S6IT
181
v.84
ibrary of
p rinreton Unibersitn.
Presented by
Charles Millistan M Alpin ,
Class af '88.
Biochemische Zeitschrift.
Beiträge
zur chemischen Physiologie und Pathologie.
Herausgegeben von
F. Hofmeister-Straßburg i. Els., C. v. Noorden-Frankfurt a. M.,
E. Salkowski-Berlin, A. von Wassermann-Berlin, N. Zuntz-Berlin
unter Mitwirkung von
M. Ascoll-Catania, L. Asher-Bern, J.Bang-Lund, G. Bertrand-Paris, A, Biekel-Berlin, F. Blumen-
thal-Berlin, A. Bonanni- Rom, F.Bottazzi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhe i. B., A, Durig-Wien, F. Ehr-
lich- Breslau, H. v. Euler-Stockholm, 8, Flexner-New York, J. Forssman-Lund, 8, Fränkel- Wien,
E. Freund-Wien, E. Friedberger-Greifswald, E. Friedmann-Berlin, ©. v, Fürth-Wien, G. Galeotti-
Neapel, F, Haber- Berlin-Dahlem, H., 3. Hamburger-Groningen, P. Härl-Budapest, A. Heflier-
Berlin, V. Henri- Paris, V, Henriques- Kopenhagen, W. Henbner- Göttingen, R. Höber- Kiel,
M. Jacoby-Berlin, R. Kobert-Rostock, M. Kumagawa-Tokio, F, Landolf- Buenos Aires, L, Lang-
steln-Berlin, P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann-Budapest, J. Loeb-New York, A. Loewy-
Berlin, A, Maguus-Levy-Berlin, 3. A. Mandel-New York, L. Marchlewski-Krakau, P, Mayer-
Karlsbad, J. Meisenhelmer- Berlin, L. Michaells- Berlin, H, Molisch-Wien, 3. Morgenroth-Berlin,
E. Hünzer-Prag, W. Nernst-Berlin, W. Ostwald-Leipzig, W. Palladin-St.Petersburg, W, Paull-Wien,
R. Picifler-Breslau, E.P.Pick-Wien, 3. Pohl-Breslau, Ch. Porcher-Lyon, F. Roehmann-Breslau,
P. Rona-Berlin, 8. Salaskin-St. Petersburg, N. Bleber-St. Petersburg, M, Siegiried- Leipzig,
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Berlin, A. J. J. Vandevcide-Gent, ©. Warburg-Berlin, W. Wiechowski-Prag, A. Wohl-Danzig,
3. Wohlgemuth-Berlin.
Redigiert von
C. Neuberg-Berlin. :.::‘:
Sechsundachtzigster Band,,
Berlin.
Verlag von Julius Springer.
1918.
(RECAP)
8617
‚(81 {rtle) f6. hd
Druck von Oscar Brandstetter in Leiptig..
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Feigl, Joh. Neue Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III.
Fette und Lipoide des Blutes. Chemische Beiträge zur Kenntnis
der Entwicklung und Charakteristik spezifischer Lipämien ... 1
Feigl, Joh. und H. Luce. Neue Untersuchungen über akute gelbe
Leberatrophie. IV. Verhalten von Blutzucker und Glykogen.
Weitere Beobachtungen über den Reststickstoff des Blutes und
seine Gliederung. Acetonkörper. Vorläufige Zusammenfassung
von Ergebnissen über Befunde in Blut und Plasma. ..... 48
Siegfried, M. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeiten
durch Lipoide .... 2... ET nn an a Mean Te Saar 08
Boas, Friedrich. Weitere Untersuchungen über die Bildung löslicher
Stärke bei Sohimmelpilzen mit besonderer Berücksichtigung der
Frage nach der Eiweißsynthese der Schimmelpilzre ...... 110
Loewy, A. und R. von der Heide. Über die Aufnahme des Äthyl-
alkohols durch die Atmung . . .. 2 22.220. Pr AA E E
de Corral, José M. Respiratorische Stoffwechselversuche über die Frage
der Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten 176
Bäck, Hans. Beiträge zur Kenntnis der Ausscheidung der Saponine
durch den Kot ... 2222200. ee E EE E TE
Fieger, Josef. Über die Ausscheidung von Saponinen durch den Harn
und ihre Wirkung auf das Blut nach innerlicher Darreichung . 243
Nov xaa 401499
IV
Seite
de Haan, J. Über die Senkungsgeschwindigkeit der Blutkörperohen
verschiedener Blutarten im Hinblick auf deren Verwendbarkeit
für Phagocytoseuntersuchungen . ...... sesa sa oa 298
Hamburger, H. J. Anionenwanderungen in Serum und Blut unter
dem Einfluß von CO,, Säure und Alkali . 2... 2 2 22 2.. 309
Meyerhof, Otto. Notiz über Eiweißfällungen durch Narkotica . . . 325
Jacoby, Martin. Über Fermentbildung. VI. ......... . + 329
Euler, Hans. Über die Darstellung von Kohlenhydratphosphorsäure-
ester (Zymophosphat) durch lebende Hefe . ........x 337
Landsteiner, Karl und Hans Lampl. Über die Abhängigkeit der sero-
logischen Spezifizität von der chemischen Struktur. (Darstellung
von Antigenen mit bekannter chemischer Konstitution der spezi-
fischen Gruppen.) XII. Mitteilung über Antigene... . . . . 343
Feigl, Joh. Über das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen
Blutserum. V. Weitere Versuche zur analytischen Wiedergabe
des Restphosphors. Selbständige Bestimmung dieser Fraktion . 395
Hasselbalch, K. A. und E, J. Warburg. Ist die Kohlensäurebindung
des Blutserums als Maß für die Blutreaktion verwendbar?. . . 410
Freund, Julius. Beiträge zur Kenntnis des Meerschweinchenserums . 421
Autorenverzeichnis cs s a a operer Da ka u 426
Neue Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. Ill.
Fette und Lipoide des Blutes.
Chemische Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung und Charak-
teristik spezifischer Lipämien!).
Von
Joh. Feigl.
(Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses
Hamburg-Barmbeck.)
(Eingegangen am 11. Oktober 1917.)
Einleitung.
Breitere Untersuchung über das Verhalten, die Wandlungen
und Mengen von Fetten, Fettsäuren, Lipoiden und Cholesterin
sowie über deren Bindungsformen bei akuter gelber Leber-
atrophie fehlen völlig. Einschlägige Angaben sind dagegen
auf indirekter, mikroskopischer Methodik beruhend, gemacht
worden. Des weiteren fehlen auch Analysen der Reste des
Organes. Um so größer ist die Literatur, die sich mit der
Klärung von Fragen der Fettumwandlung, Anreicherung und
Bewegung bei Phosphorvergiftung beschäftigt. In jüngster
1) Die Lipämie ist ursprünglich ein pathologisch-klinischer Begriff
summarischen Inhaltes, die später formulierten Bezeichnungen der (ech-
ten) Lipämie, Lipoidämie, Cholesterinämie in (allgemein oder speziell)
pathochemischen (erhöhten) Verhältnissen umfassend („Hypercholesterin-
ämie“). Die vorliegend beschriebene Lipämie weicht nach ihrer Ent-
stehung und Zusammensetzung von den meisten übrigen ab (Leeithin-
schwund, freie Fettsäuren). „Lipoid“ als Normalbegriff für fettartige
(ätherlösliche) Körper stammt von Overton; später deckte die Bezeich-
nung Lecithin- und Cholesterinkörper gemeinsam; Lecithin ein Spezial-
fall der „Phosphatide“. „Lipoide“ nach Overton gleichen den „Li-
pinen“ nach Gies (darunter Phosphorlipine), den „fats“ von Leather.
Zur Kenntnis der Mitteilungen von W. R. Bloor, beigefügt.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 1
2 Joh. Feigl:
Zeit ist die uns speziell vorliegende Frage nach den im Blute
sichtbar werdenden bzw. dort sich abspielenden Erscheinungen
der Fettanhäufung und Verlagerung vom Standpunkte der
Pathologie der Niere mit mikroskopischen Erkenntnismitteln
in Angriff genommen worden. Ohne hier auf diesen beiden
Gebieten ins einzelne gehen zu wollen, da uns manche Äuße-
rungen und Befunde weiter unten noch beschäftigen werden,
sei erwähnt, daß einzelne Forscher die Frage über die Natur
von Anstiegen der Lipoide und Fette im Blute nach der
Beobachtung von Fettanhäufungen in der Niere gestellt haben.
(Landau, Th. Fahr!)]. Indes ist diesen Andeutungen in Hin-
sicht auf die quantitative Zusammensetzung von Blut und
Serum an Körpern der Fettreihe wie auch des Leeithins und
Cholesterins bisher nichts gefolgt. Eine deskriptive Che-
mie des Fettes bzw. der Lipoide im Blute bei akuter
gelber Leberatrophie existiert nicht?). Diese Lücke in
der Kenntnis von den Umwandlungen des schweren Krank-
heitsbildes kann durch die Mitteilung nachstehender Unter-
suchungsergebnisse ausgefüllt werden, insofern als es sich um
den Versuch handelt, zu prüfen, ob das Blut im allgemeinen
die lokalen Fettumwälzungen wiederspiegelt.
Klinisches Material.
Das uns zur Verfügung stehende Material umfaßt:
1 Fall mit der höchst seltenen, darum willkommenen Gelegenheit
zu einer kontinuierlichen Erforschung durch den ganzen Verlauf hin-
durch, beginnend mit leisen, kaum definierbaren Symptomen. Er ver-
blieb etwa 6 Wochen in dauernder Beobachtung und gestattete klinischen
wie auch pathochemischen Einblick in die Entwickelung des Krankheits-
bildes. Dieser Fall ist zugleich der erste, an dem überhaupt
Reihenuntersuchungen angestellt wurden, der ferner mit
modernen Methoden der Analyse von Reststickstoff, Amino-
1) M. Landau, Zur Morphologie der Sekretion und Resorption in
den Nieren, Arch. f. klin. Med. 1914, 115, 326. — Th. Fahr, Diabetes-
studien II. Nierenveränderungen bei Diabetes, zugleich ein Beitrag zur
Glykogenfrage, Virchows Archiv 1917, 223, 194.
2) Neuere Literatur bei Joh. Feigl] und H. Luce, Neue Unter-
suchungen über akute gelbe Leberatrophie I; Über den Reststickstoff
des Blutes usw.; diese Zeitschr. 79, 3/4, 162, 1917; Festschrift für Johs.
Orth; besonders F. Umber im Handbuch von Mohr und Staehelin
Ill, Leber und Gallenwege, Berlin 1914.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 3
säure, Harnstoff usw. deskriptiv charakterisiert wurde [Joh.
Feigl und H. Luce, 1917]°).
2 Fälle waren im Zustande bereits schwerer Erscheinungen nach
4- bzw. 3tägiger Beobachtung zur Untersuchung gekommen. Auch über
diese wurde an Hand der Ergebnisse bestimmter Methoden, besonders
des Reststickstoffgebietes von Joh. Feigl und H. Luce bzw. von
Joh. Feigl, unter dem Gesichtspunkte der Verteilung und Struktur
des Phosphors mit einzelnen Zahlen über den sogenannten „Restphos-
phor“ berichtet?).
1 Fall stand unter klinischer Beobachtung von H. Luce und ist
bei Abwägung aller Ergebnisse klinischer bzw. pathochemischer Natur
als einer der seltenen Fälle angesehen worden, die bei selbst bedenk-
lichen Befunden in Heilung übergingen. Die Pathochemie beschrieben
Joh. Feigl und H. Luce?), $).
1 weiterer Fall kam zu den vorigen jüngst hinzu. Wir
erhielten Material von 6, 4, 2 Tage ante exitum und wenige
Stunden vor diesem. Die Krankengeschichten sind hier unseres
Erachtens nicht von ausschlaggebendem Interesse, da in dem
letzten wie in den weiteren 2 tödlichen Fällen keine völlig
durchlaufende, der Entwicklung gerechtwerdende, pathochemische
Untersuchung stattfand. Außerdem ist auszugsweise die Kran-
kengeschichte des 1. Falles mitgeteilt worden, (kein Anhalt für
Lues, WaR. negativ — im Beginn der Krankheit — (Dr. Graetz,)
früher angeblich Schlaganfall und Lähmungen). Die’ nächsten
tödlichen Fälle waren zweifelsfrei als luetisch bestimmt; Alter
48 bzw. 61 Jahre, Mann bzw. Frau, ersterer Trinker, letztere
bot Anhalt für Störungen des Purinstoffwechsels (Anamnese)
und gelegentliche Glykosurien, keine Belastungen von seiten
der Schwangerschaften. Der geheilte Fall (Luce) betraf einen
Jugendlichen mit sonst nicht beträchtlicheren Symptomen. Der
letztgenannte war wiederum als luetisch erkannt worden, Alter
53 Jahre, Mann von stärkerem Körperbau und befriedigendem
Ernährungszustande, Zusammenhänge mit rheumatischen Be-
schwerden wurden aufgeklärt, nie Störungen im Zucker- und
Purinstoffwechsel, dagegen mehrfach Magendarmleiden, einmal
1) 1. c. 3).
2) Joh. Feigl s. u.
HRe.
4) In Hinsicht der Krankengeschichten sei hier bemerkt, daß der
eine von uns (H. Luce) in einer klinischen Darstellung der Frage auf
die Entwicklung der Fälle speziell zurückkommen wird.
1*
4 Joh. Feigl:
Ruhr. Sämtliche Fälle waren, soweit Aufklärung gebracht
werden konnte, frei von eigentlichen Störungen der Nieren-
funktion; für einzelne gelang der pathologisch-anatomische bzw.
mikroskopische Nachweis exakt (Fahr).
Bisherige neue Ergebnisse.
In der früheren Untersuchungsreihe von Joh. Feigl und
H. Luce sowie in weiteren Mitteilungen a. O. von Joh. Feigl
waren Ergebnisse über die Umstimmungen im Reststickstoff-
gebiete mitgeteilt worden. Einmal handelte es sich um den
gesamten Reststickstoff, ferner um seine Struktur hinsichtlich
der Hauptfraktionen nach J. Bang, sowie der geläuterten
Formulierung letzterer nach amerikanischen Autoren wie Feigl
und Luce. Diese eröffnet Einblick in den Gehalt an Harn-
stoff, über dessen Bedeutung als (indirekten) Indicator eigent-
licher Nierenstörungen gesprochen wird. Den Hauptumfang
nimmt die Aminosäurefraktion ein als „summarischer“ und
„reiner“ Begriff, der seinerseits rechnerisch und präparativ-
analytisch hinsichtlich der Mengen wie einzelner Individuen
beschrieben wurde. Purin sowie Kreatinin und Kreatin, letztere
im gegensätzlichen Verhältnis, endlich Ammoniak in Rücksicht
auf Acidosen, werden analytisch wiedergegeben. Ausgehend
vom Purinbestande wird mit gewisser Berechtigung die Ver-
teilung und Struktur des „säurelöslichen“ Phosphors dargestellt,
der summarisch erhöht befunden wird, ihm gegenüber der
fällbare, vorwiegend lipoidische Phosphor mit absinkenden Be-
trägen. Letzterem, als Teilbegriff der Lipoidfraktion, traten
Angaben über Anwachsen des Cholesterins in summarischen
Befunden zur Seite. Über das Gebiet der Gesamt- und Rest-
reduktion wurden genauere Angaben gemacht, die bei vor-
eichtiger Einschränkung des derzeit zugrunde gelegten, nun
obsoleten Begriffes der Restreduktion von Schumm deutlich
auf Absenkung des Blutzuckers hinzeigten.
Im Falle 1 geschah die analytische Beschreibung in lücken-
loser Entwicklung und zeigte die Wandlungen durch Anstiege
im Reststickstoffgebiete, spezifisch für den Amino-N, Purin,
Kreatinin und Kreatin an. Umstimmungen zeigten sich durch
Herabsetzung des Lipoid-P, durch Ansteigen des Gesamt-
cholesterins, durch beträchtliches Hinaufrücken des säurelös-
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. HJ. 5
lichen Phosphors, durch Veränderung und charakteristische
Abartung in seiner Struktur mit starkem Hervortreten der
Fraktion des „Restphosphors“ (Feigl). Befunde der letzteren
Art wurden auch in den späteren Fällen erhoben, desgleichen
solche über Cholesterin usw.
Die bisherigen kurzen Angaben waren nur als Beigabe
mitgeteilt worden und sollen nunmehr, soweit angängig, be-
trächtlich erweitert, beschrieben werden. Es haben sich, an-
scheinend wesentliche, Umstimmungen und besondere Verhält-
nisse in der Entwicklung bei Fetten und Lipoiden von Blut
und Serum nachweisen lassen. (Maskierte Lipämie.)
Methodik.
Die Analysen der Fette (bzw. des Neutralfettes und der Gesamt-
fettsäuren) wurden nach W. R. Bloor durchgeführt!). In dem ältesten
Falle (1) wurde Cholesterin nach W. Authenrieth und A. Funk be-
stimmt?). Später wurde diese Methode durch das Verfahren nach W.
R. Bloor, teils aus deskriptiven, teils aus methodologischen Gründen
ergänzt?) Weitere Verfahren der Cholesterinanalyse (Weston und
Kent, Gettler und Baker, Grigaut) wurden mit aufgenommen, sind
jedoch nach ihren Ergebnissen von speziellerem Interesse und werden
daher hier nicht berührt‘). Die Differentialanalyse des freien und ge-
bundenen Cholesterins wurde nach W. R. Bloor in den späteren Fällen
bewirkt’). Makrochemische Grundlagen wurden nur aus systematischem,
bier nicht wichtigem Interesse gewählt. Es genügt zu sagen, daß so-
wohl die Frage des Fettes bzw. die der Gesamtfettsäuren bei direkter
Verseifung nach L. Liebermann bzw. Kumagawa-Suto®°) im ganzen
1) W. R. Bloor, A method for the determination of fat in small
amounts of blood, Journ. of Biolog. Chem. 17, 877, 1914.
2?) W. Authenrieth und A. Funk, Über colorimetrische Be-
stimmungsmethoden. Die Bestimmung des Gesamtcholesterins in Blut
und Geweben. Münch. med. Wochenschr. 1913, 1243.
®») W. R. Bloor, The determination of total cholesterol in small
amounts of blood. Journ. of Biolog. Chem. 24, 227, 1916.
4) Besondere einschlägige Arbeiten gemeinsam mit J. Neumann
(seit 1915) stehen vor dem Abschlusse.
5) W. R. Bloor und A. Kundsen, The separate determination of
cholesterol and cholesterolesters in small amounts of blood. Journ. of
Biolog. Chem. 27, 107, 1916; sowie 29, 1917.
°) v. Szek&ly betonte, daß die Benennung nach Kumagawe-
Suto der Wahrheit nicht gerecht wurde, da sie eine Weiterbildung des
methodischen Gedankens von L. Liobermann sei. Über Fettbestimmung.
diese Zeitschr. 42, 5, 412, 1912. Ebenso präzis sagt Bloor l. o. ?), sie
6 Joh. Feigl:
prinzipiell die gleichen Werte lieferte, was auch von der Lipoid- bzw.
Cholesterinbestimmung mit größeren Mengen gilt und in den Befunden
vorwiegend methodenkritisches Interesse in Anspruch nimmt. Die Ana-
lyse der Lipoidfraktion geschah auf zwei Wegen’): Einmal wurde die
dem rechnerischen Zusammenhange des Fettgebietes angehörende Mə-
thode von W. R. Bloor gewählt, jedoch von Anfang an nicht auf Grund
der Analyse durch Nephelometrie des Silberphosphates, vielmehr des
komplexen Strychninphosphormolybdates®), °). Gleichzeitig wurde die
Phosphorverteilung durch die Methodik des fällbaren einerseits, des säure-
löslichen andrerseits im Sinne von J. Greenwald‘) nach technischen
Angaben von .P. A. Kober und Gr. Egerer°) bzw. nach allgemeinen
Erfahrungen von Joh. Feigl) gewählt. Die hieran anschließende Frage
der Struktur des säurelöslichen Phosphors wurde im Zusammenhang mit
methodischen Arbeiten von Joh. Feigl’), ?) und im Anschlusse an Mit-
teilungen von J. Greenwald?) bearbeitet.
“ Für größere Reihen von Untersuchungen an einem Falle bzw. für
größere Analysen aus einmaliger Probe kommen nur mikrochemische
Verhältnisse in Frage. Diesen Anforderungen werden u. a. die Methoden
sei eine Modifikation der ersteren. Für Blut kommt die vorgängige Al-
koholextraktion nach Shimidzu in Betracht.
1) Bisherige Angaben bei Joh. Feigl und H. Luce, l. o. 1917
nur nach Lipoidphosphor.
2) W. R. Bloor, A method for the determination of lecithin in
small amounts of blood. Journ. of Biolog. Chem. 22, 133, 1915.
3) Derselbe Autor schlug die Verwendung des komplexen Alkaloid-
salzes nach Vorgang von J. Pouget und D. Chouchak erst 1918,
l. c. 58t, vor. Der Vorteil gegenüber dem Silberphosphat beruht in der
für die Fällung zulässigen, sauren Reaktion, die bei ersterem hingegen
genau auf den Neutralpunkt abgestimmt sein muß.
1) J. Greenwald, The estimation of lipoid- and acid-soluble phos-
phorus in small amounts of serum, sowie ältere Arbeiten, zitiert ebenda.
Journ. of Biolog. Chem. 21, 29, 1915.
5) P. A. Kober und G. Egerer, Nephelometric determination of
phosphorus. Journ. of Amer. Chem. Soc. 87, 2373, 1915.
6) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch-
lichen Blutserum, I. Säurelöslicher Phosphor bei Gesunden und Kran-
ken, diese Zeitschr. 81, 5/6, 380, 1917.
7% Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten, II. Säure-
löslicher (Gesamt)Phosphor, vorgebildetes Orthophosphat, Restphosphor
beim Gesunden, diese Zeitschr. 83, 81, 1917.
3) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten, III. Säure-
löslicher (Gesamt-)Phosphor, Orthophosphat und Restphosphor bei Krank-
heitezuständen. A, diese Zeitschr. 83, 218, 1917.
®) J. Greenwald, The nature of the acid-soluble phosphorus of
the serum. Journ. of. Biolog. Chem. 25, 431, 1916.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 7
von Bloor und den übrigen genannten Autoren gerecht. Die Wahl
wurde erleichtert durch die eingehenden Mitteilungen und Analysen
Bloors an einigen Gesunden und Kranken!), unter denen allerdings
verwandte Erscheinungen, wie z. B. Phosphorvergiftung, und gerade die
Leberatrophie fehlen, so daß Vergleiche nicht gemacht werden können.
Weitere eigene Erfahrungen an Gesunden und Kranken’), an Unter-
ernährten®) nach Muskelarbeit‘), bei Avitaminosen®), nach Knochen-
operationen®) stehen uns zu Diensten, um, abgesehen von nicht mit-
geteilter Kritik der Nephelometrie des Fettes, die Methodik an sich
empfehlen zu können. Über die Enteiweißung und Extraktion spricht
sich J. H. Müller’) anerkennend aus.
Diese Methodik hat den Vorzug, die Glieder des ganzen
Gebietes, teils selbständig in analytischer Bestimmung, teils
in gegenseitiger, rechnerischer Verkettung aus einem Wurfe
darzustellen. Wir folgen hierin der Darlegung Bloors®) bei
möglichster Kürze.
Gesamtfettsäuren — Gesamtfett weniger Cholesterin. Lecithin —
Phosphorsäure (H,PO,) mal 8. Neutralfett im Plasma wird ermittelt,
indem die in heterogener Bindung stehenden Fettsäuren von dem Ge-
samtbetrage abgesetzt werden; für Lecithin der gefundene Wert >< 0,70
auf Grund der Annahme einer Oleo-Stearylverbindung, für Cholesterin
der gefundene Wert >< 0,48, da im Plasma ?/, des Gesamtcholesterins
als verestert angesehen werden. Willkürliche, später geprüfte Annahme.
Für Körperchen findet diese letztere Korrektur nicht statt, das
Cholesterin gilt als durchaus ungebunden. Der sonach ermittelte Rest-
betrag an Fettsäuren ergibt >< 1,05 das gesuchte Neutralfett. Ge-
samtätherlösliches ist die Summe aus Leeithin, freiem und gebundenem
Cholesterin und Neutralfett (Plasma).
Als Fehlergrenzen der Einzelverfahren, vielleicht der ganzen Ana-
1) W. R. Bloor, The distribution of the lipoids („fat“) in human
blood. Journ. of Biolog. Chem. 25, 577, 1916.
®) Zur Zeit noch unveröffentlicht, teilweise in Verbindung mit K.
Th. Fahr an Diabetikern usw.
3) Joh. Feigl, zitiert bei A. V. Knack und J. Neumann, Bei-
träge zur Ödemfrage, Deutsche med. Wochenschr. 29, 901, 1917.
4) In Untersuchungen über Blutchemie und Marsch, noch unver-
öffentlicht.
®) Noch unveröffentlicht, aber z. T. erwähnt in *°).
©) Mehrere Fälle, darunter ein exitus durch Fettembolie des Ge-
hirns, überwiesen von F. Oehlecker u.a. ,
2 J. H. Müller, A comparison of the results obtained by the
colorimetric and gravimetric determinations of cholesterol. Journ. of
Biolog. Chem. 25, 549, 1916.
®) W. R. Bloor, l. ce. 1°) 25, 587, 1916.
8 Joh. Feigl:
lyse nimmt Bloor 5°/,, zumeist weniger, an. Wir können an dieser
Stelle bei aller Wertschätzung der Methoden nicht umhin, anzugeben,
daß allerlei schematische Annahmen und gewisse technische Bedenken
immerhin modifizierend wirken müssen, so daß die Gesamtgenauigkeit
sicher geringer ausfällt. Es gilt diese Einschränkung einmal von der
Variabilität des Verhältnisses zwischen freiem und gebundenem Chol-
esterin im Plasma. Wir haben — allgemein vielleicht ja nur unter dem
mächtigen Eindrucke der alimentären Herabstimmungen unserer Kriegs-
verhältnisse — doch auch speziell bei einzelnen Krankheitsfällen und
physiologischen Abwandlungen weitere Veränderungen im Bindungsanteile
des Cholesterins gesehen. Es sei daran erinnert, daß bei Inanitions-
ödemen Beträge von 18°/,, 15°/, (und weniger!) für letzteres festgestellt
wurden. Danach muß sich die oben skizzierte Rechnung im Sinne eines
höheren Restbetrages der Wert für Neutralfett unseres Wissens verschieben.
Ferner sind nach neucsten Befunden von P. G. Weston!) die Chol-
esterinwerte in Zweifel zu ziehen. Diese Frage, zu der übrigens Müller
nicht im gleichen Sinne Stellung nimmt?), muß als besondere methoden-
kritische Aufgabe reserviert bleiben. Es ist leicht möglich, daß an
dieser Stelle, wo die Isolierungsverfahren — vorgängige starke Hydrolyse
durch Alkali (Authenrieth-Funk u. a.) oder indifferente Extraktion
(Bloor) bestimmend eingreifen, zerstörbare Umwandlungsprodukte des
Cholesterins bzw. anderer ähnlicher Körper Bedeutung für Farben-
proben nach Liebermann-Burchard erlangen, z. B. die Oxycholesterine
(Lifschütz), Gallenfarbstoffderivate u. a.®). Des weiteren muß das Vo-
lumen der Blutkörperchen entweder vorausgesetzt werden, wie es Bloor
nach Keith, Geraghty und Rowntree tut — 43°), bei Gesunden
— oder durch die analytische Vorbereitung zur Bestimmung gelangen *).
Die Trennung von Blut und Plasma geschieht nach Bloor durch Citrat-
beigabe und scharfes Zentrifugieren, das der Herstellung der Fraktionen
der Blutflüssigkeit vorangeht.
Der Ermittelung der Mengen von Fetten, Lipoid und Cholesterin
im Blut, Plasma und Körperchen folgt die aus deskriptivem und dia-
gnostischem Interesse bezeichnende und wertvolle Aufstellung folgender
1) P. G. Weston, Colorimetric methods for determining cholesterol
in serum. Journ. of Biolog. Chem. 28, 383, 1916/1917.
*) J. H. Müller, 1l. c. 1916.
°) J. Lifschütz, Quantitative Bestimmung der Cholesterinstoffe,
I, diese Zeitschr. 54, 3/4, 212, 1913, sowie spätere Arbeiten. — E. Schrei-
ber und Lenard, Über Oxycholesterin, diese Zeitschr. 49, 6, 458, 1913.
— E. Schreiber, Zur quantitativen Bestimmung des Cholesterins und
Oxycholesterins nach Authenrieth und Funk, Münch. med. Wochen-
schr. 1913, 36, 2001. — W. Authenrieth und A. Funk, Zur Kennt-
nis der Liebermannschen Cholesterinreaktion, Münch. med. Wochen-
schr. 1913, 32 1776. — Polemik gegen Lifschütz, nach dem reine
Fettsäureester von Cholesterin und Oxycholesterin die Reaktion geben.
% W. R. Bloor, l. c. 1916, 587. ;
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 9
Beziehungen. Im ersten Falle ermittelt man Gesamtfettsäuren zu Le-
eithin, im zweiten Lecithin zu Cholesterin. Die relativen Werte er-
läutern die Frage bedeutend, wie Bloor nach dem Vorgange von
A. Mayer und G. Schäffer wie E. F. Terroine und D. Weill an
Hand einiger pathochemisch wichtiger Zahlen darlegte'), Verf. bzw.
Knack und Neumann an den speziellen Fall der alimentären Um-
stimmung in der Kriegszeit für Ödempatienten gleichfalls belegten *)?).
Auf die Konstanten, die Bloor selbst ermittelt, und die, durch eigene
Studien erweitert, vorliegen, wird unten näher einzugehen sein.
Im ganzen sei noch einmal hervorgehoben, daß der Kreis
der Methoden und Rechnungen über das Gebiet der Fette
und Lipoide im Blute nach Bloor ein sehr brauchbares, tech-
nisch durchaus angenehmes und leistungsfähiges Erkenntnis-
mittel zur Förderung verschiedener Fragen darstellt, daß aber
trotz der bisherigen Ergebnisse weitere Befunde gesammelt,
abgewogen und beurteilt werden müssen. Der gewissen, an
manchen Stellen nicht unbeträchtlichen, analytischen Schwierig-
keit tritt die Tatsache der inneren Verkettung gegenüber, die
das Gebiet zusammenfassend in einer Weise darstellt.
Darstellung der Ergebnisse in Tabellen und Befunden.
Tabellen.
Die mit Hilfe der oben besprochenen Methoden gewon-
nenen Ergebnisse sind in den nachfolgenden Tabellen I bis VII
aufgeführt.
Tabelle I.
Fette und Lipoide im Blute und im Plasma bei akuter
gelber Leberatrophie I.
Gesamtfettsäuren, Lecithin, Cholesterin, Gesamtätherextrakt sowie Phos-
phorverteilung (im Serum) in Beziehung zu den Werten für Gesamtrest-
stickstoff und dessen Aminostickstoff ber. auf 100 ccm Blut, Plasma oder
Körperchen.
1) A. Mayer und G. Schäffer, Coöfficients lipocytiques .... ,
Compt. rend. 156, 1253, 1913. Dieselben, Recherches sur la teneur
des tissues en lipoides. Existence possible d’une constance lipocytique.
Journ. de la Physiol. Pathol. 15, 510, 534, 1913. — E. F. Terroine und
J. Weill, Indices lipocytiques .. .., ebenda 15, 549, 1913. Der ge-
nannte Index, Cholesterin: Fettsäuren wird als charakteristisch ange-
sehen, weicht übrigens nach der Formulierung von der Relation Bloors
ab. Eigene analytische Methode. Rücksicht auf Inanitionen wird ex-
perimentell betätigt.
2) Joh. Feigl, l.o.
®) A. V. Knack und J. Neumann, |. c. 1917.
10 Joh. Feigl:
Durchgehende Untersuchung eines tödlichen Falles.
Fall 1 (1915), mitgeteilt nach RN-Befunden bei Feigl und Luce, 1917.
Amino-N| Srst- | Neuraitert
Lecithin | P-Verteilung | Gesamt-
. g
g g fettsñäuren EË
3 z r PEA a ú e |Z|» a |a |an | Rest-P | Ather-
2 582] 8] i|| j23|E)§ |a liz 3e] extra
Ə |>| slala] E à [3 |22] iss. | Plasma
[m | me| me | me | me mg | mg | mg | | {ng
5. | 32,0 56,0) 44,0|320,0136 145,01130,0|370,0 |: 20,0 | 570,0
17. | 40,0]65,5|52,5] —
21. | 70,0| 71,0|64,0 300,0 285, 0 140, 0 420, 0 25,0 | 700,0
1. | 80,0|72,5 62,5] — — 180,0
14. |122,0| 80,0 |67,11292,0 420.01270,0]3* 0, 0 ; 32,0 11050,0+)
17. [182,0] 82 ‚0,71, 0|240,0,917, 523,01400,0[280,0 44,0 |1500, 2
18. 258,0 78,0168,0] — |j960,0| — | — [140,0 — {1700,04
2 (a) |101,0|80,0| 68,0 | 520,0]320,0|680,0 | 2
(b) |148,0165,0| 55,0 | 911,0 120,0 880,0
Bemerkungen: 1. Cholesterin steht hierin nach Authenrieth-
Funk bestimmt.
2. Der Gesamtätherextrakt wurde für sich bestimmt und berechnet
nach Bloor unter willkürlicher Annahme des veresterten Cholesterins
nach Angaben zu späteren Fällen.
3. Cholesterin wurde im Vollblute bestimmt. Die Anstiege betreffen
fast ausschließlich das Plasma. Nach gekürzter Umrechnung ergeben
sich daher die korrigierten Ätherextrakte „Gesamtätherlösliches“ für den
14., 17., 18. VI., (bezeichnet mit +).
4. Die Werte für RN und Amino-N sind im Blut ermittelt und
erhöhen sich für Plasma in der kritischen Zeit um rund 20°/, (Feigl
und Luce).
Tabelle II.
Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber
Leberatrophie II.
Gesamtfettsäuren, Lecithin, Cholesterin, Gesamtätherextrakt sowie Phos-
phorverteilung (im Serum) in Beziehung zu den Werten für Gesamt-
reststickstoff und dessen Aminostickstoff, berechnet auf 100 ccm Plasma.
Durchgehende Untersuchung tödlicher Fälle.
Fälle 2 und 3 (I und II Feigl und Luce, 1917) sowie Fall 5 (1917).
ge . .
als i 5 a| Z «| Cholesterin | S a P-Verteilung
e E Ez re = 3 8 3 g ver- S fz] G |o 5
E En in °/, des 233 £ 3 gesamt| sátort 33 Lip-- È u| Rest- |
= © [Ge.-RN S5&|2 | Plasma [A| Pi P |o
__ | mg [bane] roon] mg | mg | mg (Go| me | mg | mg auas] e _
12,0| 25,0
16,5 24,0
33,0
3 (a) | 88,0]75,0|60,0| 391,01204,0 | 11
(b) 1127,0|66,0|60.0| 790,0|22: AEA 50
1000,0
40,0 | 1400,0
650,0
720| 3.2 |20,0
a | 60,«]70,0| 62,0 | 386,0]167,0]230,0 o| 7,2115,0| 34,0
b 387,0|149.0|260.0 1250| 5.2 |20.0| 36.0 | 630.0
c 70.0 | 638,0|388/0|560,0 h 140.0] 5.5 |28,0| 500 | 1200.0
d 65,0 |1023,0|634,0|960,0 105,0] 4,2|25,0| 420 | 1900,0
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 11
Bemerkungen: 1. Die Befunde für Neutralfett, Lecithin und
Cholesterin, damit für Gesamtfettsäuren der Körperchen bleiben in
diesen Fällen innerhalb der äußersten Grenzen für die Norm. Sie werden
daher hier nicht mit aufgeführt.
2. P-Verteilung mit Rest-P in °/, des säurelöslichen (Gesamt-)P.
Fälle 2 und 3 bei Feigl, Phosphate III (1917), Fall 5 ebendort noch
nicht genannt.
3. Für Fälle 2 und 3 RN- und Amino-Werte im Vollblute bestimmt
(Korrektur annähernd hei Feigl und Luce), Fall 5 gibt Werte direkt
im Serum.
Tabelle III.
Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber
Leberatrophie III.
Gesamtfettsäuren, Lecithin, Cholesterin, Gesamtätherextrakt sowie Phos-
phorverteilung (im Serum) in Beziehung zu den Werten für Gesamtrest-
stickstoff und dessen Aminostickstoff ber. auf 100 ccm Plasma.
Durchgehende Untersuchung eines geheilten Falles.
Fall 4 (geheilt 1917, mitgeteilt nach RN-Befunden von Feigl und
Luce 1917).
5 ino-NI# E z Cholesterin | s P-Verteilung | .
a (8 [ee EEEE er EE I ,;, 1. [983
= ja in °/, des 228 Ed K | estert FE date, Rest.- Er:
A Io |Ge-RN J5Zul2%| Plasma |S® IS 2 P jte
| me [ee] ih] 3 mg | mg |€ ko] me | me | mg Sauer] 8
33 1202,0| 8,2 9 600,0
‘052.0 331. 'ol160.0. 40 [1770 1alse 5 [5500
3. | 71.0 [70.0 60.0 | 439.0 |14x.0[200.01 30 1253.0[10,5 85 | 35 | 700,0
4. | 30,0 |56,0 | 47,0 | 377,0 |121,0]190,0)| 35 [210,0 84| 32 8 | 600,0
Tabellen I, II, III enthalten die deskriptiven Zusammen-
stellungen der Befunde für die einzelnen Fälle; Tabelle I
bringt, schematisch der früheren Mitteilung angepaßt, mit Auf-
führung auch der Werte für Körperchen, die Befunde für den
in lückenloser Reihenbetrachtung stehenden Fall von Feigl
und Luce (1915). Zu berücksichtigende, gegenseitige Abstim-
mungen von Methoden und Voraussetzungen für die Stichhal-
tigkeit in Vergleichen sind kurz benannt und werden unten
näher besprochen. Tabelle II enthält die Werte der je zwei-
fachen Untersuchung der beiden gleichfalls tödlichen Fälle
Nr.2 und 3 von Feigl und Luce (dort I und II), dazu den
Fall 5 (neu 1917) mit viermaliger Analyse in der kritischen
Zeit vor dem Exitus. In diesem werden — Anmerkung zu
den Tab. — Befunde an Körperchen nicht mit genannt, da
12 Joh. Feigl:
sich zeigen ließ, daß die einschlägigen Zahlen den äußersten
Grenzen der Norm nach angepaßt sind. Korrekturen und Hin-
weise siehe auch weiter unten. Tabelle III zeigt die — vier-
malige — Untersuchung des geheilten Falles von Feigl und
Luce mit Beginn, Höhepunkt und (endgültiger) Restitution
zur Norm. Die Zahlen sind im allgemeinen mg für 100 ccm
Blut bzw. Plasma, sonet entsprechende Relationen nach °/,
der jeweiligen, übergeordneten Komplexgröße. Die Berechnung
erfolgte nach den obengenannten Angaben von Bloor mit
zum Teil mäßiger Abrundung, die nur für den „Gesamtäther-
extrakt“ (rechnerisch) über die unmittelbaren Zahlen hinausgeht.
Tabelle IV.
Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber
Leberatrophie; spezielle Angabe A.
Absolute Werte und Verteilung der Fettsäuren nach ihren
Bindungsformen im Lecithin, im Esteranteil des Cholesterins, zu
Neutralfett, berechnet aus den Werten für die Gesamtfettsäuren mit denen
für Lecithin (aus Lipoid-P) und der Ermittelung des Estercholesterins,
berechnet auf 100 ccm Plasma.
Fälle 2und 3 (Iund II Feigl und Luce, 1917), Fall 4 (geheilt, ebenda),
Fall 5 (neu, 1917).
i
!
|
B. B. C D. E. F. G.
ga 3 ssPole st], Bemerkungen.
Yal 5 $ Fettsäuren os £ pes 5 4 & |genäherte Korrektur d'r als
Termin| s:2 lipoidgeb. an |38® |32 £]= 2 £ |Neutralfett berechn. Fettsäu-
Ê? ERRAR 5 &< k rendurcheolche,d.frei, unimnit-
$ | Lecithin | Cholesterin | 3:5 © ENDA telbar nachgewiesen wurden.
No | me| ms | mg | me | me | me | m
215,0 | 320,0 |1300,0
511,0 | 410,0 | 1900,0 FFreieFettsäuren nachgewiesen
(korr. ca. 160,0 mg
2. a | 520,0 | 106,0 | 1090
b {9110| 890 | 422,0
3. a
b freie Fettsäuren vorhanden
. a | 356,0 142,0
b | 331,0 124,0 96,0 | 220,0 freie Fettsäuren sowie Sei-
c | 439,0 | 207,0 90,0 | 297,0 fen nicht nachgewiesen
d | 347,0 138,0 95,0 | 237,0
. a | 386,0 124,0 104 0 228,0 | 167,9 | 650,01
b 1 387,0 89,0 156,0 | 245,0 | 149,0 | 63,0
638,0 97,0 168,0 | 265,0 | 388.0 |1200,0 |freie Fettsäuren sicher nach-
gewiesen
1023,0] 75,0 317,0 | 392,0 | 654,0 |1900,0 |freieFettsäuren nachgewiesen
(Cur, 202,0 mg
a
=
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 13
Die anschließenden Tabellen IV bis VI enthalten Einzel-
angaben über Fette und Lipoide, gleichfalls nach Fällen orien-
tiert. Tabelle IV berichtet über die Gliederung der Unter-
anteile des summarischen Begriffes der „Gesamtfettsäuren“ und
enthält nach dem rechnerischen Modus von Bloor die Vertei-
lung derselben auf die Lipoide im Lecithin, den Esterfrakturen
des Cholesterins — fußend auf der getrennten Bestimmung
und prozentischen Angabe der Teile in Tabelle I, II, III sowie
Tabelle V bis VI der danach zu ziehenden Summe, aus der die
Werte für Neutralfett hervorgehen. Diese letzteren, wie unten
zu erörtern sein wird, jedenfalls für einen Ausschnitt der Analysen
bei einigen Fällen, sind als schematische Befunde anzusprechen,
da der Nachweis freier (höherer, gesättigter) Fettsäuren als
gelungen betrachtet wird. Nach den Molekulargewichtsver-
hältnissen treffen indes diese Zahlen annähernd (durch 1,05
dividiert) ziemlich genau mit den wirklichen Größen für freie
Säuren zusammen. Die pathochemische Bedeutung der Ergeb-
nisse dieser Tabelle ist unten zu besprechen; sie gibt außerdem
Grundlagen für die Tabellen I, II, III ab. Tabelle V enthält
die Werte für Cholesterin und seine Fraktionen (prozentisch
nach dem Gesamtcholesterin), so wie sie sich in verschieden-
artigen Isolierungs- und Bestimmungsverfahren darstellen. Die
rechnerische Durchführung verlangt nach unserer Meinung die
Bevorzugung der Resultate nach Bloor, wennschon die Ob-
jektivität der Werte dieses Analysenganges (speziell für Gesamt-
cholesterin) nicht an erster Stelle unter denen der übrigen
Methoden gerückt wird. Die Methodenkritik wird unten, soweit
hier möglich, abgehandelt. Tabelle VI bringt zusammenfassend
die relativen Größen aus den Wechselbeziehungen der Lipoide
untereinander und zu den Gesamtfettsäuren. Tabelle VII
enthält Aufstellungen über den prozentischen Aufbau des Ge-
samtätherextraktes.
Befunde.
Die Beschreibung der erhobenen Befunde wird bezogen
auf die Normalanalysen in den Arbeiten von W. R. Bloor’),
1) Nach Bloor lauten die Grenzzahlen für Körperchen bei Männern
hoch 0,45 g, niedrig 0,28 g, der Durchschnitt 0,36 g, bei Frauen bzw.
0,34 g, bzw. 0,27 g, bzw. 9,29 g.
14 Joh. Feigl:
wobei wir uns zu vergegenwärtigen haben, daß deren Ergebnisse
über die Gesamt-Fettsäuren durchweg dem Mittel der Werte
aus maßgebenden sonstigen Verfahren nahestehen. Eigene weitere
Arbeiten an Gesunden und Kranken mit Einschluß methoden-
kritischer Vergleiche zu makrochemisch gewonnenen Zahlen
belegen diese so weit, daß ihre Stichhaltigkeit für uns außer
Zweifel steht. Diese Zuverlässigkeit ist größer auf seiten der
Befunde im Blutplasma (als in den Körperchen), weil ebendort
die Schätzung des veresterten Anteiles im Gesamtcholesterin
nach sonstigen Urteilen als zutrefiend begutachtet werden darf.
Auf dieser Grundlage — zuzüglich der Verrechnung nach dem
Phosphor, der Phorphorsäure, dem Lecithin — beruht die in-
direkte Ermittelung der Werte für das Neutralfett. Dieses
sehen wir sonach in der Norm als genugsam zutreffend beur-
teilt bzw. bestimmt an. Für Körperchen kommt die Erwägung
nur nebensächlich in Frage, insofern als die Pathochemie des
Fettes, der Lipoide in ihren nach bisherigen Darlegungen —
die indes zu erweitern und auf hämatolog'sch-morphologischer
Basis zu kritisieren sein werden — keineswegs eindeutige,
stark umrissene Bilder erzeugt, die an Schwere mit den glei-
chen Erscheinungen im Plasma zu konkurrieren vermögen, die
ferner demnach nicht wohl in dem Maße charakteristisch für
die heterolytischen Destruktionsvorgänge bei akuter gelber
Leberatrophie sein dürften. Die Frage nach der vergleichs-
weisen Stichhaltigkeit bzw. selbständigen Objektivität der Be-
funde für Lipoid-P bzw. Lecithin einerseits, für Cholesterin
(Gesamt- wie Gliederung in freies oder verestertes) anderer-
seits wird uns Weiter unten beschäftigen.
Nach Bloor bezifferten sich die oberen Grenzwerte für Ge-
samtfettsäure im Plasma zu 0,43 g für 100 cem (Männer), zu 0,40 g
(Frauen); die niederen lauten entsprechend 0,30 g bzw. 0,35 g, da-
nach der Durchschnitt 0,38 g (Männer), 0,40 g (Frauen). Eigene Unter-
suchungen (Feigl) an nüchternen, ausgeruhten, befriedigend ernährten
(erstes und zweites Kriegsjahr, spätere Analysenergebnisse zumeist
auf Grund alimentärer Herabstimmung verdächtig auf nicht einwand-
freie Voraussetzungen und Befunde) Männern stimmen im ganzen
mit obigen Angaben — größere Ausschläge — überein. Mit gewissem,
vorsichtigen Blick bewertet, können die allgemeinen Grenz-
zahlen zu 0,45 g (hoch), 0,25 g (niedrig), der große Durch-
schnitt zu 0,35 g eingesetzt werden. Bei Frauen gilt unter
gleicher Voraussetzung die Formulierung folgender Grenzen:
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 15
0,45 g (hoch), 0,20 g (niedrig) mit dem Durchschnitte von
0,33 g für 100 ccm Plasma. An ihnen haben die eigenen Befunde
(Feigl) bestimmenden Anteil.
Verglichen mit den obigen Zahlen von Bloor und dem
einen von uns (Feigl) ergibt sich folgende Beurteilung:
Fall 1 (1915). Die Zahlen vom 5.V. (360,0 mg) und
21. V. (281,0 mg) sind normal, nicht unerheblich bzw. stark
gesteigert diejenigen vom 14. VI. (710,0 mg) bzw. vom 17. VI.
. (917,0 mg) und vom 18. VI. beim Exitus 960,0 mg. Ersterer
Wert ist nahezu das Doppelte des Durchschnitts, letzterer ent-
sprechend das Dreifache. Die Erhöhung gegen die oberen
Grenzen der Norm sind um deren Hälfte, bzw. Verdoppelung.
Fall 2 (I 1917). Wert (a) 520,0 mg ist eine zweifellose
Steigerung um bezüglich 40°/, und 20°/,, Wert (b) 790,0 mg
ist demnach reichliche Verdoppelung bzw. Zuschlag von 40 °/,.
Fall 3 (II 1917). Wert (a) 391,0 mg (allgemein beurteilt)
noch normal, Wert (b) 790,0 mg stellen sich als (vermutlich
individuell höher zu schätzende) Zahl mit Zuschlag von 100°],
bzw. 70°], dar.
Fall 5 (1917) Wert (a) und (b) 386,0 mg bzw. 384,0 mg
sind normal, Wert (c) 638,0 mg verdoppelt bzw. rund verdrei-
facht. Wert (d) 1023,0 mg ist der dreifache Durchschnitt
und enthält gegen die obere Grenze der Norm als einen Zu-
schlag, der diese noch übersteigt.
Fall 4 (geheilt 1917). Sämtliche Zahlen, a (356,0 mg),
b (331,0 mg), c (439,0 mg), d (377,0 mg), sind bei vorsichtiger
Beurteilung als normal anzusprechen. Der relative Anstieg
in der Krise ist noch zu beurteilen, immerhin vermutlich nicht
gegenstandslos.
Bei akuter gelber Leberatrophie kommt es (im
späteren Verlaufe bei tödlichen Fällen) nach der eigentlichen
Krise (Umschwung zur Heilung) im letalen Stadium (sche-
matisch nach obigen Befunden an den letzten drei Lebenstagen)
zu achtbaren bis starken Anstiegen in den Werten von
Gesamtfettsäuren des Blutplasmas. Diese Anstiege
rangieren mit ähnlichen Beobachtungen über Lipämie bei Dia-
betes (nicht jeder Fall zeigt Lipoid- und Fettzuwachs, Rumpf
u. a., Fzhr) nach Bloors wenigen Zahlen einmal mit 700,0 mg
(höchste siehe später), nach Verfs. Befunden mit 600,0 bis 800,0 mg;
16 Joh. Feigl:
bei gewissen chronischen Nephriten (bis 900,0 mg, Verf.) nach
der Größe auf einer Stufe. In den Körperchen machen sich
etwaige Erscheinungen kaum bemerkbar.
Nimmt man sowohl die statistischen Grundlagen (Bloor,
Feigl), wie auch den Modus der rechnerischen Wiedergabe
(Bloor) über Neutralfett im Plasma als stichhaltig und der
Verwendung in der Diskussion als fähig an, so ergibt sich
folgendes.
Nach Bloor liegen bei gesunden Männern die Grenzwerte um '
160,0 mg (hoch), 40,0 g (niedrig) und der Gesamtdurchschnitt um 110,0 mg,
für Frauen nennt er bezüglich 200,0 mg und 120,0 mg und 160,0 mg.
Verf. berücksichtigt unter obigen Verhältnissen nach
eigenen Analysen (25) auch Zahlen von 200,0 mg (obereGrenze,
Männer) und 50,0 mg (untere Grenze, Männer), allgemeine
Durchschnitte von 100,0 mg bis 120,0 mg. Bloor findet in den
Körperchen 150,0 mg bzw. 0,0 mg bzw. 70,0 mg als Gesamtdurchschnitt
(Männer) und 30,0 mg bzw. 0,0 mg bzw. 10,0 mg Durchschnitt (Frauen).
Verf. nennt 40,0 mg als Durchschnitt.
Verglichen mit den genannten Zahlen ergibt sich bei der
Bewertung der Befunde im Falle 1 (1915): Normalwert am
5. V. (145,0 mg), erhöhte am 21. V. (281,0 mg), 14. V. (420,0 mg)
und am 17. V. (523,0 mg). Sie stellen dar gegen den Durch-
schnitt Erhöhungen auf das 5fache, 8fache, 10fache, gegen die
hohen Grenzwerte auf kaum das Doppelte, das knapp Drei-
fache, das Dreieinhalbfache und bedürfen einer rechnerischen
Korrektur (freie Säuren), die die hohen letalen Werte auf das
höchstens 3fache bringt, andere entsprechend modifiziert.
Fall 2 (II 1917) zeigt mit 320,0 mg (a) und 420,0 mg (b)
Werte, die das 6fache bzw. 8fache, andererseits das Dop-
pelte und 4fache (knapp) darstellen und ev. korrigiert sich um
1J bis '/, der Beträge erniedrigen, da freie Säuren mit sub-
summiert sind.
Fall 3 (II 1917) zeigt mit 204,0 mg (a) und 227,0 mg (b)
Zahlen, die leichte, durch Korrektion modifizierbare (dann viel-
leicht kaum übernormale) Ausschläge darstellen.
Fall 5 (1917) gibt (Termine a bzw. b) mit 167,0 mg bzw.
149,0 mg Zahlen nach normalem Ausmaße, während c mit
388,0 mg mäßige (8fache bzw. 2!/,fache), d mit 634,0 mg starke
(12fache bzw. 4fache) Erhöhungen versinnbildlichen, die korri-
giert noch erheblich hohe Zuschläge zur Norm enthalten.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 17
Fall 4 (geheilt, 1917) zeigt mit 132,0 mg (a), 117,0. mg (b),
148,0 mg (c), 121,0 mg (d) durchweg normale Werte mit rela-
tiven Schwankungen.
Beiakuter gelber Leberatrophie kommtim späteren
Verlaufe tödlicher Fälle (verkettet mit den Werten für die
Gesamtfettsäuren) ein Hinaufschnellen des Neutralfettes
im Plasma vor. Die kritische Bewertung dieser rechnerischen
Größe verlangt‘ die Mitberücks'chtigung der Tatsache, daß freie
Fettsäuren im Plasma erscheinen können. Indes ist trotz
dieses (seltenen, im Spätverlaufe gesehenen) Befundes die
Erhöhung des Neutralfettes vermutlich außer Zweifel
gerückt worden.
Erscheinungen ähnlicher Natur wurden in den Körperchen
nicht nachgewiesen. Die Beobachtungen im Plasma stellen
sich, vergleichsweise zu solchen bei Diabetes (Bloor nur orien-
tierend, Feigl u.a. höhere Zahlen, Carcinom, Anämien usw. nach
Bloor) immerhin als beträchtlich dar. Über das Vorkommen
freier Fettsäuren bei diesen lipämischen Zuständen, zu denen
auch Cirrhosen treten, ist wenig bekannt.
Über das Verhalten der Cholesterinämie bei Leber-
atrophie ist wie folgt zu berichten. Wird das Gesamt-
cholesterin im Plasma bestimmt, so zeigt sich in den Er-
gebnissen der angewandten einschlägigen Methoden überein-
stimmend ein Anstieg.
Nimmt man Authenrieth und Funks Werte bis zu 150,0 mg,
nach Beobachtungen des Verfs. solche um 120,0 mg bis 140,0 mg an, und
sieht man nach Bloor im Plasma bei Männern die unteren Grenzen um
190,0 mg, die oberen Grenzen um 300,0 den Gesamtdurchschnitt um rund
220,0 mg, bei Frauen bezüglich um 260,0 mg, 190,0 mg, 240,0 mg, was
nach Erfahrungen des Verf. unter obigen Kautelen im großen
Ganzenzuhochgegriffen ist— Durchschnitt 180,0 bis 200,0 mg —
so ergibt sich das folgende (s. a. W. Denis, 1917):
Tabelle V.
Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber
Leberatrophie; spezielle Angaben B.
Absolute Werte und Verteilung des Gesamtcholesterinse.
Vergleichende colorimetrische Analyse nach verschiedenen Methoden der
Isolierung. Freies und verestertes Cholesterin in prozentischer Wiedergal:e
berechnet auf die Gesamtfraktion. g Cholesterin in 100 cem Plasma.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 2
18 Joh. Feigl:
Letale Fälle 2 und 3 (I und II Feigl und Luce 1917), Fall 5 (1917)
und der geheilte Fall 4 (Feigl und Luce).
\ f Verteilung
Gesamtcholesterin des Cholesterins
RE nach | nach verestert. bzw freier
= 5 Aut hen- nach Gettler| nach |Anteilin Proz.desGe-
m 5 | rieth und | Bloor’) und |Weston‘) samtcholesterins n.
E Funk!) Baker?) Blooru. Knudsen
2a 0,60 0,68 0,58 060 | n 89
b 0,81 0,88 0,80 0,78 33 __6
38 0,48 0,56 0,40 0,47 ll 89
b 0,66 0,75 0,60 0,70 50 50
4a 0,12 0,18 0,10 0,12 33 67
b 011 0.16 0,12 0,12 40 60
c 0,15 0,20 0,12 0,16 30 70
d 0.12 0,19 0,11 0,11 35 J 6o
5a 0,15 0,23 | 0,15 013 | 3 69
b 0,17 0.26 0,18 0,18 40 60
c 0,48 0,56 0,42 0,50 20 82
d 0,88 0,96 0,90 0,82 25 75
Bemerkungen: Kurze Angabe wesentlichster Züge der in An-
wendung gezogenen Methoden.
1) Vorbehandlung durch partielle Hydrolyse des Plasmaproteins mit
25°, KOH in der Sidebitze, Colorimetrie nach der Reaktion von
Liebermann-Burchard im Colorimeter von Hellige, (Authenrieth,
Koenigsberger).
2) Vorbehandlung durch Extraktion mit großem Überschuß von
Alkoholäther beim Siedepunkte des Gemisches, wobei Hitzekoagulation
des Proteins eintritt. Colorimetrie nach ').
3) Vorbehandlung durch Aufsaugung in Würfel von Filtrierpap‘'er-
masse, schärfstes Troeknen im Vakuum bei gewöhnlicher Temperatur über
POs, Extraktion. Colorimetrie nach ').
4) Vorbehandlung durch Hydrolyse wie '), Einkochen, Fällung mit
Ca(OH), in der Kälte, Trocknung der Adsorptionsfällung, Extraktion und
Colorimetrie nach der Reaktion von Salkowski. Für °), °’), 4) wurde
die Analyse mit entsprechenden Vergleichslösungen reinen Cholesterins
durchgeführt.
Fall1(1915): am 5. V. mit 130,0 mg, am 21. V. mit 140,0 mg
normal, am 14. VI. mit 270,0 mg Erhöhung, am 17. VI. und
18. VI. mit 400,0 mg und 440,0 mg auf das (rd.) 3fache der
(hohen) Norm. Diese Zahlen entstammen der Analyse des Voll-
blutes nach Authenrieth und Funk.
Fall 2 (I 1917) zeigt bei der Analyse im Plasma nach
Bloor 680,0 mg (a) und 880,0 mg (b). Die Zahlen liegen in
der Höhe des 6!/,fachen bzw. 8!/„fachen Durchschnitts, der
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 19
gut doppelten bzw. 3fachen Höhe — Zuwachs zur Norm
gleiche bzw. doppelte Menge — der oberen Grenzbeträge.
Fall 3 (II 1917) ergab 560,0 mg (a) und 750,0 mg (b), wie
Fall 2 analysiert, demnach in bezug auf die Norm ähnliche,
nicht ganz so starke Zuschläge.
Fall 5 (1917) mit 230,0 mg (a), 260,0 mg (b) normal,
560,0 mg (c) 2*/, fach bzw. fast 2fach erhöht, 960,0 mg (d) stark
gesteigert, 4fach, gut 3fach, wobei also die Normalwerte für
Durchschnitt bzw. obere Grenze einen 2fachen bzw. 3fachen
Zuschlag erfahren.
Fall 4 (geheilt 1917) mit 180,0 mg, 160,0 mg, 200,0 mg,
190,0 mg zeigt (Analyse wie Fall 2, 3) niedrig normale (Bloor)
allgemein normale (Feigl) Werte mit relativen Anstiegen.
Das Cholesterin der Blutkörperchen (nach Bloor) liegt um
200,0 mg (Männer), 240,0 mg (Frauen), nach Verf. ebenso be-
stimmt, allgemein wohl unter 200,0 mg niedriger als im Plasma
und wird zwar gegensätzlich als frei angesehen. Unsere Befunde
ergeben nur geringfügige Anstiege (sonst Inkonstanz der über-
wiegend normalen Werte). Danach entfällt auch das Anwachsen
des Cholesterins — fast ganz auf das Plasma, und die späten
Zahlen der Untersuchungsreihe des Falles 1 (1915) lehren, daß
die Werte im Plasma viel höher gewesen sein müssen. Die
vergleichende Methodenkritik gehört nicht an diese Stelle, da
ihre Erwägungen auf die summarischen Ergebnisse über die
Hypercholesterinämie kaum einen Einfluß haben.
Die Annahme von Bloor hinsichtlich des veresterten
Anteiles vom Plasmacholesterin — rund 33°/, — stützt
sich auf die Mehrheit der Stimmen in der Literatur. Verf. hat mit
der Methode von Bloor und Knudsen unter genannten Kau-
telen Untersuchungen angestellt und gefunden, daß sowohl bei
derselben Person, auch im Zustande guter Ernährung bei Nüch-
ternheit und Ausgeruhtsein, wie bei Personen verschiedenen
Alters und Geschlechts u. dgl. nicht unbeträchtliche Unterschiede
vorkommen. Man kann in der Norm mit einer Breite rechnen,
die zwischen 50°), und 30°/, Estercholesterin im Gesamt-
cholesterin des Blutplasmas liegt (sorgfältige Untersuchung der
möglichst frischen Proben unerläßlich, siehe später) und finden,
daß tatsächlich 72°), der Einzelbeobachtungen nur 38°], er-
geben. Nach Bloor und Knudsen scheint es (wenige Zahlen
2*
20 Joh. Feigl:
ohne statistische Kritik) höher zu stehen. Mit dieser Voraus-
setzung ersehen wir aus den Ergebnissen der Untersuchung
— Fall 1 (1915) fehlt — das folgende:
Fall 2 (I 1917) zeigt (Termin a) 11°/,, (Termin b) 33°/,.
Fall 3 (II 1917) entsprechend 11°/, und 50°/,.
Fall 5 (1917) bei den Terminen a bzw. b bzw. c bzw. d
Befunde von 31°/, bzw. 40°, bzw. 20°/, bzw. 25°], veresterten
Cholesterins.
Fall 4 (geheilt 1917) zeigt für die Termine a bis d 30°,
bis 40°, (Tab. III) der Norm im weiteren Sinne angehörige
Prozentzahlen.
Danach sind die jeweiligen Befunde a von Fall 2 und
Fall 3, die Befunde c und d von Fall 5 als herabgesetzt an-
zusehen, die übrigen (Fall 5a, b, Fall 2b) als normal, der Be-
fund Fall 3b als erhöht, die des geheilten als normal.
Weniger dies relative Zahlenverhältnis zwischen Gesamt-
cholesterin und seinem veresterten Anteil als die zeitlichen
Schwankungen sind von Interesse; nach erheblichen Absen-
kungen (vielleicht nur relativ durch Zuwachs von freiem Chol-
esterin?) steigt gelegentlich der Esteranteil wieder an.
"Bei akutergelberLeberatrophie kann esinspäteren
Stadien tödlicher Fälle (nach der Krise) zu einer beträcht-
lichen Hypercholesterinämie kommen, die das Plasma,
kaum die Blutkörperchen betrifft. Die nähere Untersuchung
lehrt, daß sich die Struktur des Gesamtcholesterins gegen
die Norm dabei erheblich verschieben kann. Der typische
Verlauf scheint derjenige zu sein, daß der erste Anstieg von
freiem (neu hinzutretendem) Cholesterin bestritten wird, wie
der (relative) Rückgang des Esteranteils zeigt. Später findet
man Erhebungen im letzteren, vielleicht durch erneuten Hin-
zutritt von Estern. Der gegensätzliche — fermentchemisch
später nach Belegen darzustellende — Deutungsversuch erlaubt
an die Möglichkeit zu denken, daß die Wellen ins Plasma ein-
brechenden „Gesamtcholesterins“ ursprünglich von Estern vor-
wiegend beherrscht werden, welch’ letztere anfänglich von der
Cholesterase noch gespalten, später durch deren Lahmlegung
geschont und direkter Ermittlung zugänglich gemacht werden.
Über andere Glieder der Cholesterinfraktion (Oxycholesterin)
wird später zu sprechen sein.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 21
Die vorstehend aufgeführten Beobachtungen im Plasma
lassen, soweit es sich um direkt zugängliche Untersuchungen
auf Grund gleicher Arbeitsvoraussetzungen handelt, hinsichtlich
der Grade von Hypercholesterinämien einen Vergleich anstellen zu
folgenden Ergebnissen. Bloor: 4 nicht näher charakterisierte
Fälle von Diabetes mit 380,0 mg und 650,0 mg; Feigl: chro-
nische Nephritiden bis 480,0, Diabetes bis 980,0 mg, Anämien
bis 300,0; C. J. Imrie, A. Javal und P. Boyet, Joh. Müller
(mit Reinbach) (s. u.).
Über Umlagerungen in der Struktur des Gesamtcholesterins
existieren nur wenige Angaben, auf die gleichfalls in späterer
Allgemeinbeschreibung einzugehen sein wird. Hier sei erwähnt,
daß Feigl bei chronischer Unterernährung, die sich durch
jahresfristliche bzw. mehrjährige (allmähliche) Herabstimmung der
alimentären Erhaltungsmöglichkeiten charakterisieren, gegenüber
der Norm ein Zurückgehen des Ester-Cholesterins durch (schritt-
weise einwirkendes) Fettsäuredefizit gefunden hat. Von anderer
Seite experimentell gefundene Abweichungen im Gesamtchol-
esterin durch Muskelarbeit hat Feigl verknüpft gesehen mit
der gleichen Herabsetzung (z. B. auch bei schweren Neuropathen
mit Muskularerschütterungen u. a.).
An fernerer Stelle handelt es sich um die Beurteilung
der Befunde für Lipoide (Lecithin). Auf Grund vorstehend
beschriebener Methoden von Bloor wird das Lipoid durch
Extraktion isoliert und aus dem Phosphorsäuregehalte berechnet.
Die Normalzahlen nach Bloor zeigen befriedigende Übereinstim-
wung mit Ergebnissen anderer (makrochemischer) Verfahren, wofür
Resultate des Verf. unter genannten persönlichen, klinischen und experi-
mentellen Kautelen (tunlichst frische Prüfung) in Betracht kommen. Bloor
beziffert für Plasma die oberen Grenzwerte zu 260,0 mg, die niederen zu
200,0 mg, die Durchschnitte zu 220,0 mg bei Männern, bezüglich zu 220,0 mg
zu 170,0 mg zu 190,0 mg bei Frauen. Weitere Ausschläge kann
Verf. aus der Berücksichtigung nicht ausschließen. Sie weisen
auf 300,0 mg (hoch), 140,0 mg (niedrig) und sind vielleicht durch die ge-
nannte alimentäre Behinderung mit bedingt, wobei der Gesamtdurch-
schnitt um 200,0 mg zu suchen ist. (S. Über die Lecithinämie der
Geisteskranken.)
Der Vergleich unserer Reihen mit den aufgeführten Zahlen
der Normalanalysen lehrt für alle Fälle mit tödlichem Ausgange
ein allmähliches, zumeist mäßiges Absinken von (niedrigeren)
Normalwerten zur Hälfte derselben (s. Tab. I, II). In Tab. II,
22 Joh. Feigl:
Fall 5 (1917)c, findet sich ein geringer Anstieg zwischendurch,
sonst ist die Verminderung des plasmatischen Lecithins eine
ziemlich kontinuierliche. Auch die anfänglich als normal er-
kannten Werte (Bloors Durchschnitte rund 420,0 mg, Grenzen
480,0 mg bzw. 390,0 mg, Verf. rund 400,0 mg).
Das Lecithin in den Körperchen sinkt (langsamer als im
Plasma) ab.
Im engsten Anschlusse ist die Beurteilung des Lipoid-P im Serum
nach J. Greenwald, isoliert im Gegensatz zu obigem Extraktionsver-
fahren durch Fällung bei Enteiweißung in saurer wäßriger Lösung, durch-
zuführen. Der Autor gibt für Gesunde eine Breite von 7,0 mg bis 13,0 mg
P auf 100ccm Serum an und nennt (seltene) Herabsenkungen auf 5,0 mg.
Nach meinen (Feigl) Feststellungen, für die aber teilweise der Lecithin-
rückgang erwogen sei, handelt es sich zumeist um geringere Beträge
mit dem großen Durchschnitt von 8,0m g P. Rund 66°/, der Be-
obachtungen entfallen auf den Spielraum zwischen 7,0 mg und 9,0 mg.
An Hand dieser Zahlen stellen sich unsere vorliegenden
Befunde so dar, daß es sich zumeist, selbst in schwereren
Stadien der Krankheit noch um niedrig normale Anfangswerte
handelt, die kontinuierlich auf Beträge unter normaler Größe
absinken. Am ersichtlichsten stellt sich darin Fall 1 (1915) in
der langfristigen Beobachtung dar. Naturgemäß ist eine nahe-
liegende Frage, ob zwischen beiden — der Isolierung nach ver-
schieden, der Bestimmung nach gleichwertig dargestellten —
Größen für den Lipoid-(Lecithin)bestand, die ja beide nur auf
der Ermittlung des Phosphors beruhen, auch angesichts der
verschiedenen Träger — Plasma bzw. Serum — ersichtliche Be-
ziehungen bestehen. Bloor hat sich eindringlich mit der Frage
nach der Stichhaltigkeit seiner Werte in Hinsicht auf den
säurelöslichen Phosphor beschäftigt, worauf methodologisches
Interesse vom Verf. verwandt wurde, wie auch später zu be-
richten sein wirdt). Hier genüge es, zunächst festzustellen, daß
beide Ausdrucksformen und Analysengänge dasselbe lehren, und
daß in gewissen, angängigen Abweichungsbreiten — die leicht
zu schätzen sind — Parallelität herrscht.
1) W. R. Bloor, l. o. Lecithinbestimmung (1915). Die gegenwärtige
Frage hängt, wie Verf. betonen möchte, von der Natur und den
Eigenschaften der Stoffe des Rest-P ab in ihrem Verhalten zu Extraktions-
mitteln. Hierüber wird Verf. anschließend berichten. (Über Phosphate
im Serum V) diese Zeitschr. 1918.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 23
Bei akuter gelber Leberatrophie findet sich, zumeist
während des ganzen Verlaufes der Krankheit, wahrscheinlich
mit Sprüngen typisch um die Krise ein Absinken des
Lecithingehaltes (Lipoid-P) im Plasma bis zu unternor-
malen Werten. Auch diese Entwicklung wird fermentbiologisch
— nach bisher ermittelten Grundlagen — und in Hinsicht auf
den säurelöslichen Phosphor mit seiner Restfraktion weiter zu
diskutieren sein.
Das Absinken des Lecithins im Plasma kann im ganzen
nicht von Vermutungen nach Vorgängen spezifischer Natur be-
urteilt werden. Verf. fand bei langer Inanition solche Werte,
wie sie hier letal vorkommen und legte seine Ergebnisse in
Mitteilungen von Th. Rumpel und A. V. Knack, A. V. Knack
und J. Neumann, in eigenen Mitteilungen verschiedenen Inhalts
nieder). Bloor findet dieselbe Erscheinung ferner bei Urämien,
Verf. bei kachektischen und konsumierenden Zuständen.
Indes ist hier mit der Möglichkeit besonders energischer,
bzw. der Intensität nach schwankender Spaltung zu rechnen,
deren Höhepunkt u. E. mit den niedrigen Gehalten an Esterchole-
sterin einigermaßen zusammengehen. Die Aufgabe der Klärung
wird sich fermentanalytischer Wege bedienen müssen.
Im engsten genetischen Zusammenhange zum Lipoid-P bzw.
Lecithin des Plasmas steht der von J. Greenwald formulierte,
von Feigl besonders verwertete und studierte Begriff des säure-
löslichen Phosphors.
Die einschlägige Methodik lehrte, daß bei akuter gelber Leber-
atrophie Werte vorkommen können, die als erheblich erhöht zu gelten
haben, ohne auf der Basis einer Nierenschädigung oder eines Morbus
Brightii entstanden zu sein. Die Festsetzungen des einen von uns
(Feigl) für die Norm lehren die obere Grenze an gesunden, nüchternen,
ausgeruhten, befriedigend ernährten Männern bei 5,0 mg suchen mit der
größten Menge unter 4,0 mg und vorsichtiger Einbeziehung von 6,0 mg
als äußerster, ev. alimentär oder dgl. getrübter Grenze für 100 ccm Serum.
Gegen diese stellen wir unsere Zahlen.
Fall 1 (1915) mit relativem Anstiege von 100°/, und mehr.
Fall 2 (1917) Werte von 25,0 mg.
Fall 3 (II 1917) 15,0 mg und 20,0 mg.
Fall 5 (1917) 15,0; 20,0; 28,0; 25,0 mg.
®) 1. o. und Joh. Feigl, diese Zeitschr. 1918.
24 Joh. Feigl:
Die letzten drei geben gegen die Norm ziemlich überein-
stimmende Abweichung. Der Rest-P macht jedoch von dem
zeitlich späten Anfluten der Fettsäuren, des Cholesterins ins
Plasma eine Ausnahme durch entschieden früheres Auftreten
mit hohen Werten.
Die Weiterbildung der Kenntnisse von säurelöslichem Phos-
phor brachte Feigl durch ferneres Studium nichtbrigh-
tischer Zustände, aus dem sich gerade am Beispiel vorstehen-
der Erkrankung der Wert des Begriffes vom „Restphosphor“
entwickeln ließ. Dieser Restphosphor, in der Norm zumeist
unter 1,0mg mit rund 15°/, des säurelöslichen P, analytisch
als Differenz berechnet, erreicht bei Leberatrophie vergleichs-
weise hohe Werte. Wir verweisen auf die Tabellen und die
spezielle einschlägige Arbeit des Verf. Es kamen bei den
Fällen 2 und 3 (I und II 1917) Zahlen von rund 5,0 mg P,
bis zu 8,0 mg P vor, die 33°/, und 40°/, der Gesamtgröße ent-
sprechen. Der nachträglich neuhinzutretende Fall 5 (1917) zeigt
die gleiche Erscheinung bis hinauf zu 50°/,, entsprechend rund
14,0 mg, sonst 12,0mg. Steigerungen im Restphosphor er-
scheinen mit Anstiegen des säurelöslichen offenbar genetisch
verkettet, ziemlich früh im Verlaufe der Krankheit, viel früher
als das Anwachsen der Fettsäuren und des Cholesterins, und
ergänzen sich reziprok mit dem Schwund an fällbarem Lipoid-P
bzw. Lecithin. An dieser Stelle zeigt sich der vielleicht sym-
ptomatische Wert dieses Begriffes. Fall4 (geheilt 1917), nach
obigen Berichten sowohl hinsichtlich der Gesamtfettsäuren wie des
Cholesterins mitsamt dessen Gliederung kaum — auch in der
Krise — alteriert, bietet einen obendrein relativ erhöhten, säure-
löslichen Gesamtphosphor mit einem Restphosphor von rund
3,0 mg entsprechend 35°/,. Vor dem Wendepunkte und bei
erfolgter Heilung erscheinen beide Größen in normalen Beträgen.
Sonach erscheint bei akuter gelber Leberatrophie
sowohl der summarische säurelösliche Phosphor in gegen
die Norm beträchtlich erhöhten Beträgen, die angesichts
des Fehlens brightischer Nierensymptome eine weitere Unter-
suchung nahelegten. Dabei ergab sich, daß diese Erhöhung
zum großen Teile — meist zu 33°/,, gelegentlich zu 40°,
einmal zu 50°/, von „Restphosphor“ gedeckt wird, von
Substanzen, die das Fällungsverfahren für präformiertes Ortho-
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 25
phosphat unberührt läßt, und denen komplexe Natur zuge-
sprochen werden darf (J. Feigl). ‚Hinsichtlich der Höhe dieser
Befunde sei besonders auf Avitaminosen in schweren Lagen
hingewiesen, worüber Feigl Material beigebracht hat.
Der Gesamtätherextrakt (Lecithin), Cholesterin (freies, Ester),
Neutralfett (ev. freie Fettsäuren) ist gleichfalls für normale Personen
leidlich konstant, wie Bloor mit folgenden Zahlen für Männer — Grenzen
820,0 mg und 570,0 mg — mit 670,0 mg im Durchschnitt, für Frauen —
Grenzen 770,0 mg, bzw. 570,0 mg im Durchschnitt 720,0 mg — Feigl,
Gesamtdurchschnitt rund 700,0 mg bei weiteren Unter-
suchungen unter genannten Kautelen erwiesen (Nüchternwerte!).
Danach stellten sich für Fall 1 (1915) die Analysen vom
5. V. bzw. 21. V. mit 570,0 mg bzw. 700;0 als normal, die spä-
teren vom 14. V. bzw. 17. V. bzw. 18. V. mit Befunden von
1050,0 mg bzw. 1500,0 mg bzw. 1700,0 mg als mäßig bis stark
erhöht dar. Für Fall 2 (I 1917) a, b, mit 1300,0 mg, 1900,0 mg
und Fall 3 (II 1917) a, b mit 1000,0 mg, 1400,0 mg gilt ent-
sprechend gleiches. Fall 5 (1917) veranschaulicht wiederum
Anstiege a bzw. b mit 650,0 mg bzw. 630,0 mg, c bzw. d mit
1200,0 mg bzw. 1900,0 mg. Der geheilte Fall 4 (1917) bleibt
an vier Terminen (Tab. III bzw. IV) normal und zeigt in der
Krise eine anzuerkennende, relative Erhöhung um rund !/,
gegen die Nachbartermine Da der Gesamtätherextrakt eine
additive Formel aus genannten Komponenten ist, vereinen
sich in ihr die Anstiege, ohne die individuellen Feinheiten zu
zeigen, beherrscht von den Gesamtfettsäuren im Cholesterin-
ester und Neutralfett sowie im Cholesterin, naturgemäß erst
spät in größeren, gesteigerten Höhen auftretend.
Sonach kann bei akuter gelber Leberatrophie im
späteren Verlaufe das Serum an Fetten und Lipoiden, auch als
Gesamtätherextrakt, vermehrt erscheinen. Ähnliche
Zahlenverhältnisse beschreibt Bloor für Diabetes mit 1050,0 mg,
1500,0 mg, Carcinom mit 900,0 mg, nennt Verf. bei oben ge-
nannten Zuständen bis zu 1700,0 mg für 100 ccm Plasma.
Unsere beschriebenen Anstiege gehen auf das Dreifache, öfter
auf das Doppelte der Norm.
Besprechung der Ergebnisse.
Nach schematischer Aufführung der erhobenen Befunde
und ihrer Abgrenzung gegen die jeweiligen Werte der Norm
26 Joh. Feigl:
erhebt sich nunmehr die Aufgabe, aus den Ergebnissen an
den beschriebenen Fällen durch Vergleich der analy-
tischen Zahlen bei entsprechenden Zeitpunkten nähere
Aufschlüsse über das Tatsächliche und Gesetzmäßige im Fett-
und Lipoidbestand von Blut und Plasma bei akuter gelber
Leberatrophie zu geben. Es läßt sich sagen, daß die Resultate
für „Gesamtfettsäuren“ hinsichtlich der (spät eintretenden)
Erhöhung ziemlich übereinstimmen, wennschon in verschie-
denen Fällen die endgültigen Zahlen — allgemein beträchtlich
gesteigert — nicht unerheblich voneinander abweichen.
So erreicht der Fall 5 (1917) den Höchstwert von 1023,0 mg,
Fall 1 (1915) 960,0 mg, Fall 2 (I 1917) 911,0 mg und Fall 3
(II 1917) 790,0 mg. Der Anstieg erfolgt in etwa den letzten
3 bis 4 Lebenstagen bezüglich von 710,0 mg; 684,0 mg; 520,0 mg;
391,0 mgaus; dabei ist letztere Zahl noch geradezu normal, die
vorletzte nur wenig mehr. Der Anstieg ist also, besonders wenn
die nächstfrüheren Termine betrachtet werden, ein rapider.
Diese analytisch unmittelbar wichtige Größe gewinnt durch die
Aufteilung an ihre Träger eingehenderes Interesse. Als be-
rechnetes Neutralfett hinterblieben an entschieden bis leicht
übernormalen Beträgen 440,0 mg, 400,0 mg, 270,0 mg für Fall 1;
420,0 mg, 320,0 mg für Fall 2; 227,0 mg und 204,0 mg für
Fall 3; 634,0 mg, 388,0 mg für Fall 5. Das Anwachsen er-
scheint hier gegen obige Zahlen beschleunigt. Diese Abstände
obiger Werte für Gesamtfettsäuren liegen bei 790,0 mg und
1023,0 mg, d.h. um rund 20°/, über dem Schwellenwert. Für
Neutralfett handelt es sich beinahe um 50°/, bei entsprechender
Beurteilung. Die Einschränkung an dem Begriffe des Neutral-
fettes, das rechnerisch aus den „Restfettsäuren“ gewonnen
wird, durch die Existenz freier Säuren, in einzelnen Fällen ist
hier einzufügen. Immerhin sind die durch kurze, endgültige
Erhebung gekennzeichneten Anstiege beider Begriffe wohl
prinzipielle Erscheinungen im Plasma bei akuter gelber Leber-
atrophie. Das Anwachsen des Gesamtcholesterins scheint
früher einzusetzen, wie die Übergangswerte im Falle 1 andeuten
usw., der Hauptantrieb erfolgt jedoch auch erst spät (Fall 1:
270,0 mg zu 400,0 mg; Fall 5: 560,0 mg zu 960,0 mg, weniger
typisch in den Fällen 2 und 3). Auch hierin scheint es sich
um generelle Züge — Gesamtsteigerung und ihr (endgültiger)
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 27
Verlauf — zu handeln. Die Gliederung des Gesamt-
cholesterins macht wahrscheinlich die oben diskutierte Wand-
lung durch von dem Zahlenverhältnis der Norm, 33°/, Ester,
vorübergehend auf rund 10°/, und 20°/, sinkend, dann wieder
ansteigend. Die Erscheinung ist indes nicht schematisch und
unterliegt verschiedenen Deutungen. Der Esteranteil ist mit-
bestimmend für den Verbleib und die Bindungsart eines großen
Teils der Gesamtfettsäuren. Sie stecken z. B. im Fall 3 (II 1917)
bei Termin a auf rund 200,0 mg Fettsäuren im Estercholesterin,
beim Termin b (kurz später) fast 600,0 mg; dieser Zuwachs um
200°/, scheint ganz mit verestertem Cholesterin aus dem Organ
den Weg ins Plasma (als Transitdepot) gefunden zu haben.
Ähnlich Fall 2, (Zuwachs über 100°/,); mäßige Anstiege in
Fall 5. Umgekehrt äußert sich der Einfluß in Verschiebungen
des Esteranteils im Falle 5 Termin b 245,0 mg, Termin ©
265,0 mg Fettsäuren, dabei parallel 260,0 mg Cholesterin (ge-
samt) gegen 560,0 mg, d. h. bei gleichbleibender Fettsäuremenge
ein Zuwachs von über 100°/, Cholesterin. Der Abfall im
Lecithingehalt bzw. Lipoidphosphor ist generell mit ver-
schiedenem Tempo, langsam (mit Remission) im Falle 5, mäßig
im Falle 1 und Falle 2, rapide im Falle 3. Man kann nach
dem Vorgange der Ansichten einzelner Autoren über Bewegungen
und Zufluß an Blutlecithin bei Geisteskrankheiten vielleicht
auch hier (Fall 5) ein Auftreten des Lipoids in toto annehmen,
während es offensichtlich sonst (vgl. den Restphosphor) zer-
sprengt auftritt. Die allmählichen und früh eingeleiteten
Anstiege des säurelöslichen Phosphors erscheinen als generelles
Vorkommnis; relativ langsam zeigt sich auch hier der Zuwachs
an Rest-P in der komplexen Größe. Graduelle Unterschiede
bestehen. So zeigt z. B. Fall 5 bei (scheinbar) gut erhaltenem
Lecithin, sehr hohen säurelöslichen und Restphosphor, eine Ver-
kettung, die u. E. mit der obigen Meinung eines Zuflusses
ungespaltenen Lipoids in totalen Molekülen zum Plasma zwangs-
los vereinbar wäre. Die Entwicklung zeigt für den Gesamt-
ätherextrakt seltener einen zuerst langsamen (nur Fall 1, Frist
vom 5.V. bis 21. V.), meist einen späten und starken Anstieg.
Nach obigen Angaben sind also die Vermehrung der Ge-
samtfettsäuren, ferner der Zustrom des Cholesterins sowie dessen
Strukturwandlungen, die Zunahme des Gesamtätherextraktes im
28 Joh. Feigl:
Prinzip typische Späterscheinungen in der Chemie des Plasmas,
wobei für die ersten nach der Mehrdeutigkeit ihrer Quellen
— Zustrom an Estercholesterin, wellenförmige Spaltung des-
selben und des Lecithins, freie Säuren — zu gedenken ist.
Früherscheinungen — und zwar die zuerst auftretenden und
analytisch mit relativ großen Ausschlägen fixierbaren unter
ihnen — sind die Wandlungen in der absoluten Höhe und
relativen Struktur der Werte für den säurelöslichen Phosphor
und das Auftreten größerer Beträge an Restphosphor. Ferner
gehört hierhin das Absinken des Lipoid-P bzw. des Lecithins,
in seinen Erscheinungen aber weniger typisch erfaßbar, da es
sich, wie eben dargelegt, um verschieden starken Zustrom und
ungleich energische Spaltung von Lecithin handeln kann (Fall 5).
An dieser Stelle ist hinsichtlich der Betrachtung des Falles 4
(geheilt 1917) zu gedenken, indem darauf hingewiesen sei, daß
fast alle einzelnen Fragen, wie oben besprochen, sich mit dem
Umfange der Norm umgeben lassen, daß jedoch relative Schwan-
kungen da sind, deren Welle den Höhepunkt (für Gesamtfett-
säuren, Neutralfett, Cholesterin, gesamt, Lecithin) in der Nähe
der angenommenen Krise erkennen läßt. Besondere Bedeutung
ergibt die Lipoidfraktion. Lecithin ist erhöht, doch gleichzeitig
der hydrolytisch beeinflußte, säurelösliche Phosphoranstieg um
gut 100°/, gegen die normalen Nachbarwerte — und besonders
der in ihm steckende Restphosphor — 35°/, der komplexen
Größe entsprechend 3,0 mg! Dieser deckt gut */, des Zu-
wachses an krystalloidem, nicht fällbarem Phosphor. Der charak-
teristische Ausschlag in diesem Gebiete ist enorm.
