Untersuchung 
lehrt, daß sich die Struktur des Gesamtcholesterins gegen 
die Norm dabei erheblich verschieben kann. Der typische 
Verlauf scheint derjenige zu sein, daß der erste Anstieg von 
freiem (neu hinzutretendem) Cholesterin bestritten wird, wie 
der (relative) Rückgang des Esteranteils zeigt. Später findet 
man Erhebungen im letzteren, vielleicht durch erneuten Hin- 
zutritt von Estern. Der gegensätzliche — fermentchemisch 
später nach Belegen darzustellende — Deutungsversuch erlaubt 
an die Möglichkeit zu denken, daß die Wellen ins Plasma ein- 
brechenden „Gesamtcholesterins“ ursprünglich von Estern vor- 
wiegend beherrscht werden, welch’ letztere anfänglich von der 
Cholesterase noch gespalten, später durch deren Lahmlegung 
geschont und direkter Ermittlung zugänglich gemacht werden. 
Über andere Glieder der Cholesterinfraktion (Oxycholesterin) 
wird später zu sprechen sein. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 21 


Die vorstehend aufgeführten Beobachtungen im Plasma 
lassen, soweit es sich um direkt zugängliche Untersuchungen 
auf Grund gleicher Arbeitsvoraussetzungen handelt, hinsichtlich 
der Grade von Hypercholesterinämien einen Vergleich anstellen zu 
folgenden Ergebnissen. Bloor: 4 nicht näher charakterisierte 
Fälle von Diabetes mit 380,0 mg und 650,0 mg; Feigl: chro- 
nische Nephritiden bis 480,0, Diabetes bis 980,0 mg, Anämien 
bis 300,0; C. J. Imrie, A. Javal und P. Boyet, Joh. Müller 
(mit Reinbach) (s. u.). 

Über Umlagerungen in der Struktur des Gesamtcholesterins 
existieren nur wenige Angaben, auf die gleichfalls in späterer 
Allgemeinbeschreibung einzugehen sein wird. Hier sei erwähnt, 
daß Feigl bei chronischer Unterernährung, die sich durch 
jahresfristliche bzw. mehrjährige (allmähliche) Herabstimmung der 
alimentären Erhaltungsmöglichkeiten charakterisieren, gegenüber 
der Norm ein Zurückgehen des Ester-Cholesterins durch (schritt- 
weise einwirkendes) Fettsäuredefizit gefunden hat. Von anderer 
Seite experimentell gefundene Abweichungen im Gesamtchol- 
esterin durch Muskelarbeit hat Feigl verknüpft gesehen mit 
der gleichen Herabsetzung (z. B. auch bei schweren Neuropathen 
mit Muskularerschütterungen u. a.). 

An fernerer Stelle handelt es sich um die Beurteilung 
der Befunde für Lipoide (Lecithin). Auf Grund vorstehend 
beschriebener Methoden von Bloor wird das Lipoid durch 
Extraktion isoliert und aus dem Phosphorsäuregehalte berechnet. 

Die Normalzahlen nach Bloor zeigen befriedigende Übereinstim- 
wung mit Ergebnissen anderer (makrochemischer) Verfahren, wofür 
Resultate des Verf. unter genannten persönlichen, klinischen und experi- 
mentellen Kautelen (tunlichst frische Prüfung) in Betracht kommen. Bloor 
beziffert für Plasma die oberen Grenzwerte zu 260,0 mg, die niederen zu 
200,0 mg, die Durchschnitte zu 220,0 mg bei Männern, bezüglich zu 220,0 mg 
zu 170,0 mg zu 190,0 mg bei Frauen. Weitere Ausschläge kann 
Verf. aus der Berücksichtigung nicht ausschließen. Sie weisen 
auf 300,0 mg (hoch), 140,0 mg (niedrig) und sind vielleicht durch die ge- 
nannte alimentäre Behinderung mit bedingt, wobei der Gesamtdurch- 
schnitt um 200,0 mg zu suchen ist. (S. Über die Lecithinämie der 
Geisteskranken.) 

Der Vergleich unserer Reihen mit den aufgeführten Zahlen 
der Normalanalysen lehrt für alle Fälle mit tödlichem Ausgange 
ein allmähliches, zumeist mäßiges Absinken von (niedrigeren) 
Normalwerten zur Hälfte derselben (s. Tab. I, II). In Tab. II, 


22 Joh. Feigl: 


Fall 5 (1917)c, findet sich ein geringer Anstieg zwischendurch, 
sonst ist die Verminderung des plasmatischen Lecithins eine 
ziemlich kontinuierliche. Auch die anfänglich als normal er- 
kannten Werte (Bloors Durchschnitte rund 420,0 mg, Grenzen 
480,0 mg bzw. 390,0 mg, Verf. rund 400,0 mg). 

Das Lecithin in den Körperchen sinkt (langsamer als im 
Plasma) ab. 

Im engsten Anschlusse ist die Beurteilung des Lipoid-P im Serum 
nach J. Greenwald, isoliert im Gegensatz zu obigem Extraktionsver- 
fahren durch Fällung bei Enteiweißung in saurer wäßriger Lösung, durch- 
zuführen. Der Autor gibt für Gesunde eine Breite von 7,0 mg bis 13,0 mg 
P auf 100ccm Serum an und nennt (seltene) Herabsenkungen auf 5,0 mg. 
Nach meinen (Feigl) Feststellungen, für die aber teilweise der Lecithin- 
rückgang erwogen sei, handelt es sich zumeist um geringere Beträge 
mit dem großen Durchschnitt von 8,0m g P. Rund 66°/, der Be- 
obachtungen entfallen auf den Spielraum zwischen 7,0 mg und 9,0 mg. 

An Hand dieser Zahlen stellen sich unsere vorliegenden 
Befunde so dar, daß es sich zumeist, selbst in schwereren 
Stadien der Krankheit noch um niedrig normale Anfangswerte 
handelt, die kontinuierlich auf Beträge unter normaler Größe 
absinken. Am ersichtlichsten stellt sich darin Fall 1 (1915) in 
der langfristigen Beobachtung dar. Naturgemäß ist eine nahe- 
liegende Frage, ob zwischen beiden — der Isolierung nach ver- 
schieden, der Bestimmung nach gleichwertig dargestellten — 
Größen für den Lipoid-(Lecithin)bestand, die ja beide nur auf 
der Ermittlung des Phosphors beruhen, auch angesichts der 
verschiedenen Träger — Plasma bzw. Serum — ersichtliche Be- 
ziehungen bestehen. Bloor hat sich eindringlich mit der Frage 
nach der Stichhaltigkeit seiner Werte in Hinsicht auf den 
säurelöslichen Phosphor beschäftigt, worauf methodologisches 
Interesse vom Verf. verwandt wurde, wie auch später zu be- 
richten sein wirdt). Hier genüge es, zunächst festzustellen, daß 
beide Ausdrucksformen und Analysengänge dasselbe lehren, und 
daß in gewissen, angängigen Abweichungsbreiten — die leicht 
zu schätzen sind — Parallelität herrscht. 


1) W. R. Bloor, l. o. Lecithinbestimmung (1915). Die gegenwärtige 
Frage hängt, wie Verf. betonen möchte, von der Natur und den 
Eigenschaften der Stoffe des Rest-P ab in ihrem Verhalten zu Extraktions- 
mitteln. Hierüber wird Verf. anschließend berichten. (Über Phosphate 
im Serum V) diese Zeitschr. 1918. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 23 


Bei akuter gelber Leberatrophie findet sich, zumeist 
während des ganzen Verlaufes der Krankheit, wahrscheinlich 
mit Sprüngen typisch um die Krise ein Absinken des 
Lecithingehaltes (Lipoid-P) im Plasma bis zu unternor- 
malen Werten. Auch diese Entwicklung wird fermentbiologisch 
— nach bisher ermittelten Grundlagen — und in Hinsicht auf 
den säurelöslichen Phosphor mit seiner Restfraktion weiter zu 
diskutieren sein. 

Das Absinken des Lecithins im Plasma kann im ganzen 
nicht von Vermutungen nach Vorgängen spezifischer Natur be- 
urteilt werden. Verf. fand bei langer Inanition solche Werte, 
wie sie hier letal vorkommen und legte seine Ergebnisse in 
Mitteilungen von Th. Rumpel und A. V. Knack, A. V. Knack 
und J. Neumann, in eigenen Mitteilungen verschiedenen Inhalts 
nieder). Bloor findet dieselbe Erscheinung ferner bei Urämien, 
Verf. bei kachektischen und konsumierenden Zuständen. 

Indes ist hier mit der Möglichkeit besonders energischer, 
bzw. der Intensität nach schwankender Spaltung zu rechnen, 
deren Höhepunkt u. E. mit den niedrigen Gehalten an Esterchole- 
sterin einigermaßen zusammengehen. Die Aufgabe der Klärung 
wird sich fermentanalytischer Wege bedienen müssen. 

Im engsten genetischen Zusammenhange zum Lipoid-P bzw. 
Lecithin des Plasmas steht der von J. Greenwald formulierte, 
von Feigl besonders verwertete und studierte Begriff des säure- 
löslichen Phosphors. 

Die einschlägige Methodik lehrte, daß bei akuter gelber Leber- 
atrophie Werte vorkommen können, die als erheblich erhöht zu gelten 
haben, ohne auf der Basis einer Nierenschädigung oder eines Morbus 
Brightii entstanden zu sein. Die Festsetzungen des einen von uns 
(Feigl) für die Norm lehren die obere Grenze an gesunden, nüchternen, 
ausgeruhten, befriedigend ernährten Männern bei 5,0 mg suchen mit der 
größten Menge unter 4,0 mg und vorsichtiger Einbeziehung von 6,0 mg 
als äußerster, ev. alimentär oder dgl. getrübter Grenze für 100 ccm Serum. 

Gegen diese stellen wir unsere Zahlen. 

Fall 1 (1915) mit relativem Anstiege von 100°/, und mehr. 

Fall 2 (1917) Werte von 25,0 mg. 

Fall 3 (II 1917) 15,0 mg und 20,0 mg. 

Fall 5 (1917) 15,0; 20,0; 28,0; 25,0 mg. 





®) 1. o. und Joh. Feigl, diese Zeitschr. 1918. 


24 Joh. Feigl: 


Die letzten drei geben gegen die Norm ziemlich überein- 
stimmende Abweichung. Der Rest-P macht jedoch von dem 
zeitlich späten Anfluten der Fettsäuren, des Cholesterins ins 
Plasma eine Ausnahme durch entschieden früheres Auftreten 
mit hohen Werten. 

Die Weiterbildung der Kenntnisse von säurelöslichem Phos- 
phor brachte Feigl durch ferneres Studium nichtbrigh- 
tischer Zustände, aus dem sich gerade am Beispiel vorstehen- 
der Erkrankung der Wert des Begriffes vom „Restphosphor“ 
entwickeln ließ. Dieser Restphosphor, in der Norm zumeist 
unter 1,0mg mit rund 15°/, des säurelöslichen P, analytisch 
als Differenz berechnet, erreicht bei Leberatrophie vergleichs- 
weise hohe Werte. Wir verweisen auf die Tabellen und die 
spezielle einschlägige Arbeit des Verf. Es kamen bei den 
Fällen 2 und 3 (I und II 1917) Zahlen von rund 5,0 mg P, 
bis zu 8,0 mg P vor, die 33°/, und 40°/, der Gesamtgröße ent- 
sprechen. Der nachträglich neuhinzutretende Fall 5 (1917) zeigt 
die gleiche Erscheinung bis hinauf zu 50°/,, entsprechend rund 
14,0 mg, sonst 12,0mg. Steigerungen im Restphosphor er- 
scheinen mit Anstiegen des säurelöslichen offenbar genetisch 
verkettet, ziemlich früh im Verlaufe der Krankheit, viel früher 
als das Anwachsen der Fettsäuren und des Cholesterins, und 
ergänzen sich reziprok mit dem Schwund an fällbarem Lipoid-P 
bzw. Lecithin. An dieser Stelle zeigt sich der vielleicht sym- 
ptomatische Wert dieses Begriffes. Fall4 (geheilt 1917), nach 
obigen Berichten sowohl hinsichtlich der Gesamtfettsäuren wie des 
Cholesterins mitsamt dessen Gliederung kaum — auch in der 
Krise — alteriert, bietet einen obendrein relativ erhöhten, säure- 
löslichen Gesamtphosphor mit einem Restphosphor von rund 
3,0 mg entsprechend 35°/,. Vor dem Wendepunkte und bei 
erfolgter Heilung erscheinen beide Größen in normalen Beträgen. 

Sonach erscheint bei akuter gelber Leberatrophie 
sowohl der summarische säurelösliche Phosphor in gegen 
die Norm beträchtlich erhöhten Beträgen, die angesichts 
des Fehlens brightischer Nierensymptome eine weitere Unter- 
suchung nahelegten. Dabei ergab sich, daß diese Erhöhung 
zum großen Teile — meist zu 33°/,, gelegentlich zu 40°, 
einmal zu 50°/, von „Restphosphor“ gedeckt wird, von 
Substanzen, die das Fällungsverfahren für präformiertes Ortho- 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 25 


phosphat unberührt läßt, und denen komplexe Natur zuge- 
sprochen werden darf (J. Feigl). ‚Hinsichtlich der Höhe dieser 
Befunde sei besonders auf Avitaminosen in schweren Lagen 
hingewiesen, worüber Feigl Material beigebracht hat. 

Der Gesamtätherextrakt (Lecithin), Cholesterin (freies, Ester), 
Neutralfett (ev. freie Fettsäuren) ist gleichfalls für normale Personen 
leidlich konstant, wie Bloor mit folgenden Zahlen für Männer — Grenzen 
820,0 mg und 570,0 mg — mit 670,0 mg im Durchschnitt, für Frauen — 
Grenzen 770,0 mg, bzw. 570,0 mg im Durchschnitt 720,0 mg — Feigl, 
Gesamtdurchschnitt rund 700,0 mg bei weiteren Unter- 
suchungen unter genannten Kautelen erwiesen (Nüchternwerte!). 

Danach stellten sich für Fall 1 (1915) die Analysen vom 
5. V. bzw. 21. V. mit 570,0 mg bzw. 700;0 als normal, die spä- 
teren vom 14. V. bzw. 17. V. bzw. 18. V. mit Befunden von 
1050,0 mg bzw. 1500,0 mg bzw. 1700,0 mg als mäßig bis stark 
erhöht dar. Für Fall 2 (I 1917) a, b, mit 1300,0 mg, 1900,0 mg 
und Fall 3 (II 1917) a, b mit 1000,0 mg, 1400,0 mg gilt ent- 
sprechend gleiches. Fall 5 (1917) veranschaulicht wiederum 
Anstiege a bzw. b mit 650,0 mg bzw. 630,0 mg, c bzw. d mit 
1200,0 mg bzw. 1900,0 mg. Der geheilte Fall 4 (1917) bleibt 
an vier Terminen (Tab. III bzw. IV) normal und zeigt in der 
Krise eine anzuerkennende, relative Erhöhung um rund !/, 
gegen die Nachbartermine Da der Gesamtätherextrakt eine 
additive Formel aus genannten Komponenten ist, vereinen 
sich in ihr die Anstiege, ohne die individuellen Feinheiten zu 
zeigen, beherrscht von den Gesamtfettsäuren im Cholesterin- 
ester und Neutralfett sowie im Cholesterin, naturgemäß erst 
spät in größeren, gesteigerten Höhen auftretend. 

Sonach kann bei akuter gelber Leberatrophie im 
späteren Verlaufe das Serum an Fetten und Lipoiden, auch als 
Gesamtätherextrakt, vermehrt erscheinen. Ähnliche 
Zahlenverhältnisse beschreibt Bloor für Diabetes mit 1050,0 mg, 
1500,0 mg, Carcinom mit 900,0 mg, nennt Verf. bei oben ge- 
nannten Zuständen bis zu 1700,0 mg für 100 ccm Plasma. 
Unsere beschriebenen Anstiege gehen auf das Dreifache, öfter 
auf das Doppelte der Norm. 


Besprechung der Ergebnisse. 


Nach schematischer Aufführung der erhobenen Befunde 
und ihrer Abgrenzung gegen die jeweiligen Werte der Norm 


26 Joh. Feigl: 


erhebt sich nunmehr die Aufgabe, aus den Ergebnissen an 
den beschriebenen Fällen durch Vergleich der analy- 
tischen Zahlen bei entsprechenden Zeitpunkten nähere 
Aufschlüsse über das Tatsächliche und Gesetzmäßige im Fett- 
und Lipoidbestand von Blut und Plasma bei akuter gelber 
Leberatrophie zu geben. Es läßt sich sagen, daß die Resultate 
für „Gesamtfettsäuren“ hinsichtlich der (spät eintretenden) 
Erhöhung ziemlich übereinstimmen, wennschon in verschie- 
denen Fällen die endgültigen Zahlen — allgemein beträchtlich 
gesteigert — nicht unerheblich voneinander abweichen. 

So erreicht der Fall 5 (1917) den Höchstwert von 1023,0 mg, 
Fall 1 (1915) 960,0 mg, Fall 2 (I 1917) 911,0 mg und Fall 3 
(II 1917) 790,0 mg. Der Anstieg erfolgt in etwa den letzten 
3 bis 4 Lebenstagen bezüglich von 710,0 mg; 684,0 mg; 520,0 mg; 
391,0 mgaus; dabei ist letztere Zahl noch geradezu normal, die 
vorletzte nur wenig mehr. Der Anstieg ist also, besonders wenn 
die nächstfrüheren Termine betrachtet werden, ein rapider. 
Diese analytisch unmittelbar wichtige Größe gewinnt durch die 
Aufteilung an ihre Träger eingehenderes Interesse. Als be- 
rechnetes Neutralfett hinterblieben an entschieden bis leicht 
übernormalen Beträgen 440,0 mg, 400,0 mg, 270,0 mg für Fall 1; 
420,0 mg, 320,0 mg für Fall 2; 227,0 mg und 204,0 mg für 
Fall 3; 634,0 mg, 388,0 mg für Fall 5. Das Anwachsen er- 
scheint hier gegen obige Zahlen beschleunigt. Diese Abstände 
obiger Werte für Gesamtfettsäuren liegen bei 790,0 mg und 
1023,0 mg, d.h. um rund 20°/, über dem Schwellenwert. Für 
Neutralfett handelt es sich beinahe um 50°/, bei entsprechender 
Beurteilung. Die Einschränkung an dem Begriffe des Neutral- 
fettes, das rechnerisch aus den „Restfettsäuren“ gewonnen 
wird, durch die Existenz freier Säuren, in einzelnen Fällen ist 
hier einzufügen. Immerhin sind die durch kurze, endgültige 
Erhebung gekennzeichneten Anstiege beider Begriffe wohl 
prinzipielle Erscheinungen im Plasma bei akuter gelber Leber- 
atrophie. Das Anwachsen des Gesamtcholesterins scheint 
früher einzusetzen, wie die Übergangswerte im Falle 1 andeuten 
usw., der Hauptantrieb erfolgt jedoch auch erst spät (Fall 1: 
270,0 mg zu 400,0 mg; Fall 5: 560,0 mg zu 960,0 mg, weniger 
typisch in den Fällen 2 und 3). Auch hierin scheint es sich 
um generelle Züge — Gesamtsteigerung und ihr (endgültiger) 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 27 


Verlauf — zu handeln. Die Gliederung des Gesamt- 
cholesterins macht wahrscheinlich die oben diskutierte Wand- 
lung durch von dem Zahlenverhältnis der Norm, 33°/, Ester, 
vorübergehend auf rund 10°/, und 20°/, sinkend, dann wieder 
ansteigend. Die Erscheinung ist indes nicht schematisch und 
unterliegt verschiedenen Deutungen. Der Esteranteil ist mit- 
bestimmend für den Verbleib und die Bindungsart eines großen 
Teils der Gesamtfettsäuren. Sie stecken z. B. im Fall 3 (II 1917) 
bei Termin a auf rund 200,0 mg Fettsäuren im Estercholesterin, 
beim Termin b (kurz später) fast 600,0 mg; dieser Zuwachs um 
200°/, scheint ganz mit verestertem Cholesterin aus dem Organ 
den Weg ins Plasma (als Transitdepot) gefunden zu haben. 
Ähnlich Fall 2, (Zuwachs über 100°/,); mäßige Anstiege in 
Fall 5. Umgekehrt äußert sich der Einfluß in Verschiebungen 
des Esteranteils im Falle 5 Termin b 245,0 mg, Termin © 
265,0 mg Fettsäuren, dabei parallel 260,0 mg Cholesterin (ge- 
samt) gegen 560,0 mg, d. h. bei gleichbleibender Fettsäuremenge 
ein Zuwachs von über 100°/, Cholesterin. Der Abfall im 
Lecithingehalt bzw. Lipoidphosphor ist generell mit ver- 
schiedenem Tempo, langsam (mit Remission) im Falle 5, mäßig 
im Falle 1 und Falle 2, rapide im Falle 3. Man kann nach 
dem Vorgange der Ansichten einzelner Autoren über Bewegungen 
und Zufluß an Blutlecithin bei Geisteskrankheiten vielleicht 
auch hier (Fall 5) ein Auftreten des Lipoids in toto annehmen, 
während es offensichtlich sonst (vgl. den Restphosphor) zer- 
sprengt auftritt. Die allmählichen und früh eingeleiteten 
Anstiege des säurelöslichen Phosphors erscheinen als generelles 
Vorkommnis; relativ langsam zeigt sich auch hier der Zuwachs 
an Rest-P in der komplexen Größe. Graduelle Unterschiede 
bestehen. So zeigt z. B. Fall 5 bei (scheinbar) gut erhaltenem 
Lecithin, sehr hohen säurelöslichen und Restphosphor, eine Ver- 
kettung, die u. E. mit der obigen Meinung eines Zuflusses 
ungespaltenen Lipoids in totalen Molekülen zum Plasma zwangs- 
los vereinbar wäre. Die Entwicklung zeigt für den Gesamt- 
ätherextrakt seltener einen zuerst langsamen (nur Fall 1, Frist 
vom 5.V. bis 21. V.), meist einen späten und starken Anstieg. 

Nach obigen Angaben sind also die Vermehrung der Ge- 
samtfettsäuren, ferner der Zustrom des Cholesterins sowie dessen 
Strukturwandlungen, die Zunahme des Gesamtätherextraktes im 


28 Joh. Feigl: 


Prinzip typische Späterscheinungen in der Chemie des Plasmas, 
wobei für die ersten nach der Mehrdeutigkeit ihrer Quellen 
— Zustrom an Estercholesterin, wellenförmige Spaltung des- 
selben und des Lecithins, freie Säuren — zu gedenken ist. 
Früherscheinungen — und zwar die zuerst auftretenden und 
analytisch mit relativ großen Ausschlägen fixierbaren unter 
ihnen — sind die Wandlungen in der absoluten Höhe und 
relativen Struktur der Werte für den säurelöslichen Phosphor 
und das Auftreten größerer Beträge an Restphosphor. Ferner 
gehört hierhin das Absinken des Lipoid-P bzw. des Lecithins, 
in seinen Erscheinungen aber weniger typisch erfaßbar, da es 
sich, wie eben dargelegt, um verschieden starken Zustrom und 
ungleich energische Spaltung von Lecithin handeln kann (Fall 5). 
An dieser Stelle ist hinsichtlich der Betrachtung des Falles 4 
(geheilt 1917) zu gedenken, indem darauf hingewiesen sei, daß 
fast alle einzelnen Fragen, wie oben besprochen, sich mit dem 
Umfange der Norm umgeben lassen, daß jedoch relative Schwan- 
kungen da sind, deren Welle den Höhepunkt (für Gesamtfett- 
säuren, Neutralfett, Cholesterin, gesamt, Lecithin) in der Nähe 
der angenommenen Krise erkennen läßt. Besondere Bedeutung 
ergibt die Lipoidfraktion. Lecithin ist erhöht, doch gleichzeitig 
der hydrolytisch beeinflußte, säurelösliche Phosphoranstieg um 
gut 100°/, gegen die normalen Nachbarwerte — und besonders 
der in ihm steckende Restphosphor — 35°/, der komplexen 
Größe entsprechend 3,0 mg! Dieser deckt gut */, des Zu- 
wachses an krystalloidem, nicht fällbarem Phosphor. Der charak- 
teristische Ausschlag in diesem Gebiete ist enorm. 

Ferner handelt es sich darum, durch Zuordnung der 
Werte einzelner methodischer Fragestellungen für den betref- 
fenden Fall Näheres auszusagen. Hier ergeben sich zunächst 
für das Gebiet der Fette und Lipoide untereinander folgende 
Gesichtspunkte auf Grund der oben erwähnten Relationen 
zwischen Gesamtfettsäuren und Lecithin?!) einerseits, 


1) Siehe hierzu ältere Formulierungen: E F. Terroine, De l’existence 
dune constance lip&mique. Journ. de Physiol. Pathol. 16, 2, 212, März 1914. 
— Ders., Le transport des graisses et variations lipocholesterinemiques 
en cours de l’inanition et de l’alimentation. Journ. Physiol. Pathol. 16, 
3, 386, Mai 1914. — Ders., Nouvelle recherche sur l’influence de Pinani- 
tion et de la suralimentation sur la teneur de tissues en substances grasses 
et en cholesterine. Journ. of Physiol. Pathol. 16, 3, 408, Mai 1914. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 29 


zwischenLecithinundCholesterin!)andererseits. Gemäß 
der Auffassung, der zumeist in kurzer Frist ablaufende Wandel 
durch die Einspülung destruktiv entstandener chemischer Reste 
der Lebersubstanz habe sich fast ausschließlich in der Zu- 
sammensetzung von Plasma und Serum widergespiegelt, dabei 
die roten Blutkörperchen (mit Ausschluß des Lecithins) im 
großen Ganzen intakt gelassen, bringen wir die gedachten Be- 
ziehungen nur für das Plasma. 


Tabelle VI. 


Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber 
Leberatrophie, spezielle Angaben C. 
Beziehungen zwischen Fettsäuren (gesamt) und Lecithin bzw. zwischen 
Lecithin und Cholesterin zur Illustration der Abweichung von der Norm. 
Absolute Werte in mg für 100 ccm Plasma. 


Letale Fälle 2 und 3 (1 u. II Feigl und Luce 1917), der geheilte Fall 4 
@ (ebenda), der tödliche Fall 5 1917. 



































| Gesamt- | er 
Gesamt- | Gesamt- Lecithin 
Fall |Ceamt- | fott- | ohol- | Lecithin | fett- | Chol- 
säuren esterin Lecithin. esterin 
2a 101,0 | 520,0 680,0 | 154,0 3,38 0,23 
b 148,0 911,0 880,0 126,0 7,30 0,14 
3a 88,0 391,0 560,0 151,0 | 2,66 027 
b 127,0 790,0 750,0 72,0 | 10,97 0,096 
5a 60,0 386,0 230,0 178,0 2,17 0,77 ° 
b 75,0 387,0 260,0 125,0 3,09 0,48 
c 87,0 638,0 560,0 140,0 | 4,55 0,25 
ad | 1480 |1030 | 900 | 1050 | 975 | om 
4a 38,0 356,0 180,0 202,0 | 1,76 1,12 
b 42,0 331,0 150,0 177,0 1,81 1,10 
c 71,0 439,0 200,0 253,0 | 1,73 1,26 
d 30,0 377,0 | 190,0 | 210,0 1,79 1,10 





Beim Gesunden liegt erstere (I) um 1,60 (Durchschnitt) bzw. 1,41 
(niedrig) bzw. 1,90 (hoch), Männer (Bloor), bzw. um 2,51 bzw. 1,86 bzw. 
2,70 (Frauen) (Bloor). Verf. stimmt diesen Feststellungen im ganzen 
zu, verlangt jedoch die Mitberücksichtigung weiterer Ausschläge, beson- 
ders nach unten, 1,30 und 1,50 für Männer wie Frauen. Der Gesamt- 
durchschnitt stellt sich danach auf 1,50 bis 1,70. Ebenfalls 
in diese Form gebracht, liegen die Zahlen für Beziehung II entsprechend 


1) G. Mayer u. G. Schäffer, Variations de la teneur des tissues ... 
Journ. of Physiol. Pathol. 16, 2, 203; 3, 325, März 1914. — I u. lI: Die 
Arbeiten sind ref. im Biochem. Centralbl. 17, 262, 263, 264 bzw. 331, 
1914/15 (Lipschütz bzw. Lewin). 


30 Joh. Feigl: 


bei 0,96 bzw. 0,84 bzw. 1,26, ferner bei 0,82 bzw. 0,75 bzw. 0,95. Auch 
hier findet Verf. niedrigere Grundzahlen und den Gesamtdurchschnitt 
0,80 bis 0,70. 

Gemessen an diesen Normalien stellen sich alle Zahlen des 
geheilten Falles 4 für I wie auch für II als normal dar, 
ohne Angriffispunkte zu differentialer Kritik zu bieten. Fall 5 
(die einzige größere Reihe, da Fall 1 parallel nicht durch- 
geprüft wurde) gibt für Beziehung I ein kontinuierliches Steigen 
von vermutlich noch normaler Höhe (2,17, Termin a) über 
3,09 (b), 4,55 (c) zu 9,75 (d) zum bezüglichen aber doppelten, 
3fachen, gut 6fachen Gesamtdurchschnitt. 

Die Fälle 2 bzw. 3 enthalten (Tabelle VI) den doppelten 
(a) und 5fachen (b), bzw. den leicht übernormalen (a: 2,66) 
bzw. ?7fachen Gesamtdurchechnitt für Beziehung I, wobei 
also dies Ansteigen ein beschleunigtes Hinaufschnellen gegen 
den Fall 5 ist. Die Beziehung II steht im Falle 5 sinkend 
von der Norm (a, 0,77) über deren Hälfte, Drittel zum (rund) 
Biebentel, im Falle 2 etwa entsprechend, im Falle 3 noch ex- 
tremer abschließend zur Diskussion. Danach ist bei allen 
Fällen der Endverlauf gleichsinnig, zusammengefaßt die obere 
Grenze der Norm mit deren Zehntel, gegen die untere mit 
deren Fünftel. Bei akuter gelber Leberatrophie weichen 
die Beziehungen zwischen Gesamtfettsäuren und Leci- 
thin sowie zwischen Lecithin und Cholesterin im Plas- 
ma gegen die Norm durch erhebliche, zumeist spät 
ersichtliche Anstiege im ersten, durch starkes Ab- 
fallen im zweiten Modus ab. Letzteres scheint der her- 
vorstechendere Zug zu sein. 

Verglichen mit anderen pathochemischen Vorkommnissen 
nach Bloor und Verf. stehen diese Zahlen ziemlich einzig da. 
Für Diabetes seien genannt 2,30 (I), für Anaemia perniciosa 
sowie andere Zustände solche von 3,00 bis 3,50 (Bloor). 
Parallele Zahlen (Verf.) liegen annähernd gleich hoch. Schwere 
Dysenterien und andere konsumierende Zustände können mit 
einseitigem (Früherscheinung) Sinken des Lecithins höhere 
Werte bis zu 4,00, echte Avitaminosen in gewissen Stadien 
solche bis 5,0 geben. Danach bieten die (späten) Zahlenver- 
hältnisse der Leberatrophie echte Extreme. Die Relation 
II wird nach Bloor und Verf. bei Diabetes, Anämien, Addi- 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. II. 31 


son, besonders chronischen Nephritiden, auch bei Diabetes 
nicht selten außernormal durch Lecitlinzuwachs in gewissen 
Stadien, die der Konsumption noch nicht soweit anheimgefallen 
sind (Lecithinschwund), daß das Cholesterin mit höheren Wer- 
ten sich vordrängte. Diese Zahlen liegen nun 1,36 bis 1,40 
(Bloor) bis 2,00 und (Extrem) bis 3,00 (Feigl). Reihenunter- 
suchungen bestimmter Fälle geben nach Feigl klinisch und 
pathochemisch sehr interessante, in Kurven bezeichnende Auf- 
schlüsse, über die demnächst zu berichten sein wird. Ein 
Absinken, wie oben für Leberatrophie beschrieben, kennt weder 
Bloor (0,67 tiefe, einmalige Zahl) noch Verf., der in gewissen, 
genannten Zuständen bei großer Verschlechterung solche um 
0,50 sah. Danach gewinnen auch die Werte für Beziehung II 
eine charakteristische Bedeutung für den Spät- bzw. Endver- 
lauf der Lipoidumwälzungen im Plasma bei akuter gelber 
Leberatrophie. In größter Kürze sei hier gedacht einzelner 
Fälle von chronischer, langsam aber strenge fortschreitender 
Unterernährung (Feigl bzw. Knack und Neumann). Dabei 
kann unter frühzeitigem Lecithinschwund bei Erhalt der (son- 
stigen) Fettsäuren Beziehung I zunächst übernormal werden, dann 
zur Norm sinken, Beziehung II ziemlich parallel erst sinken, 
dann normal, dann weiter unternormal werden (Lecithinschwund, 
relativer, dann absoluter Cholesterinzuwachs),. Für Körperchen 
und (weniger charakteristisch) Vollblut erlangen die Rela- 
tionen schon anderweitig höchst wertvolle Umstimmungen, die 
aber in unserem Falle (siehe oben) weder aktuell werden, 
noch an dieser Stelle zur Erörterung kommen sollen. 

Soweit die Beziehungen der Fette, des Cholesterins, des 
Lecithins untereinander! Wechselseitigem Verhalten von Lipoid-P 
zu säurelöslichem, zu anorganischem und restlichem P usw., 
soll hier zunächst nicht eingehender nachgeforscht werden, da 
ja die hauptsächlichen Züge aus den direkten Zahlen unmittel- 
bar hervorgehen. Es genügt, noch einmal zu ragen, daß Er- 
scheinungen am Lecithin selbst (statische Senkung) nach vor- 
übergehendem Anstieg in der Krise früh einsetzen, und daß 
Anstiege von Lipoid-P mit solchen höheren Grades an säure- 
löslichem P und Rest-P auch da eintreten, wo weder absolute 
Werte (Fettsäure, Cholesterin) Irgendetwas, noch relative Be- 
stimmtes, noch Beziehungen Eindeutiges aussagen. 


32 Joh. Feigl: 


Neben rein deskriptiven Darlegungen pathochemischen 
Interesses — einmal speziell für diese Erkrankung, sei es durch 
Art und Form des Verlaufes, sei es durch Aufzeigen der ty- 
pischen Abartungen, ferner allgemeiner für die Verhältnisse 
lipämischer (Fette, Lecithin, Cholesterin) Überschwemmungen 
des Blutes in Hinsicht auf pathologische Fettansammlung in 
der Niere — treten: an dieser Stelle auch praktische Fragen 
an uns heran. 

Wir müssen sehen, ob das hier zur Diskussion gestellte 
Material mit seiner Partialanordnung für das RN-Gebiet 
(Gesamt-RN, Amino-N, roh und rein usw.) und die Lipo- 
ide im Vergleich zu Schlüssen berechtigt, die bestimmte 
Abweichungen befähigen, prognostisch oder diagnostisch, viel- 
leicht sonst charakterisierend für einzelne Stadien des Verlaufes 
ausgedeutet zu werden. Wir verweisen auf die Tabellen. 
Stellt man sich auf den Boden der heutigen Kenntnisse über 
die Normalien des Geramtreststickstoffs und seine Hauptfrak- 
tionen (Folin, Bang, Feigl), über Amino-N (rein) (v. Slyke, 
Rosenberg u. a.), über Purine (Folin, Steinitz u.a.), über 
Kreatinin und Kreatin (Folin, Myers, Feigl), über Ammo- 
niak (Henriques und Christiansen u.a.), so gibt nach 
Feigl und Luce der Fall in der Krise immerhin beträchtliche 
Ausschläge in allen diesen Gebieten (l. c.) einzeln für sich, wie 
in relativer Anordnung (Fraktion des Amino-N) auf einem 
Punkte, den die Verf., besonders der Kliniker, als Krise zu 
bezeichnen geneigt sind. Ein RN von 71,0 mg mit 70°% 
Amino-N (summarisch, nach Bang), 60°/, desgl. (rein, nach 
Feigl und Luce) bietet bei Fehlen sonst für seine Höhe be- 
stimmender Faktoren ein scharfes Kennzeichen für schwerere 
Eindrücke. Gleichzeitig kann nur eingehendere Tüftelei (unter 
Relativierung) aus Gesamtfettsäuren, Neutralfett, Cholesterin 
(gesamt wie Aufbau), Gesamtätherextrakt bestimmtere Anzeichen 
herauslesen wollen. Einzig allein der Lecithinzuwachs ist hier- 
über erhaben, ganz besonders jedoch der Ausschlag auf seiten 
des nichtlipoidischen P mit summarischem, von restlichem P 
beherrschtem, ganz erheblichem Anstiege. Alles in allem neigen 
wir bestimmt zu der Ansicht, daß diese Abweichungen in 
Gegenwertung zu den klinisch-chemischen und methodischen 
Angaben des einen von uns (Feigl) relativ stärker, weit höher, 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. II. 33 


weit charakteristischer sind, als die des Gesamtreststickstoffs, 
der zwar erst durch seine Struktur wesentlicher erschlossen 
wird.. Fall 1 ist weniger charakteristisch, aber dem gleichen 
Sinne entspricht der (methodisch eindringlichere und prä- 
zisiertere) neue Fall 5. Dieser zeigt uns die Abweichungen 
im krystalloiden und restlichen P energisch auch da, wo der 
RN noch mehr im Bereiche vorsichtiger Schätzung liegen bleibt, 
wo die Fett- und Lipoidkonstanten schlechthin normal blieben. 
Dabei ist dieser Punkt (Termin b, doch noch mehr a) sicher im 
absteigenden Aste des nicht mehr aufhaltbaren Verlaufes zum 
sicheren Ende. Also auch hier noch ein Vorwiegen des Ge- 
wichtes durch das P-Gebiet neben mäßigeren Anzeichen aus 
der RN-Prüfung. Das gegenseitige Verhalten bleibt im Termin 
c mit Aufrücken der RN-Befunde, leichter bis mäßiger Erhebung 
(unspezifisch) der Fette, stärkerem Ansteigen (unspezifisch?) des 
Cholesterins erhalten. Erst im letalen Endverlauf rückt das 
Lipoid- und Fettgebiet nach seiner Stimmkraft mit vor. Daraus 
glauben wir also die Schlüsse ziehen zu dürfen — soweit 
die bisherige, der maßgeblichen Erweiterung nahe (Verf.) Kennt- 
nis von Lecithinzerfall mit Anwachsen von Rest-P uns berech- 
tigt —, daß das RN-Gebiet in zweiter, das P-Gebiet in 
erster Reihe, abgesehen von weiteren, später von uns zu 
behandelnden Fragen (Fermentchemie, Zucker, Salze, Alkalescenz 
u.a.) Befunde determinierenden Charakters für Krise 
Umschwung, Verlauf in diagnostischer und progno- 
stischer Beziehung zu bieten vermag. Nur genügte eben 
nicht — auch bei der sonstigen Natur des klinischen Bildes 
— der Gesamt-RN, der Lipoid-P, der säurelösliche P für sich 
allein. Es sind die einschlägigen Differenzierungen nach 
Folin, Bang, Steinitz, van Slyke, Greenwald, Feigl 
methodisch präzis und scharf zu treffen, wobei die persönlich 
klinische Seite (Blut- bzw. Plasmabedarf gering) einfachen Cha- 
rakters, die analytisch-laboratoriumstechnischen Anforderungen 
an Fachmann und Hilfsmittel strengste sind. 

Die Befunde nach den genannten Verfahren sind gegen die 
Norm und mäßige Umstimmungen auch in der Krise deut- 
lich und erheblich. Wie weit sind sie spezifisch, wie weit all- 
gemeinerer Natur und dann mit der Kenntnis des klinischen 


Bildes kritisch für spezielle Fälle abwertbar? Für mindestens 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 3 


34 Joh. Feigl: 


bezeichnend, wo nicht geradeweg spezifisch, erachten wir auch 
streng hierher gehörige Äußerungen von Feigl und Luce, Feigl, 
(l. c.), sowie nach J. Bang die Struktur und Addenden des RN- 
Begriffes und der P-Verteilung — soweit es sich um Krise, 
eventuell Diagnose und Prognose (zum Günstigen) handelt. 
Die letalen Charakteristiken sind nach den heutigen Fällen 
Späterscheinungen jenseits der Grenze jeder prognostischen 
Frage. Indes glauben wir auch an die gleichsinnige Erhebung 
dieser Untersuchungsmethoden, jedenfalls bestimmter Relationen, 
Unterbegriffe und Verknüpfungen. Die Aufgabe des Aus- 
schlusses von Einflüssen verwischender Art an einem Teile 
der Befunde fällt dem modernen Analytiker bzw. Methodologen 
ebenso wie dem Kliniker zu, wie nach Gesagtem nicht näher 
erörtert zu werden braucht, da zudem noch der Kliniker in 
der einschlägigen Frage das letzte Wort zu sprechen das Vor- 
recht hat. Er wird auch die Abgrenzung von patholo- 
gischen Interferenzen durch klinische Untersuchungen vollziehen 
können, die Frage anderweitiger Kräfte der RN-Ansammlung 
(Fieber, Lues, Nierenermüdung, Nierenstörung usw.) anschneiden, 
beantworten und damit schwierigeren Verhältnissen erfolgreich 
entgegentreten. 

Unter hier bisher nicht erörterten, aber genetisch wie 
analytisch (Restreduktion, wahrer Zucker) verwandten Gebieten 
streifen wir das des Kohlenhydratstoffwechsels, des „Blutzuckers“. 
Wir können mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß zur 
Zeit der Krise, vielleicht schon vorher (oder auch noch 
später abklingend) echte Hyperglykämien vorkommen 
können, die nach Ausschüttung (hier wörtlich, mechanisch) 
des Hauptanteils an Glykogen des Blutes sinken und 
zu erheblichen Hypoglykämien werden können, was 
Feigl und Luce im Prinzip schon früher dartaten!), 


1) An der einwandfrei richtigen Erfassung hinderte uns derzeit 
(1915) die Zugrundelegung der veralteten, jetzt durch kritische Kontro- 
verse (Schumm, Oppler, Neuberg, Griesbach und Strassner, 
Mayer, für das RN-Gebiet besonders Feigl) beseitigten und richtig- 
gestellten Methodik und Größenfestlegung der Restreduktion von 
Schumm und Hegler (Feigl 1916, Schumm 1917). 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 35 


Besprechung von Literaturangaben nächstliegender Gebiete. 


In jüngster Zeit sind mehrfache Befunde über „Lipämien“ 
höchsten Grades mitgeteilt worden. A. Javal und P. Boyet 
fanden einmal von 10,80 g Gesamtfett 33°/, Lecithin, später 
einmal noch 21°/, des Gesamtätherextraktes bei echter dia- 
betischer Lipämie!). Bei syphilitischer Aortitis untersuchten 
sie mehrfach „Ges. Fett“ mit 21°/, bis 73°/, Lecithin und 0,55 °/,, 
bis über 1°/, Cholesterin. C. G. Imrie fand bei diabetischer 
Lipämie 12,5°/, Neutralfett, 1,5°/, Cholesterin, 0,4°/, fettsaure 
Salze. Die umfassenderen Arbeiten von M. Bürger und 
H. Beumer berühren gleichfalls einschlägige Verhältnisse?). 

Die eingehende Gegenwertung dieser sicher abnorm hohen 
Zahlen kann aus methodischen Voraussetzungen unterbleiben. 
Man wird die Wesensverschiedenheit der Ursachen wie der 
tatsächlichen Gliederung des „Gesamtätherlöslichen“ ohne wei- 
teres in den hohen Lecithinproportionen und in einer Schätzung 
der Beziehungen (siehe oben) erblicken. Danach ist die „Lipämie“ 
bei Leberatrophie chemisch ein ganz anderer Komplex. Wert- 
voll ist die (sicher als approximativ zu bezeichnende) Angabe 
von Imrie über die Quote an fettsauren Salzen (siehe unten). 
Bürger und Beumer werteten die wechselseitigen Verhält- 
nisse in der Eutwickelung und fanden auch bei Diabetes deut- 
liche, nach Entleerung des Neutralfettes (und Lecithins?) be- 
stehend bleibende Cholesterinanreicherung, die relativ weit von 
den obigen Zahlen absticht. G.“Garin fand bei einem an- 
scheinend gut (vergleichbar?, Vollblut?) durchgeprüften Falle 
von Myelocytenleukämie zwar im ganzen physiologische Zahlen, 
aber ein absolutes und relatives Vorwalten von Fettsäuren und 
Seifen, wobei die letzteren unser Interesse (siehe unten) bean- 
spruchen‘). Ein mehr systematisches, aber den Kliniker auf 


1) A. Javal und P. Boyet, Lipemie dans un cas de diabète 
maigre, Soc. Biol. 70, 162, 1911, Febr. 

2) C. G. Imrie, On the blood fat in a case of lipemia. Journ. of 
Biol. Chem. 20, 87, 1915. Für 100 com Blut. 

3) H. Beumer und M. Bürger, Beiträge zur Chemie des Blutes 
in Krankheiten mit besonderer Berücksichtigung der Lipämie IV, Dia- 
betes und Lipämie, Zeitschr. f. exp. Path. u. Pharm. 13, 2, 362, 1913, Mai, 

4) G. Garin, Sul contenuto in grasso e sul potere lipolitico del 


siero, Biochem. Centralbl. 15, 339, 1918. 
3* 


36 Joh. Feigl: 


Anregung des einen von uns (Luce) besonders interessierendes 
Material brachte J. Lifschütz über Fett, Unverseifbares, 
Cholesterin, Oxycholesterin, „Polyoxydate“ bei Tieren mit 
besonderer Rücksicht auf Lebervenen und Pfortader. Die letz- 
tere ist relativ verarmt an allen Komponenten mit Ausnahme 
des Cholesterins, wobei (Differenz 63°/,!) das Oxycholesterin in 
der Leber bleibt. Diese Grundlagen sind für die Weiterarbeit 
hinsichtlich klinischer wie biochemischer Fragen an gesunden 
und kranken Menschen ungemein verheißungsvoll'!,, S. Cha- 
latow fand bei Studien über Cholesterinverfettung („anisotrope 
Verfettung“) eigenartige Absorptions- und Maskierungsverhält- 
nisse der Ester wie des freien Körpers und das eigentliche 
Vorkommen in solchen Bindungen, die flüssige Krystalle nicht 
bilden und sich krystallographisch weiter modeln®?). Auch 
hieraus muß die mikrochemische wie eigentliche analytische 
Chemie fernere Anregungen empfangen. 

An dieser Stelle gehen wir darauf ein, daß die meisten, 
uns aus den Reihenuntersuchungen zukommenden Serumproben 
nicht ausgesprochen lipämisch waren, auch in Zeiten mit hohen 
Lipoid- und Fettwerten. Vorher existierten keine Anzeichen 
für Fettvermehrung. Die Sera mit hohen Gehalten (letale) 
hatten zumeist nur mäßige, zudem nur typische Andeutungen, die 
unten beschrieben werden. Johs. Müller berichtet aus Unter- 
suchungen zur Lipämie bei Nephritis über einen eigenartigen 
Zustand des lipämischen Gemenges. Er fand, daß selbst hohe 
Tourenzahlen bei langem Zentrifugieren keine Entmischung des 
„maskierten Fett-Lipoid-Cholesterinbestandes“, die in hohen 
Beträgen vorlagen, bewirkten. Untersuchungen nach Kuma- 
gawa-Suto wie nach Hoppe-Seyler ergaben interessante 
Aufschlüsse. Für 100 ccm Serum wurden gefunden: 3180,0 mg 
Gesamtätherextrakt, 2500,0 mg Gesamtfettsäuren (höhere, ent- 
sprechend den methodischen Voraussetzungen nach K umagaw a), 
683,0 mg Cholesterin (erste Methode); 2150,0 mg Neutralfett, 


1) J. Lifschütz, Die Oxydationsprodukte des Cholesterins in den 
tierischen Organen (Pfortader, Lebervene, V. Mitteilung), diese Zeitschr. 
62, 3/4, 206, 1913, Juni. 

1) S. S. Chalatow, Über flüssige Krystalle im tierischen Organis- 
mus, Frankf. Zeitschr. f. Pathol. 18, 2, 189, 1913, Aug. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 37 


688,0 mg Lecithin und 863,0 mg Cholesterin). Bei mancher- 
seits fehlender, direkter Vergleichsmöglichkeit sind die Zahlen 
absolut und relativ interessant, wie besonders die (praktische) 
Gleichheit zwischen Lecithin und Cholesterin darlegt; Beziehung 
II nach Bloor rund 1,00. Vielleicht ist die Maskierung eine 
Folge dieses (natürlich durch die organischen Bestände und 
Reaktionsverhältnisse verstärkten) Zustandes. Müller führt 
einen Teil der Lipoide auf die roten Blutzellen zurück, eine 
Auffassung, die früher Beumer zur Gegenprüfung und Ab- 
lehnung führte?) und die wir an unseren Fällen zu messen — 
wie oben analytisch erörtert und belegt — und (aus welchen 
Gründen immer) abzulehnen haben. Nebenbei aber sei die 
praktische Bedeutung dieses charakteristischen Ausnahmefalles 


Tabelle VII. 


Verteilung der Fette und Lipoide im menschlichen 
Blutserum bei akuter gelber Leberatrophie. 
Beitrag zur Kenntnis der Entwicklung spezieller Lipämien. 

Gesamtfettsäuren, Neutralfett, Cholesterin (gesamt), Lecithin und freie 

Fettsäuren absolut in mg für 100 ccm Plasma und prozentisch berechnet 

nach dem Gesamtätherextrakt. 
































sE ja : 5 g 
= ar 2,8175 Pe} = 
= F De 23 = s3|&a| 2 Freie Fettsäure 
= I152|3%2| are 8 

ar 1% 8 

| mg Jabs. °/,Jabs. %/ abs. /%/oJabs.]/o] abs. | UA 
2. a [1300,0[520]40[320 [24/680 |52| 154] 12] vorhanden, aber nicht analytisch 
| bestimmt!) 

-b [1900,0[91148]250 13880 146] 126| 7 160 | 8+) 
3. a 


1000,0]391 |39] 204 |20[560 56] 151 |15 
b [1400,0|790 |42| 227 |16| 750 |54| 72| 5 
5. a| 650,0] 386 159] 167 125] 230 135| 173 |27 3 2 z 
b| 630.01387 61149 124|260 1] 125 zo|} analytisch nicht bestimmt:) 
c |1200,0[638 |53|388 132] 560 [47 140|12| vorhanden, aber nicht bestimmt!) 
d |1900,0|1023|54|400 121|960 150] 105| 6 202 | 11+) 
Anmerkung: +) Im mikrochemisch-analytischen Verhältnis ist die 
Ermittelung freier Fettsäuren bisher nicht durchführbar gewesen. 
Mikrochemisch direkt gefundene Beträge. 





I analytisch nicht bestimmt ') 











1) Johs. Müller (mit Reinbach), Über Maskierung des Blut- 
fettes und der Blutlipoide sowie über Verdauungslipämie des Menschen, 
Zeitschr. f. physiol. Chem. 86, 6, 469 bis 483, 1913, Aug. 

2) H. Beumer, Die Herkunft desCholesterins bei der Verdauungs- 
lipämie, Arch. f. exp. Pathol. 77, 375, 1914. 


38 Joh. Feigl: 


für die äußere Erscheinung, Beurteilung und Analyse von lip- 
ämischen Seren samt den interessanten, (leider nicht vollstän- 
digen) Zahlen hervorgehoben. 

Zum Vergleiche mit den vorliegenden, auszugsgemäßen 
Angaben von Vorkommnissen hoher Lipämien, Lipoidämien, 
Cholesterinämien sei in vorstehender Tabelle VII eine Auf- 
stellung mitgeteilt, die für unsere Fälle in prozentischer Be- 
rechnung auf die Gesamtätherextrakte dessen Strukturen erweist. 

Von besonderem Werte ist u.E. die Anknüpfung einer 
größeren Untersuchungsreihe, die F. Kauders unter Leitung 
von S. Fraenkel und mit dessen vorzüglichen, präparativen 
Methoden anstellte, um die Frage der Cholesterinverteilung 
im Blute zu studieren‘), Er fand mit diesen (allerdings an 
Personen mit Luesverdacht!), daß auch die Erythrocyten Ester- 
cholesterin enthalten. Diese sonst ziemlich vereinsamte Fest- 
stellung fand bei Bloor keine Aufnahme und Berücksichtigung, 
im Verlaufe unserer bisherigen Arbeiten an den jetzigen Fällen 
gleichfalls keinen Antrieb zur eingehenderen Prüfung. Jedoch 
wird man auch für unsere ferneren Studien und weiter aus- 
greifende Fragen aus zwei Gründen aufmerksam sein müssen, 
einmal Anlaß zu hämatologisch-morphologischen Anknüpfungen 
in ihr erblicken, gleiches bei Blutzerfall und Ausschüttung der 
fraglichen Stoffe. Feigl fand bei einem Falle von Leberatro- 
phie einmal zweifellos Hämatin im Serum?). Ferner ist die 
Komplikation bestimmter Fälle (hier Lues) eindringlich zu beachten. 
Angaben von H. Joussouf lehren gleichfalls Komplikationen 
berücksichtigen, die an sich „Fettlebern“ (vorgängig) verur- 
sachten®). Hämatologischer Natur ist auch die Angabe von 
Müller, daß Cholesterin bei Anreicherung im Plasma in be- 
stimmte Beziehung zu den Körperchen treten könnte. Damit 
möchten wir hier verbinden die Erwähnung eines Befundes aus 
dem verwandten Gebiete der P-Vergiftung. C. Ragazzi fand 


1) F. Kauders, Über den Cholesterin- und Cholesterinestergehalt 
des Blutes verschiedener Tiere, diese Zeitschr. 55, 1/2, 96 bis 100, 
1913, Sept. 

®) Joh. Feigl und R. Deusing, diese Zeitschr. 1918. Neue Bei- 
träge zur Kasuistik des Vorkommens von Hämatin im Blute II. 

3) H. Joussouf, Autolytische Milchsäurebildung in der Leber, Vir- 
chows Archiv 207, 3, 1912, März. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 39 


bei Untersuchung der Viscosität, des Gefrierpunktes (beide 
normal) und der Leitfähigkeit von Blut und Serum (Wider- 
stand erhöht) den Grund in erheblicher Polycythämie bei Zer- 
störung von Eosinophilen!). Fr. Dancker fand, was uns 
fermentbiologisch beschäftigte, Absenkung der Katalase um 
12°/,, fallende Alkalescenz, kaum veränderte Peroxydasen und 
normale Erythrozytenzahlen°)?). 

Ausreichende Anknüpfungen und offenbar weitgehende 
Parallelität zu dem Experimentalfeld der P-Vergiftung ergibt 
sich für unsere oben erörterten Befunde über Lecithinbewegung, 
Hydrolyse, P-Verteilung nach folgenden Literaturangaben hin- 
sichtlich der Art des zeitlichen Ablaufes. 

G. Joannowitz und E. Pick fanden, daß bei der Auto- 
lyse die Lipoide hervorragend aktiv und passiv beteiligt sind, 
sic erleiden bei P-Vergiftung die erste Schädigung‘). Diese 
charakterisierten wir oben durch die Methodik der P-Verteilung 
aus dem Rest-P. Auch G. Satta und G.M. Fasiani fanden 
ihre Mitbeteiligung bei der Autolyse?). Über den Bestand von 
Organen an Lipoid-P brachten H. Mayer und G. Schäffer 
im Verfolg ihrer obengenannten Studien umfassendere Mit- 
teilungen®), zu denen wir unsere Analysen an den postmortalen 
Organresten in Beziehung zu setzen haben werden. Über die 
Fermenttätigkeit im Blute selbst äußerten sich E. L. Opie, 
B. J. Barker, A. L. Dochez in dem Sinne, daß die P-Ver- 


1) G. Ragazzi, Richerche sullo stato del sangue nelle intossica- 
zioni da fosforo, Arch. Farmacol. 8, 529, 1910. 

2) Fr. Dancker, Über den Einfluß verschiedener Gifte (u. a. P) 
auf die Katalase usw. des Blutes, Inaug.-Diss.. München 1911, 30, ref. 
Biochem. Centralbl. 12; 309 (Loeb), 1911/12. 

3) Die fraglichen Ergebnisse bei P-Vergiftung werden von uns 
später in weiteren Mitteilungen über Blutuntersuchung bei Leberatrophie 
erörtert werden. 

1) G. Joannowitz und E. Pick, Experimentelle Untersuchungen 
über die Bedeutung der Leber bei der Fettresorption, Verhandlg. der 
Pathol. Gesellsch. 1910, April, Beiheft zu Bd. 21. 

è) G. Latta und E. Fasiani, Über den Einfluß der Lipoide auf 
die Leberautolyse, Berl. klin. Wochenschr. 47, 32, 1910. 

©) A. Mayer u. G. Schäffer, Recherche sur la constance lipocy- 
tique. Teneur de tissues en lipoides phosphorees, Compt. rend. des 
sciences 157, 2, 156, 1913 (Juli). 


40 Joh. Feigl: 


giftung keinen (direkten) Einfluß auf Serumstoffe ausübe, die 
die Intensität der Lipolyse erfahrungsgemäß beeinflussen !). 
E. Frank und S. Isaak zeigten auf einen spezifischen Gly- 
kogenschwund in der Leber selbst mit Absinken des Blutzuckers 
hin?); der Anschluß zur P-Vergiftung ist durch unsere Arbeiten 
bei Leberatrophie nach bisherigen erst teilweisen Angaben her- 
gestellt. S. Sakai fand bei normalen Tieren keine Lipämie 
(Frühstadium?), erst nach Anämisierung, mit der verbunden 
eine Abnahme der Lipase einherging?) — wertvolle Arbeit. 

Über die Natur des echten lipolytischen Fermentes, das 
Phosphatide und Jecorine, kein Fett spaltet, berichtete Fr. 
Thiele*). Dies interessiert uns aus fermentbiologischen Gründen 
wegen der offensichtlichen, zeitlichen Unterschiede in Umlage- 
rung und Abbau mit früher Spaltung des Lecithins, ferner weil 
die Auswertung der optimalen Reaktion für die Intensität der 
Hydrolyse ziemlich genau in der fraglichen, lecithinolytisch 
orientierten Frist um die Krise herum erreicht wird. Weitere, 
speziell das Vorkommen von freien Fettsäuren und Seifen tan- 
gierende Fragen liegen in der von G. Fortini entwickelten, 
von J. Meyer scharf bekämpften Lehre einer schrittweisen 
Hydrolyse der neutralen Triglyceride über Diglyceride und 
Monoglyceride°). 

Die Frage des „Fettumbaues“ bei Phosphorintoxikation 
ist von den verschiedensten Gesichtspunkten aus studiert wor- 
den. A. Oppel®), N. Shibata”) u. a. nehmen eine primäre 
Einwanderung aus Blut und Organen, bzw. Unterhautdepots an, 


1) E. L. Opie, B. J. Barker, A. L. Dochez, Changes in the 
proteolytic enzymes, Journ. of exp. Med. 13, 1, 1911, Jan. 

2) E. Frank und S. Isaak, Über das Wesen des gestörten Stoff- 
wechsels bei der P-Vergiftung, Arch. f. exp. Path. 64, 3, 1911, Febr. 

3) S. Sakai, Zur Pathogenese der Lipämie, diese Zeitschr. 62, 
387, 1914. Darin Literatur, Methodik und Fermenttheorie der Lipämie. 

4) Fr. H. Thiele, On the lipolytic action of the blood, Bioch. 
Journ. 7, 2, 275, 1913 (Mai). Desgl. of the tissues, ebenda. 

5) J.Meyer, Über die Verseifung der Triglyceride, Chem. Ztg. 37. 
541, 1913 (Mai). 

6%) A. Oppel, Kausal-morpholog. Zellstudien III, Über die Gewöh- 
nung an P, Zieglers Beiträge 49, 3, 543, 1910, Dez. 

”) N. Shibata, Experimenteller Beitrag zur Kenntnis der Fett- 
wanderung bei der P-Vergiftung usw., diese Zeitschr. 37, 345, 1911, Dez. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. II. 41 


der erst später die Fettumlagerung (im Organ 84°/, durch P, 
rund 50°/, durch reine Inanition) folge. Die Umbildung aus 
Glykogen wie aus Eiweiß ist gleichfalls energisch diskutiert 
worden. O. Hirz trat mit treffenden Versuchen hervor, die 
beweisen sollten, daß hierfür jede Stütze fehle!), Gegen diese 
von vielen anderen Seiten ventilierten Fragen kann man an- 
nehmen, daß bei Leberatrophie, die ja nicht restlos das gleiche 
Bild bietet wie die P-Vergiftung, aus gewissermaßen mecha- 
nischen Anstößen heraus das Fett abgeschoben wird, gleich- 
gültig, ob es nach den zahlreichen Versuchen von Leo und 
seinen Mitarbeitern C. Bachem und W. Truschenikoff 
vorübergehend (durch P-Vergiftung) neugebildet wird oder nicht °). 
Über die vorgängige Umwälzung können wir hier nichts aus- 
sagen. Jedenfalls kann bei unseren Fällen im Spätverlaufe der 
Erkrankung das gewaltig gesteigerte Fett des Plasmas nur 
endogenen Ursprungs sein, dabei entweder — worüber ein- 
gehender zu sprechen sein wird — durch Lahmlegung der 
spaltenden Fermentenergien in der „Abfuhr gehemmt“, gestaut 
werden, oder aber es erscheint in einem derartig hoch bemessenen 
Angebot, daß der in Bewegungs-, Umlagerungs, Spaltungskräften 
an sich behinderte Organismus seiner im Plasma und Blute 
nicht Herr werden kann. Dafür, daß dem so ist, sprechen 
u. A. in gewissem Sinne die fraglichen Mengen und der späte 
Beginn echter Lipämie und Cholesterinämie. Während vor der 
schrittweisen Entkräftung der Lebensfunktionen die auftreten- 
den Massen vermutlich noch bewältigt werden, ist dies hernach 
nur zum Teil (chemisch gesprochen) der Fall. Lecithin wird 
weitgehend durch Abbau konsumiert, obwohl es in relativ nicht 
geringeren Graden zufließt, Cholesterinester erleiden noch bis 
in die prämortale Zeit eine Spaltung, freie Fettsäuren bilden 
sich. Erst spät setzen, wie man vermutlich schließen darf, 
Fermenthemmungen ein; so kann man die hohen Esterprozente 


1) O. Hirz, Über den Einfluß des P auf den respiratorischen 
Stoffwechsel, Zeitschr. f. Biol. 60, 5/7, 187, 1913, März. 

2) H. Leo und C. Bachem, Weitere Untersuchungen über Fett- 
bildung in der überlebenden Leber, diese Zeitschr. 48, 4, 313, 1913. 
Febr. H. Leo, Über das Wesen der Organverfettungen nach P-Ver 
giftung, ebenda 4, 48. H. Leo und W. Truschenikoff, Unter- 
suchungen über Fettbildung unter dem Einfluß von P, ebenda 4, 302. 


42 Joh. Feigl: 


des Gesamtcholesterins und die letzten Fettwellen im Zustrom 
zum Plasma vielleicht verstehen. Diese im gewissen Sinne 
theoretisch wichtigen Fragen werden u. E. durch Einbeziehung 
der Ergebnisse fermentbiologischer Parallel- und Reihenunter- 
suchungen weiter beleuchtet und vielleicht geklärt werden 
können!). 


Anhang. 


Methodologische Beobachtungen. Solche sind im 
Gebiete des Blutcholesterins angestellt worden. Bekannt- 
lich weichen die Ergebnisse der bisher ausgearbeiteten Metho- 
den — Authenrieth-Funk,Weston-Kent,Czonka, Gettler 
und Baker, Bloor, Bloor-Knudsen, Grigaut nach denen 
zahlreiche Untersucher gearbeitet haben — ganz erheblich von- 
einander ab, so daß man den vorgängigen Isolierungsvorgang 
dafür haftbar machen müßte, es seien im einen Interferenten 
oder labilere Varianten zerstört, im anderen erzeugt oder we- 
nigstens erhalten geblieben. Nach eigenen Erfahrungen, über 
die mit J. Neumann zunächst berichtet werden soll, liegt 
der Schwerpunkt auf der Vorbehandlung der Blutprobe bei der 
Isolierung der Fraktion. Dieser gegenüber tritt die Natur des 
gewählten, colorimetrisch benutzten Reaktionsprinzipes, sei es 
die Reaktion von Salkowski, sei es die von Liebermann- 
Burchard, zurück. Angesichts der vielen einzelnen Materialien 
namhafter Forscher ist die Unstimmigkeit und Unvergleich- 
barkeit zu bedauern. Wir wandten einige Typen von Isolie- 
rungen wie von Bestimmungen an; genaueres enthält der Fuß, 
der zugehörigen Tabelle V (Cholesterin im Blute). 

Man ersieht aus den Reihen der Fälle 2, 3,5 u. w. — 
höchste Hypercholesterinämien — im Vergleich zum geheilten 
Falle 4, daß das Verfahren von Bloor, wie auch Verf., 
Müller, Weston angeben, in den Normalzahlen gegen die 
übrigen gewaltig absticht. Man erkennt aber ferner, daß die 
Werte sich mit steigenden Mengen von Blut-(Gesamt-)cholesterin 
ganz erheblich nähern, wobei schließlich Fühlung bis auf dis- 


1) An dieser Stelle wäre auch der kontroversen Befunde und Auf- 
fassungen von W. Loehlein und R. Kawamura über das Vorkommen 
doppelbrechender Substanz in der Niere zu gedenken. R. Kawamura, 
Die Cholesterinesterverfettung, 1911, Jena. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 43 


kutierbare Fehlergrenzen — einer einzigen Methode — heraus- 
kommt. Auf die Parallelbetrachtung der übrigen und die 
Diskussion der Frage sei hier verzichtet. Es genügt, daß wir 
anführen, diese konstante Annäherung zweier Verfahren, in 
deren Wertabständen u.E. eine Quelle der Unstimmigkeiten 
ebenso wie ein Anstoß zu Untersuchungen mit wahrscheinlich 
prinzipiell neuartigen Gesichtspunkten liegt, sei für den Stand- 
punkt der Cholesterinämie von hohem Werte. Methodisch- 
analytische Diskussion über Prinzipien und Ergebnisse sei hier 
gleichfalls ausgeschlossen; dagegen soll die (individuelle) Zuver- 
lässigkeit und Gründlichkeit der Methode von Authenrieth- 
Funk nachdrücklich hervorgehoben werden. Besondere Kenn- 
zeichen sprechen nicht für die Methodik von Bloor, deren 
Stärke u. E. in der Vorbehandlung liegt; wir brauchten ihre 
wörtliche Aufnahme in dem Untersuchungsgang, weil wir die 
Fett-Lipoidchemie aus einem Wurfe nach dem Gedankengange 
des Autors darstellen wollten. Jedenfalls hat die Reihenbe- 
trachtung unserer Fälle von Leberatrophie nach den kurzen 
Angaben zur Klärung der Cholesterinmethodik angeregt. Auf 
die mehr spezialistische Frage des Oxycholesterins, dessen 
Kenntnis und methodische Darstellbarkeit mit genannten Ana- 
lysenverfahren, werden wir später noch eingehen müssen. 

Speziell analytische Versuche wurden hinsichtlich 
des Gesamtfettes und eines durch besonderen Zufall ab- 
scheidbaren Anteiles derselben angestellt. 

Meistens boten die Seren nicht einen mehr oder minder 
eindeutigen lipämischen Anblick. Fall 4 zeigte nie, Fall 3 
bei kritischer Betrachtung, Fall 2 im Endstadium (Termin b, 
Gesamtätherextrakt 1900, mg für 100 ccm Plasma), Fall 5 
desgleichen (Termin d, Gesamtätherextrakt 1900, mg für 
100 ccm Plasma) ja ausgesprochene Eigenschaften, die jedoch 
im Termin c weniger typisch waren. Letzterer bot die Er- 
scheinung eines wirklich lipämischen, homogen getrübten Plasmas, 
die eben vorhergenannten Termine verhielten sich wie folgt: 
Frisches Zentrifugat kaum getrübt. Über das Zustandekommen 
der Trübung kann man verschiedene Einflüsse diskutieren, die 
sich auch auf Aminosäuren usw., Eiweißstoffe im weiteren 
Sinne u. a. beziehen, so daß die Emulgierbarkeit bestimmter 
Relationen von Lipoiden in weiten Grenzen hinsichtlich Halt- 


44 Joh. Feigl: 


barkeit und Dichte der Verteilung schwanken kann. Im Falle5,d 
setzte sich im Serum (500 cem Aderlaßblut), im Eisschranke auf dem 
Serum, das im übrigen klar blieb, eine fest zusammenhängende, 
bröcklige, grobkrystallinische Schicht ab, die von fast weißer 
Farbe war. Sie wurde durch mechanisches Sammeln und Ab- 
heben zum größten Teile, der Rest durch Filtration, abgetrennt. 
Zusammengenommen, mit lauem Wasser (ca. 40°) langsam ein- 
schmelzend, wurde die Menge gereinigt, wobei anhängende 
wasserlösliche Stoffe saurer Reaktionen entfernt werden sollten. 
Sie gab dann für 500 com Serum ein Gewicht von 2,88 g. 
Doppelbrechende Substanz war darin enthalten, der (rohe) 
Schmelzpunkt etwa 40° bis 44%. Nach Umkrystallisieren aus 
Methylalkohol (schnell, Abkühlung) stieg der FP auf 51°. Die 
rohe Masse lieferte nach Art der Fettanalyse geprüft, eine 
Acidität, die auf ein Gemenge von rund 1,10 g freier (hoch- 
molekularer, hochverschmelzender, gesättigter) Fettsäuren hinwies. 
Diese Zahl änderte sich nach dem Umkrystallisieren un- 
wesentlich. 

Fall 3, b lieferte ähnliche Erscheinungen — Entmischung 
der Emulsion zum Auftreten abscheidbarer, krystalliner Massen 
mit der Möglichkeit chemisch-analytischer Inangriffnahme — nicht. 

Fall 2, b zeigte ein ziemlich ähnliches Bild wie Fall 5, d, 
wobei etwas umständlicher die endliche Reinigung auf 160,0 mg 
hinwies. 

Für Fall 5, d errechnet sich die Angabe wie folgt. In 
1023,0 mg Gesamtfettsäuren für 100 ccm Plasma stecken rund 
202,0 mg freie Säuren des genannten Charakters. Dadurch fällt 
das Neutralfett auf rund 400,0 g. Der frühe Termin d ergab 
ein zweifelloses Bestehen freier Säuren. 

Fall 2, b ergab 0,158 g freie Säuren für 100 ccm Plasma 
mit einer danach rund gegebenen Menge Neutralfett von rund 
250,0 mg. 

Danach stellt sich das Gemenge der Gesamtfettsäuren, 5, d 
102,3 mg, so dar, daß 75,0 mg dem Lecithin, 317,0 mg dem 
Cholesterin — Summe 392,0 mg — angehören und der Rest 
rund 400,0 mg Neutralfett sowie rund 200,0 mg Fettsäure höherer 
gesättigter Grade enthält; 2b gibt von bezüglich 911,0 mg, 
89,8 mg, 432,0 mg — Summe 511,0 mg — rund 250,0 mg 
Neutralfett und 160,0 mg Fettsäuren. Die Angaben für freie 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 45 


Fettsäuren, deren objektive Darstellung oder mittelbare Be- 
stimmung sich schwer durchführen läßt (Reinisolierung!), erläutern 
die Qualität der Rubr. E u. G Tabelle IV, als relativer Art. Die 
dort „Restfettsäure* genannte Fraktion ist in nähernder 
Schätzung darum zumeist niedriger zu bewerten, als die tat- 
sächlichen, rechnerischen Grundlagen angeben, worüber Näheres 
nachzufügen sein wird. Wir können, obwohl die ganze Durch- 
arbeitung spezialistisch dargestellt werden soll, unter Angabe 
der Analysen hier noch so viel sagen, daß es das Zwischonspiel 
der Lipoide ist, besonders des Lecithins und Neutralfettes in 
Relation zu den gesuchten Komponenten, das die Möglichkeit 
des direkten Erscheinens und unerschwerten Nachweises der 
Fettkomponenten beherrscht. Diese selbst bieten sich in hoch- 
molekularer, gesättigter Art leichter der Untersuchung durch 
mechanische Trennung (Zentrifuge) und Reinisolierung dar. 

Ihre absoluten und relativen Mengen sind so groß und 
in den Fällen 5,d und 2,b ihre chemische Charakteristik so- 
weit genügend umschrieben, daß sie für den Spätverlauf der 
akuten Leberatrophie u. E. etwas Bezeichnendes in sich tragen. 
Indes sind viele weitere Einzelfragen mit dieser erstmaligen 
Feststellung verknüpft, die sowohl fermentbiologisch wie patho- 
logisch wie analytisch zu beleuchten sein werden. 

ZumSchlusse sei darauf hingewiesen, daß wir harnanalytisch 
im Verfolg früherer Arbeiten und blutanalytisch in der Frage 
des Reststickstoffes in bestimmter Richtung neue Fortschritte 
erzielt haben, auf die unsere damaligen Beobachtungen hin- 
zeigten. In Anklang an Arbeiten von E. Abderhalden, 
O. Folin, D. D. v. Slyke, D. Ackermann, J. Wiener 
und R. H. A. Plimmer ist uns der Nachweis von Cystin in 
Harn und Blut, sowie weiteres zur Aufklärung der Diaminurie 
einwandfrei gelungen. Auf diese Ergebnisse werden wir in 
spezieller Darstellung zurückkommen. 


Schlußsätze. 

In der vorstehenden Mitteilung wird über Untersuchungen 
berichtet, die sich damit beschäftigen, an mehreren, verschieden 
gearteten Fällen von akuter gelber Leberatrophie den Bestand 
und die Umwandlung von Fettsäuren, Neutralfett, Lecithin 
und Lipoid-P, Cholesterin und Phosphorverteilung im Blut und 


46 Joh. Feigl: 


Plasma durch Reihenbeobachtungen zu beschreiben und zu 
charakterisieren. 

Dabei zeigte sich, daß es im Spätverlaufe der Erkrankung 
meistens zu Lipämien besonderer Natur kommt. Die Gesamt- 
fettsäuren können bis zu 1023,0 mg für 100 ccm Plasma, das 
Neutralfett nach analytischer Korrektur bis zu rund 400,0 mg, 
die tatsächlich vorhandenen freien (hochmolekularen, gesättigten) 
Fettsäuren bis zu rund 200,0 mg, das Gesamtcholesterin bis 
960,0 mg steigen. Lecithin und Lipoid-P erweisen sich zumeist als 
fallend. Die Esterquote des Cholesterins unterliegt bestimmten 
Schwankungen mit vorübergehender Senkung, prämortalem An- 
stiege. Die Phosphorteilung bringt lebhafte Anstiege des säure- 
löslichen P zur Darstellung (bis zu 28,0 mg), dessen Struktur 
entscheidend vom Rest-P (bis zu 14,0 mg = 50°/,) beherrscht 
wird. Der Gesamtätherextrakt steigt erheblich an und erreicht 
1900,0 mg. Die Relationen der Gesamtfettsäuren zu Lecithin (I) 
und der des Lecithins zum Cholesterin (II) gewinnen charak- 
teristische, die Norm weit verlassende Gestalt durch relativen 
und absoluten Lecithinschwund. Sie steigen bis rund 10,0 (I) 
und fallen auf rund 0,1 (TI). 

Die beschriebenen Höchstwerte stellen das typische Grenz- 
ergebnis dar, das indes je nach Art der Fälle auf ver- 
schieden langen und verschieden gebauten Wegen erreicht 
wird, wie die mitgeteilten Zahlen für die einzelnen Stoffe 
im Reihenbilde veranschaulichen. Die grundsätzlichen Cha- 
rakteristika sind durchweg dieselben, wenn schon nicht stets 
scharf ausgeprägt. 

Vergleiche mit diagnostisch-prognostischen Nebenzielen 
lehren, daß die Umwandlungen an Fettsäuren, Fett, Cholesterin- 
beständen eigentliche Späterscheinungen sind, die der Krise folgen. 
Ihnen gehen Indicationen, so wie sie das Rest-N-Gebiet, im er- 
giebigen Sinne dargestellt, zu bieten vermag, weit voraus, diesen 
wieder an Deutlichheit solche des Lecithinumsatzes mit der 
Erscheinung bestimmter P-Komplexe im analytischen Bilde 
der P-Verteilung. 

Wesentliche Abartungen im Fett- und Lipoidbestande der 
Erythrocyten haben sich kaum ergeben. Diese werden ebenso 
wie pathologisch-klinische Komplikationsmöglichkeiten später 
überprüft werden müssen, da die typischen Bilder einseitige 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. * 47 


Verzerrungen erleiden können. Der klinische Standpunkt wird 
an Hand des geheilten Falles kurz gestreift. 

Die erhobenen Befunde werden mit solchen anderer patho- 
logischer Zustände verglichen und einzelne Angaben der 
nächstliegenden Literatur beziehentlich erörtert. Analysengänge, 
methodische und statistische Voraussetzungen werden unter 
Eingehen auf eigene, noch unveröffentlichte Arbeiten grund- 
legend besprochen, vorliegende und weitere Spezialbeobachtungen 
zur Lipämie beschrieben. 

Als charakteristisch wird das (späte) Auftreten relativ und 
absolut hoher Beträge bestimmter freier Fettsäuren geschildert, 
deren genaue, analytische Isolierung später erörtert werden soll. 

Vorläufig gestreift werden Verhältnisse des Zuckerumsatzes, 
Erweiterungen im Gebiete der Stickstoffverteilung im Blute 
und Harn sowie einzelne klinische Beziehungen. 

Nach größtenteils fertiggestellten Ergebnissen werden in 
ferneren Mitteilungen weitere Fragen aus der Pathochemie der 
akuten gelben Leberatrophie zu behandeln sein. 


Neue Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie IV. 
Verhalten von Blutzucker und Glykogen. 


Weitere Beobachtungen über den Reststickstoff des Blutes und seine 
Gliederung. Acetonkörper. 


Vorläufige Zusammenfassung von Ergebnissen über Befunde in Blut 
und Plasma, 


Von 
Joh. Feigl und H. Luce. 


(Aus dem Chemischen Laboratorium und der dritten Inneren Abteilung 
des Allgem. Krankenhauses Hamburg-Barmbeck.) 


(Eingegangen am 26. Oktober 1917.) 


Mit 2 Figuren im Text. 


Einleitung. 


In einer unmittelbar vorhergehenden Arbeit wurden kürz- 
lich Ergebnisse mitgeteilt, die in der Untersuchung des Bestandes 
von Blut bzw. von Plasma an Fetten und Lipoiden bei töd- 
lichen und geheilten Fällen von akuter gelber Leberatrophie 
gewonnen wurden. Anläßlich dieser Beobachtungen wurden 
sowohl die Befunde für die Einzelfragen des Gebietes, soweit 
mit vorwiegend mikrochemischer Analyse derzeit durchführbar, 
beantwortet, als auch die relativen Verhältnisse und Beziehun- 
gen rechnerisch dargestellt‘). Angaben unmittelbar methodischer 
Art wie indirekt rechnerischen Charakters wurden formuliert 
für die Begriffe der Gesamtfettsäuren, des Neutralfettes, der 


1) Joh. Feigl, Neue Untersuchungen über akute gelbe Leber- 
atrophie III, Fette und Lipoide des Blutes. Chemische Beiträge zur 
Kenntnis der Charakteristik und Entwicklung spezifischer Lipämien, 
diese Zeitschr. 1918. 


Joh. Feiglu. H.Luce: Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 49 


freien Fettsäuren (nur mit größeren Mengen an Material prä- 
parativ-analytisch bestimmbar), des Cholesterins, des Lecithins. 
Aus diesen wurde mit Hilfe selbständiger Prüfung auf ver- 
estertes und freies Cholesterin, auf Grund der Ermittlung des 
Lipoid-P [Umrechnung auf Phosphorsäure (Bloor)], und auf 
Lecithin zunächst der Anteil des summarichen Begriffes der 
Gesamtfettsäuren festgelegt, der in lipoidischer Bindung (Ester- 
cholesterin und Lecithin) steckte. Der Rest der nunmehr ver- 
bleibenden Fettsäuren wurde als Neutralfett formuliert. Indes 
zeigte sich später bei der Verarbeitung von größeren Serum- 
mengen durch Aderlaß entnommen, daß freie Fettsäuren in ge- 
wissen Abschnitten des letalen Verlaufes auftreter können. Da 
nun deren Nachweis in mikroanalytischen Verhältnissen zur 
Zeit nicht durchführbar war, konnte nur an genäherte Korrektur 
des Neutralfettes gedacht werden. Indes zeigten sich die ge- 
nannten Fettsäuren bestimmten Charakters (hochmolekular, 
hochschmelzend, vorwiegend gesättigt) eben nur zu bestimmten 
Zeitpunkten, auch dort nicht mit Regelmäßigkeit:. Man wird 
große Umformungen des Übergewichts der namentlich früh- 
zeitigeren Befunde an Neutralfett demnach kaum erwarten dürfen. 
Ferner wurde anschließend an frühere Untersuchungen des einen 
von uns (Joh. Feigl) über säurelöslichen Phosphor, über dessen 
Struktur, über vorgebildetes Orthophosphat, über den neufor- 
mulierten Begriff des Restphosphors, die Phosphorverteilung im 
Sinne der Methodik von Joh. Feigl wie J. Greenwald be- 
arbeitet. Die Beziehungen zwischen den Gesamtfettsäuren 
und Lecithin einerseits, zwischen Lecithin und Cholesterin an- 
dererseits (nach der Formulierung von Bloor) wurden festge- 
stellt, und ihre charakteristische Veränderung gegen die Norm 
hervorgehoben. Schon A. Meyer und G. Schäffer sowie später 
E. Terroine hatten den Wert solcher Relationen — constance 
lipoeitique —, der Anordnung nach von den jüngsten Vorschlägen 
verschieden, den mittelbar gewonnenen Aufschlüssen nach ebenso 
lehrreich, betont ?). 


1) ].c. bei Joh. Feigl u. H. Luce, Über Leberatrophie III, diese 
Zeitschr. 1918, sowie bei Joh. Feigl, Über Phosphate I, II, III, diese 
Zeitschr. 83, 1/2, 1917. 

®) Zit. bei Joh. Feigl u. H. Luce, III. 

Biochemische Zeitschrift Band 86. 4 


50 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Der hauptsächliche Wert unserer Untersuchungen, sowohl 
derjenigen über das Gebiet der Fette und Lipoide, wie der 
älteren über das Gebiet des Gesamtreststickstoffs und seiner 
Komponenten!) wird jedoch vermutlich in der Reihenunter-' 
suchung liegen, die für wenige Fälle, ganz lückenlos für einen 
früheren (1915), durchgeführt wurde?). Es ließ sich also zunächst 
eine Darstellung für die Vorgänge der Stickstoffdestruktion 
nach ihren chemischen Quellen entwicklungsgemäß geben. In 
zweiter Linie konnten wir dasselbe beschreibend verfolgen für 
die Gesamtfettsäuren, das Neutralfett, das Gesamtcholesterin 
mit Einschluß seiner Existenzformen, für Lecithin und seine 
(angenommenen) Abbauprodukte, den säurelöslichen P des Ent- 
eiweißungs-Extraktions-Veraschungsvorganges und den in ihm 
enthaltenen Begriff des restlichen P nebst Orthophosphat. Damit 
waren auch die Wandlungen des Gesamtätherextraktes (Fett- 
lösliches überhaupt) und der Relationen, die oben genannt sind, 
mit Einschluß prozentischer Gliederung der Gesamtfraktion 
gegeben. 

Über die Herkunft der Stickstoffsubstanzen zu diskutieren, 
hieße in gerader Linie die älteren fermentpathologischen An- 
sichten über Heterolyse und die klaren Darlegungen von C. Neu- 
berg und P. F. Richter?) über ihre Beobachtungen an einem 
(extremen) Fall an Hand des nunmehr beträchtlicher erweiterten 
Tatsachenmaterials von Joh. Feigl und H. Luce bzw. von 
Joh. Feigl entsprechend verfolgen. Indes ist über die Quellen 
der Purine, des Kreatinins und Kreatins und der Aminosäuren, 
auch spezieller Vertreter dieses zusammenfassenden Begriffes 
bei Destruktionen genug bekannt. Neuberg und Richter 
ließen die nach gewissen Versuchen von O. Schumm u. a. mög- 





1) Joh. Feigl u. H. Luce, Neue Untersuchungen über akute gelbe 
Leberatrophie I, der Reststickstoff des Blutes usw., diese Zeitschr. 79, 
3/4, 161, 1917. 

2) Lückenlose Beobachtung (klinisch und pathochemisch) für Fall 1 
(1915), bei den Verff. I (1917) sowie III (1918). Desgl. für den Fall 4 
(geheilt) ebenda. Durchgehende Beobachtung im letalen Stadium bei Fall 5 
(ebenda) 1918. Kurze (zweimalige) Untersuchung von Fall2 und Fall3 
ebenda (1917 und 1918). 

3) C. Neuberg u. P. F. Richter, Über das Vorkommen von freien 
Aminosäuren (Leucin, Tyrosin, Lysin) im Blute bei akuter gelber Leber- 
atrophie. Deutsche med. Wochenschr. 40, 14, 499, 1904. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 51 


liche Verknüpfung mit autolytischen Vorgängen plasmaeigener 
Natur als durchaus belanglos im Hinblick auf die Menge der 
Produkte erscheinen. Sie wiesen auf den Darm hin wie auf 
die Muskeln und das zerfallende Lebermaterial. Unter dessen 
anatomischen Bestandteilen wird das Parenchym von den 
Pathologen als erster Angriffspunkt geschildert!). Später er- 
hielten wir von E. Abderhalden und Mitarbeitern (an Tieren) 
genaue Aufschlüsse über die Mengenverhältnisse der im Darm 
isolierbaren Aminosäuren?). Derselbe Autor brachte auch in 
groß angelegten Untersuchungen präparativ-analytisches Material 
bei für die Frage der sonst nur (rein analytisch) durch den 
N-Gehalt bemessenen Beträge der Aminosäurefraktion des Ge- 
samtreststickstoffes im Blute?). Das Auftreten der riesigen 
Mengen an krystalloiden N-Produkten obiger Beschreibung im 
Plasma konnte daher einmal als Ausdruck von Störungen der 
aufbauenden, assimilierenden Kräfte — der Fermentbestände 
. des Blutes und der Organe — aufgefaßt werden, oder eine 
Folge sein von riesigem Angebot durch den rapiden Zerfall des 
nächstbetroffenen Organs unter Mitergreifung weiterer Quellen. 
durch sich ausbreitende toxische Einflüsse. 

Daß die Entwicklung, falls einmal ein gewisser Höhepunkt 
in der „Krise“ überschritten ist, rasend schnell zum Ende führt, 
belegen sowohl ältere, isolierte Angaben wie auch die jüngst 
durchgeführte Reihenuntersuchung. Diese mußte der früher 
auf Grund klinischer Allgemeinbeobachtung vermuteten Fest- 


1) Siehe auch bei Th. Fahr, Vortrag im ärztl. Verein zu Ham- 
burg, Sitzung vom 9. X. 1917. Deutsche med. Wochenschr. 1918. 

2) E. Abderhalden (nach Versuchen von Trosin, Salewski, 
Kastner), Über den Gehalt des Darminhalts einiger Säugetiere an 
Aminosäuren, Zeitschr. f. physiol. Chem. 74, 436, 1911. Im Darm eines 
Schweines rd. 8,0 g, eines Hundes rd. 1,0 g von isoliertem Substanzgemenge, 
die rd. !/, des nicht kolloiden N in Form freier Säuren darstellen. Auch 
wurden Individuen isoliert. Ders., Weiterer Beitrag usw. Vorkommen 
einzelner Aminosäuren in verschiedenen Teilen des Darms. Zeitschr. f. 
physiol. Chem. 78, 382, 1912. 

3) E. Abderhalden, Der Nachweis von Aminosäuren im Blute 
unter normalen Verhältnissen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 88, 478, 1913, 
fand im Blute normaler Schlachttiere (Rinder und Pferde) Glycin, Alanin, 
Valin, Leucin, Asparaginsäure, Glutaminsäure, Arginin, Lysin, Prolin, 
Histidin. 

4* 


52 Joh. Feigl u. H. Luce: 


setzung einesden Umschwung darstellenden Krankheitsabschnittes 
neues wichtigeres Material aus der Analyse zugänglich machen. 
In unserer älteren Mitteilung und der jüngst gegebenen Fort- 
setzung sahen wir bei Auswertung der fraglichen Ermittlungen 
an einem geheilten Falle (4) durch vollständige Reihenunter- 
suchung des Reststickstoffgebietes die kritischen Werte sich 
bis zu einer gewissen Höhe!) erheben, von dieser fallen. Einst- 
weilen glauben wir also, daß dieser Punkt hoher absoluter und 
spezifischer relativer Verhältnisse identisch ist mit der eigent- 
lichen Krise. 

Mit dieser Schlußfolgerung betreten wir das Gebiet der 
Diagnose und Prognose, bzw. zunächst der beschreibenden, patho- 
chemischen Charakterisierung bestimmter Stadien unserer Fälle. 
Zu ihrer mittelbaren oder unmittelbaren Förderung sollte nun 
auch das Gebiet der Fette und Lipoide nach seinen Reihen- 
befunden herangezogen werden. 

Die Herkunft des Fettes kann endogener oder exogener 
Natur sein. Es kann der Leber vor ihrem Zerfall, beziehent- 
lich vor der Lösung ihres mechanischen Zusammenhaltens durch 
Schädigung oder Niederschmelzung des Parenchyms, durch 
Einwanderung aus anderen Fettlagerstätten oder durch Umbau 
aus Glykogen oder aus Eiweißstoffen in reichlicher Menge zur 
Verfügung gestellt sein. Hierüber ist viel diskutiert und experi- 
mentell gearbeitet worden. Ferner kann noch während ver- 
schiedener Phasen der Destruktion (im chemischen wie morpho- 
logischen Sinne) des Organes Fett neu gebildet werden. Auch 
diese Vorstellung (H. Leo) ist im Studium der P-Vergiftung 
durch autolytische Versuche an der überlebenden Leber geprüft 
worden?). Wie dem auch sein mag, es kann sowohl der eigent- 
liche (normalphysiologische) oder durch bestimmte Krankheits- 
prozesse neubestimmte (pathochemisch gesteigerte oder vermin- 
derte) Fettgehalt der Leber bei Lösung des Zusammenhanges 
in Bewegung geraten. Das dabei gelieferte Angebot kann unter 
Umständen so groß bemessen sein, daß seine sofortige oder 


1) Fall 4 steigt bis zum Ges.-RN von 71,0mg für 100 ccm Blut mit 
70°/, Amino-N nach Bang, berechnetem Amino-N von 60°), und zu- 
sammengefaßtem N im Ur, Kreatin, Kreatinin von 10°/,. 

?) Einzelne Literaturangaben bei Verf. l. c. III, 1918 (H. Leo 
mit C. Bachem und H. Truschenikoff 1912/13). 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 53 


frühzeitige (in Hinsicht auf gleichbleibenden oder vermehrten 
Nachschub) Verarbeitung durch die auf normaler Höhe er- 
haltenen Fermentkräfte nicht mehr gelingt. Ferner können 
aber letztere durch Herabstimmung der Energie im bereits ge- 
schädigten Organismus gelähmt sein, so daß normale bzw. ein- 
malige oder wellenförmige Zuströme an sich normaler Mengen 
nicht mehr im gewohnten Ausmaße physiologisch bewältigt wer- 
den, geschweige denn dauernde Angebote größerer Fettfluten. 
Andererseits ist jedoch vielleicht auch nach der Lehre der 
Heterolyse im weitesten Sinne mit einer Abartung der Fermente 
zu rechnen. Diese denkbaren Einflüsse gegeneinander abzu- 
wägen, ist bisher nur teilweise nach dem Stande der Pathochemie 
des Blutes möglich, da es sich um deskriptive Angaben über 
analytische Konstanten gewisser Gebiete handelt, die indes ihrer 
Verkettung nach veranschaulicht sind. 

Es wird sich also, wie angedeutet, später um die Klar- 
stellung der Kräfte handeln, die am Werke sind; hier werden 
fermentbiologische Methoden das nächste Wort sprechen müssen. 
Daß die ältere Anschauung, was den Charakter gewisser neuer 
Befunde — Aminosäuren, freie Fettsäuren — angeht, die nach- 
gewiesen wurden, zum Teil recht behalten wird, ist kaum zu 
bezweifeln. Ob aber die Heterolyse generell anzuerkennen sein 
wird, ist eine andereFrage. Daß in demmit Fetten und Estern über- 
schwemmten Blute noch im letalen Verlaufe tiefgreifende Spal- 
tungen vor sich gehen, ist anzunehmen, aber nicht exakt be- 
wiesen, da die von uns gefundenen freien Fettsäuren als solche 
unmittelbar aus der Leber stammen können. Besondere Züge 
vereint auf sich das Gebiet des Lecithins und die Phosphor- 
verteilung. Der Lipoid-P sinkt im Verlaufe der Krankheit ab, 
wobei mit Wahrscheinlichkeit die Annahme eines Ausdrucks 
allgemeiner, kachektischer, durch Inanition verschärfter, nicht 
spezifischer Umlagerungen das Richtige trifft. Doch handelt 
es sich auch um Wandlungen im Frühverlaufe. Diese sind 
vielleicht anders zu bewerten. Leeithin wird frühzeitig erfaßt 
und spielt bei Einschmelzungen eine große Rolle, zumal wo 
es primär zur Anreicherung gedeiht!). Hyperlipoidämien bzw. 


1) A. E. Porter, Die Verbreitung der Fett-Lecithin-Wachs-spalten- 
den Fermente in den Organen, Münch. med. Wochenschr. 32, 1774, Aug. 


54 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Lecithinanreicherungen pathologischer Natur im Plasma sind oft 
diskutiert worden. Nun tritt neben dem Lipoid-P sowohl der 
eigentliche anorganische P wie auch der restliche P — letzterer 
ein Ausdruck partieller Hydrolyse — gesteigert im Plasma 
hervor (vielleicht als solcher direkt aus der Leber stammend?). 

Natürlich mußte, nachdem die Frage des RN und 
seiner Struktur, die Fragen des Fett- und Lipoid- 
gebietes in der geschilderten Art entwicklungsgemäß 
beantwortet waren, die Aufgabe hervortreten, den Ver- 
bleib des Glykogens bei seiner Loslösung und Mobilisation 
an Hand des Blutzuckers bzw. der Gesamtreduktion zu 
verfolgen. Der letzte methodische Angriffspunkt zur Gewinnung 
weiterer Aufschlüsse — chemische Untersuchungen an den 
Resten des zerstörten Organs wurde erreicht. Hierüber wird 
a. a. O. zu sprechen sein, da er in die Frage des intermediären 
Kohlenhydratumbaues mittelbar eingreift. Das Verhalten des 
Zuckers ist seiner Zeit kurz gestreift worden. Die Analyse litt 
indes an dem Mangel des mitaufgenommenen, (zur Beurteilung) 
obsoleten Begriffes der „Restreduktion“ nach O. Schumm. 
Später wurde diese Angelegenheit im Auge behalten. Jüngst 
wurde summarisch über das Verhalten des Blutzuckers ge- 
sprochen. 

Eine zweite Bedeutung kommt der. Frage nach dem Ver- 
bleib des gesamten (Reserve-)Kohlenhydrats bei der Mobilisation 
zu. Die Entwicklung des Krankheitsbildes zeigt im Frühver- 
laufe — vor der von uns vorausgesetzten Krise — deutliche, 
allgemeine wie spezielle Erscheinungen von seiten des RN-Gebietes 
und von Seiten der P-Verteilung. In unserer letzten Arbeit 
haben wir zudem erwogen, welche von beiden chemisch erkenn- 
baren Umwälzungen die frühere und typischere sei (womit der 
praktischen Frage u. U. zu dienen wäre). Wir neigten dazu, 
unter gewissen Verhältnissen die Lecithinolyse mit den Er- 
scheinungen des P-Umbaues als empfindlicheren Indicator anzu- 
sprechen, vielleicht in dem Sinne, daß sie gegen den RN-Befund 
gehalten, einen Fingerzeig für die Wandlung zum Schlechten 
vermitteln könnte. Indes warten wir selbst weitere Materialien 





1914, erwies in speziellen Untersuchungen Lecithase als das verbreitetste 
Ferment mit hoher Wirksamkeit. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 55 


ab. Bisher würden wir sagen dürfen, daß ein RN von ca. 60,0 mg 
bis 80,0mg für 100ccm Plasma bei speziell pathochemischer 
Struktur (hoher summarischer wie reiner Amino-N, usw.) in der 
Krise vor dem entschiedenen Umschwung zum Bösen vorkommen 
kann!). Fehlt an diesem Zeitpunkte bzw. in diesem Abschnitte 
von gewisser Breite eine deutlichere Umstimmung im Gebiete 
der P-Verteilung mit dem absoluten und relativen Aufrücken 
des Rest-P, so würde man günstigere Meinungen hegen dürfen, 
als wenn die letzteren Erscheinungen für eine beginnende, be- 
schleunigte Autolyse nicht mehr rein parenchymatischer Bruch- 
stücke der Leber unter dem Eindrucke oder der energischen 
Mitleidenschaft der Lipoide sprechen und die nicht mehr auf- 
zuhaltende Zerstörung bezeugen. Beiden Faktoren gegenüber 
bleiben die im Spiegel des Plasmas sichtbaren Erscheinungen 
von seiten des Fettes zeitlich weit zurück. Sie sind echte 
Bilder der Einschmelzungen im Spätverlaufe der Erkrankung. 
Große Mengen von Gesamtfettsäuren, (bei dem dann zumeist 
hohen Grade von Lecithinschwund) dabei natürlich auf seiten 
des Estercholesterins?), des Neutralfettes, gelegentlich in Form 
freier Säuren dringen oft, nicht immer, während des letalen 
Verlaufes in das Plasma ein. Für ihre Menge und den Charakter 
der Spaltbarkeit ist von Bedeutung, daß die Verteilung zwischen 
freiem und verestertem Cholesterin in dessen Gesamtfraktion 
sich von der Norm entfernt, und nach der Krise zumeist bei 
hohem summarischem Anstieg ein Absinken des Esteranteiles 
zeigt (worüber theoretisch diskutiert wurde), der hernach wieder 
über die Quote der Norm hinaufschnell. Somit — ferment- 
biologisch beurteilt — findet zunächst entweder ein Zustrom 
in der Leber freigesetzten Cholesterins oder die Spaltung 

1) Zit. bei Joh. Feigl u. H. Luce. Mit obiger Angabe soll nicht 
etwa ein Weg in der Richtung auf ein Grenzzahlenschema betreten werden 
(was bedenklich und verwerflich wäre). Die Zahlen entsprechen — nach 
tatsächlichen Befunden — der Möglichkeit. 

2) W. Hueck, Die Bedeutung der Nebennieren für den Kohlen- 
hydrat- und Cholesterinstoffwechsel und über die Beziehungen des Chol- 
esterins zum Fettstoffwechsel. Centralbl. f. Patholog. 1914, Okt., 25. Er- 
gänzungsbd., 149, formuliert seine Ergebnisse so, daß Cholesterin am 
Fetttransport beteiligt sei, die Zufuhr freien Cholesterins zur Bildung von 
reichlichen Estern führt. — Tab. I, 1. o. III. 


56 Joh. Feigl u. H. Luce: 


[(Cholesterase) (F.Röhmann,S.Cytronberg!)]zufließender Ester 
im Plasma selbst statt. Später wird entweder das Cholesterin- 
ester verseifende Ferment der Leber oder des Plasmas emp- 
findlich gestört. Indes sind alle hier erwähnten Umstimmungen 
echte Späterscheinungen, wennschon die Cholesterinanstiege zö- 
gernd und geringgradig ziemlich früh einsetzen’). 

An allen Gebieten, besonders dem zuletzt erörterten, mag 
der Pathochemiker — nach dessen Angaben der Kliniker — 
nicht vorbeigehen, ohne zu bedenken, daß Komplikationen 
im Krankheitsbilde zu Verhältnissen führen können, die die 
obenerwähnten Erscheinungen stark zu trüben vermögen. Es 
sei einmal auf die durch Morbus Brightii eingeleiteten 
Störungen hingewiesen. Solche würde in mehr oder minder 
hohem Grade Einfluß auf die Gestalt der Befunde über das 
RN-Gebiet, vornehmlich im Frühverlaufe der Erkrankung aus- 
üben können. Die denkbare Retention der Harnstofffraktion 
des Gesamt-RN könnte die Struktur desselben unter Hinauf- 
treiben des bezüglichen absoluten Wertes so weit alterieren, daß 
das typische Bild verwischt ist. Noch im Spätablaufe kann 
die bildliche Darstellung der RN-Verhältnisse eine andere 
werden). Deshalb war für uns der nach Th. Fahr frei von 
Brightschen Symptomen der Niere befundene Fall 1 (1915) 
sowie die Fälle 2, 3 von unschätzbarem Werte zur Beschreibung 
des reinen RN-Bildes dieser Erkrankung. Ob solche Formen 
(frei von eigentlicher Nierenschädigung, Fahr) seltener oder 
häufiger sind, als die bisherige Literatur uns wissen machen 


1) S.Cytronberg bez. F.Röhmann, Über Cholesterase des Blutes, 
zit. bei Joh. Feigl u. H. Luce l. c. (über Leberatrophie III, 1918). 

®) Fall 1 zeigt bei der (weniger bezeichnenden, siehe Feigl und 
Luce, III) Untersuchung im Vollblute 18 Tage vor dem Tade den ersten 
entscheidenden Anstieg von 0,14 g auf 0,18 g Gesamtcholesterin für 100 ccm 
Blut; die Gesamtfettsäuren im ganzen erst später. 

3) In beiden Anlässen kommt es auf die Struktur an. Harnstoff- 
mengen, ber. nach ihrem N-Gehalt, von Beträgen des Amino-N in den 
Fällen 1 bis 5, werden bei Nephritis häufig gefunden. Man wird also auf 
RN-Bilder treffen können, wie sie in der Übergangsperiode avitaminöser 
Zustände (Feigl 1916 bis 1918) erscheinen: summarisch erhöht mit 


+ 
einem der Norm nahen relativen Aufbau (UrN zu Amino-N wie rd. 1:1). 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 57 


will, ist nach vorstehendem schwer zu sagen!). Der moderne 
Anatom meint mit einiger Sicherheit letzteres unterstreichen 
zu dürfen. Der Fall von Neuberg und Richter ist schon 
eher mit Nierenstörungen in Zusammenhang zu bringen. 
Auffallend ist bei den neuen Fällen die relativ niedrige Ge- 
frierpunktsdepression im Blute. Angesichts der hohen RN- 
Zahlen haben wir uns die später zu erörternde Frage nach den 
Abartungen im Bestande der Chlorid- und Achloridelektrolyte 
vorgelegt. Neben der mehr oder minder umschriebenen Be- 
einträchtigung des typischen Bildes durch Nierenstörungen muß 
an pathochemische Einflüsse gedacht werden, die auf eine 
Veränderung des Bestandes an Fett, Lecithin, Chol- 
esterin im Plasma hinarbeiten. Solche können entweder von 
den Körperchen ausgehen, mit deren Zerfall verknüpft sein (Intoxi- 
kationen mit Erythrocytenzerstörung, versch. Anämien. All- 
gemeinzustände, die mit Veränderung der Resistenz einher- 
gehen), oder in weiteren Noxen infektiöser oder organischer oder 
den intermidiären Stoffwechsel tangierender Art ihren Ursprung 
haben. Über Lipoidvermehrung des Blutes und Plasmas bei 
Geisteskrankheiten ist viel diskutiert worden; neben dem Lipoid-P 
spielt das Cholesterin eine Rolle?), gerade die hier überaus 
wichtige Lues verursacht ähnliche Folgen), Arteriosklerose 
u. a. sind dazu angetan, nicht nur Blut und Plasma statisch 
anders erscheinen zu lassen, sondern haben Einfluß auf das Organ 
selbst nach dessen Gesamtstruktur nebst Fett‘). Sonach kann 


1) Siehe bei F. Umber l. c. im Handbuche von Mohr-Staehe- 
lin, 1914. 

2) A. Bornstein, Mon. Psych. Neur. 25, 160, 160; Zeitschr. f. d. 
ges. Neurol. Psych. 6, 605, 1911. 

— G. Pighini u. P. Barbieri, Chemische und histochemische Unter- 
suchungen über die lipoiden Abbaustoffe des Gehirns. Zeitschr. f. d. 
ges. Neurologie 25, 4/5, 353, 1914 u. a. 

3 W. Klein u. L. Dinkin, Beiträge zur Kenntnis der Lipoide 
des menschlichen Serums. Zeitschr. f. physiol. Chem. 92, 302, Nov. 1914, 
fanden große Schwankungen im Verhältnis von freiem zu gebundenem 
Cholesterin in Beziehung zur Wassermannschen Reaktion. 

4) W. Klein u. L. Dinkin fanden auffallende Verminderung aller 
Lipoide in einem Ca-Falle. — O. Kondratowitsch, Der Einfluß der 
Tuberkulose auf den Gehalt an Lipoiden usw. Diss. Petersburg 1914. 
Biochem. Centralbl. 16, 929, 1913/1914, ref. Thar. 


58 Joh. Feigl u. H. Luce: 


eine Fettleber an sich bei der Autolyse weitaus andere, viel- 
leicht mehr Stoffe ins Serum schicken als eine normale. Tbc. 
und Ca-Cirrhosen spielen sehr stark in unsere Auffassung 
hinein!). Ferner ist mit den verändernden Einflüssen durch 
Krankheiten wie im Serum — Inanition, Karenz, Infektion, 
Hydrämie — so auch im Organ zu rechnen). Alles wird so- 
wohl das RN-Gebiet, die Lipoide und P-Verteilung, die Fette 
und das Cholesterin tangieren. Großen Raum in der patho- 
logischen Diskussion älterer Arbeiten nimmt die Lues ein. 
Unser hauptsächlichster Fall zeigte (F. Graetz) eine negative 
Wassermannsche Reaktion, galt auch sonst als frei von Lues. 

Angesichts dieser Lage der reihenmäßigen Beschreibung 
eines im Prinzip bestimmt gerichteten, charakteristischen Ver- 
laufes wird nicht nur theoretisches, sondern auch das praktische 
Interesse berührt. Der Blutzuckergehalt ist mit Ausnahme 
des Falles 1 (1915) von Feigl und Luce von anderer 
Seite niemals fortlaufend beobachtet worden. Auch fehlen 
charakteristische Angaben überhaupt. Die Theorie verlangt 
Angaben über den Verbleib des Glykogens bei der schritt- 
weisen Zerstörung (nach anatomischer wie chemischer Struktur) 
der Leber. Sei es, daß das Depotkohlenhydrat vorgängig 
eine Umwandlung in Fett, wie die eine Richtung behauptet, 
erlitten hat und damit absolut und relativ zurückgeht, sei es, 
daß es von der Autolyse an Ort und Stelle nach seinen ursprüng- 
lichen (allg. normalen und pathologisch determinierten) Men- 


1) M. A. Rotschild, Zur Physiologie des Cholesterinstoffwechsels IV. 
Über die Beziehungen der Leber. Beiträge zur path. Anatom. 60, 1, 66, 
Dezbr. 1914. Dort wird die Leber als das eigentliche „regulierende“ 
Organ des Cholesterinstoffwechsels definiert. 

2?) A. Mayer u. G. Schäffer, Variations de la tenue des tissues 
en lipoides et en eau au cours de l’inanition. Journ. de physiol. Pathol. 16, 
2, 203, 1914 usw. Bei starker Inanition (Kaninchen) nimmt Wassergehalt 
der Muskeln zu, Fett ab. In Leber und Lunge steigt Cholesterin, in 
der Leber sinken die Fettsäuren erheblich. Das Verhältnis Cholesterin 
zu Fettsäuren ist durchweg erhöht. — E. Terroine, Nouvelles recherches 
sur influence de l’inanition, Journ. de physiol. Pathol. 16, 3, 408, 
Mai 1904, betont an Hunden Fettschwund in Muskeln und Leber, 
Cholesterinanstieg in Leber bei Hunger; Muskel sei Reservedepot für Fett, 
dagegen sei der Fettgehalt unter alimentären Schwankungen relativ 
konstant. — Ders., Le transport des graisses. Fett im Blut steigt alimen- 
tär, Cholesterin kann im Hunger abnehmen. — Joh. Feigl, 1l. c. 1918. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 59 


gen erfaßt, hydrolysiert zu Zucker oder aufgespalten zu niederen 
Gliedern der Kohlenhydratreihe im Blute erscheint und schließ- 
lich in den Resten des Organs zu Ende kommt, sei es end- 
lich, daß ihm eine mechanische Abstoßung und Überführung 
ins Blut als Glykogen selbst bereitet wird, es handelt sich 
hierbei um Erscheinungen, die die Anschauungsform des „Blut- 
zuckers* von irgendeiner Seite aus beleuchten kann. Voraus- 
setzung sind aber an dieser Stelle die differentialen, metho- 
dischen Erkenntnismöglichkeiten, insofern, als die Gesamtreduk- 
tion bei einigen Kupferlösungen durch Einbeziehen der redu- 
zierenden N-haltigen Nichtzuckerstoffe erheblich größer aus- 
fallen, und als diese gegenteilig durch Verdeckung resp. in 
Lösunghalten des erwarteten Kupferoxyduls geringer gefunden 
werden können. Diese rein analytischen Verhältnisse sind 
mehrfach diskutiert worden, unter dem Vorgange von C. Neu- 
berg, P. Mayer, O. Schumm und C. Hegler, O. Schumm, 
W. Grießbach und E. Straßner, B. Oppler, E. J. Lesser 
und J. Feigl u. a, und heute jedenfalls genügend geklärt). 
Die „normale“ Restreduktion nach Schumm ist als ein von 
der Wirklichkeit weit nach oben gezerrter Betrag erkannt 
worden. Immerhin hat Schumm in pathologischen Verhält- 
nissen in Anlehnung an gewisse Bedenken von Rolly und 
Oppermann einen für vorliegende Zwecke hochwichtigen 
Schluß formuliert, den der „scheinbaren Hyperglykämie“, für 
den aus der Pathologie gewisser Fälle J. Feigl bestimmte, 
zunächst nur das RN-Gebiet umgreifende Vorstellungen bei 
weiterer Kasuistik geschaffen hat?) Wir ersehen aus den 
wenigen Angaben, wie schwierig es ist, aus gewissen analytischen 
Methoden nach ihren summarischen Werten zu bestimmten 
Vorstellungen über Hypoglykämien zu kommen) Um so 


1) Joh. Feigl, Gesamtreduktion und Restreduktion des Blutes 
in Beziehung zu den reduzierenden Komponenten des RN. Ein Beitrag 
zur Frage der Bestimmung des Blutzuckers unter physiologischen und 
pathologischen Verhältnissen. Diese Zeitschr. 77, 3/4, 189, 1916. 

2) Joh. Feigl, l. c., Avitaminosen (Skorbut, Beri-Beri) verwandte 
Zustände (Inanition mit infektiöser Komplikation — Lagererkrankung) 
Leberatrophie. 

3) Die analytische Darstellung (und Diagnose) geringgradiger Hyper- 
glykämien ist schwierig, aber ungleich leichter als die der geringen bis 
mäßigen Hypoglykämien (Schumm, Feigl). 


60 Joh. Feigl u. H. Luce: 


wichtiger war danach, die Möglichkeit in die Frage einzuführen, 
durch eine Methode, frei von Reduktionsfehlern aus den Stoffen 
des RN-Gebietes!) dem erniedrigten Zucker objektiv näher zu 
kommen. Damit soll nicht behauptet werden, daß die Methode 
von R. Lewis und S. R. Benedict bzw. V. C. Myers und 
C. V. Bailey (Modifikation der Originalangabe), nicht ihrerseits 
Kreise ziehen kann, die wiederum mit dem (inhaltlich ver- 
änderten) Begriff einer Restreduktion belegt werden könnten °). 
Wir müssen nach wie vor an Glycuronsäuren usw. denken. 
Jedenfalls ist nach dem Gesagten durch ein kritisches Abgleichen 
der tatsächlichen Werte eines methodischen Zusammenspiels zu 
bestimmten Vorstellungen über herabgesetzten Blutzucker 
(Hypoglykämie) in zunächst offensichtlicheren Fällen zu kommen. 
Soweit von der Klarstellung der Frage nach dem Zuckergehalte 
selbst ! 

Nun käme die praktische Seite, d. h. die Vergleichs- 
beobachtung der den Zucker betreffenden Entwicklung mit 
Zusatz der RN-Stoffe einerseits, der Lecithinolyse andererseits 
und der Fettstoffe wie des Cholesterins an dritter Stelle. Wir hatten 
Früherscheinungen erblickt in dem Verhalten (nicht des 
summarischen, wohl aber des näher gekennzeichneten, analytisch 
aufgeteilten) des Reststickstoffs und den Tatsachen der 
P-Verteilung, jedoch spätere Umwälzungen in der Natur 
der Fette, Lipoide des Plasmas und ihrer gegenseitigen 
Beziehungen. Nun stellt sich zu allen diesen Dingen der 
Blutzucker, der ja nicht lediglich mit dem Leberglykogen nach 
Bestand, Umbau und Liquidation verknüpft sein kann, sondern 
auch den gleichen Stoff der Muskeln irgendwie mit tangieren wird, 


1) Joh. Feigl u. H. Luce, l. c. 11917; Joh. Feigl, 1. c. über 
Phosphate I (1917) und Joh. Feigl, l. c. über Gesamtreduktion und 
Restreduktion I (1916). Bisher (1917) wurden nur Zahlen mitgeteilt, die 
das RN-Gebiet mit berührten und dabei auf Absenkungen des Blut- 
zuckers hinzeigten. Die genauere Angabe über Fall 1 (1913) erfolgt 
erst jetzt. 

®) R. C. Lewis u. S. R. Benedict, A method for the estimation 
of sugar in small amounts of blood. Journ. of Biolog. Chem. 20, 61, 1915. — 
V.C. Myers u. C. V. Bailey, Estimation of blood sugar. Journ. of 
Biolog. Chem. 24, 147, Febr. 1916. — W. M. Dehn u. F. A. Hartmann, 
The picrate colorimetric method for the estimation of carbohydrates. 
Journ. of Americ. Chem. Soc. 26, 403, 1914. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 61 


wie aus den Kreatinin-Kreatinverhältnissen indirekt wird ab- 
gelesen werden dürfen. 

In unserer unmittelbar vorhergehenden Arbeit (Nr. III) 
haben wir kurz erwähnt, daß einige unserer Fälle dafür sprechen, 
der Verlauf sei durch eine wellenförmige Bewegung mit vor- 
übergehender Hyperglykämie charakterisiert. Alle Fälle schließen 
mit erheblichem Absinken der Zuckerwerte ab. 


Tabellen und Befunde. 


Die Befunde sind in den anschließenden Tabellen I bis III dar- 
gestellt. Entsprechend den methodischen Voraussetzungen wird die RN- 
Analyse mit aufgenommen, deren Aminosäurefraktion die reduzierenden 
Komponenten enthält. Diese ist aufgeführt als Differenz des Ges.-RN 


und der Harnstofffraktion (UrN + Amino-RN) nach Bang, ferner nach 
Abzug des summierten N aus Ur, Kreatinin, Kreatin als geläuterter 
Amino-N nach Feigl und Luce. Die für die Beurteilung der RN-Frage 
notwendige, prozentische Wiedergabe — spezifische Struktur der kom- 
plexen Größe — wird hier zunächst mitgeteilt, da in unserer älteren 
Arbeit (I) nur dem Fall 1 (1915) derart genau beschrieben, die Fälle 2 
und 3 im Text mit wenigen Zahlen gestreift sind und der Fall 5 fehlt. 
Wir beschreiben sonach die Fälle 2 und 3 vollständiger, den Fall 4 (ge- 
heilt) dgl. auch in Hinsicht auf das RN-Gebiet als Erweiterungen der 
bisherigen Kenntnisse und als Grundlage für die später zu erörternden 
präparativ-analytischen Fortschritte unserer Beobachtungen über die 
Struktur des RN-Gebietes, Absolute Zahlen zu diesen Verhältnissen 
bringen wir für Harnsäure, Kreatin, Kreatinin, ferner zusammengefaßt 
durch ihren N in Prozenten der Gesamt-RN, um zu zeigen, wie hoch 
diese restreduzierenden Substanzen überhaupt und relativ steigen können. 
Unter den Methoden folgen Makro-Bang, Mikro-Bang, Lewis- 
Benedict bzw. Myers-Bailey durchgehend, im Text auch Bertrand- 
L. Michaelis, dazu die prozentische Struktur der Gesamt-RN-Fraktion. 


Tabellen. 


Über die Darstellung ist noch zu bemerken, daß Angaben über die 
Reduktionsgrößen der RN-Stoffe naturgemäß nur geschätzte und ge- 
näherte sein können, wobei frühere Erörterungen des Verfs. auf Grund 
eigener Angaben von I. Bang sowie Hildug-Lavesson vorausgesetzt 
werden. Indes ist keineswegs alles hierauf Bezügliche geklärt, so die 
Konkurrenz Reduktionsmitteln gegenüber, das Verhalten von Kreatin usw. 
Doch haben die Angaben zunächst auch methodologischen Wert, da die 
Materialien selten günstige Vorbedingungen zur Klärung schaffen. Auf 
die Abwägung der Zahlen gegeneinander und das Zusammenspiel der 
Werte kommen wir zurück. Fall 1 (1915) wird nunmehr vollständig auf- 
geführt. Tabelle I enthält Fall 1; Tabelle II die Fälle 2, 3, 5; Tabelle III 
den geheilten Fall 4. 


62 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Tabelle I. 


Reststickstoff und Blutzucker bei akuter gelber 
Leberatrophie I. 

(Gesamt-RN, summarischer und berechneter Amino-N; Harnsäure; Kreatin- 
und Kreatinin. Blutzucker nach Bang (Makro und Mikro) und Benedict) 
Größenwerte für die berechnete Restreduktion in Abrundung. 
Gliederung des Rest-N in Prozenten, sonstige (absolute) Werte in mg 
für 100 cem Blut. 


























312 : Reduzie- g Gesamtreduktion [Reduzierende| $% 
g A Ammo:N rende |8318 ber. als Zucker |N-Verbindun- 58 p 
e 8 Kom- Ur|$|38 gen ber. als 558 
= 2 D ber. | ‚Ponenten £ e Makro Mikro Zucker 5 ə s 
ESE ber. als N S Bang | Bang | Makro Bang [7 & 

| 0j der 














90,0 90,0 7,2 | 80 
100,0 90,0 70 | 70 
162,0 | 148,0 7,7 | 50 
112,0 | 1000 |120 | 10,0 
1300 | 1250 | 22,0 | 17,0 
140,0 | 140,0 | 31,0 | 22,0 





Anmerkung. Die prozentische Wiedergabe der RN-Struktur nach 
Amino-N gibt den gewünschten Überblick, zugehörige absolute Zahlen 


für die beiden Formen des Amino-N im Texte, dort auch für UN, ferner 
für die Verhältnisse des gegensätzlichen Vorkommens im Vollblut und 
Plasma sowie für den direkt nach van Slyke bestimmten Amino-N. 
Prozentische Wiedergabe der reduzierenden N-Stoffe und ihres berech- 
neten Zuckerwertes zum Teil künstlich (kombinatorisch) dargestellt. 

Die Tabelle IV (Seite 180) des ersten Teiles unserer Publikation 
(1917), enthält insofern einen Fehler, als die reduzierenden Stoffe nach 
gin Molekülen ausgerechnet sind und nebenher als N bezeichnet werden. 
Richtigstellung in dieser Tabelle. 


Tabelle I. 


Reststickstoff und Blutzucker bei akuter gelber 
Leberatrophie II. 


(Gesamt-RN; summarischerund berechneter Amino-N; Harnsäure; Kreatin- 

und Kreatinin. Blutzucker nach Makro Bang, Mikro Bang, Benedict) 

Größenwerte der „berechneten“ Restreduktion der N-Stoffe in Abrundung. 

Gliederung des Rest-N in Prozenten, sonstige (absolute) Werte in mg 
l für 100 cem Blut. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 


63 


Fälle 3, 2 (1916), Feigl und Luce (1917), Fall 5 (1917). 
























































2|1% Reduzie- Gensuitreiuktiin Reduzierende| $ 3 
g n ABe-N rende _ a 5 ber. als Zucker |N-Verbindun- E S 2 
D 5 Kom- Ur|$3 |3 gen ber. als [9 © © 
D E E- ber, | ponenten & |4 | Makro | Mikro Zucker |8 {3 
elöl& ber. als N an) Bang | Bang | Makro Bang Zg 
2 |/, des °/„des oj der 
‚23,51 mg ee Ges.- | mg | Ges.- | mg | mg | mg mg mg mg | Ges.- | mg 
= | RN RN Red. 
2a [101,0/80,0| 68,0 |12,0| 12,0 | 7,5] 6,0|21,0] 75,0 62,0 23,0 | 55,0 
b [148,0]66,0| 53,0 |19,0| 13,0 | 9,0 |13,0|30,0] 68,0 44,0 43,0 | 84,0 
3a | 88,0[75,0| 61,0 |12,0| 14,0 | 6,0| 5,0]24,0] 76,0 68,0 24,0 | 37,0 
b 1127,0|66,0) 55,0 |18,0| 16,0 |14,0| 9,0|30,0| 64,0 49,0 48,0 | 28,0 
5a | 66,0[75,0| 63,0 |10,0)| 6,6 | 6,0| 4,0]19,0| 90,0 79,0 14,0 | 65,0 
b | 75,0180,0| 63,0 |12,5| 17,0 | 7,5] 7,0]21,0| 82,0 70,0 20,0 | 61,0 
e | 99,0]88,0| 70,0 |18,0| 18,0 | 9,0| 6,0136,0| 76,0 61,0 38,0 | 42,0 
d 1128,0[80,0| 64,0 [21,0| 16,0 |123,0| 5,0]45,0] 84,0 49,0 47,0 | 31,0 
Anmerkung. Die prozentische Wiedergabe der RN-Struktur nach 
Amino-N gibt den gewünschten Überblick. Zugehörige absolute Zahlen 
für die beiden Formen des Amino-N im Texte; dort auch absolute Werte 
+ 
für UrN, ferner für die Verhältnisse des gegenseitigen Vorkommens im 
Vollblut und Plasma sowie für den direkt nach van Slyke bestimmten 
Amino-N. Prozentische Wiedergabe der reduzierenden N-Stoffe und 
ihres „Zuckerwertes“ stark abgerundet, zum Teil künstlich kombinatorisch 
ausgeprobt. 
Tabelle III. 
Reststickstoff und Blutzucker bei akuter gelber 
Leberatrophie III. 
(Gesamt-RN, summarischer und berechneter Amino-N; Harnsäure; Krea- 
tinin-und Kreatin. Blutzucker nach Bang (mikro u.makro) und Benedict) 
Größenwerte für die berechnete Restreduktion der N-Stoffe in Abrundung. 
Gliederung des Rest-N in Prozenten, sonstige (absolute) Werte in mg 
für 100 ccm Blut. 
Fall 4 (1916, geheilt) Feigl und Luce (1917). 
? id 
S |z . Reduzie- g Gesamtreduktion |Reduzierende|® & 
E|® BRREEN rende "1313 ber. als Zucker | Verbindun- 82 p 
E g Kom- Ur| Ẹ S gen ber. als [9 2 S 
Š g | $ | ber, | ponenten & |4 | Makro | Mikro Zucker I|S$S 
2lö|]ä ' | ber. als N = Bang Bang | Makro Bang = 

















°/,der 
4 mg mg mg | Ges.-| mg 
= Red. 
4a |33,0|50 4,5 3,9 į 100,0 
b [42,0 |58, 7,0 | 5,1 125,0 
c {71,0|70 11,0 | 6,7 [145,0 
d ]30,0 |56 5,0 | 4,7 90,0 





64 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Anmerkung. Die prozentische Wiedergabe der RN-Struktur nach 
Amino-N gibt den gewünschten Überblick. Zugehörige absolute Zahlen 


für die beiden Formen des Amino-N im Texte, dort auch für UIN, 
ferner für die Verhältnisse des gegenseitigen Vorkommens im Vollblut 
und Plasma sowie für den direkt nach van Slyke bestimmten Amino-N. 
Prozentische Wiedergabe der reduzierenden N-Stoffe und ihres berech- 
neten „Zuckerwertes,, zum Teil künstlich kombinatorisch ausgeprobt. 


Befunde. 


Zunächstsei auf die Verhältnisse des RN-Gebietes 
eingegangen. Im Gesamtreststickstoff bleibt Fall 1 mit 
256,0 mg an der Spitze, dem folgen Fall 2 mit 148,0 mg, Fall 5 
mit 128,0 mg, Fall 3 mit 127,0 mg bei exitus. 

Die Anstiege gehen aus den Tabellen hervor’); jedenfalls 
ist der hier vergleichbare Fall 5 erst viel später (halbe Frist) 
zu höheren Werten gelangt. Fall 5 und Fall 3 zeigen mit den 
nächsthohen Zahlen vor dem Exitus einen raschen, Fall 2 einen 
langsameren, Fall 1 den langsamsten (terminalen bzw. letalen) 
Anstieg. Nach diesen Angaben ist also in größerer Statistik 
vermutlich mit Endwerten von zumeist um 150,0mg RN für 
Vollblut zu rechnen (wenn kein Morbus Brigthii vorliegt), die 
Zahl des Falles 1 ist demnach extrem. Den höchsten Wert 
für Amino-N nach Bang (Amino-N + Kreatin-N, Kreatinin-N, 
Purin-N) zeigt relativ betrachtet, Fall 5 mit 88°/, = rund 
100,0 mg, 80°/, = 102 mg. Dann folgt Fall 1 mit 82°/,, 80°/, 
und 78°/,, Fall 2 mit 80°), und 66°/,, endlich Fall 3 mit 
75°/, und 66°/,. Der Höhepunkt für Amino-N-Prozente liegt 
nicht am Lebensende, vielmehr einige Tage vorher, das ter- 
minale (relative) Absinken zeigen alle Fälle in gewisser Ab- 
tönung. Die relativen Zahlen besagen für das RN-Problem fast 
alles. Absolute Beträge von 200,0 mg Amino-N (Bang) für 
100 cem Blut zeigt nur Fall 1, vorher 150,0 mg, dem folgen 
Fall 5 — 102,0 mg, 88,0 mg; Fall 2 — 80,0 mg, 66,0 mg; Fall 3 — 
81,0mg und 66,0 mg. Der korrigierte Amino-N (Feigl 
und Luce) steht mit 71°/,, 67°/,, 68°/, bei Fall 1 am höch- 
sten, 70°/,, 68°/,, 64°/, (Fall 5), 68°/, (Fall 2), 61°/, (Fall 3) 
niedriger. 


1) Fall 1 (1915) siehe in Tabelle I, II und III (Kurve), Seite 178 
bis 179 bei Feigl u. Luce l. c. I (1917). 


Untersuchungen über akute gelbe Teberatrophie. IV. 65 


Daraus berechnen sich die folgenden absoluten Zahlen für 
die Aminacidämie: Fall 1 175,0 mg (terminal), 130,0 mg, 80,0 mg 
usw.; Fall 2 85,0 mg (terminal), 53,0 mg; Fall 3 63,0 mg (ter- 
minal), 54,0 mg; Fall 5 82,0 mg (terminal), 70,0 mg, 48,0 mg usw. 
Überschläglich mit rundem, mittleren Atomgewichte berechnet, 
stünde somit demnach die Reihe aus Fall 1 an der Spitze 
mit rund 10,0g Gesamtaminosäuren in 11 Blut, in der Gesamt- 
blutmenge des durchschnittlichen Erwachsenen rund 40,0 g bis 
45,0 g Aminosäuren pathologischer Herkunft!). Fall 5 — an 
zweiter Stelle — würde entsprechend bewertet 75°/, dieser 
Zahlen zu verrechnen gestatten, d. h. in 1 1 Blut rund 7,0 g 
Gesamtaminosäuren, davon im Gesamtblute rund 30,0 g — auf 
speziell pathologischer Basis führen. Fall 3 an nächster Stelle 
hätte die Hälfte der ersten Zahl, d. h. rund 20,0g, Fall 2 etwa 
einen ähnlichen Betrag aufzuweisen. Zusammengefaßt besagen 
unsere neuen Beobachtungen im Prinzip, sowohl nach der Ent- 
wicklung als nach den Größenwerten an vergleichbaren Punkten 
stufenweise beurteilt, daß die Anstiege des analytisch dar- 
gestellten Gesamtamino-N generell in hohem Maße eintreten, 
wennschon die Krankheitsbilder im einzelnen Varianten des 
pathochemischen Umbaues ergeben können. Fall 1 bleibt an 
der Spitze, zugleich dem Ergebnis der Untersuchung von 
Neuberg und Richter größenmäßig nahestehend, die übrigen 
erweisen geringere Ansammlungen von Amino-N im Blute. 
Schon hier mag eine Einfügung theoretischer Natur gestattet 
sein. Der Einfluß speziell nierenpathologischer Zustände auf 
die Retention (gewisser) Aminosäuren ist zugegeben, findet sich 
sonst mehrfach erörtert, am schlagendsten bei Neuberg und 
Strauß belegt. Dieser mag hier modifizierend in gewissem 
Grade eingreifen. Außerdem ist ja die Lehre des Reststick- 
stoffs zu der Kenntnis gediehen, daß chronische Nephritiden 
an sich relativ und absolut belangliche Beträge an Retentions- 
Amino-N zeigen können’). 

Die beiden Angaben für den Amino-N differieren um die 


1) Ebenda, Seite 189 ff. 
®) Lit. siehe bei Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten 
im menschlichen Blutserum IV, Orthophosphat und Restphosphor bei 
Morbus Brightii, diese Zeitschr. 1918, 240; V. C. Myers u. W. G. Lough, 
The creatinine in the blood, Journ. Int. Med. 16, 536, 1915. Schlußtab. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 5 


66 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Summe des N aus Purinen sowie Kreatinin und Kreatin. 
Diese Differenz beträgt in Prozenten des Ges.-RN bei Fall 1 
10,0 nach 11,0 und 13,0; bei Fall 5 16,0 nach 18,0 und 17,0; bei 
Fall 2 13,0 nach 12,0; bei Fall 3 16,0 nach 14,0; übertragen in 
absolute N-Werte (summiert) danach 26,0 mg bzw. 14,0 mg bzw. 
16,0 mg (Fall 1)!) ferner 21,0 mg bzw. 18,0 mg bzw. 12,0 mg 
(Fall 5); 18,0 mg bzw. 12,0 mg (Fall 3); 19,0 mg bzw. 12,0 mg 
(Fall 2) — sämtlich für 100,0cem Vollblut. Danach fällt zu- 
nächst folgendes auf. Fall 1 mit hohem, berechnetem Amino-N 
gibt vergleichsweise niedrigere N-Summen für den Kreatinin- 
Kreatin-Purin-N als die Fälle 5, 3, 2 auf entsprechenden Stufen 
der Krankheitsbilder in dessen Spätverlaufe. Indes sind die 
absoluten Zahlen merklich näher beieinander. Das könnte den 
Anschein erwecken, daß die genannte Fraktion — obzwar 
selbst komplexer Natur und different aufgebaut — als Summe 
konstanter dargeboten werden kann. Ihre Zergliederung ergibt 
für Gesamtpurin (Harnsäure) die höchsten Zahlen 30,0 mg, 
25,0 mg, 20,0 mg für Fall 1; 12,0 mg, 9,0 mg, 7,5 mg (Fall 5); 14,0 mg, 
12,0 mg (Fall 3); 9,0 mg, 7,5 mg (Fall 2) — sonach der erste 
weit voraus. Kreatinin erscheint mit 10,0 mg, 8,0 mg, 16,0 mg 
(Fall 1), 5,0 mg (terminal), 6,0 mg, 7,0 mg (Fall 5); 9,0 mg (ter- 
minal), 5,0 mg (Fall 3); 13,0 mg (terminal), 6,0 mg (Fall 2). Kre- 
atin dagegen, entsprechend geordnet, erscheint mit 36,1 mg, 
34,8 mg, 9,2 mg (Fall 1); 45,0 mg, 36,0 mg, 21 mg (Fall 5); 
30,0 mg, 24,0 mg (Fall 3); 30,0 mg, 21,0 mg (Fall 2). 

Die Entwicklung geht folgenden Gang. Gemeinsam ist 
für alle Fälle das Anwachsen der Harnsäure zu — allerdings 
verschieden hohen — Graden, unter denen Fall 1 mit 30,0 mg 
das urikämische Extrem der Literatur (Feigl und Luce 1917 
gegen 27,0 mg Ur bei Urämie, Myers und Fine 1915) dar- 
stellt, die übrigen hohe Ur-Werte nephritischer, zum Teil 
arthritischer Art zeigen. Auch hier werden fermentbiologische 
Fragen zu stellen sein. Kreatinin und Kreatin zeigen ein 
Wechselverhalten. Fall 1 gibt hohen Anstieg (4,0 mg > 16,0 mg) 
mit Fall (auf 8,0 mg) und terminalen Anwuchs (10,0 mg), Fall 5 


1) In Tab. IV, Seite 180 bei Joh. Feigl u. H. Luce, l. c. I (1917) 
ist die fragliche Rubrik irreführend an N berechnet, was hiermit richtig- 
gestellt sei. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 67 


Anstieg und Abfall (Maximum 7,0 mg, Ende 5,0 mg), Fall 3 und 
2 Anstiege des Kreatinins. Full 1 zeigt diskontinuierliches 
Wachstum des Kreatins auf schließlich 36,0 mg, Fall 5 einen 
ziemlich steilen Anstieg auf 45,0 mg (Höchstwert), Fälle 3 und 2 
(terminale bzw. letale Periode) Anstiege. Das endliche Ansteigen 
von Kreatinin spricht für eine terminale Nierenermüdung, das 
Anwachsen des Kreatins für den Gewebszerfall!), Interessant 
sind die hohen Kreatininperioden nicht um etwaiger nephritischer 
Einflüsse wegen (hier anatomisch und klinisch fehlend), sondern 
für die durch Abwägung der Verhältnisse nahegelegte Vor- 
stellung, daß gleichwohl — entgegen der Auffassung von 
O. Folin und in etwa für die später von V. C. Myers 
und H. G. Fine formulierte Lehre spreche, ein gewisser Teil 
destruktiv entstandenen Kreatins der Anhydrisierung zum harn- 
fähigen Produkte mit unterliegen kann?) Wir möchten die 
Berechtigung zu dieser spekulativen, allerdings nachhaltig durch 
die Gegenwertung allgemeiner Theorie mit praktischen Ergeb- 
nissen gestützten Formulierungunserer Kreatinin-Kreatinbeobach- 
tungen nachdrücklich hervorheben. Absolut wollen Beträge von 
‘30,0 mg Kreatin an sich nichts gar Erhebliches sagen — sie 
kommen bei Nephritiden nicht selten vor, sind jedenfalls an 
sich nicht so spezieller Natur, wie die hohen — spezifischen — 
Zahlen der Aminacidämie. Immerhin stehen sie, frei von 
nephritischer Retention geschaffen, ziemlich allein da. Der ein- 
malige Wert von 45,0 mg ist an sich ein Extrem. Auch hier 
mögen die speziellen Einflüsse chronischer Nierenstörung spe- 
zifisch modifizierend wirken, wie Feigl an Kreatinerhöhungen 
relativer Stärke gerade für diese — im Zusammenhang und 
parallel zum eigentlichen Amino-N — dargetan hat. Rosen- 
berg hat die prozentischen Kreatiningrenzzahlen von V.C.Myers 
und Lough für chronische Formen umgedeutet. Nach obiger 
Meinung ist der (absolute und relative — zum Kreatin —) 
Rückgang des Kreatinins entweder so zu verstehen, daß die 
Umformung mit der Lahmlegung der vitalen Kräfte steigend 








1) O. Folin (1914) unterscheidet Kreatin als „post mortem“-Pro- 
dukt bei Gewebsuntergang und Kreatinin als normales Endprodukt bei 
„replaceable breakdown“, Lit. bei Joh. Feigl, Über das Vorkommen von 
Kreatinin und Kreatin im Blute I, diese Zeitschr. 81, 1/2, 17, 1917. 

2?) Siehe ebenda. t). 

5* 


68 Joh. Feigl u. H. Luce: 


eingeengt wird, oder aber, daß fortschreitend mehr Gewebe rein 
destruktiv eingeht. Im ganzen ist hierin viel Problematisches 
zu erblicken. Ob die nach Folins entschlossenem Vorgange 
erschütterte, aber nicht überhaupt vernichtete Lehre von herr- 
schenden Fermenten mit Kreatinin-Kreatin umbauenden, zer- 
störenden Tendenzen hier noch einmal geprüft werden und zu 
Formulierungen herangezogen werden kann, ist später zu er- 
örtern. Auch in der Kreatinfraktion ist Art und Entwicklung 
der Verhältnisse offensichtlich typischer Natur. Individualisierend 
wirken vermutliche Nebenfaktoren. Der Einzelfall kann in 
Stufen und Zahlen gewisse Sonderbilder zeigen. 

Wie verhält sich nun angesichts dieser Befunde die Frage 
der Entwicklung unter dem Gesichtspunkte klinisch- 
prognostischer Betrachtung? Große Anstiege erscheinen 
für Purin!) relativ spät. (Fall 5: 6,0 mg, mäßig erhöht bei 
66,0 mg, Ges.-RN mit 75°/, rohem, 66°/, reinem Amino-N, 
letztere Beziehung bereits eindeutig und charakteristisch.) 


Befunde von 6,0 mg Ur sind bei manchen, möglicherweise 
diagnostisch nahen Zuständen anzutreffen; Fälle 3, 2 zeigen letal 
66,0 mg und 7,5 mg gegen 88,0 mg und 101,0 mg Gesamt-RN 
mit spezifischer Struktur. Terminal sind erst die hohen Werte 
anzutreffen. Fall 1 gibt ähnliche Zahlen mit starkem Sprunge 
von 8,0 mg auf 20,0 mg Harnsäure. Danach wird man die 
Umstimmungen im Purinbestande nicht als Früherscheinungen 
gelten lassen dürfen, um so mehr als bei manchen Fällen mit 
selbständigen, vielleicht einseitigen Abartungen gerechnet werden 
kann, die auf verschiedenen Komplikationen beruhen können. 
Etwas früher macht sich ein Hinauswachsen der Kreatinin- 
zahlen über die Grenze der Norm und leichterer pathologischer 
Einflüsse geltend®. Kreatin erweist seine pathochemischen 
Anstiege als eigentliche Späterscheinungen (bes. Fall 1) Danach 
enthüllt die von uns dem Reststickstoffgebiete vindizierte, 


1) Man wird nach E. Steinitz (1914) bei wahlloser Kost 5,0 mg Ur 
(korrigiert) als oberste Grenze der Norm gelten lassen (Joh. Feigl, I. c. 
1916 über Restreduktion usw.). Allgemeine Grenze zwischen 4,0 und 
4,5 mg. 

23) Joh. Feigl, 1. c. 1917 (Über Kreatinin und Kreatin I) Tabelle V, 
Seite 47; Tabelle IX, Seite 55; Tabelle X, Seite 57; Tabelle XI, Seite 59; 
Tabelle XII, Seite 62. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 69 


diagnostische (wie vielleicht noch prognostische) Geltung gänz- 
lich auch die Gesamtgröße mit der nach reinem Amino-N 
spezifisch gestalteten Struktur. i 


Die Harnstofffraktion (aus UrN und NH,N) wurde 
für Fall 1 nach Werten und kurvenmäßig beschrieben. Erst 


+ + 
terminal lagen Anstiege vor, die 32,0 mg UrN und 56,0 mg UrN 


(Leichenblut beim +) — rund 70,0 mg Ur bzw. 120,0 mg Ur 
betrugen, und denen nur allgemeine, grundsätzliche Ursachen 
(außerhalb der eigenen Züge der Pathochemie der akuten gelben 
Leberatrophie bei nicht — Brigthischer Komplikation) zuge- 


billigt wurden. Fall 5 schließt mit 26,0 mg UrN ab, Fall 3 


mit 46,0 mg UrN, Fall 2 mit 48,0 mg UTN. Auch diese Zahlen 
werden als unspezifisch für das Krankheitsbild angesehen. 
Sie werden mit solchen bei gleichzeitiger Nierenstörung uz 
vergleichen sein. 