Ferner handelt es sich darum, durch Zuordnung der
Werte einzelner methodischer Fragestellungen für den betref-
fenden Fall Näheres auszusagen. Hier ergeben sich zunächst
für das Gebiet der Fette und Lipoide untereinander folgende
Gesichtspunkte auf Grund der oben erwähnten Relationen
zwischen Gesamtfettsäuren und Lecithin?!) einerseits,
1) Siehe hierzu ältere Formulierungen: E F. Terroine, De l’existence
dune constance lip&mique. Journ. de Physiol. Pathol. 16, 2, 212, März 1914.
— Ders., Le transport des graisses et variations lipocholesterinemiques
en cours de l’inanition et de l’alimentation. Journ. Physiol. Pathol. 16,
3, 386, Mai 1914. — Ders., Nouvelle recherche sur l’influence de Pinani-
tion et de la suralimentation sur la teneur de tissues en substances grasses
et en cholesterine. Journ. of Physiol. Pathol. 16, 3, 408, Mai 1914.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 29
zwischenLecithinundCholesterin!)andererseits. Gemäß
der Auffassung, der zumeist in kurzer Frist ablaufende Wandel
durch die Einspülung destruktiv entstandener chemischer Reste
der Lebersubstanz habe sich fast ausschließlich in der Zu-
sammensetzung von Plasma und Serum widergespiegelt, dabei
die roten Blutkörperchen (mit Ausschluß des Lecithins) im
großen Ganzen intakt gelassen, bringen wir die gedachten Be-
ziehungen nur für das Plasma.
Tabelle VI.
Fette und Lipoide im Blutplasma bei akuter gelber
Leberatrophie, spezielle Angaben C.
Beziehungen zwischen Fettsäuren (gesamt) und Lecithin bzw. zwischen
Lecithin und Cholesterin zur Illustration der Abweichung von der Norm.
Absolute Werte in mg für 100 ccm Plasma.
Letale Fälle 2 und 3 (1 u. II Feigl und Luce 1917), der geheilte Fall 4
@ (ebenda), der tödliche Fall 5 1917.
| Gesamt- | er
Gesamt- | Gesamt- Lecithin
Fall |Ceamt- | fott- | ohol- | Lecithin | fett- | Chol-
säuren esterin Lecithin. esterin
2a 101,0 | 520,0 680,0 | 154,0 3,38 0,23
b 148,0 911,0 880,0 126,0 7,30 0,14
3a 88,0 391,0 560,0 151,0 | 2,66 027
b 127,0 790,0 750,0 72,0 | 10,97 0,096
5a 60,0 386,0 230,0 178,0 2,17 0,77 °
b 75,0 387,0 260,0 125,0 3,09 0,48
c 87,0 638,0 560,0 140,0 | 4,55 0,25
ad | 1480 |1030 | 900 | 1050 | 975 | om
4a 38,0 356,0 180,0 202,0 | 1,76 1,12
b 42,0 331,0 150,0 177,0 1,81 1,10
c 71,0 439,0 200,0 253,0 | 1,73 1,26
d 30,0 377,0 | 190,0 | 210,0 1,79 1,10
Beim Gesunden liegt erstere (I) um 1,60 (Durchschnitt) bzw. 1,41
(niedrig) bzw. 1,90 (hoch), Männer (Bloor), bzw. um 2,51 bzw. 1,86 bzw.
2,70 (Frauen) (Bloor). Verf. stimmt diesen Feststellungen im ganzen
zu, verlangt jedoch die Mitberücksichtigung weiterer Ausschläge, beson-
ders nach unten, 1,30 und 1,50 für Männer wie Frauen. Der Gesamt-
durchschnitt stellt sich danach auf 1,50 bis 1,70. Ebenfalls
in diese Form gebracht, liegen die Zahlen für Beziehung II entsprechend
1) G. Mayer u. G. Schäffer, Variations de la teneur des tissues ...
Journ. of Physiol. Pathol. 16, 2, 203; 3, 325, März 1914. — I u. lI: Die
Arbeiten sind ref. im Biochem. Centralbl. 17, 262, 263, 264 bzw. 331,
1914/15 (Lipschütz bzw. Lewin).
30 Joh. Feigl:
bei 0,96 bzw. 0,84 bzw. 1,26, ferner bei 0,82 bzw. 0,75 bzw. 0,95. Auch
hier findet Verf. niedrigere Grundzahlen und den Gesamtdurchschnitt
0,80 bis 0,70.
Gemessen an diesen Normalien stellen sich alle Zahlen des
geheilten Falles 4 für I wie auch für II als normal dar,
ohne Angriffispunkte zu differentialer Kritik zu bieten. Fall 5
(die einzige größere Reihe, da Fall 1 parallel nicht durch-
geprüft wurde) gibt für Beziehung I ein kontinuierliches Steigen
von vermutlich noch normaler Höhe (2,17, Termin a) über
3,09 (b), 4,55 (c) zu 9,75 (d) zum bezüglichen aber doppelten,
3fachen, gut 6fachen Gesamtdurchschnitt.
Die Fälle 2 bzw. 3 enthalten (Tabelle VI) den doppelten
(a) und 5fachen (b), bzw. den leicht übernormalen (a: 2,66)
bzw. ?7fachen Gesamtdurchechnitt für Beziehung I, wobei
also dies Ansteigen ein beschleunigtes Hinaufschnellen gegen
den Fall 5 ist. Die Beziehung II steht im Falle 5 sinkend
von der Norm (a, 0,77) über deren Hälfte, Drittel zum (rund)
Biebentel, im Falle 2 etwa entsprechend, im Falle 3 noch ex-
tremer abschließend zur Diskussion. Danach ist bei allen
Fällen der Endverlauf gleichsinnig, zusammengefaßt die obere
Grenze der Norm mit deren Zehntel, gegen die untere mit
deren Fünftel. Bei akuter gelber Leberatrophie weichen
die Beziehungen zwischen Gesamtfettsäuren und Leci-
thin sowie zwischen Lecithin und Cholesterin im Plas-
ma gegen die Norm durch erhebliche, zumeist spät
ersichtliche Anstiege im ersten, durch starkes Ab-
fallen im zweiten Modus ab. Letzteres scheint der her-
vorstechendere Zug zu sein.
Verglichen mit anderen pathochemischen Vorkommnissen
nach Bloor und Verf. stehen diese Zahlen ziemlich einzig da.
Für Diabetes seien genannt 2,30 (I), für Anaemia perniciosa
sowie andere Zustände solche von 3,00 bis 3,50 (Bloor).
Parallele Zahlen (Verf.) liegen annähernd gleich hoch. Schwere
Dysenterien und andere konsumierende Zustände können mit
einseitigem (Früherscheinung) Sinken des Lecithins höhere
Werte bis zu 4,00, echte Avitaminosen in gewissen Stadien
solche bis 5,0 geben. Danach bieten die (späten) Zahlenver-
hältnisse der Leberatrophie echte Extreme. Die Relation
II wird nach Bloor und Verf. bei Diabetes, Anämien, Addi-
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. II. 31
son, besonders chronischen Nephritiden, auch bei Diabetes
nicht selten außernormal durch Lecitlinzuwachs in gewissen
Stadien, die der Konsumption noch nicht soweit anheimgefallen
sind (Lecithinschwund), daß das Cholesterin mit höheren Wer-
ten sich vordrängte. Diese Zahlen liegen nun 1,36 bis 1,40
(Bloor) bis 2,00 und (Extrem) bis 3,00 (Feigl). Reihenunter-
suchungen bestimmter Fälle geben nach Feigl klinisch und
pathochemisch sehr interessante, in Kurven bezeichnende Auf-
schlüsse, über die demnächst zu berichten sein wird. Ein
Absinken, wie oben für Leberatrophie beschrieben, kennt weder
Bloor (0,67 tiefe, einmalige Zahl) noch Verf., der in gewissen,
genannten Zuständen bei großer Verschlechterung solche um
0,50 sah. Danach gewinnen auch die Werte für Beziehung II
eine charakteristische Bedeutung für den Spät- bzw. Endver-
lauf der Lipoidumwälzungen im Plasma bei akuter gelber
Leberatrophie. In größter Kürze sei hier gedacht einzelner
Fälle von chronischer, langsam aber strenge fortschreitender
Unterernährung (Feigl bzw. Knack und Neumann). Dabei
kann unter frühzeitigem Lecithinschwund bei Erhalt der (son-
stigen) Fettsäuren Beziehung I zunächst übernormal werden, dann
zur Norm sinken, Beziehung II ziemlich parallel erst sinken,
dann normal, dann weiter unternormal werden (Lecithinschwund,
relativer, dann absoluter Cholesterinzuwachs),. Für Körperchen
und (weniger charakteristisch) Vollblut erlangen die Rela-
tionen schon anderweitig höchst wertvolle Umstimmungen, die
aber in unserem Falle (siehe oben) weder aktuell werden,
noch an dieser Stelle zur Erörterung kommen sollen.
Soweit die Beziehungen der Fette, des Cholesterins, des
Lecithins untereinander! Wechselseitigem Verhalten von Lipoid-P
zu säurelöslichem, zu anorganischem und restlichem P usw.,
soll hier zunächst nicht eingehender nachgeforscht werden, da
ja die hauptsächlichen Züge aus den direkten Zahlen unmittel-
bar hervorgehen. Es genügt, noch einmal zu ragen, daß Er-
scheinungen am Lecithin selbst (statische Senkung) nach vor-
übergehendem Anstieg in der Krise früh einsetzen, und daß
Anstiege von Lipoid-P mit solchen höheren Grades an säure-
löslichem P und Rest-P auch da eintreten, wo weder absolute
Werte (Fettsäure, Cholesterin) Irgendetwas, noch relative Be-
stimmtes, noch Beziehungen Eindeutiges aussagen.
32 Joh. Feigl:
Neben rein deskriptiven Darlegungen pathochemischen
Interesses — einmal speziell für diese Erkrankung, sei es durch
Art und Form des Verlaufes, sei es durch Aufzeigen der ty-
pischen Abartungen, ferner allgemeiner für die Verhältnisse
lipämischer (Fette, Lecithin, Cholesterin) Überschwemmungen
des Blutes in Hinsicht auf pathologische Fettansammlung in
der Niere — treten: an dieser Stelle auch praktische Fragen
an uns heran.
Wir müssen sehen, ob das hier zur Diskussion gestellte
Material mit seiner Partialanordnung für das RN-Gebiet
(Gesamt-RN, Amino-N, roh und rein usw.) und die Lipo-
ide im Vergleich zu Schlüssen berechtigt, die bestimmte
Abweichungen befähigen, prognostisch oder diagnostisch, viel-
leicht sonst charakterisierend für einzelne Stadien des Verlaufes
ausgedeutet zu werden. Wir verweisen auf die Tabellen.
Stellt man sich auf den Boden der heutigen Kenntnisse über
die Normalien des Geramtreststickstoffs und seine Hauptfrak-
tionen (Folin, Bang, Feigl), über Amino-N (rein) (v. Slyke,
Rosenberg u. a.), über Purine (Folin, Steinitz u.a.), über
Kreatinin und Kreatin (Folin, Myers, Feigl), über Ammo-
niak (Henriques und Christiansen u.a.), so gibt nach
Feigl und Luce der Fall in der Krise immerhin beträchtliche
Ausschläge in allen diesen Gebieten (l. c.) einzeln für sich, wie
in relativer Anordnung (Fraktion des Amino-N) auf einem
Punkte, den die Verf., besonders der Kliniker, als Krise zu
bezeichnen geneigt sind. Ein RN von 71,0 mg mit 70°%
Amino-N (summarisch, nach Bang), 60°/, desgl. (rein, nach
Feigl und Luce) bietet bei Fehlen sonst für seine Höhe be-
stimmender Faktoren ein scharfes Kennzeichen für schwerere
Eindrücke. Gleichzeitig kann nur eingehendere Tüftelei (unter
Relativierung) aus Gesamtfettsäuren, Neutralfett, Cholesterin
(gesamt wie Aufbau), Gesamtätherextrakt bestimmtere Anzeichen
herauslesen wollen. Einzig allein der Lecithinzuwachs ist hier-
über erhaben, ganz besonders jedoch der Ausschlag auf seiten
des nichtlipoidischen P mit summarischem, von restlichem P
beherrschtem, ganz erheblichem Anstiege. Alles in allem neigen
wir bestimmt zu der Ansicht, daß diese Abweichungen in
Gegenwertung zu den klinisch-chemischen und methodischen
Angaben des einen von uns (Feigl) relativ stärker, weit höher,
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. II. 33
weit charakteristischer sind, als die des Gesamtreststickstoffs,
der zwar erst durch seine Struktur wesentlicher erschlossen
wird.. Fall 1 ist weniger charakteristisch, aber dem gleichen
Sinne entspricht der (methodisch eindringlichere und prä-
zisiertere) neue Fall 5. Dieser zeigt uns die Abweichungen
im krystalloiden und restlichen P energisch auch da, wo der
RN noch mehr im Bereiche vorsichtiger Schätzung liegen bleibt,
wo die Fett- und Lipoidkonstanten schlechthin normal blieben.
Dabei ist dieser Punkt (Termin b, doch noch mehr a) sicher im
absteigenden Aste des nicht mehr aufhaltbaren Verlaufes zum
sicheren Ende. Also auch hier noch ein Vorwiegen des Ge-
wichtes durch das P-Gebiet neben mäßigeren Anzeichen aus
der RN-Prüfung. Das gegenseitige Verhalten bleibt im Termin
c mit Aufrücken der RN-Befunde, leichter bis mäßiger Erhebung
(unspezifisch) der Fette, stärkerem Ansteigen (unspezifisch?) des
Cholesterins erhalten. Erst im letalen Endverlauf rückt das
Lipoid- und Fettgebiet nach seiner Stimmkraft mit vor. Daraus
glauben wir also die Schlüsse ziehen zu dürfen — soweit
die bisherige, der maßgeblichen Erweiterung nahe (Verf.) Kennt-
nis von Lecithinzerfall mit Anwachsen von Rest-P uns berech-
tigt —, daß das RN-Gebiet in zweiter, das P-Gebiet in
erster Reihe, abgesehen von weiteren, später von uns zu
behandelnden Fragen (Fermentchemie, Zucker, Salze, Alkalescenz
u.a.) Befunde determinierenden Charakters für Krise
Umschwung, Verlauf in diagnostischer und progno-
stischer Beziehung zu bieten vermag. Nur genügte eben
nicht — auch bei der sonstigen Natur des klinischen Bildes
— der Gesamt-RN, der Lipoid-P, der säurelösliche P für sich
allein. Es sind die einschlägigen Differenzierungen nach
Folin, Bang, Steinitz, van Slyke, Greenwald, Feigl
methodisch präzis und scharf zu treffen, wobei die persönlich
klinische Seite (Blut- bzw. Plasmabedarf gering) einfachen Cha-
rakters, die analytisch-laboratoriumstechnischen Anforderungen
an Fachmann und Hilfsmittel strengste sind.
Die Befunde nach den genannten Verfahren sind gegen die
Norm und mäßige Umstimmungen auch in der Krise deut-
lich und erheblich. Wie weit sind sie spezifisch, wie weit all-
gemeinerer Natur und dann mit der Kenntnis des klinischen
Bildes kritisch für spezielle Fälle abwertbar? Für mindestens
Biochemische Zeitschrift Band 86. 3
34 Joh. Feigl:
bezeichnend, wo nicht geradeweg spezifisch, erachten wir auch
streng hierher gehörige Äußerungen von Feigl und Luce, Feigl,
(l. c.), sowie nach J. Bang die Struktur und Addenden des RN-
Begriffes und der P-Verteilung — soweit es sich um Krise,
eventuell Diagnose und Prognose (zum Günstigen) handelt.
Die letalen Charakteristiken sind nach den heutigen Fällen
Späterscheinungen jenseits der Grenze jeder prognostischen
Frage. Indes glauben wir auch an die gleichsinnige Erhebung
dieser Untersuchungsmethoden, jedenfalls bestimmter Relationen,
Unterbegriffe und Verknüpfungen. Die Aufgabe des Aus-
schlusses von Einflüssen verwischender Art an einem Teile
der Befunde fällt dem modernen Analytiker bzw. Methodologen
ebenso wie dem Kliniker zu, wie nach Gesagtem nicht näher
erörtert zu werden braucht, da zudem noch der Kliniker in
der einschlägigen Frage das letzte Wort zu sprechen das Vor-
recht hat. Er wird auch die Abgrenzung von patholo-
gischen Interferenzen durch klinische Untersuchungen vollziehen
können, die Frage anderweitiger Kräfte der RN-Ansammlung
(Fieber, Lues, Nierenermüdung, Nierenstörung usw.) anschneiden,
beantworten und damit schwierigeren Verhältnissen erfolgreich
entgegentreten.
Unter hier bisher nicht erörterten, aber genetisch wie
analytisch (Restreduktion, wahrer Zucker) verwandten Gebieten
streifen wir das des Kohlenhydratstoffwechsels, des „Blutzuckers“.
Wir können mit ziemlicher Sicherheit behaupten, daß zur
Zeit der Krise, vielleicht schon vorher (oder auch noch
später abklingend) echte Hyperglykämien vorkommen
können, die nach Ausschüttung (hier wörtlich, mechanisch)
des Hauptanteils an Glykogen des Blutes sinken und
zu erheblichen Hypoglykämien werden können, was
Feigl und Luce im Prinzip schon früher dartaten!),
1) An der einwandfrei richtigen Erfassung hinderte uns derzeit
(1915) die Zugrundelegung der veralteten, jetzt durch kritische Kontro-
verse (Schumm, Oppler, Neuberg, Griesbach und Strassner,
Mayer, für das RN-Gebiet besonders Feigl) beseitigten und richtig-
gestellten Methodik und Größenfestlegung der Restreduktion von
Schumm und Hegler (Feigl 1916, Schumm 1917).
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 35
Besprechung von Literaturangaben nächstliegender Gebiete.
In jüngster Zeit sind mehrfache Befunde über „Lipämien“
höchsten Grades mitgeteilt worden. A. Javal und P. Boyet
fanden einmal von 10,80 g Gesamtfett 33°/, Lecithin, später
einmal noch 21°/, des Gesamtätherextraktes bei echter dia-
betischer Lipämie!). Bei syphilitischer Aortitis untersuchten
sie mehrfach „Ges. Fett“ mit 21°/, bis 73°/, Lecithin und 0,55 °/,,
bis über 1°/, Cholesterin. C. G. Imrie fand bei diabetischer
Lipämie 12,5°/, Neutralfett, 1,5°/, Cholesterin, 0,4°/, fettsaure
Salze. Die umfassenderen Arbeiten von M. Bürger und
H. Beumer berühren gleichfalls einschlägige Verhältnisse?).
Die eingehende Gegenwertung dieser sicher abnorm hohen
Zahlen kann aus methodischen Voraussetzungen unterbleiben.
Man wird die Wesensverschiedenheit der Ursachen wie der
tatsächlichen Gliederung des „Gesamtätherlöslichen“ ohne wei-
teres in den hohen Lecithinproportionen und in einer Schätzung
der Beziehungen (siehe oben) erblicken. Danach ist die „Lipämie“
bei Leberatrophie chemisch ein ganz anderer Komplex. Wert-
voll ist die (sicher als approximativ zu bezeichnende) Angabe
von Imrie über die Quote an fettsauren Salzen (siehe unten).
Bürger und Beumer werteten die wechselseitigen Verhält-
nisse in der Eutwickelung und fanden auch bei Diabetes deut-
liche, nach Entleerung des Neutralfettes (und Lecithins?) be-
stehend bleibende Cholesterinanreicherung, die relativ weit von
den obigen Zahlen absticht. G.“Garin fand bei einem an-
scheinend gut (vergleichbar?, Vollblut?) durchgeprüften Falle
von Myelocytenleukämie zwar im ganzen physiologische Zahlen,
aber ein absolutes und relatives Vorwalten von Fettsäuren und
Seifen, wobei die letzteren unser Interesse (siehe unten) bean-
spruchen‘). Ein mehr systematisches, aber den Kliniker auf
1) A. Javal und P. Boyet, Lipemie dans un cas de diabète
maigre, Soc. Biol. 70, 162, 1911, Febr.
2) C. G. Imrie, On the blood fat in a case of lipemia. Journ. of
Biol. Chem. 20, 87, 1915. Für 100 com Blut.
3) H. Beumer und M. Bürger, Beiträge zur Chemie des Blutes
in Krankheiten mit besonderer Berücksichtigung der Lipämie IV, Dia-
betes und Lipämie, Zeitschr. f. exp. Path. u. Pharm. 13, 2, 362, 1913, Mai,
4) G. Garin, Sul contenuto in grasso e sul potere lipolitico del
siero, Biochem. Centralbl. 15, 339, 1918.
3*
36 Joh. Feigl:
Anregung des einen von uns (Luce) besonders interessierendes
Material brachte J. Lifschütz über Fett, Unverseifbares,
Cholesterin, Oxycholesterin, „Polyoxydate“ bei Tieren mit
besonderer Rücksicht auf Lebervenen und Pfortader. Die letz-
tere ist relativ verarmt an allen Komponenten mit Ausnahme
des Cholesterins, wobei (Differenz 63°/,!) das Oxycholesterin in
der Leber bleibt. Diese Grundlagen sind für die Weiterarbeit
hinsichtlich klinischer wie biochemischer Fragen an gesunden
und kranken Menschen ungemein verheißungsvoll'!,, S. Cha-
latow fand bei Studien über Cholesterinverfettung („anisotrope
Verfettung“) eigenartige Absorptions- und Maskierungsverhält-
nisse der Ester wie des freien Körpers und das eigentliche
Vorkommen in solchen Bindungen, die flüssige Krystalle nicht
bilden und sich krystallographisch weiter modeln®?). Auch
hieraus muß die mikrochemische wie eigentliche analytische
Chemie fernere Anregungen empfangen.
An dieser Stelle gehen wir darauf ein, daß die meisten,
uns aus den Reihenuntersuchungen zukommenden Serumproben
nicht ausgesprochen lipämisch waren, auch in Zeiten mit hohen
Lipoid- und Fettwerten. Vorher existierten keine Anzeichen
für Fettvermehrung. Die Sera mit hohen Gehalten (letale)
hatten zumeist nur mäßige, zudem nur typische Andeutungen, die
unten beschrieben werden. Johs. Müller berichtet aus Unter-
suchungen zur Lipämie bei Nephritis über einen eigenartigen
Zustand des lipämischen Gemenges. Er fand, daß selbst hohe
Tourenzahlen bei langem Zentrifugieren keine Entmischung des
„maskierten Fett-Lipoid-Cholesterinbestandes“, die in hohen
Beträgen vorlagen, bewirkten. Untersuchungen nach Kuma-
gawa-Suto wie nach Hoppe-Seyler ergaben interessante
Aufschlüsse. Für 100 ccm Serum wurden gefunden: 3180,0 mg
Gesamtätherextrakt, 2500,0 mg Gesamtfettsäuren (höhere, ent-
sprechend den methodischen Voraussetzungen nach K umagaw a),
683,0 mg Cholesterin (erste Methode); 2150,0 mg Neutralfett,
1) J. Lifschütz, Die Oxydationsprodukte des Cholesterins in den
tierischen Organen (Pfortader, Lebervene, V. Mitteilung), diese Zeitschr.
62, 3/4, 206, 1913, Juni.
1) S. S. Chalatow, Über flüssige Krystalle im tierischen Organis-
mus, Frankf. Zeitschr. f. Pathol. 18, 2, 189, 1913, Aug.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 37
688,0 mg Lecithin und 863,0 mg Cholesterin). Bei mancher-
seits fehlender, direkter Vergleichsmöglichkeit sind die Zahlen
absolut und relativ interessant, wie besonders die (praktische)
Gleichheit zwischen Lecithin und Cholesterin darlegt; Beziehung
II nach Bloor rund 1,00. Vielleicht ist die Maskierung eine
Folge dieses (natürlich durch die organischen Bestände und
Reaktionsverhältnisse verstärkten) Zustandes. Müller führt
einen Teil der Lipoide auf die roten Blutzellen zurück, eine
Auffassung, die früher Beumer zur Gegenprüfung und Ab-
lehnung führte?) und die wir an unseren Fällen zu messen —
wie oben analytisch erörtert und belegt — und (aus welchen
Gründen immer) abzulehnen haben. Nebenbei aber sei die
praktische Bedeutung dieses charakteristischen Ausnahmefalles
Tabelle VII.
Verteilung der Fette und Lipoide im menschlichen
Blutserum bei akuter gelber Leberatrophie.
Beitrag zur Kenntnis der Entwicklung spezieller Lipämien.
Gesamtfettsäuren, Neutralfett, Cholesterin (gesamt), Lecithin und freie
Fettsäuren absolut in mg für 100 ccm Plasma und prozentisch berechnet
nach dem Gesamtätherextrakt.
sE ja : 5 g
= ar 2,8175 Pe} =
= F De 23 = s3|&a| 2 Freie Fettsäure
= I152|3%2| are 8
ar 1% 8
| mg Jabs. °/,Jabs. %/ abs. /%/oJabs.]/o] abs. | UA
2. a [1300,0[520]40[320 [24/680 |52| 154] 12] vorhanden, aber nicht analytisch
| bestimmt!)
-b [1900,0[91148]250 13880 146] 126| 7 160 | 8+)
3. a
1000,0]391 |39] 204 |20[560 56] 151 |15
b [1400,0|790 |42| 227 |16| 750 |54| 72| 5
5. a| 650,0] 386 159] 167 125] 230 135| 173 |27 3 2 z
b| 630.01387 61149 124|260 1] 125 zo|} analytisch nicht bestimmt:)
c |1200,0[638 |53|388 132] 560 [47 140|12| vorhanden, aber nicht bestimmt!)
d |1900,0|1023|54|400 121|960 150] 105| 6 202 | 11+)
Anmerkung: +) Im mikrochemisch-analytischen Verhältnis ist die
Ermittelung freier Fettsäuren bisher nicht durchführbar gewesen.
Mikrochemisch direkt gefundene Beträge.
I analytisch nicht bestimmt ')
1) Johs. Müller (mit Reinbach), Über Maskierung des Blut-
fettes und der Blutlipoide sowie über Verdauungslipämie des Menschen,
Zeitschr. f. physiol. Chem. 86, 6, 469 bis 483, 1913, Aug.
2) H. Beumer, Die Herkunft desCholesterins bei der Verdauungs-
lipämie, Arch. f. exp. Pathol. 77, 375, 1914.
38 Joh. Feigl:
für die äußere Erscheinung, Beurteilung und Analyse von lip-
ämischen Seren samt den interessanten, (leider nicht vollstän-
digen) Zahlen hervorgehoben.
Zum Vergleiche mit den vorliegenden, auszugsgemäßen
Angaben von Vorkommnissen hoher Lipämien, Lipoidämien,
Cholesterinämien sei in vorstehender Tabelle VII eine Auf-
stellung mitgeteilt, die für unsere Fälle in prozentischer Be-
rechnung auf die Gesamtätherextrakte dessen Strukturen erweist.
Von besonderem Werte ist u.E. die Anknüpfung einer
größeren Untersuchungsreihe, die F. Kauders unter Leitung
von S. Fraenkel und mit dessen vorzüglichen, präparativen
Methoden anstellte, um die Frage der Cholesterinverteilung
im Blute zu studieren‘), Er fand mit diesen (allerdings an
Personen mit Luesverdacht!), daß auch die Erythrocyten Ester-
cholesterin enthalten. Diese sonst ziemlich vereinsamte Fest-
stellung fand bei Bloor keine Aufnahme und Berücksichtigung,
im Verlaufe unserer bisherigen Arbeiten an den jetzigen Fällen
gleichfalls keinen Antrieb zur eingehenderen Prüfung. Jedoch
wird man auch für unsere ferneren Studien und weiter aus-
greifende Fragen aus zwei Gründen aufmerksam sein müssen,
einmal Anlaß zu hämatologisch-morphologischen Anknüpfungen
in ihr erblicken, gleiches bei Blutzerfall und Ausschüttung der
fraglichen Stoffe. Feigl fand bei einem Falle von Leberatro-
phie einmal zweifellos Hämatin im Serum?). Ferner ist die
Komplikation bestimmter Fälle (hier Lues) eindringlich zu beachten.
Angaben von H. Joussouf lehren gleichfalls Komplikationen
berücksichtigen, die an sich „Fettlebern“ (vorgängig) verur-
sachten®). Hämatologischer Natur ist auch die Angabe von
Müller, daß Cholesterin bei Anreicherung im Plasma in be-
stimmte Beziehung zu den Körperchen treten könnte. Damit
möchten wir hier verbinden die Erwähnung eines Befundes aus
dem verwandten Gebiete der P-Vergiftung. C. Ragazzi fand
1) F. Kauders, Über den Cholesterin- und Cholesterinestergehalt
des Blutes verschiedener Tiere, diese Zeitschr. 55, 1/2, 96 bis 100,
1913, Sept.
®) Joh. Feigl und R. Deusing, diese Zeitschr. 1918. Neue Bei-
träge zur Kasuistik des Vorkommens von Hämatin im Blute II.
3) H. Joussouf, Autolytische Milchsäurebildung in der Leber, Vir-
chows Archiv 207, 3, 1912, März.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 39
bei Untersuchung der Viscosität, des Gefrierpunktes (beide
normal) und der Leitfähigkeit von Blut und Serum (Wider-
stand erhöht) den Grund in erheblicher Polycythämie bei Zer-
störung von Eosinophilen!). Fr. Dancker fand, was uns
fermentbiologisch beschäftigte, Absenkung der Katalase um
12°/,, fallende Alkalescenz, kaum veränderte Peroxydasen und
normale Erythrozytenzahlen°)?).
Ausreichende Anknüpfungen und offenbar weitgehende
Parallelität zu dem Experimentalfeld der P-Vergiftung ergibt
sich für unsere oben erörterten Befunde über Lecithinbewegung,
Hydrolyse, P-Verteilung nach folgenden Literaturangaben hin-
sichtlich der Art des zeitlichen Ablaufes.
G. Joannowitz und E. Pick fanden, daß bei der Auto-
lyse die Lipoide hervorragend aktiv und passiv beteiligt sind,
sic erleiden bei P-Vergiftung die erste Schädigung‘). Diese
charakterisierten wir oben durch die Methodik der P-Verteilung
aus dem Rest-P. Auch G. Satta und G.M. Fasiani fanden
ihre Mitbeteiligung bei der Autolyse?). Über den Bestand von
Organen an Lipoid-P brachten H. Mayer und G. Schäffer
im Verfolg ihrer obengenannten Studien umfassendere Mit-
teilungen®), zu denen wir unsere Analysen an den postmortalen
Organresten in Beziehung zu setzen haben werden. Über die
Fermenttätigkeit im Blute selbst äußerten sich E. L. Opie,
B. J. Barker, A. L. Dochez in dem Sinne, daß die P-Ver-
1) G. Ragazzi, Richerche sullo stato del sangue nelle intossica-
zioni da fosforo, Arch. Farmacol. 8, 529, 1910.
2) Fr. Dancker, Über den Einfluß verschiedener Gifte (u. a. P)
auf die Katalase usw. des Blutes, Inaug.-Diss.. München 1911, 30, ref.
Biochem. Centralbl. 12; 309 (Loeb), 1911/12.
3) Die fraglichen Ergebnisse bei P-Vergiftung werden von uns
später in weiteren Mitteilungen über Blutuntersuchung bei Leberatrophie
erörtert werden.
1) G. Joannowitz und E. Pick, Experimentelle Untersuchungen
über die Bedeutung der Leber bei der Fettresorption, Verhandlg. der
Pathol. Gesellsch. 1910, April, Beiheft zu Bd. 21.
è) G. Latta und E. Fasiani, Über den Einfluß der Lipoide auf
die Leberautolyse, Berl. klin. Wochenschr. 47, 32, 1910.
©) A. Mayer u. G. Schäffer, Recherche sur la constance lipocy-
tique. Teneur de tissues en lipoides phosphorees, Compt. rend. des
sciences 157, 2, 156, 1913 (Juli).
40 Joh. Feigl:
giftung keinen (direkten) Einfluß auf Serumstoffe ausübe, die
die Intensität der Lipolyse erfahrungsgemäß beeinflussen !).
E. Frank und S. Isaak zeigten auf einen spezifischen Gly-
kogenschwund in der Leber selbst mit Absinken des Blutzuckers
hin?); der Anschluß zur P-Vergiftung ist durch unsere Arbeiten
bei Leberatrophie nach bisherigen erst teilweisen Angaben her-
gestellt. S. Sakai fand bei normalen Tieren keine Lipämie
(Frühstadium?), erst nach Anämisierung, mit der verbunden
eine Abnahme der Lipase einherging?) — wertvolle Arbeit.
Über die Natur des echten lipolytischen Fermentes, das
Phosphatide und Jecorine, kein Fett spaltet, berichtete Fr.
Thiele*). Dies interessiert uns aus fermentbiologischen Gründen
wegen der offensichtlichen, zeitlichen Unterschiede in Umlage-
rung und Abbau mit früher Spaltung des Lecithins, ferner weil
die Auswertung der optimalen Reaktion für die Intensität der
Hydrolyse ziemlich genau in der fraglichen, lecithinolytisch
orientierten Frist um die Krise herum erreicht wird. Weitere,
speziell das Vorkommen von freien Fettsäuren und Seifen tan-
gierende Fragen liegen in der von G. Fortini entwickelten,
von J. Meyer scharf bekämpften Lehre einer schrittweisen
Hydrolyse der neutralen Triglyceride über Diglyceride und
Monoglyceride°).
Die Frage des „Fettumbaues“ bei Phosphorintoxikation
ist von den verschiedensten Gesichtspunkten aus studiert wor-
den. A. Oppel®), N. Shibata”) u. a. nehmen eine primäre
Einwanderung aus Blut und Organen, bzw. Unterhautdepots an,
1) E. L. Opie, B. J. Barker, A. L. Dochez, Changes in the
proteolytic enzymes, Journ. of exp. Med. 13, 1, 1911, Jan.
2) E. Frank und S. Isaak, Über das Wesen des gestörten Stoff-
wechsels bei der P-Vergiftung, Arch. f. exp. Path. 64, 3, 1911, Febr.
3) S. Sakai, Zur Pathogenese der Lipämie, diese Zeitschr. 62,
387, 1914. Darin Literatur, Methodik und Fermenttheorie der Lipämie.
4) Fr. H. Thiele, On the lipolytic action of the blood, Bioch.
Journ. 7, 2, 275, 1913 (Mai). Desgl. of the tissues, ebenda.
5) J.Meyer, Über die Verseifung der Triglyceride, Chem. Ztg. 37.
541, 1913 (Mai).
6%) A. Oppel, Kausal-morpholog. Zellstudien III, Über die Gewöh-
nung an P, Zieglers Beiträge 49, 3, 543, 1910, Dez.
”) N. Shibata, Experimenteller Beitrag zur Kenntnis der Fett-
wanderung bei der P-Vergiftung usw., diese Zeitschr. 37, 345, 1911, Dez.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. II. 41
der erst später die Fettumlagerung (im Organ 84°/, durch P,
rund 50°/, durch reine Inanition) folge. Die Umbildung aus
Glykogen wie aus Eiweiß ist gleichfalls energisch diskutiert
worden. O. Hirz trat mit treffenden Versuchen hervor, die
beweisen sollten, daß hierfür jede Stütze fehle!), Gegen diese
von vielen anderen Seiten ventilierten Fragen kann man an-
nehmen, daß bei Leberatrophie, die ja nicht restlos das gleiche
Bild bietet wie die P-Vergiftung, aus gewissermaßen mecha-
nischen Anstößen heraus das Fett abgeschoben wird, gleich-
gültig, ob es nach den zahlreichen Versuchen von Leo und
seinen Mitarbeitern C. Bachem und W. Truschenikoff
vorübergehend (durch P-Vergiftung) neugebildet wird oder nicht °).
Über die vorgängige Umwälzung können wir hier nichts aus-
sagen. Jedenfalls kann bei unseren Fällen im Spätverlaufe der
Erkrankung das gewaltig gesteigerte Fett des Plasmas nur
endogenen Ursprungs sein, dabei entweder — worüber ein-
gehender zu sprechen sein wird — durch Lahmlegung der
spaltenden Fermentenergien in der „Abfuhr gehemmt“, gestaut
werden, oder aber es erscheint in einem derartig hoch bemessenen
Angebot, daß der in Bewegungs-, Umlagerungs, Spaltungskräften
an sich behinderte Organismus seiner im Plasma und Blute
nicht Herr werden kann. Dafür, daß dem so ist, sprechen
u. A. in gewissem Sinne die fraglichen Mengen und der späte
Beginn echter Lipämie und Cholesterinämie. Während vor der
schrittweisen Entkräftung der Lebensfunktionen die auftreten-
den Massen vermutlich noch bewältigt werden, ist dies hernach
nur zum Teil (chemisch gesprochen) der Fall. Lecithin wird
weitgehend durch Abbau konsumiert, obwohl es in relativ nicht
geringeren Graden zufließt, Cholesterinester erleiden noch bis
in die prämortale Zeit eine Spaltung, freie Fettsäuren bilden
sich. Erst spät setzen, wie man vermutlich schließen darf,
Fermenthemmungen ein; so kann man die hohen Esterprozente
1) O. Hirz, Über den Einfluß des P auf den respiratorischen
Stoffwechsel, Zeitschr. f. Biol. 60, 5/7, 187, 1913, März.
2) H. Leo und C. Bachem, Weitere Untersuchungen über Fett-
bildung in der überlebenden Leber, diese Zeitschr. 48, 4, 313, 1913.
Febr. H. Leo, Über das Wesen der Organverfettungen nach P-Ver
giftung, ebenda 4, 48. H. Leo und W. Truschenikoff, Unter-
suchungen über Fettbildung unter dem Einfluß von P, ebenda 4, 302.
42 Joh. Feigl:
des Gesamtcholesterins und die letzten Fettwellen im Zustrom
zum Plasma vielleicht verstehen. Diese im gewissen Sinne
theoretisch wichtigen Fragen werden u. E. durch Einbeziehung
der Ergebnisse fermentbiologischer Parallel- und Reihenunter-
suchungen weiter beleuchtet und vielleicht geklärt werden
können!).
Anhang.
Methodologische Beobachtungen. Solche sind im
Gebiete des Blutcholesterins angestellt worden. Bekannt-
lich weichen die Ergebnisse der bisher ausgearbeiteten Metho-
den — Authenrieth-Funk,Weston-Kent,Czonka, Gettler
und Baker, Bloor, Bloor-Knudsen, Grigaut nach denen
zahlreiche Untersucher gearbeitet haben — ganz erheblich von-
einander ab, so daß man den vorgängigen Isolierungsvorgang
dafür haftbar machen müßte, es seien im einen Interferenten
oder labilere Varianten zerstört, im anderen erzeugt oder we-
nigstens erhalten geblieben. Nach eigenen Erfahrungen, über
die mit J. Neumann zunächst berichtet werden soll, liegt
der Schwerpunkt auf der Vorbehandlung der Blutprobe bei der
Isolierung der Fraktion. Dieser gegenüber tritt die Natur des
gewählten, colorimetrisch benutzten Reaktionsprinzipes, sei es
die Reaktion von Salkowski, sei es die von Liebermann-
Burchard, zurück. Angesichts der vielen einzelnen Materialien
namhafter Forscher ist die Unstimmigkeit und Unvergleich-
barkeit zu bedauern. Wir wandten einige Typen von Isolie-
rungen wie von Bestimmungen an; genaueres enthält der Fuß,
der zugehörigen Tabelle V (Cholesterin im Blute).
Man ersieht aus den Reihen der Fälle 2, 3,5 u. w. —
höchste Hypercholesterinämien — im Vergleich zum geheilten
Falle 4, daß das Verfahren von Bloor, wie auch Verf.,
Müller, Weston angeben, in den Normalzahlen gegen die
übrigen gewaltig absticht. Man erkennt aber ferner, daß die
Werte sich mit steigenden Mengen von Blut-(Gesamt-)cholesterin
ganz erheblich nähern, wobei schließlich Fühlung bis auf dis-
1) An dieser Stelle wäre auch der kontroversen Befunde und Auf-
fassungen von W. Loehlein und R. Kawamura über das Vorkommen
doppelbrechender Substanz in der Niere zu gedenken. R. Kawamura,
Die Cholesterinesterverfettung, 1911, Jena.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 43
kutierbare Fehlergrenzen — einer einzigen Methode — heraus-
kommt. Auf die Parallelbetrachtung der übrigen und die
Diskussion der Frage sei hier verzichtet. Es genügt, daß wir
anführen, diese konstante Annäherung zweier Verfahren, in
deren Wertabständen u.E. eine Quelle der Unstimmigkeiten
ebenso wie ein Anstoß zu Untersuchungen mit wahrscheinlich
prinzipiell neuartigen Gesichtspunkten liegt, sei für den Stand-
punkt der Cholesterinämie von hohem Werte. Methodisch-
analytische Diskussion über Prinzipien und Ergebnisse sei hier
gleichfalls ausgeschlossen; dagegen soll die (individuelle) Zuver-
lässigkeit und Gründlichkeit der Methode von Authenrieth-
Funk nachdrücklich hervorgehoben werden. Besondere Kenn-
zeichen sprechen nicht für die Methodik von Bloor, deren
Stärke u. E. in der Vorbehandlung liegt; wir brauchten ihre
wörtliche Aufnahme in dem Untersuchungsgang, weil wir die
Fett-Lipoidchemie aus einem Wurfe nach dem Gedankengange
des Autors darstellen wollten. Jedenfalls hat die Reihenbe-
trachtung unserer Fälle von Leberatrophie nach den kurzen
Angaben zur Klärung der Cholesterinmethodik angeregt. Auf
die mehr spezialistische Frage des Oxycholesterins, dessen
Kenntnis und methodische Darstellbarkeit mit genannten Ana-
lysenverfahren, werden wir später noch eingehen müssen.
Speziell analytische Versuche wurden hinsichtlich
des Gesamtfettes und eines durch besonderen Zufall ab-
scheidbaren Anteiles derselben angestellt.
Meistens boten die Seren nicht einen mehr oder minder
eindeutigen lipämischen Anblick. Fall 4 zeigte nie, Fall 3
bei kritischer Betrachtung, Fall 2 im Endstadium (Termin b,
Gesamtätherextrakt 1900, mg für 100 ccm Plasma), Fall 5
desgleichen (Termin d, Gesamtätherextrakt 1900, mg für
100 ccm Plasma) ja ausgesprochene Eigenschaften, die jedoch
im Termin c weniger typisch waren. Letzterer bot die Er-
scheinung eines wirklich lipämischen, homogen getrübten Plasmas,
die eben vorhergenannten Termine verhielten sich wie folgt:
Frisches Zentrifugat kaum getrübt. Über das Zustandekommen
der Trübung kann man verschiedene Einflüsse diskutieren, die
sich auch auf Aminosäuren usw., Eiweißstoffe im weiteren
Sinne u. a. beziehen, so daß die Emulgierbarkeit bestimmter
Relationen von Lipoiden in weiten Grenzen hinsichtlich Halt-
44 Joh. Feigl:
barkeit und Dichte der Verteilung schwanken kann. Im Falle5,d
setzte sich im Serum (500 cem Aderlaßblut), im Eisschranke auf dem
Serum, das im übrigen klar blieb, eine fest zusammenhängende,
bröcklige, grobkrystallinische Schicht ab, die von fast weißer
Farbe war. Sie wurde durch mechanisches Sammeln und Ab-
heben zum größten Teile, der Rest durch Filtration, abgetrennt.
Zusammengenommen, mit lauem Wasser (ca. 40°) langsam ein-
schmelzend, wurde die Menge gereinigt, wobei anhängende
wasserlösliche Stoffe saurer Reaktionen entfernt werden sollten.
Sie gab dann für 500 com Serum ein Gewicht von 2,88 g.
Doppelbrechende Substanz war darin enthalten, der (rohe)
Schmelzpunkt etwa 40° bis 44%. Nach Umkrystallisieren aus
Methylalkohol (schnell, Abkühlung) stieg der FP auf 51°. Die
rohe Masse lieferte nach Art der Fettanalyse geprüft, eine
Acidität, die auf ein Gemenge von rund 1,10 g freier (hoch-
molekularer, hochverschmelzender, gesättigter) Fettsäuren hinwies.
Diese Zahl änderte sich nach dem Umkrystallisieren un-
wesentlich.
Fall 3, b lieferte ähnliche Erscheinungen — Entmischung
der Emulsion zum Auftreten abscheidbarer, krystalliner Massen
mit der Möglichkeit chemisch-analytischer Inangriffnahme — nicht.
Fall 2, b zeigte ein ziemlich ähnliches Bild wie Fall 5, d,
wobei etwas umständlicher die endliche Reinigung auf 160,0 mg
hinwies.
Für Fall 5, d errechnet sich die Angabe wie folgt. In
1023,0 mg Gesamtfettsäuren für 100 ccm Plasma stecken rund
202,0 mg freie Säuren des genannten Charakters. Dadurch fällt
das Neutralfett auf rund 400,0 g. Der frühe Termin d ergab
ein zweifelloses Bestehen freier Säuren.
Fall 2, b ergab 0,158 g freie Säuren für 100 ccm Plasma
mit einer danach rund gegebenen Menge Neutralfett von rund
250,0 mg.
Danach stellt sich das Gemenge der Gesamtfettsäuren, 5, d
102,3 mg, so dar, daß 75,0 mg dem Lecithin, 317,0 mg dem
Cholesterin — Summe 392,0 mg — angehören und der Rest
rund 400,0 mg Neutralfett sowie rund 200,0 mg Fettsäure höherer
gesättigter Grade enthält; 2b gibt von bezüglich 911,0 mg,
89,8 mg, 432,0 mg — Summe 511,0 mg — rund 250,0 mg
Neutralfett und 160,0 mg Fettsäuren. Die Angaben für freie
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. 45
Fettsäuren, deren objektive Darstellung oder mittelbare Be-
stimmung sich schwer durchführen läßt (Reinisolierung!), erläutern
die Qualität der Rubr. E u. G Tabelle IV, als relativer Art. Die
dort „Restfettsäure* genannte Fraktion ist in nähernder
Schätzung darum zumeist niedriger zu bewerten, als die tat-
sächlichen, rechnerischen Grundlagen angeben, worüber Näheres
nachzufügen sein wird. Wir können, obwohl die ganze Durch-
arbeitung spezialistisch dargestellt werden soll, unter Angabe
der Analysen hier noch so viel sagen, daß es das Zwischonspiel
der Lipoide ist, besonders des Lecithins und Neutralfettes in
Relation zu den gesuchten Komponenten, das die Möglichkeit
des direkten Erscheinens und unerschwerten Nachweises der
Fettkomponenten beherrscht. Diese selbst bieten sich in hoch-
molekularer, gesättigter Art leichter der Untersuchung durch
mechanische Trennung (Zentrifuge) und Reinisolierung dar.
Ihre absoluten und relativen Mengen sind so groß und
in den Fällen 5,d und 2,b ihre chemische Charakteristik so-
weit genügend umschrieben, daß sie für den Spätverlauf der
akuten Leberatrophie u. E. etwas Bezeichnendes in sich tragen.
Indes sind viele weitere Einzelfragen mit dieser erstmaligen
Feststellung verknüpft, die sowohl fermentbiologisch wie patho-
logisch wie analytisch zu beleuchten sein werden.
ZumSchlusse sei darauf hingewiesen, daß wir harnanalytisch
im Verfolg früherer Arbeiten und blutanalytisch in der Frage
des Reststickstoffes in bestimmter Richtung neue Fortschritte
erzielt haben, auf die unsere damaligen Beobachtungen hin-
zeigten. In Anklang an Arbeiten von E. Abderhalden,
O. Folin, D. D. v. Slyke, D. Ackermann, J. Wiener
und R. H. A. Plimmer ist uns der Nachweis von Cystin in
Harn und Blut, sowie weiteres zur Aufklärung der Diaminurie
einwandfrei gelungen. Auf diese Ergebnisse werden wir in
spezieller Darstellung zurückkommen.
Schlußsätze.
In der vorstehenden Mitteilung wird über Untersuchungen
berichtet, die sich damit beschäftigen, an mehreren, verschieden
gearteten Fällen von akuter gelber Leberatrophie den Bestand
und die Umwandlung von Fettsäuren, Neutralfett, Lecithin
und Lipoid-P, Cholesterin und Phosphorverteilung im Blut und
46 Joh. Feigl:
Plasma durch Reihenbeobachtungen zu beschreiben und zu
charakterisieren.
Dabei zeigte sich, daß es im Spätverlaufe der Erkrankung
meistens zu Lipämien besonderer Natur kommt. Die Gesamt-
fettsäuren können bis zu 1023,0 mg für 100 ccm Plasma, das
Neutralfett nach analytischer Korrektur bis zu rund 400,0 mg,
die tatsächlich vorhandenen freien (hochmolekularen, gesättigten)
Fettsäuren bis zu rund 200,0 mg, das Gesamtcholesterin bis
960,0 mg steigen. Lecithin und Lipoid-P erweisen sich zumeist als
fallend. Die Esterquote des Cholesterins unterliegt bestimmten
Schwankungen mit vorübergehender Senkung, prämortalem An-
stiege. Die Phosphorteilung bringt lebhafte Anstiege des säure-
löslichen P zur Darstellung (bis zu 28,0 mg), dessen Struktur
entscheidend vom Rest-P (bis zu 14,0 mg = 50°/,) beherrscht
wird. Der Gesamtätherextrakt steigt erheblich an und erreicht
1900,0 mg. Die Relationen der Gesamtfettsäuren zu Lecithin (I)
und der des Lecithins zum Cholesterin (II) gewinnen charak-
teristische, die Norm weit verlassende Gestalt durch relativen
und absoluten Lecithinschwund. Sie steigen bis rund 10,0 (I)
und fallen auf rund 0,1 (TI).
Die beschriebenen Höchstwerte stellen das typische Grenz-
ergebnis dar, das indes je nach Art der Fälle auf ver-
schieden langen und verschieden gebauten Wegen erreicht
wird, wie die mitgeteilten Zahlen für die einzelnen Stoffe
im Reihenbilde veranschaulichen. Die grundsätzlichen Cha-
rakteristika sind durchweg dieselben, wenn schon nicht stets
scharf ausgeprägt.
Vergleiche mit diagnostisch-prognostischen Nebenzielen
lehren, daß die Umwandlungen an Fettsäuren, Fett, Cholesterin-
beständen eigentliche Späterscheinungen sind, die der Krise folgen.
Ihnen gehen Indicationen, so wie sie das Rest-N-Gebiet, im er-
giebigen Sinne dargestellt, zu bieten vermag, weit voraus, diesen
wieder an Deutlichheit solche des Lecithinumsatzes mit der
Erscheinung bestimmter P-Komplexe im analytischen Bilde
der P-Verteilung.
Wesentliche Abartungen im Fett- und Lipoidbestande der
Erythrocyten haben sich kaum ergeben. Diese werden ebenso
wie pathologisch-klinische Komplikationsmöglichkeiten später
überprüft werden müssen, da die typischen Bilder einseitige
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. III. * 47
Verzerrungen erleiden können. Der klinische Standpunkt wird
an Hand des geheilten Falles kurz gestreift.
Die erhobenen Befunde werden mit solchen anderer patho-
logischer Zustände verglichen und einzelne Angaben der
nächstliegenden Literatur beziehentlich erörtert. Analysengänge,
methodische und statistische Voraussetzungen werden unter
Eingehen auf eigene, noch unveröffentlichte Arbeiten grund-
legend besprochen, vorliegende und weitere Spezialbeobachtungen
zur Lipämie beschrieben.
Als charakteristisch wird das (späte) Auftreten relativ und
absolut hoher Beträge bestimmter freier Fettsäuren geschildert,
deren genaue, analytische Isolierung später erörtert werden soll.
Vorläufig gestreift werden Verhältnisse des Zuckerumsatzes,
Erweiterungen im Gebiete der Stickstoffverteilung im Blute
und Harn sowie einzelne klinische Beziehungen.
Nach größtenteils fertiggestellten Ergebnissen werden in
ferneren Mitteilungen weitere Fragen aus der Pathochemie der
akuten gelben Leberatrophie zu behandeln sein.
Neue Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie IV.
Verhalten von Blutzucker und Glykogen.
Weitere Beobachtungen über den Reststickstoff des Blutes und seine
Gliederung. Acetonkörper.
Vorläufige Zusammenfassung von Ergebnissen über Befunde in Blut
und Plasma,
Von
Joh. Feigl und H. Luce.
(Aus dem Chemischen Laboratorium und der dritten Inneren Abteilung
des Allgem. Krankenhauses Hamburg-Barmbeck.)
(Eingegangen am 26. Oktober 1917.)
Mit 2 Figuren im Text.
Einleitung.
In einer unmittelbar vorhergehenden Arbeit wurden kürz-
lich Ergebnisse mitgeteilt, die in der Untersuchung des Bestandes
von Blut bzw. von Plasma an Fetten und Lipoiden bei töd-
lichen und geheilten Fällen von akuter gelber Leberatrophie
gewonnen wurden. Anläßlich dieser Beobachtungen wurden
sowohl die Befunde für die Einzelfragen des Gebietes, soweit
mit vorwiegend mikrochemischer Analyse derzeit durchführbar,
beantwortet, als auch die relativen Verhältnisse und Beziehun-
gen rechnerisch dargestellt‘). Angaben unmittelbar methodischer
Art wie indirekt rechnerischen Charakters wurden formuliert
für die Begriffe der Gesamtfettsäuren, des Neutralfettes, der
1) Joh. Feigl, Neue Untersuchungen über akute gelbe Leber-
atrophie III, Fette und Lipoide des Blutes. Chemische Beiträge zur
Kenntnis der Charakteristik und Entwicklung spezifischer Lipämien,
diese Zeitschr. 1918.
Joh. Feiglu. H.Luce: Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 49
freien Fettsäuren (nur mit größeren Mengen an Material prä-
parativ-analytisch bestimmbar), des Cholesterins, des Lecithins.
Aus diesen wurde mit Hilfe selbständiger Prüfung auf ver-
estertes und freies Cholesterin, auf Grund der Ermittlung des
Lipoid-P [Umrechnung auf Phosphorsäure (Bloor)], und auf
Lecithin zunächst der Anteil des summarichen Begriffes der
Gesamtfettsäuren festgelegt, der in lipoidischer Bindung (Ester-
cholesterin und Lecithin) steckte. Der Rest der nunmehr ver-
bleibenden Fettsäuren wurde als Neutralfett formuliert. Indes
zeigte sich später bei der Verarbeitung von größeren Serum-
mengen durch Aderlaß entnommen, daß freie Fettsäuren in ge-
wissen Abschnitten des letalen Verlaufes auftreter können. Da
nun deren Nachweis in mikroanalytischen Verhältnissen zur
Zeit nicht durchführbar war, konnte nur an genäherte Korrektur
des Neutralfettes gedacht werden. Indes zeigten sich die ge-
nannten Fettsäuren bestimmten Charakters (hochmolekular,
hochschmelzend, vorwiegend gesättigt) eben nur zu bestimmten
Zeitpunkten, auch dort nicht mit Regelmäßigkeit:. Man wird
große Umformungen des Übergewichts der namentlich früh-
zeitigeren Befunde an Neutralfett demnach kaum erwarten dürfen.
Ferner wurde anschließend an frühere Untersuchungen des einen
von uns (Joh. Feigl) über säurelöslichen Phosphor, über dessen
Struktur, über vorgebildetes Orthophosphat, über den neufor-
mulierten Begriff des Restphosphors, die Phosphorverteilung im
Sinne der Methodik von Joh. Feigl wie J. Greenwald be-
arbeitet. Die Beziehungen zwischen den Gesamtfettsäuren
und Lecithin einerseits, zwischen Lecithin und Cholesterin an-
dererseits (nach der Formulierung von Bloor) wurden festge-
stellt, und ihre charakteristische Veränderung gegen die Norm
hervorgehoben. Schon A. Meyer und G. Schäffer sowie später
E. Terroine hatten den Wert solcher Relationen — constance
lipoeitique —, der Anordnung nach von den jüngsten Vorschlägen
verschieden, den mittelbar gewonnenen Aufschlüssen nach ebenso
lehrreich, betont ?).
1) ].c. bei Joh. Feigl u. H. Luce, Über Leberatrophie III, diese
Zeitschr. 1918, sowie bei Joh. Feigl, Über Phosphate I, II, III, diese
Zeitschr. 83, 1/2, 1917.
®) Zit. bei Joh. Feigl u. H. Luce, III.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 4
50 Joh. Feigl u. H. Luce:
Der hauptsächliche Wert unserer Untersuchungen, sowohl
derjenigen über das Gebiet der Fette und Lipoide, wie der
älteren über das Gebiet des Gesamtreststickstoffs und seiner
Komponenten!) wird jedoch vermutlich in der Reihenunter-'
suchung liegen, die für wenige Fälle, ganz lückenlos für einen
früheren (1915), durchgeführt wurde?). Es ließ sich also zunächst
eine Darstellung für die Vorgänge der Stickstoffdestruktion
nach ihren chemischen Quellen entwicklungsgemäß geben. In
zweiter Linie konnten wir dasselbe beschreibend verfolgen für
die Gesamtfettsäuren, das Neutralfett, das Gesamtcholesterin
mit Einschluß seiner Existenzformen, für Lecithin und seine
(angenommenen) Abbauprodukte, den säurelöslichen P des Ent-
eiweißungs-Extraktions-Veraschungsvorganges und den in ihm
enthaltenen Begriff des restlichen P nebst Orthophosphat. Damit
waren auch die Wandlungen des Gesamtätherextraktes (Fett-
lösliches überhaupt) und der Relationen, die oben genannt sind,
mit Einschluß prozentischer Gliederung der Gesamtfraktion
gegeben.
Über die Herkunft der Stickstoffsubstanzen zu diskutieren,
hieße in gerader Linie die älteren fermentpathologischen An-
sichten über Heterolyse und die klaren Darlegungen von C. Neu-
berg und P. F. Richter?) über ihre Beobachtungen an einem
(extremen) Fall an Hand des nunmehr beträchtlicher erweiterten
Tatsachenmaterials von Joh. Feigl und H. Luce bzw. von
Joh. Feigl entsprechend verfolgen. Indes ist über die Quellen
der Purine, des Kreatinins und Kreatins und der Aminosäuren,
auch spezieller Vertreter dieses zusammenfassenden Begriffes
bei Destruktionen genug bekannt. Neuberg und Richter
ließen die nach gewissen Versuchen von O. Schumm u. a. mög-
1) Joh. Feigl u. H. Luce, Neue Untersuchungen über akute gelbe
Leberatrophie I, der Reststickstoff des Blutes usw., diese Zeitschr. 79,
3/4, 161, 1917.
2) Lückenlose Beobachtung (klinisch und pathochemisch) für Fall 1
(1915), bei den Verff. I (1917) sowie III (1918). Desgl. für den Fall 4
(geheilt) ebenda. Durchgehende Beobachtung im letalen Stadium bei Fall 5
(ebenda) 1918. Kurze (zweimalige) Untersuchung von Fall2 und Fall3
ebenda (1917 und 1918).
3) C. Neuberg u. P. F. Richter, Über das Vorkommen von freien
Aminosäuren (Leucin, Tyrosin, Lysin) im Blute bei akuter gelber Leber-
atrophie. Deutsche med. Wochenschr. 40, 14, 499, 1904.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 51
liche Verknüpfung mit autolytischen Vorgängen plasmaeigener
Natur als durchaus belanglos im Hinblick auf die Menge der
Produkte erscheinen. Sie wiesen auf den Darm hin wie auf
die Muskeln und das zerfallende Lebermaterial. Unter dessen
anatomischen Bestandteilen wird das Parenchym von den
Pathologen als erster Angriffspunkt geschildert!). Später er-
hielten wir von E. Abderhalden und Mitarbeitern (an Tieren)
genaue Aufschlüsse über die Mengenverhältnisse der im Darm
isolierbaren Aminosäuren?). Derselbe Autor brachte auch in
groß angelegten Untersuchungen präparativ-analytisches Material
bei für die Frage der sonst nur (rein analytisch) durch den
N-Gehalt bemessenen Beträge der Aminosäurefraktion des Ge-
samtreststickstoffes im Blute?). Das Auftreten der riesigen
Mengen an krystalloiden N-Produkten obiger Beschreibung im
Plasma konnte daher einmal als Ausdruck von Störungen der
aufbauenden, assimilierenden Kräfte — der Fermentbestände
. des Blutes und der Organe — aufgefaßt werden, oder eine
Folge sein von riesigem Angebot durch den rapiden Zerfall des
nächstbetroffenen Organs unter Mitergreifung weiterer Quellen.
durch sich ausbreitende toxische Einflüsse.
Daß die Entwicklung, falls einmal ein gewisser Höhepunkt
in der „Krise“ überschritten ist, rasend schnell zum Ende führt,
belegen sowohl ältere, isolierte Angaben wie auch die jüngst
durchgeführte Reihenuntersuchung. Diese mußte der früher
auf Grund klinischer Allgemeinbeobachtung vermuteten Fest-
1) Siehe auch bei Th. Fahr, Vortrag im ärztl. Verein zu Ham-
burg, Sitzung vom 9. X. 1917. Deutsche med. Wochenschr. 1918.
2) E. Abderhalden (nach Versuchen von Trosin, Salewski,
Kastner), Über den Gehalt des Darminhalts einiger Säugetiere an
Aminosäuren, Zeitschr. f. physiol. Chem. 74, 436, 1911. Im Darm eines
Schweines rd. 8,0 g, eines Hundes rd. 1,0 g von isoliertem Substanzgemenge,
die rd. !/, des nicht kolloiden N in Form freier Säuren darstellen. Auch
wurden Individuen isoliert. Ders., Weiterer Beitrag usw. Vorkommen
einzelner Aminosäuren in verschiedenen Teilen des Darms. Zeitschr. f.
physiol. Chem. 78, 382, 1912.
3) E. Abderhalden, Der Nachweis von Aminosäuren im Blute
unter normalen Verhältnissen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 88, 478, 1913,
fand im Blute normaler Schlachttiere (Rinder und Pferde) Glycin, Alanin,
Valin, Leucin, Asparaginsäure, Glutaminsäure, Arginin, Lysin, Prolin,
Histidin.
4*
52 Joh. Feigl u. H. Luce:
setzung einesden Umschwung darstellenden Krankheitsabschnittes
neues wichtigeres Material aus der Analyse zugänglich machen.
In unserer älteren Mitteilung und der jüngst gegebenen Fort-
setzung sahen wir bei Auswertung der fraglichen Ermittlungen
an einem geheilten Falle (4) durch vollständige Reihenunter-
suchung des Reststickstoffgebietes die kritischen Werte sich
bis zu einer gewissen Höhe!) erheben, von dieser fallen. Einst-
weilen glauben wir also, daß dieser Punkt hoher absoluter und
spezifischer relativer Verhältnisse identisch ist mit der eigent-
lichen Krise.
Mit dieser Schlußfolgerung betreten wir das Gebiet der
Diagnose und Prognose, bzw. zunächst der beschreibenden, patho-
chemischen Charakterisierung bestimmter Stadien unserer Fälle.
Zu ihrer mittelbaren oder unmittelbaren Förderung sollte nun
auch das Gebiet der Fette und Lipoide nach seinen Reihen-
befunden herangezogen werden.
Die Herkunft des Fettes kann endogener oder exogener
Natur sein. Es kann der Leber vor ihrem Zerfall, beziehent-
lich vor der Lösung ihres mechanischen Zusammenhaltens durch
Schädigung oder Niederschmelzung des Parenchyms, durch
Einwanderung aus anderen Fettlagerstätten oder durch Umbau
aus Glykogen oder aus Eiweißstoffen in reichlicher Menge zur
Verfügung gestellt sein. Hierüber ist viel diskutiert und experi-
mentell gearbeitet worden. Ferner kann noch während ver-
schiedener Phasen der Destruktion (im chemischen wie morpho-
logischen Sinne) des Organes Fett neu gebildet werden. Auch
diese Vorstellung (H. Leo) ist im Studium der P-Vergiftung
durch autolytische Versuche an der überlebenden Leber geprüft
worden?). Wie dem auch sein mag, es kann sowohl der eigent-
liche (normalphysiologische) oder durch bestimmte Krankheits-
prozesse neubestimmte (pathochemisch gesteigerte oder vermin-
derte) Fettgehalt der Leber bei Lösung des Zusammenhanges
in Bewegung geraten. Das dabei gelieferte Angebot kann unter
Umständen so groß bemessen sein, daß seine sofortige oder
1) Fall 4 steigt bis zum Ges.-RN von 71,0mg für 100 ccm Blut mit
70°/, Amino-N nach Bang, berechnetem Amino-N von 60°), und zu-
sammengefaßtem N im Ur, Kreatin, Kreatinin von 10°/,.
?) Einzelne Literaturangaben bei Verf. l. c. III, 1918 (H. Leo
mit C. Bachem und H. Truschenikoff 1912/13).
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 53
frühzeitige (in Hinsicht auf gleichbleibenden oder vermehrten
Nachschub) Verarbeitung durch die auf normaler Höhe er-
haltenen Fermentkräfte nicht mehr gelingt. Ferner können
aber letztere durch Herabstimmung der Energie im bereits ge-
schädigten Organismus gelähmt sein, so daß normale bzw. ein-
malige oder wellenförmige Zuströme an sich normaler Mengen
nicht mehr im gewohnten Ausmaße physiologisch bewältigt wer-
den, geschweige denn dauernde Angebote größerer Fettfluten.
Andererseits ist jedoch vielleicht auch nach der Lehre der
Heterolyse im weitesten Sinne mit einer Abartung der Fermente
zu rechnen. Diese denkbaren Einflüsse gegeneinander abzu-
wägen, ist bisher nur teilweise nach dem Stande der Pathochemie
des Blutes möglich, da es sich um deskriptive Angaben über
analytische Konstanten gewisser Gebiete handelt, die indes ihrer
Verkettung nach veranschaulicht sind.
Es wird sich also, wie angedeutet, später um die Klar-
stellung der Kräfte handeln, die am Werke sind; hier werden
fermentbiologische Methoden das nächste Wort sprechen müssen.
Daß die ältere Anschauung, was den Charakter gewisser neuer
Befunde — Aminosäuren, freie Fettsäuren — angeht, die nach-
gewiesen wurden, zum Teil recht behalten wird, ist kaum zu
bezweifeln. Ob aber die Heterolyse generell anzuerkennen sein
wird, ist eine andereFrage. Daß in demmit Fetten und Estern über-
schwemmten Blute noch im letalen Verlaufe tiefgreifende Spal-
tungen vor sich gehen, ist anzunehmen, aber nicht exakt be-
wiesen, da die von uns gefundenen freien Fettsäuren als solche
unmittelbar aus der Leber stammen können. Besondere Züge
vereint auf sich das Gebiet des Lecithins und die Phosphor-
verteilung. Der Lipoid-P sinkt im Verlaufe der Krankheit ab,
wobei mit Wahrscheinlichkeit die Annahme eines Ausdrucks
allgemeiner, kachektischer, durch Inanition verschärfter, nicht
spezifischer Umlagerungen das Richtige trifft. Doch handelt
es sich auch um Wandlungen im Frühverlaufe. Diese sind
vielleicht anders zu bewerten. Leeithin wird frühzeitig erfaßt
und spielt bei Einschmelzungen eine große Rolle, zumal wo
es primär zur Anreicherung gedeiht!). Hyperlipoidämien bzw.
1) A. E. Porter, Die Verbreitung der Fett-Lecithin-Wachs-spalten-
den Fermente in den Organen, Münch. med. Wochenschr. 32, 1774, Aug.
54 Joh. Feigl u. H. Luce:
Lecithinanreicherungen pathologischer Natur im Plasma sind oft
diskutiert worden. Nun tritt neben dem Lipoid-P sowohl der
eigentliche anorganische P wie auch der restliche P — letzterer
ein Ausdruck partieller Hydrolyse — gesteigert im Plasma
hervor (vielleicht als solcher direkt aus der Leber stammend?).
Natürlich mußte, nachdem die Frage des RN und
seiner Struktur, die Fragen des Fett- und Lipoid-
gebietes in der geschilderten Art entwicklungsgemäß
beantwortet waren, die Aufgabe hervortreten, den Ver-
bleib des Glykogens bei seiner Loslösung und Mobilisation
an Hand des Blutzuckers bzw. der Gesamtreduktion zu
verfolgen. Der letzte methodische Angriffspunkt zur Gewinnung
weiterer Aufschlüsse — chemische Untersuchungen an den
Resten des zerstörten Organs wurde erreicht. Hierüber wird
a. a. O. zu sprechen sein, da er in die Frage des intermediären
Kohlenhydratumbaues mittelbar eingreift. Das Verhalten des
Zuckers ist seiner Zeit kurz gestreift worden. Die Analyse litt
indes an dem Mangel des mitaufgenommenen, (zur Beurteilung)
obsoleten Begriffes der „Restreduktion“ nach O. Schumm.
Später wurde diese Angelegenheit im Auge behalten. Jüngst
wurde summarisch über das Verhalten des Blutzuckers ge-
sprochen.
Eine zweite Bedeutung kommt der. Frage nach dem Ver-
bleib des gesamten (Reserve-)Kohlenhydrats bei der Mobilisation
zu. Die Entwicklung des Krankheitsbildes zeigt im Frühver-
laufe — vor der von uns vorausgesetzten Krise — deutliche,
allgemeine wie spezielle Erscheinungen von seiten des RN-Gebietes
und von Seiten der P-Verteilung. In unserer letzten Arbeit
haben wir zudem erwogen, welche von beiden chemisch erkenn-
baren Umwälzungen die frühere und typischere sei (womit der
praktischen Frage u. U. zu dienen wäre). Wir neigten dazu,
unter gewissen Verhältnissen die Lecithinolyse mit den Er-
scheinungen des P-Umbaues als empfindlicheren Indicator anzu-
sprechen, vielleicht in dem Sinne, daß sie gegen den RN-Befund
gehalten, einen Fingerzeig für die Wandlung zum Schlechten
vermitteln könnte. Indes warten wir selbst weitere Materialien
1914, erwies in speziellen Untersuchungen Lecithase als das verbreitetste
Ferment mit hoher Wirksamkeit.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 55
ab. Bisher würden wir sagen dürfen, daß ein RN von ca. 60,0 mg
bis 80,0mg für 100ccm Plasma bei speziell pathochemischer
Struktur (hoher summarischer wie reiner Amino-N, usw.) in der
Krise vor dem entschiedenen Umschwung zum Bösen vorkommen
kann!). Fehlt an diesem Zeitpunkte bzw. in diesem Abschnitte
von gewisser Breite eine deutlichere Umstimmung im Gebiete
der P-Verteilung mit dem absoluten und relativen Aufrücken
des Rest-P, so würde man günstigere Meinungen hegen dürfen,
als wenn die letzteren Erscheinungen für eine beginnende, be-
schleunigte Autolyse nicht mehr rein parenchymatischer Bruch-
stücke der Leber unter dem Eindrucke oder der energischen
Mitleidenschaft der Lipoide sprechen und die nicht mehr auf-
zuhaltende Zerstörung bezeugen. Beiden Faktoren gegenüber
bleiben die im Spiegel des Plasmas sichtbaren Erscheinungen
von seiten des Fettes zeitlich weit zurück. Sie sind echte
Bilder der Einschmelzungen im Spätverlaufe der Erkrankung.
Große Mengen von Gesamtfettsäuren, (bei dem dann zumeist
hohen Grade von Lecithinschwund) dabei natürlich auf seiten
des Estercholesterins?), des Neutralfettes, gelegentlich in Form
freier Säuren dringen oft, nicht immer, während des letalen
Verlaufes in das Plasma ein. Für ihre Menge und den Charakter
der Spaltbarkeit ist von Bedeutung, daß die Verteilung zwischen
freiem und verestertem Cholesterin in dessen Gesamtfraktion
sich von der Norm entfernt, und nach der Krise zumeist bei
hohem summarischem Anstieg ein Absinken des Esteranteiles
zeigt (worüber theoretisch diskutiert wurde), der hernach wieder
über die Quote der Norm hinaufschnell. Somit — ferment-
biologisch beurteilt — findet zunächst entweder ein Zustrom
in der Leber freigesetzten Cholesterins oder die Spaltung
1) Zit. bei Joh. Feigl u. H. Luce. Mit obiger Angabe soll nicht
etwa ein Weg in der Richtung auf ein Grenzzahlenschema betreten werden
(was bedenklich und verwerflich wäre). Die Zahlen entsprechen — nach
tatsächlichen Befunden — der Möglichkeit.
2) W. Hueck, Die Bedeutung der Nebennieren für den Kohlen-
hydrat- und Cholesterinstoffwechsel und über die Beziehungen des Chol-
esterins zum Fettstoffwechsel. Centralbl. f. Patholog. 1914, Okt., 25. Er-
gänzungsbd., 149, formuliert seine Ergebnisse so, daß Cholesterin am
Fetttransport beteiligt sei, die Zufuhr freien Cholesterins zur Bildung von
reichlichen Estern führt. — Tab. I, 1. o. III.
56 Joh. Feigl u. H. Luce:
[(Cholesterase) (F.Röhmann,S.Cytronberg!)]zufließender Ester
im Plasma selbst statt. Später wird entweder das Cholesterin-
ester verseifende Ferment der Leber oder des Plasmas emp-
findlich gestört. Indes sind alle hier erwähnten Umstimmungen
echte Späterscheinungen, wennschon die Cholesterinanstiege zö-
gernd und geringgradig ziemlich früh einsetzen’).
An allen Gebieten, besonders dem zuletzt erörterten, mag
der Pathochemiker — nach dessen Angaben der Kliniker —
nicht vorbeigehen, ohne zu bedenken, daß Komplikationen
im Krankheitsbilde zu Verhältnissen führen können, die die
obenerwähnten Erscheinungen stark zu trüben vermögen. Es
sei einmal auf die durch Morbus Brightii eingeleiteten
Störungen hingewiesen. Solche würde in mehr oder minder
hohem Grade Einfluß auf die Gestalt der Befunde über das
RN-Gebiet, vornehmlich im Frühverlaufe der Erkrankung aus-
üben können. Die denkbare Retention der Harnstofffraktion
des Gesamt-RN könnte die Struktur desselben unter Hinauf-
treiben des bezüglichen absoluten Wertes so weit alterieren, daß
das typische Bild verwischt ist. Noch im Spätablaufe kann
die bildliche Darstellung der RN-Verhältnisse eine andere
werden). Deshalb war für uns der nach Th. Fahr frei von
Brightschen Symptomen der Niere befundene Fall 1 (1915)
sowie die Fälle 2, 3 von unschätzbarem Werte zur Beschreibung
des reinen RN-Bildes dieser Erkrankung. Ob solche Formen
(frei von eigentlicher Nierenschädigung, Fahr) seltener oder
häufiger sind, als die bisherige Literatur uns wissen machen
1) S.Cytronberg bez. F.Röhmann, Über Cholesterase des Blutes,
zit. bei Joh. Feigl u. H. Luce l. c. (über Leberatrophie III, 1918).
®) Fall 1 zeigt bei der (weniger bezeichnenden, siehe Feigl und
Luce, III) Untersuchung im Vollblute 18 Tage vor dem Tade den ersten
entscheidenden Anstieg von 0,14 g auf 0,18 g Gesamtcholesterin für 100 ccm
Blut; die Gesamtfettsäuren im ganzen erst später.
3) In beiden Anlässen kommt es auf die Struktur an. Harnstoff-
mengen, ber. nach ihrem N-Gehalt, von Beträgen des Amino-N in den
Fällen 1 bis 5, werden bei Nephritis häufig gefunden. Man wird also auf
RN-Bilder treffen können, wie sie in der Übergangsperiode avitaminöser
Zustände (Feigl 1916 bis 1918) erscheinen: summarisch erhöht mit
+
einem der Norm nahen relativen Aufbau (UrN zu Amino-N wie rd. 1:1).
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 57
will, ist nach vorstehendem schwer zu sagen!). Der moderne
Anatom meint mit einiger Sicherheit letzteres unterstreichen
zu dürfen. Der Fall von Neuberg und Richter ist schon
eher mit Nierenstörungen in Zusammenhang zu bringen.
Auffallend ist bei den neuen Fällen die relativ niedrige Ge-
frierpunktsdepression im Blute. Angesichts der hohen RN-
Zahlen haben wir uns die später zu erörternde Frage nach den
Abartungen im Bestande der Chlorid- und Achloridelektrolyte
vorgelegt. Neben der mehr oder minder umschriebenen Be-
einträchtigung des typischen Bildes durch Nierenstörungen muß
an pathochemische Einflüsse gedacht werden, die auf eine
Veränderung des Bestandes an Fett, Lecithin, Chol-
esterin im Plasma hinarbeiten. Solche können entweder von
den Körperchen ausgehen, mit deren Zerfall verknüpft sein (Intoxi-
kationen mit Erythrocytenzerstörung, versch. Anämien. All-
gemeinzustände, die mit Veränderung der Resistenz einher-
gehen), oder in weiteren Noxen infektiöser oder organischer oder
den intermidiären Stoffwechsel tangierender Art ihren Ursprung
haben. Über Lipoidvermehrung des Blutes und Plasmas bei
Geisteskrankheiten ist viel diskutiert worden; neben dem Lipoid-P
spielt das Cholesterin eine Rolle?), gerade die hier überaus
wichtige Lues verursacht ähnliche Folgen), Arteriosklerose
u. a. sind dazu angetan, nicht nur Blut und Plasma statisch
anders erscheinen zu lassen, sondern haben Einfluß auf das Organ
selbst nach dessen Gesamtstruktur nebst Fett‘). Sonach kann
1) Siehe bei F. Umber l. c. im Handbuche von Mohr-Staehe-
lin, 1914.
2) A. Bornstein, Mon. Psych. Neur. 25, 160, 160; Zeitschr. f. d.
ges. Neurol. Psych. 6, 605, 1911.
— G. Pighini u. P. Barbieri, Chemische und histochemische Unter-
suchungen über die lipoiden Abbaustoffe des Gehirns. Zeitschr. f. d.
ges. Neurologie 25, 4/5, 353, 1914 u. a.
3 W. Klein u. L. Dinkin, Beiträge zur Kenntnis der Lipoide
des menschlichen Serums. Zeitschr. f. physiol. Chem. 92, 302, Nov. 1914,
fanden große Schwankungen im Verhältnis von freiem zu gebundenem
Cholesterin in Beziehung zur Wassermannschen Reaktion.
4) W. Klein u. L. Dinkin fanden auffallende Verminderung aller
Lipoide in einem Ca-Falle. — O. Kondratowitsch, Der Einfluß der
Tuberkulose auf den Gehalt an Lipoiden usw. Diss. Petersburg 1914.
Biochem. Centralbl. 16, 929, 1913/1914, ref. Thar.
58 Joh. Feigl u. H. Luce:
eine Fettleber an sich bei der Autolyse weitaus andere, viel-
leicht mehr Stoffe ins Serum schicken als eine normale. Tbc.
und Ca-Cirrhosen spielen sehr stark in unsere Auffassung
hinein!). Ferner ist mit den verändernden Einflüssen durch
Krankheiten wie im Serum — Inanition, Karenz, Infektion,
Hydrämie — so auch im Organ zu rechnen). Alles wird so-
wohl das RN-Gebiet, die Lipoide und P-Verteilung, die Fette
und das Cholesterin tangieren. Großen Raum in der patho-
logischen Diskussion älterer Arbeiten nimmt die Lues ein.
Unser hauptsächlichster Fall zeigte (F. Graetz) eine negative
Wassermannsche Reaktion, galt auch sonst als frei von Lues.
Angesichts dieser Lage der reihenmäßigen Beschreibung
eines im Prinzip bestimmt gerichteten, charakteristischen Ver-
laufes wird nicht nur theoretisches, sondern auch das praktische
Interesse berührt. Der Blutzuckergehalt ist mit Ausnahme
des Falles 1 (1915) von Feigl und Luce von anderer
Seite niemals fortlaufend beobachtet worden. Auch fehlen
charakteristische Angaben überhaupt. Die Theorie verlangt
Angaben über den Verbleib des Glykogens bei der schritt-
weisen Zerstörung (nach anatomischer wie chemischer Struktur)
der Leber. Sei es, daß das Depotkohlenhydrat vorgängig
eine Umwandlung in Fett, wie die eine Richtung behauptet,
erlitten hat und damit absolut und relativ zurückgeht, sei es,
daß es von der Autolyse an Ort und Stelle nach seinen ursprüng-
lichen (allg. normalen und pathologisch determinierten) Men-
1) M. A. Rotschild, Zur Physiologie des Cholesterinstoffwechsels IV.
Über die Beziehungen der Leber. Beiträge zur path. Anatom. 60, 1, 66,
Dezbr. 1914. Dort wird die Leber als das eigentliche „regulierende“
Organ des Cholesterinstoffwechsels definiert.
2?) A. Mayer u. G. Schäffer, Variations de la tenue des tissues
en lipoides et en eau au cours de l’inanition. Journ. de physiol. Pathol. 16,
2, 203, 1914 usw. Bei starker Inanition (Kaninchen) nimmt Wassergehalt
der Muskeln zu, Fett ab. In Leber und Lunge steigt Cholesterin, in
der Leber sinken die Fettsäuren erheblich. Das Verhältnis Cholesterin
zu Fettsäuren ist durchweg erhöht. — E. Terroine, Nouvelles recherches
sur influence de l’inanition, Journ. de physiol. Pathol. 16, 3, 408,
Mai 1904, betont an Hunden Fettschwund in Muskeln und Leber,
Cholesterinanstieg in Leber bei Hunger; Muskel sei Reservedepot für Fett,
dagegen sei der Fettgehalt unter alimentären Schwankungen relativ
konstant. — Ders., Le transport des graisses. Fett im Blut steigt alimen-
tär, Cholesterin kann im Hunger abnehmen. — Joh. Feigl, 1l. c. 1918.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 59
gen erfaßt, hydrolysiert zu Zucker oder aufgespalten zu niederen
Gliedern der Kohlenhydratreihe im Blute erscheint und schließ-
lich in den Resten des Organs zu Ende kommt, sei es end-
lich, daß ihm eine mechanische Abstoßung und Überführung
ins Blut als Glykogen selbst bereitet wird, es handelt sich
hierbei um Erscheinungen, die die Anschauungsform des „Blut-
zuckers* von irgendeiner Seite aus beleuchten kann. Voraus-
setzung sind aber an dieser Stelle die differentialen, metho-
dischen Erkenntnismöglichkeiten, insofern, als die Gesamtreduk-
tion bei einigen Kupferlösungen durch Einbeziehen der redu-
zierenden N-haltigen Nichtzuckerstoffe erheblich größer aus-
fallen, und als diese gegenteilig durch Verdeckung resp. in
Lösunghalten des erwarteten Kupferoxyduls geringer gefunden
werden können. Diese rein analytischen Verhältnisse sind
mehrfach diskutiert worden, unter dem Vorgange von C. Neu-
berg, P. Mayer, O. Schumm und C. Hegler, O. Schumm,
W. Grießbach und E. Straßner, B. Oppler, E. J. Lesser
und J. Feigl u. a, und heute jedenfalls genügend geklärt).
Die „normale“ Restreduktion nach Schumm ist als ein von
der Wirklichkeit weit nach oben gezerrter Betrag erkannt
worden. Immerhin hat Schumm in pathologischen Verhält-
nissen in Anlehnung an gewisse Bedenken von Rolly und
Oppermann einen für vorliegende Zwecke hochwichtigen
Schluß formuliert, den der „scheinbaren Hyperglykämie“, für
den aus der Pathologie gewisser Fälle J. Feigl bestimmte,
zunächst nur das RN-Gebiet umgreifende Vorstellungen bei
weiterer Kasuistik geschaffen hat?) Wir ersehen aus den
wenigen Angaben, wie schwierig es ist, aus gewissen analytischen
Methoden nach ihren summarischen Werten zu bestimmten
Vorstellungen über Hypoglykämien zu kommen) Um so
1) Joh. Feigl, Gesamtreduktion und Restreduktion des Blutes
in Beziehung zu den reduzierenden Komponenten des RN. Ein Beitrag
zur Frage der Bestimmung des Blutzuckers unter physiologischen und
pathologischen Verhältnissen. Diese Zeitschr. 77, 3/4, 189, 1916.
2) Joh. Feigl, l. c., Avitaminosen (Skorbut, Beri-Beri) verwandte
Zustände (Inanition mit infektiöser Komplikation — Lagererkrankung)
Leberatrophie.
3) Die analytische Darstellung (und Diagnose) geringgradiger Hyper-
glykämien ist schwierig, aber ungleich leichter als die der geringen bis
mäßigen Hypoglykämien (Schumm, Feigl).
60 Joh. Feigl u. H. Luce:
wichtiger war danach, die Möglichkeit in die Frage einzuführen,
durch eine Methode, frei von Reduktionsfehlern aus den Stoffen
des RN-Gebietes!) dem erniedrigten Zucker objektiv näher zu
kommen. Damit soll nicht behauptet werden, daß die Methode
von R. Lewis und S. R. Benedict bzw. V. C. Myers und
C. V. Bailey (Modifikation der Originalangabe), nicht ihrerseits
Kreise ziehen kann, die wiederum mit dem (inhaltlich ver-
änderten) Begriff einer Restreduktion belegt werden könnten °).
Wir müssen nach wie vor an Glycuronsäuren usw. denken.
Jedenfalls ist nach dem Gesagten durch ein kritisches Abgleichen
der tatsächlichen Werte eines methodischen Zusammenspiels zu
bestimmten Vorstellungen über herabgesetzten Blutzucker
(Hypoglykämie) in zunächst offensichtlicheren Fällen zu kommen.
Soweit von der Klarstellung der Frage nach dem Zuckergehalte
selbst !
Nun käme die praktische Seite, d. h. die Vergleichs-
beobachtung der den Zucker betreffenden Entwicklung mit
Zusatz der RN-Stoffe einerseits, der Lecithinolyse andererseits
und der Fettstoffe wie des Cholesterins an dritter Stelle. Wir hatten
Früherscheinungen erblickt in dem Verhalten (nicht des
summarischen, wohl aber des näher gekennzeichneten, analytisch
aufgeteilten) des Reststickstoffs und den Tatsachen der
P-Verteilung, jedoch spätere Umwälzungen in der Natur
der Fette, Lipoide des Plasmas und ihrer gegenseitigen
Beziehungen. Nun stellt sich zu allen diesen Dingen der
Blutzucker, der ja nicht lediglich mit dem Leberglykogen nach
Bestand, Umbau und Liquidation verknüpft sein kann, sondern
auch den gleichen Stoff der Muskeln irgendwie mit tangieren wird,
1) Joh. Feigl u. H. Luce, l. c. 11917; Joh. Feigl, 1. c. über
Phosphate I (1917) und Joh. Feigl, l. c. über Gesamtreduktion und
Restreduktion I (1916). Bisher (1917) wurden nur Zahlen mitgeteilt, die
das RN-Gebiet mit berührten und dabei auf Absenkungen des Blut-
zuckers hinzeigten. Die genauere Angabe über Fall 1 (1913) erfolgt
erst jetzt.
®) R. C. Lewis u. S. R. Benedict, A method for the estimation
of sugar in small amounts of blood. Journ. of Biolog. Chem. 20, 61, 1915. —
V.C. Myers u. C. V. Bailey, Estimation of blood sugar. Journ. of
Biolog. Chem. 24, 147, Febr. 1916. — W. M. Dehn u. F. A. Hartmann,
The picrate colorimetric method for the estimation of carbohydrates.
Journ. of Americ. Chem. Soc. 26, 403, 1914.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 61
wie aus den Kreatinin-Kreatinverhältnissen indirekt wird ab-
gelesen werden dürfen.
In unserer unmittelbar vorhergehenden Arbeit (Nr. III)
haben wir kurz erwähnt, daß einige unserer Fälle dafür sprechen,
der Verlauf sei durch eine wellenförmige Bewegung mit vor-
übergehender Hyperglykämie charakterisiert. Alle Fälle schließen
mit erheblichem Absinken der Zuckerwerte ab.
Tabellen und Befunde.
Die Befunde sind in den anschließenden Tabellen I bis III dar-
gestellt. Entsprechend den methodischen Voraussetzungen wird die RN-
Analyse mit aufgenommen, deren Aminosäurefraktion die reduzierenden
Komponenten enthält. Diese ist aufgeführt als Differenz des Ges.-RN
und der Harnstofffraktion (UrN + Amino-RN) nach Bang, ferner nach
Abzug des summierten N aus Ur, Kreatinin, Kreatin als geläuterter
Amino-N nach Feigl und Luce. Die für die Beurteilung der RN-Frage
notwendige, prozentische Wiedergabe — spezifische Struktur der kom-
plexen Größe — wird hier zunächst mitgeteilt, da in unserer älteren
Arbeit (I) nur dem Fall 1 (1915) derart genau beschrieben, die Fälle 2
und 3 im Text mit wenigen Zahlen gestreift sind und der Fall 5 fehlt.
Wir beschreiben sonach die Fälle 2 und 3 vollständiger, den Fall 4 (ge-
heilt) dgl. auch in Hinsicht auf das RN-Gebiet als Erweiterungen der
bisherigen Kenntnisse und als Grundlage für die später zu erörternden
präparativ-analytischen Fortschritte unserer Beobachtungen über die
Struktur des RN-Gebietes, Absolute Zahlen zu diesen Verhältnissen
bringen wir für Harnsäure, Kreatin, Kreatinin, ferner zusammengefaßt
durch ihren N in Prozenten der Gesamt-RN, um zu zeigen, wie hoch
diese restreduzierenden Substanzen überhaupt und relativ steigen können.
Unter den Methoden folgen Makro-Bang, Mikro-Bang, Lewis-
Benedict bzw. Myers-Bailey durchgehend, im Text auch Bertrand-
L. Michaelis, dazu die prozentische Struktur der Gesamt-RN-Fraktion.
Tabellen.
Über die Darstellung ist noch zu bemerken, daß Angaben über die
Reduktionsgrößen der RN-Stoffe naturgemäß nur geschätzte und ge-
näherte sein können, wobei frühere Erörterungen des Verfs. auf Grund
eigener Angaben von I. Bang sowie Hildug-Lavesson vorausgesetzt
werden. Indes ist keineswegs alles hierauf Bezügliche geklärt, so die
Konkurrenz Reduktionsmitteln gegenüber, das Verhalten von Kreatin usw.
Doch haben die Angaben zunächst auch methodologischen Wert, da die
Materialien selten günstige Vorbedingungen zur Klärung schaffen. Auf
die Abwägung der Zahlen gegeneinander und das Zusammenspiel der
Werte kommen wir zurück. Fall 1 (1915) wird nunmehr vollständig auf-
geführt. Tabelle I enthält Fall 1; Tabelle II die Fälle 2, 3, 5; Tabelle III
den geheilten Fall 4.
62 Joh. Feigl u. H. Luce:
Tabelle I.
Reststickstoff und Blutzucker bei akuter gelber
Leberatrophie I.
(Gesamt-RN, summarischer und berechneter Amino-N; Harnsäure; Kreatin-
und Kreatinin. Blutzucker nach Bang (Makro und Mikro) und Benedict)
Größenwerte für die berechnete Restreduktion in Abrundung.
Gliederung des Rest-N in Prozenten, sonstige (absolute) Werte in mg
für 100 cem Blut.
312 : Reduzie- g Gesamtreduktion [Reduzierende| $%
g A Ammo:N rende |8318 ber. als Zucker |N-Verbindun- 58 p
e 8 Kom- Ur|$|38 gen ber. als 558
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ESE ber. als N S Bang | Bang | Makro Bang [7 &
| 0j der
90,0 90,0 7,2 | 80
100,0 90,0 70 | 70
162,0 | 148,0 7,7 | 50
112,0 | 1000 |120 | 10,0
1300 | 1250 | 22,0 | 17,0
140,0 | 140,0 | 31,0 | 22,0
Anmerkung. Die prozentische Wiedergabe der RN-Struktur nach
Amino-N gibt den gewünschten Überblick, zugehörige absolute Zahlen
für die beiden Formen des Amino-N im Texte, dort auch für UN, ferner
für die Verhältnisse des gegensätzlichen Vorkommens im Vollblut und
Plasma sowie für den direkt nach van Slyke bestimmten Amino-N.
Prozentische Wiedergabe der reduzierenden N-Stoffe und ihres berech-
neten Zuckerwertes zum Teil künstlich (kombinatorisch) dargestellt.
Die Tabelle IV (Seite 180) des ersten Teiles unserer Publikation
(1917), enthält insofern einen Fehler, als die reduzierenden Stoffe nach
gin Molekülen ausgerechnet sind und nebenher als N bezeichnet werden.
Richtigstellung in dieser Tabelle.
Tabelle I.
Reststickstoff und Blutzucker bei akuter gelber
Leberatrophie II.
(Gesamt-RN; summarischerund berechneter Amino-N; Harnsäure; Kreatin-
und Kreatinin. Blutzucker nach Makro Bang, Mikro Bang, Benedict)
Größenwerte der „berechneten“ Restreduktion der N-Stoffe in Abrundung.
Gliederung des Rest-N in Prozenten, sonstige (absolute) Werte in mg
l für 100 cem Blut.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV.
63
Fälle 3, 2 (1916), Feigl und Luce (1917), Fall 5 (1917).
2|1% Reduzie- Gensuitreiuktiin Reduzierende| $ 3
g n ABe-N rende _ a 5 ber. als Zucker |N-Verbindun- E S 2
D 5 Kom- Ur|$3 |3 gen ber. als [9 © ©
D E E- ber, | ponenten & |4 | Makro | Mikro Zucker |8 {3
elöl& ber. als N an) Bang | Bang | Makro Bang Zg
2 |/, des °/„des oj der
‚23,51 mg ee Ges.- | mg | Ges.- | mg | mg | mg mg mg mg | Ges.- | mg
= | RN RN Red.
2a [101,0/80,0| 68,0 |12,0| 12,0 | 7,5] 6,0|21,0] 75,0 62,0 23,0 | 55,0
b [148,0]66,0| 53,0 |19,0| 13,0 | 9,0 |13,0|30,0] 68,0 44,0 43,0 | 84,0
3a | 88,0[75,0| 61,0 |12,0| 14,0 | 6,0| 5,0]24,0] 76,0 68,0 24,0 | 37,0
b 1127,0|66,0) 55,0 |18,0| 16,0 |14,0| 9,0|30,0| 64,0 49,0 48,0 | 28,0
5a | 66,0[75,0| 63,0 |10,0)| 6,6 | 6,0| 4,0]19,0| 90,0 79,0 14,0 | 65,0
b | 75,0180,0| 63,0 |12,5| 17,0 | 7,5] 7,0]21,0| 82,0 70,0 20,0 | 61,0
e | 99,0]88,0| 70,0 |18,0| 18,0 | 9,0| 6,0136,0| 76,0 61,0 38,0 | 42,0
d 1128,0[80,0| 64,0 [21,0| 16,0 |123,0| 5,0]45,0] 84,0 49,0 47,0 | 31,0
Anmerkung. Die prozentische Wiedergabe der RN-Struktur nach
Amino-N gibt den gewünschten Überblick. Zugehörige absolute Zahlen
für die beiden Formen des Amino-N im Texte; dort auch absolute Werte
+
für UrN, ferner für die Verhältnisse des gegenseitigen Vorkommens im
Vollblut und Plasma sowie für den direkt nach van Slyke bestimmten
Amino-N. Prozentische Wiedergabe der reduzierenden N-Stoffe und
ihres „Zuckerwertes“ stark abgerundet, zum Teil künstlich kombinatorisch
ausgeprobt.
Tabelle III.
Reststickstoff und Blutzucker bei akuter gelber
Leberatrophie III.
(Gesamt-RN, summarischer und berechneter Amino-N; Harnsäure; Krea-
tinin-und Kreatin. Blutzucker nach Bang (mikro u.makro) und Benedict)
Größenwerte für die berechnete Restreduktion der N-Stoffe in Abrundung.
Gliederung des Rest-N in Prozenten, sonstige (absolute) Werte in mg
für 100 ccm Blut.
Fall 4 (1916, geheilt) Feigl und Luce (1917).
? id
S |z . Reduzie- g Gesamtreduktion |Reduzierende|® &
E|® BRREEN rende "1313 ber. als Zucker | Verbindun- 82 p
E g Kom- Ur| Ẹ S gen ber. als [9 2 S
Š g | $ | ber, | ponenten & |4 | Makro | Mikro Zucker I|S$S
2lö|]ä ' | ber. als N = Bang Bang | Makro Bang =
°/,der
4 mg mg mg | Ges.-| mg
= Red.
4a |33,0|50 4,5 3,9 į 100,0
b [42,0 |58, 7,0 | 5,1 125,0
c {71,0|70 11,0 | 6,7 [145,0
d ]30,0 |56 5,0 | 4,7 90,0
64 Joh. Feigl u. H. Luce:
Anmerkung. Die prozentische Wiedergabe der RN-Struktur nach
Amino-N gibt den gewünschten Überblick. Zugehörige absolute Zahlen
für die beiden Formen des Amino-N im Texte, dort auch für UIN,
ferner für die Verhältnisse des gegenseitigen Vorkommens im Vollblut
und Plasma sowie für den direkt nach van Slyke bestimmten Amino-N.
Prozentische Wiedergabe der reduzierenden N-Stoffe und ihres berech-
neten „Zuckerwertes,, zum Teil künstlich kombinatorisch ausgeprobt.
Befunde.
Zunächstsei auf die Verhältnisse des RN-Gebietes
eingegangen. Im Gesamtreststickstoff bleibt Fall 1 mit
256,0 mg an der Spitze, dem folgen Fall 2 mit 148,0 mg, Fall 5
mit 128,0 mg, Fall 3 mit 127,0 mg bei exitus.
Die Anstiege gehen aus den Tabellen hervor’); jedenfalls
ist der hier vergleichbare Fall 5 erst viel später (halbe Frist)
zu höheren Werten gelangt. Fall 5 und Fall 3 zeigen mit den
nächsthohen Zahlen vor dem Exitus einen raschen, Fall 2 einen
langsameren, Fall 1 den langsamsten (terminalen bzw. letalen)
Anstieg. Nach diesen Angaben ist also in größerer Statistik
vermutlich mit Endwerten von zumeist um 150,0mg RN für
Vollblut zu rechnen (wenn kein Morbus Brigthii vorliegt), die
Zahl des Falles 1 ist demnach extrem. Den höchsten Wert
für Amino-N nach Bang (Amino-N + Kreatin-N, Kreatinin-N,
Purin-N) zeigt relativ betrachtet, Fall 5 mit 88°/, = rund
100,0 mg, 80°/, = 102 mg. Dann folgt Fall 1 mit 82°/,, 80°/,
und 78°/,, Fall 2 mit 80°), und 66°/,, endlich Fall 3 mit
75°/, und 66°/,. Der Höhepunkt für Amino-N-Prozente liegt
nicht am Lebensende, vielmehr einige Tage vorher, das ter-
minale (relative) Absinken zeigen alle Fälle in gewisser Ab-
tönung. Die relativen Zahlen besagen für das RN-Problem fast
alles. Absolute Beträge von 200,0 mg Amino-N (Bang) für
100 cem Blut zeigt nur Fall 1, vorher 150,0 mg, dem folgen
Fall 5 — 102,0 mg, 88,0 mg; Fall 2 — 80,0 mg, 66,0 mg; Fall 3 —
81,0mg und 66,0 mg. Der korrigierte Amino-N (Feigl
und Luce) steht mit 71°/,, 67°/,, 68°/, bei Fall 1 am höch-
sten, 70°/,, 68°/,, 64°/, (Fall 5), 68°/, (Fall 2), 61°/, (Fall 3)
niedriger.
1) Fall 1 (1915) siehe in Tabelle I, II und III (Kurve), Seite 178
bis 179 bei Feigl u. Luce l. c. I (1917).
Untersuchungen über akute gelbe Teberatrophie. IV. 65
Daraus berechnen sich die folgenden absoluten Zahlen für
die Aminacidämie: Fall 1 175,0 mg (terminal), 130,0 mg, 80,0 mg
usw.; Fall 2 85,0 mg (terminal), 53,0 mg; Fall 3 63,0 mg (ter-
minal), 54,0 mg; Fall 5 82,0 mg (terminal), 70,0 mg, 48,0 mg usw.
Überschläglich mit rundem, mittleren Atomgewichte berechnet,
stünde somit demnach die Reihe aus Fall 1 an der Spitze
mit rund 10,0g Gesamtaminosäuren in 11 Blut, in der Gesamt-
blutmenge des durchschnittlichen Erwachsenen rund 40,0 g bis
45,0 g Aminosäuren pathologischer Herkunft!). Fall 5 — an
zweiter Stelle — würde entsprechend bewertet 75°/, dieser
Zahlen zu verrechnen gestatten, d. h. in 1 1 Blut rund 7,0 g
Gesamtaminosäuren, davon im Gesamtblute rund 30,0 g — auf
speziell pathologischer Basis führen. Fall 3 an nächster Stelle
hätte die Hälfte der ersten Zahl, d. h. rund 20,0g, Fall 2 etwa
einen ähnlichen Betrag aufzuweisen. Zusammengefaßt besagen
unsere neuen Beobachtungen im Prinzip, sowohl nach der Ent-
wicklung als nach den Größenwerten an vergleichbaren Punkten
stufenweise beurteilt, daß die Anstiege des analytisch dar-
gestellten Gesamtamino-N generell in hohem Maße eintreten,
wennschon die Krankheitsbilder im einzelnen Varianten des
pathochemischen Umbaues ergeben können. Fall 1 bleibt an
der Spitze, zugleich dem Ergebnis der Untersuchung von
Neuberg und Richter größenmäßig nahestehend, die übrigen
erweisen geringere Ansammlungen von Amino-N im Blute.
Schon hier mag eine Einfügung theoretischer Natur gestattet
sein. Der Einfluß speziell nierenpathologischer Zustände auf
die Retention (gewisser) Aminosäuren ist zugegeben, findet sich
sonst mehrfach erörtert, am schlagendsten bei Neuberg und
Strauß belegt. Dieser mag hier modifizierend in gewissem
Grade eingreifen. Außerdem ist ja die Lehre des Reststick-
stoffs zu der Kenntnis gediehen, daß chronische Nephritiden
an sich relativ und absolut belangliche Beträge an Retentions-
Amino-N zeigen können’).
Die beiden Angaben für den Amino-N differieren um die
1) Ebenda, Seite 189 ff.
®) Lit. siehe bei Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten
im menschlichen Blutserum IV, Orthophosphat und Restphosphor bei
Morbus Brightii, diese Zeitschr. 1918, 240; V. C. Myers u. W. G. Lough,
The creatinine in the blood, Journ. Int. Med. 16, 536, 1915. Schlußtab.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 5
66 Joh. Feigl u. H. Luce:
Summe des N aus Purinen sowie Kreatinin und Kreatin.
Diese Differenz beträgt in Prozenten des Ges.-RN bei Fall 1
10,0 nach 11,0 und 13,0; bei Fall 5 16,0 nach 18,0 und 17,0; bei
Fall 2 13,0 nach 12,0; bei Fall 3 16,0 nach 14,0; übertragen in
absolute N-Werte (summiert) danach 26,0 mg bzw. 14,0 mg bzw.
16,0 mg (Fall 1)!) ferner 21,0 mg bzw. 18,0 mg bzw. 12,0 mg
(Fall 5); 18,0 mg bzw. 12,0 mg (Fall 3); 19,0 mg bzw. 12,0 mg
(Fall 2) — sämtlich für 100,0cem Vollblut. Danach fällt zu-
nächst folgendes auf. Fall 1 mit hohem, berechnetem Amino-N
gibt vergleichsweise niedrigere N-Summen für den Kreatinin-
Kreatin-Purin-N als die Fälle 5, 3, 2 auf entsprechenden Stufen
der Krankheitsbilder in dessen Spätverlaufe. Indes sind die
absoluten Zahlen merklich näher beieinander. Das könnte den
Anschein erwecken, daß die genannte Fraktion — obzwar
selbst komplexer Natur und different aufgebaut — als Summe
konstanter dargeboten werden kann. Ihre Zergliederung ergibt
für Gesamtpurin (Harnsäure) die höchsten Zahlen 30,0 mg,
25,0 mg, 20,0 mg für Fall 1; 12,0 mg, 9,0 mg, 7,5 mg (Fall 5); 14,0 mg,
12,0 mg (Fall 3); 9,0 mg, 7,5 mg (Fall 2) — sonach der erste
weit voraus. Kreatinin erscheint mit 10,0 mg, 8,0 mg, 16,0 mg
(Fall 1), 5,0 mg (terminal), 6,0 mg, 7,0 mg (Fall 5); 9,0 mg (ter-
minal), 5,0 mg (Fall 3); 13,0 mg (terminal), 6,0 mg (Fall 2). Kre-
atin dagegen, entsprechend geordnet, erscheint mit 36,1 mg,
34,8 mg, 9,2 mg (Fall 1); 45,0 mg, 36,0 mg, 21 mg (Fall 5);
30,0 mg, 24,0 mg (Fall 3); 30,0 mg, 21,0 mg (Fall 2).
Die Entwicklung geht folgenden Gang. Gemeinsam ist
für alle Fälle das Anwachsen der Harnsäure zu — allerdings
verschieden hohen — Graden, unter denen Fall 1 mit 30,0 mg
das urikämische Extrem der Literatur (Feigl und Luce 1917
gegen 27,0 mg Ur bei Urämie, Myers und Fine 1915) dar-
stellt, die übrigen hohe Ur-Werte nephritischer, zum Teil
arthritischer Art zeigen. Auch hier werden fermentbiologische
Fragen zu stellen sein. Kreatinin und Kreatin zeigen ein
Wechselverhalten. Fall 1 gibt hohen Anstieg (4,0 mg > 16,0 mg)
mit Fall (auf 8,0 mg) und terminalen Anwuchs (10,0 mg), Fall 5
1) In Tab. IV, Seite 180 bei Joh. Feigl u. H. Luce, l. c. I (1917)
ist die fragliche Rubrik irreführend an N berechnet, was hiermit richtig-
gestellt sei.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 67
Anstieg und Abfall (Maximum 7,0 mg, Ende 5,0 mg), Fall 3 und
2 Anstiege des Kreatinins. Full 1 zeigt diskontinuierliches
Wachstum des Kreatins auf schließlich 36,0 mg, Fall 5 einen
ziemlich steilen Anstieg auf 45,0 mg (Höchstwert), Fälle 3 und 2
(terminale bzw. letale Periode) Anstiege. Das endliche Ansteigen
von Kreatinin spricht für eine terminale Nierenermüdung, das
Anwachsen des Kreatins für den Gewebszerfall!), Interessant
sind die hohen Kreatininperioden nicht um etwaiger nephritischer
Einflüsse wegen (hier anatomisch und klinisch fehlend), sondern
für die durch Abwägung der Verhältnisse nahegelegte Vor-
stellung, daß gleichwohl — entgegen der Auffassung von
O. Folin und in etwa für die später von V. C. Myers
und H. G. Fine formulierte Lehre spreche, ein gewisser Teil
destruktiv entstandenen Kreatins der Anhydrisierung zum harn-
fähigen Produkte mit unterliegen kann?) Wir möchten die
Berechtigung zu dieser spekulativen, allerdings nachhaltig durch
die Gegenwertung allgemeiner Theorie mit praktischen Ergeb-
nissen gestützten Formulierungunserer Kreatinin-Kreatinbeobach-
tungen nachdrücklich hervorheben. Absolut wollen Beträge von
‘30,0 mg Kreatin an sich nichts gar Erhebliches sagen — sie
kommen bei Nephritiden nicht selten vor, sind jedenfalls an
sich nicht so spezieller Natur, wie die hohen — spezifischen —
Zahlen der Aminacidämie. Immerhin stehen sie, frei von
nephritischer Retention geschaffen, ziemlich allein da. Der ein-
malige Wert von 45,0 mg ist an sich ein Extrem. Auch hier
mögen die speziellen Einflüsse chronischer Nierenstörung spe-
zifisch modifizierend wirken, wie Feigl an Kreatinerhöhungen
relativer Stärke gerade für diese — im Zusammenhang und
parallel zum eigentlichen Amino-N — dargetan hat. Rosen-
berg hat die prozentischen Kreatiningrenzzahlen von V.C.Myers
und Lough für chronische Formen umgedeutet. Nach obiger
Meinung ist der (absolute und relative — zum Kreatin —)
Rückgang des Kreatinins entweder so zu verstehen, daß die
Umformung mit der Lahmlegung der vitalen Kräfte steigend
1) O. Folin (1914) unterscheidet Kreatin als „post mortem“-Pro-
dukt bei Gewebsuntergang und Kreatinin als normales Endprodukt bei
„replaceable breakdown“, Lit. bei Joh. Feigl, Über das Vorkommen von
Kreatinin und Kreatin im Blute I, diese Zeitschr. 81, 1/2, 17, 1917.
2?) Siehe ebenda. t).
5*
68 Joh. Feigl u. H. Luce:
eingeengt wird, oder aber, daß fortschreitend mehr Gewebe rein
destruktiv eingeht. Im ganzen ist hierin viel Problematisches
zu erblicken. Ob die nach Folins entschlossenem Vorgange
erschütterte, aber nicht überhaupt vernichtete Lehre von herr-
schenden Fermenten mit Kreatinin-Kreatin umbauenden, zer-
störenden Tendenzen hier noch einmal geprüft werden und zu
Formulierungen herangezogen werden kann, ist später zu er-
örtern. Auch in der Kreatinfraktion ist Art und Entwicklung
der Verhältnisse offensichtlich typischer Natur. Individualisierend
wirken vermutliche Nebenfaktoren. Der Einzelfall kann in
Stufen und Zahlen gewisse Sonderbilder zeigen.
Wie verhält sich nun angesichts dieser Befunde die Frage
der Entwicklung unter dem Gesichtspunkte klinisch-
prognostischer Betrachtung? Große Anstiege erscheinen
für Purin!) relativ spät. (Fall 5: 6,0 mg, mäßig erhöht bei
66,0 mg, Ges.-RN mit 75°/, rohem, 66°/, reinem Amino-N,
letztere Beziehung bereits eindeutig und charakteristisch.)
Befunde von 6,0 mg Ur sind bei manchen, möglicherweise
diagnostisch nahen Zuständen anzutreffen; Fälle 3, 2 zeigen letal
66,0 mg und 7,5 mg gegen 88,0 mg und 101,0 mg Gesamt-RN
mit spezifischer Struktur. Terminal sind erst die hohen Werte
anzutreffen. Fall 1 gibt ähnliche Zahlen mit starkem Sprunge
von 8,0 mg auf 20,0 mg Harnsäure. Danach wird man die
Umstimmungen im Purinbestande nicht als Früherscheinungen
gelten lassen dürfen, um so mehr als bei manchen Fällen mit
selbständigen, vielleicht einseitigen Abartungen gerechnet werden
kann, die auf verschiedenen Komplikationen beruhen können.
Etwas früher macht sich ein Hinauswachsen der Kreatinin-
zahlen über die Grenze der Norm und leichterer pathologischer
Einflüsse geltend®. Kreatin erweist seine pathochemischen
Anstiege als eigentliche Späterscheinungen (bes. Fall 1) Danach
enthüllt die von uns dem Reststickstoffgebiete vindizierte,
1) Man wird nach E. Steinitz (1914) bei wahlloser Kost 5,0 mg Ur
(korrigiert) als oberste Grenze der Norm gelten lassen (Joh. Feigl, I. c.
1916 über Restreduktion usw.). Allgemeine Grenze zwischen 4,0 und
4,5 mg.
23) Joh. Feigl, 1. c. 1917 (Über Kreatinin und Kreatin I) Tabelle V,
Seite 47; Tabelle IX, Seite 55; Tabelle X, Seite 57; Tabelle XI, Seite 59;
Tabelle XII, Seite 62.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 69
diagnostische (wie vielleicht noch prognostische) Geltung gänz-
lich auch die Gesamtgröße mit der nach reinem Amino-N
spezifisch gestalteten Struktur. i
Die Harnstofffraktion (aus UrN und NH,N) wurde
für Fall 1 nach Werten und kurvenmäßig beschrieben. Erst
+ +
terminal lagen Anstiege vor, die 32,0 mg UrN und 56,0 mg UrN
(Leichenblut beim +) — rund 70,0 mg Ur bzw. 120,0 mg Ur
betrugen, und denen nur allgemeine, grundsätzliche Ursachen
(außerhalb der eigenen Züge der Pathochemie der akuten gelben
Leberatrophie bei nicht — Brigthischer Komplikation) zuge-
billigt wurden. Fall 5 schließt mit 26,0 mg UrN ab, Fall 3
mit 46,0 mg UrN, Fall 2 mit 48,0 mg UTN. Auch diese Zahlen
werden als unspezifisch für das Krankheitsbild angesehen.
Sie werden mit solchen bei gleichzeitiger Nierenstörung uz
vergleichen sein.
Was enthält nun der geheilte Fall 4 (Tabelle III) wäh-
rend der als Krise betrachteten Periode des Krankheitsbildes
an Kennzeichen für spezielle oder spezifische Patho-
chemien im RN-Gebiete? Mäßig erhöhte Harnsäure, desgl.
Kreatinin, unbedeutend gesteigertes Kreatin, hohen (spezifischen)
berechneten Amino-N. Wir lassen nur letzteren gelten und
verzichten nach obigen Andeutungen auf die Mitverwendung
der Komponenten, wennschon in diesem Falle Kreatinin höher
als allgemein in schweren Krankheiten ansteigt. Doch fehlen
weitere Erfahrungen, die u. E. aber über den diagnostisch-
prognostisch faßbaren Wendepunkt auf der Basis des RN und
Amino-N z. Zt. hinauskommen werden.
Im vorstehenden Abschnitte wurden Untersuchungsergeb-
nisse über das Gebiet des Reststickstoffes und seiner Kompo-
nenten aus zwei Gründen beschrieben?) Einmal sollte das
Material des früheren Falles 1 — bis dahin in der Literatur
erstmalig überhaupt behandelt und vereinzelt,. durch neue
Beobachtungen vergleichend erläutert, deskriptiv erweitert und
vergleichsweise überprüft werden. Der so ungemein selten
1) Alle analytischen und statistischen Voraussetzungen sind hier
unbesprochen geblieben (Joh. Feigl und H. Luce, l. ce. I 1917). Wir
kommen später noch einmal darauf zurück.
70 Joh. Feigl u. H. Luce:
zutreffende Glückszufall lückenloser Beobachtung (und Durch-
untersuchung!) dieses Krankheitsbildes ist uns bisher nicht
wieder beschieden gewesen. Immerhin sind die Fälle 3 und 2
mit (letalen) Doppeluntersuchungen durch alle Fragen und
Fall 5 mit kürzerer Reihe nach der Krise (rund 1 Woche)
wertvolle statistische Berechnungen, mit den in Einzelheiten
differenten Verhältnissen zur Schaffung von Grundlagen für
eine schematisierende, das Typische umfassende Beschreibung
geeignet. Der Vergleich lehrt in allen Sonderfragen wie in
der Entwicklung die Existenz gewisser Unterschiede berück-
sichtigen. Wir möchten noch darauf hinweisen, wie verzerrt
und inhaltsdürftig manche einmalige Untersuchung selbst in
eng bemessenen Krankheitsphasen die Verhältnisse schildern
würde, wo nicht lediglich die Fraktion der echten Aminosäuren
gekennzeichnet werden sollte, die doch durch den Verlauf von
der Krise im großen und ganzen einheitlich weitergebildet
wird. Ebenso betonen wir die großen relativen Schwierig-
keiten und Bewegungen in den Fehlergrenzen, wie sie von den
gegebenen Vorbedingungen geschaffen werden. Hier — im
methodologischen und analytischen Gebiete — liegen für diese
spezielle und viele allgemeine Fragen der RN -Forschung
zahlreiche Aufgaben unter der scheinbar endgültigen, dem
Schema eingefügten zahlenmäßigen Lösung, die auf präpara-
tivem Wege eher anzugreifen sein werden. Wir möchten nicht
unterlassen, darauf hinzuweisen, daß eine (wohlbegründete)
Annahme, die Abderhalden in seiner oben erwähnten großen
Arbeit über das Vorkommen von Aminosäuren im normalen
Blute bestimmt formulierte — es seien diese vermutlich sekun-
där weitergegliedert zu Uraminosäuren —, unter methodischen
wie theoretischen Gesichtspunkten des RN-Gebietes bisher
weder diskutiert noch praktisch gewürdigt worden ist. Nach
den nunmehr zahlreicher gewordenen Erfahrungen ergibt sich
für den gesamten Reststickstoff ein frühzeitig einsetzendes,
erhebliches bis starkes Ansteigen. Von Brightischen Sym-
ptomen freie Fälle erheben sich zu hohen Werten für den eigent-
lichen Amino-N. Abgesehen von graduellen Schwankungen
sind diese Erscheinungen typisch und allgemein anzutreffen.
Sie beherrschen das Bild von Nichtprotein-N entscheidend und
sind, dem Wesen nach, bereits früh anzutreffen, etwa zusam-
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 71
menfallend mit maßgebenden Umstimmungen im Lecithin-
Phosphorgebiet (Rest-P!), vorauseilend den Abartungen im
Fett- und Cholesterinbestande. Zumeist später hervortretende
Anstiege des Puringehaltes zeigen größere graduelle Abwei-
chungen mit dem Schwerpunkte im Spätverlaufe. Kreatinin
zeigt in wechselvollem, nicht schematischem Verlaufe Anstiege
und oft hernach ein Absinken, Kreatin ein Anwachsen mit
Bedeutung im letalen und terminalen Abschnitte. Letztere
Erscheinungen sind, auch sonst bekannt, hier zwar von Interesse,
dessen spezifische Seite jedoch dem Amino-N als Glied des
Gesamt-RN reserviert bleibt. Andererseits sind aber Aus-
schnitte des Nichtproteinstickstoffes im Blute, nämlich die
direkt reduzierenden Stoffe, unmittelbar oder mittelbar wichtig
für die Diskussion der hier im Vordergrunde stehenden Frage
des Blutzuckers, so wie er durch die methodenkritisch geprüften
Verfahren zur Darstellung gelangt.
Die Untersuchungen über das Verhalten des Blut-
zuckers wurden in bereits gestreifter und später beschriebener
Weise gemacht und führten zu folgenden Ergebnissen. Ver-
gleichend wurden die Pikrinsäuremethoden (Lewis-Benedict
und Nachuntersucher), das neue jodometrische Verfahren
Mikro Bang und die älteren Hydroxylamintitration dieses
Autors bestätigt.
In unserer früheren Mitteilung war uns die Aufführung
und Besprechung aller Zahlen des Blutzuckergebietes nicht
nötig erschienen, da nicht geklärte Umstände eine solche er-
schwerten. Wir arbeiteten derzeit mit dem obsoleten Begriffe
der Restreduktion, wie oben erörtert. Als sicher erschien uns
aus allen Zahlen — Makro Bang und Mikro Bang älterer
Ausführung —- immerhin die Absenkung des Blutzuckerspiegels
zur zweifelsfreien Hypoglykämie. Für die Beurteilung weiterer
Zahlen — die derzeit ausgelassen wurden — fehlten uns Ver-
gleiche. Diese fehlenden Angaben für Fall 1 sollen nun ge-
meinsam mit den neuen Ergebnissen an den Fällen 2, 3, 5
mitgeteilt werden.
Als erwiesen betrachteten wir damals die Hypoglyk-
ämie und die „scheinbare Hyperglykämie“, dabei die
Kritik der Methode Makro Bang voranstellend.
Unsere heutigen Zahlen zeigen für Fall 1 (Originalwerte
72 Joh. Feigl u. H. Luce:
in anderer Anordnung) mit 90,0 mg, 100,0 mg, 162,0 mg,
112,0 mg, 130,0 mg, 140,0 mg nach Makro Bang für 100 ccm
Blut (als „Blutzucker“ berechnete „Gesamtreduktion des mit
kolloidem Ferrihydroxyd enteiweißten Blutes), erheben sich
diskontinuierlich zur Hyperglykämie, fallen wieder
strichweis, endlich langsam über die Schwelle der normalen
Grenze. Mikro Bang (alt) gibt ein ähnliches Bild. Die Über-
höhungen der physiologischen Breite treffen an den gleichen
Punkten — individuell erörtert (siehe unten) — zusammen.
Die Pikratreduktion nach Lewis-Benedict (1915) gibt ein
insofern gleiches Bild, als die erste Steigerung prompt und
gleichzeitig veranschaulicht wird, ein grundsätzlich anderes, als
danach keine (allmähliche) Erhebung zur Hyperglykämie (wie
bei Makro Bang) eintritt, wohl aber eine konstante Minderung
zur vermutlichen Hypoglykämie (der Reihe nach: 101,0 mg,
97,0 mg, 137,0 mg, 98,0 mg, 81,0 mg, 68,0 mg, siehe Tabelle I).
Also laufen die Zahlen auseinander, wobei die beiden Kupfer-
methoden gute Parallelität und sachliche Übereinstimmung mit-
einander zeigten. Auch die Pikratprobe hielt sich bis zum
4. Termin (1. VI. 16) praktisch und temporär mit ihnen über-
einstimmend. Die alte, aber in solchen Fragen (nach O.
Schumms Vorgange bei scharfsichtiger Prüfung) noch leistungs-
fähige Anschauung der Restreduktion zeigte uns, wie beschrieben,
daß zwar die Gesamtreduktion (Makro Bang, auch Mikro
Bang) merklich weiter anstieg, aber die Restreduktion auch,
wobei entweder der Zucker notgedrungen derselbe geblieben
war, oder — wahrscheinlicher — sich absolut und relativ
verminderte. Wir reihten den Fall unter die scheinbaren
Hyperglykämien und echten Hypoglykämien ein. Immerhin
waren letztere angesichts der Methodik nicht als beträchtlich
erweisbar. Hier greift nur das durch die Pikratreduktion
geschaffene Zahlenverhältnis ein: Absinken auf unternormale
Werte.
Danach würde also Fall 1 in der „Krise“ eine Hyper-
glykämie, nachher ein (zwar nicht sehr hohes) Absinken unter
die Norm gezeigt haben — eine Erscheinung, die an den
übrigen Fällen zu prüfen war. Die Fälle 5, 3, 2 liegen in
der uns gewährten Beobachtungsfrist sämtlich auf dem ab-
steigenden Aste, zum Teil sogar in dessen spätestem Abschnitt.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 73
Sie enthalten keine Hyperglykämien. Fall 5 ergibt nach .der
Pikratmethode einen graduellen Abstieg zu rund einem Drittel
der Norm, dabei bleibt Makro Bang normal, sinkt Mikro
Bang mäßig. Ersterer, dessen Werte antagonistische Komplexe
aus niederem Zucker und hoher Restreduktion sind, wird der
Aufgabe nicht gerecht, die von den beiden anderen, vorwiegend
der Colorimetrie deutlich gezeigte Hypoglykämie, darzustellen.
Dabei sind aber die Zahlen auch keine „scheinbare Hyperglyk-
ämie“ mehr. Ähnlich liegen die Werte der Fälle 3, 2.
Danach sind also — der Richtung nach — zweifellos
Hypoglykämien als das typische „Zuckerbild“ des
Endverlaufes anzusehen, wenn auch solche Unterschiede
vorkommen, daß der Endwert der Basis der Norm nahesteht.
Fall 4 (geheilt) zeigt bereits vor der Krise (Makro Bang
136,0 mg, MikroBang 127,0 mg, Lewis-Benedict 125,0 mg)
und in derselben im erhöhten Grade (162,0 mg bzw. 143,0 mg
bzw. 145,0 mg) Hyperglykämie, die als echte gelten darf, wo-
fern nicht andere (restreduzierende) Stoffe als die des N-Gebietes
— nach Ausweis der Zahlen, Tabelle III — eingreifen. Diese
Beobachtung, mit der Reihe aus Fall 1 zusammengerückt, be-
stärkt uns in der Auffassung, daß in gewissen, ziemlich
frühzeitigen Abschnitten der Erkrankung echte (nicht
einmal unbelangliche) Hyperglykämien!) auftreten können.
Über die fraglichen Grundlagen der von den betreffenden Methoden
vermittelten Normalwerte ist hier etwa das folgende zu sagen. Für
Makro Bang (ältere Form, Rhodansalze) beziffert sich der beim er-
wachsenen, gesunden, ausgeruhten, allgemein befriedigend ernährten
Menschen ermittelte Umfang nach dem Autor des Verfahrens wie nach
zahlreichen Nachuntersuchungen [Schumm und Hegler u. a., eigenen
Erfahrungen des Verf.?)] zu 80,0 mg bis 120,0 mg für 100 cem Vollblut
in äußersten Extremen, die aber in gut 95°/, der Fälle bei großen Rei-
hen kaum erreicht werden, so daß der große Durchschnitt zwischen
90,0 mg bis 100,10 mg liegt. Die Methode Mikro Bang hat nach ihrer
Schaffung aus der Hand des Autors unablässig zahlreiche, zum Teil we-
sentlich bessernde Änderungen durchgemacht, an denen auch einzelne
andere Forscher mitarbeiteten. Auch hier gilt nach zahlreichen Unter-
1) Diese verliefen zumeist ohne eigentliche Glykosurie (siehe Harn-
ohemie).
®) Gemeinsam mit E. Querner und A. V. Knack an zahlreichen
Patienten aller Art während 4 Jahren, an Soldaten, Leichtverletzten,
Kindern usw.
74 Joh. Feigl u. H. Luce:
suchungen an der älteren Variation, die für unseren Fall 1 betätigt
wurde, etwa das gleiche Intervall). Die neue Uranylextraktion ver-
mindert die störende Mitbeteiligung „jodbindender Systeme“ ?), gibt indes
für die Norm nach unseren Erfahrungen kaum allgemein geringere Zah-
len bei niederer oberer Grenze.
Für die Methode der Pikratreduktion, die sich seit der Zeit ihres
Erscheinens an vielen Krankheitsfällen?) auch in ihren Modifikationen
bestens bewährte, die übrigens in Deutschland bisher weder nachgeprüft
noch angewandt wurde®), gilt nach unseren Erfahrungen in Übereinstim-
mung mit den Autoren ein normaler Umfang unter genannten Vorbe-
dingungen von 80,0 mg bis 110,0 mg für 100 cem Vollblut. Die me-
thodenkritischen Beobachtungen gehören u. E. nicht hierher. R. G.
Pearce findet sie sehr brauchbar und hat nach Mikro-Bang nicht
immer befriedigende Werte erzielt.
Die Beurteilung unserer hyperglykämischen Stadien
und Werte verlangt vom pathologischen Standpunkte aus die Mit-
berücksichtigung der erstmalig von Fr. Rolly und Fr. Oppermann
sowie von A. Grigaut, P. Brodin, Rougaud formulierten Auffassung
über das Vorkommen erhöhten „Blutzuckers“ bei fieberhaften Erkran-
kungen’). Die Hyperglykämie geht nicht parallel mit der Temperatur,
aber die Kohlensäureanreicherung als selbständige Ätiologie dieses Zu-
standes kann mit beteiligt sein. Die Beurteilung der einschlägigen kli-
nischen Verhältnisse, auf die der eine von uns (Luce) zurückkommen
will, gestattet uns, diese Ursache einzuengen, wo nicht auszuschließen.
Danach bliebe die Möglichkeit, an toxische Vorbedingungen zu denken.
Immerhin genügt u. E. einstweilen am besten die Auffassung destruk-
tiver Glykogenausschüttung.
Wir haben ferner, wie nebenbei zu erwähnen ist, aus methodischen
Voraussetzungen die von vielen Untersuchern geschätzte Methode von
Bertrand teils 'origineller Art, teils im mikrochemischen Typ von L.
Michaelis vergleichend mit angewandt®), dabei die bekannten Grund-
lagen einer oberen Grenze der Norm von 90,0 mg, die Basis zu rund
1) I. Bang (1913), Korrekturwerte von 0,01 bis 0,015 mg Zucker
(berechnet).
2) H. J. Bing (und Mitarbeiter) 1913, W. Griesbach (1913) u. a.
3) Eigene Erfahrungen (Joh. Feigl und A. V. Knack) klinisch
deskriptiven und methodischen Charakters (noch nicht veröffentlicht).
+ Joh. Feigl, Zum gegenwärtigen Stande der chemischen Blut-
untersuchung, Vortrag im Ärztl. Verein zu Hamburg, Sitzung am 2. Mai
1916, Bericht in Deutsche med. Wochenschr. 40, 1916.
6) Fr. Rolly und Fr. Oppermann, Über das Verhalten des
Blutzuckers bei Gesunden und Kranken IV, fieberhafte usw. Zustände,
diese Zeitschr. 48, 259, 1913.
®) Siehe später L. Michaelis bzw. R. Kraus (1913).
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 75
65,0 mg!) für 100 ccm Vollblut einsetzend®). Mit dieser, übrigens in
manchen verwickelten Fragen (E. J. Lesser, O. Schumm u. a.) auch
nicht einwandfrei objektive Werte liefernden Technik ergab sich für
die Hyperglykämien bei Fall 4 120,0 mg bzw. 138,0 mg (siehe oben)
und für die entsprechende Stelle bei Fall 5 130,0 mg. Im übrigen ge-
hören auch diese Befunde in die Darstellung methodologischer Verhält-
nisse. Unsere fernere Aufgabe sahen wir in der gegensätzlichen Ermitt-
lung des Vollblut- und Serumzuckers. Die Frage nach dem letzteren
ist oft von maßgebender Seite (Bang, Rolly und Oppermann u. a.)
„erörtert worden. Das scharf diskutierte Problem des „Körperchen-
zuckers“ (Michaelis und Rona, Rona mit Doeblin, Rona und
Takahashi, Höber u. a. für einen, Lyttkens und Sandgren)
gegen einen solchen (im praktischen Sinne) hat hohe klinische Be-
deutung?).
Den genannten Werten der hyperglykämischen Periode im Vollblute
treten im Plasma solche von 145,0 mg bzw. 170,0 mg (Fall 4) und von
160,0 mg (Fall 5) zur Seite.
Die hypoglykämischen Schlußwerte betrugen für Fall 1 38,0 mg,
für Fall 5 28,0 mg, für Fall 3 30,0 mg, für Fall 2 40,0 mg für 100 ccm
Vollblut, wobei die Plasmazahlen parallel merkwürdig nahe an diese
herangerückt waren, so daß der — an sich verkleinerte — Normalabstand
reduziert erschien, z. B. 45,0mg (Fall 1), 31,0 mg (Fall 5), 35,0 mg
(Fall 3), 40,0 mg (Fall 2). Auch hierin liegen u. E. (keine schematische
Übereinstimmung) vermutlich methodische Aufgaben.
An den prinzipiellen Ergebnissen ändern diese letzteren Zahlen
nichts; sie unterstreichen die Befunde. Überschlägt man das deskrip-
tive Material der klin’sch-chemischen Arbeiten über Blutzucker speziell
der Leberleiden, so sieht man, daß trotz der zitierten Arbeiten die
festen Tatsachen ein kümmerliches Stückwerk sind. Schon aus diesem
Grunde sind wir bei unseren Fällen so systematisch wie möglich vor-
gegangen. Deshalb seien auch nahezu alle einschlägigen (ja fast durch-
weg mikromethodischen) Zahlen aufgeführt.
Hierhin wollen wir — wo doch die Frage nach dem Bestande
des Vollblutes verglichen mit dem des Plasmas angsschnitten
wurde — Angaben einordnen, die das RN-Gebiet des letzteren, ver-
glichen mit dem des ersteren, berühren. Unsere kursorischeBe prechung
vom Falle 1 (Zahlen siehe dort) lehrte ein allgemein durchschnittliches
Übergewicht von rund 20°/, im Plasma. Hier nennen wir — selbstän-
dig zu erörternde — Zahlen, die Fall 5 betreffen: Termin 5: Kreatinin
im Plasma 5,5 mg, im Vollblut 5,0 mg; Harnsäure bzw. 18,0 mg gegen
12,0 mg; Kreatin bzw. 53,0 mg gegen 45,0 mg; Amino-N (berechnet;
1) E. Frank: 70,0 mg bis 100,0 mg (Vollblut); 80,0 mg bis 110,0 mg
(Plasma), zit. nach H. Tachau (1914).
2) Fr. Rolly und Fr. Oppermann, wie ?) II. Blutzucker bei
Gesunden usw., diese Zeitschr, 48, 187, 1913.
3) Zusammengefaßt zum Teil in ®).
76 Joh. Feigl u. H. Luce:
echte Aminosäuren) bzw. 127,0 mg gegen 82,0mg (!). Wir verzichten
auf weitere Angaben, meinen jedoch einen guten Ausgleich im Kreatinin,
mäßigen im Kreatin (rund 20°, mehr im Plasma), schlechten im Amino-
N oder 30 bis 60°/, mehr im Plasma, fast gar keinen im Purin — bei
den durchgeführten Versuchen — gesehen zu haben. Der „Serumzucker“
nach Makro Bang war danach im P'asma relativ ganz bedeutend
bis ersichtlich über das zu erwartende Maß erhöht. Für diese Frage
(wahrer Zucker in seiner Verteilung bei Gegenwart von N-Stoffen) scheint
uns die Methode der Pikratreduktion das beste Erkenntnismittel zu
sein, die wir, wie früher und jetzt (siehe oben) erörtert und gestreift,
an Hand anderer Meinungen, wie Bertrand, im gegebenen Falle nicht
für exakt beweisend halten dürfen.
Wie steht nun die Gesamtkurve des „Blutzuckers“
(nicht die der ungeläuterten Gesamtreduktion, also die Zahlen-
verhältnisse der Pikrinsäuremethode!) im Krankheitsbilde
während der Entwickelung, verglichen mit dem Ver-
halten des RN-Gebietes!)? Das Einfache vorwegnehmend,
beschreiben wir die Späterscheinung der Hypoglykämie für
einen Abschnitt der letzten, vielleicht noch der vorletzten
Lebenswoche (unserer Fälle 1 und 5). Parallel sind die An-
stiege des Gesamtcholesterins (Schwankungen der Esterquote
derselben), des Neutralfettes, des Gesamt-RN (mit bestimmten
Gliedern der Amino-N Fraktion Bang) schon lange in großem
Maßstabe Tatsache geworden.
Gleichzeitig hat der Lecithinschwund, ausgedrückt im ge-
senkten Lipoid-P, im gesteigerten Rest-P und säurelöslichen
P seine charakteristische Gestalt erreicht, an der in der frü-
heren Periode (wie die Krise) die Senkung des fällbaren P
fehlte, der (also Lecithin) sogar erhöht erschienen war. Die
Hypoglykämien — wenn vorhanden — sind Zeugen des Ter-
minalabschnittes. Ihre Entwickelung aus der vorübergehenden
Steigerung heraus, die, wie gesagt, charakteristisch sein kann,
dürfte dagegen mit Recht zu diagnostisch-prognostischen Zwecken
1) A. Grigaut, P. Brodin, Rougaud, Le taux de glucose dans
le sang total usw., Soc. Biol. 76, 15, 708, 1914 und ebenda 77, 21, 91,
1914. Biochem. Centralbl., ref. Lewin. 11 Normale zeigen 92,0 mg
bis 105,0 mg „Blutzucker“ für 100 ccm. Bei Infektionen Steigerungen
mit gewisser Beziehung zur Schwere der Fälle. — R. G. Pearce, Kritik
der Methoden von Bang und Lewis-Benediot zur Bestimmung des
Blutzuokers. Journ. f. biol. Chem. 22, 525, 1915.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 17
herangezogen werden. Voraussetzung war dafür, daß es ge-
länge, die Rückkehr aus der Hyperglykämie zur Norm von
der Absenkung dieser selbst zu trennen, was nach allen heu-
tigen Begriffen eine schwierige Aufgabe ist. Sie wird erleichtert
durch das vermutlich nicht zu breite Intervall zwischen beiden
Stadien. Während nun die Hyperglykämie in guter zeitlicher
Parallelität mit dem ersten Auftreten des Rest-P {höherer Grade)
und der Gestaltung des erhöhten RN den Abschnitt kenn-
zeichnet, der Krise und Umschwung enthält, zeichnet die be-
ginnende Zuckersenkung in düsteren Farben (vermutlich den
Beginn) der letzten Periode scharf ab. Sie ist ein Nachklappen
zum Höhepunkte, aber wohl der entscheidende Fingerzeig.
Daß die einmal eingeleitete RN-Entwickelung diese spezielle.
Forderung nicht bzw. kaum zu erfüllen vermag, mögen unsere
Zahlen anzeigen 1). Auch ist es schwer (siehe oben), die das
Kreatin, das Kreatinin, das Purin erfassenden Wandlungen
bei ihrer Variabilität hier auszunutzen. Sonach sichern u. E.
nach bisherigen Grundlagen der hohe Rest-P bei (mehr oder
minder) hohem Lipoid-P?), mittlerem RN mit spezifischer
Struktur die Diagnose überhaupt, die in gewissen Fällen (wie
wir sicher glauben) schon früher als erst jetzt belegt werden
kann. Hierzu kann vielleicht der Rest-P mit Hyperglykämie
(die dem maßgebenden Zuwachs des RN noch vorangehen) die
Voranzeige vermitteln?).
Aus dem Gesagten ergibt sich also eine Reihe
von diagnostischen wie prognostischen Anhaltspunk-
ten, von denen die in vorliegender Arbeit hauptsäch-
lich besprochenen Verhältnisse des mobilen Blut-
bzw. Serumzuckers eine bestimmte Rolle spielen‘).
1) Übrigens sind ja auch bei Nephritiden nach Myers und Fine
(1915) und Verf., l. c. über Kreatinin I (1916, 1917) selbst bei kürzerem
Verlaufe schwankende Wechselbeziehungen als sicher erwiesen worden.
2) Hier sind übrigens der allgemeine Ernährungszustand oder
pathochemische Komplikationen oder der spezielle Status zu berück-
sichtigen.
3) Nach bisherigen, bereits mitgeteilten Ergebnissen (Joh. Feigl,
l. c. über Phosphate II, III, IV) 1917 und nach abgeschlossenen weiteren
kommen Rest-P-Verhältnisse ähnlichen Ausmaßes bei verwandtem Ge-
samtbilde kaum vor.
4) Wir verweisen auf die spätere klinische Erörterung.
78 Joh. Feigl u. H. Luce:
Nebenher sei — weiterer Mitteilung vorgreifend — erwähnt,
daß im Falle 2 eine terminale Glykogenbestimmung im
Plasma gemacht wurde. Glykogen war — allerdings ist ja
der methodische Weg ein nicht vollauf befriedigender — eben
nachweisbar. Im Falle 5 fanden sich bei Termin a noch
Spuren, später (d) auch diese nicht mehr. Th. Fahr hat
Ergebnisse des’ Verf. zitiert in seinen (siehe oben) Diabetes-
studien. C. Polimanti hat Differentialanalysen am Hunde
bei Resorption von Kohlenhydraten beschrieben, wobei gleich-
falls das abgekürzte Pflügersche Verfahren benutzt wurde!).
Danach könnte vorläufig der Schluß gezogen werden,
daß das Glykogen früh an Ort und Stelle — und wohl
nicht nur in der Leber, über die wir nach Analysen an den
Organresten zu berichten gedenken — liquidiert wird. Diese
Auffassung würde, wenn auch im einzelnen manche Unterschiede
bestehen (keine Hyperg!ykämie!), mit derjenigen von E. Frank
und S. Isaak über Glykogenmobilisation bei akuter P-Ver-
giftung im Prinzip übereinstimmen bzw. sie auf Leberatrophie
mit genauen Befunden zu übertragen gestatten.
Diskussion der Ergebnisse und Besprechung nächstliegender
Literatur.
Wir verzichten an dieser Stelle zunächst darauf, im An-
schlusse an unsere deskriptiven Angaben über die Umstim-
mungen im Bestande von Blut und Serum an den bisher
gekennzeichneten Stoffen eine vergleichende Besprechung ver-
wandter Beobachtungen aus der nicht eben zahlreichen Lite-
ratur zu geben. Von großem Interesse scheint uns indes die
in neueren Arbeiten (C. H. Fiske und J. B. Sumner) ver-
tretene Ansicht zu werden, daß kein Beweis dafür existiert, daß
die Leber die einzige oder Hauptstätte der Harnstofibildung
aus Aminosäuren sei?) Hier könnte unter Umständen die oft
ventilierte Frage nach der Störung bzw. Aufrechterhaltung
1) O. Polimanti, Über die Verteilung des Glykogens im Blute
usw., diese Zeitschr. 64, 4/6, 490, 1914.
2) C. H. Fiske und J. B. Sumner, The importance of the liver
for urea formation from amino acids, Journ. of biol. Chem. 18, 2, 285,
1914, und weitere Lit. ebenda It, 3, 399, 1913; u. a.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 79
dieses Vorganges ansetzen. Stellt man sich beifällig zu der
Auffassung von P. Albertoni, daß die schwankende Zusam-
mensetzung des Blutes die chemischen Vorgänge in der Leber
reguliere, so muß die einmal eingeleitete Umstimmung — was
die klinische Beurteilung interessiert — naturgemäß gewaltig
rückwirkend zu den Organen sich stellen!) Überdies muß
ein so weitgehend nach seinem chemischen Bau verändertes
Blut, speziell Plasma, an und für sich weitgehende Abartungen
seiner eigenen Funktion erleiden, wofür Arbeiten von E. Zunz
und P. György hinsichtlich der (beschleunigten) Gerinnung
sprechen?). Die Viscosität des Blutes kann wie sonstige phy-
sikalische Eigenschaften nicht unbeeinflußt bleiben?) (siehe
später!).
Von theoretischem und praktischem Interesse will uns
die Beobachtung von E. L. Opie und L. B. Afford scheinen,
die für die Phosphorintoxikation nachwiesen, daß die Fett-
degeneration der Leber bei Fleischnahrung beträchtlicher als
bei vorherrschender Kohlenhydrat- und Fettkost ausfalle*),
Verhältnisse, die vielleicht nach entsprechender Übertragung
klinisch nutzbar zu machen sein werden, insofern, als die
eigentliche Fettumwälzung eine relative Späterscheinung sein
kann, die im kritischen Abschnitte der Erkrankung verzögert
und in ihrer Rück- und Weiterwirkung gehemmt werden
dürfte. In pathologischer Hinsicht wird wohl auch die jüngst
näher beschriebene Tatsache (F. K. Bartlett, H. J. Corper,
E. R. Long) der differenten Blutverteilung in beiden Leber-
lappen, die aus verschiedenen Strömen gespeist und daher
different versorgt werden (damit auch wohl differente Auf-
1) P. Albertoni, Über die Bedingungen, die die chemischen Vor-
gänge in der Leber . . . regulieren, zit. im Biochem. Centralbl 17, 444,
1914/15, ref. Ascoli.
®) E. Zunz und P. György. A propos de l’action des acides
aminés . . . sur la coagulation du sang, Soc. Biol. 76, 10, 430, 1914, März,
3) Siehe hierzu H.Chick und E. Lubrzynska, The viscosity of
some protein solutions, Bioch. Journ. 8, 1, 59, 1914. Die Untersuchungen
dieser Autoren werden hinsichtlich der Konstanten unserer Blutproben
zu erweitern sein.
4) E: L. Opie und L. B. Afford, The influence of diet on hepa-
tic necrosis usw., Journ. amer. Med. Ass. 62, 1, 895, 1914; ebenda 63,
2, 186. Biochem. Centralbl. 17, 565, 1914/15, ref. Lewin.
80 Joh. Feigl u. H. Luce:
lösungsvorgänge und Destruktionsprodukte schaffen) Aufmerk-
samkeit auf sich lenken!). Wir gedenken zu dieser Frage-bei
der Beschreibung der chemischen Struktur der Organreste
Stellung zu nehmen. Klinische und pathologische Hinweise
vermittelt eine Äußerung (mikroskopische Technik) von Kimura
an einem Falle von subakuter Leberatrophie, bei dem Glykogen
(Kern) nicht als Zeichen von Degeneration, sondern von
funktioneller Inanspruchnahme angesehen wird, und bei der
keine akute Fettdegeneration vorlag. Leider fehlen in diesem
Falle sowohl Urin- wie Blut- und Organuntersuchungen che-
mischer Natur, die uns wertvolles Vergleichsmaterial geliefert
hätten®). O. Hirz fand, daß bei P-Vergiftung die Glykogen-
synthese nicht (wesentlich) gehemmt sei, ferner, daß die N-
Elimination erheblich herabgesetzt, der Ur-Quotient im Harn
jedoch erhalten geblieben sei). E. Frank und S. Isaak er-
wiesen mit der Methodik der Blutzuckerbestimmung, ebenfalls
unter P-Wirkung, daß ein Glykogenschwund in der Leber vor.
sich ginge, dabei der „Blutzucker“ ohne vorübergehende Hyper-
glykämie schließlich auf verschwindende Beträge absinke').
Die Frage, ob es notwendig ist, zur Erklärung der betreffenden
Vorgänge die Umbildung des Glykogens — sei es vorgängig —
zu Fett in der Leber vorauszusetzen, wird nicht verneinend
beantwortet werden dürfen, indes können unsere Untersuchungen
hierüber keinen Aufschluß geben. Vielleicht spricht die früh-
zeitige Hyperglykämie dagegen. Die Glykogenfrage wird auf
den Gehalt der Muskeln und Organe an diesem Kohlenhydrat
sehen müssen; gibt es doch einerseits pathologische Anhäu-
1) Fr. K. Bartlett, H. V. Corper, E. R. Long, The indepen-
dence of the lobes of the liver, Americ. Journ. of Physiol. 35, 1, 36 bis
51, 1914.
3) Kimura, Ein Fall von subakuter gelber Leberatrophie mit
vorgeschrittener Regeneration . . ., Ziegler, Beitr. path. Anatom. 58, 1,
211, 1914, Febr.
3) O. Hirz, Über den Einfluß des P auf den respiratorischen Stoff-
wechsel, Zeitschr. f. Biol. 60, 5/7, 187, 1913, März.
4) E. Frank und S. Isaak, Über das Wesen des gestörten Stoff-
wechsels bei der P-Vergiftung, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 64, 3,
1911, Februar.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 81
fungen!) und ist andererseits das Muskelsystem an der Auto-
lyse hervorragend beteiligt. Neue Arbeiten von S. Isaak und
A. Loeb ergaben einmal, daß in der Hungerleber (überlebend)
bei P-Tieren gegenüber dem von A. Loeb in der normalen er-
mittelten O-Verbrauche keine Veränderung eintrat, wonach es
zum mindesten für dies Organ unwahrscheinlich ist, daß die
bei P-Vergiftung beobachteten Hemmungen im oxydativen Stoff-
wechsel auf Verminderung der fraglichen Fähigkeiten beruhen).
S. Isaak formulierte seine späteren Ergebnisse in dem Sinne,
daß in P-Lebern mit gestörter Regeneration des Zuckers aus
Milchsäure auch eine Störung des Fettstoffwechsels bestände,
dessen Hemmungen aber nur die ersten Stadien ergriffen”).
Niedere Säuren würden noch anstandslos verbrannt, wobei
also die oxydative Zelleistung nicht gestört sein kann. Wahr-
scheinlich sei, daß die Minderung auf eine Schädigung bestimm-
ter Molekularkomplexe zurückzuführen sei, was aber für die
Milchsäure-Zuckerfrage offengelassen wird. Soweit eine Paral-
lelität zu (pathologisch möglicherweise anders veranlagten und
beschaffenen) Fällen von Leberatrophie möglich ist, möchten
wir hier des Auftretens freier (hochmolekularer, ungesättigter)
Fettsäuren gedenken, das wir feststellen. Sodann kommt
Isaak auf die Rolle der Phosphatide in dem Zusammenspiel
der Erscheinungen zu sprechen; Lipoide seien in P-Lebern er-
heblich vermindert. Also auch hier die erschlossene Mitbe-
teiligung der Phosphatide, auf die wir nach unseren Befunden
großen Wert zu legen gezwungen sind. Für die akute gelbe
Leberatrophie fällt indes die Annahme Isaaks fort, die Lipoid-
löslichkeit des P als ursächlich mit zu betrachten. Diese
neuen Ergebnisse sind geeignet, manche der bisherigen Um-
stimmungen, auch bei Leberatrophie, dem Verständnis näher
zu bringen, wennschon immer wieder Anlässe auftauchen, an
gewisse (erheblichere) Abweichungen zu denken.
Vergleichende Betrachtungen im RN-Gebiete verlangen
1) S. Isaak und A. Loeb, Über die Atmung der künstlich durch-
bluteten P-Leber, Zeitschr. f. physiol. Chem. 100, 54, 1914; ferner A.
Loeb, Zeitschr. f. physiol. Chem. 69, 325, 1914. k
2) S. Isaak, Beiträge zur Kenntnis des intermediären Stoffwech-
sels bei der experimentellen P-Vergiftung, Zeitschr. f. physiol. Chem. 100,
1, 1917.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 6
82 Joh. Feigl u. H. Luce:
einmal, zu erwähnen, daß H. Ishikawa in einer (älteren)
Arbeit die N-Verteilung im Harn der Norm nahestehend, ohne
eigentliche Aminurie zu zeigen, fand!). Auf die Begründung
der Schwierigkeit harnchemischer Charakteristiken in
der Pathochemie kommen wir zurück, nennen hier schon
den verwischten Eindruck der Ur, Ur, Amino-N-Anteile, den
hingegen schon weitgeförderten des Kreatins und Kreatinins.
In der Frage der Monoaminosäuren des Harns verweisen wir
auf eine (ältere) Arbeit von E. Abderhalden und P. Bergell,
die beim P-Kaninchen in 90,0 ccm Harm 0,9 g eines (glycin-
reichen) Gemisches von Naphthalinsulfokörpern fanden °).
Im Zusammenhange hiermit sei daran erinnert, daß die
ursprünglich für die pathologische Chemie des Harns als charak-
teristisch angesehene Ausscheidung von Leucin und Tyrosin durch
weitere Untersuchungen eine Modifikation erfuhr, insofern, als
auch bei Diabetes ganz erhebliche Werte aufgefunden wurden.
W. Mac Adam studierte die Harnzusammensetzung bei toxischer
Leberstörung (Hydrazin) systematisch und schrieb für die er-
zielten charakteristischen Bilder die Notwendigkeit einer synop-
tischen Untersuchung aller Bestandteile vor; Ausschnitte seien
nicht beweisend; auch müßte die Wechselbeziehung neu her-
gestellt werden‘), Für diese Forderung und die Angabe Ishi-
kawas betonen wir die Erklärungsmöglichkeit auf Grund der
Blutuntersuchung, die in (reinen) Fällen keine Ur-Retention
nachweist, so daß also die Möglichkeit gegeben ist für den
Ausgleich der spezifischen, im Blute erkennbaren Umstim-
mungen im Harn®). Er fand Gleichbleiben des Kreatinins
(„auffallend konstant“), dagegen ein erhebliches Aufrücken des
1) H. Ishikawa, Über die N-Verteilung im Hundeharn bei sub-
chronischer P Vergiftung. Beitrag zur funktionellen Diagnostik der
Leberkrankheiten, diese Zeitschr. 41, 3/4, 315, 1912, Juni.
?) E. Abderhalden und P. Bergell, Über das Auftreten von
Monoaminosäuren im Harn von Kaninchen nach P-Vergiftung, Zeitschr.
f. physikal. Chem. 39, 404, 1903.
3) W. Mac Adam, Hepatic insufficience as estimated from the
nitrogen partition of the wrine, Journ. of Path. Bact. 18, 281. 1913.
Bioch. Zentralbl. 16, 469, 1913/14, ref. Browning. Derselbe, Dje Be-
zi>hungen zwischen Kreatinurie und Schwankungen im Blutzuckergehalt,
diese Zeitschr. 69, 229, 1915.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 83
Kreatins, das mit der gestörten Glykogenfunktion in Zusammen-
hang stehe (Muskelmassen im erhöhten Katabolismus, keine In-
suffizienz der Leber hinsichtlich der Umformung), Harnstoff
sei relativ gestiegen. Diese Versuchsergebnisse sind auch für
unseren Fall wertvoll. Einmal lehren sie, wie schwer mit
Befunden der Harnchemie selbst deskriptiv (wo nicht gar dia-
gnostisch) weiterzukommen ist, wenn man noch an Kompli-
kation und Inanition, die einen breiten Raum einnimmt, denkt.
Von höchster Bedeutung sind Beobachtungen desselben
Verfassers, die auf den Ausscheidungsverhältnissen von Krea-
tinin und Kreatin bei Störungen der Glykogenfunktionen, er-
mittelt durch die Blutzuckermethodik, fußen. Bei toxischen
(zunächst exogenen) Einflüssen (z. B. Hydrazin) fand Mac
Adam Hypoglykämien und Kreatinurien, sogar in gewissen
"Andeutungen von proportionaler Beziehung, verknüpft. Die
Kreatinurie hängt dann (bei Intoxikation geeigneter Art) nicht
von Hunger an sich ab (bei Inanition kann Hyperglykämie
zugleich mit Kreatinurie vorkommen). Die Kreatinurie ist ein
sichtbares (das empfindlichste?) Zeichen von Störungen im
(Depot-)Kohlenhydrathaushalt und Zuckergleichgewicht. Sie
kann klinisch-pathologisch als Symptom gelten. Die hohe
Schwierigkeit der Kreatindiagnose im Blute ist nach bisherigen
Begriffen verständlich. Hier muß und kann lediglich die Harn-
analyse (siehe später) eingreifen. Ferner wird unterstrichen
der von uns hervorgehobene Wert der RN-Untersuchung, wenn
diese nach Struktur und Komponenten beschrieben wird; in
ihren Zahlen prägen sich Unterschiede eher und charakter-
istischer aus.
Von mehreren Seiten ist versucht, direkt oder indirekt (Belastungs-
probe) dın Rests:ickstoff des Blutes bei Leberstörungen schlechthin als
charakteristisch hinzuste'len. Die dynamische Untersuchung mit der
Funktionsprüfung hat nach Verf. in vielen Fällen gute Aussichten zu
gewärtigen'). L. Michaud stellte sich indes auf den Standpunkt, daß
der (statische) RN keine Anzeichen bieten könne, eine Beurteilung, die nach
unserer Ansicht sowohl an den Methoden überhaupt wie an der mangel-
haften Durchführung ohne Strukturermittlung liegen kann. Wir unter-
1) Joh. Feigl und A. V. Knack, Beitrag zur Prüfung der N-
Funktion der Niere. Zentralbl. f. inn. Med. 38, 9, 1917. Demonstration
im Ärztl. Verein zu Hamburg, Sitzung vom 16.I. 1917 und weitere (un-
veröffentlichte) Versuche.
6*
84. Joh. Feigl u. H. Luce:
schreiben diese Behauptung nicht unbedingt!). E. Zunz und P. Gy-
‘örgy beschäftigen sich in einer großen Arbeit über den Amino-N des
Blutes, nebenbei auch mit der Frage der Möglichkeit von Hypo- bzw.
Hyperaminacidämien bei Kranken’). M. Gorchkoff, W. Grigorieff,
A. Koutoursky treten mit Angaben hervor, daß der Amino-N bei
Cirrhose erhöht sein könne?). Zur Entscheidung dieser subtilen Frage
genügt nach unserem Urteile nicht die rechnerische Ermittelung der
Aminofraktion. Vielmehr wird die direkte Ermittelung nach D, D. van
Slyke nötig seint). Neue (amerikanische) Arbeiten von Al. C. Woods
erweisen, daß unsere eigenen Erfahrungen — der rechnerische Amino-N
sei mit dem gasometrisch direkt gefundenen nicht identisch — überein-
stimmen). Diesen Überlegungen Rechnung tragend, bringen wir zu der
bestrittenen, nicht geklärten Frage Material.
In diese Erwägungen hinein erstreckt sich die Diskussion der Frage
nach den Einwirkungen einer mehr oder minder energischen Inanition
in früheren oder erst späteren Abschnitten der Erkrankung. Legt man
die Vorstellungen von 1. Bang) zugrunde, so müßte der UrN absolut
in die Höhe gehen, die Norm erheblich überschreiten und daher auch
relativ im Bilde des Gesamt-RN mehr hervortreien. Er tut dies bei
unseren unkomplizierten Fällen (keine Symptome für Brightsche Niere,
Th. Fahr) erst relativ spät und vermag dann als Zeichen letaler, ter-
minaler oder agonaler Nierenermüdung gedeutet werden. Leider fehlen
bis heute bestimmte Anhalte für die nur von D. Dumitrescu und
A. Pospescu beschriebenen Verhältnisse der terminalen Azotämie?).
Immerhin ist noch das Verhalten des Harnstoffes angetan zur Erörterung
der Frage nach Hemmungen der oxydativen Zellenergie, die ja doch für
die chemischen Individuen der Aminosäuren usw. bestehen muß. Im
Gegensatz dazu verläuft Spaltung und Verbrauch niederer Fettsäuren, wie
wir an den Konstanten der Acetonkörper des Blutes zeigen werden, nor-
mal; erst ziemlich spät tritt dies an dem von uns beschriebenen Erschei-
1) L. Michaud, Über den Wert der Bestimmung des RN im Blute,
Korr.-Blatt f. Schweizer Ärzte 43, 46, 1474, 1911.
®) E. Zunz und P. György, A contribution to the study of the
amino acid content of the blood, Journ. of Biol. Chem. 21,511 usw., 1915.
3) M. Gorchkoff, W. Grigorieff, A. Kontoursky, Compt.
rend. de Soc. de Biol, 76, 454, 1914.
4) Joh. Feigl, l.c. über Gesamtreduktion usw. (1916). Joh.
Feigl und H. Luce, l. c. Leberatrophie I (RN) 1917.
5) Al. C. Woods, Arch. f. Intern. Med. 11, 277, 1915 enthält ein-
gehende Detailarbeit über RN aus Blut und Liquor.
¢) I. Bang, Untersuchungen über den Reststickstoff des Blutes
I bis V, diese Zeitschr. 72, 104, 120, 1915.
”) Joh. Feigl und H. Luce, |. oe. I 1917. Joh. Feigl, l. c.
Über Phosphate I (1917).
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 85
nen freier Fettsäuren (höherer, gesättigter) hervor und erweist die Er-
müdung der Oxydation diesen gegenüber.
Man wird nach den vorstehenden Erörterungen, die ja zum Teil
von der Absicht, zu charakterisieren, abzugrenzen, zu prognostizieren,
getragen sind, verständlich finden, wenn die heute noch als groß vor uns
stehende Kategorie nephritisch komplizierter Fälle anderen interessanten
Komponenten — im RN-Gebiete — gegenübergestellt werden. Hier
kann der Möglichkeit gedacht werden, daß gewisse chronische Nephri-
tiden Strukturen des Nichtproteinstickstoffes und zwar in charakteri-
stischem Grade zeigen, die an obige angelehnt erscheinen und nicht nur
in der Retention des Amino-N zu hohen Prozenten, sondern auch im
Auftreten von Ikterus ihnen ähneln können, so daß andere (klinische)
Erkenntnismittel eingreifen müssen. Ganz jungen Datums sind Beob-
achtungen von seiten französischer Militärärzte, die auf Verkettungen
von Ikterus mit nephritischen Symptomen hinzeigen und die seltsame,
kaum genügend gezeichnete Bilder des Blut-RN zur Schau tragen.
Merkwürdigerweise ist diese Form von Schützengraben- bzw. Kriegs-
erkrankung auf anderen Seiten selten als solche beobachtet oder be-
schrieben worden. Sie werden hinsichtlich der Nierenstörung als akuter
Artung aufgeführt 'P. Ameuille!)]. In allerletzter Zeit spielt nach
Merklen und Lioust?) sowie nach H. Lemierre?) die diagnostische
und beschreibende Anwendung der RN-Methoden hier eine große, leider
+
bei der französischen Gewohnheit bevorzugter einseitiger UrN-Analysen
nicht voll anzuerkennende, der Frage wichtiger Verständnismöglichkeiten
vorenthaltendet) Rolle. Sicher ist nun tatsächlich eine Steigerung des
1) P. Ameuille, Les nephrites aiguës des troupes en campagne,
Presse med. 1916, Centralbl.f. inn. Med. 25, 38, 400, 1917, ref. A. V. Knack.
?) Merklen und Lioust, L’azot&mie dans les icteres infectieux,
Presse médicale 64, 1916, Centralbl. f. inn. Med. 38, 40, 651, 1917, ref.
A.V. Knack.
3) H. Lemierre, L’azotemie preieterique, Presse medic. #4, 1916,
ref. A. V. Knack wie ?). Wir möchten hier auf einen sachlich zur
Irreführung geeigneten Fehler hinweisen, der dem Ref. (Knack) in
einem kritischen Zusatze unterläuft. Zur Orientierung seiner Leser nennt
+
er als Normalwerte für den Ur des Blutes 12 bis 15 mg für 100 cem.
+ +
Das muß UrN heißen. Die obere Grenze für normalen Ur liegt um
rund 50,0 mg für 100 cm. Große Statistik J. Feigl 1918.
+
t) UrN-Bestimmungen allein sagen wenig, nicht einmal im Gebiete
+
der Nephritiden (UrN°/, des Gesamt-RN bei akuten und chronischen
Formen). Erst die Gliederung des Gesamt-RN schafft für die Natur der
+
UrN-Beträge Verständnis, das bei so wenig gekennzeichneten Leiden noch
verwickelt genug ist, so daß die weiteren Konstanten der Amino-N-
Fraktion (darunter Kreatinin, Kreatin, Purin) eingreifen müßten. Von
86 Joh. Feigl u. H. Luce:
UrN vorhanden gewesen, für diese bestehen jedoch vielerlei Anknüp-
fungen [Inanition, Avitaminosen echter Art, verwandte infektiöse Kom-
plexe, Feigl und Luce'), Feigl®)]. Soweit vorliegende Angaben uns
einen Einblick in die Denkweise der Autoren gestatten, haben wir an-
zunehmen, daß sie der (relativen?) Steigerung des UN für die Früh-
diagnose von Lebererkrankungen, allgemeiner kaum lediglich der spe-
ziellen Art, Bedeutung beimessen. Wir können, auch ohne genaue Kennt-
nis der Sachlage, über die Äußerung berichten und sie kritisieren,
jedenfalls die Tatsachen der Behauptung unserem Arbeitsgebiete und
seinen Standpunkten einordnen. Zu erhöhter Bedeutung und prak-
tischer Stellungnahme drängen für die Kriegsärzte Beobachtungen über
die Weilsche Krankheit; auch sie ist nach einschlägigen Angaben und
(eigenen spärlichen) Kenntnissen im RN-Gebiete ähnlich darstellbar’).
französischen Autoren nahmen hierzu an Hand größerer Analysen im
entsprechenden Sinne Stellung D. Morel und G. Moriquaud, Resul-
tats données par l’emploi de méthodes spécifiques de dosage de l’ur6e
dans les humeurs pour la mise en évidence de la rétention predom'nante
de cette substance au cours de certaines azot&mies. Soc. Biol, 76, 15,
703, 1914, Mai. Biochem. Centralbl. 17, 374, 1914/15, ref. Landmann.
1) Grenzbilder der RN-Struktur bei Avitaminosen im schweren
(späteren) Stadium ähneln gelegentlich denen bei Leberatrophie. Joh.
Feigl und H. Luce, l.c. Über Leberatrophie I (1917), Seite 191.
2) Joh. Feigl beschreibt den einleitenden Zustand des RN-Bildes
+
bei Avitaminosen als durch hohen UrN charakterisiert. Hieraus kann
sich ein absolut weiter gesteigerter RN mit rund 50°), UrN (also gegen
die Norm gesteigertem Amino-N) entwickeln, der schließlich zu Zeiten
in den Grenzzustand (nach Feigl und Luce) übergeht. Bei einem als
Lagererkrankung beschriebenen Krankheitskomplexe mit infektiöser Ein-
leitung und Interferenz kamen eigenartige RN-Befunde vor, die dem
genannten mittleren ähneln können. Die „Lagererkrankung“ kann jeden-
falls ohne eigentliche Inanition und ohne Brightsche Symptome starke
UrN-Anstiege zeigen. Joh. Feigl, l. c. über Phosphate I (1917). Der-
selbe,
3) Man findet eine größere Reihe von Arbeiten der Jahre 1916,
1917 referiert im Centralbl. f. inn. Med. 38, 25, 1917. Unter diesen von
Favre und Flessinger (1916 ref. Knack), von Ido, Hoki und
Wani (1916 ref. Schmidt), Inada und Mitarbeiter (1916, 1917 ref.
Schmidt), Martin und Petit (1916 ref. Knack), Coste und
Froisier (1916 ders). Unter anderem hat eine Mitteilung von A.
Stokes, J. A. Ryle, W. H. Tytler Weil’s Disease in the British
Army in Flanders (Lancet 1917, Jan., ref. Reiche) für uns hohe Be-
deutung durch den- hervorgehobenen (Grad und Menge?) Befund an
Leucin und Tyrosin im Harn. Interessante Angaben enthält nach dem
Referate von Knack die Arbeit von Martin und Petit.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 87
A. Stokes und Mitarbeiter fanden reichlich Leucin und Tyrosin
im Harn.
Man kann danach den Gedankengang der französischen Forscher
in Gegensatz zu allen übrigen, den Amino-N des Blutes streifenden bzw.
für Leberleiden charakterisierenden Äußerungen stellen. Auf Resultate
am Blute bei Weilscher Krankheit kann man nach den Harnbefunden
höchst gespannt sein. Zur Harnstofffrage möchten wir noch erwähnen,
daß Inanition, temporäre Arbeitsüberlastung, allgemeine (auch leichte)
Infektionen, mangelnde Durchspülung, Avitaminosen ähnliche Komplexe
+
usw. den UrN ansteigen lassen können).
Zu den erörterten Befunden über Harnsäure wäre nachzutragen, daß
L. Preti bei größerem Materiale von Bleivergiftungen — leider fehlt in
den Angaben der Gesamt-RN mit Detailierung — Harnsäure bis 14,0 mg
für 100 ccm Vollblut (Serumverhältnisse?) mitgeteilt hat?) und daß wir
bei sonstigen schweren Intoxikationen, z. B. bei Chromateinwirkung,
einmal auf 16,0 mg kamen?).
Für die Frage der oxydativen Zelleistung nach Aufrecht-
erhaltung, Ablenkung oder allgemeiner wie spezieller Hemmung
schien uns die Ermittelung des erstmalig von E. Schiller und
K.Wiener beschriebenen und diskutierten Verhältnisses zwischen
Harnsäure und Purinbasen, soweit sie als frei anzusehen sind,
von gewissem Werte zu sein‘).
Wenn auch der Begriff des freien Gesamtpurins nach diesen Autoren
wie nach R. Baß°’), im weiteren nach S. R. Benedict®) relativ abge-
grenzt ist gegen die Fraktion der gebundenen Körper gleicher Art, so
fehlt es doch an zwei wichtigen Voraussetzungen. Einmal handelt es
sich um den Umfang der Purinwiedergabe in der Analyse, durch die
Colorimetrie mit Phosphorwolframsäure (Harnsäurereagens) nach Folin-
Macallum, Folin-Denis, Steinitz, Benedict, bzw. um die
Gegenüberstellung der zunächst beteiligten Bestimmungsmethoden’).
1) Joh. Feigl, l. c. (Vortrag) 1916 und 1l. c. über Kreatinin I (1917),
2) L. Preti, Contributo a la conoszenzs del acido urico nel
sangue. Atti XXII Congr. Med. Int. Roma 1913. Biochem. Centralbl. 16,
74, 1913/1914, ref. Ascoli.
3) Noch nicht mitgeteilt aus Reihen über die Verhältnisse der Blut-
harnsäure (Feigl und Querner).
4) E. Schiller und K. Wiener, Über das Verhalten der Purin-
körper im Blute I, II, Zeitschr. f. exp. Med. III/6, 407, 411, 1914 (Mai).
5) R. Baß, Über Harnsäure und Nukleinstoffe im menschlichen
Blute, Verh. 30. Kongr. f. Inn. Med. 1913, 196.
6) S. R. Benedict, The colorimetric determination of uric acid in
blood, Journ. of Biol. Chem. 20, 629, 633, 1915.
”, H. B. Lewis und B. H. Nicolet, The reaction of some purin,
pyrimidoin, and hydantoin derivates with the uric acid and phenol-
88 Joh. Feigl u. H. Luce:
Ferner aber fehlt es an weiteren Materialien für die Normalien nach
Schiller und Wiener. Wir sprachen früher die Meinung aus, daß
die fraglichen Zustände angesichts der hohen freien Harnsäurewerte
vielleicht eine Ableitung aus dem Reservoir der gebundenen mit herauf-
geführt haben könnten, wogegen sich auch vom Standpunkte der Serum-
werte (gegen Vollblut) kaum etwas einwenden ließe. Wie dem auch sei,
wir haben uns in einem Falle an der Verarbeitung von Aderlaßblut mit
einer wirklichen Durchführung der Methodik nach Schiller und Wiener
begnügen müssen. Fall3, Termin b (Tabelle II) zeigte 14,0 mg freie Harn-
säure nach Benedicts Angaben an. Dagegen traten 8,0 mg Harnsäure
und rund 12,0 mg Purinkörper nach Schiller und Wiener in die Dis-
kussion. Hält man sich an ihre Angabe, daß die freie Harnsäure im
normalen menschlichen Blute etwa rund ein Viertel bis zur Hälfte der
freien (Gesamt-)Purinkörper ausmache, so ist hier die letztere Fraktion
niedriger, so daß jedenfalls von irgendwo gelegenen oder irgendwie ge-
arteten Herabstimmungen der frühen Stufen von Urikolyse, Umwand-
lung nicht oxydierter in oxydierte Purinkörper, (die nach Folin durch
PWS angezeigt werden) kaum die Rede sein kann, Bei der Schwierigkeit
der selbständigen Aufgabe und der einstweiligen Unmöglichkeit strenger
Vergleiche ist hier nicht viel mehr darüber auszusagen. Über die Er-
gebnisse im Gebiete der Kreatiningruppe existieren breitere Materialien
blutehemischer Natur!). Wir sagten schon, daß die Kreatinfrage u. E.
im Blute kaum mit Ergebnissen abschließen kann, die den Feinheiten
bei Beginn und Wandel eindringliche Erkenntnis zu sichern vermöchten.
Deshalb kommen wir auf diese Sache in harnchemischen Betrachtungen
zurück.
Immerhin bietet das Zusammenspiel des RN-Gebietes, über
das bis jetzt nur sehr spärliche, aber einseitig-grundsätzliche
Angaben (Neuberg-Richter, Aminosäuren) vorlagen und das
wir soweit derzeit angängig, entwicklungsgemäß in allen zu-
nächst erreichbaren Fragen (Gesamt-RN, Struktur, Amino-N,
Purin, Kreatin, Kreatinin, Ammoniak) mehrfach geschildert
haben, zahlreiche weitere Aufgaben. Wir erinnern an die so
oft diskutierte und experimentell erprobte, deshalb aber keines-
wegs sicher basierte Fraktion der Oxyproteinsäuren in dem
Sinne, daß vielleicht der endgültige, nicht definierte Anteil der
Aminosäurenfraktion, so wie er sich durch Differenzberechnung
des berechneten Amino-N und dessen selbständiger analytischer
Bestimmung nach van Slyke angeben läßt, hier den Angriffs-
punkt bietet. Jedenfalls besteht der Gedanke der amerika-
reagent of Folin and Denis. Journ. of Biol. Chem. 16, 3, 369, 1913.
Einzelne Angaben.
1) Joh. Feigl, l. c. (über Kreatinin und Kreatin I) 1917.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 89
nischen Forscher — Folin, Myers und andere, darunter
Woods — die nicht direkt ermittelten Anteile ohne Definition
offen zu lassen (Gegensatz zur praktisch überlegenen Formu-
lierung im Sinne von Bang), von diesem Standpunkte zu recht,
muß ferner dieAnnahme Abderhaldens hinsichtlich sekundärer
Gliederung der Aminosäuren zu Uraminokörpern, die ja zum
Teile (Lippich) als solche beständig, nur wenig im Verhalten
zu den fraglichen Methoden der Isolierung und Bestimmung
bekannt sind, weitere Perspektiven eröffnen. Hält man an
der Auffassung über Wesensverwandtheit der RN-Erscheinungen
von P-Vergiftung und Leberatrophie fest, so würde das nächste
experimentelle Erkenntnismittel der von J. J. Abel, L. H.