Was enthält nun der geheilte Fall 4 (Tabelle III) wäh- 
rend der als Krise betrachteten Periode des Krankheitsbildes 
an Kennzeichen für spezielle oder spezifische Patho- 
chemien im RN-Gebiete? Mäßig erhöhte Harnsäure, desgl. 
Kreatinin, unbedeutend gesteigertes Kreatin, hohen (spezifischen) 
berechneten Amino-N. Wir lassen nur letzteren gelten und 
verzichten nach obigen Andeutungen auf die Mitverwendung 
der Komponenten, wennschon in diesem Falle Kreatinin höher 
als allgemein in schweren Krankheiten ansteigt. Doch fehlen 
weitere Erfahrungen, die u. E. aber über den diagnostisch- 
prognostisch faßbaren Wendepunkt auf der Basis des RN und 
Amino-N z. Zt. hinauskommen werden. 

Im vorstehenden Abschnitte wurden Untersuchungsergeb- 
nisse über das Gebiet des Reststickstoffes und seiner Kompo- 
nenten aus zwei Gründen beschrieben?) Einmal sollte das 
Material des früheren Falles 1 — bis dahin in der Literatur 
erstmalig überhaupt behandelt und vereinzelt,. durch neue 
Beobachtungen vergleichend erläutert, deskriptiv erweitert und 
vergleichsweise überprüft werden. Der so ungemein selten 





1) Alle analytischen und statistischen Voraussetzungen sind hier 
unbesprochen geblieben (Joh. Feigl und H. Luce, l. ce. I 1917). Wir 
kommen später noch einmal darauf zurück. 


70 Joh. Feigl u. H. Luce: 


zutreffende Glückszufall lückenloser Beobachtung (und Durch- 
untersuchung!) dieses Krankheitsbildes ist uns bisher nicht 
wieder beschieden gewesen. Immerhin sind die Fälle 3 und 2 
mit (letalen) Doppeluntersuchungen durch alle Fragen und 
Fall 5 mit kürzerer Reihe nach der Krise (rund 1 Woche) 
wertvolle statistische Berechnungen, mit den in Einzelheiten 
differenten Verhältnissen zur Schaffung von Grundlagen für 
eine schematisierende, das Typische umfassende Beschreibung 
geeignet. Der Vergleich lehrt in allen Sonderfragen wie in 
der Entwicklung die Existenz gewisser Unterschiede berück- 
sichtigen. Wir möchten noch darauf hinweisen, wie verzerrt 
und inhaltsdürftig manche einmalige Untersuchung selbst in 
eng bemessenen Krankheitsphasen die Verhältnisse schildern 
würde, wo nicht lediglich die Fraktion der echten Aminosäuren 
gekennzeichnet werden sollte, die doch durch den Verlauf von 
der Krise im großen und ganzen einheitlich weitergebildet 
wird. Ebenso betonen wir die großen relativen Schwierig- 
keiten und Bewegungen in den Fehlergrenzen, wie sie von den 
gegebenen Vorbedingungen geschaffen werden. Hier — im 
methodologischen und analytischen Gebiete — liegen für diese 
spezielle und viele allgemeine Fragen der RN -Forschung 
zahlreiche Aufgaben unter der scheinbar endgültigen, dem 
Schema eingefügten zahlenmäßigen Lösung, die auf präpara- 
tivem Wege eher anzugreifen sein werden. Wir möchten nicht 
unterlassen, darauf hinzuweisen, daß eine (wohlbegründete) 
Annahme, die Abderhalden in seiner oben erwähnten großen 
Arbeit über das Vorkommen von Aminosäuren im normalen 
Blute bestimmt formulierte — es seien diese vermutlich sekun- 
där weitergegliedert zu Uraminosäuren —, unter methodischen 
wie theoretischen Gesichtspunkten des RN-Gebietes bisher 
weder diskutiert noch praktisch gewürdigt worden ist. Nach 
den nunmehr zahlreicher gewordenen Erfahrungen ergibt sich 
für den gesamten Reststickstoff ein frühzeitig einsetzendes, 
erhebliches bis starkes Ansteigen. Von Brightischen Sym- 
ptomen freie Fälle erheben sich zu hohen Werten für den eigent- 
lichen Amino-N. Abgesehen von graduellen Schwankungen 
sind diese Erscheinungen typisch und allgemein anzutreffen. 
Sie beherrschen das Bild von Nichtprotein-N entscheidend und 
sind, dem Wesen nach, bereits früh anzutreffen, etwa zusam- 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 71 


menfallend mit maßgebenden Umstimmungen im Lecithin- 
Phosphorgebiet (Rest-P!), vorauseilend den Abartungen im 
Fett- und Cholesterinbestande. Zumeist später hervortretende 
Anstiege des Puringehaltes zeigen größere graduelle Abwei- 
chungen mit dem Schwerpunkte im Spätverlaufe. Kreatinin 
zeigt in wechselvollem, nicht schematischem Verlaufe Anstiege 
und oft hernach ein Absinken, Kreatin ein Anwachsen mit 
Bedeutung im letalen und terminalen Abschnitte. Letztere 
Erscheinungen sind, auch sonst bekannt, hier zwar von Interesse, 
dessen spezifische Seite jedoch dem Amino-N als Glied des 
Gesamt-RN reserviert bleibt. Andererseits sind aber Aus- 
schnitte des Nichtproteinstickstoffes im Blute, nämlich die 
direkt reduzierenden Stoffe, unmittelbar oder mittelbar wichtig 
für die Diskussion der hier im Vordergrunde stehenden Frage 
des Blutzuckers, so wie er durch die methodenkritisch geprüften 
Verfahren zur Darstellung gelangt. 

Die Untersuchungen über das Verhalten des Blut- 
zuckers wurden in bereits gestreifter und später beschriebener 
Weise gemacht und führten zu folgenden Ergebnissen. Ver- 
gleichend wurden die Pikrinsäuremethoden (Lewis-Benedict 
und Nachuntersucher), das neue jodometrische Verfahren 
Mikro Bang und die älteren Hydroxylamintitration dieses 
Autors bestätigt. 

In unserer früheren Mitteilung war uns die Aufführung 
und Besprechung aller Zahlen des Blutzuckergebietes nicht 
nötig erschienen, da nicht geklärte Umstände eine solche er- 
schwerten. Wir arbeiteten derzeit mit dem obsoleten Begriffe 
der Restreduktion, wie oben erörtert. Als sicher erschien uns 
aus allen Zahlen — Makro Bang und Mikro Bang älterer 
Ausführung —- immerhin die Absenkung des Blutzuckerspiegels 
zur zweifelsfreien Hypoglykämie. Für die Beurteilung weiterer 
Zahlen — die derzeit ausgelassen wurden — fehlten uns Ver- 
gleiche. Diese fehlenden Angaben für Fall 1 sollen nun ge- 
meinsam mit den neuen Ergebnissen an den Fällen 2, 3, 5 
mitgeteilt werden. 

Als erwiesen betrachteten wir damals die Hypoglyk- 
ämie und die „scheinbare Hyperglykämie“, dabei die 
Kritik der Methode Makro Bang voranstellend. 

Unsere heutigen Zahlen zeigen für Fall 1 (Originalwerte 


72 Joh. Feigl u. H. Luce: 


in anderer Anordnung) mit 90,0 mg, 100,0 mg, 162,0 mg, 
112,0 mg, 130,0 mg, 140,0 mg nach Makro Bang für 100 ccm 
Blut (als „Blutzucker“ berechnete „Gesamtreduktion des mit 
kolloidem Ferrihydroxyd enteiweißten Blutes), erheben sich 
diskontinuierlich zur Hyperglykämie, fallen wieder 
strichweis, endlich langsam über die Schwelle der normalen 
Grenze. Mikro Bang (alt) gibt ein ähnliches Bild. Die Über- 
höhungen der physiologischen Breite treffen an den gleichen 
Punkten — individuell erörtert (siehe unten) — zusammen. 
Die Pikratreduktion nach Lewis-Benedict (1915) gibt ein 
insofern gleiches Bild, als die erste Steigerung prompt und 
gleichzeitig veranschaulicht wird, ein grundsätzlich anderes, als 
danach keine (allmähliche) Erhebung zur Hyperglykämie (wie 
bei Makro Bang) eintritt, wohl aber eine konstante Minderung 
zur vermutlichen Hypoglykämie (der Reihe nach: 101,0 mg, 
97,0 mg, 137,0 mg, 98,0 mg, 81,0 mg, 68,0 mg, siehe Tabelle I). 
Also laufen die Zahlen auseinander, wobei die beiden Kupfer- 
methoden gute Parallelität und sachliche Übereinstimmung mit- 
einander zeigten. Auch die Pikratprobe hielt sich bis zum 
4. Termin (1. VI. 16) praktisch und temporär mit ihnen über- 
einstimmend. Die alte, aber in solchen Fragen (nach O. 
Schumms Vorgange bei scharfsichtiger Prüfung) noch leistungs- 
fähige Anschauung der Restreduktion zeigte uns, wie beschrieben, 
daß zwar die Gesamtreduktion (Makro Bang, auch Mikro 
Bang) merklich weiter anstieg, aber die Restreduktion auch, 
wobei entweder der Zucker notgedrungen derselbe geblieben 
war, oder — wahrscheinlicher — sich absolut und relativ 
verminderte. Wir reihten den Fall unter die scheinbaren 
Hyperglykämien und echten Hypoglykämien ein. Immerhin 
waren letztere angesichts der Methodik nicht als beträchtlich 
erweisbar. Hier greift nur das durch die Pikratreduktion 
geschaffene Zahlenverhältnis ein: Absinken auf unternormale 
Werte. 

Danach würde also Fall 1 in der „Krise“ eine Hyper- 
glykämie, nachher ein (zwar nicht sehr hohes) Absinken unter 
die Norm gezeigt haben — eine Erscheinung, die an den 
übrigen Fällen zu prüfen war. Die Fälle 5, 3, 2 liegen in 
der uns gewährten Beobachtungsfrist sämtlich auf dem ab- 
steigenden Aste, zum Teil sogar in dessen spätestem Abschnitt. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 73 


Sie enthalten keine Hyperglykämien. Fall 5 ergibt nach .der 
Pikratmethode einen graduellen Abstieg zu rund einem Drittel 
der Norm, dabei bleibt Makro Bang normal, sinkt Mikro 
Bang mäßig. Ersterer, dessen Werte antagonistische Komplexe 
aus niederem Zucker und hoher Restreduktion sind, wird der 
Aufgabe nicht gerecht, die von den beiden anderen, vorwiegend 
der Colorimetrie deutlich gezeigte Hypoglykämie, darzustellen. 
Dabei sind aber die Zahlen auch keine „scheinbare Hyperglyk- 
ämie“ mehr. Ähnlich liegen die Werte der Fälle 3, 2. 
Danach sind also — der Richtung nach — zweifellos 
Hypoglykämien als das typische „Zuckerbild“ des 
Endverlaufes anzusehen, wenn auch solche Unterschiede 
vorkommen, daß der Endwert der Basis der Norm nahesteht. 
Fall 4 (geheilt) zeigt bereits vor der Krise (Makro Bang 
136,0 mg, MikroBang 127,0 mg, Lewis-Benedict 125,0 mg) 
und in derselben im erhöhten Grade (162,0 mg bzw. 143,0 mg 
bzw. 145,0 mg) Hyperglykämie, die als echte gelten darf, wo- 
fern nicht andere (restreduzierende) Stoffe als die des N-Gebietes 
— nach Ausweis der Zahlen, Tabelle III — eingreifen. Diese 
Beobachtung, mit der Reihe aus Fall 1 zusammengerückt, be- 
stärkt uns in der Auffassung, daß in gewissen, ziemlich 
frühzeitigen Abschnitten der Erkrankung echte (nicht 
einmal unbelangliche) Hyperglykämien!) auftreten können. 
Über die fraglichen Grundlagen der von den betreffenden Methoden 
vermittelten Normalwerte ist hier etwa das folgende zu sagen. Für 
Makro Bang (ältere Form, Rhodansalze) beziffert sich der beim er- 
wachsenen, gesunden, ausgeruhten, allgemein befriedigend ernährten 
Menschen ermittelte Umfang nach dem Autor des Verfahrens wie nach 
zahlreichen Nachuntersuchungen [Schumm und Hegler u. a., eigenen 
Erfahrungen des Verf.?)] zu 80,0 mg bis 120,0 mg für 100 cem Vollblut 
in äußersten Extremen, die aber in gut 95°/, der Fälle bei großen Rei- 
hen kaum erreicht werden, so daß der große Durchschnitt zwischen 
90,0 mg bis 100,10 mg liegt. Die Methode Mikro Bang hat nach ihrer 
Schaffung aus der Hand des Autors unablässig zahlreiche, zum Teil we- 
sentlich bessernde Änderungen durchgemacht, an denen auch einzelne 
andere Forscher mitarbeiteten. Auch hier gilt nach zahlreichen Unter- 








1) Diese verliefen zumeist ohne eigentliche Glykosurie (siehe Harn- 
ohemie). 

®) Gemeinsam mit E. Querner und A. V. Knack an zahlreichen 
Patienten aller Art während 4 Jahren, an Soldaten, Leichtverletzten, 
Kindern usw. 


74 Joh. Feigl u. H. Luce: 


suchungen an der älteren Variation, die für unseren Fall 1 betätigt 
wurde, etwa das gleiche Intervall). Die neue Uranylextraktion ver- 
mindert die störende Mitbeteiligung „jodbindender Systeme“ ?), gibt indes 
für die Norm nach unseren Erfahrungen kaum allgemein geringere Zah- 
len bei niederer oberer Grenze. 

Für die Methode der Pikratreduktion, die sich seit der Zeit ihres 
Erscheinens an vielen Krankheitsfällen?) auch in ihren Modifikationen 
bestens bewährte, die übrigens in Deutschland bisher weder nachgeprüft 
noch angewandt wurde®), gilt nach unseren Erfahrungen in Übereinstim- 
mung mit den Autoren ein normaler Umfang unter genannten Vorbe- 
dingungen von 80,0 mg bis 110,0 mg für 100 cem Vollblut. Die me- 
thodenkritischen Beobachtungen gehören u. E. nicht hierher. R. G. 
Pearce findet sie sehr brauchbar und hat nach Mikro-Bang nicht 
immer befriedigende Werte erzielt. 

Die Beurteilung unserer hyperglykämischen Stadien 
und Werte verlangt vom pathologischen Standpunkte aus die Mit- 
berücksichtigung der erstmalig von Fr. Rolly und Fr. Oppermann 
sowie von A. Grigaut, P. Brodin, Rougaud formulierten Auffassung 
über das Vorkommen erhöhten „Blutzuckers“ bei fieberhaften Erkran- 
kungen’). Die Hyperglykämie geht nicht parallel mit der Temperatur, 
aber die Kohlensäureanreicherung als selbständige Ätiologie dieses Zu- 
standes kann mit beteiligt sein. Die Beurteilung der einschlägigen kli- 
nischen Verhältnisse, auf die der eine von uns (Luce) zurückkommen 
will, gestattet uns, diese Ursache einzuengen, wo nicht auszuschließen. 
Danach bliebe die Möglichkeit, an toxische Vorbedingungen zu denken. 
Immerhin genügt u. E. einstweilen am besten die Auffassung destruk- 
tiver Glykogenausschüttung. 

Wir haben ferner, wie nebenbei zu erwähnen ist, aus methodischen 
Voraussetzungen die von vielen Untersuchern geschätzte Methode von 
Bertrand teils 'origineller Art, teils im mikrochemischen Typ von L. 
Michaelis vergleichend mit angewandt®), dabei die bekannten Grund- 
lagen einer oberen Grenze der Norm von 90,0 mg, die Basis zu rund 


1) I. Bang (1913), Korrekturwerte von 0,01 bis 0,015 mg Zucker 
(berechnet). 

2) H. J. Bing (und Mitarbeiter) 1913, W. Griesbach (1913) u. a. 

3) Eigene Erfahrungen (Joh. Feigl und A. V. Knack) klinisch 
deskriptiven und methodischen Charakters (noch nicht veröffentlicht). 

+ Joh. Feigl, Zum gegenwärtigen Stande der chemischen Blut- 
untersuchung, Vortrag im Ärztl. Verein zu Hamburg, Sitzung am 2. Mai 
1916, Bericht in Deutsche med. Wochenschr. 40, 1916. 

6) Fr. Rolly und Fr. Oppermann, Über das Verhalten des 
Blutzuckers bei Gesunden und Kranken IV, fieberhafte usw. Zustände, 
diese Zeitschr. 48, 259, 1913. 

®) Siehe später L. Michaelis bzw. R. Kraus (1913). 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 75 


65,0 mg!) für 100 ccm Vollblut einsetzend®). Mit dieser, übrigens in 
manchen verwickelten Fragen (E. J. Lesser, O. Schumm u. a.) auch 
nicht einwandfrei objektive Werte liefernden Technik ergab sich für 
die Hyperglykämien bei Fall 4 120,0 mg bzw. 138,0 mg (siehe oben) 
und für die entsprechende Stelle bei Fall 5 130,0 mg. Im übrigen ge- 
hören auch diese Befunde in die Darstellung methodologischer Verhält- 
nisse. Unsere fernere Aufgabe sahen wir in der gegensätzlichen Ermitt- 
lung des Vollblut- und Serumzuckers. Die Frage nach dem letzteren 
ist oft von maßgebender Seite (Bang, Rolly und Oppermann u. a.) 
„erörtert worden. Das scharf diskutierte Problem des „Körperchen- 
zuckers“ (Michaelis und Rona, Rona mit Doeblin, Rona und 
Takahashi, Höber u. a. für einen, Lyttkens und Sandgren) 
gegen einen solchen (im praktischen Sinne) hat hohe klinische Be- 
deutung?). 

Den genannten Werten der hyperglykämischen Periode im Vollblute 
treten im Plasma solche von 145,0 mg bzw. 170,0 mg (Fall 4) und von 
160,0 mg (Fall 5) zur Seite. 

Die hypoglykämischen Schlußwerte betrugen für Fall 1 38,0 mg, 
für Fall 5 28,0 mg, für Fall 3 30,0 mg, für Fall 2 40,0 mg für 100 ccm 
Vollblut, wobei die Plasmazahlen parallel merkwürdig nahe an diese 
herangerückt waren, so daß der — an sich verkleinerte — Normalabstand 
reduziert erschien, z. B. 45,0mg (Fall 1), 31,0 mg (Fall 5), 35,0 mg 
(Fall 3), 40,0 mg (Fall 2). Auch hierin liegen u. E. (keine schematische 
Übereinstimmung) vermutlich methodische Aufgaben. 

An den prinzipiellen Ergebnissen ändern diese letzteren Zahlen 
nichts; sie unterstreichen die Befunde. Überschlägt man das deskrip- 
tive Material der klin’sch-chemischen Arbeiten über Blutzucker speziell 
der Leberleiden, so sieht man, daß trotz der zitierten Arbeiten die 
festen Tatsachen ein kümmerliches Stückwerk sind. Schon aus diesem 
Grunde sind wir bei unseren Fällen so systematisch wie möglich vor- 
gegangen. Deshalb seien auch nahezu alle einschlägigen (ja fast durch- 
weg mikromethodischen) Zahlen aufgeführt. 

Hierhin wollen wir — wo doch die Frage nach dem Bestande 
des Vollblutes verglichen mit dem des Plasmas angsschnitten 
wurde — Angaben einordnen, die das RN-Gebiet des letzteren, ver- 
glichen mit dem des ersteren, berühren. Unsere kursorischeBe prechung 
vom Falle 1 (Zahlen siehe dort) lehrte ein allgemein durchschnittliches 
Übergewicht von rund 20°/, im Plasma. Hier nennen wir — selbstän- 
dig zu erörternde — Zahlen, die Fall 5 betreffen: Termin 5: Kreatinin 
im Plasma 5,5 mg, im Vollblut 5,0 mg; Harnsäure bzw. 18,0 mg gegen 
12,0 mg; Kreatin bzw. 53,0 mg gegen 45,0 mg; Amino-N (berechnet; 


1) E. Frank: 70,0 mg bis 100,0 mg (Vollblut); 80,0 mg bis 110,0 mg 
(Plasma), zit. nach H. Tachau (1914). 

2) Fr. Rolly und Fr. Oppermann, wie ?) II. Blutzucker bei 
Gesunden usw., diese Zeitschr, 48, 187, 1913. 

3) Zusammengefaßt zum Teil in ®). 


76 Joh. Feigl u. H. Luce: 


echte Aminosäuren) bzw. 127,0 mg gegen 82,0mg (!). Wir verzichten 
auf weitere Angaben, meinen jedoch einen guten Ausgleich im Kreatinin, 
mäßigen im Kreatin (rund 20°, mehr im Plasma), schlechten im Amino- 
N oder 30 bis 60°/, mehr im Plasma, fast gar keinen im Purin — bei 
den durchgeführten Versuchen — gesehen zu haben. Der „Serumzucker“ 
nach Makro Bang war danach im P'asma relativ ganz bedeutend 
bis ersichtlich über das zu erwartende Maß erhöht. Für diese Frage 
(wahrer Zucker in seiner Verteilung bei Gegenwart von N-Stoffen) scheint 
uns die Methode der Pikratreduktion das beste Erkenntnismittel zu 
sein, die wir, wie früher und jetzt (siehe oben) erörtert und gestreift, 
an Hand anderer Meinungen, wie Bertrand, im gegebenen Falle nicht 
für exakt beweisend halten dürfen. 

Wie steht nun die Gesamtkurve des „Blutzuckers“ 
(nicht die der ungeläuterten Gesamtreduktion, also die Zahlen- 
verhältnisse der Pikrinsäuremethode!) im Krankheitsbilde 
während der Entwickelung, verglichen mit dem Ver- 
halten des RN-Gebietes!)? Das Einfache vorwegnehmend, 
beschreiben wir die Späterscheinung der Hypoglykämie für 
einen Abschnitt der letzten, vielleicht noch der vorletzten 
Lebenswoche (unserer Fälle 1 und 5). Parallel sind die An- 
stiege des Gesamtcholesterins (Schwankungen der Esterquote 
derselben), des Neutralfettes, des Gesamt-RN (mit bestimmten 
Gliedern der Amino-N Fraktion Bang) schon lange in großem 
Maßstabe Tatsache geworden. 


Gleichzeitig hat der Lecithinschwund, ausgedrückt im ge- 
senkten Lipoid-P, im gesteigerten Rest-P und säurelöslichen 
P seine charakteristische Gestalt erreicht, an der in der frü- 
heren Periode (wie die Krise) die Senkung des fällbaren P 
fehlte, der (also Lecithin) sogar erhöht erschienen war. Die 
Hypoglykämien — wenn vorhanden — sind Zeugen des Ter- 
minalabschnittes. Ihre Entwickelung aus der vorübergehenden 
Steigerung heraus, die, wie gesagt, charakteristisch sein kann, 
dürfte dagegen mit Recht zu diagnostisch-prognostischen Zwecken 


1) A. Grigaut, P. Brodin, Rougaud, Le taux de glucose dans 
le sang total usw., Soc. Biol. 76, 15, 708, 1914 und ebenda 77, 21, 91, 
1914. Biochem. Centralbl., ref. Lewin. 11 Normale zeigen 92,0 mg 
bis 105,0 mg „Blutzucker“ für 100 ccm. Bei Infektionen Steigerungen 
mit gewisser Beziehung zur Schwere der Fälle. — R. G. Pearce, Kritik 
der Methoden von Bang und Lewis-Benediot zur Bestimmung des 
Blutzuokers. Journ. f. biol. Chem. 22, 525, 1915. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 17 


herangezogen werden. Voraussetzung war dafür, daß es ge- 
länge, die Rückkehr aus der Hyperglykämie zur Norm von 
der Absenkung dieser selbst zu trennen, was nach allen heu- 
tigen Begriffen eine schwierige Aufgabe ist. Sie wird erleichtert 
durch das vermutlich nicht zu breite Intervall zwischen beiden 
Stadien. Während nun die Hyperglykämie in guter zeitlicher 
Parallelität mit dem ersten Auftreten des Rest-P {höherer Grade) 
und der Gestaltung des erhöhten RN den Abschnitt kenn- 
zeichnet, der Krise und Umschwung enthält, zeichnet die be- 
ginnende Zuckersenkung in düsteren Farben (vermutlich den 
Beginn) der letzten Periode scharf ab. Sie ist ein Nachklappen 
zum Höhepunkte, aber wohl der entscheidende Fingerzeig. 
Daß die einmal eingeleitete RN-Entwickelung diese spezielle. 
Forderung nicht bzw. kaum zu erfüllen vermag, mögen unsere 
Zahlen anzeigen 1). Auch ist es schwer (siehe oben), die das 
Kreatin, das Kreatinin, das Purin erfassenden Wandlungen 
bei ihrer Variabilität hier auszunutzen. Sonach sichern u. E. 
nach bisherigen Grundlagen der hohe Rest-P bei (mehr oder 
minder) hohem Lipoid-P?), mittlerem RN mit spezifischer 
Struktur die Diagnose überhaupt, die in gewissen Fällen (wie 
wir sicher glauben) schon früher als erst jetzt belegt werden 
kann. Hierzu kann vielleicht der Rest-P mit Hyperglykämie 
(die dem maßgebenden Zuwachs des RN noch vorangehen) die 
Voranzeige vermitteln?). 

Aus dem Gesagten ergibt sich also eine Reihe 
von diagnostischen wie prognostischen Anhaltspunk- 
ten, von denen die in vorliegender Arbeit hauptsäch- 
lich besprochenen Verhältnisse des mobilen Blut- 
bzw. Serumzuckers eine bestimmte Rolle spielen‘). 


1) Übrigens sind ja auch bei Nephritiden nach Myers und Fine 
(1915) und Verf., l. c. über Kreatinin I (1916, 1917) selbst bei kürzerem 
Verlaufe schwankende Wechselbeziehungen als sicher erwiesen worden. 

2) Hier sind übrigens der allgemeine Ernährungszustand oder 
pathochemische Komplikationen oder der spezielle Status zu berück- 
sichtigen. 

3) Nach bisherigen, bereits mitgeteilten Ergebnissen (Joh. Feigl, 
l. c. über Phosphate II, III, IV) 1917 und nach abgeschlossenen weiteren 
kommen Rest-P-Verhältnisse ähnlichen Ausmaßes bei verwandtem Ge- 
samtbilde kaum vor. 

4) Wir verweisen auf die spätere klinische Erörterung. 


78 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Nebenher sei — weiterer Mitteilung vorgreifend — erwähnt, 
daß im Falle 2 eine terminale Glykogenbestimmung im 
Plasma gemacht wurde. Glykogen war — allerdings ist ja 
der methodische Weg ein nicht vollauf befriedigender — eben 
nachweisbar. Im Falle 5 fanden sich bei Termin a noch 
Spuren, später (d) auch diese nicht mehr. Th. Fahr hat 
Ergebnisse des’ Verf. zitiert in seinen (siehe oben) Diabetes- 
studien. C. Polimanti hat Differentialanalysen am Hunde 
bei Resorption von Kohlenhydraten beschrieben, wobei gleich- 
falls das abgekürzte Pflügersche Verfahren benutzt wurde!). 

Danach könnte vorläufig der Schluß gezogen werden, 
daß das Glykogen früh an Ort und Stelle — und wohl 
nicht nur in der Leber, über die wir nach Analysen an den 
Organresten zu berichten gedenken — liquidiert wird. Diese 
Auffassung würde, wenn auch im einzelnen manche Unterschiede 
bestehen (keine Hyperg!ykämie!), mit derjenigen von E. Frank 
und S. Isaak über Glykogenmobilisation bei akuter P-Ver- 
giftung im Prinzip übereinstimmen bzw. sie auf Leberatrophie 
mit genauen Befunden zu übertragen gestatten. 


Diskussion der Ergebnisse und Besprechung nächstliegender 
Literatur. 


Wir verzichten an dieser Stelle zunächst darauf, im An- 
schlusse an unsere deskriptiven Angaben über die Umstim- 
mungen im Bestande von Blut und Serum an den bisher 
gekennzeichneten Stoffen eine vergleichende Besprechung ver- 
wandter Beobachtungen aus der nicht eben zahlreichen Lite- 
ratur zu geben. Von großem Interesse scheint uns indes die 
in neueren Arbeiten (C. H. Fiske und J. B. Sumner) ver- 
tretene Ansicht zu werden, daß kein Beweis dafür existiert, daß 
die Leber die einzige oder Hauptstätte der Harnstofibildung 
aus Aminosäuren sei?) Hier könnte unter Umständen die oft 
ventilierte Frage nach der Störung bzw. Aufrechterhaltung 


1) O. Polimanti, Über die Verteilung des Glykogens im Blute 
usw., diese Zeitschr. 64, 4/6, 490, 1914. 

2) C. H. Fiske und J. B. Sumner, The importance of the liver 
for urea formation from amino acids, Journ. of biol. Chem. 18, 2, 285, 
1914, und weitere Lit. ebenda It, 3, 399, 1913; u. a. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 79 


dieses Vorganges ansetzen. Stellt man sich beifällig zu der 
Auffassung von P. Albertoni, daß die schwankende Zusam- 
mensetzung des Blutes die chemischen Vorgänge in der Leber 
reguliere, so muß die einmal eingeleitete Umstimmung — was 
die klinische Beurteilung interessiert — naturgemäß gewaltig 
rückwirkend zu den Organen sich stellen!) Überdies muß 
ein so weitgehend nach seinem chemischen Bau verändertes 
Blut, speziell Plasma, an und für sich weitgehende Abartungen 
seiner eigenen Funktion erleiden, wofür Arbeiten von E. Zunz 
und P. György hinsichtlich der (beschleunigten) Gerinnung 
sprechen?). Die Viscosität des Blutes kann wie sonstige phy- 
sikalische Eigenschaften nicht unbeeinflußt bleiben?) (siehe 
später!). 

Von theoretischem und praktischem Interesse will uns 
die Beobachtung von E. L. Opie und L. B. Afford scheinen, 
die für die Phosphorintoxikation nachwiesen, daß die Fett- 
degeneration der Leber bei Fleischnahrung beträchtlicher als 
bei vorherrschender Kohlenhydrat- und Fettkost ausfalle*), 
Verhältnisse, die vielleicht nach entsprechender Übertragung 
klinisch nutzbar zu machen sein werden, insofern, als die 
eigentliche Fettumwälzung eine relative Späterscheinung sein 
kann, die im kritischen Abschnitte der Erkrankung verzögert 
und in ihrer Rück- und Weiterwirkung gehemmt werden 
dürfte. In pathologischer Hinsicht wird wohl auch die jüngst 
näher beschriebene Tatsache (F. K. Bartlett, H. J. Corper, 
E. R. Long) der differenten Blutverteilung in beiden Leber- 
lappen, die aus verschiedenen Strömen gespeist und daher 
different versorgt werden (damit auch wohl differente Auf- 





1) P. Albertoni, Über die Bedingungen, die die chemischen Vor- 
gänge in der Leber . . . regulieren, zit. im Biochem. Centralbl 17, 444, 
1914/15, ref. Ascoli. 

®) E. Zunz und P. György. A propos de l’action des acides 
aminés . . . sur la coagulation du sang, Soc. Biol. 76, 10, 430, 1914, März, 

3) Siehe hierzu H.Chick und E. Lubrzynska, The viscosity of 
some protein solutions, Bioch. Journ. 8, 1, 59, 1914. Die Untersuchungen 
dieser Autoren werden hinsichtlich der Konstanten unserer Blutproben 
zu erweitern sein. 

4) E: L. Opie und L. B. Afford, The influence of diet on hepa- 
tic necrosis usw., Journ. amer. Med. Ass. 62, 1, 895, 1914; ebenda 63, 
2, 186. Biochem. Centralbl. 17, 565, 1914/15, ref. Lewin. 


80 Joh. Feigl u. H. Luce: 


lösungsvorgänge und Destruktionsprodukte schaffen) Aufmerk- 
samkeit auf sich lenken!). Wir gedenken zu dieser Frage-bei 
der Beschreibung der chemischen Struktur der Organreste 
Stellung zu nehmen. Klinische und pathologische Hinweise 
vermittelt eine Äußerung (mikroskopische Technik) von Kimura 
an einem Falle von subakuter Leberatrophie, bei dem Glykogen 
(Kern) nicht als Zeichen von Degeneration, sondern von 
funktioneller Inanspruchnahme angesehen wird, und bei der 
keine akute Fettdegeneration vorlag. Leider fehlen in diesem 
Falle sowohl Urin- wie Blut- und Organuntersuchungen che- 
mischer Natur, die uns wertvolles Vergleichsmaterial geliefert 
hätten®). O. Hirz fand, daß bei P-Vergiftung die Glykogen- 
synthese nicht (wesentlich) gehemmt sei, ferner, daß die N- 


Elimination erheblich herabgesetzt, der Ur-Quotient im Harn 
jedoch erhalten geblieben sei). E. Frank und S. Isaak er- 
wiesen mit der Methodik der Blutzuckerbestimmung, ebenfalls 
unter P-Wirkung, daß ein Glykogenschwund in der Leber vor. 
sich ginge, dabei der „Blutzucker“ ohne vorübergehende Hyper- 
glykämie schließlich auf verschwindende Beträge absinke'). 
Die Frage, ob es notwendig ist, zur Erklärung der betreffenden 
Vorgänge die Umbildung des Glykogens — sei es vorgängig — 
zu Fett in der Leber vorauszusetzen, wird nicht verneinend 
beantwortet werden dürfen, indes können unsere Untersuchungen 
hierüber keinen Aufschluß geben. Vielleicht spricht die früh- 
zeitige Hyperglykämie dagegen. Die Glykogenfrage wird auf 
den Gehalt der Muskeln und Organe an diesem Kohlenhydrat 
sehen müssen; gibt es doch einerseits pathologische Anhäu- 


1) Fr. K. Bartlett, H. V. Corper, E. R. Long, The indepen- 
dence of the lobes of the liver, Americ. Journ. of Physiol. 35, 1, 36 bis 
51, 1914. 

3) Kimura, Ein Fall von subakuter gelber Leberatrophie mit 
vorgeschrittener Regeneration . . ., Ziegler, Beitr. path. Anatom. 58, 1, 
211, 1914, Febr. 

3) O. Hirz, Über den Einfluß des P auf den respiratorischen Stoff- 
wechsel, Zeitschr. f. Biol. 60, 5/7, 187, 1913, März. 

4) E. Frank und S. Isaak, Über das Wesen des gestörten Stoff- 
wechsels bei der P-Vergiftung, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 64, 3, 
1911, Februar. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 81 


fungen!) und ist andererseits das Muskelsystem an der Auto- 
lyse hervorragend beteiligt. Neue Arbeiten von S. Isaak und 
A. Loeb ergaben einmal, daß in der Hungerleber (überlebend) 
bei P-Tieren gegenüber dem von A. Loeb in der normalen er- 
mittelten O-Verbrauche keine Veränderung eintrat, wonach es 
zum mindesten für dies Organ unwahrscheinlich ist, daß die 
bei P-Vergiftung beobachteten Hemmungen im oxydativen Stoff- 
wechsel auf Verminderung der fraglichen Fähigkeiten beruhen). 
S. Isaak formulierte seine späteren Ergebnisse in dem Sinne, 
daß in P-Lebern mit gestörter Regeneration des Zuckers aus 
Milchsäure auch eine Störung des Fettstoffwechsels bestände, 
dessen Hemmungen aber nur die ersten Stadien ergriffen”). 
Niedere Säuren würden noch anstandslos verbrannt, wobei 
also die oxydative Zelleistung nicht gestört sein kann. Wahr- 
scheinlich sei, daß die Minderung auf eine Schädigung bestimm- 
ter Molekularkomplexe zurückzuführen sei, was aber für die 
Milchsäure-Zuckerfrage offengelassen wird. Soweit eine Paral- 
lelität zu (pathologisch möglicherweise anders veranlagten und 
beschaffenen) Fällen von Leberatrophie möglich ist, möchten 
wir hier des Auftretens freier (hochmolekularer, ungesättigter) 
Fettsäuren gedenken, das wir feststellen. Sodann kommt 
Isaak auf die Rolle der Phosphatide in dem Zusammenspiel 
der Erscheinungen zu sprechen; Lipoide seien in P-Lebern er- 
heblich vermindert. Also auch hier die erschlossene Mitbe- 
teiligung der Phosphatide, auf die wir nach unseren Befunden 
großen Wert zu legen gezwungen sind. Für die akute gelbe 
Leberatrophie fällt indes die Annahme Isaaks fort, die Lipoid- 
löslichkeit des P als ursächlich mit zu betrachten. Diese 
neuen Ergebnisse sind geeignet, manche der bisherigen Um- 
stimmungen, auch bei Leberatrophie, dem Verständnis näher 
zu bringen, wennschon immer wieder Anlässe auftauchen, an 
gewisse (erheblichere) Abweichungen zu denken. 

Vergleichende Betrachtungen im RN-Gebiete verlangen 


1) S. Isaak und A. Loeb, Über die Atmung der künstlich durch- 
bluteten P-Leber, Zeitschr. f. physiol. Chem. 100, 54, 1914; ferner A. 
Loeb, Zeitschr. f. physiol. Chem. 69, 325, 1914. k 

2) S. Isaak, Beiträge zur Kenntnis des intermediären Stoffwech- 
sels bei der experimentellen P-Vergiftung, Zeitschr. f. physiol. Chem. 100, 
1, 1917. 

Biochemische Zeitschrift Band 86. 6 


82 Joh. Feigl u. H. Luce: 


einmal, zu erwähnen, daß H. Ishikawa in einer (älteren) 
Arbeit die N-Verteilung im Harn der Norm nahestehend, ohne 
eigentliche Aminurie zu zeigen, fand!). Auf die Begründung 
der Schwierigkeit harnchemischer Charakteristiken in 
der Pathochemie kommen wir zurück, nennen hier schon 


den verwischten Eindruck der Ur, Ur, Amino-N-Anteile, den 
hingegen schon weitgeförderten des Kreatins und Kreatinins. 
In der Frage der Monoaminosäuren des Harns verweisen wir 
auf eine (ältere) Arbeit von E. Abderhalden und P. Bergell, 
die beim P-Kaninchen in 90,0 ccm Harm 0,9 g eines (glycin- 
reichen) Gemisches von Naphthalinsulfokörpern fanden °). 

Im Zusammenhange hiermit sei daran erinnert, daß die 
ursprünglich für die pathologische Chemie des Harns als charak- 
teristisch angesehene Ausscheidung von Leucin und Tyrosin durch 
weitere Untersuchungen eine Modifikation erfuhr, insofern, als 
auch bei Diabetes ganz erhebliche Werte aufgefunden wurden. 
W. Mac Adam studierte die Harnzusammensetzung bei toxischer 
Leberstörung (Hydrazin) systematisch und schrieb für die er- 
zielten charakteristischen Bilder die Notwendigkeit einer synop- 
tischen Untersuchung aller Bestandteile vor; Ausschnitte seien 
nicht beweisend; auch müßte die Wechselbeziehung neu her- 
gestellt werden‘), Für diese Forderung und die Angabe Ishi- 
kawas betonen wir die Erklärungsmöglichkeit auf Grund der 


Blutuntersuchung, die in (reinen) Fällen keine Ur-Retention 
nachweist, so daß also die Möglichkeit gegeben ist für den 
Ausgleich der spezifischen, im Blute erkennbaren Umstim- 
mungen im Harn®). Er fand Gleichbleiben des Kreatinins 
(„auffallend konstant“), dagegen ein erhebliches Aufrücken des 


1) H. Ishikawa, Über die N-Verteilung im Hundeharn bei sub- 
chronischer P Vergiftung. Beitrag zur funktionellen Diagnostik der 
Leberkrankheiten, diese Zeitschr. 41, 3/4, 315, 1912, Juni. 

?) E. Abderhalden und P. Bergell, Über das Auftreten von 
Monoaminosäuren im Harn von Kaninchen nach P-Vergiftung, Zeitschr. 
f. physikal. Chem. 39, 404, 1903. 

3) W. Mac Adam, Hepatic insufficience as estimated from the 
nitrogen partition of the wrine, Journ. of Path. Bact. 18, 281. 1913. 
Bioch. Zentralbl. 16, 469, 1913/14, ref. Browning. Derselbe, Dje Be- 
zi>hungen zwischen Kreatinurie und Schwankungen im Blutzuckergehalt, 
diese Zeitschr. 69, 229, 1915. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 83 


Kreatins, das mit der gestörten Glykogenfunktion in Zusammen- 
hang stehe (Muskelmassen im erhöhten Katabolismus, keine In- 
suffizienz der Leber hinsichtlich der Umformung), Harnstoff 
sei relativ gestiegen. Diese Versuchsergebnisse sind auch für 
unseren Fall wertvoll. Einmal lehren sie, wie schwer mit 
Befunden der Harnchemie selbst deskriptiv (wo nicht gar dia- 
gnostisch) weiterzukommen ist, wenn man noch an Kompli- 
kation und Inanition, die einen breiten Raum einnimmt, denkt. 

Von höchster Bedeutung sind Beobachtungen desselben 
Verfassers, die auf den Ausscheidungsverhältnissen von Krea- 
tinin und Kreatin bei Störungen der Glykogenfunktionen, er- 
mittelt durch die Blutzuckermethodik, fußen. Bei toxischen 
(zunächst exogenen) Einflüssen (z. B. Hydrazin) fand Mac 
Adam Hypoglykämien und Kreatinurien, sogar in gewissen 
"Andeutungen von proportionaler Beziehung, verknüpft. Die 
Kreatinurie hängt dann (bei Intoxikation geeigneter Art) nicht 
von Hunger an sich ab (bei Inanition kann Hyperglykämie 
zugleich mit Kreatinurie vorkommen). Die Kreatinurie ist ein 
sichtbares (das empfindlichste?) Zeichen von Störungen im 
(Depot-)Kohlenhydrathaushalt und Zuckergleichgewicht. Sie 
kann klinisch-pathologisch als Symptom gelten. Die hohe 
Schwierigkeit der Kreatindiagnose im Blute ist nach bisherigen 
Begriffen verständlich. Hier muß und kann lediglich die Harn- 
analyse (siehe später) eingreifen. Ferner wird unterstrichen 
der von uns hervorgehobene Wert der RN-Untersuchung, wenn 
diese nach Struktur und Komponenten beschrieben wird; in 
ihren Zahlen prägen sich Unterschiede eher und charakter- 
istischer aus. 

Von mehreren Seiten ist versucht, direkt oder indirekt (Belastungs- 
probe) dın Rests:ickstoff des Blutes bei Leberstörungen schlechthin als 
charakteristisch hinzuste'len. Die dynamische Untersuchung mit der 
Funktionsprüfung hat nach Verf. in vielen Fällen gute Aussichten zu 
gewärtigen'). L. Michaud stellte sich indes auf den Standpunkt, daß 
der (statische) RN keine Anzeichen bieten könne, eine Beurteilung, die nach 


unserer Ansicht sowohl an den Methoden überhaupt wie an der mangel- 
haften Durchführung ohne Strukturermittlung liegen kann. Wir unter- 


1) Joh. Feigl und A. V. Knack, Beitrag zur Prüfung der N- 
Funktion der Niere. Zentralbl. f. inn. Med. 38, 9, 1917. Demonstration 
im Ärztl. Verein zu Hamburg, Sitzung vom 16.I. 1917 und weitere (un- 
veröffentlichte) Versuche. 

6* 


84. Joh. Feigl u. H. Luce: 


schreiben diese Behauptung nicht unbedingt!). E. Zunz und P. Gy- 
‘örgy beschäftigen sich in einer großen Arbeit über den Amino-N des 
Blutes, nebenbei auch mit der Frage der Möglichkeit von Hypo- bzw. 
Hyperaminacidämien bei Kranken’). M. Gorchkoff, W. Grigorieff, 
A. Koutoursky treten mit Angaben hervor, daß der Amino-N bei 
Cirrhose erhöht sein könne?). Zur Entscheidung dieser subtilen Frage 
genügt nach unserem Urteile nicht die rechnerische Ermittelung der 
Aminofraktion. Vielmehr wird die direkte Ermittelung nach D, D. van 
Slyke nötig seint). Neue (amerikanische) Arbeiten von Al. C. Woods 
erweisen, daß unsere eigenen Erfahrungen — der rechnerische Amino-N 
sei mit dem gasometrisch direkt gefundenen nicht identisch — überein- 
stimmen). Diesen Überlegungen Rechnung tragend, bringen wir zu der 
bestrittenen, nicht geklärten Frage Material. 

In diese Erwägungen hinein erstreckt sich die Diskussion der Frage 
nach den Einwirkungen einer mehr oder minder energischen Inanition 
in früheren oder erst späteren Abschnitten der Erkrankung. Legt man 


die Vorstellungen von 1. Bang) zugrunde, so müßte der UrN absolut 
in die Höhe gehen, die Norm erheblich überschreiten und daher auch 
relativ im Bilde des Gesamt-RN mehr hervortreien. Er tut dies bei 
unseren unkomplizierten Fällen (keine Symptome für Brightsche Niere, 
Th. Fahr) erst relativ spät und vermag dann als Zeichen letaler, ter- 
minaler oder agonaler Nierenermüdung gedeutet werden. Leider fehlen 
bis heute bestimmte Anhalte für die nur von D. Dumitrescu und 
A. Pospescu beschriebenen Verhältnisse der terminalen Azotämie?). 
Immerhin ist noch das Verhalten des Harnstoffes angetan zur Erörterung 
der Frage nach Hemmungen der oxydativen Zellenergie, die ja doch für 
die chemischen Individuen der Aminosäuren usw. bestehen muß. Im 
Gegensatz dazu verläuft Spaltung und Verbrauch niederer Fettsäuren, wie 
wir an den Konstanten der Acetonkörper des Blutes zeigen werden, nor- 
mal; erst ziemlich spät tritt dies an dem von uns beschriebenen Erschei- 


1) L. Michaud, Über den Wert der Bestimmung des RN im Blute, 
Korr.-Blatt f. Schweizer Ärzte 43, 46, 1474, 1911. 

®) E. Zunz und P. György, A contribution to the study of the 
amino acid content of the blood, Journ. of Biol. Chem. 21,511 usw., 1915. 

3) M. Gorchkoff, W. Grigorieff, A. Kontoursky, Compt. 
rend. de Soc. de Biol, 76, 454, 1914. 

4) Joh. Feigl, l.c. über Gesamtreduktion usw. (1916). Joh. 
Feigl und H. Luce, l. c. Leberatrophie I (RN) 1917. 

5) Al. C. Woods, Arch. f. Intern. Med. 11, 277, 1915 enthält ein- 
gehende Detailarbeit über RN aus Blut und Liquor. 

¢) I. Bang, Untersuchungen über den Reststickstoff des Blutes 
I bis V, diese Zeitschr. 72, 104, 120, 1915. 

”) Joh. Feigl und H. Luce, |. oe. I 1917. Joh. Feigl, l. c. 
Über Phosphate I (1917). 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 85 


nen freier Fettsäuren (höherer, gesättigter) hervor und erweist die Er- 
müdung der Oxydation diesen gegenüber. 

Man wird nach den vorstehenden Erörterungen, die ja zum Teil 
von der Absicht, zu charakterisieren, abzugrenzen, zu prognostizieren, 
getragen sind, verständlich finden, wenn die heute noch als groß vor uns 
stehende Kategorie nephritisch komplizierter Fälle anderen interessanten 
Komponenten — im RN-Gebiete — gegenübergestellt werden. Hier 
kann der Möglichkeit gedacht werden, daß gewisse chronische Nephri- 
tiden Strukturen des Nichtproteinstickstoffes und zwar in charakteri- 
stischem Grade zeigen, die an obige angelehnt erscheinen und nicht nur 
in der Retention des Amino-N zu hohen Prozenten, sondern auch im 
Auftreten von Ikterus ihnen ähneln können, so daß andere (klinische) 
Erkenntnismittel eingreifen müssen. Ganz jungen Datums sind Beob- 
achtungen von seiten französischer Militärärzte, die auf Verkettungen 
von Ikterus mit nephritischen Symptomen hinzeigen und die seltsame, 
kaum genügend gezeichnete Bilder des Blut-RN zur Schau tragen. 
Merkwürdigerweise ist diese Form von Schützengraben- bzw. Kriegs- 
erkrankung auf anderen Seiten selten als solche beobachtet oder be- 
schrieben worden. Sie werden hinsichtlich der Nierenstörung als akuter 
Artung aufgeführt 'P. Ameuille!)]. In allerletzter Zeit spielt nach 
Merklen und Lioust?) sowie nach H. Lemierre?) die diagnostische 
und beschreibende Anwendung der RN-Methoden hier eine große, leider 


+ 
bei der französischen Gewohnheit bevorzugter einseitiger UrN-Analysen 
nicht voll anzuerkennende, der Frage wichtiger Verständnismöglichkeiten 
vorenthaltendet) Rolle. Sicher ist nun tatsächlich eine Steigerung des 


1) P. Ameuille, Les nephrites aiguës des troupes en campagne, 
Presse med. 1916, Centralbl.f. inn. Med. 25, 38, 400, 1917, ref. A. V. Knack. 

?) Merklen und Lioust, L’azot&mie dans les icteres infectieux, 
Presse médicale 64, 1916, Centralbl. f. inn. Med. 38, 40, 651, 1917, ref. 
A.V. Knack. 

3) H. Lemierre, L’azotemie preieterique, Presse medic. #4, 1916, 
ref. A. V. Knack wie ?). Wir möchten hier auf einen sachlich zur 
Irreführung geeigneten Fehler hinweisen, der dem Ref. (Knack) in 
einem kritischen Zusatze unterläuft. Zur Orientierung seiner Leser nennt 


+ 
er als Normalwerte für den Ur des Blutes 12 bis 15 mg für 100 cem. 


+ + 
Das muß UrN heißen. Die obere Grenze für normalen Ur liegt um 
rund 50,0 mg für 100 cm. Große Statistik J. Feigl 1918. 


+ 
t) UrN-Bestimmungen allein sagen wenig, nicht einmal im Gebiete 


+ 
der Nephritiden (UrN°/, des Gesamt-RN bei akuten und chronischen 
Formen). Erst die Gliederung des Gesamt-RN schafft für die Natur der 


+ 

UrN-Beträge Verständnis, das bei so wenig gekennzeichneten Leiden noch 
verwickelt genug ist, so daß die weiteren Konstanten der Amino-N- 
Fraktion (darunter Kreatinin, Kreatin, Purin) eingreifen müßten. Von 


86 Joh. Feigl u. H. Luce: 


UrN vorhanden gewesen, für diese bestehen jedoch vielerlei Anknüp- 
fungen [Inanition, Avitaminosen echter Art, verwandte infektiöse Kom- 
plexe, Feigl und Luce'), Feigl®)]. Soweit vorliegende Angaben uns 
einen Einblick in die Denkweise der Autoren gestatten, haben wir an- 


zunehmen, daß sie der (relativen?) Steigerung des UN für die Früh- 
diagnose von Lebererkrankungen, allgemeiner kaum lediglich der spe- 
ziellen Art, Bedeutung beimessen. Wir können, auch ohne genaue Kennt- 
nis der Sachlage, über die Äußerung berichten und sie kritisieren, 
jedenfalls die Tatsachen der Behauptung unserem Arbeitsgebiete und 
seinen Standpunkten einordnen. Zu erhöhter Bedeutung und prak- 
tischer Stellungnahme drängen für die Kriegsärzte Beobachtungen über 
die Weilsche Krankheit; auch sie ist nach einschlägigen Angaben und 
(eigenen spärlichen) Kenntnissen im RN-Gebiete ähnlich darstellbar’). 


französischen Autoren nahmen hierzu an Hand größerer Analysen im 
entsprechenden Sinne Stellung D. Morel und G. Moriquaud, Resul- 
tats données par l’emploi de méthodes spécifiques de dosage de l’ur6e 
dans les humeurs pour la mise en évidence de la rétention predom'nante 
de cette substance au cours de certaines azot&mies. Soc. Biol, 76, 15, 
703, 1914, Mai. Biochem. Centralbl. 17, 374, 1914/15, ref. Landmann. 

1) Grenzbilder der RN-Struktur bei Avitaminosen im schweren 
(späteren) Stadium ähneln gelegentlich denen bei Leberatrophie. Joh. 
Feigl und H. Luce, l.c. Über Leberatrophie I (1917), Seite 191. 

2) Joh. Feigl beschreibt den einleitenden Zustand des RN-Bildes 


+ 
bei Avitaminosen als durch hohen UrN charakterisiert. Hieraus kann 


sich ein absolut weiter gesteigerter RN mit rund 50°), UrN (also gegen 
die Norm gesteigertem Amino-N) entwickeln, der schließlich zu Zeiten 
in den Grenzzustand (nach Feigl und Luce) übergeht. Bei einem als 
Lagererkrankung beschriebenen Krankheitskomplexe mit infektiöser Ein- 
leitung und Interferenz kamen eigenartige RN-Befunde vor, die dem 
genannten mittleren ähneln können. Die „Lagererkrankung“ kann jeden- 
falls ohne eigentliche Inanition und ohne Brightsche Symptome starke 


UrN-Anstiege zeigen. Joh. Feigl, l. c. über Phosphate I (1917). Der- 
selbe, 

3) Man findet eine größere Reihe von Arbeiten der Jahre 1916, 
1917 referiert im Centralbl. f. inn. Med. 38, 25, 1917. Unter diesen von 
Favre und Flessinger (1916 ref. Knack), von Ido, Hoki und 
Wani (1916 ref. Schmidt), Inada und Mitarbeiter (1916, 1917 ref. 
Schmidt), Martin und Petit (1916 ref. Knack), Coste und 
Froisier (1916 ders). Unter anderem hat eine Mitteilung von A. 
Stokes, J. A. Ryle, W. H. Tytler Weil’s Disease in the British 
Army in Flanders (Lancet 1917, Jan., ref. Reiche) für uns hohe Be- 
deutung durch den- hervorgehobenen (Grad und Menge?) Befund an 
Leucin und Tyrosin im Harn. Interessante Angaben enthält nach dem 
Referate von Knack die Arbeit von Martin und Petit. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 87 


A. Stokes und Mitarbeiter fanden reichlich Leucin und Tyrosin 
im Harn. 

Man kann danach den Gedankengang der französischen Forscher 
in Gegensatz zu allen übrigen, den Amino-N des Blutes streifenden bzw. 
für Leberleiden charakterisierenden Äußerungen stellen. Auf Resultate 
am Blute bei Weilscher Krankheit kann man nach den Harnbefunden 
höchst gespannt sein. Zur Harnstofffrage möchten wir noch erwähnen, 
daß Inanition, temporäre Arbeitsüberlastung, allgemeine (auch leichte) 
Infektionen, mangelnde Durchspülung, Avitaminosen ähnliche Komplexe 


+ 

usw. den UrN ansteigen lassen können). 

Zu den erörterten Befunden über Harnsäure wäre nachzutragen, daß 
L. Preti bei größerem Materiale von Bleivergiftungen — leider fehlt in 
den Angaben der Gesamt-RN mit Detailierung — Harnsäure bis 14,0 mg 
für 100 ccm Vollblut (Serumverhältnisse?) mitgeteilt hat?) und daß wir 
bei sonstigen schweren Intoxikationen, z. B. bei Chromateinwirkung, 
einmal auf 16,0 mg kamen?). 

Für die Frage der oxydativen Zelleistung nach Aufrecht- 
erhaltung, Ablenkung oder allgemeiner wie spezieller Hemmung 
schien uns die Ermittelung des erstmalig von E. Schiller und 
K.Wiener beschriebenen und diskutierten Verhältnisses zwischen 
Harnsäure und Purinbasen, soweit sie als frei anzusehen sind, 


von gewissem Werte zu sein‘). 

Wenn auch der Begriff des freien Gesamtpurins nach diesen Autoren 
wie nach R. Baß°’), im weiteren nach S. R. Benedict®) relativ abge- 
grenzt ist gegen die Fraktion der gebundenen Körper gleicher Art, so 
fehlt es doch an zwei wichtigen Voraussetzungen. Einmal handelt es 
sich um den Umfang der Purinwiedergabe in der Analyse, durch die 
Colorimetrie mit Phosphorwolframsäure (Harnsäurereagens) nach Folin- 
Macallum, Folin-Denis, Steinitz, Benedict, bzw. um die 
Gegenüberstellung der zunächst beteiligten Bestimmungsmethoden’). 


1) Joh. Feigl, l. c. (Vortrag) 1916 und 1l. c. über Kreatinin I (1917), 

2) L. Preti, Contributo a la conoszenzs del acido urico nel 
sangue. Atti XXII Congr. Med. Int. Roma 1913. Biochem. Centralbl. 16, 
74, 1913/1914, ref. Ascoli. 

3) Noch nicht mitgeteilt aus Reihen über die Verhältnisse der Blut- 
harnsäure (Feigl und Querner). 

4) E. Schiller und K. Wiener, Über das Verhalten der Purin- 
körper im Blute I, II, Zeitschr. f. exp. Med. III/6, 407, 411, 1914 (Mai). 

5) R. Baß, Über Harnsäure und Nukleinstoffe im menschlichen 
Blute, Verh. 30. Kongr. f. Inn. Med. 1913, 196. 

6) S. R. Benedict, The colorimetric determination of uric acid in 
blood, Journ. of Biol. Chem. 20, 629, 633, 1915. 

”, H. B. Lewis und B. H. Nicolet, The reaction of some purin, 
pyrimidoin, and hydantoin derivates with the uric acid and phenol- 


88 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Ferner aber fehlt es an weiteren Materialien für die Normalien nach 
Schiller und Wiener. Wir sprachen früher die Meinung aus, daß 
die fraglichen Zustände angesichts der hohen freien Harnsäurewerte 
vielleicht eine Ableitung aus dem Reservoir der gebundenen mit herauf- 
geführt haben könnten, wogegen sich auch vom Standpunkte der Serum- 
werte (gegen Vollblut) kaum etwas einwenden ließe. Wie dem auch sei, 
wir haben uns in einem Falle an der Verarbeitung von Aderlaßblut mit 
einer wirklichen Durchführung der Methodik nach Schiller und Wiener 
begnügen müssen. Fall3, Termin b (Tabelle II) zeigte 14,0 mg freie Harn- 
säure nach Benedicts Angaben an. Dagegen traten 8,0 mg Harnsäure 
und rund 12,0 mg Purinkörper nach Schiller und Wiener in die Dis- 
kussion. Hält man sich an ihre Angabe, daß die freie Harnsäure im 
normalen menschlichen Blute etwa rund ein Viertel bis zur Hälfte der 
freien (Gesamt-)Purinkörper ausmache, so ist hier die letztere Fraktion 
niedriger, so daß jedenfalls von irgendwo gelegenen oder irgendwie ge- 
arteten Herabstimmungen der frühen Stufen von Urikolyse, Umwand- 
lung nicht oxydierter in oxydierte Purinkörper, (die nach Folin durch 
PWS angezeigt werden) kaum die Rede sein kann, Bei der Schwierigkeit 
der selbständigen Aufgabe und der einstweiligen Unmöglichkeit strenger 
Vergleiche ist hier nicht viel mehr darüber auszusagen. Über die Er- 
gebnisse im Gebiete der Kreatiningruppe existieren breitere Materialien 
blutehemischer Natur!). Wir sagten schon, daß die Kreatinfrage u. E. 
im Blute kaum mit Ergebnissen abschließen kann, die den Feinheiten 
bei Beginn und Wandel eindringliche Erkenntnis zu sichern vermöchten. 
Deshalb kommen wir auf diese Sache in harnchemischen Betrachtungen 
zurück. 

Immerhin bietet das Zusammenspiel des RN-Gebietes, über 
das bis jetzt nur sehr spärliche, aber einseitig-grundsätzliche 
Angaben (Neuberg-Richter, Aminosäuren) vorlagen und das 
wir soweit derzeit angängig, entwicklungsgemäß in allen zu- 
nächst erreichbaren Fragen (Gesamt-RN, Struktur, Amino-N, 
Purin, Kreatin, Kreatinin, Ammoniak) mehrfach geschildert 
haben, zahlreiche weitere Aufgaben. Wir erinnern an die so 
oft diskutierte und experimentell erprobte, deshalb aber keines- 
wegs sicher basierte Fraktion der Oxyproteinsäuren in dem 
Sinne, daß vielleicht der endgültige, nicht definierte Anteil der 
Aminosäurenfraktion, so wie er sich durch Differenzberechnung 
des berechneten Amino-N und dessen selbständiger analytischer 
Bestimmung nach van Slyke angeben läßt, hier den Angriffs- 
punkt bietet. Jedenfalls besteht der Gedanke der amerika- 


reagent of Folin and Denis. Journ. of Biol. Chem. 16, 3, 369, 1913. 
Einzelne Angaben. 
1) Joh. Feigl, l. c. (über Kreatinin und Kreatin I) 1917. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 89 


nischen Forscher — Folin, Myers und andere, darunter 
Woods — die nicht direkt ermittelten Anteile ohne Definition 
offen zu lassen (Gegensatz zur praktisch überlegenen Formu- 
lierung im Sinne von Bang), von diesem Standpunkte zu recht, 
muß ferner dieAnnahme Abderhaldens hinsichtlich sekundärer 
Gliederung der Aminosäuren zu Uraminokörpern, die ja zum 
Teile (Lippich) als solche beständig, nur wenig im Verhalten 
zu den fraglichen Methoden der Isolierung und Bestimmung 
bekannt sind, weitere Perspektiven eröffnen. Hält man an 
der Auffassung über Wesensverwandtheit der RN-Erscheinungen 
von P-Vergiftung und Leberatrophie fest, so würde das nächste 
experimentelle Erkenntnismittel der von J. J. Abel, L. H. 
Rowntree, B. B. Turner beschrittene Weg sein, durch freie 
Vividiffusion am Tiere die RN-Stoffe der Vena portae zu 
isolieren und zu bestimmen!), Die Anwendung dieser Methodik 
ist unser nächstes Ziel. Die Erfinder dieses ingeniösen Ver- 
fahrens isolierten Aminosäuren grammweise und konnten auch 
zu zahlreichen sonstigen Krystalloiden gelangen. 


Acidose und Acetonkörper. 


Was nun die Frage der Acidose sowie die der nicht end- 
gültigen Fettverbrennung angeht, so erinnern wir daran, daß 
über die Acetonkörper des Harns in der Literatur nach dem 
Berichte von Umber keine völlige Übereinstimmung herrscht. 
Wir konnten harnchemisch größere Aceton- — Acetessigsäure — 
Oxybuttersäuremengen nicht finden und begnügten uns mit 
der Meinung, sie seien der Größenordnung nach denen bei reiner 
Inanition nahestehend, deshalb durch diese vorwiegend erklär- 
bar?). Indes sprach das Verhalten des Ammoniaks im Blute 
nicht eindeutig für diese Auffassung, auch konnte für P-Ver- 
giftung der ältere Befund von E. Münzer hervorgehoben 
werden). Daraufhin haben wir mehrfach auf Grund der 
Methodik von W. Mc Kim Mariott nephelometrisch Aceton und 


1) J. J. Abel, L. H. Rowntree, B. B. Turner, On the removal 
of diffusible substances from the circulating blood of living animals by 
dialysis. Journ. of Pharm. 5, 2, 275, 1913, Dez. Biochem. Centralbl. 16, 
2, 275, 1913/14, ref. F. Müller. 

®) Joh. Feigl und H. Luce, l. c. über Leberatrophie II (1917). 

8) Ebenda !), 5). 





90 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Acetessigsäure bestimmt'), Die Werte sind nicht höher ge- 
wesen, als sie bei chronischer alimentärer Herabstimmung sowie 
strenger Karenz beobachtet werden und bleiben hinter typischen 
Gestaltungen (Koma, Arbeitsüberlastung größeren Grades, 
Phlorhizin) weit zurück?). 

Wir fußen mit W.Mac Kim Marriott auf der nephelo- 
metrischen Methodik der Bestimmung von präformiertem Aceton, 
Aceton und Acetessigsäure (bzw. Acetessigsäure), Oxybutter- 
säure nach dem später auch von Folin und Denis (für Harn) 
überarbeiteten Prinzip von Scott Wilson. Nach der älteren 
Arbeit von Marriott steht die Gesamtangabe für 100 ccm Blut 
mit rund 0,1 mg zur Diskussion, eine Zahl, die nach unseren 
eigenen ausgedehnten Erfahrungen ungefähr das Richtige trifft. 
Die hier ermittelten Werte liegen um 0,42 bis 0,82 mg bis 
hinauf zu 1,8 mg. Wir verweisen auf unsere sonstigen Befunde 
zu dieser Frage (Feigl). Die Acetessigsäure selbst wird mit 
Mengen um 1,0 mg von uns angegeben, sie übersteigt (direkt 
und indirekt) das freie präformierte Aceton. Marriott nannte 
die Grenze mit rund 1,5 mg, ferner für Oxybuttessäure mit 
4,0 mg. Unsere Zahlen liegen zwischen 2,2 mg und 4,2 mg 
für erstere, um 6,0 mg bis 8,0 mg für die zweite. Gemessen 
an Komatösen und extrem Sportlichen (um 25 bis 30 mg 
Acetessigsäure) ist das Bild der Erhöhung unbedeutend. 

Nimmt man nun noch die Angaben von R. Sassa mit 
auf, nach denen in Blut und Organen gesunder Menschen es 
sich um Mengen von 10,0 mg bis 20,0 mg ß-Oxybuttersäure 
für 100 ccm Blut (und Organ) handelt und daß wir nur die 
höchstens doppelte Menge dieses Durchschnitts sahen®), so wird 
der Standpunkt hinsichtlich einer Ablehnung gestörter Fettver- 
brennung weiter unterstrichen, die Inanition als Ursache ver- 
ständlicher. Nach Phloridzin handelt es sich, so lehren die 
Beobachtungen Sassas, um die rund dreifachen Mengen der 


1) W. Mac Kim Marriott, The determination of the f-oxybutyrie 
acid in blood and tissues, Journ. of Biol. Chem. 16, 293, 1913/14. Ders., 
The blood in acidosis from a quantitative standpoint, Journ. of Biol 
Chem. 1, 3, 507, 1914. 

2) Joh. Feigl, l. c. (über Kreatinin I) 1917. Daselbst Befunde. 

») R. Sassa, Über den Oxybuttersäuregehalt der Organe normaler 
und diabetischer Individuen, diese Zeitschr. 59, 5/6, 362, 1914. 


Untersuchungen über akute gelte Leberatrophie. IV. 91 


oberen Grenzbeträge, während im diabetischen Koma die acht- 
fachen (Sassa) bis zehnfachen (eigene Befunde) in Betracht 
kommen. Die Ausschläge hinsichtlich präformierten Acetons 
und der Acetessigsäure sind nach unseren breiteren Ergeb- 
nissen auf Grund der Methode von Marriott weit größer, was 
mit dessen eigenen (spärlichen) Angaben im Einklange steht. 
Doch muß hier betont werden, daß die im Körper vorüber- 
gehend kreisenden Mengen an diesen Stoffen, verglichen mit 
den fortlaufend im Harn unter pathochemischen Bedingungen 
erscheinenden vergleichsweise recht gering sind. Schon aus 
diesem Grunde verlegten wir die Versuche zur Acetonkörper- 
aufklärung bei Leberatrophie in die Harnanalyse!). Bietet 
diese doch ungleich bessere Erkenntnismöglichkeiten sowohl 
was Methodik und Material, als auch was vorhandene Ver- 
gleichsgrundlagen angeht. Endlich ist die Chemie des Blutes 
nach wie vor von vielen speziellen, einstweilen nur dort lös- 
baren Aufgaben über und über in Anspruch genommen, so daß 
nur die Einführung mikrochemischer Versuchsbedingungen und 
die Tatsache vereinter Ausnutzung mehrerer Proben hier weitere 
intensive Arbeit ermöglichen. Was die pathologische Ammoniak- 
ämie angeht, so haben wir derzeit einen hohen Wert (Scheitel 
der Kurve 4,0 mg gegen Fußpunkt 0,13 mg) nach Folin?) be- 
stimmt) verzeichnet, später zum Teil nach V. Henriques und 
E. Christiansen?) nicht annähernd so hohe Zahlen, zumeist 
nur das 5- bis 8-fache der Norm gesehen. Daß sich Herab- 
minderungen des alkalischen Reservoirs der Blutflüssigkeiten 
durch saure Endprodukte finden, ist somit festgestellt, wenn 
es auch u. E. nicht richtig sein kann, diese zugleich mit den 
Acetonkörpern erklären zu wollen. Über Milchsäure werden 
wir noch berichten. 

Wir möchten nicht unterlassen, diese Säureeinwirkung 





1) Wir haben nach Fabinyi-Fromer in den Ausführungen von 
Czonka und Eungfeldt breitere Untersuchungen an pathologisch-phy- 
siologischen und pathologischen Fällen angestellt (Arbeit, Inanition usw). 
Joh. Feigl, l. o. (Über Kreatin I) 1917 u. a. Versuche von E. Querner. 

2) Joh. Feigl und H. Luce, 1. co. (Über Leberatrophie I) 1917. 

23) V. Henriques und E. Christiansen, Untersuchungen über 
den Ammoniakgehalt des Blutes I und III, diese Zeitschr. 78, 1916; 
80, 296, 1917. 


92 Joh. Feigl u. H. Luce: 


(auf das geschädigte, durch frühen Lipoidzerfall usw.) als be- 
schleunigenden Faktor der Glykogenvernichtung zu diskutieren. 
H. Elias fand in einer Studie über die Rolle der Säure im 
Kohlenhydratstoffwechsel an der überlebenden Leber bei saurer 
Durchspülung mit Ringerlösung Verlust an Glykogen, mit 
alkalischen unter sonst parallelen Verhältnissen Ansatz!), Seine 
Versuche, deren Erörterung er in Beziehung stellt zu Arbeiten 
über Anoxybiose von E. J. Lesser, über Leberglucosurien von 
E. Neubauer (Anlaß durch Anschoppung), von E. Masnig 
(über Leberdurchspülungen) lehren, daß verhältnismäßig geringe 
Säuremengen Glykogen in der Leber mobilisieren, Glucosurie 
und Hyperglykämie erzeugen und das Reservekohlenhydrat 
ungespalten (zum Teil) aus dem Organ herauslösen. Wir stehen 
nicht an, hierin verwandte Verhältnisse zu unseren Beobach- 
tungen und einen Schlüssel für weiteres Eindringen zu erblicken, 
da der Möglichkeit der Säuerung breite Tore geöfinet sind, 
die obendrein auf das nicht voll geschützte Organ mit seiner 
mechanischen Entgliederung treffen. 


Zusammenfassende Kurvendarstellung. 


Wir haben den Versuch gemacht, am Schlusse dieses Ab- 
schnittes unserer Berichte zu Beobachtungen über die Zu- 
sammensetzung von Blut und Plasma bei akuter gelber Leber- 
atrophie, die doch fast sämtlich auf dem Boden diagnostischer 
Untersuchungsverhältnisse, nicht systematischer, biochemischer 
Aufarbeitung stehen, in einem Einheitsbilde kurvenmäßig die 
Ergebnisse zusammenzufassen. Daß diese Absicht, die sich 
u. E. nur in stark schematisierter Form kombinatorisch aus den 
Einzelfällen verwirklichen läßt, wenn sie das Wesentliche vor- 
führen soll, der Anschauung gerade der Entwicklungsvorgänge 
für kürzere Orientierung an Stelle der verzweigten, zum Teil 
unübersichtlichen Wiedergabe in den Tabellen der vorher- 
gehenden Arbeit über Fette und Lipoide, der jetzigen über 
RN und Zucker, dienen wird, möchten wir annehmen. Indes 
möchten wir davor warnen, an das Kurvenbild im einzelnen 
zu eindringliche Fragen stellen zu wollen. Es wurde so ent- 


1) H. Elias, Über die Rolle der Säure im Kohlenhydratstoffwechsel. 
Über Säurediabetes, diese Zeitschr. 48. 120, 1913 (mit eingehender 
Literatur). 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 93 


wickelt, daß die Abszisse den gesamten Bereich der Norm 
enthält — zwischen hohen und niederen Grenzwerten; diese 
wurden so zweckdienlich bewertet, als es sich durchführen 
ließ. Aus diesem Bereich heraus wurden nach oben die Stei- 
gerungen (über den eingesetzten normalen Grenzwert), nach unten 
(entsprechend) die Senkungen abgeleitet. Die Gradmesser der 
Steigerungen und Senkungen der Spiegel für RN, Amino-N, 


UrN usw. wurden auf den zahlenmäßigen Betrag der Grenz- 
werte bezogen und in dessen Vielfachem auf die Ordinate auf- 
getragen. So wurden Einzelkurven für jede Frage gesammelt 
und diese dann schematisiert. Direkt vergleichbar sind auf 
diesem Wege die gekennzeichneten Mittelkurven der RN-Stoffe, 
soweit sie als N figurieren; sie geben also wirkliche Bilder 
der Wechselbeziehungen. Kreatinin, Kreatin und Harnsäure 
erscheinen, teils um ihren Verlauf äußerlich besser anzuzeigen, 
nach Molekülen, stehen also nicht direkt zu den N-Komponenten 
und Fraktionen im Vergleich. Das zunächst fragliche Bild der 
Fettsäuren (Gesamt-) und des Neutralfettes erklärt sich aus dem 
(früheren und relativen) höheren Anwachsen der letzteren. Die 
Senkungen begründen sich ähnlich. Es wurde der Lebens- 
abschnitt der letzten zwei Wochen vor dem exitus für sich 
abgetrennt. Er enthält den charakteristischsten Teil des Ver- 
laufes. Dann wurde ein Abschnitt (Zwischenstück) ausge- 
lassen, weil es durch Bindungen mit dem früheren (32. bis 
20. Tag vor exitus) zu verknüpfen wäre und keine Sprünge der 
Kurven enthält. Natürlich ist auch die Entwicklung insofern 
schematisiert, als die Verlegung auf Tage und Abschnitte aus- 
gleichend gemacht werden mußte. Der Frühabschnitt enthält 
die vorübergehenden Anstiege. Trotz der Einzwängung in ein 
abgleichendes Schema kommen u. E. die Gründe gut zum 
Ausdrucke, die wir aus unseren Reihenbeobachtungen ableiteten, 
um Abschnitte des Verlaufes zu charakterisieren. Diese Zer- 
gliederung der Entwickelung war ja die Vorarbeit für die er- 
strebte Formulierung diagnostischer und prognostischer Anhalts- 
punkte, deren Darstellung uns zum Zwecke genauer Anschauung 
des Gesamtbildes notwendig schien. Jedenfalls zeigt das Kurven- 
bild Beginn der Umstimmungen und Verlauf derselben gleich- 
zeitig und nach deren Individualität an, wobei in Hinsicht auf 
Zeit und Grad der Abwandlungen der Vergleich ersichtlich wird. 


94 Joh. Feigl u. H. Luce: 


Ohne die Kurve erklären zu wollen — soll sie doch für 
sich selbst und aus sich selbst sprechen — verweisen wir auf 


das so gegensätzliche Verhalten von RN, Amino-N, UrN usw., 
ferner auf den Inhalt des Frühabschnittes, der „Krise“ und 
„Umschwung“ enthält und sein Wesen im RN, Amino-N, BZ, 
Lecithin, Rest-P (gesteigert) zu erkennen gibt. 

Endlich möchten wir darauf hinweisen, daß die Befunde 
aus der chemischen Blutuntersuchung einer Ergänzung durch 
Ergebnisse physikalisch-chemischer Methoden sowie ferment- 
biologischer Verfahren, daß sie endlich morphologisch-hämato- 
logischer Feststellungen bedürfen. Dieser letztgenannten um so 
mehr, als die Verteilung der Stoffe auf Vollblut und Plasma 
(damit auf Erythrocyten, deren Menge, Volumen, Zustand 
dadurch berührt wird) in Beschreibung und Erörterung ange- 


IDANNEERN 
ARERENINIR 





Z| 
w 
3 
p 
=) A 
= 
S 
E 
= 


ITS 
Ei 


= RN sms Rest P 

PEER = AN ——— Blutzucker 
— UN i Oa- Leeithin 
un  Krtin -——-— Anorg. P 
~ Krt -A—â— Ges. Fettsäuren 
—— - Chol. —x—*- Neutr. Fett 


— 


. Hauptkurve. Spätverlauf mit t. 
Fig. 1. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 95 





3 30 24 27 27 25 25 24 22 22 21 20 
Tage 
II. Nebenkurve. Frühperiode mit „Krise“. 
Fig. 2. 


schnitten wurde und als in einem Falle der Nachweis von 
Hämatin im Serum gelang!). 


Schlußsätze. 


In der vorliegenden (vierten) Mitteilung zur Kenntnis der 
akuten gelben Leberatrophie wird über Untersuchungen be- 
richtet, die an vier tödlichen und einem geheilten Falle ange- 
stellt wurden. Dabei wurde ein Fall, (1915) mitgeteilt von 
Feigl und Luce (1917), in lückenloser Reihe klinisch beob- 
achtet und pathochemisch nach seiner Entwickelung verfolgt. 
Ein weiterer stand an den letzten sechs Lebenstagen, die 
übrigen zwei im letzten Stadium mehrfach zur Untersuchung. 

Die vorstehend aufgeführten Beobachtungen beziehen sich 
nur auf die Zusammensetzung von Blut und Plasma. Zunächst 
wurde vom Standpunkte der Erweiterung und Gegenprüfung 
aus das Gebiet des Nichtproteinstickstoffes eingehend erforscht, 
über das mit Ausnahme unserer jüngsten, eigenen Mitteilung 
(Nr. I, 1917) nur die präparative (für Aminosäuren) Arbeit von 
Neuberg und Richter nichts existierte. Damals und heute, 
zum Teil in verfeinerter Form, auf den gegenwärtig besten, 
inzwischen eingehend ausgeprobten Methoden zumeist mikro- 
chemischen Charakters fußend, wurden Untersuchungen über 


den Gesamt-RN, über seine Struktur, über UrN, Amino-N 
(summarisch nach Bang, berechnet nach Feigl und Luce, 
direkt bestimmt nach van Slyke), über Kreatin und Kreatinin, 
Harnsäure (und Purinverteilung), Ammoniak angestellt und nach 
deren Einzelbefunden der Ablauf der Vorgänge dargetan. 


1) F. Leonchi, Beitrag zum Studium der Veränderungen des Blutes 
bei akuter P-Vergiftung. Biochem.Centralbl. 17, 391, 1914/15, ref. Ascoli. 
L. fand keine Schädigung des O,Hb, der Erythrocyten, keine Resistenz- 
verminderung. Joh. Feigl und R. Deußing, Neue Beobachtungen zur 
Kasuistik des Vorkommens von Hämatin II, diese Zeitschr. 85, 1918. 


96 Joh, Feigl u. H. Luce: 


Dabei ergab sich, daß im ganzen die Tendenz der Ent- 
wickelung als einheitlich zu gelten hat, wenn auch individuelle 
Unterschiede, die nach unserer früheren Äußerung aufzufassen 
sind, sich geltend machen können. 

Ferner wurde das Verhalten des Blutzuckers beobachtet, 
wobei auch methodologische Interessen verfolgt wurden. Es 
ergaben sich Gesichtspunkte zur Kritik der einschlägigen Ver- 
fahren vom Standpunkte der Restreduktion aus unter den ganz 
eigenartigen, extremen Verhältnissen der Blutzusammensetzung 
an Krystalloiden. Die Pikratreduktion bewährte sich. Der 
Blutzucker erfuhr im Frühstadium eine echte Steigerung zu 
einer kaum hyperthermisch. erklärlichen Hyperglykämie ohne 
eigentliche Glucosurie. Später sinkt derselbe, zumeist nicht 
unerheblich. Damit hatten wir zugleich mit der Erweiterung 
unserer (klinischen und experimentellen) Kenntnisse über Hypo- 
glykämien Anhaltspunkte für den Verlauf der Zuckermobili- 
sation gewonnen. Das Blut verarmte an Glykogen. 

Neben dem deskriptiven Interesse verfolgten unsere Unter- 
suchungen außerdem die Absicht, einmal die Einzelgebiete 
lückenlos zu Entwickelungsbildern zusammenzuknüpfen, ferner 
aber die übrigen, bisher beobachteten Elemente von Blut und 
Plasma in ihrer Reihenordnung (Fette, Lipoide, P-Verteilung) 
gegeneinander zu stellen. Es handelte sich für uns darum, 
das Entwickelungsschema zur Darstellung zu bringen und mit 
seiner Hilfe Charakteristiken für bestimmte Perioden des Ver- 
laufes zu gewinnen, die zur Kennzeichnung und Abgrenzung 
gewisser Stadien befähigt sein sollten. Auf diese Weise er- 
kannten wir, daß der Abschnitt, der die Hyperglykämie, die 
ersten bezeichnenden RN-Abartungen und den steigenden 
Rest-P enthielt, sich um die Krise erstreckte, die also durch 
diese Angaben bezeichnet und aufgefunden werden kann, wäh- 
rend das Absinken des (inzwischen angewachsenen) Plasma- 
lecithins sowie des Blutzuckers usw. den Abstieg aus dem 
Umschwunge in die irreparable Artung der Fälle einzuleiten 
scheint. Wir glauben hierin, in der Zusammenfassung der 
Sondergebiete nach ihrem Entwickelungsgange, Aussichten und 
Möglichkeiten für Diagnose und Prognose erblicken zu dürfen, 
jedenfalls in höherem Grade als sie die Kenntnis einzelner, 
selbst charakteristischer (RN) Zeichen zu bieten vermag. 


Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 97 


Daß die akute gelbe Leberatrophie in den Zahlen für 
alle Komponenten der Blutflüssigkeit durch Komplikationen 
oder vorgängige pathologische Einflüsse der verschiedensten 
Art vom Schema leidlich „reiner“ Fälle abweichen kann, wobei 
bestimmte Ausschnitte der typischen Entwickelung sich modi- 
fizieren oder verwischen, wurde an Hand von einzelnen Lite- 
raturen besprochen. Das allgemeine, auch durch eigene Unter- 
suchungen näher bzw. gut bekannte Gebiet des Nichtprotein- 
stickstoffes und seiner Gliederung wurde für die Leberatrophie 
in dieser Hinsicht durch Abwägen verwandter neuauftauchender 
Befunde diskutiert. 

Da diese (IV.) Mitteilung den einstweiligen Abschluß 
von Berichten über methodisch-analytische (klinisch-diagnostisch 
erwägenswerte) Verhältnisse von Blut und Plasma darstellen soll, 
wurde in ihr der Zusammenschluß bisheriger Einzelgebiete zu 
dem genannten Entwickelungsschema besprochen, das kurven- 
mäßig eine schnelle Orientierung zu bieten bestimmt ist. 

Das Verhalten der Acetonkörper des Blutes und die Aci- 
dose überhaupt wurde, soweit hier durchführbar, gekennzeichnet. 
Aceton, Acetessigsäure, Oxybuttersäure traten in Mengen auf, 
die durch Inanition u. E. erklärt werden durften, wenn auch 
der Ammoniakspiegel Erhebungen darbot, die über eine derart 
faßbare Beziehung hinausgingen, mithin andere Quellen außer- 
dem in Anspruch genommen haben. 

Die Blutuntersuchung präparativ-analytischer Richtung 
brauchen wir für die (mehr theoretische) Frage der Purinver- 
teilung, individueller Detaillierung des RN-Gebietes u. a. m. 
Hiermit wird sich eine weitere, mit der zum Verständnis der 
Blutzusammensetzung nötigen oder förderlichen Kenntnis von 
Analysenwerten über die Organreste eine fernere Mitteilung 
beschäftigen. 

Daß manche Fragen, z. B. die der Acetonkörper und die 
der Kreatinabartung bei den Voraussetzungen der analytischen 
Verhältnisse im Blute nicht genügend in Angriff genommen 
und geklärt werden können, wurde hervorgehoben. Aus diesem 
Grunde und in Rücksicht auf weitere allgemeine wie spezielle 
Aufgaben wurde die Harnanalyse durchgeführt, über die gleich- 
falls später zu berichten sein wird. 


Biochemische Zeitschrift Band 86. i. 


Über die Beeinflussung von Reaktionsgeschwindig- 
keiten durch Lipoide. 


Von 
“M. Siegfried. 
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Leipzig.) 


(Eingegangen am 28. Oktober 1917.) 


Das Interesse an den Lipoiden ist erheblich gestiegen, 
seitdem man ihren Einfluß auf biologische Reaktionen kennen 
gelernt hat. Dieser Einfluß ist gegenüber Fermentwirkungen 
und bei Immunitätserscheinungen bemerkbar, und zwar teils 
in die Reaktionen fördernder, teils in hemmender Weise. Die 
Kompliziertheit und teilweise ihre Unübersichtlichkeit macht 
ein klares Erkennen der Lipoidwirkung schwierig. Deshalb 
ist es nötig, die Lipoidwirkung zunächst an einfachen, genau 
kontrollierbaren Reaktionen zu studieren. Die im folgenden 
mitgeteilten Versuche sind aus dieser Überlegung unternommen; 
sie sind ein Teil der bisher mit Herrn R. Lehmann ausge- 
führten Untersuchungen, über die später, nach Rückkehr des 
Herrn Lehmann aus dem Felde, berichtet werden soll. 

Diese Untersuchungen haben bei den angewandten Re- 
aktionen eine ausgeprägte hemmende Wirkung der Lipoide 
ergeben. 

Gelbes Quecksilberjodid lagert sich bekanntlich schnell 
in die rote Modifikation um. Stellt man es jedoch auf ver- 
schiedenen Wegen bei Gegenwart von Lipoiden dar, so bleibt 
die gelbe Modifikation erhalten. Man kann solches gelbes 
Mercurijodid monatelang, länger als ein Jahr aufbewahren, 
ohne daß auch nur ein Teil desselben in die rote Modifikation 
übergeht. Diese gelbe Modifikation dürfte infolge seiner phy- 


M. Siegfried: Beeinflussung v. Reaktionsgeschwindigk. d. Lipoide. 99 


sikalischen Beschaffenheit das rote Mercurijodid aus der Tier- 
arzneipraxis verdrängen und auch sonst therapeutische An- 
wendung finden. 

Von Oxydationswirkungen wurde die Oxydation verschie- 
dener Stoffe, besonders die des Phenylhydrazins durch ammoniaka- 
lische Silbernitratlösung eingehend untersucht. Hier zeigte sich 
ebenfalls eine ganz wesentliche Verlangsamung der Reaktion 
durch Lipoide. Ganz besonders ist bei Gegenwart von Lipoi- 
den die Geschwindigkeit der Reaktion vom Lichte abhängig, 
indem schon zerstreutes Tageslicht die Verlangsamung der 
Reaktion durch Lipoide ganz bedeutend herabsetzt. Die Be- 
lichtung kann den Einfluß von Lipoiden auf die Oxydations- 
wirkung ganz aufheben. 

Die geprüften Reaktionen werden durch die Gegenwart 
von Lipoiden gehemmt, über andere Reaktionshemmungen 
durch Lipoide werde ich später berichten. Bisher bin ich 
keiner Reaktion begegnet, bei der die Gegenwart der Lipoide 
eine Beschleunigung bewirkt hätte. Nach den bisherigen Er- 
fahrungen wirken also die Lipoide als negative Katalysa- 
toren. 

Wenn sich herausstellen sollte, daß es ein allgemein gil- 
tiges Gesetz ist, daß die Lipoide als negative Katalysatoren 
wirken, so muß dieses Gesetz auch im Organismus zur Gel- 
‚tung kommen. Wir müßten dann annehmen, daß Gegenwart 
und Abwesenheit von Fetten, bzw. Gegenwart größerer und 
kleinerer Lipoidmengen auf die Vorgänge im Tier und in der 
Pflanze von Bedeutung sind. Es ist bekannt, daß beim hun- 
gernden Tier nach Verbrauch des größten”Teiles der Fette 
eine prämortale, unverhältnismäßig große Steigerung der Ei- 
weißzersetzung und des Zellzerfalles stattfindet. Hierfür gibt 
es bisher keine ausreichende Erklärung, da der Zerfall größer 
als für den Ausgleich der durch Wegfall der Kohlenhydrat- 
und Fettzersetzung entfallenden Calorien ist. Wenn die Fette 
die Reaktionsgeschwindigkeiten herabsetzen, so verstehen wir, 
daß bei weitgehender Fettverarmung im Organismus ein 
schnellerer Zerfall des Eiweißes dadurch bedingt wird, daß 
die normalen Hemmungen der Reaktionen, die das Eiweiß 
spalten und oxydieren, wegfallen. 


7* 


100 M. Siegfried: 


Experimentelles. 


I. Einfluß der Lipoide auf gelbes Mercurijodid. 


Setzt man zu einer alkoholischen Lösung von Kalium- 
jodid die äquivalente Menge alkoholischer Mercurichloridlösung 
und dann Wasser, so scheidet sich ein gelblicher Niederschlag, 
gelbes Mercurijodid, aus, der sehr bald in rotes krystallisiertes 
Mercurijodid übergeht. Anders, wenn die alkoholische Lösung 
ein Lipoid: Fett, Lecithin, Harze enthält. Dann bleibt die 
gelbe Farbe des Niederschlages bestehen, ‘und der Niederschlag 
ist nicht krystallinisch, sondern amorph. Der Grund der Ver- 
zögerung des Reaktionsverlaufes liegt in der Gegenwart des 
Lipoides im Niederschlag, oft nur in äußerst geringen Mengen. 
Denn entfernt man das Lipoid durch Alkohol oder besser 
Äther, so geht die gelbe Modifikation des Mercurijodids schnell 
in die rote über. 


Versuch 1. 


10 ccm einer 1°/,igen Lösung von Lecithin (E. Merck) in 
Alkohol wurden mit 10 ccm "/, „alkoholischen (96°/,) Lösung von 
Sublimat vermischt, dazu 10 ccm einer alkoholischen (96°/,) 
n/ o- Lösung von Kaliumjodid, zu der Mischung wurden 90 ccm 
Wasser gegeben; der gelbe Niederschlag wurde abgesaugt, mit 
Wasser gewaschen und über Schwefelsäure getrocknet. Er 
blieb gelb. 


Versuch 2. 


Ebenso wie Versuch 1, jedoch wurden an Stelle der alkoho- 
lischen Lecithinlösung 10 ccm Alkohol gegeben. Nach Zusatz 
des Wassers entstand ein schnell rot werdender Niederschlag. 

Entsprechende Versuche wurden mit einer Reihe von 
Fetten und Harzen ausgeführt, und die Mengen dieser Stoffe 
variiert, d. h. allmählich in einzelnen Versuchen verringert, bis 
eine weitere Verringerung sich als unzureichend für Erzielung 
eines dauernd gelben Niederschlages erwies, So wurden die- 
jenigen Mengen Fett und Harz festgestellt, die gerade noch 
genügten, um den Übergang der gelben Modifikation in die 
rote zu vermeiden. Für 1g HgCl, und die entsprechende 
Menge Kaliumjodid wurden so als eben noch ausreichende 
Mengen folgende gefunden: 


Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide. 101 


Lecithin . .....004 g 
Schweinefett . . . 0,005 g 
Sandarakharz. . . 214 g 
Kopalharz . . . . 0,2143 g 
Kolophonium . . . 0,0714 g 


Mastix . . .. . 0,007 g. 

Unwirksam erwiesen sich Dammarharz, Benzoe, Vaseline, 
Paraffinum liquidum. 

Die Niederschläge setzten sich oft sehr langsam ab. 

Der gelbe Mercurijodid-Niederschlag wurde ferner auf 
folgende Weise dargestellt: 

Sublimat und Jod wurden in alkoholischer Lipoidlösung 
unter Aufkochen gelöst, nach dem Erkalten wurde bis zur 
Entfärbung durch Bindung des Jodes Natriumsulfit bzw. schwef- 
lige Säure zugesetzt. Die Mengenverhältnisse zwischen Mercuri- 
chlorid und Jod wurden mannigfach variiert. Ohne Zusatz 
von Lecithin, Fett oder Harz wurde der zunächst entstehende 
gelbe Niederschlag schnell rot. Wurde jedoch z.B. zu der 
aufgekochten Mischung von 1,36 g HgÜCl,, 0,68g J und 10ccm 
1°/,iger alkoholischer Lecithinlösung wäßrige schweflige Säure 
oder Natriumsulfit gegeben, so blieb der Niederschlag gelb. 
So wurden aus 2,72 g HgCl, +1,36 g J 20 ccm 1°/,iger 
alkoholischer Kolophoniumlösung und wäßriger schwefliger Säure 
ein gelber Niederschlag erhalten, der nach Absaugen, Waschen 
mit Wasser und Trocknen im Exsiccator über Schwefelsäure 
2,25 g wog. Dieser Niederschlag enthielt geringe Mengen Cl 
(0,11 °/,). Ein aus 1,36 g HgCl, und 0,68g J in 10 ccm al- 
koholischer Lecithinlösung mit wäßriger schwefliger Säure ge- 
wonnener gelber Niederschlag war chlorfrei. Er gab bei der 
Analyse: Hg = 42,63 |, J= 52,75 °| Für HgJ, berechnet 
sich Hg = 44,14 °/,, J = 55,86 °/ẹ Der Niederschlag enthielt 
also 4,6 °/, Kolophonium. Setzt man die 95,38 °/, (Hg= 
42,63°/,+J=52,75°/,) gleich 100°/,, so erhält man für Hg 
—=44,68°/, und für J=55,32°/,. Der Niederschlag enthält 
also die Elemente Jod und Quecksilber im selben Verhältnisse 
wie HgJ,; er bestand somit aus Mercurijodid und etwas Kolo- 
phonium. 

Rotes Mercurijodid geht bei 116° in die gelbe Modifika- 
tion über, die.nach dem Erkalten wieder rot wird. Hierbei 


102 M. Siegfried: 


entsteht krystallisiertes gelbes Mercurijodidd.. Um zu prüfen, 
ob dieses auch bei Gegenwart von Lipoiden und Harzen lang- 
sam oder nicht in die rote Modifikation übergeht, wurden 
erstens 0,5 g rotes Mercurijodid im Bombenrohr mit einer 
10°/,igen alkoholischen Kolophoniumlösung 6 bis 7 Stunden 
lang auf 120° bis 130° erhitzt; zweitens wurden 2g rotes 
Mercurijodid mit 30 ccm einer 5°/,igen alkoholischen Kolo- 
phoniumlösung im Autoklaven auf 180° eine halbe Stunde er- 
hitzt. In beiden Fällen bestand nach dem Erkalten der größere 
Teil des Mercurijodides aus krystallisiertem gelben Jodid. 


II. Einfluß der Lipoide auf die Reduktion ammonia- 
kalischer Silbernitratlösung durch Glucose. 

Fein gepulvertes Silbernitrat wurde mit warmem Äthyl- 
alkohol behandelt, die erkaltete Lösung wurde filtriert; die 
Konzentration wurde durch Eindampfen von 10 ccm der Lö- 
sung bestimmt. Analog wurde die alkoholische Traubenzucker- 
lösung hergestellt und deren Konzentration ermittelt. Zu den 
Parallelversuchen mit und ohne Schweinefett wurde eine am- 
moniakalische Silberlösung verwendet, die durch Zusatz von 
absolut alkoholischer Ammoniaklösung zu der alkoholischen 
Silbernitratlösung erhalten wurde. Bei jedem der Parallelver- 
suche wurde die gleiche Menge alkoholischer Traubenzucker- 
lösung angewandt, bei dem einen Versuche alkoholische Fett- 
lösung, bei dem anderen dasselbe Volum absoluter Alkohol dazu- 
gegeben. Die Reaktion wurde in Erlenmeyer-Kölbchen mit 
eingeschliffenem Stopfen vorgenommen. Nach Beendigung der 
Versuche wurden beide Reaktionsgemische gleichzeitig durch 
aschefreie Filter filtriert, die Niederschläge erst mit Alkohol, 
dann mit Wasser gewaschen, getrocknet, verascht, der Rück- 
stand mit Salpetersäure gelöst, das Silber als Chlorsilber ge- 
fällt; mit diesem wird das durch Auflösen des an den Erlen- 
meyer-Kölbcehen anhaftenden Silbers in Salpetersäure und 
Abscheidung durch Salzsäure erhaltene Chlorsilber vereinigt, 
auf Gooch-Tiegeln gesammelt und gewogen. 


Versuch 1. 
0,0681 g AgNO,, 0,3233 g Glucose in b) 0,2320 g Schweine- 
fett. Gesamtvolum 85 ccm. 16 Stunden bei ca. 20° im Dunkeln. 


Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide, 103 


Gefunden a) ohne Schweinefett 0,0027 g Ag, b) mit Schweine- 
fett 0,0011 g Ag, Differenz 59 °/,. 


Versuch 2. 

0,1195 g AgNO,, 0,4030 g Glucose in b) 0,3510 g Schweine- 
fett. Gesamtvolum je 170 ccm; 3,5 Stunden bei 40°. Gefun- 
den a) ohne Schweinefett 0,0096 g Ag, b) mit Schweinefett 
0,0033 g Ag, Differenz 65,6 °/,. 

Im folgenden Versuche wurde im Verhältnis zum Silber- 
nitrat eine größere Menge Glucose angewandt. 


Versuch 3. 

0,1139 g AgNO,, 1,0080 g Glucose in b) 0,3040 g Schweine- 
fett. Gesamtvolum je 220 ccm. Nach 1 Stunde war in dem 
Kölbchen, in dem sich kein Fett befand, eine starke Abschei- 
dung von Silber eingetreten, während in dem anderen die Lö- 
sung nur rotbraun verfärbt war. Nach 3stündigem Erwärmen 
auf 40° wurden beide Lösungen sofort in Eiswasser gestellt. 
Gefunden: a) ohne Schweinefett 0,0199 g Ag, b) mit Schweine- 
fett 0,0075 g Ag. Differenz: 62,4 °/,. 

Im folgenden Versuche wurde die Reaktion schon nach 
1,5 Stunden abgebrochen. 


Versuch 4. 
0,1139 g AgNO,, 1,0000 g Glucose in b) 0,3040 g Schweine- 
fett. Gesamtvolum je 220 ccm. Gefunden: a) ohne Fett 
0,0123 g bzw. b) mit Fett 0,0017 g Ag. Differenz: 86,0°/,. 


Versuch 5. 

Als Lipoid wurde hier Lecithin angewendet. 0,1112 g 
AgNO,, 1,0180 g Glucose in b) 0,5 g Lecithin. Gesamtvolum 
je 170 cem, 2 Stunden bei 40°. 

Während in dem Kölbchen, in dem sich kein Lecithin 
befand, 0,0096 g Ag abgeschieden hatte, hatte in dem anderen 
Kölbcben das Lecithin die Reduktion der Silberlösung über- 
haupt verhindert. 

Den Einfluß der Menge des Schweinefettes auf die Re- 
duktion der ammoniakalischen Silbernitratlösung zeigen folgende 
Versuche. 


104 . - M. Siegfried: 


I. 0,1119 g AgNO,, 1,0000 g Glucose. Temperatur 40°. 


1?/, Stunde. 
a b c d 
Fett . 0,3040 g 0,1520 g 0,0760 g 0,0000 g 
Ag. . 0,0026 g 0,0041 g 0,0077 g 0,0103 g. 


II. 0,1119 g AgNO,, 1,0000 g Glucose. Temperatur 40 bis 
45°. 1!/, Stunde. 


a b c 
Fett. . 0,0403 g 0,0100 g 0,0100 
Ag . . 0,0108 g 0,0125 g 0,0127. 
Man sieht, daß ein wesentlich geringerer Zusatz als 5°/, 
der Glucose an Schweinefett die Reaktion nicht mehr hemmt. 


III. Einfluß der Lipoide auf die Oxydation von Phenyl- 
hydrazin durch ammoniakalische Silbernitratlösung. 


Bei diesen Versuchen bewirkten die Lipoide eine augen- 
fällige Verlangsamung der Oxydation des Phenylhydrazins, der 
Zeit nach gemessen um das Mehrfache der Zeitdauer der Re- 
aktion bei Abwesenheit der Lipoide; jedoch schwankten die 
Werte in Parallelversuchen erheblich. Es stellte sich heraus, 
daß bei Gegenwart von Lipoiden das Licht von größe- 
rem Einfluß auf die Zeitdauer der Reaktion ist. Des- 
halb wurden die weiteren Versuche, deren Ergebnisse hier mit- 
geteilt werden, im dunkeln Raume bei der Beleuchtung durch 
eine 25kerzige gewöhnliche Wolframbirne ausgeführt. Die 
Fläschchen, in denen die Reaktionen vorgenommen wurden, 
wurden hierbei gegen die Glühbirne gehalten. Nach den Ver- 
suchen wurden die ‚Kölbchen (Erlenmeyer) sorgfältigst mit 
Kaliumbichromat und konzentrierter Schwefelsäure gereinigt, 
um jede Spur Fett zu entfernen. Bei den einzelnen Versuchs- 
reihen wurden abwechselnd Versuche ohne Lipoid und mit 
Lipoid ausgeführt. Die Geschwindigkeit ist in Sekunden an- 
gegeben, die mit einer Stoppuhr bestimmt wurden. Nachdem 
der letzte Tropfen der alkoholischen Phenylhydrazinlösung zu- 
gesetzt war, wurde die Stoppuhr angestellt, es wurde rasch um- 
geschüttelt und beobachtet, das Kölbchen gegen die Glühbirne 
gehalten, bis sich ein schwacher Niederschlag abgeschieden 
hatte, der die Durchsicht durch die Lösung verhinderte. Da- 
durch, daß in unmittelbarem Wechsel alternierend ein Versuch 


Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide. 105 


ohne Lipoid einem solchen mit Lipoid folgte, wurden subjek- 
tive Beobachtungsfehler so gut wie vermieden. 

In die Beobachtungskölbchen wurden gegeben: 5 com ®/,o- 
alkoholischer Silbernitratlösung, 1,5 ccm "/,-alkoholischen Am- 
moniaks, die durch Alkohol auf 20 com ergänzte Lipoidlösung 
bzw. 20ccm Alkohol; 1 ccm einer 2°/ igen alkoholischen Lö- 
sung von Phenylhydrazin. 

In den hier angegebenen Versuchswerten bedeuten die 
Zahlen Sekunden; die Versuchsnummern mit ungeraden Zahlen 
beziehen sich auf Versuche ohne Lipoid, die mit geraden Zahlen 
auf Versuche mit Lipoid. 


Versuche mit Lecithin. 
Temperatur 18°. 

1. 10 ccm einer 0,1°/ igen Lecithinlösung = 0,01 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3!/, 63° 3 58h 

~ 2. 9 ccm der Lecithinlösung — 0,009 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 42°/, 2°/, 43°], 

3. 8 ccm der Lecithinlösung = 0,008 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 8 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3!/, 37°, 3 41), 34°), 38°, 

4. 7 cem der Lecithinlösung = 0,007 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 8 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 381, 3 344), 35°), 33°], 

5. 6ccm der Lecithinlösung — 0,006 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3!/, 33%/, 3/, 31%), 

6. 5 ccm der Lecithinlösung — 0,005 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 
Reaktions-Dauer, Sek.: 2*, 25°), 3°, 27°], 28°], 

7. 4ccm der Leecithinlösung = 0,004 g Lecithin. 


Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 
Reaktions-Dauer, Sek.: 31), 27 3 25 23%], 


106 M. Siegfried: 


8. 3 ccm der Leeithinlösung = 0,003 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 8 10 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 22%, 3 20°), 18 21°/, 20°, 


9. 1 ccm der Leecithinlösung — 0,001 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 
Reaktions-Dauer, Sek.: 29 9, 3% ` 8 9%, 


10. 0,7ccm der Lecithinlösung — 0,0007 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 7, 3% 8 8 


11. 0,5 cem der Leeithinlösung — 0,0005 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3), 51), 2, 6’ 


Die Übereinstimmung der einzelnen beobachteten Werte 
für die Zeitdauer der Reaktion ist bei Abwesenheit von Lipoid 
viel genauer als bei Gegenwart desselben und wird absolut, 
wie sich namentlich aus den weiter unten mitgeteilten Werten 
bei höherer Lipoidkonzentration ergibt, ungenauer mit der Zu- 
nahme der Lipoidmenge. Dies ist verständlich, da, je lang- 
samer die Reaktion vor sich geht, sich auch um so weniger 
scharf der Übergang der Verfärbung in das undurchsichtige 
Schwarz erkennen läßt. 

Die Differenz der Genauigkeit macht sich daher nicht be- 
merkbar, wenn man die Differenzen prozentuarisch berechnet, 

Die Versuche zeigen den starken hemmenden Einfluß des 
Lecithins auf die Reaktion. Berechnet man aus dem Volum, 
das stets 27,5 ccm betrug, und der Menge zugesetzten Lecithins 
den Prozentgehalt an Lecithin, so findet man im Mittel jeder 
Versuchsreihe für G, den Geschwindigkeitsfaktor, der anzeigt, 
um ein Wievielfaches die Reaktion verzögert wurde, folgende 
Werte: 


Versuchs-Nr.: 1 2 3 4 5 6 
0 Lecithin: 0,0364 0,0327 0,0291 0,0255 0,0218 0,0182 

G: 18,2 15,3 12,3 11,95 10,5 8,9 

Versuchs-Nr.: 7 8 9 10 11 


0j Lecithin: 0,0145 0,0110 0,0036 0,0025 0,0018 
G: 8,0 6,85 2,93 2,5 1,9 


Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide. 107 


Also noch ein Gehalt von 0,0018°/, Lecithin verzögert 
die Reaktionsdauer um das Doppelte, ein solches von 0,0364 °/, 
um das 18fache! 

Es interessierte zu prüfen, ob ein höherer Lecithingehalt 
auch weiter die Reaktion entsprechend der Lecithinkonzen- 
tration verlangsamte. Tatsächlich nimmt die Hemmung mit 
dem Lecithingehalte stetig zu und erreicht bei einer Lecithin- 
konzentration von 0,36°/, den 119fachen Wert der Reaktions- 
dauer. 


12. 2 ccm einer 1°/,igen Lecithinlösung — 0,02 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 31/, 75°], 3 80 


13. 4ccm der Lecithinlösung — 0,04 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 2 148%), 1, 14h 


14. 6 ccm der Lecithinlösung = 0,06 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 2), 209?/, 31), 200 


15. 8ccm der Lecithinlösung — 0,08 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 246°), 3%, 200 232°), 


16. 10 ccm der Leecithinlösung — 0,1 g Lecithin. 
Versuchs-Nummer: 1x; 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 315°), 2°, 330 


Versuchs-Nr.: 12 13 14 15 16 
2 Lecithin: 0,0727 0,1454 0,2184 0,2908 0,3636 
G: 25,1 48,3 68,2 73 119,5 


Versuche mit Schweinefett. 


Geschmolzenes und filtriertes Schweinefett wurde mit ab- 
solutem Alkohol gelöst, filtriert. Durch Eindampfen von 10 ccm 
der Lösung wurde die Konzentration als 0,719°/, ermittelt. 
1,5 ccm 0,2 normales alkoholisches Ammoniak. 1 ccm Phenyl- 
hydrazinlösung (2°/,)., Gesamtvolum 47,5 ccm. Temperatur 
15 bis 17°. 


108 M. Siegfried: 


1. 5 ccm Schweinefettlösung — 0,0359 g Fett. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 
Reaktions-Dauer, Sek.: 7, 11 8), 10 6 


2. 10 ccm Schweinefettlösung = 0,0719 g Fett. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 6 
Reaktions-Dauer, Sek.: 6°?/, 22), 9°), 19 8 2h 


3. 15 cem Schweinefettlösung = 0,1079 g Fett. 


Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 8 33%, 9 33], 


4. 20 cem Schweinefettlösung — 0,1438 g Fett. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 6 
Reaktions-Dauer, Sek.: 9_ 371, 9), 41°, 9%, 45°, 


5. 25 ccm Schweinefettlösung — 0,1798 g Fett. 
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 6 
Reaktions-Dauer, Sek.: 11 63%), 9 52 8, B1h 


6. 30 ccm Schweinefettlösung = 0,2157 g Fett. 


Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 
Reaktions-Dauer, Sek.: 12?/, 69'/, 12°), 68°], 
Versuchs-Nr.: 1 2 3 4 5 6 
0j, Fett: 0,075 915 0225 03 038 0,45 
G: 14 26 395 44 54 55 


Man sieht, daß das Schweinefett ebenfalls stark die Re- 
aktionsgeschwindigkeit hemmt, wenn auch bei weitem nicht 
in dem Maße als das Lecithin. So verzögerte ein Lecithin- 
gehalt von 0,3°/, die Reaktion um das 73fache, während die 
gleiche Konzentration an Schweinefett nur eine 4,4fache Ver- 
zögerung bewirkte. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß das 
Gesamtvolum bei den Versuchen mit Schweinefett ein größeres 
war, somit die Konzentration an ammoniakalischer Silbernitrat- 
lösung und Phenylhydrazin eine geringere, wenn auch die 
absolute Menge dieser Stoffe die gleiche war. Versuche 
unter ganz gleichen Konzentrationsverhältnissen sollen aus- 
geführt werden, sobald es möglich ist. 

Versuche mit Cholesterin ergaben, daß dieses 
nicht hemmt. 


Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide. 109 


Ferner wurde das hemmende Vermögen folgender Öle, 
deren Reinheit durch Bestimmung der Hüblschen Jodzahl 
kontrolliert wurde, geprüft. Oleum Ricini, Rapae, Jecoris, 
Amygdalarum dulc., Olivarum Provinciale Vierge. Die ebenso 
wie die obigen Versuche ausgeführten Untersuchungen ergaben 
folgende Werte: 


Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 6 
0/,Ol.Jecorisasellialbum: 0,1818 0,3636 0,0908 

G (Temp. 18°): 1,5 3,8 6,2 

/, Ol. Rieini: 0,0375 0,075 0,1888 0,3775 0,755 0,51 
G (Temp. 18°): 14 18 22 24 46 82 
°/, Ol. Amygd.d. verum: 0,0943 0,1885 0,377 0,64 

G (Temp. 17°): 14 2,4 32 4 

°/, Ol Rapae: 0,0188 0,0375 0,075 0,15 

G (Temp. 159): 2 422 78 136 

N; Ol. Oliv. Pr.: 0,2105 0,4210 0,5263 0,6316 0,7368 0,8421 
G (Temp. 189: 1,75 3,3 37 38 5,1 554 


Die untersuchten Öle hemmen also durchweg die Reaktion, 
Keines derselben kommt aber an hemmender Wirkung dem 
Lecithin gleich. 


Weitere Untersuchungen über die Bildung löslicher Stärke 
bei Schimmelpilzen mit besonderer Berücksichtigung der 
Frage nach der Eiweißsynthese der Schimmelpilze. 


Von 
Friedrich „Boas. 


(Aus dem botanischen Laboratorium der Kgl. Akademie Weihenstephan. ° 
Ausgeführt mit Unterstützung der Kgl. Bayr. Akademie der Wissen- 
schaften, Brunneckstiftung.) 


(Eingegangen am 2. November 1917.) 


In zwei früheren Mitteilungen!) habe ich gezeigt, daß 
Aspergillus niger aus zahlreichen Kohlenstoffquellen bei Gegen- 
wart genügender Mengen von Wasserstoffionen einen jodposi- 
tiven Körper bildet, der als lösliche Stärke bezeichnet wurde. 
In der Zwischenzeit wurden noch weitere zur Stärkebildung 
brauchbare Kohlenstoffquellen aufgefunden, von denen besonders 
die Chinasäure hier angeführt sei. Diese Säure gehört bekannt- 
lich zur aromatischen Reihe und beansprucht daher ein ganz 
besonderes Interesse, da alle anderen untersuchten und zur 
Stärkebildung geeigneten Kohlenstoffquellen der aliphatischen 
Reihe angehören. Daher sollen hier einige Versuche mit China- 
säure angeführt werden. Wie aus den folgenden Übersichten 
hervorgeht, kann Aspergillus niger aus Chinasäure leicht lösliche 
Stärke bilden, besonders wenn die Nährlösung aus Chinasäure- 
Ammonsulfat besteht. Das ist ohne weiteres zu erwarten, da 
hier eben durch den Verbrauch von Ammonsulfat andauernd 
neue Schwefelsäure frei wird, die ihrerseits dann als Aktivator 
der Stärkebildung wirkt. Bei Verwendung einer Nährlösung, 
jedoch wie Chinasäure-Asparagin, ist die Dauer der Stärke- 


1) Fr. Boas, diese Zeitschr. 78, 308, 1916 und 81, 80, 1917. 


Fr. Boas: Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 111 


bildung im allgemeinen gering, wenn man nicht sehr hohe 
Säuremengen anwendet. Denn beim Wachstum des Pilzes ver- 
schwindet rasch die Säure, andere Säurequellen fehlen aber, 
daher kann die Stärkebildung auch nicht lange anhalten. Bei 
Gegenwart von weniger als 6 bis 6,6°/, Chinasäure (Asparagin 
als Stickstoffquelle) findet überhaupt keine Stärkebildung mehr 
statt. Es ist das annähernd dieselbe Konzentration, wie sie 
zur Stärkebildung aus Wein- und Citronensäure bei Gegenwart 
von Asparagin als Stickstoffquelle notwendig ist. Nimmt man 
Ammonsalze der Mineralsäuren als Stickstoffquelle, so ist die 
zur Stärkebildung nötige Chinasäurekonzentration wesentlich 
niedriger (ca. 3,6°/, Chinasäure, 1°/, Ammonsulfat). Nach dieser 
Übersicht über das Verhalten der Chinasäure sollen die folgenden 
Versuche die nötigen Belege bringen. 

a) Nährlösung: Chinasäure 10°/,, Ammonsulfat 1°/,. 

Versuchsbeginn: 11. VII. 1917. 

Reaktion der Nährlösung mit Jod am: 


12. (+) Spur . 
13. ++ . 

14. ++ ... 
15. -+ Abnahme 
16. (+) Spur. 
Kir lan. 


Temperatur 33°. 


b) Nährlösung: Chinasäure 10°/,, Asparagin 1,4°/,. 
Versuchsbeginn: 29. V. 1917. 
Reaktion der Nährlösung mit Jod am: 


Joo on 


e PART : | Temperatur 33°, 


Unter den erwähnten Bedingungen findet sich also bei 
Verwendung von Ammonsulfat lösliche Stärke 5 Tage lang in 
der Nährlösung vor, während bei Verwendung von Asparagin 
lösliche Stärke kaum 24 Stunden lang vorhanden ist. 

Als Gesamtresultat der zahlreichen Versuche ergibt sich, 
daß Aspergillus niger unter geeigneten Bedingungen, d. h. bei 
Vorhandensein genügender Mengen Wasserstoffionen, aus fol- 
genden Kohlenstoffquellen lösliche Stärke bilden kann: 

a) Monosen: Dextrose, Lävulose, Mannose und (weniger 
leicht) Galaktose. 


112 Fr. Boas: 


b) Biosen und Polyosen: Saccharose und Raffinose (leicht), 
Maltose (schwieriger). 

c) Pentosen: Arabinose (andere Pentosen wurden nicht 
untersucht). 

d) Höhere Alkohole: Glycerin und Mannit; doch mit Sicher- 
heit nur in der Kombination: Alkoholasparagin 4 freie Mineral- 
säure; nicht oder nur ganz spurenweise in der Kombination: 
Alkoholammonsalz der Mineralsäuren!). - 

e) Organische Säuren: Apfel-, Wein-, Citronen- und China- 
säure (leicht); Bernstein- und Oxalsäure (schwierig). 

Mit negativem Ergebnis wurden noch folgende, zum Teil 
gute Kohlenstoffquellen geprüft: Milchzucker, Tannin, Milch-, 
Malon-, Fumar-, Glykol-, Glykon-, Brenztrauben-, Lävulin-, 
Glutar- und Mandelsäure. 

Diese hier in groben Umrissen geschilderten Vorgänge der 
Bildung löslicher Stärke treten bei geeigneten Versuchsbedin- 
gungen bei vielen Pilzen auf; worauf hier nur hingewiesen 
werden soll. Es handelt sich also um einen ziemlich weit ver- 
breiteten Vorgang, der tief in den Stoffwechsel eingreift. Auf- 
fallenderweise ist dieser so leicht nachzuweisende 
Vorgang trotz zahlreicher ähnlich gelagerter Unter- 
suchungen bis jetzt stets übersehen worden, obwohl 
er gerade bei der Frage nach der Bildung des Eiweißes 
bei Pilzen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. 
Die ganze Eiweißfrage muß daher unter diesen Umständen einer 
gewissen Nachprüfung unterzogen werden. 

Bekanntlich nimmt ein Teil der Forscher im Anschluß an 
Loew und Naegeli an, daß die Eiweißsynthese vom Am- 
moniak ausgeht, daß anders gebaute Stickstoffverbindungen 
daher erst desamidiert werden müssen. Die neueren Unter- 
suchungen von Ehrlich?) über den Eiweißauf- und Abbau 
der Hefe können als wesentliche Stütze dieser Ansicht von 
Loew und Naegeli gelten. Im Gegensatz zu der Ammoniak- 
theorie steht Czapek°) mit seiner Theorie der direkten Ver- 


1) Hierbei ist Phosphorsäure als sehr schwach dissoziierte Mineral- 
säure stets ausgeschlossen. 

2) Ehrlich, diese Zeitschr. 75, 1916, woselbst weitere Literatur. 

3) Czapek, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1 bis 8, 1902, 
1913. 


Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 113 


wertbarkeit der Aminosäuren, derzufolge „Aspergillus niger 
wesentlich in seinem Gedeihen unterstützt wird, wenn man ihm 
die Arbeit der Aminosäurensynthese erspart und ihm fertige 
Aminosäuren darreicht. Die Verarbeitung fertiger Aminosäuren 
zu Eiweiß vollzieht aber Aspergillus niger mit größter Leich- 
tigkeit, ob man ihm nun eine einzige beliebige oder ein Ge- 
menge aus verschiedenen Aminosäuren beliebiger Zusammen- 
setzung als Stickstoffquelle darreicht!).“ Czapeks Anschauung 
suchte nun in neuester Zeit Puriewitsch experimentell zu 
beweisen, allerdings nur mit Scheingründen, und ganz zuletzt 
hat Brenner?) die unkritischen Angaben Puriewitschs?) ohne 
Widerspruch übernommen. Da nun durch die Auffindung der 
Bildung löslicher Stärke ein neuer Gesichtspunkt in die Physio- 
logie der Pilze kommt, ist es angezeigt, die Eiweißfrage er- 
neut einer kurzen, kritischen Prüfung zu unterziehen. 

Die Frage nach der Eiweißsynthese der Schimmelpilze 
wurde auf zwei verschiedenen Wegen zu lösen versucht; der 
eine Weg besteht in der Bestimmung und Vergleichung der 
Erntegewichte, der andere beruht auf der Messung der Energie 
(CO,)-Menge, die zur Bildung einer bestimmten Pilztrocken- 
substanz verbraucht wird. Der erste Weg ist der häufiger an- 
gewandte; ihm folgt B. Czapek und viele andere. Wir werden 
aber gleich sehen, daß beide Methoden ziemlich unkritisch ge- 
handhabt worden sind, daß daher die erzielten Resultate sehr 
unzuverlässig sind. 

Wollen wir z.B. mit Czapek prüfen, ob Ammonstickstoff 
oder Aminosäuren die bessere Stickstoffquelle abgeben, so er- 
nähren wir in dem einen Falle den Versuchspilz nach folgen- 
dem Schema: 

A. Zucker + Ammonstickstoff (z. B. wie Czapek: Saccharose 
-+ Ammonsulfat) oder nach dem Schema: 

B. Zucker + Aminosäure (und verwandte Verbindungen) 
(z. B. Saccharose -+ Asparagin, Alanin, Leucin oder auch Betain- 
chlorhydrat, Guanidinchlorhydrat usw.). 

Aus den in jedem Falle erhaltenen Erntegewichten schließt 
Czapek auf den Nährwert der Stickstoffquelle und kommt 


1) Czapek, l. o. 1, 553, 1902. 

%) Brenner, Centralbl. f. Bakt. II, 40, 555 ff., 1914. 

3) Puriewitsch, diese Zeitschr. 88, 1, 1912. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 8 


114 Fr. Boas: 


schließlich zu dem Ergebnis, daß Aminosäuren die besten Stick- 
stoffquellen darstellen, daß also seine Theorie wohl begründet 
erscheint. Dabei übersieht er zweierlei: 

1. Ist es ohne weiteres unzulässig, die Werte der Ernte- 
gewichte bei Ernährung mit Asparagin, Leucin, Tyrosin einer- 
seits mit denen von Stickstoffquellen wie Betainchlorhydrat 
(kurz allen Chlorhydraten) andererseits zu vergleichen. Denn 
im letzteren Falle steht das Ergebnis des Versuches unter dem 
vorerst unbekannten Einflusse freier Salzsäure. Die Versuchs- 
bedingungen sind zu ungleich. Dieser große Unter- 
schied wird als völlig belanglos gar nicht in Erwägung 
gezogen. 

2. Bildet sich bei Verwendung gewisser Chlorhydrate, z. B. 
Betainchlorhydrat, lösliche Stärke, bei anderen nicht; es sind 
also schon diese Stickstoffquellen in sich ungleich; dann bildet 
sich aber auch bei Verwendung von Ammonsulfat, Ammonnitrat 
und -Chlorid lösliche Stärke wegen des Freiwerdens von Mineral- 
säure. Bei Verwendung von Asparagin, Glykokoll, Alanin (oder 
Harnstoff) entsteht natürlich niemals lösliche Stärke, da hier 
eine viel zu geringe Acidität (durch Oxalsäurebildung) entsteht. 
Damit sind die prinzipiellen Ernährungsgegensätze kurz her- 
vorgehoben. 

Als Resultat ergibt sich, daß Czapeks Ernte- 
gewichte überhaupt nicht vergleichbar sind, da die 
Versuchsbedingungen so verschieden sind, daß der 
Stoffwechsel des Aspergillus niger qualitativ und 
quantitativ in ganz verschiedener Richtung vor sich 
geht. Mit dieser Feststellung werden Czapeks Resultate schon 
sehr unsicher, wenn nicht ganz unbrauchbar für theoretische 
Absichten. Daß bei der Czapekschen Versuchsverwertung für 
theoretische Zwecke auch ganz grobe, äußerliche Ungleichheiten 
in der Ausbildung der Decke (Fehlen der Konidienbildung z.B. 
bei Verwendung von Betainchlorhydrat) nicht beachtet wur- 
den, sei nur kurz erwähnt. Solche Auffälligkeiten hätten aber 
doch auch weiter verfolgt werden müssen; sie wurden aber sehr 
allgemein völlig übersehen, z. B. auch von Brenner!), der ohne 
weitere Untersuchung über diesen Punkt hinweggeht. 

Aber noch in anderer Hinsicht sind Czapeks Ergebnisse 

1) W. Brenner, Centralbl. f. Bakt. II, 40, 555ff., 1914. 


Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 115 


für theoretische Verwertung völlig unbrauchbar. Bei Czapeks 
Arbeitsweise tritt infolge der langen Versuchsdauer der Einfluß 
der Proteolyse, die Malfitano!) aufgedeckt hat, sehr stark 
hervor; leider hat Czapek es unterlassen, zu prüfen, ob nach 
21tägiger Versuchsdauer die Erntegewichte noch brauchbar sind 
oder nicht. Durch den Einfluß der Proteolyse ver- 
ringert sich aber die Ernte teilweise ganz bedeutend, 
namentlich wenn die Nährlösung infolge ihrer Zusam- 
mensetzung alkalisch werden kann. Bleibt aber die Nähr- 
lösung sauer, z. B. bei Verwendung von Ammonsalzen starker 
Säuren, etwa Ammonsulfat, oder von Chlorhydraten z. B. Betain- 
chlorhydrat, so wirkt die freiwerdende Säure stark hemmend 
auf die Proteolyse, d.h. in diesem Falle findet man noch nach 
langer Zeit hohe Erntegewichte. Man kann also nach Be- 
lieben je nach der Erntezeit jedes beliebige Ernte- 
gewicht finden. Wenn wir nun nicht für jede zu prüfende 
Stickstoffquelle den Zeitpunkt der maximalen Ernte genau fest- 
legen und im richtigen Momente ernten, dann sind alle Ernte- 
gewichte wertlos. Diese Mühe hat sich zwar Brenner gemacht, 
aber er hat den eigentlichen Inhalt seiner Arbeit übersehen, 
sonst hätte bereits er die notwendigen Schlüsse ziehen müssen, 
die für die Grundlagen der theoretischen Ergebnisse Czapeks 
hätten vernichtend werden müssen. 

Diese Unterlassung Czapeks, die Zulässigkeit seiner Methode 
zu prüfen, hat nun zu ganz falschen Schlüssen in theoretischer 
Hinsicht geführt; die nun gleich berichtigt werden sollen. 

Czapek kommt auf Grund seiner Erntegewichtsbestim - 
mungen infolge Vernachlässigung des Einflusses der Proteolyse 
über den Nährwert von Harnstoff, Biuret und Guanidin zu 
folgenden Sätzen: 

1. „Die Kuppelung zweier Harnstoffmoleküle im Biuret 


CO — NH —CO 

| | 

NH, NH, 
hat auf die Eignung als Nährstoffl, wie theoretisch zu er- 
warten ist?), keinen großen Einfluß. 


1) G. Malfitano, Annales de l’Inst. Pasteur 14, 60, 1900. 
2) Vom Verf. gesperrt! 
gr 


116 Fr. Boas: 


2. Durch Überführen des Harnstoffs in sein Amidin, das 
Guanidin, steigert man den Nährwert jedoch beträchtlich.“ 
Die Czapekschen Erntegewichte betragen nun für 


Harnstoff Biuret Guanidinchlorhydrat 
0,1803 g 0,1724 g 0,4291 g 
0,2008 g 0,1437 g 0,5148 g 
0,1987 g 0,2112g 0,5653 g 
0,2585 g 


Es ist also nach diesen Zahlen Czapeks tatsächlich der 
Nährwert von Harnstoff und Biuret ziemlich gleich, Guanidin 
aber ist ganz ungleich besser. Dabei ist allerdings der mög- 
liche Einfluß des Vorhandenseins der freien Salzsäure bei Ver- 
wendung von Guanidinchlorhydrat völlig ignoriert und ebenso 
die Tatsache, daß bei Verwendung von Biuret nur eine spär- 
liche Conidienbildung eintreten kann, als belanglos übergangen. 
Schon diese Störung der normalen Entwicklung hätte bei sonst 
gleichen Erntegewichten vor einer Gleichsetzung von Biuret und 
Harnstoff warnen sollen. In Wirklichkeit ist der Nährwert der 
angeführten Stickstoffquellen ganz anders, wie die folgenden 
Erntegewichte beweisen: 

a) Erntegewichte bei Verwendung von Harnstoff (50 ccm, 
5°/, Dextrose‘) 1°/, Harnstoff, 33°) 

0,8350g nach 48 
0,6320g nach 1446 
= 24,2°/, infolge starker Proteolyse! 

b) Erntegewichte bei Verwendung von Biuret (äquivalent 
1°/, Harnstoff) 


also 0,2030g Abnahme 


0,1025g 48h alt, 

0,1470 g 144 alt. 
Ganz langsames Wachstum; keine Proteolyse in 144 Stunden. 

c) Erntegewichte bei Verwendung von Guanidinchlorhydrat 

(äquivalent 1°/, Harnstoff) 

0,2495g 48 alt, 

0,6750g 144» alt. 
Proteolyse noch nicht eingetreten infolge Vorhandenseins 
. starker Säure! 


1) Die Verwendung von Dextrose statt wie bei Czapek Saccha- 
rose ist belanglos für die Resultate. 


Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 117 


Wir sehen, daß Harnstoff ein äußerst rasches Wachs- 
tum gestattet, daß aber ebenso rasch die Proteolyse 
eintritt: Biuret läßt nur ein ganz langsames und Guanidin 
ein gutes Wachstum zu. Bei Verwendung einer anderen Kohlen- 
stoffquelle, z. B. von Citronensäure, ergibt sich genau dasselbe 
Bild. Wir erhalten z. B. bei Verwendung von 7°/, Citronen- 
säure nach 5 Tagen folgende Zahlen: 


a) für Harnstoff. . . . . . 0,5750g, 
b) für Biuret . . . . . . . 0,0195g, 
c) für Guanidincarbonat . . 0,3150g 
(0,4148 g nach 8Tag.), 


d) fürGuanidinchlorhydrat . . 0,4460 g. 


Einzig das Übersehen des Einflusses der Proteolyse ver- 
. anlaßte Czapek zu verfehlten Schlüssen. Denn bei Gegenwart 
von Harnstoff findet sehr rasch Proteolyse statt, bei Verwen- 
dung von Guanidinchlorhydrat verhindert die freie Salzsäure 
die Proteolyse, und so erhält man im letzteren Faile hohe Ernte- 
gewichte, natürlich ganz sekundärer Natur. 

Hinsichtlich ihres Nährwertes ordnen sich demnach die 
3 untersuchten Stickstoffquellen folgendermaßen an: 1. Harn- 
stoff, 2. Guanidin; letzteres nur wenig hinter Harnstoff zurück- 
stehend, und 3. als ganz minderwertig Biuret; Czapeks An- 
ordnung: Guanidin— sehr gut und Biuret-Harnstoff — gut ist 
demnach völlig irrig. Diese hier berichtigte Anordnung des 
Nährwertes der 3 Stickstofiquellen gilt aber nicht bloß für 
Aspergillus niger, sondern, wie hier durchgeführte, noch nicht 
weiter veröffentlichte Versuche zeigen, auch für Arten der Gat- 
tungen Penicillium und Cladosporium. Dies soll durch einige 
Angaben bekräftigt werden. Es betrugen nämlich nach fünf- 
tägiger Kultur auf eine Dextroselösung (30 cem 5°/ ige Dextrose) 
bei Gegenwart gleicher Stickstoffmengen die Erntegewichte für 
Penicillium 5 

a) auf Harnstoff: 0,5050 g (Nährlösung bereits schwach alka- 

lisch), 
b) auf Biuret: wenige Milligramme (nicht gewogen), 
c) auf Guanidin: 0,0250 g (Guanidincarbonat, Nährlösung mit 
Phosphorsäure genau lackmus-neutral gemacht). 
Für die Gattung Cladosporium, die physiologisch ganz anders 


118 Fr. Boas: 


sich verhält wie Aspergillus und Penicillium, wurden unter ganz 
gleichen Bedingungen folgende Erntegewichte festgestellt: 

a) auf Harnstoff: 0,0350 g (Lösung stark alkalisch gewor- 
den und bereits Proteolyse eingetreten, Ernte also be- 
reits kleiner geworden), 

b) auf Biuret: 0,0100g (Lösung lackmussauer), 

c) auf Guanidin: 0,0250g (Guanidin wie oben). 

Schließlich sei noch ein Versuch mit einem vierten, phy- 


siologisch wieder sehr verschiedenen Organismus, nämlich mit. 


einer Kahmhefe, erwähnt, die sich ganz ähnlich wie die vor- 
erwähnten Arten verhielt. In allen Fällen ist Guanidin 
weniger brauchbar als Harnstoff; Biuret aber ist im 
Vergleiche mit den beiden anderen Stickstoffquellen 
durchaus minderwertig. Da die verschiedensten Organis- 
men zu den drei geprüften Stickstoffquellen sich gleichartig 
verhalten, eo scheint mit dieser Feststellung eine allgemein 
gültige Charakterisierung ihres Nährwertes erzielt zu sein, die 
aber ganz anders aussieht als Czapeks Anordnung Guanidin 
—=sehr gut, Harnstofi-Biuret — gut! 

Die Methode der Erntegewichtsbestimmung liefert nach 
den mitgeteilten Erörterungen nur wenig brauchbare Werte, 
namentlich wenn der Einfluß der Proteolyse nicht sorgfältig 
beachtet wird. Einen anderen Weg zur Lösung der Frage der 
Eiweißbildung der Schimmelpilze hat Puriewitsch'!) einge- 


schlagen. Er maß die für die Bildung einer bestimmten Ernte- 


menge verbrauchte Energiemenge, indem er die ausgeschiedene 
Atmungskohlensäure in Barytlauge auffing. Der Quotient 
Co, 
Ernlegenicht 


gibt dann für eine bestimmte Stickstoffquelle eine zuverlässige 
Zahl hinsichtlich ihres Nährwertes. Da die Versuchsdauer 
nur 48 Stunden betrug, so sind natürlich die gefundenen 
Erntegewichte unabhängig von der Proteolyse und daher ein- 
wandfrei; es sind also mindestens die Erntegewichte zuver- 
lässig; ob die Zahlen für die ausgeschiedene Kohlensäure es 
auch absolut sind, soll hier noch nicht erörtert werden. 

Das Auftreten löslicher Stärke in zahlreichen seiner Ver- 


1) Puriewitsch, diese Zeitschr. 88, 1ff., 1912. 


Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 119 


suche (Ammonsalze der Mineralsäuren, Chlorhydrate organischer 
Stickstoffquellen) und den möglichen Einfluß dieser hier nur 
angedeuteten Verhältnisse und äußerer Ungleichheiten der Ver- 
suchsbedingungen auf die Größe der Kohlendioxydausscheidung 
hat Puriewitsch natürlich ebenso übersehen, wie alle seine 
Vorgänger. Ebensowenig hat er sich überlegt, ob man ohne 
weiteres Stickstoffquellen wie Ammonsulfat einerseits und As- 
paragin oder Harnstoff andererseits miteinander vergleichen 
kann, da doch die Aciditätsverhältnisse!) der Nährlösungen im 
Verlaufe des Stoffwechsels sich sehr verschieden gestalten wer- 
den, der Pilz aleo sehr bald unter nicht vergleichbaren Be- 
dingungen wird wachsen müssen. Alle diese Punkte hat Purie- 
witsch übersehen. Er fand nun folgende Energiequotienten 
für die angeführten Stickstoffquellen: 


a) Kohlenstoffquelle Dextrose: 


Energiequotient Erntegewichte 
Methylharnstoff 0,64 . . 2. 2 2 220... 
Glykokoll . . 068.2. 22.2.2... 2,183g 

~ Asparagin . . 083... 2.2 sa.: 1,397g 
Harnstoff . . 096.22 22020200. 1785g 
Ammonsulfat 
+ IH rer ee DR 
Ammonphosphat 
Kalisalpeter.. 123... 2.2.2.2... 1514g 
Pepton ;.: 138.:....%2.x..%, 1022g 
Hühnereiweiß . 160... 2. .2.....1159g 


Phenylharnstoff 2,42 . . 2.2.2.2... 0,126g 


b) Apfelsäure als Kohlenstoffquelle: 
Glykokol . . 190.2. 22.2.0... 0,7988 


Kalisalpeter. . 23,03... 22.2... 0,208g 
Ammonsulfat 

+ 188%, .. m 0.4 10.0 . 0,857g 
Ammonphosphat 
Harnstoff . . . 256.2. 2 22200... 0,356g 


Pepton. ... 2372 ....2.2.20.0.0.0407g 
Methylharnstoff 3,13 . . 22.2.2... 0,3908 


1) Hierüber soll in einer anderen Arbeit berichtet werden. 


. 


120 ‘Fr. Boas: 


c) Glycerin als Kohlenstoffquelle: 
Energiequodient Erntegewichte 


Ammonsulfat 

+ 0,79 0,927 g 
Ammonphosphat 
Glykokol .. 096. 222 22.2.0. 0,8218 

d) Mannit als Kohlenstoffquelle: 

Ammonsulfat 

+ 084.222. 0,6858 
Ammonphosphat 
Glykokoll . . 086.22 2.2.20... 0,734g 

e) Chinasäure als Kohlenstoffquelle: 
Ammonsulfat 

+ KOG oona wen, SE 
Ammonphosphat 
Glykokoll . . 1,90. a an Are 
Asparagin . . 208... 2.2.20.20...0,523g 


Diese vorstehend mitgeteilten Zahlen bringen eine Auswahl 
aus der Arbeit von Puriewitsch. In diesen Zahlen sieht 
Puriewitsch eine Bestätigung der Czapekschen Aminosäuren- 
theorie. Diesen durch nichts begründeten Schluß hat dann 
später Brenner ohne weitere Kritik als rechtmäßig über- 
nommen. Nun sind freilich bei Verwendung von Dextrose als 
Kohlenstoffquelle die Energiequotienten für Glykokoll, Tyrosin, 
Alanin, Leucin und Asparagin wesentlich niedriger als der für 
Ammonsulfat-Phosphat. Aber daß z. B. Pepton als leicht zu- 
gängliches Gemisch aller möglichen Aminosäurenverbände und 
Hühnereiweiß gar so sehr ungünstig gegenüber Ammonsulfat 
und sogar Kalisalpeter abschneiden, ist nach der Czapekschen 
Theorie nicht sehr verständlich. Denn schließlich ist doch der 
Gedanke recht naheliegend, daß, wenn die Czapeksche Amino- 
säurentheorie stimmt, der Pilz von einem leicht realisierbaren 
Gemisch von Aminosäuren (Pepton oder Hühnereiweiß) schneller 
und leichter zu seiner Eiweißsynthese kommt, als wenn er den 
weiten Weg vom Nitratstickstoff aus über Nitrit und Ammoniak 
zur Aminosäure zurückzulegen hat. 

Diese wohlbegründete Einwandsmöglichkeit hat nun auch 
Puriewitsch gefühlt, aber als unbequeme Tatsache nicht weiter 


Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 121 


beachtet. An den Gedanken vollends, daß die im Verlaufe des 
Stoffwechsels entstehenden freien Mineralsäuren (z. B. Schwefel- 
säure oder Salzsäure bei Verwendung von Chlorhydraten) das 
Resultat beeinflussen könnten, hat er ebensowenig wie alle seine 
Vorgänger gedacht. Daher sind seine Zahlen nur nach sorg- 
fältiger Kritik zu Schlüssen zu gebrauchen. Diese Kritik ver- 
missen wir aber gänzlich. 

Wie nun Vorhandensein freier Mineralsäure den Energie- 
quotienten beeinflußt, das zeigt folgender bei 33° mit Dextrose- 
Asparagin durchgeführter Versuch. 


Erntegewicht CO,-Menge Energiequotient 
a) Dextrose-Asparagin (ohne 


freie Mineralsäure) . . 0,55 g 0,346 g 0,63 
b) Dextrose-Asparagin 
+ 0,25°/, H,S0O, . . . 0,37g 0,296 g 0,80 


Es wird also nach diesen Zahlen durch stärkere Erhöhung 
der Acidität der Nährlösung der Energieverbrauch beträchtlich 
erhöht. Analog liegen nun die Verhältnisse bei Verwendung 
von Ammonsulfat-Phosphat, freilich ist hier die Ausgangsacidität 
der Nährlösung geringer als im obigen Versuche b; jedoch steigt 
im Laufe des Versuches mit dem Verbrauche von Ammoniak 
die Acidität rasch auf ein den Stoffwechsel schädlich beein- 
flussendes Stadium an. In beiden Fällen bildet sich lösliche 
Stärke. Ob nun die Bildung löslicher Stärke allein oder die 
höhere Acidität oder beides zusammen den größeren Energie- 
verbrauch bedingt, ist nicht klar und vorerst für die hier an- 
geschnittene Frage der Eiweißsynthese auch belanglos. Jeden- 
falls ist sicher, daß Puriewitsch ganz zu unrecht seine Zahlen 
als für Czapek beweisend ansieht; höchstens gilt dies, wenn 
man nur Dextrose als Kohlenstoffquelle berücksichtigt und die 
anderen Kohlenstoffquellen gewaltsam übersieht. Abgesehen 
davon gehen aber die Versuche unter derart verschiedenen 
Bedingungen vor sich, daß die auftretenden Stoffwechselpro- 
dukte und ihre Einwirkungen auf das Endresultat unmöglich 
übersehen werden dürfen, wie dies auch Puriewitsch tat. 

Zur exakten Entscheidung der Frage, ob die Eiweißbildung 
leichter mit Ammoniak oder mit fertigen Aminosäuren vor sich 
geht, handelt es sich nun einzig darum, eine Nährstoffkombi- 
nation zu finden, bei der die Verwendung von Ammonsulfat 


122 Fr. Boas: 


trotz des Freiwerdens von Mineralsäure keine irgendwie nennens- 

werte Störung im Stoffwechsel hervorgerufen wird. Das ist 

nun meist schon rein äußerlich durch rasche Conidienbildung 

und das Fehlen der Bildung löslicher Stärke zu erkennen. Die 
Verwirklichung dieser Bedingungen finden wir bei Verwendung 

von Mannit, Glycerin und nahezu von Chinasäure. Sehen wir 

nun bei Verwendung dieser Kohlenstoffquellen die Energie- 
quotienten für Ammonsulfat-Phosphat einerseits und Glykokoll 

oder Asparagin andererseits an, so finden wir, daß hier tat- 
sächlich Ammonstickstoff leichter und besser ver- 
arbeitet wird als die fertige Aminosäure. Da aber hier 
die durch den Stoffwechsel frei gewordene Mineralsäure keine 
Störungen hervorruft, so sind die erhaltenen Zahlen direkt ver- 
gleichbar. Die Erntegewichte des Systems Glycerin-Ammonsalz 
bzw. Mannit und Chinasäure-Ammonsalz sind dabei höher oder. 
mindestens gleich hoch als für die zu vergleichende Amino- 
säure. Es ist also hier erwiesen, daß tatsächlich Am- 
moniak besser verwertet wird als Aminosäuren, die 
sonst als hervorragend gute Stickstoffquellen bekannt sind. 
Mit anderen Worten, der höhere Energieverbrauch bei Ver- 
wendung von Aminosäuren ist wohl auf die Desamidierung zu- 
rückzuführen. Ganz ähnliche Fälle liegen noch vor bei dem 
System Apfelsäure-Ammonsalz einerseits und Apfelsäure-Glyko- 
koll; auch hier ist das Erntegewicht bei Verwendung von Am- 
monsalz höher, der Energieverbrauch aber niedriger als bei 
Anwendung der Aminosäure. Diese Feststellungen sind mit 
der Czapekschen Annahme nicht gut vereinbar. 

Aus den mitgeteilten Energiequotienten geht aber noch 
in ganz besonders deutlicher Weise hervor, daß die Verwert- 
barkeit einer bestimmten Stickstoffquelle von der Kohlenstoff- 
quelle abhängt; eine bereits bei Pfeffer!) betonte Tatsache, 
auf die aber Puriewitsch in keiner Weise Rücksicht genom- 
men hat. Denn sein Schluß, daß seine Ergebnisse für Czapeks 
Theorie sprechen, ist nur mit einiger Sicherheit allein für 
Dextrose zulässig; die anderen Kohlenstoffquellen aber hat er 
dabei völlig außer Betracht gelassen, sonst hätte er bei einiger 
Kritik zu anderen Resultaten kommen müssen. Sehr deutlich 


1) W. Pfeffer, Pflanzenphye. 1, 396, 2. Aufl. 1897. 


Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 1283 


tritt die Abhängigkeit des Nährwertes der Stickstoffquelle von 
der Kohlenstoffquelle bei Verwendung von Harnstoff und Kali- 
salpeter hervor. Denn in der Kombination Dextrose-Harnstoff 
stellt Harnstoff eine wesentlich bessere Stickstoffquelle dar als 
in der Kombination Apfelsäure-Harnstoff. Im letzteren Falle 
ist Salpeter wesentlich besser als Harnstoff‘). Diese Relativität 
des Nährwertes der Stickstoffquellen hat Puriewitsch und vor 
ihm viele andere übersehen, dieses Übersehen führt dann leicht 
zu unhaltbaren Schlüssen und Verallgemeinerungen. 

Dann zeigen die mitgeteilten Zahlen auch noch sehr deut- 
lich, daß ein und dieselbe Stickstoffquelle hinsichtlich 
ihres Nährwertes von den entstehenden Stoffwechsel- 
abfällen wesentlich beeinflußt wird. Das sehen wir sehr 
genau bei Verwendung von Harnstoff-Methylharnstoff-Phenyl- 
harnstof. Die Einführung der Phenylgruppe bedingt höchst- 
wahrscheinlich das Auftreten giftiger Stoffwechselprodukte, daher 
ist der Energiequotient in allen Fällen sehr hoch; während 
Methylharnstoff je nach der Kohlenstoffquelle teils sehr leicht, 
teils schwieriger verarbeitet wird. 

Die Schwierigkeit der Verarbeitung von Pepton (und Hühner- 
eiweiß) liegt wahrscheinlich in der starken Oxalsäurebildung 
des Pilzes begründet, die den enzymatischen Abbau des Peptons 
erschwert. Ganz in Übereinstimmung mit dieser Annahme 
lauten Versuchsergebnisse von Linossier und Roux?). Diese 
Forscher gewöhnten nämlich Aspergillus niger an schwach alka- 
lische Reaktion und fanden, daß in diesem Falle Pepton eine 
ganz hervorragende Stickstoffquelle ist. Wenn auch ihre Ver- 
suche nicht völlig exakt sind, so dürfen sie dennoch mit großer 
Wahrscheinlichkeit im obigen Sinne verwertet werden. 

Bei den vorliegenden Erörterungen ist nur versucht worden, 
solche Resultate zu verwerten, die unter vergleichbaren Be- 
dingungen gewonnen wurden. Dabei dürften aber noch nicht 
alle Fehlerquellen ausgeschaltet sein. Es ist nämlich die Mög- 
lichkeit des Einflusses der alkoholischen Gärung nicht weiter 
berücksichtigt worden. Bekanntlich ist von Junitzky?) das 
Vorhandensein der Zymase in Aspergillus niger nachgewiesen 


1) Siehe die mitgeteilten Energiequotienten! 
2) G. Linossier u. G. Roux, Compt. rend. 110, 355, 1890. 
®) Junitzky, Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 25, 210, 1907. 


124 Fr.Boas: Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Sohimmelpilzen. 


worden, und Molliard!) hat die alkoholische Gärung kurz ver- 
folgt. Wie hier freie Mineralsäuren die Energiequotienten mit- 
bestimmen, ist noch ganz unklar. 

Wie ferner die Verschiedenheit der Stickstoffquellen die 
Aschenverhältnisse und damit möglicherweise den Energiehaus- 
halt beeinflußt, ist ebenfalls unklar. Jedenfalls haben die hier 
durchgeführten, orientierenden Versuche ergeben, daß je nach 
den Versuchsbedingungen auch die Asche in sehr weiten Grenzen 
schwankt; es wird also auch dieser Teilprozeß des Stoffwechsels 
sehr weitgehend beeinflußt?). 

Wenn also auch in mehreren Fällen, nämlich bei Ver- 
wendung von Mannit, Glycerin und Chinasäure, Ammonstickstoff 
besser verarbeitet wird als Glykokoll oder Asparagin und damit 
die Loewsche Annahme eine wesentliche Stütze erhält, so ist sie 
infolge der Schwierigkeit der Untersuchungsmethode noch keines- 
wegs endgültig gesichert. Jedenfalls aber ist die Loewsche 
Annahme wesentlich besser begründet als die Czapeksche 
Aminosäurentheorie, für die kein einziger, sicherer, experimen- 
teller Befund erbracht werden konnte. 

1) Molliard, Compt. rend. de l’Aoad. d. Sc. 163, 570 bis 572, 1916. 

2) Infolge äußerer Verhältnisse ist die völlige Durchführung der 
Arbeit in der angegebenen Absicht zur Zeit unmöglich, daher hier diese 
Zusammenfassung. 


Über die Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 


Von 
A. Loewy und R. von der Heide. 


(Aus dem Tierphysiologischen Institute der Landwirtschaftlichen Hoch- 
schule in Berlin.) 


(Eingegangen am 30. Oktober 1917.) 


Mit 5 Figuren im Texte. 


Inhalt. Seite 
A. Einleitung und Methodisches . . » .» : 2:2 222er .. 125 
B. Verlauf und obere Grenze der Alkoholansammlung. Verhalten 
der Tiere bei verschiedenem Gehalt an Äthylalkohol . . . . . 131 
1. Versuche an Ratten .. 2 2 2 2 2 2 een. 134 
2. Versuche an Meerschweinchen...» ». 2» 2 2222 .. 139 
3. Alkoholmengen, die pro mm Alkoholspannung aufgenommen 
werden. Vergleich mit dem Methylalkohol. . . . . . . 143 
C. Über die Verbrennung des Alkohols im Körper bei seiner Auf- 
nahme durch die Lungen . .... 2.220. En E 
D. Über die Beziehungen zwischen Alkoholansammlung und Alkohol- 
ABAMUNE:, aeoe aa a e Br, re er er ee, a 154 
E. Versuche über Alkoholeinatmung beim Menschen. .. .... 160 
F. Über den Alkoholgehalt der Luft in gewerblichen Betrieben, in 
denen Alkohol reichlich zur Verdampfung kommt ...... 165 
G. Vergleich zwischen der Giftigkeit des Äthyl- und des Methyl- 
alkohols: 4.0. are 0 en ee re were... aa 168 
H. Schlußfolgerungen . . 2: 222 2 een 173 


A. Einleitung. Methodisches. 


Im 65. Bande dieser Zeitschrift haben wir über Versuche 
berichtet!), die die Frage nach der Aufnahme von Methyl- 


1) A. Loewy u. R. v. d. Heide, Über die Aufnahme des Methyl- 


alkobols durch die Atmung, diese Zeitschr. 65, 230, 1914. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 9 


126 A. Loewy u. R. von der Heide: 


alkohol durch die Atmung betrafen. Diese Versuche waren an- 
geregt durch Angaben, wonach der als Denaturierungsmittel 
benutzte Holzgeist schädlich wirken sollte auf Arbeiter, die 
seine Dämpfe in Betrieben einatmeten, in denen mit Holzgeist 
vergällter Spiritus in mehr oder weniger großen Mengen zur 
Verwendung und zur Verdampfung kam. 

Obwohl das zur Vergällung benutzte Gemisch neben Me- 
thylalkohol andere für den menschlichen Organismus nicht 
gleichgültige flüchtige Stoffe enthält, wurden die beobachteten 
Schädigungen auf den ersteren bezogen. 

Unsere Versuche sollten nun die Beziehungen zwischen 
dem Methylalkoholgehalt der Atemluft und der in den Körper 
durch die Lungen übertretenden Alkoholmenge feststellen. Dabei 
ergab sich, daß angesichts der überaus geringen Mengen von 
Methylalkohol, die in der Zimmerluft in Betrieben, in denen 
große Mengen von denaturiertem Spiritus verdampfen, ent- 
halten sind, Vergiftungen nicht erzeugt werden können, da die 
aufgenommenen Methylalkoholmengen dazu bei weitem nicht 
ausreichen. — Statistische Erhebungen in zahlreichen Betrieben 
ergaben dementsprechend, daß Vergiftungen, die mit Bestimmt- 
heit auf Methylalkohol zu beziehen waren, nicht zur Beobach- 
tung gekommen waren'). 

In einzelnen Fällen wurde über Beschwerden geklagt, die 
derart waren, daß der Gedanke nicht von der Hand zu weisen 
war, sie könnten durch den verdampfenden Äthylalkohol, der 
ja 97,5°/, des vergällten Branntweins ausmacht, während der 
Methylalkohol in ihm nur zu ca. 1°/, enthalten ist, hervor- 
gerufen sein. Insbesondere die nervösen Beschwerden wie Kopf- 
weh, Zittern, Benommenheit, auch Brechneigung konnten als 
Wirkungen des Äthylalkohols in Betracht kommen. 

Es lag deshalb für uns nahe, in Fortsetzung unserer 
früheren Versuche uns zu orientieren, wie sich die Aufnahme 
des Äthylalkohols durch die Respiration verhält, welche Mengen 
der Körper bei verschiedenem Gehalte der Atemluft an Äthyl- 
alkohol aufnimmt, bei welcher Alkoholkonzentration sich Gift- 


1) Vgl. A. Loewy, Inwieweit ist die gewerbliche Benutzung von 
vergälltem Branntwein geeignet, gesundheitsschädliche Wirkungen hervor- 
zurufen? Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. 48, 3. Folge, Supplem. (1914). 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 127. 


wirkungen bemerklich machen, bei welcher ein tödlicher Er- 
folg eintritt. 

Neben dem rein wissenschaftlichen Interesse kommt diesen 
Feststellungen eine erhebliche praktische Bedeutung in gewerbe- 
hygienischer Beziehung zu, denn sie könnten unter Umständen 
zu Maßnahmen Anlaß geben, durch die einer schädlichen 
Alkoholanhäufung in der Luft von Arbeitsräumen, in denen 
Alkohol in größeren Mengen verdampft, vorgebeugt werden 
könnte, sowie andererseits Eingriffe als überflüssig aufweisen, 
wenn sich zeigt, daß diese Anhäufung in der Praxis nicht die 
Grenze zu erreichen vermag, die zu Schädigungen zu führen 
imstande ist. — 

So überaus umfangreich die Alkoholliteratur ist und so 
zahlreich die Gebiete, für welche die Einwirkungen des Alko- 
hols auf den Menschen wie auf Tiere untersucht wurden, so 
findet sich eigentümlicherweise fast nichts von Mitteilungen 
über die Wirkungen eingeatmeten Alkoholdampfes, insbe- 
sondere nichts über die Beziehungen zwischen dem Gehalt der 
Atemluft an ihm und der Menge an Alkohol, die in den Körper 
übergeht, sowie über die Alkoholkonzentration in der Atem- 
luft, bei der es zum Auftreten pharmakologischer bzw. patho- 
logischer Folgen kommt. Selbst an Tieren sind letztere Fragen 
nicht genauer verfolgt worden. Bei der unübersehbaren Fülle 
der Arbeiten könnte der einzelne zwar einschlägige Unter- 
suchungen leicht übersehen, aber auch die bekannte Zusammen- 
stellung von Abderhalden!) bringt nichts über den Gegen- 
stand, und in neuester Zeit scheint auch nichts darüber ge- 
arbeitet zu sein. 

Bekannt ist uns nur eine Arbeit von Grehant und 
Quinquaud?), die über die Giftwirkung eingeatmeter Alkohol- 
dämpfe handelt. Sie ließen Luft durch absoluten Alkohol 
streichen, ließen sie Hunde einatmen und fanden, daß nach 
3/, bis 2 Stunden kein Rauschzustand zustandegekommen war, 
daß aber Alkohol sich in Blut und Harn fand. Wie hoch die 
Konzentration des Alkohols in der Luft war, scheint nicht 


1) E. Abderhalden, Bibliographie d. ges. wiss. Literatur ü. d. 
Alkohol und den Alkoholismus. Berlin u. Wien 1904. 
2) Grehant et Quinquaud, Sur l’absorption des vapeurs d’alcool 
absolu par les poumons. Compt. rend. Soc. Biolog. 1883, 426. 
g* 


128 A. Loewy u. R. von der Heide: 


festgestellt worden zu sein, ist jedenfalls in der kurzen Mit- 
teilung nicht angegeben. — 

Bei dem sowohl theoretischen wie praktischen Interesse 
des Gegenstandes stellten wir unsere Versuche an Tieren ver- 
schiedener Gattungen, Ratten und Meerschweinchen, teils auch 
an Menschen an. 

Der für Tiere benutzte Apparat entsprach im wesentlichen 
dem für unsere Methylalkoholversuche verwendeten, nur war 
noch eine Einrichtung angebracht, um neben der rechne- 
rischen Ermittelung der Alkoholdampfmenge zugleich auch 
ihre direkte Bestimmung vornehmen zu können. Wie die Ab- 
bildung zeigt, setzt sich der Apparat zusammen aus einer 
feuchten (genau geeichten) Gasuhr a, aus dem Alkoholgefäß b, 
ferner der Einrichtung zur Entnahme einer Probe der alkohol- 
haltigen Luft c und aus dem Tierbehälter d. 





Fig, 1. 


Durch die Gasuhr wurde Luft hindurchgedrückt. Diese 
passierte außerhalb des Versuches eine Röhrenleitung, aus der 
sie unmittelbar in den Tierkasten gelangte. Während des 
Versuches war der direkte Weg gesperrt; die Luft mußte durch 
einen Erlenmeyerkolben streichen, dessen Boden mit Alkohol- 
lösungen verschiedener Konzentration bedeckt war. Sie ge- 
langte dann mit dem durch Verdampfung sich ihr beimischen- 
den Alkohol in eine Literflasche, teils der besseren Durch- 
mischung halber, teils um etwa sich kondensierendes Wasser 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 129 


abzugeben, und von hier erst in den Tierbehälter. Auf dem 
Wege zu ihm war mittels T-Stückes eine Abzweigung ange- 
bracht, die zu zwei Alkoholabsorptionsgefäßen führte. 


Dies waren sogenannte Waschflaschen, deren Zuleitungsrohr zwei- 
teilig und derart in Spiralform gebogen war, daß die Luft, die durch 
die Waschflüssigkeit hindurchstrich, einen möglichst großen Weg zurück- 
legen mußte. Sie waren beschickt mit gemessenen Mengen einer gegen 
Alkohol austitrierten Bichromatschwefelsäure, und zwar wurde dazu je 
nach Bedarf verwandt: !/,, oder !/, oder ?/, normal Bichromatlösung, 
die man dann mit der gleichen Menge konzentrierter Schwefelsäure ver- 
setzte, z. B. 50 cem °/,,- Bichromat mit 50 ccm Schwefelsäure. 

Durch die Absorptionsgefäße wurde also die alkoholhaltige Luft 
hindurchgesogen in eine mit Wasser gefüllte Standflasche, aus deren 
unterem Tubus das Wasser beliebig schnell in einen bereitgestellten 
Litermeßkolben abtropfen konnte. War dieser Kolben gefüllt, damit 
also 1 1 Luft durch die Absorptionsgefäße gestrichen, so wurden diese 
Waschflaschen entfernt, ihr Inhalt entleert und quantitativ nachgespült; 
hierin mußte die aufgenommene Alkoholmenge titrimetrisch ermittelt 
werden. 

Die durch die Waschwässer verdünnte Bichromatschwefelsäure 
wurde auf ein rundes Volumen aufgefüllt und ein aliquoter Teil, 
z. B. 50 ccm, unter Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure im Rück- 
flußkühler bis 2 Stunden heftig gekocht, so daß man sicher sein konnte, 
daß selbst die geringste Spur von Alkohol oxydiert worden war. Nach 
dem Erkalten wurde das Gekochte in einen Meßkolben quantitativ über- 
gespült und bis zur Marke aufgefüllt; einen aliquoten Teil davon ver- 
setzte man mit absolut reinem Tetrachlorkohlenstoff oder Chloroform 
und ungefähr 10ccm einer rund 10°/, Jodkaliumlösung. Genau nach 
einer halben Stunde wurde das Jod, das von dem noch unangegriffenen 
Bichromat ausgeschieden und von Chloroform festgehalten wurde, mit 
®%/j00- Thiosulfat zurücktitriert. Als Indicator verwandten wir Stärke- 
lösung. 

Der Tierbehälter war ein Glaskasten von ca. 871 Inhalt, 
durch dessen Wände das Verhalten der Tiere gut beobachtet 
werden konnte. Er war mit einem Blechdeckel versehen, durch 
den an der einen Schmalseite das Luftzuführungsrohr bis zum 
Boden ging. An der anderen Schmalseite konnte die Kasten- 
luft durch eine Öffnung wieder austreten. Durch diese Öffnung 
wurde zugleich ein Thermometer in den Kasten gehängt. 

Die Bestimmung des Alkoholgehalts der Luft geschah nun 
einerseits so, daß in die Erlenmeyervorlage eine bestimmte 
Menge Alkohollösung bestimmten Gehaltes an Alkohol zu Be- 
ginn des Versuchs gegeben wurde, und an dessen Ende wieder- 


130 A. Loewy u. R. von der Heide: 


um Menge und Alkoholgehalt des nicht verdampften Restes 
ermittelt wurde. So war die Menge des an die Luft abge- 
gebenen Alkohols bekannt. Da die Gasuhrablesungen zugleich 
die Menge der durchgegangenen Luft anzeigten, konnte ihr 
Gehalt an Alkoholdampf ohne weiteres festgestellt werden. 

Andererseits wurde durch die oben geschilderten Alkohol- 
absorptionsgefäße während des Verlaufes einer einzelnen Ver- 
suchsreihe mehrmals je 11 der alkoholhaltigen Luft ganz lang- 
sam hindurchgesaugt und ihr Alkoholgehalt titrimetrisch fest- 
gestellt. Die nach beiden Verfahren gefundenen Werte zeigten 
so gute Übereinstimmung, daß in den Protokollen der einzelnen 
Versuchsreihen eine gesonderte Angabe der auf beiderlei Weise 
gefundenen Werte nicht mitgeteilt wird. 

Zu jedem Versuche wurde eine größere Anzahl von Tieren 
benutzt, von denen immer je zwei 2 bis 4 Stunden, andere 
7 bis 10 Stunden, wieder andere 12 Stunden und länger bis zu 
27 Stunden im Kasten blieben. Sie wurden dann herausge- 
nommen, gewöhnlich durch Nackenschlag getötet und die klei- 
neren Tiere im ganzen, die größeren nach schneller Zerstücke- 
lung mit strömendem Wasserdampf destilliert, bis kein Alkohol 
mehr ins Destillat überging. Die Destillate wurden nochmals 
destilliert und in diesen zweiten Destillaten der Alkohol be- 
stimmt. Damit war also einerseits die Alkoholmenge bekannt, 
die sich in der Einatmungsluft befand und andererseits die- 
jenige, die die Tiere während der Versuchsdauer aufgenommen 
hatten und noch in sich beherbergten. 

Wir haben auf diese Weise im ganzen 6 Versuchsreihen 
an Ratten und 4 an Meerschweinchen ausgeführt, abgesehen 
von 2 Kontrollversuchen, in denen je 1 Tier (Ratte) destilliert 
wurde, das keinen Äthylalkohöl geatmet hatte, um die Menge 
reduzierender Stoffe bei normalen Tieren festzustellen. 

Die Tabellen 1 und 2 geben eine Zusammenfassung aller 
Versuche. Als Beispiel für die Berechnung der einzelnen Werte 
führen wir zuvörderst ein Versuchsprotokoll in extenso an. Es 
betrifft die Versuchsreihen 1 der Tabellen I und I. 

Versuch 1 am 15. Sept. 1916. Vorgelegt ca. 30°/,iger Alkohol; 
nach Analyse enthaltend 22,38 g Alkohol in 100 com. — Versuch zer- 


fällt in 5 Perioden, die zusammen 21 Stunden 8 Minuten ausmachen. 
Periode I: vorgelegt 250 com, Dauer 2 Std., Rest 236,5 mit 18,247 g 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 131 


Alkohol in 100 ccm. Verdampft: 12,796 g Alkohol. Durchgang von 1097 1 
Luft durch die Flasche. Das sind: 5,663 1 Alkoholdampf auf 1000 1 
= 0,5662°/, Alkoholdampf, gleich 4,2903 mm Alkoholdampfspannung. 

Periode II: 4 Stunden. Vorgelegt 250 ccm, Rest 233 ccm mit 
17,430 Alkohol in 100 ccm. Verdampft 27,63 g bei 11033 1 Luft, die 
durchgeleitet wurden. Das sind 6,7665 1 Alkoholdampf auf 1000 = 0,6766 °/ 
Alkoholdampf, gleich 5,1284 mm Alkoholspannung. 

Periode III: 4 Stunden. Vorgelegt 400 ccm, Rest 372 cem mit 
16,637 g Alkohol in 100 Vol. Verdampft: 27,63 g Alkohol bei 2181,1 1 
Luftdurchgang. Das sind 6,1491 auf 1000 = 0,6149°/, Alkoholdampf, 
gleich 4,6639 mm Alkoholdampfspannung. 

Periode IV: 4 Stunden. Vorgelegt 400 cem, Rest 371,5 cem mit 
16,637 g Alkohol in 100 ccm. Verdampft: 27,71 g bei 1967,8 1 Ventila- 
tion. Das sind: 6,835 1 Alkohol auf 1000 = 0,6835°/, gleich 5,18 mm 
Alkoholdampfspannung. 

Periode V: 9 Stunden 8 Minuten. Vorgelegt 600 ccm, Rest 544 ccm 
mit 14,643 g in 100 Vol. Verdampft: 64,60 g Alkohol bei 4616,5 1 Venti- 
lation. Das sind: 6,7923 1 Alkohol auf 1000 = 0,679°/, Alkoholdampf, 
gleich 5,144 mm Alkoholdampfspannung. 

Ratte 1=109g, im Kasten 2 Std., 

n = 112 g, n n 2 » , 
n»n 2=108g, » »n 4 n , enthält 82,572 mg Alkohol; 
pro Kilo = 0,765 g Alkohol, 
r 3—= 103g, » ” 8 » , enthält 115,1 mg Alkohol; 
pro Kilo = 1,018 g Alkohol; 
n»n A= 898g, n » 21 » 8 Min.; enthält 145,026 mg Al- 
kohol; pro Kilo = 1,63 g Alkohol. 

Meerschweinchen sind im Kasten während der Perioden III bis V. 
Meerschweinchen 1: 358g, im Kasten 4 Std., enthält 69,06 mg Alkohol; 

pro Kilo = 0,193 g Alkohol; 


n 2: 366g, r »n 13 » 8 Min.; enthält 379,83 mg 
Alkohol; pro Kilo = 1,038 g Alkohol; 
” 3: 896g, im Kasten 13 Std. 8 Min. ; enthält 333,74 mg 


Alkohol; pro Kilo = 0,843 g Alkohol. 


B. Verlauf und obere Grenze der Alkoholansammlung. Ver- 
halten der Tiere bei verschiedenem Gehalt an Äthylalkohol. 


1. Versuche an Ratten. 


Bemerkungen über das Verhalten der Tiere. 
Versuchsreihe 1. 4,3 bis 5,16 mm Äthylalkoholspannung. 

Die Ratten liegen zunächst ?!/, Stunde (11% bis 11è 30) ruhig 
nebeneinander, werden dann lebhaft, schnuppern und richten sich auf 
den Hinterbeinen auf. Reagieren stark auf Pfeifen und Beklopfen der 
Kastenwand. 11545’: Sie sitzen still, reagieren nur auf starkes Klopfen 
oder Pfeifen mit Spitzen der Ohren. 12%45’: Liegen mit gekrümmtem 


132 A. Loewy u. R. von der Heide: 


Tabelle I. 
Ratten. 

















































v 

a oi Prozent- Spannung | Ein Kilo 

E 23 nn gehalt der| des et ent- 

S E E aufnahme Luft an | Alkohol- Ath H Bemerkungen: 
4 i Athyl- | dampfes alk ar ol 
Ka alkohol 

r. mm Hg 












= BE E-a T o 
— 0,566 4,29 — 
— 0,64 4,710 0,765 
— 0,64 4,686 1,018 
89 | 2 8 0,787 5,164 1,63 
71 — 1,82 13,31 0,142 
129 — 1,82 13,31 0,201 
102 — 2,00 14,55 0,261 
98 — 2,00 14,55 0,235 
62 55 2,28 16,68 2,755 
103 55 2,28 16,68 2,402 
245 | 2 Tier starb vor 
Schluß des Ver- 
suches, 











Tier tot. 
Tier in extremis. 


Tier tot. 
Tier in extremis. 


O0 OO = e OO O0 A A DO DO O ON NUON N A ON Mm O OO 


Nach direkter 
Bestimmung der 
Kastenluft zum 
Schluß: 5,017°/, 
Alkoholdampf 
= 35mm Dampf- 
spannung, 

Nr. 3 bis 7 am 
Schluß tot und 
schon kühl. 








1 Ur 0 O e DD OO SI TH CO DD OT SO DD I Te CO DD a SO DD rt 





Rücken, Kopf am Boden, Augen fast geschlossen. Bei starkem Klopfen 
an die Kastenwand Zucken des Vorderkörpers. 110’ dasselbe Ver- 
halten, ebenso noch um 3%. Die nun hineingesetzten Meerschweinchen 
werden beschnuppert und gebissen. Von 11® nachts liegen die Tiere 
zusammengekrümmt, reagieren nicht mehr deutlich. Ebenso am nächsten 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 133 


Morgen. — Die Meerschweinchen sind beim Herausnehmen schlapper 
als normal. 

Versuchsreihe 2 an Ratten: Alkoholdampfspannung 13,3 bis 
16,7 mm. Beginn 10. — 11*: Die Tiere sind übererregbar auf akusti- 
sche Reize; 11®45’: Reaktion nur noch auf starkes Klopfen gegen die 
Kastenwand. 1è schwache Reaktion auf starkes Klopfen. 2%: die eine 
der herausgenommenen Ratten macht ungeschickten Versuch zu ent- 
laufen, die zweite taumelt stark, läßt sich umlegen, richtet sich schwer- 
fällig auf. — 6®: die übrigen Ratten liegen auf der Seite, keinerlei Re- 
aktion beim Herausnehmen von dreien auszulösen. — 7%: die letzte 
Ratte atmet angestrengt 132 mal pro Minute, Cornealreflex fehlt. Lebt 
noch 11850’ nachts. Früh tot gefunden. 

Versuchsreihe 3 an Ratten: 8,1 bis 9,6 mm Alkoholdampf- 
spannung. Beginn 1015’. Nach !/, Stunde liegen die Tiere still, re- 
agieren noch. 12615’: Auf Klopfen Reaktion dnrch Zucken der Ohren, 
gelegentlich erheben sich einzelne und bewegen sich unsicher. Zwei 
herausgenommene Ratten laufen ungeschickt umher. 1® 50’: Tiere liegen 
mit geschlossenen Augen, teilweise zusammengekrümmt. Taumeln stark 
bei Bewegungsversuchen. 2®15’: zwei herausgenommene Tiere taumeln, 
das eine zieht den Hinterkörper nach sich, fällt alle paar Schritte auf 
die linke Seite. — 6®45’ abends: Tiere liegen reaktionslos in verschie- 
denen unnatürlichen Körperstellungen, Eines wird warm in Heu ge- 
packt, erholt sich (nach 8'!/,stündigem Aufenthalt in der Alkoholatmo- 
sphäre) vollständig, zwei weitere getötet. — Die übrigen Ratten leben 
in demselben Zustande noch 11® nachts, d. h. nach 12?/, stündigem Auf- 
enthalte. Früh (nach 21°/, Stunden) die eine Ratte tot, die zweite gibt 
noch schwache Lebenszeichen. 

Versuchsreihe 4 an Meerschweinchen: Alkoholdampfspan- 
nung zuerst 5,3 bis 6,6 mm, später 8,6 bis 9,7 mm. Beginn 10? 12’. — 
3:25: alle Tiere munter. — 7e abends: Tiere sind schlaff, lassen sich 
auf die Seite legen, richten sich mühsam auf; taumeln ein wenig. — 
Früh (nach 24 Stunden) taumelt das größere Tier, das kleinere liegt auf 
der Seite mit zeitweiligen Krämpfen des Hinterkörpers. 

Versuchsreihe 5 an Ratten und Meerschweinchen. Die Bestim- 
mungen an letzteren verloren. Alkoholspannung: 14,0 bis 15,3 mm. 
Beginn 10% 36’. Ratten liegen um 12:36’ zusammengekrümmt, Zucken 
bei Beklopfen der Glaswand mit Metallstab. Meerschweinchen 
munter. — Ebenso 1# 15’. — 5b: Ratten liegen auf der Seite, reaktions- 
los bis auf eine, die sich vergeblich aufzurichten sucht. — Meer- 
schweinchen taumeln beim Laufen, ziehen Hinterkörper nach. 6* ebenso; 
die eine herausgenommene Ratte richtet sich taumelnd auf, fällt auf 
die Seite, die zweite bleibt auf der Seite liegen mit krampfartigen 
Zuckungen der Hinterextremitäten. 128 angestrengte ungleiche Atmungen. 
Meerschweinchen taumeln stark beim Laufen. 820: eine Ratte 
vor kurzem gestorben, zweite liegt, herausgenommen, reaktionslos mit 
136 angestrengten Atmungen. — Früh 9” 30’: die beiden Meerschwein- 
chen liegen bewegungslos da. Ertränkungstod erfolgt ohne Krämpfe. 


134 A. Loewy u. R. von der Heide: 


Versuchsreihe 6 an Ratten: Alkoholdampfspannung 2,3 bis 
3,3 mm. — Nach 6 Stunden laufen alle Tiere noch herum. Nach 
8 Stunden machen sie schläfrigen Eindruck, reagieren jedoch noch gut. 
Nach 12 Stunden ebenso. — Nach 24 Stunden: Die Tiere bewegen sich 
anscheinend weniger sicher als normal. 

Versuchsreihe 7 an Ratten und Meerschweinchen. Alkohol- 
dampfspannung: 31,4 bis 35,0 mm. Ratten legen sich bald auf die 
Seite, auch die Meerschweinchen werden ruhig. Beginn 10% 15’. — Um 
251’ sind zwei herausgenommene Ratten absolut reaktionslos, mit 48 
angestrengten unregelmäßigen Atemzügen. — Von 2 Meerschweinchen 
taumelt das eine, fällt dabei mit dem Hinterkörper zeitweise auf eine 
Seite, zieht Hinterbeine nach sich, das zweite bleibt auf der Seite liegen, 
reagiert noch auf Kneifen. — 5#45’: alle Ratten tot und schon kalt. 
— Meerschweinchen liegen auf der Seite mit Zuckungen des Kopfes 
und der Extremitäten, die mit den Inspirationen zusammenfallen. 
Keines reagiert auf Kneifen, doch Lidreflex bei Berührung der Cornea. 
— 7% ebenso. Ihr weiteres eigentümliches Verhalten ist im Text auf 
Seite 142 besprochen. 8®25’: Corneae reagieren nicht mehr deutlich, 
auch jetzt noch Zuckungen bei den einzelnen Atembewegungen, wobei 
Schnauze und Nasenflügel unbewegt bleiben. — Tiere herausgenommen 
nach Aufenthalt von 10 Std. 10 Min. Das eine Tier wird in Heu ge- 
packt, erholt sich zunächst, lebt zwei Tage, dann Tod durch Pneumonie. 


1. Versuche an Ratten. 


Die vorstehende Zusammenstellung zeigt, daß schon bei 
Alkoholmengen, welche unter !/,°/, Alkoholdampf in der Atem- 
luft, entsprechend 2,3 bis 3,3 mm Alkoholdampfspannung, be- 
tragen (vgl. Versuch 6), nicht geringe Mengen Alkohols in den 
Körper übergehen. Sie liegen bei etwa !/, g Alkohol pro 
Körperkilo. Dabei zeigt sich weiter, daß bei einer Einatmung 
von 8!/, Std. das Maximum der Ansammlung erreicht zu sein 
scheint, denn bei Einatmung während 27 Std. ist die wieder- 
gefundene Menge nicht höher als bei der weniger als !/, dieser 
Zeit dauernden Aufnahme. 

Versuchsreihe 1 ist mit Alkoholdampfspannungen ange- 
stellt, die nicht ganz bis zum Doppelten der in Versuch 6 aus- 
machen. Die aufgenommene Menge geht nach 21 Std. 8 Min. 
bis zu 1,63 g Alkohol pro Körperkilo. Schon bei den hier 
verwendeten, immer noch niedrigen Alkoholspannungen von 
4,29 bis 5,16 mm (= 0,566 bis 0,707°/, Alkoholdampf in 
der Atemluft) ergibt sich, daß das Maximum der Aufnahme 
nach 8 Stunden noch nicht erreicht, die zur Anlagerung kom- 
mende Menge vielmehr weiter noch um ca. 50°/, zunimmt. 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 135 


Die Sättigung des Körpers mit Äthylalkohol geht 
also, ebenso wie wir es für den Methylalkohol zeigen konnten, 
sehr langsam vor sich. Das wird noch deutlicher in den 
weiteren Versuchen mit höherem Alkoholgehalt der Atemluft. 

In den Reihen 2 und 5 besteht ein Alkoholgehalt von 
1,82 bis 2,28°/,, entsprechend 13,3 bis 16,68 mm Spannung. 
Hier wird bis zu 4 Stunden nur etwa !/,, bis !/, der Gesamt- 
menge, die nach 22 stündiger Atmung sich ergab, aufgefunden. 
Die in den ersten 4 Stunden angehäuften Alkoholmengen sind, 
trotzdem die Alkoholspannungen 5 mal so hoch sind, wie in 
Versuchsreihe 1, geringer als die in letzterer in 8 Stunden auf- 
gespeicherten. Erst bei 7'/, und mehr noch bei etwa 10 stün- 
diger Atmung findet sich die Wirkung der höheren Alkohol- 
konzentration in einer entsprechenden Mehransammlung von 
Alkohol deutlich ausgedrückt. 

Am deutlichsten geht die Langsamkeit der Sättigung aus 
Reihe 3 hervor, bei der die Alkoholspannungen 8,1 bis 9,6 mm 
(= 1,07 bis 1,27°/, Alkohol) in der Atemluft betragen. Im 
Vergleich mit den gefundenen Höchstwerten machen die bei 
Atmung von 2 Stunden erhaltenen nur '/,, bis !/,, jener aus, 
bei 4stündiger etwa '/„. Auch hier macht sich erst nach 
8'/, Stunden ein stärkeres Ansteigen bemerkbar. 

Versuchsreihe 7 ist bei Alkoholspannungen durchgeführt, 
die schon nach wenigen Stunden tödlich wirkten. Hier ist 
schon nach 3°/, Stunden eine erhebliche Alkoholmenge im 
Körper nachzuweisen (1,67 bis 2,48 g pro Kilo Tier). — Über 
die Bedeutung der erreichten Höchstwerte soll später ge- 
sprochen werden. — 

Auf Grund der vorstehenden Ergebnisse werden wir er- 
warten können, bei graphischer Darstellung des Ganges der 
allmählichen Alkoholaufnahme charakteristische Unterschiede in 
den Kurven zu finden, je nach der Höhe der Alkoholdampf- 
spannung, bei der die Alkoholeinatmung geschah. Da der Um- 
fang der Alkoholaufnahme abhängt von der Differenz zwischen 
der Alkoholspannung der eingeatmeten Luft und dem Alkohol- 
gehalt des Körpers, muß im Beginne der Einatmung relativ 
am meisten Alkohol aufgenommen werden, Die Schnelligkeit 
der Aufnahme muß dauernd abnehmen, um schließlich den 
Sättigungspunkt zu erreichen, bei dem nur so viel Alkohol weiter 


136 A. Loewy u.R. von der Heide: 


aufgenommen wird, wie der Körper wieder abgibt, sei es durch 
Entleerung durch die Nieren, sei es durch Oxydation desselben. 
Bei der graphischen Darstellung werden sich demnach 
Kurven ergeben, die anfangs steil ansteigen, allmählich flacher 
werden, um schließlich horizontal zu verlaufen, und der Wechsel 
im Kurvenablauf muß um so später erfolgen, bei je höherer 
Alkoholkonzentration der Luft seine Einatmung erfolgt ist. 


Alkohol 
% 





0 
2 4 6 8 W Rn UU ËC B 0 2 W 
. stunden 
x% Versuch 7: 31,41 bis 32,13 mm Alkoholspannung. 


+ Versuch 5: 14,06 bis 15,33 mm ” 
x Versuch 2: 13,31 bis 16,68 mm » 
o Versuch 3: 8,11 bis 9,59 mm n 
e Versuch 1: 4,29 bis 5,16 mm » 
© Versuch 6: 2,33 bis 3,28 mm ” 


Fig. 2. 


Fig. 2 zeigt, daß dieses Verhalten zutrifft. Bei der niedrig- 
sten Alkoholkonzentration (Versuch 6: 2,3 bis 3,3 mm) ver- 
läuft von der achten Stunde an die Kurve horizontal, bei der 
nächsthöheren (4,7 mm) von derselben Zeit an sehr wenig an- 
steigend, bei den weiteren Kurven, die höheren Alkoholkonzen- 
trationen entsprechen, findet sich bis zur 22. Stunde ein noch 
ziemlich steiles weiteres Ansteigen. 

Die Möglichkeit einer Erklärung für dieses eigentümliche 
Verhalten, das in ganz gleicher Weise auch beim Methylalkohol 
gefunden wurde, soll später erörtert werden auf Grund von 
Versuchen, die wir über die Beziehungen zwischen der 
Alkoholspannung der Inspirationsluft und der Menge 
des ins Blut übergehenden Alkohols ausführen wollen, 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 137 


Wenden wir uns nun zu den Alkoholmengen, die in 
maximo angesammelt werden, so finden wir, daß sie inner- 
halb einer bestimmten Breite schwanken. Aber die gefundenen 
Unterschiede hängen, sofern die verwendete Alkoholdampf- 
spannung überhaupt geeignet war, das Maximum erreichen zu 
lassen, nicht allein von der Höhe der Alkoholdampfspannung 
in der eingeatmeten Luft ab, sind vielmehr — auch bei gleicher 
Alkoholspannung — mit durch individuelle Momente veranlaßt. 

Die maximalen Alkoholmengen liegen zwischen 3,054 und 
5,785 g Alkohol pro Kilo Tier. Es sind das Werte, bei 
denen die Tiere sich in extremis befanden, als sie zur 
Alkoholbestimmung kamen, oder die bereits den Tod 
veranlaßt hatten. 

Bei einer Alkoholspannung von 9,59 mm (Versuch 3, Nr. 7 
und 8) enthält das eine Tier: 3,787 g, das andere 5,785g 
Alkohol. Letzteres ist tot, ersteres gibt noch schwache Lebens- 
zeichen, ist ganz reaktionslos und hat schwache unregelmäßige 
Atmung. — Bei 16,17 mm Alkoholspannung finden sich (Ver- 
such 2, Nr. 7): 5,544 g Alkohol pro Kilo. Die Ratte war einige 
Stunden vor Schluß des Versuches gestorben. 

Bei 15,33 mm Spannung finden sich (Versuch 5, Nr. 5 und 6) 
3,112 bzw. 3,335 g Alkohol pro Kilo. Die erstere Ratte war 
kurz zuvor gestorben, die zweite liegt regungslos da mit 136 
angestrengten ungleichmäßigen Atmungen pro Minute. 

Bei 31,41 mm Alkoholspannung (Versuch 7, Nr. 3 bis 7) 
finden sich: 3,054 g, 3,154 g, 4,331g, 4,453 g und 5,056g 
Alkohol pro Kilo. Alle diese Tiere waren bereits seit einer 
Stunde tot. 

Die Widerstandsfähigkeit gegen den Äthylalkohol 
ist also von Tier zu Tier verschieden. Einzelne er- 
liegen ihm bereits, wenn 8g, andere erst, wenn 5?/,g 
pro Kilo Tier sich angesammelt haben. 

Bemerkenswert ist dabei, wie verschieden lange Zeit er- 
forderlich ist, um je nach der Höhe der Alkobolspannung die 
tödliche Alkoholansammlung zustande kommen zu lassen. 

Bei ca. 31 bis 35 mm Alkoholspannung tritt der Tod schon 
nach etwa 5?/, Stunden ein; bei 15,3 bis 16,2 mm nach etwa 
15 Stunden; bei 9,6 mm nach ca. 22 Stunden. 

Bemerkenswert ist weiter aber auch, daß schon eine so 


138 A. Loewy u. R. von der Heide: 


niedrige Spannung, wie die letztgenannte (9,6 mm = 1,27°/, 
Alkoholdampf in der Atemluft), überhaupt genügt, um tödliche 
Alkoholmengen aufnehmen zu lassen. 

Die obere Grenze für die Ansammlung von Äthylalkohol 
im Rattenkörper ist also bedingt durch die Giftwirkung des- 
selben. Die gefundenen Mengen können nichts darüber aus- 
sagen, wie weit die Sättigung der Gewebe mit Alkohol bei den 
benutzten Spannungen gegangen ist, bzw. ob sie vollkommen 
war. Doch ist es unwahrscheinlich, daß bei den höheren Span- 
nungen (über 9,6 mm hinaus) volle Sättigung des Körpers mit 
Alkohol gemäß den verwendeten Alkoholspannungen zustande kam. 

Aus unseren Versuchen lassen sich aber nicht nur die 
Beziehungen zwischen der angesammelten Alkoholmenge und 
der tödlichen Vergiftung ableiten, sie geben auch Material an 
die Hand, um festzustellen, wie das Befinden der Tiere 
sich bei der Aufspeicherung verschiedener Alkohol- 
mengen gestaltet. 

Enthielt der Körper pro Kilo 0,16 bis 0,27 g Alkohol, 
so zeigte sich (vgl. Versuch 2 und 3) verminderte Erregbarkeit; 
ein Tier mit 0,25 Alkohol taumelte stark beim Laufen, die 
übrigen 6 Tiere waren wohl etwas ungeschickt, aber sonst 
noch kräftig. 

Demgegenüber boten 3 andere Tiere bei Ansammlung von 
1/, g Alkohol (vgl. Versuch 6) weniger Abweichendes von der 
Norm. Sie schienen schläfriger, reagierten aber noch auf Ge- 
räusche und Berührung. Sie liefen, wenn auch wenig sicher, 
umher. Ein viertes dagegen (Versuch 3) taumelte stark mit 
deutlicher Schwäche des Hinterkörpers. 

Von einem Gehalt von ca.1g Alkohol pro Kilo an zeigen 
sich schwere Erscheinungen (vgl. Versuch 2 und 3, Nr. 5 bis 6, 
Versuch 5, Nr.3 und 4 und Versuch 7, Nr. 1 und 2). 7 Tiere 
lagen zusammengekrümmt auf der Seite, waren vollkommen 
reaktionslos, auch die Cornealreflexe waren erloschen. Das Ver- 
halten war das gleiche, während der Alkoholgehalt einmal 0,91 g, 
je einmal 1,47 g, 1,67 g betrug und in 4 Fällen zwischen 2,35 
und 2,75g pro Kilo lag. Selbst aus diesem schweren Vergif- 
tungszustande können Tiere sich erholen. Eine Kontrollratte 
zu Versuch 3, die dasselbe Bild bot wie Nr. 5 und 6 in Versuch 2 
und 3 und gleichfalls 8'/, Stunden der Alkoholatmosphäre aus- 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 139 


gesetzt war, wurde warm in Heu gepackt und gesundete voll- 
kommen. 

Etwas weniger schwer waren die Vergiftungserscheinungen 
bei einem weiteren Tiere (Versuch Nr. 4) Es lag zwar im 
Kasten auch auf der Seite, machte beim Herausnehmen aber 
den, allerdings mißglückten, Versuch zu laufen. Es enthielt 
2 g Alkohol. Ein anderes (Versuch 5, Nr. 3) verhielt sich wie 
die an erster Stelle genannten, wies aber eigentümliche krampf- 
hafte Zuckungen der Hinterextremitäten auf, bei 128 ange- 
strengten und dabei ungleichen Atemzügen pro Minute (Alkohol- 
gehalt 2,48 g pro Kilo). 

Mit 3g pro Kilo ist die Grenze erreicht, die den Tod 
herbeizuführen vermag. Allerdings, wie vorher schon erwähnt, 
nicht bei jedem Tiere, aber es ist immerhin die Grenze, bei 
der Lebensgefahr eintritt. Während 3 Tiere (Versuch 7, Nr. 4 
und 7, und Versuch 5, Nr. 5) bei einem Gehalt von 3,05 bis 
3,15 g Alkohol bereits tot waren, lebten zwei weitere noch mit 
3,3 und 3,7 g (Versuch 5, Nr 6, und Versuch 3, Nr. 8), jedoch 
unter Symptomen, die den baldigen Tod voraussehen ließen. 


2. Versuche an Meerschweinchen. 


Die an Meerschweinchen gewonnenen Ergebnisse sind nicht 
in allen Punkten den an Ratten gleich. Eine Ähnlichkeit be- 
steht zunächst hinsichtlich der Langsamkeit der Alkohol- 
ansammlung. Diese geht bei den Meerschweinchen aber noch 
zögernder vor sich als bei den Ratten. 

Bei 4,7 bis 5,34 mm Alkoholspannung finden wir inner- 
halb der ersten 2 Stunden nur '/, bis '/, der in 13 Stunden 
aufgenommenen Menge, innerhalb der ersten 4 Stunden nur '/, 
bis !/, der letzteren. Dabei scheint in 13 Stunden die Sättigung 
des Körpers mit Alkohol für diese Alkoholspannung erreicht 
zu sein (Versuch 1 und Versuch 4, Nr.1 bis 4). 

Bei 8,6 bis 9,7 mm Spannung ist nach fast 9 Stunden 
nur der dritte bis vierte Teil derjenigen Alkoholmenge auf- 
gestapelt, die sich nach 12 Stunden und nach fast 23?/, Stunden 
findet. Bei diesem Spannungsniveau ist nach 12 Stunden die 
Alkoholsättigung noch nicht vollendet. 

Bei ca. 32 mm Alkoholspannung beträgt die Aufnahme 
innerhalb der ersten 4 Stunden im Durchschnitt ein Drittel 


140 A. Loewy u. R. von der Heide: 























Tabelle II. 
FT — 
F Prozent- | Spannung] Ein Kilo 
£ Dauer der F 
3 Alkohol, gehalt der des Athy- Tier ent- 
g Aufnahme Luft an | alkohol- Athyl- Bemerkungen 
Š Athyl- | dampfes | alkohol 
Nr. alkohol mm Hg g 
1 1 |358 4 — 0,638 4,664 0,193 
2 |366 13 6 0,707 5,164 1,038 
3 1396 13 6 0,707 5,164 0,843 
4 1 |615 2 — 0,732 5,844 0,104 
2 |130 2 — 0,732 5,344 0,142 
3 |500 4 52 0,908 6,628 0,259 
4 |13 4 52 0,908 6,628 0,341 
5 1375 8 52 1,285 9,696 0,494 
6 | 167 8 52 1,285 9,696 0,386 
7 1330 12 3 1,215 9,168 1,186 
8 1240 12 3 1,215 9,168 1,247 
9 |149 | 23 21 1,138 8,594 1,798 
10 1320 | 23 29 1,138 8,594 1,160 
7 1 |4215]| 4 — 4,5 32,13 1,781 Nach der direkten 
Bestimmung der 
abgesaugten Ka- 
2 |2745] 4 — 4,5 32,13 — re 
3 |277 | 10 10 | 44 | 3141 5,454 [5,0170 Alkohol- 
4 |295,5] 10 10 4,4 31,41 4,518 dampf =35 mm 
5 [257 | 10 10 | 44 31,41 6,391 |^koholspannung. 
6 1303 8 45 4,4 31,41 — Am Leben gelas- 
sen! Stirbt nach 
2 Tagen, nachdem 
| erholt.Pneumonie. 





der in etwas mehr als 10 Stunden angesammelten. Jedoch ist 
es hier zweifelhaft, ob die nach 10 Stunden gefundenen Werte 
die Alkoholmengen angeben, die dem Grade der Alkoholspannung 
entsprechend aufgenommen werden könnten. Denn die Tiere 
befanden sich im Zustande hochgradiger Vergiftung und machten 
nach dem später noch zu schildernden Zeichen den Eindruck, 
daß sie kurz vor dem Verenden ständen. 

Was die absoluten Alkoholmengen betrifft, die auf- 
gespeichert waren, so liegen sie für die niedrigsten Alkohol- 
spannungen nicht deutlich unter den bei den Ratten gefundenen. 
Ein deutlicher Unterschied tritt dagegen bei 9 mm Spannung 
hervor. Hier nehmen die Ratten allmählich tödliche Mengen 
auf, während die Meerschweinchen mit im Mittel 1,48 g Alkohol 
bei 8,6 mm (Versuch 4, Nr. 9 und 10) nur etwa 1j der töd- 
lichen Menge enthalten. 


Aufnahme des Athylalkohols durch die Atmung. 141 


Den Gang der Alkoholaufnahme und die in den Tieren 
aufgestapelten absoluten Alkoholmengen veranschaulichen am 
besten die Kurven auf Fig. 3. 











e Versuch 1: 4,5 bis 5,1 mm Alkoholspannung. 
x Versuch 4: 4,3 bis 6,3 bis 9,7 mm Alkoholspannung. 
* Versuch 7: 31,4 bis 35,7 mm Alkoholspannung. 


Fig. 3. 


Auch in einem anderen Punkte stimmen Ratten und Meer- 
schweinchen nicht überein, das ist in den Alkoholmengen, 
die schnell tödlich wirken. Bei den Ratten hatten wir als 
solche zwischen 3,1 g und 5,78 g Alkohol pro Körperkilo ge- 
funden; bei den Meerschweinchen wurden 4,5 g, 5,5 g und 
6,4 g ermittelt als diejenigen Mengen, die schwere Vergiftungs- 
erscheinungen erzeugen, die aber nicht unmittelbar tödlich 
wirken, von denen vielmehr — wie im folgenden noch genauer 
ausgeführt werden wird — noch Erholung eintreten kann. 

Die Meerschweinchen erweisen sich also als widerstands- 
fähiger gegenüber der Giftwirkung des Alkohols als 
die Ratten. 

Über das Verhalten der Tiere bei verschiedenem 
Alkoholgehalt des Körpers ergibt sich aus den Protokollen 
(vgl. die Bemerkungen zu der Tabelle I S. 131 ff.) folgendes. 

Die Tiere, die mehr als etwa 0,4 g Alkohol enthalten, sind 
schlapper als normal, leisten weniger Widerstand, lassen sich 


leichter umlegen. Sonst zeigen sie bis zu einem Alkoholgehalt 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 10 


142 A. Loewy u. R. von der Heide: 


bis zu etwa 1 g pro Körperkilo (vgl. Versuch 1, Nr. 2 und 3, 
0,843 g, 1,038 g) keine deutlichen Erscheinungen'). Aber einige 
Zehntelgramme mehr genügen, um die Alkoholgiftwirkung schon 
sichtbar zur Geltung kommen zu lassen. Die Tiere Nr. 7 und 10 
in Versuch 4 mit 1,186 und 1,160 g taumeln beim Versuch 
zu laufen, Nr. 8 mit 1,247 g taumelt stark. 

Die Tiere Nr. 9, Versuch 4, und Nr. 1, Versuch 7 mit 1,798 
bzw. 1,781 g Alkohol pro Kilo sind bereits schwer vergiftet: 
das erstere kann sich kaum mehr bewegen, das letztere fällt 
beim Laufen mit dem Hinterkörper auf die Seite und zieht 
die Hinterläufe paretisch nach. 

Eigentümliche Zeichen waren bei den Tieren wahrzunehmen, 
die sich lange unter einer Alkoholdampfspannung von ca. 35 mm 
aufhielten und die nach ca. 10stündigem Aufenthalt 4,5 bis 
6,4 g Alkohol enthielten. 

Nach 5 Stunden bereits lagen alle 4 Tiere auf der Seite, 
reagierten nicht auf Kneifen, die Berührung der Corneae löste 
aber noch einen schwachen Lidreflex aus. Inspirationen krampf- 
haft vertieft und verlangsamt. In weiteren °/, Stunden bilden | 
sich bei allen Tieren krampfhafte Zuckungen der Extremitäten 
aus, die mit jeder Inspiration zusammenfallen und von einem 
!/, bis 1 Sekunde dauernden Zittern der Beine gefolgt werden. 
Auffallend ist, daß trotz dieser krampfartigen Erscheinungen 
Nasenlöcher und Schnauze ganz ruhig bleiben. Der Corneal- 
reflex ist nun bei einzelnen Tieren bereits erloschen. Dieses 
Verhalten bleibt bis zum Schluß des Versuchs (Dauer 10 Std. 
10 Min.) bestehen. 

Ein Tier, das nach 8°/,stündigem Versuche in dem ge- 
schilderten Zustande herausgenommen wird (Nr. 6) und bereits 
exspiratorisches Rasseln zeigte, wird in Heu warm eingepackt. 
Es erholt sich zunächst und lebte noch 2 Tage. Die Sektion 
zeigte, daß der Tod au Pneumonie erfolgt war. 

Ein Vergleich über das Verhalten von Ratten und 
Meerschweinchen gegenüber eingeatmetem Äthylalkohol er- 
gibt, daß die Aufspeicherung des Alkohols bei letzteren lang- 





1) Daß jedoch einzelne Tiere auch schon bei einem Gehalt von 0,8 g 
schwerere Erscheinungen zeigen können, geht aus dem Verhalten eines 
später bei den Glockenversuchen zu schildernden Tieres (cf. S. 149, Ver- 
such 4) hervor. 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 143 


samer erfolgt als bei ersteren, daß ferner Meerschweinchen, wie 
schon erwähnt, größere Alkoholmengen pro Kilo Tier in sich 
anhäufen können, ohne — zum mindesten so schnell — zu 
erliegen, endlich, daß die Vergiftungserscheinungen bei Gegen- 
wart gleicher Alkoholmengen bei ihnen weniger intensiv sind 
als bei den Ratten. 


Die Tabellen I und II zeigten uns, daß mit Zunahme der 
Alkoholspannung allmählich die Menge des aufgestapelten Alko- 
hols zunimmt. Die Art, wie dies geschieht, wird besser er- 
sichtlich, wenn berechnet wird, wieviel Alkohol auf die Einheit 
der Alkoholspannung, also auf jeden Millimeter Spannung, an- 
gelagert wird. 

Die Tabelle III, die des Vergleiches wegen auch die an Meer- 
schweinchen erhaltenen Werte mit enthält, läßt zunächst er- 
kennen, daß das Niveau der Alkoholaufstapelung bei 
Ratten und Meerschweinchen nicht ganz das gleiche 
ist. Bei gleicher Dauer der Atmung liegt es bei letzteren — 
auf 1 mm Alkoholspannung und auf das Kilo Körpergewicht 
berechnet — niedriger als bei ersteren. 

Weiter zeigt sich, daß bei beiden Tierarten nicht unerheb- 
liche individuelle Verschiedenheiten vorhanden sind. Auch die 
Gleichmäßigkeit, die beim Methylalkohol sich in der Hinsicht 
herausstellte, daß mit steigender Alkoholspannung in der Atem- 
luft die Ansammlung pro Millimeter Spannung geringer wurde, 
tritt beim Äthylalkohol nicht hervor. Bei ihm werden die 
Ergebnisse wohl durch den bei weitem höheren Grad der Ver- 
brennung im Körper, der individuell gleichfalls zu schwanken 
scheint (vgl. dazu S. 151), in ihrer Deutung weniger durchsichtig. 

Nur das Eine geht aus der Tabelle sicher hervor, daß 
die pro Millimeter Alkoholspannung sich ansammeln- 
den Äthylalkoholmengen erheblich geringer sind, als 
es beim Methylalkohol der Fall ist. Bei letzterem fand sich 
eine Ansammlung von 230 mg in 2 Stunden pro Kilo und 
1mm Alkoholspannung, wenn die Atemluft 3,18 mm Alko- 
holspannung hatte; eine von 100 mg bei 6 mm Alkoholspannung 
in den ersten Stunden; eine von 60 mg bei 16,6 mm Spannung. 

Demgegenüber betragen die Höchstwerte der Äthyl- 
alkoholansammlung bei den Ratten nur 54,2 und 58,8 mg 

10* 


144 A. Loewy u. R. von der Heide: 








Tabelle III. 
a) Ratten. 
i h 2 Aufgespeicherte Alkoholmenge 
Dauer Alkohol- pro Kilo u. 1 mm 
der Atmung spannung pro Kilo Alkoholspan- 


Körpergewicht | nung in 2 Std. 


Versuchs- 
reihe u. Nr. 




















Std. Min. mm Hg 

1. [2 Ar 4,71 0,765 81,0]? 
3 8 = 4,686 1,018 54,2 
4 21 8 5,116 1,63 31,0 

2.1 2 — 13,31 0,142 10,6 
2 2 = 13,31 0,201 15,1 
3 4, 14,55 0,261 9,0 
4 4 14,55 0,235 8,1 
5 755 16,68 2,755 41,2 
6 755 16,68 2,102 36,0 
[7 22 15 16,17 5,544] 

5. 1 9 4 14,06 0,384 18,2 
2 oA 14,06 0,451 | 21,4 
3 7 28 14,60 2,476 | 45,4 
4 7 28 14,60 2,035 | 37,2 
5 9 50 15,33 3,112] 

6 9 50 15,33 3,335 44,4 

3.1 9, 8,11 0,154 | 198 
2 E 8,11 0,159 | , 
3 re 9,417 0,272 14,4 
4 Ave 9,417 0,540 28,6 
5 8 30 9,341 1,474 | 37,1 
6 8 30 9,341 0,910 | 22,7 
7 21 45 9,588 5,785 55,6 
8 21 45 9,588 3,737 37,2 

6. 1 8 15 2,33 0,568 | 58,8 
2 8 15 2,33 0,448 | 46,6 
B| 2 8 3.28 0509 | 114) 

7.1 3 46 32,13 1,673 | 28,8 
2 3 46 32,13 2,483 | 41,6 

b) Meerschweinchen. 

1.1 di 4,66 0,193 20,5 
2 13 6 5,16 1,038 30,8 
3 13 6 5,16 0,843 25,0 

4. 1 2 — 5,34 0,104 19,5 
2 piz 5,34 0,142 26,6 
3 4 52 6,63 0,259 16,0 
4 4 52 6,63 0,341 21,0 
5 8 52 9,69 0,494 11,6 
6 3 52 9,69 0,386 8,9 
7 3 9,17 1,186 
8 12 3 9.17 1247) 22,0 
9 23 21 8,59 1,798 19,0 
10 23 29 8,59 1,160 11,5 

ti Ar 32,13 1,781 27,7 
3 10 10 32,13 5,454 34,0 
4 10 10 31,41 4,518 28,8 
5 10 10 31,41 6,391 | 40,6 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 145 


bei 2,3 bzw. 4,7 mm Alkoholspannung in der Luft. Der eine 
Wert von 81 mg dürfte zweifelhaft sein. Sie gehen bis auf 9 
bzw. 8,1 mg hinunter bei 14,5 mm Spannung. Sie bewegen 
sich also für den Millimeter Spannung im allgemeinen 
zwischen etwa 1 und 6cg. — Bei den Meerschweinchen 
liegen die niedrigsten Werte auf der gleichen Höhe wie bei 
den Ratten (8,9 und 11,5 mg); der höchste erreicht nur 
40,6 mg. Sie bewegen sich also pro Millimeter Spannung 
zwischen etwa 1 und 4cg Alkohol, die pro Kilo Tier in 2 Stunden 
aufgestapelt werden. 


C. Über die Verbrennung des Alkohols im Körper bei seiner 
Aufnahme durch die Lungen. 


Die in den vorstehenden Abschnitten gegebenen Zahlen' 
zeigen uns die Alkoholmengen an, die sich bei der Alkohol- 
atmung im Tierkörper ansammeln. Eine weitere Frage ist, 
wie sich die Aufnahme des Alkohols aus der eingeatmeten 
Luft gestaltet, wieviel ihr an Alkohol entnommen wird. 

Die Frage wäre unschwierig und mit annähernder Sicherheit 
zu beantworten, wenn bekannt wäre, wieviel von dem auf- 
genommenen Alkohol zur Verbrennung gelangte. Leider liegen 
Untersuchungen über den Umfang der Alkoholverbrennung bei 
seiner Aufnahme durch die Lungen überhaupt nicht vor und 
auch über den Anteil, der nach Einbringung in den Magen 
allmählich zur Verbrennung kommt und den man vielleicht 
der Berechnung zugrunde legen könnte, sind nur an Hunden 
direkte, chemische Methoden der Alkoholbestimmung zur Ent- 
scheidung heranziehende Versuche angestellt worden. 

Diese letzteren rühren von Völtz und Dietrich!) her. 
Sie führten ihren Hunden je 2 ccm Äthylalkohol pro Körperkilo 
auf etwa 35 bis 40°/, verdünnt in den Magen ein, brachten 
die Tiere in einen Respirationsapparat und bestimmten während 
10 bis 15 Stunden die Alkoholmenge, die mit der Atemluft und 
dem Harn abgegeben wurde, und diejenige Alkoholmenge, die 
nach dieser Zeit noch in den Tieren vorhanden war. Die Summe 








1) W. Völtz u. W. Dietrich, Über die Beteiligung des Methyl- 
alkohols und des Äthylalkohols am gesamten Stoffumsatz im tierischen 
Organismus, diese Zeitschr. 40, 15, 1912. 


146 A. Loewy u. R. von der Heide: 


dieser Werte, subtrahiert von der Menge des eingeführten 
Alkohols, ergibt die Menge des im Körper zur Oxydation ge- 
kommenen. 

Der Umfang der Alkoholoxydation im Körper des Hundes 
erwies sich nun als sehr bedeutend. Nach 10 Stunden waren 
nur noch rund 25°/, des eingeführten Alkohols im Körper vor- 
handen, so daß, da nur 2 bis 4°/, durch die Atmung, nur 0,4 
bis 3,8°/, mit dem Harn ausgeschieden wurden, etwa 70°/, 
verbrannt sein mußten. In absoluten Werten kamen pro Körper- 
kilo und Stunde in den 10 Stunden dieses Versuches 0,14 ccm 
Alkohol zur Verbrennung. 

Zum Gesamtumsatz wurden während der 10stündigen Ver- 
suche etwa 42°/, durch die Alkoholverbrennung geliefert. 

Zu diesen Versuchen kommt eine ganze Reihe anderer, in 
denen aus dem Verhalten des Stoffwechsels nach Alkoholauf- 
nahme Schlüsse auf seine Verbrennung gezogen wurden. Auf 
diese wird, soweit sie für uns wesentlich sind, später eingegangen 
werden. 

Da sowohl die Völtz-Dietrichschen wie auch die Er- 
gebnisse der übrigen Autoren an Tierarten — auch am Men- 
schen — gewonnen sind, deren Oxydationsenergie von der der 
Ratten und Meerschweinchen verschieden ist, zudem die Auf- 
nahmebedingungen von den in unseren Inhalationsversuchen 
abweichen, da ferner nicht bekannt ist, inwieweit der Umfang 
der Verbrennung des Alkohols von dem Maße seiner Ansamm- 
lung im Körper beeinflußt wird, können uns die vorliegenden 
Daten nicht gut als Grundlagen zur Bestimmung der Alkohol- 
verbrennung in unseren Versuchen dienen. 

Sind wir aber im unklaren über den wirklichen Umfang 
der Alkoholverbrennung, so müssen damit alle weiteren Be- 
rechnungen, die die Alkoholaufnahme betreffen, unsicher 
werden. 

Wir haben deshalb in anders angeordneten Versuchen so- 
wohl die Aufnahme des Alkohols in den Körper bei ver- 
schiedenen Alkoholspannungen in der Atmungsluft wie auch 
die im Organismus verbrennende Menge direkt bestimmt. 

Innerhalb einer 11,71 fassenden, luftdicht auf einer Glas- 
platte aufsitzenden Glasglocke befindet sich ein Gestell mit 
zwei Geschossen. Auf dem oberen sitzt das Versuchstier in 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 147 


einer flachen Glasschale mit einem glockenförmigen Drahtnetz 
bedeckt; das untere trägt eine Schale, in die eine gemessene 
Menge Alkohols bekannter Konzentration eingefüllt wird, sowie 
eine zweite mit einem bekannten Volumen 50°/ iger Kalilauge. 
Unter dem Gestell befindet sich eine zunächst leere größere 
Glasschale. 
Die Glocke trägt einen dreifach durchbohrten Gummistopfen. 
Die eine Bohrung durchsetzt ein mit Paraffinum liquidum be- 
schicktes Manometer, die zweite ein außerhalb horizontal ab- 
gebogenes Glasrohr, das im Innern der Glocke an deren Wand 
sich nach unten fortsetzt und einen Gummischlauch trägt, der 
in der untersten großen Glasschale mündet. Die dritte Bohrung 
wird von einem, außen wiederum horizontal abgebogenen Glas- 
rohr durchsetzt, das dicht unter der Kuppe der Glocke endet. 
Nachdem das Versuchstier an Ort und Stelle gebracht ist 
und Alkohol sowie Kalilauge eingefüllt sind, wird die Glocke 
übergestülpt und damit ein abgeschlossener Luftraum ge: chaffen. 
Nun wird zunächst der Glockenraum schnell mit Sauerstoff 
gefüllt, und das Tier atmet ‘in der mit Alkoholdämpfen sich 
allmählich sättigenden Sauerstoffatmosphäre. — Entsprechend 
dem durch den Sauerstofiverbrauch und die Kohlensäure- 
absorption sich vermindernden Gasvolumen unter der Glocke, 
wie es die Änderungen in dem oben erwähnten Manometer 
anzeigen, wird von Zeit zu Zeit neuer Sauerstoff nachgefüllt. 
Am Schluß des Versuches wird durch das lange, mittels 
des Gummischlauches in die untere Schale mündende Glasrohr 
eine gemessene Menge Paraffinum liquidum in diese hinein- 
gebracht. Dabei ist das zweite kurze Glasrohr mit einer Queck- 
silberkugel verbunden, aus der das Quecksilber in eine zweite 
Kugel abfließen kann. Es wird soviel Gas aus der Glocke ver- 
drängt, daß die ?/,1 fassende Quecksilberkugel bei Atmorphären- 
druck damit gefüllt ist. — Diese Gasprobe diente zur Ermit- 
telung des Alkoholgehalts der Glockenluft. In einigen Ver- 
suchen wurde nun zunächst eine zweite Gasprobe entnommen, 
in der der Kohlensäure- und Sauerstoffgehalt bestimmt wurden. 
Es ergaben sich Werte von etwa ?/,°/, CO, und 50°/,0,- 
Dann wird die Glocke abgehoben, der Alkoholrest ge- 
messen und seine Konzentration bestimmt. Das Versuchstier 
wird herausgenommen, getötet und die bei ihm aufgestapelte 


148 > A. Loewy u. R. von der Heide: 


Alkoholmenge festgestellt. Dabei muß man scheiden zwischen 
der in das Tier eingetretenen und der ihm außen, auf dem 
Felle, anhaftenden Alkoholmenge. Letztere wurde in einigen 
Versuchen von uns gesondert ermittelt. 

Da auch die Kalilauge nicht unerhebliche Alkoholmengen 
aufnimmt und auch an der feucht werdenden Glaswand sich 
Alkohol in, wenn auch geringen, so doch vielleicht nicht zu 
vernachlässigenden Mengen kondensierte, mußten auch diese 
Mengen festgestellt werden. Endlich wird die in die Queck- 
silberkugel abgesaugte Luftmenge auf ihren Alkoholgehalt unter- 
sucht, indem man sie langsam durch zwei mit Schwefelsäure 
und Bichromatlösung bekannter Konzentration beschickte Gefäße 
von der früher bereits beschriebenen Konstruktion hindurch- 
streichen läßt und durch Titrieren, wie oben (S. 129) beschrieben, 
den Alkoholgehalt ermittelt. 


Durch diese Bestimmungen lernen wir einerseits die Alkohol- 
menge kennen, die verdampft ist, und zwar diese aus der 
Differenz zwischen der in den Apparat gebrachten Alkohol- 
menge und der des nicht verdampften Alkoholrestes. Sodann 
— aus der Analyse der Glockenluft, der Kalilauge und des an 
der Glockenwand niedergeschlagenen Wassers — die in der 
Glocke am Schluß der Versuche vorhandene Alkoholmenge. 
Die Differenz zwischen verdampftem und in der Glocke wieder- 
gefundenem Alkohol gibt die Alkoholmenge, die aus der Glocken- 
luft verschwunden, also am Tier sich befindet oder von ihm 
aufgenommen wurde. Letztere Menge ergibt sich nach Ab- 
zug der ersteren. Ziehen wir von der ins Tier aufgenommenen 
Menge die in ihm wiedergefundene ab, so haben wir den Um- 
fang der Alkoholverbrennung im Tiere im Verhältnis zur 
aufgenommenen Alkoholmenge. 

Die Analyse der Glockenluft gibt zugleich einen ungefähren 
Anhalt für die Alkoholspannung, unter der der Alkohol vom Tiere 
aufgenommen wurde. 

Die ganze Versuchsanordnung ist auf Figur 4 dargestellt. 

Wir haben nach diesem Verfahren 6 Versuche ausgeführt, 
3 an Ratten, 3 an Meerschweinchen. 


Vor Besprechung der Ergebnisse seien Auszüge aus den 
Protokollen angeführt. 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 149 





Fig. 4. 


Versuch 1. Ratte von 123g sitzt in der Glocke von 10% 42’ bis 
135°. Hineingebrachte Alkoholmenge 37,79 g. — Ab 10% 50° Verände- 
rung im Verhalten des Tieres; es sitzt mit gesenktem Kopf, ist dabei 
übererregbar gegen Geräusche. 11% 35’: Ratte sitzt noch aufrecht, reagiert 
wenig auf akustische Reize. 1? 25’: Ratte liegt auf der Seite, reagiert 
nur noch auf starke akustische Reize durch geringe Hebung des Kopfes. 
Am Ende liegt sie halb auf der Seite, versucht taumelnd zu laufen. 
Alkoholrest: 36,22g. Die Glockenluft enthält am Schluß: 2,85°/, Alko- 
holdampf. 

Versuch 2. Meerschweinchen von 350g. Beginn 10% 8’, Ende 
12255’. Tier lehnt sich schon um 10% 30’ an die Wand des Behälters, 


reagiert noch deutlich auf Klopfen an die Glaswand. — 12430’: Auf 
starkes Klopfen nur geringes Zucken der Ohren; wirft sich seit einiger 
Zeit umher und versucht sich vorwärts zu schieben. — Beim Heraus- 


nehmen liegt das Tier auf der Seite, es versucht sich aufzurichten, bleibt 
breitbeinig auf dem Bauche liegen. — Alkohol hineingebracht: 37,66 g, 
Alkoholrest 35,185 g. Die Glockenluft enthält: 2,3744°/, Alkoholdampf. 

Versuch 3. Meerschweinchen von 470g, geschoren. In der 
Glocke von 10% 30’ bis 1230. In die Glocke: 37,945 g Alkohol. — 
112 15’ liegt Tier auf der Seite; reagiert noch auf Klopfen. 140 tiefe 
Atmungen. Tier wälzt sich am Boden umher und versucht sich vor- 
wärts zu schieben. 1225’: 102 angestrengte Atmungen mit aktiver 
Exspiration. — Nach der Herausnahme liegt es auf der Seite. Corneae 
reagieren noch. Am Bauch ist das Tier feucht, und das Fell riecht nach 
Alkohol. Alkoholrestt am Ende: 35,17 g; die Glockenluft enthält am 
Schluß 3,1°/, Alkoholdampf. 

Versuch 4. Meerschweinchen von 507g in der Glocke von 
10% 32’ bis 126 32. Hinein 37,945 g Alkohol. — 10% 55’ Tier übererregbar 
auf Geräusche. Beim Beklopfen der Glocke starkes Zucken des ganzen 
Körpers. 11% 22°: Tier liegt auf der Seite, noch übererregbar. Versucht 


150 A. Loewy u. R. von der Heide: 


sich wiederholt aufzurichten. 11? 30’: 132 unregelmäßige Atemzüge. — 
Bis zum Schluß wirft sich das Tier viel umher. Atmung ungleich und 
unregelmäßig. — Herausgenommen liegt es auf der Seite, corneae rea- 
gieren schwach. — Alkoholrest beträgt: 34,93 g. 

Das Tier wird ertränkt und zweimal mit viel kaltem 
Wasser abgewaschen. Die Wässer werden für sich auf Alko- 
hol untersucht, ebenso das Tier selbst. — Glockenluft enthält am 
Schluß 4,14°/, Alkoholdampf. 

Versuch 5. Ratte 168g schwer. In Glocke von 10%31’ bis 
12b 48°. — Hinein: 35,4475 g Alkohol. — 10% 50°: Tier liegt halb auf der Seite, 
Kopf am Boden. 1130’: Tier liegt auf der Seite, reagiert wenig auf 
Klopfen, schiebt sich häufiger taumelnd umher. — 12? 32’: Keine Reak- 
tion mehr auf Klopfen, Atmung angestrengt und langsam. Heraus- 
genommen reagiert das Tier nicht mehr auf Berührung, Körperoberfläche 
feucht. Tier ertränkt. Dieses Wasser sowie zwei weitere Wassermengen, 
mit denen der Kadaver gründlich abgewaschen wurde, wurden für sich 
auf Alkohol untersucht; ebenso der Rattenkörper selbst. — Alkoholrest: 
32,53g. Die Glockenluft enthielt zum Schluß: 4,03°/, Alkoholdampf. 

Versuch 6. Ratte, 327g. In Glocke von 10% 35’ bis 12 35’. — 
Hinein: 37,86 g Alkohol. 11% 25’: Tier sitzt noch aufrecht, reagiert etwas 


träge, bewegt sich langsam in der Glocke. — 11% 50’: Putzt sich; etwas 
übererregt. 1220’: Tier noch mobil. 12% 30°: Noch übererregbar, sitzt 
mit gesenktem Kopf, doch noch aufrecht. — Beim Herausnehmen macht 


es Muskelspannungen und leistet Widerstand, losgelassen läuft es schwan- 
kend und langsamer als normal umher. Getötet durch Nackenschlag. 
Haut dreimal reichlich mit Wasser abgewaschen. Das Waschwasser 
sowie der Kadaver werden gesondert auf Alkohol untersucht. Alkohol- 
rest: 35,83g Alkohol. Die Glockenluft enthält zum Schluß: 2,76°/, 
Alkoholdampf. 

Die Ergebnisse dieser Versuche enthält die Tabelle IV. 


Tabelle IV. 













































1 e So IR e| 7 11 
Alkohol wiedergefunden 
2,8] s las lug D| Aufgenommene 
Versuchs-Nr. 3 b F 2 Ek g Siel 3 883 z 8 SEHR Alkoholmenge 
mem | = V =. fi R 
s 5 Za S5) aS aSk g +» 2| pro Kilo Tier 
Tierart <4 v g Eia 53 ad s3 GA ER p 
En g g g g g g 
— — 
1. Ratte . . | 1,57 0,3039 0,6914 
2. Meer- 
schwein- 
chen . . | 2,475 0,3222 0,7747 | 0,679 
3. do. . . . | 2,770 1,122 0,7534 | 0,679 | 2,5544 |0,2156 
4. dœ. . . .| 3,015 [0,403 |0,284 |1,003 |0,529|0,00912,2186|0,7964 0,7850 2,36 
5. Ratte . . | 1,917 [0,147 0,1565 0,4744 0,739 | 0,000| 1,5169 [0,4001 | 1,070 3,25 
6. do. . . 2,03 [0,0104 0,0057 | 0,3256 | 0,789 |0,000{ 1,1307 [0,900 |1,375 2,78 





Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 151 


Die Tabelle zeigt zunächst, daß das Kondenswasser an der 
Glockenwand entweder quantitativ nicht nachweisbare oder 
äußerst geringe Mengen Alkohol enthielt. Dagegen hatte die 
Kalilauge beträchtliche Alkoholmengen absorbiert, deren Ver- 
nachlässigung zu unmöglichen Ergebnissen geführt hätte. Auch 
die Scheidung der in das Tier eingetretenen und der außen 
an ihm haftenden Alkoholmengen erweist sich als erforderlich, 
um Kenntnis über den Umfang der vom Tier aufgenommenen 
Alkoholmengen zu gewinnen. 

Um die analytischen Werte möglichst sicher zu gestalten, 
wurden in diesen Glockenversuchen verhältnismäßig große 
Alkoholmengen zur Verdampfung gebracht. Wie hoch die 
Alkoholspannung stieg, läßt sich nicht sicher sagen; jedenfalls 
aber übertraf sie, bis auf den Rattenversuch 6, die höchsten 
der in den bisher besprochenen Versuchen erreichten. Das 
geht aus der weit schnelleren Giftwirkung hervor, die sich in 
gleicher Weise auf Ratten und Meerschweinchen äußerte. Die 
zum Schluß gefundene Alkoholdampfspannung in der Glocken- 
luft, die in den vorstehenden Protokollen angegeben ist, ist 
natürlich für die Spannungen, die sich im Laufe der Versuche 
ausbildeten, nicht maßgebend, ebensowenig aber auch die 
Spannungen, die man berechnen kann, wenn man von der ver- 
dampften Alkoholmenge ausgeht. 

Die Tabelle zeigt nun, daß erhebliche Alkoholmengen 
zur Verbrennung gelangt sind. Dabei ist zwischen Ratten 
und Meerschweinchen ein deutlicher Unterschied in der Größen- 
ordnung erkennbar, da bei ersteren die verbrannten Alkohol- 
mengen um das 2- bis 3fache die bei letzteren übertreffen. 

Die Berechnung pro Kilo Tier und Stunde gibt für 
die beiden Ratten, für die alle Daten vorliegen: 1,070 g und 
1,375g. Im Mittel: 1,222g. Für die Meerschweiuchen: 
0,23g bis 0,79 g; im Mittel = 0,584 g. 

Diese Werte liegen erheblich über den von Völtz und 
Dietrich am Hunde bei Alkoholeinbringung in den Magen ge- 
fundenen. Sie fanden eine Verbrennung von nur 0,14 ccm 
Alkohol pro Kilo und Stunde in 10 Stunden dauernden Ver- 
suchen, wenn sie rund 1,6g Alkohol pro Körperkilo in den 
Magen gebracht hatten. 

In unseren Versuchen war nun die Aufnahme des 


152 A. Loewy u. R. von der Heide: 


Alkohols weit beträchtlicher. Berechnen wir sie aus der 
Differenz zwischen der verdampften und der Summe der im 
Restalkohol, der Kalilauge, der Glockenluft und am Tiere wieder- 
gefundenen Alkoholmengen, so finden wir, daß das Meer- 
schweinchen in Versuch 4: 2,36 g pro Körperkilo durch Ein- 
atmung in den Körper aufnahm, die Ratten in Versuch 5 und 
6: 3,25 g und 2,78g pro Kilo Tier. — Danach wären also 
während der Dauer des Versuches verbrannt pro Kilo: vom 
Meerschweinchen in Versuch 4: 66,50°/, des aufgenommenen 
Alkohols; von den Ratten im Versuch 5 und 6: 73,8 und 
98,9%/,. 

Wie weit die Art der Aufnahme zur Erklärung des gegen- 
über den Hunden beträchtlich erhöhten Umfangs der Alkohol- 
verbrennung heranzuziehen ist, soll zunächst unerörtert bleiben. 
Sicher ist aber die weit erheblichere den Geweben zur Ver- 
fügung stehende Alkoholmenge von Bedeutung. Ähnlich hohe 
Werte, wie wir am Meerschweinchen fanden, berechnen sich 
aus Versuchen von Wolffers!), in denen Kaninchen Alkohol- 
mengen intravenös injiziert wurden, die den Energiebedarf 
übertrafen, nämlich 4g pro Kilo und Stunde. Verbrannt wur- 
den hier 0,364g Alkohol pro Kilo und Stunde. Die noch 
höheren Werte bei unseren Ratten dürften mit dem weit leb- 
hafteren Stoffwechsel dieser Tiere zusammenhängen. 

Daß die gefundenen Werte durchaus möglich sind und so 
große Alkoholmengen im Körper wohl oxydiert werden können, 
ergibt sich aus folgendem. Berechnen wir den calorischen 
Wert derselben, so finden wir, daß durch die Alkoholverbrennung 
erzeugt wurden in den Versuchen an Meerschweinchen pro Kilo 
und Stunde: 5,11 Cal. in Versuch 2; 1,61 Cal. in Versuch 3; 
5,50 Cal. in Versuch 4. In den an Ratten: 7,49 Cal. in Ver- 
such 5 und 9,62 Cal. in Versuch 6. 

Die Wärmeerzeugung ruhender Meerschweinchen be- 
trägt nach älteren und neueren Bestimmungen: 5,87 Cal. per 
Kilo und Stunde. Unsere Tiere verhielten sich nicht ruhig, 
machten vielmehr, wie aus den Protokollen hervorgeht, zahl- 
reiche Muskelbewegungen zum Zwecke von Ortsveränderungen 
teils durch Herumwälzen, teils durch Herumkriechen. Ihr Um- 


1) N. Zuntz, Handb. d. Bioch. 4, 1, 859, 1911. 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 153 


satz war also jedenfalls höher und der Prozentsatz, in dem er 
durch Alkoholverbrennung gedeckt wurde, liegt in den mög- 
lichen Grenzen. Gehen wir von dem obigen Ruheumsatz- 
wert aus, so würde sich der Alkohol an ihm beteiligt haben 
zu: 87°/, im Versuch 2, zu 28°/, in Versuch 3, zu 94°/, in 
Versuch 4. Das sind Maximalwerte, da der Gesamtumsatz 
unserer Meerschweinchen höher als der Ruheumsatz, der von 
uns zugrunde gelegt wurde, eingesetzt werden muß. 

Bei den Ratten schwanken die Angaben über ihre Calorien- 
produktion. Nach neuesten Angaben von Krogh!) soll sie 
nur 9,04 Cal. pro Kilo und Stunde ausmachen. Nach den 
älteren Angaben von Pott?) dagegen etwa 15,6 Cal. Da 
unsere Tiere häufige Bewegungen ausführten, ihr Umsatz also 
den Ruheumsatz übertraf, müssen wir die letzteren höheren 
Werte zum Vergleich nehmen. Dann liegt auch bei den Ratten 
die aus der Alkoholverbrennung sich ergebende Wärmemenge 
innerhalb des Gesamtumsatzes und die gefundenen Werte im 
Bereich der zu erwartenden. Es würden durch den Alkohol 
vom Gesamtumsatz gedeckt sein: In Versuch 5: 48°/,, in Ver- 
such 6: 62°/,. 

Wenn auch die zahlenmäßigen Werte für die Anteilnahme 
des Alkohols am Gesamtumsatz mit einer gewissen Unsicherheit 
behaftet sind, da wir letzteren in unseren Versuchen nicht 
genau kennen und für ihn Durchschnittswerte annehmen müssen, 
so zeigen sie jedenfalls das Eine, daß der Alkohol in weit- 
gehendem Maße an der Deckung des Calorienbedürf- 
nisses des Körpers beizutragen vermochte. 


Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit den Er- 
fahrungen früherer Autoren. Wie schon angegeben, beteiligte 
sich der Alkohol in den Völtz-Dietrichschen Versuchen zu 
42°/, am Stoffumsatz; in den Versuchen von Wolffers nach 
Zuntz) Berechnungen bei überreichlicher Zufuhr zu 71°/,. 
Aus Respirationsversuchen von Geppert‘) berechnete Rose- 


1) A. Krogh, Respiration (englisch) 1916. 

2) Pott, Landwirtschaftliche Versuchsstation XVIII (zitiert nach 
Zuntz: Hermanns Handb. d. Physiologie 4, 2, 1882). 

3) N. Zuntz, Handb. d. Biochem. 4, 1, 859, 1911. 

*) Geppert, Arch. f. experim. Pathol. 22, 367, 1887. 


154 A. Loewy u. R. von der Heide: 


mann!) für den Menschen eine Anteilnahme von 50 bis 75°], 
am Umsatz, endlich kommt auch Durig?) auf Grund seiner 
Gaswechselversuche zu dem Schluß, daß der Alkohol in sehr 
weiten Grenzen unter Verdrängung sonstiger Energieträger sich 
am Stoffwechsel beteiligen mußte. 


D. Über die Beziehungen zwischen Alkoholansammlung und 
Alkoholeinatmung. 


Theoretisch interessant, aber auch praktisch von Bedeutung 
ist die Frage, wie sich die Menge des vom Körper aufgenom- 
menen Alkohols zu der mit der Atemluft in die Lunge ein- 
tretenden verhält. 

Beim Methylalkohol war sie darum relativ einfach zu 
beantworten, weil angesichts des sehr geringen Umfanges der 
Methylalkoholverbrennung im Körper sowie seiner Wieder- 
ausscheidung durch den Harn die in ihm angespeicherte Menge 
annähernd der aufgenommenen entsprach, also die durch die 
Lungenwand in das Körperinnere eingetretene Menge anzeigte. 
Beim Äthylalkohol ist diese Beziehung nicht vorhanden, da 
ein, wie es scheint, je nach der Tierart verschiedener und wohl 
auch durch die Art der Aufnahme und die Menge, die dem 
Körper zugeführt wird, beeinflußter Anteil zur Verbrennung 
gelangt uud damit verschwindet. 

Was aus unseren an erster Stelle besprochenen Kasten- 
versuchen, in denen die Tiere Luft mit bekanntem Alkohol- 
gehalt atmeten, geschlossen werden kann, ist das Verhältnis 
des im Körper wiedergefundenen- Alkohols zu dem bei der 
Einatmung in die Lungen eintretenden. Ergeben sich hier 
Werte, die eine gewisse Konstanz zeigen oder nur innerhalb 
enger Grenzen sich bewegen, so ist das Resultat immerhin von 
Wert, denn es besagt, wie sich die Aufstapelung gestaltet und 
läßt Schlüsse darauf zu, wieviel Alkohol in die Lungen 
eintreten darf, ohne daß eine vergiftende Alkohol- 
menge sich ansammelt. 

Die Menge der in der Zeiteinheit die Lungen passierenden 
Luft kann für Ratten und Meerschweinchen nur indirekt fest- 


1) Rosemann, Handb. d. Biochem. 4, 1, 424, 1911. 
®) A. Durig, Arch. f. d. ges. Physiol. 113, 341, 1906. 





Aufnahme des ÄAthylalkohols durch die Atmung. 155 


gestellt werden. Bekannt ist die Kohlensäurebildung bzw. der 
Sauerstoffverbrauch pro Minute; der Prozentgehalt an Kohlen- 
säure bzw. das sogenannte Sauerstoffdefizit in der Exspirations- 
luft können auf Grund von durch Respirationsversuche gewon- 
nenen Erfahrungen annähernd sicher geschätzt werden. 

Mit Hilfe beider Größen können wir durch eine einfache 
Proportion den Umfang des Luftwechsels berechnen und, da 
ja der Prozentgehalt der Einatmungsluft an Alkohol für jeden 
Versuch bekannt ist, auch die Menge des in der Zeiteinheit 
bzw. während des ganzen Versuches eingeatmeten Alkohols 
ermitteln. 

Für die Berechnung gingen wir davon aus, daß wir für 
die Ratten eine Kohlensäurebildung von 4,5 g pro Kilo und 


Tabelle V (Ratten). 








1 2 3 4 5 6 7 














' Pro Kilo Tier | Von der 
Versuchs. | Dauer Äthylalkoholgehalt warden eingeat- 
reihe and der an Alkoholdampf | meten 
N Atmung Einatmungsluft ein- aufge- Menge 
x in mm Hg- | geatmet | speichert | fanden 
Std. Min in % | Spannung ccm sich ?/o 
2.1 2 13,31 | 68,93 1,7 
2 |2 13.31 | 9757| 24 
8.1 % 14,55 | 126,7 1,4 
4 4 14,55 | 114,5 1,27 
5 7 16,68 1337,0 6,5 
6 7 16,68 | 1166,0 5,7 
7 22 16,17 2691,0 [4,86] 
3. 1 2 8,11 74,75 8,1 
2 2 8,11 7718 | 32 
3 4 9,417 132,0 2,36 
4 4 9,417 262,1 4,7 
5 8 9,341 715,5 6,0 
6 | 8 9,341 441,7 3,7 
7 21 9,588 2808,0 9,06 
8 21 9,588 | 1814,0 5,8 
5. 1 3 14,06 | 186,4 2,8 
2 3 14,06 219,9 3,3 
3 7 14,60 1213,0 7,2 
4 7 14.60 987.6 5,9 
5 I 9 15.33 1510,5 6,2 
6 9 15,33 1619,0 6,6 
6. 1 8 2,83 275,9 9,2 
2 |8 2,33 217,5 7,2 
3 27 3,28 246,9 1,9 
7.1 8 35,0 812,1 4,8 
2 3 35,0 1205,0 6,8 











156 A. Loewy u. R. von der Heide: 


Tabelle VI (Meerschweinchen). 








1 k 2 8 4 5 6 7 











Pro Kilo Tier Von der 
Verenohi: Dauer | Athylalkoholgehalt a eingeat- 
reihe und der der an Alkohuldampf | meten 
Atmung | Einatmungsluft ein- aufge- Menge 
Nz. 7 in mm Hg- | geatmet | speichert fanden 
Std. Min. | in®lo | Spannung | cem | ccm sich %, 
1.1 E = 0,639 4,664 1023 9,1 
2 13 6 0,707 5,164 3705 13 6 
3 13 6 0,707 5,164 3705 y 11,6 
4. 1 AT, 0,732 5,344 5856| 5048| 86 
2 2 — 0,732 5,344 5856| 6885| 11,7 
3 4 52 0,908 6,628 1770 125,7 7,1 
4 4 52 0,908 6,628 1770 165,5 9,3 
5 |8 52 1,235 9,696 4556 239.8 5,2 
6 | 8 52 1,285 9.696 | 4556 | 187.4 „1 
7T |12 3 1,215 9,168 5856 5747 wg 
8 (12 3 1,215 9,168 5856 6053 | 103 
9 23 21 1,138 8,594 10626 872,8 82 
10 [23 29 | 1138 | 8594 | 10683 | 5631 | 5,2 
T1 |4— | 45 35.0 7200 | 8645 | 120 
2 |4| 45 35,0 7200 | — 2% 
3 10 10 4,4 35,0 17864 2647,3 14.8 
4 |10 10 | 44 35,0 17864 | 2193,0 | 123 
5 [10 10 | 44 35,0 17864 | 8102,0 | 17,4 








Stunde und für ihre Exspirationsluft einen Gehalt von 2°/, 
Kohlensäure einsetzten. Für die Meerschweinchen gingen wir 
von 1,75 g Kohlensäurebildung pro Kilo und Stunde und 2!/,°/, 
CO, in der Exspirationsluft aus. 

Auf diese Weise berechneten sich die in den Tabellen V 
und VI aufgeführten Werte. 

Der Stab 5 beider Tabellen gibt die Alkoholmengen an, 
die mit der Atmung in die Lungen eintreten, berechnet auf 
ein Kilo Tier. Sie wachsen natürlich proportional der Dauer 
der Atmung. Stab 6 enthält die in den Tieren wiedergefun- 
denen und gleichfalls auf das Körperkilo umgerechneten Alko- 
holmengen. Auch sie nehmen mit der Dauer der Versuche 
zu, abgesehen von Versuch 6 an den Ratten, in dem schon 
nach 8!/, Stunden Sättigung des Körpers mit Alkohol für die 
herrschende, sehr niedrige Alkoholspannung erzielt war. 

Die Werte für das Verhältnis zwischen eingeatmeter und 
aufgespeicherter Alkoholmenge gibt Stab 7. Sie zeigen Schwan- 
kungen, die teils von der Dauer der Alkoholeinatmung ab- 
hängig sind, teils aber auch mit der Höhe des Alkoholgehaltes 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 157 


der Atmungsluft in Beziehung stehen und weiterhin natürlich 
beeinflußt werden von der Menge derjenigen Stoffe des Tier- 
körpers, die den Alkohol binden, sowie von der Intensität, mit 
der der Alkohol im Körper verbrannt wird. Jedoch soll bis 
zur Sammlung weiteren Materials hierauf nicht näher einge- 
gangen werden. Was aber deutlich hervortritt, ist die Tat- 
sache, daß nur ein geringer Anteil des inspirierten 
Alkohols angelagert worden ist. 

Bei den Ratten erreicht er als Maximum in 2 Versuchen 
9,06 und 9,2°/,; zwischen 5 und 9°/, liegt er in 12 von den 
im ganzen 26 Werten; unter 5°/, in 14 Fällen. 

Will man, trotz der erheblichen Abweichungen nach oben 
und unten, die Werte zu einem Mittelwert vereinigen, so 
würde sich eine Aufspeicherung von 4,7°/,, also rund 5°/, des 
eingeatmeten Alkohols ergeben. 

Bei den Meerschweinchen ist der prozentische Anteil 
an aufgespeichertem Alkohol höher. In dem letzten Versuch, 
der bald zu schwerer Vergiftung führte, beträgt er im Mittel 
14,1°/,; in den übrigen geht er nur einmal unter 5°/, hin- 
unter, sonst liegt er zwischen 5 und 11,7°/, und macht im 
Mittel 8,8°/, des eingeatmeten Alkohols aus. Also auch hier 
sammelt sich nur ein geringer Teil des zur Einatmung gelan- 
genden Alkohols im Körper an. 

Beim Methylalkohol liegen die Verhältnisse anders. Hier 
findet man viel erheblichere Mengen wieder. Am besten wird 
dies gezeigt durch die Nebeneinanderstellung von Versuchen 
mit beiden Alkoholen, die unter annähernd gleichen Bedin- 
gungen ausgeführt sind. Sie sind für den Äthylalkohol der 
vorstehenden Tabelle V, für den Methylalkohol der Tabelle III 
der Methylalkoholarbeit entnommen. 

Sonach war die von Methylalkohol wiedergefundene 
Menge die etwa 3fache bis etwa 10fache der vom Äthyl- 
alkohol im Tier verbliebenen. 

Haben die vorstehenden Berechnungen ein gewisses prak- 
tisches Interesse, da sie zur Grundlage für die Zulässigkeit 
einer bestimmten Alkoholkonzentration in der Luft von Räumen, 
die dem Aufenthalt von Menschen dienen, gemacht werden 
könnten, so kommt der Frage nach der Beziehung zwischen 


der Menge des eingeatmeten Alkohols und des wirklich in den 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 11 


158 A. Loewy u. R. von der Heide: 

















Tabelle VII. 
Methylalkohol. 
Dauer Alkohol- Pro Kilo Wiedergefun- 
der Atmun spannun, 3 | ‚wieder dene, Menge 
i E P 8 eingeatmet | gefunden in °/, der 
Std. Min. mm ccm | ccm eingeatmeten 
Bana 6,10 1924 469 24,4 
2 — 6,10 1924 469 24,4 
8&8 — 6,49 8272 1386 16,7 
8 — 6,49 8272 1456 17,6 
4 — 16.60 10543 1540 14,6 
4 — 16,60 10543 1540 14,6 
8 — 16,60 21093 5031 14,3 
8&8 — 16,60 21093 3031 14,3 
Äthylalkohol. 
2 — 8,11 2418 74,75 3,1 
2 — 8,11 2418 77,18 3,2 
8 30 9,34 11933 715,5 6,0 
8 30 9.34 11933 441,7 3,7 
4 — 14,55 ` 9000 126,7 1,4 
4 — 14,55 9000 114,5 1,27 
8&8 — 16,68 20520 1337 6,5 
8 — 16,68 20520 1166 5,7 





Körper aufgenommenen, d. h. aus den Lungen in ihn über- 
getretenen, eine theoretische Bedeutung zu. Denn diese 
Beziehung kann uns den gesetzmäßigen Ablauf lehren, der für 
die Aufnahme des Alkohols ins Lungenblut besteht. Leider 
können unsere Versuche nach dieser Richtung keinen sicheren 
Aufschluß geben. Die von uns an erster Stelle mitgeteilten 
Kastenversuche darum nicht, weil wir zwar in ihnen die in 
die Lunge eingetretene Alkoholmenge berechnen können und 
die im Tiere aufgestapelte direkt bestimmen, aber keinen An- 
halt über den Umfang der Alkoholverbrennung haben. Die 
Glocken versuche geben darum keinen Aufschluß über die 
Frage, weil in ihnen zwar aufgestapelte und verbrannte Menge 
bekannt sind, nicht sicher aber die in die Lungen eingetretene. 
Denn die Alkoholspannung der Glockenluft ist bei unserer 
Methodik nicht sicher zu bestimmen. 

Zu einer Schätzung der eingeatmeten Mengen könnte 
man auf dem Wege kommen, daß man die aus der Menge 
des verdampften Alkohols sich ergebende Alkoholspannung der 
Glockenluft berechnet und aus dieser als Maximum sowie aus 
der zum Schluß durch die Untersuchung der Glockenluft sich 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 159 


findenden Spannung das Mittel nimmt und unter Einsetzung 
dieses Mittels die eingeatmete Alkoholmenge berechnet. 

Danach würden sich für die in Betracht kommenden Ver- 
suche Nr. 4 bis 6 der Tabelle IV folgende Werte ergeben: 

Versuch 4 am Meerschweinchen: pro Kilo aufgespeicherte 
Menge = 0,795 g Alkohol. 

Verbrannt — 0,796 g, aufgenommen also 1,591 g. Einge- 
atmet (bei einem zu 8,65°/, eingesetzten mittleren Gehalt der 
Glockenluft an Alkohol) 6,92 1 Alkohol. 

Aufgenommen in °/, der eingeatmeten Menge: 
11,16], 

Versuch 5 an Ratte; pro Kilo aufgespeichert — 0,875 g, 
verbrannt — 1,511 g Alkohol. 

Aufgenommen 2,386 g. Eingeatmet (bei einem mittleren 
Gehalt der Glockenluft an Alkohol von 8,03°/,) = 18,071 
Alkohol. 


Aufgenommen =6,409°/, der eingeatmeten Menge. 

Versuch 6 an Ratte: pro Kilo aufgespeichert 0,832 g 
Alkohol, verbrannt 1,98 g Alkohol. 

Also aufgenommen 2,012 g. Eingeatmet (bei einem mitt- 
leren Gehalt der Glockenluft von 5,567°/,) 0,9766 1 Alkohol. 

Aufgenommen = 7,801°/, der eingeatmeten Menge. 

Nach diesen Werten, die natürlich nur einen Anhalt über 
die Größenordnung, um die es sich handelt, geben können, 
würde bei den sehr hohen Alkoholspannungen, die in der 
Glocke herrschten — und es wurde schon erwähnt, daß das 
Befinden der Tiere bewies, daß die Alkoholmengen hier sicher 
höher waren als die höchsten in den Kastenversuchen —, nur 
ein geringer Prozentsatz des eingeatmeten Alkohols durch 
die Lungenwand in das Blut aufgenommen. 

Es bedarf weiterer Untersuchungen, um festzustellen, wo- 
rauf dies zu beziehen ist, insbesondere wie sich die Aufnahme 
bei niedrigen Alkoholspannungen verhält. 

Beim Methylalkohol hatte sich ergeben, daß aus einer 
Luft mit ganz geringen Alkoholbeimengungen (0,2°/,) 50°/, 
und mehr des inhalierten Alkohols ins Blut übertreten, daß 
aber mit steigender Alkoholspannung die Alkoholausnutzung 
immer geringer wird. Bei 2?/,°/, Alkoholgehalt wurden nur 

11* 


160 A. Loewy u. R. von der Heide: 


noch 13,3 bis 14,6°/, des eingeatmeten Alkohols vom Körper 
aufgenommen. 

Es scheinen sich danach in Beziehung auf den Übertritt 
des Alkohols aus den Lungen ins Blut, bei höheren Spannungen 
wenigstens, die Verhältnisse bei beiden Alkoholen nicht wesent- 
lich verschieden zu verhalten. 


E. Versuche über Alkoholeinatmung beim Menschen, 


Neben den Versuchen an Tieren führten wir nun eine 
Reihe weiterer am Menschen aus, um uns zu überzeugen, in 
welchem Maße bei ihm der Alkohol aus der Einatmungsluft 
in den Körper übergeht, wie hoch der Alkoholgehalt der Ein- 
atmungsluft sein kann, bei dem, sei es noch keine Belästigungen 
auftreten, sei es bereits Alkoholwirkungen sich bemerkbar 
machen in Form von Müdigkeit, Benommenheit, Kopfschmerz 
oder ähnlichem, und wobei Alkohol oder auf ihn zurückzu- 
führende Zersetzungsprodukte im Harn erscheinen. 

Bei der Bedeutung, die, wie schon in der Einleitung aus- 
geführt, der Frage in praktischer Beziehung zukommt, da doch 
in allen Betrieben, in denen denaturierter Spiritus zur Ver- 
dampfung kommt, neben dem als Vergällungsmittel dienenden 
1°/, Methylalkohol noch 92°/, Äthylalkohol der Verdampfung 
unterliegen, eine Verdampfung, die angesichts des nur wenig 
höheren Siedepunktes gegenüber dem Methylalkohol nicht viel 
weniger intensiv sein wird als die des letzteren — schienen 
uns quantitativ messende Versuche wünschenswert. Sie haben 
uns allerdings nur für praktische Fragen Aufschluß gegeben, 
während sie in rein wissenschaftlicher, pharmakologischer Hin- 
sicht nur nach einer Richtung Aufklärung geliefert haben. 

Wir benutzten eine dem tierphysiologischen Laboratorium 
angebaute pneumatische Kammer für unsere Versuche. Die 
Einrichtung für in ihr vorzunehmende Druckänderungen wurde 
nicht in Tätigkeit gese‘zt, überhaupt keine Lufterneuerung 
vorgenommen. Da die Kammer einen Inhalt von 80001 hat, 
wurde durch den Aufenthalt eines Menschen in ihr, selbst für 
längere Zeit, die Kammerluft nur so wenig verändert, daß 
daraus keinerlei Komplikationen entstehen konnten. 

Die Druckänderungen, die dadurch zustande kommen 
könnten, daß die exspirierte Luft weniger Kohlensäure enthält 


Aufnahme des ‚Athylalkohols durch die Atmung. 161 


als Sauerstoff, würden bei Annahme einer Atemgröße von 51 
pro Minute, einem Sauerstoffverbrauch von 200 cem und einer 
Kohlensäureausscheidung von 150 ccm pro Minute nach einem 
Aufenthalt von 1 Stunde in der geschlossenen Kammer zur 
Abnahme des Druckes um 0,3 mm, nach 2 Stunden um 0,8 mm 
führen, wenn die Exspirationsluft keine höhere Wasserdampf- 
spannung aufwiese als die Kammerluft. Angesichts dieser 
kommt es zu einer wenige Millimeter betragenden Steigerung des 
Druckes. Die Änderungen des Druckes durch mehrstündigen 
Aufenthalt in der Kammer spielen also keinerlei Rolle. 

Ebensowenig kommt die chemische Veränderung der 
Kammerluft infolge des Atmungsprozesses der Versuchsperson 
in Betracht. Bei einer Kohlensäureausscheidung von 175 cem 
pro Minute würde nach einem Aufenthalt von einer Stunde 
die Kammerluft 10,51 CO, enthalten, das sind bei 8000 1 
Luftgehalt der Kammer 0,13°/,; bei einer Versuchsdauer von 
2 Stunden wären es erst 0,26°/, Dementsprechend beträgt 
der Sauerstoffgehalt nach 1 Stunde noch 20,78°/,, nach 2 Stun- 
den noch 20,63°|,. 

Die Kammer enthielt einen Flügelventilator, der sowohl 
außerhalb wie innerhalb der Kammer ein- bzw. ausgeschaltet 
werden konnte. Unter ihm wurden auf einem Stativ, je nach 
der Alkoholmenge, die verdampfen sollte, Schalen von ver- 
schiedenen Durchmessern aufgestellt, die gemessene Alkohol- 
mengen enthielten. Durch eine Reihe von Vorversuchen wurde 
festgestellt, wieviel Alkohol aus ihnen im Laufe bestimmter 
Zeit bei tätigem Ventilator verdunstete, woraus die Alkohol- 
konzentration der Kammerluft sich ergab. 

Wir gingen nun so vor, daß wir eine gewünschte Alkohol- 
konzentration bei leerer, luftdicht geschlossener Kammer da- 
durch herstellten, daß wir eine bestimmte Menge Alkohol ver- 
dunsten ließen. Dann wurde bei stillstehendem Ventilator die 
Tür so weit für einen Augenblick geöffnet, daß die Versuchs- 
person die Kammer betreten konnte. Das Alkoholgefäß, dessen 
Inhaltsmenge und Alkoholgehalt später bestimmt wurden, wurde 
von der eingetretenen Person nach außen gereicht, die Tür 
sofort wieder luftdicht verschlossen und der Ventilator wieder 
in Tätigkeit gesetzt. Dann wurde eine Probe der Kammer- 
luft in Menge von 101 von außen in einen, eine bestimmte 





162 A. Loewy u. R. von der Heide: 


Menge titrierter Bichromatschwefelsäure enthaltenden, eva- 
kuierten Kolben eingesaugt. Der Kolben blieb unter häufigerem 
Schütteln 24 Stunden stehen, und dann wurde der Alkohol- 
gehalt der Bichromatlösung, d. h. also der Luftprobe direkt, 
bestimmt. 

Nach einer Stunde wurde eine zweite Luftprobe von außen 
abgesaugt, in der wiederum in gleicher Weise der Alkohol 
ermittelt wurde. Die Differenz ergab die Alkoholmenge, die 
verschwunden war. Dauerte der Versuch eine Reihe von 
Stunden, so wurde eine weitere Kammerluftprobe nach Verlauf 
einer weiteren Stunde entnommen und auch ihr Alkoholgehalt 
bestimmt. 

Wir hatten gehofft, auf diese Weise die Menge des von 
den Versuchspersonen aufgenommenen Alkohols ermitteln zu 
können. 

Darin täuschten wir uns nun, denn es ergaben sich die- 
selben Schwierigkeiten, mit denen wir bei den Glockenversuchen 
an Tieren zu tun hatten und die in einer Kondensation von 
Alkohol besianden. Wir fanden nämlich, daß so viel Alkohol 
verschwand, daß seine Menge ein Vielfaches von derjenigen 
ausmachte, die selbst bei der Annahme einer Atemgröße von 
10 bis 151 pro Minute in die Lungen eingeatmet sein konnte. 
Dabei ist bei dem körperlich ruhigen Verhalten der Versuchs- 
personen die Aufnahme von 10 bis 15 l pro Minute sicher noch 
zu hoch. Ein Teil des Alkohols schlug sich in den Kleidern 
nieder, was dadurch leicht geschehen konnte, daß infolge des 
zunehmenden Wassergehaltes der Kammerluft die Kleiderober- 
fläche allmählich sich mit kondensiertem Wasserdampf beschlug. 

Aber auch in Versuchen an unbekleideten Personen fanden 
sich viel zu hohe Werte für die Alkoholverdampfung; sie 
können nur dadurch bewirkt sein, daß sich an den Kammer- 
wänden Wasserdampf und Alkohol kondensiertee So war es 
uns unmöglich, festzustellen, wie viel Alkohol wirklich in den 
Körper eintrat, und unsere Versuche können deshalb über die 
Beziehung zwischen Alkoholdampfspannung der Atemluft und 
Alkoholaufnahme nichts aussagen. Aber über einen und 
immerhin wesentlichen Punkt können sie doch Auskunft geben, 
nämlich über das subjektive Befinden beim Aufenthalt 
in einer Atmosphäre mit bestimmter Alkoholdampfspannung. 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 163 


Sie zeigen uns, bei welcher Alkoholdampfspannung früher oder 
später Beschwerden auftreten. 
Wir wollen zunächst kurz die Protokolle der Versuche 


anführen. 
Kammerversuche. 


1. Versuch an L., 55 Jahre. An wenig Alkohol gewöhnt. Alkohol- 
dampfspannung zu Anfang 0,138°/,. Aufenthalt 39 Minuten. Alkohol- 
geruch beim Eintreten intensiv, aber nicht unangenehm. Bis zu 23 Mi- 
nuten keine subjektiven Erscheinungen. Von der 33. Minute ab etwas 
Kopfschmerz in der Stirngegend. Nach dem Verlassen der Kammer 
etwas benommen; nach 17 Minuten Spur von Reifengefühl um die Stirn. 

2. Versuch an L. Alkoholdampfspannung im Beginn 0,33 4°/,, im 
Mittel 0,25°/,. Aufenthalt 11 10° bis 12ħ — 50 Minuten. Starker Ge- 
ruch nach Alkohol, doch nicht unangenehm. 10% 21’ Wärmegefühl an 
Kopf und Stirn, Hände und Füße kalt (Temperatur in der Kammer 
16,4 bis 19,20%). Eigentümliches Gefühl von Kribbeln in der Nase. 
11% 35° Wärmegefühl hat sich über das Gesicht verbreitet; Kribbelgefühl 
besteht weiter. 11% 52” Wärmegefühl hat sich über den oberen Teil der 
Brust verbreitet. 12% an Stirn etwas Druckgefühl; Wärme auch an den 
Händen und bis zum Bauche hinab. Nach Verlassen der Kammer be- 
steht Stirndruck noch fort, daneben Gefühl geringer Benommenbheit. 

3. Versuch an L. Alkoholdampfspannung im Beginn 0,914°/,. Der 
Alkoholgeruch ist beim Eintritt fast unerträglich, den Atem benehmend. 
Bald tritt Gewöhnung ein. Aufenthalt dauert 64 Minuten ab 11} 54°. 
12t 2’ Brennen in den Augen; der Alkoholgeruch wird jetzt unangenehm 
empfunden. 12 4’ Hitzegefühl an Stirn und Hinterkopf. Augen bren- 
nen intensiver, etwas Dösigkeit. Alkoholgeruch noch deutlich. 12 25’ 
Kopfdruck besonders an Stirn, Müdigkeit, Schlafsucht. 12 35’ Müdig- 
keit nimmt zu, Atmung von Zeit zu Zeit seufzend. Gesteigertes Hitze- 
gefühl an der Stirn. 125 45’ Kopfdruck wie zuvor, Müdigkeit stärker. 
12% 50’ Augen brennen noch stark, Hitzegefühl in Stirn und Ohren er- 
heblich. Alkoholgeruch wird jetzt kaum noch wahrgenommen. Die 
Alkoholdampfspannung beträgt zum Schluß 0,855°,. Im Mittel ist 
sie 0,884 0/,. 

4. Versuch an Kr., 26jähriger Soldat, an Alkohol gewöhnt. Al- 
koholdampfspannung zum Beginn 0,762°/,. Alkoholgeruch unangenehm 
intensiv. Aufenthalt 2 Stunden. Das Befinden der Versuchsperson 
dauernd gut, keine Kopfschmerzen, nur zeitweise Druck in der linken 
Schläfengegend. Alkoholdampfspannung am Schluß der ersten Stunde 
nur noch 0,461°/,. Im Mittel der ersten Stunde 0,6116°/, Alkohol- 
dampfspannung. 

5. Versuch an demselben. Alkoholdampfspannung im ‚Beginn 
1,051°/,. Im ersten Augenblick für Loewy fast unerträglicher Alko- 
holgeruch. FürKr. nur sehr intensiv, aber wenig unangenehm empfunden. 
Am Schluß, d. h. nach einem Aufenthalt von 1 Std. 49 Min., 0,3466 °/,. 


164 A. Loewy u. R. von der Heide: 


Im Mittel 0,699°),. Nach !/,stündigem Aufenthalt beginnt dauernd 
bleibendes Druckgefühl über den Augen, Stiche in den Augen, Hitze- 
gefühl. Nach 1'!/,stündigem Versuche Müdigkeit und Schlafbedürfnis. 
In dem während des Kammeraufenthaltes abgesonderten Harn fanden 
sich 0,083°/, Alkohol. 

6. Versuch an Soldat N., 34 Jahre. Alkohol gewöhnt. Im Beginn 
Alkoholdampfspannung von 0,8558°/,. Aufenthalt 2 Stunden. Alkohol- 
spannung im Mittel 0,503°/,. Nach Aufenthalt von 20 Minuten etwas 
Kopfweh in der rechten Schläfe, das sich gegen Ende verstärkt, ohne 
sehr heftig zu werden. 

Die Versuche ergeben, daß schon äußerst geringe Bei- 
mischungen an Alkohol zur Raumluft in 1 bis 2 Stunden zu 
Erscheinungen führen, wie sie für beginnende Alkoholvergiftung 
beim Menschen bekannt sind. 

Schon 0,1°/, Alkoholgehalt machen bei L. nach Aufent- 
halt von ?/, Stunde etwas Kopfschmerz und Reifengefühl um 
die Stirn; 0,25°/, schon nach 11 Minuten deutliches Hitze- 
gefühl, nach 50 Minuten Stirndruck und Spur von Benommen- 
heit; 0,884°/, nach 10 Minuten Aufenthalt stärkeres Brennen 
in den Augen, etwas Dösigkeit. Nach 29 Minuten Kopfdruck, 
Benommenheit, Schlafsucht, welch letztere mit weiterem Aufent- 
halt zunimmt. 

Bei einer zweiten an Alkoholgenuß gewöhnten Person be- 
wirkten 0,612°/, zeitweisen Druck in der Schläfengegend bei 
einem Aufenthalt von 2 Stunden; 0,699°/, Hitzegefühl, ferner 
nach 1'/, Stunden Müdigkeit und Schlafsucht. Endlich bei 
einem Potator 0,5°/, Schläfenkopfschmerz nach Aufenthalt 
von nur 20 Minuten, der allmählich zunimmt. 

Bei der Langsamkeit, mit der die Alkoholansammlung vor 
sich geht, ist es sicher, daß bei längerem Aufenthalt als zwei 
Stunden die Erscheinungen unter den gleichen Alkoholspan- 
nungen stärker hervortreten und wohl auch mannigfaltiger 
sein würden. Jedenfalls stellt schon ein Gehalt von 0,1°/, 
Alkoholdampf eine Alkoholspannuug dar, bei der es zu leichten 
Vergiftungserscheinungen kommen kann, und bei !/,°/, Alko- 

“holdampfgehalt werden sich bei längerem Aufenthalt schon 
Benommenheit und Schlafsucht einstellen können, denen man 
bei !/, bis ®/,°/, schon in den ersten Stunden begegnet. 

Vergleicht man diese Befunde mit denjenigen, die früher 
S. 138 und 141) über das Befinden der Ratten und Meerschwein- 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 165 


chen angegeben wurden, die eine Luft mit annähernd gleichen 
Alkoholmengen atmeten, so scheint es, daß die untere In- 
toxikationsgrenze beim Menschen auf gleicher Höhe 
liegt wie bei den genannten Tierarten. 

Der Alkoholgeruch war in den letztangeführten Versuchen 
viel intensiver als in irgendeinem derjenigen Betriebe, die 
Loewy früher besichtigt hatte und auf die im folgenden noch 
näher eingegangen werden wird, und wie er selbst in denjenigen, 
in denen die größte Menge Alkohol verdampfte und die Lüf- 
tung gering war, wahrgenommen werden konnte. 

Daraus läßt sich schließen, daß in gewerblichen Betrieben 
in denen auf Alkohol zu beziehende Erkrankungen nicht be- 
obachtet werden, der Alkoholgehalt sicher unter 0,25°/,, sehr 
wahrscheinlich sogar unter 0,1°/, liegen muß, daß jedoch, wo 
Erkrankungen vorkommen, diese Grenzen überschritten sind. 


F. Über den Alkoholgehalt der Luft in gewerblichen Be- 
trieben, in denen Alkohol reichlich zur Verdampfung kommt. 


In dem schon früher erwähnten Gutachten, das Loewy 
über etwaige gesundheitsschädliche Wirkungen von vergälltem 
Branntwein bei dessen Verdampfung in gewerblichen Betrieben 
veröffentlichte!), wurden Ermittelungen über die Konzentration 
des Methylalkohols in der Luft der Arbeitsräume mitgeteilt. 
Sie gründeten sich auf eine Ausmessung der Räume und auf 
die Kenntnis der Mengen des benutzten vergällten Brannt- 
weins. Es läßt sich nun ohne weiteres die Konzentration an 
Äthylalkohol für dieselben Betriebe in der gleichen Weise 
berechnen, da der vergällte, technisch benutzte Alkohol in 
fast allen in der folgenden Tabelle aufgeführten Betrieben 
gegen 92 Vol.-Proz. reinen Alkohols enthielt, Dabei wird ange- 
nommen, daß die Menge des benutzten Alkohols der Menge 
an verdampftem entspricht. Das gilt aber nicht ausnahms- 
los, denn gerade in den beiden Betrieben mit dem größten 
Alkoholverbrauch, den auf der folgenden Tabelle unter c 3und 4 
aufgeführten Hutfabriken, verdampft nur ein Teil des benutz- 
ten Alkohols in den Arbeitsräumen. In ihnen fand nämlich 
nur das Vortrocknen der mit den alkoholischen Lösungen 


1) Vgl. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Mediz. 3. Folge, 48, Supplem. 


166 A. Loewy u. R. von der Heide: 


gesteiften Hüte statt, während die endgültige Trocknung in 
besonderen Trockenkammern erfolgte. 

















Tabelle VII. 
Höchstmög- 
licher Gehalt 
Betrieb Benutzte Spiritusmenge er Aral 
koholdampf. 
Volumenproz. 
a) Geigenbau 1 50 1801 in 200 Arbeitstagen 0,284 
2 52 1501 Holzgeistspiritus, 251 
Brennspiritus pro Jahr 0,385 
b) Künstl. Blu-| 1 61 [30901 im Durchschnitt 
menu.Blätter pro Jahr. ...... 5,815 
2 420 |90001 im Durchschnitt 
pro Jahr... .... 2,482 
3 48 13001 im Durchschnitt pro 
Jahr 0,745 
4 108 [300 1 im Durchschnitt pro 
Jahr ..... 0,326 
5 91 25001 pro Jahr (ioi pro 
Tag). . f . 3,901 
6 200 |bis 201 täglich . a una) ya 3,546 
7 32 120001 pro Jahr .... 7,446 
c) Hutfabriken .| 1 100 [101 pro Tag. ..... 3,546 
2 180 [161 pro Tag ..... 0,319 
3 900 |700—8001 pro Tag. . - 29,54 
+ 343 |38009001 pro Jahr. ... . 13,84 
d) Leisten- 1 6500 1200001 pro Jahr .. . 2,163 
fabriken | 2 1700 |12000—25000 1 pro Jahr 0,833 
3 372 |25l pro Tag. ..... 2,376 


Die vorstehende Tabelle gibt die Mengen Alkohol dampf 
die sich aus der verdampften Alkoholmenge berechnet, wenn 
man von jeder Lufterneuerung absieht, also die ursprünglich 
vorhandene Luft als stagnierend ansieht. 


Nun findet aber in jedem Raume eine sogenannte natür- 
liche Ventilation statt, und diese muß für bewohnte Räume 
durch künstliche Maßnahmen unterstützt werden, damit die 
Kohlensäureanhäufung und der Sauerstoffverbrauch nicht das 
zulässige Maß übersteigen. 

Nach bekannten Erfahrungen muß, damit die Luft den 
hygienischen Anforderungen einigermaßen entspricht, zum 
mindesten pro Stunde eine einmalige Lufterneuerung, in 
10 Arbeitsstunden also eine mindestens zehnmalige stattfinden. 
Der Alkoholgehalt wird also wenigstens auf '/,, der in der 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 167 


Tabelle aufgeführten Werte herabgesetzt werden. Aber auch 
diese Werte müssen noch bei weitem zu hoch sein, und sie 
sind es auch, denn der Luftwechsel wird — besonders erheb- 
lich in den großen Fabrikbetrieben mit starkem Alkoholver- 
brauch — wesentlich gesteigert durch Anbringung besonderer 
Fensterventilatoren, durch Öffnung der Fenster, Lüftung während 
der Arbeitspausen u. ähnl. 

Wenn wir auf Grund unserer Erfahrungen davon ausgehen, 
daß ohne Beschwerden ein vielstündiger Aufenthalt in alkohol- 
geschwängerter Atmosphäre nur möglich ist, wenn der Alkohol- 
gehalt höchstens 0,1 bis 0,25°/, beträgt, so müßte die Ven- 
tilation der Arbeitsräume derart sein, daß sie während der 
Arbeitszeit in der unter 3 aufgeführten Hutfabrik zu einer 
100- bis 300maligen Lufterneuerung führte, in der sub. 4 zu 
einer 50- bis 150maligen, in der Fabrik künstlicher Blumen 
sub 7 zu einer 30- bis 7TOmaligen. Das sind natürlich unmög- 
liche Werte, da, abgesehen von den technischen Schwierigkeiten 
in der Erzielung derartiger Ventilationseffekte, der dadurch 
hervorgerufene Luftzug praktisch nicht erträglich wäre. Und 
es genügt in diesen Fällen auch eine geringere Ventilation, um 
den Alkoholgehalt auf die genannten zulässigen, d. h. noch nicht 
giftig wirkenden Werte hinabzudrücken, da ja nur ein Teil des 
Alkohols in den Arbeitsräumen selbst verdampft, ein anderer 
in besonderen Trockenräumen; und da von dem in ersteren 
verdampfenden Alkohol wieder ein Teil sich an den Wänden 
und auf den in den Räumen sich befindenden Gegenständen, 
besonders auch in der Kleidung der Arbeiter niederschlägt. 
Immerhin wird da, wo reichlich Alkohol zur Verdampfung 
kommt, eine energische Ventilation notwendig, sonst könnten 
durch den Äthylalkohol Vergiftungserscheinungen hervor- 
gerufen werden, die in manchen Äußerungen den des Methyl- 
alkohols gleichen und zu Unrecht diesem zur Last gelegt wer- 
den würden. Aber auch in kleinen Betrieben, die einen nur 
geringen Alkoholverbrauch haben, jedoch ohne Ventilations- 
einrichtungen, besonders in Hausbetrieben, wie sie sich in der 
Geigenbauindustrie vielfach finden, könnte sich eine Alkohol- 
spannung herausbilden, die schädlich wirken könnte. Daß sie 
aber auch hier nicht erreicht wird, wird dadurch bewiesen, daß 
der Geruch nach Alkohol in ihnen bei weitem nicht so intensiv 


168 A. Loewy u. R. von der Heide: 


ist, wie er in unseren Versuchen auch nur bei 0,1 bis 0,25°/, 
Alkoholdampf gewesen ist. 

Nachdem wir festgestellt haben, wie hoch der Gehalt der 
Luft an Äthylalkohol sein muß, damit bereits Vergiftungs- 
erscheinungen eintreten, läßt sich berechnen, wie hoch bei Ver- 
dampfung vergällten Branntweins die Konzentration des mit- 
verdampfenden Methylalkohols ist, wenn der Äthylalkohol- 
gehalt die untere giftige Grenze, nämlich 0,1°/,, erreicht. Die 
Alkoholdampfmengen aus Methyl- und aus Äthylalkohol stehen 
im Verhältnis von etwa 1:64, wenn der gewerblich benutzte 
vergällte Branntwein mit 92 Vol.-Proz. Äthyl- und 1°/, Methyl- 
alkohol angesetzt wird. Es würde demnach einem Gehalt der 
Raumluft an 0,1°/, Äthylalkohol ein solcher von 0;0016°/, 
Methylalkohol entsprechen. 

Da aber 0,1°/, Äthylalkoholgehalt in der Luft gewerblichen 
Betrieben dienender Räume kaum erreicht wird, beträgt der 
Methylalkoholgehalt noch weniger als 0,0016°/,. Dabei muß 
schon dieser Wert als absolut unschädlich bezeichnet werden, 
da, wie aus unseren Untersuchungen über die Wirkungen in- 
halierten Methylalkohols hervorging, selbst 0,2°/, dieses bei 
östündiger Einatmung keinerlei Symptome hervorriefen. 

Unsere Beobachtungen können, wie wir glauben, die Grund- 
lage abgeben für die praktischen Forderungen, die an den Um- 
fang der Ventilation, welche je nach der Größe der Räume und 
der Menge verdampfenden Alkohols erforderlich ist, gestellt 
werden müssen. 


G. Vergleich zwischen der Giftigkeit des Äthyl- und des 
Methylalkohols. 


Die allgemeine Anschauung geht heute dahin, daß der 
Methylalkohol bei weitem giftiger ist als der Äthylalkohol. 

Diese Anschauung gründet sich weniger auf die Ergebnisse 
von Versuchen als auf die Erfahrungen der Praxis, die ja weit 
mehr von schweren und tödlichen Vergiftungen an Methyl- 
denn an Äthylalkohol enthaltenden Getränken zu berichten 
weiß. Diese Erfahrungen stellen aber keine ganz reinen wissen- 
schaftlichen Beobachtungen dar, denn es ist nicht sicher, ob 
es sich in den sog. Methylalkoholvergiftungen um wirklich reinen 
Methylalkohol handelte, oder ob nicht irgendwelche Veran- 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 169 


reinigungen in ihm enthalten waren, die für die schweren Ver- 
giftungserscheinungen verantwortlich zu machen sind). Letzteres 
ist uns schon aus einem ökonomischen Grunde wahrscheinlich, 
denn in Friedenszeiten stellten sich die Kosten für reinen 
Methylalkohol fast genau so hoch wie für Äthylalkohol, so daß 
nicht einzusehen ist, weshalb ersterer an Stelle des letzteren 
benutzt werden sollte. 

Geht man aber die Versuche mit reinem Methylalkohol 
durch, so findet man, daß seine im Vergleich mit dem Äthyl- 
alkohol größere Giftigkeit nur für einen Teil der Untersuchungen 
gilt, in anderen nicht beobachtet werden konnte. Eigentlich 
ist die größere Giftigkeit des Methylalkohols von vornherein 
nicht zu erwarten, denn sie bildet die Durchbrechung eines 
von Richardson?) aufgestellten Gesetzes, nach dem Alkohole 
mit dem Aufstieg in den homologen Reihen immer giftiger, 
mit dem Abstieg ungiftiger werden. Dieses Gesetz ist in mannig- 
fachen Untersuchungen bestätigt worden. So z.B. von H. Dold”), 
der die Zeit des Eintritts des Stillstandes am isolierten Frosch- 
herzen unter der Wirkung verschiedener Alkohole untersuchte. 
Der Methylalkohol erwies sich am wenigsten wirksam. Gleiches 
fand Breyer‘) für das Flimmerepithel und Raether°) für 
sensible Nerven. Auch die desinfizierende bzw. antiseptische 
Wirkung der verschiedenen Alkohole auf Kokken, Pyocyaneus- 
und Diphtheriebacillen folgt diesem Gesetze’). 

Ebenso ist die hämolytische Fähigkeit des Methylalkohols 
wesentlich geringer als die des Äthylalkohols. — Nur auf 
Paramäcien soll nach einer Angabe Hausmanns’) der Methyl- 
alkohol eher giftiger wirken als der Äthylalkohol. 

In Versuchen an höheren Tieren — Kaninchen — finden 


1) Vgl. L. Kroeber, Zur Frage der Giftigkeit des Methylalkohols. 
Verhandl. d. XI, internat. Kongresses f. Pharmacie 1914, 75. — Hier Lite- 
ratur. 

2) Richardson, Med. Times and Gazette 2, 1869. 

3) H. Dold, Inauguraldissertation, Tübingen 1906. 

4) U. Breyer, Inauguraldissertation, Tübingen 1903. 

5) M. Raether, Inauguraldissertation, Tübingen 1905. 

®) Vgl. Braun u. Schäffer, Berl. klin. Wochenschr. 37, 1917 und 
H. Schäffer, diese Zeitschr. 83, 269, 1917. 

”) W. Hausmann, Das österreichische Sanitätswesen 11, 1912. 


170 A. Loewy u. R. von der Heide: 


Langgaard!) und Franceschi?), daß in großen einmaligen 
Dosen der Äthylalkohol erheblich giftiger ist als der 
Methylalkohol, in wiederholten kleineren dagegen umgekehrt der 
letztere. Dieser Meinung hatten schon früher Joffroy und 
Serveaux®) Ausdruck gegeben. 

Auf die Erfahrungen am Menschen wollen wir nicht näher 
eingehen, da es sehr fraglich ist, inwieweit hier stets reiner 
Methylalkohol als giftiges Agens in Betracht kam; vielleicht 
schwanken die Angaben über die Intensität seiner Wirkung 
gerade aus diesem Grunde so außerordentlich *). Angeführt sei 
nur, daß Franceschi innerlich 274 Tage hindurch täglich 
32,2 g Methylalkohol, im ganzen also 8,8228 Kilo nehmen 
konnte, ohne zu erkranken. 

Nun ist zu der vorstehenden Übersicht zu bemerken, daß 
die verschiedenen Methoden, nach denen der Grad der Gift- 
wirkung festgestellt wurde, keinen ganz sicheren Maßstab für 
deren Beurteilung abgeben. Läßt man ein Organ (Herz) oder 
eine Zelle von Flüssigkeit umspülen, die das Gift enthält, so 
würde sich ein vollkommen zutreffender Schluß erst bei Kenntnis 
der Resorptionsverhältnisse des Giftes und seiner Aufstapelung 
in den Geweben ziehen lassen. Ebenso muß die Schnelligkeit 
der Resorption bei Einführung in den Magen höherer Tiere 
eine Rolle spielen. Aber dieser Punkt kommt für die Ver- 
gleichung von Methyl- und Äthylalkohol kaum wesentlich in 
Frage. Wichtiger ist die Schnelligkeit der Zerstörung des Giftes 
im Körper und damit zusammenhängende Unterschiede in seiner 
Aufstapelung, sowie die Natur der Zerstörungsprodukte. Be- 
trefis letzterer wird zwar von einigen Autoren (Juckenak, 
Hunt und Harnack) behauptet, daß sie das Krankheitsbild 
der Methylalkoholvergiftung hervorrufen, aber diese Anschau- 
ung steht nicht in Einklang mit den Umständen, unter denen 
die Methylalkoholvergiftungen zur Beobachtung kommen und 
läßt mancherlei Eigentümlichkeiten des Erkrankungsbildes un- 
erklärt. 


1) A. Langgaard, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 13, 1913. 

®) J. B. Franceschi, Verhandl. d. XI. Internat. Kongresses f. Phar- 
macie 1914, 80. 

3) Joffroy u. Serveaux, Arch. de med. expérim. 8, 1896. 

1) Lit. b. Kroeber u, Franceschi, |. ce. 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 171 


So muß man hinsichtlich des Grades der Giftigkeit 
diejenigen Alkoholmengen als Maßstab zugrunde legen, 
deren Aufspeicherung im Körper zu schweren Krank- 
heitserscheinungen, bezüglich zum Tode führt. 

In der Schnelligkeit der Aufstapelung sowie in den Mengen, 
die tödlich wirken, bestehen nun erhebliche Unterschiede zwischen 
dem Methyl- und dem Äthylalkohol, wobei die verschiedene 
Schnelligkeit der Aufspeicherung sich aus der Verschiedenheit 
der beiden Alkohole im Körper der Verbrennung anheim- 
zufallen erklärt. 

Es ist bekannt, daß der Äthylalkohol in erheblichem 
Maße und schnell verbrennt. Hierüber wurden einleitend (S. 146) 
Angaben aus den Versuchen von Völtz und Dietrich ge- 
macht, die ihren Hunden den Alkohol in den Magen brachten. 
Unsere in Kap. C S. 151 u. 152 mitgeteilten Ergebnisse mit ein- 
geatmetem Alkohol führten zu dem gleichen Ergebnis. Dem- 
gegenüber verbrennt der Methylalkohol langsam und schwer. 
Nach Völtz und Dietrich waren nach Einbringung von 2 cem 
pro Körperkilo desselben in den Magen von Hunden nach 
48 Stunden nur 39°/, verbrannt, so daß der Methylalkohol 
nur zu 3°/, sich am Stoffumsatz des Hundes beteiligte, wäh- 
rend, wie schon erwähnt, der Äthylalkohol in gleichen Mengen 
eingeführt nach 10 Stunden schon zu ca. 70°/, verbrannt war 
und seine Energie 42°/, des Gesamtumsatzes deckte. 

Daraus muß nun eine erhebliche Verschiedenheit in der 
Schnelligkeit und dem Grade der Anreicherung im Körper für 
beide Alkohole sich ergeben. Am besten dürfte sie aus der 
folgenden Abbildung hervorgehen, in der sie auf Grund unserer 
früheren!) und jetzigen Versuche graphisch wiedergegeben ist. 

Man erkennt, wie wenig Äthylalkohol sich in den ersten 
Stunden der Aufnahme im Körper ansammelt, wenn von dem 
einen Versuch mit der schnell tödlich wirkenden Alkohol- 
spannung von 31,4 bis 35,0 mm abgesehen wird. Nach vier- 
stündiger Einatmung liegen die Äthylalkoholmengen bei Alkohol- 
spannungen in der Atemluft von 9 bis 16 mm unter den, 
die von Methylalkohol bei einer Spannung von 3,2 bis3,5 mm 
sich angesammelt haben, und sind weniger als halb so hoch, 





1) Diese Zeitschr. 65, 230, 1914. 


172 A. Loewy u. R. von der Heide: 


ESZORRRARREL 

MIJERA zen 
EP=EB-AEN 

A 

= 


a 
5 
g 








G i i e S 


171 2 3 «4 5 6 7 8 9 0 EM 1 B 0 2 86 
und. 


Athylalkohol: #* — 31,4 bis 33,7 mm Spannung (Vers. 7) Ratten. 


+=14 n 15 n n ( a» 5) n 
x = 13 n 16 n ” ( n 2) n 
O= 9,5 » n ( n 3) » 
e = 4,7 n ” ( n 1) n 
© = 23 n 33 » » ( n»n 6) » 
Methylalkohol: m = 16,6 mm Spannung (Vers. IV) Ratten 
2...23.. san Q= 6,1l bis 6,5 » n ( » ID n 
= 3,2 n 35 n ” (» ID ” 
<- — 15» 2 n n ( n I) r 
o = nl0 s» n ( » 28 bis 30) Hunde, 
Fig. 5. 


wie die des Methylalkohols, wenn dieser bei einer Alkohol- 
spannung von 6,1 bis 6,5 mm eingeatmet wurde. — Auch 
nach 8stündiger Atmung liegen die Mengen des Methyl- 
alkohols, die sich bei einer Alkoholspannung von 6,1 bis 6,5 mm 
angesammelt haben, nur wenig unter den von Äthylalkohol, 
der unter 13 bis 16 mm eingeatmet wurde. 

Betrachtet man nun die Wirkungen, die von den auf- 
gestapelten Mengen ausgehen, so zeigt sich, daß diese für 
gleiche Mengen beim Methylalkohol viel weniger aus- 
geprägt sind als beim Äthylalkohol. 

Wie sich aus den Bemerkungen zur Tab. I der Methyl- 
alkoholarbeit ergibt, zeigen Ratten, die bis zu 1g, ja 1,4g 
pro Körperkilo Methylalkohol enthalten, zwar Veränderungen 
ihres Verhaltens, aber sie reagieren noch auf akustische Reize, 
vermögen noch sich auf den Hinterkörper aufzurichten, heraus- 
genommen schnuppern und laufen noch umher. Selbst bei 
einem Gehalt von 2g pro Körperkilo macht sich kein Taumeln 
beim Laufen bemerkbar. Erst bei einem höheren Gehalt legen 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 173 


sie sich auf die Seite; selbst bei 4g pro Körperkilo zeigen sie 
noch schwache Reaktion auf akustische Reize und den Blinzel- 
reflex bei Berührung der Corneae. 

Bei 5!/, bis 6g zeigt sich keinerlei Reaktion mehr. 

Demgegenüber wiesen bei Einatmung von Äthylalkohol 
Ratten, die nur '/, bis t/g davon pro Körperkilo enthielten, 
deutliche Vergiftungserscheinungen auf, sie liefen ungeschickt 
oder taumelten dabei. — Bei einem Gehalt von 1g an boten 
sie schon das Bild schwerer Vergiftung: sie lagen auf der 
Seite, die Cornealreflexe waren nicht mehr auszulösen, auch 
sensible und akustische Reize führten zu keiner Reaktion mehr. 

3g Äthylalkohol pro Körperkilo muß als unterste töd- 
liche Menge angesprochen werden; mehr als 5°/,g fand sich 
bei keinem der toten Tiere. Nach Aufnahme von Methyl- 
alkohol lebten die Ratten noch mit 5/, bis 6 g, wenngleich 
sie reaktionslos waren und in den an der Methylalkoholein- 
atmung gestorbenen Tieren fanden sich 8,7 bis 12,8 g Methyl- 
alkohol pro Körperkilo. 

Danach muß der Methylalkohol als bei weitem weniger 
giftig als der Äthylalkohol angesehen werden: Bei gleich 
hoher Aufspeicherung macht er weit weniger schwere 
Vergiftungserscheinungen als der Äthylalkohol, und die 
tödliche Menge liegt bei weitem höher als bei letzterem. 

Wenn bisher der Methylalkohol für ein schweres Gift er- 
klärt wurde, ja von einzelnen „zu den giftigsten Substanzen, 
die wir überhaupt kennen“, gerechnet wurde, so rührt das wohl 
daher, daß wir — abgesehen von Verunreinigungen, die stark 
giftig wirken mögen (Dimethylsulfat, Kroeber) — über die 
Mengen, die bei wiederholter Aufnahme schließlich im Körper 
kreisten, gar nicht orientiert sind. 


H. Schlußfolgerungen. 

Bei der Einatmung von Äthylalkohol tritt eine sehr lang- 
same Ansammlung von Alkohol im Körper ein; die Ansamm- 
lung geschieht noch langsamer als beim Methylalkohol. Das ` 
hängt zum Teil jedenfalls damit zusammen, daß der Äthyl- 
alkohol zu einem sehr beträchtlichen Teil im Körper verbrennt, 
so daß nur der unverbrannte Rest zur Aufstapelung gelangt. 


Pro mm Alkoholspannung in der Atemluft sind die auf- 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 12 


174 A. Loewy u. R. von der Heide: 


gespeicherten Äthylalkoholmengen viel geringer als die von 
Methylalkohol und liegen zwischen 10 und 60 mg. Dabei zeigt 
sich die gleiche Erscheinung wie beim Methylalkohol, nämlich, 
daß die sich anlagernden Alkoholmengen pro mm Alkohol- 
spannung um so geringer sind, je höher die Alkoholspannung 
in der Atemluft ist. 

Die im Körper zur Verbrennung gelangenden Mengen 
lagen um das 10- bis 15fache höher als in den Völtz- 
Dietrichschen Versuchen am Hunde mit Alkoholeinbringung 
in den Magen in geringeren Mengen. Daran mag die Ver- 
schiedenheit der Alkoholzufuhr, der Unterschied in der Oxy- 
dationsenergie bei Ratte und Hund und die in unseren Ver- 
suchen weit größere Menge an zugeführtem Alkohol schuld sein. 