Rowntree, B. B. Turner beschrittene Weg sein, durch freie
Vividiffusion am Tiere die RN-Stoffe der Vena portae zu
isolieren und zu bestimmen!), Die Anwendung dieser Methodik
ist unser nächstes Ziel. Die Erfinder dieses ingeniösen Ver-
fahrens isolierten Aminosäuren grammweise und konnten auch
zu zahlreichen sonstigen Krystalloiden gelangen.
Acidose und Acetonkörper.
Was nun die Frage der Acidose sowie die der nicht end-
gültigen Fettverbrennung angeht, so erinnern wir daran, daß
über die Acetonkörper des Harns in der Literatur nach dem
Berichte von Umber keine völlige Übereinstimmung herrscht.
Wir konnten harnchemisch größere Aceton- — Acetessigsäure —
Oxybuttersäuremengen nicht finden und begnügten uns mit
der Meinung, sie seien der Größenordnung nach denen bei reiner
Inanition nahestehend, deshalb durch diese vorwiegend erklär-
bar?). Indes sprach das Verhalten des Ammoniaks im Blute
nicht eindeutig für diese Auffassung, auch konnte für P-Ver-
giftung der ältere Befund von E. Münzer hervorgehoben
werden). Daraufhin haben wir mehrfach auf Grund der
Methodik von W. Mc Kim Mariott nephelometrisch Aceton und
1) J. J. Abel, L. H. Rowntree, B. B. Turner, On the removal
of diffusible substances from the circulating blood of living animals by
dialysis. Journ. of Pharm. 5, 2, 275, 1913, Dez. Biochem. Centralbl. 16,
2, 275, 1913/14, ref. F. Müller.
®) Joh. Feigl und H. Luce, l. c. über Leberatrophie II (1917).
8) Ebenda !), 5).
90 Joh. Feigl u. H. Luce:
Acetessigsäure bestimmt'), Die Werte sind nicht höher ge-
wesen, als sie bei chronischer alimentärer Herabstimmung sowie
strenger Karenz beobachtet werden und bleiben hinter typischen
Gestaltungen (Koma, Arbeitsüberlastung größeren Grades,
Phlorhizin) weit zurück?).
Wir fußen mit W.Mac Kim Marriott auf der nephelo-
metrischen Methodik der Bestimmung von präformiertem Aceton,
Aceton und Acetessigsäure (bzw. Acetessigsäure), Oxybutter-
säure nach dem später auch von Folin und Denis (für Harn)
überarbeiteten Prinzip von Scott Wilson. Nach der älteren
Arbeit von Marriott steht die Gesamtangabe für 100 ccm Blut
mit rund 0,1 mg zur Diskussion, eine Zahl, die nach unseren
eigenen ausgedehnten Erfahrungen ungefähr das Richtige trifft.
Die hier ermittelten Werte liegen um 0,42 bis 0,82 mg bis
hinauf zu 1,8 mg. Wir verweisen auf unsere sonstigen Befunde
zu dieser Frage (Feigl). Die Acetessigsäure selbst wird mit
Mengen um 1,0 mg von uns angegeben, sie übersteigt (direkt
und indirekt) das freie präformierte Aceton. Marriott nannte
die Grenze mit rund 1,5 mg, ferner für Oxybuttessäure mit
4,0 mg. Unsere Zahlen liegen zwischen 2,2 mg und 4,2 mg
für erstere, um 6,0 mg bis 8,0 mg für die zweite. Gemessen
an Komatösen und extrem Sportlichen (um 25 bis 30 mg
Acetessigsäure) ist das Bild der Erhöhung unbedeutend.
Nimmt man nun noch die Angaben von R. Sassa mit
auf, nach denen in Blut und Organen gesunder Menschen es
sich um Mengen von 10,0 mg bis 20,0 mg ß-Oxybuttersäure
für 100 ccm Blut (und Organ) handelt und daß wir nur die
höchstens doppelte Menge dieses Durchschnitts sahen®), so wird
der Standpunkt hinsichtlich einer Ablehnung gestörter Fettver-
brennung weiter unterstrichen, die Inanition als Ursache ver-
ständlicher. Nach Phloridzin handelt es sich, so lehren die
Beobachtungen Sassas, um die rund dreifachen Mengen der
1) W. Mac Kim Marriott, The determination of the f-oxybutyrie
acid in blood and tissues, Journ. of Biol. Chem. 16, 293, 1913/14. Ders.,
The blood in acidosis from a quantitative standpoint, Journ. of Biol
Chem. 1, 3, 507, 1914.
2) Joh. Feigl, l. c. (über Kreatinin I) 1917. Daselbst Befunde.
») R. Sassa, Über den Oxybuttersäuregehalt der Organe normaler
und diabetischer Individuen, diese Zeitschr. 59, 5/6, 362, 1914.
Untersuchungen über akute gelte Leberatrophie. IV. 91
oberen Grenzbeträge, während im diabetischen Koma die acht-
fachen (Sassa) bis zehnfachen (eigene Befunde) in Betracht
kommen. Die Ausschläge hinsichtlich präformierten Acetons
und der Acetessigsäure sind nach unseren breiteren Ergeb-
nissen auf Grund der Methode von Marriott weit größer, was
mit dessen eigenen (spärlichen) Angaben im Einklange steht.
Doch muß hier betont werden, daß die im Körper vorüber-
gehend kreisenden Mengen an diesen Stoffen, verglichen mit
den fortlaufend im Harn unter pathochemischen Bedingungen
erscheinenden vergleichsweise recht gering sind. Schon aus
diesem Grunde verlegten wir die Versuche zur Acetonkörper-
aufklärung bei Leberatrophie in die Harnanalyse!). Bietet
diese doch ungleich bessere Erkenntnismöglichkeiten sowohl
was Methodik und Material, als auch was vorhandene Ver-
gleichsgrundlagen angeht. Endlich ist die Chemie des Blutes
nach wie vor von vielen speziellen, einstweilen nur dort lös-
baren Aufgaben über und über in Anspruch genommen, so daß
nur die Einführung mikrochemischer Versuchsbedingungen und
die Tatsache vereinter Ausnutzung mehrerer Proben hier weitere
intensive Arbeit ermöglichen. Was die pathologische Ammoniak-
ämie angeht, so haben wir derzeit einen hohen Wert (Scheitel
der Kurve 4,0 mg gegen Fußpunkt 0,13 mg) nach Folin?) be-
stimmt) verzeichnet, später zum Teil nach V. Henriques und
E. Christiansen?) nicht annähernd so hohe Zahlen, zumeist
nur das 5- bis 8-fache der Norm gesehen. Daß sich Herab-
minderungen des alkalischen Reservoirs der Blutflüssigkeiten
durch saure Endprodukte finden, ist somit festgestellt, wenn
es auch u. E. nicht richtig sein kann, diese zugleich mit den
Acetonkörpern erklären zu wollen. Über Milchsäure werden
wir noch berichten.
Wir möchten nicht unterlassen, diese Säureeinwirkung
1) Wir haben nach Fabinyi-Fromer in den Ausführungen von
Czonka und Eungfeldt breitere Untersuchungen an pathologisch-phy-
siologischen und pathologischen Fällen angestellt (Arbeit, Inanition usw).
Joh. Feigl, l. o. (Über Kreatin I) 1917 u. a. Versuche von E. Querner.
2) Joh. Feigl und H. Luce, 1. co. (Über Leberatrophie I) 1917.
23) V. Henriques und E. Christiansen, Untersuchungen über
den Ammoniakgehalt des Blutes I und III, diese Zeitschr. 78, 1916;
80, 296, 1917.
92 Joh. Feigl u. H. Luce:
(auf das geschädigte, durch frühen Lipoidzerfall usw.) als be-
schleunigenden Faktor der Glykogenvernichtung zu diskutieren.
H. Elias fand in einer Studie über die Rolle der Säure im
Kohlenhydratstoffwechsel an der überlebenden Leber bei saurer
Durchspülung mit Ringerlösung Verlust an Glykogen, mit
alkalischen unter sonst parallelen Verhältnissen Ansatz!), Seine
Versuche, deren Erörterung er in Beziehung stellt zu Arbeiten
über Anoxybiose von E. J. Lesser, über Leberglucosurien von
E. Neubauer (Anlaß durch Anschoppung), von E. Masnig
(über Leberdurchspülungen) lehren, daß verhältnismäßig geringe
Säuremengen Glykogen in der Leber mobilisieren, Glucosurie
und Hyperglykämie erzeugen und das Reservekohlenhydrat
ungespalten (zum Teil) aus dem Organ herauslösen. Wir stehen
nicht an, hierin verwandte Verhältnisse zu unseren Beobach-
tungen und einen Schlüssel für weiteres Eindringen zu erblicken,
da der Möglichkeit der Säuerung breite Tore geöfinet sind,
die obendrein auf das nicht voll geschützte Organ mit seiner
mechanischen Entgliederung treffen.
Zusammenfassende Kurvendarstellung.
Wir haben den Versuch gemacht, am Schlusse dieses Ab-
schnittes unserer Berichte zu Beobachtungen über die Zu-
sammensetzung von Blut und Plasma bei akuter gelber Leber-
atrophie, die doch fast sämtlich auf dem Boden diagnostischer
Untersuchungsverhältnisse, nicht systematischer, biochemischer
Aufarbeitung stehen, in einem Einheitsbilde kurvenmäßig die
Ergebnisse zusammenzufassen. Daß diese Absicht, die sich
u. E. nur in stark schematisierter Form kombinatorisch aus den
Einzelfällen verwirklichen läßt, wenn sie das Wesentliche vor-
führen soll, der Anschauung gerade der Entwicklungsvorgänge
für kürzere Orientierung an Stelle der verzweigten, zum Teil
unübersichtlichen Wiedergabe in den Tabellen der vorher-
gehenden Arbeit über Fette und Lipoide, der jetzigen über
RN und Zucker, dienen wird, möchten wir annehmen. Indes
möchten wir davor warnen, an das Kurvenbild im einzelnen
zu eindringliche Fragen stellen zu wollen. Es wurde so ent-
1) H. Elias, Über die Rolle der Säure im Kohlenhydratstoffwechsel.
Über Säurediabetes, diese Zeitschr. 48. 120, 1913 (mit eingehender
Literatur).
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 93
wickelt, daß die Abszisse den gesamten Bereich der Norm
enthält — zwischen hohen und niederen Grenzwerten; diese
wurden so zweckdienlich bewertet, als es sich durchführen
ließ. Aus diesem Bereich heraus wurden nach oben die Stei-
gerungen (über den eingesetzten normalen Grenzwert), nach unten
(entsprechend) die Senkungen abgeleitet. Die Gradmesser der
Steigerungen und Senkungen der Spiegel für RN, Amino-N,
UrN usw. wurden auf den zahlenmäßigen Betrag der Grenz-
werte bezogen und in dessen Vielfachem auf die Ordinate auf-
getragen. So wurden Einzelkurven für jede Frage gesammelt
und diese dann schematisiert. Direkt vergleichbar sind auf
diesem Wege die gekennzeichneten Mittelkurven der RN-Stoffe,
soweit sie als N figurieren; sie geben also wirkliche Bilder
der Wechselbeziehungen. Kreatinin, Kreatin und Harnsäure
erscheinen, teils um ihren Verlauf äußerlich besser anzuzeigen,
nach Molekülen, stehen also nicht direkt zu den N-Komponenten
und Fraktionen im Vergleich. Das zunächst fragliche Bild der
Fettsäuren (Gesamt-) und des Neutralfettes erklärt sich aus dem
(früheren und relativen) höheren Anwachsen der letzteren. Die
Senkungen begründen sich ähnlich. Es wurde der Lebens-
abschnitt der letzten zwei Wochen vor dem exitus für sich
abgetrennt. Er enthält den charakteristischsten Teil des Ver-
laufes. Dann wurde ein Abschnitt (Zwischenstück) ausge-
lassen, weil es durch Bindungen mit dem früheren (32. bis
20. Tag vor exitus) zu verknüpfen wäre und keine Sprünge der
Kurven enthält. Natürlich ist auch die Entwicklung insofern
schematisiert, als die Verlegung auf Tage und Abschnitte aus-
gleichend gemacht werden mußte. Der Frühabschnitt enthält
die vorübergehenden Anstiege. Trotz der Einzwängung in ein
abgleichendes Schema kommen u. E. die Gründe gut zum
Ausdrucke, die wir aus unseren Reihenbeobachtungen ableiteten,
um Abschnitte des Verlaufes zu charakterisieren. Diese Zer-
gliederung der Entwickelung war ja die Vorarbeit für die er-
strebte Formulierung diagnostischer und prognostischer Anhalts-
punkte, deren Darstellung uns zum Zwecke genauer Anschauung
des Gesamtbildes notwendig schien. Jedenfalls zeigt das Kurven-
bild Beginn der Umstimmungen und Verlauf derselben gleich-
zeitig und nach deren Individualität an, wobei in Hinsicht auf
Zeit und Grad der Abwandlungen der Vergleich ersichtlich wird.
94 Joh. Feigl u. H. Luce:
Ohne die Kurve erklären zu wollen — soll sie doch für
sich selbst und aus sich selbst sprechen — verweisen wir auf
das so gegensätzliche Verhalten von RN, Amino-N, UrN usw.,
ferner auf den Inhalt des Frühabschnittes, der „Krise“ und
„Umschwung“ enthält und sein Wesen im RN, Amino-N, BZ,
Lecithin, Rest-P (gesteigert) zu erkennen gibt.
Endlich möchten wir darauf hinweisen, daß die Befunde
aus der chemischen Blutuntersuchung einer Ergänzung durch
Ergebnisse physikalisch-chemischer Methoden sowie ferment-
biologischer Verfahren, daß sie endlich morphologisch-hämato-
logischer Feststellungen bedürfen. Dieser letztgenannten um so
mehr, als die Verteilung der Stoffe auf Vollblut und Plasma
(damit auf Erythrocyten, deren Menge, Volumen, Zustand
dadurch berührt wird) in Beschreibung und Erörterung ange-
IDANNEERN
ARERENINIR
Z|
w
3
p
=) A
=
S
E
=
ITS
Ei
= RN sms Rest P
PEER = AN ——— Blutzucker
— UN i Oa- Leeithin
un Krtin -——-— Anorg. P
~ Krt -A—â— Ges. Fettsäuren
—— - Chol. —x—*- Neutr. Fett
—
. Hauptkurve. Spätverlauf mit t.
Fig. 1.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 95
3 30 24 27 27 25 25 24 22 22 21 20
Tage
II. Nebenkurve. Frühperiode mit „Krise“.
Fig. 2.
schnitten wurde und als in einem Falle der Nachweis von
Hämatin im Serum gelang!).
Schlußsätze.
In der vorliegenden (vierten) Mitteilung zur Kenntnis der
akuten gelben Leberatrophie wird über Untersuchungen be-
richtet, die an vier tödlichen und einem geheilten Falle ange-
stellt wurden. Dabei wurde ein Fall, (1915) mitgeteilt von
Feigl und Luce (1917), in lückenloser Reihe klinisch beob-
achtet und pathochemisch nach seiner Entwickelung verfolgt.
Ein weiterer stand an den letzten sechs Lebenstagen, die
übrigen zwei im letzten Stadium mehrfach zur Untersuchung.
Die vorstehend aufgeführten Beobachtungen beziehen sich
nur auf die Zusammensetzung von Blut und Plasma. Zunächst
wurde vom Standpunkte der Erweiterung und Gegenprüfung
aus das Gebiet des Nichtproteinstickstoffes eingehend erforscht,
über das mit Ausnahme unserer jüngsten, eigenen Mitteilung
(Nr. I, 1917) nur die präparative (für Aminosäuren) Arbeit von
Neuberg und Richter nichts existierte. Damals und heute,
zum Teil in verfeinerter Form, auf den gegenwärtig besten,
inzwischen eingehend ausgeprobten Methoden zumeist mikro-
chemischen Charakters fußend, wurden Untersuchungen über
den Gesamt-RN, über seine Struktur, über UrN, Amino-N
(summarisch nach Bang, berechnet nach Feigl und Luce,
direkt bestimmt nach van Slyke), über Kreatin und Kreatinin,
Harnsäure (und Purinverteilung), Ammoniak angestellt und nach
deren Einzelbefunden der Ablauf der Vorgänge dargetan.
1) F. Leonchi, Beitrag zum Studium der Veränderungen des Blutes
bei akuter P-Vergiftung. Biochem.Centralbl. 17, 391, 1914/15, ref. Ascoli.
L. fand keine Schädigung des O,Hb, der Erythrocyten, keine Resistenz-
verminderung. Joh. Feigl und R. Deußing, Neue Beobachtungen zur
Kasuistik des Vorkommens von Hämatin II, diese Zeitschr. 85, 1918.
96 Joh, Feigl u. H. Luce:
Dabei ergab sich, daß im ganzen die Tendenz der Ent-
wickelung als einheitlich zu gelten hat, wenn auch individuelle
Unterschiede, die nach unserer früheren Äußerung aufzufassen
sind, sich geltend machen können.
Ferner wurde das Verhalten des Blutzuckers beobachtet,
wobei auch methodologische Interessen verfolgt wurden. Es
ergaben sich Gesichtspunkte zur Kritik der einschlägigen Ver-
fahren vom Standpunkte der Restreduktion aus unter den ganz
eigenartigen, extremen Verhältnissen der Blutzusammensetzung
an Krystalloiden. Die Pikratreduktion bewährte sich. Der
Blutzucker erfuhr im Frühstadium eine echte Steigerung zu
einer kaum hyperthermisch. erklärlichen Hyperglykämie ohne
eigentliche Glucosurie. Später sinkt derselbe, zumeist nicht
unerheblich. Damit hatten wir zugleich mit der Erweiterung
unserer (klinischen und experimentellen) Kenntnisse über Hypo-
glykämien Anhaltspunkte für den Verlauf der Zuckermobili-
sation gewonnen. Das Blut verarmte an Glykogen.
Neben dem deskriptiven Interesse verfolgten unsere Unter-
suchungen außerdem die Absicht, einmal die Einzelgebiete
lückenlos zu Entwickelungsbildern zusammenzuknüpfen, ferner
aber die übrigen, bisher beobachteten Elemente von Blut und
Plasma in ihrer Reihenordnung (Fette, Lipoide, P-Verteilung)
gegeneinander zu stellen. Es handelte sich für uns darum,
das Entwickelungsschema zur Darstellung zu bringen und mit
seiner Hilfe Charakteristiken für bestimmte Perioden des Ver-
laufes zu gewinnen, die zur Kennzeichnung und Abgrenzung
gewisser Stadien befähigt sein sollten. Auf diese Weise er-
kannten wir, daß der Abschnitt, der die Hyperglykämie, die
ersten bezeichnenden RN-Abartungen und den steigenden
Rest-P enthielt, sich um die Krise erstreckte, die also durch
diese Angaben bezeichnet und aufgefunden werden kann, wäh-
rend das Absinken des (inzwischen angewachsenen) Plasma-
lecithins sowie des Blutzuckers usw. den Abstieg aus dem
Umschwunge in die irreparable Artung der Fälle einzuleiten
scheint. Wir glauben hierin, in der Zusammenfassung der
Sondergebiete nach ihrem Entwickelungsgange, Aussichten und
Möglichkeiten für Diagnose und Prognose erblicken zu dürfen,
jedenfalls in höherem Grade als sie die Kenntnis einzelner,
selbst charakteristischer (RN) Zeichen zu bieten vermag.
Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie. IV. 97
Daß die akute gelbe Leberatrophie in den Zahlen für
alle Komponenten der Blutflüssigkeit durch Komplikationen
oder vorgängige pathologische Einflüsse der verschiedensten
Art vom Schema leidlich „reiner“ Fälle abweichen kann, wobei
bestimmte Ausschnitte der typischen Entwickelung sich modi-
fizieren oder verwischen, wurde an Hand von einzelnen Lite-
raturen besprochen. Das allgemeine, auch durch eigene Unter-
suchungen näher bzw. gut bekannte Gebiet des Nichtprotein-
stickstoffes und seiner Gliederung wurde für die Leberatrophie
in dieser Hinsicht durch Abwägen verwandter neuauftauchender
Befunde diskutiert.
Da diese (IV.) Mitteilung den einstweiligen Abschluß
von Berichten über methodisch-analytische (klinisch-diagnostisch
erwägenswerte) Verhältnisse von Blut und Plasma darstellen soll,
wurde in ihr der Zusammenschluß bisheriger Einzelgebiete zu
dem genannten Entwickelungsschema besprochen, das kurven-
mäßig eine schnelle Orientierung zu bieten bestimmt ist.
Das Verhalten der Acetonkörper des Blutes und die Aci-
dose überhaupt wurde, soweit hier durchführbar, gekennzeichnet.
Aceton, Acetessigsäure, Oxybuttersäure traten in Mengen auf,
die durch Inanition u. E. erklärt werden durften, wenn auch
der Ammoniakspiegel Erhebungen darbot, die über eine derart
faßbare Beziehung hinausgingen, mithin andere Quellen außer-
dem in Anspruch genommen haben.
Die Blutuntersuchung präparativ-analytischer Richtung
brauchen wir für die (mehr theoretische) Frage der Purinver-
teilung, individueller Detaillierung des RN-Gebietes u. a. m.
Hiermit wird sich eine weitere, mit der zum Verständnis der
Blutzusammensetzung nötigen oder förderlichen Kenntnis von
Analysenwerten über die Organreste eine fernere Mitteilung
beschäftigen.
Daß manche Fragen, z. B. die der Acetonkörper und die
der Kreatinabartung bei den Voraussetzungen der analytischen
Verhältnisse im Blute nicht genügend in Angriff genommen
und geklärt werden können, wurde hervorgehoben. Aus diesem
Grunde und in Rücksicht auf weitere allgemeine wie spezielle
Aufgaben wurde die Harnanalyse durchgeführt, über die gleich-
falls später zu berichten sein wird.
Biochemische Zeitschrift Band 86. i.
Über die Beeinflussung von Reaktionsgeschwindig-
keiten durch Lipoide.
Von
“M. Siegfried.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Leipzig.)
(Eingegangen am 28. Oktober 1917.)
Das Interesse an den Lipoiden ist erheblich gestiegen,
seitdem man ihren Einfluß auf biologische Reaktionen kennen
gelernt hat. Dieser Einfluß ist gegenüber Fermentwirkungen
und bei Immunitätserscheinungen bemerkbar, und zwar teils
in die Reaktionen fördernder, teils in hemmender Weise. Die
Kompliziertheit und teilweise ihre Unübersichtlichkeit macht
ein klares Erkennen der Lipoidwirkung schwierig. Deshalb
ist es nötig, die Lipoidwirkung zunächst an einfachen, genau
kontrollierbaren Reaktionen zu studieren. Die im folgenden
mitgeteilten Versuche sind aus dieser Überlegung unternommen;
sie sind ein Teil der bisher mit Herrn R. Lehmann ausge-
führten Untersuchungen, über die später, nach Rückkehr des
Herrn Lehmann aus dem Felde, berichtet werden soll.
Diese Untersuchungen haben bei den angewandten Re-
aktionen eine ausgeprägte hemmende Wirkung der Lipoide
ergeben.
Gelbes Quecksilberjodid lagert sich bekanntlich schnell
in die rote Modifikation um. Stellt man es jedoch auf ver-
schiedenen Wegen bei Gegenwart von Lipoiden dar, so bleibt
die gelbe Modifikation erhalten. Man kann solches gelbes
Mercurijodid monatelang, länger als ein Jahr aufbewahren,
ohne daß auch nur ein Teil desselben in die rote Modifikation
übergeht. Diese gelbe Modifikation dürfte infolge seiner phy-
M. Siegfried: Beeinflussung v. Reaktionsgeschwindigk. d. Lipoide. 99
sikalischen Beschaffenheit das rote Mercurijodid aus der Tier-
arzneipraxis verdrängen und auch sonst therapeutische An-
wendung finden.
Von Oxydationswirkungen wurde die Oxydation verschie-
dener Stoffe, besonders die des Phenylhydrazins durch ammoniaka-
lische Silbernitratlösung eingehend untersucht. Hier zeigte sich
ebenfalls eine ganz wesentliche Verlangsamung der Reaktion
durch Lipoide. Ganz besonders ist bei Gegenwart von Lipoi-
den die Geschwindigkeit der Reaktion vom Lichte abhängig,
indem schon zerstreutes Tageslicht die Verlangsamung der
Reaktion durch Lipoide ganz bedeutend herabsetzt. Die Be-
lichtung kann den Einfluß von Lipoiden auf die Oxydations-
wirkung ganz aufheben.
Die geprüften Reaktionen werden durch die Gegenwart
von Lipoiden gehemmt, über andere Reaktionshemmungen
durch Lipoide werde ich später berichten. Bisher bin ich
keiner Reaktion begegnet, bei der die Gegenwart der Lipoide
eine Beschleunigung bewirkt hätte. Nach den bisherigen Er-
fahrungen wirken also die Lipoide als negative Katalysa-
toren.
Wenn sich herausstellen sollte, daß es ein allgemein gil-
tiges Gesetz ist, daß die Lipoide als negative Katalysatoren
wirken, so muß dieses Gesetz auch im Organismus zur Gel-
‚tung kommen. Wir müßten dann annehmen, daß Gegenwart
und Abwesenheit von Fetten, bzw. Gegenwart größerer und
kleinerer Lipoidmengen auf die Vorgänge im Tier und in der
Pflanze von Bedeutung sind. Es ist bekannt, daß beim hun-
gernden Tier nach Verbrauch des größten”Teiles der Fette
eine prämortale, unverhältnismäßig große Steigerung der Ei-
weißzersetzung und des Zellzerfalles stattfindet. Hierfür gibt
es bisher keine ausreichende Erklärung, da der Zerfall größer
als für den Ausgleich der durch Wegfall der Kohlenhydrat-
und Fettzersetzung entfallenden Calorien ist. Wenn die Fette
die Reaktionsgeschwindigkeiten herabsetzen, so verstehen wir,
daß bei weitgehender Fettverarmung im Organismus ein
schnellerer Zerfall des Eiweißes dadurch bedingt wird, daß
die normalen Hemmungen der Reaktionen, die das Eiweiß
spalten und oxydieren, wegfallen.
7*
100 M. Siegfried:
Experimentelles.
I. Einfluß der Lipoide auf gelbes Mercurijodid.
Setzt man zu einer alkoholischen Lösung von Kalium-
jodid die äquivalente Menge alkoholischer Mercurichloridlösung
und dann Wasser, so scheidet sich ein gelblicher Niederschlag,
gelbes Mercurijodid, aus, der sehr bald in rotes krystallisiertes
Mercurijodid übergeht. Anders, wenn die alkoholische Lösung
ein Lipoid: Fett, Lecithin, Harze enthält. Dann bleibt die
gelbe Farbe des Niederschlages bestehen, ‘und der Niederschlag
ist nicht krystallinisch, sondern amorph. Der Grund der Ver-
zögerung des Reaktionsverlaufes liegt in der Gegenwart des
Lipoides im Niederschlag, oft nur in äußerst geringen Mengen.
Denn entfernt man das Lipoid durch Alkohol oder besser
Äther, so geht die gelbe Modifikation des Mercurijodids schnell
in die rote über.
Versuch 1.
10 ccm einer 1°/,igen Lösung von Lecithin (E. Merck) in
Alkohol wurden mit 10 ccm "/, „alkoholischen (96°/,) Lösung von
Sublimat vermischt, dazu 10 ccm einer alkoholischen (96°/,)
n/ o- Lösung von Kaliumjodid, zu der Mischung wurden 90 ccm
Wasser gegeben; der gelbe Niederschlag wurde abgesaugt, mit
Wasser gewaschen und über Schwefelsäure getrocknet. Er
blieb gelb.
Versuch 2.
Ebenso wie Versuch 1, jedoch wurden an Stelle der alkoho-
lischen Lecithinlösung 10 ccm Alkohol gegeben. Nach Zusatz
des Wassers entstand ein schnell rot werdender Niederschlag.
Entsprechende Versuche wurden mit einer Reihe von
Fetten und Harzen ausgeführt, und die Mengen dieser Stoffe
variiert, d. h. allmählich in einzelnen Versuchen verringert, bis
eine weitere Verringerung sich als unzureichend für Erzielung
eines dauernd gelben Niederschlages erwies, So wurden die-
jenigen Mengen Fett und Harz festgestellt, die gerade noch
genügten, um den Übergang der gelben Modifikation in die
rote zu vermeiden. Für 1g HgCl, und die entsprechende
Menge Kaliumjodid wurden so als eben noch ausreichende
Mengen folgende gefunden:
Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide. 101
Lecithin . .....004 g
Schweinefett . . . 0,005 g
Sandarakharz. . . 214 g
Kopalharz . . . . 0,2143 g
Kolophonium . . . 0,0714 g
Mastix . . .. . 0,007 g.
Unwirksam erwiesen sich Dammarharz, Benzoe, Vaseline,
Paraffinum liquidum.
Die Niederschläge setzten sich oft sehr langsam ab.
Der gelbe Mercurijodid-Niederschlag wurde ferner auf
folgende Weise dargestellt:
Sublimat und Jod wurden in alkoholischer Lipoidlösung
unter Aufkochen gelöst, nach dem Erkalten wurde bis zur
Entfärbung durch Bindung des Jodes Natriumsulfit bzw. schwef-
lige Säure zugesetzt. Die Mengenverhältnisse zwischen Mercuri-
chlorid und Jod wurden mannigfach variiert. Ohne Zusatz
von Lecithin, Fett oder Harz wurde der zunächst entstehende
gelbe Niederschlag schnell rot. Wurde jedoch z.B. zu der
aufgekochten Mischung von 1,36 g HgÜCl,, 0,68g J und 10ccm
1°/,iger alkoholischer Lecithinlösung wäßrige schweflige Säure
oder Natriumsulfit gegeben, so blieb der Niederschlag gelb.
So wurden aus 2,72 g HgCl, +1,36 g J 20 ccm 1°/,iger
alkoholischer Kolophoniumlösung und wäßriger schwefliger Säure
ein gelber Niederschlag erhalten, der nach Absaugen, Waschen
mit Wasser und Trocknen im Exsiccator über Schwefelsäure
2,25 g wog. Dieser Niederschlag enthielt geringe Mengen Cl
(0,11 °/,). Ein aus 1,36 g HgCl, und 0,68g J in 10 ccm al-
koholischer Lecithinlösung mit wäßriger schwefliger Säure ge-
wonnener gelber Niederschlag war chlorfrei. Er gab bei der
Analyse: Hg = 42,63 |, J= 52,75 °| Für HgJ, berechnet
sich Hg = 44,14 °/,, J = 55,86 °/ẹ Der Niederschlag enthielt
also 4,6 °/, Kolophonium. Setzt man die 95,38 °/, (Hg=
42,63°/,+J=52,75°/,) gleich 100°/,, so erhält man für Hg
—=44,68°/, und für J=55,32°/,. Der Niederschlag enthält
also die Elemente Jod und Quecksilber im selben Verhältnisse
wie HgJ,; er bestand somit aus Mercurijodid und etwas Kolo-
phonium.
Rotes Mercurijodid geht bei 116° in die gelbe Modifika-
tion über, die.nach dem Erkalten wieder rot wird. Hierbei
102 M. Siegfried:
entsteht krystallisiertes gelbes Mercurijodidd.. Um zu prüfen,
ob dieses auch bei Gegenwart von Lipoiden und Harzen lang-
sam oder nicht in die rote Modifikation übergeht, wurden
erstens 0,5 g rotes Mercurijodid im Bombenrohr mit einer
10°/,igen alkoholischen Kolophoniumlösung 6 bis 7 Stunden
lang auf 120° bis 130° erhitzt; zweitens wurden 2g rotes
Mercurijodid mit 30 ccm einer 5°/,igen alkoholischen Kolo-
phoniumlösung im Autoklaven auf 180° eine halbe Stunde er-
hitzt. In beiden Fällen bestand nach dem Erkalten der größere
Teil des Mercurijodides aus krystallisiertem gelben Jodid.
II. Einfluß der Lipoide auf die Reduktion ammonia-
kalischer Silbernitratlösung durch Glucose.
Fein gepulvertes Silbernitrat wurde mit warmem Äthyl-
alkohol behandelt, die erkaltete Lösung wurde filtriert; die
Konzentration wurde durch Eindampfen von 10 ccm der Lö-
sung bestimmt. Analog wurde die alkoholische Traubenzucker-
lösung hergestellt und deren Konzentration ermittelt. Zu den
Parallelversuchen mit und ohne Schweinefett wurde eine am-
moniakalische Silberlösung verwendet, die durch Zusatz von
absolut alkoholischer Ammoniaklösung zu der alkoholischen
Silbernitratlösung erhalten wurde. Bei jedem der Parallelver-
suche wurde die gleiche Menge alkoholischer Traubenzucker-
lösung angewandt, bei dem einen Versuche alkoholische Fett-
lösung, bei dem anderen dasselbe Volum absoluter Alkohol dazu-
gegeben. Die Reaktion wurde in Erlenmeyer-Kölbchen mit
eingeschliffenem Stopfen vorgenommen. Nach Beendigung der
Versuche wurden beide Reaktionsgemische gleichzeitig durch
aschefreie Filter filtriert, die Niederschläge erst mit Alkohol,
dann mit Wasser gewaschen, getrocknet, verascht, der Rück-
stand mit Salpetersäure gelöst, das Silber als Chlorsilber ge-
fällt; mit diesem wird das durch Auflösen des an den Erlen-
meyer-Kölbcehen anhaftenden Silbers in Salpetersäure und
Abscheidung durch Salzsäure erhaltene Chlorsilber vereinigt,
auf Gooch-Tiegeln gesammelt und gewogen.
Versuch 1.
0,0681 g AgNO,, 0,3233 g Glucose in b) 0,2320 g Schweine-
fett. Gesamtvolum 85 ccm. 16 Stunden bei ca. 20° im Dunkeln.
Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide, 103
Gefunden a) ohne Schweinefett 0,0027 g Ag, b) mit Schweine-
fett 0,0011 g Ag, Differenz 59 °/,.
Versuch 2.
0,1195 g AgNO,, 0,4030 g Glucose in b) 0,3510 g Schweine-
fett. Gesamtvolum je 170 ccm; 3,5 Stunden bei 40°. Gefun-
den a) ohne Schweinefett 0,0096 g Ag, b) mit Schweinefett
0,0033 g Ag, Differenz 65,6 °/,.
Im folgenden Versuche wurde im Verhältnis zum Silber-
nitrat eine größere Menge Glucose angewandt.
Versuch 3.
0,1139 g AgNO,, 1,0080 g Glucose in b) 0,3040 g Schweine-
fett. Gesamtvolum je 220 ccm. Nach 1 Stunde war in dem
Kölbchen, in dem sich kein Fett befand, eine starke Abschei-
dung von Silber eingetreten, während in dem anderen die Lö-
sung nur rotbraun verfärbt war. Nach 3stündigem Erwärmen
auf 40° wurden beide Lösungen sofort in Eiswasser gestellt.
Gefunden: a) ohne Schweinefett 0,0199 g Ag, b) mit Schweine-
fett 0,0075 g Ag. Differenz: 62,4 °/,.
Im folgenden Versuche wurde die Reaktion schon nach
1,5 Stunden abgebrochen.
Versuch 4.
0,1139 g AgNO,, 1,0000 g Glucose in b) 0,3040 g Schweine-
fett. Gesamtvolum je 220 ccm. Gefunden: a) ohne Fett
0,0123 g bzw. b) mit Fett 0,0017 g Ag. Differenz: 86,0°/,.
Versuch 5.
Als Lipoid wurde hier Lecithin angewendet. 0,1112 g
AgNO,, 1,0180 g Glucose in b) 0,5 g Lecithin. Gesamtvolum
je 170 cem, 2 Stunden bei 40°.
Während in dem Kölbchen, in dem sich kein Lecithin
befand, 0,0096 g Ag abgeschieden hatte, hatte in dem anderen
Kölbcben das Lecithin die Reduktion der Silberlösung über-
haupt verhindert.
Den Einfluß der Menge des Schweinefettes auf die Re-
duktion der ammoniakalischen Silbernitratlösung zeigen folgende
Versuche.
104 . - M. Siegfried:
I. 0,1119 g AgNO,, 1,0000 g Glucose. Temperatur 40°.
1?/, Stunde.
a b c d
Fett . 0,3040 g 0,1520 g 0,0760 g 0,0000 g
Ag. . 0,0026 g 0,0041 g 0,0077 g 0,0103 g.
II. 0,1119 g AgNO,, 1,0000 g Glucose. Temperatur 40 bis
45°. 1!/, Stunde.
a b c
Fett. . 0,0403 g 0,0100 g 0,0100
Ag . . 0,0108 g 0,0125 g 0,0127.
Man sieht, daß ein wesentlich geringerer Zusatz als 5°/,
der Glucose an Schweinefett die Reaktion nicht mehr hemmt.
III. Einfluß der Lipoide auf die Oxydation von Phenyl-
hydrazin durch ammoniakalische Silbernitratlösung.
Bei diesen Versuchen bewirkten die Lipoide eine augen-
fällige Verlangsamung der Oxydation des Phenylhydrazins, der
Zeit nach gemessen um das Mehrfache der Zeitdauer der Re-
aktion bei Abwesenheit der Lipoide; jedoch schwankten die
Werte in Parallelversuchen erheblich. Es stellte sich heraus,
daß bei Gegenwart von Lipoiden das Licht von größe-
rem Einfluß auf die Zeitdauer der Reaktion ist. Des-
halb wurden die weiteren Versuche, deren Ergebnisse hier mit-
geteilt werden, im dunkeln Raume bei der Beleuchtung durch
eine 25kerzige gewöhnliche Wolframbirne ausgeführt. Die
Fläschchen, in denen die Reaktionen vorgenommen wurden,
wurden hierbei gegen die Glühbirne gehalten. Nach den Ver-
suchen wurden die ‚Kölbchen (Erlenmeyer) sorgfältigst mit
Kaliumbichromat und konzentrierter Schwefelsäure gereinigt,
um jede Spur Fett zu entfernen. Bei den einzelnen Versuchs-
reihen wurden abwechselnd Versuche ohne Lipoid und mit
Lipoid ausgeführt. Die Geschwindigkeit ist in Sekunden an-
gegeben, die mit einer Stoppuhr bestimmt wurden. Nachdem
der letzte Tropfen der alkoholischen Phenylhydrazinlösung zu-
gesetzt war, wurde die Stoppuhr angestellt, es wurde rasch um-
geschüttelt und beobachtet, das Kölbchen gegen die Glühbirne
gehalten, bis sich ein schwacher Niederschlag abgeschieden
hatte, der die Durchsicht durch die Lösung verhinderte. Da-
durch, daß in unmittelbarem Wechsel alternierend ein Versuch
Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide. 105
ohne Lipoid einem solchen mit Lipoid folgte, wurden subjek-
tive Beobachtungsfehler so gut wie vermieden.
In die Beobachtungskölbchen wurden gegeben: 5 com ®/,o-
alkoholischer Silbernitratlösung, 1,5 ccm "/,-alkoholischen Am-
moniaks, die durch Alkohol auf 20 com ergänzte Lipoidlösung
bzw. 20ccm Alkohol; 1 ccm einer 2°/ igen alkoholischen Lö-
sung von Phenylhydrazin.
In den hier angegebenen Versuchswerten bedeuten die
Zahlen Sekunden; die Versuchsnummern mit ungeraden Zahlen
beziehen sich auf Versuche ohne Lipoid, die mit geraden Zahlen
auf Versuche mit Lipoid.
Versuche mit Lecithin.
Temperatur 18°.
1. 10 ccm einer 0,1°/ igen Lecithinlösung = 0,01 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 3!/, 63° 3 58h
~ 2. 9 ccm der Lecithinlösung — 0,009 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 42°/, 2°/, 43°],
3. 8 ccm der Lecithinlösung = 0,008 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 8
Reaktions-Dauer, Sek.: 3!/, 37°, 3 41), 34°), 38°,
4. 7 cem der Lecithinlösung = 0,007 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 8
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 381, 3 344), 35°), 33°],
5. 6ccm der Lecithinlösung — 0,006 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 3!/, 33%/, 3/, 31%),
6. 5 ccm der Lecithinlösung — 0,005 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6
Reaktions-Dauer, Sek.: 2*, 25°), 3°, 27°], 28°],
7. 4ccm der Leecithinlösung = 0,004 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6
Reaktions-Dauer, Sek.: 31), 27 3 25 23%],
106 M. Siegfried:
8. 3 ccm der Leeithinlösung = 0,003 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6 8 10
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 22%, 3 20°), 18 21°/, 20°,
9. 1 ccm der Leecithinlösung — 0,001 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6
Reaktions-Dauer, Sek.: 29 9, 3% ` 8 9%,
10. 0,7ccm der Lecithinlösung — 0,0007 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 6
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 7, 3% 8 8
11. 0,5 cem der Leeithinlösung — 0,0005 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 3), 51), 2, 6’
Die Übereinstimmung der einzelnen beobachteten Werte
für die Zeitdauer der Reaktion ist bei Abwesenheit von Lipoid
viel genauer als bei Gegenwart desselben und wird absolut,
wie sich namentlich aus den weiter unten mitgeteilten Werten
bei höherer Lipoidkonzentration ergibt, ungenauer mit der Zu-
nahme der Lipoidmenge. Dies ist verständlich, da, je lang-
samer die Reaktion vor sich geht, sich auch um so weniger
scharf der Übergang der Verfärbung in das undurchsichtige
Schwarz erkennen läßt.
Die Differenz der Genauigkeit macht sich daher nicht be-
merkbar, wenn man die Differenzen prozentuarisch berechnet,
Die Versuche zeigen den starken hemmenden Einfluß des
Lecithins auf die Reaktion. Berechnet man aus dem Volum,
das stets 27,5 ccm betrug, und der Menge zugesetzten Lecithins
den Prozentgehalt an Lecithin, so findet man im Mittel jeder
Versuchsreihe für G, den Geschwindigkeitsfaktor, der anzeigt,
um ein Wievielfaches die Reaktion verzögert wurde, folgende
Werte:
Versuchs-Nr.: 1 2 3 4 5 6
0 Lecithin: 0,0364 0,0327 0,0291 0,0255 0,0218 0,0182
G: 18,2 15,3 12,3 11,95 10,5 8,9
Versuchs-Nr.: 7 8 9 10 11
0j Lecithin: 0,0145 0,0110 0,0036 0,0025 0,0018
G: 8,0 6,85 2,93 2,5 1,9
Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide. 107
Also noch ein Gehalt von 0,0018°/, Lecithin verzögert
die Reaktionsdauer um das Doppelte, ein solches von 0,0364 °/,
um das 18fache!
Es interessierte zu prüfen, ob ein höherer Lecithingehalt
auch weiter die Reaktion entsprechend der Lecithinkonzen-
tration verlangsamte. Tatsächlich nimmt die Hemmung mit
dem Lecithingehalte stetig zu und erreicht bei einer Lecithin-
konzentration von 0,36°/, den 119fachen Wert der Reaktions-
dauer.
12. 2 ccm einer 1°/,igen Lecithinlösung — 0,02 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 31/, 75°], 3 80
13. 4ccm der Lecithinlösung — 0,04 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 2 148%), 1, 14h
14. 6 ccm der Lecithinlösung = 0,06 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 2), 209?/, 31), 200
15. 8ccm der Lecithinlösung — 0,08 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 246°), 3%, 200 232°),
16. 10 ccm der Leecithinlösung — 0,1 g Lecithin.
Versuchs-Nummer: 1x; 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 3 315°), 2°, 330
Versuchs-Nr.: 12 13 14 15 16
2 Lecithin: 0,0727 0,1454 0,2184 0,2908 0,3636
G: 25,1 48,3 68,2 73 119,5
Versuche mit Schweinefett.
Geschmolzenes und filtriertes Schweinefett wurde mit ab-
solutem Alkohol gelöst, filtriert. Durch Eindampfen von 10 ccm
der Lösung wurde die Konzentration als 0,719°/, ermittelt.
1,5 ccm 0,2 normales alkoholisches Ammoniak. 1 ccm Phenyl-
hydrazinlösung (2°/,)., Gesamtvolum 47,5 ccm. Temperatur
15 bis 17°.
108 M. Siegfried:
1. 5 ccm Schweinefettlösung — 0,0359 g Fett.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5
Reaktions-Dauer, Sek.: 7, 11 8), 10 6
2. 10 ccm Schweinefettlösung = 0,0719 g Fett.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 6
Reaktions-Dauer, Sek.: 6°?/, 22), 9°), 19 8 2h
3. 15 cem Schweinefettlösung = 0,1079 g Fett.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 8 33%, 9 33],
4. 20 cem Schweinefettlösung — 0,1438 g Fett.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 6
Reaktions-Dauer, Sek.: 9_ 371, 9), 41°, 9%, 45°,
5. 25 ccm Schweinefettlösung — 0,1798 g Fett.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 6
Reaktions-Dauer, Sek.: 11 63%), 9 52 8, B1h
6. 30 ccm Schweinefettlösung = 0,2157 g Fett.
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4
Reaktions-Dauer, Sek.: 12?/, 69'/, 12°), 68°],
Versuchs-Nr.: 1 2 3 4 5 6
0j, Fett: 0,075 915 0225 03 038 0,45
G: 14 26 395 44 54 55
Man sieht, daß das Schweinefett ebenfalls stark die Re-
aktionsgeschwindigkeit hemmt, wenn auch bei weitem nicht
in dem Maße als das Lecithin. So verzögerte ein Lecithin-
gehalt von 0,3°/, die Reaktion um das 73fache, während die
gleiche Konzentration an Schweinefett nur eine 4,4fache Ver-
zögerung bewirkte. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß das
Gesamtvolum bei den Versuchen mit Schweinefett ein größeres
war, somit die Konzentration an ammoniakalischer Silbernitrat-
lösung und Phenylhydrazin eine geringere, wenn auch die
absolute Menge dieser Stoffe die gleiche war. Versuche
unter ganz gleichen Konzentrationsverhältnissen sollen aus-
geführt werden, sobald es möglich ist.
Versuche mit Cholesterin ergaben, daß dieses
nicht hemmt.
Beeinflussung von Reaktionsgeschwindigkeiten durch Lipoide. 109
Ferner wurde das hemmende Vermögen folgender Öle,
deren Reinheit durch Bestimmung der Hüblschen Jodzahl
kontrolliert wurde, geprüft. Oleum Ricini, Rapae, Jecoris,
Amygdalarum dulc., Olivarum Provinciale Vierge. Die ebenso
wie die obigen Versuche ausgeführten Untersuchungen ergaben
folgende Werte:
Versuchs-Nummer: 1 2 3 4 5 6
0/,Ol.Jecorisasellialbum: 0,1818 0,3636 0,0908
G (Temp. 18°): 1,5 3,8 6,2
/, Ol. Rieini: 0,0375 0,075 0,1888 0,3775 0,755 0,51
G (Temp. 18°): 14 18 22 24 46 82
°/, Ol. Amygd.d. verum: 0,0943 0,1885 0,377 0,64
G (Temp. 17°): 14 2,4 32 4
°/, Ol Rapae: 0,0188 0,0375 0,075 0,15
G (Temp. 159): 2 422 78 136
N; Ol. Oliv. Pr.: 0,2105 0,4210 0,5263 0,6316 0,7368 0,8421
G (Temp. 189: 1,75 3,3 37 38 5,1 554
Die untersuchten Öle hemmen also durchweg die Reaktion,
Keines derselben kommt aber an hemmender Wirkung dem
Lecithin gleich.
Weitere Untersuchungen über die Bildung löslicher Stärke
bei Schimmelpilzen mit besonderer Berücksichtigung der
Frage nach der Eiweißsynthese der Schimmelpilze.
Von
Friedrich „Boas.
(Aus dem botanischen Laboratorium der Kgl. Akademie Weihenstephan. °
Ausgeführt mit Unterstützung der Kgl. Bayr. Akademie der Wissen-
schaften, Brunneckstiftung.)
(Eingegangen am 2. November 1917.)
In zwei früheren Mitteilungen!) habe ich gezeigt, daß
Aspergillus niger aus zahlreichen Kohlenstoffquellen bei Gegen-
wart genügender Mengen von Wasserstoffionen einen jodposi-
tiven Körper bildet, der als lösliche Stärke bezeichnet wurde.
In der Zwischenzeit wurden noch weitere zur Stärkebildung
brauchbare Kohlenstoffquellen aufgefunden, von denen besonders
die Chinasäure hier angeführt sei. Diese Säure gehört bekannt-
lich zur aromatischen Reihe und beansprucht daher ein ganz
besonderes Interesse, da alle anderen untersuchten und zur
Stärkebildung geeigneten Kohlenstoffquellen der aliphatischen
Reihe angehören. Daher sollen hier einige Versuche mit China-
säure angeführt werden. Wie aus den folgenden Übersichten
hervorgeht, kann Aspergillus niger aus Chinasäure leicht lösliche
Stärke bilden, besonders wenn die Nährlösung aus Chinasäure-
Ammonsulfat besteht. Das ist ohne weiteres zu erwarten, da
hier eben durch den Verbrauch von Ammonsulfat andauernd
neue Schwefelsäure frei wird, die ihrerseits dann als Aktivator
der Stärkebildung wirkt. Bei Verwendung einer Nährlösung,
jedoch wie Chinasäure-Asparagin, ist die Dauer der Stärke-
1) Fr. Boas, diese Zeitschr. 78, 308, 1916 und 81, 80, 1917.
Fr. Boas: Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 111
bildung im allgemeinen gering, wenn man nicht sehr hohe
Säuremengen anwendet. Denn beim Wachstum des Pilzes ver-
schwindet rasch die Säure, andere Säurequellen fehlen aber,
daher kann die Stärkebildung auch nicht lange anhalten. Bei
Gegenwart von weniger als 6 bis 6,6°/, Chinasäure (Asparagin
als Stickstoffquelle) findet überhaupt keine Stärkebildung mehr
statt. Es ist das annähernd dieselbe Konzentration, wie sie
zur Stärkebildung aus Wein- und Citronensäure bei Gegenwart
von Asparagin als Stickstoffquelle notwendig ist. Nimmt man
Ammonsalze der Mineralsäuren als Stickstoffquelle, so ist die
zur Stärkebildung nötige Chinasäurekonzentration wesentlich
niedriger (ca. 3,6°/, Chinasäure, 1°/, Ammonsulfat). Nach dieser
Übersicht über das Verhalten der Chinasäure sollen die folgenden
Versuche die nötigen Belege bringen.
a) Nährlösung: Chinasäure 10°/,, Ammonsulfat 1°/,.
Versuchsbeginn: 11. VII. 1917.
Reaktion der Nährlösung mit Jod am:
12. (+) Spur .
13. ++ .
14. ++ ...
15. -+ Abnahme
16. (+) Spur.
Kir lan.
Temperatur 33°.
b) Nährlösung: Chinasäure 10°/,, Asparagin 1,4°/,.
Versuchsbeginn: 29. V. 1917.
Reaktion der Nährlösung mit Jod am:
Joo on
e PART : | Temperatur 33°,
Unter den erwähnten Bedingungen findet sich also bei
Verwendung von Ammonsulfat lösliche Stärke 5 Tage lang in
der Nährlösung vor, während bei Verwendung von Asparagin
lösliche Stärke kaum 24 Stunden lang vorhanden ist.
Als Gesamtresultat der zahlreichen Versuche ergibt sich,
daß Aspergillus niger unter geeigneten Bedingungen, d. h. bei
Vorhandensein genügender Mengen Wasserstoffionen, aus fol-
genden Kohlenstoffquellen lösliche Stärke bilden kann:
a) Monosen: Dextrose, Lävulose, Mannose und (weniger
leicht) Galaktose.
112 Fr. Boas:
b) Biosen und Polyosen: Saccharose und Raffinose (leicht),
Maltose (schwieriger).
c) Pentosen: Arabinose (andere Pentosen wurden nicht
untersucht).
d) Höhere Alkohole: Glycerin und Mannit; doch mit Sicher-
heit nur in der Kombination: Alkoholasparagin 4 freie Mineral-
säure; nicht oder nur ganz spurenweise in der Kombination:
Alkoholammonsalz der Mineralsäuren!). -
e) Organische Säuren: Apfel-, Wein-, Citronen- und China-
säure (leicht); Bernstein- und Oxalsäure (schwierig).
Mit negativem Ergebnis wurden noch folgende, zum Teil
gute Kohlenstoffquellen geprüft: Milchzucker, Tannin, Milch-,
Malon-, Fumar-, Glykol-, Glykon-, Brenztrauben-, Lävulin-,
Glutar- und Mandelsäure.
Diese hier in groben Umrissen geschilderten Vorgänge der
Bildung löslicher Stärke treten bei geeigneten Versuchsbedin-
gungen bei vielen Pilzen auf; worauf hier nur hingewiesen
werden soll. Es handelt sich also um einen ziemlich weit ver-
breiteten Vorgang, der tief in den Stoffwechsel eingreift. Auf-
fallenderweise ist dieser so leicht nachzuweisende
Vorgang trotz zahlreicher ähnlich gelagerter Unter-
suchungen bis jetzt stets übersehen worden, obwohl
er gerade bei der Frage nach der Bildung des Eiweißes
bei Pilzen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.
Die ganze Eiweißfrage muß daher unter diesen Umständen einer
gewissen Nachprüfung unterzogen werden.
Bekanntlich nimmt ein Teil der Forscher im Anschluß an
Loew und Naegeli an, daß die Eiweißsynthese vom Am-
moniak ausgeht, daß anders gebaute Stickstoffverbindungen
daher erst desamidiert werden müssen. Die neueren Unter-
suchungen von Ehrlich?) über den Eiweißauf- und Abbau
der Hefe können als wesentliche Stütze dieser Ansicht von
Loew und Naegeli gelten. Im Gegensatz zu der Ammoniak-
theorie steht Czapek°) mit seiner Theorie der direkten Ver-
1) Hierbei ist Phosphorsäure als sehr schwach dissoziierte Mineral-
säure stets ausgeschlossen.
2) Ehrlich, diese Zeitschr. 75, 1916, woselbst weitere Literatur.
3) Czapek, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1 bis 8, 1902,
1913.
Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 113
wertbarkeit der Aminosäuren, derzufolge „Aspergillus niger
wesentlich in seinem Gedeihen unterstützt wird, wenn man ihm
die Arbeit der Aminosäurensynthese erspart und ihm fertige
Aminosäuren darreicht. Die Verarbeitung fertiger Aminosäuren
zu Eiweiß vollzieht aber Aspergillus niger mit größter Leich-
tigkeit, ob man ihm nun eine einzige beliebige oder ein Ge-
menge aus verschiedenen Aminosäuren beliebiger Zusammen-
setzung als Stickstoffquelle darreicht!).“ Czapeks Anschauung
suchte nun in neuester Zeit Puriewitsch experimentell zu
beweisen, allerdings nur mit Scheingründen, und ganz zuletzt
hat Brenner?) die unkritischen Angaben Puriewitschs?) ohne
Widerspruch übernommen. Da nun durch die Auffindung der
Bildung löslicher Stärke ein neuer Gesichtspunkt in die Physio-
logie der Pilze kommt, ist es angezeigt, die Eiweißfrage er-
neut einer kurzen, kritischen Prüfung zu unterziehen.
Die Frage nach der Eiweißsynthese der Schimmelpilze
wurde auf zwei verschiedenen Wegen zu lösen versucht; der
eine Weg besteht in der Bestimmung und Vergleichung der
Erntegewichte, der andere beruht auf der Messung der Energie
(CO,)-Menge, die zur Bildung einer bestimmten Pilztrocken-
substanz verbraucht wird. Der erste Weg ist der häufiger an-
gewandte; ihm folgt B. Czapek und viele andere. Wir werden
aber gleich sehen, daß beide Methoden ziemlich unkritisch ge-
handhabt worden sind, daß daher die erzielten Resultate sehr
unzuverlässig sind.
Wollen wir z.B. mit Czapek prüfen, ob Ammonstickstoff
oder Aminosäuren die bessere Stickstoffquelle abgeben, so er-
nähren wir in dem einen Falle den Versuchspilz nach folgen-
dem Schema:
A. Zucker + Ammonstickstoff (z. B. wie Czapek: Saccharose
-+ Ammonsulfat) oder nach dem Schema:
B. Zucker + Aminosäure (und verwandte Verbindungen)
(z. B. Saccharose -+ Asparagin, Alanin, Leucin oder auch Betain-
chlorhydrat, Guanidinchlorhydrat usw.).
Aus den in jedem Falle erhaltenen Erntegewichten schließt
Czapek auf den Nährwert der Stickstoffquelle und kommt
1) Czapek, l. o. 1, 553, 1902.
%) Brenner, Centralbl. f. Bakt. II, 40, 555 ff., 1914.
3) Puriewitsch, diese Zeitschr. 88, 1, 1912.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 8
114 Fr. Boas:
schließlich zu dem Ergebnis, daß Aminosäuren die besten Stick-
stoffquellen darstellen, daß also seine Theorie wohl begründet
erscheint. Dabei übersieht er zweierlei:
1. Ist es ohne weiteres unzulässig, die Werte der Ernte-
gewichte bei Ernährung mit Asparagin, Leucin, Tyrosin einer-
seits mit denen von Stickstoffquellen wie Betainchlorhydrat
(kurz allen Chlorhydraten) andererseits zu vergleichen. Denn
im letzteren Falle steht das Ergebnis des Versuches unter dem
vorerst unbekannten Einflusse freier Salzsäure. Die Versuchs-
bedingungen sind zu ungleich. Dieser große Unter-
schied wird als völlig belanglos gar nicht in Erwägung
gezogen.
2. Bildet sich bei Verwendung gewisser Chlorhydrate, z. B.
Betainchlorhydrat, lösliche Stärke, bei anderen nicht; es sind
also schon diese Stickstoffquellen in sich ungleich; dann bildet
sich aber auch bei Verwendung von Ammonsulfat, Ammonnitrat
und -Chlorid lösliche Stärke wegen des Freiwerdens von Mineral-
säure. Bei Verwendung von Asparagin, Glykokoll, Alanin (oder
Harnstoff) entsteht natürlich niemals lösliche Stärke, da hier
eine viel zu geringe Acidität (durch Oxalsäurebildung) entsteht.
Damit sind die prinzipiellen Ernährungsgegensätze kurz her-
vorgehoben.
Als Resultat ergibt sich, daß Czapeks Ernte-
gewichte überhaupt nicht vergleichbar sind, da die
Versuchsbedingungen so verschieden sind, daß der
Stoffwechsel des Aspergillus niger qualitativ und
quantitativ in ganz verschiedener Richtung vor sich
geht. Mit dieser Feststellung werden Czapeks Resultate schon
sehr unsicher, wenn nicht ganz unbrauchbar für theoretische
Absichten. Daß bei der Czapekschen Versuchsverwertung für
theoretische Zwecke auch ganz grobe, äußerliche Ungleichheiten
in der Ausbildung der Decke (Fehlen der Konidienbildung z.B.
bei Verwendung von Betainchlorhydrat) nicht beachtet wur-
den, sei nur kurz erwähnt. Solche Auffälligkeiten hätten aber
doch auch weiter verfolgt werden müssen; sie wurden aber sehr
allgemein völlig übersehen, z. B. auch von Brenner!), der ohne
weitere Untersuchung über diesen Punkt hinweggeht.
Aber noch in anderer Hinsicht sind Czapeks Ergebnisse
1) W. Brenner, Centralbl. f. Bakt. II, 40, 555ff., 1914.
Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 115
für theoretische Verwertung völlig unbrauchbar. Bei Czapeks
Arbeitsweise tritt infolge der langen Versuchsdauer der Einfluß
der Proteolyse, die Malfitano!) aufgedeckt hat, sehr stark
hervor; leider hat Czapek es unterlassen, zu prüfen, ob nach
21tägiger Versuchsdauer die Erntegewichte noch brauchbar sind
oder nicht. Durch den Einfluß der Proteolyse ver-
ringert sich aber die Ernte teilweise ganz bedeutend,
namentlich wenn die Nährlösung infolge ihrer Zusam-
mensetzung alkalisch werden kann. Bleibt aber die Nähr-
lösung sauer, z. B. bei Verwendung von Ammonsalzen starker
Säuren, etwa Ammonsulfat, oder von Chlorhydraten z. B. Betain-
chlorhydrat, so wirkt die freiwerdende Säure stark hemmend
auf die Proteolyse, d.h. in diesem Falle findet man noch nach
langer Zeit hohe Erntegewichte. Man kann also nach Be-
lieben je nach der Erntezeit jedes beliebige Ernte-
gewicht finden. Wenn wir nun nicht für jede zu prüfende
Stickstoffquelle den Zeitpunkt der maximalen Ernte genau fest-
legen und im richtigen Momente ernten, dann sind alle Ernte-
gewichte wertlos. Diese Mühe hat sich zwar Brenner gemacht,
aber er hat den eigentlichen Inhalt seiner Arbeit übersehen,
sonst hätte bereits er die notwendigen Schlüsse ziehen müssen,
die für die Grundlagen der theoretischen Ergebnisse Czapeks
hätten vernichtend werden müssen.
Diese Unterlassung Czapeks, die Zulässigkeit seiner Methode
zu prüfen, hat nun zu ganz falschen Schlüssen in theoretischer
Hinsicht geführt; die nun gleich berichtigt werden sollen.
Czapek kommt auf Grund seiner Erntegewichtsbestim -
mungen infolge Vernachlässigung des Einflusses der Proteolyse
über den Nährwert von Harnstoff, Biuret und Guanidin zu
folgenden Sätzen:
1. „Die Kuppelung zweier Harnstoffmoleküle im Biuret
CO — NH —CO
| |
NH, NH,
hat auf die Eignung als Nährstoffl, wie theoretisch zu er-
warten ist?), keinen großen Einfluß.
1) G. Malfitano, Annales de l’Inst. Pasteur 14, 60, 1900.
2) Vom Verf. gesperrt!
gr
116 Fr. Boas:
2. Durch Überführen des Harnstoffs in sein Amidin, das
Guanidin, steigert man den Nährwert jedoch beträchtlich.“
Die Czapekschen Erntegewichte betragen nun für
Harnstoff Biuret Guanidinchlorhydrat
0,1803 g 0,1724 g 0,4291 g
0,2008 g 0,1437 g 0,5148 g
0,1987 g 0,2112g 0,5653 g
0,2585 g
Es ist also nach diesen Zahlen Czapeks tatsächlich der
Nährwert von Harnstoff und Biuret ziemlich gleich, Guanidin
aber ist ganz ungleich besser. Dabei ist allerdings der mög-
liche Einfluß des Vorhandenseins der freien Salzsäure bei Ver-
wendung von Guanidinchlorhydrat völlig ignoriert und ebenso
die Tatsache, daß bei Verwendung von Biuret nur eine spär-
liche Conidienbildung eintreten kann, als belanglos übergangen.
Schon diese Störung der normalen Entwicklung hätte bei sonst
gleichen Erntegewichten vor einer Gleichsetzung von Biuret und
Harnstoff warnen sollen. In Wirklichkeit ist der Nährwert der
angeführten Stickstoffquellen ganz anders, wie die folgenden
Erntegewichte beweisen:
a) Erntegewichte bei Verwendung von Harnstoff (50 ccm,
5°/, Dextrose‘) 1°/, Harnstoff, 33°)
0,8350g nach 48
0,6320g nach 1446
= 24,2°/, infolge starker Proteolyse!
b) Erntegewichte bei Verwendung von Biuret (äquivalent
1°/, Harnstoff)
also 0,2030g Abnahme
0,1025g 48h alt,
0,1470 g 144 alt.
Ganz langsames Wachstum; keine Proteolyse in 144 Stunden.
c) Erntegewichte bei Verwendung von Guanidinchlorhydrat
(äquivalent 1°/, Harnstoff)
0,2495g 48 alt,
0,6750g 144» alt.
Proteolyse noch nicht eingetreten infolge Vorhandenseins
. starker Säure!
1) Die Verwendung von Dextrose statt wie bei Czapek Saccha-
rose ist belanglos für die Resultate.
Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 117
Wir sehen, daß Harnstoff ein äußerst rasches Wachs-
tum gestattet, daß aber ebenso rasch die Proteolyse
eintritt: Biuret läßt nur ein ganz langsames und Guanidin
ein gutes Wachstum zu. Bei Verwendung einer anderen Kohlen-
stoffquelle, z. B. von Citronensäure, ergibt sich genau dasselbe
Bild. Wir erhalten z. B. bei Verwendung von 7°/, Citronen-
säure nach 5 Tagen folgende Zahlen:
a) für Harnstoff. . . . . . 0,5750g,
b) für Biuret . . . . . . . 0,0195g,
c) für Guanidincarbonat . . 0,3150g
(0,4148 g nach 8Tag.),
d) fürGuanidinchlorhydrat . . 0,4460 g.
Einzig das Übersehen des Einflusses der Proteolyse ver-
. anlaßte Czapek zu verfehlten Schlüssen. Denn bei Gegenwart
von Harnstoff findet sehr rasch Proteolyse statt, bei Verwen-
dung von Guanidinchlorhydrat verhindert die freie Salzsäure
die Proteolyse, und so erhält man im letzteren Faile hohe Ernte-
gewichte, natürlich ganz sekundärer Natur.
Hinsichtlich ihres Nährwertes ordnen sich demnach die
3 untersuchten Stickstoffquellen folgendermaßen an: 1. Harn-
stoff, 2. Guanidin; letzteres nur wenig hinter Harnstoff zurück-
stehend, und 3. als ganz minderwertig Biuret; Czapeks An-
ordnung: Guanidin— sehr gut und Biuret-Harnstoff — gut ist
demnach völlig irrig. Diese hier berichtigte Anordnung des
Nährwertes der 3 Stickstofiquellen gilt aber nicht bloß für
Aspergillus niger, sondern, wie hier durchgeführte, noch nicht
weiter veröffentlichte Versuche zeigen, auch für Arten der Gat-
tungen Penicillium und Cladosporium. Dies soll durch einige
Angaben bekräftigt werden. Es betrugen nämlich nach fünf-
tägiger Kultur auf eine Dextroselösung (30 cem 5°/ ige Dextrose)
bei Gegenwart gleicher Stickstoffmengen die Erntegewichte für
Penicillium 5
a) auf Harnstoff: 0,5050 g (Nährlösung bereits schwach alka-
lisch),
b) auf Biuret: wenige Milligramme (nicht gewogen),
c) auf Guanidin: 0,0250 g (Guanidincarbonat, Nährlösung mit
Phosphorsäure genau lackmus-neutral gemacht).
Für die Gattung Cladosporium, die physiologisch ganz anders
118 Fr. Boas:
sich verhält wie Aspergillus und Penicillium, wurden unter ganz
gleichen Bedingungen folgende Erntegewichte festgestellt:
a) auf Harnstoff: 0,0350 g (Lösung stark alkalisch gewor-
den und bereits Proteolyse eingetreten, Ernte also be-
reits kleiner geworden),
b) auf Biuret: 0,0100g (Lösung lackmussauer),
c) auf Guanidin: 0,0250g (Guanidin wie oben).
Schließlich sei noch ein Versuch mit einem vierten, phy-
siologisch wieder sehr verschiedenen Organismus, nämlich mit.
einer Kahmhefe, erwähnt, die sich ganz ähnlich wie die vor-
erwähnten Arten verhielt. In allen Fällen ist Guanidin
weniger brauchbar als Harnstoff; Biuret aber ist im
Vergleiche mit den beiden anderen Stickstoffquellen
durchaus minderwertig. Da die verschiedensten Organis-
men zu den drei geprüften Stickstoffquellen sich gleichartig
verhalten, eo scheint mit dieser Feststellung eine allgemein
gültige Charakterisierung ihres Nährwertes erzielt zu sein, die
aber ganz anders aussieht als Czapeks Anordnung Guanidin
—=sehr gut, Harnstofi-Biuret — gut!
Die Methode der Erntegewichtsbestimmung liefert nach
den mitgeteilten Erörterungen nur wenig brauchbare Werte,
namentlich wenn der Einfluß der Proteolyse nicht sorgfältig
beachtet wird. Einen anderen Weg zur Lösung der Frage der
Eiweißbildung der Schimmelpilze hat Puriewitsch'!) einge-
schlagen. Er maß die für die Bildung einer bestimmten Ernte-
menge verbrauchte Energiemenge, indem er die ausgeschiedene
Atmungskohlensäure in Barytlauge auffing. Der Quotient
Co,
Ernlegenicht
gibt dann für eine bestimmte Stickstoffquelle eine zuverlässige
Zahl hinsichtlich ihres Nährwertes. Da die Versuchsdauer
nur 48 Stunden betrug, so sind natürlich die gefundenen
Erntegewichte unabhängig von der Proteolyse und daher ein-
wandfrei; es sind also mindestens die Erntegewichte zuver-
lässig; ob die Zahlen für die ausgeschiedene Kohlensäure es
auch absolut sind, soll hier noch nicht erörtert werden.
Das Auftreten löslicher Stärke in zahlreichen seiner Ver-
1) Puriewitsch, diese Zeitschr. 88, 1ff., 1912.
Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 119
suche (Ammonsalze der Mineralsäuren, Chlorhydrate organischer
Stickstoffquellen) und den möglichen Einfluß dieser hier nur
angedeuteten Verhältnisse und äußerer Ungleichheiten der Ver-
suchsbedingungen auf die Größe der Kohlendioxydausscheidung
hat Puriewitsch natürlich ebenso übersehen, wie alle seine
Vorgänger. Ebensowenig hat er sich überlegt, ob man ohne
weiteres Stickstoffquellen wie Ammonsulfat einerseits und As-
paragin oder Harnstoff andererseits miteinander vergleichen
kann, da doch die Aciditätsverhältnisse!) der Nährlösungen im
Verlaufe des Stoffwechsels sich sehr verschieden gestalten wer-
den, der Pilz aleo sehr bald unter nicht vergleichbaren Be-
dingungen wird wachsen müssen. Alle diese Punkte hat Purie-
witsch übersehen. Er fand nun folgende Energiequotienten
für die angeführten Stickstoffquellen:
a) Kohlenstoffquelle Dextrose:
Energiequotient Erntegewichte
Methylharnstoff 0,64 . . 2. 2 2 220...
Glykokoll . . 068.2. 22.2.2... 2,183g
~ Asparagin . . 083... 2.2 sa.: 1,397g
Harnstoff . . 096.22 22020200. 1785g
Ammonsulfat
+ IH rer ee DR
Ammonphosphat
Kalisalpeter.. 123... 2.2.2.2... 1514g
Pepton ;.: 138.:....%2.x..%, 1022g
Hühnereiweiß . 160... 2. .2.....1159g
Phenylharnstoff 2,42 . . 2.2.2.2... 0,126g
b) Apfelsäure als Kohlenstoffquelle:
Glykokol . . 190.2. 22.2.0... 0,7988
Kalisalpeter. . 23,03... 22.2... 0,208g
Ammonsulfat
+ 188%, .. m 0.4 10.0 . 0,857g
Ammonphosphat
Harnstoff . . . 256.2. 2 22200... 0,356g
Pepton. ... 2372 ....2.2.20.0.0.0407g
Methylharnstoff 3,13 . . 22.2.2... 0,3908
1) Hierüber soll in einer anderen Arbeit berichtet werden.
.
120 ‘Fr. Boas:
c) Glycerin als Kohlenstoffquelle:
Energiequodient Erntegewichte
Ammonsulfat
+ 0,79 0,927 g
Ammonphosphat
Glykokol .. 096. 222 22.2.0. 0,8218
d) Mannit als Kohlenstoffquelle:
Ammonsulfat
+ 084.222. 0,6858
Ammonphosphat
Glykokoll . . 086.22 2.2.20... 0,734g
e) Chinasäure als Kohlenstoffquelle:
Ammonsulfat
+ KOG oona wen, SE
Ammonphosphat
Glykokoll . . 1,90. a an Are
Asparagin . . 208... 2.2.20.20...0,523g
Diese vorstehend mitgeteilten Zahlen bringen eine Auswahl
aus der Arbeit von Puriewitsch. In diesen Zahlen sieht
Puriewitsch eine Bestätigung der Czapekschen Aminosäuren-
theorie. Diesen durch nichts begründeten Schluß hat dann
später Brenner ohne weitere Kritik als rechtmäßig über-
nommen. Nun sind freilich bei Verwendung von Dextrose als
Kohlenstoffquelle die Energiequotienten für Glykokoll, Tyrosin,
Alanin, Leucin und Asparagin wesentlich niedriger als der für
Ammonsulfat-Phosphat. Aber daß z. B. Pepton als leicht zu-
gängliches Gemisch aller möglichen Aminosäurenverbände und
Hühnereiweiß gar so sehr ungünstig gegenüber Ammonsulfat
und sogar Kalisalpeter abschneiden, ist nach der Czapekschen
Theorie nicht sehr verständlich. Denn schließlich ist doch der
Gedanke recht naheliegend, daß, wenn die Czapeksche Amino-
säurentheorie stimmt, der Pilz von einem leicht realisierbaren
Gemisch von Aminosäuren (Pepton oder Hühnereiweiß) schneller
und leichter zu seiner Eiweißsynthese kommt, als wenn er den
weiten Weg vom Nitratstickstoff aus über Nitrit und Ammoniak
zur Aminosäure zurückzulegen hat.
Diese wohlbegründete Einwandsmöglichkeit hat nun auch
Puriewitsch gefühlt, aber als unbequeme Tatsache nicht weiter
Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 121
beachtet. An den Gedanken vollends, daß die im Verlaufe des
Stoffwechsels entstehenden freien Mineralsäuren (z. B. Schwefel-
säure oder Salzsäure bei Verwendung von Chlorhydraten) das
Resultat beeinflussen könnten, hat er ebensowenig wie alle seine
Vorgänger gedacht. Daher sind seine Zahlen nur nach sorg-
fältiger Kritik zu Schlüssen zu gebrauchen. Diese Kritik ver-
missen wir aber gänzlich.
Wie nun Vorhandensein freier Mineralsäure den Energie-
quotienten beeinflußt, das zeigt folgender bei 33° mit Dextrose-
Asparagin durchgeführter Versuch.
Erntegewicht CO,-Menge Energiequotient
a) Dextrose-Asparagin (ohne
freie Mineralsäure) . . 0,55 g 0,346 g 0,63
b) Dextrose-Asparagin
+ 0,25°/, H,S0O, . . . 0,37g 0,296 g 0,80
Es wird also nach diesen Zahlen durch stärkere Erhöhung
der Acidität der Nährlösung der Energieverbrauch beträchtlich
erhöht. Analog liegen nun die Verhältnisse bei Verwendung
von Ammonsulfat-Phosphat, freilich ist hier die Ausgangsacidität
der Nährlösung geringer als im obigen Versuche b; jedoch steigt
im Laufe des Versuches mit dem Verbrauche von Ammoniak
die Acidität rasch auf ein den Stoffwechsel schädlich beein-
flussendes Stadium an. In beiden Fällen bildet sich lösliche
Stärke. Ob nun die Bildung löslicher Stärke allein oder die
höhere Acidität oder beides zusammen den größeren Energie-
verbrauch bedingt, ist nicht klar und vorerst für die hier an-
geschnittene Frage der Eiweißsynthese auch belanglos. Jeden-
falls ist sicher, daß Puriewitsch ganz zu unrecht seine Zahlen
als für Czapek beweisend ansieht; höchstens gilt dies, wenn
man nur Dextrose als Kohlenstoffquelle berücksichtigt und die
anderen Kohlenstoffquellen gewaltsam übersieht. Abgesehen
davon gehen aber die Versuche unter derart verschiedenen
Bedingungen vor sich, daß die auftretenden Stoffwechselpro-
dukte und ihre Einwirkungen auf das Endresultat unmöglich
übersehen werden dürfen, wie dies auch Puriewitsch tat.
Zur exakten Entscheidung der Frage, ob die Eiweißbildung
leichter mit Ammoniak oder mit fertigen Aminosäuren vor sich
geht, handelt es sich nun einzig darum, eine Nährstoffkombi-
nation zu finden, bei der die Verwendung von Ammonsulfat
122 Fr. Boas:
trotz des Freiwerdens von Mineralsäure keine irgendwie nennens-
werte Störung im Stoffwechsel hervorgerufen wird. Das ist
nun meist schon rein äußerlich durch rasche Conidienbildung
und das Fehlen der Bildung löslicher Stärke zu erkennen. Die
Verwirklichung dieser Bedingungen finden wir bei Verwendung
von Mannit, Glycerin und nahezu von Chinasäure. Sehen wir
nun bei Verwendung dieser Kohlenstoffquellen die Energie-
quotienten für Ammonsulfat-Phosphat einerseits und Glykokoll
oder Asparagin andererseits an, so finden wir, daß hier tat-
sächlich Ammonstickstoff leichter und besser ver-
arbeitet wird als die fertige Aminosäure. Da aber hier
die durch den Stoffwechsel frei gewordene Mineralsäure keine
Störungen hervorruft, so sind die erhaltenen Zahlen direkt ver-
gleichbar. Die Erntegewichte des Systems Glycerin-Ammonsalz
bzw. Mannit und Chinasäure-Ammonsalz sind dabei höher oder.
mindestens gleich hoch als für die zu vergleichende Amino-
säure. Es ist also hier erwiesen, daß tatsächlich Am-
moniak besser verwertet wird als Aminosäuren, die
sonst als hervorragend gute Stickstoffquellen bekannt sind.
Mit anderen Worten, der höhere Energieverbrauch bei Ver-
wendung von Aminosäuren ist wohl auf die Desamidierung zu-
rückzuführen. Ganz ähnliche Fälle liegen noch vor bei dem
System Apfelsäure-Ammonsalz einerseits und Apfelsäure-Glyko-
koll; auch hier ist das Erntegewicht bei Verwendung von Am-
monsalz höher, der Energieverbrauch aber niedriger als bei
Anwendung der Aminosäure. Diese Feststellungen sind mit
der Czapekschen Annahme nicht gut vereinbar.
Aus den mitgeteilten Energiequotienten geht aber noch
in ganz besonders deutlicher Weise hervor, daß die Verwert-
barkeit einer bestimmten Stickstoffquelle von der Kohlenstoff-
quelle abhängt; eine bereits bei Pfeffer!) betonte Tatsache,
auf die aber Puriewitsch in keiner Weise Rücksicht genom-
men hat. Denn sein Schluß, daß seine Ergebnisse für Czapeks
Theorie sprechen, ist nur mit einiger Sicherheit allein für
Dextrose zulässig; die anderen Kohlenstoffquellen aber hat er
dabei völlig außer Betracht gelassen, sonst hätte er bei einiger
Kritik zu anderen Resultaten kommen müssen. Sehr deutlich
1) W. Pfeffer, Pflanzenphye. 1, 396, 2. Aufl. 1897.
Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Schimmelpilzen. 1283
tritt die Abhängigkeit des Nährwertes der Stickstoffquelle von
der Kohlenstoffquelle bei Verwendung von Harnstoff und Kali-
salpeter hervor. Denn in der Kombination Dextrose-Harnstoff
stellt Harnstoff eine wesentlich bessere Stickstoffquelle dar als
in der Kombination Apfelsäure-Harnstoff. Im letzteren Falle
ist Salpeter wesentlich besser als Harnstoff‘). Diese Relativität
des Nährwertes der Stickstoffquellen hat Puriewitsch und vor
ihm viele andere übersehen, dieses Übersehen führt dann leicht
zu unhaltbaren Schlüssen und Verallgemeinerungen.
Dann zeigen die mitgeteilten Zahlen auch noch sehr deut-
lich, daß ein und dieselbe Stickstoffquelle hinsichtlich
ihres Nährwertes von den entstehenden Stoffwechsel-
abfällen wesentlich beeinflußt wird. Das sehen wir sehr
genau bei Verwendung von Harnstoff-Methylharnstoff-Phenyl-
harnstof. Die Einführung der Phenylgruppe bedingt höchst-
wahrscheinlich das Auftreten giftiger Stoffwechselprodukte, daher
ist der Energiequotient in allen Fällen sehr hoch; während
Methylharnstoff je nach der Kohlenstoffquelle teils sehr leicht,
teils schwieriger verarbeitet wird.
Die Schwierigkeit der Verarbeitung von Pepton (und Hühner-
eiweiß) liegt wahrscheinlich in der starken Oxalsäurebildung
des Pilzes begründet, die den enzymatischen Abbau des Peptons
erschwert. Ganz in Übereinstimmung mit dieser Annahme
lauten Versuchsergebnisse von Linossier und Roux?). Diese
Forscher gewöhnten nämlich Aspergillus niger an schwach alka-
lische Reaktion und fanden, daß in diesem Falle Pepton eine
ganz hervorragende Stickstoffquelle ist. Wenn auch ihre Ver-
suche nicht völlig exakt sind, so dürfen sie dennoch mit großer
Wahrscheinlichkeit im obigen Sinne verwertet werden.
Bei den vorliegenden Erörterungen ist nur versucht worden,
solche Resultate zu verwerten, die unter vergleichbaren Be-
dingungen gewonnen wurden. Dabei dürften aber noch nicht
alle Fehlerquellen ausgeschaltet sein. Es ist nämlich die Mög-
lichkeit des Einflusses der alkoholischen Gärung nicht weiter
berücksichtigt worden. Bekanntlich ist von Junitzky?) das
Vorhandensein der Zymase in Aspergillus niger nachgewiesen
1) Siehe die mitgeteilten Energiequotienten!
2) G. Linossier u. G. Roux, Compt. rend. 110, 355, 1890.
®) Junitzky, Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 25, 210, 1907.
124 Fr.Boas: Bild. lösl. Stärke der Eiweißsynthese bei Sohimmelpilzen.
worden, und Molliard!) hat die alkoholische Gärung kurz ver-
folgt. Wie hier freie Mineralsäuren die Energiequotienten mit-
bestimmen, ist noch ganz unklar.
Wie ferner die Verschiedenheit der Stickstoffquellen die
Aschenverhältnisse und damit möglicherweise den Energiehaus-
halt beeinflußt, ist ebenfalls unklar. Jedenfalls haben die hier
durchgeführten, orientierenden Versuche ergeben, daß je nach
den Versuchsbedingungen auch die Asche in sehr weiten Grenzen
schwankt; es wird also auch dieser Teilprozeß des Stoffwechsels
sehr weitgehend beeinflußt?).
Wenn also auch in mehreren Fällen, nämlich bei Ver-
wendung von Mannit, Glycerin und Chinasäure, Ammonstickstoff
besser verarbeitet wird als Glykokoll oder Asparagin und damit
die Loewsche Annahme eine wesentliche Stütze erhält, so ist sie
infolge der Schwierigkeit der Untersuchungsmethode noch keines-
wegs endgültig gesichert. Jedenfalls aber ist die Loewsche
Annahme wesentlich besser begründet als die Czapeksche
Aminosäurentheorie, für die kein einziger, sicherer, experimen-
teller Befund erbracht werden konnte.
1) Molliard, Compt. rend. de l’Aoad. d. Sc. 163, 570 bis 572, 1916.
2) Infolge äußerer Verhältnisse ist die völlige Durchführung der
Arbeit in der angegebenen Absicht zur Zeit unmöglich, daher hier diese
Zusammenfassung.
Über die Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung.
Von
A. Loewy und R. von der Heide.
(Aus dem Tierphysiologischen Institute der Landwirtschaftlichen Hoch-
schule in Berlin.)
(Eingegangen am 30. Oktober 1917.)
Mit 5 Figuren im Texte.
Inhalt. Seite
A. Einleitung und Methodisches . . » .» : 2:2 222er .. 125
B. Verlauf und obere Grenze der Alkoholansammlung. Verhalten
der Tiere bei verschiedenem Gehalt an Äthylalkohol . . . . . 131
1. Versuche an Ratten .. 2 2 2 2 2 2 een. 134
2. Versuche an Meerschweinchen...» ». 2» 2 2222 .. 139
3. Alkoholmengen, die pro mm Alkoholspannung aufgenommen
werden. Vergleich mit dem Methylalkohol. . . . . . . 143
C. Über die Verbrennung des Alkohols im Körper bei seiner Auf-
nahme durch die Lungen . .... 2.220. En E
D. Über die Beziehungen zwischen Alkoholansammlung und Alkohol-
ABAMUNE:, aeoe aa a e Br, re er er ee, a 154
E. Versuche über Alkoholeinatmung beim Menschen. .. .... 160
F. Über den Alkoholgehalt der Luft in gewerblichen Betrieben, in
denen Alkohol reichlich zur Verdampfung kommt ...... 165
G. Vergleich zwischen der Giftigkeit des Äthyl- und des Methyl-
alkohols: 4.0. are 0 en ee re were... aa 168
H. Schlußfolgerungen . . 2: 222 2 een 173
A. Einleitung. Methodisches.
Im 65. Bande dieser Zeitschrift haben wir über Versuche
berichtet!), die die Frage nach der Aufnahme von Methyl-
1) A. Loewy u. R. v. d. Heide, Über die Aufnahme des Methyl-
alkobols durch die Atmung, diese Zeitschr. 65, 230, 1914.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 9
126 A. Loewy u. R. von der Heide:
alkohol durch die Atmung betrafen. Diese Versuche waren an-
geregt durch Angaben, wonach der als Denaturierungsmittel
benutzte Holzgeist schädlich wirken sollte auf Arbeiter, die
seine Dämpfe in Betrieben einatmeten, in denen mit Holzgeist
vergällter Spiritus in mehr oder weniger großen Mengen zur
Verwendung und zur Verdampfung kam.
Obwohl das zur Vergällung benutzte Gemisch neben Me-
thylalkohol andere für den menschlichen Organismus nicht
gleichgültige flüchtige Stoffe enthält, wurden die beobachteten
Schädigungen auf den ersteren bezogen.
Unsere Versuche sollten nun die Beziehungen zwischen
dem Methylalkoholgehalt der Atemluft und der in den Körper
durch die Lungen übertretenden Alkoholmenge feststellen. Dabei
ergab sich, daß angesichts der überaus geringen Mengen von
Methylalkohol, die in der Zimmerluft in Betrieben, in denen
große Mengen von denaturiertem Spiritus verdampfen, ent-
halten sind, Vergiftungen nicht erzeugt werden können, da die
aufgenommenen Methylalkoholmengen dazu bei weitem nicht
ausreichen. — Statistische Erhebungen in zahlreichen Betrieben
ergaben dementsprechend, daß Vergiftungen, die mit Bestimmt-
heit auf Methylalkohol zu beziehen waren, nicht zur Beobach-
tung gekommen waren').
In einzelnen Fällen wurde über Beschwerden geklagt, die
derart waren, daß der Gedanke nicht von der Hand zu weisen
war, sie könnten durch den verdampfenden Äthylalkohol, der
ja 97,5°/, des vergällten Branntweins ausmacht, während der
Methylalkohol in ihm nur zu ca. 1°/, enthalten ist, hervor-
gerufen sein. Insbesondere die nervösen Beschwerden wie Kopf-
weh, Zittern, Benommenheit, auch Brechneigung konnten als
Wirkungen des Äthylalkohols in Betracht kommen.
Es lag deshalb für uns nahe, in Fortsetzung unserer
früheren Versuche uns zu orientieren, wie sich die Aufnahme
des Äthylalkohols durch die Respiration verhält, welche Mengen
der Körper bei verschiedenem Gehalte der Atemluft an Äthyl-
alkohol aufnimmt, bei welcher Alkoholkonzentration sich Gift-
1) Vgl. A. Loewy, Inwieweit ist die gewerbliche Benutzung von
vergälltem Branntwein geeignet, gesundheitsschädliche Wirkungen hervor-
zurufen? Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. 48, 3. Folge, Supplem. (1914).
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 127.
wirkungen bemerklich machen, bei welcher ein tödlicher Er-
folg eintritt.
Neben dem rein wissenschaftlichen Interesse kommt diesen
Feststellungen eine erhebliche praktische Bedeutung in gewerbe-
hygienischer Beziehung zu, denn sie könnten unter Umständen
zu Maßnahmen Anlaß geben, durch die einer schädlichen
Alkoholanhäufung in der Luft von Arbeitsräumen, in denen
Alkohol in größeren Mengen verdampft, vorgebeugt werden
könnte, sowie andererseits Eingriffe als überflüssig aufweisen,
wenn sich zeigt, daß diese Anhäufung in der Praxis nicht die
Grenze zu erreichen vermag, die zu Schädigungen zu führen
imstande ist. —
So überaus umfangreich die Alkoholliteratur ist und so
zahlreich die Gebiete, für welche die Einwirkungen des Alko-
hols auf den Menschen wie auf Tiere untersucht wurden, so
findet sich eigentümlicherweise fast nichts von Mitteilungen
über die Wirkungen eingeatmeten Alkoholdampfes, insbe-
sondere nichts über die Beziehungen zwischen dem Gehalt der
Atemluft an ihm und der Menge an Alkohol, die in den Körper
übergeht, sowie über die Alkoholkonzentration in der Atem-
luft, bei der es zum Auftreten pharmakologischer bzw. patho-
logischer Folgen kommt. Selbst an Tieren sind letztere Fragen
nicht genauer verfolgt worden. Bei der unübersehbaren Fülle
der Arbeiten könnte der einzelne zwar einschlägige Unter-
suchungen leicht übersehen, aber auch die bekannte Zusammen-
stellung von Abderhalden!) bringt nichts über den Gegen-
stand, und in neuester Zeit scheint auch nichts darüber ge-
arbeitet zu sein.
Bekannt ist uns nur eine Arbeit von Grehant und
Quinquaud?), die über die Giftwirkung eingeatmeter Alkohol-
dämpfe handelt. Sie ließen Luft durch absoluten Alkohol
streichen, ließen sie Hunde einatmen und fanden, daß nach
3/, bis 2 Stunden kein Rauschzustand zustandegekommen war,
daß aber Alkohol sich in Blut und Harn fand. Wie hoch die
Konzentration des Alkohols in der Luft war, scheint nicht
1) E. Abderhalden, Bibliographie d. ges. wiss. Literatur ü. d.
Alkohol und den Alkoholismus. Berlin u. Wien 1904.
2) Grehant et Quinquaud, Sur l’absorption des vapeurs d’alcool
absolu par les poumons. Compt. rend. Soc. Biolog. 1883, 426.
g*
128 A. Loewy u. R. von der Heide:
festgestellt worden zu sein, ist jedenfalls in der kurzen Mit-
teilung nicht angegeben. —
Bei dem sowohl theoretischen wie praktischen Interesse
des Gegenstandes stellten wir unsere Versuche an Tieren ver-
schiedener Gattungen, Ratten und Meerschweinchen, teils auch
an Menschen an.
Der für Tiere benutzte Apparat entsprach im wesentlichen
dem für unsere Methylalkoholversuche verwendeten, nur war
noch eine Einrichtung angebracht, um neben der rechne-
rischen Ermittelung der Alkoholdampfmenge zugleich auch
ihre direkte Bestimmung vornehmen zu können. Wie die Ab-
bildung zeigt, setzt sich der Apparat zusammen aus einer
feuchten (genau geeichten) Gasuhr a, aus dem Alkoholgefäß b,
ferner der Einrichtung zur Entnahme einer Probe der alkohol-
haltigen Luft c und aus dem Tierbehälter d.
Fig, 1.
Durch die Gasuhr wurde Luft hindurchgedrückt. Diese
passierte außerhalb des Versuches eine Röhrenleitung, aus der
sie unmittelbar in den Tierkasten gelangte. Während des
Versuches war der direkte Weg gesperrt; die Luft mußte durch
einen Erlenmeyerkolben streichen, dessen Boden mit Alkohol-
lösungen verschiedener Konzentration bedeckt war. Sie ge-
langte dann mit dem durch Verdampfung sich ihr beimischen-
den Alkohol in eine Literflasche, teils der besseren Durch-
mischung halber, teils um etwa sich kondensierendes Wasser
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 129
abzugeben, und von hier erst in den Tierbehälter. Auf dem
Wege zu ihm war mittels T-Stückes eine Abzweigung ange-
bracht, die zu zwei Alkoholabsorptionsgefäßen führte.
Dies waren sogenannte Waschflaschen, deren Zuleitungsrohr zwei-
teilig und derart in Spiralform gebogen war, daß die Luft, die durch
die Waschflüssigkeit hindurchstrich, einen möglichst großen Weg zurück-
legen mußte. Sie waren beschickt mit gemessenen Mengen einer gegen
Alkohol austitrierten Bichromatschwefelsäure, und zwar wurde dazu je
nach Bedarf verwandt: !/,, oder !/, oder ?/, normal Bichromatlösung,
die man dann mit der gleichen Menge konzentrierter Schwefelsäure ver-
setzte, z. B. 50 cem °/,,- Bichromat mit 50 ccm Schwefelsäure.
Durch die Absorptionsgefäße wurde also die alkoholhaltige Luft
hindurchgesogen in eine mit Wasser gefüllte Standflasche, aus deren
unterem Tubus das Wasser beliebig schnell in einen bereitgestellten
Litermeßkolben abtropfen konnte. War dieser Kolben gefüllt, damit
also 1 1 Luft durch die Absorptionsgefäße gestrichen, so wurden diese
Waschflaschen entfernt, ihr Inhalt entleert und quantitativ nachgespült;
hierin mußte die aufgenommene Alkoholmenge titrimetrisch ermittelt
werden.
Die durch die Waschwässer verdünnte Bichromatschwefelsäure
wurde auf ein rundes Volumen aufgefüllt und ein aliquoter Teil,
z. B. 50 ccm, unter Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure im Rück-
flußkühler bis 2 Stunden heftig gekocht, so daß man sicher sein konnte,
daß selbst die geringste Spur von Alkohol oxydiert worden war. Nach
dem Erkalten wurde das Gekochte in einen Meßkolben quantitativ über-
gespült und bis zur Marke aufgefüllt; einen aliquoten Teil davon ver-
setzte man mit absolut reinem Tetrachlorkohlenstoff oder Chloroform
und ungefähr 10ccm einer rund 10°/, Jodkaliumlösung. Genau nach
einer halben Stunde wurde das Jod, das von dem noch unangegriffenen
Bichromat ausgeschieden und von Chloroform festgehalten wurde, mit
®%/j00- Thiosulfat zurücktitriert. Als Indicator verwandten wir Stärke-
lösung.
Der Tierbehälter war ein Glaskasten von ca. 871 Inhalt,
durch dessen Wände das Verhalten der Tiere gut beobachtet
werden konnte. Er war mit einem Blechdeckel versehen, durch
den an der einen Schmalseite das Luftzuführungsrohr bis zum
Boden ging. An der anderen Schmalseite konnte die Kasten-
luft durch eine Öffnung wieder austreten. Durch diese Öffnung
wurde zugleich ein Thermometer in den Kasten gehängt.
Die Bestimmung des Alkoholgehalts der Luft geschah nun
einerseits so, daß in die Erlenmeyervorlage eine bestimmte
Menge Alkohollösung bestimmten Gehaltes an Alkohol zu Be-
ginn des Versuchs gegeben wurde, und an dessen Ende wieder-
130 A. Loewy u. R. von der Heide:
um Menge und Alkoholgehalt des nicht verdampften Restes
ermittelt wurde. So war die Menge des an die Luft abge-
gebenen Alkohols bekannt. Da die Gasuhrablesungen zugleich
die Menge der durchgegangenen Luft anzeigten, konnte ihr
Gehalt an Alkoholdampf ohne weiteres festgestellt werden.
Andererseits wurde durch die oben geschilderten Alkohol-
absorptionsgefäße während des Verlaufes einer einzelnen Ver-
suchsreihe mehrmals je 11 der alkoholhaltigen Luft ganz lang-
sam hindurchgesaugt und ihr Alkoholgehalt titrimetrisch fest-
gestellt. Die nach beiden Verfahren gefundenen Werte zeigten
so gute Übereinstimmung, daß in den Protokollen der einzelnen
Versuchsreihen eine gesonderte Angabe der auf beiderlei Weise
gefundenen Werte nicht mitgeteilt wird.
Zu jedem Versuche wurde eine größere Anzahl von Tieren
benutzt, von denen immer je zwei 2 bis 4 Stunden, andere
7 bis 10 Stunden, wieder andere 12 Stunden und länger bis zu
27 Stunden im Kasten blieben. Sie wurden dann herausge-
nommen, gewöhnlich durch Nackenschlag getötet und die klei-
neren Tiere im ganzen, die größeren nach schneller Zerstücke-
lung mit strömendem Wasserdampf destilliert, bis kein Alkohol
mehr ins Destillat überging. Die Destillate wurden nochmals
destilliert und in diesen zweiten Destillaten der Alkohol be-
stimmt. Damit war also einerseits die Alkoholmenge bekannt,
die sich in der Einatmungsluft befand und andererseits die-
jenige, die die Tiere während der Versuchsdauer aufgenommen
hatten und noch in sich beherbergten.
Wir haben auf diese Weise im ganzen 6 Versuchsreihen
an Ratten und 4 an Meerschweinchen ausgeführt, abgesehen
von 2 Kontrollversuchen, in denen je 1 Tier (Ratte) destilliert
wurde, das keinen Äthylalkohöl geatmet hatte, um die Menge
reduzierender Stoffe bei normalen Tieren festzustellen.
Die Tabellen 1 und 2 geben eine Zusammenfassung aller
Versuche. Als Beispiel für die Berechnung der einzelnen Werte
führen wir zuvörderst ein Versuchsprotokoll in extenso an. Es
betrifft die Versuchsreihen 1 der Tabellen I und I.
Versuch 1 am 15. Sept. 1916. Vorgelegt ca. 30°/,iger Alkohol;
nach Analyse enthaltend 22,38 g Alkohol in 100 com. — Versuch zer-
fällt in 5 Perioden, die zusammen 21 Stunden 8 Minuten ausmachen.
Periode I: vorgelegt 250 com, Dauer 2 Std., Rest 236,5 mit 18,247 g
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 131
Alkohol in 100 ccm. Verdampft: 12,796 g Alkohol. Durchgang von 1097 1
Luft durch die Flasche. Das sind: 5,663 1 Alkoholdampf auf 1000 1
= 0,5662°/, Alkoholdampf, gleich 4,2903 mm Alkoholdampfspannung.
Periode II: 4 Stunden. Vorgelegt 250 ccm, Rest 233 ccm mit
17,430 Alkohol in 100 ccm. Verdampft 27,63 g bei 11033 1 Luft, die
durchgeleitet wurden. Das sind 6,7665 1 Alkoholdampf auf 1000 = 0,6766 °/
Alkoholdampf, gleich 5,1284 mm Alkoholspannung.
Periode III: 4 Stunden. Vorgelegt 400 ccm, Rest 372 cem mit
16,637 g Alkohol in 100 Vol. Verdampft: 27,63 g Alkohol bei 2181,1 1
Luftdurchgang. Das sind 6,1491 auf 1000 = 0,6149°/, Alkoholdampf,
gleich 4,6639 mm Alkoholdampfspannung.
Periode IV: 4 Stunden. Vorgelegt 400 cem, Rest 371,5 cem mit
16,637 g Alkohol in 100 ccm. Verdampft: 27,71 g bei 1967,8 1 Ventila-
tion. Das sind: 6,835 1 Alkohol auf 1000 = 0,6835°/, gleich 5,18 mm
Alkoholdampfspannung.
Periode V: 9 Stunden 8 Minuten. Vorgelegt 600 ccm, Rest 544 ccm
mit 14,643 g in 100 Vol. Verdampft: 64,60 g Alkohol bei 4616,5 1 Venti-
lation. Das sind: 6,7923 1 Alkohol auf 1000 = 0,679°/, Alkoholdampf,
gleich 5,144 mm Alkoholdampfspannung.
Ratte 1=109g, im Kasten 2 Std.,
n = 112 g, n n 2 » ,
n»n 2=108g, » »n 4 n , enthält 82,572 mg Alkohol;
pro Kilo = 0,765 g Alkohol,
r 3—= 103g, » ” 8 » , enthält 115,1 mg Alkohol;
pro Kilo = 1,018 g Alkohol;
n»n A= 898g, n » 21 » 8 Min.; enthält 145,026 mg Al-
kohol; pro Kilo = 1,63 g Alkohol.
Meerschweinchen sind im Kasten während der Perioden III bis V.
Meerschweinchen 1: 358g, im Kasten 4 Std., enthält 69,06 mg Alkohol;
pro Kilo = 0,193 g Alkohol;
n 2: 366g, r »n 13 » 8 Min.; enthält 379,83 mg
Alkohol; pro Kilo = 1,038 g Alkohol;
” 3: 896g, im Kasten 13 Std. 8 Min. ; enthält 333,74 mg
Alkohol; pro Kilo = 0,843 g Alkohol.
B. Verlauf und obere Grenze der Alkoholansammlung. Ver-
halten der Tiere bei verschiedenem Gehalt an Äthylalkohol.
1. Versuche an Ratten.
Bemerkungen über das Verhalten der Tiere.
Versuchsreihe 1. 4,3 bis 5,16 mm Äthylalkoholspannung.
Die Ratten liegen zunächst ?!/, Stunde (11% bis 11è 30) ruhig
nebeneinander, werden dann lebhaft, schnuppern und richten sich auf
den Hinterbeinen auf. Reagieren stark auf Pfeifen und Beklopfen der
Kastenwand. 11545’: Sie sitzen still, reagieren nur auf starkes Klopfen
oder Pfeifen mit Spitzen der Ohren. 12%45’: Liegen mit gekrümmtem
132 A. Loewy u. R. von der Heide:
Tabelle I.
Ratten.
v
a oi Prozent- Spannung | Ein Kilo
E 23 nn gehalt der| des et ent-
S E E aufnahme Luft an | Alkohol- Ath H Bemerkungen:
4 i Athyl- | dampfes alk ar ol
Ka alkohol
r. mm Hg
= BE E-a T o
— 0,566 4,29 —
— 0,64 4,710 0,765
— 0,64 4,686 1,018
89 | 2 8 0,787 5,164 1,63
71 — 1,82 13,31 0,142
129 — 1,82 13,31 0,201
102 — 2,00 14,55 0,261
98 — 2,00 14,55 0,235
62 55 2,28 16,68 2,755
103 55 2,28 16,68 2,402
245 | 2 Tier starb vor
Schluß des Ver-
suches,
Tier tot.
Tier in extremis.
Tier tot.
Tier in extremis.
O0 OO = e OO O0 A A DO DO O ON NUON N A ON Mm O OO
Nach direkter
Bestimmung der
Kastenluft zum
Schluß: 5,017°/,
Alkoholdampf
= 35mm Dampf-
spannung,
Nr. 3 bis 7 am
Schluß tot und
schon kühl.
1 Ur 0 O e DD OO SI TH CO DD OT SO DD I Te CO DD a SO DD rt
Rücken, Kopf am Boden, Augen fast geschlossen. Bei starkem Klopfen
an die Kastenwand Zucken des Vorderkörpers. 110’ dasselbe Ver-
halten, ebenso noch um 3%. Die nun hineingesetzten Meerschweinchen
werden beschnuppert und gebissen. Von 11® nachts liegen die Tiere
zusammengekrümmt, reagieren nicht mehr deutlich. Ebenso am nächsten
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 133
Morgen. — Die Meerschweinchen sind beim Herausnehmen schlapper
als normal.
Versuchsreihe 2 an Ratten: Alkoholdampfspannung 13,3 bis
16,7 mm. Beginn 10. — 11*: Die Tiere sind übererregbar auf akusti-
sche Reize; 11®45’: Reaktion nur noch auf starkes Klopfen gegen die
Kastenwand. 1è schwache Reaktion auf starkes Klopfen. 2%: die eine
der herausgenommenen Ratten macht ungeschickten Versuch zu ent-
laufen, die zweite taumelt stark, läßt sich umlegen, richtet sich schwer-
fällig auf. — 6®: die übrigen Ratten liegen auf der Seite, keinerlei Re-
aktion beim Herausnehmen von dreien auszulösen. — 7%: die letzte
Ratte atmet angestrengt 132 mal pro Minute, Cornealreflex fehlt. Lebt
noch 11850’ nachts. Früh tot gefunden.
Versuchsreihe 3 an Ratten: 8,1 bis 9,6 mm Alkoholdampf-
spannung. Beginn 1015’. Nach !/, Stunde liegen die Tiere still, re-
agieren noch. 12615’: Auf Klopfen Reaktion dnrch Zucken der Ohren,
gelegentlich erheben sich einzelne und bewegen sich unsicher. Zwei
herausgenommene Ratten laufen ungeschickt umher. 1® 50’: Tiere liegen
mit geschlossenen Augen, teilweise zusammengekrümmt. Taumeln stark
bei Bewegungsversuchen. 2®15’: zwei herausgenommene Tiere taumeln,
das eine zieht den Hinterkörper nach sich, fällt alle paar Schritte auf
die linke Seite. — 6®45’ abends: Tiere liegen reaktionslos in verschie-
denen unnatürlichen Körperstellungen, Eines wird warm in Heu ge-
packt, erholt sich (nach 8'!/,stündigem Aufenthalt in der Alkoholatmo-
sphäre) vollständig, zwei weitere getötet. — Die übrigen Ratten leben
in demselben Zustande noch 11® nachts, d. h. nach 12?/, stündigem Auf-
enthalte. Früh (nach 21°/, Stunden) die eine Ratte tot, die zweite gibt
noch schwache Lebenszeichen.
Versuchsreihe 4 an Meerschweinchen: Alkoholdampfspan-
nung zuerst 5,3 bis 6,6 mm, später 8,6 bis 9,7 mm. Beginn 10? 12’. —
3:25: alle Tiere munter. — 7e abends: Tiere sind schlaff, lassen sich
auf die Seite legen, richten sich mühsam auf; taumeln ein wenig. —
Früh (nach 24 Stunden) taumelt das größere Tier, das kleinere liegt auf
der Seite mit zeitweiligen Krämpfen des Hinterkörpers.
Versuchsreihe 5 an Ratten und Meerschweinchen. Die Bestim-
mungen an letzteren verloren. Alkoholspannung: 14,0 bis 15,3 mm.
Beginn 10% 36’. Ratten liegen um 12:36’ zusammengekrümmt, Zucken
bei Beklopfen der Glaswand mit Metallstab. Meerschweinchen
munter. — Ebenso 1# 15’. — 5b: Ratten liegen auf der Seite, reaktions-
los bis auf eine, die sich vergeblich aufzurichten sucht. — Meer-
schweinchen taumeln beim Laufen, ziehen Hinterkörper nach. 6* ebenso;
die eine herausgenommene Ratte richtet sich taumelnd auf, fällt auf
die Seite, die zweite bleibt auf der Seite liegen mit krampfartigen
Zuckungen der Hinterextremitäten. 128 angestrengte ungleiche Atmungen.
Meerschweinchen taumeln stark beim Laufen. 820: eine Ratte
vor kurzem gestorben, zweite liegt, herausgenommen, reaktionslos mit
136 angestrengten Atmungen. — Früh 9” 30’: die beiden Meerschwein-
chen liegen bewegungslos da. Ertränkungstod erfolgt ohne Krämpfe.
134 A. Loewy u. R. von der Heide:
Versuchsreihe 6 an Ratten: Alkoholdampfspannung 2,3 bis
3,3 mm. — Nach 6 Stunden laufen alle Tiere noch herum. Nach
8 Stunden machen sie schläfrigen Eindruck, reagieren jedoch noch gut.
Nach 12 Stunden ebenso. — Nach 24 Stunden: Die Tiere bewegen sich
anscheinend weniger sicher als normal.
Versuchsreihe 7 an Ratten und Meerschweinchen. Alkohol-
dampfspannung: 31,4 bis 35,0 mm. Ratten legen sich bald auf die
Seite, auch die Meerschweinchen werden ruhig. Beginn 10% 15’. — Um
251’ sind zwei herausgenommene Ratten absolut reaktionslos, mit 48
angestrengten unregelmäßigen Atemzügen. — Von 2 Meerschweinchen
taumelt das eine, fällt dabei mit dem Hinterkörper zeitweise auf eine
Seite, zieht Hinterbeine nach sich, das zweite bleibt auf der Seite liegen,
reagiert noch auf Kneifen. — 5#45’: alle Ratten tot und schon kalt.
— Meerschweinchen liegen auf der Seite mit Zuckungen des Kopfes
und der Extremitäten, die mit den Inspirationen zusammenfallen.
Keines reagiert auf Kneifen, doch Lidreflex bei Berührung der Cornea.
— 7% ebenso. Ihr weiteres eigentümliches Verhalten ist im Text auf
Seite 142 besprochen. 8®25’: Corneae reagieren nicht mehr deutlich,
auch jetzt noch Zuckungen bei den einzelnen Atembewegungen, wobei
Schnauze und Nasenflügel unbewegt bleiben. — Tiere herausgenommen
nach Aufenthalt von 10 Std. 10 Min. Das eine Tier wird in Heu ge-
packt, erholt sich zunächst, lebt zwei Tage, dann Tod durch Pneumonie.
1. Versuche an Ratten.
Die vorstehende Zusammenstellung zeigt, daß schon bei
Alkoholmengen, welche unter !/,°/, Alkoholdampf in der Atem-
luft, entsprechend 2,3 bis 3,3 mm Alkoholdampfspannung, be-
tragen (vgl. Versuch 6), nicht geringe Mengen Alkohols in den
Körper übergehen. Sie liegen bei etwa !/, g Alkohol pro
Körperkilo. Dabei zeigt sich weiter, daß bei einer Einatmung
von 8!/, Std. das Maximum der Ansammlung erreicht zu sein
scheint, denn bei Einatmung während 27 Std. ist die wieder-
gefundene Menge nicht höher als bei der weniger als !/, dieser
Zeit dauernden Aufnahme.
Versuchsreihe 1 ist mit Alkoholdampfspannungen ange-
stellt, die nicht ganz bis zum Doppelten der in Versuch 6 aus-
machen. Die aufgenommene Menge geht nach 21 Std. 8 Min.
bis zu 1,63 g Alkohol pro Körperkilo. Schon bei den hier
verwendeten, immer noch niedrigen Alkoholspannungen von
4,29 bis 5,16 mm (= 0,566 bis 0,707°/, Alkoholdampf in
der Atemluft) ergibt sich, daß das Maximum der Aufnahme
nach 8 Stunden noch nicht erreicht, die zur Anlagerung kom-
mende Menge vielmehr weiter noch um ca. 50°/, zunimmt.
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 135
Die Sättigung des Körpers mit Äthylalkohol geht
also, ebenso wie wir es für den Methylalkohol zeigen konnten,
sehr langsam vor sich. Das wird noch deutlicher in den
weiteren Versuchen mit höherem Alkoholgehalt der Atemluft.
In den Reihen 2 und 5 besteht ein Alkoholgehalt von
1,82 bis 2,28°/,, entsprechend 13,3 bis 16,68 mm Spannung.
Hier wird bis zu 4 Stunden nur etwa !/,, bis !/, der Gesamt-
menge, die nach 22 stündiger Atmung sich ergab, aufgefunden.
Die in den ersten 4 Stunden angehäuften Alkoholmengen sind,
trotzdem die Alkoholspannungen 5 mal so hoch sind, wie in
Versuchsreihe 1, geringer als die in letzterer in 8 Stunden auf-
gespeicherten. Erst bei 7'/, und mehr noch bei etwa 10 stün-
diger Atmung findet sich die Wirkung der höheren Alkohol-
konzentration in einer entsprechenden Mehransammlung von
Alkohol deutlich ausgedrückt.
Am deutlichsten geht die Langsamkeit der Sättigung aus
Reihe 3 hervor, bei der die Alkoholspannungen 8,1 bis 9,6 mm
(= 1,07 bis 1,27°/, Alkohol) in der Atemluft betragen. Im
Vergleich mit den gefundenen Höchstwerten machen die bei
Atmung von 2 Stunden erhaltenen nur '/,, bis !/,, jener aus,
bei 4stündiger etwa '/„. Auch hier macht sich erst nach
8'/, Stunden ein stärkeres Ansteigen bemerkbar.
Versuchsreihe 7 ist bei Alkoholspannungen durchgeführt,
die schon nach wenigen Stunden tödlich wirkten. Hier ist
schon nach 3°/, Stunden eine erhebliche Alkoholmenge im
Körper nachzuweisen (1,67 bis 2,48 g pro Kilo Tier). — Über
die Bedeutung der erreichten Höchstwerte soll später ge-
sprochen werden. —
Auf Grund der vorstehenden Ergebnisse werden wir er-
warten können, bei graphischer Darstellung des Ganges der
allmählichen Alkoholaufnahme charakteristische Unterschiede in
den Kurven zu finden, je nach der Höhe der Alkoholdampf-
spannung, bei der die Alkoholeinatmung geschah. Da der Um-
fang der Alkoholaufnahme abhängt von der Differenz zwischen
der Alkoholspannung der eingeatmeten Luft und dem Alkohol-
gehalt des Körpers, muß im Beginne der Einatmung relativ
am meisten Alkohol aufgenommen werden, Die Schnelligkeit
der Aufnahme muß dauernd abnehmen, um schließlich den
Sättigungspunkt zu erreichen, bei dem nur so viel Alkohol weiter
136 A. Loewy u.R. von der Heide:
aufgenommen wird, wie der Körper wieder abgibt, sei es durch
Entleerung durch die Nieren, sei es durch Oxydation desselben.
Bei der graphischen Darstellung werden sich demnach
Kurven ergeben, die anfangs steil ansteigen, allmählich flacher
werden, um schließlich horizontal zu verlaufen, und der Wechsel
im Kurvenablauf muß um so später erfolgen, bei je höherer
Alkoholkonzentration der Luft seine Einatmung erfolgt ist.
Alkohol
%
0
2 4 6 8 W Rn UU ËC B 0 2 W
. stunden
x% Versuch 7: 31,41 bis 32,13 mm Alkoholspannung.
+ Versuch 5: 14,06 bis 15,33 mm ”
x Versuch 2: 13,31 bis 16,68 mm »
o Versuch 3: 8,11 bis 9,59 mm n
e Versuch 1: 4,29 bis 5,16 mm »
© Versuch 6: 2,33 bis 3,28 mm ”
Fig. 2.
Fig. 2 zeigt, daß dieses Verhalten zutrifft. Bei der niedrig-
sten Alkoholkonzentration (Versuch 6: 2,3 bis 3,3 mm) ver-
läuft von der achten Stunde an die Kurve horizontal, bei der
nächsthöheren (4,7 mm) von derselben Zeit an sehr wenig an-
steigend, bei den weiteren Kurven, die höheren Alkoholkonzen-
trationen entsprechen, findet sich bis zur 22. Stunde ein noch
ziemlich steiles weiteres Ansteigen.
Die Möglichkeit einer Erklärung für dieses eigentümliche
Verhalten, das in ganz gleicher Weise auch beim Methylalkohol
gefunden wurde, soll später erörtert werden auf Grund von
Versuchen, die wir über die Beziehungen zwischen der
Alkoholspannung der Inspirationsluft und der Menge
des ins Blut übergehenden Alkohols ausführen wollen,
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 137
Wenden wir uns nun zu den Alkoholmengen, die in
maximo angesammelt werden, so finden wir, daß sie inner-
halb einer bestimmten Breite schwanken. Aber die gefundenen
Unterschiede hängen, sofern die verwendete Alkoholdampf-
spannung überhaupt geeignet war, das Maximum erreichen zu
lassen, nicht allein von der Höhe der Alkoholdampfspannung
in der eingeatmeten Luft ab, sind vielmehr — auch bei gleicher
Alkoholspannung — mit durch individuelle Momente veranlaßt.
Die maximalen Alkoholmengen liegen zwischen 3,054 und
5,785 g Alkohol pro Kilo Tier. Es sind das Werte, bei
denen die Tiere sich in extremis befanden, als sie zur
Alkoholbestimmung kamen, oder die bereits den Tod
veranlaßt hatten.
Bei einer Alkoholspannung von 9,59 mm (Versuch 3, Nr. 7
und 8) enthält das eine Tier: 3,787 g, das andere 5,785g
Alkohol. Letzteres ist tot, ersteres gibt noch schwache Lebens-
zeichen, ist ganz reaktionslos und hat schwache unregelmäßige
Atmung. — Bei 16,17 mm Alkoholspannung finden sich (Ver-
such 2, Nr. 7): 5,544 g Alkohol pro Kilo. Die Ratte war einige
Stunden vor Schluß des Versuches gestorben.
Bei 15,33 mm Spannung finden sich (Versuch 5, Nr. 5 und 6)
3,112 bzw. 3,335 g Alkohol pro Kilo. Die erstere Ratte war
kurz zuvor gestorben, die zweite liegt regungslos da mit 136
angestrengten ungleichmäßigen Atmungen pro Minute.
Bei 31,41 mm Alkoholspannung (Versuch 7, Nr. 3 bis 7)
finden sich: 3,054 g, 3,154 g, 4,331g, 4,453 g und 5,056g
Alkohol pro Kilo. Alle diese Tiere waren bereits seit einer
Stunde tot.
Die Widerstandsfähigkeit gegen den Äthylalkohol
ist also von Tier zu Tier verschieden. Einzelne er-
liegen ihm bereits, wenn 8g, andere erst, wenn 5?/,g
pro Kilo Tier sich angesammelt haben.
Bemerkenswert ist dabei, wie verschieden lange Zeit er-
forderlich ist, um je nach der Höhe der Alkobolspannung die
tödliche Alkoholansammlung zustande kommen zu lassen.
Bei ca. 31 bis 35 mm Alkoholspannung tritt der Tod schon
nach etwa 5?/, Stunden ein; bei 15,3 bis 16,2 mm nach etwa
15 Stunden; bei 9,6 mm nach ca. 22 Stunden.
Bemerkenswert ist weiter aber auch, daß schon eine so
138 A. Loewy u. R. von der Heide:
niedrige Spannung, wie die letztgenannte (9,6 mm = 1,27°/,
Alkoholdampf in der Atemluft), überhaupt genügt, um tödliche
Alkoholmengen aufnehmen zu lassen.
Die obere Grenze für die Ansammlung von Äthylalkohol
im Rattenkörper ist also bedingt durch die Giftwirkung des-
selben. Die gefundenen Mengen können nichts darüber aus-
sagen, wie weit die Sättigung der Gewebe mit Alkohol bei den
benutzten Spannungen gegangen ist, bzw. ob sie vollkommen
war. Doch ist es unwahrscheinlich, daß bei den höheren Span-
nungen (über 9,6 mm hinaus) volle Sättigung des Körpers mit
Alkohol gemäß den verwendeten Alkoholspannungen zustande kam.
Aus unseren Versuchen lassen sich aber nicht nur die
Beziehungen zwischen der angesammelten Alkoholmenge und
der tödlichen Vergiftung ableiten, sie geben auch Material an
die Hand, um festzustellen, wie das Befinden der Tiere
sich bei der Aufspeicherung verschiedener Alkohol-
mengen gestaltet.
Enthielt der Körper pro Kilo 0,16 bis 0,27 g Alkohol,
so zeigte sich (vgl. Versuch 2 und 3) verminderte Erregbarkeit;
ein Tier mit 0,25 Alkohol taumelte stark beim Laufen, die
übrigen 6 Tiere waren wohl etwas ungeschickt, aber sonst
noch kräftig.
Demgegenüber boten 3 andere Tiere bei Ansammlung von
1/, g Alkohol (vgl. Versuch 6) weniger Abweichendes von der
Norm. Sie schienen schläfriger, reagierten aber noch auf Ge-
räusche und Berührung. Sie liefen, wenn auch wenig sicher,
umher. Ein viertes dagegen (Versuch 3) taumelte stark mit
deutlicher Schwäche des Hinterkörpers.
Von einem Gehalt von ca.1g Alkohol pro Kilo an zeigen
sich schwere Erscheinungen (vgl. Versuch 2 und 3, Nr. 5 bis 6,
Versuch 5, Nr.3 und 4 und Versuch 7, Nr. 1 und 2). 7 Tiere
lagen zusammengekrümmt auf der Seite, waren vollkommen
reaktionslos, auch die Cornealreflexe waren erloschen. Das Ver-
halten war das gleiche, während der Alkoholgehalt einmal 0,91 g,
je einmal 1,47 g, 1,67 g betrug und in 4 Fällen zwischen 2,35
und 2,75g pro Kilo lag. Selbst aus diesem schweren Vergif-
tungszustande können Tiere sich erholen. Eine Kontrollratte
zu Versuch 3, die dasselbe Bild bot wie Nr. 5 und 6 in Versuch 2
und 3 und gleichfalls 8'/, Stunden der Alkoholatmosphäre aus-
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 139
gesetzt war, wurde warm in Heu gepackt und gesundete voll-
kommen.
Etwas weniger schwer waren die Vergiftungserscheinungen
bei einem weiteren Tiere (Versuch Nr. 4) Es lag zwar im
Kasten auch auf der Seite, machte beim Herausnehmen aber
den, allerdings mißglückten, Versuch zu laufen. Es enthielt
2 g Alkohol. Ein anderes (Versuch 5, Nr. 3) verhielt sich wie
die an erster Stelle genannten, wies aber eigentümliche krampf-
hafte Zuckungen der Hinterextremitäten auf, bei 128 ange-
strengten und dabei ungleichen Atemzügen pro Minute (Alkohol-
gehalt 2,48 g pro Kilo).
Mit 3g pro Kilo ist die Grenze erreicht, die den Tod
herbeizuführen vermag. Allerdings, wie vorher schon erwähnt,
nicht bei jedem Tiere, aber es ist immerhin die Grenze, bei
der Lebensgefahr eintritt. Während 3 Tiere (Versuch 7, Nr. 4
und 7, und Versuch 5, Nr. 5) bei einem Gehalt von 3,05 bis
3,15 g Alkohol bereits tot waren, lebten zwei weitere noch mit
3,3 und 3,7 g (Versuch 5, Nr 6, und Versuch 3, Nr. 8), jedoch
unter Symptomen, die den baldigen Tod voraussehen ließen.
2. Versuche an Meerschweinchen.
Die an Meerschweinchen gewonnenen Ergebnisse sind nicht
in allen Punkten den an Ratten gleich. Eine Ähnlichkeit be-
steht zunächst hinsichtlich der Langsamkeit der Alkohol-
ansammlung. Diese geht bei den Meerschweinchen aber noch
zögernder vor sich als bei den Ratten.
Bei 4,7 bis 5,34 mm Alkoholspannung finden wir inner-
halb der ersten 2 Stunden nur '/, bis '/, der in 13 Stunden
aufgenommenen Menge, innerhalb der ersten 4 Stunden nur '/,
bis !/, der letzteren. Dabei scheint in 13 Stunden die Sättigung
des Körpers mit Alkohol für diese Alkoholspannung erreicht
zu sein (Versuch 1 und Versuch 4, Nr.1 bis 4).
Bei 8,6 bis 9,7 mm Spannung ist nach fast 9 Stunden
nur der dritte bis vierte Teil derjenigen Alkoholmenge auf-
gestapelt, die sich nach 12 Stunden und nach fast 23?/, Stunden
findet. Bei diesem Spannungsniveau ist nach 12 Stunden die
Alkoholsättigung noch nicht vollendet.
Bei ca. 32 mm Alkoholspannung beträgt die Aufnahme
innerhalb der ersten 4 Stunden im Durchschnitt ein Drittel
140 A. Loewy u. R. von der Heide:
Tabelle II.
FT —
F Prozent- | Spannung] Ein Kilo
£ Dauer der F
3 Alkohol, gehalt der des Athy- Tier ent-
g Aufnahme Luft an | alkohol- Athyl- Bemerkungen
Š Athyl- | dampfes | alkohol
Nr. alkohol mm Hg g
1 1 |358 4 — 0,638 4,664 0,193
2 |366 13 6 0,707 5,164 1,038
3 1396 13 6 0,707 5,164 0,843
4 1 |615 2 — 0,732 5,844 0,104
2 |130 2 — 0,732 5,344 0,142
3 |500 4 52 0,908 6,628 0,259
4 |13 4 52 0,908 6,628 0,341
5 1375 8 52 1,285 9,696 0,494
6 | 167 8 52 1,285 9,696 0,386
7 1330 12 3 1,215 9,168 1,186
8 1240 12 3 1,215 9,168 1,247
9 |149 | 23 21 1,138 8,594 1,798
10 1320 | 23 29 1,138 8,594 1,160
7 1 |4215]| 4 — 4,5 32,13 1,781 Nach der direkten
Bestimmung der
abgesaugten Ka-
2 |2745] 4 — 4,5 32,13 — re
3 |277 | 10 10 | 44 | 3141 5,454 [5,0170 Alkohol-
4 |295,5] 10 10 4,4 31,41 4,518 dampf =35 mm
5 [257 | 10 10 | 44 31,41 6,391 |^koholspannung.
6 1303 8 45 4,4 31,41 — Am Leben gelas-
sen! Stirbt nach
2 Tagen, nachdem
| erholt.Pneumonie.
der in etwas mehr als 10 Stunden angesammelten. Jedoch ist
es hier zweifelhaft, ob die nach 10 Stunden gefundenen Werte
die Alkoholmengen angeben, die dem Grade der Alkoholspannung
entsprechend aufgenommen werden könnten. Denn die Tiere
befanden sich im Zustande hochgradiger Vergiftung und machten
nach dem später noch zu schildernden Zeichen den Eindruck,
daß sie kurz vor dem Verenden ständen.
Was die absoluten Alkoholmengen betrifft, die auf-
gespeichert waren, so liegen sie für die niedrigsten Alkohol-
spannungen nicht deutlich unter den bei den Ratten gefundenen.
Ein deutlicher Unterschied tritt dagegen bei 9 mm Spannung
hervor. Hier nehmen die Ratten allmählich tödliche Mengen
auf, während die Meerschweinchen mit im Mittel 1,48 g Alkohol
bei 8,6 mm (Versuch 4, Nr. 9 und 10) nur etwa 1j der töd-
lichen Menge enthalten.
Aufnahme des Athylalkohols durch die Atmung. 141
Den Gang der Alkoholaufnahme und die in den Tieren
aufgestapelten absoluten Alkoholmengen veranschaulichen am
besten die Kurven auf Fig. 3.
e Versuch 1: 4,5 bis 5,1 mm Alkoholspannung.
x Versuch 4: 4,3 bis 6,3 bis 9,7 mm Alkoholspannung.
* Versuch 7: 31,4 bis 35,7 mm Alkoholspannung.
Fig. 3.
Auch in einem anderen Punkte stimmen Ratten und Meer-
schweinchen nicht überein, das ist in den Alkoholmengen,
die schnell tödlich wirken. Bei den Ratten hatten wir als
solche zwischen 3,1 g und 5,78 g Alkohol pro Körperkilo ge-
funden; bei den Meerschweinchen wurden 4,5 g, 5,5 g und
6,4 g ermittelt als diejenigen Mengen, die schwere Vergiftungs-
erscheinungen erzeugen, die aber nicht unmittelbar tödlich
wirken, von denen vielmehr — wie im folgenden noch genauer
ausgeführt werden wird — noch Erholung eintreten kann.
Die Meerschweinchen erweisen sich also als widerstands-
fähiger gegenüber der Giftwirkung des Alkohols als
die Ratten.
Über das Verhalten der Tiere bei verschiedenem
Alkoholgehalt des Körpers ergibt sich aus den Protokollen
(vgl. die Bemerkungen zu der Tabelle I S. 131 ff.) folgendes.
Die Tiere, die mehr als etwa 0,4 g Alkohol enthalten, sind
schlapper als normal, leisten weniger Widerstand, lassen sich
leichter umlegen. Sonst zeigen sie bis zu einem Alkoholgehalt
Biochemische Zeitschrift Band 86. 10
142 A. Loewy u. R. von der Heide:
bis zu etwa 1 g pro Körperkilo (vgl. Versuch 1, Nr. 2 und 3,
0,843 g, 1,038 g) keine deutlichen Erscheinungen'). Aber einige
Zehntelgramme mehr genügen, um die Alkoholgiftwirkung schon
sichtbar zur Geltung kommen zu lassen. Die Tiere Nr. 7 und 10
in Versuch 4 mit 1,186 und 1,160 g taumeln beim Versuch
zu laufen, Nr. 8 mit 1,247 g taumelt stark.
Die Tiere Nr. 9, Versuch 4, und Nr. 1, Versuch 7 mit 1,798
bzw. 1,781 g Alkohol pro Kilo sind bereits schwer vergiftet:
das erstere kann sich kaum mehr bewegen, das letztere fällt
beim Laufen mit dem Hinterkörper auf die Seite und zieht
die Hinterläufe paretisch nach.
Eigentümliche Zeichen waren bei den Tieren wahrzunehmen,
die sich lange unter einer Alkoholdampfspannung von ca. 35 mm
aufhielten und die nach ca. 10stündigem Aufenthalt 4,5 bis
6,4 g Alkohol enthielten.
Nach 5 Stunden bereits lagen alle 4 Tiere auf der Seite,
reagierten nicht auf Kneifen, die Berührung der Corneae löste
aber noch einen schwachen Lidreflex aus. Inspirationen krampf-
haft vertieft und verlangsamt. In weiteren °/, Stunden bilden |
sich bei allen Tieren krampfhafte Zuckungen der Extremitäten
aus, die mit jeder Inspiration zusammenfallen und von einem
!/, bis 1 Sekunde dauernden Zittern der Beine gefolgt werden.
Auffallend ist, daß trotz dieser krampfartigen Erscheinungen
Nasenlöcher und Schnauze ganz ruhig bleiben. Der Corneal-
reflex ist nun bei einzelnen Tieren bereits erloschen. Dieses
Verhalten bleibt bis zum Schluß des Versuchs (Dauer 10 Std.
10 Min.) bestehen.
Ein Tier, das nach 8°/,stündigem Versuche in dem ge-
schilderten Zustande herausgenommen wird (Nr. 6) und bereits
exspiratorisches Rasseln zeigte, wird in Heu warm eingepackt.
Es erholt sich zunächst und lebte noch 2 Tage. Die Sektion
zeigte, daß der Tod au Pneumonie erfolgt war.
Ein Vergleich über das Verhalten von Ratten und
Meerschweinchen gegenüber eingeatmetem Äthylalkohol er-
gibt, daß die Aufspeicherung des Alkohols bei letzteren lang-
1) Daß jedoch einzelne Tiere auch schon bei einem Gehalt von 0,8 g
schwerere Erscheinungen zeigen können, geht aus dem Verhalten eines
später bei den Glockenversuchen zu schildernden Tieres (cf. S. 149, Ver-
such 4) hervor.
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 143
samer erfolgt als bei ersteren, daß ferner Meerschweinchen, wie
schon erwähnt, größere Alkoholmengen pro Kilo Tier in sich
anhäufen können, ohne — zum mindesten so schnell — zu
erliegen, endlich, daß die Vergiftungserscheinungen bei Gegen-
wart gleicher Alkoholmengen bei ihnen weniger intensiv sind
als bei den Ratten.
Die Tabellen I und II zeigten uns, daß mit Zunahme der
Alkoholspannung allmählich die Menge des aufgestapelten Alko-
hols zunimmt. Die Art, wie dies geschieht, wird besser er-
sichtlich, wenn berechnet wird, wieviel Alkohol auf die Einheit
der Alkoholspannung, also auf jeden Millimeter Spannung, an-
gelagert wird.
Die Tabelle III, die des Vergleiches wegen auch die an Meer-
schweinchen erhaltenen Werte mit enthält, läßt zunächst er-
kennen, daß das Niveau der Alkoholaufstapelung bei
Ratten und Meerschweinchen nicht ganz das gleiche
ist. Bei gleicher Dauer der Atmung liegt es bei letzteren —
auf 1 mm Alkoholspannung und auf das Kilo Körpergewicht
berechnet — niedriger als bei ersteren.
Weiter zeigt sich, daß bei beiden Tierarten nicht unerheb-
liche individuelle Verschiedenheiten vorhanden sind. Auch die
Gleichmäßigkeit, die beim Methylalkohol sich in der Hinsicht
herausstellte, daß mit steigender Alkoholspannung in der Atem-
luft die Ansammlung pro Millimeter Spannung geringer wurde,
tritt beim Äthylalkohol nicht hervor. Bei ihm werden die
Ergebnisse wohl durch den bei weitem höheren Grad der Ver-
brennung im Körper, der individuell gleichfalls zu schwanken
scheint (vgl. dazu S. 151), in ihrer Deutung weniger durchsichtig.
Nur das Eine geht aus der Tabelle sicher hervor, daß
die pro Millimeter Alkoholspannung sich ansammeln-
den Äthylalkoholmengen erheblich geringer sind, als
es beim Methylalkohol der Fall ist. Bei letzterem fand sich
eine Ansammlung von 230 mg in 2 Stunden pro Kilo und
1mm Alkoholspannung, wenn die Atemluft 3,18 mm Alko-
holspannung hatte; eine von 100 mg bei 6 mm Alkoholspannung
in den ersten Stunden; eine von 60 mg bei 16,6 mm Spannung.
Demgegenüber betragen die Höchstwerte der Äthyl-
alkoholansammlung bei den Ratten nur 54,2 und 58,8 mg
10*
144 A. Loewy u. R. von der Heide:
Tabelle III.
a) Ratten.
i h 2 Aufgespeicherte Alkoholmenge
Dauer Alkohol- pro Kilo u. 1 mm
der Atmung spannung pro Kilo Alkoholspan-
Körpergewicht | nung in 2 Std.
Versuchs-
reihe u. Nr.
Std. Min. mm Hg
1. [2 Ar 4,71 0,765 81,0]?
3 8 = 4,686 1,018 54,2
4 21 8 5,116 1,63 31,0
2.1 2 — 13,31 0,142 10,6
2 2 = 13,31 0,201 15,1
3 4, 14,55 0,261 9,0
4 4 14,55 0,235 8,1
5 755 16,68 2,755 41,2
6 755 16,68 2,102 36,0
[7 22 15 16,17 5,544]
5. 1 9 4 14,06 0,384 18,2
2 oA 14,06 0,451 | 21,4
3 7 28 14,60 2,476 | 45,4
4 7 28 14,60 2,035 | 37,2
5 9 50 15,33 3,112]
6 9 50 15,33 3,335 44,4
3.1 9, 8,11 0,154 | 198
2 E 8,11 0,159 | ,
3 re 9,417 0,272 14,4
4 Ave 9,417 0,540 28,6
5 8 30 9,341 1,474 | 37,1
6 8 30 9,341 0,910 | 22,7
7 21 45 9,588 5,785 55,6
8 21 45 9,588 3,737 37,2
6. 1 8 15 2,33 0,568 | 58,8
2 8 15 2,33 0,448 | 46,6
B| 2 8 3.28 0509 | 114)
7.1 3 46 32,13 1,673 | 28,8
2 3 46 32,13 2,483 | 41,6
b) Meerschweinchen.
1.1 di 4,66 0,193 20,5
2 13 6 5,16 1,038 30,8
3 13 6 5,16 0,843 25,0
4. 1 2 — 5,34 0,104 19,5
2 piz 5,34 0,142 26,6
3 4 52 6,63 0,259 16,0
4 4 52 6,63 0,341 21,0
5 8 52 9,69 0,494 11,6
6 3 52 9,69 0,386 8,9
7 3 9,17 1,186
8 12 3 9.17 1247) 22,0
9 23 21 8,59 1,798 19,0
10 23 29 8,59 1,160 11,5
ti Ar 32,13 1,781 27,7
3 10 10 32,13 5,454 34,0
4 10 10 31,41 4,518 28,8
5 10 10 31,41 6,391 | 40,6
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 145
bei 2,3 bzw. 4,7 mm Alkoholspannung in der Luft. Der eine
Wert von 81 mg dürfte zweifelhaft sein. Sie gehen bis auf 9
bzw. 8,1 mg hinunter bei 14,5 mm Spannung. Sie bewegen
sich also für den Millimeter Spannung im allgemeinen
zwischen etwa 1 und 6cg. — Bei den Meerschweinchen
liegen die niedrigsten Werte auf der gleichen Höhe wie bei
den Ratten (8,9 und 11,5 mg); der höchste erreicht nur
40,6 mg. Sie bewegen sich also pro Millimeter Spannung
zwischen etwa 1 und 4cg Alkohol, die pro Kilo Tier in 2 Stunden
aufgestapelt werden.
C. Über die Verbrennung des Alkohols im Körper bei seiner
Aufnahme durch die Lungen.
Die in den vorstehenden Abschnitten gegebenen Zahlen'
zeigen uns die Alkoholmengen an, die sich bei der Alkohol-
atmung im Tierkörper ansammeln. Eine weitere Frage ist,
wie sich die Aufnahme des Alkohols aus der eingeatmeten
Luft gestaltet, wieviel ihr an Alkohol entnommen wird.
Die Frage wäre unschwierig und mit annähernder Sicherheit
zu beantworten, wenn bekannt wäre, wieviel von dem auf-
genommenen Alkohol zur Verbrennung gelangte. Leider liegen
Untersuchungen über den Umfang der Alkoholverbrennung bei
seiner Aufnahme durch die Lungen überhaupt nicht vor und
auch über den Anteil, der nach Einbringung in den Magen
allmählich zur Verbrennung kommt und den man vielleicht
der Berechnung zugrunde legen könnte, sind nur an Hunden
direkte, chemische Methoden der Alkoholbestimmung zur Ent-
scheidung heranziehende Versuche angestellt worden.
Diese letzteren rühren von Völtz und Dietrich!) her.
Sie führten ihren Hunden je 2 ccm Äthylalkohol pro Körperkilo
auf etwa 35 bis 40°/, verdünnt in den Magen ein, brachten
die Tiere in einen Respirationsapparat und bestimmten während
10 bis 15 Stunden die Alkoholmenge, die mit der Atemluft und
dem Harn abgegeben wurde, und diejenige Alkoholmenge, die
nach dieser Zeit noch in den Tieren vorhanden war. Die Summe
1) W. Völtz u. W. Dietrich, Über die Beteiligung des Methyl-
alkohols und des Äthylalkohols am gesamten Stoffumsatz im tierischen
Organismus, diese Zeitschr. 40, 15, 1912.
146 A. Loewy u. R. von der Heide:
dieser Werte, subtrahiert von der Menge des eingeführten
Alkohols, ergibt die Menge des im Körper zur Oxydation ge-
kommenen.
Der Umfang der Alkoholoxydation im Körper des Hundes
erwies sich nun als sehr bedeutend. Nach 10 Stunden waren
nur noch rund 25°/, des eingeführten Alkohols im Körper vor-
handen, so daß, da nur 2 bis 4°/, durch die Atmung, nur 0,4
bis 3,8°/, mit dem Harn ausgeschieden wurden, etwa 70°/,
verbrannt sein mußten. In absoluten Werten kamen pro Körper-
kilo und Stunde in den 10 Stunden dieses Versuches 0,14 ccm
Alkohol zur Verbrennung.
Zum Gesamtumsatz wurden während der 10stündigen Ver-
suche etwa 42°/, durch die Alkoholverbrennung geliefert.
Zu diesen Versuchen kommt eine ganze Reihe anderer, in
denen aus dem Verhalten des Stoffwechsels nach Alkoholauf-
nahme Schlüsse auf seine Verbrennung gezogen wurden. Auf
diese wird, soweit sie für uns wesentlich sind, später eingegangen
werden.
Da sowohl die Völtz-Dietrichschen wie auch die Er-
gebnisse der übrigen Autoren an Tierarten — auch am Men-
schen — gewonnen sind, deren Oxydationsenergie von der der
Ratten und Meerschweinchen verschieden ist, zudem die Auf-
nahmebedingungen von den in unseren Inhalationsversuchen
abweichen, da ferner nicht bekannt ist, inwieweit der Umfang
der Verbrennung des Alkohols von dem Maße seiner Ansamm-
lung im Körper beeinflußt wird, können uns die vorliegenden
Daten nicht gut als Grundlagen zur Bestimmung der Alkohol-
verbrennung in unseren Versuchen dienen.
Sind wir aber im unklaren über den wirklichen Umfang
der Alkoholverbrennung, so müssen damit alle weiteren Be-
rechnungen, die die Alkoholaufnahme betreffen, unsicher
werden.
Wir haben deshalb in anders angeordneten Versuchen so-
wohl die Aufnahme des Alkohols in den Körper bei ver-
schiedenen Alkoholspannungen in der Atmungsluft wie auch
die im Organismus verbrennende Menge direkt bestimmt.
Innerhalb einer 11,71 fassenden, luftdicht auf einer Glas-
platte aufsitzenden Glasglocke befindet sich ein Gestell mit
zwei Geschossen. Auf dem oberen sitzt das Versuchstier in
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 147
einer flachen Glasschale mit einem glockenförmigen Drahtnetz
bedeckt; das untere trägt eine Schale, in die eine gemessene
Menge Alkohols bekannter Konzentration eingefüllt wird, sowie
eine zweite mit einem bekannten Volumen 50°/ iger Kalilauge.
Unter dem Gestell befindet sich eine zunächst leere größere
Glasschale.
Die Glocke trägt einen dreifach durchbohrten Gummistopfen.
Die eine Bohrung durchsetzt ein mit Paraffinum liquidum be-
schicktes Manometer, die zweite ein außerhalb horizontal ab-
gebogenes Glasrohr, das im Innern der Glocke an deren Wand
sich nach unten fortsetzt und einen Gummischlauch trägt, der
in der untersten großen Glasschale mündet. Die dritte Bohrung
wird von einem, außen wiederum horizontal abgebogenen Glas-
rohr durchsetzt, das dicht unter der Kuppe der Glocke endet.
Nachdem das Versuchstier an Ort und Stelle gebracht ist
und Alkohol sowie Kalilauge eingefüllt sind, wird die Glocke
übergestülpt und damit ein abgeschlossener Luftraum ge: chaffen.
Nun wird zunächst der Glockenraum schnell mit Sauerstoff
gefüllt, und das Tier atmet ‘in der mit Alkoholdämpfen sich
allmählich sättigenden Sauerstoffatmosphäre. — Entsprechend
dem durch den Sauerstofiverbrauch und die Kohlensäure-
absorption sich vermindernden Gasvolumen unter der Glocke,
wie es die Änderungen in dem oben erwähnten Manometer
anzeigen, wird von Zeit zu Zeit neuer Sauerstoff nachgefüllt.
Am Schluß des Versuches wird durch das lange, mittels
des Gummischlauches in die untere Schale mündende Glasrohr
eine gemessene Menge Paraffinum liquidum in diese hinein-
gebracht. Dabei ist das zweite kurze Glasrohr mit einer Queck-
silberkugel verbunden, aus der das Quecksilber in eine zweite
Kugel abfließen kann. Es wird soviel Gas aus der Glocke ver-
drängt, daß die ?/,1 fassende Quecksilberkugel bei Atmorphären-
druck damit gefüllt ist. — Diese Gasprobe diente zur Ermit-
telung des Alkoholgehalts der Glockenluft. In einigen Ver-
suchen wurde nun zunächst eine zweite Gasprobe entnommen,
in der der Kohlensäure- und Sauerstoffgehalt bestimmt wurden.
Es ergaben sich Werte von etwa ?/,°/, CO, und 50°/,0,-
Dann wird die Glocke abgehoben, der Alkoholrest ge-
messen und seine Konzentration bestimmt. Das Versuchstier
wird herausgenommen, getötet und die bei ihm aufgestapelte
148 > A. Loewy u. R. von der Heide:
Alkoholmenge festgestellt. Dabei muß man scheiden zwischen
der in das Tier eingetretenen und der ihm außen, auf dem
Felle, anhaftenden Alkoholmenge. Letztere wurde in einigen
Versuchen von uns gesondert ermittelt.
Da auch die Kalilauge nicht unerhebliche Alkoholmengen
aufnimmt und auch an der feucht werdenden Glaswand sich
Alkohol in, wenn auch geringen, so doch vielleicht nicht zu
vernachlässigenden Mengen kondensierte, mußten auch diese
Mengen festgestellt werden. Endlich wird die in die Queck-
silberkugel abgesaugte Luftmenge auf ihren Alkoholgehalt unter-
sucht, indem man sie langsam durch zwei mit Schwefelsäure
und Bichromatlösung bekannter Konzentration beschickte Gefäße
von der früher bereits beschriebenen Konstruktion hindurch-
streichen läßt und durch Titrieren, wie oben (S. 129) beschrieben,
den Alkoholgehalt ermittelt.
Durch diese Bestimmungen lernen wir einerseits die Alkohol-
menge kennen, die verdampft ist, und zwar diese aus der
Differenz zwischen der in den Apparat gebrachten Alkohol-
menge und der des nicht verdampften Alkoholrestes. Sodann
— aus der Analyse der Glockenluft, der Kalilauge und des an
der Glockenwand niedergeschlagenen Wassers — die in der
Glocke am Schluß der Versuche vorhandene Alkoholmenge.
Die Differenz zwischen verdampftem und in der Glocke wieder-
gefundenem Alkohol gibt die Alkoholmenge, die aus der Glocken-
luft verschwunden, also am Tier sich befindet oder von ihm
aufgenommen wurde. Letztere Menge ergibt sich nach Ab-
zug der ersteren. Ziehen wir von der ins Tier aufgenommenen
Menge die in ihm wiedergefundene ab, so haben wir den Um-
fang der Alkoholverbrennung im Tiere im Verhältnis zur
aufgenommenen Alkoholmenge.
Die Analyse der Glockenluft gibt zugleich einen ungefähren
Anhalt für die Alkoholspannung, unter der der Alkohol vom Tiere
aufgenommen wurde.
Die ganze Versuchsanordnung ist auf Figur 4 dargestellt.
Wir haben nach diesem Verfahren 6 Versuche ausgeführt,
3 an Ratten, 3 an Meerschweinchen.
Vor Besprechung der Ergebnisse seien Auszüge aus den
Protokollen angeführt.
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 149
Fig. 4.
Versuch 1. Ratte von 123g sitzt in der Glocke von 10% 42’ bis
135°. Hineingebrachte Alkoholmenge 37,79 g. — Ab 10% 50° Verände-
rung im Verhalten des Tieres; es sitzt mit gesenktem Kopf, ist dabei
übererregbar gegen Geräusche. 11% 35’: Ratte sitzt noch aufrecht, reagiert
wenig auf akustische Reize. 1? 25’: Ratte liegt auf der Seite, reagiert
nur noch auf starke akustische Reize durch geringe Hebung des Kopfes.
Am Ende liegt sie halb auf der Seite, versucht taumelnd zu laufen.
Alkoholrest: 36,22g. Die Glockenluft enthält am Schluß: 2,85°/, Alko-
holdampf.
Versuch 2. Meerschweinchen von 350g. Beginn 10% 8’, Ende
12255’. Tier lehnt sich schon um 10% 30’ an die Wand des Behälters,
reagiert noch deutlich auf Klopfen an die Glaswand. — 12430’: Auf
starkes Klopfen nur geringes Zucken der Ohren; wirft sich seit einiger
Zeit umher und versucht sich vorwärts zu schieben. — Beim Heraus-
nehmen liegt das Tier auf der Seite, es versucht sich aufzurichten, bleibt
breitbeinig auf dem Bauche liegen. — Alkohol hineingebracht: 37,66 g,
Alkoholrest 35,185 g. Die Glockenluft enthält: 2,3744°/, Alkoholdampf.
Versuch 3. Meerschweinchen von 470g, geschoren. In der
Glocke von 10% 30’ bis 1230. In die Glocke: 37,945 g Alkohol. —
112 15’ liegt Tier auf der Seite; reagiert noch auf Klopfen. 140 tiefe
Atmungen. Tier wälzt sich am Boden umher und versucht sich vor-
wärts zu schieben. 1225’: 102 angestrengte Atmungen mit aktiver
Exspiration. — Nach der Herausnahme liegt es auf der Seite. Corneae
reagieren noch. Am Bauch ist das Tier feucht, und das Fell riecht nach
Alkohol. Alkoholrestt am Ende: 35,17 g; die Glockenluft enthält am
Schluß 3,1°/, Alkoholdampf.
Versuch 4. Meerschweinchen von 507g in der Glocke von
10% 32’ bis 126 32. Hinein 37,945 g Alkohol. — 10% 55’ Tier übererregbar
auf Geräusche. Beim Beklopfen der Glocke starkes Zucken des ganzen
Körpers. 11% 22°: Tier liegt auf der Seite, noch übererregbar. Versucht
150 A. Loewy u. R. von der Heide:
sich wiederholt aufzurichten. 11? 30’: 132 unregelmäßige Atemzüge. —
Bis zum Schluß wirft sich das Tier viel umher. Atmung ungleich und
unregelmäßig. — Herausgenommen liegt es auf der Seite, corneae rea-
gieren schwach. — Alkoholrest beträgt: 34,93 g.
Das Tier wird ertränkt und zweimal mit viel kaltem
Wasser abgewaschen. Die Wässer werden für sich auf Alko-
hol untersucht, ebenso das Tier selbst. — Glockenluft enthält am
Schluß 4,14°/, Alkoholdampf.
Versuch 5. Ratte 168g schwer. In Glocke von 10%31’ bis
12b 48°. — Hinein: 35,4475 g Alkohol. — 10% 50°: Tier liegt halb auf der Seite,
Kopf am Boden. 1130’: Tier liegt auf der Seite, reagiert wenig auf
Klopfen, schiebt sich häufiger taumelnd umher. — 12? 32’: Keine Reak-
tion mehr auf Klopfen, Atmung angestrengt und langsam. Heraus-
genommen reagiert das Tier nicht mehr auf Berührung, Körperoberfläche
feucht. Tier ertränkt. Dieses Wasser sowie zwei weitere Wassermengen,
mit denen der Kadaver gründlich abgewaschen wurde, wurden für sich
auf Alkohol untersucht; ebenso der Rattenkörper selbst. — Alkoholrest:
32,53g. Die Glockenluft enthielt zum Schluß: 4,03°/, Alkoholdampf.
Versuch 6. Ratte, 327g. In Glocke von 10% 35’ bis 12 35’. —
Hinein: 37,86 g Alkohol. 11% 25’: Tier sitzt noch aufrecht, reagiert etwas
träge, bewegt sich langsam in der Glocke. — 11% 50’: Putzt sich; etwas
übererregt. 1220’: Tier noch mobil. 12% 30°: Noch übererregbar, sitzt
mit gesenktem Kopf, doch noch aufrecht. — Beim Herausnehmen macht
es Muskelspannungen und leistet Widerstand, losgelassen läuft es schwan-
kend und langsamer als normal umher. Getötet durch Nackenschlag.
Haut dreimal reichlich mit Wasser abgewaschen. Das Waschwasser
sowie der Kadaver werden gesondert auf Alkohol untersucht. Alkohol-
rest: 35,83g Alkohol. Die Glockenluft enthält zum Schluß: 2,76°/,
Alkoholdampf.
Die Ergebnisse dieser Versuche enthält die Tabelle IV.
Tabelle IV.
1 e So IR e| 7 11
Alkohol wiedergefunden
2,8] s las lug D| Aufgenommene
Versuchs-Nr. 3 b F 2 Ek g Siel 3 883 z 8 SEHR Alkoholmenge
mem | = V =. fi R
s 5 Za S5) aS aSk g +» 2| pro Kilo Tier
Tierart <4 v g Eia 53 ad s3 GA ER p
En g g g g g g
— —
1. Ratte . . | 1,57 0,3039 0,6914
2. Meer-
schwein-
chen . . | 2,475 0,3222 0,7747 | 0,679
3. do. . . . | 2,770 1,122 0,7534 | 0,679 | 2,5544 |0,2156
4. dœ. . . .| 3,015 [0,403 |0,284 |1,003 |0,529|0,00912,2186|0,7964 0,7850 2,36
5. Ratte . . | 1,917 [0,147 0,1565 0,4744 0,739 | 0,000| 1,5169 [0,4001 | 1,070 3,25
6. do. . . 2,03 [0,0104 0,0057 | 0,3256 | 0,789 |0,000{ 1,1307 [0,900 |1,375 2,78
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 151
Die Tabelle zeigt zunächst, daß das Kondenswasser an der
Glockenwand entweder quantitativ nicht nachweisbare oder
äußerst geringe Mengen Alkohol enthielt. Dagegen hatte die
Kalilauge beträchtliche Alkoholmengen absorbiert, deren Ver-
nachlässigung zu unmöglichen Ergebnissen geführt hätte. Auch
die Scheidung der in das Tier eingetretenen und der außen
an ihm haftenden Alkoholmengen erweist sich als erforderlich,
um Kenntnis über den Umfang der vom Tier aufgenommenen
Alkoholmengen zu gewinnen.
Um die analytischen Werte möglichst sicher zu gestalten,
wurden in diesen Glockenversuchen verhältnismäßig große
Alkoholmengen zur Verdampfung gebracht. Wie hoch die
Alkoholspannung stieg, läßt sich nicht sicher sagen; jedenfalls
aber übertraf sie, bis auf den Rattenversuch 6, die höchsten
der in den bisher besprochenen Versuchen erreichten. Das
geht aus der weit schnelleren Giftwirkung hervor, die sich in
gleicher Weise auf Ratten und Meerschweinchen äußerte. Die
zum Schluß gefundene Alkoholdampfspannung in der Glocken-
luft, die in den vorstehenden Protokollen angegeben ist, ist
natürlich für die Spannungen, die sich im Laufe der Versuche
ausbildeten, nicht maßgebend, ebensowenig aber auch die
Spannungen, die man berechnen kann, wenn man von der ver-
dampften Alkoholmenge ausgeht.
Die Tabelle zeigt nun, daß erhebliche Alkoholmengen
zur Verbrennung gelangt sind. Dabei ist zwischen Ratten
und Meerschweinchen ein deutlicher Unterschied in der Größen-
ordnung erkennbar, da bei ersteren die verbrannten Alkohol-
mengen um das 2- bis 3fache die bei letzteren übertreffen.
Die Berechnung pro Kilo Tier und Stunde gibt für
die beiden Ratten, für die alle Daten vorliegen: 1,070 g und
1,375g. Im Mittel: 1,222g. Für die Meerschweiuchen:
0,23g bis 0,79 g; im Mittel = 0,584 g.
Diese Werte liegen erheblich über den von Völtz und
Dietrich am Hunde bei Alkoholeinbringung in den Magen ge-
fundenen. Sie fanden eine Verbrennung von nur 0,14 ccm
Alkohol pro Kilo und Stunde in 10 Stunden dauernden Ver-
suchen, wenn sie rund 1,6g Alkohol pro Körperkilo in den
Magen gebracht hatten.
In unseren Versuchen war nun die Aufnahme des
152 A. Loewy u. R. von der Heide:
Alkohols weit beträchtlicher. Berechnen wir sie aus der
Differenz zwischen der verdampften und der Summe der im
Restalkohol, der Kalilauge, der Glockenluft und am Tiere wieder-
gefundenen Alkoholmengen, so finden wir, daß das Meer-
schweinchen in Versuch 4: 2,36 g pro Körperkilo durch Ein-
atmung in den Körper aufnahm, die Ratten in Versuch 5 und
6: 3,25 g und 2,78g pro Kilo Tier. — Danach wären also
während der Dauer des Versuches verbrannt pro Kilo: vom
Meerschweinchen in Versuch 4: 66,50°/, des aufgenommenen
Alkohols; von den Ratten im Versuch 5 und 6: 73,8 und
98,9%/,.
Wie weit die Art der Aufnahme zur Erklärung des gegen-
über den Hunden beträchtlich erhöhten Umfangs der Alkohol-
verbrennung heranzuziehen ist, soll zunächst unerörtert bleiben.
Sicher ist aber die weit erheblichere den Geweben zur Ver-
fügung stehende Alkoholmenge von Bedeutung. Ähnlich hohe
Werte, wie wir am Meerschweinchen fanden, berechnen sich
aus Versuchen von Wolffers!), in denen Kaninchen Alkohol-
mengen intravenös injiziert wurden, die den Energiebedarf
übertrafen, nämlich 4g pro Kilo und Stunde. Verbrannt wur-
den hier 0,364g Alkohol pro Kilo und Stunde. Die noch
höheren Werte bei unseren Ratten dürften mit dem weit leb-
hafteren Stoffwechsel dieser Tiere zusammenhängen.
Daß die gefundenen Werte durchaus möglich sind und so
große Alkoholmengen im Körper wohl oxydiert werden können,
ergibt sich aus folgendem. Berechnen wir den calorischen
Wert derselben, so finden wir, daß durch die Alkoholverbrennung
erzeugt wurden in den Versuchen an Meerschweinchen pro Kilo
und Stunde: 5,11 Cal. in Versuch 2; 1,61 Cal. in Versuch 3;
5,50 Cal. in Versuch 4. In den an Ratten: 7,49 Cal. in Ver-
such 5 und 9,62 Cal. in Versuch 6.
Die Wärmeerzeugung ruhender Meerschweinchen be-
trägt nach älteren und neueren Bestimmungen: 5,87 Cal. per
Kilo und Stunde. Unsere Tiere verhielten sich nicht ruhig,
machten vielmehr, wie aus den Protokollen hervorgeht, zahl-
reiche Muskelbewegungen zum Zwecke von Ortsveränderungen
teils durch Herumwälzen, teils durch Herumkriechen. Ihr Um-
1) N. Zuntz, Handb. d. Bioch. 4, 1, 859, 1911.
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 153
satz war also jedenfalls höher und der Prozentsatz, in dem er
durch Alkoholverbrennung gedeckt wurde, liegt in den mög-
lichen Grenzen. Gehen wir von dem obigen Ruheumsatz-
wert aus, so würde sich der Alkohol an ihm beteiligt haben
zu: 87°/, im Versuch 2, zu 28°/, in Versuch 3, zu 94°/, in
Versuch 4. Das sind Maximalwerte, da der Gesamtumsatz
unserer Meerschweinchen höher als der Ruheumsatz, der von
uns zugrunde gelegt wurde, eingesetzt werden muß.
Bei den Ratten schwanken die Angaben über ihre Calorien-
produktion. Nach neuesten Angaben von Krogh!) soll sie
nur 9,04 Cal. pro Kilo und Stunde ausmachen. Nach den
älteren Angaben von Pott?) dagegen etwa 15,6 Cal. Da
unsere Tiere häufige Bewegungen ausführten, ihr Umsatz also
den Ruheumsatz übertraf, müssen wir die letzteren höheren
Werte zum Vergleich nehmen. Dann liegt auch bei den Ratten
die aus der Alkoholverbrennung sich ergebende Wärmemenge
innerhalb des Gesamtumsatzes und die gefundenen Werte im
Bereich der zu erwartenden. Es würden durch den Alkohol
vom Gesamtumsatz gedeckt sein: In Versuch 5: 48°/,, in Ver-
such 6: 62°/,.
Wenn auch die zahlenmäßigen Werte für die Anteilnahme
des Alkohols am Gesamtumsatz mit einer gewissen Unsicherheit
behaftet sind, da wir letzteren in unseren Versuchen nicht
genau kennen und für ihn Durchschnittswerte annehmen müssen,
so zeigen sie jedenfalls das Eine, daß der Alkohol in weit-
gehendem Maße an der Deckung des Calorienbedürf-
nisses des Körpers beizutragen vermochte.
Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit den Er-
fahrungen früherer Autoren. Wie schon angegeben, beteiligte
sich der Alkohol in den Völtz-Dietrichschen Versuchen zu
42°/, am Stoffumsatz; in den Versuchen von Wolffers nach
Zuntz) Berechnungen bei überreichlicher Zufuhr zu 71°/,.
Aus Respirationsversuchen von Geppert‘) berechnete Rose-
1) A. Krogh, Respiration (englisch) 1916.
2) Pott, Landwirtschaftliche Versuchsstation XVIII (zitiert nach
Zuntz: Hermanns Handb. d. Physiologie 4, 2, 1882).
3) N. Zuntz, Handb. d. Biochem. 4, 1, 859, 1911.
*) Geppert, Arch. f. experim. Pathol. 22, 367, 1887.
154 A. Loewy u. R. von der Heide:
mann!) für den Menschen eine Anteilnahme von 50 bis 75°],
am Umsatz, endlich kommt auch Durig?) auf Grund seiner
Gaswechselversuche zu dem Schluß, daß der Alkohol in sehr
weiten Grenzen unter Verdrängung sonstiger Energieträger sich
am Stoffwechsel beteiligen mußte.
D. Über die Beziehungen zwischen Alkoholansammlung und
Alkoholeinatmung.
Theoretisch interessant, aber auch praktisch von Bedeutung
ist die Frage, wie sich die Menge des vom Körper aufgenom-
menen Alkohols zu der mit der Atemluft in die Lunge ein-
tretenden verhält.
Beim Methylalkohol war sie darum relativ einfach zu
beantworten, weil angesichts des sehr geringen Umfanges der
Methylalkoholverbrennung im Körper sowie seiner Wieder-
ausscheidung durch den Harn die in ihm angespeicherte Menge
annähernd der aufgenommenen entsprach, also die durch die
Lungenwand in das Körperinnere eingetretene Menge anzeigte.
Beim Äthylalkohol ist diese Beziehung nicht vorhanden, da
ein, wie es scheint, je nach der Tierart verschiedener und wohl
auch durch die Art der Aufnahme und die Menge, die dem
Körper zugeführt wird, beeinflußter Anteil zur Verbrennung
gelangt uud damit verschwindet.
Was aus unseren an erster Stelle besprochenen Kasten-
versuchen, in denen die Tiere Luft mit bekanntem Alkohol-
gehalt atmeten, geschlossen werden kann, ist das Verhältnis
des im Körper wiedergefundenen- Alkohols zu dem bei der
Einatmung in die Lungen eintretenden. Ergeben sich hier
Werte, die eine gewisse Konstanz zeigen oder nur innerhalb
enger Grenzen sich bewegen, so ist das Resultat immerhin von
Wert, denn es besagt, wie sich die Aufstapelung gestaltet und
läßt Schlüsse darauf zu, wieviel Alkohol in die Lungen
eintreten darf, ohne daß eine vergiftende Alkohol-
menge sich ansammelt.
Die Menge der in der Zeiteinheit die Lungen passierenden
Luft kann für Ratten und Meerschweinchen nur indirekt fest-
1) Rosemann, Handb. d. Biochem. 4, 1, 424, 1911.
®) A. Durig, Arch. f. d. ges. Physiol. 113, 341, 1906.
Aufnahme des ÄAthylalkohols durch die Atmung. 155
gestellt werden. Bekannt ist die Kohlensäurebildung bzw. der
Sauerstoffverbrauch pro Minute; der Prozentgehalt an Kohlen-
säure bzw. das sogenannte Sauerstoffdefizit in der Exspirations-
luft können auf Grund von durch Respirationsversuche gewon-
nenen Erfahrungen annähernd sicher geschätzt werden.
Mit Hilfe beider Größen können wir durch eine einfache
Proportion den Umfang des Luftwechsels berechnen und, da
ja der Prozentgehalt der Einatmungsluft an Alkohol für jeden
Versuch bekannt ist, auch die Menge des in der Zeiteinheit
bzw. während des ganzen Versuches eingeatmeten Alkohols
ermitteln.
Für die Berechnung gingen wir davon aus, daß wir für
die Ratten eine Kohlensäurebildung von 4,5 g pro Kilo und
Tabelle V (Ratten).
1 2 3 4 5 6 7
' Pro Kilo Tier | Von der
Versuchs. | Dauer Äthylalkoholgehalt warden eingeat-
reihe and der an Alkoholdampf | meten
N Atmung Einatmungsluft ein- aufge- Menge
x in mm Hg- | geatmet | speichert | fanden
Std. Min in % | Spannung ccm sich ?/o
2.1 2 13,31 | 68,93 1,7
2 |2 13.31 | 9757| 24
8.1 % 14,55 | 126,7 1,4
4 4 14,55 | 114,5 1,27
5 7 16,68 1337,0 6,5
6 7 16,68 | 1166,0 5,7
7 22 16,17 2691,0 [4,86]
3. 1 2 8,11 74,75 8,1
2 2 8,11 7718 | 32
3 4 9,417 132,0 2,36
4 4 9,417 262,1 4,7
5 8 9,341 715,5 6,0
6 | 8 9,341 441,7 3,7
7 21 9,588 2808,0 9,06
8 21 9,588 | 1814,0 5,8
5. 1 3 14,06 | 186,4 2,8
2 3 14,06 219,9 3,3
3 7 14,60 1213,0 7,2
4 7 14.60 987.6 5,9
5 I 9 15.33 1510,5 6,2
6 9 15,33 1619,0 6,6
6. 1 8 2,83 275,9 9,2
2 |8 2,33 217,5 7,2
3 27 3,28 246,9 1,9
7.1 8 35,0 812,1 4,8
2 3 35,0 1205,0 6,8
156 A. Loewy u. R. von der Heide:
Tabelle VI (Meerschweinchen).
1 k 2 8 4 5 6 7
Pro Kilo Tier Von der
Verenohi: Dauer | Athylalkoholgehalt a eingeat-
reihe und der der an Alkohuldampf | meten
Atmung | Einatmungsluft ein- aufge- Menge
Nz. 7 in mm Hg- | geatmet | speichert fanden
Std. Min. | in®lo | Spannung | cem | ccm sich %,
1.1 E = 0,639 4,664 1023 9,1
2 13 6 0,707 5,164 3705 13 6
3 13 6 0,707 5,164 3705 y 11,6
4. 1 AT, 0,732 5,344 5856| 5048| 86
2 2 — 0,732 5,344 5856| 6885| 11,7
3 4 52 0,908 6,628 1770 125,7 7,1
4 4 52 0,908 6,628 1770 165,5 9,3
5 |8 52 1,235 9,696 4556 239.8 5,2
6 | 8 52 1,285 9.696 | 4556 | 187.4 „1
7T |12 3 1,215 9,168 5856 5747 wg
8 (12 3 1,215 9,168 5856 6053 | 103
9 23 21 1,138 8,594 10626 872,8 82
10 [23 29 | 1138 | 8594 | 10683 | 5631 | 5,2
T1 |4— | 45 35.0 7200 | 8645 | 120
2 |4| 45 35,0 7200 | — 2%
3 10 10 4,4 35,0 17864 2647,3 14.8
4 |10 10 | 44 35,0 17864 | 2193,0 | 123
5 [10 10 | 44 35,0 17864 | 8102,0 | 17,4
Stunde und für ihre Exspirationsluft einen Gehalt von 2°/,
Kohlensäure einsetzten. Für die Meerschweinchen gingen wir
von 1,75 g Kohlensäurebildung pro Kilo und Stunde und 2!/,°/,
CO, in der Exspirationsluft aus.
Auf diese Weise berechneten sich die in den Tabellen V
und VI aufgeführten Werte.
Der Stab 5 beider Tabellen gibt die Alkoholmengen an,
die mit der Atmung in die Lungen eintreten, berechnet auf
ein Kilo Tier. Sie wachsen natürlich proportional der Dauer
der Atmung. Stab 6 enthält die in den Tieren wiedergefun-
denen und gleichfalls auf das Körperkilo umgerechneten Alko-
holmengen. Auch sie nehmen mit der Dauer der Versuche
zu, abgesehen von Versuch 6 an den Ratten, in dem schon
nach 8!/, Stunden Sättigung des Körpers mit Alkohol für die
herrschende, sehr niedrige Alkoholspannung erzielt war.
Die Werte für das Verhältnis zwischen eingeatmeter und
aufgespeicherter Alkoholmenge gibt Stab 7. Sie zeigen Schwan-
kungen, die teils von der Dauer der Alkoholeinatmung ab-
hängig sind, teils aber auch mit der Höhe des Alkoholgehaltes
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 157
der Atmungsluft in Beziehung stehen und weiterhin natürlich
beeinflußt werden von der Menge derjenigen Stoffe des Tier-
körpers, die den Alkohol binden, sowie von der Intensität, mit
der der Alkohol im Körper verbrannt wird. Jedoch soll bis
zur Sammlung weiteren Materials hierauf nicht näher einge-
gangen werden. Was aber deutlich hervortritt, ist die Tat-
sache, daß nur ein geringer Anteil des inspirierten
Alkohols angelagert worden ist.
Bei den Ratten erreicht er als Maximum in 2 Versuchen
9,06 und 9,2°/,; zwischen 5 und 9°/, liegt er in 12 von den
im ganzen 26 Werten; unter 5°/, in 14 Fällen.
Will man, trotz der erheblichen Abweichungen nach oben
und unten, die Werte zu einem Mittelwert vereinigen, so
würde sich eine Aufspeicherung von 4,7°/,, also rund 5°/, des
eingeatmeten Alkohols ergeben.
Bei den Meerschweinchen ist der prozentische Anteil
an aufgespeichertem Alkohol höher. In dem letzten Versuch,
der bald zu schwerer Vergiftung führte, beträgt er im Mittel
14,1°/,; in den übrigen geht er nur einmal unter 5°/, hin-
unter, sonst liegt er zwischen 5 und 11,7°/, und macht im
Mittel 8,8°/, des eingeatmeten Alkohols aus. Also auch hier
sammelt sich nur ein geringer Teil des zur Einatmung gelan-
genden Alkohols im Körper an.
Beim Methylalkohol liegen die Verhältnisse anders. Hier
findet man viel erheblichere Mengen wieder. Am besten wird
dies gezeigt durch die Nebeneinanderstellung von Versuchen
mit beiden Alkoholen, die unter annähernd gleichen Bedin-
gungen ausgeführt sind. Sie sind für den Äthylalkohol der
vorstehenden Tabelle V, für den Methylalkohol der Tabelle III
der Methylalkoholarbeit entnommen.
Sonach war die von Methylalkohol wiedergefundene
Menge die etwa 3fache bis etwa 10fache der vom Äthyl-
alkohol im Tier verbliebenen.
Haben die vorstehenden Berechnungen ein gewisses prak-
tisches Interesse, da sie zur Grundlage für die Zulässigkeit
einer bestimmten Alkoholkonzentration in der Luft von Räumen,
die dem Aufenthalt von Menschen dienen, gemacht werden
könnten, so kommt der Frage nach der Beziehung zwischen
der Menge des eingeatmeten Alkohols und des wirklich in den
Biochemische Zeitschrift Band 86. 11
158 A. Loewy u. R. von der Heide:
Tabelle VII.
Methylalkohol.
Dauer Alkohol- Pro Kilo Wiedergefun-
der Atmun spannun, 3 | ‚wieder dene, Menge
i E P 8 eingeatmet | gefunden in °/, der
Std. Min. mm ccm | ccm eingeatmeten
Bana 6,10 1924 469 24,4
2 — 6,10 1924 469 24,4
8&8 — 6,49 8272 1386 16,7
8 — 6,49 8272 1456 17,6
4 — 16.60 10543 1540 14,6
4 — 16,60 10543 1540 14,6
8 — 16,60 21093 5031 14,3
8&8 — 16,60 21093 3031 14,3
Äthylalkohol.
2 — 8,11 2418 74,75 3,1
2 — 8,11 2418 77,18 3,2
8 30 9,34 11933 715,5 6,0
8 30 9.34 11933 441,7 3,7
4 — 14,55 ` 9000 126,7 1,4
4 — 14,55 9000 114,5 1,27
8&8 — 16,68 20520 1337 6,5
8 — 16,68 20520 1166 5,7
Körper aufgenommenen, d. h. aus den Lungen in ihn über-
getretenen, eine theoretische Bedeutung zu. Denn diese
Beziehung kann uns den gesetzmäßigen Ablauf lehren, der für
die Aufnahme des Alkohols ins Lungenblut besteht. Leider
können unsere Versuche nach dieser Richtung keinen sicheren
Aufschluß geben. Die von uns an erster Stelle mitgeteilten
Kastenversuche darum nicht, weil wir zwar in ihnen die in
die Lunge eingetretene Alkoholmenge berechnen können und
die im Tiere aufgestapelte direkt bestimmen, aber keinen An-
halt über den Umfang der Alkoholverbrennung haben. Die
Glocken versuche geben darum keinen Aufschluß über die
Frage, weil in ihnen zwar aufgestapelte und verbrannte Menge
bekannt sind, nicht sicher aber die in die Lungen eingetretene.
Denn die Alkoholspannung der Glockenluft ist bei unserer
Methodik nicht sicher zu bestimmen.