Der Umfang der Alkoholverbrennung betrug in drei 
unserer Versuche 66,5°/, des aufgenommenen beim Meer- 
schweinchen, 73,8°/, und 98,9°/, bei Ratten; sie ist so um- 
fänglich, daß durch sie bei den Ratten und auch bei den Meer- 
schweinchen der größere Teil des gesamten Umsatzes 
gedeckt werden kann. Bei den Ratten wurde erin einem 
Versuche zu 62°/,, in einem zweiten Versuche zu 48°/,, bei 
den Meerschweinchen im Höchstfalle zu 87°/, und 94°/, durch 
den Alkohol bestritten. Nur in einem dritten Versuche am 
Meerschweinchen deckte die Alkoholverbrennung nur etwa 
28°/, des Umsatzes. 

Bezogen auf die Menge des mit der Atmung den Lungen 
zugeführten Alkohols findet sich vom Äthylalkohol ein viel 
geringerer Prozentsatz wieder als vom Methylalkohol. 

Versuche mit Alkoholeinatmung am Menschen ergaben, 
daß schon ein Alkoholgehalt von 0,1 bis 0,25°/, zu Ver- 
giftungserscheinungen führen kann, die sich bei höheren Alkohol- 
konzentrationen derart steigern, daß schon bei ®/,°/, nach einem 
Aufenthalt von ®/, bis zu 1*/, Stunden Benommenheit, Müdig- 
keit, Schlafsucht eintreten kann. — Die Grenze des Äthyl- 
alkoholgehaltes in der Atemluft, bei der bereits Intoxikationen 
eintreten, scheint für den Menschen auf gleicher Höhe zu liegen 
wie für Ratten und Meerschweinchen. 

Nimmt man für einen Vergleich der Giftigkeit des 
Äthyl- und des Methylalkohols die Alkoholmengen als 
Maßstab, die sich im Tiere beim Ausbruch schwerer Vergiftungs- 


Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 175 


erscheinungen angesammelt haben oder die den Tod herbei- 
führen, so kommt man zu dem Ergebnis, daß der Äthyl- 
alkohol giftiger ist als der Methylalkohol. 

Denn bei Ansammlung gleich großer Mengen sind die 
Vergiftungserscheinungen weit schwerer, wenn es sich um Äthyl- 
als wenn es sich um Methylalkohol handelt, und auch die 
Dosen, die den Tod herbeiführen, liegen bei ersterem er- 
heblich niedriger als bei letzterem. Sie betragen bei Ratten 
für Äthylalkohol zwischen 3 und 5°/, g pro Körperkilo, während 
sie beim Methylalkohol zwischen 8,7 und 12,8g lagen. 

Die durch unsere Versuche am Menschen gewonnene 
Kenntnis von der unteren Alkoholgrenze, bei der sich schon 
Vergiftungserscheinungen geltend machten, ermöglicht eine 
praktisch wichtige Frage besser zu entscheiden, als das bisher 
möglich war, nämlich dıe, ob bei Verdampfung vergällten Brannt- 
weins in Betrieben, in denen große Mengen davon benutzt 
werden und zur Verdampfung gelangen, die Konzentration der 
Luft an dem zur Vergällung verwendeten Methylalkohol so 
hoch steigen kann, daß dieser schon zu Vergiftungen Anlaß 
zu geben vermag. 

In seinem schon erwähnten Gutachten!) kam Loewy zu 
dem Ergebnis, daß das nicht der Fall sein könnte. Auf Grund 
der am Menschen gewonnenen Erfahrungen läßt sich zahlen- 
mäßig annähernd feststellen, daß, wenn die Äthylalkohol- 
konzentration der Raumluft so niedrig liegt, daß durch sie keine 
Vergiftungserscheinungen herbeigeführt werden, dann die des 
Methylalkohols im ungünstigsten Falle noch etwa 100mal 
niedriger liegt als in denjenigen Tierversuchen, in denen bei 
einem bis zu 8 Stunden währenden Aufenthalt noch keine 
Schädigung zu bemerken war. 





1) Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. 48, Supplement 1914. 


12* 


Respiratorische Stoffwechselversuche über die Frage 
der Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbau- 
produkten. 


Von 
José M. de Corral. 


(Aus dem physiologischen Institute der Universität Bern.) 
(Eingegangen am 8. November 1917.) 


Die Tatsaċhe, daß der tierische Organismus Glucose auf 
Kosten von anderen Substanzen außer von Kohlenhydraten 
bilden kann, ist in der Physiologie vollkommen feststehend, 
trotz der vielen Kontroversen, die über diesen Gegenstand 
stattgefunden haben. Die Bildung von Glykogen (oder Glucose) 
auf Kosten der Fette konnte, ohne daß sie widerlegt werden 
konnte, noch nicht mit Sicherheit bewiesen werden!), Hin- 
gegen besteht kein Zweifel, daß Eiweiß und gewisse Amino- 
säuren direkt Glucose bilden können. 

Diese Tatsache wurde zuerst bei schweren Fällen von 
Diabetes mellitus gezeigt, bei denen die großen Mengen 
ausgeschiedener Glucose nicht nur aus den aufgenommenen 
Mengen von Kohlenhydraten oder von den Reserven dieser sich 
im Organismus befindenden Körper herrühren konnten. Später 
wurde diese Tatsache durch ähnliche Versuche gezeigt, die an 
pankreadektomierten Tieren und schließlich an Phlorhizintieren 
gemacht worden waren. 

Aber in allen diesen Fällen handelt es sich um schwere 
Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels; hingegen ist beim 


1) Das heißt, daß es sich hier um Fettsäuren handelt, denn die 
Bildung von Glucose auf Kosten von Glycerin wird heute als endgültig 
bewiesen betrachtet. 


Jose M. de Corral: Bildg. v. Zucker a. Eiweiß u, Eiweißabbauproduken. 177 


normalen Tiere diese Bildung von Kohlenhydraten auf Kosten 
von Eiweiß oder aus seinen Spaltungsprodukten noch nicht 
auf experimentellem Wege auf eine so sichere Weise bewiesen 
worden, daß jeder Zweifel ausgeschlossen wäre. 

Es ist jedoch zweifellos sehr unwahrscheinlich, daß diese 
Bildung der Kohlenhydrate auf Kosten von Eiweiß ein aus- 
schließlich pathologischer Vorgang sei, der sich im normalen 
Zustand nicht darstellen läßt. Abderhalden!) gibt mehrere 
ausgezeichnete Gründe gegen diese Einschränkung an. Ich 
werde noch einen angeben, den ich noch als entscheidender 
ansehe. Wenn dem so wäre, so hätten wir den ersten patho- 
logischen Prozeß vor uns, der nicht seinesgleichen im normalen 
Zustand hat, und das wäre ein Vorgang, der alle unsere Tra- 
ditionen in der Pathologie umstoßen würde, wo man seit Galen 
die krankhaften Prozesse als Abweichungen von der Norm, 
als Störungen der physiologischen Vorgänge, die sich auf 
quantitative Veränderungen zurückführen lassen, betrachtet hat. 

Aber trotz seiner Wahrscheinlichkeit muß die Existenz 
dieses Prozesses im normalen Zustand noch bewiesen werden. 
Und selbst wenn wir seine Existenz annehmen, so müßte man 
doch noch erforschen, welcher quantitative Unterschied, wenn 
es einen solchen gibt, zwischen der Bildung der Kohlenhydrate 
auf Kosten von Eiweiß im normalen und im pathologischen 
Zustand besteht: alles Probleme von unzweifelhafter Bedeutung. 

Aus diesem Grunde habe ich auf Anregung von Professor 
Asher die Untersuchung dieser Frage unternommen, indem 
ich sie von einem neuen methodischen Gesichtspunkte aus, 
nämlich der Bestimmung der respiratorischen Quotienten (r.Q.) 
beim Hunde, verfolgte. 

Es ist eine wohlbekannte Tatsache, daß die Untersuchung 
des r.Q. eines Tieres uns das Mittel in die Hand gibt, die- 
jenigen Arten von Substanzen kennen zu lernen, die es bei 
seinen Verbrennungen verbraucht. Wenn es uns gelänge, den 
Organismus ganz oder wenigstens hinreichend vor Beginn der 
Untersuchung des respiratorischen Stoffwechsels glykogenfrei zu 
lassen, so würde uns die Bestimmung des r. Q. das Fehlen eines 


1) Abderhalden, Lehrbuch der physiologischen Chemie, 3. Aufl., 
I. Berlin-Wien 1914, S. 162. 


178 José M. de Corral: 


Kohlenhydratstoffwechsels erkennen lassen. Wenn wir dem Tiere 
unter diesen Bedingungen Eiweiß oder Spaltungsprodukte von 
Eiweiß geben, und wenn wir beobachten, daß der r. Q. steigt, 
hier durch eine Verbrennung von Kohlenhydraten anzeigend, dann 
könnten wir die Bildung von diesen auf Kosten von jenen 
nachweisen. Hierzu käme noch der große Vorzug, daß alle 
vergleichenden Bestimmungen mehrfach am gleichen Tier aus- 
geführt werden können. 

Um den Hund hinreichend glykogenarm zu machen und 
ihn in seinem normalen Zustand zu erhalten, haben wir daran 
gedacht, ihm Pepton einzuführen. Diese Substanz wirkt auf 
die Leber, indem sie ihre Menge an Glykogen, wie durch die 
Arbeiten von Professor Asher und seinen Schülern bewiesen 
worden ist, stark vermindert '). 

Hiermit könnten wir auf eine starke Verminderung des 
Glykogendepots des Organismus, aber nicht auf sein vollstän- 
diges Verschwinden hoffen, denn eine Wirkung des Peptons 
auf das Muskelglykogen scheint unwahrscheinlich zu sein oder 
es ist uns wenigstens vollkommen unbekannt. Man müßte 
also zuerst beweisen, daß diese Verminderung der Glykogen- 
reserven des Hundes hinreichte,um den Kohlenhydratstoffwechsel 
so herabzusetzen, daß er am r. Q. nicht mehr bestimmbar ist. 

Wenn sich das Pepton hierfür als genügend erweist, so 
wäre die Anwendung dieses Mittels, um den Organismus seines 
Glykogens zu berauben, viel vorteilhafter als das längere Hun- 
gern, worauf entweder eine Strychninvergiftung oder eine große 
Arbeit folgen müßte. Denn obgleich das letztere Mittel das 
sicherste ist, das wir besitzen, um das Glykogen auszutreiben, 
so versetzt es doch den Organismus sicherlich in weniger nor- 
male Zustände als die Behandlung mit Pepton. 

Eine andere Frage, die auch vorher zu lösen war, war 
die, zu wissen, ob die Glykogenverbrennung mit Hilfe unserer 
Technik nachzuweisen war. 

Und erst nachdem diese beiden ersten Fragen gelöst 
worden waren, konnte ich die Untersuchung der Wirkung der 


1) Pletnew, diese Zeitschr. 21, 355, 1909; Tschannen, ebenda 
59, 202, 1914; Richardson, ebenda 70, 171, 1915; Abelin und 
Corral, ebenda. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 179 


Aminosäuren in Angriff nehmen. Unglücklicherweise haben 
mich unvorhergesehene Umstände gezwungen, meine Unter- 
suchungen vorzeitig zu unterbrechen, die infolgedessen nur 
einen vorläufig orientierenden Charakter haben können. 


Technik. 


Alle meine Versuche sind an demselben Tiere, einer Hündin von 
ungefähr 15 kg Gewicht, gemacht worden. 

Zur Untersuchung des Gaswechsels habe ich den Apparat von 
Jaquet!) angewendet. 

An Stelle dieser für Menschen bestimmten Respirationskammer 
habe ich mich eines Kastens von 80 cm Länge, 50 cm Breite und 50 cm 
Höhe bedient, dessen Boden in der gewöhnlichen Art und Weise einge- 
richtet war, um den Harn im Stoffwechselkasten aufzufangen. Der 
Hund wurde von oben in den Kasten gebracht. Die Schließung 
des Kastens geschah durch einen Deckel, der ein starkes Glas in der 
Mitte hatte, um das Tier beobachten zu können. Ein hermetischer 
Verschluß wird durch eine Rinne gesichert, die am oberen Rand des 
Kastens angebracht ist, eine Rinne, die man mit Glycerin füllt und 
in die der Deckelrand eingreift. 

Der Käfig hat ein Rohr, um den Harn zu entleeren, ein mit einem 
Hahn natürlich geschlossenes Rohr. Außerdem zwei Öffnungen, in 
denen die Röhren, die mit dem Gasometer und mit der Außenluft ver- 
bunden sind, endigen. Der Käfig sowie die Röhren und die Verbin- 
dungen sind hermetisch geschlossen. 

In meinen Versuchen habe ich die zu analysierende Luft während 
kurzer Perioden von annähernd einer Stunde gesammelt. Selbst in 
diesen kurzen Perioden gibt der Jaquetsche Apparat genaue Resultate, 
wie die Kontrollversuche von Jaquet (l.c.) mit Alkohol beweisen, 
ebenso wie ein anderer, den ich selbst angestellt habe. 

Ich habe so kurze Perioden zum Auffangen der Luft gewählt, um 
innerhalb der möglichen Grenzen zu vermeiden, daß die vorübergehenden 
Änderungen des r. Q. unbemerkt vor sich gehen, besonders wenn auf 
dieselben andere Veränderungen in entgegengesetzter Richtung folgen. 
Die Bildung von Kohlenhydraten auf Kosten von Eiweiß ist höchstwahr- 
scheinlich an eine Verminderung, ihre Verbrennung an eine Erhöhung 
des r. Q. geknüpft. Wenn die beiden Umwandlungen in der Zeitperiode, 
in der wir die Luft sammeln, aufeinander folgen würden, dann müßten 
sie notgedrungen unbemerkt bleiben. 

Mein Verfahren besitzt hingegen einen großen Nachteil, nämlich 
den großen Einfluß, den unter diesen Bedingungen die kleinsten Bewe- 
gungen des Tieres auf die absoluten Werte des absorbierten Sauerstoffes 
und der erzeugten Kohlensäure ausüben. 


1) Jaquet, Verhdl. d. naturforsch. Gesellsch. in Basel 15, 252, 1903. 


180 José M. de Corral: 


Der Einfluß der Bewegungen ist sicherlich immer so groß, daß 
Benedict!) sagen konnte, daß man bei jeder Gaswechseluntersuchung 
zwei Faktoren von gleicher Bedeutung in Betracht ziehen muß und die 
nur bei gemeinsamer Betrachtung Berücksichtigung finden, die Genauig- 
keit der Luftanalyse und die genaue Beobachtung der Muskeltätigkeit. 

In lang andauernden Versuchen ist es unmöglich, selbst von einem 
Menschen absolute Ruhe zu verlangen, um so weniger von einem Tier. 
Wenn aber die Bewegungen des Tieres gering sind und wenn die Peri- 
oden, während deren man die Luft aufsammelt, mehrere Stunden dau- 
ern, dann können die Werte des absorbierten Sauerstoffes und der er- 
zeugten Kohlensäure übereinstimmende Resultate geben, wie wir es in 
den Untersuchungen mehrerer Forscher finden. Das läßt sich dadurch 
erklären, daß die Steigerung des Gaswechsels, die von den kleinen Be- 
wegungen des Tieres herrührt, die sich auf fast ebenso lange Perioden 
absoluter Ruhe verteilen, wirklich unbemerkt vorübergehen kann. 
Wenn aber die Beobachtungen, wie die meinen, nur eine Stunde dauern, 
dann sind große Veränderungen, die von Bewegungen herrühren, in den 
absoluten Werten des CO, und des Sauerstoffes vorauszusehen. Dies 
sogar bei einem Hunde, der, wie der meine, sich nach den ersten Ver- 
suchen gewöhnt hatte, absolut ruhig zu bleiben. Aus diesem Grunde 
dürfen wir kaum die absoluten Gasmengen bei meinen Versuchen als 
richtige Ruhewerte ansehen. 

Der Einfluß dieser kleinen Bewegungen auf die respiratorischen 
Quotienten konnte hingegen nicht sehr groß sein. Da wir zudem in 
unseren Versuchen nur nach dem Vorhandensein von Glykogen suchten, 
so war, wenn sich durch die Bewegungen des Tieres etwa dasselbe sich 
in der Art der Verbrennung offenbarte, dies keine sehr ernste Störung. 

Die Stärke der Ventilation der Respirationskammer, die, wie wir 
später sehen werden, zu groß war, betrug im allgemeinen 2000 1 pro 
Stunde. Von jeden 2000 1 ventilierter Luft wurde 11 im Sammel- 
cylinder aufgefangen. Durch voraufgehende Versuche hatte ich die 
Gewißheit erworben, daß die Luft der Respirationskammer, in der sich 
der Hund befand, bei dieser Ventilationsstärke in 20 Minuten eine kon- 
stante Zusammensetzung erreicht. Um aber noch sicherer zu sein, habe 
ich die Kammer immer 45 bis 60 Minuten ventilieren lassen, ehe ich 
anfıng, die erste Aufnahme der zu analysierenden Luft zu machen. 

Ehe ich anfing, diese Luft zu sammeln, gebrauchte ich immer die 
Vorsichtsmaßregel, die Röhre, die den Gasometer und den Sammelcylinder 
verbindet, mit der Luft zu füllen, die in dem Augenblick aus der Respi- 
rationskammer austritt. 

Bei all meinen Versuchen brachte ich den Hund morgens in den 
Kasten, wo er während der ganzen Versuchsdauer, ungefähr 24 Stunden, 
blieb, ohne daß der Kasten geöffnet wurde und die Ventilation aufhörte. 

Im allgemeinen entnahm ich in jedem Versuche fünfmal Luft zum 


1) Benedict, Arch. f. klin. Med. 56, 110, 1913. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 181 


Analysieren: einmal am Morgen, zweimal nacheinander am Nachmittag 
und zweimal nacheinander am nächsten Morgen. 

in der Zwischenzeit unterbrach ich die Verbindung zwischen der 
Vorrichtung und der Gasuhrachse, um eine Probe Luft zu entnehmen. 
Und ehe ich eine neue Luftprobe entnahm, füllte ich, wie in der ersten 
Stunde, das Verbindungsrohr mit Luft aus der Respirationskammer. 

Der Grund, warum ich die Ventilation nicht unterbrach, war ein- 
fach der, eine voraufgehende neue Ventilation vor jeder Luftentnahme 
zu vermeiden. 

Die Reduktionen des Volumens der ventilierten Luft auf Normal- 
druck und Normaltemperatur wurden mit Hilfe des Thermobarographen 
gemacht, welcher nach dem Rate von Kakehi!) jede Woche korrigiert 
wurde. Manchmal wurden die Berechnungen sofort angestellt, indem 
ich von den Druck- und Temperaturangaben ausging, die im Augenblick 
des Versuches bestanden. 

Die in den Versuchen angegebenen Temperaturen der Respirations- 
kammer wurden nicht in der Kammer selbst abgelesen, sondern es sind 
die Temperaturen des Thermometers, das sich beim Eintritt der Luft 
an der Gasuhr befindet. Sie sind gewiß niedriger als die wirklichen, 
obgleich die Entfernung der Respirationskammer vom Thermometer 
nicht groß war. 

Ich will noch beiläufig bemerken, daß die Temperaturen der Re- 
spirationskammer in meinen Versuchen niedriger waren, als sie sein 
sollten, um die chemische Wärmeregulation des Tieres zu vermeiden. 
Da sie außerdem in den verschiedenen Versuchen nicht konstant waren, 
so war das ein Grund für den Unterschied der absoluten Werte der 
CO, und des Sauerstoffes in den verschiedenen Versuchen. 

Analyse der Luft. Bei dem 6., 7., 8. und 10. Versuche habe ich 
die Luft vermittels des Apparates von Pettersson-Högland gemacht; 
es ist derjenige, den Jaquet gebraucht; ich verfolgte dabei die von 
Kakehi beschriebene Technik ®). 

Dieses Verfahren, das sehr genau ist, hat den Nachteil, daß es 
sehr viel Zeit erfordert. Nach meiner Erfahrung und derjenigen der 
anderen, die mit dieser Methode an unserem Institut gearbeitet haben, 
braucht man selten weniger als 45 Minuten für eine Analyse und oft 
sogar länger. Grafe®°), einer derjenigen, die diese Methode am besten 
kennen, behauptet, daß manchmal die bloße Absorption des Sauerstoffes 
im Pyrogallol 45 Minuten dauert. 

Außerdem ist seine Technik, ohne daß sie besonders schwierig ist, 
hinreichend umständlich. 

Um die Nachteile zu vermeiden, haben wir daran gedacht, den 
Apparat von Pettersson durch den von Haldane für unsere Ana- 
lysen zu ersetzen. 


1) Kakehi, diese Zeitschr. 76, 248, 1916. 
?) Kakehi, 1. o. 
3) Grafe, Handb. der biochem. Arbeitsmethoden, 1, 498, 1913. 


182 José M. de Corral: 


Dieser letztere Apparat ist, wie wohl bekannt, nur eine Modifika- 
tion von demjenigen von Pettersson, vor dem er manche Vorzüge 
aufweist, die seine Verwendung bequemer, leichter und vor allem weniger 
zeitraubend macht. 

Indem ich andere, weniger wichtige Vorzüge übergehe, erinnere 
ich daran, daß in dem Apparat von Haldane die analysierte 
Luftmenge 20 ccm beträgt, und deshalb geht die Absorption der CO, 
und diejenige des Sauerstoffes natürlich viel rascher vor sich). 

Ein anderer Vorzug ist die geniale Anordnung, die darin besteht, 
als Differentialmanometer das Kalihydrat der Orsatschen Röhre zu ver- 
wenden. Bei dieser Anordnung, bei der man viel Zeit gewinnt und die 
sehr bequem ist, vermeidet man den Verlust von vielen Analysen. Das 
Platzen des kleinen Petroleumtröpfchens, das im Originalapparat von 
Pettersson als ebenso exaktes wie umständlichesDifferentialmanometer 
dient, ist tatsächlich die Ursache des Verlustes von vielen Analysen, 
besonders im Anfang. 

Der Apparat, den ich benutzte, wurde von der Firma Bleckmann 
& Burger in Berlin hergestellt und unterscheidet sich von dem Original- 
apparat von Haldane nur durch die Graduierung der Bürette und 
dadurch, daß er, wie derjenige von Pettersson, zwischen der Bürette 
und dem Niveau der Quecksilberröhre einen Glashahn hat, der mit der 
Bürette durch einen Kautschukschlauch verbunden ist, auf den man mit 
einer Schraube einen Druck ausüben kann. Das erleichtert außer- 
ordentlich die Einstellung des Niveaus der Flüssigkeiten in den Orsat- 
schen Röhren. - 

Die Bürette unseres Apparates hat ein Fassungsvermögen von 
20 ccm und ist in ihrer ganzen Länge graduiert, nicht in 0,01 ccm wie 
der graduierte Teil derjenigen von Haldane, sondern nur in 0,02 cem, 
was sicher für meine Untersuchungen nicht vorteilhaft war. Mit etwas 
Geschicklichkeit kann man ziemlich gut 0,002 cmm auswerten, aber mit 
Sicherheit nicht mehr. 

Ich will keine Details über die Technik geben, da sie schon genau 
von Haldane?) beschrieben worden ist, ich will nur einzelne mögliche 
Fehlerquellen hervorheben, die schon von Haldane angedeutet worden 
sind und deren Bedeutung ich verifizieren konnte. 

Eine erste Ursache ist, daß der Kautschukschlauch, der die beiden 
Teile der Orsatschen Röhre für die Absorption der CO, unter sich und 
mit der Kompensationsröhre verbindet, besonders wenn er neu ist, Ver- 
bindungen von Schwefel enthält, die von der Vulkanisation des Kaut- 
schuks herrühren. Diese Verbindungen können sich, wenn sie sich mit 
dem Kalium berühren, dort zu Kaliumsulfat auflösen, wodurch sie der 


!) Beim Apparat von Pettersson in unserem Institut, der das 
Modell von Jaquet ist, analysiert man 60 ccm Luft. Im Modell von 
Grafe werden 100 ccm analysiert. 

2) Haldane, Methods of Air Analyses, London 1912, S.44. Hier 
findet sich auch eine genaue Beschreibung des Apparates. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten, 183 


Flüssigkeit eine gelbliche Farbe verleihen. Dieses Kalium ist nun im- 
stande, bemerkenswerte Mengen von Sauerstoff zu absorbieren und kann 
in den Luftanalysen die Ursache der Änderung der Werte sein, die für 
die CO, zu hoch und für den Sauerstoff zu niedrig werden. Man erkennt 
diese Fehlerquelle an der Farbe des Kaliums und außerdem daran, daß 
man mit diesem Kalium keinen konstanten Wert für die CO, erhält, 
oder ihn wenigstens schwer erhält. Um das zu vermeiden, muß man, 
wenn sich dies ereignet, dieOrsatsche Röhre und den Kautschuk sorg- 
fältig waschen und sie mehrere Stunden lang mit Kalium in Berührung 
bringen, was man so häufig erneuern muß, bis dieses nicht mehr gelb 
wird. Die Bürette muß auch immer peinlich sauber gehalten werden. 
Wenn sie schmutzig ist, riskiert man zu hohe Werte für den Sauerstoff 
zu erhalten. 

Eine weitere Vorsichtsmaßregel ist noch unumgänglich nötig, näm- 
lich die Genauigkeit der Bürette zu verifizieren, denn man findet selten 
eine Bürette, die genau in dem Grade eingeteilt ist, dessen wir bedürfen. 
Im Anhang gebe ich die Verifikation der unserigen. 

Jedesmal, wenn wir an der Genauigkeit unserer Analysen zweifeln, 
müssen wir eine Analyse der Außenluft machen, wenn ihre Zusammen- 
setzung eine konstante ist, um sich zu vergewissern, daß alles im Appa- 
rat in Ordnung ist. 

Der einzige Nachteil, der daraus erwachsen kann, den Apparat von 
Pettersson durch den von Haldane zu ersetzen, ist, daß dieser für 
unsere Analysen nicht hinreichend genau ist. Aus diesem Grunde will 
ich etwas bei der Genauigkeit verweilen, die man mit dem Apparat 
erreichen konnte, über den ich verfügte. 

Wie gesagt, ist es in meiner Bürette nicht mit Sicherheit möglich, 
mehr als 0,002 ccm zu bestimmen, man muß also bei jeder Ablesung 
mit einem Fehler von -+0,002 ccm rechnen, was einen Fehler von 
-+0,01 ccm bedeutet, wenn wir die Berechnungen auf 100 ccm analy- 
sierte Luft bezichen. 

Für die Dosierung der CO, sind zwei Ablesungen notwendig, für 
die des Sauerstoffes drei. Aber die beiden letzteren müssen zweimal 
wiederholt werden, durch einen neuen Gasdurchtritt durch das Kalium 
oder Pyrogallol voneinander getrennt, um sich zu vergewissern, daß die 
betreffende Absorption vollständig sei. Der Fehler dieser letzten Ablesungen 
ist auf die Hälfte reduziert. 

Man muß also bei der Dosierung der CO, mit einem möglichen 
Ablesungsfehler von 40,003 ccm rechnen, d. h. mit 0,015 cem in 100 cem 
analysierter Luft; und bei derjenigen des Sauerstoffes mit einem Fehler 
von + 0,004 ccm, d. h. von + 0,02 cem in 100 ccm Luft. Bei den Be- 
stimmungen der CO, -+ O (oder was dasselbe ist, bei denjenigen des 
N,) wird der Fehler gleich dem der CO, sein. Aber die Bestimmung von 
0,002 ccm ist in unserer Bürette nicht leicht, da die Ablesung durch 
eine Wasserschicht hindurch geschieht, welche dazu dient, dem Gas der 
Bürette eine gleichmäßige Temperatur zu verleihen. Durch Übung ge- 
winnt man aber Sicherheit. 


184 Jose M. de Corral: 


Es wäre also sehr wichtig, den maximalen Ablesungsfehler zu 
kennen, der selbst bei sorgfältigen Bestimmungen möglich ist. Zu 
diesem Zwecke reproduziere ich im Anhang I (Tabelle XV) 20 Analysen 
der in 100 ccm Außenluft enthaltenen CO,+0,, die ich machte, als ich 
noch nicht die Übung der Ablesung der Bürette hatte. 

Als mittleren Fehler für jede dieser Bestimmungen haben wir 
+0,030 ccm und als mittleren wahrscheinlichen Fehler +0,020 cem!). 
Es ist also möglich, zwischen zwei parallelen Bestimmungen der CO, 
und O, einen Unterschied von 0,06 ccm zu finden. 

Mit Rücksicht hierauf habe ich aus meinen späteren Analysen die 
Parallelanalysen ausgeschlossen, die sich in den Werten für den N, um 
mehr als 0,06 ccm voneinander unterschieden, eine Tatsache, die sehr 
selten vorkam; alle anderen habe ich für gut gehalten. 

Aber dieser Fehler war ein maximaler; mit etwas Erfahrung haben 
meine Fehler um die Hälfte abgenommen. Ich finde tatsächlich als 
arithmethisches Mittel der bestehenden Unterschiede zwischen den 54 
doppelten Bestimmungen und den 17 dreifachen, die ich von der CO, 
gemacht habe, 0,016 ccm, die Bestimmungen auf 100 ccm Luft bezogen, 
und wenn man bei den dreifachen Bestimmungen den mittleren Unter- 
schied von zweien annimmt. Bei 53 doppelten und 14 dreifachen von 
Sauerstoff finde ich einen mittleren Unterschied von 0,016 ccm, auch 
von 0,019 ccm. Das bedeutet einen Fehler von +0,008 ccm für jede CO,- 
Bestimmung und einen von +0,0095 für jene des Sauerstoffes oder von 
Stickstoff. 

Fehler, die für die CO, und den Sauerstoff genau die Hälfte von 
jenen betragen, bezeichne ich theoretisch als die Genauigkeitsgrenze, 
die man mit meinem Apparat erreichen kann; etwas mehr als die Hälfte 
wird für den Stickstoff erreicht. Wenn wir hier bemerken, daß es 
sich um doppelte Bestimmungen handelt, und wenn wir davon aus- 
gehen, daß die Genauigkeit doppelt so groß sein muß, als wenn es sich 
um eine einzelne Bestimmung handelt, so ist die Übereinstimmung be- 
merkenswert und zeigt uns, daß der Ablesungsfehler der größte Fehler 
bei unseren Analysen ist. 

Die Genauigkeit, die man nach Jaquet und denjenigen Autoren, die 
mit der Methode von Pettersson-Högland gearbeitet haben, erreichen 
soll, ist derart, daß zwei parallele Bestimmungen von CO, und 0, sich 
nicht um mehr als um 0,01 ccm in 100 ccm analysierter Luft unter- 


1) Ich berechne den mittleren möglichen Fehler mit der gewöhn- 


lichen Formel E=+ Ve wo 8 die Summe der Fehler-Quadrate ist, 


d. h. der Summe der Quadrate der Abweichungen der einzelnen Be- 
stimmungen vom Mittel, und wo n die Zahl der Bestimmungen ist. 
Der wahrscheinliche Fehler ist annähernd gleich ?/, des mittleren. 
(Siehe Kohlrausch, Leitfaden der praktischen Physik, 9. Auflage, 
Leipzig 1901, S. 2.) 


—— 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 185 


scheiden dürfen. Das bedeutet eine doppelt so große Genauigkeit wie 
die durch meine Analysen erreichte, etwas weniger für die der CO,. 

Wollte man mit meinem Apparat von Haldane die Genauigkeit 
erhalten, die man mit demjenigen von Pettersson erreicht, dann 
müßte man von jeder Luftentnahme vier anstatt zwei Analysen 
machen. Selbst auf diese Weise wäre es vorteilhaft in bezug auf die 
Zeitersparnis, sich des Haldane zu bedienen, da im allgemeinen die 
maximale Zeit, die ich mit diesem Apparat für eine Analyse der CO, 
und O, brauche, 20 Minuten ist?). 

Aber für meine Arbeit glaubte ich, wie gesagt, daß die mit den 
doppelten Bestimmungen erhaltene Genauigkeit genügte. Und ich habe 
im allgemeinen nur Doppelbestimmungen jeder Luftprobe gemacht; eine 
dritte Bestimmung machte ich fast nur in dem Falle, wo die Werte des 
N, um mehr als 0,02 ccm divergierten. Diese Fälle sind sehr selten, 
wo ich trotz eines größeren Unterschiedes als 0,02 com diese dritte Be- 
stimmung nicht gemacht habe. 

Die Zusammensetzung der Straßenluft. Von der Luft der 
Straße, in der sich unser Institut befindet, durfte man erwarten, daß 
sie eine konstante Zusammensetzung habe, da sie eine sehr stille, fast 
vor der Stadt liegende und in der Nähe eines großen Waldes sich be- 
findende Straße ist. Das beweisen die Analysen von Kakehi?). Diese 
Analysen wurden in den letzten Wintermonaten gemacht, und es ist leicht 
möglich, daß sie sich in den anderen Jahreszeiten verändert. Da diese 
Zusammensetzung für mich eine- große Bedeutung hatte, weil ich die 
Respirationskammer mit Außenluft ventilierte, habe ich die Analysen 
zu verschiedenen Zeiten wiederholt, und ich habe immer gefunden, daß 
die Konstanz der Zusammensetzung, wenigstens innerhalb der Fehler- 
grenzen der Analysen, vollständig ist. 

Ich gebe auf der Tabelle I einige Resultate als Beispiele. 


Tabelle I. 


Die mittleren Werte, die Kakehi erhielt, betrugen 0,032°/, für die 
CO, und 20,939°/, für den O,, Werte, die genau mit den meinigen über- 
einstimmen. 

In meinen Berechnungen habe ich immer die abgerundeten Werte 
von 0,03°/, für die CO, und von 20,94°/, für den Sauerstoff zugrunde 
gelegt. 

Genauigkeit meiner Resultate. Wir können nicht bei allen 


1) Wenn die Bürette des Apparates, den ich benutzt habe, in 
0,01 com eingeteilt gewesen wäre wie die des Originalapparates von 
Haldane, so hätte man hoffen können, bei einiger Gewohnheit dieselbe 
Genauigkeit zu erreichen wie mit dem Pettersson. Und tatsächlich 
ist diese Genauigkeit die von Haldane erreichte. (Siehe Haldane, 
l. c. S. 44.) 

2) Kakehi, 1c. 


186 Jose M. de Corral: 


Resultaten meiner Untersuchungen mit einer so großen Genauigkeit 
rechnen, wie die mit der Methode von Jaquet zu erreichende ist. 
Die Abweichungen rühren teilweise von der geringeren von mir erwähn- 
ten Genauigkeit meiner Analysen her, die ich mit dem Apparat von 
Haldane gemacht habe, und andere von einer gewissen Fehlerquelle 
meiner Technik. 

Wie Staehelin!) zuerst bemerkt hat, soll man die Ventilation 
der respiratorischen Kammer derart regulieren, daß die CO, in der ven- 
tilierten Luft wenigstens eine Konzentration von 0,5°/, hat. Der Grund 
ist sehr einfach, da die unvermeidlichen Fehler der Gasanalyse um so 
merklicher werden, wenn diese Gase in der ventilierten Luft ver- 
dünnter sind. 

Aber aus äußeren Gründen habe ich bei vielen meiner Versuche 
die Respirationskammer zu stark ventiliertt. Wenn auch in gewissen 
Fällen die Ventilation mäßig genug war, um die CO, in der ventilierten 
Luft über oder sehr nahe von 0,5°', zu erhalten, war sie in anderen 
Fällen stark genug, um die CO,-Werte von 0,3 bis 0,4°/, erreichen 
zu lassen; und in einem Versuche, dem vierten, habe ich sogar kaum 
höhere Werte als 0,2°/, erhalten. 

Es ist also notwendig, zu untersuchen, welches die Genauigkeit ist, 
die man meinen Resultaten zubilligen kann. 

Der Fehler des r. Q. muß natürlich sowohl von den Fehlern der 
Analysen der CO, und des O, wie auch von der Höhe, die die Kon- 
zentration dieser beiden Gase in der analysierten Luft erreicht, herrühren. 

Um eine Grundlage zu haben, die uns gestattet, festzustellen, wann 
die Variation des r. Q. innerhalb der Fehlergrenzen der von mir ange- 
wandten Technik fällt, habe ich die Veränderungen berechnet, die die 
r. Q. der Mischungen von O, und CO, bei den verschiedenen Konzen- 
trationen, die in meinen Versuchen vorkommen, infolge der möglichen 
Fehler meiner Analysen erleiden können. 

Bei diesen Berechnungen habe ich zunächst gesehen, daß es der 
Unterschied in den Werten des N, in der Gasmischung ist, der den 
größten Einfluß auf den Wert des r. Q. hat. Ein Unterschied in den 
Werten der CO, und des O, von einer Größe, wie er sich in meinen 
Doppelbestimmungen vorfindet, hat kaum einen Einfluß auf den r. Q., 
solange der Wert des N, konstant bleibt. 

Ein Unterschied von 0,02 cem in den Werten der CO,, begleitet 
von einem gleichen Unterschied im entgegengesetzten Sinne in den 
Werten des Sauerstoffes, ändert den r. Q. tatsächlich höchstens um 
0,01°/,. Und dieselbe Tatsache tritt ein, wenn der Inhalt der Gas- 
mischung 0,3 oder 0,6°/, beträgt. Selbst Unterschiede von 0,04 ccm in 
den Werten der CO, und des O, erzeugen, wenn die des N konstant 
bleiben, nur einen Unterschied von 0,01 im r. Q., wenn das Verhältnis 
der CO, in der Mischung 0,6°/, beträgt. Wenn das Verhältnis 0,3°/, 
beträgt, kann der Unterschied bis zu 0,03 gehen. 





1) Staehelin, Zeitschr. f.klin.Med. 66, 201, 1908. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 187 


Das ist von großem Interesse, da die N-Werte uns eine Gewähr 
für die Genauigkeit bieten, die ebenso groß ist wie die der CO, und 
größer als die des Sauerstofles; denn da diese durch Analysen eines 
Restes erhalten werden, müssen sie mit den Fehlern dieser Analysen 
von denjenigen der Analysen der CO, behaftet sein. 

Nach meinen Berechnungen habe ich dann gesehen, daß die Varia- 
tionen des r. Q. größer sind, wenn es die N-Werte sind, die variieren. 
In der ventilierten Luft, in der die CO, eine Konzentration von 0,60°/, 
erreicht, erzeugt, wenn die Werte der CO, und des O, unter sich nicht 
um mehr als 0,04 cem differieren, eine Veränderung der N-Werte von 
0,02 com Unterschiede von 0,02 bis 0,04 auf den r.Q. Dies ist der 
Fall, wenn der r. Q. <0,95 ist, wenn er größer ist, können die Unter- 
schiede bis zu 0,05 gehen. 

Wenn die CO, eine Konzentration von 0,3°/, hat, kann ein Unter- 
schied von 0,02 in den N-Werten, unter den obengenannten Bedin- 
gungen Unterschiede von 0,02 bis 0,06 hervorrufen, wenn der r. Q. 
unter 0,91 beträgt. Wenn er höher ist, können die Unterschiede 0,09 
betragen. 

Wenn also die ventilierte Luft 0,60°/, CO, erreicht, kann dank der 
Genauigkeit, die meinen Analysen zugebilligt werden kann, ein Unter- 
schied von 0,05 des r. Q. von einem in der Methode gelegenen Fehler 
herrühren. Wenn die Konzentration der CO, 0,30 beträgt, dann fällt 
ein Unterschied von 0,06 auch innerhalb der Fehlergrenzen. Und wenn 
die r. Q. >0,91 wären, so wäre es dasselbe für Unterschiede von 0,09. 

Wir sehen also erstens, daß die übermäßige Ventilation, die ich 
angewandt habe, die Fehler bei den r.Q. kaum erhöht, wenn diese ge- 
ringer als 0,91 sind. Und wenn es bei meinen Versuchen eine über- 
mäßige Ventilation gab, waren die r. Q. immer <0,91. 

Endlich sehen wir auch, daß die geringere Genauigkeit meiner 
Analysen auch den Fehler des r. Q. nicht erhöht hat. Wenigstens be- 
hauptet Staehelin'), einer derjenigen, die die Methode von Jaquet am 
besten kennen, daß bei den Untersuchungen mit der Zuntzschen Me- 
thode die r. Q. genauer sind, als mit der Jaquetschen Methode. Und 
Durig?) bezeichnet als Fehlergrenze in der Methode von Zuntz einen 
Unterschied zwischen zwei r. Q. von 0,06. 

Die beiden genannten Fehler in meiner Technik müßten eine grö- 
Bere Ungenauigkeit in den absoluten Werten der gebildeten CO, und in 
dem absorbierten O, hervorrufen. Aber bei meinen Versuchen hat das 
keine Bedeutung, da die Bewegungen des Tieres in den Werten größere 
Unterschiede hervorrufen, als diejenigen sind, die diese beiden Fehler- 
quellen erzeugen können. 

Um aber eine größere Gewißheit über die Genauigkeit meiner Re- 
sultate zu gewinnen und da ich mich nicht nur auf theoretische Be- 


1) Staehelin, l. o. S. 224. 
2) Durig, Denkschrift d. mathem.-naturwissensch. Klasse d. kaiserl. 
Akademie d. Naturwissenschaften 76, Wien 1909. 


188 Jose M. de Corral: 


trachtungen verlassen wollte, habe ich versucht, diese Genauigkeit experi- 
mentell zu verifizieren. 

Aus diesem Grunde habe ich einen Kontrollversuch gemacht, indem 
ich in der Respirationskammer eine bekannte Menge von Alkohol ver- 
brannte. Die Resultate dieses Kontrollversuches, die ich im Anhang 
gebe, zählen unter diejenigen, die Jaquet als befriedigend bezeichnet. 
Aber bei dieser Kontrolle erreichte die CO, ein Verhältnis von annähernd 
0,6°/, in der ventilierten Luft; es bestand also keine übermäßige Venti- 
lation, wie in einigen meiner Versuche. Im Gegenteil war im ersten 
Versuch, der auch ein Kontrollversuch war, die Ventilation zu stark, 
und die Resultate sind trotzdem sehr befriedigend, wie wir sehen werden. 


Versuch 1. 


Bei diesem Versuche habe ich am Hund den Wert des r. Q. nach 
acht Hungertagen, zu verschiedenen Stunden untersucht. Unter diesen 
Bedingungen erhofften wir eine große Konstanz in den Werten des r. Q., 
und aus diesem Grunde haben wir gedacht, daß eine derartige Beobach- 
tung die beste Kontrolle unserer Technik sei. 

Nach einer bestimmten Hungerperiode erhält man an den 
folgenden Tagen r. Q, die sich sehr wenig voneinander unter- 
scheiden; das ist seit den vorliegenden Untersuchungen von Zuntz und 
Lehmann bei Cetti und Breithaupt), und denjenigen von Bene- 
dict?) beim Menschen und von Grafe?) an einem Kranken und am 
Hunde‘) bekannt. Nur bei den von Luciani bei Succi’) gemachten 
Untersuchungen sieht man nicht diese Konstanz des r. Q., und zwar nach 
12 Hungertagen; seine Versuche sind jedoch durchaus nicht einwandfrei. 

Aus der während der verschiedenen Tage gezeigten Konstanz läßt 
sich die Konstanz des r. Q. für einen Tag ableiten, und das geht tat- 
sächlich aus der Beobachtung von Grafe an einer Kranken und aus 
der obengenannten von Benediot hervor. 

Bei meinem Versuch (Tabelle II) sehen wir zuerst eine große Gleich- 
mäßigkeit in den Werten des r. Q. Der größte Unterschied unter den- 
selben betrug 0,06. In den r.Q. von zwei aufeinanderfolgenden Stunden, 
wo die physiologischen Veränderungen dieser Quotienten, wenn sie exi- 
stieren, wahrscheinlich viel kleiner sind, betragen die Unterschiede nur 
0,04000 und 0,01. 

Und doch schwankte die Konzentration der CO, in der ventilierten 
Luft in diesem Versuche zwischen 0,3 und < 0,4°/,; undin den Analysen 


1) Lehmann, Müller, Munk, Senator und Zuntz, Virchows 
Archiv 131, Suppl. 1893. Besonders die Versuche an Cetti; bei den an 
Breithaupt gemachten, schwankten die r. Q. etwas. 

2?) Benedict, On Inanition, 1907, Carnegie Inst. Nr. 203, Wash- 
ington 1916. 

2) Grafe, Zeitschr. f. physiol. Chem. 65, 21, 1910. 

4) Grafe u. Graham, ibid. 73, 1, 1911. 

5) Luciani, Das Hungern, Hamburg u. Leipzig 1890. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 189 


gibt es sogar einmal einen Unterschied von 0,04 zwischen zwei paral- 
lelen Werten des N. 

Dieser Versuch ist also auch ein Beweis für die Genauigkeit der 
angewandten Technik, und man sieht hier, daß der Fehler, mit dem ich 
gearbeitet habe, geringer ist als der, den ich als theoretisch möglich 
angegeben habe. 


Tabelle I. 


1. Versuch vom 31. Oktober bis 1. November 1916 (6. Versuch meines 
Protokolls). 
Der Hund wiegt 13,1 kg. Er hat vor dem Versuche 8 Tage gehungert. 








CO,- O,-Verbrauch 











Pan ER 
on [” g b © 
5 œ% O h = Ö 

o oja r 
= a 8 go 2 EI Luftanalyse Produktion 

sja ag suls32 ae} 
452 l255[@35]335 u F8 o5 58 R. Q. 
szg jema 2 A 1083158 
aagi = 18 00:10 Er an 
SS >o 2 2 g o M j 
32 o & | Min. | ° oJ s| 23ļ|&sj| eg 
a= : © j o $| ig kke cz 
























20,48 
0,40 | 20,48 | 79,12 


0,38 | 20,48 | 79,14 
0,34 | 20,54 | 79,12 


6,70 | 8,56 | 9,37 | 11,97 






16,7 į 1818 | 64 









0,34 | 20,50 | 79,16 
0,30 | 20,54 | 79,16 | 
0,33 | 20,52 | 79,15 | 5,45 | 6,96 | 8,18 | 10,44 











16,8 | 1651 | 72 | 20,45 


20,46 






5,61 | 7,17 | 8,67 | 11,07 





16,8 | 2159 | 55 


6,69 | 8,54 | 10,36 | 13,23 
15,0 | 2052 | 70 


6,98 | 8,90 | 9,85 | 12,58 
16,1 | 2027 | 60 














0,38 | 20,47 7,09 | 9,06 [10,14 | 12,95 


Mittelwert | 0,682 
Bemerkungen: Der Hund hat während der Versuchsstunden 
außerordentlich ruhig gelegen. Die Luftanalysen wurden mit dem Apparat 
von Haldane gemacht. 


Da die bestehenden Unterschiede zwischen den r. Q. zu klein sind, 
um behaupten zu können, daß sie von der Wirkung physiologischer Ver- 
änderungen herrühren (was übrigens sehr wahrscheinlich ist), nehmen 
wir an, daß sie von technischen Fehlern stammen und nehmen die 


1) Die angegebene Ventilation ist in allen Versuchen reduziert auf 


0° Temperatur und 760 mm Druck. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 13 


190 Jose M. de Corral: 


Mittelwerte von 6 Stunden. Dieser Mittelwert beträgt 0,682, ein Wert, 
der ziemlich unter der unteren Grenze des normalen r. Q. ist, der von 
Magnus-Levy angegeben worden ist, 

Wie bekannt, berechnet diser Förseher, unter der Voraussetzung, 
daß der Organismus im Hungrezustand und unter normalen Bedirgnnyen 
Eiweiß veröorennes muß, und zwar 15°/, der erzeugten Gesamtralonen 
als miitieren Wert, als untere normalia Ger nze eines r. Q. 0,722, Ein 
er Zahl würde anormales Umwandiunren verbrannter 











r. Q. unter die 
Substanzen bedeuten, die bei ihren Verbiennungen nieht zu pewöhn- 
lichen Enaprocul ten gœ !angen). 

Im Hunçermustond fand Luciani?) zuerst einen niederen r. Q. ajs 
der nermale t. Er erhielt bei Sueri ais Mitteiw rt des r. Q. >m I’. 
uvate von Luciani sirti srp- 








und 30. Hung rage 0,685. Dies» R 






siehts der angewandten Teehnik stark kritisiert worden; sler vie von 
Nonrden?°) so richtig bemerlt, sind sie um so wertwvenler, weil diese 
Technik eher de Erreichung höherer als niererer We te veranssehen ließ. 

Lehmann und Zuntzt) finden aueh im Bungerzustand mit einer 
sehr viel -iehereren Technik anormais Werte, Dei Cetti schwankten 
vom 2. bis zum 10. Hungertage die r. Q. zwischen 0,953 und GB; bei 
Breithaupt vom 3. Hungertage bis zum 8, varierten sie von 0,5% 
his 0,":). 

Zuntz schließt aus diesen Beobachtungen auf die Existenz einer 
Glykogenbildung auf Kosten von Eiweiß oder Fett, welches Glykopen 
vorübergehend abgelagert wird. 

Jaquet’) wendet darevyen nin, da8 cie anırmalan Werte nieht 
durch Veränderungen des Stotinechsels, gond rn dureh Verhi erunren 


der Lunger ntiianion he rvorgorofen wenlen, wobei er an letracht Zieht, 





daß es sich um Untersuchungen yon s hr karer Pauer hi 
In "or sen findet Grate) bei seiner Kron) n dier. Q, nuru n'ecriper 


als die norman, vod seio Untersusuunyen dauerten 4 Stundin; 









seise Werts piet loum nie riyer als dis norma’ eng (rien tigt, 
0,4, Urd sl Matel al!l-r Beinar r. Q. vom 5. Hung rare an ter 
nete jen als 1,8%; Teehen Wert H74, einen kaum anarmsten Weri ^. 
Eei ariı a Versurhen mit Graham hm hunpernden Bunte’) eho't 
Grafs b ine so medii n r. Q. wie Zuntz. ber piedri se det Gunn, 


1) Maguus-Levy, v. Nvordens Kaudbuch d. Path. u, Stetiweel.seis L, 
217, Berin isn. 

RG 

3) y. Noorden, ibid. 1, 483. 

t Lehmann u. Zuntz, l.c. 

5) Jaquet, Asher Spiros Ergebn. d. Physiol 2, 1. Abt., 457, 1903. 

6) Grafe, l c. 

) Dis kleinen Unterschiede der Werte von jedem Tag von dem 
Normalen werden von Grafo vollständig durch die Ausscheidung von 
Acetonkörpern eines Kranken erklärt. 

8) 1. e. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 191 


und den Mittelwert seiner 7 Beobachtungen vom 4. bis zum 21. Hunger- 
tag, wo die Werte fast gleich sind, berechnete ich zu 0,711. 

Hier erstreckten sich seine Versuche über mehrere Stunden. Diese 
Tatsachen könnten also zugunsten von ‚Jaquets Ansichten sprechen. 
Aber meiner Erfahrung nach sind die anormslen Werte der r. Q. von 
derselben Größe wie diejenigen von Zuntz und Lehmann, und ihr 
Mittelwert, stimmt genau mit demjenigen von Luciani überein — und 
bei d’esern kann man nicht von Veränderung der Lungenventilation oder 
von der Dauer der Untersuchungen sprechen. 

Wenn in meinem Versuch d.e anormalen r.Q. durch die Acidose her- 
vorgerulen worden sind, die im Huuyer auttieten kann — obgleich das 
beim Hunde nieht, so sicher ist wie beim Menschen — oder infolg" einer 
Glykogenbildung, soe kann ich hierzu keine Stellung nehmen, weil ich 
die Acetonkörper bei meinem Hunde nicht untersucht habe. 

Was die Werte des absorbierten Sauerstolfs betrilft, so erhielt ich 
als mittleren Wert 1,1 eem pro kg Gewicht und Minute. Der gröllte 
Unterschied zwischen zwei Werten beträgt ea.21”/,. Der Hund war hei 
diesem Versuch so ruhig wie bei keinem anleren, ein Beweis für den 
groben Einfluß, welchen hei Untersuchungen von so kurzer Dauer die 
unvermeidliehen Bewegungen des Tieres haben. 


Versuch 2, 3, +. 


In diesen Versuchen habe ich untersucht, ob ich durch die Ein- 
führung von P»pton beim Hunde eine derartige Giykogenarmut erhalten 
könnte, dal die Verbrenwnng der Kohlenhydrate im Gaswechsel nicht 
melır bemerkte ist. 

Wihren! zwei Tagen pab ich als einziges Nahrung 80 g Witteppton 
pro Tag; und 18 bis 19 Stunden narh der leizien Eingabe, d. h. im 
nüchternen Zustunde, hepann ich den Gaswechsel zu untersuchen. 

Da ich in dieser Stotfw ehselphase anfing, echaltete ich die direkte 
Wirkung der Pep:oneinführung ut den Guswechsel aus, und ich ließ dem 
aus der Leber auapeseluedesnen Giy kopen Zeit, aus dem Orgauismus ent- 
weder durch Verereonens, odor durch Umwandlung in Wett, oder durch 
irgendein suderes Mintel zu verschwinden. 

Teh wählte diese Peptoninenge, weil ich von der Tatsache ausging, 
daß Pletnew') hei seinen Hunden, die 3 bis 4 kg wogen, mit 40 g Pepton 
eine Herabsetzung der Assimilationsgrenze des Zuckers erhielt, ein Phä- 
nomen, daa mit dem Verlust von Glykogen aus der Leber verknüpft 
wur. Bei meinem Hunde, der ungeführ 15 kg wog, mußte ich im Ver- 
hältnis zum Gewicht I6g gehen. Ich verteilte die Einführung dieser 
Menge auf zwei Tage, um zu versuchen, die Reizung der Leber, die schon 
pathologisch ist und die Pletnew erhielt, zu vermeiden; dieselbe macht 
sich durch das Auftreten von Gallenfarbstoff im Harn bemerkbar. 





1) Pletnew, l.c. . 
13* 


192 José M. de Corral: 


Auf diese Weise zeigte der Hund tatsächlich weder in diesen Ver- 
suchen, noch bei einem der folgenden dieses oder irgendein anderes 
anormales Phänomen. 

Der Hund nahm das in Wasser aufgelöste Pepton die zwei oder 
drei ersten Male, aber danach verweigerte er es, und ich mußte es ihm 
mit der Sonde geben. 

Wenn wir mit der Durchsicht des 2. Versuches beginnen, sehen wir 
(Tabelle III) in den vier beobachteten Stunden r. Q., die das Fehlen 
einer Verbrennung von Kohlenhydraten anzeigen. Leider sind die Werte 
der beiden letzten Stunden nicht sehr sicher, weil die in jeder Stunde 
gemachten Analysen untereinander mehr als gewöhnlich differierten, ob- 
gleich sie dafür zahlreicher waren. Wenn wir die Mittelwerte aller dieser 
r. Q. nehmen, was möglich ist, da der größte Unterschied unter denselben 
nur 0,10 beträgt und die letzten nicht sicher sind, können sie als gleich 
angesehen werden, wobei wir auf 0,695 kommen. 


Tabelle III. 
2. Versuch vom 16. bis 17. Oktober (5. Versuch meines Protokolls). 
Gewicht des Hundes 14,4 kg. 


Der Hund hat während der zwei letzten Tage 80g Witte-Pepton als 
einzige Nahrung bekommen. 








CO,- 





| 


* N A 
B © k S ba o 
© ee ola” 18 2. O,-Verbrauch 
© 
E 58| x822 |88|  Luftanalyse Produktion |“? 
#813 3 
23213 251352[335 sa lE lus | ZERG 
EERE EE 3 BS S 
3 Š 5 a © 3 R aae d 
age > oe CO, O; N, am | = 
+ . I i 
Er Š a [Mn] 9% | % o d Ea £ 











19. | 16,9 | 2293 | 54 | 0,45 | 20,41 | 79,14 
0,48 | 20,36 | 79,16 
0,46, | 20,39 73,15 | 9,86 
22. | 16,8 | 2195 | 59 | 0,62 | 20,18 | 79,20 
0,61 | 20,19 | 79,20 
0,62 | 20,18 | 79,20 | 12,95 
3. | 16,3 | — | 60 | oo |20,13|7927| — 
40. | 15,7 | — | 58 | 0.9 | 20,31 | 7920| — 


0,74 


0,73 
0,64 (?) 
0,67 (2) 

Mittelwert | 0,695 
Bemerkungen: Der Hund ist sehr unruhig gewesen. 

















Die Analysen wurden mit dem Apparat von Haldane gemacht. 
Die Resultate der unter Stunde 39 angegebenen Analysen sind das 
Mittel von 3 Analysen, und diejenigen der 40. Stunde von 5. Aber sie 
wichen unter sich ein wenig mehr als gewöhnlich ab und sind deshalb 
etwas zweifelhaft. 





Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 193 


Tabelle IV. 


3. Versuch vom 16. bis 17. November 1916 (7. Versuch des Protokolls). 
Gewicht des Hundes 14,6 kg. 
Der Hund hat während der zwei letzten Tage je 80 g Witte-Pepton 
als einzige Nahrung bekommen. 





























& & 5S 3 ja 2 CO, O,-Verbrauch 
= 5 £ 5 2g 28 7e Luftanalyse Produktion |? 
EEIE EEEH EEE „| Z8| u 138186 
szja fsja2aja © äs |38 |á |38 
gaj A|, COs | O | N | g” 2i jgn] 2; 
3 | * | e Ja] | % | % |° Eee 
18. | 15,6 | 2115 | 65 | 20,57 | 79,13 | | 
20,60 | 79,11 | | 
0,29 | 20,59 | 79,12 | 5,49 | 6,27 | 8,04 | 9,18 | 0,68 
20. 15,3 | 2239 | 54 | 0,25 | 20,66 | 79,09 | | 
0,27 | 20,60 | 79,13 
0.25 | 20,63 | 79,12 | 
0,26 | 20,63 | 79,11 | 5,15 | 5,88 | 7,39 | 8,44 | 0,70 
21. | 16,2 | 2059 | 55 79,13 | 
79.13 
6,18 | 7,05 | 8,85 | 10,10 | 0,70 
42. | 19,1 | 2283 | 54 | 
5,94 | 6,78 | 8,68 | 9,90 | 0,68 
43. | 18,4 | 2293 | 50 | 
120,56 | 79,14 | 6,19 | 7,07 | 9,40 | 10,73 | 0,66 


ruhig gelegen. 









dane gemacht. 














Mittelwert | 0,684 


Bemerkungen: Der Hund hat während der Versuchsstunden ganz 


Die Luftanalysen wurden mit dem Apparat von Hal- 


lm 3. Versuch (Tabelle IV) ist die Gleichheit der Werte viel größer; 
der mittlere Wert der r. Q. ist in diesem Versuche 0,684, eine Zahl, 
die mit dem früheren Mittelwerte sehr gut übereinstimmt. 

Im 4. Versuch (Tabelle V) habe ich den Versuch bis zum vierten 
Tage ausgedehnt, nachdem ich das Pepton das letzte Mal gegeben habe, 
um sicher zu sein, daß das Fehlen der Verbrennung der Kohlenhydrate 
fortdauerte. Wenn wir von den entsprechenden r. Q. der 18. und 
88. Stunde absehen, beobachten wir zuerst eine sehr große Regelmäßig- 
keit der r. Q.; zwischen zwei Werten besteht nur ein Unterschied von 
0,10; aber zwischen zwei aufeinander folgenden Stunden beträgt der größte 
Unterschied 0,06. Und trotzdem war in diesem Versuch die Ventilation 
der Respirationskammer ausnahmsweise so stark, daß die Konzentration 
der CO, in der Ventilationsluft kaum mehr als 0,2°/, betrug. 

Da ich diese für den Versuch so ungünstigen Bedingungen bemerkte, 


194 José M. de Corral: 


Tabelle V. 
4. Versuch vom 7. bis 10. Februar 1917 (12. Versuch des Protokolls). Der 
Hund hat während der zwei letzten Tage vor dem Versuche je ¥0 g 
Witte-Pepton als einzige Nahrung bekommen. Gewicht des Hundes am 
- Anfange des Versuches 15,0 kg, am Endo 14,5 kg. 








| 


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5,58 | 6,28 | 0,86 

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0,28 | 20,55 

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0,24 | 20,66 | 79,10 
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DA A = h m 


RAER] 


445 | 6,92 | 064 


40. 2617 48 





6,02 | 8,64 | 0,70 


66. 2536 53 





0,4 
0,30 | 2 
0,23 


69. 





0,29 10m | 656 | 8.94 | 0,74 
70. 2528 51 0,29 | 4.13 
j 0,27 TALTS 
0,530 | 79,09 
0,29 20,59 | 74,12 6,57 4,61 Q,68 
88. 2425 54 0,23 | 20,70 | 79,07 


0,23 | 20,71 | 70,06 
0,23 20,70 | 79,07 
2450 51 0,26 | 20,64 | 79,10 
0,26 | 20,67 | 79,07 
"0,26 | 20,65 | 79,09 | 5,64 | 7,50 | 0,74 
Bemerkungen: Der Hund blirb imıner sehr ruhig. Nach der 40. Stunde verließ 


er den respiratorischen Kasten, und er kam um die 65. Stunde wieder hinein. Die Luft- 
analysen wurden mit dem Apparat von Haldane gemacht, 





4,25 | 6,06 | 0,80 
89. 








Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 195 


muß ieh der Tatsache, in der X3, Stunde einen r. Q. von 0,70 gefunden 
zu haben, jede Bedeutung abaprech-on. Es hatte tatsächlich genügt, daß 
die Werte der CO,- und O,-Analss.n geringer als OOZ cum gewesen Waren, 
ein Unterschied, der so nahe den Fehlereenzen unserer Aualysen liegt, 
daß der r. Q. bis auf ea. 0,70 g sunken wäre, 

Der Wert von 0,55, den ieh für den r, Q. in der 13. Stunde erhielt, 





kann beeht ven Analesenfehlern Jerrüheen,. Man könnte ibm erklären, 
wean man annahm“, Haß zu desir Zet der Organismus noch Kehlen- 
Lydrate verbrennt, die von (em Giy kopen stammen, das in der dureh 
das P-pton gereizen Dener mouiisiert werden ist. Aber eine einzige 
Feohartitung unter derartiven Versuehsbehngsngen kann nicht dazu 
dienen, die Richtigkeit dieser Tatsache testzustelien. 

Wenn wir von den beiden y. Q. dieser beiden Stunden abs hen, 
kön. n wir die anderen Werte als gleich ansehen. Und als Mittelwert 
erhalten wir 0,700, 

Wir schen a'o, daß wir nach einer bestimmten Zeit uach der Fin- 
en volikommen ähnlieher Re-nilate 





führung ven Pepten bei diei Versus 
erhalten, Die r. Q., die sich untereinander wenig untersehet len, ere ichin, 
weit entfernt davon eine Verbrennung ven Kohlenhydraten ansnekigen, 
mittlere Werte von 0.605, 0,5 und 0,700, alle niel iver als die der Feite. 

Und diese Werte stimmen schr gut mit denen am Y. Hung-rtage 
erhaltenen, nämlich 0,8>"*, überein. 

leh kann nichts über die Ursache dieser annımalen r. Q. aussagen, 
da ich eben-o wie in dem Hungerversuche Gie Auetonkörp-r im Harn 
nieht untersucht habe. 

Für mieh yentiet es, ans diesen Versuchen den Schluß zu ziehen, 
daß eine zwertägige Beharellunge mit Pepton im r. Q. meines Hundes die- 
selbe Wirkung hat wie länger andauernder Hunger und Arbeit. Wir 
besitzen also in der Einführung von Witte-Prpton «ine sehr einfache und 
rasch Methode, um einen Hund für unsern Zweck g nüreud glykogen- 
arm zu machen; und was dabei sehr wichtig ist, indem wir ihn in einem 





vollkommen normalen Zustand erhalten. 

In Anbetracht der Untersuchungen von Benedict und Higgins!) 
kann sich der Zweifel erheben, ob diese Peptonwirkung auf die r. Q. 
nicht ganz einfach die Wirkung von zwei Tags langer kohlenhydratfrcier 
Nahrung ist. Diese Forscher baben tatsächlich an zwei Menschen De- 
obachtet, daß nach einer koblenhyeratireien Diät, div aber genügte, um 
di> Eaergiebedürfnissc des Orpanismus zu befri: digen, die r. Q. im Hunger- 
zustand den Wert der Fette oder einen noch niedrigeren erreichen. 

Aber das ist nicht immer der Fall, wenigstens beim Hunde, seibst 
nicht nach zwei Hungertagen, nachdem, was ich aus den Literaturangaben 
ersehen kann. Z. B. zeigt bei den oben erwähnten Versuchen von Grafe 
und Graham ihr Hund in einer ersten Hungerperiode am 3. Hungertage 
einen r. Q. von 0,770. In einer zweiten Periode (am 5. Hungertage) gibt 


1) Benedict u. Higgins, Americ. Journ. of Physiol. 30, 217, 1912, 


196 Jose M. de Corral: 


er einen r. Q. von 0,735, und einen von 0,750 am 7. In Anbetracht der 
Eiweißmengen, die der Hund in diesen Tagen verbrannte, bezeichnen 
diese r. Q. sicherlich eine Verbrennung von gewissen Mengen Kohlen- 
hydraten. Dabei sei noch daran erinnert, daß wir namentlich aus Pflü- 
gers bekannten Versuchen wissen, wie lange im bloßen Hungerzustande 
Glykogen sich erhalten kann. Noch nach 16 Hungertagen findet Kleinert), 
ein Schüler Schloßmanns, bei fünf verschiedenen Hunden Werte von 
0,755, 0,788, 0,767, 0,831 und 0,765 für ihre bzw. r. Q. Aber selbst wenn 
wir von dem vierten Werte absehen, wie es der Forscher tut, haben wir 
einen mittleren Wert von 0,769. Und dieser Wert bedeutet eine Ver- 
brennung von Kohlenhydraten, solange die Albuminoide nicht in einem 
Verhältnis von 60°/, zu den gesamten vom Tiere erzeugten Calorien ?) 
verbrannt werden, was höchst unwahrscheinlich ist?). 

Wenn man also beim Hunde, selbst nach zwei Hungertagen nicht 
immer so kleine r. Q. erhält wie die unsrigen, und wenn man andrer- 
seits durch frühere Versuche weiß, daß das Pepton das Glykogen aus 
der Leber verjagt, so glaube ich, daß man als sehr wahrscheinlich an- 
nehmen darf, daß es wirklich die Peptonwirkung ist, der man die ge- 
fundenen r. Q. verdankt. 


Versuch 5, 6, 7. 


In diesen Versuchen habe ich am Hunde untersucht, ob das Gly- 
kogendepot, daß nach einer kohlenhydratreichen Nahrung entstehen 
muß, durch die Untersuchung der r. Q. gefunden werden kann. 

Wir wissen, daß, wenn man einem Tiere Kohlenhydrate gibt, sich 
ein Teil als Glykogen ablagert; eine größere oder kleinere Menge, je 
nach der Glykogenmenge, über die das Tier verfügt und nach den 
energetischen Bedürfnissen des Organismus. Das Depot an Glykogen 
erreicht seinen Höhepunkt in der Leber nach 12 bis 20 Stunden und 


1) Kleinert, Zeitschr. f. Biol. 61, 342, 1913; Schloßmann und 
Murschhauser, diese Zeitschr. 53, 265, 1913. 

2?) Siehe Johansson, Abderhaldens Handb. d. bioch. Meth. 8, 
1114, 1910. 

3) Dies ist nur möglich, wenn man die Existenz der Zunahme der 
Stickstoffausscheidung annimmt, die so unzutreffend prämortal genannt 
wird. Wenn dieselbe bei andauerndem Hunger möglich ist, so 
ist sie bei so vielen Hunden unwahrscheinlich, da zwei dieser Hunde in 
einer neuen Hungerperiode, vom ersten Tage an, diese hohen r. Q. zeigen. 
Schloßmann und Murschhauser sagen von diesen Werten einfach, 
daß sie die „richtigen Eiweißquotienten“ sind. Jedoch nehmen diese 
beiden Forscher an, wenn sie von den Werten 0,744 bis 0,762 sprechen, 
die sie beim mit Reis gefütterten Hunde finden, daß in der zweiten 
Hungerperiode diese r. Q. eine Verbrennung von Kohlenhydraten besagen, 
die in ihrer Menge nicht unbedeutend ist. Schloßmann u. Mursch- 
hauser, l. c., S. 279. 





Stunde nach der 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 197 


in den Muskeln etwas später, gegen die 20. Stunde. Nach dieser Zeit 
beginnt das Glykogen abzunehmen. Um die Bildung von Glykogen mit 
Hilfe der r. Q. zu finden, muß man während der Verbrennung desselben 
untersuchen, also 12 Stunden nachdem man Kohlenhydrate gereicht hat. 

Da wir aber seit den Arbeiten von Speck und besonders jenen 
von Magnus-Levy!), die von vielen anderen Forschern bestätigt wor- 
den sind, wissen, daß, wenn man einem Tiere Kohlenhydrate gibt, das- 
selbe sofort einen Teil davon verbrennt, muß folglich der r. Q. steigen, 
indem er sich der Einheit nähert. 

Wir müssen uns also soviel als möglich von der Verdauungsperiode 
entfernen, indem wir die r. Q. im Hungerzustand untersuchen, damit 
nicht die Steigerung, die wir am r. Q. beobachten können und die von 
der Verbrennung der aus dem Glykogen entstehenden Glykose herrühren 
soll, etwa auch von der Glykose, die direkt aus der Nahrung stammt, 
herrühre. 


Tabelle VI. 


5. Versuch vom 19. bis 20. Juni 1916 (1. Versuch des Protokolls). 
Gewicht des Hundes 15,5kg. An den zwei letzten Tagen hat der Hund 
außer seiner gewöhnlichen kohlenhydratreichen Nahrung je 250 g Rohr- 

zucker genommen. 


















































Bemerkungen: Der Hund war während der Versuchsstunden sehr 
unruhig. Die Luftanalysen wurden mit dem Apparat von Pettersson- 
Högland gemacht. Der Hund hat keine alimentäre Melliturie gehabt. 


1) Magnus-Levy, Arch. f. d. ges. Physiol. 55, 1, 1894. 


A 5 sl g y o CO,- ; 
5 £ 5 £ € Se R 9.3 Luftanalyse Produktion | "Versuch 
Fe} ejs 

EEE EREEE 35 |22 [3 | ZE|RQ 
zj s|] £ 22 \|2°1l32 |38 
se ETIS o CO, O: | N on 2 on Fir 
K 0 A Min. | % Ja °lo Yo as H | a.s Es 
18. | 19,6 | 1949 | 64 [0,353 |20,050 | 79,097 | 

0,856 | 20,059 79,085 

0,85 |20,06 |79,09 | 15,98 | 17,18 | 17,54 | 18,88 | 0,91 
21. | 19,4 | 1995 | 66 | 0,577 |20,254|79,169 

0,584 |20,268 | 79,148 | 

0,58 |20,26 |79,16 | 10,97 | 11,80 | 14,36 | 15,44 | 0,76 
22. | 19,3 | 1940 | 58 |0,634| — | 

0,635 |20,229 | 

0,63 120,23 |79,14 | 11,64 | 12,52 | 14,35 | 15,43 | 0,81 
40. | 18,5 | 1999 | 60 |0,38 20,252|79,168 

0,58 [20,25 [79,17 | 10,99 | 11,82 | 14,59 | 15,69 | 0,75 
41. | 18,9 | 1985 | 58 | 0,540 20,240 79,220 | 

0,820 | — | = 

0,53 |20,25 |79,22 | 9,93 | 10,68 | 14,89 | 16,01 | 0,67 





I 








198 José M. de Corral: 

Die Schwierigkeit besteht darin, zu wissen, wann die Verdauung 
und die Resorption beendigt sind, und wann der nüchterne Zustand er- 
reicht ist. Magnus-Levy'; behauptet, daß dieser Zustand heim Hunde 
24 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme erreicht ist. Aber ich 
glaube, daß das nur in dem Falle so ist, wenn die Nahrung außeror- 
dentlich eiweißreich iet. Wenigstens kann man aus seinen Versuchen 
ersehen, daß er selbst nach einer großen, sehr kohlenhydratreiehen Nah- 
rung (500g Reis, 200 g Fleisch und 25 g Fett für einen Hund von 27 kg), 
wenn einmal die 14. oder 15. Stunde vorbei ist, keine hem«rkenswerte 
Veränderung in der Intensität der Oxydationen zwischen dieser Zeit 
und jener vor der Nahrungsaufnahme beobachtete. 

Ich glaube also, daß man nach der 18. Stunde nach der letzten 
Nahrung sicher die direkte Wirkung derselben ausschalten darf, solange 
es sich nicht um große Mengen von Eiweißkörpern hendelt. Das ist die 
Zeit, die auch Graham Lusk?) als die Zeit des nüchternen Zustandes 


bezeichnet. 
š Tabelle VII. 
6. Versuch vom 3. bis 4. Juli 1916 (2, Versuch meines Protokolls) 
Gewicht des Hundes 15,7 kg. An den zwei letzten Tagen hat der Hund 
außer seiner gewöhnlichen kohlenhydratreiehen Nahrung je 250 g Rohr- 
zucker penommen. 





CO- 














5 h u Ə i ba z 
© w o D -R Sr . Ha O,-Verbrauch 
Ë 5 5 JŠ E SE BE Luftanalvse Produktion 2 
u = 0 ale S Fr . 
gj? Ss elz 03S ma 
aa a |3 pj 35|=248 Sg E |ou | EE IRQ. 
ss: jas2]=23]2 € 385538 | 88 
Zeal Hl, 7 C| o | 1753 | gajoa] aa 
ES I : 0) 0 07 Eco | S Eg oS 
DS j o| B Min. b- j T | lo er | iS an ESO 
19. 21,7 IRR AR 0,‘ 5!179,071 | 
0,6 179,057 | 
0, 2|79,048 | 
0.3 179,06 | 13,00 | 13,80 | 13,85 | 14,73 | 0,94 
21. 31,9 I 2048 61 0,522 |20,278|79,100 
0,622 120,311179,057 
0,62 |20,30 [79,08 | 12,08 | 12,82 | 13,52 | 14,55 | 0,89 
39 21,0 | 2084 60 0,409 | 20,457 |7 | 
0,407 |20,433 | 
0,427 |20,447| 
0,41 120,45 179,14 | 7,92 | 8,41 | 10,84 | 11,50 | 0,73 
40 20,9 | 2083 56 0,427 |20,424179,149 | 
0,120 |20,438|79,142 
0,42 120,43 179,15 | 8,12 | 8,62 | 11,46 | 12,16 | 0,71 













Bemerkungen: Der Hund war während des Versuches sehr un- 


ruhig. 


Er hat manchmal Polypnöe gehabt. 


Die Luftanalyscn wurden 


mit dem Apparat von Pettersson-Högland gemacht. 
keine alimentäre Melliturie gehabt. 


1) Magn us- Levy, l.c. 


Der Hund hat 


?) Graham Lusk, Cornell University med. Bull. 5, 2, 555, 1915. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbruprodukten. 199 


Wenn wir unsere Gaswechseluntersuchungen in diesem Augenblick 
berinnen, betindet, sich der Hund nicht nur im Hungerzustand, eondern 
er muß auch das relativ größte Depot an Glykogen haben. 

In Versuch 5 und 6 (Tateile VI u. VIN) erhielt der Hund während 
zwei Tapen anßser seiner gewöhnlichen Nahrung (die besonders aus Mais 
mit etwas Fleisch nod Fett bestand) täglich 2530 g Saccharose. In der 
18. nud 1“. Stunde nach der letzten Nahrung fing ich die Untersuchung 
des Gaswechsels an. Bei keinem der beiden Versuche gab es ali- 
mentäre Glykosurie. i 

Da ich leider nur eine Luftanalyse von der 40. und 41, Stunde des 
9 Versnel es gemacht habe, müssen wir den Mittelwert der beiden r. Q, 
die 0,71 ist, nehmen. Hiermit stimmen die Resultate der beiden Ver- 
such" zieinlich gut überein. Zwischen der IR. und 22. Stunde inkl. ver- 
brannte der Hund zweifellos Kohlenhydrate, und zwar in absteigender 
Monge, In der 5%. und 41, Stunde gibt es schon keine bemerkenswerte 
Verbrennung dieser Körper mehr, 

In Versuch 7 Tabelle VIH) erhielt der Hund seine gewöhnliche 
Nahrung. die, wie gesagt, überwierend aus Kohlenhydraten bestand, und 
in der 1%, Stunde fine die Untersuchung an, 

Hier hat das Tier auch Kohlenhydrate verbrannt, und so gut, daB 
es in den ersten Stunden in kleineren Mengen ges 'hah wie in den bei- 
den anderen Versuchen, hingegen dauerte diese Verbrennung länger und 
verteilte sich mit groler Reveimälliskeit über die versehiedenen Stunden 
des Versuches. Außer dem r. Q. der 22. Stunde, der nieht feststeht, da 
er aus einr einzigen O,-Analyse berechnet ist, beträgt der größte Unter- 
schied zwischen den anderen 0,05, «in Unterschied, der innerhalb der 
Fehlergrensen der Methoden fällt. Der mit'ero Wert aller dieser r. Q., 
wenn wir mit geringerer Sicherheit den der 22. Stunde mitreehnen. be- 
trägt 0,813, 

Man kann also nicht zweifeln, daß, wenn der Hund reich an Gly- 
kogen ist, man dessen Vorhandensein mit Hilfe unserer Technik nach- 
weisen kann durch die hohen r. Q., die infolge seiner Verbrennung 
resultieren. 

Und es ist schr merkwürdig, den Unterschied festzustellen, der 
zwischen einer genügenden und kohlenhydratreiehen Nahrung und einer 
übrrreichlichen und an diesen Substanzen viel reicheren Nahrung besteht; 
es scheint, dal der Organismus angesichts eines Übermaßes an Glykogen 
derart die Verhrennnng desselben steigert, dab er nicht nur den Über- 
schuß schneller, sondern überhaupt alles verbrennt. 

Diese Bedeutung der Werte der r. Q. im Hungerzustand für die 
Schätzung der Größe des Glykogendepots, über das ein Organismus ver- 
füct, ist schon am Menschen durch die Arbeiten von Benedict und 
seinen Mitarbeitern nachgewiesen worden. 

Benedict, Emmes und Riche?) haben beim Menscben gefunden, 


1) Benedict, Emmes u. Riche, Americ. Journ. of Physiol. 27, 
383, 1911. 


200 Jose M.de Corral: 


Tabelle VII. 


7. Versuch vom 17. bis 18. Juli 1916 (3. Versuch des Protokolls). 
Gewicht des Hundes 15,7kg. Der Hund hat seine gewöhnliche kohlen- 
hydratreiche Nahrung (ohne Zusatz von Rohrzucker) bekommen. 





CO,- 



























E & 2 = g gf 5 g (0 ER 
E 5 2 5 E JER “23 Luftanalyse Produktion |? 
a8 EE ER EEE RR 
gag jas eiZ 3 | 241531823 | > 
EEk KRSS o 00,10% | N oH 27 ze 27 
Ea | e VE |u| | m | m [Er |28 Es lE5 
18. 19,4 | 2196 57 0,471 |20,405 | 79,124 
0,490 | 20,380 179,130 
0,496 | — — 
0,49 |20,38 |79,13 | 10,10 | 10,72 
21. 19,8 | 2117 54 | 0,429 20,467 |79,104 
20,462| 79,116 
0,43 |20,46 [79,11 8,47 | 8,97 
22. 21,1 | 2163 58 | 0,581 [20,329 | 79,090 
0554| — | — 
0,57 |20,34 [79,09 | 11,68 | 12,40 
41. 20,1 | 2138 54 | 0,372 |20,548| 79,080 


0,388 |20,532) 79,080 
0,38 120,54 |79,08 | 7,48 | 7,94 














Bemerkungen: Der Hund ist etwas unruhig gewesen. Die Luft- 
analysen wurden mit dem Apparat von Pettersson-Högland gemacht. 


daß der r. Q. 12 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme (nüchterner 
Zustand beim Menschen) höher ist, wenn die Nahrung reich an Kohlen- 
hydraten, als wenn sie arm daran ist. 

In einer späteren Arbeit mit Higgins!) bestätigt Benedict durch 
neue Untersuchungen diese Resultate. Und jetzt erhält er so gleich- 
lautende Resultate, daß man fast sagen kann, welche Kohlenhydratmenge 
in der vorausgehenden Nahrung enthalten war, wenn man den r. Q. des 
Hungerzustandes kennt?). Infolgedessen nimmt er an, daß ein Depot 
von Glykogen vorhanden ist, das um so größer ist, je höher der r. Q. im 
Hungerzustand ist. 


Versuch 8. 


In einer bereits erwähnten Arbeit erklärte Pletnew die Tatsache, 
daß das Pepton beim Hunde die Assimilationsgrenze der Glykose herab- 
setzt, indem er annahm, daß dasselbe entweder eine Verminderung der 


1) Higgins, l. c. 

2) Besonders wenn man dieselbe Nahrung während mehrerer Tage 
wiederholt. Wenn das Depot von Glykogen, über das der Organismus 
vor dieser Nahrung verfügte, klein ist, und wenn die Kohlenhydratmenge 
in derselben groß ist, muß man die Nahrung mehrere Tage wiederholen, 
um zu einem Gleichgewichte, einem konstanten r. Q. zu gelangen. 





Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 201 


Fähigkeit der Leber, Glykogen zu bilden, erzeugt, oder eine Reizung der 
Leber, die zur Ausscheidung von Glykogen in Form von Glucose führt. 
Die Existenz dieser letzteren Wirkung ist schon von Pletnew in seiner 
Arbeit nachgewiesen worden und wurde später durch andere Unter- 
suchungen bestätigt. Aber die Untersuchungen von Tschannen!) haben 
auch sicher gezeigt, daß das Pepton auch wirkt, indem es die Funktion 
der Leber, Glykogen zu bilden, hemmt. 

Folglich war es für meine Arbeit notwendig, zu sehen, ob diese 


Tabelle IX. 


*8. Versuch vom 23. bis 24. November 1916 (8. Versuch des Protokolls). 
Gewicht des Hundes 16,0 kg. Er bekommt zwei Tage je 80 g Witte- 
Pepton und die folgenden Tage 250 g Rohrzucker. 

















wo = I a 
© g g 
SŠ e38 25 E 2 g E 
PEER ERE EE PEE Luftanalyse ae 138 
opg 28 SU nle 5sTul2EI u 
PR] 22.318828 335 3831533 
saa ja 545352 |343 S SRE 35] R.Q. 
EEIE EEEIEE pansan 
s^s esjs Aa e a > 
Ex =} >o CO, 0, N, ce 'a O 
23 5 A Min. | °% % h oS POs 
18. 19,0 | 2268 


19,73 
21. | 21,2 | 2347 





22. 20,3 | 2387 


40. | 18,5 | 1844 


41. 19,1 | 1952 











6,64 | 8,20 | 0,819 

Bemerkungen: Vie Luftanalysen wurden mit dem Apparat von 
Haldane gemacht. Der ausgeschiedene Harn während des Repirations- 
versuches hat direkt ein starkes Reduktionsvermögen. 


1) Tschannen, 1l c. 

2) Der Hund hat Polypnöe. 

3) Ibidem. 

4) Der Hund hat etwas Polypnöe. 
5) Der Hund ist ruhig. 

ë) Ibidem. 


202 Jose M. de Corral: - 


hemmende Wirkung des Peptons noch einige Zeit nach dieser Eintührung 
fortdauerte. Aus diesem Grunde gab ich dern Hunde zwei Tage Pepion 
(wie in den Versuchen 2, 3, 4), am dritten Tage stine gewöhnliche Nah- 
rung -250g Saccharose; und IS Stunden danach begann ich die Unter- 
suchung des Gasweelisels. 


Vor » em mut ich bemerken, daß der Hund, solange er sich im 
Stoffwechsc'kasten befand, sturke Pulyurie hatte, und der Harn direkt 
cine stark reduzi-rende Kraft besaß. Dieselbe Menge von Saccharose, 
die La den Versuchen 2 und 3 sehr gut 2mal vertragen wurde, erzeugte 
nach der Kn’ührung ven Pepton eine starke alimentüre G'uessurie, 3 

Das i-t vino B. stotrung der von Pletnew beobachteten Tatsache, 
uud men sicht, dabei auch, daß nieh der Kinführung von Pepton eine 
vermiad rte Fähigkeit besteht, Glykogen zu bilden, und zwar sopar 
21 Stunde: 


die eingetührte Sacchansemerge sehr groß war. Ich möchte helänfe 


i nach der KEin’ührnuug. Es muß jedoch bemerkt werden, daß 





auf di» Analogie auimerk-am machen mit dem, was bei dauerodem 
Hung r ein sit. Hofmeister!) hat heim Hunde in diesem Zi 
eine große Verminderung der Assimüntionserenze für Zucker gefunden, 





tande 


eine Aun'oyie, die wer zu derjesigeen hinzufügen müssen, die ich weiter 
oben betr. Y4 Cer r. Q. erwähnt habe, 

w SIA sehen, können die r. Q. der 18. und 2. Stunde 
im X. Versuche sls glwich angesehen werden, sie bezei huen wshrschein- 





wirauf Tabet 


lieh ein» Wertialdereg anf Kosten von Kohlenhydraten, weil sie größer 
als die Fiheiv ind. In dr mittleren, der 21. Sturde, giet der r. Q. 
eiae si wich heim-rhenswerte Verbrennung vou Kohlenhidraten an; der 
Unterehbi ol pepa t or Con r. Q, der zunächst Tiependen Stenden muß 
dursh ene As ereas € r N ogwe heiprozesse erklärt werden, wil eine 
Bo preto Dumme nur vaa tehnischen Fehlern herrühren kann. 

De Waebr r (dr beiden letzten Stunden können binceren 
als glich ner a werd n, wel ihr Mittelwert von 0,745 deutet darauf 
hin, d Eee li ahydrate noch an den Verbrennungen des Or amsmus 
teilten A. 

Wie hen aho, daß PE Storelen nach der Einführung von Pepten 
die Fähtph zer bidog vor Gigkoren, obyleich yerinper als die nor- 
male, moih ethakeon p hoepen jst. 

Wir können anen d'a Unter-chird zwischen diesem und dem 5. 
und 6, Ver-uche beahachten, in deneu keine Bildung von Fett stattfindet 
und in denen es indor vr. und 41. Stande keine Verbrennung von hohlen- 
hydraten mehr vibi. Ein Unters hied, der ein neuer Beweis tür die 
Wirkung von Vepton auf den Kuhlenhydratstofiwechsel wäre, wenn es 
sich nieht nur um einen Versuch handelte. 


Versuch 9. 
In diesem Versuche habe ich dem Hunde während vier Tagen 
&0 g Witte-Pepton und 150g Speck täglich gegeben, und während der 


) Hol meister, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakvl.26, 355, 1580. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 203 


folgenden vier Tage 150 g Speck. In der 13. Stunde nach der letzten 
Nahrungsaufnahme habe į h di» Untersuchung der r. Q. begonnen, und 
wie man aus Tabelle X sieht, sind die Werte in den vier untersuchten 
Stunden selir konstant, trotz des Analys nfehlers. Die Mitte dies:r Werte, 
dana-h berechnet, daß die r. Q. der l tzten Stunden das Reaultat einer 
einzigen Analyse eind, ist 0,697. 

Dies ist ein niedrigster r. Q. als die normalen und stimmt mit 
jenen überein, die nach der Peptunwirkung oder nach andauerndem 
Hunger erhalten wurden. 

Ich muB auf die Analyse dieser Resultate im Vergleich mit jenen, die 
Kleinert!) undSchloBmannnndMurschhuuser’)unter etwannalogen 
Bedingungen erbalten haben, hiuweren. Dise Forscher fütterten, resh 
dem sie einen Hund 16 Tage hungern elen, mit Spuk und etwas Pierde- 
Heisch, bis er wieder sein urs-prüngliches Gewicht erreicht hatte (mehr 


Tabelle X. 


9. Versuch vom 31. Juli bis 1. Angust 151% (4. Versuch meines Protokul!sj. 

Gewiest les Hundes 15,0 hg. Er bekommt während 4 Tagen £0 g Witte- 

Pepton und 159 g Spesk pro Tep, In den 4 nachfolgenden Tagen be- 
kommt er 9 L9g ak 





> sa ass 
ERM Luftsnaiyse z © = © 
ta * - “2 mo BU n 
„ga y E S y 
5 pl o E-E =, R.Q 
å 5 7 ne 

D 

a 














2L 24,7 2020 55 









0,50 120,19 179,21 1 11,74 | 15,48 | 0,715) 
0,571 [20,115 |79,214 


0.29 voi] [79 m : 
21 [20,125 ; 
Te: 1 wol 3178 > 112,00 70 |! 0,683; 
0,3 120,2 ET 14,34 | 0,694) 
0,600 |2,,183|79,212 
0,57 |20,11 [79,22 








13,88 į 19,08 | 0,73 ® 
Bemerkung: Die Luftansijsən wurden mit dem Apparat von) 
Pettersson-Högland gemacht. 


1) Kleinert, le. 

2) Schloßmann u. Murschhauser, l. o. 

3) Der Hund unruhir, mit Polypnöe. 

t) Ein wenig ruhiger, nber immer mit etwas Polypnöe. 
5) Unruhig mit Polypnör. 

") Ibidem. 


204 Jose M. de Corral: 


als 25 Tage). Nachdem sie das erreicht hatten, ließen sie ihn 24 Stun- 
den fasten und untersuchten den r. Q. des Hundes während einer Periode 
von annähernd 5 Stunden. In 4 Versuchen, die durch längere Zeit- 
perioden voneinander getrennt waren, wo der Hund dieselbe Nahrung 
nahm, erhielten sie r. Q. von 0,674, 0,656, 0,726, 0,728, und als mittleren 
Wert 0,696, ein dem meinigen vollkommen gleicher Wert. 

Schloßmann und Murschhauser glauben die Acidose als Ursache 
dieser anormalen Werte ausschließen zu können (aber sie haben ihr 
nicht nachgeforscht), und sie glauben, daß sie von einer Bildung von 
Glykogen auf Kosten von Eiweiß oder Fetten herrühren. Da sie es 
unterlassen haben, die Frage der Ursache der Anormalität, infolge er- 
mangelnder Tatsachen, zu lösen, können wir aus dieser Analogie zwischen 
meinem Versuch und denjenigen dieser Forscher folgern, daß die Be- 
handlung mit Pepton auf meinen Hund dieselbe Wirkung hatte wie der 
dauernde Hunger auf den ihren. Aber ich glaube eher, daß diese Ver- 
änderungen des r. Q. nur von der Wirkung der ausschließlichen oder 
fast ausschließlichen Fettnahrung, die gegeben wurde, herrührten. 

Nach einer ausschließlichen Fettnahrung sieht man tatsächlich in 
den Versuchen von Magnus-Levy!), daß der r. Q. manchmal niedrigere 
Werte erreicht als die normalen; und in einem Versuch ist der r. Q. 
sogar 24 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme 0,69. Wir wollen 
jedoch bemerken, daß in den Versuchen dieses Forschers die niedrigeren 
Werte als die Norm durch Methodenfehler erklärt werden könnten; das 
würden r. Q. sein, die eine fast ausschließliche Verbrennung von Fett 
bezeichnen würden, was Magnus-l,evy anzunehmen scheint. 

In den Versuchen von Schloßmann und seinen Mitarbeitern ist 
das nicht wahrscheinlich. 

Ich möchte noch als interessante Einzelheit hervorheben, daß wäh- 
rend der ganzen Dauer meines Versuches der Hund Polypnöe hatte und 
sehr still war, wie man schon aus der Höhe der Werte des absorbierten 
Sauerstoffes ersieht. Das würde gegen die Ansicht von Zuntz sprechen, 
der annimmt, daß absolute Ruhe des Tieres notwendig sein muß, um 
bei der Bildung von Kohlenhydraten auf Kosten von Eiweiß .oder Fett 
abnorm kleine r. Q. zu zeigen; ebenso spricht es gegen die Tatsache, 
daß dieses die Ursache für die Werte ist, die ich in meinem Versuche 
erhalten habe. 


Versuche 10 bis 13. 


Nachdem wir gezeigt haben, daß, nachdem ich dem Hunde zwei 
Tage lang Pepton gegeben habe, die Untersuchung des Gaswechsels keine 
Kohlenhydratverbrennung mehr erkennen läßt, und auch, daß, wenn der 
Organismus über Glykogen verfügt, die Verbrennung desselben durch die 
von mir angewandte Technik offenbart werden kann; und nachdem wir 
gesehen haben, daß nach zweitägiger Behandlung mit Pepton der Hund 
Kohlenhydrate im Zustand von Glykogen schon ablagern kann, konnten 


1) Magnus-Levy, l. o. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 205 


wir dem Problem der Bildung dieses Körpers auf Kosten von Amino- 
säuren oder Eiweißkörpern nähertreten. Das habe ich in diesen Ver- 
suchen getan. 

Als Aminosäuren habe ich ein Präparat benutzt, das durch die 
Wirkung von verdünnter Salzsäure auf Blutkuchen gewonnen wurde. 
Dieses Präparat, das ich der Güte der „Gesellschaft für chemische In- 
dustrie“ in Basel verdanke, hat nach der in dieser Fabrik gemachten 
Analyse folgende Zusammensetzung: 


Alanin: A Sansa N ee 4,0%, 
Esneme a a As ae 0 te 23,0%, 
Prolin ea, 202 u Bw A an a ae 00T, 
Phenylalanin ........ are MON, 
Glutaminsäure . . ». 2.220020. iu 00 
Asparaginsäure . . 2 2 nen 4,09, 
Cyin ala a, ae a Y er OB 
Berin sis 3.04 e en ar E E. 0,59%, 
Oxyprolin...... P AE E E TE 1,0%, 
TITOBIN a wert ae an a O 1,29, 
Histidin... 24 e p 2 12 Se ns E 10,0°), 
Ara nen e 4,50), 
Lynn Ss rlr Sundern eA aa 4,0%), 


Im ganzen waren also in diesem Produkt 60°, Aminosäuren. (Es 
ist eine Substanz von dunkelbrauner Farbe, salzigem, bitterem Geschmack, 
die leicht in Wasser, selbst kaltem, löslich ist und keine Biuretreaktion 
liefert.) 

Der Hund wollte sie nie nehmen, und ich gab sie ihm in Wasser 
aufgelöst mit der Sonde; aber er vertrug sie immer sehr gut. Nur die 
ersten Male erbrach er sie, aber das muß die Wirkung der ziemlich 
großen Salzmenge gewesen sein, die das Präparat enthielt; von dem 
Augenblick an, wo ich die Vorsicht anwandte, sie ihm genügend in 
Wasser verdünnt zu geben und ihm im Überfluß Wasser zum Trinken 
ließ, zeigte sich kein Erbrechen mehr. Sie bewirkte keinen weiteren 
anormalen Vorgang mehr beim Tiere. 

Ich habe dem Hunde, wie in den Versuchen 2, 3 und 4, zwei Tage 
Pepton gegeben, und an den beiden folgenden Tagen habe ich ihm 40 g 
Aminosäure täglich gegeben. Bei dem ersten Versuch mit etwas Speck, 
bei den beiden anderen als einzige Nahrung. Im Versuch 13 erhielt 
der Hund an den beiden letzten Tagen täglich 600 g mageres Ochsen- 
fleisch. In der 17. und 18. Stunde nach der letzten Nahrungsaufnahme 
begann ich die Untersuchung der r. Q. 

Wie man sieht, habe ich dasselbe Verfahren verfolgt wie in den 
Versuchen 5 bis 8, als ich die Bildung von Glykogen auf Kosten von 
eingeführten Kohlenhydraten nachweisen wollte. Auf diese Weise umgehe 
ich in meinen Resultaten die direkte Wirkung der Einführung von 
Aminosäuren oder von Fleisch auf den Gaswechsel, und außerdem ließ 


ich Zeit vergehen, damit sich das Glykogen bilden und ablagern konnte. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 14 


206 Jos& M. de Corral: 


Die Bedingungen der Versuche 10, 11 und 12 waren nicht genau 
die gleichen, wie man aus den Tabellen (XI, XII und XIII) ersehen 
kann; aber die Resultate sind noch weniger untereinander vergleichbar, 
als man aus diesen Unterschieden erhoffen könnte. 

In den drei Versuchen sehen wir, daß die r. Q. von der ersten 
untersuchten Stunde an abnehmen. In Versuch 10 (Tabelle XI) nimmt 
der r. Q. von der 21. Stunde an stark ab, und dann erhält er sich auf 
derselben Höhe bis zur 43. Stunde, wo er dann rasch abfällt. In der 
42. Stunde ist der r. Q. höher als in der 21. und 22., aber die Differenz 
von 0,06 liegt innerhalb der möglichen Fehlergrenze der Methode. 


Tabelle XI. 


10. Versuch vom 4. bis 5. Dezember 1916 (9. des Protokolls). Gewicht 
des Hundes 14,0 kg. Er bekommt 2 Tage Witte-Pepton und in den 2 
nachfolgenden Tagen je 40 g des Aminosäurengemisches und 80 g Speck. 


























Fe - 7 — - 
sè |gs |es|s8 88 |ss 

S olg Ta] ea | SS Ss S 
ggg g| a” g Luftanalyse 4o |32 
a{=le55| es | 5% 2551855 
easlE25| 57 | 35 3521852] R.Q. 
oZ RS] 2e |2 fe ER 
2985388”|1535|95 Pa > 

EE = 23 fee ge ao 

Ss [a 5 ) og 
22 o |>? | Min. OA & 

18. | 18,2 | 2324 | 56 


1,14(?) 
21. | 18,4 | 2553 | 47 

0,80 
22. | 18,5 | 2633 | 51 

0,80 
42, | 19,7 | 2243 | 52 

0,86 


48. | 19,6 | 2308 | 50 


1,34 | 20,58 | 19,13 | 7,15 | 10,17 | 0,70 

Bemerkungen: Der Hund bleibt immer schr ruhig. Die Luft- 
analysen wurden mit dem Apparat von Haldane gemacht. 

In Versuch 11 (Tabelle XII) ist der r. Q. der 41. Stunde höher als 
der der 40., aber auch hier kann die Differenz ein Methodenfehler sein, 
weil sie nur 0,07 beträgt. Wenn wir das annehmen und die Mitte der 
beiden Werte nehmen, so haben wir 0,765, ein Wert, der dem der 23. 
Stunde gleich ist, und kleiner als der 48. Auch hier gibt es also eine, 
wenn auch nicht große Verminderung des r. Q. 








Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 207 


Tabelle XII 
11. Versuch vom 5. bis 6. Februar 1917 (11. des Protokolls). Gewicht 
des Hundes 14,6 kg. Er bekommt 2 Tage Witte-Pepton und in den 2 
nachfolgenden 40 g des Aminosäurengemisches pro Tag. 

















be = o Fe 
ou © Oku S 
vn. osy as „3 ga 3 
SESlSSE gH vs Luftanalyse “8,13%, 
Be3l2881343 | 38 3581558|R 
zaz a8| 3o 30 52 m 35 -Q 
o'd Sja gal a5 | LE YĒOA|e R 
023 ° Ss |AS | co | Pa > 
8% [= 53 = 2 0, N, =D w2 
328 0 Pa | Min. % % | % g a jOa 
18. 20,46 | 79,10 





20,47 


— 
ss 
© 
N 
N 
© 
- 
o 
wo 
e 
A 
> 


9,35 | 11,41 | 0,82 
23. | 17,2 | 2285 | 61 





8,45 [11,20 | 0,76 
40. | 19,4 | 1953 | 55 


41. | 18,0 | 1926 | 57 


| 20,52 | 79,10 | 6,74 | 8,47 | 0,80 
Bemerkungen: Der Hund bleibt ruhig. Die Luftanalysen wurden 
mit dem Apparat von Haldane gemacht. 


In Versuch 12 (Tabelle XIII) ist hingegen die Verminderung nicht 
zweifelhaft und bleibt bestehen. ‚ 
Noch etwas anderes Gemeinschaftliches haben alle diese Versuche, 
nämlich das Auftreten eines r. Q., das eine Verbrennung von Kohlen- 
hydraten beweist. Wenn wir von der 18. Stunde des 10. Versuches 
absehen, sind nur 2 r. Q. bemerkenswert größer als derjenige, der bei 
der Verbrennung von Eiweiß im Organismus erzeugt wird, der 0,801 
- beträgt!). Diese beiden r. Q. sind 0,91, die wir in Versuch 12 finden; 
und der von 0,86 in Versuch 10 ist noch, wie gesagt, wahrscheinlich 
in Wirklichkeit nicht viel höher als 0,80, der r. Q. der vorangehenden 

Stunden. 
Aber ich will nochmals hier betonen, daß, um die Entstehung eines 





1) Dieser Wert ist derjenige, den Loewy berechnet hat (Loewy- 
Oppenheimers Handbuch der Biochemie 4, 1. Teil, 156, Jena 1911). 
Magnus-Levy nahm den von 0,809 an, einen von Zuntz berechneten 
Wert (Magnus-Levy, v. Noordens Handb. des Stoffwechsels, 1, 217) 
und den Benedict annimmt. Jaquet (Jaquet, Asher-Spiro, Ergebn. 
d. Physiol., l. c. S. 541) nahm den von 0,78 an. Diese Abweichungen 
sind leicht verständlich in Anbetracht der Schwierigkeit der Berechnung 
dieses Quotienten. 

14* 


208 Jose M. de Corral: 


Tabelle XIII. 


12. Versuch vom 28. bis 29. Januar 1917 (10. des Protokolls). Gewicht 

des Hundes 15,0 kg. Er bekommt 2 Tage Witte-Pepton, den folgenden 

Tag 40 g des Aminosäurengemisches, 5g Alanin (Kahlbaum), 80 g Speck, 

zwei Stunden nachher erbricht er alles. Den folgenden Tag bekommt 

er 40 g des Aminosäurengemisches und den’nächsten 40 g dieser Amino- 
säuren und 5 g Alanin (Kahlbaum). 































Luftanalyse 


R.Q. 


Mittlere 
o Temperaturd. 
Kammer 
» Dauer der 
Luftentnahme 
Liter 
0,-Verbrauch 
pro Stunde in 
Liter 






0, 


Jo 





Stunde nach der 
letztenNahrungs- 
aufnahme 
Ventilation pro 
Stunde in Liter 
CO,-Produktion 
pro Stunde in 
















2910 


— 
æ 
or 





































,30 | 20,64 | 79, 
0,34 | 20,62 | 79,04 
0,32 | 20,63 | 79,05 0,91 
18. | 17,5 | 2683 | 46 | 0,32 | 20,57 | 79,11 
0,32 | 20,58 | 79,10 
0,32 | 20,58 | 79,10 0,76 
21. | 15,1 | 2050 | 60 20,63 
20,60 
0.27 120,01 | 7912] 4,92 0,67 
39. | 102 | 2200 | 54 20,44 | 79,21 
20,44 | 79,21 
79,21 | 7,04 0,58 
40. | 10,5 | 2271 | 52 Br 


79,19 
0,34 | 20,46 | 79,20 | 7,04 | 12,04 | 0,58 


Bemerkungen: Der Hund immer ruhig. Die Luftanalysen wurden 
mit dem Apparat von Haldane gemacht. 














r. Q. von 0,801 ohne Beteiligung von Kohlenhydraten bei der Verbrennung 
im Organismus zu ermöglichen, dieser kein Fett verbrennen darf, sondern 
ausschließlich Eiweiß. Wenn der Organismus ein Gemisch von Fett 
und Eiweiß verbrennt, dann muß der r. Q. notwendigerweise niedriger 
als 0,801 sein, und um so mehr, als er relativ weniger Eiweiß als im 
Vergleich zum verbrannten Fett verbrennt. 

Im Hungerzustand verbrennt der Organismus we beim Tiere 
wie beim Menschen Eiweiß in einer Menge von 15°/, der erzeugten 
Wärme und nicht in größeren Mengen als 18°/,t), außer den Fällen der 
prämortalen Zunahme der Stickstoffausscheidung, die in unseren Ver- 
suchen augenscheinlich keine Rolle spielt. 


1) Siehe Tigerstedt, Oppenheimers Handb. der Biochemie 4, 
2. Teil, 63ff., Jena 1910. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 209 


Wenn wir für unsere Versuche den Wert von 15°/, für die Ver- 
brennung von Eiweiß annehmen, so bezeichnen die r.Q. 0,76, 0,80 und 
0,82, die wir dabei antreffen, sicherlich eine Verbrennung von Kohlen- 
hydraten, und in einem Verhältnis von 15 bis 35°/, die Gesamtverbren- 
nungen des Tieres nach den Berechnungen von Johansson’). Der 
r.Q.0,91 würde eine Verbrennung von Kohlenhydraten von 65°/, bedeuten 

Es kann also nicht zweifelhaft sein, daß der Hund während dieser 
Versuche Kohlenhydrate verbrannt hat, und zwar (in Anbetracht der 
sukzessiven Verminderung der r. Q. bei jedem Versuche) in absteigender 
Menge, wie wenn er ein Depot von Glykogen verbrannt hätte. 

Es gibt jedoch in meinen Versuchen einige nicht gerade leicht zu 
erklärende Tatsachen. So erstens der plötzliche Abfall des r. Q. von 
einer Stunde zur anderen, ein Abfall von 0,16 zwischen der 42. und 43. 
Stunde des 10. Versuches, von 0,15 zwischen der 17. und 18. Stunde im 
12. Versuche. Diese Unterschiede, die so groß sind, daß sie nicht durch 
technische Fehler erklärt werden können, zeigen sich nur noch einmal 
bei meinen übrigen Versuchen, im 8., als ich dem Hunde Saccharose 
nach 2 Tagen Pepton gab. Dort betrug der Unterschied zwischen der 
21. und 22. Stunde 0,24. 

Man kann diese Unterschiede nicht durch Veränderungen der 
Lungenventilation erklären; erstens sind diese Veränderungen, die so 
lange, wie meine Versuche dauerten, gänzlich unwahrscheinlich; außer- 
dem haben wir am Hunde keinerlei Anzeichen von Polypnöe beobachtet; 
hingegen sind bei anderen, wo der Hund, wie in Versuch 9, eine starke 
Polypnöe zeigte, die r. Q. recht gleichmäßig. 

Sie werden durch Unterschiede in den Bewegungen des Tieres 
nicht erklärlicher. Sicherlich war es wahrscheinlich, daß, wenn das Tier 
sich mehr bewegt, der r.Q. steigt, da mehr Kohlenhydrate verbrennen 
müssen. Aber die beobachteten Unterschiede sind zu groß, um daher 
zu stammen; und außerdem besteht nicht immer, wie man sehen kann, 
eine Beziehung in diesen Untersuchungen zwischen einer Steigerung des 
r. Q. und einer größeren Beweglichkeit des Tieres, wenn wir die absor- 
bierte Sauerstoffmenge als durch die Bewegungen des Tieres verursacht 
ansehen. 

Ist das vielleicht eine Wirkung der Peptonwirkung auf die Fähig- 
keit des Organismus, Glykogen zurückzuhalten ? 

Ein anderes Problem entsteht durch das Auftreten von r. Q., die 
kleiner als die normalen in Versuch 12 sind. Der Wert 0,67 der 21. 
Stunde darf uns nicht erstaunen, da wir schon gleiche Werte nach der 
Peptonwirkung gefunden haben; wenn der Organismus alle seine Kohlen- 
hydrate verbrannt hat, so ist es natürlich, daß er wieder die r. Q. zeigt, 
die er vor der Einführung von Aminosäuren lieferte. Die Werte 0,58 
der folgenden Stunden sind zu niedrig. 

Magnus-Levy?) behauptet, daß die niedrigeren Werte, wie 0,60 

1) Johansson, |. c. 
2) Magnus-Levy, v. Noordens Handb. 1, 220. 


210 Jose M. de Corral: 


und selbst bis 0,50, die zahlreiche Forscher für den r. Q. sowohl beim 
gesunden Menschen wie beim kranken gefunden haben, infolge irgend- 
eines Fehlers als fehlerhaft angesehen werden müssen. 

Er kommt zu diesem Schlusse, der sich auch auf den Hund über- 
tragen läßt, indem er sich darauf stützt'), daß nach seinen unter 
Zugrundelegung bekannter Stoffwechselprozesse angestellten Berech- 
nungen der kleinste r. Q. im Organismus nicht unter den Betrag 
von 0,682 sinken kann, wenn man nicht die Bildung von Zucker auf 
Kosten des Fettes zugeben will, 

Selbst wenn wir bemerken, daß es nicht richtig ist, eine Tatsache 
als unzutreffend zu verwerfen, weil sie infolge des augenblicklichen 
Standes unserer Kenntnisse unerklärlich ist, muß man doch darauf hin- 
weisen, daß die Berechnungen von Magnus-Levy nicht sehr sicher sind. 

Pflüger?) hat sie tatsächlich sehr stark kritisiert; er berechnet 
für die Verwandlung von Eiweiß in Zucker einen r. Q. von 0,816 oder 
0,812, während Magnus-Levy für denselben Vorgang einen r. Q. von 
0,613 berechnete. Diese Kritik beweist mir nicht, daß diese Berech- 
nungen von Magnus-Levy falsch seien, sondern nur, daß die Art 
seiner Berechnungen noch zu theoretisch ist, um darauf einen sicheren 
Schluß aufzubauen. 

Obgleich ich andererseits für viele Fälle die Richtigkeit der An- 
schauung von Magnus-Levy anerkenne, sind die Fälle, in denen man 
diese r. Q. anormal gefunden hat, zu zahlreich, daß sie alle von tech- 
nischen Fehlern herrühren können. Besonders wenn man daran denkt, 
daß einige von Forschern gefunden worden sind, die die angewandte 
Methode am besten beherrschen; und wir zitieren als Beispiel hierfür 
die Werte 0,62, die Loewy?) bei Typhusfällen erhielt, und die von 
0,637 und 0,64, die derselbe Magnus-Levy“) bei Diabetesfällen erhielt. 

In meinem Falle spricht die große Gleichmäßigkeit der in den 
beiden Stunden erhaltenen Werte, die so groß ist, daß sogar die Werte 
der erzeugten CO, und des absorbierten Sauerstoffes bis auf das Hun- 
dertstel übereinstimmen (was natürlich reiner Zufall ist), gegen einen 
methodischen Fehler. Aber das Warum dieser Werte bleibt für mich 
unerklärlich und das um so mehr, weil eine Verwandlung von Fett in 
Zucker unwahrscheinlich ist, weil, wie in Versuch 9 zu sehen ist, selbst 
nach einer ausschließlichen Fettnahrung, die auf eine Peptonbehandlung 
folgt, man diese Werte nicht beobachtet. 

Ein anderes, ebenso außergewöhnliches Resultat ist der r. Q. von 
1,14 des 10. Versuches. Dieser Wert würde eine Verwandlung von Zucker 
in Fett bedeuten. 

Aber der so große Unterschied der ersten Luftanalyse mit den 
beiden anderen gestaltet das Resultat etwas zweifelhaft. 


1) Magnus-Levy, Arch. f. (Anat.) u. Physiol. 1904, 377. 
2) Pflüger, Arch. f. d. ges. Physiol. 108, 473, 1905. 

3) Loewy, Virchows Arch. 126, 1891. 

1) Magnus-Levy, l.c. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 211 


Im 13. Versuch, nach der Einführung von Fleisch, finden wir ana- 
loge Resultate mit den Versuchen mit Aminosäuren'). Alle r. Q. deuten 
hier auf eine Verbrennung von Kohlenhydraten hin. Aber eine Vermin- 
derung der r. Q. von der ersten Stunde an ist nicht so klar, und die 
Unterschiede zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stunden sind, obgleich 
sie etwas größer als die möglichen methodischen Fehler sind, nicht sehr 
ausgesprochen ?). 

Im ganzen sehen wir also, daß nach Einführung von so vielen 
Aminosäuren, wie das Fleisch enthält, der Hund‘Glykogen verbrennt, 
und da er nach der Behandlung mit Pepton keins verbrannte, muß 
man annehmen, daß der Organismus es später gebildet hat. 

Das Problem, das jetzt entsteht, ist, zu wissen, ob das Glykogen 
von dem Fleisch oder den eingeführten Aminosäuren herrühren kann. 

Daß die großen, vom Hunde aufgenommenen Fleischmengen das 
Glykogen bilden konnten, ist nicht zu bezweifeln. Hingegen ist es im 
ersten Augenblick unwahrscheinlich, daß ein Tier, das eine sehr unzu- 
reichende Nahrung erhält, um seinen Ausgaben an Energie zu genügen, 
wie es die von Aminosäuren sind (außer in Versuch 10, wo der Hund 
noch Speck erhielt), anstatt diese zu verbrennen, sie in Glykogen ver- 
wandelt und dafür sein eigenes Fett verbrennt. 

Wir wissen, daß, wenn wir einem Tiere unter gewöhnlichen Be- 
dingungen Eiweißkörper oder deren Spaltungsprodukte geben, es sie in 
einen N-haltigen und in einen N-freien Teil spaltet. Wir wissen auch, 
daß der erstere ausgeschieden wird und zwar vollständig, falls kein 
Ansatz stattfindet, aber wir sind weniger darüber unterrichtet, wie der 
Organismus qualitativ und quantitativ mit dem N-freien Teil verfährt, 
dem Teil, der uns besonders interessiert. Hierbei sind wir auf Hypo- 
thesen angewiesen. Die rationellste, obgleich nicht allgemein angenom- 
mene, scheint mir die von Caspari zu sein®). Dieser Forscher nimmt 
an, daß, wenn der Organismus eine ungenügende Eiweißnahrung erhält 
oder eine solche, die gerade nur für seine Energiebedürfnisse genügt, 
er den ganzen N-freien Teil verbrennt, wobei nur der eine Teil 
des Eiweißes der Verbrennung entgeht, der erforderlich ist, um die 
Abnutzungsquote von Rubner zu kompensieren. 

Nur wenn die Nahrung überreich ist, kann der Organismus den 
N-freien Teil auf andere Weise verwenden, z. B. indem er ihn in Gly- 


1) Das Fleisch wurde nicht glykogenfrei gemacht, aber es ist nicht 
möglich, daß dieses Glykogen die erhaltenen Resultate erklärt. 

?) Ich möchte darauf hinweisen, daß ich, nachdem ich die Versuche 
mit Aminosäuren gemacht hatte, Versuch 4 und danach die Kontrolle 
mit Alkohol ausführte. Die Resultate im Kontrollversuch und im Ver- 
such 4 sind, trotz sehr unvorteilhafter Bedingungen der angewandten 
Ventilation, ganz befriedigend und erlauben uns, wie ich glaube, die 
Möglichkeit eines methodischen Fehlers auszuschließen. 

3) Caspari, Oppenheimers Handbuch d. Biochemie, 4, 1. Teil, 746, 
Jena 1911. 


212 Jose M. de Corral: 


kogen verwandelt. Aber selbst in diesem Falle hält er es für unwahr- 
scheinlich, daß die Oxysäuren, die diesen Teil der Eiweißkörper aus- 
machen, vor den Fettsäuren und sogar vor den Kohlenhydraten verbrannt 
werden. Gerade aus diesem Grunde behaupte ich, daß es unwahrschein- 
lich sei, daß der Hund in meinen Versuchen die eingeführten Amino- 
säuren nicht ganz verbrannt habe. Aber ich glaube, daß, selbst wenn 
man der Ansicht Casparis beipflichtet, es möglich ist, zu erklären, daß 
die eingeführten Aminosäuren Glykogen erzeugen könnten. 

Es ist tatsächlich möglich, daß diese unter normalen Bedingungen 
zulässige Ansicht es nicht mehr ist im Falle, wo der Organismus, wie 
bei unseren Versuchen, seine Glykogendepots erschöpfen konnte. 

Daß sich das Problem in diesem Falle anders gestaltet, wird uns 
durch das bewiesen, was nach der Einführung von Kohlenhydraten ein- 
tritt. Wenn der Organismus kein oder nur wenig Glykogen besitzt, 
wird ein großer Teil der eingeführten Kohlenhydrate anstatt sofort ver- 
brannt zu werden, wie es unter normalen Bedingungen der Fall ist, 
im Zustand von Glykogen abgelagert. Und dies, obgleich das Einge- 
führte vom energetischen Standpunkt aus ungenügend ist. 

Dies ist durch die direkten Glykogenuntersuchungen des Organis- 
mus, aber vielleicht noch besser durch die Gaswechseluntersuchungen, 
wie von Johannsson!) und besonders von Benedict und Müller, 
bewiesen worden. 

Benedict?) beobachtete nach einer Hungerperiode von 7 Tagen 
bei einem Menschen, dem er gemischte Nahrung gegeben hatte, daß er, 
anstatt alle Kohlenhydrate seiner Ration zu verbrennen, einen Teil da- 
von ablagerte und dagegen sein eigenes Fett verbrannte. Erst am 3. 
Tage, bei Wiederholung derselben Nahrung, kommt er zu einem Gleich- 
gewicht und verbrennt alle eingeführten Kohlenhydrate. 

Die Beobachtung von Müller) ist auch sehr demonstrativ. Er 
gibt einem Hunde, den er glykogenfrei gemacht hat, eine Menge von 
Stärke, die für seine Energieausgaben reicht, und er sieht, daß die r.Q. 
der unmittelbar auf die Einführung folgenden Stunden nur Werte von 
0,70, 0,74 und 0,73 erreichen, d. h. daß er kaum mehr als Eiweiß und 
Fett verbrannte, weil wir bei seinen Versuchen sehen, daß der Organis- 
mus seine Fette opferte und die eingeführten Kohlenhydrate sparte, um 
Depots von Glykogen für den Augenblick zu bilden, wo er keine hat; 
es ist möglich, daß er in diesen Fällen von Glykogenmangel den N- 
freien Teil der eingeführten Aminosäuren spart, um Glykogen zu bilden, 
obgleich er seine Fette verbrennen muß. 

Ein anderes Problem ist das, zu wissen, ob das Glykogen, das die 
eingeführten Aminosäuren in meinen Versuchen gebildet haben können, 
genügt, um die Mengen von verbranntem Glykogen zu erklären oder ob 
man annehmen muß, daß der Organismus durch eine Reizwirkung der 


1) Johannsson, Skand. Arch. f. Physiol. 21, 1, 1908. 
2) Benedict, On Inanition, 1907, 192 ff. 
3) Müller, diese Zeitschr. 28, 427, 1910. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 213 


Aminosäuren noch Glykogen auf Kosten seiner eigenen Eiweißkörper 
oder seiner Fette gebildet hat. Darüber kann ich nichts sagen, denn 
meine Versuche erlauben mir nicht, selbst eine annähernde Berechnung 
der Menge verbrannten Glykogens zu machen, obgleich es scheint, daß 
diese Mengen etwas zu groß sind, um nur von den eingeführten Amino- 
säuren herzurühren. 

Zum Schlusse möchte ich noch etwas über die Resultate sagen, 
die mit den meinen vergleichbar sind und die andere Forscher bei der 
Untersuchung der Wirkung der Einführung von Eiweißkörpern oder 
ihrer Spaltungsprodukte auf den Gaswechsel gefunden haben. 

Die über diese Frage veröffentlichten Arbeiten sind schon sehr 
zahlreich. Ich zitiere u. a. diejenigen von Magnus-Levy!), Falta 
Grote und Staehelin®), Staehelin®), Gigout),, Loeffler’), 
Schöpp®), Grafe’) und die zahlreichen von Graham Lusk und 
seinen Schülern®). 

Leider können wir nur sehr wenig von diesem zahlreichen Material 
zu unserem Studium benutzen, außer einigen Versuchen von Magnus- 
Levy und die Arbeit von Falta, Grote und Staehelin. Bei den 
anderen Arbeiten erstrecken sich die Untersuchungen nur über die 
ersten Stunden nach der Einführung der Eiweißkörper, und selbet 
wenn sich in diesem Augenblick Kohlenhydrate bildeten, könnten uns 
die r. Q. nichts lehren. 

Wenn jedoch der Organismus auf Kosten der Eiweißkörper Kohlen- 
hydrate bildet, die er vorübergehend deponiert, und wenn er den Rest 
des kohlenhydratfreien Teiles der Eiweißkörper verbrennt, ist es fast 
sicher, daß der r. Q. niedriger als der der Fette sein muß. Und in 
den Stunden, die auf die Einführung dieser Körper folgen, könnte man 
vielleicht hoffen, diese r. Q. zu finden. Da aber der Organismus noch 
Fette und wahrscheinlich vollständige Eiweißkörper, ebenso Kohlenhydrate 
verbrennen muß, kann man nicht so niedrige Werte finden. Es ist 
ebenso unwahrscheinlich, daß man zu dieser Stunde eine Steigerung 
des r.Q. finden kann, die uns die Verbrennung von gebildeten Kohlen- 
hydraten anzeigt; eine Steigerung, die, um demonstrativ zu sein, so 
sein müßte, daß der r. Q. größer sein müßte als der im Hungerzustand, 
und auch größer als der des Eiweißes.. Und das ist unwahrscheinlich, 


1) Magnus-Levy, Arch. f. d. ges. Physiol. 55, 1, 1894. 

2) Falta, Grote und Staehelin, Beitr. z. chem. Physiol. u. 
Pathol. 9, 333, 1907. 

3) Staehelin, Zeitschr. f. klin. Medizin 66, 201, 1908. 

4) Gigou, Arch. f. d. ges. Physiol. 140, 509, 1911. 

5) Loeffler, Respirationsversuche am Menschen usw. Inaug.- 
Diss., Basel 1912. 

©) Schöpp, Arch. f. klin. Med. 110, 284, 1918. 

7) Grafe, ebenda 118, 1, 1915. 

®), Graham Lusk, Cornell Univ. med. Bulletin, 3, 1913; ebenda 
4, 1914; ebenda 5, 1915. 


214 José M. de Corral: 


weil, wenn der Organismus, der die Kohlenhydrate auf Kosten des Ei- 
weißes bildet, sie verbrennt, das Endresultat für den r. Q. natürlich 
dasselbe sein müßte, als wenn das Eiweiß vollständig direkt verbrannt 
wäre. Und selbst in dem Falle, wo man diese r. Q. finden würde, 
könnten sie uns nichts beweisen, solange der Organismus nicht seines 
Glykogens beraubt worden wäre, denn es könnte sich um eine Mobili- 
sation und Verbrennung des Glykogendepots, über das er früher ver- 
fügte, handeln. 

Die Versuche von Magnus-Levy am Hunde, die ich für meinen 
Zweck verwendbar halte, sind Nr. 96, 106 und 631). 

Im Versuch 106 erreicht der r.Q. des Hundes im nüchternen Zu- 
stand den Wert 0,81. Nach Einführung einer mittleren Fleischration 
erhält der Forscher für die 17. Stunde einen r. Q. von 0,75, von 0,71 
für die 20. und von 0,70 für die 22. Und in diesen Stunden hatte die 
spezifisch-dJynamische Wirkung aufgehört. 

Im Versuch 96 betrug der r. Q. des nüchternen Hundes 0,72. In 
der 22. Stunde, nachdem er eine große Menge Fleisch gefressen hatte 
und nachdem die spezifisch-dJynamische Wirkung desselben aufgehört 
hatte, war der r. Q. 0,73. In der 24. Stunde betrug er 0,69. 

Schließlich war in Versuch 63 der r. Q. im Hungerzustand 0,75. 
Nach einer überreichen Fleischration erhielt er in der 26. Stunde einen 
r. Q. von 0,74, in der 29. einen von 0,77, in der 33. von 0,70, und von 
0,70 auch in der 35. Stunde. 

Man sieht also in diesen Versuchen, daß der Hund nicht Glykogen 
auf Kosten der Eiweißstoffe gebildet hat. Der einzige Unterschied gegen- 
über meinen Versuchen besteht darin, daß bei jenen der Hund im Augen- 
blick, wo er Fleisch fraß, ein mehr oder weniger großes, aber normales 
Depot an Glykogen besaß. 

Falta und seine Mitarbeiter lassen den Hund 2 Tage lang fasten; 
am folgenden Tag geben sie ihm eine eiweißhaltige Nahrung, und am 
folgenden Tag fastet der Hund wieder. An den drei letzten Tagen 
untersuchten sie den Gaswechsel (in 5 Perioden an mehreren Stunden 
täglich). 

In ihren 4 Versuchen nahm der Hund als Eiweiß in der Nahrung 
Pferdefleisch, Pferdefleisch + Casein, Pferdefleisch -+ Glutincasein, und 
Pferdefleisch + hydrolysiertes Casein (fast biuretfrei). Die r.Q., die 
sie am Tage nach der Einführung dieser Nahrung fanden, schwank- 
ten in den verschiedenen Versuchen zwischen 0,694 und 0,746. Und 
als Mittelwert dieser r. Q. in jedem Versuche berechne ich 0,736, 0,718, 
0,730 und 0,733. 

Es gab also hier auch keine Bildung von Kohlenhydraten. 

Bei diesen Untersuchungen muß das Depot des Hundes an Glykogen 


1) Magnus-Levy, l.c. 8.74 und 75. Versuch 63 ist den meinen 
nicht ganz zu vergleichen, weil er sich nur bis zur 14. Stunde nach der 
Einführung der Nahrung ausdehnt, obgleich zu dieser Zeit die spezifisch- 
dynamische Wirkung des Eiweißes in diesem Versuche aufgehört hatte. 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 215 


im Augenblick der Einführung von Eiweiß verringert worden sein, wei] 
der Hund 2 Tage gehungert hatte. Die Verbrennungen von Glykogen 
waren sehr gering, wenigstens vor dieser Zufuhr, nach dem, was man 
am 2. Hungertage sehen konnte. Ich berechne als Mittelwert der r.Q. 
für jeden Versuch 0,739, 0,718, 0,726, 0,730, bzw. Werte, die kaum eine 
Verbrennung von Glykogen anzeigen. 

Nichtsdestoweniger war das Glykogendepot ihres Hundes nach 
2 Hungertagen wahrscheinlich größer als das meine nach 2 Peptontagen. 
Schon die Werte, die ich für den r. Q. nach zweitägiger Einführung dieser 
Substanz finde, sind kleiner als diejenigen, die von diesen Forschern nach 
Hunger gefunden wurden; die meinigen sind niedriger als die Norm 
und jenen gleich, die man nach andauerndem Hunger erhält. Aber wir 
wissen vor allem durch direkte Versuche, daß das Pepton die Leber 
wirklich glykogenfrei macht, und wir wissen auch, daß 2 Hungertage 
das nicht machen, wenigstens nicht mit Sicherheit. 

Es ist also sehr wahrscheinlich, daß die Ursache der Divergenz 
zwischen meinen Resultaten und denjenigen von Magnus-Levy und 
von Falta und seinen Mitarbeitern auf der großen Abnahme des Gly- 
kogendepots beruht, die bei meinem Hunde in dem Augenblick existierte, 
wo er Aminosäuren oder Fleisch erhielt. 

Dieser Mangel an Glykogen, mit dem ich die Bildung von Kohlen- 
hydraten auf Kosten einer Ration von Aminosäuren, die energetisch 
unzureichend war, erklären zu können glaubte, scheint noch eine con- 
ditio sine qua non zu sein, damit es zu einer Bildung von Kohlen- 
hydraten auf Kosten von Eiweiß kommt, wenigstens in Mengen, die im 
Gaswechsel bemerkbar sind. 

Wir wollen hier auch daran erinnern, daß Landergren') in 
seinen wohlbekannten Versuchen über die Zerstörung des Eiweißes beim 
Menschen behauptet, daß der Organismus Kohlenhydrate nur dann aus 
Eiweiß bildet, wenn er nicht über jene verfügt. Und auf diese Weise 
kann er dieses Bedürfnis, Kohlenhydrate zu haben, befriedigen, ein Be- 
dürfnis, das uns so viele Tatsachen beweisen. 

Zur Stütze dieser Anschauung und zur Bestätigung meiner Ver- 
suche könnte man die Versuche von Kleinert?) und von Schloß- 
mann und Murschhauser’), die an einem anderen Objekt 
gemacht wurden, anführen. Diese Forscher ernährten, nachdem sie 
einen Hund 16 Tage hungern ließen, wodurch man auf eine Reduktion 
auf ein Minimum seiner Glykogenreserven hoffen konnte, ihn wieder 
mit Pferdefleisch und etwas Speck, bis er wieder auf sein ursprüng- 
liches Gewicht kam. 24 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme 
untersuchten sie den Gaswechsel (in einer Periode von 5 Stunden); und 
in an 3 verschiedenen Tagen gemachten 3 Versuchen finden sie die r.Q. 
0,793, 0,784 und 0,759, Werte, die, wenn die Verbrennung von Eiweiß 





1) Landergren, Skand. Arch. f. Physiol. 14, 112, 1903. 
2) Kleinert, l.c. 
®) Schloßmann und Murschhauser, |. o. 


216 Jose M. de Corral: 


im Hunger normal ist, eine ziemlich deutliche Verbrennung von Kohlen- 
hydraten bezeichnen müssen. 

In Fortsetzung dieses letzten Versuches lassen Schloßmann und 
Murschhauser den Hund wieder 16 Tage hungern, und in dieser Zeit 
untersuchen sie während 5 Tagen seinen Gaswechsel. Die r. Q. schwank- 
ten zwischen 0,735 und 0,748, Werte, die noch eine Verbrennung von 
Kohlenhydraten bezeichnen. 

Aber man muß bei diesen Versuchen zuerst bemerken, daß, wie 
ich es bei der Wirkung des Peptons sagte, der r. Q. noch nach 16 
Hungertagen sehr hoch war, bei diesem Hunde 0,767; es ist also fast 
sicher, daß er noch Kohlenhydrate besaß. Da auch die Fleischfütterung 
lange Zeit andauerte (mehr als 25 Tage) und das Pferdefleisch viel 
Glykogen enthält, kann man nicht sicher behaupten, daß das verbrannte 
Glykogen aus dem Fleischeiweiß stammt. Endlich ist es nicht unmög- 
lich, daß die so hohen r. Q. dieses Versuches nicht eine Verbrennung 
der Kohlenhydrate, sondern eine Zunahme in der Verbrennung des Ei- 
weißes vom Hunde bedeuten, eine Ansicht, die Schloßmann und 
Murschhauser zu vertreten scheinen. Um dies jedoch anzunehmen, halte 
ich den Nachweis einer Zunahme der Stickstoffausscheidung für unbe- 
dingt erforderlich, und derselbe ist in diesem Versuche nicht gemacht 
worden. 

Ich kann daher den Resultaten dieser schwer zu deutenden Ver- 
suche nicht viel Wert für das von mir studierte Problem beilegen. 


Zusammenfassung. 


1. Bei der Jaquetschen Methode zur Untersuchung des 
Gaswechsels ist es vorteilhaft für die Gasanalysen, den Apparat 
von Pettersson-Högland durch den Haldaneschen zu er- 
gänzen. 

2. Nach 8 Hungertagen hält sich der r. Q. des Hundes 
während mehrerer Stunden praktisch konstant. Sein mittlerer 
Wert erreicht 0,682, ein Wert, der niedriger ist als der r.Q. 
der Fettverbrennung. Es ist also möglich, daß ein derartiger 
Wert im Hungerzustand existiert, ohne daß er von einer Ver- 
änderung der Lungenventilation herrührt, weil eine solche Ver- 
änderung bei meinen Versuchsbedingungen ausgeschlossen ist. 

3. Nachdem der Hund 2 Tage lang Witte-Pepton erhalten 
hat und nachdem man mehrere Stunden nach der Einführung 
hat verstreichen lassen, zeigt er in andauernder Weise einen 
praktisch konstanten r. Q., der niedriger als der normale r.Q. 
ist und der mit demjenigen übereinstimmt, der nach andau- 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 217 


erndem Hunger erhalten wird. Er besagt das Fehlen jeder 
Kohlenhydratverbrennung. 

4. Wenn der Hund eine kohlenhydratreiche Nahrung er- 
hält, kann man nachweisen, daß der Hund Glykogen gebildet 
hat, indem man seine r. Q. der 17. und 18. Stunde nach der 
letzten Nahrungsaufnahme aufsucht. Diese r. Q. besagen eine 
Verbrennung von Kohlenhydraten. 

5. Die Fähigkeit des Organismus, Glykogen auf Kosten 
von Kohlenhydraten zu bilden, wird beim Hunde nach Einfüh- 
rung von Pepton, selbst nach 24 Stunden, herabgesetzt. Aber 
obgleich vermindert, existiert sie noch deutlich, wie es die 
Werte des r. Q. im Hungerzustand nach einer Ernährung mit 
Kohlenhydraten beweisen. 

6. Wenn nach Einführung von Pepton während 2 Tagen 
der Hund an den darauffolgenden Tagen ausschließlich mit 
Fetten ernährt wird, sind die r. Q.in den nachfolgenden Hunger- 
perioden gleich jenen nach der Peptonwirkung erhaltenen. 

7. Wenn nach derselben Behandlung mit Pepton der Hund 
ein Gemisch von Aminosäuren (sogar energetisch unzureichend) 
oder von Fleisch erhält, bildet er mit diesen Kohlenhydrate; 
dies ist an den Werten des r. Q. im nachfolgenden Hunger- 
zustand zu erkennen, die eine Verbrennung dieser Körper 
erkennen lassen. 

Diese Bildung von Kohlenhydraten auf Kosten von Amino- 
säuren oder von Fleisch scheint nur in dem Falle vor sich 
zu gehen, in dem es dem Organismus an Kohlenhydraten fehlt. 


Anhang I. 


Kalibrierung der Bürette des Haldaneschen Apparates. 

Es ist unmöglich, wie schon oben erwähnt, mit unserer Bürette 
eine Genauigkeit zu erreichen, die bis 0,002 com geht, eine Genauigkeit, 
deren wir bedurften. Sie mußte also verifiziert werden. 

Hierzu hätten wir zu dem gewöhnlichen Verfahren Zuflucht nehmen 
können, sie mit Hg zu füllen und die in jedem Kubikzentimeter ent- 
haltene Menge zu wiegen. Aber das hat viele Nachteile, besonders den- 
jenigen, die Ablesung der Höhe des Hg während der Korrektur an 
der umgekehrten Bürette vornehmen zu müssen). Es ist viel bequemer 
und für unseren Fall vorteilhafter, die Kalibrierung so vorzunehmen, 
daß man die Außenluft mit der Bürette analysiert, so wie es Haldane 


1) Siehe Haldane, c.1. 8. 11 u. 42. 


218 Jose M. de Corral: 


empfohlen hat. Dies läßt sich leicht ausführen, weil bei uns die Außen- 
luft eine konstante und vollkommen bekannte Zusammensetzung besitzt. 

Das habe ich gemacht, aber ich habe nicht die CO, oder den O 
der Luft analysiert, sondern die Summe CO, -+ O,, mit Rücksicht da- 
rauf, daß die CO,-Mengen der Außenluft sehr klein und die Bestim- 
mungen des Sauerstoffes weniger genau sind. 


Tabelle XIV. 


13. Versuch vom 19. bis 20. März 1917 (14. des Protokolls). Gewicht 
des Hundes 15,1 kg. Er bekommt 2 Tage Pepton e carne (Merck), 
80 g pro Tag; in den 2 nachfolgenden Tagen je 500 g mageres Rindfleisch. 




















bg | stlesl|.$ ga |as 
„gele23] 5 |e3 Luftanal že |e 
SEBIOKEI SG z] Dana yäe 28.1805 
25531338 salse 2215302 
3,3 |2 Sd] 57 | 55 35#2|232]|R.Q 
FFC: 8,2 82 Farnlean 
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2282| Ag ag a co, | O; | N, ge &2 
N 
23 0 >a | Min. | °% | °lo | % Oe A z> 
18 14,3 | 1987 57 0,47 | 20,44 | 79,09 


0,44 | 20,44 | 79,12 


8,35 | 10,33 | 0,81 
21. | 13,8 | 1938 | 61 


9,11 [10,47 | 0,87 
22. | 13,5 | 2163 | 53 


8,87 | 11,25 | 0,79 
40. | 15,5 | 1651 | 61 











79,10 | 6,93 | 8,42 | 0,82 
41. | 14,6 | 1590 | 60 79,18 
79.18 

0,59 | 20,23 | 79,181 8,90 | 11,93 | 0,75 


Bemerkungen: Der Hund ist etwas unruhig in dem ganzen Ver- 
such gewesen. Die Luftanalysen wurden mit dem Apparat von Haldane 
gemacht. 


Auf Tabelle XV bringe ich die Resultate dieser Analysen. Als 
Mittelwert für die CO, -+ O, die in 100 ccm unserer Bürette enthalten 
sind, erhielt ich für die Außenluft 20,897 cem. Dieser Wert ist, obgleich 
aus wenig genauen Analysen hervorgehend, in Anbetracht der zahl- 
reichen Analysen ziemlich genau. Der mögliche Fehler beträgt tat- 
sächlich nur +0,0066') und der wahrscheinliche +0,0044 ccm. 


1) Berechneter Fehler nach folgender Formel = E = + y 8 N 
Siehe Kohlrausch, |. c. nn) 





Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 219 


Nehmen wir zur größeren Bequemlichkeit an, daß unsere Bürette 
fünfmal größer sei, d. h. daß sie 100 ccm anstatt 20 faßt. Wenn die 
Außenluft nach den Berechnungen von Kakehi und den meinen 
20,97°/,CO, + Oe hat, so bedeuten meine Analysen mit dem Apparat 
von Haldane, daß 20,897 ccm unserer Bürette 20,97°/, ihres gesamten 
Fassungsvermögens ist, d. h. daß das Fassungsvermögen der Bürette 
nicht 100 ccm ist, sondern 99,65 cem. (In Wirklichkeit sind es nicht 
20 ccm, sondern 19,93 ccm.) Ein Kubikzentimeter der Bürette wird 


1 
also gleich sein 3965 ~ 1,0035°/, des gesamten Fassungsvermögens. 


Die Korrektur des Fehlers der Bürette läßt sich ganz einfach 
machen, wenn man die Zahl der erhaltenen Kubikzentimeter für das 
zu analysierende Gas mit 1,0035 multipliziert. 

In unseren Analysen müssen nur die Werte des Sauerstoffes oder 
der CO, -+ O, korrigiert werden. Die Korrektur der Werte der CO, 
ist in Anbetracht ihrer geringen Abweichung überflüssig. 


Anhang II. 


Kontrollversuch mit Verbrennung von Alkohol. 


Ich habe zu diesem Versuch vollkommen reinen Alkohol von der 
Firma Haaf in Bern verwandt. Um seine Reinheit zu prüfen, habe ich 
die von Merck!) zu diesem Zwecke angegebenen Reaktionen nachgeprüft, 
und als einzige Unreinheit habe ich eine leichte Andeutung von Fuselöl 
gefunden. 

Anstatt den Alkohol ganz absolut zu nehmen, zog ich vor, den 
Gehalt der Flüssigkeit an Alkohol zu bestimmen, indem ich die Be- 
stimmung seiner Dichte machte. 

Dies machte ich mit der Flaschenmethode und mit aller Exaktheit, 
indem ich die geläufige Methode in der von Biehringer?) beschrie- 


15° 
benen Form befolgte.e Und ich erhielt einen Wert d 7 - 0,7965, eine 


Dichtigkeit, die nach der Tabelle von Squibb einen Gewichtsgehalt an 
Alkohol von 99,42°/, bedeutet. 

Die Verbrennung dieses Alkohols wurde in einer gewöhnlichen 
Alkohollampe mit Baumwolldocht gemacht. Ich gebrauchte dabei die 
Vorsicht, den metallischen Teil, der den Docht hält, mit Asbest zuzu- 
decken, um zu vermeiden, daß während der Verbrennung des Alkohols 
ein Teil desselben in Berührung mit dem heißen Metall kommt und 
sich nur bis zum Aldehydzustand oxydiert. Der Fehler, den die Be- 
nutzung eines Baumwolldochtes hervorrufen kann, muß unbedeutend 


1) Merck, Prüfung der chemischen Reagenz auf Reinheit. 2. Aufl. 
Darmstadt 1912, S. 56. 

2?) Biehringer, Abderhaldens Handbuch d. biochem. Arbeits- 
methoden, 1, Berlin-Wien 1910, S. 439 ff. 


220 Jose M. de Corral: 


sein; die Benutzung eines Asbestdochtes ist nicht möglich, weil der 
Alkohol dabei zu langsam verbrennt. 

Zwei Stunden vor Versuchsbeginn ließ ich die 4 großen Fenster 
des Zimmers offen, in dem sich der Stoffwechselkasten befand, und 
ich vermied dort jede Verbrennung, damit die Luft die Zusammensetzung 
der Außenluft hat. Ich brachte in die Lampe die Menge von Alkohol, 
die mir ein früherer Versuch als geeignet gezeigt hatte, und ich wog 
die Lampe mit Alkohol mit einer Genauigkeit von 1 cg. 