Zu einer Schätzung der eingeatmeten Mengen könnte
man auf dem Wege kommen, daß man die aus der Menge
des verdampften Alkohols sich ergebende Alkoholspannung der
Glockenluft berechnet und aus dieser als Maximum sowie aus
der zum Schluß durch die Untersuchung der Glockenluft sich
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 159
findenden Spannung das Mittel nimmt und unter Einsetzung
dieses Mittels die eingeatmete Alkoholmenge berechnet.
Danach würden sich für die in Betracht kommenden Ver-
suche Nr. 4 bis 6 der Tabelle IV folgende Werte ergeben:
Versuch 4 am Meerschweinchen: pro Kilo aufgespeicherte
Menge = 0,795 g Alkohol.
Verbrannt — 0,796 g, aufgenommen also 1,591 g. Einge-
atmet (bei einem zu 8,65°/, eingesetzten mittleren Gehalt der
Glockenluft an Alkohol) 6,92 1 Alkohol.
Aufgenommen in °/, der eingeatmeten Menge:
11,16],
Versuch 5 an Ratte; pro Kilo aufgespeichert — 0,875 g,
verbrannt — 1,511 g Alkohol.
Aufgenommen 2,386 g. Eingeatmet (bei einem mittleren
Gehalt der Glockenluft an Alkohol von 8,03°/,) = 18,071
Alkohol.
Aufgenommen =6,409°/, der eingeatmeten Menge.
Versuch 6 an Ratte: pro Kilo aufgespeichert 0,832 g
Alkohol, verbrannt 1,98 g Alkohol.
Also aufgenommen 2,012 g. Eingeatmet (bei einem mitt-
leren Gehalt der Glockenluft von 5,567°/,) 0,9766 1 Alkohol.
Aufgenommen = 7,801°/, der eingeatmeten Menge.
Nach diesen Werten, die natürlich nur einen Anhalt über
die Größenordnung, um die es sich handelt, geben können,
würde bei den sehr hohen Alkoholspannungen, die in der
Glocke herrschten — und es wurde schon erwähnt, daß das
Befinden der Tiere bewies, daß die Alkoholmengen hier sicher
höher waren als die höchsten in den Kastenversuchen —, nur
ein geringer Prozentsatz des eingeatmeten Alkohols durch
die Lungenwand in das Blut aufgenommen.
Es bedarf weiterer Untersuchungen, um festzustellen, wo-
rauf dies zu beziehen ist, insbesondere wie sich die Aufnahme
bei niedrigen Alkoholspannungen verhält.
Beim Methylalkohol hatte sich ergeben, daß aus einer
Luft mit ganz geringen Alkoholbeimengungen (0,2°/,) 50°/,
und mehr des inhalierten Alkohols ins Blut übertreten, daß
aber mit steigender Alkoholspannung die Alkoholausnutzung
immer geringer wird. Bei 2?/,°/, Alkoholgehalt wurden nur
11*
160 A. Loewy u. R. von der Heide:
noch 13,3 bis 14,6°/, des eingeatmeten Alkohols vom Körper
aufgenommen.
Es scheinen sich danach in Beziehung auf den Übertritt
des Alkohols aus den Lungen ins Blut, bei höheren Spannungen
wenigstens, die Verhältnisse bei beiden Alkoholen nicht wesent-
lich verschieden zu verhalten.
E. Versuche über Alkoholeinatmung beim Menschen,
Neben den Versuchen an Tieren führten wir nun eine
Reihe weiterer am Menschen aus, um uns zu überzeugen, in
welchem Maße bei ihm der Alkohol aus der Einatmungsluft
in den Körper übergeht, wie hoch der Alkoholgehalt der Ein-
atmungsluft sein kann, bei dem, sei es noch keine Belästigungen
auftreten, sei es bereits Alkoholwirkungen sich bemerkbar
machen in Form von Müdigkeit, Benommenheit, Kopfschmerz
oder ähnlichem, und wobei Alkohol oder auf ihn zurückzu-
führende Zersetzungsprodukte im Harn erscheinen.
Bei der Bedeutung, die, wie schon in der Einleitung aus-
geführt, der Frage in praktischer Beziehung zukommt, da doch
in allen Betrieben, in denen denaturierter Spiritus zur Ver-
dampfung kommt, neben dem als Vergällungsmittel dienenden
1°/, Methylalkohol noch 92°/, Äthylalkohol der Verdampfung
unterliegen, eine Verdampfung, die angesichts des nur wenig
höheren Siedepunktes gegenüber dem Methylalkohol nicht viel
weniger intensiv sein wird als die des letzteren — schienen
uns quantitativ messende Versuche wünschenswert. Sie haben
uns allerdings nur für praktische Fragen Aufschluß gegeben,
während sie in rein wissenschaftlicher, pharmakologischer Hin-
sicht nur nach einer Richtung Aufklärung geliefert haben.
Wir benutzten eine dem tierphysiologischen Laboratorium
angebaute pneumatische Kammer für unsere Versuche. Die
Einrichtung für in ihr vorzunehmende Druckänderungen wurde
nicht in Tätigkeit gese‘zt, überhaupt keine Lufterneuerung
vorgenommen. Da die Kammer einen Inhalt von 80001 hat,
wurde durch den Aufenthalt eines Menschen in ihr, selbst für
längere Zeit, die Kammerluft nur so wenig verändert, daß
daraus keinerlei Komplikationen entstehen konnten.
Die Druckänderungen, die dadurch zustande kommen
könnten, daß die exspirierte Luft weniger Kohlensäure enthält
Aufnahme des ‚Athylalkohols durch die Atmung. 161
als Sauerstoff, würden bei Annahme einer Atemgröße von 51
pro Minute, einem Sauerstoffverbrauch von 200 cem und einer
Kohlensäureausscheidung von 150 ccm pro Minute nach einem
Aufenthalt von 1 Stunde in der geschlossenen Kammer zur
Abnahme des Druckes um 0,3 mm, nach 2 Stunden um 0,8 mm
führen, wenn die Exspirationsluft keine höhere Wasserdampf-
spannung aufwiese als die Kammerluft. Angesichts dieser
kommt es zu einer wenige Millimeter betragenden Steigerung des
Druckes. Die Änderungen des Druckes durch mehrstündigen
Aufenthalt in der Kammer spielen also keinerlei Rolle.
Ebensowenig kommt die chemische Veränderung der
Kammerluft infolge des Atmungsprozesses der Versuchsperson
in Betracht. Bei einer Kohlensäureausscheidung von 175 cem
pro Minute würde nach einem Aufenthalt von einer Stunde
die Kammerluft 10,51 CO, enthalten, das sind bei 8000 1
Luftgehalt der Kammer 0,13°/,; bei einer Versuchsdauer von
2 Stunden wären es erst 0,26°/, Dementsprechend beträgt
der Sauerstoffgehalt nach 1 Stunde noch 20,78°/,, nach 2 Stun-
den noch 20,63°|,.
Die Kammer enthielt einen Flügelventilator, der sowohl
außerhalb wie innerhalb der Kammer ein- bzw. ausgeschaltet
werden konnte. Unter ihm wurden auf einem Stativ, je nach
der Alkoholmenge, die verdampfen sollte, Schalen von ver-
schiedenen Durchmessern aufgestellt, die gemessene Alkohol-
mengen enthielten. Durch eine Reihe von Vorversuchen wurde
festgestellt, wieviel Alkohol aus ihnen im Laufe bestimmter
Zeit bei tätigem Ventilator verdunstete, woraus die Alkohol-
konzentration der Kammerluft sich ergab.
Wir gingen nun so vor, daß wir eine gewünschte Alkohol-
konzentration bei leerer, luftdicht geschlossener Kammer da-
durch herstellten, daß wir eine bestimmte Menge Alkohol ver-
dunsten ließen. Dann wurde bei stillstehendem Ventilator die
Tür so weit für einen Augenblick geöffnet, daß die Versuchs-
person die Kammer betreten konnte. Das Alkoholgefäß, dessen
Inhaltsmenge und Alkoholgehalt später bestimmt wurden, wurde
von der eingetretenen Person nach außen gereicht, die Tür
sofort wieder luftdicht verschlossen und der Ventilator wieder
in Tätigkeit gesetzt. Dann wurde eine Probe der Kammer-
luft in Menge von 101 von außen in einen, eine bestimmte
162 A. Loewy u. R. von der Heide:
Menge titrierter Bichromatschwefelsäure enthaltenden, eva-
kuierten Kolben eingesaugt. Der Kolben blieb unter häufigerem
Schütteln 24 Stunden stehen, und dann wurde der Alkohol-
gehalt der Bichromatlösung, d. h. also der Luftprobe direkt,
bestimmt.
Nach einer Stunde wurde eine zweite Luftprobe von außen
abgesaugt, in der wiederum in gleicher Weise der Alkohol
ermittelt wurde. Die Differenz ergab die Alkoholmenge, die
verschwunden war. Dauerte der Versuch eine Reihe von
Stunden, so wurde eine weitere Kammerluftprobe nach Verlauf
einer weiteren Stunde entnommen und auch ihr Alkoholgehalt
bestimmt.
Wir hatten gehofft, auf diese Weise die Menge des von
den Versuchspersonen aufgenommenen Alkohols ermitteln zu
können.
Darin täuschten wir uns nun, denn es ergaben sich die-
selben Schwierigkeiten, mit denen wir bei den Glockenversuchen
an Tieren zu tun hatten und die in einer Kondensation von
Alkohol besianden. Wir fanden nämlich, daß so viel Alkohol
verschwand, daß seine Menge ein Vielfaches von derjenigen
ausmachte, die selbst bei der Annahme einer Atemgröße von
10 bis 151 pro Minute in die Lungen eingeatmet sein konnte.
Dabei ist bei dem körperlich ruhigen Verhalten der Versuchs-
personen die Aufnahme von 10 bis 15 l pro Minute sicher noch
zu hoch. Ein Teil des Alkohols schlug sich in den Kleidern
nieder, was dadurch leicht geschehen konnte, daß infolge des
zunehmenden Wassergehaltes der Kammerluft die Kleiderober-
fläche allmählich sich mit kondensiertem Wasserdampf beschlug.
Aber auch in Versuchen an unbekleideten Personen fanden
sich viel zu hohe Werte für die Alkoholverdampfung; sie
können nur dadurch bewirkt sein, daß sich an den Kammer-
wänden Wasserdampf und Alkohol kondensiertee So war es
uns unmöglich, festzustellen, wie viel Alkohol wirklich in den
Körper eintrat, und unsere Versuche können deshalb über die
Beziehung zwischen Alkoholdampfspannung der Atemluft und
Alkoholaufnahme nichts aussagen. Aber über einen und
immerhin wesentlichen Punkt können sie doch Auskunft geben,
nämlich über das subjektive Befinden beim Aufenthalt
in einer Atmosphäre mit bestimmter Alkoholdampfspannung.
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 163
Sie zeigen uns, bei welcher Alkoholdampfspannung früher oder
später Beschwerden auftreten.
Wir wollen zunächst kurz die Protokolle der Versuche
anführen.
Kammerversuche.
1. Versuch an L., 55 Jahre. An wenig Alkohol gewöhnt. Alkohol-
dampfspannung zu Anfang 0,138°/,. Aufenthalt 39 Minuten. Alkohol-
geruch beim Eintreten intensiv, aber nicht unangenehm. Bis zu 23 Mi-
nuten keine subjektiven Erscheinungen. Von der 33. Minute ab etwas
Kopfschmerz in der Stirngegend. Nach dem Verlassen der Kammer
etwas benommen; nach 17 Minuten Spur von Reifengefühl um die Stirn.
2. Versuch an L. Alkoholdampfspannung im Beginn 0,33 4°/,, im
Mittel 0,25°/,. Aufenthalt 11 10° bis 12ħ — 50 Minuten. Starker Ge-
ruch nach Alkohol, doch nicht unangenehm. 10% 21’ Wärmegefühl an
Kopf und Stirn, Hände und Füße kalt (Temperatur in der Kammer
16,4 bis 19,20%). Eigentümliches Gefühl von Kribbeln in der Nase.
11% 35° Wärmegefühl hat sich über das Gesicht verbreitet; Kribbelgefühl
besteht weiter. 11% 52” Wärmegefühl hat sich über den oberen Teil der
Brust verbreitet. 12% an Stirn etwas Druckgefühl; Wärme auch an den
Händen und bis zum Bauche hinab. Nach Verlassen der Kammer be-
steht Stirndruck noch fort, daneben Gefühl geringer Benommenbheit.
3. Versuch an L. Alkoholdampfspannung im Beginn 0,914°/,. Der
Alkoholgeruch ist beim Eintritt fast unerträglich, den Atem benehmend.
Bald tritt Gewöhnung ein. Aufenthalt dauert 64 Minuten ab 11} 54°.
12t 2’ Brennen in den Augen; der Alkoholgeruch wird jetzt unangenehm
empfunden. 12 4’ Hitzegefühl an Stirn und Hinterkopf. Augen bren-
nen intensiver, etwas Dösigkeit. Alkoholgeruch noch deutlich. 12 25’
Kopfdruck besonders an Stirn, Müdigkeit, Schlafsucht. 12 35’ Müdig-
keit nimmt zu, Atmung von Zeit zu Zeit seufzend. Gesteigertes Hitze-
gefühl an der Stirn. 125 45’ Kopfdruck wie zuvor, Müdigkeit stärker.
12% 50’ Augen brennen noch stark, Hitzegefühl in Stirn und Ohren er-
heblich. Alkoholgeruch wird jetzt kaum noch wahrgenommen. Die
Alkoholdampfspannung beträgt zum Schluß 0,855°,. Im Mittel ist
sie 0,884 0/,.
4. Versuch an Kr., 26jähriger Soldat, an Alkohol gewöhnt. Al-
koholdampfspannung zum Beginn 0,762°/,. Alkoholgeruch unangenehm
intensiv. Aufenthalt 2 Stunden. Das Befinden der Versuchsperson
dauernd gut, keine Kopfschmerzen, nur zeitweise Druck in der linken
Schläfengegend. Alkoholdampfspannung am Schluß der ersten Stunde
nur noch 0,461°/,. Im Mittel der ersten Stunde 0,6116°/, Alkohol-
dampfspannung.
5. Versuch an demselben. Alkoholdampfspannung im ‚Beginn
1,051°/,. Im ersten Augenblick für Loewy fast unerträglicher Alko-
holgeruch. FürKr. nur sehr intensiv, aber wenig unangenehm empfunden.
Am Schluß, d. h. nach einem Aufenthalt von 1 Std. 49 Min., 0,3466 °/,.
164 A. Loewy u. R. von der Heide:
Im Mittel 0,699°),. Nach !/,stündigem Aufenthalt beginnt dauernd
bleibendes Druckgefühl über den Augen, Stiche in den Augen, Hitze-
gefühl. Nach 1'!/,stündigem Versuche Müdigkeit und Schlafbedürfnis.
In dem während des Kammeraufenthaltes abgesonderten Harn fanden
sich 0,083°/, Alkohol.
6. Versuch an Soldat N., 34 Jahre. Alkohol gewöhnt. Im Beginn
Alkoholdampfspannung von 0,8558°/,. Aufenthalt 2 Stunden. Alkohol-
spannung im Mittel 0,503°/,. Nach Aufenthalt von 20 Minuten etwas
Kopfweh in der rechten Schläfe, das sich gegen Ende verstärkt, ohne
sehr heftig zu werden.
Die Versuche ergeben, daß schon äußerst geringe Bei-
mischungen an Alkohol zur Raumluft in 1 bis 2 Stunden zu
Erscheinungen führen, wie sie für beginnende Alkoholvergiftung
beim Menschen bekannt sind.
Schon 0,1°/, Alkoholgehalt machen bei L. nach Aufent-
halt von ?/, Stunde etwas Kopfschmerz und Reifengefühl um
die Stirn; 0,25°/, schon nach 11 Minuten deutliches Hitze-
gefühl, nach 50 Minuten Stirndruck und Spur von Benommen-
heit; 0,884°/, nach 10 Minuten Aufenthalt stärkeres Brennen
in den Augen, etwas Dösigkeit. Nach 29 Minuten Kopfdruck,
Benommenheit, Schlafsucht, welch letztere mit weiterem Aufent-
halt zunimmt.
Bei einer zweiten an Alkoholgenuß gewöhnten Person be-
wirkten 0,612°/, zeitweisen Druck in der Schläfengegend bei
einem Aufenthalt von 2 Stunden; 0,699°/, Hitzegefühl, ferner
nach 1'/, Stunden Müdigkeit und Schlafsucht. Endlich bei
einem Potator 0,5°/, Schläfenkopfschmerz nach Aufenthalt
von nur 20 Minuten, der allmählich zunimmt.
Bei der Langsamkeit, mit der die Alkoholansammlung vor
sich geht, ist es sicher, daß bei längerem Aufenthalt als zwei
Stunden die Erscheinungen unter den gleichen Alkoholspan-
nungen stärker hervortreten und wohl auch mannigfaltiger
sein würden. Jedenfalls stellt schon ein Gehalt von 0,1°/,
Alkoholdampf eine Alkoholspannuug dar, bei der es zu leichten
Vergiftungserscheinungen kommen kann, und bei !/,°/, Alko-
“holdampfgehalt werden sich bei längerem Aufenthalt schon
Benommenheit und Schlafsucht einstellen können, denen man
bei !/, bis ®/,°/, schon in den ersten Stunden begegnet.
Vergleicht man diese Befunde mit denjenigen, die früher
S. 138 und 141) über das Befinden der Ratten und Meerschwein-
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 165
chen angegeben wurden, die eine Luft mit annähernd gleichen
Alkoholmengen atmeten, so scheint es, daß die untere In-
toxikationsgrenze beim Menschen auf gleicher Höhe
liegt wie bei den genannten Tierarten.
Der Alkoholgeruch war in den letztangeführten Versuchen
viel intensiver als in irgendeinem derjenigen Betriebe, die
Loewy früher besichtigt hatte und auf die im folgenden noch
näher eingegangen werden wird, und wie er selbst in denjenigen,
in denen die größte Menge Alkohol verdampfte und die Lüf-
tung gering war, wahrgenommen werden konnte.
Daraus läßt sich schließen, daß in gewerblichen Betrieben
in denen auf Alkohol zu beziehende Erkrankungen nicht be-
obachtet werden, der Alkoholgehalt sicher unter 0,25°/,, sehr
wahrscheinlich sogar unter 0,1°/, liegen muß, daß jedoch, wo
Erkrankungen vorkommen, diese Grenzen überschritten sind.
F. Über den Alkoholgehalt der Luft in gewerblichen Be-
trieben, in denen Alkohol reichlich zur Verdampfung kommt.
In dem schon früher erwähnten Gutachten, das Loewy
über etwaige gesundheitsschädliche Wirkungen von vergälltem
Branntwein bei dessen Verdampfung in gewerblichen Betrieben
veröffentlichte!), wurden Ermittelungen über die Konzentration
des Methylalkohols in der Luft der Arbeitsräume mitgeteilt.
Sie gründeten sich auf eine Ausmessung der Räume und auf
die Kenntnis der Mengen des benutzten vergällten Brannt-
weins. Es läßt sich nun ohne weiteres die Konzentration an
Äthylalkohol für dieselben Betriebe in der gleichen Weise
berechnen, da der vergällte, technisch benutzte Alkohol in
fast allen in der folgenden Tabelle aufgeführten Betrieben
gegen 92 Vol.-Proz. reinen Alkohols enthielt, Dabei wird ange-
nommen, daß die Menge des benutzten Alkohols der Menge
an verdampftem entspricht. Das gilt aber nicht ausnahms-
los, denn gerade in den beiden Betrieben mit dem größten
Alkoholverbrauch, den auf der folgenden Tabelle unter c 3und 4
aufgeführten Hutfabriken, verdampft nur ein Teil des benutz-
ten Alkohols in den Arbeitsräumen. In ihnen fand nämlich
nur das Vortrocknen der mit den alkoholischen Lösungen
1) Vgl. Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Mediz. 3. Folge, 48, Supplem.
166 A. Loewy u. R. von der Heide:
gesteiften Hüte statt, während die endgültige Trocknung in
besonderen Trockenkammern erfolgte.
Tabelle VII.
Höchstmög-
licher Gehalt
Betrieb Benutzte Spiritusmenge er Aral
koholdampf.
Volumenproz.
a) Geigenbau 1 50 1801 in 200 Arbeitstagen 0,284
2 52 1501 Holzgeistspiritus, 251
Brennspiritus pro Jahr 0,385
b) Künstl. Blu-| 1 61 [30901 im Durchschnitt
menu.Blätter pro Jahr. ...... 5,815
2 420 |90001 im Durchschnitt
pro Jahr... .... 2,482
3 48 13001 im Durchschnitt pro
Jahr 0,745
4 108 [300 1 im Durchschnitt pro
Jahr ..... 0,326
5 91 25001 pro Jahr (ioi pro
Tag). . f . 3,901
6 200 |bis 201 täglich . a una) ya 3,546
7 32 120001 pro Jahr .... 7,446
c) Hutfabriken .| 1 100 [101 pro Tag. ..... 3,546
2 180 [161 pro Tag ..... 0,319
3 900 |700—8001 pro Tag. . - 29,54
+ 343 |38009001 pro Jahr. ... . 13,84
d) Leisten- 1 6500 1200001 pro Jahr .. . 2,163
fabriken | 2 1700 |12000—25000 1 pro Jahr 0,833
3 372 |25l pro Tag. ..... 2,376
Die vorstehende Tabelle gibt die Mengen Alkohol dampf
die sich aus der verdampften Alkoholmenge berechnet, wenn
man von jeder Lufterneuerung absieht, also die ursprünglich
vorhandene Luft als stagnierend ansieht.
Nun findet aber in jedem Raume eine sogenannte natür-
liche Ventilation statt, und diese muß für bewohnte Räume
durch künstliche Maßnahmen unterstützt werden, damit die
Kohlensäureanhäufung und der Sauerstoffverbrauch nicht das
zulässige Maß übersteigen.
Nach bekannten Erfahrungen muß, damit die Luft den
hygienischen Anforderungen einigermaßen entspricht, zum
mindesten pro Stunde eine einmalige Lufterneuerung, in
10 Arbeitsstunden also eine mindestens zehnmalige stattfinden.
Der Alkoholgehalt wird also wenigstens auf '/,, der in der
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 167
Tabelle aufgeführten Werte herabgesetzt werden. Aber auch
diese Werte müssen noch bei weitem zu hoch sein, und sie
sind es auch, denn der Luftwechsel wird — besonders erheb-
lich in den großen Fabrikbetrieben mit starkem Alkoholver-
brauch — wesentlich gesteigert durch Anbringung besonderer
Fensterventilatoren, durch Öffnung der Fenster, Lüftung während
der Arbeitspausen u. ähnl.
Wenn wir auf Grund unserer Erfahrungen davon ausgehen,
daß ohne Beschwerden ein vielstündiger Aufenthalt in alkohol-
geschwängerter Atmosphäre nur möglich ist, wenn der Alkohol-
gehalt höchstens 0,1 bis 0,25°/, beträgt, so müßte die Ven-
tilation der Arbeitsräume derart sein, daß sie während der
Arbeitszeit in der unter 3 aufgeführten Hutfabrik zu einer
100- bis 300maligen Lufterneuerung führte, in der sub. 4 zu
einer 50- bis 150maligen, in der Fabrik künstlicher Blumen
sub 7 zu einer 30- bis 7TOmaligen. Das sind natürlich unmög-
liche Werte, da, abgesehen von den technischen Schwierigkeiten
in der Erzielung derartiger Ventilationseffekte, der dadurch
hervorgerufene Luftzug praktisch nicht erträglich wäre. Und
es genügt in diesen Fällen auch eine geringere Ventilation, um
den Alkoholgehalt auf die genannten zulässigen, d. h. noch nicht
giftig wirkenden Werte hinabzudrücken, da ja nur ein Teil des
Alkohols in den Arbeitsräumen selbst verdampft, ein anderer
in besonderen Trockenräumen; und da von dem in ersteren
verdampfenden Alkohol wieder ein Teil sich an den Wänden
und auf den in den Räumen sich befindenden Gegenständen,
besonders auch in der Kleidung der Arbeiter niederschlägt.
Immerhin wird da, wo reichlich Alkohol zur Verdampfung
kommt, eine energische Ventilation notwendig, sonst könnten
durch den Äthylalkohol Vergiftungserscheinungen hervor-
gerufen werden, die in manchen Äußerungen den des Methyl-
alkohols gleichen und zu Unrecht diesem zur Last gelegt wer-
den würden. Aber auch in kleinen Betrieben, die einen nur
geringen Alkoholverbrauch haben, jedoch ohne Ventilations-
einrichtungen, besonders in Hausbetrieben, wie sie sich in der
Geigenbauindustrie vielfach finden, könnte sich eine Alkohol-
spannung herausbilden, die schädlich wirken könnte. Daß sie
aber auch hier nicht erreicht wird, wird dadurch bewiesen, daß
der Geruch nach Alkohol in ihnen bei weitem nicht so intensiv
168 A. Loewy u. R. von der Heide:
ist, wie er in unseren Versuchen auch nur bei 0,1 bis 0,25°/,
Alkoholdampf gewesen ist.
Nachdem wir festgestellt haben, wie hoch der Gehalt der
Luft an Äthylalkohol sein muß, damit bereits Vergiftungs-
erscheinungen eintreten, läßt sich berechnen, wie hoch bei Ver-
dampfung vergällten Branntweins die Konzentration des mit-
verdampfenden Methylalkohols ist, wenn der Äthylalkohol-
gehalt die untere giftige Grenze, nämlich 0,1°/,, erreicht. Die
Alkoholdampfmengen aus Methyl- und aus Äthylalkohol stehen
im Verhältnis von etwa 1:64, wenn der gewerblich benutzte
vergällte Branntwein mit 92 Vol.-Proz. Äthyl- und 1°/, Methyl-
alkohol angesetzt wird. Es würde demnach einem Gehalt der
Raumluft an 0,1°/, Äthylalkohol ein solcher von 0;0016°/,
Methylalkohol entsprechen.
Da aber 0,1°/, Äthylalkoholgehalt in der Luft gewerblichen
Betrieben dienender Räume kaum erreicht wird, beträgt der
Methylalkoholgehalt noch weniger als 0,0016°/,. Dabei muß
schon dieser Wert als absolut unschädlich bezeichnet werden,
da, wie aus unseren Untersuchungen über die Wirkungen in-
halierten Methylalkohols hervorging, selbst 0,2°/, dieses bei
östündiger Einatmung keinerlei Symptome hervorriefen.
Unsere Beobachtungen können, wie wir glauben, die Grund-
lage abgeben für die praktischen Forderungen, die an den Um-
fang der Ventilation, welche je nach der Größe der Räume und
der Menge verdampfenden Alkohols erforderlich ist, gestellt
werden müssen.
G. Vergleich zwischen der Giftigkeit des Äthyl- und des
Methylalkohols.
Die allgemeine Anschauung geht heute dahin, daß der
Methylalkohol bei weitem giftiger ist als der Äthylalkohol.
Diese Anschauung gründet sich weniger auf die Ergebnisse
von Versuchen als auf die Erfahrungen der Praxis, die ja weit
mehr von schweren und tödlichen Vergiftungen an Methyl-
denn an Äthylalkohol enthaltenden Getränken zu berichten
weiß. Diese Erfahrungen stellen aber keine ganz reinen wissen-
schaftlichen Beobachtungen dar, denn es ist nicht sicher, ob
es sich in den sog. Methylalkoholvergiftungen um wirklich reinen
Methylalkohol handelte, oder ob nicht irgendwelche Veran-
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 169
reinigungen in ihm enthalten waren, die für die schweren Ver-
giftungserscheinungen verantwortlich zu machen sind). Letzteres
ist uns schon aus einem ökonomischen Grunde wahrscheinlich,
denn in Friedenszeiten stellten sich die Kosten für reinen
Methylalkohol fast genau so hoch wie für Äthylalkohol, so daß
nicht einzusehen ist, weshalb ersterer an Stelle des letzteren
benutzt werden sollte.
Geht man aber die Versuche mit reinem Methylalkohol
durch, so findet man, daß seine im Vergleich mit dem Äthyl-
alkohol größere Giftigkeit nur für einen Teil der Untersuchungen
gilt, in anderen nicht beobachtet werden konnte. Eigentlich
ist die größere Giftigkeit des Methylalkohols von vornherein
nicht zu erwarten, denn sie bildet die Durchbrechung eines
von Richardson?) aufgestellten Gesetzes, nach dem Alkohole
mit dem Aufstieg in den homologen Reihen immer giftiger,
mit dem Abstieg ungiftiger werden. Dieses Gesetz ist in mannig-
fachen Untersuchungen bestätigt worden. So z.B. von H. Dold”),
der die Zeit des Eintritts des Stillstandes am isolierten Frosch-
herzen unter der Wirkung verschiedener Alkohole untersuchte.
Der Methylalkohol erwies sich am wenigsten wirksam. Gleiches
fand Breyer‘) für das Flimmerepithel und Raether°) für
sensible Nerven. Auch die desinfizierende bzw. antiseptische
Wirkung der verschiedenen Alkohole auf Kokken, Pyocyaneus-
und Diphtheriebacillen folgt diesem Gesetze’).
Ebenso ist die hämolytische Fähigkeit des Methylalkohols
wesentlich geringer als die des Äthylalkohols. — Nur auf
Paramäcien soll nach einer Angabe Hausmanns’) der Methyl-
alkohol eher giftiger wirken als der Äthylalkohol.
In Versuchen an höheren Tieren — Kaninchen — finden
1) Vgl. L. Kroeber, Zur Frage der Giftigkeit des Methylalkohols.
Verhandl. d. XI, internat. Kongresses f. Pharmacie 1914, 75. — Hier Lite-
ratur.
2) Richardson, Med. Times and Gazette 2, 1869.
3) H. Dold, Inauguraldissertation, Tübingen 1906.
4) U. Breyer, Inauguraldissertation, Tübingen 1903.
5) M. Raether, Inauguraldissertation, Tübingen 1905.
®) Vgl. Braun u. Schäffer, Berl. klin. Wochenschr. 37, 1917 und
H. Schäffer, diese Zeitschr. 83, 269, 1917.
”) W. Hausmann, Das österreichische Sanitätswesen 11, 1912.
170 A. Loewy u. R. von der Heide:
Langgaard!) und Franceschi?), daß in großen einmaligen
Dosen der Äthylalkohol erheblich giftiger ist als der
Methylalkohol, in wiederholten kleineren dagegen umgekehrt der
letztere. Dieser Meinung hatten schon früher Joffroy und
Serveaux®) Ausdruck gegeben.
Auf die Erfahrungen am Menschen wollen wir nicht näher
eingehen, da es sehr fraglich ist, inwieweit hier stets reiner
Methylalkohol als giftiges Agens in Betracht kam; vielleicht
schwanken die Angaben über die Intensität seiner Wirkung
gerade aus diesem Grunde so außerordentlich *). Angeführt sei
nur, daß Franceschi innerlich 274 Tage hindurch täglich
32,2 g Methylalkohol, im ganzen also 8,8228 Kilo nehmen
konnte, ohne zu erkranken.
Nun ist zu der vorstehenden Übersicht zu bemerken, daß
die verschiedenen Methoden, nach denen der Grad der Gift-
wirkung festgestellt wurde, keinen ganz sicheren Maßstab für
deren Beurteilung abgeben. Läßt man ein Organ (Herz) oder
eine Zelle von Flüssigkeit umspülen, die das Gift enthält, so
würde sich ein vollkommen zutreffender Schluß erst bei Kenntnis
der Resorptionsverhältnisse des Giftes und seiner Aufstapelung
in den Geweben ziehen lassen. Ebenso muß die Schnelligkeit
der Resorption bei Einführung in den Magen höherer Tiere
eine Rolle spielen. Aber dieser Punkt kommt für die Ver-
gleichung von Methyl- und Äthylalkohol kaum wesentlich in
Frage. Wichtiger ist die Schnelligkeit der Zerstörung des Giftes
im Körper und damit zusammenhängende Unterschiede in seiner
Aufstapelung, sowie die Natur der Zerstörungsprodukte. Be-
trefis letzterer wird zwar von einigen Autoren (Juckenak,
Hunt und Harnack) behauptet, daß sie das Krankheitsbild
der Methylalkoholvergiftung hervorrufen, aber diese Anschau-
ung steht nicht in Einklang mit den Umständen, unter denen
die Methylalkoholvergiftungen zur Beobachtung kommen und
läßt mancherlei Eigentümlichkeiten des Erkrankungsbildes un-
erklärt.
1) A. Langgaard, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 13, 1913.
®) J. B. Franceschi, Verhandl. d. XI. Internat. Kongresses f. Phar-
macie 1914, 80.
3) Joffroy u. Serveaux, Arch. de med. expérim. 8, 1896.
1) Lit. b. Kroeber u, Franceschi, |. ce.
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 171
So muß man hinsichtlich des Grades der Giftigkeit
diejenigen Alkoholmengen als Maßstab zugrunde legen,
deren Aufspeicherung im Körper zu schweren Krank-
heitserscheinungen, bezüglich zum Tode führt.
In der Schnelligkeit der Aufstapelung sowie in den Mengen,
die tödlich wirken, bestehen nun erhebliche Unterschiede zwischen
dem Methyl- und dem Äthylalkohol, wobei die verschiedene
Schnelligkeit der Aufspeicherung sich aus der Verschiedenheit
der beiden Alkohole im Körper der Verbrennung anheim-
zufallen erklärt.
Es ist bekannt, daß der Äthylalkohol in erheblichem
Maße und schnell verbrennt. Hierüber wurden einleitend (S. 146)
Angaben aus den Versuchen von Völtz und Dietrich ge-
macht, die ihren Hunden den Alkohol in den Magen brachten.
Unsere in Kap. C S. 151 u. 152 mitgeteilten Ergebnisse mit ein-
geatmetem Alkohol führten zu dem gleichen Ergebnis. Dem-
gegenüber verbrennt der Methylalkohol langsam und schwer.
Nach Völtz und Dietrich waren nach Einbringung von 2 cem
pro Körperkilo desselben in den Magen von Hunden nach
48 Stunden nur 39°/, verbrannt, so daß der Methylalkohol
nur zu 3°/, sich am Stoffumsatz des Hundes beteiligte, wäh-
rend, wie schon erwähnt, der Äthylalkohol in gleichen Mengen
eingeführt nach 10 Stunden schon zu ca. 70°/, verbrannt war
und seine Energie 42°/, des Gesamtumsatzes deckte.
Daraus muß nun eine erhebliche Verschiedenheit in der
Schnelligkeit und dem Grade der Anreicherung im Körper für
beide Alkohole sich ergeben. Am besten dürfte sie aus der
folgenden Abbildung hervorgehen, in der sie auf Grund unserer
früheren!) und jetzigen Versuche graphisch wiedergegeben ist.
Man erkennt, wie wenig Äthylalkohol sich in den ersten
Stunden der Aufnahme im Körper ansammelt, wenn von dem
einen Versuch mit der schnell tödlich wirkenden Alkohol-
spannung von 31,4 bis 35,0 mm abgesehen wird. Nach vier-
stündiger Einatmung liegen die Äthylalkoholmengen bei Alkohol-
spannungen in der Atemluft von 9 bis 16 mm unter den,
die von Methylalkohol bei einer Spannung von 3,2 bis3,5 mm
sich angesammelt haben, und sind weniger als halb so hoch,
1) Diese Zeitschr. 65, 230, 1914.
172 A. Loewy u. R. von der Heide:
ESZORRRARREL
MIJERA zen
EP=EB-AEN
A
=
a
5
g
G i i e S
171 2 3 «4 5 6 7 8 9 0 EM 1 B 0 2 86
und.
Athylalkohol: #* — 31,4 bis 33,7 mm Spannung (Vers. 7) Ratten.
+=14 n 15 n n ( a» 5) n
x = 13 n 16 n ” ( n 2) n
O= 9,5 » n ( n 3) »
e = 4,7 n ” ( n 1) n
© = 23 n 33 » » ( n»n 6) »
Methylalkohol: m = 16,6 mm Spannung (Vers. IV) Ratten
2...23.. san Q= 6,1l bis 6,5 » n ( » ID n
= 3,2 n 35 n ” (» ID ”
<- — 15» 2 n n ( n I) r
o = nl0 s» n ( » 28 bis 30) Hunde,
Fig. 5.
wie die des Methylalkohols, wenn dieser bei einer Alkohol-
spannung von 6,1 bis 6,5 mm eingeatmet wurde. — Auch
nach 8stündiger Atmung liegen die Mengen des Methyl-
alkohols, die sich bei einer Alkoholspannung von 6,1 bis 6,5 mm
angesammelt haben, nur wenig unter den von Äthylalkohol,
der unter 13 bis 16 mm eingeatmet wurde.
Betrachtet man nun die Wirkungen, die von den auf-
gestapelten Mengen ausgehen, so zeigt sich, daß diese für
gleiche Mengen beim Methylalkohol viel weniger aus-
geprägt sind als beim Äthylalkohol.
Wie sich aus den Bemerkungen zur Tab. I der Methyl-
alkoholarbeit ergibt, zeigen Ratten, die bis zu 1g, ja 1,4g
pro Körperkilo Methylalkohol enthalten, zwar Veränderungen
ihres Verhaltens, aber sie reagieren noch auf akustische Reize,
vermögen noch sich auf den Hinterkörper aufzurichten, heraus-
genommen schnuppern und laufen noch umher. Selbst bei
einem Gehalt von 2g pro Körperkilo macht sich kein Taumeln
beim Laufen bemerkbar. Erst bei einem höheren Gehalt legen
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 173
sie sich auf die Seite; selbst bei 4g pro Körperkilo zeigen sie
noch schwache Reaktion auf akustische Reize und den Blinzel-
reflex bei Berührung der Corneae.
Bei 5!/, bis 6g zeigt sich keinerlei Reaktion mehr.
Demgegenüber wiesen bei Einatmung von Äthylalkohol
Ratten, die nur '/, bis t/g davon pro Körperkilo enthielten,
deutliche Vergiftungserscheinungen auf, sie liefen ungeschickt
oder taumelten dabei. — Bei einem Gehalt von 1g an boten
sie schon das Bild schwerer Vergiftung: sie lagen auf der
Seite, die Cornealreflexe waren nicht mehr auszulösen, auch
sensible und akustische Reize führten zu keiner Reaktion mehr.
3g Äthylalkohol pro Körperkilo muß als unterste töd-
liche Menge angesprochen werden; mehr als 5°/,g fand sich
bei keinem der toten Tiere. Nach Aufnahme von Methyl-
alkohol lebten die Ratten noch mit 5/, bis 6 g, wenngleich
sie reaktionslos waren und in den an der Methylalkoholein-
atmung gestorbenen Tieren fanden sich 8,7 bis 12,8 g Methyl-
alkohol pro Körperkilo.
Danach muß der Methylalkohol als bei weitem weniger
giftig als der Äthylalkohol angesehen werden: Bei gleich
hoher Aufspeicherung macht er weit weniger schwere
Vergiftungserscheinungen als der Äthylalkohol, und die
tödliche Menge liegt bei weitem höher als bei letzterem.
Wenn bisher der Methylalkohol für ein schweres Gift er-
klärt wurde, ja von einzelnen „zu den giftigsten Substanzen,
die wir überhaupt kennen“, gerechnet wurde, so rührt das wohl
daher, daß wir — abgesehen von Verunreinigungen, die stark
giftig wirken mögen (Dimethylsulfat, Kroeber) — über die
Mengen, die bei wiederholter Aufnahme schließlich im Körper
kreisten, gar nicht orientiert sind.
H. Schlußfolgerungen.
Bei der Einatmung von Äthylalkohol tritt eine sehr lang-
same Ansammlung von Alkohol im Körper ein; die Ansamm-
lung geschieht noch langsamer als beim Methylalkohol. Das `
hängt zum Teil jedenfalls damit zusammen, daß der Äthyl-
alkohol zu einem sehr beträchtlichen Teil im Körper verbrennt,
so daß nur der unverbrannte Rest zur Aufstapelung gelangt.
Pro mm Alkoholspannung in der Atemluft sind die auf-
Biochemische Zeitschrift Band 86. 12
174 A. Loewy u. R. von der Heide:
gespeicherten Äthylalkoholmengen viel geringer als die von
Methylalkohol und liegen zwischen 10 und 60 mg. Dabei zeigt
sich die gleiche Erscheinung wie beim Methylalkohol, nämlich,
daß die sich anlagernden Alkoholmengen pro mm Alkohol-
spannung um so geringer sind, je höher die Alkoholspannung
in der Atemluft ist.
Die im Körper zur Verbrennung gelangenden Mengen
lagen um das 10- bis 15fache höher als in den Völtz-
Dietrichschen Versuchen am Hunde mit Alkoholeinbringung
in den Magen in geringeren Mengen. Daran mag die Ver-
schiedenheit der Alkoholzufuhr, der Unterschied in der Oxy-
dationsenergie bei Ratte und Hund und die in unseren Ver-
suchen weit größere Menge an zugeführtem Alkohol schuld sein.
Der Umfang der Alkoholverbrennung betrug in drei
unserer Versuche 66,5°/, des aufgenommenen beim Meer-
schweinchen, 73,8°/, und 98,9°/, bei Ratten; sie ist so um-
fänglich, daß durch sie bei den Ratten und auch bei den Meer-
schweinchen der größere Teil des gesamten Umsatzes
gedeckt werden kann. Bei den Ratten wurde erin einem
Versuche zu 62°/,, in einem zweiten Versuche zu 48°/,, bei
den Meerschweinchen im Höchstfalle zu 87°/, und 94°/, durch
den Alkohol bestritten. Nur in einem dritten Versuche am
Meerschweinchen deckte die Alkoholverbrennung nur etwa
28°/, des Umsatzes.
Bezogen auf die Menge des mit der Atmung den Lungen
zugeführten Alkohols findet sich vom Äthylalkohol ein viel
geringerer Prozentsatz wieder als vom Methylalkohol.
Versuche mit Alkoholeinatmung am Menschen ergaben,
daß schon ein Alkoholgehalt von 0,1 bis 0,25°/, zu Ver-
giftungserscheinungen führen kann, die sich bei höheren Alkohol-
konzentrationen derart steigern, daß schon bei ®/,°/, nach einem
Aufenthalt von ®/, bis zu 1*/, Stunden Benommenheit, Müdig-
keit, Schlafsucht eintreten kann. — Die Grenze des Äthyl-
alkoholgehaltes in der Atemluft, bei der bereits Intoxikationen
eintreten, scheint für den Menschen auf gleicher Höhe zu liegen
wie für Ratten und Meerschweinchen.
Nimmt man für einen Vergleich der Giftigkeit des
Äthyl- und des Methylalkohols die Alkoholmengen als
Maßstab, die sich im Tiere beim Ausbruch schwerer Vergiftungs-
Aufnahme des Äthylalkohols durch die Atmung. 175
erscheinungen angesammelt haben oder die den Tod herbei-
führen, so kommt man zu dem Ergebnis, daß der Äthyl-
alkohol giftiger ist als der Methylalkohol.
Denn bei Ansammlung gleich großer Mengen sind die
Vergiftungserscheinungen weit schwerer, wenn es sich um Äthyl-
als wenn es sich um Methylalkohol handelt, und auch die
Dosen, die den Tod herbeiführen, liegen bei ersterem er-
heblich niedriger als bei letzterem. Sie betragen bei Ratten
für Äthylalkohol zwischen 3 und 5°/, g pro Körperkilo, während
sie beim Methylalkohol zwischen 8,7 und 12,8g lagen.
Die durch unsere Versuche am Menschen gewonnene
Kenntnis von der unteren Alkoholgrenze, bei der sich schon
Vergiftungserscheinungen geltend machten, ermöglicht eine
praktisch wichtige Frage besser zu entscheiden, als das bisher
möglich war, nämlich dıe, ob bei Verdampfung vergällten Brannt-
weins in Betrieben, in denen große Mengen davon benutzt
werden und zur Verdampfung gelangen, die Konzentration der
Luft an dem zur Vergällung verwendeten Methylalkohol so
hoch steigen kann, daß dieser schon zu Vergiftungen Anlaß
zu geben vermag.
In seinem schon erwähnten Gutachten!) kam Loewy zu
dem Ergebnis, daß das nicht der Fall sein könnte. Auf Grund
der am Menschen gewonnenen Erfahrungen läßt sich zahlen-
mäßig annähernd feststellen, daß, wenn die Äthylalkohol-
konzentration der Raumluft so niedrig liegt, daß durch sie keine
Vergiftungserscheinungen herbeigeführt werden, dann die des
Methylalkohols im ungünstigsten Falle noch etwa 100mal
niedriger liegt als in denjenigen Tierversuchen, in denen bei
einem bis zu 8 Stunden währenden Aufenthalt noch keine
Schädigung zu bemerken war.
1) Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. 48, Supplement 1914.
12*
Respiratorische Stoffwechselversuche über die Frage
der Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbau-
produkten.
Von
José M. de Corral.
(Aus dem physiologischen Institute der Universität Bern.)
(Eingegangen am 8. November 1917.)
Die Tatsaċhe, daß der tierische Organismus Glucose auf
Kosten von anderen Substanzen außer von Kohlenhydraten
bilden kann, ist in der Physiologie vollkommen feststehend,
trotz der vielen Kontroversen, die über diesen Gegenstand
stattgefunden haben. Die Bildung von Glykogen (oder Glucose)
auf Kosten der Fette konnte, ohne daß sie widerlegt werden
konnte, noch nicht mit Sicherheit bewiesen werden!), Hin-
gegen besteht kein Zweifel, daß Eiweiß und gewisse Amino-
säuren direkt Glucose bilden können.
Diese Tatsache wurde zuerst bei schweren Fällen von
Diabetes mellitus gezeigt, bei denen die großen Mengen
ausgeschiedener Glucose nicht nur aus den aufgenommenen
Mengen von Kohlenhydraten oder von den Reserven dieser sich
im Organismus befindenden Körper herrühren konnten. Später
wurde diese Tatsache durch ähnliche Versuche gezeigt, die an
pankreadektomierten Tieren und schließlich an Phlorhizintieren
gemacht worden waren.
Aber in allen diesen Fällen handelt es sich um schwere
Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels; hingegen ist beim
1) Das heißt, daß es sich hier um Fettsäuren handelt, denn die
Bildung von Glucose auf Kosten von Glycerin wird heute als endgültig
bewiesen betrachtet.
Jose M. de Corral: Bildg. v. Zucker a. Eiweiß u, Eiweißabbauproduken. 177
normalen Tiere diese Bildung von Kohlenhydraten auf Kosten
von Eiweiß oder aus seinen Spaltungsprodukten noch nicht
auf experimentellem Wege auf eine so sichere Weise bewiesen
worden, daß jeder Zweifel ausgeschlossen wäre.
Es ist jedoch zweifellos sehr unwahrscheinlich, daß diese
Bildung der Kohlenhydrate auf Kosten von Eiweiß ein aus-
schließlich pathologischer Vorgang sei, der sich im normalen
Zustand nicht darstellen läßt. Abderhalden!) gibt mehrere
ausgezeichnete Gründe gegen diese Einschränkung an. Ich
werde noch einen angeben, den ich noch als entscheidender
ansehe. Wenn dem so wäre, so hätten wir den ersten patho-
logischen Prozeß vor uns, der nicht seinesgleichen im normalen
Zustand hat, und das wäre ein Vorgang, der alle unsere Tra-
ditionen in der Pathologie umstoßen würde, wo man seit Galen
die krankhaften Prozesse als Abweichungen von der Norm,
als Störungen der physiologischen Vorgänge, die sich auf
quantitative Veränderungen zurückführen lassen, betrachtet hat.
Aber trotz seiner Wahrscheinlichkeit muß die Existenz
dieses Prozesses im normalen Zustand noch bewiesen werden.
Und selbst wenn wir seine Existenz annehmen, so müßte man
doch noch erforschen, welcher quantitative Unterschied, wenn
es einen solchen gibt, zwischen der Bildung der Kohlenhydrate
auf Kosten von Eiweiß im normalen und im pathologischen
Zustand besteht: alles Probleme von unzweifelhafter Bedeutung.
Aus diesem Grunde habe ich auf Anregung von Professor
Asher die Untersuchung dieser Frage unternommen, indem
ich sie von einem neuen methodischen Gesichtspunkte aus,
nämlich der Bestimmung der respiratorischen Quotienten (r.Q.)
beim Hunde, verfolgte.
Es ist eine wohlbekannte Tatsache, daß die Untersuchung
des r.Q. eines Tieres uns das Mittel in die Hand gibt, die-
jenigen Arten von Substanzen kennen zu lernen, die es bei
seinen Verbrennungen verbraucht. Wenn es uns gelänge, den
Organismus ganz oder wenigstens hinreichend vor Beginn der
Untersuchung des respiratorischen Stoffwechsels glykogenfrei zu
lassen, so würde uns die Bestimmung des r. Q. das Fehlen eines
1) Abderhalden, Lehrbuch der physiologischen Chemie, 3. Aufl.,
I. Berlin-Wien 1914, S. 162.
178 José M. de Corral:
Kohlenhydratstoffwechsels erkennen lassen. Wenn wir dem Tiere
unter diesen Bedingungen Eiweiß oder Spaltungsprodukte von
Eiweiß geben, und wenn wir beobachten, daß der r. Q. steigt,
hier durch eine Verbrennung von Kohlenhydraten anzeigend, dann
könnten wir die Bildung von diesen auf Kosten von jenen
nachweisen. Hierzu käme noch der große Vorzug, daß alle
vergleichenden Bestimmungen mehrfach am gleichen Tier aus-
geführt werden können.
Um den Hund hinreichend glykogenarm zu machen und
ihn in seinem normalen Zustand zu erhalten, haben wir daran
gedacht, ihm Pepton einzuführen. Diese Substanz wirkt auf
die Leber, indem sie ihre Menge an Glykogen, wie durch die
Arbeiten von Professor Asher und seinen Schülern bewiesen
worden ist, stark vermindert ').
Hiermit könnten wir auf eine starke Verminderung des
Glykogendepots des Organismus, aber nicht auf sein vollstän-
diges Verschwinden hoffen, denn eine Wirkung des Peptons
auf das Muskelglykogen scheint unwahrscheinlich zu sein oder
es ist uns wenigstens vollkommen unbekannt. Man müßte
also zuerst beweisen, daß diese Verminderung der Glykogen-
reserven des Hundes hinreichte,um den Kohlenhydratstoffwechsel
so herabzusetzen, daß er am r. Q. nicht mehr bestimmbar ist.
Wenn sich das Pepton hierfür als genügend erweist, so
wäre die Anwendung dieses Mittels, um den Organismus seines
Glykogens zu berauben, viel vorteilhafter als das längere Hun-
gern, worauf entweder eine Strychninvergiftung oder eine große
Arbeit folgen müßte. Denn obgleich das letztere Mittel das
sicherste ist, das wir besitzen, um das Glykogen auszutreiben,
so versetzt es doch den Organismus sicherlich in weniger nor-
male Zustände als die Behandlung mit Pepton.
Eine andere Frage, die auch vorher zu lösen war, war
die, zu wissen, ob die Glykogenverbrennung mit Hilfe unserer
Technik nachzuweisen war.
Und erst nachdem diese beiden ersten Fragen gelöst
worden waren, konnte ich die Untersuchung der Wirkung der
1) Pletnew, diese Zeitschr. 21, 355, 1909; Tschannen, ebenda
59, 202, 1914; Richardson, ebenda 70, 171, 1915; Abelin und
Corral, ebenda.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 179
Aminosäuren in Angriff nehmen. Unglücklicherweise haben
mich unvorhergesehene Umstände gezwungen, meine Unter-
suchungen vorzeitig zu unterbrechen, die infolgedessen nur
einen vorläufig orientierenden Charakter haben können.
Technik.
Alle meine Versuche sind an demselben Tiere, einer Hündin von
ungefähr 15 kg Gewicht, gemacht worden.
Zur Untersuchung des Gaswechsels habe ich den Apparat von
Jaquet!) angewendet.
An Stelle dieser für Menschen bestimmten Respirationskammer
habe ich mich eines Kastens von 80 cm Länge, 50 cm Breite und 50 cm
Höhe bedient, dessen Boden in der gewöhnlichen Art und Weise einge-
richtet war, um den Harn im Stoffwechselkasten aufzufangen. Der
Hund wurde von oben in den Kasten gebracht. Die Schließung
des Kastens geschah durch einen Deckel, der ein starkes Glas in der
Mitte hatte, um das Tier beobachten zu können. Ein hermetischer
Verschluß wird durch eine Rinne gesichert, die am oberen Rand des
Kastens angebracht ist, eine Rinne, die man mit Glycerin füllt und
in die der Deckelrand eingreift.
Der Käfig hat ein Rohr, um den Harn zu entleeren, ein mit einem
Hahn natürlich geschlossenes Rohr. Außerdem zwei Öffnungen, in
denen die Röhren, die mit dem Gasometer und mit der Außenluft ver-
bunden sind, endigen. Der Käfig sowie die Röhren und die Verbin-
dungen sind hermetisch geschlossen.
In meinen Versuchen habe ich die zu analysierende Luft während
kurzer Perioden von annähernd einer Stunde gesammelt. Selbst in
diesen kurzen Perioden gibt der Jaquetsche Apparat genaue Resultate,
wie die Kontrollversuche von Jaquet (l.c.) mit Alkohol beweisen,
ebenso wie ein anderer, den ich selbst angestellt habe.
Ich habe so kurze Perioden zum Auffangen der Luft gewählt, um
innerhalb der möglichen Grenzen zu vermeiden, daß die vorübergehenden
Änderungen des r. Q. unbemerkt vor sich gehen, besonders wenn auf
dieselben andere Veränderungen in entgegengesetzter Richtung folgen.
Die Bildung von Kohlenhydraten auf Kosten von Eiweiß ist höchstwahr-
scheinlich an eine Verminderung, ihre Verbrennung an eine Erhöhung
des r. Q. geknüpft. Wenn die beiden Umwandlungen in der Zeitperiode,
in der wir die Luft sammeln, aufeinander folgen würden, dann müßten
sie notgedrungen unbemerkt bleiben.
Mein Verfahren besitzt hingegen einen großen Nachteil, nämlich
den großen Einfluß, den unter diesen Bedingungen die kleinsten Bewe-
gungen des Tieres auf die absoluten Werte des absorbierten Sauerstoffes
und der erzeugten Kohlensäure ausüben.
1) Jaquet, Verhdl. d. naturforsch. Gesellsch. in Basel 15, 252, 1903.
180 José M. de Corral:
Der Einfluß der Bewegungen ist sicherlich immer so groß, daß
Benedict!) sagen konnte, daß man bei jeder Gaswechseluntersuchung
zwei Faktoren von gleicher Bedeutung in Betracht ziehen muß und die
nur bei gemeinsamer Betrachtung Berücksichtigung finden, die Genauig-
keit der Luftanalyse und die genaue Beobachtung der Muskeltätigkeit.
In lang andauernden Versuchen ist es unmöglich, selbst von einem
Menschen absolute Ruhe zu verlangen, um so weniger von einem Tier.
Wenn aber die Bewegungen des Tieres gering sind und wenn die Peri-
oden, während deren man die Luft aufsammelt, mehrere Stunden dau-
ern, dann können die Werte des absorbierten Sauerstoffes und der er-
zeugten Kohlensäure übereinstimmende Resultate geben, wie wir es in
den Untersuchungen mehrerer Forscher finden. Das läßt sich dadurch
erklären, daß die Steigerung des Gaswechsels, die von den kleinen Be-
wegungen des Tieres herrührt, die sich auf fast ebenso lange Perioden
absoluter Ruhe verteilen, wirklich unbemerkt vorübergehen kann.
Wenn aber die Beobachtungen, wie die meinen, nur eine Stunde dauern,
dann sind große Veränderungen, die von Bewegungen herrühren, in den
absoluten Werten des CO, und des Sauerstoffes vorauszusehen. Dies
sogar bei einem Hunde, der, wie der meine, sich nach den ersten Ver-
suchen gewöhnt hatte, absolut ruhig zu bleiben. Aus diesem Grunde
dürfen wir kaum die absoluten Gasmengen bei meinen Versuchen als
richtige Ruhewerte ansehen.
Der Einfluß dieser kleinen Bewegungen auf die respiratorischen
Quotienten konnte hingegen nicht sehr groß sein. Da wir zudem in
unseren Versuchen nur nach dem Vorhandensein von Glykogen suchten,
so war, wenn sich durch die Bewegungen des Tieres etwa dasselbe sich
in der Art der Verbrennung offenbarte, dies keine sehr ernste Störung.
Die Stärke der Ventilation der Respirationskammer, die, wie wir
später sehen werden, zu groß war, betrug im allgemeinen 2000 1 pro
Stunde. Von jeden 2000 1 ventilierter Luft wurde 11 im Sammel-
cylinder aufgefangen. Durch voraufgehende Versuche hatte ich die
Gewißheit erworben, daß die Luft der Respirationskammer, in der sich
der Hund befand, bei dieser Ventilationsstärke in 20 Minuten eine kon-
stante Zusammensetzung erreicht. Um aber noch sicherer zu sein, habe
ich die Kammer immer 45 bis 60 Minuten ventilieren lassen, ehe ich
anfıng, die erste Aufnahme der zu analysierenden Luft zu machen.
Ehe ich anfing, diese Luft zu sammeln, gebrauchte ich immer die
Vorsichtsmaßregel, die Röhre, die den Gasometer und den Sammelcylinder
verbindet, mit der Luft zu füllen, die in dem Augenblick aus der Respi-
rationskammer austritt.
Bei all meinen Versuchen brachte ich den Hund morgens in den
Kasten, wo er während der ganzen Versuchsdauer, ungefähr 24 Stunden,
blieb, ohne daß der Kasten geöffnet wurde und die Ventilation aufhörte.
Im allgemeinen entnahm ich in jedem Versuche fünfmal Luft zum
1) Benedict, Arch. f. klin. Med. 56, 110, 1913.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 181
Analysieren: einmal am Morgen, zweimal nacheinander am Nachmittag
und zweimal nacheinander am nächsten Morgen.
in der Zwischenzeit unterbrach ich die Verbindung zwischen der
Vorrichtung und der Gasuhrachse, um eine Probe Luft zu entnehmen.
Und ehe ich eine neue Luftprobe entnahm, füllte ich, wie in der ersten
Stunde, das Verbindungsrohr mit Luft aus der Respirationskammer.
Der Grund, warum ich die Ventilation nicht unterbrach, war ein-
fach der, eine voraufgehende neue Ventilation vor jeder Luftentnahme
zu vermeiden.
Die Reduktionen des Volumens der ventilierten Luft auf Normal-
druck und Normaltemperatur wurden mit Hilfe des Thermobarographen
gemacht, welcher nach dem Rate von Kakehi!) jede Woche korrigiert
wurde. Manchmal wurden die Berechnungen sofort angestellt, indem
ich von den Druck- und Temperaturangaben ausging, die im Augenblick
des Versuches bestanden.
Die in den Versuchen angegebenen Temperaturen der Respirations-
kammer wurden nicht in der Kammer selbst abgelesen, sondern es sind
die Temperaturen des Thermometers, das sich beim Eintritt der Luft
an der Gasuhr befindet. Sie sind gewiß niedriger als die wirklichen,
obgleich die Entfernung der Respirationskammer vom Thermometer
nicht groß war.
Ich will noch beiläufig bemerken, daß die Temperaturen der Re-
spirationskammer in meinen Versuchen niedriger waren, als sie sein
sollten, um die chemische Wärmeregulation des Tieres zu vermeiden.
Da sie außerdem in den verschiedenen Versuchen nicht konstant waren,
so war das ein Grund für den Unterschied der absoluten Werte der
CO, und des Sauerstoffes in den verschiedenen Versuchen.
Analyse der Luft. Bei dem 6., 7., 8. und 10. Versuche habe ich
die Luft vermittels des Apparates von Pettersson-Högland gemacht;
es ist derjenige, den Jaquet gebraucht; ich verfolgte dabei die von
Kakehi beschriebene Technik ®).
Dieses Verfahren, das sehr genau ist, hat den Nachteil, daß es
sehr viel Zeit erfordert. Nach meiner Erfahrung und derjenigen der
anderen, die mit dieser Methode an unserem Institut gearbeitet haben,
braucht man selten weniger als 45 Minuten für eine Analyse und oft
sogar länger. Grafe®°), einer derjenigen, die diese Methode am besten
kennen, behauptet, daß manchmal die bloße Absorption des Sauerstoffes
im Pyrogallol 45 Minuten dauert.
Außerdem ist seine Technik, ohne daß sie besonders schwierig ist,
hinreichend umständlich.
Um die Nachteile zu vermeiden, haben wir daran gedacht, den
Apparat von Pettersson durch den von Haldane für unsere Ana-
lysen zu ersetzen.
1) Kakehi, diese Zeitschr. 76, 248, 1916.
?) Kakehi, 1. o.
3) Grafe, Handb. der biochem. Arbeitsmethoden, 1, 498, 1913.
182 José M. de Corral:
Dieser letztere Apparat ist, wie wohl bekannt, nur eine Modifika-
tion von demjenigen von Pettersson, vor dem er manche Vorzüge
aufweist, die seine Verwendung bequemer, leichter und vor allem weniger
zeitraubend macht.
Indem ich andere, weniger wichtige Vorzüge übergehe, erinnere
ich daran, daß in dem Apparat von Haldane die analysierte
Luftmenge 20 ccm beträgt, und deshalb geht die Absorption der CO,
und diejenige des Sauerstoffes natürlich viel rascher vor sich).
Ein anderer Vorzug ist die geniale Anordnung, die darin besteht,
als Differentialmanometer das Kalihydrat der Orsatschen Röhre zu ver-
wenden. Bei dieser Anordnung, bei der man viel Zeit gewinnt und die
sehr bequem ist, vermeidet man den Verlust von vielen Analysen. Das
Platzen des kleinen Petroleumtröpfchens, das im Originalapparat von
Pettersson als ebenso exaktes wie umständlichesDifferentialmanometer
dient, ist tatsächlich die Ursache des Verlustes von vielen Analysen,
besonders im Anfang.
Der Apparat, den ich benutzte, wurde von der Firma Bleckmann
& Burger in Berlin hergestellt und unterscheidet sich von dem Original-
apparat von Haldane nur durch die Graduierung der Bürette und
dadurch, daß er, wie derjenige von Pettersson, zwischen der Bürette
und dem Niveau der Quecksilberröhre einen Glashahn hat, der mit der
Bürette durch einen Kautschukschlauch verbunden ist, auf den man mit
einer Schraube einen Druck ausüben kann. Das erleichtert außer-
ordentlich die Einstellung des Niveaus der Flüssigkeiten in den Orsat-
schen Röhren. -
Die Bürette unseres Apparates hat ein Fassungsvermögen von
20 ccm und ist in ihrer ganzen Länge graduiert, nicht in 0,01 ccm wie
der graduierte Teil derjenigen von Haldane, sondern nur in 0,02 cem,
was sicher für meine Untersuchungen nicht vorteilhaft war. Mit etwas
Geschicklichkeit kann man ziemlich gut 0,002 cmm auswerten, aber mit
Sicherheit nicht mehr.
Ich will keine Details über die Technik geben, da sie schon genau
von Haldane?) beschrieben worden ist, ich will nur einzelne mögliche
Fehlerquellen hervorheben, die schon von Haldane angedeutet worden
sind und deren Bedeutung ich verifizieren konnte.
Eine erste Ursache ist, daß der Kautschukschlauch, der die beiden
Teile der Orsatschen Röhre für die Absorption der CO, unter sich und
mit der Kompensationsröhre verbindet, besonders wenn er neu ist, Ver-
bindungen von Schwefel enthält, die von der Vulkanisation des Kaut-
schuks herrühren. Diese Verbindungen können sich, wenn sie sich mit
dem Kalium berühren, dort zu Kaliumsulfat auflösen, wodurch sie der
!) Beim Apparat von Pettersson in unserem Institut, der das
Modell von Jaquet ist, analysiert man 60 ccm Luft. Im Modell von
Grafe werden 100 ccm analysiert.
2) Haldane, Methods of Air Analyses, London 1912, S.44. Hier
findet sich auch eine genaue Beschreibung des Apparates.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten, 183
Flüssigkeit eine gelbliche Farbe verleihen. Dieses Kalium ist nun im-
stande, bemerkenswerte Mengen von Sauerstoff zu absorbieren und kann
in den Luftanalysen die Ursache der Änderung der Werte sein, die für
die CO, zu hoch und für den Sauerstoff zu niedrig werden. Man erkennt
diese Fehlerquelle an der Farbe des Kaliums und außerdem daran, daß
man mit diesem Kalium keinen konstanten Wert für die CO, erhält,
oder ihn wenigstens schwer erhält. Um das zu vermeiden, muß man,
wenn sich dies ereignet, dieOrsatsche Röhre und den Kautschuk sorg-
fältig waschen und sie mehrere Stunden lang mit Kalium in Berührung
bringen, was man so häufig erneuern muß, bis dieses nicht mehr gelb
wird. Die Bürette muß auch immer peinlich sauber gehalten werden.
Wenn sie schmutzig ist, riskiert man zu hohe Werte für den Sauerstoff
zu erhalten.
Eine weitere Vorsichtsmaßregel ist noch unumgänglich nötig, näm-
lich die Genauigkeit der Bürette zu verifizieren, denn man findet selten
eine Bürette, die genau in dem Grade eingeteilt ist, dessen wir bedürfen.
Im Anhang gebe ich die Verifikation der unserigen.
Jedesmal, wenn wir an der Genauigkeit unserer Analysen zweifeln,
müssen wir eine Analyse der Außenluft machen, wenn ihre Zusammen-
setzung eine konstante ist, um sich zu vergewissern, daß alles im Appa-
rat in Ordnung ist.
Der einzige Nachteil, der daraus erwachsen kann, den Apparat von
Pettersson durch den von Haldane zu ersetzen, ist, daß dieser für
unsere Analysen nicht hinreichend genau ist. Aus diesem Grunde will
ich etwas bei der Genauigkeit verweilen, die man mit dem Apparat
erreichen konnte, über den ich verfügte.
Wie gesagt, ist es in meiner Bürette nicht mit Sicherheit möglich,
mehr als 0,002 ccm zu bestimmen, man muß also bei jeder Ablesung
mit einem Fehler von -+0,002 ccm rechnen, was einen Fehler von
-+0,01 ccm bedeutet, wenn wir die Berechnungen auf 100 ccm analy-
sierte Luft bezichen.
Für die Dosierung der CO, sind zwei Ablesungen notwendig, für
die des Sauerstoffes drei. Aber die beiden letzteren müssen zweimal
wiederholt werden, durch einen neuen Gasdurchtritt durch das Kalium
oder Pyrogallol voneinander getrennt, um sich zu vergewissern, daß die
betreffende Absorption vollständig sei. Der Fehler dieser letzten Ablesungen
ist auf die Hälfte reduziert.
Man muß also bei der Dosierung der CO, mit einem möglichen
Ablesungsfehler von 40,003 ccm rechnen, d. h. mit 0,015 cem in 100 cem
analysierter Luft; und bei derjenigen des Sauerstoffes mit einem Fehler
von + 0,004 ccm, d. h. von + 0,02 cem in 100 ccm Luft. Bei den Be-
stimmungen der CO, -+ O (oder was dasselbe ist, bei denjenigen des
N,) wird der Fehler gleich dem der CO, sein. Aber die Bestimmung von
0,002 ccm ist in unserer Bürette nicht leicht, da die Ablesung durch
eine Wasserschicht hindurch geschieht, welche dazu dient, dem Gas der
Bürette eine gleichmäßige Temperatur zu verleihen. Durch Übung ge-
winnt man aber Sicherheit.
184 Jose M. de Corral:
Es wäre also sehr wichtig, den maximalen Ablesungsfehler zu
kennen, der selbst bei sorgfältigen Bestimmungen möglich ist. Zu
diesem Zwecke reproduziere ich im Anhang I (Tabelle XV) 20 Analysen
der in 100 ccm Außenluft enthaltenen CO,+0,, die ich machte, als ich
noch nicht die Übung der Ablesung der Bürette hatte.
Als mittleren Fehler für jede dieser Bestimmungen haben wir
+0,030 ccm und als mittleren wahrscheinlichen Fehler +0,020 cem!).
Es ist also möglich, zwischen zwei parallelen Bestimmungen der CO,
und O, einen Unterschied von 0,06 ccm zu finden.
Mit Rücksicht hierauf habe ich aus meinen späteren Analysen die
Parallelanalysen ausgeschlossen, die sich in den Werten für den N, um
mehr als 0,06 ccm voneinander unterschieden, eine Tatsache, die sehr
selten vorkam; alle anderen habe ich für gut gehalten.
Aber dieser Fehler war ein maximaler; mit etwas Erfahrung haben
meine Fehler um die Hälfte abgenommen. Ich finde tatsächlich als
arithmethisches Mittel der bestehenden Unterschiede zwischen den 54
doppelten Bestimmungen und den 17 dreifachen, die ich von der CO,
gemacht habe, 0,016 ccm, die Bestimmungen auf 100 ccm Luft bezogen,
und wenn man bei den dreifachen Bestimmungen den mittleren Unter-
schied von zweien annimmt. Bei 53 doppelten und 14 dreifachen von
Sauerstoff finde ich einen mittleren Unterschied von 0,016 ccm, auch
von 0,019 ccm. Das bedeutet einen Fehler von +0,008 ccm für jede CO,-
Bestimmung und einen von +0,0095 für jene des Sauerstoffes oder von
Stickstoff.
Fehler, die für die CO, und den Sauerstoff genau die Hälfte von
jenen betragen, bezeichne ich theoretisch als die Genauigkeitsgrenze,
die man mit meinem Apparat erreichen kann; etwas mehr als die Hälfte
wird für den Stickstoff erreicht. Wenn wir hier bemerken, daß es
sich um doppelte Bestimmungen handelt, und wenn wir davon aus-
gehen, daß die Genauigkeit doppelt so groß sein muß, als wenn es sich
um eine einzelne Bestimmung handelt, so ist die Übereinstimmung be-
merkenswert und zeigt uns, daß der Ablesungsfehler der größte Fehler
bei unseren Analysen ist.
Die Genauigkeit, die man nach Jaquet und denjenigen Autoren, die
mit der Methode von Pettersson-Högland gearbeitet haben, erreichen
soll, ist derart, daß zwei parallele Bestimmungen von CO, und 0, sich
nicht um mehr als um 0,01 ccm in 100 ccm analysierter Luft unter-
1) Ich berechne den mittleren möglichen Fehler mit der gewöhn-
lichen Formel E=+ Ve wo 8 die Summe der Fehler-Quadrate ist,
d. h. der Summe der Quadrate der Abweichungen der einzelnen Be-
stimmungen vom Mittel, und wo n die Zahl der Bestimmungen ist.
Der wahrscheinliche Fehler ist annähernd gleich ?/, des mittleren.
(Siehe Kohlrausch, Leitfaden der praktischen Physik, 9. Auflage,
Leipzig 1901, S. 2.)
——
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 185
scheiden dürfen. Das bedeutet eine doppelt so große Genauigkeit wie
die durch meine Analysen erreichte, etwas weniger für die der CO,.
Wollte man mit meinem Apparat von Haldane die Genauigkeit
erhalten, die man mit demjenigen von Pettersson erreicht, dann
müßte man von jeder Luftentnahme vier anstatt zwei Analysen
machen. Selbst auf diese Weise wäre es vorteilhaft in bezug auf die
Zeitersparnis, sich des Haldane zu bedienen, da im allgemeinen die
maximale Zeit, die ich mit diesem Apparat für eine Analyse der CO,
und O, brauche, 20 Minuten ist?).
Aber für meine Arbeit glaubte ich, wie gesagt, daß die mit den
doppelten Bestimmungen erhaltene Genauigkeit genügte. Und ich habe
im allgemeinen nur Doppelbestimmungen jeder Luftprobe gemacht; eine
dritte Bestimmung machte ich fast nur in dem Falle, wo die Werte des
N, um mehr als 0,02 ccm divergierten. Diese Fälle sind sehr selten,
wo ich trotz eines größeren Unterschiedes als 0,02 com diese dritte Be-
stimmung nicht gemacht habe.
Die Zusammensetzung der Straßenluft. Von der Luft der
Straße, in der sich unser Institut befindet, durfte man erwarten, daß
sie eine konstante Zusammensetzung habe, da sie eine sehr stille, fast
vor der Stadt liegende und in der Nähe eines großen Waldes sich be-
findende Straße ist. Das beweisen die Analysen von Kakehi?). Diese
Analysen wurden in den letzten Wintermonaten gemacht, und es ist leicht
möglich, daß sie sich in den anderen Jahreszeiten verändert. Da diese
Zusammensetzung für mich eine- große Bedeutung hatte, weil ich die
Respirationskammer mit Außenluft ventilierte, habe ich die Analysen
zu verschiedenen Zeiten wiederholt, und ich habe immer gefunden, daß
die Konstanz der Zusammensetzung, wenigstens innerhalb der Fehler-
grenzen der Analysen, vollständig ist.
Ich gebe auf der Tabelle I einige Resultate als Beispiele.
Tabelle I.
Die mittleren Werte, die Kakehi erhielt, betrugen 0,032°/, für die
CO, und 20,939°/, für den O,, Werte, die genau mit den meinigen über-
einstimmen.
In meinen Berechnungen habe ich immer die abgerundeten Werte
von 0,03°/, für die CO, und von 20,94°/, für den Sauerstoff zugrunde
gelegt.
Genauigkeit meiner Resultate. Wir können nicht bei allen
1) Wenn die Bürette des Apparates, den ich benutzt habe, in
0,01 com eingeteilt gewesen wäre wie die des Originalapparates von
Haldane, so hätte man hoffen können, bei einiger Gewohnheit dieselbe
Genauigkeit zu erreichen wie mit dem Pettersson. Und tatsächlich
ist diese Genauigkeit die von Haldane erreichte. (Siehe Haldane,
l. c. S. 44.)
2) Kakehi, 1c.
186 Jose M. de Corral:
Resultaten meiner Untersuchungen mit einer so großen Genauigkeit
rechnen, wie die mit der Methode von Jaquet zu erreichende ist.
Die Abweichungen rühren teilweise von der geringeren von mir erwähn-
ten Genauigkeit meiner Analysen her, die ich mit dem Apparat von
Haldane gemacht habe, und andere von einer gewissen Fehlerquelle
meiner Technik.
Wie Staehelin!) zuerst bemerkt hat, soll man die Ventilation
der respiratorischen Kammer derart regulieren, daß die CO, in der ven-
tilierten Luft wenigstens eine Konzentration von 0,5°/, hat. Der Grund
ist sehr einfach, da die unvermeidlichen Fehler der Gasanalyse um so
merklicher werden, wenn diese Gase in der ventilierten Luft ver-
dünnter sind.
Aber aus äußeren Gründen habe ich bei vielen meiner Versuche
die Respirationskammer zu stark ventiliertt. Wenn auch in gewissen
Fällen die Ventilation mäßig genug war, um die CO, in der ventilierten
Luft über oder sehr nahe von 0,5°', zu erhalten, war sie in anderen
Fällen stark genug, um die CO,-Werte von 0,3 bis 0,4°/, erreichen
zu lassen; und in einem Versuche, dem vierten, habe ich sogar kaum
höhere Werte als 0,2°/, erhalten.
Es ist also notwendig, zu untersuchen, welches die Genauigkeit ist,
die man meinen Resultaten zubilligen kann.
Der Fehler des r. Q. muß natürlich sowohl von den Fehlern der
Analysen der CO, und des O, wie auch von der Höhe, die die Kon-
zentration dieser beiden Gase in der analysierten Luft erreicht, herrühren.
Um eine Grundlage zu haben, die uns gestattet, festzustellen, wann
die Variation des r. Q. innerhalb der Fehlergrenzen der von mir ange-
wandten Technik fällt, habe ich die Veränderungen berechnet, die die
r. Q. der Mischungen von O, und CO, bei den verschiedenen Konzen-
trationen, die in meinen Versuchen vorkommen, infolge der möglichen
Fehler meiner Analysen erleiden können.
Bei diesen Berechnungen habe ich zunächst gesehen, daß es der
Unterschied in den Werten des N, in der Gasmischung ist, der den
größten Einfluß auf den Wert des r. Q. hat. Ein Unterschied in den
Werten der CO, und des O, von einer Größe, wie er sich in meinen
Doppelbestimmungen vorfindet, hat kaum einen Einfluß auf den r. Q.,
solange der Wert des N, konstant bleibt.
Ein Unterschied von 0,02 cem in den Werten der CO,, begleitet
von einem gleichen Unterschied im entgegengesetzten Sinne in den
Werten des Sauerstoffes, ändert den r. Q. tatsächlich höchstens um
0,01°/,. Und dieselbe Tatsache tritt ein, wenn der Inhalt der Gas-
mischung 0,3 oder 0,6°/, beträgt. Selbst Unterschiede von 0,04 ccm in
den Werten der CO, und des O, erzeugen, wenn die des N konstant
bleiben, nur einen Unterschied von 0,01 im r. Q., wenn das Verhältnis
der CO, in der Mischung 0,6°/, beträgt. Wenn das Verhältnis 0,3°/,
beträgt, kann der Unterschied bis zu 0,03 gehen.
1) Staehelin, Zeitschr. f.klin.Med. 66, 201, 1908.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 187
Das ist von großem Interesse, da die N-Werte uns eine Gewähr
für die Genauigkeit bieten, die ebenso groß ist wie die der CO, und
größer als die des Sauerstofles; denn da diese durch Analysen eines
Restes erhalten werden, müssen sie mit den Fehlern dieser Analysen
von denjenigen der Analysen der CO, behaftet sein.
Nach meinen Berechnungen habe ich dann gesehen, daß die Varia-
tionen des r. Q. größer sind, wenn es die N-Werte sind, die variieren.
In der ventilierten Luft, in der die CO, eine Konzentration von 0,60°/,
erreicht, erzeugt, wenn die Werte der CO, und des O, unter sich nicht
um mehr als 0,04 cem differieren, eine Veränderung der N-Werte von
0,02 com Unterschiede von 0,02 bis 0,04 auf den r.Q. Dies ist der
Fall, wenn der r. Q. <0,95 ist, wenn er größer ist, können die Unter-
schiede bis zu 0,05 gehen.
Wenn die CO, eine Konzentration von 0,3°/, hat, kann ein Unter-
schied von 0,02 in den N-Werten, unter den obengenannten Bedin-
gungen Unterschiede von 0,02 bis 0,06 hervorrufen, wenn der r. Q.
unter 0,91 beträgt. Wenn er höher ist, können die Unterschiede 0,09
betragen.
Wenn also die ventilierte Luft 0,60°/, CO, erreicht, kann dank der
Genauigkeit, die meinen Analysen zugebilligt werden kann, ein Unter-
schied von 0,05 des r. Q. von einem in der Methode gelegenen Fehler
herrühren. Wenn die Konzentration der CO, 0,30 beträgt, dann fällt
ein Unterschied von 0,06 auch innerhalb der Fehlergrenzen. Und wenn
die r. Q. >0,91 wären, so wäre es dasselbe für Unterschiede von 0,09.
Wir sehen also erstens, daß die übermäßige Ventilation, die ich
angewandt habe, die Fehler bei den r.Q. kaum erhöht, wenn diese ge-
ringer als 0,91 sind. Und wenn es bei meinen Versuchen eine über-
mäßige Ventilation gab, waren die r. Q. immer <0,91.
Endlich sehen wir auch, daß die geringere Genauigkeit meiner
Analysen auch den Fehler des r. Q. nicht erhöht hat. Wenigstens be-
hauptet Staehelin'), einer derjenigen, die die Methode von Jaquet am
besten kennen, daß bei den Untersuchungen mit der Zuntzschen Me-
thode die r. Q. genauer sind, als mit der Jaquetschen Methode. Und
Durig?) bezeichnet als Fehlergrenze in der Methode von Zuntz einen
Unterschied zwischen zwei r. Q. von 0,06.
Die beiden genannten Fehler in meiner Technik müßten eine grö-
Bere Ungenauigkeit in den absoluten Werten der gebildeten CO, und in
dem absorbierten O, hervorrufen. Aber bei meinen Versuchen hat das
keine Bedeutung, da die Bewegungen des Tieres in den Werten größere
Unterschiede hervorrufen, als diejenigen sind, die diese beiden Fehler-
quellen erzeugen können.
Um aber eine größere Gewißheit über die Genauigkeit meiner Re-
sultate zu gewinnen und da ich mich nicht nur auf theoretische Be-
1) Staehelin, l. o. S. 224.
2) Durig, Denkschrift d. mathem.-naturwissensch. Klasse d. kaiserl.
Akademie d. Naturwissenschaften 76, Wien 1909.
188 Jose M. de Corral:
trachtungen verlassen wollte, habe ich versucht, diese Genauigkeit experi-
mentell zu verifizieren.
Aus diesem Grunde habe ich einen Kontrollversuch gemacht, indem
ich in der Respirationskammer eine bekannte Menge von Alkohol ver-
brannte. Die Resultate dieses Kontrollversuches, die ich im Anhang
gebe, zählen unter diejenigen, die Jaquet als befriedigend bezeichnet.
Aber bei dieser Kontrolle erreichte die CO, ein Verhältnis von annähernd
0,6°/, in der ventilierten Luft; es bestand also keine übermäßige Venti-
lation, wie in einigen meiner Versuche. Im Gegenteil war im ersten
Versuch, der auch ein Kontrollversuch war, die Ventilation zu stark,
und die Resultate sind trotzdem sehr befriedigend, wie wir sehen werden.
Versuch 1.
Bei diesem Versuche habe ich am Hund den Wert des r. Q. nach
acht Hungertagen, zu verschiedenen Stunden untersucht. Unter diesen
Bedingungen erhofften wir eine große Konstanz in den Werten des r. Q.,
und aus diesem Grunde haben wir gedacht, daß eine derartige Beobach-
tung die beste Kontrolle unserer Technik sei.
Nach einer bestimmten Hungerperiode erhält man an den
folgenden Tagen r. Q, die sich sehr wenig voneinander unter-
scheiden; das ist seit den vorliegenden Untersuchungen von Zuntz und
Lehmann bei Cetti und Breithaupt), und denjenigen von Bene-
dict?) beim Menschen und von Grafe?) an einem Kranken und am
Hunde‘) bekannt. Nur bei den von Luciani bei Succi’) gemachten
Untersuchungen sieht man nicht diese Konstanz des r. Q., und zwar nach
12 Hungertagen; seine Versuche sind jedoch durchaus nicht einwandfrei.
Aus der während der verschiedenen Tage gezeigten Konstanz läßt
sich die Konstanz des r. Q. für einen Tag ableiten, und das geht tat-
sächlich aus der Beobachtung von Grafe an einer Kranken und aus
der obengenannten von Benediot hervor.
Bei meinem Versuch (Tabelle II) sehen wir zuerst eine große Gleich-
mäßigkeit in den Werten des r. Q. Der größte Unterschied unter den-
selben betrug 0,06. In den r.Q. von zwei aufeinanderfolgenden Stunden,
wo die physiologischen Veränderungen dieser Quotienten, wenn sie exi-
stieren, wahrscheinlich viel kleiner sind, betragen die Unterschiede nur
0,04000 und 0,01.
Und doch schwankte die Konzentration der CO, in der ventilierten
Luft in diesem Versuche zwischen 0,3 und < 0,4°/,; undin den Analysen
1) Lehmann, Müller, Munk, Senator und Zuntz, Virchows
Archiv 131, Suppl. 1893. Besonders die Versuche an Cetti; bei den an
Breithaupt gemachten, schwankten die r. Q. etwas.
2?) Benedict, On Inanition, 1907, Carnegie Inst. Nr. 203, Wash-
ington 1916.
2) Grafe, Zeitschr. f. physiol. Chem. 65, 21, 1910.
4) Grafe u. Graham, ibid. 73, 1, 1911.
5) Luciani, Das Hungern, Hamburg u. Leipzig 1890.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 189
gibt es sogar einmal einen Unterschied von 0,04 zwischen zwei paral-
lelen Werten des N.
Dieser Versuch ist also auch ein Beweis für die Genauigkeit der
angewandten Technik, und man sieht hier, daß der Fehler, mit dem ich
gearbeitet habe, geringer ist als der, den ich als theoretisch möglich
angegeben habe.
Tabelle I.
1. Versuch vom 31. Oktober bis 1. November 1916 (6. Versuch meines
Protokolls).
Der Hund wiegt 13,1 kg. Er hat vor dem Versuche 8 Tage gehungert.
CO,- O,-Verbrauch
Pan ER
on [” g b ©
5 œ% O h = Ö
o oja r
= a 8 go 2 EI Luftanalyse Produktion
sja ag suls32 ae}
452 l255[@35]335 u F8 o5 58 R. Q.
szg jema 2 A 1083158
aagi = 18 00:10 Er an
SS >o 2 2 g o M j
32 o & | Min. | ° oJ s| 23ļ|&sj| eg
a= : © j o $| ig kke cz
20,48
0,40 | 20,48 | 79,12
0,38 | 20,48 | 79,14
0,34 | 20,54 | 79,12
6,70 | 8,56 | 9,37 | 11,97
16,7 į 1818 | 64
0,34 | 20,50 | 79,16
0,30 | 20,54 | 79,16 |
0,33 | 20,52 | 79,15 | 5,45 | 6,96 | 8,18 | 10,44
16,8 | 1651 | 72 | 20,45
20,46
5,61 | 7,17 | 8,67 | 11,07
16,8 | 2159 | 55
6,69 | 8,54 | 10,36 | 13,23
15,0 | 2052 | 70
6,98 | 8,90 | 9,85 | 12,58
16,1 | 2027 | 60
0,38 | 20,47 7,09 | 9,06 [10,14 | 12,95
Mittelwert | 0,682
Bemerkungen: Der Hund hat während der Versuchsstunden
außerordentlich ruhig gelegen. Die Luftanalysen wurden mit dem Apparat
von Haldane gemacht.