Dann stellte ich die mit ihrem Deckel geschlossene Lampe in den 
Stoffwechselkasten, und nachdem dieser geschlossen war, fing ich an, 
ihn mit einer Intensität von annähernd 2000 1 pro Stunde zu durch- 
lüften. Nach einer Stunde, nachdem ich auch Außenluft in das Ver- 
bindungsrohr zwischen dem Gasometer und dem Cylinder, wo sich die 
aufgefangene Luft sammelt, gefüllt hatte, öffnete ich etwas den Kasten 
und zündete die Lampe mit einem Streichholz an; ich schloß sofort, 
wobei ich gleichzeitig anfing, die zu analysierende Luft aufzufangen. 
Hierzu brauchten wir 5 Sekunden. 

Der Alkohol brannte während einer halben Stunde mit einer 
ziemlich hohen Flamme; danach nahm die Höhe der Flamme außer- 
ordentlich ab, und die letzten Spuren von Alkohol verzehrten sich wäh- 
rend 16 Minuten mit einer kaum sichtbaren Flamme. Nachdem die 
Lampe spontan ausgegangen war, setzte ich die Ventilation noch 4 Mi- 
nuten fort. 

Da unser Kasten mit der angewandten Ventilation in 20 Minuten 
ganz ventiliert sein muß und da andererseits die verbrannte Alkohol- 
menge während der zweiten Verbrennungsperiode unbedeutend gewesen 
sein muß, nach der Höhe der Flamme zu beurteilen, hielt ich es nicht 
für nötig, die Luft des Stoffwechselkastens zu nehmen, nachdem der 
Versuch fertig war, um ihren Inhalt zu analysieren. 

Nachdem der Versuch fertig war, wog ich wieder die Lampe, wo- 
bei ich einen Gewichtsunterschied gegenüber dem früheren Gewicht er- 
hielt, der der konsumierten Alkoholmenge gleichkam. 

Die Tabelle XVI zeigt das Protokoll der Luftanalysen, der Venti- 
lation, der Temperatur und des atmosphärischen Druckes während des 
Versuches, bei dem ich nicht den Thermobarographen benutzte. 

Da die ventilierte Luft 2147 1 bei 9,5° Temperatur und 708,1 mm 


Druck maß, betrug ihr Volumen bei 0° und 760 mm: 
708,1 — 8,8 
Vo = 2147 x 760 19,50) — 1909 1. 

Aus den Resultaten der Luftanalyse kann man berechnen, daß 
die erzeugte CO, 0,562°/, der ventilierten Luft erreicht und der ab- 
sorbierte Sauerstoff 0,899 °/,. Die Menge der erzeugten CO, ist also 
10,729 1] und die des absorbierten Sauerstoffes 17,7621. Der r. Q. be- 
trägt 0,625. 

Betrachten wir nun die Sauerstoffmenge, die der -verbrannte Alko- 
hol absorbieren sollte, und die CO,-Menge, die er erzeugen sollte. Die 
Gewichtsunterschiede der Lampe mit Alkohol und nachdem er diesen 


Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 221 


Tabelle XVI. 


Analytische Daten des Kontrollversuches mit Alkohol (13. Versuch meines 
Protokolls) vom 12. März 1917. 











Temperatur der 





en do 
EN Š E E Laft fa Š% E Luftanalyse 
ei VA Ei g: -| A ia 1 
En | buus | buko | Saf]. CO, Oo IA 
zo aog 
[077 gu 0 0 0 
o o A lo lb | lo 
11> 31” | 3326 8,3 85 | 708,1 | 
118417 | — 10,6 8.6 Z 
11e 50” | 4055 | 126 8,6 Bi 
1» —_”| 4437 | 125 8,9 Ei 
12» 10” | 4821 94 90 =; [osl = 
12» 20” | 5205 88 9,0 — | 0610 | 20,102 | 79,288 
12» 27” | 5473 8.6 90 | 708,1 | 0,575 | 20.125 | 79.300 














56” | 2147 | Mitielwert 9,5 | 708,1 | 0,512 | 20,114 | 79,294 


Bemerkungen. Die Verbrennung des Alkohols fängt um 11% 31” 
an. Von 12" an verbrennt er mit einer Minimumflamme. Um 125 23” 
löscht die Flamme von selbst aus. Die Luftanalysen wurden mit dem 
Apparat von Haldane gemacht. 


verbrannt hat, gibt für den verbrannten Alkohol ein Gewicht von 
11,74 g, was 11,762 g absolutem Alkohol gleichkommt, da der unsere 
nur 99,42°/, Alkohol hatte. 

Die vollständige Verbrennung von Alkohol verläuft nach folgender 
Reaktionsgleichung: C,H,0 + 30, = 2C0O, + 3H,0, d. h. daß ein 
Gramm Molekülalkohol von 46,048 g 96 g O, (30,) braucht, um zu ver- 
brennen, und 88 g CO, (2C0,) erzeugt. 

Die in unserem Versuch verbrannten 11,672 g Alkohol hätten also 
22,305 g CO, erzeugen und 24,334 g O, absorbieren sollen, oder was auf 
dasselbe herauskommt, 11,282 1 CO, und 17,029 1 O,. Der r. Q. würde 
0,663 sein. 

Der Unterschied zwischen den berechneten und gefundenen r. Q. 
beträgt also 0,038, ein kaum geringerer Unterschied als derjenige, den 
ich als theoretisch möglich bezeichnet habe. Was die absoluten für die 
Gase gefundenen Werte betrifft, so ist der Fehler — 4,90°/, für die CO, 
und +0,77°/, für den 0,. 

Diese Resultate sind sehr befriedigend; ausgezeichnet für den 
Sauerstoff, sind sie noch hinreichend genau für die CO,. Besonders 
wenn man darauf achtet, daß sich die Verbrennung des Alkohols in 
fast einer halben Stunde vollzogen hat, d.h. daß der Versuch unter 
ungünstigeren Bedingungen gemacht worden ist als diejenigen mit dem 
Hund, wo die aufgefangene Luft von fast einer Stunde herrührte. 

Jaquet behauptet, daß praktische Unterschiede von 5°/, keine 
große Bedeutung haben; und die Genauigkeit, die er mit seinen Kon- 


trollversuchen mit Alkohol erhält, ist der meinen analog. 
Biochemische Zeitschrift Rand 86. 15 


222 JoseM.deCorral: Bildungv.Zucker a. Eiweiß u.Eiweißabbauprodukten. 


In seinen 6 Versuchen erhält er für die CO, nur einmal einen 
positiven Fehler, + 1,05°/ Bei allen anderen ist der Fehler negativ, 
der kleinste —2,23°/,, aber in einem anderen Falle ist der Fehler 
—4,94°/,, und —5,70°/, in einem weiteren. Die Fehler für den Sauer- 
stoff sind immer, wie in meinem Falle, kleiner als jene für die CO,; 
in den beiden letzten zitierten Fällen erreichen sie —1,99°/, und 
—+3,21°/, bzw.!). 

Dieser geringere Fehler der Sauerstoffwerte ist mir unerklärlich, 
wenn wir nicht in diesen Versuchen die Existenz eines größeren Fehlers 
als diejenigen der Analysen annehmen. Denn die Analysenfehler des 
Sauerstoffes konnen höchstens dieselben wie die der CO, sein?). 

Grafe?°) erhält genauere Werte als diejenigen von Jaquet mit 
seinen Kontrollen mit Alkohol. Sein mittlerer Fehler ist 0,93°/, für die 
CO, und +0,93 für den O,. Seine größere Genauigkeit ist erklärlich, 
weil er, um Alkohol zu verbrennen, die Methode von Atwater und 
Benedict anwendet, die eine ideale Verbrennung von Alkohol für 
diese Art von Versuchen gestattet. 


1) Jaquet, Verh. d. naturforsch. Ges. in Basel, 15, 266, 1903. 
(Die Prozente sind nach seinen Ergebnissen berechnet worden.) 

2?) In meinem Versuche könnte man das vielleicht erklären, wenn 
man voraussetzt, daß der Stoffwechselkasten am Ende des Versuches 
nicht ganz ventiliert worden war, als dieser fertig war. Dann wäre es 
möglich, daß die CO, durch ihre größere Dichte als der O, dort in 
größeren Mengen zurückgehalten worden ist. 

3) Grafe, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 65, 1, 1910. 


Beiträge zur Kenntnis der Ausscheidung der Saponine 
durch den Kot. 


Von 
Hans Bäck aus Reichertshofen (Bayern). 


(Aus dem Institut für Pharmakologie und physiol. Chemie zu Rostock.) 


(Eingegangen am 10. November 1917.) 


Inhaltsverzeichnis. 
Seite 
1. Was wissen wir bis jetzt über das Verhalten der Saponine im 
Magendarmkanal? ....2.... he rn Near Te der ana 223 


2. Einiges über die hämolytische Wirkung der Saponine . . . . . 226 
3. Über die Verarbeitung des Kotes auf Sapogenine und Saponine 228 


4. Versuche an lebenden Tieren . .. 2. ss ssassn es: o o 230 
Versuch 1 am Huhn mit Sapindussaponin . 2... 2... . . 280 
Versuch 2 am Huhn mit Quillajasaponin . . 2. s... e. . 334 
Versuch 3 am Hund mit Quillajasaponin . . . 2: 2.2 22.0. 238 
Versuch 4 am Hund mit Sapindussaponin . .. 2... sss. 240 

Gesamtergebnisse ....... Br RE ee ae, ee 


1. Was wissen wir bis jetzt über das Verhalten der Saponine 
im Magendarmkanal? 


Da im Magendarmkanal Enzyme auf die Saponine lang- 
dauernd einwirken können, wofern letztere nicht sehr rasch 
resorbiert werden, so berührt sich unsere Frage mit der an- 
deren: Gibt es Enzyme, die auf Saponine spaltend einwirken, 
und finden sich solche im Magendarmkanal unserer Versuchs- 
tiere und des Menschen? Daß es in Pflanzen glykosidspaltende 
Enzyme gibt, ist längst bekannt. Für eine Reihe von Saponin- 
drogen wie Radix Sarsaparillae und Radix Senegae konnte 
Kobert!) dartun, daß beim Lagern dieser Drogen deren Sapo- 


1) R. Kobert, Ber. d. Deutschen Pharmazeutischen Ges. 22, 205, 1912. 
15* 


224 H. Bäck: 


ningehalt durch fermentative Zersetzung abnimmt. Von an- 
derer Seite ist diese Angabe nachgeprüft und bestätigt worden. 
Es liegt nahe, diese Abnahme des Saponingehaltes auf spaltende, 
in diesen Drogen präformierte Enzyme zu beziehen. Auch die 
Abnahme des Saponingehaltes in verschimmelten oder bakteriell 
getrübten Quillajainfusen und Senegadekokten ist auf spaltende 
Enzyme dieser Mikroben zu beziehen. Aus einem dieser Schimmel- 
pilze, den man in Ostasien technisch verwertet, gelangt das 
Enzym in Form der sogenannten Takadiastase in den Handel. 
In Wahrheit handelt es sich bei diesem Präparate allerdings 
um ein Gemisch recht verschiedener Enzyme. Mischt man eine 
frische Anreibung oder Lösung dieser Takadiastase mit Sapo- 
ninen, so tritt nach H. Blau!) und nach E. Sieburg?) lang- 
sam, aber bestimmt eine hydrolytische Spaltung ein, die der 
durch Zerkochen mit verdünnten Mineralsäuren ganz analog 
ist. Führt man diese Spaltung durch Bakterien aus, so ver- 
brauchen diese natürlich rasch den abgespaltenen Zucker, und 
man findet sehr bald von diesem nichts mehr. Wartet man 
noch länger, so zersetzen manche Mikroben auch das Aglykon, 
so daß es für die üblichen Reaktionen nicht mehr nachweisbar 
ist. Ob Malzdiastase bei Ausschluß von Mikroben auf Saponine 
zerlegend wirkt, ist strittig, da Brandl und Mayr?) bei Ver- 
suchen mit Kornradensaponinen keine Spaltung erzielen konnten, 
Blau?) mit einem Kastaniensaponin aber wohl. Auch durch 
Invertin der Hefe konnte Blau dieses Saponin spalten. Die 
nach Wakulenko°) auf Amygdalin und analoge Glykoside 
spaltend einwirkende Ricinuslipase vermag nach dem genannten 
Autor Saponine allerdings nicht zu zerlegen. Soviel über Ver- 
suche, Saponine durch vegetabilische Enzyme zu zerlegen. Von 
tierischen Fermenten hat z. B. das Pankreatin nach Holste®) 


1) Heinrich Blau, Beitr. zur Kenntnis der Saponine. Diss. 
Zürich 1911. 

?) E. Sieburg, Arch. d. Pharmazie 251, 166, 1913. 

3) Brandl u. Mayr, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 59, 
266, 1908. _ 

4) Blau, 1. c. 

%) Iwan Wakulenko, in Kobert, Beitr. zur Kenntnis der vegetab. 
Hämagglutinine, Teil II. Berlin 1913, S. 1. 

°) Holste, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 68, 323, 1912. 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 225 


auf das nach Sieburg!) zu den Saponinen gehörige Helleborein 
einen entgiftenden Einfluß, was nach dem Genannten „sicher- 
lich durch fermentative Spaltung zu erklären ist“. Falls dieses 
richtig ist, müssen die innerlich eingegebenen Saponine, soweit 
sie nicht rasch resorbiert werden, im Dünndarm durch den 
Pankreassaft wenigstens teilweise zerlegt werden. Ptyalin und 
Pepsin fanden Brandl und Mayr?) ohne Einwirkung. Gab 
Kobert?) einem Kaninchen innerlich reichliche Mengen von 
Quillajasaponin ein, so konnte er in dem Kote ungespaltenes 
Saponin nachweisen. Blau‘) wiederholte unter Winterstein 
in Zürich diesen Versuch mit Sapindussaponin und konnte 
dies ebenfalls zum Teil, nämlich in Mengen von 7,5°, 
aus dem Kote ungespalten wiedergewinnen. Daß ein großer 
Teil aller Saponine durch die Darmfermente hydrolytisch ge- 
spalten wird, ist unbestreitbar. Brandl konnte sogar aus dem 
Kote von mit Saponin gefütterten Hunden überhaupt kein unver- 
ändertes Saponin wiedergewinnen und Boßhard’) aus dem 
eines mit Kastanien gefütterten Hirsches nur 3,9%), der ge- 
fütterten Saponine. Sieburg zeigte, daß die Zellen der Dünndarm- 
schleimhaut der Katze noch im Reagensglase bei sterilem Ver- 
fahren auf enzymatischem Wege Helleborein spalten. Gaben 
Brandl und Mayr einem Hunde Agrostemmasapotoxin inner- 
lich ein, so konnten sie aus dem Kot nur das Endsapogenin 
dieses Saponins darstellen. Analoge Versuche dieser Autoren 
an Hühnern und Kaninchen fielen jedoch nicht entsprechend 
aus, d. h. aus dem Kote ließ sich weder das Agrostemma- 
sapotoxin noch ein Sapogenin desselben darstellen. Offenbar 
geht das gebildete Sapogenin bei diesen beiden Tierklassen in- 
folge des beträchtlichen Bakterienreichtums des Darmkanals so 
tiefgreifende Spaltungen ein, daß es für chemische und biolo- 
gische Reaktionen unnachweisbar wird. 

Meine Aufgabe war nun, diese wichtigen Versuche mit 





1) Sieburg, l. o. 

®) Brandl u. Mayr, l. c. 

3) R. Kobert, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 33, 233, 1887. 

4) Heinrich Blau, in der oben angeführten Dissertation. 

5) Gust. Ad. Boßhard, Beiträge zur Kenntnis der Samen der 
Roßkastanie und der in diesen Samen enthaltenen Saponinsubstanzen. 
Diss. Zürich (Arbon) 1916. 


226 H. Bäck: 


zwei anderen Saponinen zu wiederholen, die auch von Fieger 
benutzt worden sind. 


2. Einiges über die hämolytische Wirkung der Saponine. 


Nach den von Kobert und seinen Mitarbeitern gemachten 
Versuchen und nach denen zahlreicher anderer Autoren, die 
sich mit Saponinspaltungen beschäftigt haben, zerfallen die 
Saponine bei hydrolytischer Zerlegung meist zuerst in Zucker 
und ein Anfangssapogenin oder Prosapogenin und bei 
weiterer Zerlegung nochmals in Zucker und ein Sapogenin, das 
man als Endsapogenin bezeichnet. Einige Endsapogenine sind 
ganz unlöslich in verdünnten Alkalien und können daher zu 
biologischen Versuchen nicht herangezogen werden. Einige 
Endsapogenine sowie alle Anfangssapogenine dagegen bilden 
mit Alkalien wasserlösliche Salze, die meist wie die Mutter- 
saponine auf isolierte rote Blutkörperchen sowie, wenn auch 
weniger intensiv, auf 1 bis 2°/, Blutkochsalzmischung (d.h. auf 
physiologische Kochsalzlösung + 1 bis 2°/, Blut) hämolytisch 
wirken. 

Ich habe nun, da ich die hämolytische Methode für Sapo- 
genine anwenden wollte, erst mit einigen Saponinen mich auf 
derartige Versuche eingeübt. Die hämolytische Kraft einiger 
von mir geprüften Saponine zeigt die nachstehende Tabelle. 
‘Die Versuche wurden immer in der Weise angestellt, daß defi- 
briniertes serumhaltiges Blut, 50fach mit physiol. Kochsalzlösung 
verdünnt, in Mengen von je öccm in eine Reihe von meist 
7 Reagensgläschen eingegossen wurde. Zu Glas I und VII, 
die als Kontrollen dienten, kamen je 5 cem phys. Kochsalzlösung 
und zu den anderen Gläschen steigende oder fallende Dosen 
des zu prüfenden Saponins in je 5 ccm phys. Kochsalzlösung 
gelöst. Die Gläschen blieben unberührt stehen; nach 24 Stunden 
wurde abgelesen. 

Wie die Tabelle ergibt, besitzen einige Saponine wie 
z. B. das Saponin aus Hondurassarsaparille und des 
Digitonin eine ganz erhebliche hämolytische Wirkung. 
Aber auch die einiger Sapogenine ist recht beträchtlich. Beim 
Phytolaccasapogenin ist sie nach Kobert!) sogar beträchtlicher 


1) R. Kueny, Phytochemische Untersuchung der Früchte von 
Phytolacca abyssinica. Diss. Straßburg 1914. 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 227 


Unterste Grenzender völligen hämolytischen Wirkungeiniger 
Saponine für 2°/),ige Blutkochsalzmisch'ng. 

















Saponin Saponin Saponin | 
aus aus aus 1 TE 
Blutart Bassia Phytolacca | Honduras- Digitonin 
Maclayana | abyssinica | sarsaparille | 
Rind... 1 : 50000 1:1000 
Kaninchen . . 1 : 50000 1 : 4000 1: 166000 1 : 130000 
Katze .... 1: 25000 1: 1000 1: 100000 
Mensch . . . . 1:33000 1: 2500 1: 50000 1: 100000 
Meerschwein . 1:50000 1: 5000 1:100000 1:100000 
Hammel .. 1: 17000 1:4000 1:125000 1: 100000 
Hund. .... 1: 33000 1: 2000 1: 100000 1: 160000 
Huhn... % 1:20000 | 1: 100000 
Pferd Fe 1:33 000 1: 1000 1: 125000 1: 100000 


als die des entsprechenden Saponins. Er fand z. B. für Menschen- 
blut die Grenze der totalen Hämolyse durch Phytolaccasapo- 
genin bei 1:125000 bis 1:250000, während sie für das Saponin 
bei 1:2500 liegt; ich selbst fand sie für das Saponin wieder- 
holt sogar noch niedriger. Für das Saponalbin d.h. für das 
neutrale Saponin der Saponaria alba, für sein Anfangs- und 
für sein Endsapogenin hat W. Laube!) die Stärke der hämo- 
lytischen Kraft für viele Blutarten untersucht. Ich verweise 
hiermit auf seine Angaben. Für die uns hier hauptsächlich 
interessierenden Saponine führe ich folgende Wirkungswerte an. 
Das neutrale Sapindussaponin von Sapindus Saponaria, das 
von Sapindus Mukorossi und das von Sapindus Rarak wirken 
nach Laube noch bei 13000- bis 14000facher Verdünnung auf 
2°/,iges Blut total hämolytisch; das Quillajasaponin von 
Sthamer nach Kobert?) auf Menschenblut noch bei 100000facher 
Verdünnung ebenso. 

Mir kommt es hier nur darauf an, darzutun, daß die An- 
fangssapogenine, wie außer Laube auch Fr. Thieme?) dar- 
getan hat, hämolytische Wirkung besitzen, so daß ich hoffen 
konnte, sie mit Hilfe dieser Reaktion nachzuweisen. 


1) Beiträge zur Kenntnis der Wirkung einiger Sapogenine usw. 
Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 10, 1912. 

2) R. Kobert, Über die pharmakol. Bedeutung und die biol. Wert- 
bestimmung der Sarsaparillen usw. Ber. d. Deutsch. Pharmazeut. Ges. 22, 
Heft 4, 1912. 

3) Weitere Beiträge zur Kenntnis der Wirkung der Sapogenine. 
Diss. Rostock 1912. 


228 H. Bäck: 


Wie längst bekannt ist, und wie namentlich Rywosch 
betont hat, wirken die Saponine nicht auf alle Blut- 
arten gleich stark. Meine Tabelle ergibt dies ebenfalls. 
Dasselbe gilt nach Laube, Thieme und mir von den Sapo- 
geninen. Man tut daher bei derartigen Versuchen gut, stets 
mehrere Blutarten heranzuziehen. Verfährt man so, so be- 
kommt man doch eine recht gute Vorstellung von der hämo- 
. lytischen Kraft der untersuchten Substanz. Bei dieser Gelegen- 
heit sei bemerkt, daß es sich bei sämtlichen Saponinen nicht 
um eine Hämolyse im buchstäblichen Sinne, sondern nur um 
den Austritt des Hämoglobins aus dem Stroma, nicht aber um 
die Auflösung der Stromata handelt. Aus dem Durchsichtig- 
werden der Blutproben nach dem Zusatz von reichlichen Sapo- 
ninmengen möchte man auf völlige Auflösung der Blutkörper- 
chen schließen; dies wäre jedoch ein Trugschluß, der darauf 
beruht, daß die von Hämoglobin befreiten Stromata glashell 
und durchsichtig werden. Auch in dieser Beziehung besteht 
zwischen Saponinen und Sapogeninen kein prinzipieller Unter- 
schied. 


3. Über die Verarbeitung des Kotes auf Sapogenine und 
Saponine. 


Ich komme nun zur Besprechung der Verarbeitung des 
Kotes der Saponintiere. Dieser wurde, gleichgültig ob das 
Versuchstier ein Hund oder ein Huhn war, für mehrere Tage 
gesammelt, getrocknet (auf der Platte des Wasserbades), zer- 
rieben und mit Petroläther oder Äther im Soxhletapparat aus- 
gekocht. Dieses Auskochen entfernt das für die weitere Ver- 
arbeitung sehr störende Fett und gleichzeitig damit auch das 
noch mehr störende Cholesterin bzw. Phytosterin und Koprosterin. 
Wie Ransom gefunden hat, und wie seitdem zahllose Male 
bestätigt worden ist, verbinden sich Saponine leicht mit Chol- 
esterin und verwandten Stoffen zu Saponincholesteriden, die 
keine hämolytische Wirkung besitzen. Auskochen mit Äther 
oder anderen die Cholesterine, nicht aber die Saponine lösen- 
den Stoffen dissoziiert diese Verbindungen und macht die Sapo- 
nine wieder frei. Vermutlich verhalten sich die Sapogenine analog. 
Unter allen Umständen mußte ich also durch dies Auskochen 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 229 


im Soxhlet fettfreien und cholesterinfreien Kot bekommen, 
während seine Saponine und Sapogenine, die weder im Äther 
noch im Petroläther löslich sind, nicht mit ausgezogen, und die 
vorher an Cholesterin gebundenen frei gemacht wurden. Auch 
in den genannten Extraktionsmitteln lösliche Farbstoffe wurden 
gleichzeitig mitentfernt. 

Der mit Äther bzw. Petroläther erschöpfte Kot wurde nun 
mit 75°/,igem Alkohol ausgekocht. In etwa 75°/,igem Alkohol 
lösen sich in der Hitze fast alle Saponine und Sapogenine ge- 
nügend gut, um sie bequem extrahieren zu können. Meist 
wurde hinterher auch noch mit 96°/,igem nachgekocht. Da 
mein Versuchshund nur mit Rindermagen, der mit Wasser gut 
ausgewaschen war, gefüttert wurde, waren störende fremde 
Stoffe nicht in der verabreichten Nahrung anwesend. Im 
Hühnerkot machte die Entfernung schwarzgrüner Gallenfarb- 
stoffe gewisse Schwierigkeiten. 

Die Rückstände der verdunsteten alkoholischen Lösungen 
der Sapogenine des Kotes wurden in heißem destilliertem 
Wasser nach Zusatz einiger Tropfen Natronlauge aufgenommen, 
dieser Auszug filtriert und aus dem braunen Filtrate die 
Sapogenine durch Salzsäure wieder ausgefällt. Die auf dem 
Filter gesammelten Sapogenine wurden mit Wasser gewaschen 
und nun in physiologischer Kochsalzlösung unter Neutralisierung 
mit kohlensaurem Natrium gelöst, filtriert und so verwendet. 
Meist begnügte ich mich mit dem Nachweis hämolytischer 
Wirkung. Jedoch gaben sie zum Teil auch die chemischen 
Reaktionen der Sapogenine deutlich. Mehrmals habe ich, wo 
die beschriebene Reinigung ungenügend war, die Sapogenine 
erst durch Lösen in heißem Methylalkohol und sodann nach 
dem Vorgange von Brandl aus Essigäther umgereinigt. Man 
bekommt dann in der Essigätherlösung ein viel reineres Sapo- 
genin. Jedoch scheint meist auch in den in Methylalkohol 
löslichen, in Essigäther aber unlöslichen dunklen Massen unter 
Umständen noch ein Sapogenin enthalten zu sein. Nach den 
Versuchen Sieburgs mit den Sapogeninen des Helleboreins ist 
dies nicht verwunderlich, denn auch er fand bei der Helle- 
boreinspaltung stets zwei Sapogenine, Boßard bei der Spaltung 
der Kastaniensaponine sogar deren drei. 

Von Substanzen des normalen Kotes, die hämolytisch 


230 H. Bäck: 


wirken könnten, kommen die Gallensäuren!) in Frage. Ich 
habe jedoch bei Vorprüfungen am Kot des Huhnes und Hundes, 
niemals bei dem von mir gewählten Verfahren eine Hämolyse 
beim blinden Versuch eintreten sehen. Nach Voraussenden 
dieser Angaben dürften nun meine Versuche verständlich sein. 


4. Versuche an lebenden Tieren. 


Versuch 1. 

Versuchstier: eine mittelgroße Henne von ca. 2000 g. 

Versuchssubstanz: Sapindussaponin der Firma Hoffmann-La Roche 
aus dem Fruchtfleisch einer Sapindusart. 

1. Fütterung am 3. VI. 13 mit 1 g Sapindussaponin. Das Tier bleibt 
gesund, bekommt keinen Durchfall. 

2. Fütterung am 4. VI. 13. mit 1g Sapindussaponin. Das Tier er- 
krankt, Kotmenge gering, wässerig. Wegen der Erkrankung wird das 
Huhn von jetzt ab nur alle 2 Tage mit Sapindussaponin gefüttert. 

3. Fütterung am 6. VI. 13 mit 1 g Sapindussaponin 


4. n n 8. VI. 13 n In n 
5. n » 10. VI. 13 » 1» n 
6. n » 12. VI. 13 » 1» n 
T n n 14. VI. 13 » In n 


Das vom 3. bis 15. Juli isolierte Huhn kommt am 15. Juni wieder 
in den gemeinsamen Hühnerstall. Es ist gesund geblieben. 

Die Untersuchung des Kotes auf ausgeschiedenes Sapindus- 
sapogenin erfolgte in mehreren Portionen. 

a) Der Kot, der bis zum 4. VI. abends entleert wurde, wurde ge- 
sammelt, getrocknet, im Soxhlet-Apparat entfettet und nach Entfernung 
des zum Entfetten verwendeten Petroläthers mit Alkohol extrahiert. 
Der alkoholische Auszug wurde eingedunstet. Er stellte eine grün- 
schwarze, schmierige Masse dar. Nun wurde der Verdunstungsrückstand 
mit destilliertem Wasser und einer Spur Natronlauge gelöst, die Lösung 
filtriert. Das Filtrat wurde mit verdünnter Salzsäure ausgefällt. Hier- 
auf wurde abermals filtriert, sodann der Filterrückstand mit physiologi- 
scher Kochsalzlösung -+ wenig Natriumcarbonat aufgelöst. Nun wurde 
abermals filtriert und schließlich das alkalisch reagierende Filtrat. neu- 
tralisiert. Seine Menge betrug ca. 15 ccm. 

Prüfung eines Teiles des Filtratesmit Katzenblutkörperchen??|,. 
1. Glas: 5 com Katzenkörperchen+ 5 cem phys. Kochsalzlösung (Kontrolle) 
2. n 5 n 2°/, n +3 n n n n 

+2 der Lösung des Sapogenins 


n 
3. n 5 n 2%, n +4 n physiolog. Kochsalzlösung 
+1 n» der Lösung des Sapogenins. 


1) Vgl. darüber in Koberts Neuen Beiträgen (Stuttgart 1916/71) 
2, die Arbeit von Karl Scheyven, Über den Saponincharakter der 
Cholsäure. 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 231 


In Glas 2 sofortige Hämolyse. 

In Glas 3 nach 24 Stunden Hämolyse. 

Ergebnis: Es ist eine hämolytische Substanz vorhanden, 
und diese kann, abgesehen von Gallensäuren, nur das aus dem 
Saponin entstandene Sapogenin sein. Da sie im Kot nor- 
maler Hennen fehlt, kommen Gallensäuren nicht in Frage; 
mithin muß sie ein Sapogenin sein. 

Prüfung eines anderen Teiles des Filtrates mit Kaninchenblut. 
1. Glas: 5cem Kaninchenblut + 5 cem phys. Kochsalzlösung (Kontrolle) 


2. kad 5 n n -+ 3 r n n 
der Lösung des Sapogenins 


+2 n 
Bb n 5n n +4 n phys. Kochsalzlösung 
+1 » der Lösung des Sapogenins. 


In Glas 2 sofortige Hämolyse. 
In Glas 3 nach 24 Stunden noch unvollständige Hämolyse. 


Ergebnis: Wie mit Katzenblut, so läßt sich auch mit 
Kaninchenblut die Anwesenheit eines Sapogenins dartun. 

Da das Sapogenin trotz der oben besprochenen Umfällung noch 
grün-schwarz war, wurde es noch zweimal umgefällt und dann in Essig- 
äther gelöst, filtriert und das relativ helle Filtrat verdunstet. Der Ver- 
dunstungsrückstand wurde wieder gelöst und zu zwei Versuchen mit 
Schweineblut und Hammelblut benutzt. 

Schweineblutkörperchen 2°/,. 

Sapindussapogenin in 10 cem gelöst. 

1. Glas: 5ccm 2°/, Schweineblut + 5 ccm phys. Kochsalzlösung (Kontr.) 


2. n 9 n 2%, = | + 3 n n n 
+2 » Sapindussapogeninlösung 
9. a» © r 20 n + 4 n» physiolog. Kochsalzlösung 


+1 n der Sapindussapogeninlösung. 

Bei Glas 2 vollständige, bei Glas 3 fast vollständige Hämolyse nach 
24 Stunden. 

Ergebnis: Auch mit Schweineblutkörperchen läßt sich die 
Anwesenheit eines Sapogenins dartun. 

Hammelblutkörperchen 2°/,. 

Sapindussapogenin in 10 ccm gelöst. 
1. Glas: 5ccm 2°/, Hammelblut + 5 cem phys. Kochsalzlösung (Kontr.) 


%. nn 5 » 2% n +3 n phys. Kochsalzlösung 
+2 » Sapindussapogeninlösung 

3. n ön 2% n 4+4 n physiol. Kochsalzlösung 
+1 » Sapindussapogeninlösung. 


Totale Hämolyse bei Glas 2. 
Partielle Hämolyse bei Glas 3. 


232 H. Bäck: 


Ergebnis: Selbst die Körperchen des schwer reagierenden 
Hammelblutes können zum Nachweis des Kotsapogenins der 
Henne benutzt werden. 

b) Die Untersuchung des Kotes, der vom 4. bis 6. Juni 1913 ent- 
leert wurde, ergab nichts, wohl weil ich das Sapogenin zu verdünnt 
gelöst hatte. 

c) Untersuchung des Kotes, der vom 6. bis 7. Juni 1913 entleert 
wurde. 

Behandlung des Kotes zur Sapindussapogeningewinnung wie bei a. 

Menschenblutkörperchen 2°/,. 

Sapindussapogeninlösung ca. 5 cem. 

1. Glas: 5ccm 2°/, Menschenblutkörperchen + 5 cem Hahn Kochsalzlösg. 


(Kontrolle) 

2.0 rm 2, “ +3 » phys. Kochsalzlösung 
+2 n der Sapindussapoge- 

ninlösung 

3. nn 5 nn 2% n +4 n»n phys. Kochsalzlösung 
+1 n»n Sapindussapogenin- 

lösung. 


Bei Glas 2 und 3 sofortige Hämolyse. 

Ergebnis: Im Kot des 7. bis 8. Juni war sicher ein auf 
Menschenkörperchen hämolytisch wirkendes Sapogenin enthalten. 

d) Der Kot vom 9. bis 10. Juni. Behandlung des Kotes zur Sa- 
pindussapogeningewinnung wie bei a. 

Menschenblutkörperchen 2°/,. 

Sapindussapogeninlösung ca. 12 cem. 
1. Glas: 5ccm 2°/, Menschenblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalzlösg. 


(Kontrolle) 

2. n 5 nn 2% » +5 n» der Sapindus- 
sapogeninlösung 
9. n 5 n» 2%, > +1 » phys. Kochsalzlösg. 


+4 » der Sapindus- 

sapogeninlösung. 

Bei Glas 2 totale, bei Glas 3 fast totale Hämolyse nach 24 Stunden. 

Ergebnis: Auch der Kot des 9. bis 10. Juni enthielt ein 

auf Menschenblutkörperchen hämolytisch wirkendes Sapogenin. 

e) Der entfettete Kot vom 11. bis 12. Juni 1913 wird zur Unter- 

suchung auf unzersetztes Sapindussaponin mit physiolog. Kochsalzlösung 

ausgezogen, filtriert und das Filtrat zu folgendem Versuch verwendet: 
Hundeblutkörperchen 2°|,. 

Auszug aus dem Kot mit physiologischer Kochsalzlösung ca. 20 ccm. 


1. Glas: 5cem 2°/, Hundeblutkörperchen + 5cem physiolog. Kochsalz- 
lösung (Kontrolle) 


2 u 5.2 ” +5 ,„ der Lösung 
Zo na 4 n 2°, n +6 » n n 
4, n 3 ” 29), n +- 7 ” ” ” 


Keine Hämolyse nach 24 Stunden. 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 233 


Ergebnis: Offenbar hatte das Huhn das verfütterte Sa- 
ponin jetzt weiter abgebaut als bisher, so daß ein wirksames 
Sapogenin nicht mehr zu finden war. ; 

f) Der Kot, der vom 12. bis 15. Juni entleert wurde, wird mit 
Petroläther entfettet, dann mit physiologischer Kochsalzlösung extrahiert 
und der Auszug auf Sapogenine untersucht. Es ergaben sich ca. 20 ccm 
Lösung. 

Menschenblutkörperchen 2°/,. 

Kochsalzauszug des Kotes mit Sodazusatz. 


1. Glas: 5 ccm 2°/, Menschenblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalz- 
lösung (Kontrolle) 


2. n 4» 2% ” +6 » des Auszuges 
8B. >» In 29, n + sn ” n 
4. ” In 2%, n -+ 38 s» r n 

+ 2 » physiolog. Koch- 


salzlösung. 
Wie bei Portion e keine Hämolyse nach 24 Stunden. 


Ergebnis: Wie bei e negativ. 


Gesamt-Ergebnisse aus Versuch 1. 


Bei Fütterung von je 1,0 neutralem Sapindussaponin zwei 
Tage hintereinander bekommt ein mittelgroßes Huhn infolge 
Reizung der Darmschleimhaut Durchfall, während einen 
Tag um den anderen die Fütterung mit 1,0 Sapindussaponin 
noch 5mal erfolgen kann, ohne daß ernstliche Störungen ein- 
treten. Das Tier erholte sich alsbald vollkommen. ProKilo- 
gramm Tier wird also von einem Mittelhuhn etwa ein 
halbes Gramm Sapindussaponin, auf einmal jeden 
zweiten Tag verfüttert, vertragen. Würde diese Dose 
dagegen quantitativ resorbiert worden sein, so wäre vermutlich 
der Tod eingetreten. Aber die Resorption von Saponin 
war eben eine nur sehr geringe oder sie war sogar 
fast gleich Null. 

Der Kot enthielt niemals unverändertes wasserlösliches 
Saponin, das durch die Salzsäurereaktion oder hydrolytische 
Spaltbarkeit nachweisbar gewesen wäre. Von Ausscheidung 
des Saponins als solchen durch den Kot ist also keine Rede. 
Es war vielmehr die Gesamtmenge des gefütterten 
Saponins oder wenigstens des unresorbiert geblie- 
benen hydrolytisch gespalten. Diese Spaltung dürf- 
tem die Darmenzyme im Verein mit der normalen 
Darmflora besorgt haben. Entsprechend dieser Spaltung 


234 H. Bäck: 


ließ sich dem völlig entfetteten Kote durch heißen Alkohol 
ein im Gegensatz zum Saponin wasserunlösliches Sapogenin 
entziehen. Dies erwies sich auch in angesäuerter physio- 
logischer Kochsalzlösung unlöslich, in alkalischer 
aber löslich. Dies gab mir die Möglichkeit, sehr bequem 
eine gewisse Reinigung, d. h. die Abtrennung aller in Wasser 
unlöslichen Stoffe vorzunehmen. 

Zum Entfernen weiterer grünbrauner Verunreinigungen 
wurde das Sapogenin dann noch in Essigäther gelöst. Wie 
viele Sapogenine löste es sich darin gut. Ob die ungelöst 
bleibende dunkle Masse noch ein zweites, in Essigäther unlös- 
liches Sapogenin enthielt, habe ich nicht untersucht. Ich halte 
dies jedoch für nicht unmöglich, da auch bei der Verfütterung 
anderer Saponine ein Gemisch von Sapogeninen entsteht. Sowohl 
vor als auch nach der Essigätherreinigung gelang es mir, wenn 
auch nicht bei jeder Kotportion, die hämolytische Wirkung 
des Sapogenins deutlich darzutun, und zwar nicht nur für 
serumfreie Blutkörperchen, sondern auch für serumhaltiges 
Blut verschiedener Tierarten. Normaler Hühnerkot enthält 
keine derartige Substanz. 

In den Portionen e und f, in denen ich keine Substanz 
mit hämolytischer Wirkung fand, war höchstwahrscheinlich 
weder die Hauptmenge des Saponins unzersetzt resorbiert, noch 
meine Extraktion dieses Stoffes ungenügend gewesen. Da ich 
nämlich in jeder dieser Portionen unzweifelhaft eine aus alka- 
lischer Lösung beim Ansäuern ausfallende Substanz von Sapo- 
genincharakter hatte, so geht daraus hervor, daß hier doch 
immer wenigstens ein Sapogenin vorhanden war, nur war es 
nicht das hämolytische. Es ist nämlich nach Versuchen mit 
anderen Saponinen denkbar, daß an den genannten Tagen im 
Kot in überwiegender Menge nur ein weiter abgebautes 
Sapogenin enthalten war, das nicht mehr hämolytisch 
wirkte. Die Darmferınente hatten eben allmählich gelernt, 
das Saponin tiefer abzubauen. Die hämolytische Wirkung 
kommt allen Anfangssapogeninen zu, den unlöslichen Endsapo- 
geninen aber nicht durchweg. 


Versuch 2, 


Versuchstier: eine mittelgroße Henne von ca. 2000 g. 
Versuchssubstanz: Quillajasaponin der Firma Sthamer in 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 235 


Hamburg. Die Versuchssubstanz ist ein Gemisch von Quillajasäure mit 

relativ wenig Quillajasapotoxin. 

1. Fütterung am 3. VI. 1913 mit 1,0 g Quillajasaponin. Das Tier hat 
nach wenigen Stunden Durchfall und frißt nicht mehr. 

2. n am 4. VI. 1913 mit 1,0 g Quillajasaponin. Das Tier ist 
noch krank. Kot wässerig (deshalb jeden zweiten Tag 


Fütterung). 
3. n am 6. VI. 1918 mit 1,0 g Quillajasaponin. 
4. n » 8. VI. 1913 » 1,0» n 
5. n » 10. VI. 1913 » 1,0» n 
6. n n» 12. VI. 1913 » 10» ” 


Das Tier blutet am Vormittag des 12. VI. sehr stark. Quelle der 
Blutung unbekannt, nur ist sicher, daß das Blut aus dem Magendarm- 
kanal stammt. Da das Tier am 14. VI. morgens aus dem Schnabel 
reichlich hellrotes Blut verliert, das wohl aus dem Vormagen oder Kropf 
stammt, und sehr matt ist, wird der Versuch mit der Fütterung abge- 
brochen. Das Tier erholte sich langsam, aber vollständig. 

Die Untersuchung des Kotes auf ausgeschiedenes 
Quillajasapogenin ergab folgendes: 

a) Der vom 3. auf 4. Juni 1913 entleerte Kot wird gesammelt, 
getrocknet, im Soxhlet-Apparat mit Petroläther entfettet und nach Ent- 
fernung des Äthers mit 75°/, Alkohol heiß extrahiert. Der alkoholische 
Auszug wird eingedampft. Der Verdunstungsrückstand ist eine tief- 
grüne Masse. Diese wird mit Essigäther in zwei Teile getrennt, in 
einen darin löslichen und einen darin unlöslichen. 

Der in Essigäther lösliche Teil wird nach Verdunsten des 
Essigäthers in physiologischer Kochsalzlösung unter Zusatz von kohlen- 
saurem Natron gelöst, filtriert, die alkalische bräunlich-gelbe Lösung bis 
zur Neutralität abgestumpft und an Katzenblutkörperchen geprüft. 

Katzenkörperchensuspension 1°/,. 

Quillajasapogeninlösung aus dem Kot (ca. 9 cem). 

1. Glas: 5 cem 1°), Katzenkörperchensuspension + 5 cem physiologische 

Kochsalzlösung (Kontrolle) 

2 r 5» 1% » + 1 cem phys. Kochsalslösung 
+ 4 » der Lösung 


3. nn 5» 1% » +3 » phys. Kochsalzlösung 
+ 2 » der Lösung 

4. nr 5 » 1% ” + 4 » phys. Kochsalzlösung 
+ 1 » der Lösung. 


Keine Hämolyse nach 24 Stunden. 

In gleicher Weise wird der in Essigäther unlösliche Teil in 
physiologischer Kochsalzlösung 4 Natronlauge gelöst und filtriert. Das 
schwarze Filtrat wurde von neuem mit einigen Tropfen verdünnter HCl 
gefällt, wieder filtriert und erst dann der Niederschlag in Kochsalzlösung 
und sehr wenig Natroncarbonat gelöst und in folgender Weise geprüft: 

Katzenkörperohensuspension 1°/. 


236 H. Bäck: 


Quillajasapogeninlösung aus dem Kot vom 3. bis 4. Juni (ca. 14 com). 
1. Glas: 5 ccm 1°/, Katzenkörperchensuspension + 5 cem phys. Koch- 
salzlösung (Kontrolle) 


2. m 5» 1% n + 5ccem der Lösung 

8,9 “Bar If n + 1 » phys. Kochsalzlösung 
+ 4 n der Lösung 

4. r 5» 1% n + 2 » phys. Kochsalzlösung 
+ 3 n»n der Lösung 

5.» 5 rn 1% n +5 n» phys. Kochsalzlösung 


(Kontrolle). 

Keine Hämolyse nach 24 Stunden. 

Ergebnis: In den ersten zwei Tagen nach Beginn der 
Fütterung findet sich im Kot ‘des Huhnes noch nichts von 
wirksamem Sapogenin. 

b) Untersuchung des Kotes, der vom 4. bis 6. Juni 1913 entleert 
wurde, auf ausgeschiedenes Quillajasapogenin. Behandlung des Kotes 
ohne Reinigung des Sapogenins mittels Essigäther. 

Schweineblutkörperchen 2°,,. 

Quillajasapogeninlösung (ca. 20 cem). 

1. Glas: 5 cem 2°/, Schweineblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalz- 
lösung (Kontrolle) 


% rn 5 n 2% r + 5cem der Lösung 
3%. nn 5 nn 2%, r + 1 » phys. Kochsalzlösung 
+ 4 » der Lösung 


4. n 5 n 2, » + 2 » phys. Kochsalzlösung 
+ 3 » der Lösung 

5. n 5 n 2% r + 3 » phys. Kochsalzlösung 
+ 2 » der Lösung 

6. r 5. 2% è » +4 n» phys. Kochsalzlösung 
+ 1 » der Lösung 

Too n Sn Zh n +5 » phys. Kochsalzlösung 


(Kontrolle). 
Bei 2 und 3 vollständige Hämolyse nach 30 Minuten. 
Bei 4 vollständige Hämolyse nach 16 Stunden. 
Bei 5 und 6 partielle Hämolyse nach 16 Stunden. 


Ein kleiner Rest der Quillajasapogeninlösung aus dem Kote vom 
4. bis 6. Juni wird noch mehrmals in Natronlauge gelöst und mit Säu- 
ren ausgefällt. Dann wird auf dem Filter die Fällung getrocknet und 
nach völligem Trocknen in Essigäther gelöst durch dreimaliges Über- 
gießen mit vorher angewärmtem Essigäther. Dann wird gesondert die 
in Essigäther lösliche Portion und die darin unlösliche untersucht. Beide 
Teile werden in alkalischer Kochsalzlösung gelöst und je auf 4 ccm ge- 
bracht. Nun werden sechs Proben aufgestellt zu je 5cem mit 2 Tropfen 
Menschenblutkörperchen. 
1. Glas: 5 cem (1. Kontrolle) 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 237 


. Glas: 3 ccm des in Essigäther Re) es erfolgt nur sehr lang- 


In mn n n sam Hämolyse 


5 n (2. Kontrolle) 
3 n des in Essigäther perea es erfolgt rasch totale 
Hämolyse. 
Ergebnis: Während im Kot der ersten beiden Tage kein 
Sapogenin enthalten war, ließ sich solches im Kot der folgen- 
den 2 Tage wohl nachweisen. Dieses Sapogenin, das durch 
mehrmaliges Umfällen aus dem Hühnerkot nach der bekannten 
Methode gewonnen wurde, ließ sich durch Behandlung mit 
Essigäther in zwei Teile teilen. Der in Essigäther lösliche 
Teil ist nur spurweise gefärbt und wirkt stark hämolytisch, 
und der in Essigäther unlösliche Teil ist sehr dunkel und ent- 
hält nur noch Spuren der wirksamen Substanz. Offenbar 
handelt es sich auch hier um zwei Sapogenine, von denen 
nur das eine noch deutlich hämolytisch wirkt. 


D e a oD 


3 3 3 3 


l n nn n n 


c) Untersuchung des Kotes, der vom 6. bis 8. Juni 1913 entleert 
wurde. Behandlung des Kotes zur Gewinnung von Quillajasapogenin- 
lösung wie bei b. 

2 ccm 2°/,ige Menschenblutkörperchen + 2 com Quillaja- 
sapogeninlösung ergab fast totale Hämolyse nach 24 Stunden. 

Ergebnis: Wiederum ließ sich im Kot wirksames Sapo- 
genin nachweisen; die Ausscheidung dieser Substanz dauert 
also an. 

d) Kot vom 8. bis 10. Juni. Behandlung des Kotes wie bei b. 

Menschenblutkörperchen 2°], 

Quillajasapogeninlösung aus dem Kot (ca. 15 ccm), ohne Essig- 
ätherreinigung gewonnen. 

1. Glas: 5 cem 2°/, Menschenblut + 5 com phys. Kochsalzlösung 
(Kontrolle) 


2 n»n 5 n 2% n +5 n» der Quillajasapogeninlösung 
3B n 5 n 2h » +3» » n 

+ 2 » phys. Kochsalzlösung 
4 » 5 n 2h n +4» n n 

+ 1 » der Quillajasapogeninlösung. 


Bei 2 totale, bei 3 und 4 partielle Hämolyse nach 24 Stunden. 

Ein Rest der Sapogeninlösung aus dem Kote vom 8. bis 10. Juni 
wird nach obigen Versuchen mit HCl ausgefällt und dann auf dem 
Filter gewaschen. Der trockene Filterrückstand wird im Wasserbad mit 
essigsaurem Äthyl ausgezogen. Diese Lösung wird zur Trockene einge- 
dampft. Sodann wird der Verdunstungsrückstand in pbhysiologischer 
Kochsalzlösung +- Natroncarbonat gelöst und zu folgendem Versuche 
verwendet: 

Biochemische Zeitschrift Band 86. 16 


~ 238 H. Bäck: 


1. Glas: 5 ccm Katzenblutkörperchen -+ 5 cem phys. Kochsalz- 

lösung (Kontrolle) 

2. » 5 n» Katzenblutkörperchen + 5 cem Quillajasapogeninlösung. 
Bei Glas 2 erfolgte sofortige totale Hämolyse. 


Gesamt-Ergebnisse von Versuch 2. 


Das Handelssaponin der Firma Sthamer aus der Quillaja- 
rinde wirkt stärker reizend auf die Schleimhäute des Huhnes 
als das Sapindussaponin. Daher bekam das Tier schon am 
ersten Tage nach 1,0g des Präparates (entsprechend 0,72 g 
reinen Saponinen) Durchfall und nach sechsmaliger Fütterung 
binnen 42 Tagen blutige Entleerungen aus dem Schnabel, die 
wohl auf Blutaustritt in den Kropf schließen lassen. Das Tier 
erhielt pro Kilogramm Körpergewicht ca. 0,5 g Quillajasaponin. 
Trotzdem überstand das Tier diese Dosen von 6 je 0,5 g 
pro Kilogramm jeden zweiten Tag und erholte sich wieder. 
Der Kot der ersten zwei Tage enthielt noch zu wenig Sapo- 
genin, um damit Hämolyse erzeugen zu können, der der fol- 
genden Tage aber reichlich. Das Sapogenin der späteren Kot- 
proben ließ sich durch Essigäther in 2 Teile teilen, die beide 
hämolytisch wirkten; der helle in Essigäther lösliche Teil wirkte 
aber stärker. 


Versuch 3. 


Versuchstier: ein mittelgroßer Hund (17 kg). 

Versuchssubstanz: Sthamersches Quillajasaponin, d. h. ein 
Gemisch von Quillajasäure und Sapotoxin mit 18°/, Verunreinigungen. 

Ein Hund, der schon zu Versuchen mit anderen Saponinen gedient 
hatte, wird 2 Monate später täglich mit je einem Gramm Sthamerschen 
Quillajasaponin gefüttert und zwar vom 18. bis 28. Juni. Da das Tier 
am 28. Juni Durchfall bekommt, wird mit der Quillajasapogeninfütterung 
ausgesetzt. Vor der Darreichung des Saponins enthielt der Kot nichts 
Hämolytisches, 

Wie bei Versuch 1 und 2 wird auch der Hundekot, der vom 18. 
bis 22. Juni entleert wurde, auf Sapogenine untersucht. 

Der wie bei Versuch 1 und 2 gewonnene Alkoholauszug des ent- 
fetteten Kotes wird zum Teil auf Sapogenine untersucht, indem der 
Verdampfungsrückstand des Alkoholauszuges in physiologischer Koch- 
salzlösung + etwas Natriumcarbonat gelöst wird. 

Hühnerblutkörperchen 2?|,. 

Sapogeninlösung aus dem Kot vom 18. bis 22. Juni (ca. 16 ccm). 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 239 


1. Glas: 5 com Hühnerblutkörperchen + 5 cmm phys. Kochsalzlösung 


(Kontrolle) 
2 n 5n n +5 n } der Lösung des 
3. n 5 n n + 4 » Sapogenins 


+1 » phys. Kochsalzlösung. 


Totale Hämolyse bei 2 und 3 nach 24 Stunden. 

Der Rest der noch vorhandenen Lösung wird mit HCI wieder 
ausgefällt und filtriert. Der Filterrückstand wird in heißem, essigsaurem 
Athyl gelöst und die Lösung filtriert. Das Filtrat wird sodann zur 
Trockene verdampft, der Verdunstungsrückstand in physiologischer 
Kochsalzlösung -+ einigen Tropfen Natroncarbonat gelöst und die sehr 
schwach alkalische Lösung zu folgendem Versuch verwendet. Die 7 ccm 
der Lösung werden auf folgende Weise geprüft. 


1. Glas: 5 com der Lösung + 2 Tropfen Menschenblut 

+ 3 cem phys. Kochsalzlösung 
2 n 2» n » -+ 1 Tropfen Menschenblut. 
Bei 1 und 2 sofortige totale Hämolyse. 


Ergebnis: Im Kot des Hundes tritt nach Darreichung 
von Sthamerschem Saponin schon in den ersten Tagen eine 
auf Hühnerkörperchen und auf Menschenblut hämolytisch wir- 
kende Substanz auf, die ihrer Darstellung nach Sapogenin 
sein dürfte. 

Es war jetzt noch nötig, den Kot auf etwaige Anwesen- 
heit von unveränderten Saponinen zu prüfen. 


Ein Teil des alkoholischen Auszuges aus dem Kot wird mit wäs- 
serigem Bleiessig ausgefällt und filtriert. Der Filterrückstand wird ge- 
löst in verdünnter Lösung von Natroncarbonat. Das Filtrat wird mit 
verdünnter Schwefelsäure zur Entfernung des etwa noch vorhandenen 
Bleies versetzt, fast .zur Neutralität abgestumpft und filtriert. Etwa 
vorhandenes Sapogenin mußte in der noch spurweise sauren Lösung 
ungelöst bleiben, Quillajasapotoxin und Quillajasäure sich aber lösen. 
Nun wurde etwas Kochsalz zugesetzt, um die Lösung isotonisch zu 
machen. 


Menschenblutkörperchen 2°|,. 
Die Lösung der fraglichen Saponine betrug 8 com. 
1. Glas: 5 com Menschenblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalzlösung 


(Kontrolle) 

2 n 5n n` + 1 » phys. Kochsalzlösung 
+ 4 n der fragl. Lösung 

B n 5n» n + 21/, ccm phys.Kochsalzlösung 


+ 2*/, n der fragl. Lösung. 


Bei 2 und 3 Spuren einer Hämolyse nach 24 Stunden. 
` 16* 


240 H. Bäck: 


Ergebnis: Anwesenheit von Spuren eines unzersetzten 
Glykosides ist zuzugeben. Die Menge war aber so gering, daß 
es nicht gelang, sie abzuscheiden und weiter zu reinigen. 


Gesamt-Ergebnisse von Versuch 3. 


Ein Hund von 17 kg vertrug 10 Tage lang täglich per os 
ein ganzes Gramm Sthamersches Quillajasaponin, d.h. 0,72 g 
reine Saponinsubstanzen der Quillajarinde Erst dann bekam 
er Durchfall. Im Kote schon der ersten 4 Tage war Sapo- 
genin nachweisbar. Es wirkte auf Hühner- und Menschenblut 
hämolytisch. ‚Neben Sapogenin enthielt der alkoholische Kot- 
auszug vielleicht Spuren von unzersetzten Saponinen. 


Versuch 4. 


Versuchstier: mittelgroßer Hund (derselbe wie bei Versuch 3). 

Versuchssubstanz: 1 g Sapindussaponin pro die. 

Nachdem sich der Hund von Versuch 3 völlig erholt hat und der 
Kot völlig sapogeninfrei geworden ist, beginnt am 5. Juli wieder die 
Fütterung des Tieres, diesmal mit 1,0 g Sapindussaponin täglich. Am 
9. Juli bekommt der Hund wieder Durchfall. Mit diesem Tag wird die 
Verfütterung von Sa pindussaponin daher wieder ausgesetzt. 

Der vom 5. bis 9. Juli entleerte Kot wird wie bei Versuch 3 auf 
Sapogenine untersucht. Die Methodik ist dieselbe wie vorher. Die 
schwach alkalische Sapogeninlösung (ca. 9 ccm) wird mit 2°, Pferde 
blutkörperchen auf Sapogenine geprüft: 

1. Glas: 5 cem 2°/, Pferdeblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalzlösung 
(Kontrolle) 

2 n Dna n +5 » Sapindussapogenin- 
lösung. 

In Glas 2 sofortige Hämolyse. 

Der Rest der Lösung wird mit HC] ausgefällt und filtriert, der 
Filterrückstand sodann in heißem, essigsaurem Äthyl gelöst, filtriert, 
zur Trockene verdampft, in physiologischer Kochsalzlösung + Natron- 
carbonat gelöst, zur Neutralität abgestumpft und dann zu folgendem 
Versuch verwendet: 

Menschenblutkörperchen 2°/,. 

Sapindussapogeninlösung ungereinigt (ca. 4 cem). 

1. Glas: 5 ccm 2°/, Menschenblutkörperchen + 5 ccm phys. Kochsalz- 
lösung (Kontrolle) 


2%. n 5. n 2% n + 2 » der Sapindussapo- 
geninlösung 

3. n»n Athan 29%, n + 2!/, cem der Sapindus- 
sapogeninlösung . 


In Glas 2 und 3 sofortige Hämolyse. 


Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 241 


Ergebnis: Im Kot ist auch nach der Fütterung von 
Sapindussaponin Sapogenin nachweisbar. 


"Gesamtergebnisse der Versuche bei Verfütterung von Sapin- 
dussaponin und Quillajasaponin. 

Beide bei meinen Versuchen verwendeten Saponine, Sa- 
pindussaponin sowohl wie Quillajasaponin reizen den Magen- 
darmkanal, letzteres stärker. Dieser Satz scheint für Vögel 
(Huhn) und fleischfressende Säugetiere (Hund) zu gelten. 

Sapindus- und Quillajasaponin werden der Hauptmenge 
nach im Magendarmkanal gespalten. 

Diese Spaltung ist eine fermentative und eine mikrobische. 
Dabei entsteht Zucker und ein Sapogenin. Der Zucker bzw. 
das Zuckergemisch schwindet vermutlich sehr rasch, sei es, 
daß es resorbiert, sei es, daß es durch Mikroben zu Säuren 
abgebaut wird. Das Sapogenin ist zunächst ein Anfangssapo- 
genin bzw. ein Gemisch zweier Anfangssapogenine Beim Huhn 
scheint nach einiger Zeit die Umwandlung weiter zu gehen, 
mindestens bis zu einem Endsapogenin. 

Diese Sapogenine werden gar nicht oder wenigstens 
nicht vollständig resorbiert; sie lassen sich deshalb im Kote 
nachweisen. Wie weit dieser Nachweis quantitativ ist, habe 
ich nicht untersucht. - 

Die aus dem Kote ausgezogenen Sapogenine lassen sich 
mit Essigäther in zwei Teile trennen. Dabei ergibt sich für 
Sapindussapogenin 

a) ein in Essigäther lösliches und hämolytisch wirkendes 

Sapogenin; 

b) vermutlich ein nicht hämolytisch wirkendes; 
für Quillajasapogenin 

a) ein in Essigäther lösliches, stark hämolytisch wirkendes 

Sapogenin; 

b) ein in Essigäther unlösliches, weniger stark hämolytisch 

wirkendes Sapogenin. 

Die aus dem Kote ausgezogenen Sapindussapogenine wirk- 
ten hämolytisch auf Katzen-, Kaninchen-, Schweine-, Hammel-, 
Menschen- und Pferdeblut. 

Die aus dem Kote gewonnenen Quillajasapogenine wirkten 
hämolytisch auf Menschen-, Katzen-, Huhn- und Schweineblut. 


242 H. Bäck: Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 


Der Nachweis der Sapogenine gelang gleich gut aus dem 
Hunde- und Hühnerkot. 

Vorstehende Ergebnisse bilden eine Erweiterung und teil- 
weise Bestätigung der Versuche von Brandl und Mayr. Auch 
bei meinen zwei Saponinen ließ sich eben im Kote des Hun- 
des ein Sapogenin nachweisen. Kornradensapotoxin, Sapindus- 
sapotoxin und die beiden Saponine der Quillajarinde werden 
also im Darmkanal des Hundes trotz seiner Kürze der Haupt- 
menge nach fermentativ gespalten. Höchst wahrscheinlich 
beginnt diese Spaltung schon im oberen Dünndarm unter Ein- 
wirkung des Pankreassaftes und Dünndarmsaftes und wird 
dann im Dickdarm durch Mikroben vervollständigt. Für den 
Nachweis von Sapogeninen im Kote des Huhnes weichen 
meine Ergebnisse von denen der genannten Autoren wesentlich 
ab. Sie vermochten im Kote dieses Tieres nach Kornraden- 
sapotoxinfütterung kein Sapogenin zu finden, während bei 
meinen Versuchen nach Verfütterung von Quillajasapotoxin und 
Sapindussapotoxin der Nachweis von Sapogeninen im Kot we- 
nigstens zeitweise gelang. Das Huhn verhielt sich also bei 
meinen Versuchen zeitweise analog dem Hund. 


Über die Ausscheidung von Saponinen durch den Harn 
und ihre Wirkung auf das Blut nach innerlicher Dar- 
reichung. 


Von 
Josef Fieger aus Waldstetten (Baden). 


(Aus dem Institute für Pharmakologie und physiologische Chemie 
zu Rostock.) 


(Eingegangen am 10. November 1917.) 


Inhaltsverzeichnis. 

1. Die wichtigsten Angaben über den Harn nach AET Or 
tölgung A var Tr hen ana è eo o o . 244 

2. Über die Abscheidung und den Nachweis der Sapindussaponine 248 
3. Einige Vorversuche mit käuflichem Sapindussaponin . . . ... 256 
4. Einige Blutversuche mit Sapindussaponin . ....... . a a 200 
5. Einige Blutversuche mit Sapindussapogenin . . .... “0. .268 
6. Einige Tierversuche mit Sapindussaponin. . 2.2... e > .266 
a) an Fröschen . .... BE N A 1er oe 266 

b) an Kaninchen .... 2 222220000. nen 30 AO. 

o) am Hund... ...... ET Sir anaE ai den ae NT 273 

7. Einige Versuche mit Guajaksaponinen . . .. s... 3 | 
a) Versuche mit Guajaksaponin und -sapogenin an Blut . . . 282 

b) Versuche mit Guajaksaponin am Hund ..... RE >|; 

8. Einige Versuche mit Quillajasaponinen . . . . 2 sessa’ 293 


Seinen 1903 erschienenen „Beiträgen zur Kenntnis der 
Saponinsubstanzen“ hat Kobert in den Jahren 1916 und 1917 
zwei Bändchen „Neue Beiträge“ über dieselben Stoffe folgen 
lassen. In diese Serie sollten noch weitere Arbeiten mit Auf- 
nahme finden. Durch den Krieg wurde das Papier zum dritten 
und vierten Bändchen beschlagnahmt. So mag meine Arbeit 
an dieser Stelle der Öffentlichkeit übergeben werden. 


Das erste Bändchen dieser „Neuen Beiträge“ enthält mehrere 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 17 


244 J. Fieger: 


Angaben über das Verhalten von Saponinen im Organismus nach 
innerlicher Darreichung. Meine Versuche, die nach derselben 
Richtung hin liegen, fallen zeitlich zum größten Teil noch vor 
jene und ergänzen sie. 


1. Die wichtigsten Angaben über den Harn nach Saponin- 
verabfolgung. 


Die Auswahl von Notizen, die für uns hier von Wichtig- 
keit sind, kann kurz gefaßt werden. Nik. Kruskal’), der 
das in den nachstehenden Versuchen hauptsächlich angewandte 
Sapindussaponin zuerst prüfte, führt unter seinen zahlreichen 
Versuchen bei Kaninchen auch einen mit innerer Darreichung 
aus, wobei er dem Tiere eine nicht unbeträchtliche Dose dieses 
Saponins verabfolgte. Da sich keine direkten Krankheitserschei-, 
nungen zeigten, so schloß er, daß die Giftigkeit vom Magen- 
darmkanal aus gering ist. Eine genauere Beobachtung des Ver- 
suchstieres fand aber nicht statt. 

Allerdings war auch früher schon bei einigen giftigen Sa- 
poninen auf den Urin hingewiesen worden. So fand Tufanow’), 
daß Cyclamin nach intravenöser Einspritzung Hämoglobinurie 
machen kann. 

Die ersten Versuche am Menschen über die Einwirkung 
eines Saponins auf den Harn stammen von Frieboes°®). Nach- 
dem er selbst 1 g neutrales Guajakrindensaponin innerlich ge- 
nommen hatte, untersuchte er seinen Harn genau daraufhin. 
Er vermutete, daß das Saponin resorbiert und im Harn wieder 
ausgeschieden werden dürfte. In der Tat konnte er aus den 
nächsten Harnmengen nach der sog. Bleimethode Saponin wieder 
abscheiden und rein aus dem Harn darstellen. Es gelang ihm 
auch, diese wiedergewonnene Substanz als Saponin zu identi- 
fizieren, da er durch Hydrolyse dieser Substanz die Spaltungs- 
produkte seines Saponins erhielt. Damit war mit einem Schlage 


1) Nik. Kruskal, Arb. d. pharmakol. Inst. zu Dorpat, heraus- 
gegeben von R. Kobert. 6, 129 bis 135, 1891. 

2) Nik. Tufanow, Über Cyclamin. Ebenda 1, 100, 1888. 

2) W. Frieboes, Beiträge zur Kenntnis der Guajakpräparate. Von 
d. mediz. Fakultät zu Rostok gekrönte Preisschrift (Stuttgart 1903), S. 71 
bis 73. 


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Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine 245 


auf zwei Fragen eine Antwort gegeben. Einmal war bewiesen, 
daß gewisse Saponine auch in Dosen, die noch keinerlei 
pathologische Erscheinungen entzündlicher Art im Magendarm- 
kanal- machen, resorbiert werden. Zweitens aber war es 
nach diesem Versuche unzweifelhaft, daß das in Rede stehende 
Saponin zum Teil in unzersetzter Form im Urin aus- 
geschieden wird. Eine Wiederholung dieses äußerst wichtigen 
Versuches ist allerdings wünschenswert, namentlich nach der 
quantitativen Seite hin. Über die quantitativen Verhältnisse 
ist nämlich bei Frieboes nichts gesagt. Im übrigen war 
bezüglich der Frage der Saponinausscheidung im Harn die 
Praxis der Theorie weit vorausgeeilt. Denn schon seit alters 
benutzte man z. B. bei Blasenleiden die saponinhaltige Herba 
Herniariae mit Erfolg als harntreibenden Tee. Das Herniaria- 
Saponin geht eben auch teilweise in den Harn über. Ich ver- 
weise darüber auf die Versuche von Daebler!), welche die An- 
sicht von Frieboes bestätigen. Die Ansicht von Frieboes 
wurde jedoch auch öfters bezweifelt, z. B. von Wacker?) Er 
bemängelte die Beweisführung von Frieboes, ohne die Versuche 
mit der Frieboesschen Substanz nachgeprüft zu haben, und be- 
hauptete, es werde entweder nur ganz wenig Saponin resorbiert 
oder in Form eines wenig toxischen Umwandlungsproduktes 
durch den Harn aus dem Kreislauf entfernt. Von solchen Um- 
wandlungsprodukten könnten nur die Gruppe der Anfangs- 
sapogenine oder Prosapogenine in Frage kommen. Ich 
muß aber gleich von vornherein betonen, daß es für mich ganz 
gleichbedeutend ist, ob ein Saponin durch den Harn ganz un- 
verändert oder als Anfangssapogenin ausgeschieden wird, da 
die Anfangssapogenine den Saponinen in ihren Wirkungen sehr 
nahe stehen. Als Versuchstiere benutzte Wacker Hunde. Das 
im Laufe seiner Versuche bei seinen Hunden aufgetretene Ei- 
weiß und die im Harnsediment gefundenen Blutkörperchen 
schlägt er gering an und hebt demgegenüber die Gewichts- 
zunahme der Versuchstiere, deren Wert bei bestehenden Nieren- 


1) Friedr. Daebler, Beitr. z. Kenntnis der Zusammensetzung und 
Wirkung des Bruchkrautes. Koberts Neue Beiträge, 1, 88. 
2) Leonhard Wacker, Über d. Wirkung der Saponinsubstanzen, 
diese Zeitschr. 12, 9, 1908. 
17* 


246 J. Fieger: 


schädigungen doch recht zweideutig ist, schr hervor. Auch über 
die bei der Sektion des getöteten Hundes gefundenen objektiv 
nachweisbaren Nierenschädigungen geht Wacker leicht hinweg, 
indem er dergleichen pathologische Veränderungen auch für 
normale Hundenieren in Anspruch nimmt. Ähnliche Resultate 
hatte schon vor Wacker auch Lohmann!). Er benutzte Ka- 
ninchen als Versuchstiere. Beide Autoren verwandten bei ihren 
Versuchen Quillajasaponin, das sich übrigens für diese Zwecke 
schlecht genug eignet. 

So waren also Frieboes’ Ergebnisse von zwei Seiten stark 
angefochten und die beiden Fragen der Resorption und Aus- 
scheidung bei innerer Darreichung wieder fraglich geworden. 
Es lag deshalb nahe, die Behauptung von Frieboes mit ver- 
schieden stark wirkenden Saponinen noch einmal nachzuprüfen. 
Ließ sich dabei die Resorption und Ausscheidung durch den 
Harn in irgendeiner Form nachweisen, so konnte gleichzeitig 
auch die weitere wichtige Frage geprüft werden, ob und welche 
Schädigungen die einzelnen Saponine dem Organismus zufügen. 
Vor allem war es von Bedeutung, zu erforschen, ob die hämo- 
lytische Kraft auch im Organismus irgendwie zur Geltung kommt, 
auch wenn man von den wenigen Saponinen, die erwiesener- 
maßen leicht Hämoglobinurie machen, absieht. In anderer Form, 
d.h. nicht im Anschluß an innere Darreichung, sondern bei 
intravenöser Injektion des Saponins ist diese Frage allerdings 
von Kobert?) schon vor 30 Jahren gelöst worden. Er konnte 
bei intravenöser Injektion von quillajasaurem Natron bei einer 
Katze nach 6 Stunden eine Abnahme der roten Blutkörperchen 
um 25°/, konstatieren. An dem Harn war makroskopisch nichts 
zu sehen. Eine sehr deutliche Sprache bezüglich der Blutzer- 
setzung sprechen auch die Versuche von W. v. Schulz’). Wegen 
der Wichtigkeit gerade dieses Passus für diese Abhandlung 
sollen, soweit als nötig, des Autors eigene Worte hier zitiert 
werden. Nach intravenöser Injektion von Parillin, Sarsa- 
saponin und Smilasaponin, d.h. von drei Saponinsubstanzen der 


1) W. Lohmann, Zeitschr. f. öffentl. Chemie, 9, 320, 1903. 

®) R. Kobert, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 23, 267, 1887. 

3) W. v. Schulz, Arbeiten d. pharmakol. Inst. zu Dorpat, 14, 
66, 1896. 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 247 


Hondurassarsaparille, sagt er von den bei den eingegangenen 
Hunden und Katzen erhobenen Befunden etwa folgendes: 
Alle drei Substanzen haben eine ähnliche Wirkung, die darin 
besteht, daß schon bei Dosen, die nicht tödlich sind, ja die 
sonst keinerlei Erkrankungssymptome hervorrufen, Zersetzung 
roter Blutkörperchen auftritt. Diese zerfallen und geben ihren 
Farbstoff an das Serum ab. War nun die Menge der zerstörten 
Körperchen gering, so wird die Gesamtmenge des in Lösung 
gegangenen Hämoglobins von der Leber und die Gesamtmenge 
des Stromas wohl von der Leber und Milz abgefangen, und es 
kommt zu keinen weiteren Störungen. War die Menge der 
zerstörten Blutkörperchen aber größer, so sind Leber, Milz, 
Knochenmark usw. nicht imstande, die Gesamtmenge des Hämo- 
globins und des Stromas abzufangen, und es kommt zu weiteren 
Störungen im Blute, in der Niere und im Darmkanal. Im Blut 
bildet sich gelöstes Hämoglobin, ev. Methämoglobin und dann 
in der Leber unter Polycholie Gallenfarbstoff, der seiner Massen- 
haftigkeit wegen ins Blut zurücktritt. Alle drei Substanzen, 
d.h. Hämoglobin, Methämoglobin und Gallenfarbstoff, werden 
z. T. durch die Niere ausgeschieden, deren Parenchym dabei 
erkrankt und in deren Kanälchen das gelöste Hämoglobin und 
Methämoglobin z. T. unlöslich, d. h. zu Kathämoglobin wird und 
zur Cylinderbildung und Verstopfung der Glomeruluskapseln, der 
gewundenen und geraden Kanälchen führt. Soweit v. Schulz. 
Ob sich nun diese Vorgänge bis in alle Einzelheiten so ab- 
spielen, bleibe dahingestellt. Jedenfalls aber geht das eine mit 
Sicherheit daraus hervor, daß hämolytisch wirkende Saponine, 
wenn sie direkt in den Kreislauf gebracht werden — und ein 
In-den-Kreislauf-Gelangen muß bei sehr großen Mengen dann 
ja auch vielleicht von den resorbierten gelten — Blutzersetzung 
hervorrufen. In welcher Form der Zersetzungsprodukte sich 
diese nun in den Abfang- oder Ausscheidungsorganen zeigt, 
ist von geringer Bedeutung. Allerdings galt die Behauptung 
v. Schulz’ streng genommen nur für letale Dosen, da er sie 
nur auf Grund seiner Sektionsbefunde aufstellte. Doch vermutete 
er diese Wirkung auch für geringere, d.h. also nicht letale 
Dosen. Dieser Beweis stand für die weniger toxisch wirkenden 
Saponine, die keine Hämoglobinurie machen, bis dato noch aus. 
Entgegen den Behauptungen v. Schulz’ trat in den letzten 


348 J. Fieger: 


Jahren H, Kunkel!) mit der sehr überraschenden Behauptung 
hervor: „Das Saponin wirkt nur in vitro, nicht in vivo erythro- 
lytisch, in vivo vielmehr myelotoxisch.“ Diese Worte würden, 
wenn sie buchstäblich richtig wären, nichts weniger als den 
völligen Umstoß der von Kobert und v. Schulz gemachten 
Beobachtungen bedeuten. Den Fragen über die Möglichkeit der 
Resorption und Ausscheidung im Urin gesellt sich also ohne 
weiteres die dritte hinzu, ob bei stärker wirkenden Saponinen 
und hinreichend großer Dose nach innerlicher Darreichung Blut- 
zersetzung in irgendeiner Form nachweisbar ist. 

Die damit ziemlich genau umschriebene Aufgabe bedingt 
von vornherein eine bestimmte Versuchsanordnung. Es muß bei 
innerer Verabreichung von nicht letalen Dosen der Harn der 
Versuchstiere mindestens auf drei Punkte hin geprüft werden. 
Erstens, ob Saponin im Harn unverändert auftritt; zweitens, 
falls kein unverändertes Saponin nachweisbar ist, ob der Harn 
ein Sapogenin enthält; drittens, ob irgendwelche Blutzer- 
setzungsprodukte im Harn vorhanden sind. Der Nachweis 
etwa unzersetzt ausgeschiedenen Saponins mußte, soweit es eben 
an und für sich hämolytische Wirkung besitzt, je ein leichter 
sein. Dem neutralisierten Harn muß eben dann hämolytische 
Wirkung zukommen. Schwieriger gestaltet sich dieser Nachweis 
für nicht blutlösendes Saponin. Wie er erbracht wurde, zeigen 
die betreffenden Versuche. Für den Nachweis der Blutzerset- 
zungsprodukte war der Weg in den üblichen genaueren Unter- 
suchungsmethoden für solche ja gegeben. 


2. Über die Abscheidung und den Nachweis der Sapindus- 
saponine. 


Nach Anschauung einiger japanischer Autoren muß die 
Trennung der Rohsaponine in saure und neutrale, wie Kobert 
sie in den achtziger Jahren eingeführt hat, auch für die Ver- 
arbeitung der Seifennüsse verschiedener Sapindusarten heran- 
gezogen werden. Das Handelssaponin aus Sapindusnüssen ent- 
hält jedoch nur die neutralen Anteile. Es gibt daher bei Zusatz 


1) Hugo Kunkel, Chemische Beiträge zur Kenntnis der hämo- 
globinämischen Innenkörper (sog. Heinzkörper). Folia Haematologica 14, 
431/32, 1913. 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 249 


verdünnter Säuren keinen Niederschlag von saurem Saponin. 
Für meine Versuche scheidet daher die saure Komponente von 
vornherein aus. Über die Darstellung des Gemisches der neu- 
tralen Sapindussaponine muß ich hier der Kürze halber auf die 
Angaben Koberts und seiner Schüler verweisen und kann nur 
kurz sagen, daß sie nach der Bleimethode, nach der Magnesia- 
methode von Greene sowie nach der Methylalkoholmethode 
darstellbar sind, wenigstens wag das Fruchtfleisch der Nüsse 
von Sapindus Saponaria anlangt. 

Nach Kruskal haben einige auch das anderer Sapindusnüsse auf 
Saponin verarbeitet, so z.B. L. Weil!) das der von Sapindus Muko- 
rossi Gaertn. und O. May?) das der von Sapindus Rarak D.C. 
Dabei erwies sich warme Extraktion des Fruchtfleisches mit 90°/,igem 
Alkohol nach vorheriger Abstumpfung der sauren Reaktion 
durch Magnesia usta als sehr rationell. Die alkoholischen Auszüge 
wurden durch Schütteln mit Petroläther von harzigen Verunrei- 
nigungen befreit und dann das Saponin durch Äther gefällt. 
Durch längeres Kochen mit Bleihydroxyd konnte eine weitere Rei- 
nigung erzielt werden. 

Nach O. May ist die Löslichkeit seines Saponins in Methylalkohßl 
4,51°/,, in absol. Äthylalkohol 1,75°,,, in 96°/,igem 2,86°/,, in ver- 
dünnterem aber noch weit größer. In Äther, Petroläther, Essigäther, 
Chloroform, Benzol und Schwefelkohlenstoff ist es völlig unlöslich. Dies 
trifft auch für das Kruskalsche Präparat zu. Beide Präparate besitzen 
eine weiße Farbe. Der Staub der Pulver erregt Niesen. In Wasser sind 
beide leicht löslich. Die wäßrige dünne Lösung schmeckt zunächst mild, 
dann aber erzeugt sie nachhaltiges Brennen und Kratzen im Halse. Sie 
schäumt beim Schütteln noch bei einer Verdünnung der Substanz von 
1:10000. Je konzentrierter die Lösung ist, desto mehr besitzt sie die 
Fähigkeit, unlösliche Körper in Suspension zu halten. Die wäßrige 
Lösung dialysiert nicht. 

Konzentrierte Schwefelsäure löst das Sapindussaponin himbeer- 
rot auf. Am besten gelingt diese Reaktion im Uhrglas, wobei die Fär- 
bung zunächst am Rande auftritt. Rauchende Salpetersäure löst das 
Sapindussaponin farblos. Konzentrierte Salzsäure löst in der Kälte 
zunächst farblos; beim Erwärmen sowie bei längerem Stehen in gewöhn- 
licher Stubenwärme wird das Gemisch rötlich, zuletzt kirschrot. Kon- 
zentrierte Essigsäure gibt keine Farbenreaktion. Kali- und Natron- 
lauge lösen farblos, wirken aber beim Kochen spaltend und entgiftend. 
Gesättigte Barythydratlösung gibt mit nicht zu verdünnter Lösung 


1) L. Weil, Beitr. z. Kenntnis der Saponinsubstanzen. Diss. Straß- 
burg 1901. 

®) O. May, Chemisch-pharmazeutische Untersuchung der Früchte 
von Sapindus Rarak D. C. Archiv der Pharmazie 244, 25, 1906. 


250 J. Fieger: 


unseres Saponins einen weißen, in überschüssiger Barytlösung nicht lös- 
lichen Niederschlag. Wohl aber ist dieser in dest. Wasser löslich. Kochen 
des Saponins mit Baryt wirkt spaltend und entgiftend. Ansäuern der 
wäßrigen Lösung des Saponins mit beliebigen Säuren wirkt nicht 
ausfällend, wohl aber bei längerem Stehen am Licht langsam spaltend. 
Von obigen Reaktionen sind die mit konzentrierter Schwefel- 
säure und mit konzentrierter Salzsäure bemerkenswert und zum 
Nachweis auch kleiner Mengen verwendbar. Die Reaktion mit 
Salzsäure kommt z. B. den beiden Saponinstoffen des Mai- 
blümchens auch zu. Während aber die Maiblümchensaponine 
sich auch mit Salpetersäure röten, ist dies beim Sapindus- 
saponin nicht der Fall. Kobert konnte die Schwefelsäure- 
reaktion noch wesentlich empfindlicher und schöner gestalten 
durch Zusatz eines Tropfens einer 1°/,igen alkoholischen Lösung 
von frisch destilliertem Furfurol. Diese Furfurolschwefel- 
säurereaktion, als Unterschichtungsreaktion ausgeführt, gibt 
noch bei Mengen weit unter 1 mg unseres Saponins 
einen nach oben hin blauen, nach unten hin roten 
prachtvollen Farbenring. Ich betone aber ausdrücklich, 
daß diese Reaktion auch vielen anderen Saponinen und Sapo- 
geninen zukommt. Ich empfehle ferner dringend, immer einen 
blinden Versuch ohne Saponin daneben zu machen, da Furfurol- 
schwefelsäure sehr leicht an sich etwas Färbung annimmt. 
Auf die Formel der Sapindussaponine wollen wir hier 
nicht eingehen, wohl aber sind die Spaltungsprodukte für 
uns hier von Interesse. Sowohl Kruskal als Weil haben 
Spaltungen vorgenommen. Kruskal erhitzte sein Sapindus- 
sapotoxin mit 2°/,iger Salzsäure im zugeschmolzenen Rohre 
bis auf 140° 3 Stunden lang. Er erhielt 24,12°,, Sapindus- 
sapogenin und 65,38°/, Zucker, den er als ein Gemisch 
von Dextrose und Galaktose ansprach. Er fand, daß beim 
Erhitzen im zugeschmolzenen Rohre bei höherer Temperatur 
auch ohne Säure eine Abspaltung von Zucker eintritt. Weil 
spaltete umgekehrt unter vermindertem Druck bei Anwesenheit 
von 1°/,iger Schwefelsäure. Nach ihm löst sich das frisch ge- 
wonnene Sapogenin in heißem Wasser zu einer trüben, schäumen- 
den Flüssigkeit und wird erst durch scharfes Trocknen wasser- 
unlöslich. Dabei wird es zu einem weißgelben Pulver, das in 
Alkohol und bis auf einen Rest auch in Chloroform gut löslich 
ist. Selbst im Äther ist es etwas löslich. Aus alkoholischer 


Ausscheiduug u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 251 


Lösung scheidet es sich nach Kruskal bei vorsichtigem Ein- 
engen krystallinisch ab. Es gibt die Schwefelsäurereaktion. Den 
Spaltungszucker scheint Weil für einheitlich gehalten zu haben; 
May fand, daß es ein Gemisch aus einer Pentose und einer 
Hexose ist. Kochte Weil das Sapindussapotoxin mit Alkalien, 
so entstand bei nachträglicher Übersättigung mit Säuren ein 
Geruch nach flüchtigen Fettsäuren. Bekanntlich gehen 
die meisten Saponine beim Erhitzen mit Ätzlauge eine solche 
Spaltung ein. 

Die ersten pharmakologischen Versuche über die Wirkung 
des Sapindussaponins bei intravenöser Injektion stam- 
men von Kruskal. Als Versuchstier dient die Katze. Es 
werden verschiedenen Tieren 6 bzw. 10, 20, 33, 46 mg Gift 
pro Kilogramm Tier in die Vena jugularis injiziert. Erst von 
20 mg an zeigten die Tiere vorübergehende Appetitlosigkeit, 
mit 33 mg trat Erbrechen hinzu, doch erholten sich die Tiere 
wieder. Die Dosis von 46 mg pro Kilogramm Tier führte von 
der Halsvene aus nach 48 Stunden den Tod herbei, nachdem 
zuerst Erbrechen, Schwäche und einige Stunden vor dem Exitus 
Lähmung eingetreten war. Die Sektion ergab mäßige Hyper- 
ämie im Magen und unteren Dünndarm, sonst alles normal. 
Demnach mußte das Sapindussaponin im Vergleich zu 
anderen Saponinen, von denen schon ein Milligramm 
pro Kilogramm Tier letal wirkt, als nur mittelstark 
giftig bezeichnet werden. 

Um die Wirkung der Substanz bei Applikation per os zu 
studieren, wurden einem 1500 g schweren Kaninchen mittels 
Sonde 632 mg Sapindussapotoxin von Kruskal in den Magen 
gebracht. Es traten keinerlei Krankheitserscheinungen auf. 
624 mg pro Kilogramm Tier wurden also noch gut vertragen. 
Der Versuch zeigt, daß die Giftigkeit unseres Saponins vom 
Magen-Darmkanal aus für Kaninchen eine sehr geringe ist. 
Dieses Saponin wird im Darm der Pflanzenfresser eben 
nur langsam resorbiert und bei der großen Länge des 
Darmkanales von den sehr reichlich vorhandenen En- 
zymen der Darmschleimhaut und der Darmbakterien 
vorher wohl quantitativ zerlegt und dabei entgiftet. 
Im großen und ganzen scheint dieser Satz für die meisten Sa- 
ponine bei den erwachsenen Pflanzenfressern Geltung zu haben, 


252 J. Fieger: 


während junge noch milchtrinkende die Entgiftung nur un- 
vollkommen auszuführen vermögen. 

Unter die Haut des Rückens gespritzt wurden von mittel- 
großen Feldfröschen 10mg des Kruskalschen Sapindussapo- 
nins ohne jegliche Vergiftungserscheinungen vertragen. Zwei 
andere Frösche von mittlerer Größe wurden bei Injektion von 
je 30 mg dieses Saponins unter die Rückenhaut nach 6 Stun- 
den bewegungslos. Auf Körpergewicht umgerechnet ergibt sich 
1:1100. Am folgenden Tage trat jedoch selbst bei dieser sehr 
großen Dose wieder völlige Euphorie ein. 

Nach der Methode Türck-Setschenow wurden nun die 
beiden Extremitäten eines geköpften, am Bande aufgehängten 
Frosches in 1°/, HCl getaucht. Unter die Haut des einen 
Unterschenkels wurde dann die Giftlösung injiziert und die 
Erniedrigung der Erregbarkeit im Vergleich von dem nicht 
vergifteten Bein festgestellt. Dabei ergab sich, daß für einen 
Frosch von 30 bis 40 g mindestens 5 mg der Giftlösung nötig 
sind, um nach einer Einwirkung von 10 Minuten eben eine 
Herabsetzung der Erregbarkeit durch die HCl herbeizuführen. 
Auf schwache elektrische Ströme reagierte das Bein selbst 
nach Stunden noch prompt. Dosen von 10 und 15 mg, die 
10 Minuten eingewirkt haben, setzen die Erregbarkeit so herab, 
daß beim Eintauchen der Beine in die HCl bei dem vergif- 
teten Bein nach etwa einer halben Minute überhaupt keine 
Zuckung mehr auftritt. Auch schwache elektrische Ströme 
rufen keine Zuckung hervor. Nach einigen Stunden rufen 
selbst die stärksten Ströme keine Bewegungen mehr hervor. 
Diese Versuche zeigen, daß das Sapindussapotoxin bei Ein- 
spritzung größerer Dosen unter die Haut des Unter- 
schenkels auf die sensiblen Nerven des Frosches 
rasch einen lähmenden Einfluß ausübt, während die 
Motilität etwas später und weniger intensiv geschädigt wird. 
Bei der Einspritzung unter die Haut des Rückens erfolgte 
überhaupt keine Wirkung, was wohl zu der Annahme berech- 
tigt, daß das Gift vom dorsalen Lymphsack aus schnell resor- 
biert und ausgeschieden oder im Froschkörper entgiftet wird. 
Die Einspritzung unter die Haut des Unterschenkels 
des Frosches und die Beobachtung der danach ein- 
tretenden Nervenlähmung war früher die übliche Me- 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 253 


thode des Saponinnachweises, bis Kobert den Hämo- 
lyseversuch einführte. 

Bei Warmblütern verläuft der Einspritzversuch unter die 
Haut natürlich ganz anders. Einem Kaninchen wurden von 
Kruskal pro kg Gewicht 88,2 mg unter die Rückenhaut steril 
injiziert. Das Tier blieb munter. Nach einiger Zeit bildete 
sich an der Injektionsstelle ein Absceß, der nach einigen 
Wochen ausheilte. Im übrigen zeigte das Tier gar keine Krank- 
heitssymptome. In den ersten Tagen war leicht zu konsta- 
tieren, daß keine Anästhesie an der Injektionsstelle eintrat, 
sondern im Gegenteil Hyperästhesie und eine Reaktion in Ge- 
stalt einer Eiterung, die aber als eine sogenannte sterile Eite- 
rung wohl aufzufassen ist, eben hervorgerufen durch die lokal- 
reizende Giftlösung. An Menschen rufen alle stärker wir- 
kende Saponine unter der Haut heftige Schmerzen 
und lokale Entzündung hervor. 

Bei äußerlicher Applikation von Saponinlösung auf die 
Froschhaut erfolgt keine lokal anästhesierende Wirkung, bei 
gleicher Anwendung von Cocainlösung aber wohl. Mithin 
kommt also unserm Saponin und allen andern Sapo- 
ninen keine cocainartige Wirkung zu, wie man früher 
irrtümlich vermutet hatte. 

Was die Wirkung des Sapindussapotoxins auf die Musku- 
latur anlangt, machte Kruskal folgenden Versuch. Von den 
beiden präparierten Musculi sartorii eines Frosches wird der 
eine jeweils in eine Sapindussapotoxin-Kochsalzlösung, der 
andere zur Kontrolle nur in Kochsalzlösung gelegt. Dabei gibt 
der Muskel in der 1°/,igen und 0,5°/,igen Giftlösung nach. 
5 Minuten auf leichten Reiz keine Zuckung mehr. Nach kurzer 
Zeit reagiert er selbst auf die stärksten Ströme nicht mehr. 
Eine 0,25°/ ige Giftlösung hebt bei dem viel stärkeren Mus- 
culus gastrocnemius die Erregbarkeit in 30 Minuten auf. Ja 
selbst in einer nur 0,1°/ igen Lösung erlischt die Erregbarkeit 
des Musculus vastus externus nach 1 Stunde 45 Minuten selbst 
für die stärksten faradischen Ströme vollkommen. Aus diesem 
Versuch ergibt sich, daß unser Saponin die Muskelsub- 
stanz in ihrer Vitalität nicht nur schädigt, sondern 
sie sogar rasch total abtötet. Diese Abtötung bewirkte 
das Sapindussaponin noch in einer 1000fachen Verdünnung. 


254 J. Fieger: 


Selbstverständlich werden die kleinen und dünnen Muskel in 
ihrer Vitalität leichter und schneller geschädigt als die großen 
und dicken. Die durch dieses Muskelgift entstehende 
schädliche anatomische Wirkung ist irreparabel. Sie 
kommt gleichmäßig allen stärker wirkenden Sapo- 
ninen bei direktem Kontakt zu. 

Um die Wirkung auf die motorischen Nerven zu stu- 
dieren, wurde der in Zusammenhang mit dem Musculus gastro- 
cnemius herausgeschnittene Nervus ischiadieus eines Frosches 
in eine 1°/ ige Lösung von Sapindussapotoxin in physiologische 
Kochsalzlösung gelegt, während der Muskel in reine Kochsalz- 
lösung kam. Die Erregbarkeit der Nerven hört nach 3 Stunden 
20 Minuten völlig auf, der Muskel reagiert von dieser Zeit selbst 
noch auf die schwächsten Ströme. Ein Kontrollnerv hält sich 
in physiologischer Kochsalzlösung viele Stunden lang. Die 
protoplasmaschädigende Einwirkung desSaponins der 
Seifennüsse hebt also auch die Lebensfähigkeit nicht 
nur der sensiblen Nerven und der Muskeln, sondern 
auch die der motorischen Nervenstämme, falls diese 
Gebilde isoliert in die Giftlösung eingetaucht werden, auf. 
Die dicke Nervenscheide vermochte durch ihre schützende Um- 
hüllung die tötende Wirkung nur etwas zu verzögern. Doch 
übte das Saponin diese Wirkung noch bei 100 facher Verdün- 
nung aus. 

Um die Wirkung des Sapindussapotoxins auf das über- 
lebende Herz des Frosches zu studieren, wurde von Kruskal 
ein an den Williamsschen Apparat angefügtes Froschherz mit 
unverdünntem Rinderserum durchströmt und in Abständen 
von 5 bis 10 Minuten nun der Durchströmungsflüssigkeit je 
einige Milligramm Sapindussapotoxin zugesetzt. Dabei zeigte 
sich, daß erst Mengen von 60 mg auf 50 ccm Blutserum 
schwer schädigend auf das Herz einwirkten. Wurde das ver- 
giftete Herz jetzt wieder mit normaler Blutkochsalzmischung 
durchspült, so erholte sich sogar das Organ wieder ganz gut, 
aber bei neuer Hinzugabe von nur 20 mg trat jetzt vollstän- 
dige Lähmung ein. Kobert hat später denselben Versuch 
wiederholt, wobei statt Rinderserum Ringersche Lösung 
verwandt wurde. Bei dieser Anordnung lähmten schon 
10 mg unseres Saponins das Herz unwiderbringlich. 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 255 


Bei den Angaben über die Wirkung auf die Nerven und 
die Muskulatur lernten wir unser Saponin als ein allgemeines 
Protoplasmagift mit deletärer Wirkung kennen. Daß dies auch 
für das Herz der Fall sein würde, war zu erwarten. Nun fällt 
hierbei auf, daß die Empfindlichkeit des Herzens bei Krus- 
kals Versuch eine viel geringere war. Den Schlüssel zu diesem 
auffallenden Verhalten bietet der hohe Cholesteringehalt 
des benutzten Serums, der ja nach Ransom antidotarisch 
gegen alle Saponine wirkt. Mit Ringerlösung ergaben daher 
schon viel kleinere Dosen Abtötung. Genug, auch das Herz 
unterliegt, falls es nicht durch Serum geschützt ist, 
der protoplasmavernichtenden Wirkung des Sapin- 
dussaponins. l 

Da das Saponin sich also als ein allgemeines Protoplasma- 
gift erwiesen hatte, mußten wohl auch die roten Blut- 
körperchen dadurch verändert werden. In der Tat wurden 
bei Kruskals Versuchen die roten Blutkörperchen so weit ver- 
ändert, daß das Blut lackfarben wurde. Diese Versuche wurden 
immer mit defibriniertem 50 bis 100fach mit physiologischer 
NaCl-Lösung verdünntem Blute und zwar zunächst mit Rinder- 
blut angestellt. Kleine Proben von 5 bis 10 bis 20 cem wurden 
in Reagenzgläser gefüllt und das Gift in verschiedener Konzen- 
tration hinzugefügt. War die benutzte Dose des Giftes unwirk- 
sam, so schied sich nach 6 bis 12 bis 24 Stunden oben farbloses 
Serum ab, während die Blutkörperchen als dichte Masse am 
Boden lagen. Bei den wirksamen Proben bildete sich eine 
rote Lösung mit weißem oder überhaupt ohne Bodensatz. Für 
das Sapindussapotoxin konnte Kruskal eine scheinbar 
völlige Auslaugung der roten Blutkörperchen des 
1°/,igen Blutkochsalzgemisches bei dieser Art der 
Versuchsanordnung mit Rinderblut noch bei einer 
Verdünnung von 1:14000 erzielen. Mit vom Serum be- 
freiten noch 1 bis 2°/,ig in physiologischer NaCl-Lösung suspen- 
dierten Blutkörperchen des Rindes konnte Kruskal eine noch 
stärkere Saponinwirkung erzielen. Nun ist aber das Rinderblut 
gegen alle Saponine weniger empfindlich als z. B. Meer- 
schweinchen- oder Katzenblut. Bei den gutgewaschenen 
Körperchen dieser Blutarten geht daher die Empfindlichkeit 
noch weiter. 


256 J. Fieger: 


Um über die Beeinflussung des Blutdruckes durch unser 
Gift etwas zu erfahren, wurde bei einem Hund ein Manometer 
in die Carotis communis dextra, und eine Injektionskanüle in 
die Vena jugularis sinistra eingeführt. Das Tier wurde dann 
tracheotomiert, kurarisiert und die künstliche Atmung einge- 
leitet. Von Zeit zu Zeit wurde durch die Kanüle (also intra- 
venös) das Gift eingespritzt. Dabei ergab sich, daß das Sapin- 
dussapotoxin selbst bei hohen Dosen in der ersten 
halben Stunde auf den Blutdruck und den Puls nur 
sehr wenig einwirkt. Kurz vor dem Tode des Tieres, der 
190 mg erforderte, war der Blutdruck allerdings beträchtlich 
erniedrigt. Zu dieser Zeit aber lagen, wie die Sektion ergab, 
die schwersten pathologisch-anatomischen Veränderungen des 
Herzens bereits vor. Aber kurze Zeit vorher war der Puls 
noch normal, was zunächst doch sehr auffallend erscheint. 
Indessen wird dieses Verhalten sehr verständlich, wenn man 
bedenkt, daß die Saponine eine lange Inkubationszeit 
nötig hatten, und daß der Cholesteringehalt des Blutes 
zunächst entgiftend wirkt. Wer daher von unserer Sub- 
stanz als allgemeinem Protoplasmagift erwartet, daß sie sofort 
sehr energisch auf die Gefäße und deren Nerven einwirken 
würde, irrt sich. Dazu stimmt, daß alle Tiere nach Ein- 
spritzung der gerade eben letalen Dose direkt ins 
Blut sich noch stundenlang ziemlich normal verhielten. 


8. Einige Vorversuche mit käuflichem Sapindussaponin. 


Ich verwandte zu meinen Versuchen‘ das käufliche Sapin- 
dussaponin der Schweizer Firma Hoffmann-La Roche. Dieses 
Präparat ist zwar nicht chemisch rein, aber es enthält nur 
geringe Mengen von fremden Bestandteilen (Feuchtigkeit, Zucker. 
Asche). Es bildet ein schönes weißes Pulver, ist gut löslich 
und von neutraler Reaktion. Der Firma sei für kostenlose 
Überlassung bestens gedankt. Aus welcher Spezies es herge- 
stellt ist, ist auf dem Etikett nicht gesagt. Es scheint nicht 
von Sapindus Saponaria zu stammen. Es wirkt stärker als 
das von Kruskal aus den Früchten von Sapindus Saponaria 
gewonnene. 

Um nachzuweisen, ob dieses Saponin durch Abspaltung 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 257 


` seines sogen. Anfangs-Sapogenins'), gut nachgewiesen werden 
kann, wird folgender Versuch gemacht: 

Versuch 1. In 25ccm Aqu. dest. werden 0,5 g Sapindussaponin 
gelöst. Die mit dieser Lösung angestellte Fehlingsche Probe ist schwach 
positiv, d. h. es war eine Spur Zucker als Verunreinigung vorhanden. 
Nach Zersetzung von 5 ccm dieser Lösung durch einstündiges Kochen 
mit verdünnter Schwefelsäure hat sich eine voluminöse Ausscheidung 
gebildet. Nach Abfiltrieren dieser ergibt das Filtrat mit Fehling reich- 
lich Zucker. Der Filterrückstand wird mit Wasser durchgewaschen, mit 
Natriumcarbonat neutralisiert und gelöst und mit physiologischer Koch- 
salzlösung nachgespült, bis 5cem Filtrat vorhanden sind. Diese klare 
Flüssigkeit bringt nach Zusatz von 2 Tropfen Placentarblut sofort to- 
tale Hämolyse hervor. 

Das Sapogenin des Sapindussaponins wirkt also 
hämolytisch. Man könnte beim Nachweis dieses Sa- 
ponins z. B. im Harn sich daher der Zerkochungs- 
methode bedienen, um aus saponinhaltigem Harn das 
Sapogenin abzuscheiden und durch die hämolytische 
Probe den Niederschlag als Sapogenin zu identifi- 
zieren. 

Versuch 2. Ein Teil der in Versuch 1 verwandten Saponinlösung 
wird mit neutralem Bleiacetat versetzt. Es entsteht kein Niederschlag. 
Nun wird Bleiessig im Überschuß zugesetzt. Es entsteht wiederum kein 
Niederschlag, wenigstens nicht in den ersten 5 Minuten, wie dies sonst 
bei den meisten Saponinen der Fall ist. Jetzt werden der Mischung 
auf 50ccm Flüssigkeit auch noch 5 Tropfen freies Ammoniak zugesetzt. 
Auch jetzt entsteht keineswegs sofort ein voluminöser Niederschlag, 
sondern erst nach längerem Stehen. Letzterer ist aber nicht beweisend, 
da er auch ohne Saponin durch Bildung von Bleihydroxyd langsam 
eintritt. 

Das Sapindussaponin der Firma Hoffmann-La 
Roche läßt sich also weder durch neutrales Bleiacetat 
noch durch Bleiessig sicher ausfällen, müßte also, falls 
man es im Harn sucht, auch im Filtrat der Bleiessigfällung 
noch gesucht werden. Unter allen Umständen erscheint diese 
für die Darstellung aus der Droge wohl verwendbare Fällungs- 
methode unpraktisch für die weiteren Zwecke der nachstehen- 
den Arbeit. Auch May hat sich dahin ausgesprochen, daß für 
dieses Saponin Blei ein wenig geeignetes Fällungsmittel ist. 


1) Über diesen Begriff sei auf das verwiesen, was in den Neuen 
Beiträgen schon wiederholt gesagt worden ist. 


258 J. Fieger: 


Ich begnüge mich daher, einen derartigen Versuch hier folgen 
zu lassen. 


Versuch 3. Nebeneinander werden folgende drei Gemische her- 
gestellt: 

1. Normaler, schwach sauer reagierender Hundeharn wird mit 
Bleizucker versetzt. Es tritt ein voluminöser weißer Niederschlag (1) 
von Phosphaten, Sulfaten, Farbstoffen usw. ein. 

2. Ebenso werden 10 ccm einer 1°/,igen schwach sauer reagieren- 
den Lösung von Sapindussaponin in physiologischer Kochsalzlösung 
mit Bleizucker versetzt, wobei sich nur ein mittelstarker, weißer 
Niederschlag (2) bildet. Dieser besteht wohl aus Bleichlorid. 

3. 15 ccm normalen Hundeharns werden zu 10 ccm einer 1°/,igen, 
mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellten Sapindussaponin- 
Lösung zugesetzt. Dieses Gemisch wird mit Bleizucker versetzt. 
Sofort tritt ein starker weißer Niederschlag (3) auf, weil außer Blei- 
chlorid, ja auch die Phosphate, Sulfate und Farbstoffe gefällt werden. 

Die drei klaren Filtrate (4, 5, 6), die mit Bleizucker keinen wei- 
teren Niederschlag geben, werden nun mit Bleiessig versetzt. Dabei 
tritt bei 4 (normaler Hundeharn ohne Saponin) ein deutlicher weißer 
Niederschlag (7) auf. Filtrat 5 (nur Saponin) ergibt mit Bleiessig einen 
sehr schwachen, weißen Niederschlag (8). Das Gemisch beider (6) brachte 
mit Bleiessig einen sehr starken weißen Niederschlag (9) hervor. 

Nun werden die Rückstände der Niederschläge 1, 2 und 3 auf den 
Filtern mit verdünnter Schwefelsäure zersetzt und mit physiologischer 
Kochsalzlösung nachgewaschen. Die erhaltenen Filtrate la, 2a, 3a 
werden dann jeweils wieder mit Natriumcarbonat neutralisiert und je 
in zwei Hälften geteilt. Die eine wird mit 2 Tropfen frischen Rinder- 
blutes versetzt, die andere mit konzentrierterer Schwefelsäure noch etwas 
erhitzt. Dabei tritt bei la und 3a weder Hämolyse ein, noch bei der 
chemischen Probe eine Fällung. Bei 2a jedoch tritt etwas Hämolyse 
auf, ebenso bringt auch der Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure 
nach Erhitzen und wieder Abkühlen einen leichten weißen Niederschlag 
von Sapogenin hervor. Demnach mußte also 3a (Harn + Saponin) das 
Saponin in das Filtrat übergegangen, also durch den Bleizucker 
nicht ausgefällt worden sein. Bei 2a hat das Chlorblei das Sa- 
ponin teilweise niedergerissen. 

Die drei klaren Filtrate 4, 5, 6, die mit Bleiessig Niederschläge 
gaben, werden nun weiter untersucht. Nach Abfiltrieren werden die 
Filterrückstände analog den Rückständen 7, 8, 9 untersucht, d. h. also 
mit verdünnter Schwefelsäure zersetzt, mit physiologischer Kochsalz- 
lösung nachgewaschen und mit Natriumcarbonat neutralisiert. Die er- 
haltenen Flüssigkeitsmengen werden ebenfalls wieder halbiert und genau 
in derselben Weise wie oben die beiden Reaktionen auf Saponin ange- 
stellt. Bei keiner der sechs Proben wird ein Ausschlag erhalten. Blei- 
essig hat also kein Saponin niedergeschlagen. 

Die drei Filtrate der Bleiessigfällung 10, 11, 12 werden ebenfalls 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 259 


durch Schwefelsäure entbleit, neutralisiert und geprüft. Dabei ergibt 
sich für 10, also für den Normalharn nichts, für 11, d. h. die Saponin- 
kochsalzlösung, mit Schwefelsäure zerkocht, ein feinflockiger Niederschlag, 
während die Blutprobe wohl nur deshalb mißlingt, weil so viel Neutral- 
salze entstanden waren, daß die Saponinhämolyse unmöglich wurde. 
Für 12, d. h. für das Gemisch von Harn mit Saponin ergibt sowohl die 
Blutprobe wie die chemische die Reaktion auf Saponin. 

Das Sapindussaponin der Firma Hoffmann-La Roche ist 
also aus einer Lösung, die mit physiologischer Kochsalzlösung 
hergestellt ist, durch Bleizucker trotz der entstehenden Chlor- 
bleibildung nur partiell ausfällbar. In Hundeharn gelöst geht 
dieses Saponin weder in den mit Bleizucker noch mit Bleiessig 
erhaltenen Niederschlag merklich über. Es findet sich viel- 


mehr zum größten Teil im Filtrat der Bleiessigfällung. 

Versuch 4. Er galt dem Nachweis mit konzentrierter Schwefel- 
säure. 

a) Zu l ccm Sapindussaponin-Lösung, die 10 mg Substanz enthält, 
werden 4 ccm konzentrierter Schwefelsäure zugesetzt. Sofort tritt an 
der Berührungsstelle der beiden Flüssigkeiten ein dunkler, ins Rote 
gehender Ring auf. Beim Durchschütteln färbt sich die ganze Flüssig- 
keit im Reagenzglas ganz dunkel, fast schwarz. lccm davon wird in 
ein Gläschen mit planparallelen Wandungen gebracht. Dabei sieht man, 
daß die Farbe der Flüssigkeit nicht schwarz, sondern dunkelrot ist, Vor 
dem Spektroskop erkennt man deutlich einen Absorptionsstreifen im Gelb, 
der scharfrandig beiderseits begrenzt ist. Ein zweiter Absorptionsstreifen 
wird erst wahrnehmbar, wenn der Flüssigkeit im Spektralgläschen zur 
Verdünnung noch 1ccem Alkohol zugesetzt wird. Dieser zweite Streifen 
liegt im Grün. Der erste Teil des Grün wird gerade noch durchgelassen, 
dann kommt der breite Absorptionsstreifen, so daß vom letzten Teil des 
Grün eben noch eine Spur zu erkennen ist. 

b) 1 ccm Saponinlösung, der 10 mg Saponin enthält, wird mit 
9ccm Alkohol verdünnt. Von dieser Flüssigkeit, die also im Kubik- 
zentimeter 1 mg Saponin enthält, wird 1 ccm mit 4ccm konzentrierter 
Schwefelsäure versetzt. Sofort tritt an der Berührungsstelle eine pracht- 
volle Schichtreaktion in Form eines roten Ringes auf. Nach dem Durch- 
schütteln wird die ganze Mischung schwarzrot. Mit dem Spektroskop 
kann man in einem Gläschen mit planparallelen Wandungen einen deut- 
lichen Streifen im Grün erkennen, während der im Gelb in so dünnen 
Schichten nicht zu erkennen ist. 

c) Dieselbe Reaktion mit nur 0,5 mg Saponin tritt nur noch als 
kaum sichtbare Ringreaktion mit roter Farbe auf. Mit Hilfe der Fur- 
furolschwefelsäuremethode gibt jedoch noch 0,1l mg Saponin eine deut- 
liche Ringreaktion. 

Mit Hilfe der Schwefelsäure-Reaktion ist also noch 
1 mg und mit Hilfe der Furfurolschwefelsäure-Reaktion 

Biochemische Zeitschrift Band 86. 18 


260 J. Fieger: 


noch 0,1 mg des Handelspräparates von Sapindussaponin sicher 
nachweisbar, aber natürlich nicht etwa von anderen Saponinen 
zu unterscheiden. 

Versuch 5. Zu 25 ccm Sapindussaponinlösung, die im Kubik- 
zentimeter 10 mg Saponin enthält, werden 3cem verdünnte Schwefel- 
säure zugesetzt und gekocht. Nach kurzem Kochen wird die ganze 
Flüssigkeit milchartig. Beim Abkühlen scheidet sich in großen Flocken 
ein voluminöser weißer Niederschlag vom Sapogenin ab. 

Ein Teil des Filtrates wird neutralisiert und mit Fehlingscher 
Lösung erhitzt. Es erfolgt eine starke Reduktionsausscheidung von 
Kupferoxydulhydrat. Diese ist unendlich viel stärker als in der ent- 
sprechend starken Lösung des Handelssaponins. Mithin ist durch die 
Hydrolyse ein Zucker oder Zuckergemisch abgespalten worden und zwar 
eine Hexose oder eine ‘Pentose oder beides. Eine weitere Portion des 
Filtrates wird mit starker Salzsäure oder Orcin erhitzt, wobei eine 
Dunkelgrünfärbung eintritt. 

Eine weitere Portion wird mit starker Salzsäure und Phlorglucin 
erhitzt. Dabei tritt eine anfangs rötliche, später rotbraune Färbung ein. 

Diese beiden Reaktionen sind beweisend für die Anwesenheit von 
abgespaltenen Pentosen. Der Nachweis der Hexose durch Vergärung 
gelingt zunächst nicht, was jedenfalls auf den Einfluß von noch vor- 
handener, nicht genügend neutralisierter Schwefelsäure zurückzuführen 
ist. Bei Wiederholung trat Vergärung ein. Dies spricht für eine 
Hexose. Der Filterrückstand wird in Alkohol gelöst, etwas gewaschen 
und das Filtrat mit etwas Schwefelsäure unterschichtet. Es tritt ein 
deutlicher roter Ring auf, der die Anwesenheit des Sapogenins beweist. 

Durch unsere Spaltung ist also einerseits ein Sapogenin, 
andererseits eine Pentose und eine Hexose entstanden. Die 
Glykuronsäurereaktion mit Naphthoresorein habe ich nicht an- 
gestellt, da unser Saponin den bisherigen Untersuchern nach 
nicht in die Gruppe der Glykuronsaponine gehört. Die Arbeit 
von F. Ehrlich, wonach alle Saponine nach dieser Richtung 
hin neu untersucht werden müssen, erschien erst mehrere Jahre, 
nachdem ich das Laboratorium mit dem Schlachtfelde ver- 
tauscht hatte. Herr Dr. Gonnermann, der statt meiner nach- 
träglich das Sapindussaponin auf Abspaltung von Galacto- 
glykuronsäure untersuchte, fand, daß dies nicht der Fall ist. 
Das Sapindussaponin ist also kein Glykuronoid. 


4. Einige Blutversuche mit Sapindussaponin. 
Es kam nun darauf an, mich über die Stärke der hämo- 
lytischen Kraft des Handelspräparates zu orientieren. Zu 
diesem Behufe wurde in 100 ccm physiologischer Kochsalz- 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine 261 


lösung 1 g getrocknetes Sapindussaponin gelöst und durch Er- 
hitzen sterilisiertt. In 1 ccm sind also 10 mg des Saponin- 
präparates enthalten. Mit dieser Lösung werden folgende Proben 
angestellt. 

Versuch 6. Zu l.ccm obiger Saponinlösung werden noch 9 ccm 
physiologischer Kochsalzlösung hinzugefügt. 2 Tropfen frisches Kanin- 
chenblut werden in dieser Lösung nach Umschütteln sofort aufgelöst. 
Die Konzentration beträgt hier also 1:1000. 

Zu lccm Saponinlösung werden 49 ccm physiologischer Kochsalz- 
lösung hinzugesetzt. Nach Zusatz von 2 Tropfen Kaninchenblut zum 
fünften Teil dieses Gemisches tritt nach einmaligem Umschütteln binnen 
5 Minuten vollständige Hämolyse ein. Die Konzentration ist hier 1:5000. 

Bei derselben Versuchsanordnung erfolgt bei einer nochmaligen 
Verdünnung auf 1:10000 langsam völlige Auflösung des Blutfarbstoffes 
aus den Blutkörperchen‘), aber bei Verdünnung auf 1:20000 selbst nach 
24 Stunden keine völlige Hämolyse mehr. 

Das Sapindussaponin wirkt hämoglobinauslösend.. Für 
Kaninchenblut beträgt die hämolysierende Wirkung, auch 
wenn das Serum nicht entfernt ist, mindestens 1:10000. Folg- 
lich müssen sich mit Hilfe dieser Methode auch kleine Mengen 
unserer Substanz nachweisen lassen. 

Für alle weiteren Blutversuche wird als Stammlösung die 
obengenannte sterile Saponinlösung benutzt, die in 1 cem 10 mg 
Saponin enthält. Daraus werden die weiteren Verdünnungen 
mit physiologischer Kochsalzlösung bereitet. Zu 5 ccm Gemisch 
werden, wo nichts anderes angegeben, immer 2 Tropfen defi- 
briniertes Blut oder 1 Tropfen Blutkörperchen zugesetzt, so 
daß dies ungefähr einer 2°/ igen Blutlösung entspricht. Be- 
nutzt wurde immer ein Gestell mit zwei Reihen von je 
7 Gläschen. Die Versuchsanordnung ist für die Versuche immer 
dieselbe, so daß hier nicht alle in extenso angeführt werden 
brauchen. 

Versuch 7. Pferdeblutkörperchen. Zu jedem Reagensglas 
wird 1 Tropfen Blutkörperchen zugesetzt. 


1. Reihe. 


Glas I 5cem phys. NaCl-Lösung zur Kontrolle 
n»n U 5 » Saponinlösung, 50 mg Saponin enthaltend 
n III 5 n ” 25 n n n 





1) Wir werden diesen Vorgang immer kurz als Hämolyse bezeichnen, 
obwohl dieser Ausdruck nicht genau ist, denn die Stromata bleiben ja 
erhalten. 

18* 


262 J. Fieger: 


GlasIV 5ccm Saponinlösung 12,5 mg Saponin enthaltend 


n V5n ” 6,25 n n n 
n VIŠ n n 3,125 » n n 
n VIL 5 » n 1,56 » n n 


Glas I setzt klar ab, Glas II bis VII werden sofort völlig hämo- 
lysiert. 
2. Reihe, abends 6? aufgestellt. 


Glas I 5cem phys. NaCl-Lösung zur Kontrolle 
n II 5 » Saponinlösung, 0,78 mg Saponin enthaltend 
n II 5 » i n 0,39 n n n 
n W5 n n 0,195 » n n 
» V5» n 0,0975 n n n 
n VI5Sn n 0,0487 n n n 
„VO 5 n n 0,0243 n n n 


Glas I setzt klar ab, Glas II wird sofort völlig hämolysiert, Glas III 
nach 1 Minute, Glas IV über Nacht; Glas V wird nur noch teilweise 
hämolysiert, Glas VI und VII setzen klar ab. 

1°/,ige Pferdeblutkörperchensuspension wird also 
von Sapindussaponin noch bei einer Verdünnung von 0,195 mg: 
5cem, d.h. von 1:25600 völlig und bei 1:51200 Verdünnung 
teilweise hämolysiert. 

Versuch 8. Die gleiche Versuchsanordnung und Ausführung. 
Rinderblut, Das Serum ist hier also nicht entfernt. Jedem Glas 
werden 2 Tropfen Blut zugesetzt. 

1. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II bis IV werden sofort, Glas 
V bis VI in einer halben Minute, Glas VII in 1 Minute ganz aufgelöst. 

2. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II wird in 5 Minuten, Glas III 
in 12 Minuten total, Glas IV über Nacht zum Teil gelöst, Glas V bis VII 
auch nach 24 Stunden unverändert. 

2°/ iges Rinderblut wird von Sapindussaponin in einer 
Verdünnung von 1:12800 völlig und bei 1:25600 noch teil- 
weise gelöst. ` 

Versuch 9. Placentarblut vom Menschen. Sonst dieselbe Aus- 
führung. 

1. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II bis V werden sofort, Glas VI 
und VII in einer halben Minute völlig hämolysiert. 

2. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II wird in 1 Minute, Glas III 
in 2 Minuten total, Glas IV fast total über Nacht gelöst, Glas V bis VII 
weisen auch nach 24 Stunden keine Zeichen von Hämolyse auf. 

2°/ iges Placentarblut vom Menschen wird durch Sapin- 
dussaponin noch bei 1:12800 völlig und bei 1:25600 größten- 
teils gelöst. 

Versuch 10. Schweineblut. Anordnung und Ausführung 
wie oben. 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 263 


1. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II bis VII werden sofort gänz- 
lich hämolysiert. 
2. Reihe: Glas I und IV bis VII bleiben unverändert, Glas II wird 


` in 2 Minuten, Glas III in 45 Minuten völlig gelöst. 


2°/,iges Schweineblut-wird von Sapindussaponin noch 
in einer Verdünnung von 1:12800 völlig gelöst. 

Versuch 11. Katzenblut. Aufstellung und Ausführung wie oben. 

1. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II bis VIII werden sofort 
gänzlich gelöst. 

2. Reihe: Glas I, VI und VII sind auch nach 24 Stunden unver- 
ändert. Glas II wird sofort, Glas III und IV binnen 1 Stunde gänzlich, 
Glas V ist nach 24 Stunden zum Teil gelöst. 

2°/,iges Katzenblut wird durch Sapindussaponin noch 
in einer Verdünnung von 1:25600 ganz aufgelöst. Bei einer 
Verdünnung von 1:51200 erfolgt noch partielle Hämolyse. 

Ergebnis. Überblicken wir alle Blutversuche, so können 
wir sagen, daß unser Saponin auf sämtliche beliebig 
herausgegriffenen Blutarten erheblich hämolytisch 
einwirkt und auf serumfreie rote Blutkörperchen so- 
gar noch stärker. Die Grenzwerte für völlige Auslösung des 
Hämoglobins aus den Blutkörperchen liegen 


für Kaninchenblut bei. . . . . 1:10000, 
» Menschenblut bei . . . . . 1:12800, 
*» Rinderblut bei . . . . . . 1:12800, 
» Schweineblut bei . . . . . 1:12800, 
» Katzenblut bei . . . . . . 1:25600, 
» Pferdeblutkörperchen bei . . 1:25600. 


Es ist daraus ersichtlich, daß es mit Hilfe dieser Me- 
thode noch möglich sein muß, Mengen von etwa einem 
halben Milligramm Saponin in Harn und Kot nach- 
zuweisen. 


5. Einige Blutversuche mit Sapindussapogenin. 


Das Sapogenin wurde für unsere speziellen Zwecke durch 
Spaltung aus dem Saponin auf folgende Weise gewonnen: 
50 cem 1°/,ige Sapindussaponin-Lösung werden mit 3 cem ver- 
dünnter Schwefelsäure 2 Stunden im Wasserbad zerkocht und 
dann der Abkühlung überlassen. Dabei setzt sich langsam 
ein voluminöser flockiger Niederschlag ab. Dieser wird am 
nächsten Morgen abgesaugt, gewaschen und zu dem Filter- 


264 J. Fieger: 


rückstand, der ja das Sapogenin enthalten muß, 50 ccm phy- 
siologische NaCl-Lösung zugesetzt nebst einigen Tropfen Natrium- 
carbonat, um das in saurer Lösung unlösliche Sapogenin zu 
lösen. Das ganz klare Filtrat ergibt bei nochmaligem Kochen 
keinen Niederschlag mehr. Es ist also kein unzerkochtes 
Saponin mehr darin enthalten. Vom chemischen Standpunkte 
aus hätte ich versucht sein können, das Sapogenin nach dem 
Auswaschen von neuem in verdünnter Mineralsäure zu suspen- 
dieren und so lange zu kochen, bis keine Spur von Zucker 
mehr in Lösung ging. Dies Verfahren wäre das richtige ge- 
wesen, wenn ich ein Endsapogenin hätte gewinnen wollen. 
Da jedoch Endsapogenine in neutralen Flüssigkeiten sich in 
physiologischer Kochsalzlösung meist nicht mehr lösen lassen 
und daher auch nicht mehr hämolytisch wirken, mied ich ab- 
sichtlich längeres Kochen. Das auf diese Weise von mir ge- 
wonnene Sapogenin ist ein ganz saponinfreies Anfangs- 
sapogenin, oder, was dasselbe besagt, ein in Wasser 
unlösliches sekundäres Glykosid, das sich in alkalischer 
physiologischer Kochsalzlösung, so lange es feucht ist, glatt 
lösen läßt. Meist geht die Abspaltung der Hexose leichter 
vor sich als die der Pentose. Von meinem Sapogenin durfte 
ich bei obiger Darstellung also stets hoffen, daß es sich noch 
feucht unter Zusatz von Natriumcarbonat in physiologischer 
Kochsalzlösung neutral lösen und daß es hämolytisch wirken 
werde. Im Filtrate dieses Sapogenins war mit Fehlingscher 
Lösung stets Zucker reichlich nachweisbar, und zwar war so- 
wohl eine vergärbare Hexose als eine durch die Orcinreaktion 
erkennbare Pentose vorhanden. Ob letztere nur in geringen 
Mengen abgespalten war, weiß ich nicht. 

Da nach May der Sapogeningehalt des Sapindussaponins 
fast 20°/, (19,8) ist, müssen in dem mit 50 ccm NaCl-Lösung 
und etwas Natronlauge versetzten Filterrückstand je 2 mg im 
ccm enthalten sein. Diese Sapogenin-NaCl-Lösung reagiert neu- 
tral. Es werden damit folgende Blutversuche angestellt: 

Versuch 12. Als Blutart werden mit 99°/, physiologischer Koch- 


salzlösung versetzte Katzenblutkörperchen verwandt. Jedes Glas 
enthält 5 ccm dieser 1°/,igen Katzenblutkörperchen. 


1. Reihe. 
Glas I 5cem Blutkörperchen -+ 5com phys. NaCl-Lös. zur Kontrolle 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 265 


GlasII 5 ccm Blutkörperchen + 5 ccm enthaltend 10 mg Sapogenin 
‚UI 5 » r +5 n n 8 n» n 
kad IV 5 n n + 5 n n 6 n ” 
n V 5 n n + 5 n ” 4 n n 
n VI 5 n n + 5 » n 2 n n 
„VI 5 » n +5 n» phys. NaCl.-Lös. zur Kontrolle. 


Glas I und VII setzen klar ab, Glas II nach 12, Glas III nach 25, 
Glas IV nach 40, Glas V nach 50 Minuten und Glas VI nach 1!/, Stunden 
völlig hämolysiert. 
Die Konzentration der Giftlösung betrug also hier bei 
Glas II 1:1000 Sapogenin oder berechnet auf Saponin 1:200 


» II 1: 1250 n n n n n 1:250 

n»n IV 1: 1666 n n n n n 1: 333 

” v 1 2500 n ” n n” n 1: 500 

» VI 1 5000 n n n n n 1 : 1000. 
2. Reihe. 

Glas I 5ccm Blutkörperchen + 5 ccm phys. NaCl.-Lös. zur Kontrolle 
» U 5 n n +5 n» enthaltend 0,2 mg Sapogenin 
n»n II 5 n n +5 n n 0,02 n n 
„IV õn n +5 » n 0,002 n n 
= V õn n +5 n» n 0,0002 n n 
» VI 5n» n +5 n» phys. NaCl.-Lös. zur Kontrolle. 


Glas I und IV setzen klar ab, Glas II nach 3 Minuten total hämo- 
lysiert, Glas III bis V bleiben unverändert. 
Die Konzentration betrug also bei > 
Glas II 1:50000 Sapogenin oder 1:10000 auf Saponin berechnet. 
Das Sapogenin des Sapindussaponins wirkt also hämo- 
lysierend auf Katzenblutkörperchen und zwar noch völlig 
bei 1:50000 Sapogenin, was 1:10000 berechnet auf Saponin 
entspricht, denn nur der fünfte Teil des Saponins wird Sapogenin. 
Versuch 13. Benutzt wird 2°/,iges Blut aus der mensch- 
lichen Placenta. 
1. Reihe. 
Dieselbe Versuchsanordnung wie bei den vorigen Versuchen in der 
1. Reihe. 
Glas I und VII setzen klar ab, Glas II bis VI sind nach 3 Stunden 
völlig hämolysiert. 
2. Reihe. 
Anordnung ebenso, nur andere Konzentration: 
Glas II 1:10000 Sapogenin oder 1: 2000 Saponin 
» DI 1:20000 n » 1: 4000 » 
n IV 1:40000 n n 1: 8000 » 
» V 1:80000 ” r 1:16000 » 


266 J. Fieger: 


Glas I und VII klar absgesetzt, Glas II bis IV nach einigen Minuten 
völlig aufgelöst, Glas V partiell am nächsten Morgen, Glas VI unver- 
ändert. 

In 2°/,igem Menschenblut wirkt also Sapindussapogenin 
noch in einer Verdünnung von 1:40000 völlig hämolysierend 
(auf Saponin berechnet 1:8000). Daraus folgt, daß das Sapo - 
genin des Sapindussaponins eine stärkere hämoly- 
tische Wirkung hat als die dem Gewicht nach gleiche 
Menge Saponin. Rechnet man jedoch auf die entsprechende 
Saponinmenge, die 5 mal größer ist, um, so hat unser Sapogenin 
eine verhältnismäßig etwas schwächere Wirkung als sein Saponin. 
Immerhin kann man das Sapogenin zum Nachweis 
des Saponinabbaues im lebenden Organismus recht 
gut benutzen. Gerade auf die Feststellung dieses Punktes 
kam es mir für die nachstehenden Untersuchungen an. 


6. Einige Tierversuche mit Sapindussaponin. 


a) Ich lasse zunächst einige Versuche an Fröschen fol- 
gen, und zwar an Temporarien. Da die Versuche in den 
Dezember fielen, waren die Tiere wenig widerstandsfähig. 
Sommerfrösche würden wohl größere Dosen ertragen haben. 

Versuch 14. Einem Froschmännchen von 35 g Gewicht 
werden am 11. XII. 4 Uhr nachm. 10 mg Sapindussaponin unter die 
Rückenhaut gespritzt. Gleichzeitig werden einem weiblichen 
Frosch von 68g an der gleichen Stelle 20 mg injiziert. Um !/,6 sind 
beide Frösche noch ziemlich normal. Der Versuch, den beiden Fröschen 
am Abend Harn auszudrücken, gelingt nicht. Das Froschweibchen ist 
am Abend schon sehr träge. Am nächsten Morgen war es tot. Bei der 
Sektion findet sich, daß unter der Rückenhaut alles resorbiert ist und 
daß an dieser Stelle keinerlei Entzündungserscheinungen eingetreten 
sind. Auch sonst finden sich keinerlei pathologisch-anatomische Ver- 
änderungen. 

Der kleinere Frosch ist am Mittag des 12. noch ganz wohl. Um 
4 Uhr nachm. kann ihm schon 1 cem Harn ausgepreßt werden. Mit 1 ccm 
Schwefelsäure versetzt, zeigt sich an der Berührungsstelle ein nicht sehr 
starker, aber doch deutlicher roter Ring, der auf die Ausscheidung von 
Saponin oder Sapogenin durch den Harn hindeutet. Weiterer Harn 
konnte nicht gewonnen werden, auch am 13. früh nicht. Nachm. 4 Uhr 
war auch dieser Frosch verendet. Bei der Sektion findet sich die obere 


Munddecke stark gerötet. Sonst sind keinerlei Veränderungen zu kon- 
statieren. 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 267 


Die eingespritzte sehr große Dosis führte den Tod der 
beiden Tiere nicht sofort herbei, sondern bei dem kleineren 
Tiere recht langsam und trotzdem, ohne starke Veränderungen 
vorher hervorzurufen. In dem ausgepreßten Urin schien Sapo- 
nin oder ein Umwandlungsprodukt davon vorhanden zu sein. 

Versuch 15. Einem Frosoh von mittlerem Gewicht (etwa 35 g) 
werden am 12. XII., vorm.?/,12 Uhr, 1 ccm, enthaltend 10 mg Sapindus- 
saponin, in den rechten Unterschenkel gespritzt. Es treten in 
der Folge weder allgemeine noch lokale Störungen ein. Harn kann 
durch Auspressen nicht gewonnen werden. Am Morgen des 15. wird 
der Frosch tot in normaler Lage vorgefunden. Außer leichter Rötung 
des Mundbodens konnte bei der Sektion nichts festgestellt werden. 

Auch in diesem Versuche wirkten 10 mg nicht lokal, 
führten aber wie in Versuch 1 den Tod des Tieres herbei. 
Das Kruskalsche Saponin von Sapindussaponaria war weniger 
giftig. Von der erwarteten Lähmung des Gliedes war trotzdem 
nichts wahrnehmbar. 

Versuch 16. Einem Frosch von 55 g Gewicht werden am 13. 
nachm. 5 Uhr 30 Min. je 1 cem 1°/,igeSapindussaponin-Lösung in den rechten 
Ober- und in den Unterschenkel eingespritzt. Am 14. früh ist das 
Wohlbefinden noch nicht gestört. Am Nachmittag war deutlich zu 
sehen, daß er das rechte Bein nachschleppt. Am 15. früh wird er tot 
vorgefunden mit ausgestrecktem rechten Bein. Die Sektion ergibt nichts. 


Die Saponinlösung hat hier allerdings lokal wahrscheinlich 
durch Wirkung auf die motorischen Nerven eine Lähmung des 
rechten Beines herbeigeführt. Aber dazu waren 20 mg .nötig. 

Alle drei Versuche zusammengenommen ergeben, daß ganze 
Frösche, wie das ja auch wohl von vornherein anzunehmen 
war, wenig geeignete Versuchstiere zum Nachweisvon 
Saponinsubstanzen sind. Ganz anders wird dagegen die 
Sachlage, falls man die Nerven und Muskel oder das Herz 
dieser Tiere isoliert mit Saponin in Berührung bringt. 
Solche Versuche hatte ich jedoch keine Veranlassung zu ma- 
chen, da die von Kruskal genügend sind zur allgemeinen 
Orientierung. 

b) Ich komme jetzt zu einigen Versuchen an Kaninchen. 

Versuch 17. 11. XII. Ein kleines schwarzes Kaninchen erhält 
am 11. XII., 5 Uhr nachm., 5cem 1°/,iger Sapindussaponin-NaCl-Lösung 
unter die Haut des Rückens injiziert. Am nächsten Morgen ist das 
Tier noch vollkommen wohl. 


12. XII. Der über Nacht gelassene Harn reagiert wie normaler 
Kaninchenharn stark alkalisch und ist stark trüb. Durch Zusatz von 


268 J. Fieger: 


etwas verdünnter Essigsäure wird er klar. Es finden sich weder Eiweiß 
noch sonst abnorme Bestandteile darin. 

13. XII. Da das Tier keinerlei Erscheinungen zeigt, werden ihm 
10 Uhr vorm. weitere 10 ccm der 1°/,igen Lösung, d.h. also 100 mg unter 
die Rückenhaut gespritzt. Der Harn vor der Einspritzung wieder al- 
kalisch und trüb. Er enthält kein Eiweiß und wirkt neutralisiert auf 
Blut nicht hämolytisch. Nachm. 3? konnte nach der neuen Einspritzung 
schon eine kleine Menge neuer Urin untersucht werden. Er ist trüb 
alkalisch; er wird durch Essigsäure klar und neutral. Auch dieser Harn 
besitzt noch keine hämolytische Wirkung. Es wird mit neutralem Blei 
ausgefällt und filtriert. Das Filtrat ist klar. Der Filterrückstand sieht 
gelb aus. Es wird deshalb auf Gallenfarbstoff geprüft und zwar zuerst 
mit Alkohol gewaschen, dann mit Alkohol, der etwas Schwefelsäure ent- 
hält, zersetzt. Das dabei erhaltene Filtrat enthält aber (nach Gmelin) 
keinen Gallenfarbstoff. 

14. XII. Das Tier ist wohl und hat über Nacht 45 ccm Harn 
gelassen, der, wie immer, trübe ist. Durch Essigsäure wird er klar und 
neutral. 5 ccm Harn, mit 2 Tropfen Katzenblutkörperchen versetzt, 
übt keine hämolytische Wirkung aus. Der übrige Harn wird mit neu- 
tralem Blei ausgefällt und abfiltriert. Der Filterrückstand sieht auch 
hier wieder gelb aus, enthält aber, ebenso wie oben untersucht, keinen 
Gallenfarbstoff. 

16. XII. Der von 2 Tagen zusammengekommene Harn beträgt 
300 com. Er sieht wie an den vorhergehenden Tagen aus und wird 
auch ebenso untersucht. Er enthält kein Eiweiß und besitzt auch keine 
hämolytische Wirkung auf Menschenblut. Der Bleizuckerniederschlag 
sieht vollkommen farblos aus und enthält keinen Gallenfarbstoff. 

Im Wohlbefinden des Tieres ist bis jetzt keine Änderung eingetreten. 

17. XII. 195 ccm alkalischer, trüber Harn. Untersuchung auf 
Eiweiß und Hämolyse negativ, kein Gallenfarbstoff in dem Bleizucker- 
niederschlag. 

18. XII. Das Tier ist immer noch ganz wohl. Die Urinmenge 
beträgt 145 ccm, ist trüb und reagiert alkalisch. Hämolytisch unwirk- 
sam. Eiweiß fehlt; kein Gallenfarbstoff in der Bleifällung. 

19. XII. Tier noch wohl. Reichlich Urin, 300 ccm, sehr trüb und 
alkalisch. Kein Eiweiß, keine Hämolyse. Bleifällung ganz weiß. 

20. XII. Harn: 225 ccm, trüb, alkalisch, kein Eiweiß, keine Hä- 
molyse. Gallenfarbstoff nicht vorhanden. 

21. XII. 235 ccm trüber, alkalischer Harn. Keine Hämolyse, kein 
Gallenfarbstoff, kein Albumen. Das Tier ist ganz munter; unter der 
Haut keine Anschwellung. 

22. und 23. XII. Je 180 ccm alkalischer Harn, nur leicht getrübt. 
Nichts Besonderes. 

Der Versuch wird abgebrochen. 

Die Menge von 150 mg Sapindussaponin, die dem Tier 


binnen 2 Tagen unter die Rückenhaut gespritzt wurde, hatte 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 269 


auch nach längerer Zeit anscheinend keinen schädigenden Ein- 
fluß, trotzdem man doch sicher annehmen muß, daß sie, wenn 
vielleicht auch nur langsam, resorbiert worden ist. Eine Aus- 
scheidung eines hämolytischen Stoffes im Harn konnte nicht 
nachgewiesen werden, wie denn auch sonst der Urin keine 
pathologischen Bestandteile aufwies. Allerdings schien die 
Menge des Urins einem normalen, mit gleicher Kost 
versehenen Kaninchen gegenüber gesteigert zu sein. 
Das Ausbleiben einer lokalen Entzündung unter der Haut 
nach einer so großen Menge von Substanz beweist, daß gerade 
das vorliegende Saponin in der verwandten Dose re- 
lativ wenig reizend wirkt. Daß es bei größerer Dose doch 
lokal reizend, ja nekrotisierend wirkt, zeigt der folgende Versuch. 

Versuch 18. Der Harn eines mittelgroßen normalen Kaninchens, 
das nur als Kontrolltier dienen soll, von 1600 g Gewicht, wird einige 
Tage hindurch nur daraufhin untersucht, ob er etwa an sich hämolytisch 
wirkt, was bei gewisser Fütterung vorkommen kann. 

11. I. 13. 185 com stark alkalischer Harn. Schwach getrübt, wird 
durch Zusatz von Essigsäure klar und neutral. Sehr deutlich wirkt 
dieser Harn jetzt auf Menschenblut binnen 15 Minuten hä- 
molysierend, dagegen auf Rinderblut nicht. Gallenfarbstoff und 
Eiweiß enthält er nicht. 

13. I. Der Urin von 2 Tagen beträgt 230 ccm. Er ist stark ge- 
trübt und alkalisch; durch Essigsäure wird er klar und neutral. Er 
wirkt hämolytisch auf Menschen- und Hundeblut in 10 bzw. 
15 Minuten. Mit NaCl Lösung aa verdünnt macht er nach 6 Stunden 
nur partielle Hämolyse. Eiweiß und Gallenfarbstoff nicht nachweisbar. 

Daß der Harn dieses anscheinend gesunden Tieres bei Mohrrüben- 
und Kleiefütterung hämolytisch wirkte, war zunächst nicht ganz uner- 
klärlich. Doch konnte man vermuten, daß die Hämolyse vielleicht nur 
durch das infolge der Neutralisation mit Essigsäure reichlich entstan- 
dene essigsaure Natron hervorgerufen sein könnte. Um dies festzustellen, 
wird der nächste Harn mit verdünnter Schwefelsäure neutralisiert. 
Die dann mit dem Urin angestellten Blutproben ergaben selbst nach 
vielen Stunden keine Hämolyse. Damit ist der Beweis erbracht, daß 
die Hämolyse hier nur durch die Neutralisation mit Essig- 
säure hervorgerufen worden war. 

14. I. 85 ccm stark trüber, alkalischer Harn. Kein Eiweiß; kein 
Gallenfarbstof. Vergleichshalber wird nun ein Teil mit verdünnter 
Essigsäure, ein anderer Teil mit verdünnter Schwefelsäure geklärt und 
neutralisiert. Der mit Essigsäure neutralisierte Harn wirkt sowohl 
auf Menschen- als auch auf Hundeblut hämolytisch, und zwar 
sehr deutlich. Der mit Schwefelsäure neutralisierte Harn machte 
selbst nach vielen Stunden keine Hämolyse. 


270 J. Fieger: 


Die Neutralisation des Kaninchenharns mit Essig- 
säure kann also bei Blutversuchen zu falschen Resul- 
taten führen und Hämolyse vortäuschen, die nicht durch 
den Urin bedingt zu sein braucht. Die Neutralisation mit 
Schwefelsäure läßt diesen Irrtum vermeiden. — Später stellte 
sich heraus, daß selbst bei Futterrübenfütterung der mit 
Schwefelsäure neutralisierte Harn nicht hämolytisch 
wirkt, obwohl Beta vulgaris nach Kobert zwei Saponine 
enthält. . 

Nach diesem Vorversuch wurde bei Ernährung mit Mohrrüben und 
Kleie der Harn eines anderen mittelgroßen Kaninchens von 1600 g 
Gewicht einer ebensolchen Voruntersuchung unterzogen. Er erwies sich 
als durchaus in jeder Beziehung normal. Er ist stark getrübt und re- 
agiert alkalisch. Eiweiß und Gallenfarbstoff enthält er nicht. Versuchs- 
weise wird er zum Vergleich sowohl mit Essigsäure wie mit Schwefel- 
säure neutralisiert. Im ersten Fall wirkt er wieder hämolytisch, im 
zweiten nicht einmal spurweise. 

Am 15. I. wird dem Tier ein ganzes Gramm Sapindussaponin, in 
-10 eem NaCl-Lösung gelöst, mittags unter die Rückenhaut gespritzt. 
Im Wohlbefinden des Kaninchens tritt trotzdem zunächst keine Ande- 
rung ein. 