Da die bestehenden Unterschiede zwischen den r. Q. zu klein sind,
um behaupten zu können, daß sie von der Wirkung physiologischer Ver-
änderungen herrühren (was übrigens sehr wahrscheinlich ist), nehmen
wir an, daß sie von technischen Fehlern stammen und nehmen die
1) Die angegebene Ventilation ist in allen Versuchen reduziert auf
0° Temperatur und 760 mm Druck.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 13
190 Jose M. de Corral:
Mittelwerte von 6 Stunden. Dieser Mittelwert beträgt 0,682, ein Wert,
der ziemlich unter der unteren Grenze des normalen r. Q. ist, der von
Magnus-Levy angegeben worden ist,
Wie bekannt, berechnet diser Förseher, unter der Voraussetzung,
daß der Organismus im Hungrezustand und unter normalen Bedirgnnyen
Eiweiß veröorennes muß, und zwar 15°/, der erzeugten Gesamtralonen
als miitieren Wert, als untere normalia Ger nze eines r. Q. 0,722, Ein
er Zahl würde anormales Umwandiunren verbrannter
r. Q. unter die
Substanzen bedeuten, die bei ihren Verbiennungen nieht zu pewöhn-
lichen Enaprocul ten gœ !angen).
Im Hunçermustond fand Luciani?) zuerst einen niederen r. Q. ajs
der nermale t. Er erhielt bei Sueri ais Mitteiw rt des r. Q. >m I’.
uvate von Luciani sirti srp-
und 30. Hung rage 0,685. Dies» R
siehts der angewandten Teehnik stark kritisiert worden; sler vie von
Nonrden?°) so richtig bemerlt, sind sie um so wertwvenler, weil diese
Technik eher de Erreichung höherer als niererer We te veranssehen ließ.
Lehmann und Zuntzt) finden aueh im Bungerzustand mit einer
sehr viel -iehereren Technik anormais Werte, Dei Cetti schwankten
vom 2. bis zum 10. Hungertage die r. Q. zwischen 0,953 und GB; bei
Breithaupt vom 3. Hungertage bis zum 8, varierten sie von 0,5%
his 0,":).
Zuntz schließt aus diesen Beobachtungen auf die Existenz einer
Glykogenbildung auf Kosten von Eiweiß oder Fett, welches Glykopen
vorübergehend abgelagert wird.
Jaquet’) wendet darevyen nin, da8 cie anırmalan Werte nieht
durch Veränderungen des Stotinechsels, gond rn dureh Verhi erunren
der Lunger ntiianion he rvorgorofen wenlen, wobei er an letracht Zieht,
daß es sich um Untersuchungen yon s hr karer Pauer hi
In "or sen findet Grate) bei seiner Kron) n dier. Q, nuru n'ecriper
als die norman, vod seio Untersusuunyen dauerten 4 Stundin;
seise Werts piet loum nie riyer als dis norma’ eng (rien tigt,
0,4, Urd sl Matel al!l-r Beinar r. Q. vom 5. Hung rare an ter
nete jen als 1,8%; Teehen Wert H74, einen kaum anarmsten Weri ^.
Eei ariı a Versurhen mit Graham hm hunpernden Bunte’) eho't
Grafs b ine so medii n r. Q. wie Zuntz. ber piedri se det Gunn,
1) Maguus-Levy, v. Nvordens Kaudbuch d. Path. u, Stetiweel.seis L,
217, Berin isn.
RG
3) y. Noorden, ibid. 1, 483.
t Lehmann u. Zuntz, l.c.
5) Jaquet, Asher Spiros Ergebn. d. Physiol 2, 1. Abt., 457, 1903.
6) Grafe, l c.
) Dis kleinen Unterschiede der Werte von jedem Tag von dem
Normalen werden von Grafo vollständig durch die Ausscheidung von
Acetonkörpern eines Kranken erklärt.
8) 1. e.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 191
und den Mittelwert seiner 7 Beobachtungen vom 4. bis zum 21. Hunger-
tag, wo die Werte fast gleich sind, berechnete ich zu 0,711.
Hier erstreckten sich seine Versuche über mehrere Stunden. Diese
Tatsachen könnten also zugunsten von ‚Jaquets Ansichten sprechen.
Aber meiner Erfahrung nach sind die anormslen Werte der r. Q. von
derselben Größe wie diejenigen von Zuntz und Lehmann, und ihr
Mittelwert, stimmt genau mit demjenigen von Luciani überein — und
bei d’esern kann man nicht von Veränderung der Lungenventilation oder
von der Dauer der Untersuchungen sprechen.
Wenn in meinem Versuch d.e anormalen r.Q. durch die Acidose her-
vorgerulen worden sind, die im Huuyer auttieten kann — obgleich das
beim Hunde nieht, so sicher ist wie beim Menschen — oder infolg" einer
Glykogenbildung, soe kann ich hierzu keine Stellung nehmen, weil ich
die Acetonkörper bei meinem Hunde nicht untersucht habe.
Was die Werte des absorbierten Sauerstolfs betrilft, so erhielt ich
als mittleren Wert 1,1 eem pro kg Gewicht und Minute. Der gröllte
Unterschied zwischen zwei Werten beträgt ea.21”/,. Der Hund war hei
diesem Versuch so ruhig wie bei keinem anleren, ein Beweis für den
groben Einfluß, welchen hei Untersuchungen von so kurzer Dauer die
unvermeidliehen Bewegungen des Tieres haben.
Versuch 2, 3, +.
In diesen Versuchen habe ich untersucht, ob ich durch die Ein-
führung von P»pton beim Hunde eine derartige Giykogenarmut erhalten
könnte, dal die Verbrenwnng der Kohlenhydrate im Gaswechsel nicht
melır bemerkte ist.
Wihren! zwei Tagen pab ich als einziges Nahrung 80 g Witteppton
pro Tag; und 18 bis 19 Stunden narh der leizien Eingabe, d. h. im
nüchternen Zustunde, hepann ich den Gaswechsel zu untersuchen.
Da ich in dieser Stotfw ehselphase anfing, echaltete ich die direkte
Wirkung der Pep:oneinführung ut den Guswechsel aus, und ich ließ dem
aus der Leber auapeseluedesnen Giy kopen Zeit, aus dem Orgauismus ent-
weder durch Verereonens, odor durch Umwandlung in Wett, oder durch
irgendein suderes Mintel zu verschwinden.
Teh wählte diese Peptoninenge, weil ich von der Tatsache ausging,
daß Pletnew') hei seinen Hunden, die 3 bis 4 kg wogen, mit 40 g Pepton
eine Herabsetzung der Assimilationsgrenze des Zuckers erhielt, ein Phä-
nomen, daa mit dem Verlust von Glykogen aus der Leber verknüpft
wur. Bei meinem Hunde, der ungeführ 15 kg wog, mußte ich im Ver-
hältnis zum Gewicht I6g gehen. Ich verteilte die Einführung dieser
Menge auf zwei Tage, um zu versuchen, die Reizung der Leber, die schon
pathologisch ist und die Pletnew erhielt, zu vermeiden; dieselbe macht
sich durch das Auftreten von Gallenfarbstoff im Harn bemerkbar.
1) Pletnew, l.c. .
13*
192 José M. de Corral:
Auf diese Weise zeigte der Hund tatsächlich weder in diesen Ver-
suchen, noch bei einem der folgenden dieses oder irgendein anderes
anormales Phänomen.
Der Hund nahm das in Wasser aufgelöste Pepton die zwei oder
drei ersten Male, aber danach verweigerte er es, und ich mußte es ihm
mit der Sonde geben.
Wenn wir mit der Durchsicht des 2. Versuches beginnen, sehen wir
(Tabelle III) in den vier beobachteten Stunden r. Q., die das Fehlen
einer Verbrennung von Kohlenhydraten anzeigen. Leider sind die Werte
der beiden letzten Stunden nicht sehr sicher, weil die in jeder Stunde
gemachten Analysen untereinander mehr als gewöhnlich differierten, ob-
gleich sie dafür zahlreicher waren. Wenn wir die Mittelwerte aller dieser
r. Q. nehmen, was möglich ist, da der größte Unterschied unter denselben
nur 0,10 beträgt und die letzten nicht sicher sind, können sie als gleich
angesehen werden, wobei wir auf 0,695 kommen.
Tabelle III.
2. Versuch vom 16. bis 17. Oktober (5. Versuch meines Protokolls).
Gewicht des Hundes 14,4 kg.
Der Hund hat während der zwei letzten Tage 80g Witte-Pepton als
einzige Nahrung bekommen.
CO,-
|
* N A
B © k S ba o
© ee ola” 18 2. O,-Verbrauch
©
E 58| x822 |88| Luftanalyse Produktion |“?
#813 3
23213 251352[335 sa lE lus | ZERG
EERE EE 3 BS S
3 Š 5 a © 3 R aae d
age > oe CO, O; N, am | =
+ . I i
Er Š a [Mn] 9% | % o d Ea £
19. | 16,9 | 2293 | 54 | 0,45 | 20,41 | 79,14
0,48 | 20,36 | 79,16
0,46, | 20,39 73,15 | 9,86
22. | 16,8 | 2195 | 59 | 0,62 | 20,18 | 79,20
0,61 | 20,19 | 79,20
0,62 | 20,18 | 79,20 | 12,95
3. | 16,3 | — | 60 | oo |20,13|7927| —
40. | 15,7 | — | 58 | 0.9 | 20,31 | 7920| —
0,74
0,73
0,64 (?)
0,67 (2)
Mittelwert | 0,695
Bemerkungen: Der Hund ist sehr unruhig gewesen.
Die Analysen wurden mit dem Apparat von Haldane gemacht.
Die Resultate der unter Stunde 39 angegebenen Analysen sind das
Mittel von 3 Analysen, und diejenigen der 40. Stunde von 5. Aber sie
wichen unter sich ein wenig mehr als gewöhnlich ab und sind deshalb
etwas zweifelhaft.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 193
Tabelle IV.
3. Versuch vom 16. bis 17. November 1916 (7. Versuch des Protokolls).
Gewicht des Hundes 14,6 kg.
Der Hund hat während der zwei letzten Tage je 80 g Witte-Pepton
als einzige Nahrung bekommen.
& & 5S 3 ja 2 CO, O,-Verbrauch
= 5 £ 5 2g 28 7e Luftanalyse Produktion |?
EEIE EEEH EEE „| Z8| u 138186
szja fsja2aja © äs |38 |á |38
gaj A|, COs | O | N | g” 2i jgn] 2;
3 | * | e Ja] | % | % |° Eee
18. | 15,6 | 2115 | 65 | 20,57 | 79,13 | |
20,60 | 79,11 | |
0,29 | 20,59 | 79,12 | 5,49 | 6,27 | 8,04 | 9,18 | 0,68
20. 15,3 | 2239 | 54 | 0,25 | 20,66 | 79,09 | |
0,27 | 20,60 | 79,13
0.25 | 20,63 | 79,12 |
0,26 | 20,63 | 79,11 | 5,15 | 5,88 | 7,39 | 8,44 | 0,70
21. | 16,2 | 2059 | 55 79,13 |
79.13
6,18 | 7,05 | 8,85 | 10,10 | 0,70
42. | 19,1 | 2283 | 54 |
5,94 | 6,78 | 8,68 | 9,90 | 0,68
43. | 18,4 | 2293 | 50 |
120,56 | 79,14 | 6,19 | 7,07 | 9,40 | 10,73 | 0,66
ruhig gelegen.
dane gemacht.
Mittelwert | 0,684
Bemerkungen: Der Hund hat während der Versuchsstunden ganz
Die Luftanalysen wurden mit dem Apparat von Hal-
lm 3. Versuch (Tabelle IV) ist die Gleichheit der Werte viel größer;
der mittlere Wert der r. Q. ist in diesem Versuche 0,684, eine Zahl,
die mit dem früheren Mittelwerte sehr gut übereinstimmt.
Im 4. Versuch (Tabelle V) habe ich den Versuch bis zum vierten
Tage ausgedehnt, nachdem ich das Pepton das letzte Mal gegeben habe,
um sicher zu sein, daß das Fehlen der Verbrennung der Kohlenhydrate
fortdauerte. Wenn wir von den entsprechenden r. Q. der 18. und
88. Stunde absehen, beobachten wir zuerst eine sehr große Regelmäßig-
keit der r. Q.; zwischen zwei Werten besteht nur ein Unterschied von
0,10; aber zwischen zwei aufeinander folgenden Stunden beträgt der größte
Unterschied 0,06. Und trotzdem war in diesem Versuch die Ventilation
der Respirationskammer ausnahmsweise so stark, daß die Konzentration
der CO, in der Ventilationsluft kaum mehr als 0,2°/, betrug.
Da ich diese für den Versuch so ungünstigen Bedingungen bemerkte,
194 José M. de Corral:
Tabelle V.
4. Versuch vom 7. bis 10. Februar 1917 (12. Versuch des Protokolls). Der
Hund hat während der zwei letzten Tage vor dem Versuche je ¥0 g
Witte-Pepton als einzige Nahrung bekommen. Gewicht des Hundes am
- Anfange des Versuches 15,0 kg, am Endo 14,5 kg.
|
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39. 9471 50 021 ones) 76
0.19. SN gi
0,23
V;2l | 200S
0,28 | 20,55
0,6 120,811 79,15
0.24 | 20,69 | 7914
Vu | 20,63 í EAD
0,24 | 20,66 | 79,10
0,24 120,57 < 79,09
DA A = h m
RAER]
445 | 6,92 | 064
40. 2617 48
6,02 | 8,64 | 0,70
66. 2536 53
0,4
0,30 | 2
0,23
69.
0,29 10m | 656 | 8.94 | 0,74
70. 2528 51 0,29 | 4.13
j 0,27 TALTS
0,530 | 79,09
0,29 20,59 | 74,12 6,57 4,61 Q,68
88. 2425 54 0,23 | 20,70 | 79,07
0,23 | 20,71 | 70,06
0,23 20,70 | 79,07
2450 51 0,26 | 20,64 | 79,10
0,26 | 20,67 | 79,07
"0,26 | 20,65 | 79,09 | 5,64 | 7,50 | 0,74
Bemerkungen: Der Hund blirb imıner sehr ruhig. Nach der 40. Stunde verließ
er den respiratorischen Kasten, und er kam um die 65. Stunde wieder hinein. Die Luft-
analysen wurden mit dem Apparat von Haldane gemacht,
4,25 | 6,06 | 0,80
89.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 195
muß ieh der Tatsache, in der X3, Stunde einen r. Q. von 0,70 gefunden
zu haben, jede Bedeutung abaprech-on. Es hatte tatsächlich genügt, daß
die Werte der CO,- und O,-Analss.n geringer als OOZ cum gewesen Waren,
ein Unterschied, der so nahe den Fehlereenzen unserer Aualysen liegt,
daß der r. Q. bis auf ea. 0,70 g sunken wäre,
Der Wert von 0,55, den ieh für den r, Q. in der 13. Stunde erhielt,
kann beeht ven Analesenfehlern Jerrüheen,. Man könnte ibm erklären,
wean man annahm“, Haß zu desir Zet der Organismus noch Kehlen-
Lydrate verbrennt, die von (em Giy kopen stammen, das in der dureh
das P-pton gereizen Dener mouiisiert werden ist. Aber eine einzige
Feohartitung unter derartiven Versuehsbehngsngen kann nicht dazu
dienen, die Richtigkeit dieser Tatsache testzustelien.
Wenn wir von den beiden y. Q. dieser beiden Stunden abs hen,
kön. n wir die anderen Werte als gleich ansehen. Und als Mittelwert
erhalten wir 0,700,
Wir schen a'o, daß wir nach einer bestimmten Zeit uach der Fin-
en volikommen ähnlieher Re-nilate
führung ven Pepten bei diei Versus
erhalten, Die r. Q., die sich untereinander wenig untersehet len, ere ichin,
weit entfernt davon eine Verbrennung ven Kohlenhydraten ansnekigen,
mittlere Werte von 0.605, 0,5 und 0,700, alle niel iver als die der Feite.
Und diese Werte stimmen schr gut mit denen am Y. Hung-rtage
erhaltenen, nämlich 0,8>"*, überein.
leh kann nichts über die Ursache dieser annımalen r. Q. aussagen,
da ich eben-o wie in dem Hungerversuche Gie Auetonkörp-r im Harn
nieht untersucht habe.
Für mieh yentiet es, ans diesen Versuchen den Schluß zu ziehen,
daß eine zwertägige Beharellunge mit Pepton im r. Q. meines Hundes die-
selbe Wirkung hat wie länger andauernder Hunger und Arbeit. Wir
besitzen also in der Einführung von Witte-Prpton «ine sehr einfache und
rasch Methode, um einen Hund für unsern Zweck g nüreud glykogen-
arm zu machen; und was dabei sehr wichtig ist, indem wir ihn in einem
vollkommen normalen Zustand erhalten.
In Anbetracht der Untersuchungen von Benedict und Higgins!)
kann sich der Zweifel erheben, ob diese Peptonwirkung auf die r. Q.
nicht ganz einfach die Wirkung von zwei Tags langer kohlenhydratfrcier
Nahrung ist. Diese Forscher baben tatsächlich an zwei Menschen De-
obachtet, daß nach einer koblenhyeratireien Diät, div aber genügte, um
di> Eaergiebedürfnissc des Orpanismus zu befri: digen, die r. Q. im Hunger-
zustand den Wert der Fette oder einen noch niedrigeren erreichen.
Aber das ist nicht immer der Fall, wenigstens beim Hunde, seibst
nicht nach zwei Hungertagen, nachdem, was ich aus den Literaturangaben
ersehen kann. Z. B. zeigt bei den oben erwähnten Versuchen von Grafe
und Graham ihr Hund in einer ersten Hungerperiode am 3. Hungertage
einen r. Q. von 0,770. In einer zweiten Periode (am 5. Hungertage) gibt
1) Benedict u. Higgins, Americ. Journ. of Physiol. 30, 217, 1912,
196 Jose M. de Corral:
er einen r. Q. von 0,735, und einen von 0,750 am 7. In Anbetracht der
Eiweißmengen, die der Hund in diesen Tagen verbrannte, bezeichnen
diese r. Q. sicherlich eine Verbrennung von gewissen Mengen Kohlen-
hydraten. Dabei sei noch daran erinnert, daß wir namentlich aus Pflü-
gers bekannten Versuchen wissen, wie lange im bloßen Hungerzustande
Glykogen sich erhalten kann. Noch nach 16 Hungertagen findet Kleinert),
ein Schüler Schloßmanns, bei fünf verschiedenen Hunden Werte von
0,755, 0,788, 0,767, 0,831 und 0,765 für ihre bzw. r. Q. Aber selbst wenn
wir von dem vierten Werte absehen, wie es der Forscher tut, haben wir
einen mittleren Wert von 0,769. Und dieser Wert bedeutet eine Ver-
brennung von Kohlenhydraten, solange die Albuminoide nicht in einem
Verhältnis von 60°/, zu den gesamten vom Tiere erzeugten Calorien ?)
verbrannt werden, was höchst unwahrscheinlich ist?).
Wenn man also beim Hunde, selbst nach zwei Hungertagen nicht
immer so kleine r. Q. erhält wie die unsrigen, und wenn man andrer-
seits durch frühere Versuche weiß, daß das Pepton das Glykogen aus
der Leber verjagt, so glaube ich, daß man als sehr wahrscheinlich an-
nehmen darf, daß es wirklich die Peptonwirkung ist, der man die ge-
fundenen r. Q. verdankt.
Versuch 5, 6, 7.
In diesen Versuchen habe ich am Hunde untersucht, ob das Gly-
kogendepot, daß nach einer kohlenhydratreichen Nahrung entstehen
muß, durch die Untersuchung der r. Q. gefunden werden kann.
Wir wissen, daß, wenn man einem Tiere Kohlenhydrate gibt, sich
ein Teil als Glykogen ablagert; eine größere oder kleinere Menge, je
nach der Glykogenmenge, über die das Tier verfügt und nach den
energetischen Bedürfnissen des Organismus. Das Depot an Glykogen
erreicht seinen Höhepunkt in der Leber nach 12 bis 20 Stunden und
1) Kleinert, Zeitschr. f. Biol. 61, 342, 1913; Schloßmann und
Murschhauser, diese Zeitschr. 53, 265, 1913.
2?) Siehe Johansson, Abderhaldens Handb. d. bioch. Meth. 8,
1114, 1910.
3) Dies ist nur möglich, wenn man die Existenz der Zunahme der
Stickstoffausscheidung annimmt, die so unzutreffend prämortal genannt
wird. Wenn dieselbe bei andauerndem Hunger möglich ist, so
ist sie bei so vielen Hunden unwahrscheinlich, da zwei dieser Hunde in
einer neuen Hungerperiode, vom ersten Tage an, diese hohen r. Q. zeigen.
Schloßmann und Murschhauser sagen von diesen Werten einfach,
daß sie die „richtigen Eiweißquotienten“ sind. Jedoch nehmen diese
beiden Forscher an, wenn sie von den Werten 0,744 bis 0,762 sprechen,
die sie beim mit Reis gefütterten Hunde finden, daß in der zweiten
Hungerperiode diese r. Q. eine Verbrennung von Kohlenhydraten besagen,
die in ihrer Menge nicht unbedeutend ist. Schloßmann u. Mursch-
hauser, l. c., S. 279.
Stunde nach der
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 197
in den Muskeln etwas später, gegen die 20. Stunde. Nach dieser Zeit
beginnt das Glykogen abzunehmen. Um die Bildung von Glykogen mit
Hilfe der r. Q. zu finden, muß man während der Verbrennung desselben
untersuchen, also 12 Stunden nachdem man Kohlenhydrate gereicht hat.
Da wir aber seit den Arbeiten von Speck und besonders jenen
von Magnus-Levy!), die von vielen anderen Forschern bestätigt wor-
den sind, wissen, daß, wenn man einem Tiere Kohlenhydrate gibt, das-
selbe sofort einen Teil davon verbrennt, muß folglich der r. Q. steigen,
indem er sich der Einheit nähert.
Wir müssen uns also soviel als möglich von der Verdauungsperiode
entfernen, indem wir die r. Q. im Hungerzustand untersuchen, damit
nicht die Steigerung, die wir am r. Q. beobachten können und die von
der Verbrennung der aus dem Glykogen entstehenden Glykose herrühren
soll, etwa auch von der Glykose, die direkt aus der Nahrung stammt,
herrühre.
Tabelle VI.
5. Versuch vom 19. bis 20. Juni 1916 (1. Versuch des Protokolls).
Gewicht des Hundes 15,5kg. An den zwei letzten Tagen hat der Hund
außer seiner gewöhnlichen kohlenhydratreichen Nahrung je 250 g Rohr-
zucker genommen.
Bemerkungen: Der Hund war während der Versuchsstunden sehr
unruhig. Die Luftanalysen wurden mit dem Apparat von Pettersson-
Högland gemacht. Der Hund hat keine alimentäre Melliturie gehabt.
1) Magnus-Levy, Arch. f. d. ges. Physiol. 55, 1, 1894.
A 5 sl g y o CO,- ;
5 £ 5 £ € Se R 9.3 Luftanalyse Produktion | "Versuch
Fe} ejs
EEE EREEE 35 |22 [3 | ZE|RQ
zj s|] £ 22 \|2°1l32 |38
se ETIS o CO, O: | N on 2 on Fir
K 0 A Min. | % Ja °lo Yo as H | a.s Es
18. | 19,6 | 1949 | 64 [0,353 |20,050 | 79,097 |
0,856 | 20,059 79,085
0,85 |20,06 |79,09 | 15,98 | 17,18 | 17,54 | 18,88 | 0,91
21. | 19,4 | 1995 | 66 | 0,577 |20,254|79,169
0,584 |20,268 | 79,148 |
0,58 |20,26 |79,16 | 10,97 | 11,80 | 14,36 | 15,44 | 0,76
22. | 19,3 | 1940 | 58 |0,634| — |
0,635 |20,229 |
0,63 120,23 |79,14 | 11,64 | 12,52 | 14,35 | 15,43 | 0,81
40. | 18,5 | 1999 | 60 |0,38 20,252|79,168
0,58 [20,25 [79,17 | 10,99 | 11,82 | 14,59 | 15,69 | 0,75
41. | 18,9 | 1985 | 58 | 0,540 20,240 79,220 |
0,820 | — | =
0,53 |20,25 |79,22 | 9,93 | 10,68 | 14,89 | 16,01 | 0,67
I
198 José M. de Corral:
Die Schwierigkeit besteht darin, zu wissen, wann die Verdauung
und die Resorption beendigt sind, und wann der nüchterne Zustand er-
reicht ist. Magnus-Levy'; behauptet, daß dieser Zustand heim Hunde
24 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme erreicht ist. Aber ich
glaube, daß das nur in dem Falle so ist, wenn die Nahrung außeror-
dentlich eiweißreich iet. Wenigstens kann man aus seinen Versuchen
ersehen, daß er selbst nach einer großen, sehr kohlenhydratreiehen Nah-
rung (500g Reis, 200 g Fleisch und 25 g Fett für einen Hund von 27 kg),
wenn einmal die 14. oder 15. Stunde vorbei ist, keine hem«rkenswerte
Veränderung in der Intensität der Oxydationen zwischen dieser Zeit
und jener vor der Nahrungsaufnahme beobachtete.
Ich glaube also, daß man nach der 18. Stunde nach der letzten
Nahrung sicher die direkte Wirkung derselben ausschalten darf, solange
es sich nicht um große Mengen von Eiweißkörpern hendelt. Das ist die
Zeit, die auch Graham Lusk?) als die Zeit des nüchternen Zustandes
bezeichnet.
š Tabelle VII.
6. Versuch vom 3. bis 4. Juli 1916 (2, Versuch meines Protokolls)
Gewicht des Hundes 15,7 kg. An den zwei letzten Tagen hat der Hund
außer seiner gewöhnlichen kohlenhydratreiehen Nahrung je 250 g Rohr-
zucker penommen.
CO-
5 h u Ə i ba z
© w o D -R Sr . Ha O,-Verbrauch
Ë 5 5 JŠ E SE BE Luftanalvse Produktion 2
u = 0 ale S Fr .
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19. 21,7 IRR AR 0,‘ 5!179,071 |
0,6 179,057 |
0, 2|79,048 |
0.3 179,06 | 13,00 | 13,80 | 13,85 | 14,73 | 0,94
21. 31,9 I 2048 61 0,522 |20,278|79,100
0,622 120,311179,057
0,62 |20,30 [79,08 | 12,08 | 12,82 | 13,52 | 14,55 | 0,89
39 21,0 | 2084 60 0,409 | 20,457 |7 |
0,407 |20,433 |
0,427 |20,447|
0,41 120,45 179,14 | 7,92 | 8,41 | 10,84 | 11,50 | 0,73
40 20,9 | 2083 56 0,427 |20,424179,149 |
0,120 |20,438|79,142
0,42 120,43 179,15 | 8,12 | 8,62 | 11,46 | 12,16 | 0,71
Bemerkungen: Der Hund war während des Versuches sehr un-
ruhig.
Er hat manchmal Polypnöe gehabt.
Die Luftanalyscn wurden
mit dem Apparat von Pettersson-Högland gemacht.
keine alimentäre Melliturie gehabt.
1) Magn us- Levy, l.c.
Der Hund hat
?) Graham Lusk, Cornell University med. Bull. 5, 2, 555, 1915.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbruprodukten. 199
Wenn wir unsere Gaswechseluntersuchungen in diesem Augenblick
berinnen, betindet, sich der Hund nicht nur im Hungerzustand, eondern
er muß auch das relativ größte Depot an Glykogen haben.
In Versuch 5 und 6 (Tateile VI u. VIN) erhielt der Hund während
zwei Tapen anßser seiner gewöhnlichen Nahrung (die besonders aus Mais
mit etwas Fleisch nod Fett bestand) täglich 2530 g Saccharose. In der
18. nud 1“. Stunde nach der letzten Nahrung fing ich die Untersuchung
des Gaswechsels an. Bei keinem der beiden Versuche gab es ali-
mentäre Glykosurie. i
Da ich leider nur eine Luftanalyse von der 40. und 41, Stunde des
9 Versnel es gemacht habe, müssen wir den Mittelwert der beiden r. Q,
die 0,71 ist, nehmen. Hiermit stimmen die Resultate der beiden Ver-
such" zieinlich gut überein. Zwischen der IR. und 22. Stunde inkl. ver-
brannte der Hund zweifellos Kohlenhydrate, und zwar in absteigender
Monge, In der 5%. und 41, Stunde gibt es schon keine bemerkenswerte
Verbrennung dieser Körper mehr,
In Versuch 7 Tabelle VIH) erhielt der Hund seine gewöhnliche
Nahrung. die, wie gesagt, überwierend aus Kohlenhydraten bestand, und
in der 1%, Stunde fine die Untersuchung an,
Hier hat das Tier auch Kohlenhydrate verbrannt, und so gut, daB
es in den ersten Stunden in kleineren Mengen ges 'hah wie in den bei-
den anderen Versuchen, hingegen dauerte diese Verbrennung länger und
verteilte sich mit groler Reveimälliskeit über die versehiedenen Stunden
des Versuches. Außer dem r. Q. der 22. Stunde, der nieht feststeht, da
er aus einr einzigen O,-Analyse berechnet ist, beträgt der größte Unter-
schied zwischen den anderen 0,05, «in Unterschied, der innerhalb der
Fehlergrensen der Methoden fällt. Der mit'ero Wert aller dieser r. Q.,
wenn wir mit geringerer Sicherheit den der 22. Stunde mitreehnen. be-
trägt 0,813,
Man kann also nicht zweifeln, daß, wenn der Hund reich an Gly-
kogen ist, man dessen Vorhandensein mit Hilfe unserer Technik nach-
weisen kann durch die hohen r. Q., die infolge seiner Verbrennung
resultieren.
Und es ist schr merkwürdig, den Unterschied festzustellen, der
zwischen einer genügenden und kohlenhydratreiehen Nahrung und einer
übrrreichlichen und an diesen Substanzen viel reicheren Nahrung besteht;
es scheint, dal der Organismus angesichts eines Übermaßes an Glykogen
derart die Verhrennnng desselben steigert, dab er nicht nur den Über-
schuß schneller, sondern überhaupt alles verbrennt.
Diese Bedeutung der Werte der r. Q. im Hungerzustand für die
Schätzung der Größe des Glykogendepots, über das ein Organismus ver-
füct, ist schon am Menschen durch die Arbeiten von Benedict und
seinen Mitarbeitern nachgewiesen worden.
Benedict, Emmes und Riche?) haben beim Menscben gefunden,
1) Benedict, Emmes u. Riche, Americ. Journ. of Physiol. 27,
383, 1911.
200 Jose M.de Corral:
Tabelle VII.
7. Versuch vom 17. bis 18. Juli 1916 (3. Versuch des Protokolls).
Gewicht des Hundes 15,7kg. Der Hund hat seine gewöhnliche kohlen-
hydratreiche Nahrung (ohne Zusatz von Rohrzucker) bekommen.
CO,-
E & 2 = g gf 5 g (0 ER
E 5 2 5 E JER “23 Luftanalyse Produktion |?
a8 EE ER EEE RR
gag jas eiZ 3 | 241531823 | >
EEk KRSS o 00,10% | N oH 27 ze 27
Ea | e VE |u| | m | m [Er |28 Es lE5
18. 19,4 | 2196 57 0,471 |20,405 | 79,124
0,490 | 20,380 179,130
0,496 | — —
0,49 |20,38 |79,13 | 10,10 | 10,72
21. 19,8 | 2117 54 | 0,429 20,467 |79,104
20,462| 79,116
0,43 |20,46 [79,11 8,47 | 8,97
22. 21,1 | 2163 58 | 0,581 [20,329 | 79,090
0554| — | —
0,57 |20,34 [79,09 | 11,68 | 12,40
41. 20,1 | 2138 54 | 0,372 |20,548| 79,080
0,388 |20,532) 79,080
0,38 120,54 |79,08 | 7,48 | 7,94
Bemerkungen: Der Hund ist etwas unruhig gewesen. Die Luft-
analysen wurden mit dem Apparat von Pettersson-Högland gemacht.
daß der r. Q. 12 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme (nüchterner
Zustand beim Menschen) höher ist, wenn die Nahrung reich an Kohlen-
hydraten, als wenn sie arm daran ist.
In einer späteren Arbeit mit Higgins!) bestätigt Benedict durch
neue Untersuchungen diese Resultate. Und jetzt erhält er so gleich-
lautende Resultate, daß man fast sagen kann, welche Kohlenhydratmenge
in der vorausgehenden Nahrung enthalten war, wenn man den r. Q. des
Hungerzustandes kennt?). Infolgedessen nimmt er an, daß ein Depot
von Glykogen vorhanden ist, das um so größer ist, je höher der r. Q. im
Hungerzustand ist.
Versuch 8.
In einer bereits erwähnten Arbeit erklärte Pletnew die Tatsache,
daß das Pepton beim Hunde die Assimilationsgrenze der Glykose herab-
setzt, indem er annahm, daß dasselbe entweder eine Verminderung der
1) Higgins, l. c.
2) Besonders wenn man dieselbe Nahrung während mehrerer Tage
wiederholt. Wenn das Depot von Glykogen, über das der Organismus
vor dieser Nahrung verfügte, klein ist, und wenn die Kohlenhydratmenge
in derselben groß ist, muß man die Nahrung mehrere Tage wiederholen,
um zu einem Gleichgewichte, einem konstanten r. Q. zu gelangen.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 201
Fähigkeit der Leber, Glykogen zu bilden, erzeugt, oder eine Reizung der
Leber, die zur Ausscheidung von Glykogen in Form von Glucose führt.
Die Existenz dieser letzteren Wirkung ist schon von Pletnew in seiner
Arbeit nachgewiesen worden und wurde später durch andere Unter-
suchungen bestätigt. Aber die Untersuchungen von Tschannen!) haben
auch sicher gezeigt, daß das Pepton auch wirkt, indem es die Funktion
der Leber, Glykogen zu bilden, hemmt.
Folglich war es für meine Arbeit notwendig, zu sehen, ob diese
Tabelle IX.
*8. Versuch vom 23. bis 24. November 1916 (8. Versuch des Protokolls).
Gewicht des Hundes 16,0 kg. Er bekommt zwei Tage je 80 g Witte-
Pepton und die folgenden Tage 250 g Rohrzucker.
wo = I a
© g g
SŠ e38 25 E 2 g E
PEER ERE EE PEE Luftanalyse ae 138
opg 28 SU nle 5sTul2EI u
PR] 22.318828 335 3831533
saa ja 545352 |343 S SRE 35] R.Q.
EEIE EEEIEE pansan
s^s esjs Aa e a >
Ex =} >o CO, 0, N, ce 'a O
23 5 A Min. | °% % h oS POs
18. 19,0 | 2268
19,73
21. | 21,2 | 2347
22. 20,3 | 2387
40. | 18,5 | 1844
41. 19,1 | 1952
6,64 | 8,20 | 0,819
Bemerkungen: Vie Luftanalysen wurden mit dem Apparat von
Haldane gemacht. Der ausgeschiedene Harn während des Repirations-
versuches hat direkt ein starkes Reduktionsvermögen.
1) Tschannen, 1l c.
2) Der Hund hat Polypnöe.
3) Ibidem.
4) Der Hund hat etwas Polypnöe.
5) Der Hund ist ruhig.
ë) Ibidem.
202 Jose M. de Corral: -
hemmende Wirkung des Peptons noch einige Zeit nach dieser Eintührung
fortdauerte. Aus diesem Grunde gab ich dern Hunde zwei Tage Pepion
(wie in den Versuchen 2, 3, 4), am dritten Tage stine gewöhnliche Nah-
rung -250g Saccharose; und IS Stunden danach begann ich die Unter-
suchung des Gasweelisels.
Vor » em mut ich bemerken, daß der Hund, solange er sich im
Stoffwechsc'kasten befand, sturke Pulyurie hatte, und der Harn direkt
cine stark reduzi-rende Kraft besaß. Dieselbe Menge von Saccharose,
die La den Versuchen 2 und 3 sehr gut 2mal vertragen wurde, erzeugte
nach der Kn’ührung ven Pepton eine starke alimentüre G'uessurie, 3
Das i-t vino B. stotrung der von Pletnew beobachteten Tatsache,
uud men sicht, dabei auch, daß nieh der Kinführung von Pepton eine
vermiad rte Fähigkeit besteht, Glykogen zu bilden, und zwar sopar
21 Stunde:
die eingetührte Sacchansemerge sehr groß war. Ich möchte helänfe
i nach der KEin’ührnuug. Es muß jedoch bemerkt werden, daß
auf di» Analogie auimerk-am machen mit dem, was bei dauerodem
Hung r ein sit. Hofmeister!) hat heim Hunde in diesem Zi
eine große Verminderung der Assimüntionserenze für Zucker gefunden,
tande
eine Aun'oyie, die wer zu derjesigeen hinzufügen müssen, die ich weiter
oben betr. Y4 Cer r. Q. erwähnt habe,
w SIA sehen, können die r. Q. der 18. und 2. Stunde
im X. Versuche sls glwich angesehen werden, sie bezei huen wshrschein-
wirauf Tabet
lieh ein» Wertialdereg anf Kosten von Kohlenhydraten, weil sie größer
als die Fiheiv ind. In dr mittleren, der 21. Sturde, giet der r. Q.
eiae si wich heim-rhenswerte Verbrennung vou Kohlenhidraten an; der
Unterehbi ol pepa t or Con r. Q, der zunächst Tiependen Stenden muß
dursh ene As ereas € r N ogwe heiprozesse erklärt werden, wil eine
Bo preto Dumme nur vaa tehnischen Fehlern herrühren kann.
De Waebr r (dr beiden letzten Stunden können binceren
als glich ner a werd n, wel ihr Mittelwert von 0,745 deutet darauf
hin, d Eee li ahydrate noch an den Verbrennungen des Or amsmus
teilten A.
Wie hen aho, daß PE Storelen nach der Einführung von Pepten
die Fähtph zer bidog vor Gigkoren, obyleich yerinper als die nor-
male, moih ethakeon p hoepen jst.
Wir können anen d'a Unter-chird zwischen diesem und dem 5.
und 6, Ver-uche beahachten, in deneu keine Bildung von Fett stattfindet
und in denen es indor vr. und 41. Stande keine Verbrennung von hohlen-
hydraten mehr vibi. Ein Unters hied, der ein neuer Beweis tür die
Wirkung von Vepton auf den Kuhlenhydratstofiwechsel wäre, wenn es
sich nieht nur um einen Versuch handelte.
Versuch 9.
In diesem Versuche habe ich dem Hunde während vier Tagen
&0 g Witte-Pepton und 150g Speck täglich gegeben, und während der
) Hol meister, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakvl.26, 355, 1580.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 203
folgenden vier Tage 150 g Speck. In der 13. Stunde nach der letzten
Nahrungsaufnahme habe į h di» Untersuchung der r. Q. begonnen, und
wie man aus Tabelle X sieht, sind die Werte in den vier untersuchten
Stunden selir konstant, trotz des Analys nfehlers. Die Mitte dies:r Werte,
dana-h berechnet, daß die r. Q. der l tzten Stunden das Reaultat einer
einzigen Analyse eind, ist 0,697.
Dies ist ein niedrigster r. Q. als die normalen und stimmt mit
jenen überein, die nach der Peptunwirkung oder nach andauerndem
Hunger erhalten wurden.
Ich muB auf die Analyse dieser Resultate im Vergleich mit jenen, die
Kleinert!) undSchloBmannnndMurschhuuser’)unter etwannalogen
Bedingungen erbalten haben, hiuweren. Dise Forscher fütterten, resh
dem sie einen Hund 16 Tage hungern elen, mit Spuk und etwas Pierde-
Heisch, bis er wieder sein urs-prüngliches Gewicht erreicht hatte (mehr
Tabelle X.
9. Versuch vom 31. Juli bis 1. Angust 151% (4. Versuch meines Protokul!sj.
Gewiest les Hundes 15,0 hg. Er bekommt während 4 Tagen £0 g Witte-
Pepton und 159 g Spesk pro Tep, In den 4 nachfolgenden Tagen be-
kommt er 9 L9g ak
> sa ass
ERM Luftsnaiyse z © = ©
ta * - “2 mo BU n
„ga y E S y
5 pl o E-E =, R.Q
å 5 7 ne
D
a
2L 24,7 2020 55
0,50 120,19 179,21 1 11,74 | 15,48 | 0,715)
0,571 [20,115 |79,214
0.29 voi] [79 m :
21 [20,125 ;
Te: 1 wol 3178 > 112,00 70 |! 0,683;
0,3 120,2 ET 14,34 | 0,694)
0,600 |2,,183|79,212
0,57 |20,11 [79,22
13,88 į 19,08 | 0,73 ®
Bemerkung: Die Luftansijsən wurden mit dem Apparat von)
Pettersson-Högland gemacht.
1) Kleinert, le.
2) Schloßmann u. Murschhauser, l. o.
3) Der Hund unruhir, mit Polypnöe.
t) Ein wenig ruhiger, nber immer mit etwas Polypnöe.
5) Unruhig mit Polypnör.
") Ibidem.
204 Jose M. de Corral:
als 25 Tage). Nachdem sie das erreicht hatten, ließen sie ihn 24 Stun-
den fasten und untersuchten den r. Q. des Hundes während einer Periode
von annähernd 5 Stunden. In 4 Versuchen, die durch längere Zeit-
perioden voneinander getrennt waren, wo der Hund dieselbe Nahrung
nahm, erhielten sie r. Q. von 0,674, 0,656, 0,726, 0,728, und als mittleren
Wert 0,696, ein dem meinigen vollkommen gleicher Wert.
Schloßmann und Murschhauser glauben die Acidose als Ursache
dieser anormalen Werte ausschließen zu können (aber sie haben ihr
nicht nachgeforscht), und sie glauben, daß sie von einer Bildung von
Glykogen auf Kosten von Eiweiß oder Fetten herrühren. Da sie es
unterlassen haben, die Frage der Ursache der Anormalität, infolge er-
mangelnder Tatsachen, zu lösen, können wir aus dieser Analogie zwischen
meinem Versuch und denjenigen dieser Forscher folgern, daß die Be-
handlung mit Pepton auf meinen Hund dieselbe Wirkung hatte wie der
dauernde Hunger auf den ihren. Aber ich glaube eher, daß diese Ver-
änderungen des r. Q. nur von der Wirkung der ausschließlichen oder
fast ausschließlichen Fettnahrung, die gegeben wurde, herrührten.
Nach einer ausschließlichen Fettnahrung sieht man tatsächlich in
den Versuchen von Magnus-Levy!), daß der r. Q. manchmal niedrigere
Werte erreicht als die normalen; und in einem Versuch ist der r. Q.
sogar 24 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme 0,69. Wir wollen
jedoch bemerken, daß in den Versuchen dieses Forschers die niedrigeren
Werte als die Norm durch Methodenfehler erklärt werden könnten; das
würden r. Q. sein, die eine fast ausschließliche Verbrennung von Fett
bezeichnen würden, was Magnus-l,evy anzunehmen scheint.
In den Versuchen von Schloßmann und seinen Mitarbeitern ist
das nicht wahrscheinlich.
Ich möchte noch als interessante Einzelheit hervorheben, daß wäh-
rend der ganzen Dauer meines Versuches der Hund Polypnöe hatte und
sehr still war, wie man schon aus der Höhe der Werte des absorbierten
Sauerstoffes ersieht. Das würde gegen die Ansicht von Zuntz sprechen,
der annimmt, daß absolute Ruhe des Tieres notwendig sein muß, um
bei der Bildung von Kohlenhydraten auf Kosten von Eiweiß .oder Fett
abnorm kleine r. Q. zu zeigen; ebenso spricht es gegen die Tatsache,
daß dieses die Ursache für die Werte ist, die ich in meinem Versuche
erhalten habe.
Versuche 10 bis 13.
Nachdem wir gezeigt haben, daß, nachdem ich dem Hunde zwei
Tage lang Pepton gegeben habe, die Untersuchung des Gaswechsels keine
Kohlenhydratverbrennung mehr erkennen läßt, und auch, daß, wenn der
Organismus über Glykogen verfügt, die Verbrennung desselben durch die
von mir angewandte Technik offenbart werden kann; und nachdem wir
gesehen haben, daß nach zweitägiger Behandlung mit Pepton der Hund
Kohlenhydrate im Zustand von Glykogen schon ablagern kann, konnten
1) Magnus-Levy, l. o.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 205
wir dem Problem der Bildung dieses Körpers auf Kosten von Amino-
säuren oder Eiweißkörpern nähertreten. Das habe ich in diesen Ver-
suchen getan.
Als Aminosäuren habe ich ein Präparat benutzt, das durch die
Wirkung von verdünnter Salzsäure auf Blutkuchen gewonnen wurde.
Dieses Präparat, das ich der Güte der „Gesellschaft für chemische In-
dustrie“ in Basel verdanke, hat nach der in dieser Fabrik gemachten
Analyse folgende Zusammensetzung:
Alanin: A Sansa N ee 4,0%,
Esneme a a As ae 0 te 23,0%,
Prolin ea, 202 u Bw A an a ae 00T,
Phenylalanin ........ are MON,
Glutaminsäure . . ». 2.220020. iu 00
Asparaginsäure . . 2 2 nen 4,09,
Cyin ala a, ae a Y er OB
Berin sis 3.04 e en ar E E. 0,59%,
Oxyprolin...... P AE E E TE 1,0%,
TITOBIN a wert ae an a O 1,29,
Histidin... 24 e p 2 12 Se ns E 10,0°),
Ara nen e 4,50),
Lynn Ss rlr Sundern eA aa 4,0%),
Im ganzen waren also in diesem Produkt 60°, Aminosäuren. (Es
ist eine Substanz von dunkelbrauner Farbe, salzigem, bitterem Geschmack,
die leicht in Wasser, selbst kaltem, löslich ist und keine Biuretreaktion
liefert.)
Der Hund wollte sie nie nehmen, und ich gab sie ihm in Wasser
aufgelöst mit der Sonde; aber er vertrug sie immer sehr gut. Nur die
ersten Male erbrach er sie, aber das muß die Wirkung der ziemlich
großen Salzmenge gewesen sein, die das Präparat enthielt; von dem
Augenblick an, wo ich die Vorsicht anwandte, sie ihm genügend in
Wasser verdünnt zu geben und ihm im Überfluß Wasser zum Trinken
ließ, zeigte sich kein Erbrechen mehr. Sie bewirkte keinen weiteren
anormalen Vorgang mehr beim Tiere.
Ich habe dem Hunde, wie in den Versuchen 2, 3 und 4, zwei Tage
Pepton gegeben, und an den beiden folgenden Tagen habe ich ihm 40 g
Aminosäure täglich gegeben. Bei dem ersten Versuch mit etwas Speck,
bei den beiden anderen als einzige Nahrung. Im Versuch 13 erhielt
der Hund an den beiden letzten Tagen täglich 600 g mageres Ochsen-
fleisch. In der 17. und 18. Stunde nach der letzten Nahrungsaufnahme
begann ich die Untersuchung der r. Q.
Wie man sieht, habe ich dasselbe Verfahren verfolgt wie in den
Versuchen 5 bis 8, als ich die Bildung von Glykogen auf Kosten von
eingeführten Kohlenhydraten nachweisen wollte. Auf diese Weise umgehe
ich in meinen Resultaten die direkte Wirkung der Einführung von
Aminosäuren oder von Fleisch auf den Gaswechsel, und außerdem ließ
ich Zeit vergehen, damit sich das Glykogen bilden und ablagern konnte.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 14
206 Jos& M. de Corral:
Die Bedingungen der Versuche 10, 11 und 12 waren nicht genau
die gleichen, wie man aus den Tabellen (XI, XII und XIII) ersehen
kann; aber die Resultate sind noch weniger untereinander vergleichbar,
als man aus diesen Unterschieden erhoffen könnte.
In den drei Versuchen sehen wir, daß die r. Q. von der ersten
untersuchten Stunde an abnehmen. In Versuch 10 (Tabelle XI) nimmt
der r. Q. von der 21. Stunde an stark ab, und dann erhält er sich auf
derselben Höhe bis zur 43. Stunde, wo er dann rasch abfällt. In der
42. Stunde ist der r. Q. höher als in der 21. und 22., aber die Differenz
von 0,06 liegt innerhalb der möglichen Fehlergrenze der Methode.
Tabelle XI.
10. Versuch vom 4. bis 5. Dezember 1916 (9. des Protokolls). Gewicht
des Hundes 14,0 kg. Er bekommt 2 Tage Witte-Pepton und in den 2
nachfolgenden Tagen je 40 g des Aminosäurengemisches und 80 g Speck.
Fe - 7 — -
sè |gs |es|s8 88 |ss
S olg Ta] ea | SS Ss S
ggg g| a” g Luftanalyse 4o |32
a{=le55| es | 5% 2551855
easlE25| 57 | 35 3521852] R.Q.
oZ RS] 2e |2 fe ER
2985388”|1535|95 Pa >
EE = 23 fee ge ao
Ss [a 5 ) og
22 o |>? | Min. OA &
18. | 18,2 | 2324 | 56
1,14(?)
21. | 18,4 | 2553 | 47
0,80
22. | 18,5 | 2633 | 51
0,80
42, | 19,7 | 2243 | 52
0,86
48. | 19,6 | 2308 | 50
1,34 | 20,58 | 19,13 | 7,15 | 10,17 | 0,70
Bemerkungen: Der Hund bleibt immer schr ruhig. Die Luft-
analysen wurden mit dem Apparat von Haldane gemacht.
In Versuch 11 (Tabelle XII) ist der r. Q. der 41. Stunde höher als
der der 40., aber auch hier kann die Differenz ein Methodenfehler sein,
weil sie nur 0,07 beträgt. Wenn wir das annehmen und die Mitte der
beiden Werte nehmen, so haben wir 0,765, ein Wert, der dem der 23.
Stunde gleich ist, und kleiner als der 48. Auch hier gibt es also eine,
wenn auch nicht große Verminderung des r. Q.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 207
Tabelle XII
11. Versuch vom 5. bis 6. Februar 1917 (11. des Protokolls). Gewicht
des Hundes 14,6 kg. Er bekommt 2 Tage Witte-Pepton und in den 2
nachfolgenden 40 g des Aminosäurengemisches pro Tag.
be = o Fe
ou © Oku S
vn. osy as „3 ga 3
SESlSSE gH vs Luftanalyse “8,13%,
Be3l2881343 | 38 3581558|R
zaz a8| 3o 30 52 m 35 -Q
o'd Sja gal a5 | LE YĒOA|e R
023 ° Ss |AS | co | Pa >
8% [= 53 = 2 0, N, =D w2
328 0 Pa | Min. % % | % g a jOa
18. 20,46 | 79,10
20,47
—
ss
©
N
N
©
-
o
wo
e
A
>
9,35 | 11,41 | 0,82
23. | 17,2 | 2285 | 61
8,45 [11,20 | 0,76
40. | 19,4 | 1953 | 55
41. | 18,0 | 1926 | 57
| 20,52 | 79,10 | 6,74 | 8,47 | 0,80
Bemerkungen: Der Hund bleibt ruhig. Die Luftanalysen wurden
mit dem Apparat von Haldane gemacht.
In Versuch 12 (Tabelle XIII) ist hingegen die Verminderung nicht
zweifelhaft und bleibt bestehen. ‚
Noch etwas anderes Gemeinschaftliches haben alle diese Versuche,
nämlich das Auftreten eines r. Q., das eine Verbrennung von Kohlen-
hydraten beweist. Wenn wir von der 18. Stunde des 10. Versuches
absehen, sind nur 2 r. Q. bemerkenswert größer als derjenige, der bei
der Verbrennung von Eiweiß im Organismus erzeugt wird, der 0,801
- beträgt!). Diese beiden r. Q. sind 0,91, die wir in Versuch 12 finden;
und der von 0,86 in Versuch 10 ist noch, wie gesagt, wahrscheinlich
in Wirklichkeit nicht viel höher als 0,80, der r. Q. der vorangehenden
Stunden.
Aber ich will nochmals hier betonen, daß, um die Entstehung eines
1) Dieser Wert ist derjenige, den Loewy berechnet hat (Loewy-
Oppenheimers Handbuch der Biochemie 4, 1. Teil, 156, Jena 1911).
Magnus-Levy nahm den von 0,809 an, einen von Zuntz berechneten
Wert (Magnus-Levy, v. Noordens Handb. des Stoffwechsels, 1, 217)
und den Benedict annimmt. Jaquet (Jaquet, Asher-Spiro, Ergebn.
d. Physiol., l. c. S. 541) nahm den von 0,78 an. Diese Abweichungen
sind leicht verständlich in Anbetracht der Schwierigkeit der Berechnung
dieses Quotienten.
14*
208 Jose M. de Corral:
Tabelle XIII.
12. Versuch vom 28. bis 29. Januar 1917 (10. des Protokolls). Gewicht
des Hundes 15,0 kg. Er bekommt 2 Tage Witte-Pepton, den folgenden
Tag 40 g des Aminosäurengemisches, 5g Alanin (Kahlbaum), 80 g Speck,
zwei Stunden nachher erbricht er alles. Den folgenden Tag bekommt
er 40 g des Aminosäurengemisches und den’nächsten 40 g dieser Amino-
säuren und 5 g Alanin (Kahlbaum).
Luftanalyse
R.Q.
Mittlere
o Temperaturd.
Kammer
» Dauer der
Luftentnahme
Liter
0,-Verbrauch
pro Stunde in
Liter
0,
Jo
Stunde nach der
letztenNahrungs-
aufnahme
Ventilation pro
Stunde in Liter
CO,-Produktion
pro Stunde in
2910
—
æ
or
,30 | 20,64 | 79,
0,34 | 20,62 | 79,04
0,32 | 20,63 | 79,05 0,91
18. | 17,5 | 2683 | 46 | 0,32 | 20,57 | 79,11
0,32 | 20,58 | 79,10
0,32 | 20,58 | 79,10 0,76
21. | 15,1 | 2050 | 60 20,63
20,60
0.27 120,01 | 7912] 4,92 0,67
39. | 102 | 2200 | 54 20,44 | 79,21
20,44 | 79,21
79,21 | 7,04 0,58
40. | 10,5 | 2271 | 52 Br
79,19
0,34 | 20,46 | 79,20 | 7,04 | 12,04 | 0,58
Bemerkungen: Der Hund immer ruhig. Die Luftanalysen wurden
mit dem Apparat von Haldane gemacht.
r. Q. von 0,801 ohne Beteiligung von Kohlenhydraten bei der Verbrennung
im Organismus zu ermöglichen, dieser kein Fett verbrennen darf, sondern
ausschließlich Eiweiß. Wenn der Organismus ein Gemisch von Fett
und Eiweiß verbrennt, dann muß der r. Q. notwendigerweise niedriger
als 0,801 sein, und um so mehr, als er relativ weniger Eiweiß als im
Vergleich zum verbrannten Fett verbrennt.
Im Hungerzustand verbrennt der Organismus we beim Tiere
wie beim Menschen Eiweiß in einer Menge von 15°/, der erzeugten
Wärme und nicht in größeren Mengen als 18°/,t), außer den Fällen der
prämortalen Zunahme der Stickstoffausscheidung, die in unseren Ver-
suchen augenscheinlich keine Rolle spielt.
1) Siehe Tigerstedt, Oppenheimers Handb. der Biochemie 4,
2. Teil, 63ff., Jena 1910.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 209
Wenn wir für unsere Versuche den Wert von 15°/, für die Ver-
brennung von Eiweiß annehmen, so bezeichnen die r.Q. 0,76, 0,80 und
0,82, die wir dabei antreffen, sicherlich eine Verbrennung von Kohlen-
hydraten, und in einem Verhältnis von 15 bis 35°/, die Gesamtverbren-
nungen des Tieres nach den Berechnungen von Johansson’). Der
r.Q.0,91 würde eine Verbrennung von Kohlenhydraten von 65°/, bedeuten
Es kann also nicht zweifelhaft sein, daß der Hund während dieser
Versuche Kohlenhydrate verbrannt hat, und zwar (in Anbetracht der
sukzessiven Verminderung der r. Q. bei jedem Versuche) in absteigender
Menge, wie wenn er ein Depot von Glykogen verbrannt hätte.
Es gibt jedoch in meinen Versuchen einige nicht gerade leicht zu
erklärende Tatsachen. So erstens der plötzliche Abfall des r. Q. von
einer Stunde zur anderen, ein Abfall von 0,16 zwischen der 42. und 43.
Stunde des 10. Versuches, von 0,15 zwischen der 17. und 18. Stunde im
12. Versuche. Diese Unterschiede, die so groß sind, daß sie nicht durch
technische Fehler erklärt werden können, zeigen sich nur noch einmal
bei meinen übrigen Versuchen, im 8., als ich dem Hunde Saccharose
nach 2 Tagen Pepton gab. Dort betrug der Unterschied zwischen der
21. und 22. Stunde 0,24.
Man kann diese Unterschiede nicht durch Veränderungen der
Lungenventilation erklären; erstens sind diese Veränderungen, die so
lange, wie meine Versuche dauerten, gänzlich unwahrscheinlich; außer-
dem haben wir am Hunde keinerlei Anzeichen von Polypnöe beobachtet;
hingegen sind bei anderen, wo der Hund, wie in Versuch 9, eine starke
Polypnöe zeigte, die r. Q. recht gleichmäßig.
Sie werden durch Unterschiede in den Bewegungen des Tieres
nicht erklärlicher. Sicherlich war es wahrscheinlich, daß, wenn das Tier
sich mehr bewegt, der r.Q. steigt, da mehr Kohlenhydrate verbrennen
müssen. Aber die beobachteten Unterschiede sind zu groß, um daher
zu stammen; und außerdem besteht nicht immer, wie man sehen kann,
eine Beziehung in diesen Untersuchungen zwischen einer Steigerung des
r. Q. und einer größeren Beweglichkeit des Tieres, wenn wir die absor-
bierte Sauerstoffmenge als durch die Bewegungen des Tieres verursacht
ansehen.
Ist das vielleicht eine Wirkung der Peptonwirkung auf die Fähig-
keit des Organismus, Glykogen zurückzuhalten ?
Ein anderes Problem entsteht durch das Auftreten von r. Q., die
kleiner als die normalen in Versuch 12 sind. Der Wert 0,67 der 21.
Stunde darf uns nicht erstaunen, da wir schon gleiche Werte nach der
Peptonwirkung gefunden haben; wenn der Organismus alle seine Kohlen-
hydrate verbrannt hat, so ist es natürlich, daß er wieder die r. Q. zeigt,
die er vor der Einführung von Aminosäuren lieferte. Die Werte 0,58
der folgenden Stunden sind zu niedrig.
Magnus-Levy?) behauptet, daß die niedrigeren Werte, wie 0,60
1) Johansson, |. c.
2) Magnus-Levy, v. Noordens Handb. 1, 220.
210 Jose M. de Corral:
und selbst bis 0,50, die zahlreiche Forscher für den r. Q. sowohl beim
gesunden Menschen wie beim kranken gefunden haben, infolge irgend-
eines Fehlers als fehlerhaft angesehen werden müssen.
Er kommt zu diesem Schlusse, der sich auch auf den Hund über-
tragen läßt, indem er sich darauf stützt'), daß nach seinen unter
Zugrundelegung bekannter Stoffwechselprozesse angestellten Berech-
nungen der kleinste r. Q. im Organismus nicht unter den Betrag
von 0,682 sinken kann, wenn man nicht die Bildung von Zucker auf
Kosten des Fettes zugeben will,
Selbst wenn wir bemerken, daß es nicht richtig ist, eine Tatsache
als unzutreffend zu verwerfen, weil sie infolge des augenblicklichen
Standes unserer Kenntnisse unerklärlich ist, muß man doch darauf hin-
weisen, daß die Berechnungen von Magnus-Levy nicht sehr sicher sind.
Pflüger?) hat sie tatsächlich sehr stark kritisiert; er berechnet
für die Verwandlung von Eiweiß in Zucker einen r. Q. von 0,816 oder
0,812, während Magnus-Levy für denselben Vorgang einen r. Q. von
0,613 berechnete. Diese Kritik beweist mir nicht, daß diese Berech-
nungen von Magnus-Levy falsch seien, sondern nur, daß die Art
seiner Berechnungen noch zu theoretisch ist, um darauf einen sicheren
Schluß aufzubauen.
Obgleich ich andererseits für viele Fälle die Richtigkeit der An-
schauung von Magnus-Levy anerkenne, sind die Fälle, in denen man
diese r. Q. anormal gefunden hat, zu zahlreich, daß sie alle von tech-
nischen Fehlern herrühren können. Besonders wenn man daran denkt,
daß einige von Forschern gefunden worden sind, die die angewandte
Methode am besten beherrschen; und wir zitieren als Beispiel hierfür
die Werte 0,62, die Loewy?) bei Typhusfällen erhielt, und die von
0,637 und 0,64, die derselbe Magnus-Levy“) bei Diabetesfällen erhielt.
In meinem Falle spricht die große Gleichmäßigkeit der in den
beiden Stunden erhaltenen Werte, die so groß ist, daß sogar die Werte
der erzeugten CO, und des absorbierten Sauerstoffes bis auf das Hun-
dertstel übereinstimmen (was natürlich reiner Zufall ist), gegen einen
methodischen Fehler. Aber das Warum dieser Werte bleibt für mich
unerklärlich und das um so mehr, weil eine Verwandlung von Fett in
Zucker unwahrscheinlich ist, weil, wie in Versuch 9 zu sehen ist, selbst
nach einer ausschließlichen Fettnahrung, die auf eine Peptonbehandlung
folgt, man diese Werte nicht beobachtet.
Ein anderes, ebenso außergewöhnliches Resultat ist der r. Q. von
1,14 des 10. Versuches. Dieser Wert würde eine Verwandlung von Zucker
in Fett bedeuten.
Aber der so große Unterschied der ersten Luftanalyse mit den
beiden anderen gestaltet das Resultat etwas zweifelhaft.
1) Magnus-Levy, Arch. f. (Anat.) u. Physiol. 1904, 377.
2) Pflüger, Arch. f. d. ges. Physiol. 108, 473, 1905.
3) Loewy, Virchows Arch. 126, 1891.
1) Magnus-Levy, l.c.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 211
Im 13. Versuch, nach der Einführung von Fleisch, finden wir ana-
loge Resultate mit den Versuchen mit Aminosäuren'). Alle r. Q. deuten
hier auf eine Verbrennung von Kohlenhydraten hin. Aber eine Vermin-
derung der r. Q. von der ersten Stunde an ist nicht so klar, und die
Unterschiede zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stunden sind, obgleich
sie etwas größer als die möglichen methodischen Fehler sind, nicht sehr
ausgesprochen ?).
Im ganzen sehen wir also, daß nach Einführung von so vielen
Aminosäuren, wie das Fleisch enthält, der Hund‘Glykogen verbrennt,
und da er nach der Behandlung mit Pepton keins verbrannte, muß
man annehmen, daß der Organismus es später gebildet hat.
Das Problem, das jetzt entsteht, ist, zu wissen, ob das Glykogen
von dem Fleisch oder den eingeführten Aminosäuren herrühren kann.
Daß die großen, vom Hunde aufgenommenen Fleischmengen das
Glykogen bilden konnten, ist nicht zu bezweifeln. Hingegen ist es im
ersten Augenblick unwahrscheinlich, daß ein Tier, das eine sehr unzu-
reichende Nahrung erhält, um seinen Ausgaben an Energie zu genügen,
wie es die von Aminosäuren sind (außer in Versuch 10, wo der Hund
noch Speck erhielt), anstatt diese zu verbrennen, sie in Glykogen ver-
wandelt und dafür sein eigenes Fett verbrennt.
Wir wissen, daß, wenn wir einem Tiere unter gewöhnlichen Be-
dingungen Eiweißkörper oder deren Spaltungsprodukte geben, es sie in
einen N-haltigen und in einen N-freien Teil spaltet. Wir wissen auch,
daß der erstere ausgeschieden wird und zwar vollständig, falls kein
Ansatz stattfindet, aber wir sind weniger darüber unterrichtet, wie der
Organismus qualitativ und quantitativ mit dem N-freien Teil verfährt,
dem Teil, der uns besonders interessiert. Hierbei sind wir auf Hypo-
thesen angewiesen. Die rationellste, obgleich nicht allgemein angenom-
mene, scheint mir die von Caspari zu sein®). Dieser Forscher nimmt
an, daß, wenn der Organismus eine ungenügende Eiweißnahrung erhält
oder eine solche, die gerade nur für seine Energiebedürfnisse genügt,
er den ganzen N-freien Teil verbrennt, wobei nur der eine Teil
des Eiweißes der Verbrennung entgeht, der erforderlich ist, um die
Abnutzungsquote von Rubner zu kompensieren.
Nur wenn die Nahrung überreich ist, kann der Organismus den
N-freien Teil auf andere Weise verwenden, z. B. indem er ihn in Gly-
1) Das Fleisch wurde nicht glykogenfrei gemacht, aber es ist nicht
möglich, daß dieses Glykogen die erhaltenen Resultate erklärt.
?) Ich möchte darauf hinweisen, daß ich, nachdem ich die Versuche
mit Aminosäuren gemacht hatte, Versuch 4 und danach die Kontrolle
mit Alkohol ausführte. Die Resultate im Kontrollversuch und im Ver-
such 4 sind, trotz sehr unvorteilhafter Bedingungen der angewandten
Ventilation, ganz befriedigend und erlauben uns, wie ich glaube, die
Möglichkeit eines methodischen Fehlers auszuschließen.
3) Caspari, Oppenheimers Handbuch d. Biochemie, 4, 1. Teil, 746,
Jena 1911.
212 Jose M. de Corral:
kogen verwandelt. Aber selbst in diesem Falle hält er es für unwahr-
scheinlich, daß die Oxysäuren, die diesen Teil der Eiweißkörper aus-
machen, vor den Fettsäuren und sogar vor den Kohlenhydraten verbrannt
werden. Gerade aus diesem Grunde behaupte ich, daß es unwahrschein-
lich sei, daß der Hund in meinen Versuchen die eingeführten Amino-
säuren nicht ganz verbrannt habe. Aber ich glaube, daß, selbst wenn
man der Ansicht Casparis beipflichtet, es möglich ist, zu erklären, daß
die eingeführten Aminosäuren Glykogen erzeugen könnten.
Es ist tatsächlich möglich, daß diese unter normalen Bedingungen
zulässige Ansicht es nicht mehr ist im Falle, wo der Organismus, wie
bei unseren Versuchen, seine Glykogendepots erschöpfen konnte.
Daß sich das Problem in diesem Falle anders gestaltet, wird uns
durch das bewiesen, was nach der Einführung von Kohlenhydraten ein-
tritt. Wenn der Organismus kein oder nur wenig Glykogen besitzt,
wird ein großer Teil der eingeführten Kohlenhydrate anstatt sofort ver-
brannt zu werden, wie es unter normalen Bedingungen der Fall ist,
im Zustand von Glykogen abgelagert. Und dies, obgleich das Einge-
führte vom energetischen Standpunkt aus ungenügend ist.
Dies ist durch die direkten Glykogenuntersuchungen des Organis-
mus, aber vielleicht noch besser durch die Gaswechseluntersuchungen,
wie von Johannsson!) und besonders von Benedict und Müller,
bewiesen worden.
Benedict?) beobachtete nach einer Hungerperiode von 7 Tagen
bei einem Menschen, dem er gemischte Nahrung gegeben hatte, daß er,
anstatt alle Kohlenhydrate seiner Ration zu verbrennen, einen Teil da-
von ablagerte und dagegen sein eigenes Fett verbrannte. Erst am 3.
Tage, bei Wiederholung derselben Nahrung, kommt er zu einem Gleich-
gewicht und verbrennt alle eingeführten Kohlenhydrate.
Die Beobachtung von Müller) ist auch sehr demonstrativ. Er
gibt einem Hunde, den er glykogenfrei gemacht hat, eine Menge von
Stärke, die für seine Energieausgaben reicht, und er sieht, daß die r.Q.
der unmittelbar auf die Einführung folgenden Stunden nur Werte von
0,70, 0,74 und 0,73 erreichen, d. h. daß er kaum mehr als Eiweiß und
Fett verbrannte, weil wir bei seinen Versuchen sehen, daß der Organis-
mus seine Fette opferte und die eingeführten Kohlenhydrate sparte, um
Depots von Glykogen für den Augenblick zu bilden, wo er keine hat;
es ist möglich, daß er in diesen Fällen von Glykogenmangel den N-
freien Teil der eingeführten Aminosäuren spart, um Glykogen zu bilden,
obgleich er seine Fette verbrennen muß.
Ein anderes Problem ist das, zu wissen, ob das Glykogen, das die
eingeführten Aminosäuren in meinen Versuchen gebildet haben können,
genügt, um die Mengen von verbranntem Glykogen zu erklären oder ob
man annehmen muß, daß der Organismus durch eine Reizwirkung der
1) Johannsson, Skand. Arch. f. Physiol. 21, 1, 1908.
2) Benedict, On Inanition, 1907, 192 ff.
3) Müller, diese Zeitschr. 28, 427, 1910.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 213
Aminosäuren noch Glykogen auf Kosten seiner eigenen Eiweißkörper
oder seiner Fette gebildet hat. Darüber kann ich nichts sagen, denn
meine Versuche erlauben mir nicht, selbst eine annähernde Berechnung
der Menge verbrannten Glykogens zu machen, obgleich es scheint, daß
diese Mengen etwas zu groß sind, um nur von den eingeführten Amino-
säuren herzurühren.
Zum Schlusse möchte ich noch etwas über die Resultate sagen,
die mit den meinen vergleichbar sind und die andere Forscher bei der
Untersuchung der Wirkung der Einführung von Eiweißkörpern oder
ihrer Spaltungsprodukte auf den Gaswechsel gefunden haben.
Die über diese Frage veröffentlichten Arbeiten sind schon sehr
zahlreich. Ich zitiere u. a. diejenigen von Magnus-Levy!), Falta
Grote und Staehelin®), Staehelin®), Gigout),, Loeffler’),
Schöpp®), Grafe’) und die zahlreichen von Graham Lusk und
seinen Schülern®).
Leider können wir nur sehr wenig von diesem zahlreichen Material
zu unserem Studium benutzen, außer einigen Versuchen von Magnus-
Levy und die Arbeit von Falta, Grote und Staehelin. Bei den
anderen Arbeiten erstrecken sich die Untersuchungen nur über die
ersten Stunden nach der Einführung der Eiweißkörper, und selbet
wenn sich in diesem Augenblick Kohlenhydrate bildeten, könnten uns
die r. Q. nichts lehren.
Wenn jedoch der Organismus auf Kosten der Eiweißkörper Kohlen-
hydrate bildet, die er vorübergehend deponiert, und wenn er den Rest
des kohlenhydratfreien Teiles der Eiweißkörper verbrennt, ist es fast
sicher, daß der r. Q. niedriger als der der Fette sein muß. Und in
den Stunden, die auf die Einführung dieser Körper folgen, könnte man
vielleicht hoffen, diese r. Q. zu finden. Da aber der Organismus noch
Fette und wahrscheinlich vollständige Eiweißkörper, ebenso Kohlenhydrate
verbrennen muß, kann man nicht so niedrige Werte finden. Es ist
ebenso unwahrscheinlich, daß man zu dieser Stunde eine Steigerung
des r.Q. finden kann, die uns die Verbrennung von gebildeten Kohlen-
hydraten anzeigt; eine Steigerung, die, um demonstrativ zu sein, so
sein müßte, daß der r. Q. größer sein müßte als der im Hungerzustand,
und auch größer als der des Eiweißes.. Und das ist unwahrscheinlich,
1) Magnus-Levy, Arch. f. d. ges. Physiol. 55, 1, 1894.
2) Falta, Grote und Staehelin, Beitr. z. chem. Physiol. u.
Pathol. 9, 333, 1907.
3) Staehelin, Zeitschr. f. klin. Medizin 66, 201, 1908.
4) Gigou, Arch. f. d. ges. Physiol. 140, 509, 1911.
5) Loeffler, Respirationsversuche am Menschen usw. Inaug.-
Diss., Basel 1912.
©) Schöpp, Arch. f. klin. Med. 110, 284, 1918.
7) Grafe, ebenda 118, 1, 1915.
®), Graham Lusk, Cornell Univ. med. Bulletin, 3, 1913; ebenda
4, 1914; ebenda 5, 1915.
214 José M. de Corral:
weil, wenn der Organismus, der die Kohlenhydrate auf Kosten des Ei-
weißes bildet, sie verbrennt, das Endresultat für den r. Q. natürlich
dasselbe sein müßte, als wenn das Eiweiß vollständig direkt verbrannt
wäre. Und selbst in dem Falle, wo man diese r. Q. finden würde,
könnten sie uns nichts beweisen, solange der Organismus nicht seines
Glykogens beraubt worden wäre, denn es könnte sich um eine Mobili-
sation und Verbrennung des Glykogendepots, über das er früher ver-
fügte, handeln.
Die Versuche von Magnus-Levy am Hunde, die ich für meinen
Zweck verwendbar halte, sind Nr. 96, 106 und 631).
Im Versuch 106 erreicht der r.Q. des Hundes im nüchternen Zu-
stand den Wert 0,81. Nach Einführung einer mittleren Fleischration
erhält der Forscher für die 17. Stunde einen r. Q. von 0,75, von 0,71
für die 20. und von 0,70 für die 22. Und in diesen Stunden hatte die
spezifisch-dJynamische Wirkung aufgehört.
Im Versuch 96 betrug der r. Q. des nüchternen Hundes 0,72. In
der 22. Stunde, nachdem er eine große Menge Fleisch gefressen hatte
und nachdem die spezifisch-dJynamische Wirkung desselben aufgehört
hatte, war der r. Q. 0,73. In der 24. Stunde betrug er 0,69.
Schließlich war in Versuch 63 der r. Q. im Hungerzustand 0,75.
Nach einer überreichen Fleischration erhielt er in der 26. Stunde einen
r. Q. von 0,74, in der 29. einen von 0,77, in der 33. von 0,70, und von
0,70 auch in der 35. Stunde.
Man sieht also in diesen Versuchen, daß der Hund nicht Glykogen
auf Kosten der Eiweißstoffe gebildet hat. Der einzige Unterschied gegen-
über meinen Versuchen besteht darin, daß bei jenen der Hund im Augen-
blick, wo er Fleisch fraß, ein mehr oder weniger großes, aber normales
Depot an Glykogen besaß.
Falta und seine Mitarbeiter lassen den Hund 2 Tage lang fasten;
am folgenden Tag geben sie ihm eine eiweißhaltige Nahrung, und am
folgenden Tag fastet der Hund wieder. An den drei letzten Tagen
untersuchten sie den Gaswechsel (in 5 Perioden an mehreren Stunden
täglich).
In ihren 4 Versuchen nahm der Hund als Eiweiß in der Nahrung
Pferdefleisch, Pferdefleisch + Casein, Pferdefleisch -+ Glutincasein, und
Pferdefleisch + hydrolysiertes Casein (fast biuretfrei). Die r.Q., die
sie am Tage nach der Einführung dieser Nahrung fanden, schwank-
ten in den verschiedenen Versuchen zwischen 0,694 und 0,746. Und
als Mittelwert dieser r. Q. in jedem Versuche berechne ich 0,736, 0,718,
0,730 und 0,733.
Es gab also hier auch keine Bildung von Kohlenhydraten.
Bei diesen Untersuchungen muß das Depot des Hundes an Glykogen
1) Magnus-Levy, l.c. 8.74 und 75. Versuch 63 ist den meinen
nicht ganz zu vergleichen, weil er sich nur bis zur 14. Stunde nach der
Einführung der Nahrung ausdehnt, obgleich zu dieser Zeit die spezifisch-
dynamische Wirkung des Eiweißes in diesem Versuche aufgehört hatte.
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 215
im Augenblick der Einführung von Eiweiß verringert worden sein, wei]
der Hund 2 Tage gehungert hatte. Die Verbrennungen von Glykogen
waren sehr gering, wenigstens vor dieser Zufuhr, nach dem, was man
am 2. Hungertage sehen konnte. Ich berechne als Mittelwert der r.Q.
für jeden Versuch 0,739, 0,718, 0,726, 0,730, bzw. Werte, die kaum eine
Verbrennung von Glykogen anzeigen.
Nichtsdestoweniger war das Glykogendepot ihres Hundes nach
2 Hungertagen wahrscheinlich größer als das meine nach 2 Peptontagen.
Schon die Werte, die ich für den r. Q. nach zweitägiger Einführung dieser
Substanz finde, sind kleiner als diejenigen, die von diesen Forschern nach
Hunger gefunden wurden; die meinigen sind niedriger als die Norm
und jenen gleich, die man nach andauerndem Hunger erhält. Aber wir
wissen vor allem durch direkte Versuche, daß das Pepton die Leber
wirklich glykogenfrei macht, und wir wissen auch, daß 2 Hungertage
das nicht machen, wenigstens nicht mit Sicherheit.
Es ist also sehr wahrscheinlich, daß die Ursache der Divergenz
zwischen meinen Resultaten und denjenigen von Magnus-Levy und
von Falta und seinen Mitarbeitern auf der großen Abnahme des Gly-
kogendepots beruht, die bei meinem Hunde in dem Augenblick existierte,
wo er Aminosäuren oder Fleisch erhielt.
Dieser Mangel an Glykogen, mit dem ich die Bildung von Kohlen-
hydraten auf Kosten einer Ration von Aminosäuren, die energetisch
unzureichend war, erklären zu können glaubte, scheint noch eine con-
ditio sine qua non zu sein, damit es zu einer Bildung von Kohlen-
hydraten auf Kosten von Eiweiß kommt, wenigstens in Mengen, die im
Gaswechsel bemerkbar sind.
Wir wollen hier auch daran erinnern, daß Landergren') in
seinen wohlbekannten Versuchen über die Zerstörung des Eiweißes beim
Menschen behauptet, daß der Organismus Kohlenhydrate nur dann aus
Eiweiß bildet, wenn er nicht über jene verfügt. Und auf diese Weise
kann er dieses Bedürfnis, Kohlenhydrate zu haben, befriedigen, ein Be-
dürfnis, das uns so viele Tatsachen beweisen.
Zur Stütze dieser Anschauung und zur Bestätigung meiner Ver-
suche könnte man die Versuche von Kleinert?) und von Schloß-
mann und Murschhauser’), die an einem anderen Objekt
gemacht wurden, anführen. Diese Forscher ernährten, nachdem sie
einen Hund 16 Tage hungern ließen, wodurch man auf eine Reduktion
auf ein Minimum seiner Glykogenreserven hoffen konnte, ihn wieder
mit Pferdefleisch und etwas Speck, bis er wieder auf sein ursprüng-
liches Gewicht kam. 24 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme
untersuchten sie den Gaswechsel (in einer Periode von 5 Stunden); und
in an 3 verschiedenen Tagen gemachten 3 Versuchen finden sie die r.Q.
0,793, 0,784 und 0,759, Werte, die, wenn die Verbrennung von Eiweiß
1) Landergren, Skand. Arch. f. Physiol. 14, 112, 1903.
2) Kleinert, l.c.
®) Schloßmann und Murschhauser, |. o.
216 Jose M. de Corral:
im Hunger normal ist, eine ziemlich deutliche Verbrennung von Kohlen-
hydraten bezeichnen müssen.
In Fortsetzung dieses letzten Versuches lassen Schloßmann und
Murschhauser den Hund wieder 16 Tage hungern, und in dieser Zeit
untersuchen sie während 5 Tagen seinen Gaswechsel. Die r. Q. schwank-
ten zwischen 0,735 und 0,748, Werte, die noch eine Verbrennung von
Kohlenhydraten bezeichnen.
Aber man muß bei diesen Versuchen zuerst bemerken, daß, wie
ich es bei der Wirkung des Peptons sagte, der r. Q. noch nach 16
Hungertagen sehr hoch war, bei diesem Hunde 0,767; es ist also fast
sicher, daß er noch Kohlenhydrate besaß. Da auch die Fleischfütterung
lange Zeit andauerte (mehr als 25 Tage) und das Pferdefleisch viel
Glykogen enthält, kann man nicht sicher behaupten, daß das verbrannte
Glykogen aus dem Fleischeiweiß stammt. Endlich ist es nicht unmög-
lich, daß die so hohen r. Q. dieses Versuches nicht eine Verbrennung
der Kohlenhydrate, sondern eine Zunahme in der Verbrennung des Ei-
weißes vom Hunde bedeuten, eine Ansicht, die Schloßmann und
Murschhauser zu vertreten scheinen. Um dies jedoch anzunehmen, halte
ich den Nachweis einer Zunahme der Stickstoffausscheidung für unbe-
dingt erforderlich, und derselbe ist in diesem Versuche nicht gemacht
worden.
Ich kann daher den Resultaten dieser schwer zu deutenden Ver-
suche nicht viel Wert für das von mir studierte Problem beilegen.
Zusammenfassung.
1. Bei der Jaquetschen Methode zur Untersuchung des
Gaswechsels ist es vorteilhaft für die Gasanalysen, den Apparat
von Pettersson-Högland durch den Haldaneschen zu er-
gänzen.
2. Nach 8 Hungertagen hält sich der r. Q. des Hundes
während mehrerer Stunden praktisch konstant. Sein mittlerer
Wert erreicht 0,682, ein Wert, der niedriger ist als der r.Q.
der Fettverbrennung. Es ist also möglich, daß ein derartiger
Wert im Hungerzustand existiert, ohne daß er von einer Ver-
änderung der Lungenventilation herrührt, weil eine solche Ver-
änderung bei meinen Versuchsbedingungen ausgeschlossen ist.
3. Nachdem der Hund 2 Tage lang Witte-Pepton erhalten
hat und nachdem man mehrere Stunden nach der Einführung
hat verstreichen lassen, zeigt er in andauernder Weise einen
praktisch konstanten r. Q., der niedriger als der normale r.Q.
ist und der mit demjenigen übereinstimmt, der nach andau-
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 217
erndem Hunger erhalten wird. Er besagt das Fehlen jeder
Kohlenhydratverbrennung.
4. Wenn der Hund eine kohlenhydratreiche Nahrung er-
hält, kann man nachweisen, daß der Hund Glykogen gebildet
hat, indem man seine r. Q. der 17. und 18. Stunde nach der
letzten Nahrungsaufnahme aufsucht. Diese r. Q. besagen eine
Verbrennung von Kohlenhydraten.
5. Die Fähigkeit des Organismus, Glykogen auf Kosten
von Kohlenhydraten zu bilden, wird beim Hunde nach Einfüh-
rung von Pepton, selbst nach 24 Stunden, herabgesetzt. Aber
obgleich vermindert, existiert sie noch deutlich, wie es die
Werte des r. Q. im Hungerzustand nach einer Ernährung mit
Kohlenhydraten beweisen.
6. Wenn nach Einführung von Pepton während 2 Tagen
der Hund an den darauffolgenden Tagen ausschließlich mit
Fetten ernährt wird, sind die r. Q.in den nachfolgenden Hunger-
perioden gleich jenen nach der Peptonwirkung erhaltenen.
7. Wenn nach derselben Behandlung mit Pepton der Hund
ein Gemisch von Aminosäuren (sogar energetisch unzureichend)
oder von Fleisch erhält, bildet er mit diesen Kohlenhydrate;
dies ist an den Werten des r. Q. im nachfolgenden Hunger-
zustand zu erkennen, die eine Verbrennung dieser Körper
erkennen lassen.
Diese Bildung von Kohlenhydraten auf Kosten von Amino-
säuren oder von Fleisch scheint nur in dem Falle vor sich
zu gehen, in dem es dem Organismus an Kohlenhydraten fehlt.
Anhang I.
Kalibrierung der Bürette des Haldaneschen Apparates.
Es ist unmöglich, wie schon oben erwähnt, mit unserer Bürette
eine Genauigkeit zu erreichen, die bis 0,002 com geht, eine Genauigkeit,
deren wir bedurften. Sie mußte also verifiziert werden.
Hierzu hätten wir zu dem gewöhnlichen Verfahren Zuflucht nehmen
können, sie mit Hg zu füllen und die in jedem Kubikzentimeter ent-
haltene Menge zu wiegen. Aber das hat viele Nachteile, besonders den-
jenigen, die Ablesung der Höhe des Hg während der Korrektur an
der umgekehrten Bürette vornehmen zu müssen). Es ist viel bequemer
und für unseren Fall vorteilhafter, die Kalibrierung so vorzunehmen,
daß man die Außenluft mit der Bürette analysiert, so wie es Haldane
1) Siehe Haldane, c.1. 8. 11 u. 42.
218 Jose M. de Corral:
empfohlen hat. Dies läßt sich leicht ausführen, weil bei uns die Außen-
luft eine konstante und vollkommen bekannte Zusammensetzung besitzt.
Das habe ich gemacht, aber ich habe nicht die CO, oder den O
der Luft analysiert, sondern die Summe CO, -+ O,, mit Rücksicht da-
rauf, daß die CO,-Mengen der Außenluft sehr klein und die Bestim-
mungen des Sauerstoffes weniger genau sind.
Tabelle XIV.
13. Versuch vom 19. bis 20. März 1917 (14. des Protokolls). Gewicht
des Hundes 15,1 kg. Er bekommt 2 Tage Pepton e carne (Merck),
80 g pro Tag; in den 2 nachfolgenden Tagen je 500 g mageres Rindfleisch.
bg | stlesl|.$ ga |as
„gele23] 5 |e3 Luftanal že |e
SEBIOKEI SG z] Dana yäe 28.1805
25531338 salse 2215302
3,3 |2 Sd] 57 | 55 35#2|232]|R.Q
FFC: 8,2 82 Farnlean
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2282| Ag ag a co, | O; | N, ge &2
N
23 0 >a | Min. | °% | °lo | % Oe A z>
18 14,3 | 1987 57 0,47 | 20,44 | 79,09
0,44 | 20,44 | 79,12
8,35 | 10,33 | 0,81
21. | 13,8 | 1938 | 61
9,11 [10,47 | 0,87
22. | 13,5 | 2163 | 53
8,87 | 11,25 | 0,79
40. | 15,5 | 1651 | 61
79,10 | 6,93 | 8,42 | 0,82
41. | 14,6 | 1590 | 60 79,18
79.18
0,59 | 20,23 | 79,181 8,90 | 11,93 | 0,75
Bemerkungen: Der Hund ist etwas unruhig in dem ganzen Ver-
such gewesen. Die Luftanalysen wurden mit dem Apparat von Haldane
gemacht.