16. I. Das Tier hat 30 ccm Harn gelassen. Im Gegensatz zu dem 
normal schmutziggelben Harn eines Kaninchens besitzt dieser eine 
braungelbe Farbe. Er reagiert stark alkalisch. Blut, woran die braune 
Farbe denken ließ, ist in dem Urin mit der Guajakprobe nicht nach- 
weisbar. Eiweiß ist nicht vorhanden. Die Neutralisation wird mit ver- 
dünnter Schwefelsäure vorgenommen. Die nunmehr mit dem Urin 
angestellten Blutproben auf Hämolyse sind sämtlich posi- 
tiv. Es werden in je 5ccm Urin total aufgelöst 2 Tropfen Menschen-, 
Pferde- uud Hammelblut und zwar in 3 bzw. 2 und 1 Minute. 
Nach dieser prompten hämolytischen Wirkung zu schließen, mußte also 
in dem Harn schon ein beträchtlicher Teil des eingespritzten Saponins 
ausgeschieden worden sein. Gallenfarbstoff läßt sich in dem Harn niebt 
nachweisen. 

17. I. Seit dem 16. abends macht das Tier einen schwerkranken 
Eindruck. Es frißt gar nichts mehr und sitzt regungslos in einer Ecke 
seines Käfigs.. Die Harnmenge beträgt nur 20 ccm, ist ziemlich klar 
und kaum noch alkalisch. Proben von 5 cem hämolysieren zwei 
Tropfen Menschenblut in 5 und Hammelblut in 10 Minuten 
völlig. Verdünnungen mit NaCl-Lösung aa besitzen keine hämolytische 
Kraft mehr. Bei Zusatz von überschüssiger Schwefelsäure zu 
dem Harn tritt ein flockiger Niederschlag ein. Ob dieser aus Eiweiß 
oder eventuell auch Sapogenin besteht, läßt sich nicht ohne weiteres 
sagen. Diese Probe wird deshalb zusammen mit dem noch übrigen 
vorhandenen Harn mit weiterer verdünnter Schwefelsäure versetzt und 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. - 271 


2 Stunden lang im Wasserbad zerkocht. Die Flüssigkeit färbt sich da- 
bei braunrot, und es fällt ein spärlicher, flockiger Nieder- 
schlag aus. Die Flüssigkeit wird filtriert und das Filtrat auf Zucker 
untersucht, der jedoch nicht nachweisbar ist. Auch der Niederschlag 
ließ sich durch den hämolytischen Versuch nicht sicher als wirksam nach- 
weisen, obwohl es wohl sicher ein Sapogenin war. 


18. I. Das Tier hat sich anscheinend inzwischen wieder etwas 
erholt, frißt aber noch nicht richtig. Es sind 65 cem leicht braungelber, 
nicht ganz klarer, fast neutraler Harn vorhanden. Keine hämolytische 
Wirkung auf Menschenblut und Pferdeblutkörperchen. Beim Neutrali- 
sieren mit verdünnter Schwefelsäure wird der Harn ganz klar. Mit 
Esbachs Reagens sowie mit Salzsäure und Kaliumquecksilberjudid 
kann eine deutliche Fällung erzielt werden, durch Säure allein aber 
nicht. Bleizucker gibt eine gelbe Fällung; das Filtrat des zersetzten 
Bleizuckerniederschlags von nur 8 ccm Harn ist deutlich gelb und die 
damit angestellte Gmelinsche Probe stark positiv. Während also die 
Saponinausscheidung anscheinend zurückgetreten war, tritt jetzt eine 
Nachwirkung in Form von im Harn vorhandenem Gallen- 
farbstoff, wie auch von Eiweiß hervor. Die Zerkochung des 
Harns mit Säure gibt einen mäßigen Niederschlag. Doch läßt sich 
Zucker und Sapogenin dabei nicht nachweisen. 


20.1. Von 2 Tagen zusammen 85 ccm alkalischer braungelber 
Harn. Er besitzt keine hämolytische Wirkung, dagegen enthält er et» 
was Eiweiß. Auch Gallenfarbstoff vorhanden, nur ist die Probe 
nicht so deutlich wie vorher. 25 ccm, mit Säure zerkocht, geben einen 
mäßigen Niederschlag. Zucker läßt sich in dem Filtrat nicht nach- 
weisen. Der in Natriumcarbonat gelöste und in NaCl-Lösung aufge- 
nommene Niederschlag rief binnen 20 Stunden bei Katzenblutkörperchen 
eine partielle Hämolyse hervor, enthielt also wohl Spuren einer 
hämolytischen Substanz. 


21. I. Das Tier frißt wieder etwas. Es hat 140 cem Harn ge 
lassen, der nicht mehr braun, sondern wieder wie normal, d. h. also 
schmutziggelb aussieht. Auffallenderweise besitzt er jetzt nach dem 
Neutralisieren mit Schwefelsäure starke hämolytische Wirkung. Von ca. 
8 com Harn werden 2 Tropfen Katzenblutkörperchen in 10 Mi- 
nuten völlig gelöst. Bei Verdünnung des Harns mit NaCl-Lösung 
1:2 tritt nach 15 Minuten immer noch völlige und bei 1:4 verdünnt 
wenigstens noch teilweise Hämolyse ein nach einigen Stunden. Eiweiß 
und Gallenfarbstoff enthält der Harn nicht. Etwa 80 ccm werden mit 
etwas Schwefelsäure 2 Stunden lang im Wasserbad zerkocht. Es ent- 
steht ein mäßiger Niederschlag. der sich aber nicht durch Hämolyse 
sicher als Sapogenin charakterisieren läßt. 


23. I. Das Tier macht wieder einen kränkeren Eindruck. Der 
gelassene Harn, 95 ccm, sieht normal aus. Kein Eiweiß; dagegen be- 
sitzt er neutralisiert starke hämolytische Wirkung. 5 ccm Harn 
ösen 2 Tropfen Menschenblut in 5 Minuten total; bei Verdünnung aa 


272 J. Fieger: 


mit NaCl-Lösung tritt nach ł2 Minuten partielle Hämolyse ein. Ver- 
dünnung 1:4 übt keine Wirkung mehr aus. In 50 cem mit Säure zer- 
kochten Harn läßt sich kein Zucker nachweisen, dagegen kann mit dem 
Niederschlag, der in neutrale Lösung gebracht wird, nach 16 Stunden 
Hämolys e von Katzenblutkörperchen erzielt werden. 

23. I. Das Kaninchen ist wieder munter und frißt besser. Doch 
ist es sehr heruntergekommen und mager. An der Injektionstelle 
ist bis jetzt nichts zu sehen. Der Harn, 80 ccm, zeigt normale 
Farbe und reagiert amphoter. Hämolytische Wirkung besitzt er heute 
nicht; kein Eiweiß, kein Gallenfarbstoff. 

24. I. 90 ccm alkalischer, etwas dunkler als normal aussehender 
Harn. Starke hämolytische Wirkung. 5 ccm lösen 2 Tropfen 
Menschenblut in 3 Minuten total, ebenso 2 Tropfen Rinderblut in 
15 Minuten; bei Verdünnung mit NaCl-Lösung ía werden von 5 cem 
2 Tropfen Menschenblut in 75 Minuten partiell und 2 Tropfen Rinder- 
blut in 20 Minuten partiell gelöst. Gallenfarbstoff ist nicht nachweisbar. 
Etwa 55 ccm mit Schwefelsäure 1 Stunde zerkocht geben einen grauen 
Niederschlag. Im Filtrat läßt sich Zucker sicher nachweisen. Der 
Niederschlag besteht aus Sapogenin, denn er bringt in neutraler 
Lösung in 8ccm NaCl-Flüssigkeit nach Zusatz von 3 Tropfen Placentar- 
blut bis zum nächsten Morgen totale Hämolyse hervor. 


Die beiden Spaltungsprodukte des Saponins, nämlich re- 
duzierender Zucker und Sapogenin, ließen sich also durch 
Zerkochen des an sich hämolytisch wirkenden Harnes 
gewinnen, und damit war auf diese Weise die Ausscheidung 
des Saponins noch 9 Tage nach der Einspritzung im 
Harn nachgewiesen. Schon vorher war es zeitweise zu 
Ausscheidung von Gallenfarbstoff und von Eiweiß 
gekommen. Unser Saponin wirkt also in großer Dose vom 
Unterhautzellgewebe aus unbedingt blutzersetzend und macht 
dabei Nierenschädigung. Endlich gelangte es sehr lang- 
sam durch den Harn zur Ausscheidung und zwar zum 
Teil unverändert, zum Teil wohl auch als ein Sapogenin. Was 
die lokale Reizwirkung anlangt, so bildete sich langsam nach 
dem neunten Tage ein Absceß aus, der sich nach dem Bauche 
senkte und schließlich den Tod des Tieres bedingte. Die 
Einzelheiten des Protokolles darüber übergehe ich. 


Versuch 19. Einem mittelgroßen Kaninchen wird am 17. XII., 
5 Uhr nachmittags, 1 g Sapindussaponin, in etwa 10 cem Wasser auf- 
gelöst, mit einem dünnen Gummischlauch direkt in den Magen ein- 
geführt. 

18. XII. Das Tier befindet sich noch ganz wohl. Bis 10 Uhr vor- 
mittags hat es 80 ccm Harn gelassen, der sofort untersucht wird. Er 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 273 


reagiert alkalisch und ist nur schwach trübe. Durch Salzsäure wird er 
klar und neutral. 5 com werden mit 2 Tropfen Placentarblut versetzt. 
Es tritt keine Hämolyse ein. Saponin scheint also in dem Harn nicht 
vorhanden zu sein. Eiweiß ebenfalls nicht nachweisbar. Eine kleine 
Menge Harn wird mit überschüssiger Schwefelsäure versetzt. Es tritt 
keinerlei Veränderung und vor allem kein Niederschlag ein. Also ist 
auch kein Sapogenin vorhanden, da dieses ja in freier Säure unlöslich 
ist. Dagegen ist in dem Zersetzungsfiltrat (mit Alkohol-Schwefelsäure) 
des Bleizuckerniederschlags Gallenfarbstoff spurweise vorhanden. Im 
Laufe des Tages läßt der Appetit des Tieres bedeutend nach. Um 5 Uhr 
nachmittags wird ihm wieder 1 g des Saponins in Wasser gelöst in den 
Magen eingeführt. Das Kaninchen frißt danach überhaupt nicht mehr 
und macht einen kranken Eindruck. 


19.XII. Das Tier hat noch keinen weiteren Harn gelassen. Es 
sitzt den ganzen Tag über bewegungslos in einer Ecke seines Käfigs und 
frißt gar nichts. Um 5 Uhr läßt es den ersten Harn. Dieser wird mit 
Schwefelsäure neutralisiert und 5ccm davon mit Katzenblutkörperchen 
geprüft. Er wirkt hämolytisch. In der Bleizuckerfällung war 
Gallenfarbstoff deutlich nachweisbar. Eiweiß enthielt der Urin 
nicht. Durch überschüssige Säure ließ sich kein Sapogenin ausfällen. 

Durch Verabfolgung des zweiten Grammes Saponin wurde 
das Wohlbefinden des Kaninchens, obwohl dies bei innerer 
Darreichung kaum zu erwarten war, schon erheblich gestört. 
Der Harn löste in einer Menge von nur 5ccm 2 Tropfen Placen- 
tarblut teilweise auf. Es mußten also bereits kleine Mengen 
des Saponins mit dem Harn ausgeschieden worden sein. Auch 
im Organismus hatte das Saponin bereits seine blutschädigende 
Wirkung entfaltet, wie dies ja bereits nach dem 1. Gramm der 
Fall zu sein schien, wo schon Spuren von Gallenfarbstoff im 
Urin nachweisbar waren. In dem zuletzt gelassenen Urin war 
Gallenfarbstoff sehr deutlich nachweisbar. Die ikterische Wir- 
kung des Saponins war also im Zunehmen begriffen und wohl 
unzweifelhaft. Leider starb dann das Tier später bei einer 
neuen Einspritzung, die in die Lunge geraten war. 

Immerhin beweist dieser Versuch, daß innerlich in 
GrammdosenverabfolgtesSapindussaponinvomKanin- 
chen z. T. resorbiert wird und gewisse störende Wir- 
kungen, wie Appetitverlust und Blutzersetzung, ent- 
faltet. 


c) Ich gehe nun zu Versuchen am Hund über. 


Versuch 19. Ein mittelgroßer Hund von 13 kg Körpergewicht, 
der dauernd im Kasten gehalten wird und täglich die gleiche Nahrung 


274 J. Fieger: 


erhält, so daß sein Harn Tag für Tag genau dieselbe Zusammensetzung 
hat, erhält am 6. XII., vormittags 9 Uhr, nachdem er Harn gelassen hat, 
l g Sapindussaponin. Er verschluckt dies mit Fleisch, ohne Erbrechen 
zu bekommen. Ebenso bekommt er am 7., 8. u. 9. XII. um dieselbe Zeit 
je 1g desselben Saponins. Der Hund ist so abgerichtet, daß er immer 
um dieselbe Zeit Harn läßt, der sauber aufgefangen wird. Und zwar 
geschieht dies immer morgens, so daß der Urin immer gleich untersucht 
werden kann, 


6. XII. Mit dem vor der Verabfolgung des 1. Gramms Saponin ge- 
lassenen Harn werden zur Kontrolle einige Blutproben angestellt. Es 
ergibt sich, daß er keine Hämolyse hervorruft. Auch ist er wie der 
Harn aller früheren Tage normal und ohne Besonderheiten. Auf Säure- 
zusatz fällt nichts aus, also auch keine Kynurensäure. 


7.XII. Der von dem Kastenhund am 7. XII., also nach Verab- 
folgung des 1. Gramms Saponin gelassene Harn wird mit Bleiessig aus- 
gefällt. Die Menge der gefällten Phosphate, Sulfate, Chloride usw. ist 
eine sehr große. Das Filtrat wird mit verd. Schwefelsäure entbleit 
und filtriert. Eine kleine Menge dieses Filtrates wird neutralisiert, um 
damit die Zuckerprobe anzustellen. Die Fehlingsche Probe erweist sich 
negativ. Der größte Teil des nicht neutralisierten Filtrates wird mit einigen 
Kubikzentimeter Schwefelsäure versetzt und 4 Stunden im Wasserbad er- 
hitzt, um etwa vorhandenes Saponin zu spalten in Zucker und Sapogenin, 
Nach 4stündigem Erhitzen wird die Flüssigkeit abgekühlt. Dabei tritt 
eine Trübung, aber kein Niederschlag ein. Schon daraus ist zu schließen, 
daß kein Saponin im Harn vorhanden gewesen ist; denn sonst hätte 
sich in der sauren Lösung Sapogenin abscheiden müssen. Es wird nun 
weiter ein Teil der Flüssigkeit nach vorheriger Neutralisation mit NaOH 
auf Zucker untersucht; es ist aber keiner vorhanden. Es ist also kein 
Saponin im Filtrat der Bleiessigfällung vorhanden gewesen. Im übrigen 
besitzt auch der frisch gelassene Harn vom 7. XII. an und für sich keine 
hämolytische Wirkung. 


8. XII. Im Gegensatz zum Harn vom 7. XII. ist der heutige spur- 
weise alkalisch, im übrigen klar und hellgelb. Da beim vorigen Harn 
im Filtrat der Bleiessigfällung nichts gefunden wurde, wird heute auch 
die Bleiessigfällung mit untersucht. Die Verarbeitung des Harns ge- 
staltet sich also folgendermaßen: Die Gesamtmenge wird gleich nach der 
Entleerung mit neutralem Bleiacetat ausgefällt. Eine Probe des 
Filtrates wird mit Bleiessig im Überschuß versetzt, gibt aber damit, 
da ja der Harn von vornherein alkalisch gewesen ist, keinen Nieder- 
schlag. Es sind also im ganzen überhaupt nur 2 Portionen zu unter- 
suchen, nämlich der neutrale Bleizuckerniederschlag und sein Filtrat. 
Der Bleizuckerniederschlag wird nun mit verd. Schwefelsäure zer- 
setzt und mit Aqu. dest. durchgewaschen. Ein kleiner Teil des erhaltenen 
Filtrates wird mit Natriumcarbonat neutralisiert und damit die Fehling- 
sche Probe angestellt. Es tritt keine Reduktion ein. Der größere Teil 
des Filtrates wird mit verd. Schwefelsäure einige Stunden auf dem Wasser- 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 275 


bad erhitzt. Nachdem sich die Flüssigkeit abgekühlt hat, findet sich am 
Boden ein ganz dunkler Niederschlag. Er wird abfiltriert und das Fil- 
trat nach vorheriger Neutralisation mit NaOH auf Zucker geprüft. Die 
Fehlingsche Probe ist negativ. Der Filterrückstand wird mit physiolo- 
gischer Kochsalzlösung durchgewaschen unter gleichzeitigem Zusetzen 
von Natriumcarbonat bis zur Neutralisation, wobei er sich z. T. löst. Die 
mit der erhaltenen Flüssigkeit angestellte Blutprobe bringt keine Hämolyse 
hervor. Es war also im Bleizuckerniederschlag kein Saponin enthalten. 
Das Filtrat der Bleizuckerfällung wird nun in derselben Weise 
untersucht. Nach dem Erhitzen mit verd. Schwefelsäure ist auch hier 
weder Zucker noch ein Sapogenin nachweisbar. Also auch bei dem Harn 
des 2. Tages verlief die Untersuchung vollständig resultatlos. Dement- 
sprechend bleibt auch eine zum Harn zugesetzte Blutprobe 
völlig ungelöst. Ebenso negativ verlief auch die Untersuchung des 
Harns vom 9. XII., obwohl das Tier am 6., 7., 8. u. 9. XII. täglich ein 
Gramm Saponin innerlich erhalten hatte. 

10. XII. Der Harn, 200 cem betragend, reagiert amphoter, ist aber klar. 
Kleine Proben von 5bis10cem ergeben bei Zusatz von 2 Tropfen Kaninchen- 
und 2Tropfen Menschenblut soforttotaleHämolyse. Esistalsoent- 
weder Saponin oder ein Sapogenin vorhanden. Ein größerer Teil 
des Harns wird daher mit neutralem Blei ausgefällt. Der sehr voluminöse 
Niederschlag ist dieses Mal nicht weiß wie an den vorhergehenden Tagen, 
sondern deutlich gelb und erweckt den Verdacht, daß Gallenfarbstoff 
darin enthalten ist. Er wird daher auf Gallenfarbstoff untersucht. Er 
wird zu diesem Zweck mit verd. Schwefelsäure zersetzt und filtriert. 
Das bleifreie Filtrat sieht intensiv ikterisch aus und gibt beim Aus- 
schütteln mit Chloroform an dieses Bilirubin ab, welches sämtliche 
üblichen Gallenfarbstoffreaktionen und zwar auf das intensivste gibt. 
Beim Stehen an der Luft geht sowohl die wässerige als auch die Chloro- 
formlösung nach einigen Stunden in Biliverdin über. Auch das Bili- 
verdin gibt die dafür charakteristischen Reaktionen. 


Somit war erstens dargetan, daß die innerliche Verab- 
folgung des Sapindussaponins beim Hunde blutzer- 
setzend gewirkt hat. Nur ist das zersetzte Blut nicht direkt 
in Form von Hämoglobin, sondern nur indirekt, d.h. in Form 
von Gallenfarbstoff zur Ausscheidung gelangt. Zweitens 
ist dargetan, daß mit dem Gallenfarbstoff gleichzeitig offenbar 
auch etwas unverändertes Saponin ausgeschieden wor- 
den ist; deshalb löste der Harn Blutkörperchen auf. Gallen- 
säuren waren nicht vorhanden. Resorption und Ausschei- 
dung des Saponins gehen offenbar recht langsam vor 
sich; erst am vierten Tage nach Beginn der Fütterung zeigt 
der Harn die erwarteten Veränderungen. Da der Harn Men- 


schen- und Kaninchenblut sofort löste, so muß für Menschen- 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 19 


276 J. Fieger: 


blut die Konzentration des Saponins darin (nach meinen früheren 
Versuchen) mindestens die von ca. 1:8000 bis 1:1200 ge- 


wesen sein. 


11. XII. Das Tier ist heute entschieden krank und frißt nicht 
mehr, während es bis jetzt einen ziemlich normalen Eindruck gemacht 
hatte. Allerdings schien der Hund schon am gestrigen Tage beim Harn- 
lassen Beschwerden zu haben. Die Menge des Harns beträgt 155 ccm. 
Reaktion amphoter. Farbe deutlich gelb. Die hämolytische Probe er- 
gibt, daß der Harn an sich, wenn 5 ccm mit 2 Tropfen Menschenblut 
versetzt werden, augenblicklich totale Hämolyse hervorruft. 
Dasselbe ist auch der Fall, wenn der Harn mit NaCl-Lösung 1:2 ver- 
dünnt wird, ebenso noch, wenn er 1:4 verdünnt wird. Bei 1:8 dauert 
es 3 Minuten, bis totale Hämolyse eintritt. 1:16 wirkt nicht mehr. 
Da der Harn also noch bei 8facher Verdünnung hämolysierend wirkt, 
so entspricht er 8mal 155 ccm, d. h. 1240 ccm einer gerade eben noch 
hämolytisch wirkenden Saponin-NaCl-Lösung, d. h. einer Lösung von 
1:8000 bis 1:12000. Die Menge des Saponins im Harri beträgt also 
103 bis 155 mg. 

Während im gestrigen Harn bei gleicher Art der 
Schätzung nur 17 bis 25 mg Saponin vorhanden sein 
konnten, ergibt sich heute die öfache Menge. Es gelang, 
den Harn durch neutrales Bleiacetat zu reinigen. Der Blei- 
niederschlag, der intensiv gelb aussah und aus dem sich 

‚reines Bilirubin ausziehen ließ, war saponinfrei, das Filtrat 
der Bleiacetatfällung, mit Natriumcarbonat entbleit, und neu- 
tralisiert, wirkte dagegen deutlich hämolytisch. Der Ver- 
such, daraus mit 90°/,igem Phenol das unveränderte Saponin 
nach Brunner auszuschütteln, mißlang mir jedoch leider, da 
diese Technik ziemlich schwierig ist. 

12. XII. Der Harn hat heute eine intensiv braungelbe Farbe. 
Die Menge beträgt 230 ccm. Reaktion amphoter. 5ccem, mit 2 Tropfen 
Kaninchenblut versetzt, ergeben keine Hämolyse. Der Harn wird mit 
neutralem Blei unvollkommen ausgefällt und die braungelbe Bleifällung 
mit Alkohol, dem etwas verd. Schwefelsäure zugesetzt ist, zersetzt. Das 
Filtrat sieht tiefgelb aus und gibt mit Salpetersäure das 


charakteristische Farbenspiel der Gmelinschen Probe. Durch 
ÖOxydationsmittel läßt sich das Bilirubin leicht in Biliverdin überführen. 


Auch der Harn vom 12.XII. erlaubt also den Schluß, daß 
im Körper des Hundes durch das am 6. bis 9. XII. ein- 
gegebene Saponin eine Blutzersetzung bis zu Gallen- 
farbstoff vor sich gegangen ist. Da der Harn von heute 
nicht hämolytisch wirkt, so kann man auch bestimmt sagen, 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 277 


daß die Hämolyse des vorhergehenden Tages nicht etwa auf 
Gallensäuren bezogen werden kann, denn diese mußten im 
heutigen stärker ikterischen Harn ja vermutlich noch reich- 
licher vorhanden sein. Der Gallenfarbstoff ließ sich aus dem 
neutralen Bleiniederschlag rein darstellen, gab prachtvolle Gme- 
linsche Reaktion und ging beim Stehen an der Luft binnen 
24 Stunden in Biliverdin über. Die Untersuchung auf Gallen- 
säuren ergab deren Abwesenheit. 

13. XII. Die sehr große Menge von 435 ccm Harn deutet auf eine 
diuretische Wirkung des Saponins. Der Harn reagiert schwach alkalisch. 
Eiweiß ist nicht nachweisbar. Keine hämolytische Wirkung. 35 cem 
werden mit Bleizucker ausgefällt und aus dem zersetzten Niederschlag, 
wie oben schon öfter beschrieben, ein gelbes Filtrat gewonnen, das eine 
stark positive Gmelinsche Probe gibt. Urobilin ist nicht vorhanden. 

Da sich schon aus 35 ccm Harn reichlich Gallenfarbstoff 
nach der Bleimethode abscheiden ließ, so gibt das auf den 
ganzen Harn berechnet eine sehr beträchtliche Menge. Daraus 
muß geschlossen werden, daß die Giftwirkung des Saponins 
auf das Blut beim Hunde nach innerlicher Darrei- 
chung nicht nur intensiv, sondern auch extensiv ist, 
d.h. daß es sehr lange anhält. In dem geringen Bodensatz 
des Harns fanden sich beim Mikroskopieren einige ikterische 
Körnercylinder, außerdem Krystalle von einfachen Phos- 
phaten und Tripelphosphaten. 

14. XII. 390 ccm neutraler Harn. Keine hämolytische Wirkung auf 
Katzenblutkörperchen, kein Eiweiß. Dagegen ist Gallenfarbstoff in 
der Bleifällung von 10 ccm Harn deutlich nachweisbar. 

15. XII. 290ccm neutraler Harn. Keine hämolytische Wirkung. 
Kein Eiweiß. Gallenfarbstoffausscheidung nur noch schwach. 

16. XII. 350 ccm hämolytisch unwirksamer, neutraler Urin. Kein 
Gallenfarbstoff nachweisbar. 

17. XII. 340 ccm, neutral. Weder Hämolyse, noch Eiweiß. Spuren 
von Gallenfarbstoff nachweisbar. 

18. XII. 305 cem. Außer einer Spur Gallenfarbstoff nichts Be- 
sonderes. 

19. XII. bis 8.I. Harn enthält immer noch von Zeit zu Zeit Spuren 
von Gallenfarbstoff. Seine Menge sinkt allmählich ab. 

Die Blutzersetzung klingt also langsam ab. Unter allen 
Umständen scheint mir durch den Versuch dargetan zu sein, 
daß das Sapindussaponin bei innerlicher Verabfolgung 
in Grammdosen am Hund keineswegs quantitativ im 
Darm entgiftet wird, sondern in wirksamer Form teil- 

19* 


278 J. Fieger: 


weise resorbiert wird, blutzersetzend wirkt und sogar 
z. T. im Harn wiedererscheint, dessen Menge dabei 
vermehrt wird. 


Versuch 20. Ein anderer Hund von 9 Kilo Gewicht erhält am 
14. II., vormittags 9 Uhr, 1 g Sapindussaponin, ebenso die folgenden 
9 Tage, also im ganzen 10 g. Er erbrach nie, da das Saponin stets in 
Fleisch gewickelt verabfolgt wurde. 

15.1I. Harn, 175 ccm, schwach alkalisch, hellgelb. Kein Eiweiß, 
keine Hämolyse. Gallenfarbstoff spurweise nachweisbar, wäh- 
rend bis dahin der Harn davon frei war. 

16. II. Harn, 265 ccm, dunkelgelb, klar, neutral. Hämolyse und 
Eiweiß nicht vorhanden. Gallenfarbstoff gut nachweisbar. 

17.1I. Harn, 280 ccm, neutral, dunkelgelb. Keine Hämolyse, kein 
Eiweiß, dagegen reichlich Gallenfarbstoff. 

18. II. 145 ccm neutraler, hellgelber, klarer Harn. Mäßig Eiweiß. 
Sehr starke hämolytische Wirkung. 2 Tropfen Placentarblut vom 
Menschen in jedem Glas werden vom Harn wie folgt völlig gelöst: 

Glas I 5cem physiol. NaCl-Lösung zur Kontrolle 
» I5 »n Harn 
r M5 » » und physiol. NaCl-Lösung 1:2 


n IV 5 r n n n ” 1:4 
” Y Sy n ” ” n 1:8 
» VIŠ » n n ” n 1:16 


» VII5 » physiol. NaCl-Lösung zur Kontrolle. 


Glas I u. VII setzen klar ab, Glas II u. III wird sofort, Glas IV 
und V in 30 Sek., Glas VI in 1 Minute völlig gelöst. 

Weitere Verdünnungen wirken nicht mehr völlig hämolytisch. 

Nach der hämolytischen Wirkung zu urteilen, müßten im heutigen 
Harn, wie Vergleichsversuche mit physiol. NaCl-Lösung zeigen, 193 mg 
Saponin ausgeschieden worden sein. 

Um den Harn größtenteils von den Farbstoffen usw. zu befreien, 
wird er unvollkommen mit Bleizucker ausgefällt. Die Fällung sieht 
deutlich gelb aus, was auf sehr viel Gallenfarbstoff schließen läßt. 
Die Gmelinsche Probe bestätigt das auch. Im Filtrat der Fällung läßt 
sich mit Fehling Zucker nicht nachweisen. Das Saponin, das sich ja 
nach den Vorversuchen durch Blei nicht ausfällen läßt, mußte also im 
Filtrat enthalten sein. Eine kleine Probe von cem löst auch 2 Tropfen 
Menschenblut sofort völlig auf. Da sich aus dieser Flüssigkeit nach dem 
Entbleien durch Natriumcarbonat durch Ansäuern nichts abscheiden 
läßt, so ist damit bewiesen, daß nicht Sapogenin, sondern unver- 
ändertes Saponin vorhanden ist. Diese Saponinflüssigkeit wird 
nun mit verdünnter Schwefelsäure 1 Stunde lang im Wasserbad zerkocht. 
Dabei färbt sie sich dunkelrot. Außerdem tritt ein Niederschlag ein. 
Im Filtrat läßt sich mit Fehling jetzt reichlich Zucker nach- 
weisen. Der auf dem Filter bleibende Rückstand, das Sapogenin, dem 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 279 


ein dunkelroter Farbstoff beigemischt ist, wird mit wenig NaOH in 10 com 
NaCl-Lösung gelöst und neutralisiert. Die Lösung ist von roter Farbe. 
5ccm davon lösen 2 Tropfen Menschenblut in wenigen Minuten auf. 
Damit ist biologisch nachgewiesen, daß ein durch Zerkochen 
entstandener wasserunlöslicher Stoff von hämolytischer 
Wirkung, also Sapogenin, vorhanden ist. Auf dem Filter bleibt 
auch nach der Lösung des Sapogenins eine starke dunkelrote Färbung 
zurück. Durch Aufgießen von Alkohol geht ein großer Teil dieses Farb- 
stoffs in Lösung. Mit Äther ist die rote Substanz daraus nicht aus- 
fällbar, sondern sie geht in diesen über. Auch in Essigäther ist sie 
löslich. Weiteres über diesen Farbstoff vermag ich nicht auszusagen. 
Vor dem Spektroskop war das Grün verdunkelt. 


19. U. 165 ccm neutraler, braungelber Harn. Keine Hämolyse, 
kein Eiweiß. Sehr viel Gallenfarbstoff. Mit Bleizucker von den 
Farbstoffen befreit, wird der Harn mit verd. Schwefelsäure zerkocht. 
Dabei tritt wieder die dunkelrote Färbung ein. Der Niederschlag ist 
sehr gering. Im Filtrat tritt mit Fehling langsame Reduktion ein. Der 
rote Farbstoff des Sapogeninniederschlages ist wieder in Alkohol löslich. 
Da er bei der Überführung von Alkohol in Äther eine violette und beim 
Übergang aus dem Ätherverdunstungsrückstand in Chloroform eine blaue 
Farbe annimmt, so dürfte er als aus Indican entstanden angesprochen 
werden, dem vielleicht ein roter Skatolfarbstoff beigemischt ist. Ober- 
meyers Reagens bestätigt dies für den nativen Harn. Im Spektroskop 
ist ein deutlich dunkler Streifen, der den letzten Teil des Rot und den 
Anfang des Gelb auslöscht. Die Menge des Farbstoffgemisches muß eine 
ziemlich beträchtliche sein, da der Niederschlag des zerkochten Harns, 
trotzdem er schon ?mal mit Alkohol extrahiert war, immer noch rot 
aussieht und roten Farbstoff abgibt. Diese starke Farbstoffausscheidung 
ist jedenfalls durch die starke Eiweiß- und Blutzersetzung infolge der 
Gifteinwirkung des Saponins bedingt. Ein Teil des Filterrückstandes, 
mit etwas kohlens. Natron in 5cem NaÜl-Lösung gelöst und neutralisiert, 
bringt 2 Tropfen Blut nach einigen Stunden zu partieller Hämolyse, 
so daß neben dem Farbstoff in dem Niederschlag des zerkochten Harns 
auch Sapogenin als vorhanden erwiesen ist. 


20. II. 295 ccm neutraler Harn. Keine Hämolyse, etwas Eiweiß; 
sehr viel Gallenfarbstoff. 


21.11. 385 ccm dunkelgelber, neutraler, klarer Harn. Mäßig Ei- 
weiß, keine deutliche Hämolyse. Mit Fehling längere Zeit erhitzt, 
tritt starke Reduktion ein. Der Harn wird mit Bleizucker ausgefällt, 
dann mit Säure zerkocht. Es bildet sich eine gelbrote, trübe Flüssig- 
keit. Klares Filtrat, das gelbrot aussieht und reduziert. Auf dem Filter 
bleibt ein gelbroter Rückstand zurück. Ein Teil löst sich leicht in 
Alkohol, der Rest in Alkohol mit etwas Wasser verdünnt. Bei Zusatz 
von Säure fallen aus dem letzten Teil weiße Flocken aus, die, mit wenig 
NaOH in NaCl-Lösung gelöst und neutralisiert, partiellhämolysieren. 
Also etwas Sapogenin vorhanden. 


280 J. Fieger: 


22. II. 405 ccm neutraler dunkelgelber Harn. Etwas Eiweiß. Starke 
Blutwirkung; bis zur 12fachen Verdünnung völlige Hämolyse 
von Katzenblutkörperchen. Gallenfarbstoff reichlich vor- 
handen. Die Hauptmenge des Harns wird mit Bleiacetat ausgefällt 
und das Filtrat nach dem Entbleien mit Säure zerkocht. Die Flüssig- 
keit wird dabei diesmal nicht rot, sondern bleibt ungefärbt wie sie war. 
Sie reduziert jetzt Kupfer und zwar in der für Zucker charakteristischen 
Weise. Der beim Zerkochen entstandene Niederschlag wird auf einem 
Filter gesammelt, gewaschen, in wenig NaOH gelöst und aus dieser 
Lösung durch Zusatz von Säure als weißer Niederschlag gewonnen. 
Dieser ist das reine Sapogenin. Die starke hämolytische Wir- 
kung dieser Substanz bestätigt diese Annahme. 

23. II. 365 ccm neutraler hellgelber Harn. Etwas Eiweiß. Der 
Harn reduziert etwas. Keine Hämolyse, weniger Gallenfarbstoff 
als am Tage vorher. 

24. II. 385 ccm neutraler, hellgelber Harn. Etwas Eiweiß. Der 
Harn reduziert. Hämolyse bis zur 8fachen Verdünnung. Gallen- 
farbstoff nur wenig vorhanden. Säure fällt kalt nichts aus. Beim 
Zerkochen ein rotes, klares Filtrat, das reduziert. Der Niederschlag 
auf dem Filter, ein Gemisch von Sapogenin und Farbstoff, gibt an 
wasserhaltigen Alkohol das Sapogenin ab; beim Nachwaschen des Filters 
in Chloroform starke Blaufärbung. Es ist also wieder Indigofarbstoff 
vorhanden. Die Lösung des Sapogenins in phys. NaCl besitzt 
starke hämolytische Wirkung. 

25. II. Harn 300 ccm, fast farblos, neutral. Keine Hämolyse, etwas 
Eiweiß. Harn reduziert. Bleizuckerfällung weiß, wenig Gallenfarb- 
stoff. Mit Säure zerkocht dunkelrote Verfärbung, aber kein Nieder- 
schlag. Das Filtrat reduziert. Indigofarbstoff nachweisbar. 

26. II. 400 ccm neutraler, hellgelber, klarer Harn, der reduziert. 
Keine Hämolyse, kein Eiweiß. Gallenfarbstoff wieder deutlich 
vermehrt. Mit Blei ausgefällt und mit Säure zerkocht, zeigt der Harn 
dunkelrote Verfärbung. Etwas Indigofarbstoff vorhanden. Kein Nieder- 
schlag, also kein Sapogenin abspaltbar. 

27. bis 28. II. Harn bis auf Spuren von Gallenfarbstoff normal. 

Im März wurde der Harn ganz normal. 


Dieser zweite Versuch mit Sapindussaponin am Hund, der 
als Kontrolle für den ersten dienen sollte, hat also die bei dem 
ersten gemachten Beobachtungen voll bestätigt und in einigen 
Punkten noch ergänzt. In dem ersten Versuch war der Nach- 
weis der Saponinausscheidung nur durch die hämolytische 
Wirkung des Harns geführt worden. In diesem Versuch 
konnte das Saponin auch durch sein Spaltungsprodukt, 
das Sapogenin, das in ziemlich reiner Form dargestellt 
wurde, und durch den abgespaltenen Zucker charak- 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 281 


terisiert werden. Beide Substanzen, das Saponin und 
das Sapogenin, wirkten hämolytisch., Danach ist an 
einer, wenn auch nurteilweisen, langsam eintretenden 
Ausscheidung des Sapindussaponins im Harn beim 
Hund nach innerlicher Verabfolgung massiver Dosen 
nichtmehr zu zweifeln. Im übrigen tratdieblutschädigende 
Wirkung des Saponins auch in diesem Versuch indirekt, 
d. h. in Form von Gallenfarbstoffausscheidung, zutage. 
Die gesteigerte Diurese trat hier ebenfalls deutlich noch in die 
Erscheinung. Als neues Moment erschien eine leichte Eiweiß- 
ausscheidung im Urin. Ferner ließ das nachgewiesene Chro- 
mogen darauf schließen, daß auch eine starke Protoplasma- 
schädigung im Organismus durch das Saponin stattfand, 
deren Schlacken z. T. durch den Harn ausgeschieden wurden. 
Ungiftig ist also das Sapindussaponin in Grammdosen pro Tag 
für den Hund durchaus nicht. Daß es bei Darreichung viel 
kleinerer Mengen unschädlich ist, ja vielleicht im Sinne eines 
Gewürzes nützlich wirken kann, will ich nicht bestreiten; ich 
habe mich eben nur mit der Wirkung massiver Dosen beschäftigt. 


7. Einige Versuche mit Guajaksaponin, 


Ausführliche Angaben über die Geschichte des Guajak- 
holzes und seiner Rinde, sowie über die chemische Zusammen- 
setzung beider finden sich bei Frieboes!), so daß ich hier 
darauf verzichten kann, solche zu machen. Nur so viel sei be- 
merkt, daß die Blätter des Guajakbaumes zwei andere Sapo- 
nine enthalten als die Rinde. Das in Deutschland offizinelle 
splintfreie Kernholz enthält nur Harze und gar keine Saponine. 

Ich benutzte das Handelspräparat der Firma E. Merck, 
welches auf Veranlassung von Geh.-Rat Kobert in den Handel 
gebracht wird und die Bezeichnung Guajaksaponin führt. In 
Wahrheit müßte es genauer als Guajakrindensaponingemisch 
bezeichnet werden, denn es enthält sowohl neutrales als saures 
Saponin der Rinde. 


1) Walter Frieboes, Beiträge zur Kenntnis der Guajakpräparate. 
Gekrönte Preisschrift. Mit einem Vorworte von R. Kobert, Stuttgart 
1903. 


282 J. Fieger: 


a) Versuche mit Guajaksaponin und -sapogenin an Blut. 

Mit einer 1°/,igen, mit physiologischer Kochsalzlösung 
hergestellten neutralisierten Guajaksaponinlösung werden fol- 
gende Versuche gemacht. 


Versuch 1. Menschenblut. 
Glas I 5cem physiol. NaCl-Lösung zur Kontrolle 


» 15» “ ” 50,0 mg Saponin enthaltend 
»n M 5 » ” „ 25,5 » n n 
n IV 5» n ” 12,55 » » n 
n V5»n ” n 6,25 » ” n 
» VI5» n » 3,12» „ ” 
„VI 5 » ” ” 1,56 » “ ” 


Zu jeder Probe werden 2 Tropfen Menschenblut zugesetzt. Bis 
zum nächsten Morgen haben alle Proben vollständig klar und farblos 
abgesetzt. Alle Blutkörperchen liegen unverändert am Boden. 

Das Guajaksaponin besitzt also auf serumhaltiges 
Menschenblut keine hämolytische Wirkung, selbst 
nicht wenn die Konzentration des Giftes 1:100 beträgt. 

Versuch 2. Pferdeblut, serumarmes, das durch Absetzung 
gewonnen ist. Anordnung und Ausführung wie bei Versuch 1. Zu jedem 
Glas wird 1 Tropfen Blutkörperchenbrei zugesetzt. 

Auch diese Proben setzen alle, also selbst in dem Glase mit 50 mg 
Saponin, klar ab. 

Unser Saponin übt also auch auf Pferdeblut keinerlei 
hämolytische Wirkung aus, und zwar selbst dann nicht, wenn 
die Hauptmenge des Serums entfernt ist und die Saponin- 
menge 1:100 beträgt. 

Versuch 3. Ziegenblut, serumhaltig. Ausführung wie in Ver- 
such 1. 

Keine Hämolyse. Also auch Ziegenblut wird durch unser 
Saponin nicht angegriffen, selbst wenn die Konzentration des 
Saponins 1:100 beträgt. 

Versuch 4. Hühnerblut, serumhaltig. Ausführung wie oben 
bei Versuch 1. 

Guajaksaponin ruft bei Hühnerblut keine Hämolyse hervor, 
selbst wenn die Konzentration des Saponins 1:100 beträgt. 

Fassen wir alle Versuche zusammen, so ergeben sie eben- 
falls, daß das Guajaksaponin der Firma Merck auf Blut 
von Mensch, Ziege, Pferd, Huhn, selbst wenn das 
Serum zum größten Teil entfernt ist, auch bei der 
sehr starken Konzentration von 1:100 binnen 24 Stun- 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 283 


den ohne Einwirkung ist. Da ich obige Blutarten, wie sie 
sich mir gerade boten, und nicht etwa als die allerunempfindlich- 
sten ausgewählt habe, so wird mein Ergebnis wohl auch noch 
für eine Reihe weiterer Blutarten Geltung haben. 

Etwa ein Jahr, nachdem ich vorstehende Versuche an- 
gestellt hatte, erschien eine Publikation von J. Rühle!), in 
welcher dieser ausgezeichnete Fachmann sich eingehend von 
neuem mit dem Nachweis von Saponin in Schaumgetränken 
beschäftigt und nach sorgfältigster Isolierung die Saponine 
mittels gewaschener Blutkörperchen auf ihre hämolytische Kraft 
prüft. Er fand, daß die beiden Komponenten des Guajak- 
rindensaponins, das saure und das neutrale, auf gewaschene 
isolierte Blutkörperchen noch bei 1:1000 nicht ohne hä- 
molytische Kraft sind, und zwar besonders das saure. Für 
das saure wissen wir dies schon durch Frieboes; für das 
neutrale möchte Kobert Rühle nicht beipflichten. Jedenfalls 
betone ich meinerseits demgegenüber, daß bei der von mir 
gewählten Versuchsanordnung das Mercksche Präpa- 
rat selbst bei 10mal größerer Konzentration, als 
Rühle sie angewandt hat, binnen 24 Stunden keiner- 
lei hämolytische Wirkungen ausübte. Würde man also 
einem Schaumgetränk selbst die’10 fache Menge der Dose, die 
zum Schaumerzeugen notwendig ist, zusetzen, so würden den- 
noch 10 Flaschen einer solchen Limonade, im Laufe eines 
Tages getrunken, das Blut des betreffenden Menschen wohl 
kaum schädigen. Für den Rühleschen Nachweis kommt es 
eben auf die Entfernung der letzten Spuren von Blut- 
serum an; im lebenden Organismus kommt dies aber nie vor. 

Ich gehe nun zur Besprechung meiner Versuche mit dem 
Sapogenin des Merckschen Guajaksaponins über. 10ccm der 
1°/ igen Guajaksaponinlösung werden mit 2ccm verdünnter 
Schwefelsäure versetzt und diese Mischung 2 Stunden im 
Wasserbad gekocht. Schon bei dem Zusatz der Säure tritt 
eine sehr starke weiße Fällung ein, da ja das Handelspräparat 
ein Gemisch beider Rindensaponine ist, von dem das saure in 


1) Über den Nachweis von Saponin, III. Mitteilung. Sonderdruck 
aus Zeitschr. f. Unters. d. Nähr- u. Genußmittel, 27, 1914, Heft 1 bis 3 
(Königfestschrift). 


284 J. Fieger: 


angesäuertem Wasser unlöslich ist. Im Laufe der 2 Stunden 
wurde der Niederschlag noch stärker, da beide Saponine in 
Sapogenine übergingen. In dem neutralisierten Filtrat läßt 
sich nach Fehling Zucker nachweisen. Der Niederschlag, der 
das Sapogeningemisch sein muß, wird mit kohlensaurem Natron 
gelöst, mit NaCl-Lösung verdünnt und dann die Mischung 
neutralisiert. Sie beträgt 30 ccm. 1 ccm entspricht dem Sapo- 
genin aus 3,3 mg Saponin, auf Sapogenin berechnet also höch- 
stens 2 mg, auch wenn man berücksichtigt, daß die Ausbeute 
an Sapogenin bei Guajaksaponin 3 mal größer ist als bei 
Sapindussaponin (60 statt 20°/,). 

Versuch 5. cem dieser Sapogeninlösung werden abends mit 
2 Tropfen Menschenblut versetzt. Bis zum nächsten Morgen ist 
vollständige Hämolyse eingetreten. 5 weitere ccm wirken auf 
2 Tropfen Taubenblut binnen einer Stunde völlig hämolytisch. 
Weitere 5ccm bringen 2 Tropfen Rinderblut vollständig zur Hä- 
molyse. 

Während also das Guajaksaponin als solches bei meiner 
Versuchsanordnung nicht hämolytisch wirkt, ist die hämo- 
lytische Wirkung des durch Zerkochen mit Säure nach 
Abspaltung von Zucker erhaltenen Sapogeningemisches 
eine recht beträchtliche. Bei 5mg: 5cem, d. h. bei 1:1000 
tritt noch völlige Hämolyse ein. Wahrscheinlich geht sie 
sogar noch weiter. Es ist die Vermutung nicht ganz von 
der Hand zu weisen, daß Rühles wiedergewonnene 
Saponine sapogeninhaltig waren. 

Versuch 6. Von einer 1°/,igen Guajaksaponinlösung werden 
20 cem mit 4ccm verdünnter Schwefelsäure länger als 1 Stunde zerkocht. 
Beim Zusatz der Säure fällt das saure Saponin in weißen Flocken aus. 
Nach 1stündigem Kochen im Wasserbad ist ein sehr starker weißer 
Niederschlag von Sapogeninen eingetreten, der auch nach längerem 
Stehen etwa !/, des Flüssigkeitsvolumens ausmacht. Nach dem Abifil- 
trieren läßt sich im Filtrat reichlich Zucker nachweisen. Das Sapo- 
geningemisch selbst wird in 40 ccm physiologischer Kochsalzlösung mit 
ein wenig Alkali neutral gelöst. Wenn wir annehmen, daß das Saponin 
höchstens ?/, seines Gewichts an Sapogenin liefert, so erhalten wir 
132 mg Sapogenin in 40 ccm NaCl-Lösung, d. h. 3,3 mg in 1 ccm. Mit 


dieser annähernd neutralen Lösung werden die nachstehenden Blutver- 
suche an Placentarblut vom Menschen angestellt. 


Glas I 5ccm physiol. NaCl-Lösung zur Kontrolle 


» H5 » Flüssigkeit, 16 mg Sapogenin enthaltend 
kad III 5 n ” 8 n n kad 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 285 


Glas IV 5ccm Flüssigkeit, 4 mg Sapogenin enthaltend 


n vV 5 n p 2 n n n 
n VI 5 n n 1 n n n 
n VO5n n 0,50 » n n 
„n VII 5 » n 0,25 n n n 


Jedem Glas werden 2 Tropfen Blut zugesetzt. Glas I nach 17 Stun- 
den farblos abgesetzt. Glas II bis VII nach 17 Stunden völlig gelöst, 
Glas VIII setzt farblos und klar ab. 

Die hämolytische Wirkung des Guajaksapogenins auf 
Menschenblut beträgt also 1:10000, falls 66°/, Ausbeute 
gerechnet wird. 

Versuch 7. Ziegenblut; dasselbe Sapogenin. Die ganze Aus- 
führung ebenso. 

Glas I hat nach 15 Stunden farblos abgesetzt, ebenso Glas VII und 
VIII; Glas II völlig gelöst in 15 Stunden, Glas III fast vollständig, 
Glas IV zum Teil, Glas V und VI nur in Spuren gelöst. 

Die völlige hämolytische Wirkung unseres Sapogenins für 
Ziegenblut, dessen große Unempfindlichkeit ja bekannt ist, hat 
also ihre Grenze bei 1:312, wenngleich teilweise Hämolyse auch 
noch für viel stärkere Verdünnungen eintritt. 

Versuch 8. Serumarmes Hühnerblut, durch Absetzen erhalten. 
Ausführung genau wie oben; dasselbe Sapogenin. Zu jedem Glas wird 
1 Tropfen Blutkörperchen zugesetzt. 

Nach 5 Stunden Glas I und V bis VII klar abgesetzt, Glas II und 
III total, Glas IV partiell gelöst. 

Serumarmes Hühnerblut wird von Guajaksapogenin noch 
bei einer Verdünnung von 1:625 völlig gelöst. 

Versuch 9. Rinderblut; dasselbe Sapogenin. Ausführung 
ebenso. In jedes Glas kommen 2 Tropfen Blut. Glas V in 5 Minuten, 
Glas VI nach 15 Minuten bei 1:5000 völlig gelöst; Glas IV, in dem die 
Konzentration 4 mal stärker ist, geht erst nach 5 Stunden in völlige 
Lösung über. Glas III und IV, in denen die Konzentration 8 mal, ja 
15 mal stärker ist als in VI, bleiben fast völlig ungelöst; Glas VII ist 
nach 24 Stunden nur teilweise gelöst; Glas I setzt farblos ab. 

Rinderblut wird von unserem Sapogenin noch in einer 
Konzentration von 1:1250 bis 1:5000 völlig gelöst. Stärkere 
Konzentrationen zeigen nur Spuren von Hämolyse. Im ersten 
Augenblick erscheint dies paradox, wird aber verständlich durch 
die analogen Ergebnisse, die W. Laube!) mit dem Sapo- 
genin der Saponaria alba erhalten hat. Die Lösung dieses 


1) Beitr. z. Kenntnis der Wirkung einiger Sapogenine auf das Blut. 
Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther., 10, 28, 1912. 


286 J. Fieger: 


Sapogenins in Kochsalzlösung hat nämlich, wenn sie aus trock- 
nem Sapogenin hergestellt wird, ebenfalls die Eigenschaft, bei 
großer Verdünnung hämolytisch zu wirken, bei stärkerer Kon- 
zentration aber nicht mehr; hier schlägt die hämolytische 
Wirkung sogar in Agglutination um. 

Ergebnis. Überblicken wir alle Blutversuche mit Guajak- 
saponin und Guajaksapogenin, so ergibt sich von neuem die 
schon seit Frieboes bekannte Tatsache, daß das Guajak- 
saponingemisch der Rinde auf serumhaltiges Blut 
keine nennenswerte hämolytische Wirkung besitzt. 
Die von v. Liebermann!) und, wie oben schon besprochen 
wurde, kürzlich wieder von Rühle dagegen erhobenen Ein- 
wände erklären sich zum Teil dadurch, daß diese Autoren mit 
gewaschenen serumfreien, d. h. des Cholesterinschutzes entbeh- 
renden Blutkörperchen arbeiteten, die es im lebenden Organis- 
mus doch nicht gibt. Bei dem Rühleschen Verfahren ist ferner 
der Verdacht nicht ganz auszuschließen, daß die Prozedur der 
Abscheidung und Reinigung der Saponine diese empfindlichen 
Glykoside teilweise hydrolysierte und dadurch aktiv machte. 
Meine Versuche ergaben nämlich das immerhin über- 
raschende Resultat, daß den Guajaksapogeninen, was 
bisher noch nicht bekannt war, eine recht beträcht- 
liche blutlösende Wirkung zukommt. Sollte das Gua- 
jaksaponin im Organismus etwa zersetzt werden, so 
könnte der resorbierte Teil also doch hämolytisch 
wirken. 


b) Versuche mit Guajaksaponin am Hund. 


Versuch 10. Am 16. I. früh bekommt ein mittelgroßer, dauernd 
gleichmäßig mit Pansen genährter Hund in Fleisch gewickelt 1g Guajak- 
saponin (Merck), ebenso die folgenden 9 Tage, im ganzen also 10 g. 
Der Hund zeigt während des ganzen Versuchs keinerlei Störungen im 
Befinden. Im Harn vor Beginn des Versuches kein Eiweiß, wohl aber 
von meinem früheren Saponinversuche her abklingende minimale Mengen 
von Gallenfarbstoff. 

17. I. 270 cem neutral reagierender Harn. Spez. Gewicht 1029. 
Keine hämolytische Wirkung weder auf Menschen-, noch auf Pferdeblut. 
Die Gallenfarbstoffreaktion ist stärker alsim Harn der vor- 
hergehenden Tage. Bei Zusatz von verdünnter Schwefelsäure zu 


1) Arch. f. Hygiene, 62, 299, 1907. 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 287 


dem Harn tritt eine geringe Trübung ein. Es kann dies, abgesehen von 
Kynurensäure, ausgeschiedenes saures Saponin oder Sapogenin sein, da 
diese beiden ja durch Säure ausfällbar sind. 210 ccm Harn werden 
nach Zusatz von 1 ccm konzentrierter Schwefelsäure 2 Stunden lang 
im Wasserbad zerkocht. Es tritt ein leichter Niederschlag ein, der auf 
dem Filter gesammelt wird. Der Filterrückstand wird etwas gewaschen, 
mit Natriumcarbonat neutralisiert, gelöst und in etwa 10 ccm physiolo- 
gischer Kochsalzlösung aufgenommen. Die erhaltene Flüssigkeit rief 
nach Zusatz von 2 Tropfen serumarmer Menschenblutkörperchen 
im Laufe einer halben Stunde völlige Hämolyse hervor. 


Da die hämolytische Kraft der isolierten Substanz nur 
von durch Zerkochen gebildetem Guajaksapogenin bedingt sein 
kann, so müssen wir annehmen, daß schon binnen 24 Stun- 
den ein Teil der eingegebenen Substanz durch den 
Harn unverändert ausgeschieden wurde. Erst beim 
Zerkochen des Harns mit Säure wurde das Saponin zu 
Sapogenin gespalten; als solches wirkte es hämoly- 
tisch, während der Harn an und für sich keine Hämolyse 


hervorrief. 

18.1. 170ccm gelber klarer Harn, der neutral reagiert. Keine 
hämolytische Wirkung auf Menschen- und auf Pferdeblut. Bei Säure- 
zusatz entstehen leichte Flocken, die als Saponin aufgefaßt werden 
müssen. Die Esbachsche Probe ergibt etwas Eiweiß. Das durch Zer- 
setzung des Bleizuckerniederschlags von nur 10 ccm Harn erhaltene Fil- 
trat ist sehr gelb und die Gmelinsche Probe sofort sehr deutlich. Die 
Gallenfarbstoffausscheidung ist also wesentlich stärker wie 
tags zuvor. In 24 Stunden tritt beim Stehen an der Luft Umwand- 
lung in Biliverdin ein. Eine größere Portion des Harns, mit Säure zer- 
kocht, läßt mit Fehling nicht sicher Zucker erkennen; wohl aber fällt 
etwas Sapogenin aus, das sich durch Hämolyse nachweisen läßt, wenn- 
gleich diese nur schwach ist. 


Auch der Harn vom 18. I. enthielt eine geringe Menge 
unzersetztes Saponin, das sich in Sapogenin umwandeln ließ. 
Die Gallenfarbstoffausscheidung hat sich verstärkt. 

19. I. 220 ccm alkalischer, ziemlich klarer Harn. Spuren von 
Eiweiß. Keine hämolytische Wirkung. Gallenfarbstoff in 20 ccm 
Harn nachweisbar. Sapogenin nicht abspaltbar, also heute wohl kein 
Saponin ausgeschieden. 

20. I. 260 ccm Harn, klar, alkalisch. Er enthält eine Spur Ei- 
weiß; keine Hämolyse. Gallenfarbstoff in 10 ccm nachweisbar, 
aber nicht so reichlich wie im Harn vom 19. I. 250 ccm Harn. Bei der 
Zerkochung läßt sich etwas Sapogenin gewinnen, das partielle Hä- 
molyse hervorruft. Es ist also wieder etwas Sapogenin im Harn aus- 
geschieden worden. Auch Gallenfarbstoff ist nachweisbar. 


288 J. Fieger: 


21. I. Es finden sich 290 com annähernd klarer, amphoter reagie- 
render Harn vor. Kein Eiweiß, keine hämolytische Wirkung, dagegen 
deutlich Gallenfarbstoff in 15 cem nachweisbar. 220 ccm mit Säure 
zerkocht geben einen leichten Niederschlag, der auf Menschenblut 
schwach hämolytisch wirkt. Somit dürfte wieder etwas Saponin 
vorhanden gewesen sein. 


22.1. Die Harnmenge von 170 ccm ist heute dunkelgelb, was auch 
in dem Nachweis von reichlichem Gallenfarbstoff zum Ausdruck 
kommt. Reaktion amphoter. Keine Hämolyse, kein Eiweiß. Beim Zer- 
kochen mit Säure ein leichter Niederschlag, der auf Menschenblut 
schwach hämolytisch wirkt und auf Saponinausscheidung hin- 
deutet. Zucker ist in der Zerkochungsflüssigkeit nicht nachweisbar. 
Der Gallenfarbstoff geht bei Anwesenheit von 1 Tropfen Salpetersäure 
über Nacht in Biliverdin über. 


23. I. 105ccm sehr klarer, amphoter reagierender Harn. Etwas 
Eiweiß, keine Hämolyse. Gallenfarbstoff nachweisbar. 75 ccm mit 
Säure zerkocht, geben keinen Zucker, wohl aber einen leichten Nieder- 
schlag, der schwache Hämolyse macht. Demnach ist auch heute 
etwas Saponin ausgeschieden worden. 


24.I. Der Hund hat 200 ccm Harn gelassen, der dunkelgelb aus- 
sieht und amphoter reagiert. Er besitzt keine hämolytische Wirkung 
und enthält kein Eiweiß. In 15 com sehr viel Gallenfarbstoff 
nachweisbar, der beim Stehen an der Luft in Biliverdin übergeht. Es 
wird das etwa im Harn ausgeschiedene saure Saponin oder Sapogenin, 
ohne zu kochen, in der Kälte mit Säure daraus ausgefällt. In der Tat 
tritt in 2 Proben nach Zusatz von etwas verdünnter Schwefelsäure 
schon bei nur je 25 ccm Harn nach 4 Stunden ein beträchtlicher Nieder- 
schlag ein. Die beiden Niederschläge werden nach Abgießen der Flüssig- 
keit vereinigt, gewaschen, in 2 Tropfen NaOH und destilliertem Wasser 
gelöst, daraus mit Säure wieder ausgefällt und filtriert. Auf dem Filter 
bleibt eine rotgelbe Masse zurück. Schon eine minimale Menge davon 
gibt die Reaktion mit Meckes Reagens, die nach Frieboes für Guajak- 
saponin sowie auch für sein Sapogenin charakteristisch ist. Der Filter- 
rückstand wird mit NaOH gelöst, destilliertem Wasser nachgespült und 
mit verdünnter Schwefelsäure 1 Stunde zerkocht. Es tritt ein grau- 
grüner Niederschlag, aber kein Zucker auf. Die Flüssigkeit wird abge- 
kühlt und filtriert. Der Filterrückstand wird mit etwas Natriumcarbonat 
gelöst und mit physiologischer Kochsalzlösung nachgespült. Zu der 
etwa cem betragenden Flüssigkeit werden abends 2 Tropfen Placentar- 
blut zugesetzt. Bis zum nächsten Morgen ist totale Hämolyse ein- 
getreten. Es war also Sapogenin im Organismus abgespalten 
worden und kam als solches im Harn zur Ausscheidung. 


25. I. Aus diesem Harn wird das Sapogenin durch CIH ausgefällt. 
Mit einigen Partikelchen der gefällten Substanz wird die Probe mit 
Meckes Reagens angestellt. Diese gelingt mit den für Guajaksaponin 
charakteristischen eintretenden Färbungen. Die Substanz auf dem Filter 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 289: 


wird dann mit NaOH gelöst und mit destilliertem Wasser nachgespült. 
Es wird überschüssige Schwefelsäure zugesetzt, wobei die Substanz 
wieder ausfällt. Nun wird 1 Stunde im Wasserbad zerkocht, wobei 
Zucker abgespalten wurde. Das gewonnene Sapogenin ist unterm 27. I. 
weiterbesprochen. Der heutige Harn enthielt also auch unge- 
spaltenes saures Saponin, das durch Säure neben eventuellem Sa- 
pogenin mit ausgefällt werden konnte. Außerdem war in dem Harn 
reichlich Gallenfarbstoff. 

26. I. 190 ccm, auffallend klar, neutral. Kein Eiweiß, keine Hä- 
molyse. Gallenfarbstoff deutlich nachweisbar, doch vielleicht weniger 
wie sonst. 160 ccm werden mit etwa 10 ccm verdünnter Schwefelsäure 
versetzt. Bis zum Morgen des 27. ist der Harn infolge Zersetzung trübe 
geworden. Beim Filtrieren bleibt saures Saponin mit oder ohne 
Sapogenin auf dem Filter zurück, das als solches charakterisiert werden 
kann. 

27. I. 170cem neutraler, hellgelber, durchsichtiger Harn. Keine 
Hämolyse, etwas Eiweiß. Bleizuckerfällung zeigt einen Stich ins Gelbe. 
Gallenfarbstoff leicht darin nachweisbar. 140 ccm werden mit 10 ccm 
verdünnter Schwefelsäure versetzt. Am nächsten Morgen klar abgesetzt. 
Die meiste Flüssigkeit wird abgegossen und die mit dem Niederschlag 
zurückgelassene abfiltriett. Auf dem Filter bleibt eine rotgelbe Sub- 
stanz zurück, die die Reaktion mit Meckes Reagens gibt, beim Spalten 
Zucker liefert und also als von dem Hund unverändert ausge- 
schiedenes saures Guajaksaponin angesehen werden muß. Um 
etwaige Harnsäure aus der Substanz auszuschalten, wird mit Ammoniak 
gelöst. So geht also nur das Saponin durchs Filter. Mit verdünnter 
Schwefelsäure aus dem Filtrat wieder ausgefällt und wieder filtriert, 
wird der Rückstand mit NaOH wieder gelöst und mit destilliertem 
Wasser nachgespült. Nach Zusatz von überschüssiger Säure wird 1 Stunde 
zerkocht. Genau so werden auch die aus den mit Säure versetzten 
Harnmengen vom 28. und 29. erhaltenen Niederschläge zerkocht. Nach 
dem Zerkochen konnte in dem Filtrat der erhaltenen Flüssigkeit mit 
Fehling nach längerem Erhitzen Zucker nachgewiesen werden. Die 
grauen Filterrückstände der vier einzelnen Portionen vom 25., 27., 28. 
und 29. werden vereinigt, in wenig NaOH gelöst und in 20 cem NaCl- 
Lösung aufgenommen. Mit dieser neutralen Flüssigkeit werden mit 
zwei verschiedenen Blutarten Versuche gemacht. Der erste wurde mit 
Placentarblut vom Menschen angestellt. 


Glas I 5cem NaCl-Lösung zur Kontrolle 
» TI 5 » der obigen Sapogeninlösung 
n»n II 5 » Sapogeninlösung, mit NaCl-Lösung zu gleichen Teilen 
verdünnt. 
Nach 13 Stunden hat Glas I klar abgesetzt, Glas II ist total, 
Glas III partiell gelöst. 
Ein zweiter Versuch mit Rinderblut, dessen Ausführung ganz 
analog war, lieferte dasselbe Ergebnis wie der Versuch mit Menschen- 


290 J. Fieger: 


blut. Somit ist bewiesen, daß das Sapogenin, welches aus Harn- 
saponin gewonnen worden war, für zwei Blutarten deutlich 
hämolytisch wirkte. 

28. I. 370ccm neutraler klarer Harn. Etwas Eiweiß, keine Hā- 
molyse. Bleizuckerfällung fast weiß, doch Gallenfarbstoff darin noch 
nachweisbar. 340 ccm werden mit 15 cem verdünnter Schwefelsäure 
versetzt. Am 29. früh hat sich das Saponin am Boden und an den 
Seitenwandungen des Glases abgesetzt. Es wird auf einem Filter ge- 
sammelt und genau so behandelt wie das vom 27. und ergibt ein ana- 
loges Resultat. Also saures Saponin vorhanden. 

29. I. 260 cem leicht alkalischer, hellgelber, klarer Harn. Blei- 
zuckerfällung weiß, Gallenfarbstoff darin nicht mehr deutlich nachweis- 
bar. Mäßig Eiweiß, keine hämolytische Wirkung. Der von 230 ccm 
mit Schwefelsäure angesäuertem Harn am nächsten Morgen erhaltene 
Niederschlag wird wie oben weiterbehandelt. Das zum Schluß gewon- 
nene Sapogenin wird mit dem vom 27. vereinigt. 

30. I. 255 ccm amphoter reagierender Harn. Keine Hämolyse, 
kein Eiweiß. Gallenfarbstoff nachweisbar. Die Säurefällung von 
240 ccm Harn wird mit der vom 31. I. vereinigt. 

31.1. 180 ccm Harn. Kein Eiweiß, keine Hämolyse. In der 
weißen Bleizuckerfällung Gallenfarbstoff nur eben angedeutet. 150 ccm 
mit Säure versetzt, geben leichten Bodensatz. Dieser wird mit dem 
vom 30. I. in Ammoniak gelöst und mit Säure wieder ausgefällt. Davon 
wird ein Teil mit etwas Natriumcarbonat in etwa 10 cem NaCl-Lösung 
gelöst. Diese Flüssigkeit wirkte nicht hämolytisch, was ja auch der Fall 
sein muß, da das Saponin an sich hämolytisch unwirksam ist. Über 
den Rest des Saponins siehe unter dem 4. II. 

1. II. 155 ccm neutraler, klarer Harn. Kein Eiweiß, keine Hämo- 
lyse. Gallenfarbstoff ist nicht nachweisbar. Bei der Säurefällung tritt 
ein leichter Bodensatz ein. Auf dem Filter bleibt eine graugrüne Masse 
zurück, die vielleicht zum Teil aus Kynurensäure besteht. Cf. 4. II. 

3.II. 205 ccm, neutral, hellgelb. Kein Eiweiß, keine Hämolyse, Blei- 
zuckerfällung gelb. Gallenfarbstoff darin vorhanden. Durch Säure 
etwas ausfällbar. 

4.II. 335 ccm dunkelgelber Harn. Keine Hämolyse, kein Eiweiß. 
Gallenfarbstoff nachweisbar. Im angesäuerten Harn bildet sich ein 
Bodensatz, der mit dem vom 30. bis 31. I. und 1. bis 3. II. vereinigt wird. 
Dieser gesammelte, auf Saponin zu prüfende Bodensatz wird zuerst in 
Ammoniak gelöst (um Harnsäure auszuschalten) und daraus mit Säure 
wieder ausgefällt. Nun wird nach Zusatz von Säure 1 Stunde zerkocht. 
Nach dem Abfiltrieren des Bodensatzes läßt sich in dem Filtrat mit 
Fehling nach längerem Erhitzen und Stehenlassen sehr deutlich Zucker 
(auch Pentose) nachweisen. Der Filterrückstand des Sapogenins wird 
mit 2 Tropfen NaOH in 30 ccm physiol. NaCl-Lösung gelöst. Mit der 
neutralen Flüssigkeit werden Blutversuche angestellt, die zu dem Schluß 
berechtigen, daß wirklich Sapogenin vorliegt. Diese ist aus dem 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 291 


Saponin des Harns vom 30. I. bis 4. II. durch Zerkochen mit Säure ent- 
standen. Es besitzt hämolytische Kraft für Menschen-, Rinder- 
und Pferdeblut. 


5.II. 260 ccm klarer, dunkelgelber Harn. Keine Hämolyse, etwas 
Eiweiß, reichlich Gallenfarbstoff. Im angesäuerten Harn fällt 
etwas aus, und zwar heute sehr viel. Vermutlich ist die Hauptmenge 
davon Kynurensäure und daneben ist vielleicht etwas Saponin vorhanden. 
Siehe darüber unter 6. II. 


6.II. 135 ccm leicht getrükter, dunkelgelber Harn. Keine Hämo- 
lyse, kein Eiweiß. Bleizuckerfällung weißgelb. Gallenfarbstoff darin 
reichlich vorhanden. Die Säurefällung im Harn ist eine mäßige, Sie 
wird ebenso wie die vom 5. II., jede für sich, in erwärmtem Alkohol zu 
lösen versucht. In beiden Fällen löst sich nur sehr wenig, aber eben 
doch etwas. Eine Ätherausfällung ist aus dieser alkoholischen Lösung 
nicht zu erzielen. Der Ätheralkohol wird deshalb wieder verdunstet und 
der Rückstand zusammengebracht mit dem in Alkohol löslichen Teil der 
Säurefällung vom 8. bis 10. II. Dieses ganze Gemisch wird nun mit Säure 
zerkocht. Nach dem Zerkochen kann in dem Filtrat Zucker nachgewiesen 
werden. Der Filterrückstand wird in physiol. NaCl-Lösung gelöst und 
neutralisiert. Jetzt ist hämolytische Wirkung vorhanden und zwar eine 
ziemlich beträchtliche, sowohl für Menschenblut als für Katzenblut. Also 
auch indem Harn vom 5., 6., 8., 9. und 10. II. wurde, obwohl seit dem 25. I. 
kein Saponin mehr gefüttert wurde, noch Saponin ausgeschieden, 
das durch Abspaltung seines Sapogenins nachgewiesen werden konnte. 


7.II, 155ccm neutraler, sehr dunkelgelber, klarer Harn. Keine 
Hämolyse, kein Eiweiß, dagegen deutlich Gallenfarbstoff. Im an- 
gesäuerten Harn fällt etwas aus. Dieses wird in Ammoniak gelöst, mit 
Säure wieder ausgefällt und filtriert, Das fragliche Saponin auf dem Filter 
wird nun mit erwärmtem 96°/,igen Alkohol zu lösen versucht. Ein be- 
trächtlicher Teil geht auch ins Filtrat über. Bei Zusatz von wasser- 
freiem Äther zu der alkoholischen Lösung fällt das Saponin 
daraus, da es ja in Äther unlöslich ist, in schönen weißen 
Flocken aus. Der Äther selbst nimmt eine grüne Farbe an, da in ihm 
ja der Gallenfarbstoff bzw. ein Derivat desselben zurückgehalten wird. 
Das ausgefällte Saponin gibt die Reaktion mit Meckes Reagens, 
Es wird, da es ja als ziemlich rein angesehen werden kann, mit einem 
kleinen Teil auf etwaige hämolytische Wirkung geprüft. Wie das chemisch 
reine Guajaksaponin vor der Verfütterung, so wirkt auch dieses aus 
dem Harn gewonnene Saponin an sich auf Menschenblut zunächst nicht 
merklich hämolytisch. Der größere Teil der wiedergewonnenen Substanz 
wird mit Säure zerkocht. In dem Filtrat läßt sich Zucker nachweisen. 
Der Filterrückstand in etwa 8ccm physiol. NaCl-Lösung gelöst und neu- 
tralisiert, löst 2 Tropfen Mensohenblut total in !/, Stunde. 


Auch in den Tagen vom 11. bis 14. II. wurden noch eben nach- 
weisbare Spuren von Saponin durch den Harn ausgeschieden. Von 


da ab war der Harn dann dauernd normal. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 20 


292 J. Fieger: 


Dieser ausgedehnte Versuch am Hund erbrachte den Beweis, 
daß das von Merck bezogene, ein Gemisch von saurem, in 
Wasser unlöslichem,* und von neutralem wasserlöslichem Saponin 
bildende Guajakrindensaponin allerdings nicht quantitativ, 
aber doch teilweise unverändert im Harn ausgeschieden 
wird. Damit ist selbstverständlich auch die unveränderte 
Resorption bewiesen. Die Ausscheidung erfolgt wie 
bei allen Saponinen nicht gleichmäßig, sondern schub- 
weise, und überdauert die Einführung um mehr als 
eine Woche. Da dieses Saponin nicht hämolytisch wirkt, so 
konnte bei unveränderter Ausscheidung der Urin durch seinen 
Saponingehalt niemals Hämolyse machen. Das war auch nie der 
Fall. Andererseits aber mußte, da das Sapogenin des Guajak- 
saponins Blut löst, das durch Spaltung des im Harn enthal- 
tenen Saponins gewonnene Sapogenin selbstverständlich 
Hämolyse machen. In der Tat konnte auch dieser Nachweis 
öfter geführt werden. Da das eingegebene Guajaksaponin ein 
Gemisch eines neutralen wasserlöslichen und eines sauren wasser- 
unlöslichen Saponins war, konnte der durch Säure ausfällbare saure 
Anteil nach Umreinigen neben dem im Organismus entstandenen 
Sapogenin als ziemlich reines Substanzgemisch aus dem Harn 
gewonnen werden. Die Identität konnte durch die Meckesche 
Reaktion erwiesen werden. Gallenfarbstoffausscheidung 
trat auch hier, nur nicht so intensiv — dieses Saponin ist ja 
auch viel weniger giftig als das Sapindussaponin — deutlich 
zutage. Man muß also immerhin auch diesem Saponin 
bei großen Dosen beim Zirkulieren im Organismus eine 
gewisse Blutschädigung zuschreiben. Die Diurese war 
auch hier, wenn auch nicht auffallend, gesteigert. Auch fand 
sich hin und wieder im Harn etwas Eiweiß, dessen Auftreten 
doch nur auf Konto der Saponindarreichung gesetzt werden 
kann. Ich will zum Schluß nicht unerwähnt lassen, daß Auf- 
treten von Gallenfarbstoff im Harn gerade beim Hund relativ 
leicht eintritt und weniger zu besagen hat als beim Menschen 
oder gar beim Pflanzenfresser. Immerhin läßt sich doch nicht 
bestreiten, daß sein schubweises Auftreten nach zwei verschie- 
denen Saponinen nicht anders gedeutet werden kann, als daß 
diese Stoffe es verursacht haben. Da das Guajaksaponingemisch 
an sich nicht auf Blut hämolytisch wirkt, muß angenommen 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine, 293 


werden, daß es durch ein spaltendes Enzym, vielleicht 
durch ein Leberferment vorher teilweis zu Sapogenin 
abgebaut wird. Dadurch wirkt es dann zerstörend auf 
rote Blutkörperchen. Rühles Warnung auch vor Guajak- 
Saponin schließt also bei Verwendung von Gramm- 
dosen ein Körnchen Wahrheit, auch von unserm Stand- 
punkte aus betrachtet, ein.. Bei Zusatz von Guajaksaponin 
zu Schaumgetränken kommen ja aber nur milligrammatische 
Dosen im Laufe eines Tages zur Verwendung; diese sind selbst- 
verständlich ohne jede schädliche Wirkung, selbst wenn solche 
Limonaden monatelang getrunken werden. 


8. Einige Versuche mit Quillajasaponinen. 


Die Quillajarinde enthält nach Kobert!) zwei Saponine, 
ein saures, die Quillajasäure, und ein neutrales, das Quil- 
lajasaponin. Letzteres ist in Wasser sehr leicht löslich, 
ersteres schwerer löslich oder nicht löslich. Dies ist ein be- 
merkenswerter Gegensatz gegen alle anderen sauren Saponine, 
die in Wasser unlöslich sind. Von Handelspräparaten ist das 
Quillajasaponin der Firma Rich.Sthamer in Hamburg 
das bekannteste. Es ist nach Untersuchungen von Kobert?) 
ein Gemisch der beiden Saponine mit 18°/, indifferenten Stofien 
und bildet ein weißgelbes lockeres Pulver, das während des 
Krieges als Ersatzmittel von Seife eine sehr hohe Bedeutung 
erlangt hat. In vitro wirkt dieses Präparat erheblich hämo- 
lytisch. Ich verfütterte es in Dosen von täglich einem Gramm 
vom 4. bis 13. V. 1914 an den schon wiederholt zu Sa- 
poninversuchen benutzten ganz gesunden Mittelhund. 
Der Harn dieses Tieres wirkte danach in vitro nie- 
mals hämolytisch. Auch eine Abscheidung der beiden 
Saponine oder ihrer Sapogenine gelang nicht sicher, da der 
Harn offenbar immer nur sehr geringe Mengen dieser Sub- 


1) R.Kobert, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 28, 233, 1887; 
Arbeiten des pharmakol. Inst. zu Dorpat 1, 4, 1888; Biochem. Hand- 
lexikon von Abderhalden 7, 164 u. 168, 1612. 

®) R. Kobert, Über die pharmakol. Bedeutung u. die biol. Wert- 
bestimmung der Sarsaparillen u. verwandter Drogen. Ber. d. D. pharm. 
Ges. 22, 205, 1912. 

20* 


294 J. Fieger: 


stanzen enthielt. Dagegen trat auch während dieses Versuches 
Gallenfarbstoff sicher auf. Der Harn gab meist die Gme- 
linsche Probe, während er zu Beginn des Versuches keinen 
Gallenfarbstoff enthielt. Die Diurese war beträchtlich 
gesteigert, trotzdem im Harn die beiden Saponine nur in 
sehr geringen Mengen vorhanden sein konnten. Erbrechen 
trat nicht ein. Dazu war allerdings nötig, daß das Präparat 
gut in Fleisch eingewickelt verabfolgt wurde. Bei Wiederholung 
des Versuches durch Professor Kobert an einem noch 
nicht benutzten Mittelhund von gleichem Gewicht 
trat nach Verfütterung des dritten Gramms am vierten Tage 
im Harn Gallenfarbstoff und am fünften Tage eine hämo- 
lytische Substanz auf. Erhitzen des Harns mit verdünnter 
Schwefelsäure lieferte am sechsten und siebenten Tage einen 
geringen dunkeln Niederschlag, der nach Auswaschen mit Wasser 
in verdünntem Alkohol gelöst und daraus durch Verdunsten 
wiedergewonnen wurde. In alkalischer Kochsalzlösung gelöst 
und neutralisiert wirkte er auf Hammelblutkörperchen 
und auf Menschenblut rasch hämolytisch, bestand 
also aus Sapogenin. Ein kleiner Rest davon gab auch mit 
Furfurolschwefelsäure Sapogeninreaktion, d. h. erst Rot-, dann 
Violettfärbung. Die Harnmenge war auch bei diesem Hunde 
zeitweise vermehrt. 


Gesamtergebnisse. 


Gewisse Saponine werden nach innerlicher Verabfolgung, 
allerdings bei weitem nicht quantitativ, aber doch in merk- 
baren Mengen, vom Hund unverändert resorbiert und als 
solche im Harn ausgeschieden. Der Beweis stützt sich vor- 
nehmlich auf die Nachweismethode von Saponinen mit Hilfe 
der Hämolyse, wiewohl auch die chemische Nachweismethode 
zur Ergänzung mit herangezogen wurde. 

1. Bei Versuchen mit dem Saponin aus Sapindus- 
nüssen der Firma Hoffmann-La Roche, dessen starke 
hämolytische Wirkung gleichzeitig in vitro wieder nachgeprüft 
wurden, trat die blutlösende Wirkung des Saponin-Harns 
sehr deutlich in Erscheinung. Das darin also vorhandene 
Saponin konnte indessen auch noch durch Abscheidung seines 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 295 


Spaltungsproduktes, des Sapogenins, nachgewiesen werden. 
Aus dem mit Schwefelsäure zerkochten Harn konnte 
das Sapogenin ziemlich rein dargestellt werden. Da 
auch das Sapogenin von Sapindussaponin hämolytische Wirkung 
besitzt, so mußte dies Harnsapogenin in vitro ebenfalls Hämo- 
lyse hervorrufen. Die angestellten Blutversuche erbrachten 
diesen Beweis in der Tat. 

2. Schwieriger war der Beweis für die Ausscheidung im 
Harn bei dem Merckschen Guajaksaponin zu erbringen. 
Da dieses Saponin keine nennenswerte hämolytische Wirkung 
besitzt, so war mit Blutversuchen des Harns nichts anzufangen. 
Das Guajaksaponin, und zwar das saure, konnte je- 
doch aus dem Harn leicht abgeschieden werden. 
Andererseits war bisher nicht bekannt, ob das Sapogenin der 
Guajaksaponine ein Blutgift ist oder nicht. Bei Versuchen 
nach dieser Richtung hin bestätigte sich die von Kobert 
zuerst am Glycyrrhizin!) gefundene Tatsache, daß ein 
hämolytisch ganz unwirksames Saponin ein keineswegs unwirk- 
sames Sapogenin liefern kann, auch für die beiden Guajak- 
saponine gilt. Ich fand die für mich im ersten Augenblick 
überraschende Tatsache, daß das Gemisch der Guajak- 
sapogenine, das ich mir aus Merckschem Guajaksaponin 
herstellte, eine ziemlich beträchtliche Hämolyse her- 
vorruft. Durch Zerkochen mit Säure wurde aus dem 
Harn ein analoges Sapogeningemisch gewonnen und 
als solches mittels der Hämolyse identifiziert. Wäre 
das Sapogenin als solches im Harn vorhanden gewesen, so 
hätte der Harn von vornherein Blut lösen müssen. Da dies 
aber niemals während des über 2 Wochen sich erstreckenden 
Versuches der Fall war, so ist eben damit bewiesen, daß das 
resorbierte Saponin unverändert im Harn ausge- 
schieden wurde, ein Beweis, der bei Sapindus auf diese 
Weise nicht geführt werden konnte, da dort beide. das Saponin 
und das Sapogenin, hämolysieren. 

3. Wenn bei dem Versuch mit dem Quillajasaponin 
der Firma Sthamer, einem in vitro immerhin starken Blut- 


1) R. Kobert, Über zwei süßschmeckende Drogen. Ber. d. D. 
Pharmaz. Gesellsch. 25, 162, 1915. 


296 J. Fieger: 


gift, auf dem Wege der Hämolyse und auch auf chemischem 
Wege bei dem Hunde, der schon vorher zu Saponin- 
versuchen benutzt worden war, der Beweis für die Aus- 
scheidung im Harn nicht erbracht werden konnte, so konnte 
dies sich vielleicht folgendermaßen erklären. Entweder wird 
dieses Saponin an und für sich weniger resorbiert 
als andere, was übrigens nach einigen Autoren der Fall sein 
soll, so daß die im Harn ausgeschiedene minimale Menge zu 
gering war, um Hämolyse hervorzurufen. Oder aber die Re- 
sorption von Saponin war infolge Gewöhnung des Tieres an 
verschiedene, innerlich gereichte Saponingifte überhaupt all- 
mählich immer geringer geworden, eine Erscheinung, die in 
der Toxikologie ja nicht ohne Parallele sein würde Nach 
Kobert kann sich nämlich allmählich eine relative 
sogenannte Gruppenimmunität gegen Saponine bilden. 
Diese besteht in hohem Grade z. B. bei der mit Futterrüben 
(Beta vulgaris) oder mit Sheakuchen gefütterten Kuh sowie 
bei dem mit Kornraden oder Saubrot (Cyclamen) gefütterten 
Schwein und mit Kornraden gefütterten Hühnern. Auch beim 
Rinde kann man durch vorsichtiges „Anfüttern“, wie der Land- 
wirt dies nennt, eine gewisse relative Unempfindlichkeit, wenn 
auch nicht absolute Immunität erzielen. Das nach Kobert 
und Pachorukow an und für sich viel stärker toxisch als 
Sapindussaponin wirkende Quillajasaponin wurde dank 
dieser nützlichen Schutzeinrichtungen des Organis- 
mus des ersten Hundes eben wahrscheinlich rasch 
durch Spaltung zum größten Teil im Darm entgiftet 
und als Sapogenin mit dem Kot ausgeschieden. Beim 
zweiten Hund von gleichem Gewicht gingen dagegen 
merkliche Spuren des in gleicher Menge gefütterten 
Sthamerschen Präparates in den Harn über. Damit 
ist- die Richtigkeit der zweiten Annahme bewiesen. 

4. Die Annahme der partiellen Resorption der drei Sa- 
ponine im veränderten oder unveränderten Zustande konnte 
begründet werden, wenn die durch die meisten Saponine und 
Sapogenine auf das Blut bedingten sekundären Veränderungen, 
wie sie nicht im Reagensglas, sondern erst in der Leber vor 
sich gehen, in irgendeiner Form nachgewiesen werden konn- 
ten. In der Tat gelang es, nach allen drei Saponinen 


Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 297 


merkliche Ausscheidung von Gallenfarbstoff im Harn 
der Hunde nachzuweisen. Bei den ganz kleinen Dosen, 
die beim Eingeben eines Quillajainfuses beim Menschen als 
Expektorans zur Verwendung kommen, tritt eine solche Blut- 
zersetzung natürlich nicht ein. 

5. Endlich wirkten alle drei Saponine zeitweise ver- 
mehrend auf die Harnmenge. Diese Wirkung haben für 
die Saponine des Bruchkrautes ja auch Daebler!), und für 
die der Ononis Bülow?) und Bulkowstein®) nachzuweisen 
vermocht. 


1) Neue Beiträge 1, 88. 
2) Ebenda, 40. 
®) Ebenda, 58. 


Über die Senkungsgeschwindigkeit der Blutkörperchen 
verschiedener Blutarten im Hinblick auf deren Verwend- 
barkeit für Phagocytoseuntersuchungen. 


Von 
J. de Haan, Konservator am Institut. 


(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Groningen.) 


(Eingegangen am 14. November 1917.) 


Es ist schon seit langer Zeit bekannt, daß Pferdeblut, 
nachdem es dem Tiere entnommen worden ist, sich in ganz 
anderer Weise verhält als das Blut anderer Tiere. Defibri- 
niertes Blut der meisten Tiere, z. B. des Rindes, kann stunden- 
lang stehen, ohne daß es zu einer Trennung zwischen den 
körperlichen Elementen und dem Serum kommt. Das Pferd 
nimmt in dieser Hinsicht eine ganz besondere Stelle ein. Wenn 
man defibriniertes Pferdeblut in einem engen, hohen Glasgefäße 
stehen läßt, so sind meistens schon nach einer Stunde sämt- 
liche roten und weißen Blutkörperchen zu Boden gesunken, 
und darüber befindet sich ein Serum, das nur noch vereinzelte 
körperliche Elemente enthält; das Volumverhältnis zwischen 
Serum und Blutkörperchen entspricht schon dann den Werten, 
die nach Zentrifugieren gefunden werden. 

Diese Eigenschaft des Pferdeblutes hat Hamburger‘) 
zuerst für die Erhaltung einer Suspension von Leukocyten für 
Untersuchungen über Phagocytose verwendet; es bilden ja 
die weißen Blutkörperchen eine gesonderte Schicht oberhalb 
der roten Blutzellen, und es läßt sich diese Schicht ziemlich 
leicht abheben; die in dieser Weise erhaltene Suspension ent- 
hält viele Leukocyten. 





1) Siehe Virchows Archiv 156, 329, 1899, und Osmotischer Druck 
und Ionenlehre 1, 401. 


J.deHaan: Senkungsgeschwindigk.d.Blutkörperch.versch.Blutart.usw. 299 


Späterhin hat Hekma}) die Methode einigermaßen modi- 
fiziert, indem er das Pferdeblut in einer Kochsalz-Natriumcitrat- 
lösung auffing. In diesem Blutcitratgemisch bleibt die Gerin- 
nung aus, das immerhin schädliche Defibrinieren ist deshalb 
unnötig; die Senkung aller corpusculären Elemente wird mei- 
stens verlangsamt, jedoch in der Weise, daß die roten Blut- 
körperchen noch fast gleich schnell sich senken, die 
weißen jedoch so langsam, daß während einer relativ lan- 
gen Zeitdauer die weißen Blutkörperchen eine sozusagen reine 
Suspension oberhalb der schon gesunkenen Erythrocyten bilden; 
selbstredend läßt sich eine solche Suspension viel leichter ab- 
heben, als dies nach der früheren Methode mit der oberen 
Schicht gelang. 

Es war vor einigen Jahren in der ersten Zeit, als ich 
mich mit Phagocytoseversuchen beschäftigte, daß ich immer 
aufs neue über diese merkwürdige Eigenschaft des Pferdeblutes 
erstaunt war. Auffallend war auch die Tatsache, daß nicht 
jedes Pferd in dieser Hinsicht dasselbe Blut liefert; während 
meistens schon nach einer Stunde eine Leukocytensuspension 
abpipettiert werden konnte, traf es sich auch dann und wann, 
daß die Senkung der Erythrocyten eine viel längere Zeit er- 
forderte, und demzufolge eine gute Trennung zwischen den 
roten und den weißen Zellen ausblieb. Dieses Mißgeschick 
veranlaßte mich damals, die Ursachen der schnellen Senkung 
der Pferdeblutkörperchen näher zu untersuchen. Dazu kam 
der Wunsch, zu prüfen, ob es nicht möglich wäre, auch das 
Blut anderer Tiere derart abzuändern, daß es sich betreffs 
der Senkung wie Pferdeblut verhielt; man würde dann die mit 
der Phagocytose von Pferdeleukocyten erhaltenen Resultate mit 
dem Blute anderer Tiere nachprüfen können. Dazu kommt, daß 
man Pferdeblut weniger leicht beziehen kann als z.B. Rinder- 
blut, und auch deshalb wäre es wünschenswert, die Methode 
der Phagocytose auch für andere Blutarten verwendbar zu 
machen. Die Trennung der roten und weißen Blutzellen ge- 
lingt bei anderen Tieren nur schlecht, wenn man die natür- 
liche Senkung durch Zentrifugieren beschleunigt; die obere 
Schicht weißer Blutkörperchen läßt sich dann viel weniger 


1) Siehe Festband dieser Zeitschr. 1908, 177. 


300 J. de Haan 


leicht gesondert abheben, als dies beim Pferdeblut der Fall ist. 
Auch im Bluteitratgemisch bleibt meistens jede Senkung aus. 

Ich hatte alsbald die Überzeugung gefaßt, daß die früher 
geläufige Meinung, daß die Ursache der schnellen Senkung in 
der relativ größeren spezifischen Schwere der Pferdeblutkörper- 
chen gesucht werden muß, nicht zutrifft. Dennoch findet man 
diese Meinung noch in vielen, auch in den neueren Hand- 
büchern der Physiologie. Daß es nicht diese spezifische 
Schwere sein konnte, wurde mir deutlich durch den folgenden 
Versuch: als ich 1 ccm rote Blutkörperchen des Pferdes und 
ebenso des Rindes zufügte zu 9 ccm einer 0,9°/ igen Kochsalz- 
lösung und gut durchmischte, so war jeder Unterschied in der 
Senkungsgeschwindigkeit zwischen den beiden Blutarten ver- 
schwunden. Es ließ sich das Maß der Senkung genau angeben, 
indem die Mischung in Reagensröhrchen gleichen Durchmessers, 
die mit Teilstrichen versehen waren, beobachtet wurde. Die 
Höhe der klaren Flüssigkeit oberhalb der Blutkörperchen war 
das Maß der Senkungsgeschwindigkeit. 

In der untenstehenden Tabelle (I) sieht man, daß während 
4 Stunden die Senkung für beide Blutarten ganz gleich ver- 
läuft; es wurden für jeden Versuch Doppelproben genommen. 




















Tabelle I. 
i h | Höhe der Niveaux nach Stunden: 
ischung ar E 
Se = Bin | Ua | 3J | 1 | 11, | Zl 3 | 4 
1 cem Pferdeblutkörper- | 9,9 | 9,85 | 9,85 | 9,8 | 9,65 | 9,5 | 9,35 | 9,2 
chen in9ccmNa010,9°/, | 9,9 | 9,85 | 9,85 | 9,8 | 9,65 | 9,6 |9,4 | 9,3 
lcem Rinderblutkörper- | 9,9 | 9,85 9,85 | 9,75 | 9,65 | 9,5 | 9,35 | 9,2 
chen in 9ccm NaC10,9°/, | 9,9 | 9,85 | 9,85 | 9,75 | 9,65 | 9,5 |9,3 | 9,15 














Wäre ein auch nur einigermaßen bedeutender Unterschied 
in den spezifischen Gewichten der untersuchten Blutkörperchen 
vorhanden gewesen, so würde dies auch seinen Einfluß auf die 
Senkung in der Kochsalzlösung geltend machen. 

Die spezifische Schwere kann also nicht der Hauptfaktor 
sein. Auch ließ sich leicht mit Mischungen von Chloroform 
und Benzol von verschiedenem 8.G. feststellen, daß ein nen- 


1) Siehe u. m. Schäfer, Textbook of Physiology, 1898, 146 und 
Lucianis Handbuch, deutsche Übersetzung 1, 87, 1905. 


Senkungsgeschwindigkeit.d. Blutkörperchen versch. Blutarten usw. 301 


nenswerter Unterschied im S.G. zwischen den roten Blutkör- 
perchen verschiedener Tiere nicht vorhanden ist; auch die 
spezifische Schwere der Seren verschiedener Tiere ist ziemlich 
genau dieselbe; ich konnte dieselbe für Pferdeserum und Rinder- 
serum auf genau 1028 bestimmen. 

DasPferdeblutist jedoch in einer anderen Hinsicht 
von den meisten anderen Blutarten durchaus ver- 
schieden, und zwar darin, daß den roten Blutkörper- 
chen desselben in ihrem eigenen Serum eine viel 
größere Neigung zukommt, sich zu großen Geldrollen 
zusammenzufügen. Die dadurch entstehenden ziemlich 
großen Gebilde kann man während der Senkung im oben- 
stehenden Serum sogar mit unbewaffnetem Auge erkennen. 
Aber ganz besonders deutlich sieht man den Unterschied unter 
dem Mikroskop; die Rinderblutkörperchen liegen in ihrem Serum 
unter dem Deckglase nahezu alle räumlich getrennt; beim 
Pferdeblut sieht man die roten Blutkörperchen nicht nur zu 
Geldrollen, sondern auch zu ganz unregelmäßigen Gebilden 
von oft mehr als hundert Blutkörperchen vereint. 

Selbstredend muß ein solches Verhalten die Senkung in 
erheblichem Maße beeinflussen. Aus einer jeden Suspension 
werden bei gleichem S. G. die größten Teilchen, die der Flüssig- 
keit die kleinste Oberfläche bieten, am schnellsten sich senken. 
Wo beim Pferdeblut diese Partikel viel größer sind 
als bei den anderen Blutarten, liegt es auf der Hand, 
darin auch die Hauptursache für die schnellere Sen- 
kung der Pferdeblutkörperchen zu suchen. Das Pferde- 
blut bildet im Gegensatz zu den meisten anderen 
Blutarten außerhalb des Körpers keine haltbare Sus- 
pension. 

Für diese Erklärungsweise spricht auch der Befund, daß, 
sobald Kochsalzlösung als Suspensionsmittel verwendet wird, 
das abweichende Betragen der Pferdeblutkörperchen verschwin- 
det; sind ja bekanntlicherweise in einer physiologischen Koch- 
salzlösung alle Blutkörperchen räumlich getrennt. 

Um zu untersuchen, ob es möglich wäre, auch die Blut- 
körperchen eines anderen Tieres derart zu beeinflussen, daß 
auch bei ihnen die Senkung bedeutend beschleunigt würde, 
stellte ich damals den folgenden Versuch an, durch den es 


302 J. de Haan: 


vielleicht auch ermöglicht würde, etwas Näheres über die Ur- 
sachen der schnellen Senkung, also des Zusammenklebens der 
Pferdeblutkörperchen zu lehren. Der Versuch wurde folgender- 
maßen eingerichtet. Es wurde die Senkung von roten Blut- 
körperchen des Pferdes und des Rindes studiert, nicht nur in 
ihrem eigenen Serum als Suspensionsmittel, sondern auch in 
dem des anderen Tieres, also von Rinderblutkörperchen auch 
in Pferdeserum und umgekehrt. Zuerst wurden die betreffenden 
Blutkörperchen mit dem zu untersuchenden Suspensionsmittel 
einige Male mittels Zentrifugierens ausgewaschen und schließlich zu 
2 Volumina der in dieser Weise gewaschenen Blutkörperchen 3 Vo- 
lumina des zu untersuchenden Serums gesetzt, gut durchgemischt 
und von dieser Mischung, die in ihrer Zusammensetzung also etwa 
dem normalen Verhältnis Serum-Blutkörperchen im Blute ent- 
sprach, 20 ccm in die schon oben beschriebenen, mit einer Tei- 
lung versehenen Reagensröhrchen gegossen. Nach bestimmten 
Zeitintervallen wurde das Maß der Senkung bestimmt, indem 
die Grenze zwischen der klaren oberen Flüssigkeit und den 
schon gesunkenen Blutkörperchen abgelesen wurde. 

In der Weise war es möglich, den relativen Einfluß des 
Serums und der Blutkörperchen selbst auf die Senkungs- 
geschwindigkeit zu ermitteln. Indem weiterhin die schnelle 
Senkung im Pferdeblut einigermaßen an eine Ausflockung er- 
innerte, wie man es auch bei der Agglutination beobachtet, 
untersuchte ich auch, inwieweit ein Inaktivieren des Serums 
(Erhitzung während °/, Stunde auf 58°) einen Einfluß auf die 
Senkung ausübte. 


Ich stellte also die folgenden Proben an: 


1. Pferdeblutkörperchen in normalem Pferdeserum 


2: n » inaktivem ” 
3. ” » normalem Rinderserum 
4. ” » inaktivem ” 
5. Rinderblutkörperchen » normalem “ 
6. „ „ ” Pferdeserum 
7. ” » inaktivem ” 


Insofern die vorhandene Zahl Röhrchen gleichen Durch- 
messers es gestattete, wurden überall Doppelversuche ange- 
stellt. 


Senkungsgeschwindigkeit d. Blutkörperchen versch. Blutarten usw. 303 


Tabelle II. 






































l. Höhe der Blutkörperchenschichten nach Std. 
Mischung 7 a 

we TiN FRE 1 |1| 2 3 4 
Pferdeblutkörperchen in 10.7 | 9.7595 |92 T 9 88 88 
normalem Pferdeserum $ 2 $ y $ A 3 ” 
F fordeblatkörpərghen iù 16,5 |13,1 |11,4 [10,25 | 9,75| 9,4 | 9,3 
inaktivem Pferdeserum | Ex 
Pferdeblutkörperchenin 19,75| 19,75| 19,6 |19,25|18 J14 12,9 
normalem Rinderserum 19,75, 19,75| 19,6 |19,25 | 17,25113,5 | 12,6 
Pferdeblutkörperchenin 17,5 | 13,25| 11,75/10,50 | 10 9,5 | 9,3 
inaktivem Rinderserum 17,5 |14 |12 [10,90 |10,2 | 9,75| 9,6 
Rinderblutkörperchen i. 195 
normalem Rinderserum E 








Rinderblutkörperchen i. 


normalem Pferdeserum |20 |20 |20 |20 


9 

9 
|20 |20 |20 l20 |20 |19,75|19, 
|20 |20 |20 |20 |20 |19,75|19 





20 |20 20 |20 |20 105 | 
|20 |20 E |20 = a 











Rinderblutkörperchen i. 
inaktivrem Pferdeserum 

















Es lehrt uns dieser Versuch folgendes. Die Senkungs- 
geschwindigkeit der Blutkörperchen ist an erster Stelle eine 
Funktion dieser Blutkörperchen selbst; sehen wir ja, daß die 
Pferdeblutkörperchen sich schnell, sei es auch verschieden 
schnell, senken in allen den untersuchten Seren, auch im 
Rinderserum; nach 4 Stunden ist diese Senkung nahezu voll- 
ständig; andererseits senken sich die Rinderblutkörperchen 
überall gleich langsam; auch das Pferdeserum wirkt in dieser 
Hinsicht gar nicht beschleunigend. 

Dennoch zeigte es sich, daß die Serumart für die Senkung 
der Pferdeblutkörperchen nicht ganz ohne Bedeutung ist: im 
Pferdeserum geht sie schneller vor sich als im Rinderserum; 
das Inaktivieren des Serums verlangsamt die Senkung der Pferde- 
blutkörperchen beim Pferdeserum, beschleunigt jedoch dieselbe 
beim Rinderserum. Ob diese ziemlich geringen Senkungsdifferenzen 
auf einen Unterschied der Viscosität dieser Sera zurückzuführen sei, 
oder ob auch hier der Unterschied nur den Grad der „Ausflockung“ 
der roten Blutkörperchen betrifft, habe ich nicht weiter unter- 
sucht. Daß jedenfalls ein Viscositätsunterschied des Serums 
bei dieser Senkung nur eine ziemlich unbedeutende Rolle 
spielen kann, geht daraus hervor, daß das Pferdeserum nur für 
Pferdeblutkörperchen, nicht für dieselben des Rindes eine 


304 J. de Haan: 


schnelle Senkung hervorruft, und daß Inaktivieren des Pferde- 
serums auf Rinderblutkörperchen ohne Einfluß ist. 

Der Versuch, für Rinderblutkörperchen durch 
Zusatz von Pferdeserum ähnliche Ausflockungsver- 
hältnisse zu schaffen wie für Pferdeblut, war als 
verfehlt zu betrachten; eine Trennung zwischen roten 
und weißen Blutzellen konnte in dieser Weise nicht 
erreicht werden. 

Späterhin habe ich mit Rinderblut und Schweineblut ver- 
sucht, ob fraktionsweises Zentrifugieren (Abheben der leuko- 
cytenreichen oberen Schicht nach Zentrifugieren und wiederum 
Zentrifugieren derselben in speziell dafür konstruierten Zentri- 
fugenröhrchen) besser zum Ziel führte. Es gelang mir zwar, 
speziell mit Schweineblut, in dieser Weise ziemlich gute Leuko- 
cytensuspensionen zu erhalten; die Methode erforderte jedoch 
zu viel Zeit, um praktisch in Betracht kommen zu können, 
und würde auch ein so wiederholtes starkes Zentrifugieren für 
die Vitalität der Leukocyten nicht ohne Bedeutung sein. 

Ich habe mich dann fernerhin mit der Phagocytose mittels 
Pferdeblut beschäftigt und die Veröffentlichung der obenstehen- 
den Versuche auf unbestimmte Zeit verschoben. Alsich jedoch 
vor einiger Zeit diese Untersuchungen wiederum aufnahm, ist 
es mir gelungen, auch für Schweineblut mittels der 
für Pferdeblut beschriebenen Methode in den meisten 
Fällen gute Resultate zu erhalten. Es stellte sich näm- 
lich heraus, daß bei ziemlich hoher Zimmertemperatur 
die Senkung der roten Blutkörperchen des Schweines erheblich 
beschleunigt wird, wenn man das Blut im Citrat-Kochsalz- 
gemisch auffängt. (Ich verwende dafür immer eine Lösung von 
7g NaCl und 11g Na-Citrat in 11 dest. Wasser und fange 2 
bis 3 Volumina Blut auf in 1 Volumen dieser Mischung.) Noch 
schneller geht die Senkung im Brutschranke bei 37° vor sich. 
Nach einigen Stunden läßt sich dann meistens eine leukocyten- 
reiche, obenstehende Flüssigkeit abheben, die nur durch Zentri- 
fugieren in der gewöhnlichen Weise von den zahllosen Blut- 
plättchen befreit zu werden braucht, um ein schönes Material 
für Phagocytoseuntersuchungen zu liefern. 

Auch hier zeigte sich wiederum mikropkopisch, daß die 
starke Geldrollenbildung als die Ursache der schnelleren Senkung 


Senkungsgeschwindigkeit d. Blutkörperchen versch. Blutarten usw. 305 


für Schweineblut betrachtet werden muß; es ist diese Geld- 
rollenbildung, sei es auch weniger stark als beim Pferdeblut, 
dennoch überaus viel größer als beim Rinderblut, und zwar 
am deutlichsten, wenn eine gute Senkung gefunden wird. 

Ich beabsichtige jetzt auch mit den Leukocyten des 
Schweines die Wirkung verschiedener Lösungen auf die Phago- 
cytose nachzuprüfen, wie dies bisher beim Pferde getan ist; 
und daneben zu untersuchen, ob durch verschiedene Eingriffe 
vielleicht auch nicht noch andere Blutarten in dieser Weise 
Verwendung finden könnten. In letzterer Beziehung sei nur 
noch hervorgehoben, unter welchen Umständen eine Trennung 
zwischen roten und weißen Zellen erzielt werden kann: es 
wird dies der Fall sein, wenn der Unterschied in der 
Senkungsgeschwindigkeit dieser beiden Zellenarten 
ein so großer ist, daß während einer genügend langen 
Zeit die Hauptmasse der einen Art (in casu der Leu- 
kocyten) suspensionsfähig bleibt, während die andere 
Art schon „ausgeflockt“ ist. 

Es wird dies beim Pferdeblut und (sei es weniger gut) 
auch beim Schweineblut durch Auffangen des Blutes in einem 
Blut-Citratgemisch erreicht. Was ist nun bei dieser Behandlung 
der Unterschied mit dem Geschehen im einfach defibrinierten 
Blute? Dieses besteht darin, daß beim Pferdeblut im Citrat- 
gemisch die Senkung der weißen Blutkörperchen verlangsamt 
wird, während sie für die Erythrocyten nur wenig sich ändert. 
Für Schweineblut betrifft der Unterschied mehr die roten 
Blutkörperchen; diese senken sich im Citratgemisch bedeutend 
schneller als im defibriniertten Blute, und demzufolge 
kommt es auch hier zu einer Trennung zwischen den beiden 
Elementen. 

Auch für die weißen Blutkörperchen ist die Sen- 
kung an erster Stelle von dem Grade des Zusammen- 
klebens derselben abhängig: im defibrinierten Pferdeblut 
senken sich schnell auch die Leukocyten; untersucht man da 
mikroskopisch die obere leukocytenreiche Schicht der gesun- 
kenen Blutkörperchen, so sieht man sehr große Haufen von 
miteinander verklebten weißen Blutkörperchen; im Serum-Citrat- 
gemisch ist jedoch die überwiegende Mehrzahl derselben räum- 
lich getrennt. 


306 J. de Haan: 


Es gilt also auch für andere Blutarten Faktoren 
auszufinden, die die Ausflockung der roten und weißen 
Blutzellen in verschiedenem Grade oder in verschie- 
dener Richtung beeinflussen. Theoretische Überlegungen 
über die bestimmenden Faktoren der Geldrollenbildung können 
dabei ein wertvolles Hilfsmittel bieten. Es wurde die Geld- 
rollenbildung sowie das Zusammenkleben der weißen Blutkörper- 
chen als ein Problem der kontaktelektrischen Ladung 
zuerst von Schwyzer schon in 1914 studiert!); dieser Autor 
untersuchte den Einfluß von verschiedenen Elektrolyten, von 
H- und OH-Ionen auf die Geldrollenbildung; er bestimmte 
letztere nur zwischen Deckglas und Objektglas und betrachtete 
die Berührung zwischen Glaswand und Blut als das auslösende 
Moment für die Bildung der Geldrollen. Vorläufige von mir 
angestellte Untersuchungen in dieser Richtung, ob vielleicht 
durch Zusatz von Säure oder Alkali die gesuchte Trennung 
zwischen roten und weißen Blutzellen des Rindes erzielt werden 
konnte, blieben ohne Resultat. Es ist jedoch sehr gut mög- 
lich, daß in dieser Weise noch mehrere Blutarten für Phago- 
cytoseversuche nach der Hamburger-Hekmaschen Methode 
„eröffnet“ werden können. 

Andererseits könnte die Bestimmung der Senkungsgeschwin- 
digkeit auch vielleicht als ein genaueres Maß der Geldrollen- 
bildung in Betracht kommen als die von Schwyzer benutzte 
mikroskopische Methode, und ich möchte auf die Vorteile, die 
das Blut des Pferdes für derartige vergleichende Versuche 
bietet, hinweisen. 


Zusammenfassung. 


Die schnelle Senkung der Blutkörperchen im defibrinierten 
Pferdeblut wird in erster Linie durch die große Neigung der- 
selben zur Geldrollenbildung, d.h. zum Zusammenkleben ver- 
ursacht, und zwar gilt dies nicht nur für die roten, sondern 
auch für die weißen Blutkörperchen. 

In einem Blut-Citrat-Kochsalzgemisch bleiben die weißen 
Blutkörperchen viel mehr räumlich getrennt und demzufolge 





1) Siehe diese Zeitschr. 60, 297, 306, 1914. 


Senkungsgeschwindigkeit d. Blutkörperchen versch. Blutarten usw. 307 


während längerer Zeit suspensionsfähig, während die Geld- 
rollenbildung und dadurch die Senkungsgeschwindigkeit der 
Erythrocyten nicht nennenswert sich ändert; in dieser Weise 
wird eine Trennung zwischen Leukocyten und roten Blut- 
körperchen erreicht, wodurch ein gesondertes Aufheben und 
ein Verwenden der letzteren für Phagocytoseversuche ermög- 
licht wird. 


Auch für Schweineblut gelingt es, eine derartige 
Trennung in ähnlicher. Weise hervorzurufen, und zwar 
kommt es hier im Blut-Citrat-Kochsalzgemisch zu einer schnelleren - 
Senkung und größeren Geldrollenbildung der Erythrocyten als 
im defibrinierten Schweineblute, zumal wenn man bei Kör- 
pertemperatur arbeitet. 


Die Geldrollenbildung der Pferdeblutkörperhen ist der 
Hauptsache nach eine Eigenschaft dieser Blutkörperchen selbst; 
es kann die Senkung jedoch durch eine Änderung des Sus- 
pensionsmittels (Inaktivieren des Serums, Verwendung vonRinder- 
serum statt Pferdeserum) in geringem Grade beeinflußt werden. 
Dennoch gelingt es nicht, die Blutkörperchen eines Rindes 
durch Aufschwemmung derselben in Pferdeserum auszuflocken. 
Die Blutkörperchen des Rindes senken sich sehr langsam, und 
im Einklang damit fehlt die Geldrollenbildung nahezu voll- 
ständig. 

Es wäre vielleicht möglich, durch künstliche Änderung 
der kontaktelektrischen Ladung der Blutkörperchen auch für 
andere Blutarten in derselben Weise wie beim Pferde- und 
beim Schweineblut eine Trennung zwischen den roten und 
weißen Blutzellen herbeizuführen. 


Nachschrift. 


Mit dem Schreiben dieses Artikels beschäftigt, kam mir eine Arbeit ` 
von L. Berczeller und E. Stanker!) zu Gesicht. Diese Autoren 
untersuchten die Senkung der roten Blutkörperchen des Schweines und 
des Rindes in verschiedenen Flüssigkeiten als einen Ausdruck für die 


1) Internationale Zeitschr. f. physik.-chem. Biologie 2, 2, 133. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 21 


308 J.deHaan: Senkungsgeschwindigk.d.Blutkörperch.versch.Blutart.usw. 


verschiedenen physiko-chemischen Verhältnisse zwischen den roten Blut- 
körperchen und der umgebenden Flüssigkeit; durch Zusatz von Verdün- 
nungsflüssigkeiten zum Serum, von Elektrolyten und Nichtelektrolyten 
änderte sich der Prozeß der Senkung, und ebenso durch das Inaktivieren 
des Serums. Nach diesen Autoren setzt sich die Senkungsgeschwindig- 
keit aus mehreren Faktoren, sowohl aus Eigenschaften der Blutkörper- 
chen als des Außenmediums, zusammen. 

Aus meinen Untersuchungen geht hervor, daß wenigstens für das 
Pferd, und auch beim Schwein, die Hauptursache der schnellen Senkung 
in der überaus stark ausgeprägten Geldrollenbildung gesucht werden muß. 


Anionenwanderungen in Serum und Blut unter dem 
Einfluß von CO,, Säure und Alkali. 


Von 
H. J. Hamburger, Groningen (Holland). 


(Eingegangen am 14. November 1917.) 


Nachdem wir eine mikrovolumetrische Methode ausfindig 
gemacht hatten, um geringe SO,-Mengen in genauer Weise 
quantitativ zu bestimmen'), schlugen wir Herrn Dr. S. de Boer 
vor, mit Hilfe dieses Verfahrens die Permeabilität der roten 
Blutkörperchen für SO, einer Untersuchung zu unterziehen. 
Freilich war das Bestehen dieser Permeabilität bereits im 
Jahre 1902 nachgewiesen), aber die Versuche waren mit in 
isotonischer Zuckerlösung ausgewaschenen Blutkörperchen aus- 
geführt, während die Flüssigkeit, in der die ausgewaschenen 
Blutkörperchen SO, aufzunehmen die Gelegenheit hatten, eine 
reine Na,SO,-Lösung war. Obgleich uns die Umkehrbarkeit 
der unter dem Einfluß von CO, hervorgerufenen SO,-Bewegung 
zu der Schlußfolgerung berechtigte, die Blutkörperchen seien 
für SO, durchgängig, so kann doch nicht gesagt werden, daß 
die Versuchsanordnung den physiologischen Verhältnissen voll- 
kommen entsprach. Da es sich bei der Permeabilität von 
Zellen für Anionen um eine Angelegenheit prinzipieller Be- 
deutung handelt, schien es empfehlenswert, die Frage mit Hilfe 
einer verbesserten Methodik in Angriff zu nehmen. 

Zunächst ist man, dank den Untersuchungen Bechholds, 
jetzt in der günstigen Lage, mittels Ultrafiltration die Krystal- 
loide und Kolloide des Serums zu trennen, und zweitens ver- 


1) Hamburger, diese Zeitschr. 77, 168, 1916. 
2) Hamburger u.vanLier, Archiv f. (Anat. und) Physiol. 1902, 492. 
21* 





310 H. J. Hamburger: 


` fügt man, wie gesagt, über eine viel genauere SO,-Bestim- 
mungsmethode. 

Mittels dieser Methode wies dann de Boer nach, daß das 
Ultrafiltrat des Serums von mit physiologischen Kohlensäure- 
mengen behandeltem Blut weniger SO, enthielt als das Ultra- 
filtrat des ursprünglichen Serums’). Aus diesem Befund wurde 
geschlossen, daß SO, das Serum verlassen hatte und in die 
Blutkörperchen übergetreten war. Jedoch wurde bei dieser 
Schlußfolgerung von uns versäumt, die Untersuchungen von 
Rona und György’) zu berücksichtigen. Diese Autoren fanden, 
daß bei Einwirkung von CO, auf Serum dessen Chlor teil- 
weise in den nicht-diffusiblen Zustand übergeht. Sie erklären sich 
diese Erscheinung dadurch, daß die Eiweißkörper durch die Säure 
kathodisch werden und dadurch anodisches Chlor binden. Es liegt 
also auf der Hand, daß, wenn de Boer CO, auf Blut einwirken 
läßt, die Abnahme des SO, -Gehalts im Ultrafiltrat verursacht sein 
kann durch Bindung von SO, an Eiweißkörper und der Beweis also 
nicht geliefert ist, daß SO, in die Blutkörperchen übergetreten 
sein muß. Es blieb also nichts anderes übrig, als die Ange- 
legenheit etwas eingehender quantitativ zu untersuchen. 

Bevor wir aber damit anfingen, wünschten wir uns durch 
Wiederholung der Versuche von Rona und György ein 
selbständiges Urteil über die Angaben der Autoren zu bilden. 
Wir haben die Angaben vollkommen bestätigen können. 
Da in einigermaßen anderer Weise gearbeitet wurde, ist es 
vielleicht empfehlenswert, etwas von unserem Verfahren mit- 
zuteilen, um so mehr, weil dasselbe auch für die weiteren Unter- 
suchungen gebraucht wurde. Die Abweichungen bestanden 
darin, daß wir den Chlorgehalt im diffusiblen Teil des Serums 
nicht, wie die genannten Autoren, mittels Kompensationsdialyse, 
sondern im Ultrafiltrat des Serums usw. ermittelten; zweitens 
bewegen sich die zum Serum hinzugefügten Säuremengen inner- 
halb der physiologischen Grenzen, waren also viel geringer als 
bei Rona und György, so daß von Trübungen wie bei den 
beiden Forschern nicht die Rede war. 





1) S. de Boer, Journ. of Physiol. 51, 211, 1917. 
2?) Rona u. György, diese Zeitschr. 56, 416, 1913. 


Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 311 


1. Der Übergang von Chlor in den nicht-diffusiblen Zustand 
durch Einwirkung von CO, auf Rinderserum. 


200 ccm Serum werden geschüttelt mit 20 Volumprozent 
CO,. Ultrafiltration unter einem Druck von 4 Atmosphären. Die 
nach 20 Minuten erhaltenen ersten 22 cem Ultrafiltrat werden 
weggeworfen. Von den danach erhaltenen 124 ccm Ultrafiltrat 
‚werden 2><10ccem auf Chlor titriert!). 


Zu diesem Zweck werden 10 cem vom klaren Ultrafiltrat 
versetzt mit 15 ccm 0,1 normal AgNO, und 2 ccm Salpeter- 
säure; Zurücktitrierung mit 0,1 normal KCNS und 0,5 cem 
Ferrinitrat. 


10ccm des Ultrafiltrates des nörmalen Serums entsprechen 
10,25 und 10,25ocm 0,1 normal AgNO,. 


10ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums entsprechen 9,75 
und 9,75ccm 0,1 normal AgNO,°). 


Wie ersichtlich, ist durch die Einwirkung von CO, 
Chlor in den nicht-diffusiblen Zustand übergegangen. 

Wiederholung des Versuches mit anderem Blute. Genau so ge- 
arbeitet wie oben. 

20 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entsprechen 21,85 cem 
0,1 normal AgNO,. 

20 ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums entsprechen 18,9 ccm 0,1 
normal AgNO,. 


Resultat also wie oben. 

Noch eine Wiederholung. 

20 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entsprechen 22,2 cem 
0,1 normal AgNO,. 

20 ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums entsprechen 21,75 cem 
0,1 normal AgNO,. 


Auch hier sieht man wieder, daß durch die Ein- 
wirkung von CO, Chlor in den nicht-diffusiblen Zu- 
stand übergegangen ist, dasselbe also was Rona und 
György mittels Dialyse fanden. 


1) Durch ausführliche Vorversuche erwarben wir uns die Sicher- 
heit, daß bei einem Druckwert von 4 Atmosphären der Chlorgehalt des 
Ultrafiltrates während der Filtration unverändert blieb. 

23) Um Raum zu ersparen, werden wir weiter hier nur von einem 
Versuchsspezimen Doppelversuche anführen. 


312 H. J. Hamburger: 


2. Neue Bestätigung der sub 1 gefundenen Tatsachen. 


Es stehen uns noch eine Anzahl nicht veröffentlichte ältere 
Versuche zur Verfügung, die bezweckten, aus dem Chlor- 
gehalt des Serums und dessen Ultrafiltrates das Volum 
der Eiweißteilchen abzuleiten. Es wurde damals folgen- 
des überlegt. Wenn 100 ccm Serum p g Chlor enthalten und 
100 com von dessen Ultrafiltrat (p -+ p’) g, so kann das nur daher 
rühren, daß bloß die Salzlösung, in der die Eiweißteilchen ver- 
teilt sind, das Chlor enthält, und man muß durch eine ein- 
fache Rechnung feststellen können, wie groß das relative Volum 
der Eiweißteilchen und der „intermicellaren“ Flüssigkeit sich 
gestaltet. - 

Die vielfachen Versuche ergaben jedoch für verschiedene 
Sera Werte für den Serumeiweißgehalt, die zwischen 4,7 und 7,5 
Volumprozenten des Gesamtserums schwankten. Jetzt verstehen 
wir, wo die großen Abweichungen herrühren; denn wir wissen, 
daß durch Anwesenheit von CO, der Chlorgehalt des Ultra- 
filtrats abnimmt und also das berechnete Volum der Eiweiß- 
teilchen vom CO,-Gehalt des Serums beeinflußt wurde. Glück- 
licherweise ermittelten wir damals nicht nur den Chlorgehalt 
des Ultrafiltrates und des ursprünglichen Serums, sondern auch 
vom auf dem Filter zurückgebliebenen eingedickten Serum. 

Wenn wir nun in unsern Protokollen noch einmal die da- 
mals bestimmte Gesamtchlormenge der nach der Ultrafiltration 
zurückgebliebenen eingedickten Serummasse uns ansehen, stellt 
sich deutlich heraus, daß mit dem zu geringen Chlorgehalt 
des Ultrafiltrates immer ein zu hoher Cl-Gehalt des eingedick- 
ten Serumrückstandes einhergegangen ist. Offenbar hat sich 
unter dem Einfluß von CO, Cl an das Serumeiweiß 
gebunden. Es scheint uns überflüssig, das betreffende Zahlen- 
material hier anzuführen. Zwei Schlußfolgerungen wollen wir 
aber hervorheben: 

1. Daß die hier von Rona und György nach Dialysever- 
suchen ausgesprochene und von uns in ähnlicher Weise an 
Ultrafiltratversuchen bestätigte, also in beiden Fällen auf Grund 
indirekter Versuche ausgesprochene Ansicht, daß unter dem 
Einfluß von CO, Chlor sich an Eiweiß heftet, durch die soeben 
hervorgehobenen direkten Experimente bestätigt wird. 


Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 313 


2. Daß man, um durch Vergleichung der Chlorkonzentration 
des Gesamtserums und des entsprechenden Ultrafiltrates das 
Volum des Eiweißes im Serum mit Erfolg zu bestimmen, 
durch Vertreibung der CO, aus dem Serum dafür zu sorgen 
hat, daß alles Chlor sich im Ultrafiltrate befindet. 


3. Der Übergang von Chlor in den nicht-diffusiblen Zustand 
durch Zusatz von H,SO, zum Serum. 


Rona und György fügten dem Serum Essigsäure hinzu; 
wir haben geringe Mengen Schwefelsäure angewandt. 

204ccm Serum werden versetzt mit 2ccm, 1,12 normal 
Schwefelsäure. Eine gleiche Serummenge wird mit 2 cem Wasser 
versetzt. Beide klare Flüssigkeiten werden der Ultrafiltration 
unterworfen. Das Resultat ist, daß 20cem des mit Säure ver- 
setzten Ultrafiltrates 22,2ccm 0,1 normal AgNO, entspricht, 
während 20 ccm des Ultrafiltrates des mit der gleichen Wasser- 
menge vermischten Serums mit 22,56ccm 0,1 normal AgNO, 
übereinstimmen. Auch hier ist also das Ultrafiltrat des Säure- 
serums ärmer an Cl als das des Wasserserums, m. a. W.: unter 
dem Einfluß einer geringen H,SO,-Menge ist Cl in 
den nichtdiffusiblen Zustand übergegangen. 

Ich werde hier noch einige von den angestellten Versuchen er- 


wähnen. 
10 cem Ultrafiltrat von 


150 com Serum + 2 ccm Wasser entsprechen 10,8 com 0,1nAgNO, 
150 » » +2 » H,SO, 0,75n n 10,75 n»n Ol n»n 

150 » n +2 n HSO, 15n n 10,45 n Ol » 
150 » n +2 » H,SO, 2n ” 10,05 » Ol nn ) 


10 ccm Ultrafiltrat von 

143 ccm Serum + 2 ccm Wasser entspr. 11,05 

143 » n +2 n n » 11,05 | 10,07 cem 0,1nAgNO, 
143 » n +2 n » 111 

143 >» n +2 n H,SO, 0,75n n 11 

143 >» n +2 n»n H,SO,0,75n n u! 11,02 » 0,1 nAgNO, 
145 r n -} 2 n HS0, 0,75n n 11 


n 


1) Es war interessant, daß, während alle vier Ultrafiltrate mit 
Lackmuspapier alkalisch reagierten, in den zwei letzten Fällen die auf 
dem Ultrafilter zurückgebliebenen serösen Sirupe saure Reaktion 
zeigten. Es bestätigt das die Annahme von Rona und György 
von dem Kathodischwerden des Eiweißes. 


314 H. J. Hamburger: 


143 ccm Serum +2 ccm H,SO, 1,5n entspr. 10,65 
143 » n +2 n»n H,SO, 2n » 10,65 | 10,67 com 0,1 nAgNO, 


148 » n +2 n H,SO, 2n n 10,7 
143 » » +2 n HS0O,2n » 10,25 
143 n n»n +2 n HSO, 2n » 1015 1102 » 0,1 nAgNO, 
143 n  » +2 » H,S0,2n » 102 


Wie ersichtlich, sind die Resultate alle gleichlautend und 
bestätigen die von Rona und György durch Essigsäurezusatz 
herbeigeführte Cl-Bewegung, auch für H,SO,-Zusatz. An einer 
andern Stelle des Artikels werden wir noch auf weitere ähn- 
liche Experimente zurückkommen. 

Es erhob sich jetzt die Frage, ob unter dem Einfluß von 
Säuren auch eine SO,-Bewegung zu konstatieren sein würde. 
Es war diese Frage, wie bereits oben gesagt, der Ausgangs- 
punkt für die vorliegende Arbeit. 


4. Der Übergang von SO, in den nicht-diffusiblen Zustand 
bei Einwirkung von CO, auf das Serum. 


Wieder wurde vom normalen Serum und vom entsprechen- 
den CO,-Serum Ultrafiltrat angefertigt und in diesem SO,-Be- 
stimmungen ausgeführt. 

50 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums ent- 
sprechen 33°/, Teilstrichen BaSO, (jeder Teilstrich entspricht 
0,000294 g SO,). 

50ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums entsprechen 
30 Teilstrichen BaSO,. 

Wie ersichtlich, ist durch die Einwirkung von 20 Volum- 
prozent!) CO,, SO, in den nicht-diffusiblen Zustand über- 
gegangen. 

Was die Technik für die SO,-Bestimmung betrifft, wird 
man am Ende dieses Aufsatzes noch ein paar Bemerkungen 
finden. 

Eine Wiederholung mit anderem Blute ergab folgendes: 


50 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entsprechen 
42,5 Teilstrichen BaSO,. 


1) Es ist kaum zu vermeiden, daß nach der Einwirkung von CO, 
auf das Serum ein Teil der CO, bereits bei der Anfertigung des Ultra- 
filtrates wieder entweicht, so daß das Serum tatsächlich mit weniger als 
20 Volumprozent CO, beteiligt iet. 


Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 315 


50ccm des Ultrafiltrates des mit 20 Volumprozent CO, berei- 
cherten Serums entsprechen 40 Teilstrichen BaSO,. 

Eine dritte Wiederholung lieferte: 

50ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entsprechen 
36 Teilstrichen BaSO,, während 

50ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums 82,5 Teilstrichen ent- 
sprechen. 

Es ergibt sich deutlich, daß durch die Einwirkung 
von CO, auf Serum, SO, in den nicht-diffusiblen 
Zustand übergeht. 

Wie erwartet werden konnte, zeigte sich die SO,-Bewegung 
umkehrbar. Nach Schüttelung mit Luft ergab das SO,-Serum 
ein Ultrafiltrat, von dem 50 cem 37 Teilstriche BaSO, lieferten, 
also noch ein wenig mehr als das dem ursprünglichen Serum 
entsprechende. Letzteres rührt daher, daß das Serum der 
Jugularis des Pferdes entstammte, und da es in geschlossener 
Flasche defibriniert war, noch CO, enthielt. Es wurde diese 
durch energische Behandlung mit Luft entfernt. Wir haben 
diesen Befund, daß Behandlung von normalem venösem Serum 
mit Luft noch eine geringe Steigerung des diffusiblen SO,. 
und auch des diffusiblen Cl zur Folge hat, in mehreren Ver- 
suchen bestätigen können. 


5. Der Übergang von SO, in den nicht-diffusiblen Zustand 
durch Zusatz von HCI im Serum. 


171 ccm Serum wurden mit 2 ccm normal Salzsäure bzw. 
mit 2com Wasser versetzt. Von beiden wird wieder Ultra- 
filtrat angefertigt. Das Resultat ist, daß 50 com des Ultra- 
filtrates des mit Säure versetzten Serums 36,7 Teilstrichen 
BaSO, entspricht, während 50 ccm des mit der gleichen Wasser- 
menge versetzten Serums 41 Teilstrichen BaO, entspricht. 
Auch hier enthält also das Ultrafiltrat des Säureserums weniger 
SO, als das Ultrafiltrat des normalen Serums, m. a. W. ist unter 
dem Einfluß von HCl SO, in den nicht-diffusiblen Zustand 
übergegangen. 

Wiederholung der Experimente: 

60 ccm Ultrafiltrat von 
180,75 com Serum + 2 ccm Wasser entsprechen 51 Teilstr. BaSO, 
179 n n +2 » HO 0,75n n 505 »  BaSO, 
179 n r +2 » HCI 1,5 n " 47 »  BaSO, 
179 n » +2 » H02 n ” 46,5 » BaS0, 


316 H. J. Hamburger: 


Auch hier enthält das Ultrafiltrat des Säureserums weniger 
SO, als das des mit Wasser vermischten Serums. 

Diese Resultate wie auch diejenigen der dritten Versuchs- 
reihe lassen keinen Zweifel darüber bestehen, daß sowohl 
unter dem Einfluß vonCO, wie durch Zusatz von ein 
wenig HCl zum Serum ein Teil des SO, in den nicht- 
diffusiblen Zustand übergegangen ist. 

Wenn de Boer also findet, daß nach Einwirkung von 
CO, auf Blut, der SO,-Gehalt des Ultrafiltrates vom entsprechen- 
den Serum abgenommen hat, so beweist diese Abnahme nicht, 
daß SO, in die Blutkörperchen übergegangen ist. Offenbar 
ist die Abnahme jedenfalls teilweise dem zuzuschreiben, daß 
SO, sich an die Serumeiweißkörper geheftet hat. 


Um zu entscheiden, ob auch den Blutkörperchen SO, zu- 
teil geworden war, wurde folgendes überlegt: 

1. Wenn bei Einwirkung von CO, auf Blut nicht nur die 
Serumeiweißstoffe, sondern auch die Blutkörperchen sich 
eines Teiles des SO, bemächtigen, so muß nach Abhebung des 
Serums von den Blutkörperchen und Austreibung des CO, aus 
dem’Serum dessen Ultrafiltrat auch einen geringeren SO,-Gehalt 
besitzen als das Ultrafiltrat des normalen Serums, das ebenfalls 
mit Luft behandelt war. 

2. Wenn man 300ccm Blut mit 2 ccm normal HCl ver- 
setzt und es geht dabei kein SO, in die Blutkörperchen 
über, so muß man finden, daß nach Zugabe der 2 cem HCl zum 
entsprechenden Serum allein dessen Ultrafiltrat genau dieselbe 
SO,-Menge besitzen wird wie das Serum der 300 ccm Blut, 
das mit 2ccm HCl versetzt wurde. Wenn aber das Ultrafiltrat 
des Serums vom HCl-Blute einen geringeren SO,-Gehalt, als 
das des HClI-Serums aufweist, so darf man schließen, daß SO, 
in (oder auf) die Blutkörperchen übergegangen ist. 


6. Der Übergang von SO, in die Blutkörperchen durch 
Behandlung des Blutes mit C0O,'). 


300 ccm Rinderblut werden mit 20 Volumprozent CO, ge- 
schüttelt. Dann wird das Blut in verschlossenen Röhren zen- 


1) Vgl. sub 4 


Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 817 


trifugiert. Das Serum wird abgehoben und kräftig mit Luft 
geschüttelt. Nachdem in dieser Weise die CO, vertrieben 
worden ist, wird ultrafiltriert. 

Zu gleicher Zeit wird auch eine gewisse Menge des ur- 
sprünglichen Serums ultrafiltriert. In beiden Ultrafiltraten wird 
der SO,-Gehalt ermittelt. 

50 ccm Ultrafiltrat des normalen Serums geben 42,5 
Teilstriche BaSO,; 

50cem Ultrafiltrat des Serums des CO,-Blutes geben 
40 Teilstriche BaSO,. 

Aus diesem Versuch geht deutlich hervor, daß bei der 
Behandlung des Blutes“ mit CO,, SO, nach den Blutkörperchen 
wandert. e 

Eine Wiederholung ergibt folgendes: 

50 cem Ultrafiltrat des normalen Serums geben 40,5 Teilstriche 
BaSO,; 

50 ccm Ultrafiltrat des Serums des CO,-Blutes geben 36 Teil- 
striche BaSO,. 

Eine dritte Wiederholung: 

50cem Ultrafiltrat des normalen Serums gibt 38 Teilstriche 
BaSO,, während 

50 ccm Ultrafiltrat des Serums desCO,-Blutes 35 Teilstriche gibt. 

Auch hier ergibt sich wieder deutlich, daß bei der Behand- 
lung des Blutes mit CO, SO, nach den Blutkörperchen wandert. 

Das Resultat de Boers, das unter dem Einfluß von 
CO, SO, in die Blutkörperchen wandert, bleibt also, 
auch wenn man die Bindung von SO, durch die Eiweiß- 
partikelchen berücksichtigt, richtig. 


7. Der Übergang von SO, in die Blutkörperchen durch 
Zusatz von ein wenig HCl zum Blute'). 


Es werden 2 >< 300 cem Blut abgemessen und zentrifugiert. 
Das Serum wird größtenteils abgehoben und resp. mit 2 ccm 
Wasser und 2ccm 2 normal HCl versetzt. Das Serum bleibt 
in beiden Fällen vollkommen klar. Dann wird es mit den 
zurückgebliebenen Blutkörperchen jede Viertelstunde gut ver- 
mischt und während 2 Stunden sich selbst überlassen, so daß 
die veränderten Sera Gelegenheit haben, ein neues Gleich- 


1) Vgl. sub 5. 





a 


50 
50 
50 


318 H. J. Hamburger: 


gewicht mit den Blutkörperchen einzustellen. Abermals wird 
zentrifugiert und das Serum abgehoben. Jetzt können beide 
Sera ultrafiltriert und der SO,-Gehalt der Ultrafiltrate ermittelt 
werden. 

Zu gleicher Zeit werden 2 andere Serumportionen ultra- 
filtriert. Es sind Serumgemische, die nicht mit den Blutkör- 
perchen in Berührung gewesen sind!) Um diese Gemische 
anzufertigen, sollten erst die Serummengen bestimmt werden, 
die sich in 300 cem Blut + 2ccm Wasser und in 300 cem Blut 
+ 2 com HCl 2n befanden. Zu diesem Zweck wurde das relative 
Volum von Blutkörperchen und Serum in Hämatokriten er- 
mittelt; eine einfache Berechnung lehrte dann, wieviel Serum 
resp. in 300 cem H,O-Blut und 300 cem H(I-Blut vorhanden 
war. Die erhaltenen Volumina wurden dann in Wirklichkeit 
mit 2cem Wasser und 2 cem HCI versetzt. Wie gesagt, wurden 
nachher diese Sera ultrafiltriert. 

Wir lassen jetzt einige Versuchsresultate folgen. 

1. 300 ccm Rindsblut +2 ccm Wasser. 
2. 300 cem Rindsblut 4 2 ccm HCl 2 normal. 
Nach Zentrifugierung erhalten 0,08 ccm?) der beiden Blutproben: 
1. 79,5 Teilstriche Blutkörperchen, 
2. 82,75 Teilstriche Blutkörperchen. 

In 0,08ccm H,O-Blut befinden sich also 200—79,5 — 120,5 Teil- 
striche Serum. 

In 0,08 cem HÜCl-Blut befinden sich also 200 - 82,75 = 117,25 cem 


Serum. 
300 ccm H,O-Blut enthalten folglich 


x 120,5 = 180,75 ccm Serum, und 300 cem HCI-Blut 
300 ; : 
200 > 117,25 — 175,9 ccm Serum. 


‘Dementsprechend werden nun die folgenden Gemische angefertigt: 
3. I80,75 ccm Serum + 2ccm Wasser, 


d 4. 175,9 ccm Serum +2ccm HCl, normal. 


Die SO,-Bestimmungen von 50 ccm der wasserklaren eiweißfreien 
Ultrafiltrate von 1., 2., 3. und 4. liefern die folgenden Zahlen: 


. 50 ccm Ultraf. vom Serum v. (300 cemBlut--2ccm Wasser) lief. 48 Teilstr. BaSO, 


„ ” ” n v. (300 » » +2 n HCl2n) » 44,5 » BaS0, 


» n » 180,75 ccm Serum +2 » Wasser n 51 »  BaS0, 
n n ” 175,9 ” n +2 » HCl2n n 46,5 ” BaSO, 
1) Vgl. sub 2. 


2) 100 Teilstriche des Hämatokrits entsprechen 0,04 ccm, also 
0,08ccm stimmen mit 200 Teilstrichen überein. 


Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. > 319 


Ist nun unter dem Einfluß von HCI SO, in die Blut- 
körperchen übergewandert, so muß nicht nur 2. kleiner sein 
als 1., sondern auch 2. kleiner als 4., was in der Tat zutrifft?). 

Ferner wiederholt sich die Erscheinung, daß unter dem Einfluß 
von Säure ein Teil des SO, indiffusibel wird. Man sieht ja, daß 4. 
kleiner ist als 3. 

Zum Überfluß erwähnen wir hier noch eine Versuchsreihe 
mit Serum und verschiedenen Säuremengen. Die Versuchsreihe 
weist dasselbe Resultat auf, nur mit dem Unterschied, daß hier 
die Zahlen noch deutlicher sprechen als früher (sub 5). Offenbar 
verhalten sich also die Sera quantitativ nicht genau in der- 
selben Weise. 

50 ccm Ultraf. von 150 cem Serum + 2 ccm Wasser lief. 74,5 Teilstr. BaSO, 
50 p n n 150 » n +2 » HCI 0,75n lief.64 » DBaSO, 
50 » n n 150 n n +2 n HCI 1,5 n n 63,5 n BaS0, 
50 s» n n 150 n n +2 » HCI 2n n 60 » BaSO, 


Ein ähnlicher Versuch, aus dem hervorgeht, daß nicht 
alles Blut sich in quantitativem Sinne gleich verhält, dürfte 
jetzt folgen. Derselbe ist in gleicher Weise ausgeführt wie der 
soeben genannte. 

Die Resultate sind folgende: 

1. 50 cem Ultraf.v.Ser.v. (300 ccm Blut-+ 2ccm Wass.)lief. 42,2 Teilstr. BaSO, 
2.50 » n nn n(800 n n»n +2 n HCl2n) » 37 n  BaSO, 
3.50 » » n 172,5ccm Serum 4-2 » Wasser» 41,1 » BaSO, 
4.50 » n » 171 n n +2 » HCl 2n n» 37 n BaSO, 

Zunächst sieht man, daß wieder 2. kleiner ist als 1., je- 
doch nicht kleiner als 4., während im vorigen Versuche das 
wohl der Fall war. 


8. Der Übergang von Cl in die Blutkörperchen durch 
Behandlung des Blutes mit CO, oder mit H,SO,. 


50 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entspricht 55,5 ccm 
AgNO, 0,1 normal. 

50 ccm des Ultrafiltrates des Serums des CO,-Blutes entspricht 
»4,5ccm AgNO, 0,1 normal. 

Wiederholung des Versuches. 


1) Ob das SO, in die Blutkörperchen überwandert oder sich bloß 
an deren Oberfläche haftet, wie das bei Eiweißpartikelchen der Fall ist, 
wollen wir hier dahingestellt lassen. An das Eindringungsvermögen von 
in Salzen vorhandenem SO,, Cl, NO, usw. kann übrigens nicht gezweifelt 
werden. Wir haben das nach vier verschiedenen Methoden streng nach- 
gewiesen. (Osmotischer Druck und Ionenlehre 1, 234 bis 239). 


320 H. J. Hamburger: 


50 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entspricht 57,5 cem 
AgNO, 0,1 normal. 

50 ccm des Ultrafiltrates des Serums des CO,-Blutes entspricht 
50,25 ccm AgNO, 0,1 normal. 


Hier haben wir also eine mittels der Ultrafiltrationsmethode 
gefundene Bestätigung der vor vielen Jahren auf ganz anderem 
Wege gefundenen Resultate!), daß nämlich unter dem Einfluß 
von CO, Cl in die Blutkörperchen übergeht, ein Resultat, das 
von verschiedenen Seiten?), auch nach anderen Methoden, 
in letzterer Zeit noch von Snapper?) bestätigt wurde. 

Nebenbei sei hier noch hervorgehoben, daß derselbe Autor 
meine Angaben über die Wanderung von Cl aus dem Serum 
in die Blutkörperchen unter dem Einfluß von geringen H,SO,- 
Mengen vollkommen bestätigen konnte. 

Wir lassen hier aber zum Überfluß noch ein paar Ver- 
suchsreihen folgen, die mit Hilfe unserer Ultrafiltrationsmethode 
angestellt worden sind. 


Es werden folgende Gemische angefertigt: 
1. 300 ccm Rindsblut + 2ccm Wasser. 
2. 300ccm Rindsblut + 2cem H,SO, 2 normal. 
Nach Zentrifugierung erhalten 0,08ccm von beiden Blutproben: 
1. 86,5 Teilstriche Blutkörperchen, 
2. 92,5 Teilstriche Blutkörperchen. 
In 0,08 cem H,O-Blut befinden sich also 200—86,5 = 113,5 Teil- 
striche Serum; 
in 0,08 ccm H,SO,-Blut also 200— 92,5 = 107,5 Teilstriche Serum. 


300 cem H,O-Blut enthalten folglich an x 113,5 = 170,25 ccm 


Serum. 


300 cem H,SO,-Blut enthalten also = x 107,5 = 161 ccm Serum. 


Dementsprechend werden nun die folgenden Gemische angefertigt: 
3. 170,25 ccm Serum +2 ccm Wasser, 
4. 161 cem Serum -+ 2 cem H,SO, 2 normal. 
Die Cl-Bestimmungen von je 10 ccm der wasserklaren eiweißfreien 
Ultrafiltrate lieferten folgendes: 
1. 10ccm Ultraf. v. Ser. v. (300 ccm Blut-+ 2ccm Wasser) gebrauchen 10, 85 comAgNO, 0,1n 
2.10 » n nn » (300 n n +2 n H,SO, 2n) n 10,025 n AgNO, 0,1n 
3.10 » n n 170,25ccm Serum +2 » Wasser n 11,2 » AgNO,0,1n 
4.10 » n n 161 n n +2 n H,SO, 2n n 10,6 n AgNO, O,ln 


1) Hamburger, Zeitschr. f. Biol. 28, 405, 1892. 
2) Vgl. Osmotischer Druck und Ionenlehre 1, 201 ff. 
3) Snapper, diese Zeitschr. 51, 62, 1913. 


Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 321 


Der Übergang von Cl aus dem Serum nach den Blutkörperchen 
erscheint wieder daraus, daß 2. sowohl kleiner ist als 1. und auch als 4. 
Auch hier ersieht man wieder, daß unter dem Einfluß von Säure 
ein Teil des Cl indiffusibel wird; 4. ist ja kleiner als 3. 
Eine Wiederholung des Versuches lieferte folgendes: 
1. 10 ccm Ultraf. v. Serum v. (300ccm Blut-+2ccmWasser) gebrauch. 10,22cem AgNO, 0,1n 
2.10 » n n n n (300 n n +2 n H,SO, 2n n 8,87 n AgNO, 0,1n 
3.10 » n»n n 147,5ccm Serum +2 » Wasser n 11,07 » AgNO,0,1n 
4.10 » n ” 138,5 n n +2 n H,SO, 2n n 10,2 n AgNO, 0,1n 
Auch hier kommt man wieder zu derselben Schlußfolgerung 
wie bei dem vorigen Versuch. 


9. Wanderung von Cl und SO, unter dem Einfluß von KOH. 


Nach den vorigen Versuchsergebnissen lag es auf der Hand, 
zu untersuchen, ob das in den Blutkörperchen vorkommende 
Cl und SO, durch Zusatz von KOH in das Serum übergehen 
würde, und weiter, ob das an den Eiweißkörpern haftende Cl 
und SO, davon abzutrennen sein würde. 

Die Versuchsanordnung war dieselbe wie bei der Säure- 
wirkung. Sie wird also ohne weiteres verständlich sein. 


Chlorbestimmungen. 


Versuchsreihe 1. 


1. 10 ccm Ultraf. v. 215,6 com Serum -+ 2ccm Wasser gebrauchen 11,075 com AgNO, 0,1n 
2.10 » n n 2175 n n +2 » KOH0,75n n 11,325 n»n AgNO, 0,in 
3.10 » n n 217,5 n n +2 n KOH 1,5 n n 11,825 n AgNO, 0,1n 
4.10 » » n 218,7 n n +2 n KOH2n n 11,5 n AgNO, O,ln 
Versuchsreihe 2. 
1. 10 ccm Ultraf. vom 162 cem Serum + 2 com Wasser gebrauchen 10,8 ccm AgNO, 0,1n 
2.10 » n n 165,6 n n +2 » KOH 0,75n n 11,25 n AgNO, 0,in 
3.10 » » n 1674 n » +2» KOHl5n n» 11,83 » AgNO,0,ln 
4.10 » n » 6986» » +2 n KOH2n » 11,38 » AgNO, 0,In 


SO, -Bestimmungen. 
Versuchsreihe 1. 
Hier wurde dasselbe Ultrafiltrat benutzt wie bei der ersten Cl- 
Bestimmung. 

. 60 ccm Ultraf. vom 215,6 ccm Serum + 2 ccm Wasser geben 52 Teilstr. BaSO, 
60 » r n»n 2175 n n +2 » KOH0/75n n 59 n BaSO, 
60 n n n 217,5 n n -l 2 » KOH 1,5n n 55 n BaSO, 
60 » n n 218,7 n n + 2 »n KOH2n n 50 ” BaSO, 


»pwm 


322 H. J. Hamburger: 


Versuchsreihe 2. 
Hier wurde dasselbe Ultrafiltrat benutzt wie bei der zweiten Cl- 
Bestimmungsreihe. 
1. 60 ccm Ultraf. vom 162 ccm Serum +4 2ccm Wasser geben 44 Teilstr. BaS0, 
2.60 » n n 165,6 n n +2 » KOH 0,75n ” 52 n Ba50, 
3.60 » “ n 1674 » n»n +2 » KOHl5n » 51 n Ba80, 
4. 60 >» n n 169,6 » n +2 » KOH2n n 45 nr BaSO, 


Es erhellt also, daB im Gegensatz zu der Säure- 
wirkung das KOH eine Ablösung von SO, von den 
Serumeiweißkörpern bewirkt, 

Man ersieht, daß durch Spuren KOH (vgl. 1. und 2.) für 
das SO, genau dasselbe stattfindet wie für Cl. 

Es ist aber auffallend, daß bei Zusatz von etwas größeren 
KOH-Mengen eine Beschränkung der Ablösung von SO, statt- 
findet. 

Es ist uns augenblicklich nicht möglich, diesen Gegensatz 
zu erklären, ebensowenig wie die mit den Blutkörperchen er- 
haltenen Resultate, auf die wir noch später zurückzukommen 
beabsichtigen. 


10. Einige technische Bemerkungen. 
a) Die Anfertigung des Ultrafiltrates. 

Zu diesem Zweck präparierten wir uns 6°/,ige Celloidin- 
filter. Der Filtrationsdruck betrug 4 bis 5 Atmosphären. Durch 
eine Reihe von Untersuchungen, über die wir hier nicht be- 
richten werden, haben wir uns davon überzeugt, daß bei 
6 Atmosphären Druck und weniger der Prozentgehalt des Chlors 
während des ganzen Verlaufs der Ultrafiltration unverändert 
bleibt. Die ersten 10 bis 15ccm wurden immer weggeworfen, 
um Verdünnung des Ultrafiltrates durch das im Filter an- 
wesende Wasser vorzubeugen. Der von uns benutzte Apparat 
für Ultrafiltration weicht von dem Bechholdschen Modell 
einigermaßen ab. Er besteht aus einem sehr diekwandigen 
Glaszylinder, der durch Vermittlung eines Gummiringes auf 
den Celloidinfilter gedrückt wird. Die Oberseite des Glas- 
zylinders wird ebenfalls mittels eines Gummiringes durch eine 
dicke Metallplatte abgeschlossen, die eine Öffnung für das 
Manometer und ein Ventilrohr für die Druckerzeugung im 
Zylinder trägt. Alles Metall, das mit dem Serum und dem 


Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 323 


Ultrafiltrat in Berührung kommt, ist schwer vergoldet. Unter 
dem Filter (Durchmesser 12,5 ccm) befindet sich ein Glasreser- 
voir, das das Ultrafiltrat auffängt. Vier solcher Apparate sind 
auf einem mit Rädern versehenen Gestell montiert, das mittels 
eines elektrischen Motors fortwährend hin- und zurückgewiegt 
wird. Man erreicht dadurch, daß das Filtrat homogen bleibt. 
In dieser Weise können vier Versuche zu gleicher Zeit an- 
gestellt werden. Jeder Apparat liefert aus 150 com Serum 
innerhalb 5 Stunden ungefähr 100 ccm Ultrafiltrat. 


b) Die SO,-Bestimmung. 

Im vorigen Jahre wurde in dieser Zeitschrift (77, 168) die 
hier angewandte SO,-Bestimmungsmethode beschrieben. Seitdem 
haben wir dieselbe dadurch vereinfacht, daß das Vermischungs- 
gestell überflüssig gemacht werden konnte. Man wird sich aus 
der damaligen Beschreibung erinnern, daß die BaCl,-Lösung 
mit einigen Tropfen Aceton und die also erhaltene Flüssig- 
keit dann mit einer bestimmten Geschwindigkeit mit 
der zu untersuchenden HCl-haltigen SO,-Lösung vermischt 
wurde. Diese Geschwindigkeit sollte ein- für allemal ausprobiert 
werden. Es hat sich nun aber nachträglich ergeben, daß, wenn 
man sich darauf beschränkt, 6 Tropfen Aceton einfach auf die 
5 ccm BaCl,-Lösung fallen zu lassen, ohne weiter diese 
beiden Flüssigkeiten miteinander zu vermischen, die 
Geschwindigkeit, mit der die Vereinigung von Reagens und 
SO,-Lösung stattfindet, nicht genau abgestuft zu werden braucht. 
Man kann die letzte Vermischung ohne Beschwerde mit freier 
Hand ausführen. Nur hat man darauf zu achten, daß die 
Handbewegung schnell erfolgt. Einzelheiten über die Ver- 
einfachung des Verfahrens findet man in einem vor kurzem 
erschienenen Artikel in der Zeitschr. f. physiol. Chemie!). 


Hauptergebnisse. 


1. Die Angabe von Rona und György, daß, wenn CO, 
auf Serum einwirkt, ein Teil des Cl in nicht-diffusible Form 
übergeht, konnten wir bestätigen. Dementsprechend konnte 





1) Hamburger, Zur Bestimmung des Schwefels im Harn. Zeitschr. 
f. physiol. Chemie 100, 221, 1917. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 22 


324 H.J.Hamburger: Anionenwander.in Serum u. Blutu.d. Einfl.v.CO, usw. 


für den Zusatz sehr geringer Mengen H,SO, zum Serum be- 
stätigt werden, was die beiden Autoren für den Zusatz größerer 
Mengen Essigsäure zum Serum gefunden hatten, nämlich ein 
Übergang von Cl in den richt-diffusiblen Zustand durch Bindung 
dieses Elementes an Eiweißkörper. 

2. Die Erscheinungen, die für Cl zu beobachten sind, 
konnten auch für SO, konstatiert werden. Läßt man nämlich 
auf Serum CO, einwirken, oder fügt man eine sehr geringe 
Menge HCl hinzu, so zeigen die Ultrafiltrate eine Abnahme des 
SO,-Gehalts. Es geht somit ein Teil des SO, des Serums in 
den nicht-diffusiblen Zustand über. 

3. Die sub 2 erwähnte Tatsache ließ es fraglich erscheinen, 
ob bei Behandlung des Blutes mit CO, die von S. de Boer 
konstatierte Abnahme des entsprechenden Serums an diffu- 
siblem SO, nicht ausschließlich an einer Bindung des SO, an 
Serumeiweißkörper zugeschrieben werden mußte, ob also von 
einem Übergang von SO, in die Blutkörperchen noch wohl 
die Rede sein konnte. Es stellte sich nun aber heraus, 
daß unter dem Einfluß von CO, nicht nur SO, sich 
an Serumeiweißkörper heftet, sondern auch SO, in 
die Blutkörperchen übergeht. 

4. Zusatz einer geringen Menge HCl zum Serum oder zum 
Blute hat den gleichen Effekt wie Behandlung mit CO,, bewirkt 
also ebenfalls Übergang von diffusiblem SO, resp. auf Serum- 
eiweißstoffe und in die Blutkörperchen. 

5. Durch das vorliegende Versuchsverfahren wurden meine 
älteren, von andern aufs neue konstatierten Angaben, daß durch 
Einfluß von CO, und von andern Säuren Cl aus dem Serum 
auf die Blutkörperchen übergeht, wieder bestätigt. 

6. Zusatz geringer Mengen KOH zum Serum bewirkt 
Wanderungen von Cl und von SO,, die denjenigen entgegen- 
gesetzt sind, die bei Zusatz von Säuren stattfinden, m. a. W. es 
findet durch Steigerung der Alkalinität des Serums 
eine Ablösung von Cl und SO, von den Serumeiweiß- 
körpern statt. 


Notiz über Eiweißfällungen durch Narkotica. 


Von 


Otto Meyerhof. 
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel.) 


e 
(Eingegangen am 24. November 1917.) 


Freundlich und Rona beschrieben kürzlich in dieser 
Zeitschrift!) die „Sensibilisierung der Ausflockung von Suspen- 
sionskolloiden durch capillaraktive Nichtleiter“: Kolloidales 
Eisenhydroxyd wird in reinem Wasser z. B. durch Urethane 
selbst in hoher Konzentration nicht verändert, in Salzgegen- 
wart wie NaCl wird dagegen der fällende Einfluß des Salzes 
verstärkt und beschleunigt. Sie vermuten daher, daß auch die 
von Warburg und Wiesel entdeckten Fällungen im Hefe- 
preßsaft durch Narkotica°), die den Gärungshemmungen durch 
diese Substanzen in auffälligem Maße parallel gehen, auf dem 
gleichen Mechanismus beruhen könnten. Diese Vermutung 
läßt sich experimentell prüfen und erweist sich als 
zutreffend. Ich habe in letzter Zeit sehr viel mit dem Hefe- 
macerationssaft (Lebedew) experimentiert, der in seinen physi- 
kalischen und physiologischen Eigenschaften dem Preßsaft sehr 
nahe steht und auch die Fällungen durch Narkotica wie dieser 
zeigt. Wird dieser Saft durch ein Kollodiumfilter filtriert, das 
zuerst durchgehende Ultrafiltrat getrennt aufgefangen, der Rück- 
stand dann mit sehr viel Wasser gründlich nachgewaschen, so 
erhält man mit Narkoticazusätzen das folgende Bild: 

1. Der ursprüngliche Macerationssaft, 1:1 verdünnt, zeigt 


1) Diese Zeitschr. 81, 87, 1917. 
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 144, 465, 1912. 
22° 


326 Otto Meyerhof: 


mit 6°/, Äthylurethan bei Zimmertemperatur eine in 2 bis 
3 Minuten einsetzende Trübung, die in etwa 20 Minuten zu 
einer dicken Fällung führt. 

2. Der gewaschene Ultrafiltrationsrückstand mit destillier- 
tem Wasser aufs ursprüngliche Volumen verdünnt, zeigt mit 
6°/, Äthylurethan keinerlei Trübung, sondern im Gegensatz 
zur narkoticumfreien Lösung nur eine allmähliche Zunahme 
des Tyndallphänomens,. während er im durchfallenden Licht 
ganz klar bleibt. 

3. Der gewaschene Rückstand mit dem zuerst aufge- 
fangenen Ultrafiltrat aufs ursprüngliche Volumen verdünnt, 
zeigt mit 6°), Äthylurethan ungefähr die gleiche Trübung und 
Fällung wie der ursprüngliche Saft, während die narkoticum- 
freie Lösung natürlich klar bleibt. , 

In gleichzeitigen Gärungsmessungen wird festgestellt, daß 
der Rückstand gärkräftige Zymase enthält. 

Daß die Fällung in Nr. 3 durch die Salze und nicht durch 
dialysable organische Substanzen (wie etwa das Koferment) be- 
dingt ist, läßt sich, wenn auch nicht sehr scharf, dadurch de- 
monstrieren, daß man das Ultrafiltrat eindampft und glüht 
und die Asche, aufs alte Volumen verdünnt, zum Ultrafiltra- 
tionsrückstand zusetzt. Man erhält wegen der Schwerlöslich- 
keit der Asche keine klare Lösung und auch eine starke 
Verlangsamung der Urethanwirkung. Nach Verlauf mehrerer 
Stunden sieht man aber auch dann in der urethanhaltigen 
Lösung eine zunehmende Trübung und Ausflockung eintreten, 
während die Trübung ohne Narkoticum sich nicht ändert. 
Endlich kann man das gleiche noch besser durch Zusatz von 
Salzlösung zu dem gewaschenen Rückstand demonstrieren. 
Setzt man z. B. Lösungen von K,HPO, in ®/,0-, ®/e-; ?/3 m- 
Konzentration hinzu, so tritt zwar auch ohne Narkoticum eine 
Trübung auf, die aber bei den kleinen Phosphatkonzentrationen 
nicht mehr stark zunimmt, während in Gegenwart von 6°/, Äthyl- 
urethan eine viel schneller einsetzende, viel stärkere Trübung 
und Ausfällung stattfindet. Noch deutlicher und dem Verhalten 
des Rückstandes mit Ultrafiltrat völlig analog ist aber die Er- 
scheinung bei NaCl-Zusätzen: Nimmt man z. B. 0,6 ccm ™/,ọ- 
NaCl auf 1 ccm Gesamtflüssigkeit, so trübt sich die narkoticum- 
freie Lösung überhaupt nicht, während mit 6°/, Äthylurethan 


Eiweißfällungen durch Narkotica. 327 


innerhalb 5 Minuten eine starke Trübung und Fällung auftritt, 
die bezüglich Intensität und Zunahme sich genau wie die im 
ursprünglichen Saft verhält; bei 0,2 ccm ®/, „NaCl auf 1 ccm 
tritt erst in 20 Minuten eine Trübung auf usw. Ähnliche Er- 
gebnisse bekommt man mit andern Narkotica, so Isobutylurethan 
(1,5°/,), Methylalkohol (20°/,), Amylalkohol (1,5 bis 2°/,). Endlich 
kann man den Salzeinfluß dadurch demonstrieren, daß man 
kleinere Narkoticumkonzentrationen benutzt, und den unver- 
änderten Macerationssaft das eine Mal mit NaCl-Lösung, das 
andere Mal mit destilliertem Wasser verdünnt: Macerationssaft 
1:1 mit dest. Wasser verdünnt, trübt sich z. B. mit 4°/, Äthyl- 
urethan schwach in einer halben Stunde; mit mol NaCl ver- 
dünnt, tritt schon nach 5 Min. eine starke, rasch zunehmende 
Trübung auf, während der NaCl-Zusatz ohne Narkoticum auch 
in vielen Stunden keinerlei optische Veränderung des Saftes 
hervorruft. 

Die weitere Annahme der Autoren, daß diese Sensibili- 
sierung auf Herabsetzung der Ladung der elektrischen Doppel- 
schicht der Kolloidteilchen beruht, bedingt durch die sehr viel 
kleinere Dielektrizitätskonstante der adsorbierten Nichtleiter 
gegenüber dem Wasser (wodurch die Kondensatorkapazität der 
Teilchen verkleinert wird), dürfte in gutem Einklang mit der 
jüngst von Zsigmondy') und Smoluchowski°) entwickelten 
und rechnerisch bestätigten Theorie der Koagulation stehen 
und andererseits manche bisher unklare Erscheinungen der 
narkotischen Hemmungen plausibel machen. Wahrscheinlich 
beruht ja die primäre Hemmungswirkung der Narkotica gegen- 
über enzymatischen Prozessen auf einer Verdrängung des Sub- 
strats von der Enzymoberfläche. In diesem Fall, der rein bei 
der von mir studierten Hemmung der Invertase”) und des 
kolloidalen Platins*), ferner in der von Warburg untersuchten 
Oxalsäureoxydation an Tierkohle°) verwirklicht scheint, erhält 
man richtige Adsorptionskurven der Narkoticumwirkung. Bei 
den Hemmungen in Preßsäften und Zellen nimmt die Wirkung 


1) Ges. d. Wiss. in Göttingen. Math.-phys. Klasse 1917, 1. 
2) Kolloidzeitschrift, 21, Sept.-Heft 1917. 

3) Arch. f. d. ges. Physiol. 157, 251, 1914. 

4) Ebd. 157, 307, 1914. 

®) Ebd. 155, 547, 1914. 


328 Otto Meyerhof: Eiweißfällungen durch Narkotica. 


dagegen mindestens linear mit der Konzentration zu; in be- 
sonderen Fällen, wie z. B. bei den Nitratbakterien, erhält man 
sogar ausgesprochen konvexe Krümmungen der Hemmungs- 
kurve gegenüber der Abszissenachse (Konzentration)!). In diesen 
Fällen kombiniert sich offenbar die Verdrängung mit der Ent- 
ladung, und diese letztere dürfte durch die besonderen im Zell- 
innern vorhandenen Salze beeinflußt sein. So könnte z. B. der 
starke Gehalt an NO,’ und NO,’-Ion bei den Nitratbakterien 
die Stabilität der Zellkolloide so verändern, daß erst bei Über- 
schreitung einer gewissen Narkoticumkonzentration die Aus- 
flockung beginnt. Auch die Gesetzmäßigkeit, daß die Dielek- 
trizitätskonstante beim Aufsteigen in den homologen Reihen 
noch abnimmt, daß sie ferner bei Äthylurethan kleiner 
ist als bei Äthylalkohol, — entsprechend der stärkeren Fällung 
und Hemmung durch ersteres trotz geringerer Oberflächenspan- 
nungserniedrigung — könnte von Bedeutung sein. Wenn auch 
diese Überlegungen noch viel Hypothetisches besitzen, so führen 
sie jedenfalls dazu, den Salzen im Zellinnern beim Zustande- 
kommen der narkotischen Hemmungswirkungen eine erhebliche 
Bedeutung zuzuerkennen. 





1) Ebd. 165, 232f., 1916. 


Über Fermentbildung. 
6. Mitteilung?) 


von 


Martin Jacoby. 


(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenl:iauses Moabit 
\ in Berlin.) 


(Eingegangen am 27. November 1917.) 


Als wesentlichstes Ergebnis meiner Studien über Ferment- 
bildung hatte sich ergeben, daß Leucin beim Bacillus proteus unbe- 
dingt notwendig für die Bildung des harnstoffspaltenden Fermentes 
ist. Das Leucin war notwendig, zugleich aber auch ausreichend 
als einzige organische Substanz im Nährboden, um die Urease 
der betreffenden Bakterien zu bilden. Ferner hatte sich ge- 
zeigt, daß die Bakterien beliebig ohne das Ferment fortgezüchtet 
werden konnten. Fügte man dann wieder zum Nährboden 
Leucin hinzu, so wurde die Urease wiederum gebildet. 

Am Schlusse der 4. Mitteilung wurde dann ein Programm 
der Fortsetzung der Untersuchungen entwickelt und folgendes 
ausgeführt: 

„Es wird leicht sein, die gewonnenen Erfahrungen auf 
eine breitere Basis zu stellen, indem man verschiedene Mikro- 
organismen heranzieht, mannigfache, wichtige Fermente, aber 
auch Toxine und andere wesentliche Zellfaktoren auf ihre Bil- 
dung untersucht. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß wir so 
nicht nur zu einer Erweiterung unserer Kenntnisse gelangen, 
sondern auch prinzipielle Fortschritte erzielen werden.“ 

Die damals ausgesprochene Hoffnung wurde nicht ent- 
täuscht. Wir sind nunmehr zur Untersuchung an Bakterien 





1) 1. bis 5. Mitteilung s. diese Zeitschr. 79 u. ff. 


330 M. Jacoby: 


übergegangen, bei denen wir die Bildung zweier Fermente ver- 
gleichend studieren konnten. Dabei schien es zweckmäßig, eine 
Bakterienart zu wählen, bei der das eine der zwei ausgewählten 
Fermente eine Urease ist. Denn so konnte geprüft werden, 
ob die Bedeutung des Leucins für die Ureasebildung eine all- 
gemeine ist oder ob, was auch möglich war, dem Leucin diese 
Funktion nur ganz speziell bei der bisher untersuchten Pro- 
teusart zukommt. 

Als geeignetes Versuchsobjekt erwies sich Bacterium coli. 
Bacterium coli spaltet bekanntlich ausgezeichnet Traubenzucker 
und vermag auch in geringem Grade Harnstoff zu spalten. 

Bevor wir auf spezielle Dinge eingehen, muß ein prin- 
zipieller Punkt im voraus erledigt werden. Bekanntlich spielte 
früher in der Fermentliteratur die Frage eine erhebliche Rolle, 
ob eine von Zellen geleistete Wirkung eine Fermentwirkung ist 
oder eine Wirkung, die nur der intakten, lebenden Zelle reser- 
viert ist. Diese Gegenüberstellung muß heute als veraltet an- 
gesehen werden. Sie hatte nur so lange eine vorläufige Be- 
rechtigung, als es nur in vereinzelten Fällen möglich war, 
Fermente aus dem Gesamtverbande der Zellen zu isolieren. 
Nachdem immer mehr solche Isolierungen gelungen sind, kann 
man unmöglich noch eine prinzipielle Einteilung von dem 
gerade zur Zeit erreichten Stande der experimentellen Technik 
abhängig machen. Wir halten es für richtiger, immer dann 
von Fermentwirkungen zu sprechen, wenn nach der Art des 
von den Zellen beeinflußten chemischen Vorganges und nach 
der Art und Weise, wie die in Frage kommende Zellsubstanz 
auf den Vorgang einwirkt, die Wirkung eines Fermentes die 
naheliegendste Erklärung ist. Ob und inwieweit es zur Zeit be- 
reits gelungen ist, das Ferment zu isolieren, erscheint uns da- 
neben unerheblich. 

Nach dieser Darlegung wird es also auch als berechtigt 
erscheinen, wenn wir die Zuckerzersetzung durch Bacterium 
coli, die mit Gasbildung einhergeht, als einen fermentativen 
Vorgang auffassen. Um unseren Standpunkt als begründet an- 
zuerkennen, braucht man sich auch nur einmal ganz streng die 
Frage vorzulegen, was denn eigentlich damit gesagt ist, wenn 
man die Zuckervergärung als einen von der lebenden Zelle ab- 
hängigen Vorgang im Gegensatz zu einem fermentativen auffaßt. 


Über Fermentbildung. VI. 331 


Die Antwort müßte dahin lauten, daß die Gärung nicht unter 
dem Einfluß einer einzelnen Substanz zustandekommt, sondern 
durch das gehörige Zusammen- oder Nacheinandereinwirken 
einer Reihe von Substanzen. Das sind aber durchaus nicht 
Bedingungen, die nicht auch bei Fermentwirkungen in Betracht 
kommen. Man braucht nur an die Zuckervergärung durch die 
Hefe zu denken, um sich zu überzeugen, daß hier bei einer 
wahren Fermentwirkung auch ein Komplex von Substanzen 
an der Bewältigung des Vorganges beteiligt ist. 


Versuche über Harnstoffspaltung durch B. coli. 


Immer 20 ccm Harnstofflösung (2°/,), 10 cem Wasser, in 
den Leucinversuchen je 0,05g Eiweißleucin. Die Kulturmenge 
beträgt, wo nicht anders vermerkt, 1 cem, die Versuchszeit 
24 Stunden. 















































Nährboden Mit Leucin | Ohne Leucin Bemerkungen 
Bouillon .... . — 7,7 2tägige Kultur 
8,3 
do: men — ~ 8&4 [do = 
A u 8,8 
don,” Kim 16,1 42 [| Stägige Kultur 
ERS 182.2 EN "Br ER EEE 
do: ts nun 3,7 | 1,2 2tägige Kultur 2 com 
E 4,0 2,6 aa at 
dae aaa EB 0,6 3tägige Kultur 0,5 cem, 
ae en e 16,7 1,0 Versuchszeit 48 Stunden 
Uschinski 7,4 0,7 ltägige Kultur 
EB 1 = 
Uschinski 4,0 05 | 1tägige Kultur, 
2. Generation . . 61 | 23 Versuchszeit 48 Stunden 
dos ..| 187 22 do. 
40,0 10,8 2. 
do. — 0,5 2tägige Kultur 
M 22,1 06 | = 
do 0,9 0,4 $tägige Kultur 
1,7 1,2 


In der Tabelle sind alle Versuchsresultate wiedergegeben, 
um zu zeigen, daß beim B. coli die Werte der Harnstoffspaltung 
unregelmäßig und meistens gering ausfallen, daß insbesondere 
die Fermentbildung auch in Kontrollversuchen recht unregel- 
mäßig verläuft. 


332 M. Jacoby: 


Trotzdem geht aus den Versuchen unzweifelhaft hervor, 
daß Leucin für die Bildung der Urease des B.coli von Bedeu- 
tung ist. Ohne Leucinzusatz wurde eine merkliche Harnstoff- 
spaltung fast nur bei Bouillonkulturen bemerkt, und in der 
Bouillon müssen wir ja, wie wir aus den Proteusversuchen 
wissen, Leucin oder Leucinvorstufen annehmen. Beweisend 
sind die Versuche, bei denen Bakterien benutzt wurden, die 
auf Uschinski-Nährboden in 2. Generation gezüchtet waren, bei 
denen also unbekannte Nährstoffe nicht mehr in Betracht 
kommen. Bei aller Unregelmäßigkeit sind doch die Leuein- 
ausschläge unverkennbar. Wie beim Proteus fällt auch beim 
B. coli gelegentlich ein Versuch aus, wenn nämlich die Bakterien 
die Fähigkeit verloren haben, überhaupt noch Ferment zu 
bilden. Die Harnstoffspaltung durch B. coli ist überhaupt nur 
gering und unregelmäßig, Nur bei Stämmen, die Harnstoff 
spalten, kann das Leucin zur Bildung der Urease beitragen. 
Auf Uschinski-Nährboden kann bei längerem Wachstum die 
Activierbarkeit durch Leucin verloren gehen. 

In Kontrollversuchen wurde besonders festgestellt, daß 
B. coli unter unseren Versuchsbedingungen aus Leucin kein 
Ammoniak abspaltet, daß ferner Glykokoll und Traubenzucker 
ohne jeden Einfluß auf die Bildung des harnstoffspaltenden 
Fermentes ist. 

Somit lassen die Versuche — namentlich im Zusammen- 
hang mit unseren Beobachtungen beim Bac. proteus — keine 
einfachere Deutung zu als die, daß Leucin auch beim B. coli 
zu der Bildung des harnstoffspaltenden Fermentes beiträgt. 


Versuche über Zuckervergärung durch B. coli. 


Die Prüfung, ob das Leucin Einfluß auf die Trauben- 
zuckerspaltung durch B. coli hat, gestaltete sich sehr einfach. 
Einhornsche Gärungsröhrchen wurden mit dem benutzten Nähr- 
boden, der immer auf 1°/, Traubenzuckergehalt gebracht wurde, 
beschickt und im Dampftopf sterilisiert. In den Leucinver- 
suchen wurde in der Nährflüssigkeit außerdem Leucin gelöst 
und zwar immer 0,11g Leucin in einem Gemisch von 20 cem 
Uschinski-Lösung und 2ccm 10°/,iger Traubenzuckerlösung. 
Nach der Sterilisierung wurden die Röhrchen beimpft und in 
den Brutschrank gestellt. An den nächsten "Tagen wurde die 


Über Fermentbildung. VI. 333 


Menge des gebildeten Gases abgelesen. Strengeren quantitativen 
Anforderungen genügt diese Prüfung natürlich nicht. Das ist 
aber auch in diesem Falle nicht notwendig, weil das Ergebnis, 
daß Leucin die Menge des gebildeten Gases nicht vermehrt, 
sich vollkommen sicher herausstellte. 

Die Versuche wurden dadurch besonders beweiskräftig 
gestaltet, daß mit denselben Kulturen und denselben Nähr- 
böden gleichzeitig die Prüfung beider Fermente, des harnstoff- 
spaltenden und des zuckerspaltenden vorgenommen wurde. 
Dadurch ist dann der Unterschied der Leucinwirkung besonders 
deutlich: in dem einen Falle Fermentbildung unter dem Ein- 
fluß des Leucins, in dem anderen Falle Hemmung der Ferment- 
bildung. 


Gärungsversuche auf Uschinski-Nährboden 2. Generation mit 
B. coli. 
In den in der Tabelle wiedergegebenen Versuchen waren 
die Kolibacillen "auf dem Nährboden im Einhorn-Röhrchen gut 
gewachsen. 














Stunden Mit Leucin Ohne Leucin 
48 0 O und 0,7 
72 0 und 0,3 0,6 » 1,5 
24 0,5 » 0,5 0,5 » 0,6 
48 1,0 » 1,0 1,4 » 1,6 
24 0,8 » 1,0 10» 1,4 
48 14 » 186 2,3 n 2,7 

Stunden Mit Glykokoll Ohne Glykokoll 
24 0 und 0,2 0,9und 1,0 
48 0,7 » 11 1,8 » 2,0 


Die experimentellen Ergebnisse dieser Mitteilung sind über 
den engeren Rahmen der Fragestellung hinaus von allgemeinem 
Interesse. Als ich festgestellt hatte, daß die Urease der Pro- 
teusbakterien Leucin zu ihrer Bildung braucht, waren mehrere 
Möglichkeiten gegeben: Entweder konnte das Leucin als ein 
Baustein für alle Fermente der betreffenden Proteusbakterien 
oder nur für die Urease derselben in Frage kommen. Eine 
andere Möglichkeit lag aber auch vor, daß nämlich Ureasen 


334 M. Jacoby: 


verschiedenster Herkunft auf Leucin als Baustein angewiesen 
sind. In jedem Falle würden sich wichtige Perspektiven er- 
geben. Hätten sich Anhaltspunkte für einen spezifischen Auf- 
bau der verschiedenen Ureasen ergeben, so würde das eine 
chemische Grundlage zu der serologischen Erfahrung abgegeben 
haben, daß gleichwirkende Fermente verschiedener Zellabstam- 
mung differente Antikörper bilden. Ebenso war aber der durch 
das Experiment gefundene Sachverhalt a priori möglich, daß 
also zwei Ureasen verschiedener Herkunft dieselbe Aminosäure 
für ihre Bildung brauchen. Die oben erwähnte serologische 
Spezifität steht dazu natürlich in keinem Widerspruch. Denn 
selbstverständlich bleibt für spezifische Unterschiede im Ferment- 
molekül immer noch genügender Spielraum. Vor langer Zeit 
habe ich gerade am Beispiel der Ureasen eingehend dargelegt, 
daß die fermentativ wirksame Gruppierung im Fermentmolekül 
nichts mit der für die Antikörperbildung notwendigen direkt 
zu tun hat. 

Die Feststellung, daß Ureasen verschiedener Herkunft den- 
selben Bildungsstoff im Leucin haben, ist bedeutungsvoll; sie 
spricht auch dafür, daß vielleicht eine Beziehung zwischen dem 
Leucin und der Konstitution der Ureasen besteht. 

Besonders vermerkt sei übrigens noch eine Konsequenz, 
die eigentlich schon aus unseren früheren Mitteilungen hervor- 
geht, aber vielleicht noch nicht ausdrücklich genug hervor- 
gehoben war. Es ist anzunehmen, daß in den Bakterienzellen 
nicht jede Aminosäure ohne weiteres aus einer anderen ent- 
stehen kann. Sonst müßte das Leucin auch durch andere 
Aminosäuren ersetzbar sein. 

Weittragendste Aufklärung aber leitet sich aus dem Befund 
dieser Mitteilung ab, daß offenbar die einzelnen Fermente der- 
selben Zelle verschiedene Bildungsstoffe haben. Den Bildungs- 
stoff des Gärungsfermentes können wir allerdings leider vor- 
läufig noch nicht angeben. Aber es ist wahrscheinlich, und wir 
können es zunächst der Einfachheit halber annehmen, daß auch 
an der Bildung des Gärungsfermentes eine Aminosäure ` oder 
— allgemeiner ausgedrückt — ein Eiweißbestandteil beteiligt 
ist. So gelangen wir zwanglos zu der Annahme, daß die diffe- 
renten Bausteine des Eiweiß die untereinander verschiedenen 
Bausteine der einzelnen Fermente liefern. 


Über Fermentbildung. VI. 335 


Zur Kenntnis der physiologischen Bedeutung der Eiweiß- 
zusammensetzung. 


Im Anschluß an die eben entwickelten Punkte scheint mir 
eine allgemeine Betrachtung möglich. Wenn man sich fragt, 
welche Bedeutung das Eiweiß für die lebende Substanz hat, 
so lassen sich sofort zahlreiche Antworten geben. Das Eiweiß 
ist der kolloide, für die Entstehung von Strukturen geeignete 
Träger der Lebensvorgänge, durch seinen amphoteren Charakter 
reguliert es vorzüglich die Reaktion des Protoplasmas, durch 
seine Fähigkeit, Gruppen an sich zu kuppeln, vermag es, kom- 
pliziertere Verbindungen zu bilden und Bruchstücke im Säfte- 
strome sicher an den gehörigen Ort der Verwendung zu bringen. 
Daß es in der Nahrung mehr oder weniger notwendig ist, er- 
klärt sich allein schon dadurch, daß es gebraucht wird zum 
Ersatz von Zelleiweiß, das durch Abnutzung verloren gegangen ist. 

Alle diese Funktionen des Eiweißes wären aber auch er- 
füllbar, wenn das Eiweiß aus Ketten einer einzelnen Amino- 
säure bestände. Würden die angeführten Momente die Rolle 
des Eiweißes erschöpfen, so könnte man die Komplikation des 
Eiweißaufbaues nur kausal begreifen. Man müßte sich be- 
gnügen, zu sagen, unter den in der Natur gegebenen Bedin- 
gungen entsteht eben ein kompliziert aufgebautes Eiweiß. Aber 
besondere Funktionen haben die einzelnen Bausteine nicht für 
den normalen Betrieb der Organismen. Nun gibt es schon 
gewisse Anhaltspunkte, die dafür sprechen, daß die einzelnen 
Bausteine ihre besondere Funktion besitzen. So sind bekannt- 
lich Eiweißkörper, denen aromatische Gruppen wie das Tyrosin 
oder Tryptophan fehlen, kein vollwertiger Eiweißersatz in der 
Nahrung. Doch das erklärt sich schon allein dadurch, daß die 
Zelle aus einem unvollkommenen Nahrungseiweiß auch nicht 
das richtige Zelleiweiß aufbauen kann. 

Wenn wir nun aber sehen, daß ganz bestimmte Eiweiß- 
bausteine unbedingt notwendig sind, um die Bildung verschie- 
dener, spezifischer Fermente zu ermöglichen, so erkennen wir, 
daß der komplizierte Eiweißaufbau eine unentbehrliche Vor- 
bedingung der Funktion der Fermente ist. Ähnlich verhält es 
sich wohl mit den Hormonen und allen Substanzen im Orga- 
nismus, die nicht einfach Grundlage der Struktur oder als 


336 M. Jacoby: Über Fermentbildung. VI. 


Brennstoff, sondern als physiologisch aktive und spezifisch ein- 
gestellte Faktoren im Organismus tätig sind. 

So gelangen wir zu einer experimentell begründeten und 
physiologisch übersehbaren Beziehung des Eiweißes zu den Fer- 
menten und gewinnen zugleich einen tiefen Einblick in die 
biologische Bedeutung des Eiweißes.. Diese neue Beziehung 
zwischen Eiweiß und Ferment befriedigt mehr, als die naive, 
ältere Anschauung. Diese frühere Hypothese, die immer halt- 
los war, brachte Eiweißkörper und Fermente lediglich aus dem 
unwissenschaftlichen Grunde in nahe Beziehung, weil die 
analytische Technik heute noch nicht die Trennung der beiden 
Gruppen aus einem Zellbreigemenge immer mit Sicherheit 
ermöglicht. 


Über die Darstellung von Kohlenhydratphosphorsäure-. 
ester (Zymophosphat) durch lebende Hefe. 


Von 
Hans Euler. 


(Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Stockholm.) 


(Eingegangen am 27. November 1917.) 


In einer kürzlich erschienenen Mitteilung hat Neuberg‘) 
Versuche angegeben, durch die er seine in zahlreichen Arbeiten 
in dieser Zeitschrift vertretenen Anschauungen über den Ver- 
lauf der alkoholischen Gärung weiter zu stützen sucht. 

Ohne auf diese Anschauungen selbst hier näher einzugehen, 
sehe ich mich — um Mißverständnissen vorzubeugen — ver- 
anlaßt, zu einigen Versuchen Neubergs das Wort zu ergreifen. 
Es handelt sich um die Bildung bzw. Darstellung des Harden- 
schen Kohlenhydratphosphorsäureesters resp. der Salze des- 
selben, die wir im folgenden der Kürze halber als Zymophos- 
phate bezeichnen wollen. 

Wie ich mit D. Johansson 1912 gefunden habe”), ge- 
lingt es, anorganisches Phosphat quantitativ mittels lebender, 
frischer Hefe in Zymophospat überzuführen, wenn man zu der 
gärenden Flüssigkeit geeignete Mengen eines Protoplasma-. 
giftes wie Toluol zusetzt. Ohne einen solchen Zusatz 
tritt mit frischen Hefezellen eine Veresterung außerhalb der 
Zellen, also eine Anreicherung des Zymophosphats in der Lö- 
sung nicht ein; bzw. mit lebender Hefe nur in dem Maße, 
als sie tote oder beschädigte Zellen enthält. 


1) Neuberg, Färber, Levite und Schwenk, diese Zeitschr. 
83, 244, 1917. 
2) Euler und Johansson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 80, 175, 1912. 


338 H. Euler: 


Neuberg teilt nun mit, daß ihm auch unter Anwendung 
von Toluol nach meinen Angaben nur eine Veresterung von 
5 bis 8°/, gelungen sei. Er zitiert dabei die in meiner Mono- 
graphie!) gegebene Vorschrift. 

Ich möchte hierzu der Vollständigkeit halber noch die- 
jenige Arbeit erwähnen, in der ich über die besprochene Wir- 
kung des Toluols zuerst Mitteilung gemacht habe*), und ferner 
diejenigen Arbeiten), in denen die quantitative Veresterung 
des anorganischen Phosphates und der zeitliche Verlauf dieser 
Veresterung näher behandelt sind. Aus diesen Arbeiten ist näm- 
lich zu ersehen, wie regelmäßig und gleichartig die vollstän- 
dige Veresterung bei der seit 6 Jahren in dieser Hinsicht von 
uns untersuchten Gruppe von Hefen verläuft. 

Da nun andererseits Neuberg gefunden hat, daß bei seinen 
Versuchen nur eine Veresterung zu 5 bis 8°/, eingetreten ist, 
so muß man den Schluß ziehen, daß es zwei Gruppeu 
von Hefen gibt, von denen die eine in lebendem Zu- 
stand in Gegenwart von Toluol Phosphat quantitativ 
bindet, während bei der anderen diese Bindung nur 
sehr unvollständig oder gar nicht eintritt. 

Hinsichtlich der Durchführung der quantitativen Phosphat- 
bindung muß in diesem Zusammenhang noch auf einige Punkte 
die Aufmerksamkeit gelenkt werden. 

1. Eine Steigerung des Toluolzusatzes über die von mir 
und meinen Mitarbeitern angegebenen Grenzen hinaus be- 
günstigt nicht etwa die Phosphatbindung, sondern hindert sie 
im Gegenteil. In meiner ersten Mitteilung über dieses Thema 
habe ich mit D. Johansson ausdrücklich angegeben: 

„Für die Vergiftungserscheinungen der lebenden Hefezellen 
kommen die relativen Mengen von Protoplasmagift und Hefe 
stark in Betracht, so daß ein großer Überschuß von Toluol 
eine Inaktivierung hervorruft, während kleinere Mengen fast 
ohne Einwirkung sind.“ 








1) Euler und Lindner, Chemie der Hefe und der alkoholischen 
Gärung, Leipzig 1915, Seite 174. 

2) Euler und Johansson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 80, 174, 1912. 

®) Z. B. Euler und Johansson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 80, 
205, 1912 und 85, 192, 1913. Aus neuerer Zeit: Euler, Svanberg, 
Hallberg und Brandting, Zeitschr. f. physiol. Chem. 100, 203, 1917. 


Darstellung v. Kohlenhydratphosphorsäureester durch lebende Hefe. 339 


Demgemäß wird unseren Erfahrungen nach ein Toluolzu- 
satz von 10°/, der Wassermenge (vgl. Neuberg, l. c. S. 253) 
bei allen Hefen die Phosphatbindung stark oder vollständig 
hemmen. 

2. Unsere sämtlichen Versuche über alkoholische Gärung 
sind — soweit nicht ausdrücklich anders angegeben — wie 
oft betont, mit untergäriger Bierhefe, in der Regel Hefe H, 
angestellt. Wie hinsichtlich der Invertase, so verhält sich auch 
hinsichtlich der Phosphatase Brennereihefe (Preßhefe) durchaus 
verschieden von untergäriger Bierhefe und ist in der Regel 
zu Zymophosphatdarstellung mit lebender Hefe und Toluol 
unbrauchbar. Ich würde in meiner Vorschrift auch ausdrück- 
lich die Notwendigkeit, untergärige Bierhefe hierzu anzuwenden, 
betont haben, wenn ich nicht einmal eine Brennereihefe an- 
getroffen hätte, die ebenfalls eine quantitative Veresterung er- 
möglicht hat. Ich gebe aber gerne zu, daß ich auch in meiner 
Monographie den Vorzug der Brauereihefe hätte hervorheben 
sollen. 

Unsere Versuche über die Wirkung des Toluolzusatzes 
haben sich keineswegs auf die präparative Seite der Angelegen- 
heit beschränkt. Mit Johansson habe ich z.B. mit dieser 
Methode die Harden- Youngsche Gärungsgleichung für lebende 
Hefe geprüft!), und vor kurzer Zeit habe ich mit einigen Mit- 
arbeitern den schon früher betonten auffallenden Verlauf der 
Veresterung mit lebender Hefe und Toluol wieder untersucht 
und beschrieben. 

Gleich bei der ersten Untersuchung über den Toluolein- 
fluß auf die Veresterung habe ich mit Johansson übrigens 
mehrere Hefen in den Kreis unserer Untersuchung gezogen. 

Die Darstellung der Ergebnisse ist für eine zusammen- 
fassende Mitteilung über Enzymbildung — speziell über die 
Bildung der Phosphatase in lebenden Zellen — aufgespart 
worden und hat sich aus äußeren Gründen verzögert. 

Hier kann einstweilen angegeben werden, daß unter 11 
untersuchten untergärigen Hefen sich 9 zur Zymophosphat- 
bildung nach meiner Methode als brauchbar erwiesen haben, 
und zwar 7 davon in etwa dem gleichen Maße wie die von 


1) Euler und Johansson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 85, 192, 1913. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 23 


340 H. Euler: 


uns in der Regel verwendete untergärige Bierhefe H, während 
2 Hefen eine erheblich längere Zeit bzw. größere Hefemengen 
zur quantitativen Veresterung erforderten, und 2 Hefen sich 
nach den bis jetzt angestellten Versuchen als unbrauchbar er- 
wiesen. 

Unter den genannten 7 gut veresternden Hefen waren 5 
Saccharomyces cerevisiae, und davon 1 untergärige Münchener 
Bierhefe und 1 untergärige Bierhefe aus dem Berliner Institut 
für Gärungsgewerbe. 

Ich entnehme unserem Laboratoriumstagebuch folgendes: 

20 ccm einer 20°/,igen Glucoselösung + 10 com einer 10°/,igen 
Lösung von Dinatriumphosphat + 6 g frische lebende Hefe wurden ge- 
mischt. Zu Beginn des Versuches und nach gewissen Zeiten wurde das 
noch anwesende freie Phosphat mittels Magnesiamischung unter den 
üblichen Vorsichtsmaßregeln gefällt und als Mg,P,0, zur Wägung ge- 
bracht. Die Zeiten, die erforderlich waren, um das gesamte ange- 
wandte Phosphat zu verestern (bis also mit Magnesiamischung keine 
Fällung mehr eintrat), waren für die beiden deutschen Bierhefen die 


folgenden: 

Münchener untergärige Bierhefe . . ...... 455 Min. 

Bierhefe des Instituts für Gärungsgewerbe . . . 510 » 

Dabei ist zu bemerken, daß die Hefen 2 Tage vorher eine 
Vergärung durchmachten in 6°/,iger Rohrzuckerlösung, die 
2°/, Dinatriumphosphat enthielt. 

Aus der Literatur, besonders der Wochenschrift für Brauerei, 
geht hervor, daß die deutschen Bierhefen sich während des 
Krieges in mancher Hinsicht erheblich geändert haben; in 
welcher Weise dies hinsichtlich ihres Veresterungsvermögens der 
Fall ist, hatte ich keine Gelegenheit zu untersuchen. Sobald 
aber normale Verhältnisse eintreten, werden wir übrigens der 
Frage nach der Zymophosphatbildung durch lebende Hefen 
aus verschiedenen Gründen wieder nähertreten und besonders 
deutsche Hefen daraufhin untersuchen. 

Mit dem Umstand, daß Neuberg offenbar mit Hefen ge- 
arbeitet hat, die sich in bezug auf Zymophosphatbildung anders 
verhalten, als die hier untersuchten, hängt es vielleicht auch 
zusammen, daß er in seinen Produkten nie die von mir und 
Fodor beobachteten Anzeichen für die Bildung von Triosemono- 
phosphat hat finden können. Der von uns als Triosemono- 
phosphat angesprochene Körper stellt ja nie etwas anderes dar 
als eine geringe Beimengung zum Hauptprodukt, das, wie ich 


Darstellung v. Kohlenhydratphosphorsäureester durch lebende Hefe. 341 


ganz kürzlich!) in Bestätigung der Auffassung von Harden 
und Young betont habe, aller Wahrscheinlichkeit nach Fruc- 
tosediphosphat ist?) Die relative Menge der von mir be- 
obachteten geringen Beimengung, die ich allerdings nie isolieren 
konnte, ist aber von der Natur der angewandten Hefe recht 
abhängig. Im Caleiumzymophosphat habe ich sie übrigens nur 
selten und dann in sehr geringen Mengen gefunden; ihr Cal- 
ciumsalz scheint erheblich leichter löslich zu sein als das des 
Fructosediphosphates. Ich hoffe auf diese Frage bald aus- 
führlich zurückzukommen. Was schließlich die Veresterungs- 
fähigkeit von Dioxyaceton betrifft, besteht, was zunächst 
die experimentelle Seite der Angelegenheit betrifft, zwischen 
Neuberg und mir volle Übereinstimmung. Selbst habe ich 
zwar nur einen Versuch darüber veröffentlicht, da v. Lebedew 
die Bearbeitung dieser Frage sich vorbehielt. Ich habe aber 
später mehrmals zu meiner eigenen Information weitere Ver- 
suche angestellt und habe nach diesen keine Veranlassung, an 
meinem früheren Versuch oder an dem daraus gezogenen Schluß 
zu zweifeln. Der Versuch, den Herr Dr. Gambarjan im Labo- 
ratorium von Herrn Prof. Meisenheimer für mich ausführte?), 
war folgender: 

A. 4g Dioxyaceton + 25 g Hefenextrakt + 10,5 proz. Na,HPO,- 
lösung + 10 ccm Wasser. 


B. 25 ccm angegorene Glucoselösung + 10 cem 5proz. NagHPO,- 
Lösung -+ 10 ccm Wasser. 





g Mg,P,0, in 10 cem Lösung 








Stunden 
0 0,0705 | 0,0658 
4 Spuren | 0,0625 
20 — ' 0,0594 


Einige Zeit darauf haben Harden und Young!) geprüft, 
ob freies Phosphat während des Gärungsprozesses von Dioxy- 


1) Euler, diese Zeitschr. 84, 402, 1917. 

2) Durch die schönen Versuche von Neuberg, Färber, Levite 
und Schwenk (l. c.) über die Spaltung des Zymophosphates kann das 
Ergebnis Hardens und Youngs, daß Fructosediphosphat vorliegt, nun- 
mehr wohl als bewiesen angesehen werden. 

3) Euler und Kullberg, Zeitschr. f. physiol. Chem. 74, 15, 1911. 

4) Harden und Young, diese Zeitschr. 40, 458, 1912. 

23* 


342 H.Euler: Darstellung v. Kohlenhydratphosphorsäureester d. leb. Hefe. 


aceton gebunden wird. Sie haben mit Macerationssaft (Schroder) 
gearbeitet und geben folgende Tabelle an, die in g Mg,P,O, 
ausgedrückt ist: 


Entwickelte CO, Phosphat 
ccm ungebunden | verestert 








— 0,2389 — 
27 0,1904 0,0485 
83,3 0,1896 | 0,0493 


Auch hier ist also „eine kleine Phosphatmenge auf diese Weise 
gebunden worden“. 

Unser Ergebnis steht also qualitativ und quantitativ in 
Übereinstimmung mit dem von Harden und Young sowie 
mit dem von Neuberg erhaltenen, dagegen quantitativ nicht in 
Übereinstimmung mit v. Lebedew'), der eine sehr viel weiter- 
gehende Veresterung angibt. 

Auch befinde ich mich wohl in Übereinstimmung mit Neu- 
berg, wenn ich den Schluß anführe, den ich 1911 aus dem 
oben angegebenen Versuch gezogen habe: 

„Ein Verbrauch von Phosphorsäure tritt“ — schrieb ich 
damals —, „wie die Spalte A der Tabelle zeigt, allerdings ein, 
indessen ist derselbe im Vergleich zu der Esterbildung bei Gegen- 
wart angegorener Glucose so gering, daß man schließen muß, 
daß Dioxyaceton nicht derjenige Bestandteil des angegorenen 
Zuckers ist, der die Phosphorsäure bindet.“ 


1) v. Lebedew, diese Zeitschr. 86, 248, 1911, und Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. 44, 2932, 1911. 


Über die Abhängigkeit der serologischen Spezifizität 
von der chemischen Struktur. 
(Darstellung von Antigenen mit bekannter chemischer 
Konstitution der spezifischen Gruppen.) 


XII. Mitteilung über Antigene'). 
Ausgeführt mit Unterstützung der Fürst Liechtenstein-Spende. 


Von 


Karl Landsteiner und Hans Lampl. 
(Aus der Prosektur des Wilhelminenspitales in Wien.) 
[Eingegangen am 28. November 1917.] 


Die Bedeutung der serologischen Reaktionen beruht zum 
großen Teil auf den diagnostischen Anwendungen und biolo- 
gischen Ergebnissen, als deren wichtigstes die Feststellung der 
chemischen Arteigenheit und Artverwandtschaft anzusehen ist. 
Davon abgesehen, erregen diese Reaktionen aber auch als solche 
Interesse, da sie in ihrer eigentümlichsten Eigenschaft, der 
Spezifizität, mit Ausnahme einiger Fermentwirkungen von allen 
bekannten chemischen Erscheinungen abweichen. 

Von den bisher gemachten Versuchen zur Aufklärung der 
serologischen Spezifizität möchten wir, als in Zusammenhang 
mit unserer Mitteilung stehend, die wichtigsten jener kurz 
skizzieren, denen organisch-chemische Überlegungen zugrunde 
liegen. 

Eine Reihe derartiger Arbeiten beruht auf der Vornahme 
von Veränderungen an den natürlich vorkommenden immuni- 
sierenden Substanzen. Während die Untersuchung solcher ver- 
änderter Antigene vorher nur wenige einfache Fälle betraf, 
wie Abschwächung von Toxinen durch Erhitzen oder chemische 


1) s. Zeitschr. f. Immunitätsf. 13, 17, 20, 21, 26. Vorläufige Mitteil. 
Centralbl. f. Physiol. 30, Nr. 8, 1915. 


344 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Agentien, Herstellung von Stromata aus Blutkörperchen‘), Er- 
hitzung präcipitabler Substanz?) oder Einwirkung von Alkohol’), 
wurde dieses Verfahren erst durch die Arbeiten von Ober- 
mayer und Pick*) bedeutungsvoll. Das wesentlichste Ergebnis 
der Untersuchungen dieser Autoren war die Feststellung, daß 
durch verschiedenartige Veränderungen von Eiweiß neue Anti- 
gene entstehen, die eine von der Art der vorgenommenen 
Veränderung abhängige serologische Spezifizität besitzen und 
daß dabei in bestimmten Fällen die Artspezifizität bei erhaltener 
Antigeneigenschaft aufgehoben wird. Obermayer und Pick 
unterscheiden mehrere Arten von Veränderungen, und zwar 
zunächst solche „physikalisch-chemischen“ Charakters, sogenannte 
Zustandsänderungen, ferner ziehen sie eine scharfe Grenze zwischen 
Änderungen des Eiweißes mit erhaltener und mit aufgehobener 
Artspezifizität. Eine Aufhebung der Artspezifizität fanden sie 
ausschließlich bei drei der von ihnen studierten Reaktionen 
(oder bei Kombinationen dieser Prozesse), nämlich bei der Bil- 
dung von Xanthoprotein, der Jodierung von Eiweiß und der 
Entstehung von sogenanntem Diazoeiweiß durch die Einwirkung 
von salpetriger Säure. So wirkt z. B. ein mit Xanthoprotein 
aus Pferdeserum hergestelltes Immunserum nur abgeschwächt’) 
oder gar nicht auf natives Pferdeserum, auch nicht auf jodiertes 
Pferdeeiweiß, aber stark auf Xanthoprotein aus Pferdeserum oder 
dem Serum anderer Tierarten, und auch auf Xanthoprotein aus 
Pflanzeneiweiß. Da die genannten drei Reaktionen mit Sub- 
stitutionen in aromatischen Kernen einhergehen, so war zunächst 
die Hypothese der Autoren plausibel, daß für die Aufhebung der 
Artspezifizität das Stattfinden solcher Substitutionen wesentlich 


1) Annales de l’Inst. Pasteur 14, 257, 297, 1900. 

®) Münch. med. Wochenschr. 12, 1902. 

3) Michaelis und Oppenheimer, Arch. f. Anat. u. Physiol. 
1902, 353. 

“% s. Pick, Biochem. d. Antigene, S.-A. aus Handb. d. pathog. 
Mikroorg. v. Kolle-Wassermann, G.Fischer, Jena 1912 (Angaben über 
Nachprüfungen); ferner Wiener klin. Wochenschr. 1903, Nr. 22; 1904, 
Nr. 10; 1906, Nr. 12. Vgl. P. Th. Müller, Centralbl. f. Bakt. 32. 521. 

5) Siehe Zeitschr. f. Immunitätsf. 20, 218, cf. Freund, diese Zeit- 
schr. 20, 512, 1909, Pick und Yamanouchi, Zeitschr. f. Immunitätsf. 
1, 676. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 345 


seit). Die übrigen von Obermayer und Pick untersuchten 
Eingriffe, z. B. Erwärmung, Einwirkung von Toluol, Chloroform, 
Säuren, Laugen, riefen zwar Modifikationen der Antigeneigen- 
schaften hervor, ließen aber die Artspezifizität intakt. 

Wir haben in eigenen Untersuchungen?) diesen Gegenstand 
weiter verfolgt und konnten einige neue Tatsachen feststellen. 
So fanden wir, daß zwischen Eiweißveränderungen mit erhal- 
tener und solchen mit abgeschwächter oder aufgehobener Art- 
spezifizität Übergänge bestehen und daß der Kreis jener Verän- 
derungen, die die Arteigenheit aufheben, ein größerer und 
mannigfaltigerer ist,. als man vorher meinte. Als Reaktionen, 
die diese Wirkung haben, erwiesen sich Veresterung des Ei- 
weißes durch alkoholische Säuren, Acylierung durch Säure- 
anhydride oder Säurechloride, ferner Alkylierung (Methylierung), 
die, wie wir fanden?), durch Diazomethan leicht zu erzielen 
ist. Es kann demnach die Substitution von Wasserstoffatomen 
aromatischer Kerne nicht mehr als notwendige Bedingung für 
das Verschwinden der Artspezifizität angesehen werden ^). 

Den von uns angewendeten Reaktionen ist es gemeinsam, 
daß Veränderungen an salzbildenden Gruppen des Eiweißes 
vor sich gehen. Auch hier entstand eine neue, ausgeprägte, 
durch die Art der chemischen Veränderung bestimmte Spezi- 
fizität (Strukturspezifizität), so daß beispielsweise ein Immun- 
serum gegen methyliertes Eiweiß aus Pferdeserum mit Methyl- 
eiweiß der verschiedensten Serumarten und auch mit methy- 


1) 1. c. -Wiener klin. Wochenschr. 1906, Nr. 12, S. 332, 

®) Landsteiner und Prášek, u.Jablons, u. Barron, u. Lampl, 
diese Zeitschr. 58, 362; vgl. ebenda 61, 67, 74; Zeitschr. f. Immunitätsf. 
20, 211, 618, 21, 193, 26, 122, 133, 142. 

3) Landsteiner, diese Zeitschr. 58, 362, 1913; Herzig und L., 
ebenda 61, 458. 

t) Eine besondere Rolle bestimmter aromatischer Kerne ist aus 
dem folgenden Grunde nicht anzunehmen. Nach Obermayer und 
Pick ist die Tyrosingruppe wegen des Verhaltens der Oxyproteinsäure 
und wegen der Erscheinungen bei Trypsinverdauung für die Erhaltung 
bzw. Zerstörung der Arteigenheit nicht maßgebend; andererseits kommt 
aber bei der nach unseren Ergebnissen (siehe unten) die Artspezifizität 
beeinträchtigenden Kuppelung mit Diazokörpern unter den aromatischen 
Kernen nur die Tyrosingruppe in Betracht. (Vgl. Obermayer und 
Pick,l.o. Wiener klin. Wochenschr. 1906, Nr, 12, 330, 332; 1. o. Pick, 
Biochemie der Antigene, S. 29, 30,) 


346 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


liertem Pflanzeneiweiß reagiert. Eine derartige Abänderung, 
daß Serumeiweiß für die gleiche Tierart, von der es stammt, 
zum Antigen wird, wie in den Versuchen von Obermayer 
und Pick, konnten wir!) auch erzielen, ohne daß die Art- 
spezifizitätt bei der Prüfung mit gewöhnlichem präcipitie- 
renden Serum sich als verändert erwies, und zwar durch Ein- 
wirkung von Formaldehyd (und nachfolgende Alkoholfällung). 
Ein solches aus Kaninchenserum hergestelltes Präparat rief bei 
Kaninchen die Bildung von Antikörpern hervor, die mit der 
zur Injektion benutzten Substanz, aber nicht mit gleichartig 
verändertem Eiweiß anderer Tierarten reagierten. Vermutlich 
werden sich für diese neue Art von Antigenen noch weitere 
Beispiele finden lassen. 

Mit einer anderen als der bisher betrachteten Methode suchten 
Wells, Osborne und ihre Mitarbeiter chemische Aufschlüsse 
über das Phänomen der serologischen Spezifizität zu erhalten, 
indem sie solche natürliche Eiweißstoffe, die Besonderheiten 
der chemischen Zusammensetzung aufweisen, in bezug auf ihre 
Antigeneigenschaften untersuchten. So fand Wells?) [cf. 
Klein®)], daß Injektionen von Gelatine keine Anaphylaxie 
hervorrufen. Nach der Ansicht von Wells rührt dieses Fehlen 
der Antigenwirkung daher, daß im Gelatinemolekül bestimmte 
aromatische Gruppen, nämlich Tyrosin und Tryptophan, nicht 
enthalten sind. 

In Anbetracht dessen, daß gewisse, z. B. krystallinische 
oder alkohollösliche, pflanzliche Proteine sich leichter als 
im allgemeinen tierische Eiweißkörper in recht reinem Zu- 
stande darstellen lassen und daß ihre Zusammensetzung aus 
Aminosäuren gut bekannt ist, wandten sich Wells und 
Osborne dem Studium dieser Substanzen zu und veröffent- 
lichten darüber eine Anzahl mit besonderer Sorgfalt durch- 
geführter wichtiger Arbeiten. Zunächst konnten sie fest- 
stellen, daß ein Protein nicht alle gewöhnlich in Eiweiß 


1) 1. o. L. u. Jablons, Zeitschr. f. Immunitätsf. 20, 618. 

2) Journ. of infect. Dis. 5, 449; 1908; Journ. Americ: med. Ass. 50, 
527. Vgl. Pabis und Ragazzi, Zeitschr. f. Immunitätsf: Ref: 9, 411; 
1915, Vaughan zit. bei Wells. 

3) Wiener klin. Wochenschr. 1902, Nr. 29, siehe L. und Barron; 
Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 142, 1917. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 347 


vorhandenen Aminosäuren enthalten muß, um ein Antigen zu 
sein. So erhielt Wells mit Zein, Hordein, Gliadin typische 
Anaphylaxie, obwohl diesen Körpern einige der Aminosäuren 
Glykokoll, Tryptophan, Lysin ganz oder nahezu fehlen +). Weiter- 
hin fanden Wells und Osborne?), daß nach ihrem chemischen 
Aufbau und den Eigenschaften einander sehr nahestehende 
Proteine, wie verschiedene Gliadine und Hordein, die von 
verschiedenen Pflanzen stammen, im Anaphylaxieversuch ver- 
wandt reagieren, daß aber auch in einer Pflanze (Weizen) 
enthaltene Eiweißkörper von differentem chemischem Bau sich 
in dieser Beziehung ähnlich verhalten können. Andererseits 
erwiesen sich die im Hühnereiweiß enthaltenen Proteine als 
serologisch verschieden [Wells]?). 

Wells und Osborne kommen auf Grund ihrer Arbeiten 
zu dem Schlusse, daß die Spezifizität der Immunreaktionen 
hauptsächlich durch die chemische Struktur der Proteine und 
wahrscheinlich durch bestimmte Gruppen bedingt ist, eine sero- 
logische Verwandtschaft zweier Substanzen also auf dem ge- 
meinsamen Besitz einer bestimmten Gruppe beruhen kann. 
In einem Eiweißmolekül können wahrscheinlich mehrere ver- 
schiedene, voneinander unabhängig reagierende Gruppen vor- 
kommen. Es liegt nahe, diese Schlüsse mit den Erscheinungen, 
die an künstlich veränderten Antigenen beobachtet wurden, in 
Parallele zu setzen und auch die merkwürdigen, von Forss- 
man entdeckten, Schafhämolysin erzeugenden Antigene in glei- 
cher Weise aufzufassen. 

Auf die Bedeutung der chemischen Struktur der Antigene 
als solcher, abgesehen von ihrer Herkunft, wiesen übrigens 
schon frühere Arbeiten über die Serumreaktionen verschiedener 
Eiweißkörper hin (Ide, Leblanc, Myers, P. Th. Müller, 
Michaelis, Klein, Ascoli, Gay und Robertson u. a.), 
besonders die Untersuchungen von Uhlenhuth‘), die die sero- 
logische Verwandtschaft der Linsensubstanz verschiedener Tier- 


1) Journ. of infect. Dis. 5, 464, 1908. Vgl. Wells, Chemical Pa- 
thology, Saunders, Philadelphia 1914, 180. 
2) Journ. of infect. Dis. 12, 341, 1913. cf. Lake, Osborne und 
Wells, ebenda 14, 364, 1914. 
3) Journ. of infect. Dis. 9, 147, 1911. 
4) Festschr. f. Rob. Koch, Jena 1903. 


348 K. Landsteiner u, H. Lampl: 


spezies nachwiesen [vgl. Salus!)]. Gleichsinnig sind die neuen 
Ergebnisse von Doerr?) über Präcipitinogene des Harns, von 
Elliot) über Glykoproteine, von Versell‘) aus dem Labora- 
torium von Silberschmidt über Casein. 

Durch Injektion von Gemischen von Aminosäuren und 
einer Verbindung von Casein mit einem Protamin versuchten 
Gay und Robertson’) neue Antigenwirkungen zu erzielen, 
hatten aber nicht den erwarteten Erfolg. Als diese Autoren 
dann eine Verbindung von Casein und Globin injizierten®), 
erhielten sie Immunseren, die mit der Verbindung, aber 
auch mit den Komponenten Casein und Globin reagierten, 
während durch Injektion von Globin allein keine Immunkörper 
erhalten wurden. Man könnte demnach annehmen, daß das 
Globin durch die Verbindung mit Casein zu einem Antigen 
geworden ist, doch steht dem entgegen, daß in Versuchen von 
Browning und Wilson’) Globin selbst die Bildung von Anti- 
körpern bewirkte. 

Über die Antigenwirkung sogenannter lipoider Substanzen 
liegt eine Anzahl interessanter Untersuchungen vor (Bang und 
Forssman, Kurt Meyer, Much u.a... Es kann leicht sein, 
daß diese Beobachtungen in Zukunft theoretische Bedeutung 
haben werden. Da aber bis jetzt keine der Substanzen in 
reinem Zustande hergestellt werden konnte, ihre Zusammen- 
setzung und chemische Konstitution also’ nicht bekannt ist, so 
sind sie für die Erkenntnis der Chemie der Antigene vorläufig 
eher weniger geeignet als jene Antigene, deren Eiweißnatur 
feststeht. 

Auch auf die Arbeiten über die Antigenwirkung von Ver- 
dauungsprodukten des Eiweißes und von Plasteinen (Gay und 
Robertson, Herrmann und Chain, v. Knaffl-Lenz und 
Pick) braucht nur im allgemeinen hingewiesen zu werden?). 


1) Diese Zeitsch. 60, 1, 1914. 

3) Zeitschr. f. Immunitätsf. 21, 463, 1914. 

3) Journ. of infect. Dis. 15, 501, 1914. 

+4) Zeitschr. f. Immunitätsf. 24, 267, 1915. 

®) Journ. f. exp. Med. 16, 470, 479, 1912. 

®) Journ. f. exp. Med. 17, 535, 1913. 

”) Journ. of Path. and Bacter. 14, 174, 1909. 
3) Vgl. 1l. o. Bioch. d. Antig., S. 29 (Lit.) 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 349 


Die im vorstehenden nach ihren wesentlichsten Ergeb- 
nissen referierten Untersuchungen haben ohne Zweifel sehr 
belangreiche Tatsachen zutage gefördert und vor allem gezeigt, 
daB chemische Untersuchungen über das Spezifizitätsproblem 
im Prinzip möglich sind. Der Anwendung und Ausarbeitung 
der geschilderten Methoden stehen aber Hindernisse entgegen, 
die in der Natur der Sache begründet sind. Zunächst können, 
wenn man an Eiweißkörpern chemische Veränderungen vor- 
nimmt, in der Regel mehrere Stellen des großen Moleküls 
betroffen werden und Wirkungen verschiedener Art eintreten, 
so daß es nicht leicht möglich ist, mit Sicherheit anzugeben, 
welche davon das serologische Verhalten bestimmt. Selbst bei 
einer so glatt verlaufenden Reaktion wie der erwähnten Methy- 
lierung von Eiweiß durch Diazomethan bleiben zwar nicht in 
bezug auf die Art, aber doch auf den Ort der maßgebenden 
Veränderung Zweifel offen, und um so mehr bei eingreifen- 
deren Reaktionen, wie der Einwirkung von starken Oxy- 
dationsmitteln +). Eine weitere Einschränkung liegt darin, daß 
die Zahl der verschiedenartigen Reaktionen, die mit Proteinen 
vorgenommen werden können, ohne die Antigeneigenschaft zu 
zerstören, eine nur geringe Variationsmöglichkeit bietet. Man 
kann annehmen, daß die meisten bisher bekannten und über- 
haupt anwendbaren chemischen Eingriffe serologisch schon 
ausgewertet wurden. Ebenso ist die Zahl solcher natürlich 
vorkommender Antigene, die durch besondere Eigentümlich- 
keiten des chemischen Baues charakterisiert sind, keine große, 
und auch hier ist die Beziehung zwischen den chemischen und 
serologischen Befunden nicht einfach zu deuten. Wie Wells 
und Osborne?) selbst hervorheben, ist außerdem die Einheit- 
lichkeit selbst der reinsten Eiweißpräparate kaum mit Sicher- 
heit festzustellen. 

Die angeführten Umstände machen die Schwierigkeit fühl- 
bar, auf den bisher eingeschlagenen Wegen in der chemischen 
Bearbeitung der Immunitätsreaktionen weitere Fortschritte zu 


1) Vgl. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 259. Über die Veränderungen, 
die z. B. bei der Einwirkung von Salpetersäure auf Eiweißkörper statt- 
finden, s. Kossel u. Kennaway, Zeitschr. f. physiol. Chem. 72, 486, 1911. 

2) Journ. of infect. Dis. 12, 357, 1913. 


350 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


machen. So konnte ein Autor wie Morgenroth'!) vor kurzem 
die Immunitätslehre als ein Gebiet bezeichnen, „zu. dem vor- 
läufig keine Brücke aus der Chemie führt“. 

Jedenfalls lag genügende Veranlassung vor, nach einer 
neuen Methode zu suchen, die den folgenden Anforderungen 
genügt, erstens die vorauszusetzende Abhängigkeit der sero- 
logischen Eigenschaften von der chemischen Konstitution sicher 
erkennen zu lassen und zweitens die Möglichkeit mannigfaltiger 
Variationen zu bieten. Eine solche Methode liegt offenbar 
dann vor, wenn es gelingt, durch eine und dieselbe Reaktion 
verschiedenartige Gruppen bekannter chemischer Konstitution 
in Eiweiß einzuführen und auf diese Weise neue Antigene in sozu- 
sagen beliebiger Zahl darzustellen und wenn das serologische Ver- 
halten der entstandenen Stoffe eindeutig durch die chemische 
Konstitution der eingeführten Gruppen bestimmt wird. 

Von vornherein erschien die Durchführbarkeit dieses Pla- 
nes recht zweifelhaft, weil nach den vorliegenden Erfahrungen 
wahrscheinlich einzelne Teile des Eiweißmoleküls für das sero- 
logische Verhalten von Bedeutung sind und man vermuten 
konnte, daß diese Eigenschaft nur bestimmten, im Eiweiß 
natürlich vorhandenen Gruppierungen zukommt. Eine von 
Obermayer und Pick?) gemachte Angabe war geeignet, 
diese Zweifel zu bestärken. Andererseits ergaben aber unsere 
ersten in der gedachten Richtung angestellten Versuche An- 
haltspunkte für die Möglichkeit, das gewünschte Ergebnis zu 
erzielen. Den Ausgangspunkt bildete die Immunisierung mit 
acetyliertem Eiweiß®), einem Präparat, das durch Behandlung 
von Serumeiweiß mit Acetanhydrid gewonnen war und das 
bei der Prüfung mittels Komplementbildung eine ausgeprägte 
Strukturspezifizität bei fast aufgehobener Artspezifizität auf- 
wies (siehe oben). Nun wurden an Stelle des Acetanhydrids 


1) Berl. klin. Wochenschr. Nr. 3, 59, 1917. Vgl. Festschrift f. 
P. Ehrlich, S. 541. G. Fischer, Jena 1914. 

2) I. c. Biochemie der Antigene, S.25; Handb.d.pathog. Mikroorg. 1, 
2. Aufl., 709, vgl. die zitierten Untersuchungen über Proteinkombinationen 
von Gay und Robertson. 

3) S. Landsteiner und Jablons, Zeitschr. f. Immunitätsf. 21, 
200; L. und Prášek, diese Zeitschr. 61, 191; L. und Lamp], Centralbl. 
f. Physiol. 80, Nr. 8. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 351 


andere Säureanhydride und Säurechloride angewendet und so 
verschiedene Acylgruppen in das Eiweiß eingeführt‘), und 
zwar die Reste der Propion-, Butter-, Isobutter, Valerian-, Mono-, 
Di-, Trichloressig-, Anis-, Zimtsäure. Die erhaltenen Produkte 
waren bis auf solche mit chemisch nahe verwandten Säure- 
resten durch Serumreaktionen deutlich voneinander zu unter- 
scheiden, und im allgemeinen bestand auch eine Übereinstimmung 
in dem Grade der chemischen und serologischen Verwandtschaft. 

Einige Umstände machten es wünschenswert, sich nicht 
auf die Ausnützung dieser einen Reaktion zu beschränken. 
Zunächst waren die dargestellten acylierten Proteine unlösliche 
Körper, und wir wissen noch nicht, ob es gelingen wird, lös- 
liche Acylproteine in genügender Zahl herzustellen. Es ist nun 
zwar, wie wir fanden?), durch Anwendung der so erfolgreichen 
Methode der Komplementbindung von Bordet und Gengou 
möglich, auch ungelöste Eiweißkörper serologisch zu prüfen, 
aber es ist nicht immer leicht und mißlingt manchesmal, eine 
genügend feine Verteilung der Suspensionen herzustellen. Dazu 
kommen gelegentlich technische Hindernisse des Komplementbin- 
dungsverfahrens, wie Hemmungen der Hämolyse durch Antiseren 
und Antigene. In einigen Fällen schien die Acylierung nicht den 
gewünschten Verlauf zu nehmen, und mit einzelnen anderen als 
den oben angeführten Produkten ließen sich keine Immunseren 
herstellen. Schon aus diesen Gründen dürfte die Herbeischaf- 
fung eines mannigfach variierten Versuchsmaterials mit Hilfe 
acylierter Proteine Schwierigkeiten verursachen. 

Wir fanden nun eine für unseren Zweck sehr geeignete Reak- 
tion in der von Pauly eingehend untersuchten Kuppelung von 
Eiweiß mit Diazokörpern. Die hierbei entstehenden gelben 
bis braunen, in alkalischer Lösung tiefer gefärbten Produkte, 
die wir als Azoproteine bezeichnen, sind, soweit unsere Erfah- 
rungen reichen, in den allermeisten Fällen gut löslich und 
gestatten so die Anwendung der einfach auszuführenden Prä- 
eipitinreaktion. Die Kuppelung verläuft, wenn auch mit etwas 
verschiedener Leichtigkeit, in der Regel ganz glatt; die Zahl 
der als Komponenten verwendbaren, häufig leicht zugänglichen 


1) Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 258, 1917. 
®) Landsteiner und Prášek, Zeitschr. f. Immunitätsf. 20, 211. 


352 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Diazokörper ist bekanntlich eine überaus große und schließt- 
verschiedenartige, auch kompliziert gebaute Substanzen ein. 

Über die vorläufigen Versuche mit Azoproteinen haben 
wir schon berichtet!) Wir fanden, daß nach Injektionen einer 
solchen Substanz Immunseren entstehen, die außer mit dem 
Immunisierungsantigen auch mit Präparaten reagieren, die in 
gleicher Weise, aber mit Serumeiweiß anderer Tiearten herge- 
stellt wurden. Es erfolgt also durch die Kuppelung eine Ab- 
schwächung der Artspezifizität, deren Grad, wie sich zeigte, von 
der Intensität der Kuppelungsreaktion abhängt, so daß stärker 
veränderte Präparate weniger artspezifisch sind. Die Abände- 
rung des Eiweißes ist auch daran zu erkennen, daß nach 
Einspritzung von Azoproteinen aus artgleichem Serumeiweiß 
Antikörper entstehen. 

Wir stellten dann Präparate aus Pferdeeiweiß mit vier 
verschiedenen Diazokörpern her und immunisierten Kaninchen 
mit diesen Substanzen. Die erhaltenen Immunseren zeigten 
bei der Prüfung mit den vier Antigenen Differenzen der Wir- 
kung im Sinne einer angedeuteten Spezifizität. Sehr große 
Differenzen waren nicht zu erwarten, weil die Immunseren in 
höherem oder geringerem Grade mit unverändertem Pferde- 
serum reagieren und demnach auch das Eintreten von Reak- 
tionen mit verschiedenen Azoproteinen aus Pferdeserum vorausge- 
setzt werden konnte. Stärkere Unterschiede traten aber dann 
auf, wenn wir als Prüfungsantigene Präparate verwendeten, die 
durch intensivere Einwirkung der Diazokörper gewonnen waren 
und noch mehr, als die Prüfung mit aus einer anderen Serum- 
art bereiteten Azoproteinen vorgenommen wurde. Offenbar 
kann so eine den Immunseren gemeinsame artspezifische Wir- 
kungskomponente ausgeschaltet werden und der Einfluß der 
eingeführten Gruppe besser hervortreten. Bei diesem Verfah- 
ren ergaben sich in vorläufigen Versuchen sehr deutliche Aus- 
schläge, die uns veranlaßten, die Untersuchung in größerem 
Umfange fortzusetzen. Wir haben damals mit Präparaten aus 
Pferdeserum immunisiert und zur Prüfung solche aus Rinder- 
serum verwendet. Bei der Fortsetzung der Versuche, über 
die im folgenden berichtet wird, wurden zur Prüfung der 


1) Centralbl. f. Physiol. 30, 1915. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 293. 
Diese Mitteilung enthält die Literaturangaben. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 353 


mit Pferdeantigenen hergestellten Immunseren hauptsächlich 
Präparate aus Hühnerserumeiweiß benutzt. 

Wenn wir so die Prüfung der Immunseren nicht mit den- 
selben Antigenen vorgenommen haben wie die Immunisierung, 
so ist dieser Umstand, wie gleich bemerkt werden soll, für die 
Betrachtung der Spezifizitätserscheinungen, d. i. im vorliegenden 
Falle für die Feststellung des Zusammenhanges zwischen Serum- 
reaktionen und chemischer Konstitution ohne Belang. Es wird 
das außer durch eine einfache Überlegung auch durch den 
folgenden Sachverhalt außer Zweifel gestellt. Wie Versuche 
zeigten (S. 368), ist die Intensität der Reaktion der Azoimmun- 
seren mit nativem Pferdeeiweiß sehr ungleich. Als nun ein- 
zelne solche Immunseren, die unverändertes Pferdeserum nur 
schwach präcipitieren, in ganz gewöhnlicher Weise mit den 
Immunisierungsantigenen aus Pferdeserum geprüft wurden, 
zeigten sie immerhin deutlich spezifische Reaktionen (S. 369). 
Der allerdings sehr nützliche technische Kunstgriff des Wech- 
sels der Proteinkomponente ist also im Prinzip nicht notwen- 
dig und kann deshalb bei der Diskussion der Ergebnisse weiter- 
hin außer Betracht bleiben. 

Im übrigen ging unser Versuchsplan dahin, möglichst zahl- 
reiche Antigene und Immunseren herzustellen, und auf Grund 
unserer Vorversuche hielten wir es für zweckmäßig, zunächst 
(mit einer Ausnahme) Substanzen mit sauren Gruppen als Azo- 
komponenten!) zu verwenden. 

So nahmen wir als Azokomponenten Anilin, Ortho-, Meta-, 
Paraaminobenzoesäure, Ortho-, -Meta-, Paraaminobenzolsulfo- 
säure, Paraaminophenylarsinsäure und eine Anzahl von Methyl-, 
Chlor-, Brom-, Nitro-Substitutionsprodukten dieser Substanzen, 
Ortho-, Meta-, Paraaminozimtsäure, Naphthionsäure, Amino- 
azobenzoldisulfosäure. 


Herstellung der Antigene und Immunseren. Ausführung 


der Versuche. 
1. Darstellung der Diazokörper. 
Die Darstellung der Diazokörper wurde nach bekannten 
Methoden vorgenommen, doch wollen wir, um Nachprüfungen 


1) Mit diesem Ausdruck sollen die zur Diazotierung und Kuppelung 
verwendeten aromatischen Substenzen bezeichnet werden. 


354 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


zu erleichtern, das Verfahren bei den einzelnen Substanzen 
und Einiges über die Darstellung der Ausgangsmaterialien 
anführen. Da über die Diazotierung einer Anzahl der Körper 
keine besonderen Angaben vorliegen und um überhaupt fest- 
zustellen, ob die Diazotierung in der gewünschten Weise ver- 
lief, wurde bei jeder neuen Substanz das Reaktionsprodukt 
auf den Gehalt an Diazokörpern untersucht. Dies geschah 
außer durch eine Titration mit R-Salz!) zweckmäßigerweise 


auch durch Bestimmung des Gehaltes an Diazostickstoff®). 

Einfüllen einer bestimmten Menge der sauren, gekühlten Lösung 
oder Suspension in ein kleines, weithalsiges Rundkölbchen mit doppelt 
durchbohrtem Kautschukstopfen, Austreiben der Luft durch Kohlen- 
säure, die aus einem mit Natriumbicarbonat gefüllten Rohr durch Erwär- 
men entwickelt wurde. Gelindes, dann starkes Erwärmen der Diazo- 
lösung und Auffangen des Stickstoffes in einem Azotometer über 30°), 
Natronlauge, zum Schluß wieder Durchleiten von Kohlensäure, bis das 
Volumen nicht mehr zunimmt. In manchen Fällen, in denen dieses 
Verfahren nicht brauchbar ist, war es möglich, bessere Werte zu erhal- 
ten, wenn die Zersetzung mit feuchtem Kupferpulver nach Gatter- 
mann vorgenommen wurde. In das die Lösung oder Suspension ent- 
haltende Kölbehen wurde ein sehr kleines, die Flüssigkeitsoberfläche 
überragendes mit dem Kupfer gefülltes Gefäßchen gebracht, dieses nach 
Verdrängung der Luft umgeworfen und das Kupfer durch Schütteln verteilt. 
Wenn die Gasentwickelung nicht mehr vonstatten ging, wurde erwärmt. 

Die erhaltenen Zahlen blieben meistens, bei manchen Substanzen 
beträchtlich hinter den berechneten zurück, was wohl auf eine nicht 
glatte Zersetzung zu beziehen ist. Immerhin konnte so, was für unseren 
Zweck genügte, nachgewiesen werden, daß die Diazotierung wenigstens 
annähernd vollständig verlaufen war. 

Von der richtigen Beschaffenheit der Aminosäuren über- 
zeugten wir uns bei allen Substanzen durch Titration abge- 
wogener Mengen mit n-Natronlauge und durch Bestimmung 
des Schmelzpunktes, wo ein solcher existiert. Die verwendeten 
Lösungen wurden meistens vor und während der Diazotierung 
in Eis gekühlt, häufig durch Zufügen von Eisstückchen. Der 
Zusatz von Nitrit erfolgte allmählich unter Umrühren und 


Beobachtung der Reaktion mit Jodkaliumstärkepapier. 
1. Anilin. Es wurde nicht, wie bei den früher mitgeteilten Ver- 
suchen?) festes Diazobenzolsulfat, sondern in üblicher Weise hergestellte 


1) Siehe H. Meyer, Analyse und Konstitutionsermittelung” usw. 
Berlin. Springer 1909, S. 781. 

2) Siehe H. Meyer, S. 866 fi. 

®) Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 293. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezitizität von der chem. Struktur. XII. 355 


salzsaure Diazobenzollösungen verwendet 1 g Anilin, 4 com Salzsäure!), 
0.7527 Natriumnitrit]. 

2. o-Aminobenzoesüure. (Anthranilsäure) I g der Säure (Kahl- 
baum) wurde in der molekularen Menge (7,3 ccm) n-Natronlauge gelöst, 
mit Wasser auf ein Volumen von ungefähr 20 ccm gebracht, 3,5 ccm 
Salzsäure (3,5 Moleküle) und dann eine Lösung von 0,511 g Natriumnitrit 
in 2 ccm Wasser zugefügt. 

3. Aminosäure aus m-Toluylsäure. Nitriepung und Reduk- 
tion nach Jacobsen‘). 5g m-Toluylsäure (Kahlbaum) wurden in 40 cem 
rauchender Salpetersäure unter Umrühren und Vermeidung starker Er- 
wärmung eingetragen. Die Nitrosäure beginnt sich schon während des 
Eintragens abzuscheiden, die Ausscheidung wird nach beendigter Reak- 
tion durch Wasserzusatz vervollständigt. Bei der Nitrierung entstehen 
nach Jacobsen zwei isomere Säuren. Eine Trennung dieser wurde, 
als für den vorliegenden Zweck vorläufig nicht unbedingt nötig, unter- 
lassen. Reduktion wie bei 2-Amino-p-Toluylsäure (siehe unten). Das 
Hydrochlorid wurde nach Entfernung des Zinns durch Schwefelwasserstoff 
durch Eindampfen der verdünnten Lösung gewonnen, unter Erwärmen 
in möglichst wenig Wasser gelöst und mit Natriumacetat die Amino- 
säure ausgefällt. Nach einmaligem Umkrystallisieren aus kochendem 
Wasser Schmp. 155 bis 161°. Das Präparat besteht wahrscheinlich ganz 
vorwiegend aus (,H,(NH,)“COOH)?CH,) neben etwas C,H,(NH,)! 
(COOH)?(CH,)*. 

Diazotierung wie bei o-Aminobenzoesäure unter dem Molekularge- 
wicht entsprechender Änderung der Mengen. 

4. m-Aminobenzoesüure (Kahlbaum). Darstellung des Diazo- 
niumchlorides?°). 

5. Aminosäuren aus o-Toluylsäure. Darstellung der Amino- 
säure aus o-Toluylsäure (Kahlbaum) nach Jacobsen und Wierss®). 
Nitrierung und Reduktion wie bei Nr. 3 ohne Trennung der isomeren 
Nitrosäuren. Die entzinnte Lösung wurde (Vorsicht wegen Zersetzung) 
auf dem Wasserbad eingeengt, dann im Vakuum über KOH zur 
Trockene gebracht. Die aus der konzentrierten wässerigen Lösung 
durch Natriumacetat abgeschiedenen Aminosäuren wurden aus kochen- 
dem Wasser umkrystallisiert, wobei zwei noch nicht einheitliche Frak- 
tionen erhalten wurden. Die in Wasser schwerer lösliche Säure ist 
nach Jacobsen und Wierß C,H;( BEN die leichter 
lösliche C,H,(NH,)COOH)?’(CH,)*. 

Mit jeder der beiden Fraktionen wurde ein peter dargestellt. 
Da die Serumreaktionen der beiden Präparate übereinstimmten, sind 
sie in der Tabelle nur einmal unter Amino-o-toluylsäure angeführt. 


1) Hier und im folgenden wurde, wenn nichts anderes erwähnt ist, 
eine 7,3fach normale Säure verwendet. 

?) Ber. d. d. chem. Ges. 14, 2353. 

3) Siehe Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 297. 


4) Ber. d. d. chem. Ges. 16, 1957, 17, 163. 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 24 


356 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


6. 2-Amino-p-toluylsäure C,H,(NH,)'(COOH)’(CH,)*. Ni- 
trierung!): 10 g p-Toluylsäure (Kahlbaum) wurden in 40 cem rauchende 
Salpetersäure eingetragen und das Gefäß bis zur völligen Lösung in 
kochendem Wasser gehalten. Nach dem Abkühlen wurden die ausge- 
schiedenen Krystalle über Glaswolle abgesaugt. Reduktion®): 15 g Zinn 
wurden in 45 ccm rauchender Salzsäure (42°/,) am Rückflußkühler auf- 
gelöst. In die Lösung wurden 7 g der rohen 2-Nitro-p-toluylsäure ein- 
getragen und bis zur Lösung der Substanz etwa 10 Minuten lang er- 
hitzt. Nach dem Abkühlen trat, durch Reiben begünstigt, Abscheidung 
von Krystallen ein, die über Glaswolle abgesaugt wurden. Völliges 
Auflösen in Wasser, vollständiges Ausfällen des Zinns durch Schwefel- 
wasserstoff, Ausfällen der freien Aminosäure durch Zufügung der halben 
für die völlige Neutralisation nötigen Menge Natronlauge. Ein Rest 
wurde durch Ausäthern gewonnen. Umkrystallisieren aus wenig ko- 
chendem Wasser. Schmp. 164°. Diazotierung wie bei 3. i 

7. 4-Chlor-3-aminobenzoesäre (Schuchardt). C,H,(NH,)! 
(COOH)? (C1), Schmp. 212—214°. Diazotierung wie bei 3. Die durch 
Salzsäure ausgeschiedene Säure löste sich nur langsam ganz oder fast 
vollständig. 

8. 4-Brom-3-Aminobenzoesäure (Schuchardt). C,H,(NH,)! 
(COOH)? (Br)®, Schmp. 225°. Diazotierung wie bei 7. 

9. p-Aminobenzoesäure (Kahlbaum). Darstellung des Diazo- 
körpers wie bei 4. 

10. o-Aminozimtsäure (Kahlbaum). Darstellung von festem 
Diazozimtsäurechlorid nach E. Fischer und Kuzel?). 

11. m-Aminozimtsäure (Kahlbaum). Diazotierung wie bei 
3 unter guter Kühlung und starkem Rühren. Von einem geringen 
Niederschlag wird unter Kühlung rasch abfiltriert. 

12. p-Aminozimtsäure (Kahlbaum). Diazotierung wie 
bei 11. 

13. o-Aminobenzolsulfosäure. Darstellung von p-Bromanilin 
o-sulfosäure und Überführung in o-Aminobenzolsulfosäure nach Kreis’). 
Die Erhitzung des Bromacetanilids’) bis zur Entfernung der Essigsäure 
wurde bei gelinder Hitze über einem Drahtnetz bei ständigem Rühren 
vorgenommen. Die bromierte Säure wurde aus Wasser unter Zusatz 
von Tierkohle umkrystallisiert. Auch die o-Aminobenzolsulfosäure 
wurde aus wenig siedendem Wasser umkrystallisiert. 

Diazotierung: 1 g der Säure wurde in der molekularen Menge 
(5,8 ccm) n-Natronlauge gelöst, mit Wasser auf 20 ccm ergänzt, 2 cem 
7,3 n-Salzsäure (2,5 Moleküle) und dann eine Lösung von 0,404 Natrium- 
nitrit in 2 cem Wasser zugefügt. 


1) Fittig und Ramsay, Ann. d. Chem. 168, 251, 1873. 

2) Vgl. Beilstein 2, 1351. 

3) Ann. d. Chem. 221, 272, 1883. 

4) Ann. d. Chem. 286, 379, 381, 386, 1895. 

$) Darstellung: Meyer und Jacobsen, Lehrb. d.org. Chem. 2, 209. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 357 


14. p-Toluidinsulfosäure!) (Schuchardt). C,H,(NH,)“SO,H)*? 
(CH,)‘. Diazotierung mit entsprechend geänderten Mengenverhältnissen 
wie bei 13, verlief etwas langsam. 

15. p-Chlor-o-aminobenzolsulfosäure (Schuchardt). C,H, 
(NH,)“SO,H)“CH,)‘, nach Angabe der Fabrik durch Sulfurierung von 
Parachloracetanilid hergestellt?). Diazotierung wie bei 14. 

16. p-Brom-o-aminobenzolsulfosäure syn. p-Bromanilin-o- 
sulfosäure. C,H,(NH,)‘(SO,H)“Br)‘. Darstellung siehe bei 13. 

Diazotierung wie bei 14, nur wird das Volumen der Lösung vor 
dem Zusatz des Nitrits auf 50 ccm gebracht. 

17. m-Aminobenzolsulfosäure (Metanilsäure Kahlbaum). 
Diazotierung wie bei 14. 

18. m-Xylidinsulfosäure (Sohuchardt). C,H,(NH,)“(SO H)* 
(CH, *. Wurde aus siedendem Wasser umkrystallisiert. Diazotierung 
wie bei 14, verläuft etwas langsam. 

19. p-Brom-m-aminobenzolsulfosäure (Schuchardt). Dia- 
zotierung wie bei 14, zum Schluß etwas langsam. 

20. Tribromaminobenzolsulfosäure. C,H,(NH,)*SO, H)? 
(Br)? 4°. Darstellung der Säure nach Berndsen’). Zu der sehr hei- 
Ben Lösung von 2 g Metanilsäure in 40 ccm Wasser wurden in einem 
geräumigen Erlenmeyerkolben 3 bis 3,5 cem Brom unter Umschütteln 
rasch zugetropft. Zuerst tritt eine Ausscheidung ein, die sich wieder 
löst. Bei richtig geleiteter Reaktion ist die Lösung klar und dunkelrot 
und erstarrt bald zu einem Krystallbrei. Diazotierung wie bei 14 unter 
guter Kühlung. Zu Anfang der Reaktion tritt Braunfärbung ein, die 
wieder verschwindet. 

21. p-Aminobenzolsulfosäure (Sulfanilsäure). Darstellung von 
fester p-Diazobenzolsulfosäure*). 

22. Toluidinsulfosäure (2,5) (Schuchardt). C,H;(NH,)! 
(SO,H)*(CH,)®. Wurde aus siedendem Wasser umkrystallisiert und gab 
dann bei der Titration mit Lauge die richtige Zahl. Diazotierung wie 
bei 14. 

23. o-Brom-o-toluidin-p-sulfosäure. C,R,(NH;)“SO,H)* 
(Br)’(CH,)°. Darstellung der Säure nach Claus und Immel’). 10 g 
umkrystallisierte Toluidinsulfosäure (2,5) (Schuchardt) wurden in 30 ccm 
Wasser in der Wärme gelöst, die Lösung erkalten gelassen und 8,6 g 
Brom, in 4 ccm Eisessig gelöst, unter Umschütteln zugetropft, die mäßig 
stark gefärbte Lösung auf dem Wasserbade abgedampft, der Rückstand 
in siedendem Wasser gelöst, filtriert, das Filtrat stark eingeengt. Die 
sich abscheidenden Krystalle wurden abgesaugt, durch Zufügen von 


1) Siehe Heumann, Die Anilinfarben. Vieweg, Braunschweig 4, 328. 
2?) Ann. d. Chem. 265, 93; Heumann l. c. & (2) 2114. 
3) Ann. d. Chem. 177, 87 (1875). 
4) Siehe Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 297. 
5) Ann. d. Chem. 265, 68, 1891. 
24* 


358 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Lauge bis auf einen geringen Rückstand gelöst, die Säure durch Zusatz. 
von Salzsäure ausgefällt. Diazotierung wie bei 14, im Anfang Gelbfärbung. 

24. Dibromsulfanilsäure. C,H,(NA,)'SO,H)*(Br)% ®. Darstellung 
der Säure nach Heinichen’). Die Bromierung wurde unter Tur- 
binieren vorgenommen, filtriert, das Filtrat eingeengt, die in der Kälte 
ausgeschiedene Krystallmasse aus wenig siedendem Wasser umkrystalli- 
siert, ein Rest der Substanz aus der Mutterlauge gewonnen. Die im 
Vakuum getrocknete Säure erfuhr bei 100° keine Gewichtsabnahme. 
Diazotierung wie bei 14, vorübergehende Verfärbung. 

25. Nitranilinsulfosäure. C,H,(NH,)'SO,H)‘(NO,)’. Darstel- 
lung nach Nietzki und Helbach?) Die Reaktion wurde nicht bis 
zur Auflösung der ganzen Menge von Dinitrobenzol weitergeführt, son- 
dern bei Verwendung von 10 g m-Dinitrobenzol nach dem Schmelzen 
nur etwa 15 Minuten lang. Diazotierung: 1 g der Säure wird durch 
Zusatz von 4,6 ccm n-Natronlauge in das Natriumsalz verwandelt, mit 
einer verdünnten Lösung von 0,3206 Natriumnitrit versetzt, gekühlt und 
in eine gekühlte, verdünnte Salzsäurelösung, die 12ccm n-HCl enthielt, 
unter Rühren eingegossen. Die Diazolösung ist ziemlich dunkel gefärbt, 
es scheiden sich gelbe Krystalle ab. 

26. Naphthionsäure (Kahlbaum). Diazotierung wie bei 14 
unter starkem Rühren. 

27. Aminoazobenzoldisulfosäure (Schuchardt). 

Diazotierung?): 1 g Säure wird in 40 com Wasser und 0,57 Salz- 
säure gelöst, von einem Rückstand (Monosulfosäure) durch Filtration 
getrennt. Die Lösung wird mit Eiestückchen wenig gekühlt und mit einer 
Lösung von Natriumnitrit in wenig Wasser diazotiert. Es wurde na- 
türlich weniger als die berechnete Menge (0,1934) Nitrit verbraucht und 
aus dem mit Jodkaliumstärkepapier bestimmten Verbrauch der Gehalt 
des verwendeten Präparates bestimmt. 

28. o-Arsanilsäure [Präparat der Höchster Farbwerke !)]. 
Diazotierung wie bei 3. i 

29. p-Nitranilinarsinsäure (Höchster Farbwerke). C,H, 
(NH,)"(As0,H,)?(NO,)*. Diazotierung: 1 g Säure wurde in 25 ccm 
Wasser und 3,8 cem n-Natronlauge gelöst, eine Lösung von 0,2668 Na- 
triumnitrit in 5 ccm Wasser zugefügt und die klare Lösung langsam 
unter Umrühren in eine Mischung von 1,8 cem Salzsäure und 20 cem 
Wasser eingegossen. 

30. 4-Chlor-3-Aminophenylarsinsäure (Höchster Farb- 
werke). C,H,(NH,)“AsO,H,)*(Cl). Diazotierung wie bei 3. Es trat Ver- 
färbung ein, von einer braunen Ausscheidung wurde abfiltriert. 


1) Ann. d. Chem. 258, 269. 

3) Ber. d. d. chem, Ges. 29, 2448. 

2#) Heumann, l. c. 4, 851. 

4) Für die gütige Überlassung mehrorer Präparate von Arsinsäuren 
sprechen wir den Höchster Farbwerken unseren besten Dank aus. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 359 


\ 31. prAminophenylarsinsäure. Die Diazolösung wurde aus 
käuflichem Atoxyl hergestellt). 

32. O-Toluidinarsinsäure (Höchster Farbwerke). C,H,(NH,)! 
(AsO,H,)‘(CH,)°. Diazotierung wie bei 3. 

33. 3-Chlor-4Aminophenylarsinsäure (Höchster Farbwerke). 
C,H,(NH,)“(AsO,H,)*(C1)?. Diazotierung wie bei 3, verläuft langsam. 


2. Herstellung der Azoproteine. 
A. Immunisierungsantigene. 


Die Antigene zur Immunisierung wurden, wie erwähnt, aus Pferde- 
serum bereitet; von der Trennung der Fraktionen der Eiweißkörper 
durch Aussalzung wurde als unnötig abgesehen, um so mehr als 
die Fraktionen nicht als chemisch einheitlich zu betrachten sind. 
Da wir vermuten konnten, daß eine intensivere Behandlung mit Diazo- 
körpern die Ausbildung der gesuchten spezifischen Eigenschaften be- 
günstigt, verwendeten wir eine größere als die in der vorhergehenden 
Arbeit?) benutzte, und zwar annähernd die doppelte Menge der Diazo- 
körper. 

Die erhaltenen Immunseren erwiesen sich als gut brauchbar, es 
wäre aber möglich, daß für eine Fortsetzung dieser Untersuchungen, 
nachdem die Möglichkeit spezifische Antikörper zu erhalten einmal fest- 
gestellt ist, die Darstellung mit einer geringeren Menge Diazokörper 
hinreicht. Das hätte nach unseren Erfahrungen wahrscheinlich den 
Vorteil, die Gewinnung von Antikörpern zu erleichtern. Es müßte dann 
noch untersucht werden, ob die so hergestellten Immunseren bei ent- 
sprechender Versuchsanordnung ebenso geeignet sind, mit Präparaten 
aus heterologen Proteinen zu reagieren. Möglicherweise wäre es auch 
zweckmäßig, bei den einzelnen Proteinen verschiedene Verfahren an- 
zuwenden, doch wollten wir vorläufig die Darstellung möglichst gleich- 
artig durchführen. 

Bei noch intensiverer Behandlung mit Diazokörpern, als wir sie in 
Anwendung brachten, schien die Bildung der Antikörper erschwert 
zu sein. 

Als Beispiel für die Darstellung der Immunisierungsanti- 
gene diene das Präparat aus Anilin. Es wurden 100 cem 
Pferdeserum mit 100 cem n-Sodalösung und einer ungefähr 
1°/,igen Diazobenzollösung aus 1,18 g Anilin versetzt. Die 
Lösungen waren gekühlt. Ein Tropfen der Mischung muß in 
Wasser, dem Phenolphthalein zugesetzt ist, stark alkalisch 


reagieren. Die Mischung wurde unter Eiskühlung®) 10 Minuten 





1) Siehe Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 297. 

?) ]. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 297. 

3) Die Kühlung wird bei entsprechender Festsetzung der Kuppe- 
lungsdauer voraussichtlich unnötig sein. 


360 K. Landsteiner u. H. Lamp: 


lang stehen gelassen, durch eine entsprechende Menge von 
Salzsäure ausgefällt, der Niederschlag abfiltriert, in wenig 
Wasser aufgeschwemmt, durch allmählichen Zusatz verdünnter, 
etwa normaler Natronlauge in Lösung gebracht und mit Al- 
kohol gefällt. Der abfiltrierte Niederschlag wurde in wenig 
Wasser gelöst, nochmals mit Alkohol gefällt, die Fällung unter 
Zusatz von wenig Lauge in Wasser gelöst, zur Entfernung des 
Alkohols mit Wasser genügend verdünnt und mit Säure ausgefällt. 
Der abfiltrierte Niederschlag wurde abermals durch Lauge in 
Lösung gebracht, gegen Lackmuspapier neutralisiert, mit 1°/, 
Kochsalzlösung unter Zusatz von !/,°/, Phenol gewöhnlich auf 
ein Volumen von 200 cem gebracht, durch Gaze filtriert und 
einfach mit Kork verschlossen im Eisschrank aufbewahrt!). 
Die Alkoholfällung dient zur Entfernung giftig wirkender Sub- 
stanzen; sie erwies sich nicht immer als notwendig, wurde 
aber der Gleichmäßigkeit halber bei allen Präparaten vor- 
genommen. Bei manchen Körpern mußte die Alkoholfällung 
öfters wiederholt werden, bis die Injektionen gut vertragen 
wurden. Eine starke Schädigung der Tiere scheint den Im- 
munisierungseffekt zu beeinträchtigen und muß vermieden 
werden. 

Bezüglich der einzelnen Operationen wäre noch folgendes 
zu erwähnen. Die Ausfällung der Substanzen erfolgt bei ver- 
schiedenen Säuregraden’?), häufig bei deutlich saurer Kongoreak- 
tion. Der Niederschlag soll durch entsprechenden Säurezusatz 
grobflockig gemacht werden, damit die Filtration nicht zu 
lange dauert; man überzeugt sich von der guten Filtrierbarkeit 
am besten durch Auftropfen auf ein Stückchen Filtrierpapier. 
In seltenen Fällen ist die Ausfällung durch Zusatz von kon- 
zentrierter Kochsalzlösung zu unterstützen. Ein Antrocknen 
des Niederschlages an das Filter ist zu vermeiden. Bei der 
Auflösung der durch Säure gefällten Azoproteine wird nur ein 
geringer Alkaliüberschuß verwendet, die Auflösung ist durch 
Zerdrücken des Niederschlages mit einem platt gedrückten 
Glasstab zu befördern, von ungelösten Resten wird nach Her- 


1) Gewöhnlich wurde die ganze zur Immunisierung nötige Menge 
des Antigens auf einmal hergestellt. 

®) Dieser Umstand ließ sich durch Anwendung von Essigsäure- 
Natriumacetatmischungen feststellen. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XIJ. 361 


stellung neutraler Reaktion zweckmäßig durch Gaze abfiltriert 
und der Niederschlagsrest für sich aufgelöst. Wenn die Lösung 
beendet ist, wird die Reaktion gegen Lackmus neutral gemacht, 
vor der Ausfällung mit Alkohol eher etwas sauer, um die 
Wiederauflösung zu erleichtern. Im Falle durch Alkohol 
keine oder keine flockige Ausfällung stattfindet, wird kon- 
zentrierte Kochsalzlösung zugefügt. Die Auflösung der Alko- 
holniederschläge kann durch Verklumpung Schwierigkeiten 
bereiten. Sie geschieht am besten durch intensives Verreiben 
kleiner Portionen des alkoholfeuchten Niederschlages mit sehr 
allmählich zugesetztem Wasser in einer sehr geräumigen Reib- 
schale. Durch die Behandlung mit Alkohol tritt manchmal 
eine bleibende, auch durch Lauge nicht zu beseitigende Trü- 
bung ein, die aber die Verwendbarkeit der Lösung zur Im- 
munisierung nicht beeinträchtigt. 

Die meisten Präparate wurden in der beschriebenen Weise 
hergestellt, nur die Quantität der Diazokörper den Molekular- 
gewichten entsprechend geändert, so daß bei den verschiedenen 
Substanzen äquimolekulare Mengen zur Kupplung genommen 
wurden. Die Lösung der Diazokörper war je nach dem Mole- 
kulargewicht 1- bis 2°/,ig. 

Die Kupplung des Eiweißes geht, wie die Bildung von 
Azofarbstoffen im allgemeinen bei verschiedenen Diazokörpern 
nicht gleich leicht vor sich und so mußte bei einer Anzahl 
von Präparaten von den angeführten Bedingungen in bezug 
auf die Temperatur, die Dauer der Kupplung oder den Alkali- 
zusatz abgewichen werden. Als Kriterium für den Ablauf der 
Kupplung diente außer der Intensität der Färbung die Reak- 
tion mit einem gewöhnlichen Präcipitinserum gegen Pferde- 
serumeiweiß, da wir uns überzeugt hatten, daß diese Reaktion 
von dem Grade der Eiweißveränderung abhängt!). Die Immu- 
nisierungsantigene wurden nun so dargestellt, daß sie in einer 
Verdünnung von 1:500 mit 1 bis 2 Capillartropfen eines stark 
wirkenden Präcipitins gegen Pferdeserum höchstens eine geringe 
Reaktion gaben. Einen Anhaltspunkt gibt die Vergleichung 
mit Präparaten, die nach den hier angeführten Vorschriften 
hergestellt wurden. 





1) Vgl. 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 300, 265, 268. 


362 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Wir führen nun kurz jene Punkte an, in denen die Dar- 
stellung einzelner Präparate von dem gegebenen Schema — 
Serum —- gleiches Vol. n-Sodalösung, Kupplung 10 Minuten 
unter Kühlung — abwich oder eine Besonderheit hatte. 

2. o-Aminobenzoesäure 100 ccm Serum 4 50 cem n-NaOH. 

6. 2-Amino-p-toluylsäure wie 2. 

7. 4-Chlor-3-aminobenzoesäure. Die Flüssigkeit, die nach 
der ersten Auflösung des Azoproteinniederschlages erhalten wurde, ent- 
hielt in geringer Menge einen rötlichen Niederschlag, von dem durch 
ein dichtes Filter abfiltriert wurde; dann erst erfolgte die Fällung mit 
Alkohol. 

8. 4-Brom-3-aminobenzoesäure wie 7. 

12. p-Aminozimtsäure. Bei der Ausfällung des Niederschlages 
mit Säure ist vorsichtig zu verfahren, um ein Verklumpen des Nieder- 
schlages zu verhindern. Der Säureniederschlag wurde portionenweise 
durch Verreiben in einer Reibschale mit Wasser und sehr allmählichen 
Alkalizusatz gelöst, zum Schlusse die ganze Lösung noch längere Zeit 
stark gerührt. Die Alkoholfällung wurde 3 mal wiederholt. 

18. m-Xylidinsulfosäure. Kupplungsdauer 25 Minuten. 

20. Tribromaminobenzolsulfosäure. Kupplung 35 Minuten 
bei Zimmertemperatur. 

23. o-Brom-o-toluidin-p-sulfosäure. Kupplungsdauer 35 Mi- 
nuten. 

26. Naphthionsäure. 100 ccm Serum + 50 ccm n-NaOH, Kupp- 
lung bei Zimmertemperatur durch 10 Minuten, da bei Kühlung der Di- 
azokörper schwer in Lösung geht. Der durch Säure ausgefällte Nieder- 
schlag wird durch Laugenzusatz eben gelöst und von einem krystalli- 
nischen Niederschlag, vermutlich überschüssigem Diazokörper, durch 
starkes Zentrifugieren getrennt. Der Niederschlag scheint giftig zu sein- 
Die Umfällung mit Alkohol wurde 4 mal wiederholt. 

27. Aminoazobenzoldisulfosäure 100 ccm Serum + 150 ccm 
n-Sodalösung. 

B. Prüfungsantigene. 

Zur Prüfung der Immunseren erwies es sich als vorteilhaft, 
Präparate anzuwenden, die aus Hühnerserum durch intensive 
Einwirkung der Diazokörper gewonnen waren‘). In der Regel 
wurden cem Hühnerserum mit dem gleichen Volumen n-Soda- 
lösung und der Lösung oder Aufschwemmung der Diazokörper 
vermischt und 30 Minuten bei Zimmertemperatur gehalten. 
Von den Diazokörpern wurde im Verhältnis zum ‚Serum bei 
allen Präparaten die gleiche Menge wie bei den Immunisie- 
rungsantigenen angewendet. Die Lösungen wurden dann mit 





1) Vgl. L e. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 303. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 363: 


Salzsäure ausgefällt, der Niederschlag abfiltriert und mit wenig 
‘Wasser oder angesäuertem Wasser gewaschen, durch Laugen- 
zusatz in 1°/, Kochsalzlösung unter Zusatz von !/,°/, Phenol 
gewöhnlich auf 20 ccm gebracht. Die Lösungen wurden in ver- 
korkten Eprouvetten im Eisschrank aufbewahrt und blieben 
viele Monate lang unverändert brauchbar. Von Sedimenten, 
die sich bei einzelnen Lösungen bildeten, wurde abgegossen. 
Der Gehalt der Lösungen wurde durch Bestimmung des Trocken- 
rückstandes minus Asche festgestellt. 

Bei einer Anzahl von Präparaten wurden wieder Ände- 
rungen des Verfahrens in bezug auf den Alkalizusatz bei der 
Kupplung vorgenommen, so begreiflicherweise in den schon bei 
den Immunisierungsantigenen erwähnten Fällen. Die Kupplung 
geschah immer bei Zimmertemperatur, und ihre Dauer wurde 
2- bis 3 mal so lange bemessen wie bei den Immunisierungs- 
antigenen, bzw. bei solchen Präparaten, die dem für die Immu- 
nisierungsantigene durch die Präcipitinreaktion gegebenen Kri- 
terium entsprochen hätten. Die einzelnen Abweichungen von 
der gegebenen Vorschrift waren die folgenden: 


l. Anilin. Bei einigen Versuchen wurde neben dem in gewöhn- 
licher Weise hergestellten Präparat ein anderes verwendet, bei dem statt 
der Sodalösung die halbe Menge n-NaOH zur Kupplung genommen 
wurde (s. S. 371). 

2. o-Aminobenzoesäure 5 ccm Serum + 2,5 cem n-NaOH. 

3. Aminosäuren aus m-Toluylsäure. Wie 2. 

5. Aminosäuren aus o-Toluylsäure. Fraktion 1 Kupplungs- 
dauer 1 Stunde, Fraktion 2 Kupplungsdauer 30 Minuten. 

6. 2-Amino-p-toluylsäure. Wie 2. 

7. 4-Chlor-3-aminobenzoesäure. Die Lösung des Azoproteins 
wurde zum Schlusse durch Abzentrifugieren oder Sedimentieren von dem 
darin suspendierten Niederschlag befreit. 

8. 4-Brom-3-aminobenzoesäure. Wie 7. 

18. m-Xylidinsulfosäure. Kupplungsdauer 1 Stunde. 

20. Tribromaminobenzolsulfosäure. Wie 18. 

23. o-Brom-o-toluidin-p-sulfosäure. Wie 18. 

26. Naphthionsäure. 5cem Serum + 2,5 cem n-NaOH, zum 
Schluß Zentrifugieren oder Filtrieren der Lösung. 

27. Aminoazobenzoldisulfosäure 5 cem Serum + 7,5 com 
n-Sodalösung. 

28. o-Arsanilsäure 5cem Serum + 2,5 cem n-NaOH, Kupplungs- 
dauer 1 Stunde. 

29. p-Nitranilinarsinsäure 5cem Serum + 10 ccm n-Sodalösung. 


364 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


30. 4-Chlor-3-aminophenylarsinsäure 5 com Serum + 7,5 com 
n-Sodalösung. (Die Reaktion mit Pferdepräcipitin wurde nicht geprüft.) 
32. o-Toluidinarsinsäure 5ccm Serum + 7,5 ccm n-Sodalösung. 

33. 3-Chlor-4-aminophenylarsinsäure. Wie 32. 

In gleicher Weise wie die Prüfungsantigene aus Hühner- 
serum wurde eine Anzahl solcher Präparate aus Edestin!) her- 
gestellt, nur an Stelle von 5 ccm Serum eine aus 0,35 g Edestin 
mit 0,2 cem n-Natronlauge und 5 ccm Wasser hergestellte Lö- 
sung verwendet. Einzelne der Azoproteine aus Edestin ließen 
sich nach der Ausfällung mit Säure schlecht oder gar nicht 
mehr in Lösung bringen und zwar die Präparate mit Anilin, 
o-Zimtsäure, Tribromaminobenzolsulfosäure. Öfters bildeten sich 
in den Lösungen geringe Sedimente. 


3. Herstellung der Immunseren. 


Wir immunisierten Kaninchen mit im ganzen 25 verschie- 
denen Azoproteinen aus Pferdeserum und erhielten mit 23 von 
diesen Substanzen brauchbare Immunseren. Zur Serumgewin- 
nung eigneten sich junge, kräftige Kaninchen im Gewichte von 
2 bis 2,5 kg, die in Abständen von einer Woche intraperito- 
neale Injektionen von 10 bis 20 cem, selten mehr, der auf das 
doppelte Serumvolumen gebrachten Lösungen (s. oben) erhielten. 
Wenn die Tiere stark abmagerten, wurden sie bis zur Erho- 
lung geschont. Von der dritten Injektion an wurden jedesmal 
zur Prüfung des Serums kleine Blutmengen aus dem Obr ent- 
nommen und zwar eine Woche nach der letzten Injektion. Die 
Immunisierung nahm bei den einzelnen Präparaten einen un- 
gleichen Verlauf, so daß bei einem Teil der Substanzen schwie- 
riger stark wirkende Seren zu gewinnen waren als bei den 
anderen. In einer ersten Versuchsperiode immunisierten wir 
mit 17 Substanzen. Bei den meisten dieser genügten 5 Tiere, 
um ein, meistens mehrere stark wirksame Immunseren zu er- 
halten. Dazu waren 3 bis 9 Injektionen notwendig, gewöhn- 
lich reichten 3 bis 6 aus. Einige Male schien es, wenn die 
Antikörperbildung nicht fortschritt oder einen Rückgang zeigte, 
nützlich, eine mehrwöchentliche Injektionspause einzuschalten 
(Uhlenhuth). Größere Schwierigkeiten fanden wir nur bei 


1) Über die Darstellung des Edestins s. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 
129, Fußnote. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 365 


dem Naphthionsäurepräparat, wo anfänglich, bevor das Präparat 
in der angegebenen zweckmäßigen Weise dargestellt wurde, 
durch Toxizität ziemlich viele Tierverluste eintraten. 

Mit dem schließlich hergestellten Präparat erhielten wir 
bei 5 Tieren nur ein brauchbares, aber ziemlich schwaches 
Serum. Etwas schwierig war die Serumgewinnung auch bei 
dem Körper aus Sulfanilsäure. Besonders leicht verliefen die 
Immunisierungen mit den Präparaten aus m-Aminobenzosulfo- 
säure, p-Aminophenylarsinsäure, p-Brom-o-aminobenzolsulfo- 
säure. Hier gaben die meisten Tiere stark wirkende Seren. Des- 
halb dürften diese Präparate, besonders die ersten beiden be- 
quem herstellbaren bei einer Nachprüfung und Fortsetzung 
unserer Versuche sich zur Einübung der Methode eignen. Ob 
das beobachtete verschiedene Verhalten der Präparate wirklich, 
wie es scheint, auf ihrer‘ besonderen chemischen Beschaffenheit 
beruht, oder ob zufällige Umstände die Ursache waren, könnte 
erst eine vergleichende Untersuchung mit zahlreichen Tieren 
lehren. ` 

Die zweite Serie von Immunisierungen mit den übrigen 
8 Substanzen nahmen wir etwa 1 Jahr später vor (Präparate 
6, 7, 8, 11, 12, 20, 23, 24). Hier machte die Immunisierung 
größere Schwierigkeiten; es wurde eine beträchtlich größere 
Zahl von Tieren verbraucht, und die erhaltenen Immunseren 
waren zum Teil ziemlich schwach, wenn auch brauchbar. Bei 
zwei Präparaten (Dibromsulfanilsäure, Tribromaminobenzolsulfo- 
säure) entstanden schwache Präcipitine, die aber für unsere 
Untersuchung nicht verwendbar waren, da keine Reaktion mit 
den Präparaten aus heterologem Protein eintrat. Ob die Er- 
gebnisse mit diesen zwei Substanzen verbesserungsfähig sind, 
können wir nicht sagen. Die schlechten Immunisierungseffekte 
bei dieser zweiten Serie im allgemeinen möchten wir darauf 
zurückführen, daß der äußeren Umstände wegen von vorn- 
herein schlechter genährte, weniger kräftige Tiere in den Ver- 
such eingestellt werden mußten. Wir haben in dieser Zeit auch 
bei gewöhnlichen Antigenen, z. B. bei der Herstellung von 
Pferdepräcipitin, ungünstigere Ergebnisse gehabt als sonst. 

Die vorläufige Prüfung der Seren bei der Probeentnahme 
geschah so, daß 0,2 ccm einer Verdünnung 1:500 (auf das ur- 
sprüngliche Serumvolumen bezogen) des Immunisierungsantigens 


366 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


mit einem Capillartropfen (ungefähr 0,04 cem) Serum versetzt 
wurde. Ein verwendbares Serum mußte rasch eine starke Reaktion 
geben. War das der Fall, so wurde eine Probe mit 0,2 cem einer Ver- 
dünnung 1:500 des Prüfungsantigens aus Hühnerserum und zwei 
Capillartropfen Serum angesetzt. Es variiert nämlich das Ver- 
hältnis der Wirkungen auf die beiden Arten von Antigenen 
bei den einzelnen, selbst gleichartigen Immunseren. Wenn 
diese Probe im Brutofen oder bei Zimmertemperatur eine 
starke oder mindestens deutliche Reaktion gab, so wurde das 
Serum als brauchbar angesehen und die Tiere nach vorher- 
gehender mehrstündiger Nahrungsentziehung am 7. oder 8. Tage 
nach der letzten Injektion entblutet. Die Reaktion mit dem 
Prüfungsantigen trat meistens schon innerhalb einiger Minuten ein, 
ausnahmsweise erst später. Nur bei einzelnen Präparaten be- 
gnügten wir uns mit schwächeren Seren, die erst bei größerer 
Tropfenzahl mit dem Prüfungsantigen reagierten. Diese Einzel- 
heiten sind aus den unten angeführten Versuchen zu ersehen. 

Die Immunseren wurden mit dem Uhlenhuthschen Appa- 
rate!) (mit Quetschhahn) durch Berkefeldfilter filtriert, in nicht 
zu weite, dünnwandige Eprouvetten abgefüllt und diese zuge- 
schmolzen. Wenn man die Eprouvetten in eine lange, schmale 
Spitze auszielit, so kann man mit Capillarpipetten aus einem 
Röhrchen wiederholt sterile Proben entnehmen. 

Die Seren wurden gewöhnlich im Eisschrank aufbewahrt. Sie 
zeigten dabei ein verschiedenes Verhalten, insofern ein Teil noch 
nach einem Jahre und noch später brauchbar war, während andere 
schon nach viel kürzerer Zeit stark abgeschwächt waren. Ziemlich 
bald wurden solche Seren unwirksam, in denen sich bei der 
Aufbewahrung im Eisraum Trübungen oder Niederschläge bil- 
deten. Es ist vermutlich besser, solche Seren bei etwas höherer 
Temperatur aufzubewahren?). wobei die Niederschlagsbildung 
bei mehreren der in der Kälte sich trübenden Seren ausblieb. 
Im übrigen waren die Seren nach der Entnahme und Filtra- 
tion ganz klar oder höchstens schwach opalisierend. Fettige 
Häutchen an der Oberfläche entstehen öfters bei ungenügender 


1) Uhlenhuth und Weidanz, Handb. d. Techn. u. Method. der 
Immunitätsf. 2, 808, Fig. 25. Fischer, Jena, 1909. (Die Vorrichtung zum 
Messen blieb weg.) 

2) s. Uhlenhuth und Weidanz, l c. S. 819. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 367 


Reinigung des Glases und konnten durch Behandlung der Röhr- 
chen mit heißer Chromsäurelösung vermieden werden. 


4. Versuchsanordnung bei den Serumproben. 


In eine Reihe ganz klarer, gut gereinigter, gleichweiter 
Röhrchen (von ungefähr 8 mm Durchmesser) wurden je 0,2 ccm 
der Antigenverdünnungen eingefüllt und dann mit einer Ca- 
pillarpipette die angegebene Zahl von Tropfen des Immun- 
serums, worauf alle Röhrchen, und zwar jedes für sich, durch- 
geschüttelt wurden. Ein Tropfen der Pipette entsprach etwa 
0,04 ccm. Bei Verwendung der gleichen (bei entsprechender 
Reinigung oft verwendbaren) Pipette für jeden Versuch und 
gleichartiger Haltung derselben gibt dieses Verfahren gute Re- 
sultate und gestattet, Versuchsreihen mit zahlreichen Proben 
sehr rasch anzustellen. 

Die Antigene waren bis auf vereinzelte Fälle, von denen 
noch die Rede sein wird, vollkommen klar. 

Die Antigenverdünnungen beziehen sich immer auf eine 
Stammlösung, die in 1 ccm 0,05 organische Trockensubstanz 
enthielt (über die Bestimmung s. oben). Es ist damit, weil die 
Lösungen neben den Eiweißkörpern noch andere organische 
Stoffe enthalten, zwar keine vollkommene, aber doch eine durch- 
aus genügende quantitative Übereinstimmung gesichert, beson- 
ders da es bei den Spezifitätsproben nur auf relative Bestim- 
mungen ankommt. Die Verdünnungen wurden aus der Stamm- 
lösung jedesmal mit 1°, Kochsalzlösung frisch bereitet. 

Um bei geringer Opalescenz der Seren ganz schwache 
Reaktionen sicher zu erkennen, wurde für jedes Serum immer 
eine Kontrollprobe mit 0,2 cem 1°/,iger Kochsalzlösung an- 
gesetzt. Bei der Ablesung wurden die Röhrchen gegen einen 
dunkeln Hintergrund gehalten, um auch sehr zarte Trübungen 
zu erkennen. 

Das Ergebnis der Fällungsreaktionen wird im folgenden 
je nach der Intensität durch die Zeichen +, +, ++, ++, 
+++, +++, +++, ++++ ausgedrückt, wo das erste 
Zeichen eine eben erkennbare Trübung, das letzte eine sehr starke 
flockige Fällung bedeutet; das Zeichen — bedeutet negative 
Reaktion. Bei einiger Übung gelingt die Schätzung so gut, 


368 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


daß mehrere unabhängige Ablesungen nur sehr wenig vonein- 
ander abweichen. 


Versuchsergebnisse. 


Daß die aus Pferdeserum dargestellten Azoproteine mit 
einem gegen unverändertes Pferdeserum gerichtetes Präcipitin 
nur schwache Reaktionen gaben, wurde schon erwähnt. Eine 
ausführliche Wiedergabe dieser Resultate und der ziemlich ge- 
ringen Unterschiede in den einzelnen Fällen erscheint unnötig '). 
Dagegen ist es nicht ohne Interesse, die großen Unterschiede 
zu demonstrieren, die in der Wirkung der Immunseren auf 
natives Pferdeserum bestanden, wobei es genügt, eine Anzahl 


von Beispielen anzuführen. 

Natives Pferdeserum 1:1000. 2 Tropfen der Immunseren. Ablesung 
nach 1è bei 37°. Die Immunseren sind mit dem Namen der Azokompo- 
nenten bezeichnet. 




















u g| lj m E| 
SE | A 
Immunseren gn i Immunseren En 
28| 535l 
a si _ I As 
o-Aminobenzoesäure | 878 HHHH o-Aminobenzolsulfosäure . 
n 879 | +++ || m-Aminobenzolsulfosäure . | 870 | ++ 
n 881 |+H+++ n . [873 | ++ 
m-Aminobenzoesäure] 883 | ++ | Toluidinsulfosäure (2,5) . [920 4++++ 
p-Aminobenzoesäure |849| — |/Aminoazobenzoldisulfosäure| 893| + 
o-Aminozimtsäure . | 901 +++ n . 1894) + 
» . {902| + ||p-Aminophenylarsinsäure . |840| ++ 
o-Aminobenzolsulfo- 
saure . 2... 944 | ++ 








Mit einer Anzahl von Seren wurden auch Proben mit den Antigen- 
konzentrationen 1:100, 1:500, 1:2500 angestellt und ähnliche Ergeb- 
nisse erhalten. 

Diese Proben zeigen, daß erstens bezüglich der Reaktion 
mit nativem Pferdeserum die Seren stark verschieden sind und daß 
zweitens Unterschiede auch bei Seren gegen dasselbe Antigen 
vorkommen?). Ob den Azokomponenten doch ein bestimmen- 
der Einfluß in dieser Richtung zukommt, kann vorläufig nicht 
entschieden werden. 

Wie bemerkt, wurden mit solchen Seren, die mit unver- 
ändertem Pferdeserum nur schwache Reaktionen gaben, Spe- 





1) Vgl. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 300. 
°) Vgl. die Bemerkung $.366 über die Wirkung auf Pferde- und 
Hühnerantigene. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 369 


zifizitätsversuche mit Azoproteinen aus Pferdeserum angestellt, 
wobei nur eine geringe Anzahl von Antigenen zur Verwendung 
kamen. 

Immunseren: p-Aminobenzoesäure Nr. 849, Aminoazobenzoldisulfo- 
säure Nr. 893 je 1 Tropfen. Die Antigene sind mit den Nummern in 
der S. 354 ff. gegebenen Aufzählung bezeichnet. Antigenverdünnung 1:500. 

Ablesung nach 1 bei Zimmertemperatur. 


Atiga ||| 2 || m | 
Immunserum Nr. 849 ... _ | + + 
» Nr.893... a ee 




















I ia 
+ HH 3 

1 Tropfen Immunserum p-Aminophenylarsinsäure Nr. 840. Antigen- 
verdünnung 1:500. 





Ablesung nach 1 bei Zimmertemperatur. 


Antigene  |2|4]|o[i3|1|17|21|22|27| s1 
Immunserum Nr. 840 I + | gE | — | = | -| + | u +++ 

Man sieht aus diesen Proben deutlich, daß die stärkste 
Reaktion mit den homologen Antigenen Nr. 9, 27, 31 statt- 
findet, besonders auffallend ist dieses Verhalten bei dem p-Amino- 
phenylarsinsäure 1.-S.1)®). Daß bei dieser Versuchsanordnung 
das Auftreten der Mitreaktionen nicht nur von dem Ver- 
halten der Seren gegen unverändertes Pferdeeiweiß, sondern 
wohl auch von der Art der Azokomponente abhängt, zeigt der 
folgende Versuch mit einem Serum, das Pferdeeiweiß stark prä- 
eipitiert. 

!/, Tropfen Immunserum Toluidinsulfosäure (2,5) Nr. 920. 

Antigenverdünnung 1:500. Ablesung nach 1 bei Zimmertemperatur. 


Antigene | 9 | u | 2 | | 3 
Tmnnonserúm Nr. 920 . y ms | + | +++ | + | + 


Im allgemeinen ist, wie schon hervorgehoben wurde, bei 
dieser Art des Versuches das spezifische Verhalten in den 
meisten Fällen nicht mit der wünschenswerten Klarheit nach- 
weisbar, wofür die öfters zitierte Mitteilung Beispiele gibt. 

Bei den zum Studium der spezifischen Eigenschaften an- 
gestellten Versuchen mit Antigenen, die in der beschriebenen 




















1) Der Kürze halber bezeichnen wir die Seren und Antigene mit 
dem Namen der Azokomponenten und einem angefügten I.-S. für Immun- 
serum, A. für Antigen. 

2) Siehe l. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 303. 


370 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Weise aus Hühnerserum dargestellt wurden, mußte bei der 
großen Zahl der zu prüfenden Substanzen eine Auswahl der 
Bedingungen (Konzentration, Versuchsdauer) getroffen werden. 
Versuche mit variierter Konzentration folgen nach. 


Was die Menge des Serums anbelangt, die natürlich bei jedem 
Serum für alle Antigene gleich blieb, so war es nötig, diese entsprechend 
der ungleichen Wirkungsstärke zu bemessen, und zwar wurde so viel 
Serum genommen, daß mit dem homologen Serum eine starke oder 
doch sehr deutliche Reaktion eintrat. Über eine gewisse Grenze durfte 
dabei nicht hinausgegangen werden, da sonst ähnlich wie bei anderen, 
z. B. den forensischen Präcipitinproben, das Auftreten von unspezifischen 
Mitreaktionen zu sehr begünstigt wird!). Die Ablesung erfolgte, nachdem 
die Proben 15 Min. und 1 Stunde lang im Brutofen bei 37° gehalten waren. 
Der Eintritt der Trübungen war aber bei starken Reaktionen immer 
schon ganz kurze Zeit nach dem Ansetzen der Proben zu bemerken. 
Die Tabellen I, II, III enthalten Ablesungen nach einer Stunde. Die 
Ablesungen nach 15 Minuten sind, da die Reaktionen sehr ähnlich, 
nur schwächer (und manchmal etwas spezifischer) waren als bei der 
Ablesung nach einer Stunde, in die Tabellen nicht aufgenommen. 
Nach der einstündigen Aufbewahrung im Brutofen kamen die Proben 
über Nacht in den Eisraum (ungefähr + 4°) und wurden am nächsten 
Tag nochmals abgelesen. Während dieser Zeit treten häufig neue, wenn 
auch schwache Reaktionen ein, die die Übersichtlichkeit der Resultate 
stören, so daß von dieser Ablesung nur für besondere Zwecke Gebrauch 
gemacht wurde. Bekanntlich ist auch für die Präcipitinreaktionen mit 
natürlichen Antigenen eine bestimmte Ablesungszeit festzusetzen, um 
unspezifische Reaktionen auszuschalten (vgl. Uhlenhuth u. Weidanz)?). 
Die Wahl der Temperatur von 37° geschah, um die Ungleichheiten der 
Zimmertemperatur zu vermeiden. Die Reaktion dürfte durch die höhere 
Temperatur auch beschleunigt werden. Ein Serum (2-Amino-p-toluylsäure) 
gab bei 37° keine Reaktion, wohl aber bei niedrigerer (Zimmer-) Tempe- 
ratur, so daß in diesem Falle die Proben nach 2 stündiger Aufbewahrung 
bei Zimmertemperatur abgelesen wurden. Auch ein zweites, in der Ta- 
belle nicht verzeichnetes, mit demselben Antigen hergestelltes Serum 
reagierte bei der höheren Temperatur schwächer. Ob geringe Ab- 
schwächungen durch höhere Temperaturen nicht auch in anderen Fällen 
vorkommen, wurde nicht besonders geprüft. Beim Serum p-Aminozimt- 
säure I erfolgte die Ablesung wegen der etwas schwachen Reaktion, 
nachdem die Proben 1 Stunde bei 37° und dann 1 Stunde im Zimmer 
gestanden hatten. 

Zwei der Prüfungsantigene (Anilin, 4-Chlor-3-aminophenylarsinsäure) 


1) Vgl. Uhlenhuth u. Weidanz |. ©. S. 753. 
2) 1. o. S. 749. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 371 


waren etwas trübe, und zwar so, daß die Trübung in der Verdünnung 1:500 
kaum sichtbar war. Die Trübung verstärkte sich auf Zusatz vieler Immun- 
seren, aber anch in etwas geringerem Grade durch normale Kaninchen- 
seren. Die Intensität der Trübung nach Serumzusatz entsprach bei Ani- 
lin A. dem Zeichen +, bei dem anderen Körper den Zeichen + oder + 
unserer Skala. Die Trübungen traten gleich nach dem Zusatz der Seren 
ein und verstärkten sich im Gegensatz zu den eigentlichen Reaktionen 
im Laufe der Versuchszeit nicht deutlich. Diese schwachen Trübungen 
sind wegen ihrer Bedeutungslosigkeit in den Tabellen nicht verzeichnet 
und dort, wo diese Antigene wirkliche Reaktionen gaben, ist die Be- 
zeichnung um + bzw. + vermindert. Eine Reihe von Versuchen wurde 
dann auch mit einem Anilin A. gemacht, das in etwas modifizierter 
Weise, nämlich durch Zusatz von 2,5 cem n-NaOH zu 5ccm Serum an 
Stelle von Natriumcarbonat hergestellt war. Die Lösung dieses Präpa- 
rates war klar und zeigte auch die Verstärkung der Trübung durch 
Serumzusätze nicht, während es mit dem homologen Serum ganz wie 
das andere, leicht trübe Präparat reagierte. 


Es bleibt noch zu erwähnen, daß die Seren der ersten Reihe von 
Immunisierungen (s. oben) alle rasch hintereinander und zwar jedes mit 
24 Antigenen zugleich geprüft wurde, die Proben mit den übrigen 9 Anti- 
genen (Nr. 3, 5, 24, 25, 28, 29, 30, 32, 33) wurden einige Wochen später 
nachgetragen und zwar die Proben mit jedem Serum wieder in je einem 
Versuch, wobei auf Grund von Vorversuchen die Serummenge so gewählt 
wurde, daß die jedesmal wiederholte Probe mit dem homologen Antigen 
eine ebenso starke Reaktion gab, wie in der ersten ‚Versuchsreihe. Die 
Prüfung erfolgte Tage bis Monate nach der Serumabnahme. Bei den 
übrigen Seren wurden die Proben mit allen Antigenen gleichzeitig an- 
gesetzt und zwar kurze Zeit nach der Serumabnahme. Dagegen, daß 
die verschiedenen Seren nicht zu gleicher Zeit geprüft werden konnten, 
besteht kein Einwand, weil es nur auf den Vergleich der mit dem 
gleichen Serum angestellten Proben ankommt. Öfters wurden Versuchs- 
reihen wiederholt, wobei die Ergebnisse sehr gut übereinstimmten. Die 
ein Maß der Wirkung gebenden Tropfenzahlen der Immunseren waren 
in den Versuchen von Tabelle I der Reihe nach folgende 3, 4, 5, 6, 3, 
5, 5, 4,4, 6, 3, 4, 3, 3, 1, 3, 3, 3, 3, 6, 6, 3, 3. 


Die Proben, die in der Tabelle I (siehe die beigeheftete 
Tafel I) verzeichnet sind, umfassen die Kombinationen aller 
dargestellten Immunseren und Antigene. Diese Tabelle ent- 
hält demnach die Zusammenstellung der wesentlichen Ergeb- 
nisse unserer Arbeit. 


In Tabelle I ist nur je ein Immunserum einer Art auf- 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 25 


372 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


genommen, während öfters mehrere geprüft wurden. Um zu 
zeigen, in welchem Ausmaße Verschiedenheiten zwischen den 
einzelnen gleichartigen Seren vorkommen können, geben wir 
auch diese Versuche wieder. 

Tabelle II (siehe die beigeheftete Tafel II). 

Die mit I bezeichneten Seren sind die schon in Tabelle I enthal- 
tenen und werden zum Vergleich nochmals angeführt. 

Die Versuche sind zumeist nur mit einem Teil der Antigene ge- 
macht, die zur Zeit schon dargestellt waren. Die Stellen jener Präpa- 
rate, die nicht mit allen gleichartigen Seren in Reaktion gebracht 
wurden, sind leer gelassen. Bei den Seren 4-Chlor-3-aminobenzoe- 
säure II und p-Aminozimmtsäure II kamen Antigene, deren Gewichts- 
bestimmung zum Teil noch nicht ausgeführt war, zur Verwendung. Da 
aber durch die nachher gemachten Bestimmungen sehr beträchtliche 
Änderungen der Verdünnungen nicht veranlaßt wurden, so bedürfen 
auch diese Resultate sicher keiner wesentlichen Korrektur. 

Tropfenzahl der Seren der Reihe nach 4, 5, 4, 3, 4, 4, 5, 6, 3, 3, 
4, 4,4, 3, 3, 1, 1, 3, 3, 3, 2, 3, 2, 3, 2. 

Die Zusammenstellung zeigt, daß bei einem Teil der Seren 
(Zeile 1, 2, 3, 6, 7, 14, 15, 20, 21, 24, 25) die Reaktionen so 
gut übereinstimmen, als nur erwartet werden kann, woraus 
hervorgeht, daß den Reaktionen kein zufälliger Charakter an- 
haftet. Mehrmals bestehen in Betracht kommende Differenzen, 
so daß eines der beiden verglichenen Seren eine größere Zahl 
von Reaktionenegibt, als das andere. In einzelnen Fällen be- 
ruhen die Unterschiede wahrscheinlich auf der geringeren Stärke 
eines Serums, da z. B. beim Serum Toluidinsulfosäure (2, 5) II, 
das im angeführten Versuch eine schwächere homologe Reak- 
tion gibt, bei Anwendung einer beträchtlich größeren Serum- 
menge alle bei Serum I angegebenen Reaktionen auftreten und 
noch einige ganz schwache Trübungen dazu (bei o-Aminobenzol- 
sulfosäure-A. und p-Aminophenylarsinsäure-A.. In anderen 
Fällen, z. B. bei o-Aminobenzolsulfosäure I.-S. und p-Toluidin- 
sulfosäure-I.-S. handelt es sich aber, wie Variationen der Serum- 
menge zeigten, um Verschiedenheiten der Reaktionsbreite, die 
bekanntlich auch bei gewöhnlichen Präcipitinen häufig zu beo- 
bachten sind [vgl. z. B. v. Dungern'), Uhlenhuth und Wei- 
danz?). Beim Studium der hier beschriebenen Spezifitäts- 


1) Centralbl. f. Bakt. 34, 368, 1903. 
3) 1. o. S. 815. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 373 


erscheinungen wird es deshalb unter Umständen zweckmäßig 
sein können, unter mehreren gleichartigen Seren eine Auswahl 
zu treffen. Bemerkenswert ist der Fall des 4-Chlor-3-amino- 
benzoesäure-l.-S. Hier bedeuten I und II Seren desselben 
Tieres; I ist nach 5, II nach 4 Injektionen abgenommen. 
Da die Differenz der homologen Reaktionen nicht groß ist, hat 
hier die Spezifität im Verlaufe der Immunisierung offenbar 
abgenommen. Auch dafür liegen Beispiele in der Literatur 
vor [vgl. Park und Collins')]. 


Zu einer genügenden Kenntnis des Verhaltens der Immun- 
seren war es nötig, ihre Wirkung auch bei Variation der quan- 
titativen Verhältnisse wenigstens in mehreren Fällen festzustellen. 
So zeigen die folgenden mit der Mehrzahl der Antigene an- 
gestellten Versuche einigemale eine Verminderung der Zahl der 
Mitreaktionen bei reduzierter Serum- und gleichbleibender An- 
tigenmenge. 

Tabelle III siehe Seite 374. 


Durch Vermehrung der Serummenge kann demgemäß, be- 
sonders bei manchen stark wirkenden Seren die Zahl der 
Reaktionen noch vermehrt werden und ebenso unter Umständen 
durch Erhöhung der Antigenkonzentration. 

So traten z. B., als die Immunseren gegen o-Aminobenzoesäure, 
p-Toluidinsulfosäure, m-Aminobenzolsulfosäure, Aminoazobenzoldisulfo- 
säure mit je 12 Antigenen in der Verdünnung 1: 100 geprüft wurden, bei 
den beiden letztgenannten ganz schwache Reaktionen mit p-Aminobenzol- 
eulfosäure A. auf, die bei der Verdünnung 1:500 nicht nachweisbar 
waren. 

Die folgenden Tabellen (S. 375) zeigen die gegenseitige Einwir- 
kung von drei Immunseren auf die entsprechenden Antigene, 
bei variierter Antigenkonzentration, und einen zweiten ähnlichen 
Versuch. Es kamen hierbei zumeist Präparate zur Verwen- 
dung, die serologisch vollkommen verschieden sind, um fest- 
zustellen, ob die Unterschiede auch bei quantitativer Variation 
bestehen bleiben. 


Ablesung nach 1 Std. bei 37°, verwendete Serummenge in Tropfen 
der Reihe nach 4, 4, 3, 3, 5, 3, 5. 


1) Journ. of med. Res. 12, 492, 1904. 
25* 


Tabelle III. 


374 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


p-Aminophenylarsins. | | | | | 








Aminoazobenzoldisulfo- 
säure 





Naphthionsäure 
o-Brom-o-toluidin- 
p-sulfosäure 








Toluidinsulfosäure 
(2,5) 


f 
p-Aminobenzol- i i 7 
sulfosäure l E $ ’ 


++ 





T 
+++ +++ +++- - 


+ 








- Tribromaminobenzol- 
a  sulfosäure 
p-Brom-m-amino- 
benzolsulfosäure 
n-Xylidinsulfosäure 




















m-Aminobenzol- 





sulfosäure 


p-Chlor-o-aminobenzol- 
sulfosäure | 





| 








sulfosäure l l 
p-Brom-o-aminobenzol-| 


men I 
| p-Toluidinsulfosäure 


— +++ ++ + 





| 
| 
| 
| 


_ o-Aminobenzolsulfo- || 
säure 





p-Aminozimtsäure || 
m-Aminozimtsäure 














| 
I E etaa FF 
o-Aminozimtsäure + 
f p-Aminobenzoesäure | 
4-Brom-3-amino- 
benzoesäure 
\FChlor-3-amino- j 
benzoesäure 
| 2-Amino-p-toluylsäure | 
m-Aminobenzoesäure 
| o-Aminobenzoesäure 
Anilin 






































I 
| 
| 





Antigene: 


!/, Tropfen 





II 1 Tropfen 


m-Aminobenzolsul- 





Immunseren: 





säure II 5 Tropfen 
fosäur. I 1 Tropfen 
fosäure I !/, Tropf. 
fosäure I 3 Tropf. 
(2,5) I 8 Tropfen 


Toluidinsulfosäure 
sulfosäur. I 3 Trop- 


fen . 
Aminoazobenzoldi- 


fosäure I 1 Tropf. 


sulfosäure I 
!/, Tropfen . 


säure 
(2,5) I 
Aminoazobenzoldi- 


o-Aminozimt- 
o-Aminozimt- 
m-Aminobenzolsul- 
p-Aminobenzolsul- 
p-Aminobenzolsul- 
Toluidinsulfosäure 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 375 








= 
S, o-Aminozimt- | p-Toluidinsulfo- Toluidinsulfo- 
E säure säure säure (2,5) 
< 














Konsmminnlicn der | | | 
Antigene 1: | 100 | 500 (2000| 100 | 500 (2000| 100 | 500 |2000 
o-Aminozimt- | 




















8 säure [+++ +++ - |-| - — | _ 
& J p-Toluidinsulfo- a i 
5 säure | — as — BH++HHH+ ++] - | | > 
a “Toluidinsulfo- | ra DZ 
E säure (2,5) = - !-1 - | - | — Htt 
2 m-Amino- f ʻ 
g m-Amino- p-Amino- benzolsulfo- p-Aminobenzol- | p-Aminophenyl- 
3 | benzoesäure benzoesäure Pi sulfosäure arsinsäure 
E säure 
< 











der An- 
tigene 1: | 


Konzen- | re Du a Pa 
tration | 100 | 500 2000| 100 | 500 12000]100,500 2000] 100 | 500 [2000 100 | 500 |2000 








benzoe- 
säure 

F 
+ 
a: 
+ 
+ 
+ 

| 

| 

| 

| 

| 

l 














benzoe- 
| 
| 
| 
+ 
ł 
£ = = | 
+ 
| 
| 
I 
| 
| 
| 
a a 
| 
| 
| 





Immunseren: 


tt | -= i- 


benzol- 

| 
| 
| 
| 
| 
| 

|+ 

+ 
| 

+ 

+ 

+ 





| 
| 
f 
i 
| 








| | 


7 en ee D iadi ur nr 











p-Amino- | p-Amino- | p-Amino- | m-Amino- 


sinsäure |sulfosäure säure 








phenylar- 


Mit 8 Immunseren wurden auch Versuchsreihen mit 21 
aus Edestin hergestellten Antigenen gemacht. 

Die Immunseren waren Nr. 2, 12, 15, 17, 18, 19, 21, 22, die An- 
tigene Nr. 2,4, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 21, 22, 23, 
26, 27, 31 in der Reihenfolge von Tabelle I. Drei der Antigenpräparate 
blieben wegen ihrer schlechten Löslichkeit weg (s. S. 364), die übrigen 
Präparate wurden aus Edestin nicht hergestellt. 

Da die Resultate fast vollständig mit jenen übereinstimmen, 
die mit den Antigenen aus Hühnerserum erhalten wurden, kann 


376 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


von der Wiedergabe des Versuchsprotokolls abgesehen werden. 
Es ist als abweichend nur zu erwähnen, daß die Reaktion des 
Naphthionsäure-L-S. auf das homologe Antigen beträchtlich 
stärker war als bei dem Serumpräparat. Ferner ergab sich 
bei m-Aminobenzolsulfosäure-l.-S. und Naphthionsäure-I.-S. zum 
Unterschied von der Serumreihe eine schwache Reaktion mit 
m-Xylidinsulfosäure-A. Vermutlich rühren diese Mitreaktionen 
von einer leichten Fällbarkeit des betreffenden Präparates her'). 
Daß ein solches Verhalten vorkommt, zeigt schon die Beobachtung 
der relativ stärkeren Fällung des Naphthionsäure-A. aus Edestin 
durch homologes Serum. Dementsprechend treten die beiden 
Reaktionen auch bei den Serumantigenen bei später Ablesung 
(Tabelle IV) auf. Es wird nötig sein, das Vorkommen solcher 
Substanzen, die mehr als andere zu Fällungen neigen, zu be- 
achten und bei Schlußfolgerungen zu berücksichtigen. 

Die folgende Zusammenstellung (Tabelle IV) zeigt die Er- 
gebnisse einiger Versuchsreihen, die schon in Tabelle I ver- 
zeichnet sind, und zwar die Ablesungen, die gemacht wurden, 
nachdem die Proben eine Stunde im Brutofen und dann über 
Nacht im Eiskasten gehalten waren. Wie schon bemerkt wurde, 
treten bei so später Ablesung zahlreichere Mitreaktionen ein. 
Auch diese lassen aber bei passender Auswahl der Seren be- 


merkenswerte Regelmäßigkeiten erkennen. 

Da es hier darauf ankommt, Mitreaktionen zu demonstrieren, 80 
wurden auch noch 3 positive Reaktionen verzeichnet (eingeklammert), 
die bei gleichartigen Versuchen mit zwei anderen Immunseren hinzu- 
kamen. Es sind das in Tabelle II mit II bezeichnete Seren. 


Diskussion der Versuchsergebnisse. 


Die im vorhergehenden Abschnitt wiedergegebenen Resul- 
tate zeigen zunächst, daß man die Azoproteine in gleicher 
Weise durch Serumreaktionen scharf unterscheiden kann, wie 
artverschiedene natürliche Eiweißkörper, und sie beweisen, daß 
die serologische Spezifizität der untersuchten Substanzen wirklich 
von der chemischen Beschaffenheit der bei der Kupplung ein- 
getretenen Gruppen abhängig ist. Schon unsere früheren Ver- 
suche mit acylierten Proteinen?) legten eine Folgerung dieser 

1) Vgl. die schwere Löslichkeit einzelner Edestinpräparate. 

?) 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 258. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 377 


Art nahe, doch war es vielleicht noch möglich, daß andere 
Umstände, etwa der Ort der Acylierung und die Zahl der 
Acylgruppen, maßgebend sind. Einwände solcher Art sind durch 
die vorliegende Untersuchung widerlegt, mit größter Wahr- 
scheinlichkeit schon durch den Nachweis der weitgehenden 
Spezifizität bei einer viel größeren Zahl von Substanzen und 
durch die Verwandtschaftsreaktionen derselben (s. u.). Außerdem 
darf für die Kuppelung des Eiweißes mit Diazokörpern aus 
chemischen Gründen ein gleichartiger Reaktionsverlauf ange- 
nommen werden. 

Nach den Untersuchungen von Pauly!) treten die Diazo- 
körper nur in die Tyrosin- und Histidingruppe des Eiweißes 
ein und auf Grund der Annahme eines Molekulargewichtes 
des Eiweißes von annähernd 5000 [E. Fischer]?) und eines 
Gehaltes an Tyrosin und Histidin von ungefähr je 3°/,®) 
wären in einem Eiweißmolekül nicht mehr als je eine Tyrosin- 
und Histidingruppe vorhanden. Wenn nun, wie man annehmen 
kann‘), in jede dieser Gruppen ein oder zwei Moleküle der 
Diazokörper eintreten können, so wäre die Zahl der Substanzen, 
die durch verschiedene Art der Kupplung überhaupt entstehen 
können, nicht groß (15); sie würde allerdings viel größer, wenn 
das Molekulargewicht des Eiweißes etwa doppelt so groß zu 
nehmen wäre oder entgegen der Ansicht von Pauly noch 
andere als die genannten Aminosäuren zur Kupplung befähigt 
wären. Auf Grund der überaus zahlreichen Erfahrungen über 
die Bildung von Azofarbstoffen ist es aber auszuschließen, daß 
jeder einzelne Diazokörper mit Eiweiß in besonderer Weise 
reagiert). Endlich wird eine derartige Erklärung der Spezi- 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 42, 512, 1904; vgl. 94, 284, 426. Diese 
Regel, die in bezug auf die als Eiweißspaltungsprodukte bekannten 
Aminosäuren gilt, wird für die überwiegende Mehrzahl der Fälle wohl auch 
durch die Angabe von Kossel u. Edlbacher (Zeitschr. f. physiolog. 
Chem. 94, 268) nicht geändert. 

2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 99, 54, 1917. 

3) s. Abderhalden, Lehrb. f. physiol. Chem. 1914, 400. 

t) Pauly, Zeitschr. f. physiol. Chem. 94, 284, 1915. 

5) Die Diazokörper haben vielmehr im allgemeinen nur eine 'quan- 
titativ verschiedene Kupplungsfähigkeit, vgl. z. B. Kurt H. Meyer, 
Irschick u. Schlösser, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 47, 1744, 1745, 
1753 (1914). 


378 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


fizität auch dadurch unmöglich, daß die Immunseren in derselben 
Weise mit Antigenen reagieren, die die gleiche Azokomponente, 
aber verschiedene Proteine enthalten, und zwar auch solche mit 
differentem Gehalt an Tyrosin und Histidin. In der vorliegenden 
Mitteilung sind nur Versuche mit Azokörpern aus Serumeiweiß 
und Edestin beschrieben; seither wurden aber sehr verschiedene 
Proteine in dieser Richtung geprüft, worüber später berichtet 
werden soll. Hierzu kommt, daß die Spezifizität der Präcipitin- 
reaktionen, wie besondere Versuche lehrten, durch Abstufungen 
in der Intensität der Kupplung im wesentlichen unverändert 
bleibt. 

Aus den angeführten Gründen geht hervor, daß wirklich 
die Natur der Azokomponenten das maßgebende Moment dar- 
stellt. Dieser Sachverhalt läßt sich mit anderen Worten so 
aussprechen, daß man imstande ist, Substanzen einfacher und 
bekannter Zusammensetzung, nämlich aromatische Aminosäuren, 
durch Serumreaktionen zu unterscheiden. Der erzielte Effekt 
ergibt die Möglichkeit, eine nur durch die Ausführbarkeit 
chemischer Variationen begrenzte Zahl neuer Antigene aus 
einem Eiweißkörper künstlich herzustellen, wenn es auch offen 
bleibt, ob die einzufiihrenden Komponenten nicht gewissen Be- 
schränkungen z. B. in bezug auf die Molekulargröße unter- 
liegen, um zur Immunisierung verwendbar zu bleiben. 

Die früher bezüglich der acylierten Proteine gemachte 
Annahme wird durch die neuen Erfahrungen per analogiam 
bestätigt, und vermutlich wird die Methode der Einführung 
chemisch bekannter Gruppen in Eiweiß nicht nur bei den zwei 
bisher untersuchten Arten von Eiweißderivaten anwendbar sein?). 
Es liegt nahe, die Verwertung anderer Reaktionen zu versuchen, 
z.B. die Kombination von Eiweiß mit Chinonen?) und die 
Kupplung von diazotiertem Eiweiß. 

Einer besonderen Untersuchung bedarf noch die Frage, ob 
es, um neue Antigene zu erzeugen, unbedingt nötig ist, die 
einzuführende Substanz in feste chemische Bindung mit dem 
Eiweiß zu bringen, oder ob auch lockerere Bindungsformen für 


1) Vgl. auch Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 127, 128, 1917. 

®) Raciborski, Anz. d. Akad. d. Wiss. Krakau, zit. nach Abder- 
halden, Bioch. Handlexikon 4, 57; Suida, Zeitschr. f. physiol. Chem. 85, 
317, 1913. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 379 


diesen Zweck hinreichen. Einigermaßen beweisende Beobach- 
tungen dieser Art wurden bisher nicht gemacht, doch könnten 
vielleicht die Arbeiten von Schwarz!) über Niederschläge von 
Bakterien mit Schwermetallsalzen und von Pick und Schwarz’) 
über Immunisierung mit Gemischen aus Bakterienemulsionen 
und Organlipoiden auf eine solche Möglichkeit hinweisen. Dem- 
nach wird es angezeigt sein, die Antigeneigenschaften (z. B. 
mit Azofarben) gefärbten Eiweißes zu untersuchen, wenn man 
auch positive Resultate in dem angedeuteten Sinne von vorn- 
herein nicht erwarten möchte. 


Der weitgehende Einfluß der chemischen Beschaffenheit 
der Azoproteine und selbst geringer Unterschiede der Konsti- 
tution auf die hier beschriebenen Reaktionen veranlaßt daran 
zu erinnern, daß die Frage öfters erörtert wurde, ob überhaupt 
chemische Eigenschaften der Antigene durch die Serumreak- 
tionen angezeigt werden. Nach den Arbeiten von Obermayer 
und Pick, Wells und Osborne und uns selbst könnte es über- 
flüssig erscheinen hierauf nochmals einzugehen, wenn nicht noch 
in letzter Zeit verschiedene Ansichten über diesen Punkt be- 
stünden. So hat die Meinung von Traube®),- der annimmt, 
daßdie chemische Natur der Stoffe für die Spezifizitätserscheinungen 
ganz bedeutungslos ist, einige Zustimmung gefunden, und in 
einem Sammelreferat über Spezifizität von Sleeswijk') wird es 
als zweifelhaft hingestellt, . . . . . ob die Spezifizität im 
Grunde wirklich auf qualitativen Unterschieden beruht . N 
Es ist klar, daß solche Ansichten unhaltbar geworden sind. 
Vielmehr sollte die andere Frage revidiert und experimentell 
untersucht werden, ob auch bei ganz gleicher chemischer Be- 
schaffenheit zweier Substanzen durch physikalische Differenzen 
derselben die Erscheinungen serologischer Spezifizität auftreten 
können, wie Pick°) und Bordet*) es für möglich halten. Sichere 
Beweise für ein solches Vorkommen, wobei etwa an Unterschiede 


1) Zeitschr. f. Immunitätsf. 1, 89, 1908. 

2) Diese Zeitschr. 15, 453, 1909. 

3) Zeitschr. f. Immunitätsf. 9, 262, 1911. 

4) Ergebn. d. Immunitätsf. 1, 405, 1914. 

5) ].c. Biochem. d. Antigene S. 19, 20. 

©) Studies in immunity. New York, Wiley, 1909, S. 525. 


380 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


der Teilchengröße, Quellung, Temperatur zu denken wäre, liegen 
wohl noch nicht vor, wohl aber Beispiele für die Wirkung eines 
Immunserums auf Antigene von ungleichem Verteilungszustand'). 
Auch in dem öfters als Exempel angeführten Fall der serolo- 
gischen Differenz zwischen nativem und gekochtem Eiweiß ist 
das Bestehen chemischer Unterschiede doch nicht auszuschließen. 
Diese Bemerkungen beziehen sich aber keineswegs darauf, daß 
physikalisch-chemische Eigenschaften, wie die kolloide Beschaffen- 
heit der Antigene und Antikörper für das Zustandekommen 
der Immunreaktionen notwendig sind und bestimmte Eigen- 
tümlichkeiten derselben bedingen und auch nicht auf die Mög- 
lichkeit einer Beeinflussung der Spezifizität durch solche phy- 
sikalische Eigenschaften, die von der chemischen Konstitution 
abhängig sind’). 


Was die Resultate unserer Versuche im einzelnen anbe- 
langt, so verfügten wir über 23 Arten von Immunseren, die 
mit 33 verschiedenen Azoproteinen in Reaktion gebracht wurden, 
so daß im ganzen die Ergebnisse von 759 Reaktionen vorliegen?). 
Diese sind in Tabelle I (Ablesung nach 1 Std.), auf die wir uns im 
Nächstfolgenden gewöhnlich beziehen, zusammengestellt. 

Von den Immunseren reagierten 6 unter den gewählten 
Bedingungen überhaupt nur mit dem in bezug auf die Azo- 
komponente homologen Antigen, also vollkommen spezifisch. 
Von den Antigenen reagierten 15 nur mit je einem Immun- 
serum. Die anderen Seren und Antigene zeigen mehrfache 
Reaktionen, entsprechend der in der serologischen Literatur 
als Verwandtschafts-, Gruppen-, Mitreaktionen bezeichneten Er- 
scheinung, deren regelmäßiges Vorkommen bei der Präcipitation 








1) Siehe z. B. Landsteiner u. Lamp], Zeitschr. f. Immunitäts- 
forschung 26, 139. 

2) Vgl. Zangger, Zeitschrift f. Immunitätsf. 1, 203; Pick, Bio- 
chemie der Antigene S. 18. 

3) Drei Substanzen, die außerdem noch als Antigene geprüft wur- 
den, waren Disazoproteine. Die zur Kupplung benutzten Substanzen 
wurden durch Kombination von Benzidin mit Metanilsäure und von 
Sulfanilsäure und Metanilsäure mit m-Toluidin hergestellt. Die Präparate 
reagierten mit keinem der Immunseren, Wir geben diese Versuche nicht 
wieder, weil die richtige Zusammensetzung der zur Kupplung verwen- 
deten Substanzen nicht ganz sichergestellt wurde. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 381 


des Serums verschiedener Tierarten in umfassender Weise von 
Nuttall’) studiert wurde. 

Einzelne Seren und Antigene waren nach den in der 
Tabelle enthaltenen Ergebnissen und auch nach weiteren, eigens 
angestellten, quantitativen Versuchen nicht unterscheidbar. Es 
sind dies die zwei Paare mit den chemisch ähnlich gebauten 
Azokomponenten p-Toluidinsulfosäure, p-Chlor-o-aminobenzoe- 
säure und p-Brom-o-aminobenzolsulfosäure, p-Brom-m-amino- 
benzolsulfosäure. Das gleiche gilt vielleicht von dem Paare 
4-Chlor-3-aminobenzoesäure und 4-Brom-3-aminobenzoesäure, 
da die in der Tabelle zu erkennenden Unterschiede möglicher- 
weise von der verschiedenen Stärke der benützten Seren herrühren. 

Von den übrigen Seren gaben mit zwei Ausnahmen alle 
mit dem homologen Antigen die stärkste Reaktion. Die Aus- 
nahmen betreffen die o-Aminobenzoesäure-Immunseren, von 
denen zwei mit o-Aminobenzolsulfosäure A. ebenso stark reagieren 
wie mit dem homologen Antigen (siehe Tabelle II) und das 
m-Xylidinsulfosäure-I.-S., wo die Reaktion mit p-Toluidinsulfo- 
säure A. sogar ein wenig stärker ist als die homologe. Im 
letzten Fall war bei einem zweiten gleichartigen Serum ein 
stärkerer Unterschied im umgekehrten Sinne vorhanden (siehe 
Tabelle II). Ähnliche Fälle sind auch bei natürlichen Antigenen 
beobachtet worden, und es liegt nahe, sie einfach auf die leich- 
tere Fällbarkeit der einen von zwei verwandten Substanzen zu 
beziehen. Trotzdem sind die Antigene des ersten Paares sehr 
leicht zu unterscheiden, da hier das o-Aminobenzolsulfosäure-L-S. 
nur die homologe Reaktion gibt, während beim zweiten Paar 
das p-Toluidinsulfosäure-l.-S. deutlich stärker auf das homologe 
Substrat einwirkt, so daß, wie besondere quantitative Versuche 
zeigten, die Unterscheidung des m-Xylidinsulfosäure-A. von p- 
Toluidinsulfosäure-A.. sowie von dem, wie schon bemerkt wurde, 
fast gleich reagierenden p-Chlor-o-aminobenzolsulfosäure-A. doch 
möglich sein dürfte. 

Wenn man jene Seren betrachtet, die mehrere Antigene 
präcipitieren, so zeigen diese Reaktionen Gesetzmäßigkeiten, die 
bei der Anordnung in der Tabelle sofort auffallen, da die 
positiven Reaktionen hauptsächlich in einigen aus benachbarten 
Kolumnen und Zeilen gebildeten Arealen zu finden sind. 


1) Blood immunity and blood relationship. Cambridge 1904. 


382 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Die Reihenfolge der Azokomponenten in der Tabelle ist, 
wie dort angegeben, die, daß nach dem an erster Stelle stehen- 
den Anilin die Carbonsäuren, und zwar Benzoesäuren, dann 
Zimtsäuren, Sulfosäuren und Arsinsäuren aufeinanderfolgen. 
In jeder dieser Abteilungen sind die Säuren nach der Stel- 
lung der saueren Gruppe zur Aminogruppe in der Reihe ortho, 
meta, para geordnet, immer mit den einfachen unsubstituierten 
Aminosäuren beginnend. 


Die einzelnen Immunseren reagieren nun ganz vorwiegend 
nur mit solchen Körpern, deren Azokomponenten die gleiche 
saure Gruppe haben, wie das homologe Antigen und gleiche 
oder benachbarte Stellung der saueren Gruppen in dem an- 
gegebenen Sinn. Demnach liegen hier wirklich chemische Ver- 
wandtschaftsreaktionen vor. (Ein Zusammenhang der Reaktions- 
ergebnisse mit der vorauszusetzenden Säurestärke der Azokom- 
ponenten wurde nicht beobachtet.) 


So gaben die 9 Carbonsäure-Iminunseren!) 17 Reaktionen 
mit Carbonsäure-Antigenen und 4 Reaktionen, von denen noch 
zu sprechen sein wird, mit allen anderen Substanzen, darunter 2, 
die nach der üblichen Ausdrucksweise als „Spur“, eine, die als 
„min. Spur“ zu bezeichnen wäre. 12 Sulfosäure-Immunseren 
gaben 41 Reaktionen mit den Sulfosäure-Antigenen und außer- 
dem nur noch zwei mit Arsinsäure-Antigenen, darunter eine 
als „Spur“ zu bezeichnende. Das Arsinsäure-Immunserum 
reagierte ausschließlich mit den 6 Arsinsäure-Antigenen. Das 
p-Aminozimtsäure-l.-S. II gab eine nicht geringe Fällung mit 
m-Aminozimtsäure-A., eine etwas schwächere mit p-Amino- 
benzoesäure-A. (Tabelle 1I). 


Auch der Einfluß der Stellung der saueren Gruppe zur 
Amino- bzw. Azogruppe ist leicht zu erkennen. Bei den Sulfo- 
säurekörpern bestehen zwei deutlich abgegrenzte Gruppen von 
Reaktionen, von denen die eine die Substanzen mit Parastellung 
enthält, während die Körper mit Ortho- und Metastellung eine 
gemeinsame Gruppe bilden. Die 7 Seren dieser Gruppe gaben 
28 Reaktionen mit den entsprechenden Antigenen und keine 


1) Wir benutzen der Kürze halber diese und ähnliche ohne weiterer 
verständliche Bezeichnungen. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 383 


einzige mit den Körpern der Paragruppe. Die 3 Seren der 
Paragruppe gaben 9 Reaktionen mit den zugehörigen Körpern 
und nur 2 als „Spur“ zu bezeichnende mit einem Körper der 
Metagruppe, dem m-Aminobenzolsulfosäure-A. Auch diese letzte 
Reaktion läßt sich aber, wie noch zu zeigen ist, einer Regel 
unterordnen. Bemerkenswert ist das Verhalten des stark wir- 
kenden Toluidinsulfosäure (2,5)-I.-S., das sämtliche 5 Sulfosäure- 
antigene der Paragruppe, in geringem Grade auch das nitrierte 
Produkt, präcipitiert. 

Die Seren der Aminobenzoesäuren reagieren nur mit den 
der Stellung nach entsprechenden Aminobenzoesäurekörpern. 
Hier wurden an Antigenen mit ÖOrthostellung 2, mit Meta- 
stellung 5, mit Parastellung 1 untersucht. Hervorzuheben ist 
wieder, daß das 4-Chlor-3-aminobenzoesäure-l.-S. mit 4 von den 
5 Präparaten der Metastellung kräftige Fällungen gibt. 

Die Bedeutung der Stellung ergibt sich noch aus zwei 
anderen Momenten. Erstens: Wenn die Seren mit Antigenen 
reagieren, die in bezug auf die Art der saueren Gruppe über- 
einstimmen, nach der Stellung aber verschieden sind, dann ist 
die Stellung fast immer die benachbarte. Die Beispiele wurden 
schon angeführt. (Seren: p-Aminozimtsäure II, o-Aminobenzol- 
sulfosäuren, p-Aminobenzolsulfosäure, Toluidinsulfosäure (2,5). 
Eine Ausnahme macht nur das p-Aminophenylarsinsäure-l.-S., 
aber die Fällung der Präparate mit Orthostellung ist beträcht- 
lich schwächer als bei dem Körper mit benachbarter Stellung. 
In diesem Fall ist der Einfluß der Arsinsäuregruppe offenbar 
besonders stark. 

Bei später Ablesung (Tabelle IV) ergeben sich neue Beispiele für 
die Regel, nämlich die Seren o-Aminobenzoesäure und p-Aminobenzoe- 
säure. Das p-Aminobenzolsulfosäure-l.-S. reagiert außer auf m- in ge- 
ringem Grade auch auf o-Aminobenzolsulfosäure-A. Dieses letztere An- 
tigen zeichnet sich aber nach der Zahl der positiven Reaktionen über- 
haupt durch leichtere Fällbarkeit aus. Diese Resultate können als Beleg 
herangezogen werden, wenn auch die Tabelle nur eine Auswahl der Seren 
enthält, weil die übrigen Ergebnisse nicht widersprechen. 

Zweitens: Wenn die Seren mit Antigenen reagieren, deren 
sauere Gruppen verschieden sind, dann ist die Stellung der- 
selben in den meisten Fällen übereinstimmend. Hierher ge- 
hörende Fälle sind die Reaktionen von o-Aminobenzoesäure-l.-S. 
mit o-Aminobenzosulfosäure-A., 4-Chlor-3-aminobenzoesäure-l.-S. 


384 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


mit m-Aminobenzolsulfosäure-A. und 4-Chlor-3-aminophenyl- 
arsinsäure-A. (wo auch die Stellung der Cl übereinstimmt), p- 
Aminozimtsäure-].-S. II mit p-Aminobenzoesäure- A., p-Amino- 
benzolsulfosäure-A. und Toluidinsulfosäure (2,5)-A. 

Auffallend ist die schon hervorgehobene Intensität der Fällung 
des o-Aminobenzolsulfosäure-A. durch o-Aminobenzoesäure-l.-S., die der 
homologen Reaktion gleichkommt, wofür bei so weit verschiedenen Sub- 
stanzen in unseren Versuchen kein zweites Beispiel vorkommt. Die 
leichte Fällbarkeit des Antigens wurde schon erwähnt, doch muß wohl 
noch ein anderer Grund hinzukommen. 

Die spätere Ablesung (Tabelle IV) ergibt noch andere hier einzu- 
reihende Beobachtungen: o-Aminobenzoesäure-l.-S. und o-Arsanilsäure 
A., p-Nitranilinarsinsäure-A., m-Aminobenzoesäure-l.-S. und m-Amino- 
benzolsulfosäure-A., m-Aminobenzolsulfosäure-l.-S. und m-Aminobenzoe- 
säure-A., p-Aminobenzolsulfosäure-I.-S. und p-Aminobenzoesäure-A., 
p-Aminophenylarsinsäure-A., o-Toluidinarsinsäure-A. 

Im ganzen bleiben so von den nach 1 Std. abgelesenen 
Proben, die der Erörterung hauptsächlich zugrunde liegen, 
außer den schon erwähnten und leicht zu deutenden des 
Arsinsäure-].-S. nur drei Reaktionen übrig, die sich den er- 
wähnten Regelmäßigkeiten nicht einordnen lassen, darunter 
zwei, bei denen nur eine eben erkennbare Trübung eintrat. 


Diese Reaktionen betreffen die Kombinationen Naphthionsäure- 
1.-S. und o-Aminobenzolsulfosäure-A., 4-Chlor-3-aminobenzoesäure-l.-8. 
und p-Nitranilinarsinsäure-A., p-Brom-m-aminobenzolsulfosäure -I.-8. 
und p-Nitronilinarsinsäure-A. Die Reaktion bei der ersten dieser Kom- 
binationen wird durch die Betrachtung des Verhaltens des Naphthion- 
säure-l.-S. bei später Ablesung verständlich, da es sich hier zeigt, daß 
dieses Serum auch auf andere Sulfosäureantigene in geringem Grade 
einwirkt. Für eine besondere Erklärung der beiden anderen Fälle 
besteht vorläufig kein Anhaltspunkt. 


Es wurde schon früher bemerkt, daß sich die Zahl der- 
artiger, sozusagen irregulärer Reaktionen nicht unbeträchtlich 
vermehrt, wenn man die Wirkung der Seren entweder durch 
Vermehrung der Serummenge oder durch spätere Ablesung 
verstärkt. Bei einzelnen Seren findet das in höherem Maße 
statt als bei anderen. Diese Erscheinung spricht dafür, daß 
den Seren eine gemeinsame Wirkungskomponente auf Azo- 
proteine im allgemeinen zukommt, analog wie z.B. ein Präci- 
pitin gegen Menschenserum sehr schwache Reaktionen mit dem 
Serum zahlreicher Säugetierspezies gibt. 

Was den Einfluß anderer als sauerer Gruppen auf die 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 385 


Spezifizität anbelangt, so ist das uns vorliegende Material ge- 
ring und sollte beträchtlich vermehrt werden. Die dargestellten 
Präparate enthalten als Substituenten des aromatischen Kernes 
Chlor-, Brom-, Methyl- und Nitrogruppen. 

Die Änderung des serologischen Verhaltens durch Eintritt 
einer Methylgruppe erwies sich als verschieden groß. In dem 
Falle der p-Aminobenzolsulfosäure und p-Toluidinsulfosäure 
(2,5) ist der Effekt der Methylgruppe sehr gering, so daß die 
beiden Antigene durch die zugehörigen Seren eben noch unter- 
scheidbar sind (vgl. auch p-Aminophenylarsinsäure und o-To- 
luidinarsinsäure). Trotzdem macht sich ein Unterschied in den 
Mitreaktionen geltend, z. B. gegenüber o-Brom-o-toluidin-p-sulfo- 
säure-l.-S. und A., ein Beleg für die subtile Empfindlichkeit 
der Serumreaktionen. Auch die Wirkung der o-Aminobenzoe- 
säure-L.-S. ist auf das homologe Antigen nicht viel stärker 
als auf das methylierte Präparat, während das m-Amino- 
benzoesäure-l.-S. bei Ablesung zur gewöhnlichen Zeit mit den 
methylierten Produkten nicht reagiert. Man sieht hier, daß selbst 
gleichartige chemische Unterschiede verschiedene serologische 
Dignität haben können, eine Erscheinung, deren Ursache wohl 
erst durch Untersuchung einer größeren Zahl von Präparaten 
aufgeklärt werden kann. Immerhin wirken von vier Seren 
gegen Methylprodukte drei auf die entsprechenden nicht methy- 
lierten Präparate, und bei späterer Ablesung finden zwischen 
allen diesen Antigenen und Seren Reaktionen statt, so daß der 
Einfluß einer substituierenden Methylgruppe sich im allgemeinen 
als nicht sehr beträchtlich erwies!). 

Der Eintritt von Chlor in den aromatischen Kern ergab 
zwei Substanzen: 4-Chlor-3-aminobenzoesäure, p-Chlor-o-amino- 
benzolsulfosäure, die sich bemerkenswerterweise ganz ähnlich 
verhielten wie die an gleicher Stelle methylierten Präparate. 
Im zweiten Falle waren die Seren und Antigene der chlorier- 
ten und methylierten Substanz überhaupt nicht oder jeden- 
falls nicht sicher zu unterscheiden (s. o.), und auch bei dem ersten 
Körper ist der Unterschied nicht groß, besonders wenn man 
die differente Wirkungsstärke der beiden Seren berücksichtigt. 
Hier ist die Reaktion mit den beiden halogenierten (Cl, 


1) Vgl. unsere Ergebnisse in Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 258. 


386 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Br) Substanzen am stärksten, dann folgt die mit dem 
methylierten und dem unsubstituierten Körper. Ähnliche Ver- 
wandtschaftsreaktionen ergeben sich bei dem schwächeren 4- 
Brom-m-aminobenzoesäure-I.-8. bei später Ablesung; nur ist 
hier die Fällung mit dem unsubstituierten Körper beträchtlich 
schwächer (Tabelle IV). Bei 2-Amino-p-toluylsäure-I.-S. rea- 
gieren umgekehrt die halogenierten Körper etwas schwächer als 
der homologe methylierte, wie man es von vornherein zu erwar- 
ten hat (Tabelle IV). Die eben besprochene kleine Gruppe von 
Präparaten gibt ein gutes Beispiel für die quantitative Ab- 
stufung der Spezifizität bei Subtanzen von ähnlicher Struktur. 
Bei dem 4-Chlor-3-aminobenzoesäure-1.-S. wurde schon die Reak- 
tion mit dem in bezug auf die Stellung der Substituenten überein- 
stimmenden 4-Chlor-3-aminophenylarsinsäure-A. hervorgehoben. 
Bei diesem Serum fällt auch die Einseitigkeit der Wirkung 
auf das m- Aminobenzoesäure I.-S. auf, da die umgekehrte 
Reaktion — m-Aminobenzoesäure-l.-S. auf 4-Chlor-3-amino- 
benzoesäure-A. — bei gleicher Ablesungszeit nicht stattfindet. 
Ähnliche Fälle eines areziproken Verhaltens finden sich auch 
bei o- und m-Aminobenzolsulfosäure und den entsprechenden 
Methylkörpern und wurden schon bei anderer Gelegenheit er- 
wähnt!). 

Abweichend von dem eben erwähnten Falle ist der große 
Unterschied der der Stellung nach verwandten Körper p-Chlor- 
o-aminobenzolsulfosäure-A. und p-Brom-o-aminobenzolsulfosäure- 
A., während die letzte Substanz von dem Brom in der gleichen 
Stellung enthaltendem p-Brom-m-aminobenzolsulfosäure-A. mit 
den zur Verfügung stehenden Seren nicht zu unterscheiden 
war (8. 0.); auch hier wäre wohl, um Gesetzmäßigkeiten auf- 
zufinden, die Kenntnis zahlreicher ähnlicher Fälle notwendig. 

Beim Präparat Toluidinsulfosäure (2,5) ruft der Eintritt 
von Brom, wie die gegenseitigen Reaktionen zeigen, nur eine 
geringe Änderung hervor, und selbst der Eintritt von -zwei Br 
in die Sulfanilsäure verhindert nicht eine ziemlich starke Wir- 
kung des Toluidinsulfosäure (2,5)-I.-S., während diese Substanz 


1) 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 126. Man vgl. die Untersuchungen 
über serumfeste Bakterienstämme. Friedberger u. Moreschi, Berl. 
klin. Wochenschr. 1905, Nr. 45. 


Tafel 1. 


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(s2) 
SINBSOFNSUTPINIOL, 





+ 





tE 











Anilin, Benzoesäuren, Zimtsäuren, Sulfosäuren, Arsinsäuren. 


Bei jeder Art von Säuren 


sin llung (in dem eben angegebenen Sinn) sind durch dickere Striche abgegrenzt. 


Verlag von Julius Springer in Berlin. 





Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 387 


mit dem allerdings recht schwachen o-Brom-o-Toluidin-p-Sulfo- 
säure-l.-S. erst bei später Ablesung eine ganz geringe Trübung 
gibt. Dreifache Bromierung der m-Aminobenzolsulfosäure be- 
wirkte, daß von den drei Immunseren gegen m-Aminobenzol- 
sulfosäure und Derivate derselben nur das m-Xylidinsulfosäure- 
1.-S. II mit der Substanz eine sehr schwache Trübung gab 
(Tabelle II). 

Dieselbe Reaktion zeigte das gleichartige I.-S. I bei später Ab- 
lesung. Es ist hier die ähnliche Stellung der Substituenten in den 
beiden Aminosäuren beachtenswert. 

Soweit die besprochenen Ergebnisse schon einen Schluß zu- 
lassen, scheinen die Substituenten CH,, Cl, Br einen geringeren 
Einfluß auf die Serumreaktionen zu haben als die saueren COOH, 
SO,H, AsO,H,. So findet sich kein Anzeichen einer Bildung 
von serologischen Gruppen durch die Anwesenheit von Methyl 
in gleicher Stellung. Mehr als die angeführten noch fragmen- 
tarischen Beobachtungen sprechen in diesem Sinne vorläufige 
Versuche über die Reaktion von Anilin-I.-S. mit Antigenen, 
bei denen substituierte Aniline als Azokomponenten fungierten. 
Wir beabsichtigen diese Versuche zu wiederholen und ein- 
gehender auszuarbeiten. In dieser Beziehung ist noch zu er- 
wähnen, daß ein kräftig wirkendes Anilin-I.-S. auch bei später 
Ablesung keine Spur einer Trübung mit allen Antigenen gab, 
die sauere Azokomponenten enthalten. 

Mit dem Gesagten wurden die Regelmäßigkeiten angeführt, 
die an den Reaktionen zu bemerken waren. Wie wir schon 
zu bemerken Gelegenheit hatten, ist es natürlich wünschens- 
wert, das Versuchsmaterial nach verschiedenenen Richtungen 
hin zu vermehren, eine Aufgabe, die allerdings viel Arbeit und 
Material erfordert, aber wenigstens keinen prinzipiellen Hinder- 
nissen begegnen dürfte. So sollte eine systematische Unter- 
suchung verschiedener Substituenten durchgeführt werden, um 
zu ermitteln, ob ihre größere oder geringere Bedeutung für die 
Spezifizität unter sonst gleichen Bedingungen in erster Linie 
von dem chemischen Charakter oder anderen noch zu ermit- 
telnden Eigenschaften, z. B. der Größe der eintretenden Atome 
oder Gruppen, abhängt. Weiterhin wäre die Untersuchung 
verschiedener, auch komplizierter, und im besonderen alipha- 


tischer Seitengruppen von Wichtigkeit, im Hinblick auf die 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 26 


388 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Verhältnisse bei Proteinen mit Berücksichtigung von optisch 
aktiven Gruppen und wenn möglich von Aminosäuren. 





Wenn wir die besprochenen Ergebnisse im allgemeinen zu 
betrachten versuchen, so ist es ein klares Ergebnis derselben, 
daß das spezifische Verhalten durch die chemische Struktur 
relativ kleiner Teile der großen Antigenmoleküle bestimmt wird. 
Schon früher bekannt gewordene Tatsachen!) haben in gleiche 
Richtung gewiesen. Diese Abhängigkeit ist allem Anschein 
nach keine einfache. 

Die Erscheinung, daß, wie die Versuche ergaben, die 
Stellung bestimmter Gruppen durch die Immunseren angezeigt 
wird, läßt sich nach unserer Meinung schwer anders als durch 
eine gewisse räumliche Übereinstimmung von Antigen und 
Antikörper erklären, wie sie bekanntlich E. Fischer?) für die 
spezifische Wirkung der Fermente annimmt, 

Man könnte hypothetischerweise daran denken, daß auf diese Art 
eine mehrfache (zyklische) Bindung ermöglicht wird, entsprechend der 
in den folgenden Sätzen enthaltenen Vorstellung von van t Hoff’): 
n:.. daß nicht nur in dieser Weise einigermaßen die Entfernungen im 
Molekül geschätzt werden können, sondern daß sich zwei Moleküle 
einander anlegen lassen als gewisses Maß, wenn nur beide zwei An- 
griffspunkte haben, z. B. eine zweibasische Säure und ein zweiwertiger 
Alkohol; sind dieselben imstande, einen Doppelester zu bilden, so kann 
die Entfernung der zwei Hydroxylgruppen in den beiden Molekülen 
nicht sehr verschieden sein; in dieser Hinsicht sind die Chloralide von 
Interesse, sowie die Selbstsättigung der Aminosäuren.“ 

Will man also nicht, wofür kein Anhaltspunkt vorliegt, 
irgendeine Eigenschaft, die von dem Bau des Moleküls abhängt, 
als Zwischenglied supponieren, so wäre über einen die Spezi- 
fizität bedingenden Faktor Aufklärung gewonnen, und zwar im 
Sinne der von Ehrlich im Anschluß an die klassischen Ar- 
beiten von E. Fischer gemachten Hypothese. 

Es erscheint aber nicht möglich, daß die räumliche Anordnung 
bestimmter Gruppen allein die Grundlage der von uns beobachteten 
Erscheinungen und der serologischen Spezifizität überhaupt dar- 


!) Siehe die zu Beginn zitierten Arbeiten. 

2) Zeitschr. f. physiolog. Chem. 26, 60. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 
27, 2036, 2992. 

3) Ansichten über die organische Chemie. Braunschweig, Vieweg, 
1878, S. 253. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 389 


stellt. Eine Gruppe von Reaktionen, die sich dieser Erklärung 
nicht fügt, sind die des Serums gegen das p-Aminophenylarsin- 
säure-Antigen. In diesem Serum liegt, obwohl die Stellung 
der AsO,H,-Gruppe quantitative Unterschiede!) verursacht, 
geradezu ein serologisches Reagens auf Aminoarsinsäuren vor, 
da von allen 33 geprüften Antigenen keines, mit Ausnahme 
der 6 Arsinsäurepräparate, auch nur die geringste Reaktion 
gab. Die Spezifizität muß hier durch die Beschaffenheit der Arsin- 
säuregruppe als solcher bedingt sein. In gleicher Weise sind 
vermutlich auch die Verwandtschaftsreaktionen innerhalb der 
Gruppen der Sulfosäure- und Carbonsäurepräparate aufzufassen, 
Wir gelangen demnach zu dem Schlusse, daß außer der Kon- 
figuration auch die chemische Eigentümlichkeit bestimmter 
Gruppen in der serologischen Spezifizität zum Ausdruck kommt. 
In Zusammenhang damit, daß für die Spezifizität der Se- 
rumreaktionen wahrscheinlich mehrere Faktoren von Bedeutung 
sind, möchten wir darauf hinweisen, daß auch die verschiedenen 
Arten von Immunreaktionen sich in dieser Beziehung nicht 
gleich verhalten müssen. So könnten namentlich bei schwach 
und stark spezifischen Antikörpern, z. B. Phytagglutininen und 
Antikörpern des normalen Serums einerseits, Immunpräcipitinen 
andererseits recht wohl verschiedene Verhältnisse vorliegen. 
Die Abhängigkeit der Spezifizität der Antigene von ein- 
zelnen Gruppen, wie sie sich aus unseren Versuchen ergibt, 
sowie die wahrscheinliche Übertragbarkeit der Vorstellung 
von E. Fischer über Fermentspezifizität auf dieses Gebiet ent- 
sprechen offenbar einem Teile der Ehrlichschen Anschauungen, 
nämlich der Konzeption der Rezeptoren. Trotzdem bleibt eine 
prinzipielle Differenz zwischen der Rezeptorenhypothese und 
unseren Resultaten übrig, durch die eine von uns öfters ge- 
äußerte Annahme über die Spezifizität eine Bestätigung erfährt. 
Wir haben es, wie andere Autoren [vgl. Bordet, Gruber, 
Pfeiffer?)], für nicht möglich gehalten, die Wirkung eines 
normalen oder Immunserums auf zahllose Zellarten durch die 


1) Wegen der hier auftretenden abgestuften Mitreaktionen wird 
sich diese Gruppe von Substanzen vielleicht besonders gut dazu eignen, 
die serologische Wirkung verschiedener Substituenten zu untersuchen. 

2) Zit. Münch. med. Wochenschr. 1902, Nr. 46. 

26 


390 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


Supposition einer gleichen Menge verschiedener Antikörper‘) 
rationell zu erklären und aus analogen Gründen eine Un- 
zahl von Rezeptoren in einer Zelle anzunehmen. Wir hiel- 
ten, wie M. Gruber’), die einfachere Annahme für hinreichend, 
daß ein Antikörper auf verschiedene serologisch nicht iden- 
tische, aber verwandte Antigene wirken kann). Eine ex- 
perimentelle Stütze fanden wir in Untersuchungen über den 
Zusammenhang von Agglutininen und präcipitabler Substanz, 
die lehrten, daß man sich die wirksame Substanzmenge eines 
Antikörpers nicht beliebig klein vorstellen darf‘), und in der 
Tatsache, daß von einer Zellart gebundene und wieder abge- 
spaltene Antikörper regelmäßig Affinitäten für zahlreiche Sub- 
strate zeigen. In Zusammenhang damit konnten wir nach- 
weisen’), daß bei der Immunisierung die Antikörper eine Zu- 
nahme der Spezifizität erfahren. 

Dieses wenig beachtete Resultat steht in grundsätzlichem Gegen- 
satze zu der Hypothese Ehrlichs über die Immunkörperbildung, die 
fordert, daß alle spezifischen Antikörper beim normalen Tier oder als 
Zellrezeptoren vorgebildet sind. Man denke daran, daß auch die in 


der vorliegenden Arbeit untersuchten Antikörper gegen Azoproteine 
dieser Forderung genügen müßten. 


Nach Grubers und unserer Meinung erscheint die Spezifizi- 
tät der Serumreaktionen als Ausdruck einer quantitativ abgestuf- 
ten Affinität, die bei bestimmten Kombinationen — Antigen und 
homologer Antikörper — einen maximalen Wert erreicht. Dem- 
zufolge läßt sich auch die Existenz von Antikörpern mit größerer 
und geringerer Reaktionsbreite, bzw. kleiner und großer Spezi- 
fizität voraussehen, während die Ehrlichsche Theorie nur eine 
gewissermaßen absolute Spezifizität‘) zuläßt. 


1) s. z. B. Ehrlich, Deutsche med. Wochenschr. 1901, S. 915. 

?) Münch. med. Wochensch. 1896, Nr. 9. 

3) Landsteiner, Münch. med. Wochenschr. 1902, Nr. 46, 1903, Nr. 42; 
Wiener klin. Wochenschr. 1909, Nr. 47; Oppenheimers Handb. d. Biochemie 
2, 441. Daß bei Reaktionen mit verschiedenen Antikörpern wahrschein- 
lich differente Strukturen einer Zelle beteiligt sein können, zeigte eine 
früher ausgeführte Untersuchung (Landsteiner u. Prášek, Zeitschr. 
f. Immunitätsf. 17, 374), aber ihre Zahl braucht darum nicht der der 
verschiedenen möglichen Reaktionen gleichzukommen. 

t) Landsteiner u. Prášek, Zeitschr. f. Immunitätsf. 10, 84, 1911. 

5) Landsteiner u. Reich, Zeitschr. f. Immunitätsf. 58, 213, 1907. 

£) 1. c. Ergebn. d. Immunitätsf. 1, 399, 1914. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 391 


Ähnliche Ansichten hat, wenn wir seine Ausführungen 
richtig verstehen, Traube!) und Bordets Mitarbeiter Slees- 
wijk?) geäußert. Auch Forssman?) diskutiert den Gegenstand 
neuerdings auf Grund seiner bekannten Untersuchungen über 
Lysine und bringt einen Beleg dafür, daß spezifische Bindung 
eines Antikörpers an verschiedene Rezeptoren stattfinden kann. 
Bordet‘) hat sich in der folgenden Weise über das Thema 
geäußert. Wir führen seine Worte an, weil sie die Sache an 


einem Beispiel klar darlegen. 

„Wenn wir beispielsweise sehen, daß ein durch Immunisierung 
gegen Rinderblutkörperchen erhaltener hämolytischer Sensibilisator auch 
Ziegenblutkörperchen, jedoch in viel schwächerem Maße, beeinflußt, so 
sind hierfür zwei Erklärungen möglich: Man kann annehmen, und das 
ist die von Ehrlich und seinen Schülern entwickelte Meinung, daß 
das Ziegenblutkörperchen Bindungselemente für den Sensibilisator ent- 
hält, die ganz identisch sind mit den im Rinderblutkörperchen ent- 
haltenen ..., während jedoch im Ziegenblutkörperchen die entsprechen- 
den Rezeptoren nur in geringer Menge existieren, sind sie im Rinder- 
blutkörperchen reichlich vorhanden. So erklärt sich, warum die Ziegen- 
blutkörperchen den Sensibilisator des Immunserums nur sehr schwer 
aufbrauchen, während hingegen die totale Absorption des ersteren durch 
die Rinderblutkörperchen leicht eintritt. Eigentlich könnte man ebenso- 
gut annehmen (und diese Hypothese erscheint mir zumindest ebenso 
plausibel als die erste), daß im Ziegenblutkörperchen kein Rezeptor 
existiert, der mit dem des Rinderblutkörperchens vollständig identisch 
ist, daß aber die Rezeptoren des Rindes und der Ziege, obgleich ver- 
schieden, nichtsdestoweniger in ihrer physikalisch-chemischen Konsti- 
tution genügend ähnlich sind, damit ein auf das erstere wirkender 
Antikörper auch auf das zweite, nur etwas schwieriger, reagiert ... 

Es würden sicherlich neue Untersuchungen notwendig sein, um 
definitiv festzustellen, welche der beiden Hypothesen richtig ist.“ 

Wir möchten hinzufügen, daß nach unseren Ergebnissen®) die auf 
dasselbe Substrat wirkenden Antikörper eines Serums sehr wahrscheinlich 
Gemische verschiedener Stoffe sind. 

Auch unsere neuen Resultate sind, wie wir glauben, für 
die Frage vollkommen entscheidend. Da mehrere der Azo- 
immunseren mit Gruppen von chemisch ähnlichen Antigenen 


reagieren, aber unmöglich angenommen werden kann, daß sie 


1) 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 9, 1911; diese Zeitschr. 10, 1908. 

?) 1. c. Ergebn. d. Immunitätsf. 1, 399, 1914. 

3) Diese Zeitschr. 77, 104, 1916. 

4) Kraus-Levaditi, Handb. d. Immunitätsf. u. experim. Ther. 
1. Lief., S. 39, 1914. 

5) I. c. Zeitschr. f. Hygiene 58, 213. 





392 K. Landsteiner u. H. Lampl: 


auf Substanzen, die im Immunisierungsmaterial gar nicht vor- 
handen sind, scharf spezifisch eingestellte Antikörper enthalten, 
so bleibt nur mehr die Annahme übrig, daß ein Immunkörper 
mit mehreren solchen Antigenen reagiert, deren die Spezifizität 
bedingende Strukturen (Rezeptoren) zwar chemisch ähnlich, aber 
nicht identisch sind. Der neue und für die Beurteilung maß- 
gebende Umstand in unserem Falle liegt eben darin, daß jedes 
zur Immunisierung dienende Azoprotein nur eine bestimmte, 
für die Spezifizität maßgebende Azokomponente enthält, wäh- 
rend bei den natürlichen Antigenen immer die Anwesenheit 
ganzer Scharen von Stoffen in Betracht zu ziehen ist. 

Wegen der einfacheren Verhältnisse wäre es auch sehr 
wünschenswert, bei unseren Seren mit Berücksichtigung ihres 
Verhaltens zu homologen und anderen Antigenen jene quanti- 
tativen Methoden und Berechnungen anzuwenden, die Arrhe- 
nius?) in die Immunitätslehre eingeführt hat (vgl. die Ver- 
suche von Madsen und Walbum, Hamburger). Auch die 
Ausführung von Absättigungsversuchen dürfte von Interesse sein. 

Was die schwierige Frage nach der Natur der Immun- 
körperreaktionen anbelangt, so haben wir darüber früher die 
Hypothese gemacht’), daß es sich bei den Serumreaktionen 
um die Bildung salzartiger Verbindungen handle [vgl. Arrhe- 
nius?)]. Diese Auffassung wurde durch den raschen Ablauf der 
Reaktionen, die Zersetzlichkeit der Verbindungen durch geringe 
Konzentrationen von Säuren und Basen und durch Analogien mit 
Kolloidreaktionen gestützt. Wenn an unseren Vorstellungen ge- 
wisse Änderungen vorgenommen werden, so sehen wir auch in den 
jetzt erhaltenen Ergebnissen keinen Widerspruch gegen diese Hy- 
pothese. Der bei den beschriebenen Reaktionen der Azoproteine, 
wie es den Anschein hat, hervortretende Einfluß saurer Gruppen 
spricht vielmehr zu ihren Gunsten, ähnlich wie die früher 
nachgewiesene bedeutende Änderung der Antigeneigenschaften 
durch Acylierung und Alkylierung‘), Neue Erfahrungen über 





1) Immunochemie Leipzig. Akad. Verlagsges. 1907, s. besonders 
S. 191 bis 195. 

2) Münch. med. Wochenschr. 1904, Nr. 27. Oppenheimers Handb. 
der Biochemie 2, 440. Centralbl. f. Bakt. 41, 115. Zeitschr. f. Chem. 
d. Kolloide 3, H. 5. 

3) Zeitschr. f. physik. Chem. 44, 50, 1903. 

4) 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 17, 20, 21, 26. 


Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 393 


Aminosäuren und Peptide [Werner!), Pfeiffer?)] lassen jetzt 
auch daran denken, daß zwischen Antigenen und Antikörpern 
Verbindungen nach Art von Komplexsalzen (Werner, Ley) 
stattfinden könnten. Einen Hinweis auf die mögliche Bedeu- 
tung innerer Komplexsalze für die Immunochemie finden wir 
schon in einer Mitteilung von Baudisch?), in der der selek- 
tive Charakter der zu innerer Komplexsalzbildung befähigten 
Gruppen verschiedenen Metallen gegenüber hervorgehoben wird. 
Insofern bei inneren Komplexsalzen eine zyklische Bindung 
stattfindet, könnten so unsere Resultate über die merkwürdige 
Bedeutung der Stellung der sauren Gruppen bei den Präcipi- 
tinreaktionen der Azoantigene verständlich werden [s. 0.%)]. 
Mit wenigen Worten hätten wir noch die Erscheinungen 
der Artspezifizität, wie sie sie in den Präcipitinreaktionen des 
Eiweißes der verschiedenen Tierarten zum Ausdruck kommt, 
zu berühren. Über die chemische Beschaffenheit der Serum- 
eiweißkörper liegen verhältnismäßig wenige Angaben vor [Ab- 
derhalden°’)] und, soviel wir wissen, gibt es keine Unter- 
suchungen, die die Feststellung strukturchemischer Unterschiede 
zwischen artverschiedenen Serumproteinen zum Gegenstand 
haben mit Ausnahme einer Arbeit von Obermayer und Will- 
heim®), deren Ergebnisse aber wahrscheinlich nicht zum Ver- 
gleich mit den serologischen Befunden verwendbar sind’). 
Auch abgesehen von möglichen Unterschieden in der Zusam- 
mensetzung ist die Zahl der Isomeren eines Eiweißkörpers 


1) Neuere Anschauungen auf dem Gebiete der anorganischen Chemie. 
Vieweg, Braunschweig, 1914. Liter. 

2) Pfeiffer und Mitarbeiter, Zeitschr. f. physiolog. Chem. 81, 329, 
1912, 85, 1, 1913, 97, 128. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 48, 1041, 
1289, 1915. Über Verbindungen von Aminosäuren s. Abderhalden, 
Lehrb. d. physiolog. Chem. 3. Aufl. 1914, 1, 341. 

s) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 49, 177, 1916. Über die Bedeutung 
für physiologisch-chemische Erscheinungen im allgemeinen s. Will- 
stätter, W. Pauli u. a. 

4) Vgl. über Ringbildung bei Salzen von Aminosäuren Handovsky, 
diese Zeitschr. 25, 522, 1910. Suida, Journ. f. prakt. Chem. 83, 233, 1911. 

5) Zeitschr. f. physiolog. Chem. 37, 495, 1903, 44, 17, 1905. Lehrb. 
d. physiolog. Chem. 3. Aufl. 1914, 1, 400. Vgl. Zeitschr. f. physiolog. 
Chem. 51, 409, 1907. 

6) Diese Zeitschr. 50, 369, 1913. 

7) Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 133, 1917. 


394 K.Landsteiner u.H.Lampl: Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität usw. 


selbst unter gewissen restringierenden Bedingungen eine un- 
geheuer große [E. Fischer!), Abderhalden?°)]. Eine Folge- 
rung, die sich nun ziemlich sicher aus den zitierten früheren 
Arbeiten und der vorliegenden ergibt, ist die, daß viele von den 
Isomeren mit den gegenwärtigen serologischen Methoden nicht 
unterscheidbar sind. Solchen Isomeren, soweit sie überhaupt exi- 
stieren, können also nicht die serologischen Artunterschiede, wohl 
aber möglicherweise jene noch viel zahlreicheren individuellen 
und Rassenunterschiede entsprechen, die sich bis jetzt serologisch 
nicht differenzieren lassen®). Den durch die Präeipitinreaktion 
nachweisbaren Artunterschieden werden wahrscheinlich bestimmte 
Strukturen, vielleicht mehrere in einem Molekül, zugrunde liegen. 
Zu einer solchen Folgerung sind auch Obermayer und Pick ge- 
langt. Ihre Hypothese eines maßgebenden Einflusses der aromati- 
schen Kerne kann jetzt möglicherweise durch Anwendung der von 
uns benützten Methode näher untersucht werden. Unsere eigenen 
Beobachtungen führen dazu, die räumliche Konfiguration der Ei- 
weißmoleküle unter den Bedingungen der Artspezifizität und somit 
der morphologischen Ausbildung der Organismen zu vermuten. 
Sie lassen auch die Frage aufwerfen, ob nicht endständige 
saure Gruppen für die Artverschiedenheiten von Bedeutung 
sind. Eine experimentelle Prüfung dieser Vorstellung ist wohl 
nicht ganz ausgeschlossen, da von Dakin und Dudley') eine 
Methode für den Zweck vorgeschlagen wurde, Aminosäurereste 
mit gebundenem und freiem Carboxyl im Eiweiß zu unter- 
scheiden. 


1) Sitzungsber. der k. preuß. Akad. d. Wiss. 40, 990, 1916. Zeitschr. 
f. physiolog. Chem. 99, 54, 1917. E. Fischer berechnet auf Grund 
bestimmter Voraussetzungen über die Zusammensetzung eines Protein- 
moleküls eine Zahl von mehr als 10°” Isomeren. 

2?) Lehrb. d. physiolog. Chem. 3. Aufl., 1, 361. 

3) Uhlenhuth, Deutsche med. Wochenschr. 1905, 1673. Beih. z. 
ıned. Klinik 1907, H. 9. Marshall und Teague, Philippine Journ. of 
Sciences 8, 357, 1908. Fitzgerald, Journ. of Medic. Res. 21, 41, 1909. 
Wir denken hier an Unterschiede der präcipitablen Substanz, nicht an 
jene individuellen Differenzen, die von uns (Centralbl. f. Bakt. 27, 361, 
Wiener klin. Wochenschr. 1901, Nr. 46) und bald nachher von Ehrlich 
mit Hilfe von Isoagglutininen und Isolysinen nachgewiesen wurden. 

*) Journ. of biolog. Chem. 18, 357, 1912/13, 15, 263, 271, 1913. 


Über das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen 
Blutserum. V. 


Weitere Versuche zur analytischen Wiedergabe des Bestphosphors. 
Selbständige Bestimmung dieser Fraktion. 


Von 


Joh. Feigl. 


(Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses 
Hamburg- Barmbeck.) 


(Eingegangen am 28. November 1917.) 


Nachdem in größeren Untersuchungsreihen normale, patho- 
logisch-physiologische, sowie (in breiter Ausdehnung) pathologische 
Blutsera des Menschen auf den säurelöslichen Phosphor des 
Enteiweißungsvorganges hin beobachtet worden waren, stellte 
sich die Einsicht heraus, daß es sich bei diesen Werten um 
solche grundsätzlich komplexer Natur handele!). Weitergeführte 
Arbeiten erwiesen die Richtigkeit dieser Vorstellung und be- 
legten, daß zwar in der Mehrzahl der Fälle der komplexe Cha- 
rakter unmittelbar praktische Aufgaben nicht stellte, noch zu 
Konsequenzen über die Beurteilung der Zahlen drängte?), daß 
es aber immerhin Anlässe genug gäbe, in denen direkt nach 


1) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch- 
lichen Blutserum I. Säurelöslicher Phosphor bei Gesunden und Kranken I. 
Diese Zeitschr. 81, 380 bis 420, 1917. Ders., Zum gegenwärtigen Stande 
der chemischen Blutuntersuchung, Vortrag im ärztl. Verein zu Ham- 
burg, Sitzung vom 2. Mai 1916. Ders., Diskussion zum Vortrage von 
Th. Rumpel, Beiträge zur Ödemfrage, Ärztlicher Verein zu Hamburg, 
Sitzung vom 3. VII. 1917, Hamb. Ärzte-Corresp. 

2) Besprochen in !) sowie in folgenden Arbeiten, spez. über säure- 
löslichen, anorganischen (Orthophosphat) und restlichen Phosphor bei 
Morbus Brightii. 


396 Joh. Feigl: 


der Entschleierung der summarischen Fraktion gefragt werden 
mußte!). Das Beobachtungsmaterial, das uns in den Stand 
setzte, zunächst einmal bestimmt gerichtete Vorstellungen zu 
schaffen, war seiner Artung nach ein ganz extrem pathoche- 
misches?). An diesem ist nunmehr in der mehrfach angedeu- 
teten Richtung weitergearbeitet worden?). 

Der bisherige Untersuchungsgang war der folgende. Es 
wird der säurelösliche Phosphor nach J. Greenwald im Sinne 
der Enteiweißungs-Veraschungsanalyse bestimmt‘). Nebenher 
wird getrachtet, das vorgebildete Orthophosphat, von dem im 
allgemeinen angenommen wird, daß es den Hauptteil der 
komplexen Fraktion ausmache, als solches zur Darstellung zu 
bringen’). Von vielen diskutierbaren Wegen wurde bisher 
derjenige beschritten, der zu den größten Ausschlägen führen 
mußte®). In Übereinstimmung mit anderweitigen methodolo- 
gischen Studien von J. Greenwald’) sowie von W. Mac Kim 
Marriott, F.H. Haeßler, J. Howland*) wurde das vorge- 





1) Akute gelbe Leberatrophie, Avitaminosen in schwereren Zu- 
ständen u. a. 

2) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch- 
lichen Blutserum III. Säurelöslicher P, Orthophosphat und Restphosphor 
bei Krankheitszuständen. Diese Zeitschr. 83, 218 bis 228, 1917. 

3) Erörterung der Fragen nach Objektivität der Rest-P-Werte usw. 
in Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch- 
lichen Blutserum IV, Orthophosphat und Restphosphor bei Morbus 
Brightii. Zusammenfassung bisheriger Ergebnisse. Diese Zeitschr. $4, 
264, 1917. 

4) J. Greenwald, The estimation of lipoid- and acid-soluble 
phosphorus in small amounts of serum, Journ. of Biol. Chem. 21, 29, 
1915. Hinweise auf ältere Literatur siehe dort. 

5) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch- 
lichen Blutserum II, Säurelöslicher (Gesamt-) P, vorgebildetes Ortho- 
phosphat und „Restphosphor“ beim Gesunden, diese Zeitschr. 88, 1/2, 
81 bis 96, 1917. 

6) Erörtert bei Joh. Feigl über Phosphate II, III, IV, 1. o. 1917. 
Bestimmung von Orthophosphat im nativen Serum, nicht im mit sauren 
Reagentien enteiweißten. Siehe unten im Texte. 

7) J. Greenwald, The nature of the acid-soluble phosphorus of 
serum, Journ. of Biol. Chem. 25, 431, 1916. 

®#, W. Mac Kim Marriott, F. H. Haeßler, J. Howland, 
Determination of phosphorus in small amounts of serum, Journ. of Biol. 
Chem. 24, 18, 1916. 


Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 397 


bildete Orthophosphat aus nativem Serum als Magnesium- 
ammoniumdoppelsalz (zunächst als Rohfällung, dann in gerei- 
nigter Form) isoliert und die Analyse des Phosphors im Sinne 
der mikrochemischen Nephelometrie als Strychnindoppelsalz 
entsprechend der Bestimmung des säurelöslichen Phosphors 
beendet!) Nunmehr wurden die Werte der beiden Verfahren 
einander gegenübergerückt und eine allfällige, weiten Schwan- 
kungen unterworfene Differenz als „Restphosphor“ bezeichnet. 
Wie gesagt, zeigt der Restphosphor die Anlage zu erheblichen 
Abwandlungen im Bereiche pathochemischer Umstimmungen. 
Es sei in dieser Hinsicht auf Studien hingewiesen, die bereits 
formuliert und mitgeteilt wurden, und denen einstweilen nur 
die Absicht unterstellt war, an großen Ausschlägen für den 
Restphosphor dessen Natur und mittelbare Bedeutung zu um- 
reißen?). Doch ließen schon die bisherigen Beobachtungen 
über die Verhältnisse der Norm*), über die Sachlage bei 
Nephritiden‘), über schwere Destruktionsvorgänge°) den Schluß 
zu, daß der Restphosphor unter Umständen ein praktisches 
Interesse auf sich vereinigen könne Es zeigte sich näm- 
lich nach Verf. Beobachtungen, daß die typischen Formen 
akuter und chronischer Glomerulonephritiden verschieden orien- 
tierte Bilder entwerfen können und daß dabei der Rest- 
phosphor eine differenzierende Stellung ermöglichte, die mit 


1) Zurückführung aller unmittelbar analytischen (Bestimmungs-) 
Maßnahmen auf dieselbe Methodik. Die Magnesiafällung dient nur zur 
Isolierung. Es wurde nicht mehr das Originalreagens von J. Pouget 
und D. Chonchak (1911) nach J. Greenwalds ursprünglicher Vor- 
schrift benutzt (Neigung zu inkonstantem Verhalten usw., siehe l. c. !) 
Joh. Feigl über Phosphate I, 1917), sondern die verbesserten neuen 
Darstellungsmethoden von P. A. Kober und G. Egerer 1913, l. c. 3. 

2?) Siehe Joh. Feigl über Phosphate IV, I. c. 1917. Die extremen 
Vorkommnisse des Rest-P wurden bisher der Hauptsache nach nicht aus 
kasuistischen Interessen, sondern aus methodologischen benutzt. 

>) Joh. Feigl über Phosphate II, 1. c. 1917. Grenzen des Rest-P 
absolut (Extrem der Norm, nicht engere Durchschnittsgrenzen!) 0,2 mg 
bis 0,9 mg P für 100 ccm Serum = 8°/, bis 23°), des gesamtsäurelös- 
lichen P. 

4) Joh. Feigl, Über Phosphate I, 1917, 402 bis 409 und über 
Phosphate IV, 1917. 

5) Joh. Feigl, Über Phosphate III, spez. Avitaminosen, akute 
gelbe Leberatrophie, „Lagererkrankung“. 


398 Joh. Feigl: 


den übrigen einschlägigen Kennzeichen des Gebietes der Kry- 
stalloidfraktionen im Blute (bzw. im Serum) zusammengefaßt '), 
sachlich brauchbar sein dürfte. Feigl und Luce beschrieben 
eingehend Umstimmungen bei akuter gelber Leberatrophie und 
haben an mehreren Fällen die Meinung gewonnen, daß der 
Restphosphor prognostische Bedeutung erlangen könnte’). 
Weitere destruktive Zustände schwerer Art erreichen, daß der 
Restphosphor auch mit anderen Vorstellungen unter Umständen 
verknüpft werden könnte. Es handelte sich in dieser Hinsicht 
nach Verf. um echte Avitaminosen im schweren Verlaufe®) 
sowie um komplizierte Erscheinungen avitaminosenartigen, äu- 
Beren Charakters, die sich als Inanitionsvorgänge auf der Basis 
vorhergeschehener Infektionen darboten‘'). 

Immerhin liegt bisher genügend Material vor, das zu der 
Meinung berechtigt, die bisherige Differentialanalyse liefere eine 
rechnerische Größe, den Rest-P, die, wennschon bisher einseitig 
umschrieben, überwiegend objektiven Charakters sei. Die einst- 
weiligen Betrachtungen wurden nach der zunächst bestehenden 
Möglichkeit angestellt; auf sie sei verwiesen. Besonders her- 
vorheben möchten wir, daß nach des Verf. und Greenwalds 
Versuchen und Erfahrungen der mögliche Einwand einer Fäl- 
lungshemmung für das Ammoniummagnesiumphosphat als 


1) Vorläufig erörtert für chronische Formen in Phosphate IV, 1917. 
Parallel betrachtet mit den Verhältnissen der Struktur des gesamten 
Nichteiweißstickstoffes im Blute, Kreatinin und Kreatin ; bei Joh. Feigl, 
Über das Vorkommen von Kreatin und Kreatinin im Blute bei Gesun- 
den und Kranken I, diese Zeitschr. 81, 1/2, 14 bis 80, 1917, und Vortrag 
l. c. sowie *). 

2) Joh. Feigl und H. Luce, Neue Untersuchungen über akute 
gelbe Leberatrophie I, Über den Reststickstoff des Blutes usw., diese 
Zeitschr. 79, 3/4, 162 bis 202, 1917, Festschrift für Joh. Orth. Die- 
selben, Neue Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie III, 
Fette und Lipoide, diese Zeitschr. 1918. — Dieselben, Neue Unter- 
suchungen über akute gelbe Leberatrophie IV, diese Zeitschr. 1918. 

3) 1. ce. 2. 

14) Th. Rumpel und A. V. Knack, Dysenterieartige Darmerkran- 
kungen und Ödem, Deutsche med. Wochenschr. 42, 44 bis 47, 1916, 
sowie Joh. Feigl, l. c. über Phosphate III, 1917. A. V. Knack und 
J. Neumann, Beiträge zur Ödemfrage, Deutsche med. Wochenschr. 
1917, 19. Juli. Joh. Feigl, Beiträge zur deskriptiven Biochemie von 
Ödemzuständen, diese Zeitschr. 1918. 


Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 399 


solcher (in grundsätzlicher Natur) kaum anerkannt werden 
konnte'). Die einschlägigen Erfahrungen des Verf. können hier 
genannt werden. 

Die Weiterbildung unserer Kenntnisse von dem vor- 
liegenden Gebiete erstrebte nun Verf. auf verschiedenen 
Wegen. Einmal soll hier auf die anschließenden Erfah- 
rungen über die Kasuistik des normalphysiologischen 
Restphosphors unter alimentären Bedingungen, ferner 
über die der pathochemischen Umstimmungen hinge- 
wiesen werden. Unter letzteren sind sehr viel praktisch wich- 
tige Gesichtspunkte — wir nennen Geisteskrankheiten, Arthritis, 
Diabetes als Typen für Lipoidumlagerung, für Beziehungen 
zur Harnsäure, zur Störung des Kohlenhydratstoffwechsels — 
hervorgetreten?). Verf. und Reinhard haben, ausgehend von 
der Beobachtung einseitiger Pathologien des Blutbestandes, 
auch die Wirkungen von Strahlen auf den Lipoidhaushalt bei 
an sich Gesunden mit gewissem Erfolge in den Kreis der 
Betrachtungen gezogen). 

Wenn uns auf diesem Gebiete viel deskriptives 
Material zu Gebote steht, so müssen wir doch von 
vornherein die methodologischen Verhältnisse weit 
energischer berücksichtigen. Einmal hat sich gezeigt, 
indem den Beziehungen des säurelöslichen, des anorganischen 
(Orthophosphats), des restlichen P untereinander und zu phos- 
phorhaltigen höheren (kolloiden) Gebilden Rechnung getragen 
wurde‘), daß Analysen des Leecithins (Bloor), des Lipoid-P 
(Greenwald), der Verteilung der Fettsäuren (Bloor), der 


!) Erörtert bei Joh. Feig], Über Phosphate II, III, IV, 1917. 
Hinweis auf die Dialysenversuche. 

2) Die Frage der Beziehung des säurelöslichen P zur Harnsäure 
des Blutes bei urämischen Zuständen (Gicht, Leukämie); bei Joh. 
Feigl, Über Gesamtreduktion und Restreduktion des Blutes in Bezie- 
hung zu den reduzierenden Komponenten des RN, diese Zeitschr. 77, 
189 bis 232, 1916, sowie Vortrag (1916) und Diskussion (1917). 

3) Versuche an Malariaerkrankten und Gesunden von Verf. in Ver- 
bindung mit P. Reinhardt. Beobachtung über einen Fall von ex- 
tremer Insolation mit E. Querner. 

*) Nach letzten Erfahrungen müßten geeignete, lipämische Fälle 
geprüft und die Beziehung von Lecithin bzw. von Lipoid-P zu den Kom- 
ponenten des krystalloiden P näher studiert werden. 


400 Joh. Feigl: 


Purine (Benedict) usw. gemacht und ihre Ergebnisse parallel 
diskutiert werden mußten'!). Durch die Verkettung und Gegen- 
überstellung wurde, wie z. B. bereits von Feigl sowie von 
Feigl und Luce in größeren Reihen mitgeteilt‘), Zusammen- 
hang in die äußeren Erscheinungen bei gewissen Pathochemien 
gebracht und die Anknüpfung an ältere Experimentalarbeiten 
(A. Bornstein, G. Peritz, W. Klein und L. Dinkin?) usw.) 
für gewisse Gebiete erstrebt und hergestellt. Den nach bis- 
herigen, methodischen Gesichtspunkten in erörterter Beurteilung 
gewonnenen, deskriptiven Materialien über die Kasuistik des 
Restphosphors, über die anschließend zu berichten ist, setzen 
wir Versuche vergleichend analytischen Charakters voran. 
Diesen liegt die Absicht zugrunde, den bisher rein 
rechnerisch als Differenz zweier selbständiger Ver- 
fahren formulierten Restphosphor objektivineigenen 
Werten darzustellen. Auf diesem Wege hoffen wir, die 
durch seine weiten Schwankungen geschilderte Existenz exakt 
zu kennzeichnen und dabei den ersten Schritt zu tun in dem 
Bestreben, über seine Art, Natur, Bindungsformen, Gewicht etwas 
auszusagen. Hier muß der Anschluß an die Pathochemie der 
Organe angestrebt werden °’). 

Naturgemäß mußte auch hier extrem geartetes patho- 
chemisches Material die Versuchsbedingungen bestimmen. Wir 
benutzten einstweilen Sera‘) aus 

zwei Fällen von akuter gelber Leberatrophie (1, 2), 

einem nach größeren Gaben von Lecithin (tech- 
nisches Präparat) mit anschließendem, (zufällig) klinisch als 
notwendig erwiesenen Aderlaß (chronische Nephritis) (3), 

einem von Paralyse (schwerer Fall) 
sowie in 

einem Falle Serum von Ödemen nach Dysenterie- 
infektion (4, 5). 

in einem ferneren Falle von schwerer Diabetes. 


1) Joh. Feigl und H. Luce, l. o. Über akute Leberatrophie III 
und IV, 1918. Joh. Feigl, 1l. c. Über Ödemerkrankung, 1918. 

2) Literaturhinweise bei Joh. Feigl, Über Phosphate I, 1917. 

3) Bisherige Versuche lassen der Vermutung Raum, daß toxische 
Einflüsse (bzw. an den Körperchen) sowie Umstimmungen im Muskel- 
bestande hier neben sonstigen Anlässen eine Rolle spielen können. 

+) Fälle Nr. 1, 2 bei Feigl und Luce (Mischsera). 





Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 401 


Bei allen hatte die Analyse in kleinerem Maßstabe relativ 
hohe Restphosphorwerte ergeben. Die Durchführung geschah 
auf folgenden Wegen. Vorbereitung durch Enteiweißung blut- 
freien Serums nach J. Greenwald mit Pikrinessigsäure im 
Verhältnis von 1:5, Abnutschen, Nachklären mit mittelfeinem 
Glaspulver und Analyse des Filtrates!),. Ein angemessener 
Teil wurde mit Magnesiamixtur, Ammoniak, Ammoniumchlorid 
kalt bei sorgfältigem Vorgehen, Mischen, Schütteln mit Filtrier- 
papierschnitzelchen, Stehen im Eisschrank (12 Stunden), Fil- 
tration durch ein geeignetes Filter und Bestimmung des Nieder- 
schlages (als Ammoniummagnesiumphosphat) zunächst auf prä- 
formiertes Orthophosphat untersucht. Das Filtrat wurde noch 
einmal sorgfältig filtriert und nach kaltem Stehen durch Tages- 
frist auf Klarheit nachgesehen. Dann wurde es im Autoklaven 
2 Stunden oder mehr auf 110° erhitzt. Die Fristen und Druck- 
höhen wurden variiert. Dabei erschien zumeist ein erst später 
deutlich an dem charakteristischen Aussehen erkennbarer, kry- 
stallinischer Niederschlag). In einzelnen Fällen, besonders 
solchen mit mäßigem Rest-P, wie sie in nicht extremen patho- 
logischen Zuständen bei größerer Sammelarbeit angetroffen 
wurden, hat es sich als zweckmäßig erwiesen, die Filtrate vor- 
her angemessen einzuengen. Ferner wurden die orthophosphat- 
freien Reaktionsfiltrate für sich im Kjeldahlkolben eingedampft, 
verascht mit Säuregemisch und pikrinsäurefrei (nach eventu- 
ellem Umfällen) gemacht. In allen Fällen wurde — wahrschein- 
lich lassen sich die Einzelabschnitte des Analysenganges für 
spätere, unmittelbar praktische Arbeit näher präzisieren — die 
Magnesiafällung nur zur Isolierung, nicht zur Bestimmung 
herangezogen. Sie wurde abfiltriert, bzw. zentrifugiert, in dün- 
ner Zitronensäure oder Salzsäure nochmals gelöst, umgefällt, 
im Zentrifugenglase gesammelt und gewaschen (nach allgemeinen 
analytischen Vorbedingungen), schließlich (sie hält ziemlich lange 
Pikrinsäure in Spuren als Ammoniumsalz fest) verascht und 
nach der Strychninphosphormolybdatmethode nephelometrisch 





1) Nachgebildet der modifizierten (späteren, für präparativ-makro- 
analytische Verhältnisse) Vorschrift von J. Greenwald, The nature of 
the acid soluble phosphorus, 25, 431, 1916. 

2) Derselbe kann je nach den Verdünnungen unter Umständen 
variierende, nicht unbeträchtliche Mengen Pikrat mit einschließen. 


402 Joh. Feigl: 


auf Grund des Reagenses von P. A. Kober und G. Egerer 
endgültig bestimmt. 

Die hauptsächlichen Ergebnisse sind in der anschließenden 
Tabelle aufgeführt. Ihre Anordnung ist im großen dieselbe, 
wie sie in den früheren Ergebnissen über Restphosphor be- 
tätigt wurde!) Es wird unmittelbar der gesamte säurelösliche 
Phosphor nach Greenwald angegeben. Daneben folgt das 
Orthophosphat, berechnet als P — die Analyse der Nephelo- 
metrie ergibt direkt die fraglichen Werte —, dann folgt der 
Rest-P, indem er, wie folgt, aufgeführt wird. Zunächst figuriert 
er als rechnerische (Differenz) Größe aus dem säurelöslichen P 
und dem aus nativem Serum unmittelbar gefällten Orthophos- 
phat-P. Dann folgt in den beiden Rubriken die Nennung der 
gleichen Werte, jedoch gegründet auf die Fällung aus dem 
(nachgeklärten) Pikrinessigsäureextrakt. Dabei erscheint nach 
obigen kurzen Richtlinien der Bestimmungsmethode der Rest-P 
in selbständig ermittelten Werten, die über das Ammonium- 
magnesiumsalz nach dem nephelometrischen Modus gewonnen 
wurden. Die früher befolgte Durchrechnnng der P-Verteilung 
nach Prozenten der komplexen Größe des säurelöslichen Ge- 
samt-P findet sich im Texte. Beim Rest-P erscheinen un- 
abhängige Doppelanalysen und ihr Mittelwert. 

Nebenangaben finden sich unter der Tabelle in Anmer- 
kungen?). Vorher soll allgemein bemerkt werden, daß hier 
nicht deskriptiv-pathologische bzw. pathologisch-chemische Ab- 
sichten verfolgt wurden, weshalb mehrere diesbezügliche An- 
gaben über die Art der Fälle und ihre Zusammenhänge fehlen?). 


Tabelle I. 


Beobachtungen über den Restphosphor in pathologischen 
Seren. Säurelöslicher P, Orthophosphat-P (direkt, aus nativem Serum 
bzw. im eiweißfreien Pikrinessigsäureextrakt) und Rest-P (rechnerisch 

1) Joh. Feigl, 1. ec. Über Phosphate II, Tabelle I, 89, 1917; Über 
Phosphate III, Tabelle I, 222, Tabelle III, 224, 1917; Über Phosphate IV, 
Tabelle I, 235, 1917. 

2) Besondere Sorgfalt wurde auf Auswahl und Eigenschaften der 
Reagenzien selbst wie der Filtrierpapiere gelegt. 

3) Zur Analyse wurden die Phosphatmengen nach Auflösung in 
Säure im Sinne der Anforderungen durch die Methode von Greenwald 
verdünnt. 


Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 403 


als Differenz bzw. durch getrennte Bestimmung im Extrakt) in Doppel- 
analysen. Gegenüberstellung der Werte. 


Milligramm P in 100,0 ccm Serum (frei von O,Hb, Hb, MtHb). 








Orthophosphat- u 
(anorganischer) P Rest-P 







Säurelösl. 
Lfdr. Fall 
ee (Gesamt-) 














(e. Text) direkt | i. Extr. Be selbständig bestimmt 
a b | Mittel 
1 3,2 2,5 2,9 2,7 
2 3,5 4,0 3,4 3, 
3 3,4 3,5 3,1 3,3 
4 1,8 2,2 1,8 2,0 
5 1,5 1,2 1,4 1,3 
6 3,8 3,1 3,5 3,3 





Bemerkungen: 1. 100 ccm Serum enteiweißt für Orthophosphat-P 
und Rest-P aus Extrakt je 50,0 ccm; 2. 100 com Serum desgleichen, 
3. 180 ccm Serum, je 75,0 ccm für die Analysen; 4. 90 ccm Serum, je 
40,0 für die Analysen; 5. 80,0 ccm Serum, je 30 ccm für die Analysen; 
6. 100 ccm Serum, je 45 cem für die Analysen. Fällungen aus un- 
verdünntem Extrakt (nach Entfernung des Orthophosphat-P) 1, 2, 3 je 
einmal; nach Greenwald aus verdünntem Extrakt je einmal, dann 
auf je 50,0 bis 100,0 com eingeengt zur Rest-P-Fällung. In den übrigen 
Fällungen wurde das Filtrat nach Orthophosphatfällung stark eingeengt. 
Rest-P in Prozenten des Gesamt-P (Mittel): 30°/, (1), 30°/, (2), 23%, (8), 
250/ (4), 26°/, (5), 40°/, (6); Orthophosphat-P desgleichen: 70°/, (1), 
70%, (2), 77%, (3), 75°% (4), 74%, (5), 60°, (6 stark abgerundet). 


Die Betrachtungen zu der Tabelle bedürfen vorweg eines 
Hinweises. Dieser bezieht sich auf die Isolierung des Ortho- 
phosphatphosphors. Während in den früheren Untersuchungen 
mit bestimmter Absicht nur die Erzielung des größten Aus- 
schlages der Differenz — des Rest-P — zum Zwecke offen- 
sichtlicherer Förderung der Frage der Weg der Ausfällung aus 
nativem Serum beschritten wurde, hat bisher ein äquivalentes, 
naheliegendes Arbeitsschema sich nicht finden lassen, da, wo 
der Rest-P in selbständigen, direkten Werten gefunden werden 
sollte. Es ist nach weiteren, im Bereich normal gearteter 
Sera ausgeführten Analysen des Verf. kaum anzunehmen, daß 
der P des Orthophosphates gleich ausfallen kann bei der di- 
rekten Isolierung wie die der geeigneten Fällung im sauren 
Extrakte nach der Enteiweißung. Es ist weiterhin nicht tun- 
lich, anzunehmen, daß die fraglichen, doch recht abweichenden 
Grundlagen da, wo der Rest-P zu absolut und relativ beträcht- 


lichen Höhen (gegen die Verhältnisse der Norm) anwächst, 
Biochemische Zeitschrift Band 86. 27 


Joh. Feigl: 


sich soweit zu nähern vermöchten, daß sie sich vermischen. 
Die Angelegenheit bedarf anderer Hilfen — besonders der 
Übersicht über die Ermittelung alkalischer Qualitäten. Daß 
diese in unseren „extremen“ Fällen samt und sonders erheb- 
lich gedrückt waren, wie die Bestimmung der einfachen Titra- 
tionsalkalescenz nach Konikoff erwies, sei hervorgehoben +). 
Wie dem auch sei, diese Versuchsreihe wird die Aufgabe nach 
sich ziehen müssen, direkte Analysen über den Rest-P zu 
machen auf der Basis der Enteiweißungsmethodik, wobei natur- 
gemäß die Orthophosphatwerte im selben Stadium erzielt 
werden müssen. Dabei werden dann alle Ermittelungen auf 
die gleiche Grundlage gestellt, was bisher durch die Analyse 
des Orthophosphates im nativen Serum nicht der Fall war. 
Immerhin glauben wir, daß der maßgebende pathochemische 
Anteil des Rest-P unserer Fälle nicht ein solcher ist, der De- 
struktionen durch das saure Enteiweißungsgemisch bei den 
gegebenen Versuchsbedingungen erfahren könnte. Es haben 
sich nach zahlreichen Angaben der Literatur dem Verf. immer 
wieder Bestätigungen für die Tatsache ergeben, daß die sauren 
Ester oder andersartigen Komplexgebilde der Phosphorsäure 
die Acidität des Enteiweißungsverfahrens bei den gewählten 
Zeit- und Temperaturverhältnissen zu ertragen vermögen?). 
Anders wird das bei bestimmten anorganischen Salzen und 
chemischen Komplexen empfindlicherer Art liegen. Deshalb 
wird vielleicht in der Norm der Restphosphor des sauren 
Enteiweißungsextraktes ein anderer — mitunter niedrigerer — 
sein dürfen als die gleiche Größe, wie sie aus der Differenz 
von säurelöslichem (Gesamt-)P und dem Orthophosphat aus 
nativem Serum hervorgeht. Auf diese Verhältnisse werden wir 
später zurückkommen. 

Die Isolierung und Bestimmung des säurelöslichen P nach 


1) Vorbehandlung durch Ausfällung von Proteinen usw. sowie den 
Ca-Salzen durch Enteiweißung mit Monokaliumphosphat (nachfolgende 
Titration gegen Thymolphthalein). Gewisse Parallele zu den Harnacidi- 
tätstitrationen nach O. Folin und F., Moritz bei J. Feigl, l. c. über 
Ödeme, 1918. 

2) W. Heubner fand, daß die Mo-Fällung (verbesserter Faktor 
gegen N eumann) die Trennung der anorganischen von organischen P- 
Stoffen bei 37° gestatte. S. später bes. G. Embden und Schüler. 


Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 405 


eigenen ausgedehnten Erfahrungen als stichhaltig voraussetzend, 
werden die fraglichen Zahlen als Mittel von Doppelwerten 
genannt. Es fällt auf, daß die Zahlen für „Orthophosphat-P“ 
sich bei den zwei Methoden nicht völlig decken. Überwiegend 
ist die Erscheinung höherer Werte auf Kosten der Fällung im 
pikrinessigsauren Enteiweißungsfiltrate; die Abweichungen be- 
tragen um 15°/, bei Fall 1 (Leberatrophie) und Fall 6 (schwerer 
Diabetes), erheblich weniger bei Fall 3 (Lecithinversuch bei 
chronischer Nephritis), bei Fall 4 (Ödemerkrankung nach 
Dysenterien), ebenso bei Fall 5 (desgleichen). Ausnahme: 
Fall 2 (Leberatrophie). Die Abweichungen unter den Einzel- 
analysen für Restphosphor sind augenscheinlich. Wird der 
Mittelwert dem berechneten Restphosphor gegenübergerückt, 
so ergeben sich Abweichungen zumeist der Art, daß letzterer 
überwiegt. Immerhin will dem Verf. nach dem Ausfall seiner 
bisherigen Versuche scheinen, als ob die Übereinstimmung eine 
solche sei, daß prinzipielle Schlüsse aus ihr gezogen werden 
dürften'). 


Wir möchten also aus den vorliegenden Analysenergeb- 
nissen zunächst für die Natur der fraglichen Blutsera und ihrer 
Arbeitsbedingungen die Auffassung aussprechen, daß es gelungen 
ist, den „Restphosphor“ nun auch in Werten selbständiger, 
unmittelbarer Analysenverfahren zur Darstellung zu bringen 
und somit seine Existenz nach deren Objektivität zu erhärten, 
Für letztere spricht auch die Tatsache, daß bei unseren Ver- 


1) Über die zur einstweiligen Benutzung vorgeschlagenen Nomen- 
klaturen, die aus rein praktischen Bedürfnissen der Kennzeichnung her- 
geleitet wurden, sei der Hinweis gestattet, daß der „säurelösliche P“, 
der auch als Gesamt-P geführt wird, letzteren Zusatz nur für die Frak- 
tion des krystalloiden P trägt. Der Gesamt-P des Serums überhaupt 
würde den Lipoid-P, den proteingebundenen P (mitgewertet nach J. 
Greenwald) umfassen gemeinsam mit der Krystalloidfraktion (säure- 
löslicher P). Die einstweilen „Rest-P“ genannte Größe, formal anklingend 
an „Reststickstoff“ und „Restreduktion“, entspricht daher sinngemäß 
der ersteren nicht genau, wie sich aus der beiderseitigen Gegenüberstel- 
lung zu den betr. Krystalloidfraktionen ergibt. Inzwischen ist der RN 
(passender: Nichteiweißstickstoff im Sinne der amerikanischen Autoren) 
aufgeteilt; die unserem RN verwandte Benennung „residual N“ ist der 
nicht bestimmte bzw. nicht geklärte Anteil einiger Methoden. Er würde 
dem Rest-P gleichen. J. Feigl, a. a. O. 

27* 


406 Joh. Feigl: 


suchsmaterialien — die ja ein außerordentlich günstiges Cha- 
rakteristikum enthalten in der Struktur des säurelöslichen 
Gesamt-P durch hohe Anteile im Rest-P — der errechnete 
Rest-P und der selbständig bestimmte sich weitgehend nähern. 
Will Verf. vorsichtig urteilen nach den bisher vorgelegten Be- 
obachtungsstoffen, so kann gesagt werden, daß es bei geeig- 
neten „extremen“ Fällen mit eigenartiger P-Verteilung gelingt, 
den Rest-P unmittelbar analytisch zu beschreiben. Doch kann 
er auch hier schon darauf hinweisen, daß ihm weitere Ver- 
suche zu Gebote stehen, unter diesen selbst solche, die un- 
günstige Verhältnisse boten (geringer Rest-P) und andererseits 
[durch eigenartige Zufälle!)] auch derartige, in denen der Rest-P 
relativ noch höher ausfällt als in vorliegenden. Des weiteren 
werden zu untersuchen sein die Fällungsbedingungen von 
Phosphaten in pikrinessigsaurer Lösung sowie die einzelnen 
Abschnitte der bisher befolgten Nachweis-Isolierungs- und Be- 
stimmungshandhabungen. Vieles kommt, wie früher betont, 
auf die Ergiebigkeit der Isolierungsmethodik an. Frühere 
Versuche des Verf. laufen in ähnlicher Richtung wie einige 
von J.Greenwald, namentlich in der Anwendung der Molyb- 
dänfällung auf das Enteiweißung-Extrakt?). Andere zielen da- 
hin, die Mittel der Eiweißfällung zu variieren. Fernere kann man 
an Stelle der Nephelometrie die Colorimetrie der reduzierten 
Molybdänfällung im Sinne einiger jüngerer Autoren setzen?). 
Letztere hat indes nicht die Reichweite, wie sie dem Strych- 


1) In zwei Fällen von schwerem Diabetes fand sich der Rest-P in 
höheren Beträgen als der Orthophosphat-P. 

2) Die Beobachtung von J. Greenwald, l.c., 2. Mitteilung, 1916, 
daß der Molybdänphosphorsäureniederschlag, aus pikrinsaurer Lösung 
gefällt, gewisse Unterschiede im Verhalten gegen Solventien zeige und 
danach vermutlich anders gebaut sei, kann Verf. an dieser Stelle bestä- 
tigen. Die Folge dieses Verhaltens ist die Schwierigkeit, aus der Mo- 
Fällung eine Analyse zu entwickeln, die dem Mo-Gehalt zur mittelbaren 
Grundlage macht und die daher dazu anregt, andere Enteiweißungs-Extrak- 
tionsmittel an Stelle der Pikrinessigsäure zu setzen. Dabei würde das 
Ziel die Gewinnung normaler Mo-Verbindungen sein. 

3) Anschließend an die Gewinnung konstant zusammengesetzter 
Mo-Fällungen mit bestimmtem Mo-Gehalt sind von A. E. Taylor und 
C. W. Müller sowie E. Riegler in neuester Zeit P-Bestimmungen 
colorimetrischer Natur entwickelt worden. Auf diese kommen wir zurüok. 


Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 407 


nindoppelsalze der Phosphormolybdänsalze eigen ist. Über 
diese Versuche sowie über weiteres zur analytischen Chemie 
des Rest-P soll anschließend berichtet werden, um so mehr als 
nach der prinzipiellen Klarstellung eines Teiles der Aufgabe 
die Forderung wieder in den Bereich der Möglichkeit rückt, 
die rein analytische Größe zu praktischklinisch leichter erreich- 
baren zu machen. Eine andere Sache ist die methodologische 
` Durcharbeitung der im vorstehenden eingehender beschrie- 
benen Untersuchungen auf Grund gravimetrischer Verfahren 
nach makrochemischer Art, so wie sie von J. Greenwald in 
seiner späteren Mitteilung über die Natur des säurelöslichen P 
und seine Größenbemessungen betätigt worden ist. Diese wurden 
vom Verf. gleichfalls aufgenommen und in breiterer Ausdehnung 
angewendet, wie schon hier erwähnt werden darf. Alle noch 
so verschiedenartigen Wege laufen in dem Ergebnisse zusammen, 
daß es gelingt, den Rest-P nicht nur rechnerisch, sondern auch 
in objektiven Befunden unmittelbar selbständiger Verfahren 
darzustellen. Materialien verschiedener Artung aus patho- 
chemischen Anlässen belegen das eigenartige Verhalten dieser 
Größe, die bei gewissen Zuständen geradezu charakteristisch 
genannt werden darf, und die in der Untersuchungsreihe von 
Feigl und Luce anscheinend die Bedeutung eines Frühsym- 
ptoms für die Prognose und Verlauf der akuten Leberatrophie 
sich errungen hat!). 
Schlußsätze. 


Auf Grund des Enteiweißungsvorganges mit Pikrinessig- 
säure nach J. Greenwald gelingt es, den säurelöslichen 


1) Verf. hat a. a. O. (Über Ödeme) 1918 darauf hingewiesen, daß 
bei Avitaminosen und ähnlichen Zuständen im Einklange mit experimen- 
tellen Ergebnissen an Tieren bei einseitiger (Hafer-)Fütterung im Früh- 
verlaufe der gelegentlich beträchtlich erhöhte RN vorwiegend durch 
UrN beherrscht wird und daß der Endverlauf die von Fei gl und Luce 
(l œ) 1917 die Erscheinungen hoher RN-Werte mit überwiegendem 
Amino-N zeige, während sich gelegentlich (ebenda) Übergänge beobachten 
ließen, die im RN ein mittleres Verhalten — absolut hoch mit etwa 
normaler Struktur oder 50°], UN — zeigten. Die Rest-P- bzw. Gesamt- 
P-Verhältnisse passen sich diesen Beziehungen anscheinend regelmäßig 
an, indem zunächst absolut und relativ viel Orthophosphat-P mit etwa 
subnormalem Rest-P auftritt und der Ablauf die geschilderten Erschei- 
nungen von hohem Rest-P wiedergibt. 


408 Joh. Feigl: 


Phosphor zu isolieren, eine Größe, die von Verf. an vielsei- 
tigem Materiale gekennzeichnet und umschrieben wurde. Diese 
Ergebnisse sprechen gegen die gleichfalls sehr neue Auffassung 
[A.E. Taylor und C.W.Miller')], im Serum komme Phosphat-P 
in Spuren vor, die unterhalb der Schwelle guter Methoden 
liegen. Der komplexe, säurelösliche Phosphor zeigt neben großen 
pathochemischen Schwankungen auch weitgehende Struktur- 
differenzen. 

Bestimmt man den Orthophosphat-P aus nativem Serum, 
was nach neuesten Arbeiten praktisch zureichend gelingt, so 
tritt gegen erstere Größe eine rechnerische Differenz, der Rest- 
phosphor, auf. Diese zeigt nach Verf. beträchtliche Um- 
stimmungen bei Krankheitszuständen. 

Erwägungen methodenkritischer und analytischer Art zeigen 
das Interesse, den rechnerischen Rest-P, dessen Existenz 
durch vielfältige Beobachtung wahrscheinlich gemacht und 
durch große absolute und relative Schwankungen näher erläu- 
tert und erhärtet worden ist, in objektiven Befunden 
und selbständigen Analysen zur Anschauung zu bringen. 
Dies gelingt durch Übertragung der Analysen des Orthophos- 
phat-P wie des Rest-P auf saure, eiweißfreie Extrakte bei 
extremen Blutzusammensetzungen pathochemischer Fälle. Beide 
Ergebnisse über die Größe des Rest-P, je nach Isolierung des 
Orthophosphat-P, nähern sich in den genannten Fällen stark: 

Damit ist der Nachweis seiner Existenz in gewisser Hin- 
sicht, wenn auch nach einseitigen Grundlagen, genügend geführt. 
Die Beobachtung mag ihrerseits dem Urteile von Taylor und 
Miller über die Frage des Vorkommens von krystalloiden P 
im Serum entgegengehalten werden; doch schwebten den Au- 
toren pathologische Zustände der Phosphatämie nicht vor, 

Weitere Aufgaben aus dem angeschnittenen Gebiete liegen 
zunächst in der Analyse des säurelöslichen, des anorganischen 
des restlichen P. Sie sind methodologischer und analytischer 
Natur und oben gestreift. Überdies sind sie aber auf deskriptiv- 
biochemische bzw. pathochemische Fragen gerichtet, insofern 
als die Kasuistik des Rest-P eingehender und reichlicher zu 


1) A. E. Taylor und C. W. Miller, Journ. of Biol. Chem. 18, 
215, 1914. 


Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 409 


pflegen ist, wobei der Anschluß an ältere Arbeiten über Lipoid-P 
des Serums, an neue einschlägige Methoden und Ergebnisse 
sowie die Herstellung der Beziehungen beider Hauptgruppen 
des P-Vorkommens erstrebenswert sind. 

In den genannten Richtungen hat Verf. weitergearbeitet 
und setzt bisher vorliegende Beobachtungen fort. Gegenstand 
fernerer Mitteilungen werden Abschnitte der besprochenen Auf- 
gaben bilden. 

Die Fachgenossen bittet der Verf. um freundliche Über- 
lassung des gekennzeichneten Arbeitsgebietes für einige Zeit, 
um die größtenteils schon weitgehend geförderten Fragen des 
mehrfach angegebenen Programms vorläufig zu Ende führen 
und die verschiedenartigen, noch bestehenden Schwierigkeiten 
der Gewinnung und Beurteilung von Ergebnissen beheben zu 
können. Herr cand. phil. et med. H. Kleinmann ist an den 
genannten Arbeiten derzeit beteiligt. 


Ist die Kohlensäurebindung des Blutserums als Maß für 
die Blutreaktion verwendbar? 


Von 


K. A. Hasselbalch und E. J. Warburg. 
(Aus dem Laboratorium des Finsen-Instituts, Kopenhagen.) 


[Eingegangen am 2. Dezember 1917 ] 
Mit 5 Figuren im Text. 


Die chemisch gebundene Kohlensäuremenge einer reinen 
Natriumbicarbonatlösung bleibt bei jeder CO,-Spannung be- 
kanntlich dieselbe (während die Menge der freien Kohlensäure 
mit der steigenden CO,-Spannung proportional anwächst). 

Löst man in der Flüssigkeit einen Ampholyten — d.h. 
einen Stoff, der bei hohem py als Säure, bei niedrigem 
Pr als Base, und bei mittlerem py, im isoelektrischen 
Punkte. als Neutralsalz wirkt — und betrachtet man bei 
steigender CO,-Spannung die Mengen der gebundenen Kohlen- 
säure, so wird man natürlich nur bei isoelektrischer Reaktion 
die vorher konstante Größe wiederfinden; bei größerem py 
(niedriger CO,-Spannung) wird weniger, und bei niedrigerem py 
(hoher CO,-Spannung) wird mehr Kohlensäure chemisch ge- 
bunden als vorher. 

Indem nun die Wasserstoffzahl der NaHCO,-Lösung bei 
Verdoppelung der CO,-Spannung verdoppelt wird, kann man 
mit Sicherheit die prinzipielle Form der CO,-Bindungskurve 
(Abszisse: die CO,-Spannung, Ordinate: die chemisch gebundene 
CO,-Menge) voraussagen. Diese Kurve wird zu Anfang rasch, 
später immer langsamer ansteigen, wobei die prinzipielle Über- 
einstimmung mit der CO,-Bindungskurve des Blutes sofort in 
die Augen fällt. 


Hasselbalch u. Warburg: Ist d. CO,-Bindg. d. Bluts. usw. verwendbar? 411 


Als eine Demonstration dieser Sachlage kann die unten- 
stehende Bestimmung der CO,-Bindung einer Glykokoll-Lösung 
mit Natriumbicarbonat dienen. 

Tabelle I. 


Glycin 0,609-n, NaHCO, 0,025-n, Temp. 38°. 
mm CO, Vol.-°/,CO,, gebunden PH 


3,1 18,2 8,09 
7,4 29,3 7,90 
18,3 39,1 7,61 
43,0 46,1 7,30 
89,1 51,1 7,02 
147,1 53,1 6,82 


200,6 54,2 6,70 





Fig. 1. Kohlensäurebindungskurven. 


a SEHR }in 0,025-n NaHCO,-Lösung. 


Fig. 1 ist eine graphische Darstellung dieser Versuchs- 
ergebnisse und zeigt zugleich die Wirkung eines anderen Am- 
pholyten, nämlich des Oxyhämoglobins'), auf die CO,-Bindung 
der NaHCO,-Lösung. 

Die reine ®/,,NaHCO,-Lösung (Tab. I) würde bei jeder 


CO,-Spannung 

exi 56,0 Vol. °), CO, 
in gebundener Form enthalten (Normalvolumen der Gase 22,4 1). 
Bei den obenstehenden Bestimmungen ist die CO,-Bindung der 
Lösung überall kleiner als 56 Vol.-°/,, d. h. wir befinden uns, 


auch bei der höchsten benutzten CO,-Spannung, auf der alka- 








1) Siehe Hasselbalch, diese Zeitschr. 78, 130, 1916. 


412 K. A. Hasselbalch u. E. J. Warburg: 


lischen Seite des isoelektrischen Punktes des Glycins, wo der 
Ampholyt hauptsächlich als Säure dissoziiert. 

In der dritten Säule (Tab. I) ist aus den Mengen der 
freien und der gebundenen CO, nach der von dem einen von 
uns [H.?)] aufgestellten Formel die Wasserstoffzahl der Lösung 
berechnet worden. Augenscheinlich ist die isoelektrische Re- 
aktion des Glycins saurer als bei pẹ- 6,70. 

Aus den vorliegenden, sorgfältig bestimmten Dissoziations- 
konstanten des Glycins?) bei 25°, k,—=10-%", k, = 107157, 
ergibt sich als isoelektrische Reaktion des Glycins bei 25°: 
J=107%%, also bei Pg 6,09. 

Bei einigen anderen Aminosäuren haben wir ähnliche Be- 
stimmungen vorgenommen. Besonders hervorzuheben sind die 
mit Histidin («-Amino-ß-Imidazolpropionsäure) gewonnenen 
Ergebnisse (Tab. II und Fig. 2). 


Tabelle II. 
a) Temp. 38°. NaHCO, 0,025-n, Histidin 0,0266-n. 

mm CO, Vol.-°/,CO,, geb. PH‘ 
2,2 36,7 8,45 
5,7 44,0 8,10 
14,6 48,5 7,73 
27,4 50,6 7,47 
37,2 51,8 7,35 
75,2 54,3 7,08 
128,5 57,1 6,85 
178,7 60,0 6,72 
356,2 65,3 6,45 


b) Temp. 38°. NaHCO, 0,025-n, Histidin 0,0491-n. 


mm CO, Vol.-°/,CO,, geb. PH‘ 
1,6 25,8 8,45 

14,2 43,7 7,71 

38,0 48,0 7,38 

. 71,8 54,7 7,09 
171,6 62,1 6,76 
352,8 70,4 6,46 

1) 1. ©. S. 124. 


2) Winkelblech, Zeitschr. f. physikal. Chem. 36, 1901; Michae- 
lis, diese Zeitschr. 49, 1913; Dernby, Medd. Carlsberg Labor., 11, 1916. 


Ist dieCO,-Bindung d. Blutserums als Maß d. Blutreaktion verwendbar? 413 


c) Temp. 18°. NaHCO, 0,025-n, Histidin 0,0491-n. 


mm CO, Vol.-°/,CO,, geb. Pr: 
2,1 37,3 8,36 
12,5 50,5 7,70 
30,5 53,7 7,35 
30,8 54,0 7,34 
43,7 57,9 7,21 
73,4 60,4 7,01 
94,8 62,7 6,91 Š 


Fig. 2 ist eine graphische 
Darstellung der in der Tab. II 
a und b verzeichneten Bestim- 
mungen. Mit der Theorie in 
Übereinstimmung wird bei 
stark variierter Ampholy- 
tenkonzentration dieselbe 
isoelektrische Reaktion, 
nämlich bei py 6,93, gefunden 
(Temp. 38°). Eine Untersuchung 
der isoelektrischen Reaktion bei 
Zimmertemperatur, 18°, (Tab. II, 
c) ergibt als solche py = 7,25. 
Aus den Dissoziationskonstan- Fig. 2. Isoelektrische Reaktion 
ten’) des Histidins bei 25°, k, = a ne N 
107866, k, = 10—84, wird die ' 


© n 0,0491 n 
isoelektrische Reaktion py = in 0,025-n NaHCO,. 


7,21 berechnet. 

Das Produkt k,><k, ist bei Histidin 10-16% oder be- 
deutend größer als beim Glycin, 107°. Dementsprechend 
tritt bei dieser wie bei jeder anderen Methode die isoelek- 
trische Reaktion des Histidins bedeutend schärfer hervor als 
die des Glycins. 





Wenden wir uns demnächst der etwas komplizierteren 
CO,-Bindung des Blutes zu. 
Es handelt sich nach unserer, anderswo von Hassel- 





1) Kanitz, zitiert nach Michaelis, Die Wasserstoffionenkonzen- 
tration, S. 40. 


414 K. A. Hasselbalch u. E. J. Warburg: 


balch!) begründeten Auffassung auch hier um ein Bicarbonat- 
Ampholyten-System wie die oben behandelten. Der Ampholyt 
ist das Oxyhämoglobin, das sich nach Überführungsversuchen 
von Michaelis und Takahashi?) nur bei einer bestimmten 
Reaktion, pr. = 6,75, elektrolytisch unwirksam, isoelektrisch, 
bei jeder alkalischeren Reaktion als Säure, und bei jeder saureren 
Reaktion als Base verhält. Der Ampholyt ist aber hier 
nicht in Lösung vorhanden, sondern befindet sich inner- 
halb der semipermeablen Hüllen der Blutkörperchen aufgehoben. 

Und wenn wir als Bicarbonatlösung das Serum (oder das 
Plasma) behandeln, ist der Umstand hervorzuheben, daß diese 
Lösung keine reine ist, sondern sowohl Phosphate als auch 
Ampholyten, die verschiedenen Eiweißstoffe, enthält. 

Bezüglich der CO,-Bindung des Serums ist daher die Er- 
wartung berechtigt, daß bei steigender CO,-Spannung die che- 
misch gebundene CO,-Menge anwächst, was die Beobachtung 
auch lehrt (siehe Tab. III und Fig. 3). 

Was die CO,-Bindung des zugehörigen Blutes angeht, so 
könnte dem Obenstehenden zufolge (und vorausgesetzt, daß als 
Unterschied zwischen Blut und Serum nur das Oxyhämoglobin 
ins Gewicht fällt) die Voraussagung berechtigt erscheinen, daß 
bei jeder Reaktion, die alkalischer ist als pr- 6,75, das Serum 
mehr CO, bindet als das Blut, während bei saurer Reaktion 
das Blut am meisten Kohlensäure bindet. 


Tabelle II. 


Defibriniertes Rinderblut und zugehöriges Serum, 38°. 


Blut Serum 
mm CO, Vol.-°/ CO, Pr mm CO, Vol.-°/,CO, PH 
43,5 - 41,2 7,23 41,3 54,4 7,33 
93,6 54,3 7,00 74,5 58,5 7,10 
150,9 63,9 6,86 140,5 62,2 6,85 
203,9 70,1 6,76 203,0 67,5 6,72 
269,4 76,5 6,67 271,5 68,9 6,61 
361,8 83,4 6,58 — — - 
692,9 101,9 6,37 710,0 76.3 6,23 


1) L c. S. 112 bis 144. 
?) Diese Zeitschr. 29, 1910. 


Ist die CO,-Bindung d. Blutserums als MaB d. Blutreaktion verwendbar? 415 


Mit der oben angegebenen Erwartung in erster Annähe- 
rung übereinstimmend findet man denn Auch (Tab. III), daß 
bei CO,-Spannungen unterhalb einer bestimmten 
Grenze, hier etwa 150 mm, das Serum, bei höheren 
- CO,-Spannungen das zugehörige Blut am besten 
Kohlensäure bindet (Temp. 38°). 

In der graphischen Darstellung des Versuchs (Abszisse: 
Pa, berechnet, Ordinate: Vol.-"/, CO,, gebunden) sieht man 
(Fig. 3) zwei sich schneidende CO,-Bindungskurven, von welchen 























Z4 73 72 77 70 69 68 67 66 05 69 063 62 
Pà 


Fig. 3. Rinderblut Ç) und zugehöriges Serum +, 38°. 
Zentrifugieren in offenen Gläsern. 


die dem Blute gehörende steiler ansteigt als die Serumkurve. 

Absolut genau trifft aber die Erwartung nicht zu, indem 
der Schnittpunkt der beiden Kurven sich bei py- 6,86 und 
nicht bei pg: 6,75 (Michaelis) befindet. 

Und in einer Anzahl ähnlicher Versuche fanden wir die 
Schnittpunkte 7,07, 6,94, 6,89, 6,92, 6,82, demnach recht vari- 
ierende Befunde, die insgesamt eine alkalischere Lage der „iso- 
elektrischen Reaktion“ des Oxyhämoglobins, als die von Mi- 
chaelis und Takahashi durch Überführungsversuche be- 
stimmte, angeben. 

Solche Bestimmungen, wie die in der Tab. III verzeich- 
neten, sind indessen, worauf wir nicht sofort aufmerksam 
waren, mit einem prinzipiellen Fehler behaftet, insofern sie zu 
einer Feststellung der isoelektrischen Reaktion des Blutfarb- 
stoffs dienen sollen. Die CO,-Spannung, und damit die 


416 K. A. Hasselbalch u. E. J. Warburg: 


Wasserstoffzahl des Blutes, woraus das Serum durch Zentri- 
fugieren gewonnen wird, ist für die Säurebindung des 
Serums von der allergrößten Bedeutung, was bei näherer 
Überlegung nicht wundernehmen kann. Schon längst zeigte 
Hamburger!), daß die Verteilung der Säureanionen, speziell 
der Chlorionen, zwischen Blutkörperchen und Serum des Blutes 
durch Änderung der CO,-Spannung nach Belieben variiert 
werden kann. Bei niedriger CO,-Spannung wandern 
Cl-Ionen aus den Blutkörperchen in das Serum, und 
bei hoher CO,-Spannung geht die entgegengesetzte 
Wanderung vor sich. Nach unserer Auffassung ist dieses 
Ereignis, genau wie die parallele Verschiebung der HCO,-Ionen, 
die de facto schon seit 1867, durch eine Jugendarbeit von 
N. Zuntz?) bekannt war, eine einfache Folge des Umstandes, 
daß bei Ansäuerung des Blutes die Dissoziation des Oxyhämo- 
globins als Base stärker hervortritt, während bei Auslüftung 
des Blutes die Säurendissoziation des Oxyhämoglobins die 
Oberhand gewinnt. 


Wenn diese Betrachtung zutrifft, so sollte die Scheidung 
des Blutes in Serum und Blutkörperchen eben bei isoelek- 
trischer Reaktion des Oxyhämoglobins geschehen, um aus den 
beiden CO,-Bindungskurven die isoelektrische Reaktion des 
Blutfarbstoffs ausfindig zu machen. Mit anderen Worten: was 
gesucht wird, muß im voraus bekannt sein! 


Werden somit durch Ansäuerung des Gesamtblutes dem 
Serum nichtflüchtige Säureanionen entzogen, so muß dadurch 
das Säurebindungsvermögen des Serums vermehrt werden. Bei 
hoher CO,-Spannung während des Zentrifugierens 
wird die CO,-Bindungskurve des Serums nach oben, 
bei niedriger CO,-Spannung nach unten verschoben. 


Die untenstehenden Versuche, wo vor dem Zentrifugieren 
das Blut bei Zimmertemperatur mit Luft von bekannter CO,- 
Spannung gesättigt und sofort danach in geschlossenen Gläsern 
zentrifugiert worden ist, bekräftigt vollauf diese Erwartung. ` 


1) Osmotischer Druck und Ionenlehre, 1, 263, 1902. 
®) Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867, 529, zitiert aus Hermann: 
Handbuch d. Physiol. 4, 2, 77. 


Ist dieCO,-Bindung d. Blutserums als Maß 


Tabelle 
Defibriniertes Rinderblut mit 9,2 


d. Blutreaktion verwendbar? 417 


IV. 


9°, Hämoglobin wird in einem 


Saturator mit Luftmischungen von variierter CO,-Spannung gesättigt 
und in geschlossenen Zentrifugengläsern bei derselben CO,-Spannung 


zentrifugiert. Temp. 12 bis 14°. 


Serum gewonnen enthält bei 
bei mm CO,-Sp. mm CO,-Sp. 
110,4 
$; Ept { 193,9 
II. aus BlutohneVor- 15,0 
behandlung in 87.9 
offenen Gläsern P 
zentrifugiert. 179,6 
25,0 
III. 58,8 96,8 
173,1 
29,0 
IV. 89,7 101,1 
182,9 
23,1 
V. 181,9 134,9 
401,4 
17,9 
yI. 430,5 160,0 
737,0 
26,4 
VII. 737,0 161,1 
428,3 
Vol 
00 


Wegen der Gefahr, daß 
während der Versuchszeit das F 
Blut einer Selbstsäuerung 
unterliege, sind für jedes a 
Serum nur ganz wenige Punkte 
der CO,-Bindungskurve be- 
stimmt worden. Bei dieser 
Beschränkung der Versuchs- 
zeit gelang es, was Kontroll- , 
versuche zeigten, die CO,- 


Vol.-0/ CO,, PE 
gebunden berechnet 
62,3 6,80 
64,4 6,57 
54,9 7,62 
64,1 6,91 
69,7 6,63 
61,8 7,45 
69,9 6,90 
74,0 6,68 
67,3 7,41 
75,4 6,91 
76,3 6,66 
68,5 7,52 
79,3 6,81 
87,7 6,35 
75,4 7,67 
88,2 6,78 
91,6 . 6,13 
80,6 7,52 
92,6 6,79 
95,0 6,38 
% Cls 






10 20 40 60 80 100 20 NO 160 B0 29I 


, -mm Ceg 


Bindung des Gesamtblutes Fig. 4. Rinderserum aus demselben 


Blu 


te. I. beil2,7mm CO,-Spannungab- 


praktisch unverändert zu er- zentrifugiert; II. aus Blut ohne Vorbe- 
halten. Selbstverständlich handlung, b. offen. Zentrifugengläsern; 


II 


kann dabei die Konstruktion IV. 


der CO,-Bindungskurven der V. 


Sera (Fig. 4) aus nur 2 bis 3 uia 


. bei 58,8 mm CO,abzentrifugiert; 


n 897 n n n 
n 181,9 n n n 
n 480,5 n n» n 
n 787,0 n n»n ” 


418 K, A. Hasselbalch u. E. J. Warburg: 


Punkten keine große Genauigkeit beanspruchen. Die Bedeu- 
tung der während der Serumabscheidung herrschenden CO,- 
Spannung ist jedoch außer jeden Zweifel gestellt: die C0,- 
Bindungskurve des Serums liegt um so höher, je 
größer die CO,-Spannung des Gesamtblutes ist. 

Besonders bei niedrigen CO,-Spannungen ist die Wirkung 
groß. Solche Methoden zur Serumgewinnung, die eine Defibri- 
nierung des Blutes durch Schlagen oder Peitschen in offenen 
Schalen voraussetzen, müssen eine verhältnismäßig enorme 
Herabsetzung des physiologischen Säurebindungsvermögens des 
Serums bewirken. Es will uns scheinen, daß in diesem 
Sachverhältnisse eine Aufforderung zur Innehaltung 
gewisser Vorsichtsmaßregeln bei mehreren serologi- 
schen Untersuchungsmethoden vorliegt. 

Auch die in der Tab. IV angeführten berechneten Werte 
von py: könnten in einer graphischen Darstellung als Abszisse 
verwertet werden. Das Ergebnis der Untersuchung bleibt natür- 
licherweise unverändert. 

Bei einem anderen Blute wurde die untenstehende kleine 
Versuchsreihe vorgenommen: 


Tabelle V. 


Rinderserum, bei ca. 18° und a) 15,3mm CO,, b) 86,0 mm CO,, 
aus derselben Blutportion gewonnen. 


a) bei mm CO, Vol.-/,CO, b) bei mm CO, Vol.-%/, CO, 
22,4 42,1 20,5 60,0 
107,5 50,2 104,6 69,7 


Auch ohne graphische Darstellung ist das in der Tab. V 
eingeschlossene Versuchsergebnis sehr deutlich: das bei hoher 
CO,-Spannung (86,0 mm) abgeschiedene Serum zeigt ein weit 
— um etwa 20 Vol.-°/, — größeres CO,-Bindungsvermögen als 
das bei niedriger CO,-Spannung (15,3 mm) gewonnene. 


Eine einfache Folge des Umstandes, daß das bei hoher 
CO,-Spannung abgeschiedene Serum eine Erhöhung des Säure- 
bindungsvermögens zeigt, ist die entsprechende Abnahme 
des Säurebindungsvermögens der Blutkörperchen. Nur 
der Vollständigkeit halber haben wir eine solche Demonstration 
als angezeigt gefunden (Tab. VI und Fig. 5). 


Ist dieCO,-Bindung d. Blutserums als Maß d. Blutreaktion verwendbar? 419 


Tabelle VI. 


Defibriniertes Rinderblut mit 14,65°/, Hämoglobin. Temp. 19°. 
A. In offenen Gläsern zentrifugiert. Blutkörp. mit 24,67 °/, Hb. 


B. Bei 65,0 mm CO, „ n n 22,92°/, Hb. 
Serum A. Blutkörperchenbrei A. 
bei mm CO, Vol.-°/ CO; pr: bei mm CO, Vol.-°/ CO, pp‘ 
33,3 56,3 7,33 27,5 48,6 7,40 
87,5 59,9 6,92 74,3 68,6 7,10 
378,3 64,6 6,32 174,5 90,4 6,83 
— — — 381,5 106,8 6,55 
Serum B. Blutkörperchenbrei B. 
bei mm CO, Vol.-°/ COs pp: bei mm CO, Vol.-/,C0, Pr 
19,5 61,6 7,59- 29,8 46,1 7,34 
79,8 69,6 7,03 86,8 67,7 7,02 
182,0 73,0 6,69 159,8 81,2 6,83 
378.3 73,7 6,38 387,7 100,8 6,53 
pra 






AT 
































728 75 74 73 72 71 70 69 68 67 66 65 aTi 
22 


Foe Serum in offenen Gläsern zentrifugiert 
© —— © Blutkörperchen ; . 


x. x Serum pe 65,0 mm CO,-Spannung 
S)  - &) Blutkörperchen zentrifugiert. 


Besonders die graphische Darstellung des Versuchs (Fig. 5), 
wo als Abszisse die berechneten Werte von py benutzt sind, 
zeigt sehr deutlich das erwartete Resultat: durch die erhöhte 
CO,-Spannung während des Zentrifugierens wird das Säure- 
bindungsvermögen des Serums um etwa 9 Vol.-"/, CO, erhöht; 
dasjenige der Blutkörperchen um 8 Vol.-°/, CO,, also um fast 
genau dieselbe Größe, erniedrigt. 


Biochemische Zeitschrift Band 86. 28 


420 Hasselbalch u. Warburg: Ist d. CO,-Bindg. d. Bluts. usw. verwendbar? 


Wenn auch bei der hier gegebenen Erklärung dieser Er- 
scheinungen Irrtümer oder Unvollständigkeiten vorkommen 
sollten, so viel steht fest, daß das CO,-Bindungsvermögen 
eines Serums mit der CO,-Spannung des Ausgangs- 
materials steigt und fällt. Es ist nicht möglich, aus 
der CO,-Bindung des Serums irgendwelche exakte 
Schlüsse bezüglich der Blutreaktion oder etwa eines 
acidotischen Stoffwechsels zu ziehen, ohne auf die 
während der Beschaffung des Serums herrschende 
CO,-Spannung Rücksicht zu nehmen. 

Die CO,-Bindung des Gesamtblutes bei bekannter und 
konstanter CO,-Spannung, z. B. 40 mm, ist und bleibt bis auf 
weiteres das einfachste und sicherste Maß für die „reduzierte 
Wasserstoffzahl“ des Blutes und somit für eine eventuelle 
Acidosis des Organismus. Die Benutzung des Serums für 
ähnliche Zwecke setzt als notwendige Versuchsbedingung vor- 
aus, daß das Blut während der Beschaffung des Serums auf 
alveolarer CO,-Spannung gehalten worden ist. 

Daß gewisse andere Fragestellungen eine solche Versuchs- 
methodik erfordern können, wollen wir nicht in Abrede stellen. 


Beiträge zur Kenntnis des Meerschweinchenserums. 


Von 
Julius Freund. 


(Aus dem Hygienischen Institut der Universität zu Budapest. 
Direktor: Prof. Dr. L. v. Liebermann.) 


[Eingegangen am 6. Dezember 1917.] 


Bekanntlich nimmt das Meerschweinchen in bezug auf 
sein Verhalten in Immunitätsreaktionen, wenn auch nicht in 
qualitativen, so doch in quantitativen Beziehungen eine Sonder- 
stellung ein. So zeichnet sich z. B. das Meerschweinchenserum 
durch eine besondere Höhe und Konstanz der Komplement- 
wirkung aus. So ist weiter das Meerschweinchen besonders 
geeignet zum Studium der Anaphylaxie. Aus diesen Gründen 
ist das Meerschweinchen das in der Immunitätsforschung zu- 
meist benützte Tier, und sein Serum wird außerordentlich viel- 
fach zu Versuchen in vitro verwendet. Aus allen diesen Grün- 
den erscheint es wichtig, die chemischen und physikalischen 
Eigenschaften des Meerschweinchenserums möglichst genau zu 
erforschen. Diesbezügliche Angaben liegen jedoch noch nicht 
vor, und so glauben wir mit den hier mitgeteilten Unter- 
suchungen eine Lücke auszufüllen. 

Bei den Untersuchungen sind vorläufig nur jene physika- 
lischen und chemischen Eigenschaften des Serums berücksichtigt 
worden, von welchen mit mehr oder weniger Recht zu er- 
warten war, daß sie unsere Kenntnisse über die Sonderstellung 
des Meerschweinchenserums zu fördern geeignet sein werden. 

Das zu den Untersuchungen nötige Serum wurde auf fol- 
gende Weise gewonnen: 


4 bis 5 erwachsene, 600 bis 700 g schwere Meerschweinchen 
28* 


422 Julius Freund: 


wurden entblutet und das vereinigte Blut ungefähr 5 Stunden 
lang im Eisschrank gehalten, sodann abzentrifugiert. 

Die physikalischen Konstanten des Serums wurden jedes- 
mal innerhalb 24 Stunden nach dem Abzentrifugieren bestimmt. 
Von den chemischen Bestimmungen wurden die der präfor- 
mierten Seifen, des Lecithins, des Cholesterins und der Fett- 
säuren ebenfalls an frischem, nativem Serum ausgeführt. Zur 
Ausführung der übrigen chemischen Bestimmungen wurde das 
Serum in flachen Schalen bel 40° unter starkem Luftstrom 
eingetrocknet. Das Trockenserum konnte von der Schale leicht 
und vollständig abgelöst werden und wurde nach Zerreibung 
in einem Wassertrockenschrank so lange getrocknet, bis nach 
weiterem 10stündigem Trocknen kein Gewichtsverlust mehr 
eintrat. 


Physikalische Bestimmungen. 


Das spezifische Gewicht des Serums wurde im Ostwald- 
schen Pyknometer bei 18°, die Gefrierpunkterniedrigung mit 
dem Beckmannschen Kryoskop bestimmt. Die Temperatur 
des Gefriergemisches war stets — 5°. Zur Bestimmung der 
Oberflächenspannung benützten wir den Traubeschen Stalag- 
mometer. Zur Erhaltung eines konstanten Druckes diente die 
in Traubes „Physikalisch-chemischen Methoden“ angegebene 
Einrichtung. Auch diese Bestimmungen wurden bei 18° aus- 
geführt. Die Oberflächenspannung wurde nach folgender von 


Traube angegebenen Formel berechnet: y = 100-8 an, wobei 


= 
y = Oberflächenspannung, $ = spezifisches Gewicht, T,, = Tropfen- 
zahl des Wassers, T,= Tropfenzahl des Serums bedeutet. Für 
Wasser ist y = 100. 

Die Viscosität wurde mit dem Ost waldschen Viscosimeter 
bei 18° bestimmt, und zwar bei konstantem Druck. Als Ein- 
heit der Viscosität galt die des destillierten Wassers. 

Die Refraktion des Serums wurde mit dem Zeißschen 
Eintauchrefraktometer bei 17,5° bestimmt. 


Chemische Untersuchungen. 


Die Bestimmung des Wassergehaltes des Serums wurde 
stets durch Eintrocknen von 1g Serum im Wassertrocken- 


Zur Kenntnis des Meerschweinchenserums. 423 


schrank ausgeführt, bis ein weiteres, 10 Stunden langes Trocknen 
keine Gewichtsabnahme ergab. Der Eiweißgehalt wurde nach 
Kjeldahl bestimmt unter Verwendung des üblichen Faktors 
6.25. 

Bei der Bestimmung der Seifen sind wir von 25,584 g 
nativem Serum ausgegangen und haben die im Handbuch der 
Physiologisch-chemischen Analyse von Hoppe-Seyler-Thier- 
felder (8. Aufl., S. 663) beschriebene Methode angewendet. 

Die Fettsäuren und das Cholesterin bestimmten wir mit 
der Methode von Liebermann-Szekely'!), die Identität des 
Cholesterins wurde unter dem Mikroskop und mit Hilfe der 
Schwefelsäure-Jodreaktion festgestellt. 

Die Phosphatiden (Lecithin) wurden in 26,20 g frischen 
Serums nach der im oben zitierten Handbuch angeführten Me- 
thode bestimmt. — 

Die Phosphorsäure bestimmten wir nach der titrimetrischen 
Methode von Neumann. Auch der Zucker wurde bestimmt 
nach einer noch nicht publizierten, aber hier als brauchbar 
befundenen Methode. 

Chlor, Kalk und Magnesia bestimmten wir in getrocknetem 
Serum. Die Veraschung wurde unter Zusatz von Soda (Bunge) 
ausgeführt. Das Chlor wurde als AgCl gewogen. Das Calcium 
wurde aus schwach essigsaurer Lösung als Oxalat gefällt und 
als Oxyd sowie nachträglich als Sulfat gewogen. Das Magne- 
sium wurde als Pyrophosphat bestimmt und als Oxyd berechnet. 

Wir möchten nur noch bemerken, daß sämtliche Zahlen- 
angaben mit Ausnahme der Seifen und der Phosphatide Mittel 
aus mindestens zwei gut stimmenden Analysen sind. 


Physikalische Daten. 


Spezifisches Gewicht . . . . 1021,5 
Gefrierpunkts-Erniedrigung . 0,6073 


Oberflächenspannung . . . 92,68 
Viscosität . . . 2 2 2... 1,649 
Refraktion . ........ 46,3 Skalenteile 


1) Liebermann-Sz6ökely, Über Fettbestimmung. Arch. f. d. 
ges. Physiol. 72, 360; ferner Liebermann, ebendort 108, 481. 


424 Julius Freund: 


Chemische Analyse. 
1000 g Mgerschweinchenserum enthalten: 


Wasser . . 2 2 2.2.2202. 935,71 
Eiweiß . . 2.2 2.2.2..2.2..50,98 
Seifen . 2.2.2... 0.0. 0,588 
Fettsäuren 4 Cholesterin. . . 4,9839 
Cholesterin . . 2 2 2..2...0,8321 
Phosphatide . . . . 2.2... 0,778 
Zucker . w . 222 2.2..09 
On ee he BR 
CaO 5: 5 u a ara OLIER 
MO .:.%.% 8.00 05 100104 


Von den chemisch-analytischen Daten möchten wir vor 
allem den Wassergehalt hervorheben. Die in der Tabelle ent- 
haltene Zahl ist der Mittelwert von 5 Einzelbestimmungen, die 
an dem Serum von 5 verschiedenen erwachsenen Meerschwein- 
chen ausgeführt wurden und folgende Werte ergaben: 


1. 938,00 
2. 932,00 
3. 934,00 
4. 936,00 
5. 938,50. 


Diese Zahlen machen es einerseits sehr wahrscheinlich, 
daß der Wassergehalt des Meerschweinchenserums keine er- 
heblichen individuellen Schwankungen aufweist und zeigen 
andererseits, daß er in der Tat höher ist als derjenige der meisten 
sonstigen Tierarten ')! 

Auffallend ist weiter der geringe Eiweißgehalt des Meer- 
schweinchenserums. Dieser beträgt nur 5,098°/,. Dies stimmt 
mit dem geringen Refraktionswert. 

Die Refraktion des Meerschweinchenserums beträgt nach 
unseren Bestimmungen 46,3 Skalenteile des Eintauchrefrakto- 
meters. Nach den Untersuchungen von Reiß entspricht einer 
solchen Refraktion des Serums (die Bestimmungen von Reiß 





1) Nach Abderhalden, Zeitschr. f. phys. Chemie, 25, ist der 
Wassergehalt des Serums vom Rind 913,064, vom Kaninchen 925,60, 
vom Stier 913,38, vom Hund 923,02, vom Schaf 907,69, von der Katze 
926,93, vom Pferd 902,05, vom Schwein 917,61. 


Zur Kenntnis des Meerschweinchenserums. 425 


beziehen sich allerdings auf Menschenserum) ein Eiweißgehalt 
von 5,31°/,, was mit unseren direkten Eiweißbestimmungen 
sehr gut übereinstimmt. 

Da der Zuckergehalt des Meerschweinchenserums von dem- 
jenigen der übrigen Tierarten nicht abweicht, so entsprechen 
diese unsere Angaben auch den Beobachtungen von Abder- 
halden und Weil, wonach die Linksdrehung des Meer- 
schweinchenserums eine viel geringere ist als die anderer Sera. 
„Die untersuchten Säugetierarten und der Mensch haben ein 
sehr ähnlich drehendes Blutserum. Nur das Meerschweinchen 
fällt aus der Reihe“!), Das Serum der meisten Tierarten zeigt 
in einem 25 mm-Rohr eine Linksdrehung von 0,78°, das Serum 
von Meerschweinchen nur 0,61°. — 

Sehen wir von der Refraktion und dem Drehungsvermögen 
ab, so unterscheiden sich die übrigen physikalischen Konstanten 
nicht wesentlich von denjenigen anderer Sera. Die geringen 
Abweichungen lassen sich mit dem höheren Wasser- und ge- 
ringem Eiweißgehalt des Meerschweinchenserums erklären. — 
Auch die meisten chemischen Bestandteile der Meerschwein- 
chensera sind von derselben Größenordnung, wie man sie für 
andere Sera gefunden hat. 

Wenn man annehmen darf, daß die Zusammensetzung 
der Meerschweinchensera keinen erheblichen individuellen 
Schwankungen unterworfen ist, und wenn daher gestattet ist, 
aus unseren Bestimmungen allgemeine Schlüsse zu ziehen, so 
können wir sagen, daß das Meerschweinchenserum nur in 
seinem Eiweißgehalt von den übrigen Seris abweicht. 

Diese, sowie die übrigen Abweichungen, die wir zwischen 
unseren Werten und denjenigen, die andere Autoren für andere 
Tiersera angeben, gefunden haben, sind viel zu gering, um 
irgendwelche Schlüsse auf die Ursache der Ausnahmestellung 
zu gestatten, die das Meerschweinchenserum in immunolo- 
gischer Hinsicht unter den übrigen Tierseris einnimmt. 


1) Vgl. Zeitschr. f. phys. Chemie, 81, 3. 


Autorenverzeichnis. 


Bäck, Hans. Beiträge zur Kennt- | 


nis der Ausscheidung der Sapo- 
nine durch den Kot. S. 223. 
Boas, Friedrich. Weitere Unter- 
suchungen über die Bildung lös- 
licher Stärke bei Schimmelpilzen 
mit besonderer Berücksichtigung 
der Frage nach der Eiweißsyn- 
these der Schimmelpilze. S. 110. 
Corral, José M. de. 
rische Stoffwechselversuche über 


die Frage der Bildung von Zucker | 
Eiweißabbau- | 


aus Eiweiß und 
produkten. S, 176. 

Euler, Hans. Über die Darstel- 
lung von Kohlenhydratphosphor- 
säureester (Zymophosphat) durch 
lebende Hefe. S. 337. 

Feigl, Joh. Neue Untersuchungen 
über akute gelbe Leberatrophie. 
III. Fette und Lipoide des Blutes. 
S. 1. 

— Über das Vorkommen von Phos- 
phaten im menschlichen Blut- 
serum. V. Weitere Versuche zur 
analytischenWiedergabe des Rest- 
phosphors. Selbständige Bestim- 
mung dieser Fraktion. S. 395. 

— und H. Luce. Neue Unter- 
suchungen über akute gelbe Leber- 
atrophie. IV. Verhalten von Blut- 
zucker und Glykogen. Weitere 
Bevbachtungen über den Rest- 
stickstoff des Blutes und seine 
Gliederung. Acetonkörper. Vor- 
läufige Zusammenfassung von Er- 
gebnissen über Befunde in Blut 
und Plasma. S. 48. 

Fieger, Josef. Über die Aus- 
scheidung von Saponinen durch 
den Harn und ihre Wirkung auf 
das Blut nach innerlicher Dar- 
reichung. S. 243. 


Respirato- | 





Freund, Julius. Beiträge zur 
Kenntnis des Meerschweinchen- 
serums. S. 421. 

Haan, J. de. Über die Senkungs- 
geschwindigkeit der Blutkörper- 
chen verschiedener Blutarten im 
Hinblick auf deren Verwendbar- 
keit für Phagocytoseuntersuch- 

‚ ungen. S. 293. 

Hamburger, H. J. Anionenwan- 
derungen in Serum und Blut 
unter dem Einfluß von CO, 
Säure und Alkali. S. 309. 

Hasselbalch, K. A., und E. J. 
Warburg. Ist die Kohlensäure- 
bindung des Blutserums als Maß 
für die Blutreaktion verwendbar ? 
S. 410. 

Jacoby, Martin. Über Ferment- 
bildung. 6. Mitteilung. S. 329. 

Lampl, Hans, s. Landsteiner. 

Landsteiner, Karl, und Hans 
Lampl. Über die Abhängigkeit 
der serologischen Spezifizität von 
der chemischen Struktur. (Dar- 
stellung von Antigenen mit be- 
kannter chemischer Konstitution 
der spezifischen Gruppen.) XII. 
Mitteilung über Antigene. S. 343. 

Loewy, A., und R. von der 
Heide. Über die Aufnahme des 
Athylalkohols durch die Atmung. 
S. 125. 

Luce, H., s. Feigl. 

Meyerhof, Otto. Notiz über Ei- 
weißfällungen durch Narkotica. 
S. 325. 

Siegfried, M. Über die Beein- 
flussung von Reaktionsgeschwin- 
digkeiten durch Lipoide. S. 98. 

von der Heide, R., s. Loewy. 

Warburg, E. J., s. Hasselbalch. 


BUCADA LONO 


32101 079671572 





pr