Auf Tabelle XV bringe ich die Resultate dieser Analysen. Als
Mittelwert für die CO, -+ O, die in 100 ccm unserer Bürette enthalten
sind, erhielt ich für die Außenluft 20,897 cem. Dieser Wert ist, obgleich
aus wenig genauen Analysen hervorgehend, in Anbetracht der zahl-
reichen Analysen ziemlich genau. Der mögliche Fehler beträgt tat-
sächlich nur +0,0066') und der wahrscheinliche +0,0044 ccm.
1) Berechneter Fehler nach folgender Formel = E = + y 8 N
Siehe Kohlrausch, |. c. nn)
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 219
Nehmen wir zur größeren Bequemlichkeit an, daß unsere Bürette
fünfmal größer sei, d. h. daß sie 100 ccm anstatt 20 faßt. Wenn die
Außenluft nach den Berechnungen von Kakehi und den meinen
20,97°/,CO, + Oe hat, so bedeuten meine Analysen mit dem Apparat
von Haldane, daß 20,897 ccm unserer Bürette 20,97°/, ihres gesamten
Fassungsvermögens ist, d. h. daß das Fassungsvermögen der Bürette
nicht 100 ccm ist, sondern 99,65 cem. (In Wirklichkeit sind es nicht
20 ccm, sondern 19,93 ccm.) Ein Kubikzentimeter der Bürette wird
1
also gleich sein 3965 ~ 1,0035°/, des gesamten Fassungsvermögens.
Die Korrektur des Fehlers der Bürette läßt sich ganz einfach
machen, wenn man die Zahl der erhaltenen Kubikzentimeter für das
zu analysierende Gas mit 1,0035 multipliziert.
In unseren Analysen müssen nur die Werte des Sauerstoffes oder
der CO, -+ O, korrigiert werden. Die Korrektur der Werte der CO,
ist in Anbetracht ihrer geringen Abweichung überflüssig.
Anhang II.
Kontrollversuch mit Verbrennung von Alkohol.
Ich habe zu diesem Versuch vollkommen reinen Alkohol von der
Firma Haaf in Bern verwandt. Um seine Reinheit zu prüfen, habe ich
die von Merck!) zu diesem Zwecke angegebenen Reaktionen nachgeprüft,
und als einzige Unreinheit habe ich eine leichte Andeutung von Fuselöl
gefunden.
Anstatt den Alkohol ganz absolut zu nehmen, zog ich vor, den
Gehalt der Flüssigkeit an Alkohol zu bestimmen, indem ich die Be-
stimmung seiner Dichte machte.
Dies machte ich mit der Flaschenmethode und mit aller Exaktheit,
indem ich die geläufige Methode in der von Biehringer?) beschrie-
15°
benen Form befolgte.e Und ich erhielt einen Wert d 7 - 0,7965, eine
Dichtigkeit, die nach der Tabelle von Squibb einen Gewichtsgehalt an
Alkohol von 99,42°/, bedeutet.
Die Verbrennung dieses Alkohols wurde in einer gewöhnlichen
Alkohollampe mit Baumwolldocht gemacht. Ich gebrauchte dabei die
Vorsicht, den metallischen Teil, der den Docht hält, mit Asbest zuzu-
decken, um zu vermeiden, daß während der Verbrennung des Alkohols
ein Teil desselben in Berührung mit dem heißen Metall kommt und
sich nur bis zum Aldehydzustand oxydiert. Der Fehler, den die Be-
nutzung eines Baumwolldochtes hervorrufen kann, muß unbedeutend
1) Merck, Prüfung der chemischen Reagenz auf Reinheit. 2. Aufl.
Darmstadt 1912, S. 56.
2?) Biehringer, Abderhaldens Handbuch d. biochem. Arbeits-
methoden, 1, Berlin-Wien 1910, S. 439 ff.
220 Jose M. de Corral:
sein; die Benutzung eines Asbestdochtes ist nicht möglich, weil der
Alkohol dabei zu langsam verbrennt.
Zwei Stunden vor Versuchsbeginn ließ ich die 4 großen Fenster
des Zimmers offen, in dem sich der Stoffwechselkasten befand, und
ich vermied dort jede Verbrennung, damit die Luft die Zusammensetzung
der Außenluft hat. Ich brachte in die Lampe die Menge von Alkohol,
die mir ein früherer Versuch als geeignet gezeigt hatte, und ich wog
die Lampe mit Alkohol mit einer Genauigkeit von 1 cg.
Dann stellte ich die mit ihrem Deckel geschlossene Lampe in den
Stoffwechselkasten, und nachdem dieser geschlossen war, fing ich an,
ihn mit einer Intensität von annähernd 2000 1 pro Stunde zu durch-
lüften. Nach einer Stunde, nachdem ich auch Außenluft in das Ver-
bindungsrohr zwischen dem Gasometer und dem Cylinder, wo sich die
aufgefangene Luft sammelt, gefüllt hatte, öffnete ich etwas den Kasten
und zündete die Lampe mit einem Streichholz an; ich schloß sofort,
wobei ich gleichzeitig anfing, die zu analysierende Luft aufzufangen.
Hierzu brauchten wir 5 Sekunden.
Der Alkohol brannte während einer halben Stunde mit einer
ziemlich hohen Flamme; danach nahm die Höhe der Flamme außer-
ordentlich ab, und die letzten Spuren von Alkohol verzehrten sich wäh-
rend 16 Minuten mit einer kaum sichtbaren Flamme. Nachdem die
Lampe spontan ausgegangen war, setzte ich die Ventilation noch 4 Mi-
nuten fort.
Da unser Kasten mit der angewandten Ventilation in 20 Minuten
ganz ventiliert sein muß und da andererseits die verbrannte Alkohol-
menge während der zweiten Verbrennungsperiode unbedeutend gewesen
sein muß, nach der Höhe der Flamme zu beurteilen, hielt ich es nicht
für nötig, die Luft des Stoffwechselkastens zu nehmen, nachdem der
Versuch fertig war, um ihren Inhalt zu analysieren.
Nachdem der Versuch fertig war, wog ich wieder die Lampe, wo-
bei ich einen Gewichtsunterschied gegenüber dem früheren Gewicht er-
hielt, der der konsumierten Alkoholmenge gleichkam.
Die Tabelle XVI zeigt das Protokoll der Luftanalysen, der Venti-
lation, der Temperatur und des atmosphärischen Druckes während des
Versuches, bei dem ich nicht den Thermobarographen benutzte.
Da die ventilierte Luft 2147 1 bei 9,5° Temperatur und 708,1 mm
Druck maß, betrug ihr Volumen bei 0° und 760 mm:
708,1 — 8,8
Vo = 2147 x 760 19,50) — 1909 1.
Aus den Resultaten der Luftanalyse kann man berechnen, daß
die erzeugte CO, 0,562°/, der ventilierten Luft erreicht und der ab-
sorbierte Sauerstoff 0,899 °/,. Die Menge der erzeugten CO, ist also
10,729 1] und die des absorbierten Sauerstoffes 17,7621. Der r. Q. be-
trägt 0,625.
Betrachten wir nun die Sauerstoffmenge, die der -verbrannte Alko-
hol absorbieren sollte, und die CO,-Menge, die er erzeugen sollte. Die
Gewichtsunterschiede der Lampe mit Alkohol und nachdem er diesen
Bildung von Zucker aus Eiweiß und Eiweißabbauprodukten. 221
Tabelle XVI.
Analytische Daten des Kontrollversuches mit Alkohol (13. Versuch meines
Protokolls) vom 12. März 1917.
Temperatur der
en do
EN Š E E Laft fa Š% E Luftanalyse
ei VA Ei g: -| A ia 1
En | buus | buko | Saf]. CO, Oo IA
zo aog
[077 gu 0 0 0
o o A lo lb | lo
11> 31” | 3326 8,3 85 | 708,1 |
118417 | — 10,6 8.6 Z
11e 50” | 4055 | 126 8,6 Bi
1» —_”| 4437 | 125 8,9 Ei
12» 10” | 4821 94 90 =; [osl =
12» 20” | 5205 88 9,0 — | 0610 | 20,102 | 79,288
12» 27” | 5473 8.6 90 | 708,1 | 0,575 | 20.125 | 79.300
56” | 2147 | Mitielwert 9,5 | 708,1 | 0,512 | 20,114 | 79,294
Bemerkungen. Die Verbrennung des Alkohols fängt um 11% 31”
an. Von 12" an verbrennt er mit einer Minimumflamme. Um 125 23”
löscht die Flamme von selbst aus. Die Luftanalysen wurden mit dem
Apparat von Haldane gemacht.
verbrannt hat, gibt für den verbrannten Alkohol ein Gewicht von
11,74 g, was 11,762 g absolutem Alkohol gleichkommt, da der unsere
nur 99,42°/, Alkohol hatte.
Die vollständige Verbrennung von Alkohol verläuft nach folgender
Reaktionsgleichung: C,H,0 + 30, = 2C0O, + 3H,0, d. h. daß ein
Gramm Molekülalkohol von 46,048 g 96 g O, (30,) braucht, um zu ver-
brennen, und 88 g CO, (2C0,) erzeugt.
Die in unserem Versuch verbrannten 11,672 g Alkohol hätten also
22,305 g CO, erzeugen und 24,334 g O, absorbieren sollen, oder was auf
dasselbe herauskommt, 11,282 1 CO, und 17,029 1 O,. Der r. Q. würde
0,663 sein.
Der Unterschied zwischen den berechneten und gefundenen r. Q.
beträgt also 0,038, ein kaum geringerer Unterschied als derjenige, den
ich als theoretisch möglich bezeichnet habe. Was die absoluten für die
Gase gefundenen Werte betrifft, so ist der Fehler — 4,90°/, für die CO,
und +0,77°/, für den 0,.
Diese Resultate sind sehr befriedigend; ausgezeichnet für den
Sauerstoff, sind sie noch hinreichend genau für die CO,. Besonders
wenn man darauf achtet, daß sich die Verbrennung des Alkohols in
fast einer halben Stunde vollzogen hat, d.h. daß der Versuch unter
ungünstigeren Bedingungen gemacht worden ist als diejenigen mit dem
Hund, wo die aufgefangene Luft von fast einer Stunde herrührte.
Jaquet behauptet, daß praktische Unterschiede von 5°/, keine
große Bedeutung haben; und die Genauigkeit, die er mit seinen Kon-
trollversuchen mit Alkohol erhält, ist der meinen analog.
Biochemische Zeitschrift Rand 86. 15
222 JoseM.deCorral: Bildungv.Zucker a. Eiweiß u.Eiweißabbauprodukten.
In seinen 6 Versuchen erhält er für die CO, nur einmal einen
positiven Fehler, + 1,05°/ Bei allen anderen ist der Fehler negativ,
der kleinste —2,23°/,, aber in einem anderen Falle ist der Fehler
—4,94°/,, und —5,70°/, in einem weiteren. Die Fehler für den Sauer-
stoff sind immer, wie in meinem Falle, kleiner als jene für die CO,;
in den beiden letzten zitierten Fällen erreichen sie —1,99°/, und
—+3,21°/, bzw.!).
Dieser geringere Fehler der Sauerstoffwerte ist mir unerklärlich,
wenn wir nicht in diesen Versuchen die Existenz eines größeren Fehlers
als diejenigen der Analysen annehmen. Denn die Analysenfehler des
Sauerstoffes konnen höchstens dieselben wie die der CO, sein?).
Grafe?°) erhält genauere Werte als diejenigen von Jaquet mit
seinen Kontrollen mit Alkohol. Sein mittlerer Fehler ist 0,93°/, für die
CO, und +0,93 für den O,. Seine größere Genauigkeit ist erklärlich,
weil er, um Alkohol zu verbrennen, die Methode von Atwater und
Benedict anwendet, die eine ideale Verbrennung von Alkohol für
diese Art von Versuchen gestattet.
1) Jaquet, Verh. d. naturforsch. Ges. in Basel, 15, 266, 1903.
(Die Prozente sind nach seinen Ergebnissen berechnet worden.)
2?) In meinem Versuche könnte man das vielleicht erklären, wenn
man voraussetzt, daß der Stoffwechselkasten am Ende des Versuches
nicht ganz ventiliert worden war, als dieser fertig war. Dann wäre es
möglich, daß die CO, durch ihre größere Dichte als der O, dort in
größeren Mengen zurückgehalten worden ist.
3) Grafe, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 65, 1, 1910.
Beiträge zur Kenntnis der Ausscheidung der Saponine
durch den Kot.
Von
Hans Bäck aus Reichertshofen (Bayern).
(Aus dem Institut für Pharmakologie und physiol. Chemie zu Rostock.)
(Eingegangen am 10. November 1917.)
Inhaltsverzeichnis.
Seite
1. Was wissen wir bis jetzt über das Verhalten der Saponine im
Magendarmkanal? ....2.... he rn Near Te der ana 223
2. Einiges über die hämolytische Wirkung der Saponine . . . . . 226
3. Über die Verarbeitung des Kotes auf Sapogenine und Saponine 228
4. Versuche an lebenden Tieren . .. 2. ss ssassn es: o o 230
Versuch 1 am Huhn mit Sapindussaponin . 2... 2... . . 280
Versuch 2 am Huhn mit Quillajasaponin . . 2. s... e. . 334
Versuch 3 am Hund mit Quillajasaponin . . . 2: 2.2 22.0. 238
Versuch 4 am Hund mit Sapindussaponin . .. 2... sss. 240
Gesamtergebnisse ....... Br RE ee ae, ee
1. Was wissen wir bis jetzt über das Verhalten der Saponine
im Magendarmkanal?
Da im Magendarmkanal Enzyme auf die Saponine lang-
dauernd einwirken können, wofern letztere nicht sehr rasch
resorbiert werden, so berührt sich unsere Frage mit der an-
deren: Gibt es Enzyme, die auf Saponine spaltend einwirken,
und finden sich solche im Magendarmkanal unserer Versuchs-
tiere und des Menschen? Daß es in Pflanzen glykosidspaltende
Enzyme gibt, ist längst bekannt. Für eine Reihe von Saponin-
drogen wie Radix Sarsaparillae und Radix Senegae konnte
Kobert!) dartun, daß beim Lagern dieser Drogen deren Sapo-
1) R. Kobert, Ber. d. Deutschen Pharmazeutischen Ges. 22, 205, 1912.
15*
224 H. Bäck:
ningehalt durch fermentative Zersetzung abnimmt. Von an-
derer Seite ist diese Angabe nachgeprüft und bestätigt worden.
Es liegt nahe, diese Abnahme des Saponingehaltes auf spaltende,
in diesen Drogen präformierte Enzyme zu beziehen. Auch die
Abnahme des Saponingehaltes in verschimmelten oder bakteriell
getrübten Quillajainfusen und Senegadekokten ist auf spaltende
Enzyme dieser Mikroben zu beziehen. Aus einem dieser Schimmel-
pilze, den man in Ostasien technisch verwertet, gelangt das
Enzym in Form der sogenannten Takadiastase in den Handel.
In Wahrheit handelt es sich bei diesem Präparate allerdings
um ein Gemisch recht verschiedener Enzyme. Mischt man eine
frische Anreibung oder Lösung dieser Takadiastase mit Sapo-
ninen, so tritt nach H. Blau!) und nach E. Sieburg?) lang-
sam, aber bestimmt eine hydrolytische Spaltung ein, die der
durch Zerkochen mit verdünnten Mineralsäuren ganz analog
ist. Führt man diese Spaltung durch Bakterien aus, so ver-
brauchen diese natürlich rasch den abgespaltenen Zucker, und
man findet sehr bald von diesem nichts mehr. Wartet man
noch länger, so zersetzen manche Mikroben auch das Aglykon,
so daß es für die üblichen Reaktionen nicht mehr nachweisbar
ist. Ob Malzdiastase bei Ausschluß von Mikroben auf Saponine
zerlegend wirkt, ist strittig, da Brandl und Mayr?) bei Ver-
suchen mit Kornradensaponinen keine Spaltung erzielen konnten,
Blau?) mit einem Kastaniensaponin aber wohl. Auch durch
Invertin der Hefe konnte Blau dieses Saponin spalten. Die
nach Wakulenko°) auf Amygdalin und analoge Glykoside
spaltend einwirkende Ricinuslipase vermag nach dem genannten
Autor Saponine allerdings nicht zu zerlegen. Soviel über Ver-
suche, Saponine durch vegetabilische Enzyme zu zerlegen. Von
tierischen Fermenten hat z. B. das Pankreatin nach Holste®)
1) Heinrich Blau, Beitr. zur Kenntnis der Saponine. Diss.
Zürich 1911.
?) E. Sieburg, Arch. d. Pharmazie 251, 166, 1913.
3) Brandl u. Mayr, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 59,
266, 1908. _
4) Blau, 1. c.
%) Iwan Wakulenko, in Kobert, Beitr. zur Kenntnis der vegetab.
Hämagglutinine, Teil II. Berlin 1913, S. 1.
°) Holste, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 68, 323, 1912.
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 225
auf das nach Sieburg!) zu den Saponinen gehörige Helleborein
einen entgiftenden Einfluß, was nach dem Genannten „sicher-
lich durch fermentative Spaltung zu erklären ist“. Falls dieses
richtig ist, müssen die innerlich eingegebenen Saponine, soweit
sie nicht rasch resorbiert werden, im Dünndarm durch den
Pankreassaft wenigstens teilweise zerlegt werden. Ptyalin und
Pepsin fanden Brandl und Mayr?) ohne Einwirkung. Gab
Kobert?) einem Kaninchen innerlich reichliche Mengen von
Quillajasaponin ein, so konnte er in dem Kote ungespaltenes
Saponin nachweisen. Blau‘) wiederholte unter Winterstein
in Zürich diesen Versuch mit Sapindussaponin und konnte
dies ebenfalls zum Teil, nämlich in Mengen von 7,5°,
aus dem Kote ungespalten wiedergewinnen. Daß ein großer
Teil aller Saponine durch die Darmfermente hydrolytisch ge-
spalten wird, ist unbestreitbar. Brandl konnte sogar aus dem
Kote von mit Saponin gefütterten Hunden überhaupt kein unver-
ändertes Saponin wiedergewinnen und Boßhard’) aus dem
eines mit Kastanien gefütterten Hirsches nur 3,9%), der ge-
fütterten Saponine. Sieburg zeigte, daß die Zellen der Dünndarm-
schleimhaut der Katze noch im Reagensglase bei sterilem Ver-
fahren auf enzymatischem Wege Helleborein spalten. Gaben
Brandl und Mayr einem Hunde Agrostemmasapotoxin inner-
lich ein, so konnten sie aus dem Kot nur das Endsapogenin
dieses Saponins darstellen. Analoge Versuche dieser Autoren
an Hühnern und Kaninchen fielen jedoch nicht entsprechend
aus, d. h. aus dem Kote ließ sich weder das Agrostemma-
sapotoxin noch ein Sapogenin desselben darstellen. Offenbar
geht das gebildete Sapogenin bei diesen beiden Tierklassen in-
folge des beträchtlichen Bakterienreichtums des Darmkanals so
tiefgreifende Spaltungen ein, daß es für chemische und biolo-
gische Reaktionen unnachweisbar wird.
Meine Aufgabe war nun, diese wichtigen Versuche mit
1) Sieburg, l. o.
®) Brandl u. Mayr, l. c.
3) R. Kobert, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 33, 233, 1887.
4) Heinrich Blau, in der oben angeführten Dissertation.
5) Gust. Ad. Boßhard, Beiträge zur Kenntnis der Samen der
Roßkastanie und der in diesen Samen enthaltenen Saponinsubstanzen.
Diss. Zürich (Arbon) 1916.
226 H. Bäck:
zwei anderen Saponinen zu wiederholen, die auch von Fieger
benutzt worden sind.
2. Einiges über die hämolytische Wirkung der Saponine.
Nach den von Kobert und seinen Mitarbeitern gemachten
Versuchen und nach denen zahlreicher anderer Autoren, die
sich mit Saponinspaltungen beschäftigt haben, zerfallen die
Saponine bei hydrolytischer Zerlegung meist zuerst in Zucker
und ein Anfangssapogenin oder Prosapogenin und bei
weiterer Zerlegung nochmals in Zucker und ein Sapogenin, das
man als Endsapogenin bezeichnet. Einige Endsapogenine sind
ganz unlöslich in verdünnten Alkalien und können daher zu
biologischen Versuchen nicht herangezogen werden. Einige
Endsapogenine sowie alle Anfangssapogenine dagegen bilden
mit Alkalien wasserlösliche Salze, die meist wie die Mutter-
saponine auf isolierte rote Blutkörperchen sowie, wenn auch
weniger intensiv, auf 1 bis 2°/, Blutkochsalzmischung (d.h. auf
physiologische Kochsalzlösung + 1 bis 2°/, Blut) hämolytisch
wirken.
Ich habe nun, da ich die hämolytische Methode für Sapo-
genine anwenden wollte, erst mit einigen Saponinen mich auf
derartige Versuche eingeübt. Die hämolytische Kraft einiger
von mir geprüften Saponine zeigt die nachstehende Tabelle.
‘Die Versuche wurden immer in der Weise angestellt, daß defi-
briniertes serumhaltiges Blut, 50fach mit physiol. Kochsalzlösung
verdünnt, in Mengen von je öccm in eine Reihe von meist
7 Reagensgläschen eingegossen wurde. Zu Glas I und VII,
die als Kontrollen dienten, kamen je 5 cem phys. Kochsalzlösung
und zu den anderen Gläschen steigende oder fallende Dosen
des zu prüfenden Saponins in je 5 ccm phys. Kochsalzlösung
gelöst. Die Gläschen blieben unberührt stehen; nach 24 Stunden
wurde abgelesen.
Wie die Tabelle ergibt, besitzen einige Saponine wie
z. B. das Saponin aus Hondurassarsaparille und des
Digitonin eine ganz erhebliche hämolytische Wirkung.
Aber auch die einiger Sapogenine ist recht beträchtlich. Beim
Phytolaccasapogenin ist sie nach Kobert!) sogar beträchtlicher
1) R. Kueny, Phytochemische Untersuchung der Früchte von
Phytolacca abyssinica. Diss. Straßburg 1914.
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 227
Unterste Grenzender völligen hämolytischen Wirkungeiniger
Saponine für 2°/),ige Blutkochsalzmisch'ng.
Saponin Saponin Saponin |
aus aus aus 1 TE
Blutart Bassia Phytolacca | Honduras- Digitonin
Maclayana | abyssinica | sarsaparille |
Rind... 1 : 50000 1:1000
Kaninchen . . 1 : 50000 1 : 4000 1: 166000 1 : 130000
Katze .... 1: 25000 1: 1000 1: 100000
Mensch . . . . 1:33000 1: 2500 1: 50000 1: 100000
Meerschwein . 1:50000 1: 5000 1:100000 1:100000
Hammel .. 1: 17000 1:4000 1:125000 1: 100000
Hund. .... 1: 33000 1: 2000 1: 100000 1: 160000
Huhn... % 1:20000 | 1: 100000
Pferd Fe 1:33 000 1: 1000 1: 125000 1: 100000
als die des entsprechenden Saponins. Er fand z. B. für Menschen-
blut die Grenze der totalen Hämolyse durch Phytolaccasapo-
genin bei 1:125000 bis 1:250000, während sie für das Saponin
bei 1:2500 liegt; ich selbst fand sie für das Saponin wieder-
holt sogar noch niedriger. Für das Saponalbin d.h. für das
neutrale Saponin der Saponaria alba, für sein Anfangs- und
für sein Endsapogenin hat W. Laube!) die Stärke der hämo-
lytischen Kraft für viele Blutarten untersucht. Ich verweise
hiermit auf seine Angaben. Für die uns hier hauptsächlich
interessierenden Saponine führe ich folgende Wirkungswerte an.
Das neutrale Sapindussaponin von Sapindus Saponaria, das
von Sapindus Mukorossi und das von Sapindus Rarak wirken
nach Laube noch bei 13000- bis 14000facher Verdünnung auf
2°/,iges Blut total hämolytisch; das Quillajasaponin von
Sthamer nach Kobert?) auf Menschenblut noch bei 100000facher
Verdünnung ebenso.
Mir kommt es hier nur darauf an, darzutun, daß die An-
fangssapogenine, wie außer Laube auch Fr. Thieme?) dar-
getan hat, hämolytische Wirkung besitzen, so daß ich hoffen
konnte, sie mit Hilfe dieser Reaktion nachzuweisen.
1) Beiträge zur Kenntnis der Wirkung einiger Sapogenine usw.
Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Ther. 10, 1912.
2) R. Kobert, Über die pharmakol. Bedeutung und die biol. Wert-
bestimmung der Sarsaparillen usw. Ber. d. Deutsch. Pharmazeut. Ges. 22,
Heft 4, 1912.
3) Weitere Beiträge zur Kenntnis der Wirkung der Sapogenine.
Diss. Rostock 1912.
228 H. Bäck:
Wie längst bekannt ist, und wie namentlich Rywosch
betont hat, wirken die Saponine nicht auf alle Blut-
arten gleich stark. Meine Tabelle ergibt dies ebenfalls.
Dasselbe gilt nach Laube, Thieme und mir von den Sapo-
geninen. Man tut daher bei derartigen Versuchen gut, stets
mehrere Blutarten heranzuziehen. Verfährt man so, so be-
kommt man doch eine recht gute Vorstellung von der hämo-
. lytischen Kraft der untersuchten Substanz. Bei dieser Gelegen-
heit sei bemerkt, daß es sich bei sämtlichen Saponinen nicht
um eine Hämolyse im buchstäblichen Sinne, sondern nur um
den Austritt des Hämoglobins aus dem Stroma, nicht aber um
die Auflösung der Stromata handelt. Aus dem Durchsichtig-
werden der Blutproben nach dem Zusatz von reichlichen Sapo-
ninmengen möchte man auf völlige Auflösung der Blutkörper-
chen schließen; dies wäre jedoch ein Trugschluß, der darauf
beruht, daß die von Hämoglobin befreiten Stromata glashell
und durchsichtig werden. Auch in dieser Beziehung besteht
zwischen Saponinen und Sapogeninen kein prinzipieller Unter-
schied.
3. Über die Verarbeitung des Kotes auf Sapogenine und
Saponine.
Ich komme nun zur Besprechung der Verarbeitung des
Kotes der Saponintiere. Dieser wurde, gleichgültig ob das
Versuchstier ein Hund oder ein Huhn war, für mehrere Tage
gesammelt, getrocknet (auf der Platte des Wasserbades), zer-
rieben und mit Petroläther oder Äther im Soxhletapparat aus-
gekocht. Dieses Auskochen entfernt das für die weitere Ver-
arbeitung sehr störende Fett und gleichzeitig damit auch das
noch mehr störende Cholesterin bzw. Phytosterin und Koprosterin.
Wie Ransom gefunden hat, und wie seitdem zahllose Male
bestätigt worden ist, verbinden sich Saponine leicht mit Chol-
esterin und verwandten Stoffen zu Saponincholesteriden, die
keine hämolytische Wirkung besitzen. Auskochen mit Äther
oder anderen die Cholesterine, nicht aber die Saponine lösen-
den Stoffen dissoziiert diese Verbindungen und macht die Sapo-
nine wieder frei. Vermutlich verhalten sich die Sapogenine analog.
Unter allen Umständen mußte ich also durch dies Auskochen
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 229
im Soxhlet fettfreien und cholesterinfreien Kot bekommen,
während seine Saponine und Sapogenine, die weder im Äther
noch im Petroläther löslich sind, nicht mit ausgezogen, und die
vorher an Cholesterin gebundenen frei gemacht wurden. Auch
in den genannten Extraktionsmitteln lösliche Farbstoffe wurden
gleichzeitig mitentfernt.
Der mit Äther bzw. Petroläther erschöpfte Kot wurde nun
mit 75°/,igem Alkohol ausgekocht. In etwa 75°/,igem Alkohol
lösen sich in der Hitze fast alle Saponine und Sapogenine ge-
nügend gut, um sie bequem extrahieren zu können. Meist
wurde hinterher auch noch mit 96°/,igem nachgekocht. Da
mein Versuchshund nur mit Rindermagen, der mit Wasser gut
ausgewaschen war, gefüttert wurde, waren störende fremde
Stoffe nicht in der verabreichten Nahrung anwesend. Im
Hühnerkot machte die Entfernung schwarzgrüner Gallenfarb-
stoffe gewisse Schwierigkeiten.
Die Rückstände der verdunsteten alkoholischen Lösungen
der Sapogenine des Kotes wurden in heißem destilliertem
Wasser nach Zusatz einiger Tropfen Natronlauge aufgenommen,
dieser Auszug filtriert und aus dem braunen Filtrate die
Sapogenine durch Salzsäure wieder ausgefällt. Die auf dem
Filter gesammelten Sapogenine wurden mit Wasser gewaschen
und nun in physiologischer Kochsalzlösung unter Neutralisierung
mit kohlensaurem Natrium gelöst, filtriert und so verwendet.
Meist begnügte ich mich mit dem Nachweis hämolytischer
Wirkung. Jedoch gaben sie zum Teil auch die chemischen
Reaktionen der Sapogenine deutlich. Mehrmals habe ich, wo
die beschriebene Reinigung ungenügend war, die Sapogenine
erst durch Lösen in heißem Methylalkohol und sodann nach
dem Vorgange von Brandl aus Essigäther umgereinigt. Man
bekommt dann in der Essigätherlösung ein viel reineres Sapo-
genin. Jedoch scheint meist auch in den in Methylalkohol
löslichen, in Essigäther aber unlöslichen dunklen Massen unter
Umständen noch ein Sapogenin enthalten zu sein. Nach den
Versuchen Sieburgs mit den Sapogeninen des Helleboreins ist
dies nicht verwunderlich, denn auch er fand bei der Helle-
boreinspaltung stets zwei Sapogenine, Boßard bei der Spaltung
der Kastaniensaponine sogar deren drei.
Von Substanzen des normalen Kotes, die hämolytisch
230 H. Bäck:
wirken könnten, kommen die Gallensäuren!) in Frage. Ich
habe jedoch bei Vorprüfungen am Kot des Huhnes und Hundes,
niemals bei dem von mir gewählten Verfahren eine Hämolyse
beim blinden Versuch eintreten sehen. Nach Voraussenden
dieser Angaben dürften nun meine Versuche verständlich sein.
4. Versuche an lebenden Tieren.
Versuch 1.
Versuchstier: eine mittelgroße Henne von ca. 2000 g.
Versuchssubstanz: Sapindussaponin der Firma Hoffmann-La Roche
aus dem Fruchtfleisch einer Sapindusart.
1. Fütterung am 3. VI. 13 mit 1 g Sapindussaponin. Das Tier bleibt
gesund, bekommt keinen Durchfall.
2. Fütterung am 4. VI. 13. mit 1g Sapindussaponin. Das Tier er-
krankt, Kotmenge gering, wässerig. Wegen der Erkrankung wird das
Huhn von jetzt ab nur alle 2 Tage mit Sapindussaponin gefüttert.
3. Fütterung am 6. VI. 13 mit 1 g Sapindussaponin
4. n n 8. VI. 13 n In n
5. n » 10. VI. 13 » 1» n
6. n » 12. VI. 13 » 1» n
T n n 14. VI. 13 » In n
Das vom 3. bis 15. Juli isolierte Huhn kommt am 15. Juni wieder
in den gemeinsamen Hühnerstall. Es ist gesund geblieben.
Die Untersuchung des Kotes auf ausgeschiedenes Sapindus-
sapogenin erfolgte in mehreren Portionen.
a) Der Kot, der bis zum 4. VI. abends entleert wurde, wurde ge-
sammelt, getrocknet, im Soxhlet-Apparat entfettet und nach Entfernung
des zum Entfetten verwendeten Petroläthers mit Alkohol extrahiert.
Der alkoholische Auszug wurde eingedunstet. Er stellte eine grün-
schwarze, schmierige Masse dar. Nun wurde der Verdunstungsrückstand
mit destilliertem Wasser und einer Spur Natronlauge gelöst, die Lösung
filtriert. Das Filtrat wurde mit verdünnter Salzsäure ausgefällt. Hier-
auf wurde abermals filtriert, sodann der Filterrückstand mit physiologi-
scher Kochsalzlösung -+ wenig Natriumcarbonat aufgelöst. Nun wurde
abermals filtriert und schließlich das alkalisch reagierende Filtrat. neu-
tralisiert. Seine Menge betrug ca. 15 ccm.
Prüfung eines Teiles des Filtratesmit Katzenblutkörperchen??|,.
1. Glas: 5 com Katzenkörperchen+ 5 cem phys. Kochsalzlösung (Kontrolle)
2. n 5 n 2°/, n +3 n n n n
+2 der Lösung des Sapogenins
n
3. n 5 n 2%, n +4 n physiolog. Kochsalzlösung
+1 n» der Lösung des Sapogenins.
1) Vgl. darüber in Koberts Neuen Beiträgen (Stuttgart 1916/71)
2, die Arbeit von Karl Scheyven, Über den Saponincharakter der
Cholsäure.
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 231
In Glas 2 sofortige Hämolyse.
In Glas 3 nach 24 Stunden Hämolyse.
Ergebnis: Es ist eine hämolytische Substanz vorhanden,
und diese kann, abgesehen von Gallensäuren, nur das aus dem
Saponin entstandene Sapogenin sein. Da sie im Kot nor-
maler Hennen fehlt, kommen Gallensäuren nicht in Frage;
mithin muß sie ein Sapogenin sein.
Prüfung eines anderen Teiles des Filtrates mit Kaninchenblut.
1. Glas: 5cem Kaninchenblut + 5 cem phys. Kochsalzlösung (Kontrolle)
2. kad 5 n n -+ 3 r n n
der Lösung des Sapogenins
+2 n
Bb n 5n n +4 n phys. Kochsalzlösung
+1 » der Lösung des Sapogenins.
In Glas 2 sofortige Hämolyse.
In Glas 3 nach 24 Stunden noch unvollständige Hämolyse.
Ergebnis: Wie mit Katzenblut, so läßt sich auch mit
Kaninchenblut die Anwesenheit eines Sapogenins dartun.
Da das Sapogenin trotz der oben besprochenen Umfällung noch
grün-schwarz war, wurde es noch zweimal umgefällt und dann in Essig-
äther gelöst, filtriert und das relativ helle Filtrat verdunstet. Der Ver-
dunstungsrückstand wurde wieder gelöst und zu zwei Versuchen mit
Schweineblut und Hammelblut benutzt.
Schweineblutkörperchen 2°/,.
Sapindussapogenin in 10 cem gelöst.
1. Glas: 5ccm 2°/, Schweineblut + 5 ccm phys. Kochsalzlösung (Kontr.)
2. n 9 n 2%, = | + 3 n n n
+2 » Sapindussapogeninlösung
9. a» © r 20 n + 4 n» physiolog. Kochsalzlösung
+1 n der Sapindussapogeninlösung.
Bei Glas 2 vollständige, bei Glas 3 fast vollständige Hämolyse nach
24 Stunden.
Ergebnis: Auch mit Schweineblutkörperchen läßt sich die
Anwesenheit eines Sapogenins dartun.
Hammelblutkörperchen 2°/,.
Sapindussapogenin in 10 ccm gelöst.
1. Glas: 5ccm 2°/, Hammelblut + 5 cem phys. Kochsalzlösung (Kontr.)
%. nn 5 » 2% n +3 n phys. Kochsalzlösung
+2 » Sapindussapogeninlösung
3. n ön 2% n 4+4 n physiol. Kochsalzlösung
+1 » Sapindussapogeninlösung.
Totale Hämolyse bei Glas 2.
Partielle Hämolyse bei Glas 3.
232 H. Bäck:
Ergebnis: Selbst die Körperchen des schwer reagierenden
Hammelblutes können zum Nachweis des Kotsapogenins der
Henne benutzt werden.
b) Die Untersuchung des Kotes, der vom 4. bis 6. Juni 1913 ent-
leert wurde, ergab nichts, wohl weil ich das Sapogenin zu verdünnt
gelöst hatte.
c) Untersuchung des Kotes, der vom 6. bis 7. Juni 1913 entleert
wurde.
Behandlung des Kotes zur Sapindussapogeningewinnung wie bei a.
Menschenblutkörperchen 2°/,.
Sapindussapogeninlösung ca. 5 cem.
1. Glas: 5ccm 2°/, Menschenblutkörperchen + 5 cem Hahn Kochsalzlösg.
(Kontrolle)
2.0 rm 2, “ +3 » phys. Kochsalzlösung
+2 n der Sapindussapoge-
ninlösung
3. nn 5 nn 2% n +4 n»n phys. Kochsalzlösung
+1 n»n Sapindussapogenin-
lösung.
Bei Glas 2 und 3 sofortige Hämolyse.
Ergebnis: Im Kot des 7. bis 8. Juni war sicher ein auf
Menschenkörperchen hämolytisch wirkendes Sapogenin enthalten.
d) Der Kot vom 9. bis 10. Juni. Behandlung des Kotes zur Sa-
pindussapogeningewinnung wie bei a.
Menschenblutkörperchen 2°/,.
Sapindussapogeninlösung ca. 12 cem.
1. Glas: 5ccm 2°/, Menschenblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalzlösg.
(Kontrolle)
2. n 5 nn 2% » +5 n» der Sapindus-
sapogeninlösung
9. n 5 n» 2%, > +1 » phys. Kochsalzlösg.
+4 » der Sapindus-
sapogeninlösung.
Bei Glas 2 totale, bei Glas 3 fast totale Hämolyse nach 24 Stunden.
Ergebnis: Auch der Kot des 9. bis 10. Juni enthielt ein
auf Menschenblutkörperchen hämolytisch wirkendes Sapogenin.
e) Der entfettete Kot vom 11. bis 12. Juni 1913 wird zur Unter-
suchung auf unzersetztes Sapindussaponin mit physiolog. Kochsalzlösung
ausgezogen, filtriert und das Filtrat zu folgendem Versuch verwendet:
Hundeblutkörperchen 2°|,.
Auszug aus dem Kot mit physiologischer Kochsalzlösung ca. 20 ccm.
1. Glas: 5cem 2°/, Hundeblutkörperchen + 5cem physiolog. Kochsalz-
lösung (Kontrolle)
2 u 5.2 ” +5 ,„ der Lösung
Zo na 4 n 2°, n +6 » n n
4, n 3 ” 29), n +- 7 ” ” ”
Keine Hämolyse nach 24 Stunden.
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 233
Ergebnis: Offenbar hatte das Huhn das verfütterte Sa-
ponin jetzt weiter abgebaut als bisher, so daß ein wirksames
Sapogenin nicht mehr zu finden war. ;
f) Der Kot, der vom 12. bis 15. Juni entleert wurde, wird mit
Petroläther entfettet, dann mit physiologischer Kochsalzlösung extrahiert
und der Auszug auf Sapogenine untersucht. Es ergaben sich ca. 20 ccm
Lösung.
Menschenblutkörperchen 2°/,.
Kochsalzauszug des Kotes mit Sodazusatz.
1. Glas: 5 ccm 2°/, Menschenblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalz-
lösung (Kontrolle)
2. n 4» 2% ” +6 » des Auszuges
8B. >» In 29, n + sn ” n
4. ” In 2%, n -+ 38 s» r n
+ 2 » physiolog. Koch-
salzlösung.
Wie bei Portion e keine Hämolyse nach 24 Stunden.
Ergebnis: Wie bei e negativ.
Gesamt-Ergebnisse aus Versuch 1.
Bei Fütterung von je 1,0 neutralem Sapindussaponin zwei
Tage hintereinander bekommt ein mittelgroßes Huhn infolge
Reizung der Darmschleimhaut Durchfall, während einen
Tag um den anderen die Fütterung mit 1,0 Sapindussaponin
noch 5mal erfolgen kann, ohne daß ernstliche Störungen ein-
treten. Das Tier erholte sich alsbald vollkommen. ProKilo-
gramm Tier wird also von einem Mittelhuhn etwa ein
halbes Gramm Sapindussaponin, auf einmal jeden
zweiten Tag verfüttert, vertragen. Würde diese Dose
dagegen quantitativ resorbiert worden sein, so wäre vermutlich
der Tod eingetreten. Aber die Resorption von Saponin
war eben eine nur sehr geringe oder sie war sogar
fast gleich Null.
Der Kot enthielt niemals unverändertes wasserlösliches
Saponin, das durch die Salzsäurereaktion oder hydrolytische
Spaltbarkeit nachweisbar gewesen wäre. Von Ausscheidung
des Saponins als solchen durch den Kot ist also keine Rede.
Es war vielmehr die Gesamtmenge des gefütterten
Saponins oder wenigstens des unresorbiert geblie-
benen hydrolytisch gespalten. Diese Spaltung dürf-
tem die Darmenzyme im Verein mit der normalen
Darmflora besorgt haben. Entsprechend dieser Spaltung
234 H. Bäck:
ließ sich dem völlig entfetteten Kote durch heißen Alkohol
ein im Gegensatz zum Saponin wasserunlösliches Sapogenin
entziehen. Dies erwies sich auch in angesäuerter physio-
logischer Kochsalzlösung unlöslich, in alkalischer
aber löslich. Dies gab mir die Möglichkeit, sehr bequem
eine gewisse Reinigung, d. h. die Abtrennung aller in Wasser
unlöslichen Stoffe vorzunehmen.
Zum Entfernen weiterer grünbrauner Verunreinigungen
wurde das Sapogenin dann noch in Essigäther gelöst. Wie
viele Sapogenine löste es sich darin gut. Ob die ungelöst
bleibende dunkle Masse noch ein zweites, in Essigäther unlös-
liches Sapogenin enthielt, habe ich nicht untersucht. Ich halte
dies jedoch für nicht unmöglich, da auch bei der Verfütterung
anderer Saponine ein Gemisch von Sapogeninen entsteht. Sowohl
vor als auch nach der Essigätherreinigung gelang es mir, wenn
auch nicht bei jeder Kotportion, die hämolytische Wirkung
des Sapogenins deutlich darzutun, und zwar nicht nur für
serumfreie Blutkörperchen, sondern auch für serumhaltiges
Blut verschiedener Tierarten. Normaler Hühnerkot enthält
keine derartige Substanz.
In den Portionen e und f, in denen ich keine Substanz
mit hämolytischer Wirkung fand, war höchstwahrscheinlich
weder die Hauptmenge des Saponins unzersetzt resorbiert, noch
meine Extraktion dieses Stoffes ungenügend gewesen. Da ich
nämlich in jeder dieser Portionen unzweifelhaft eine aus alka-
lischer Lösung beim Ansäuern ausfallende Substanz von Sapo-
genincharakter hatte, so geht daraus hervor, daß hier doch
immer wenigstens ein Sapogenin vorhanden war, nur war es
nicht das hämolytische. Es ist nämlich nach Versuchen mit
anderen Saponinen denkbar, daß an den genannten Tagen im
Kot in überwiegender Menge nur ein weiter abgebautes
Sapogenin enthalten war, das nicht mehr hämolytisch
wirkte. Die Darmferınente hatten eben allmählich gelernt,
das Saponin tiefer abzubauen. Die hämolytische Wirkung
kommt allen Anfangssapogeninen zu, den unlöslichen Endsapo-
geninen aber nicht durchweg.
Versuch 2,
Versuchstier: eine mittelgroße Henne von ca. 2000 g.
Versuchssubstanz: Quillajasaponin der Firma Sthamer in
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 235
Hamburg. Die Versuchssubstanz ist ein Gemisch von Quillajasäure mit
relativ wenig Quillajasapotoxin.
1. Fütterung am 3. VI. 1913 mit 1,0 g Quillajasaponin. Das Tier hat
nach wenigen Stunden Durchfall und frißt nicht mehr.
2. n am 4. VI. 1913 mit 1,0 g Quillajasaponin. Das Tier ist
noch krank. Kot wässerig (deshalb jeden zweiten Tag
Fütterung).
3. n am 6. VI. 1918 mit 1,0 g Quillajasaponin.
4. n » 8. VI. 1913 » 1,0» n
5. n » 10. VI. 1913 » 1,0» n
6. n n» 12. VI. 1913 » 10» ”
Das Tier blutet am Vormittag des 12. VI. sehr stark. Quelle der
Blutung unbekannt, nur ist sicher, daß das Blut aus dem Magendarm-
kanal stammt. Da das Tier am 14. VI. morgens aus dem Schnabel
reichlich hellrotes Blut verliert, das wohl aus dem Vormagen oder Kropf
stammt, und sehr matt ist, wird der Versuch mit der Fütterung abge-
brochen. Das Tier erholte sich langsam, aber vollständig.
Die Untersuchung des Kotes auf ausgeschiedenes
Quillajasapogenin ergab folgendes:
a) Der vom 3. auf 4. Juni 1913 entleerte Kot wird gesammelt,
getrocknet, im Soxhlet-Apparat mit Petroläther entfettet und nach Ent-
fernung des Äthers mit 75°/, Alkohol heiß extrahiert. Der alkoholische
Auszug wird eingedampft. Der Verdunstungsrückstand ist eine tief-
grüne Masse. Diese wird mit Essigäther in zwei Teile getrennt, in
einen darin löslichen und einen darin unlöslichen.
Der in Essigäther lösliche Teil wird nach Verdunsten des
Essigäthers in physiologischer Kochsalzlösung unter Zusatz von kohlen-
saurem Natron gelöst, filtriert, die alkalische bräunlich-gelbe Lösung bis
zur Neutralität abgestumpft und an Katzenblutkörperchen geprüft.
Katzenkörperchensuspension 1°/,.
Quillajasapogeninlösung aus dem Kot (ca. 9 cem).
1. Glas: 5 cem 1°), Katzenkörperchensuspension + 5 cem physiologische
Kochsalzlösung (Kontrolle)
2 r 5» 1% » + 1 cem phys. Kochsalslösung
+ 4 » der Lösung
3. nn 5» 1% » +3 » phys. Kochsalzlösung
+ 2 » der Lösung
4. nr 5 » 1% ” + 4 » phys. Kochsalzlösung
+ 1 » der Lösung.
Keine Hämolyse nach 24 Stunden.
In gleicher Weise wird der in Essigäther unlösliche Teil in
physiologischer Kochsalzlösung 4 Natronlauge gelöst und filtriert. Das
schwarze Filtrat wurde von neuem mit einigen Tropfen verdünnter HCl
gefällt, wieder filtriert und erst dann der Niederschlag in Kochsalzlösung
und sehr wenig Natroncarbonat gelöst und in folgender Weise geprüft:
Katzenkörperohensuspension 1°/.
236 H. Bäck:
Quillajasapogeninlösung aus dem Kot vom 3. bis 4. Juni (ca. 14 com).
1. Glas: 5 ccm 1°/, Katzenkörperchensuspension + 5 cem phys. Koch-
salzlösung (Kontrolle)
2. m 5» 1% n + 5ccem der Lösung
8,9 “Bar If n + 1 » phys. Kochsalzlösung
+ 4 n der Lösung
4. r 5» 1% n + 2 » phys. Kochsalzlösung
+ 3 n»n der Lösung
5.» 5 rn 1% n +5 n» phys. Kochsalzlösung
(Kontrolle).
Keine Hämolyse nach 24 Stunden.
Ergebnis: In den ersten zwei Tagen nach Beginn der
Fütterung findet sich im Kot ‘des Huhnes noch nichts von
wirksamem Sapogenin.
b) Untersuchung des Kotes, der vom 4. bis 6. Juni 1913 entleert
wurde, auf ausgeschiedenes Quillajasapogenin. Behandlung des Kotes
ohne Reinigung des Sapogenins mittels Essigäther.
Schweineblutkörperchen 2°,,.
Quillajasapogeninlösung (ca. 20 cem).
1. Glas: 5 cem 2°/, Schweineblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalz-
lösung (Kontrolle)
% rn 5 n 2% r + 5cem der Lösung
3%. nn 5 nn 2%, r + 1 » phys. Kochsalzlösung
+ 4 » der Lösung
4. n 5 n 2, » + 2 » phys. Kochsalzlösung
+ 3 » der Lösung
5. n 5 n 2% r + 3 » phys. Kochsalzlösung
+ 2 » der Lösung
6. r 5. 2% è » +4 n» phys. Kochsalzlösung
+ 1 » der Lösung
Too n Sn Zh n +5 » phys. Kochsalzlösung
(Kontrolle).
Bei 2 und 3 vollständige Hämolyse nach 30 Minuten.
Bei 4 vollständige Hämolyse nach 16 Stunden.
Bei 5 und 6 partielle Hämolyse nach 16 Stunden.
Ein kleiner Rest der Quillajasapogeninlösung aus dem Kote vom
4. bis 6. Juni wird noch mehrmals in Natronlauge gelöst und mit Säu-
ren ausgefällt. Dann wird auf dem Filter die Fällung getrocknet und
nach völligem Trocknen in Essigäther gelöst durch dreimaliges Über-
gießen mit vorher angewärmtem Essigäther. Dann wird gesondert die
in Essigäther lösliche Portion und die darin unlösliche untersucht. Beide
Teile werden in alkalischer Kochsalzlösung gelöst und je auf 4 ccm ge-
bracht. Nun werden sechs Proben aufgestellt zu je 5cem mit 2 Tropfen
Menschenblutkörperchen.
1. Glas: 5 cem (1. Kontrolle)
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 237
. Glas: 3 ccm des in Essigäther Re) es erfolgt nur sehr lang-
In mn n n sam Hämolyse
5 n (2. Kontrolle)
3 n des in Essigäther perea es erfolgt rasch totale
Hämolyse.
Ergebnis: Während im Kot der ersten beiden Tage kein
Sapogenin enthalten war, ließ sich solches im Kot der folgen-
den 2 Tage wohl nachweisen. Dieses Sapogenin, das durch
mehrmaliges Umfällen aus dem Hühnerkot nach der bekannten
Methode gewonnen wurde, ließ sich durch Behandlung mit
Essigäther in zwei Teile teilen. Der in Essigäther lösliche
Teil ist nur spurweise gefärbt und wirkt stark hämolytisch,
und der in Essigäther unlösliche Teil ist sehr dunkel und ent-
hält nur noch Spuren der wirksamen Substanz. Offenbar
handelt es sich auch hier um zwei Sapogenine, von denen
nur das eine noch deutlich hämolytisch wirkt.
D e a oD
3 3 3 3
l n nn n n
c) Untersuchung des Kotes, der vom 6. bis 8. Juni 1913 entleert
wurde. Behandlung des Kotes zur Gewinnung von Quillajasapogenin-
lösung wie bei b.
2 ccm 2°/,ige Menschenblutkörperchen + 2 com Quillaja-
sapogeninlösung ergab fast totale Hämolyse nach 24 Stunden.
Ergebnis: Wiederum ließ sich im Kot wirksames Sapo-
genin nachweisen; die Ausscheidung dieser Substanz dauert
also an.
d) Kot vom 8. bis 10. Juni. Behandlung des Kotes wie bei b.
Menschenblutkörperchen 2°],
Quillajasapogeninlösung aus dem Kot (ca. 15 ccm), ohne Essig-
ätherreinigung gewonnen.
1. Glas: 5 cem 2°/, Menschenblut + 5 com phys. Kochsalzlösung
(Kontrolle)
2 n»n 5 n 2% n +5 n» der Quillajasapogeninlösung
3B n 5 n 2h » +3» » n
+ 2 » phys. Kochsalzlösung
4 » 5 n 2h n +4» n n
+ 1 » der Quillajasapogeninlösung.
Bei 2 totale, bei 3 und 4 partielle Hämolyse nach 24 Stunden.
Ein Rest der Sapogeninlösung aus dem Kote vom 8. bis 10. Juni
wird nach obigen Versuchen mit HCl ausgefällt und dann auf dem
Filter gewaschen. Der trockene Filterrückstand wird im Wasserbad mit
essigsaurem Äthyl ausgezogen. Diese Lösung wird zur Trockene einge-
dampft. Sodann wird der Verdunstungsrückstand in pbhysiologischer
Kochsalzlösung +- Natroncarbonat gelöst und zu folgendem Versuche
verwendet:
Biochemische Zeitschrift Band 86. 16
~ 238 H. Bäck:
1. Glas: 5 ccm Katzenblutkörperchen -+ 5 cem phys. Kochsalz-
lösung (Kontrolle)
2. » 5 n» Katzenblutkörperchen + 5 cem Quillajasapogeninlösung.
Bei Glas 2 erfolgte sofortige totale Hämolyse.
Gesamt-Ergebnisse von Versuch 2.
Das Handelssaponin der Firma Sthamer aus der Quillaja-
rinde wirkt stärker reizend auf die Schleimhäute des Huhnes
als das Sapindussaponin. Daher bekam das Tier schon am
ersten Tage nach 1,0g des Präparates (entsprechend 0,72 g
reinen Saponinen) Durchfall und nach sechsmaliger Fütterung
binnen 42 Tagen blutige Entleerungen aus dem Schnabel, die
wohl auf Blutaustritt in den Kropf schließen lassen. Das Tier
erhielt pro Kilogramm Körpergewicht ca. 0,5 g Quillajasaponin.
Trotzdem überstand das Tier diese Dosen von 6 je 0,5 g
pro Kilogramm jeden zweiten Tag und erholte sich wieder.
Der Kot der ersten zwei Tage enthielt noch zu wenig Sapo-
genin, um damit Hämolyse erzeugen zu können, der der fol-
genden Tage aber reichlich. Das Sapogenin der späteren Kot-
proben ließ sich durch Essigäther in 2 Teile teilen, die beide
hämolytisch wirkten; der helle in Essigäther lösliche Teil wirkte
aber stärker.
Versuch 3.
Versuchstier: ein mittelgroßer Hund (17 kg).
Versuchssubstanz: Sthamersches Quillajasaponin, d. h. ein
Gemisch von Quillajasäure und Sapotoxin mit 18°/, Verunreinigungen.
Ein Hund, der schon zu Versuchen mit anderen Saponinen gedient
hatte, wird 2 Monate später täglich mit je einem Gramm Sthamerschen
Quillajasaponin gefüttert und zwar vom 18. bis 28. Juni. Da das Tier
am 28. Juni Durchfall bekommt, wird mit der Quillajasapogeninfütterung
ausgesetzt. Vor der Darreichung des Saponins enthielt der Kot nichts
Hämolytisches,
Wie bei Versuch 1 und 2 wird auch der Hundekot, der vom 18.
bis 22. Juni entleert wurde, auf Sapogenine untersucht.
Der wie bei Versuch 1 und 2 gewonnene Alkoholauszug des ent-
fetteten Kotes wird zum Teil auf Sapogenine untersucht, indem der
Verdampfungsrückstand des Alkoholauszuges in physiologischer Koch-
salzlösung + etwas Natriumcarbonat gelöst wird.
Hühnerblutkörperchen 2?|,.
Sapogeninlösung aus dem Kot vom 18. bis 22. Juni (ca. 16 ccm).
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 239
1. Glas: 5 com Hühnerblutkörperchen + 5 cmm phys. Kochsalzlösung
(Kontrolle)
2 n 5n n +5 n } der Lösung des
3. n 5 n n + 4 » Sapogenins
+1 » phys. Kochsalzlösung.
Totale Hämolyse bei 2 und 3 nach 24 Stunden.
Der Rest der noch vorhandenen Lösung wird mit HCI wieder
ausgefällt und filtriert. Der Filterrückstand wird in heißem, essigsaurem
Athyl gelöst und die Lösung filtriert. Das Filtrat wird sodann zur
Trockene verdampft, der Verdunstungsrückstand in physiologischer
Kochsalzlösung -+ einigen Tropfen Natroncarbonat gelöst und die sehr
schwach alkalische Lösung zu folgendem Versuch verwendet. Die 7 ccm
der Lösung werden auf folgende Weise geprüft.
1. Glas: 5 com der Lösung + 2 Tropfen Menschenblut
+ 3 cem phys. Kochsalzlösung
2 n 2» n » -+ 1 Tropfen Menschenblut.
Bei 1 und 2 sofortige totale Hämolyse.
Ergebnis: Im Kot des Hundes tritt nach Darreichung
von Sthamerschem Saponin schon in den ersten Tagen eine
auf Hühnerkörperchen und auf Menschenblut hämolytisch wir-
kende Substanz auf, die ihrer Darstellung nach Sapogenin
sein dürfte.
Es war jetzt noch nötig, den Kot auf etwaige Anwesen-
heit von unveränderten Saponinen zu prüfen.
Ein Teil des alkoholischen Auszuges aus dem Kot wird mit wäs-
serigem Bleiessig ausgefällt und filtriert. Der Filterrückstand wird ge-
löst in verdünnter Lösung von Natroncarbonat. Das Filtrat wird mit
verdünnter Schwefelsäure zur Entfernung des etwa noch vorhandenen
Bleies versetzt, fast .zur Neutralität abgestumpft und filtriert. Etwa
vorhandenes Sapogenin mußte in der noch spurweise sauren Lösung
ungelöst bleiben, Quillajasapotoxin und Quillajasäure sich aber lösen.
Nun wurde etwas Kochsalz zugesetzt, um die Lösung isotonisch zu
machen.
Menschenblutkörperchen 2°|,.
Die Lösung der fraglichen Saponine betrug 8 com.
1. Glas: 5 com Menschenblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalzlösung
(Kontrolle)
2 n 5n n` + 1 » phys. Kochsalzlösung
+ 4 n der fragl. Lösung
B n 5n» n + 21/, ccm phys.Kochsalzlösung
+ 2*/, n der fragl. Lösung.
Bei 2 und 3 Spuren einer Hämolyse nach 24 Stunden.
` 16*
240 H. Bäck:
Ergebnis: Anwesenheit von Spuren eines unzersetzten
Glykosides ist zuzugeben. Die Menge war aber so gering, daß
es nicht gelang, sie abzuscheiden und weiter zu reinigen.
Gesamt-Ergebnisse von Versuch 3.
Ein Hund von 17 kg vertrug 10 Tage lang täglich per os
ein ganzes Gramm Sthamersches Quillajasaponin, d.h. 0,72 g
reine Saponinsubstanzen der Quillajarinde Erst dann bekam
er Durchfall. Im Kote schon der ersten 4 Tage war Sapo-
genin nachweisbar. Es wirkte auf Hühner- und Menschenblut
hämolytisch. ‚Neben Sapogenin enthielt der alkoholische Kot-
auszug vielleicht Spuren von unzersetzten Saponinen.
Versuch 4.
Versuchstier: mittelgroßer Hund (derselbe wie bei Versuch 3).
Versuchssubstanz: 1 g Sapindussaponin pro die.
Nachdem sich der Hund von Versuch 3 völlig erholt hat und der
Kot völlig sapogeninfrei geworden ist, beginnt am 5. Juli wieder die
Fütterung des Tieres, diesmal mit 1,0 g Sapindussaponin täglich. Am
9. Juli bekommt der Hund wieder Durchfall. Mit diesem Tag wird die
Verfütterung von Sa pindussaponin daher wieder ausgesetzt.
Der vom 5. bis 9. Juli entleerte Kot wird wie bei Versuch 3 auf
Sapogenine untersucht. Die Methodik ist dieselbe wie vorher. Die
schwach alkalische Sapogeninlösung (ca. 9 ccm) wird mit 2°, Pferde
blutkörperchen auf Sapogenine geprüft:
1. Glas: 5 cem 2°/, Pferdeblutkörperchen + 5 cem phys. Kochsalzlösung
(Kontrolle)
2 n Dna n +5 » Sapindussapogenin-
lösung.
In Glas 2 sofortige Hämolyse.
Der Rest der Lösung wird mit HC] ausgefällt und filtriert, der
Filterrückstand sodann in heißem, essigsaurem Äthyl gelöst, filtriert,
zur Trockene verdampft, in physiologischer Kochsalzlösung + Natron-
carbonat gelöst, zur Neutralität abgestumpft und dann zu folgendem
Versuch verwendet:
Menschenblutkörperchen 2°/,.
Sapindussapogeninlösung ungereinigt (ca. 4 cem).
1. Glas: 5 ccm 2°/, Menschenblutkörperchen + 5 ccm phys. Kochsalz-
lösung (Kontrolle)
2%. n 5. n 2% n + 2 » der Sapindussapo-
geninlösung
3. n»n Athan 29%, n + 2!/, cem der Sapindus-
sapogeninlösung .
In Glas 2 und 3 sofortige Hämolyse.
Ausscheidung der Saponine durch den Kot. 241
Ergebnis: Im Kot ist auch nach der Fütterung von
Sapindussaponin Sapogenin nachweisbar.
"Gesamtergebnisse der Versuche bei Verfütterung von Sapin-
dussaponin und Quillajasaponin.
Beide bei meinen Versuchen verwendeten Saponine, Sa-
pindussaponin sowohl wie Quillajasaponin reizen den Magen-
darmkanal, letzteres stärker. Dieser Satz scheint für Vögel
(Huhn) und fleischfressende Säugetiere (Hund) zu gelten.
Sapindus- und Quillajasaponin werden der Hauptmenge
nach im Magendarmkanal gespalten.
Diese Spaltung ist eine fermentative und eine mikrobische.
Dabei entsteht Zucker und ein Sapogenin. Der Zucker bzw.
das Zuckergemisch schwindet vermutlich sehr rasch, sei es,
daß es resorbiert, sei es, daß es durch Mikroben zu Säuren
abgebaut wird. Das Sapogenin ist zunächst ein Anfangssapo-
genin bzw. ein Gemisch zweier Anfangssapogenine Beim Huhn
scheint nach einiger Zeit die Umwandlung weiter zu gehen,
mindestens bis zu einem Endsapogenin.
Diese Sapogenine werden gar nicht oder wenigstens
nicht vollständig resorbiert; sie lassen sich deshalb im Kote
nachweisen. Wie weit dieser Nachweis quantitativ ist, habe
ich nicht untersucht. -
Die aus dem Kote ausgezogenen Sapogenine lassen sich
mit Essigäther in zwei Teile trennen. Dabei ergibt sich für
Sapindussapogenin
a) ein in Essigäther lösliches und hämolytisch wirkendes
Sapogenin;
b) vermutlich ein nicht hämolytisch wirkendes;
für Quillajasapogenin
a) ein in Essigäther lösliches, stark hämolytisch wirkendes
Sapogenin;
b) ein in Essigäther unlösliches, weniger stark hämolytisch
wirkendes Sapogenin.
Die aus dem Kote ausgezogenen Sapindussapogenine wirk-
ten hämolytisch auf Katzen-, Kaninchen-, Schweine-, Hammel-,
Menschen- und Pferdeblut.
Die aus dem Kote gewonnenen Quillajasapogenine wirkten
hämolytisch auf Menschen-, Katzen-, Huhn- und Schweineblut.
242 H. Bäck: Ausscheidung der Saponine durch den Kot.
Der Nachweis der Sapogenine gelang gleich gut aus dem
Hunde- und Hühnerkot.
Vorstehende Ergebnisse bilden eine Erweiterung und teil-
weise Bestätigung der Versuche von Brandl und Mayr. Auch
bei meinen zwei Saponinen ließ sich eben im Kote des Hun-
des ein Sapogenin nachweisen. Kornradensapotoxin, Sapindus-
sapotoxin und die beiden Saponine der Quillajarinde werden
also im Darmkanal des Hundes trotz seiner Kürze der Haupt-
menge nach fermentativ gespalten. Höchst wahrscheinlich
beginnt diese Spaltung schon im oberen Dünndarm unter Ein-
wirkung des Pankreassaftes und Dünndarmsaftes und wird
dann im Dickdarm durch Mikroben vervollständigt. Für den
Nachweis von Sapogeninen im Kote des Huhnes weichen
meine Ergebnisse von denen der genannten Autoren wesentlich
ab. Sie vermochten im Kote dieses Tieres nach Kornraden-
sapotoxinfütterung kein Sapogenin zu finden, während bei
meinen Versuchen nach Verfütterung von Quillajasapotoxin und
Sapindussapotoxin der Nachweis von Sapogeninen im Kot we-
nigstens zeitweise gelang. Das Huhn verhielt sich also bei
meinen Versuchen zeitweise analog dem Hund.
Über die Ausscheidung von Saponinen durch den Harn
und ihre Wirkung auf das Blut nach innerlicher Dar-
reichung.
Von
Josef Fieger aus Waldstetten (Baden).
(Aus dem Institute für Pharmakologie und physiologische Chemie
zu Rostock.)
(Eingegangen am 10. November 1917.)
Inhaltsverzeichnis.
1. Die wichtigsten Angaben über den Harn nach AET Or
tölgung A var Tr hen ana è eo o o . 244
2. Über die Abscheidung und den Nachweis der Sapindussaponine 248
3. Einige Vorversuche mit käuflichem Sapindussaponin . . . ... 256
4. Einige Blutversuche mit Sapindussaponin . ....... . a a 200
5. Einige Blutversuche mit Sapindussapogenin . . .... “0. .268
6. Einige Tierversuche mit Sapindussaponin. . 2.2... e > .266
a) an Fröschen . .... BE N A 1er oe 266
b) an Kaninchen .... 2 222220000. nen 30 AO.
o) am Hund... ...... ET Sir anaE ai den ae NT 273
7. Einige Versuche mit Guajaksaponinen . . .. s... 3 |
a) Versuche mit Guajaksaponin und -sapogenin an Blut . . . 282
b) Versuche mit Guajaksaponin am Hund ..... RE >|;
8. Einige Versuche mit Quillajasaponinen . . . . 2 sessa’ 293
Seinen 1903 erschienenen „Beiträgen zur Kenntnis der
Saponinsubstanzen“ hat Kobert in den Jahren 1916 und 1917
zwei Bändchen „Neue Beiträge“ über dieselben Stoffe folgen
lassen. In diese Serie sollten noch weitere Arbeiten mit Auf-
nahme finden. Durch den Krieg wurde das Papier zum dritten
und vierten Bändchen beschlagnahmt. So mag meine Arbeit
an dieser Stelle der Öffentlichkeit übergeben werden.
Das erste Bändchen dieser „Neuen Beiträge“ enthält mehrere
Biochemische Zeitschrift Band 86. 17
244 J. Fieger:
Angaben über das Verhalten von Saponinen im Organismus nach
innerlicher Darreichung. Meine Versuche, die nach derselben
Richtung hin liegen, fallen zeitlich zum größten Teil noch vor
jene und ergänzen sie.
1. Die wichtigsten Angaben über den Harn nach Saponin-
verabfolgung.
Die Auswahl von Notizen, die für uns hier von Wichtig-
keit sind, kann kurz gefaßt werden. Nik. Kruskal’), der
das in den nachstehenden Versuchen hauptsächlich angewandte
Sapindussaponin zuerst prüfte, führt unter seinen zahlreichen
Versuchen bei Kaninchen auch einen mit innerer Darreichung
aus, wobei er dem Tiere eine nicht unbeträchtliche Dose dieses
Saponins verabfolgte. Da sich keine direkten Krankheitserschei-,
nungen zeigten, so schloß er, daß die Giftigkeit vom Magen-
darmkanal aus gering ist. Eine genauere Beobachtung des Ver-
suchstieres fand aber nicht statt.
Allerdings war auch früher schon bei einigen giftigen Sa-
poninen auf den Urin hingewiesen worden. So fand Tufanow’),
daß Cyclamin nach intravenöser Einspritzung Hämoglobinurie
machen kann.
Die ersten Versuche am Menschen über die Einwirkung
eines Saponins auf den Harn stammen von Frieboes°®). Nach-
dem er selbst 1 g neutrales Guajakrindensaponin innerlich ge-
nommen hatte, untersuchte er seinen Harn genau daraufhin.
Er vermutete, daß das Saponin resorbiert und im Harn wieder
ausgeschieden werden dürfte. In der Tat konnte er aus den
nächsten Harnmengen nach der sog. Bleimethode Saponin wieder
abscheiden und rein aus dem Harn darstellen. Es gelang ihm
auch, diese wiedergewonnene Substanz als Saponin zu identi-
fizieren, da er durch Hydrolyse dieser Substanz die Spaltungs-
produkte seines Saponins erhielt. Damit war mit einem Schlage
1) Nik. Kruskal, Arb. d. pharmakol. Inst. zu Dorpat, heraus-
gegeben von R. Kobert. 6, 129 bis 135, 1891.
2) Nik. Tufanow, Über Cyclamin. Ebenda 1, 100, 1888.
2) W. Frieboes, Beiträge zur Kenntnis der Guajakpräparate. Von
d. mediz. Fakultät zu Rostok gekrönte Preisschrift (Stuttgart 1903), S. 71
bis 73.
-
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine 245
auf zwei Fragen eine Antwort gegeben. Einmal war bewiesen,
daß gewisse Saponine auch in Dosen, die noch keinerlei
pathologische Erscheinungen entzündlicher Art im Magendarm-
kanal- machen, resorbiert werden. Zweitens aber war es
nach diesem Versuche unzweifelhaft, daß das in Rede stehende
Saponin zum Teil in unzersetzter Form im Urin aus-
geschieden wird. Eine Wiederholung dieses äußerst wichtigen
Versuches ist allerdings wünschenswert, namentlich nach der
quantitativen Seite hin. Über die quantitativen Verhältnisse
ist nämlich bei Frieboes nichts gesagt. Im übrigen war
bezüglich der Frage der Saponinausscheidung im Harn die
Praxis der Theorie weit vorausgeeilt. Denn schon seit alters
benutzte man z. B. bei Blasenleiden die saponinhaltige Herba
Herniariae mit Erfolg als harntreibenden Tee. Das Herniaria-
Saponin geht eben auch teilweise in den Harn über. Ich ver-
weise darüber auf die Versuche von Daebler!), welche die An-
sicht von Frieboes bestätigen. Die Ansicht von Frieboes
wurde jedoch auch öfters bezweifelt, z. B. von Wacker?) Er
bemängelte die Beweisführung von Frieboes, ohne die Versuche
mit der Frieboesschen Substanz nachgeprüft zu haben, und be-
hauptete, es werde entweder nur ganz wenig Saponin resorbiert
oder in Form eines wenig toxischen Umwandlungsproduktes
durch den Harn aus dem Kreislauf entfernt. Von solchen Um-
wandlungsprodukten könnten nur die Gruppe der Anfangs-
sapogenine oder Prosapogenine in Frage kommen. Ich
muß aber gleich von vornherein betonen, daß es für mich ganz
gleichbedeutend ist, ob ein Saponin durch den Harn ganz un-
verändert oder als Anfangssapogenin ausgeschieden wird, da
die Anfangssapogenine den Saponinen in ihren Wirkungen sehr
nahe stehen. Als Versuchstiere benutzte Wacker Hunde. Das
im Laufe seiner Versuche bei seinen Hunden aufgetretene Ei-
weiß und die im Harnsediment gefundenen Blutkörperchen
schlägt er gering an und hebt demgegenüber die Gewichts-
zunahme der Versuchstiere, deren Wert bei bestehenden Nieren-
1) Friedr. Daebler, Beitr. z. Kenntnis der Zusammensetzung und
Wirkung des Bruchkrautes. Koberts Neue Beiträge, 1, 88.
2) Leonhard Wacker, Über d. Wirkung der Saponinsubstanzen,
diese Zeitschr. 12, 9, 1908.
17*
246 J. Fieger:
schädigungen doch recht zweideutig ist, schr hervor. Auch über
die bei der Sektion des getöteten Hundes gefundenen objektiv
nachweisbaren Nierenschädigungen geht Wacker leicht hinweg,
indem er dergleichen pathologische Veränderungen auch für
normale Hundenieren in Anspruch nimmt. Ähnliche Resultate
hatte schon vor Wacker auch Lohmann!). Er benutzte Ka-
ninchen als Versuchstiere. Beide Autoren verwandten bei ihren
Versuchen Quillajasaponin, das sich übrigens für diese Zwecke
schlecht genug eignet.
So waren also Frieboes’ Ergebnisse von zwei Seiten stark
angefochten und die beiden Fragen der Resorption und Aus-
scheidung bei innerer Darreichung wieder fraglich geworden.
Es lag deshalb nahe, die Behauptung von Frieboes mit ver-
schieden stark wirkenden Saponinen noch einmal nachzuprüfen.
Ließ sich dabei die Resorption und Ausscheidung durch den
Harn in irgendeiner Form nachweisen, so konnte gleichzeitig
auch die weitere wichtige Frage geprüft werden, ob und welche
Schädigungen die einzelnen Saponine dem Organismus zufügen.
Vor allem war es von Bedeutung, zu erforschen, ob die hämo-
lytische Kraft auch im Organismus irgendwie zur Geltung kommt,
auch wenn man von den wenigen Saponinen, die erwiesener-
maßen leicht Hämoglobinurie machen, absieht. In anderer Form,
d.h. nicht im Anschluß an innere Darreichung, sondern bei
intravenöser Injektion des Saponins ist diese Frage allerdings
von Kobert?) schon vor 30 Jahren gelöst worden. Er konnte
bei intravenöser Injektion von quillajasaurem Natron bei einer
Katze nach 6 Stunden eine Abnahme der roten Blutkörperchen
um 25°/, konstatieren. An dem Harn war makroskopisch nichts
zu sehen. Eine sehr deutliche Sprache bezüglich der Blutzer-
setzung sprechen auch die Versuche von W. v. Schulz’). Wegen
der Wichtigkeit gerade dieses Passus für diese Abhandlung
sollen, soweit als nötig, des Autors eigene Worte hier zitiert
werden. Nach intravenöser Injektion von Parillin, Sarsa-
saponin und Smilasaponin, d.h. von drei Saponinsubstanzen der
1) W. Lohmann, Zeitschr. f. öffentl. Chemie, 9, 320, 1903.
®) R. Kobert, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 23, 267, 1887.
3) W. v. Schulz, Arbeiten d. pharmakol. Inst. zu Dorpat, 14,
66, 1896.
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 247
Hondurassarsaparille, sagt er von den bei den eingegangenen
Hunden und Katzen erhobenen Befunden etwa folgendes:
Alle drei Substanzen haben eine ähnliche Wirkung, die darin
besteht, daß schon bei Dosen, die nicht tödlich sind, ja die
sonst keinerlei Erkrankungssymptome hervorrufen, Zersetzung
roter Blutkörperchen auftritt. Diese zerfallen und geben ihren
Farbstoff an das Serum ab. War nun die Menge der zerstörten
Körperchen gering, so wird die Gesamtmenge des in Lösung
gegangenen Hämoglobins von der Leber und die Gesamtmenge
des Stromas wohl von der Leber und Milz abgefangen, und es
kommt zu keinen weiteren Störungen. War die Menge der
zerstörten Blutkörperchen aber größer, so sind Leber, Milz,
Knochenmark usw. nicht imstande, die Gesamtmenge des Hämo-
globins und des Stromas abzufangen, und es kommt zu weiteren
Störungen im Blute, in der Niere und im Darmkanal. Im Blut
bildet sich gelöstes Hämoglobin, ev. Methämoglobin und dann
in der Leber unter Polycholie Gallenfarbstoff, der seiner Massen-
haftigkeit wegen ins Blut zurücktritt. Alle drei Substanzen,
d.h. Hämoglobin, Methämoglobin und Gallenfarbstoff, werden
z. T. durch die Niere ausgeschieden, deren Parenchym dabei
erkrankt und in deren Kanälchen das gelöste Hämoglobin und
Methämoglobin z. T. unlöslich, d. h. zu Kathämoglobin wird und
zur Cylinderbildung und Verstopfung der Glomeruluskapseln, der
gewundenen und geraden Kanälchen führt. Soweit v. Schulz.
Ob sich nun diese Vorgänge bis in alle Einzelheiten so ab-
spielen, bleibe dahingestellt. Jedenfalls aber geht das eine mit
Sicherheit daraus hervor, daß hämolytisch wirkende Saponine,
wenn sie direkt in den Kreislauf gebracht werden — und ein
In-den-Kreislauf-Gelangen muß bei sehr großen Mengen dann
ja auch vielleicht von den resorbierten gelten — Blutzersetzung
hervorrufen. In welcher Form der Zersetzungsprodukte sich
diese nun in den Abfang- oder Ausscheidungsorganen zeigt,
ist von geringer Bedeutung. Allerdings galt die Behauptung
v. Schulz’ streng genommen nur für letale Dosen, da er sie
nur auf Grund seiner Sektionsbefunde aufstellte. Doch vermutete
er diese Wirkung auch für geringere, d.h. also nicht letale
Dosen. Dieser Beweis stand für die weniger toxisch wirkenden
Saponine, die keine Hämoglobinurie machen, bis dato noch aus.
Entgegen den Behauptungen v. Schulz’ trat in den letzten
348 J. Fieger:
Jahren H, Kunkel!) mit der sehr überraschenden Behauptung
hervor: „Das Saponin wirkt nur in vitro, nicht in vivo erythro-
lytisch, in vivo vielmehr myelotoxisch.“ Diese Worte würden,
wenn sie buchstäblich richtig wären, nichts weniger als den
völligen Umstoß der von Kobert und v. Schulz gemachten
Beobachtungen bedeuten. Den Fragen über die Möglichkeit der
Resorption und Ausscheidung im Urin gesellt sich also ohne
weiteres die dritte hinzu, ob bei stärker wirkenden Saponinen
und hinreichend großer Dose nach innerlicher Darreichung Blut-
zersetzung in irgendeiner Form nachweisbar ist.
Die damit ziemlich genau umschriebene Aufgabe bedingt
von vornherein eine bestimmte Versuchsanordnung. Es muß bei
innerer Verabreichung von nicht letalen Dosen der Harn der
Versuchstiere mindestens auf drei Punkte hin geprüft werden.
Erstens, ob Saponin im Harn unverändert auftritt; zweitens,
falls kein unverändertes Saponin nachweisbar ist, ob der Harn
ein Sapogenin enthält; drittens, ob irgendwelche Blutzer-
setzungsprodukte im Harn vorhanden sind. Der Nachweis
etwa unzersetzt ausgeschiedenen Saponins mußte, soweit es eben
an und für sich hämolytische Wirkung besitzt, je ein leichter
sein. Dem neutralisierten Harn muß eben dann hämolytische
Wirkung zukommen. Schwieriger gestaltet sich dieser Nachweis
für nicht blutlösendes Saponin. Wie er erbracht wurde, zeigen
die betreffenden Versuche. Für den Nachweis der Blutzerset-
zungsprodukte war der Weg in den üblichen genaueren Unter-
suchungsmethoden für solche ja gegeben.
2. Über die Abscheidung und den Nachweis der Sapindus-
saponine.
Nach Anschauung einiger japanischer Autoren muß die
Trennung der Rohsaponine in saure und neutrale, wie Kobert
sie in den achtziger Jahren eingeführt hat, auch für die Ver-
arbeitung der Seifennüsse verschiedener Sapindusarten heran-
gezogen werden. Das Handelssaponin aus Sapindusnüssen ent-
hält jedoch nur die neutralen Anteile. Es gibt daher bei Zusatz
1) Hugo Kunkel, Chemische Beiträge zur Kenntnis der hämo-
globinämischen Innenkörper (sog. Heinzkörper). Folia Haematologica 14,
431/32, 1913.
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 249
verdünnter Säuren keinen Niederschlag von saurem Saponin.
Für meine Versuche scheidet daher die saure Komponente von
vornherein aus. Über die Darstellung des Gemisches der neu-
tralen Sapindussaponine muß ich hier der Kürze halber auf die
Angaben Koberts und seiner Schüler verweisen und kann nur
kurz sagen, daß sie nach der Bleimethode, nach der Magnesia-
methode von Greene sowie nach der Methylalkoholmethode
darstellbar sind, wenigstens wag das Fruchtfleisch der Nüsse
von Sapindus Saponaria anlangt.
Nach Kruskal haben einige auch das anderer Sapindusnüsse auf
Saponin verarbeitet, so z.B. L. Weil!) das der von Sapindus Muko-
rossi Gaertn. und O. May?) das der von Sapindus Rarak D.C.
Dabei erwies sich warme Extraktion des Fruchtfleisches mit 90°/,igem
Alkohol nach vorheriger Abstumpfung der sauren Reaktion
durch Magnesia usta als sehr rationell. Die alkoholischen Auszüge
wurden durch Schütteln mit Petroläther von harzigen Verunrei-
nigungen befreit und dann das Saponin durch Äther gefällt.
Durch längeres Kochen mit Bleihydroxyd konnte eine weitere Rei-
nigung erzielt werden.
Nach O. May ist die Löslichkeit seines Saponins in Methylalkohßl
4,51°/,, in absol. Äthylalkohol 1,75°,,, in 96°/,igem 2,86°/,, in ver-
dünnterem aber noch weit größer. In Äther, Petroläther, Essigäther,
Chloroform, Benzol und Schwefelkohlenstoff ist es völlig unlöslich. Dies
trifft auch für das Kruskalsche Präparat zu. Beide Präparate besitzen
eine weiße Farbe. Der Staub der Pulver erregt Niesen. In Wasser sind
beide leicht löslich. Die wäßrige dünne Lösung schmeckt zunächst mild,
dann aber erzeugt sie nachhaltiges Brennen und Kratzen im Halse. Sie
schäumt beim Schütteln noch bei einer Verdünnung der Substanz von
1:10000. Je konzentrierter die Lösung ist, desto mehr besitzt sie die
Fähigkeit, unlösliche Körper in Suspension zu halten. Die wäßrige
Lösung dialysiert nicht.
Konzentrierte Schwefelsäure löst das Sapindussaponin himbeer-
rot auf. Am besten gelingt diese Reaktion im Uhrglas, wobei die Fär-
bung zunächst am Rande auftritt. Rauchende Salpetersäure löst das
Sapindussaponin farblos. Konzentrierte Salzsäure löst in der Kälte
zunächst farblos; beim Erwärmen sowie bei längerem Stehen in gewöhn-
licher Stubenwärme wird das Gemisch rötlich, zuletzt kirschrot. Kon-
zentrierte Essigsäure gibt keine Farbenreaktion. Kali- und Natron-
lauge lösen farblos, wirken aber beim Kochen spaltend und entgiftend.
Gesättigte Barythydratlösung gibt mit nicht zu verdünnter Lösung
1) L. Weil, Beitr. z. Kenntnis der Saponinsubstanzen. Diss. Straß-
burg 1901.
®) O. May, Chemisch-pharmazeutische Untersuchung der Früchte
von Sapindus Rarak D. C. Archiv der Pharmazie 244, 25, 1906.
250 J. Fieger:
unseres Saponins einen weißen, in überschüssiger Barytlösung nicht lös-
lichen Niederschlag. Wohl aber ist dieser in dest. Wasser löslich. Kochen
des Saponins mit Baryt wirkt spaltend und entgiftend. Ansäuern der
wäßrigen Lösung des Saponins mit beliebigen Säuren wirkt nicht
ausfällend, wohl aber bei längerem Stehen am Licht langsam spaltend.
Von obigen Reaktionen sind die mit konzentrierter Schwefel-
säure und mit konzentrierter Salzsäure bemerkenswert und zum
Nachweis auch kleiner Mengen verwendbar. Die Reaktion mit
Salzsäure kommt z. B. den beiden Saponinstoffen des Mai-
blümchens auch zu. Während aber die Maiblümchensaponine
sich auch mit Salpetersäure röten, ist dies beim Sapindus-
saponin nicht der Fall. Kobert konnte die Schwefelsäure-
reaktion noch wesentlich empfindlicher und schöner gestalten
durch Zusatz eines Tropfens einer 1°/,igen alkoholischen Lösung
von frisch destilliertem Furfurol. Diese Furfurolschwefel-
säurereaktion, als Unterschichtungsreaktion ausgeführt, gibt
noch bei Mengen weit unter 1 mg unseres Saponins
einen nach oben hin blauen, nach unten hin roten
prachtvollen Farbenring. Ich betone aber ausdrücklich,
daß diese Reaktion auch vielen anderen Saponinen und Sapo-
geninen zukommt. Ich empfehle ferner dringend, immer einen
blinden Versuch ohne Saponin daneben zu machen, da Furfurol-
schwefelsäure sehr leicht an sich etwas Färbung annimmt.
Auf die Formel der Sapindussaponine wollen wir hier
nicht eingehen, wohl aber sind die Spaltungsprodukte für
uns hier von Interesse. Sowohl Kruskal als Weil haben
Spaltungen vorgenommen. Kruskal erhitzte sein Sapindus-
sapotoxin mit 2°/,iger Salzsäure im zugeschmolzenen Rohre
bis auf 140° 3 Stunden lang. Er erhielt 24,12°,, Sapindus-
sapogenin und 65,38°/, Zucker, den er als ein Gemisch
von Dextrose und Galaktose ansprach. Er fand, daß beim
Erhitzen im zugeschmolzenen Rohre bei höherer Temperatur
auch ohne Säure eine Abspaltung von Zucker eintritt. Weil
spaltete umgekehrt unter vermindertem Druck bei Anwesenheit
von 1°/,iger Schwefelsäure. Nach ihm löst sich das frisch ge-
wonnene Sapogenin in heißem Wasser zu einer trüben, schäumen-
den Flüssigkeit und wird erst durch scharfes Trocknen wasser-
unlöslich. Dabei wird es zu einem weißgelben Pulver, das in
Alkohol und bis auf einen Rest auch in Chloroform gut löslich
ist. Selbst im Äther ist es etwas löslich. Aus alkoholischer
Ausscheiduug u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 251
Lösung scheidet es sich nach Kruskal bei vorsichtigem Ein-
engen krystallinisch ab. Es gibt die Schwefelsäurereaktion. Den
Spaltungszucker scheint Weil für einheitlich gehalten zu haben;
May fand, daß es ein Gemisch aus einer Pentose und einer
Hexose ist. Kochte Weil das Sapindussapotoxin mit Alkalien,
so entstand bei nachträglicher Übersättigung mit Säuren ein
Geruch nach flüchtigen Fettsäuren. Bekanntlich gehen
die meisten Saponine beim Erhitzen mit Ätzlauge eine solche
Spaltung ein.
Die ersten pharmakologischen Versuche über die Wirkung
des Sapindussaponins bei intravenöser Injektion stam-
men von Kruskal. Als Versuchstier dient die Katze. Es
werden verschiedenen Tieren 6 bzw. 10, 20, 33, 46 mg Gift
pro Kilogramm Tier in die Vena jugularis injiziert. Erst von
20 mg an zeigten die Tiere vorübergehende Appetitlosigkeit,
mit 33 mg trat Erbrechen hinzu, doch erholten sich die Tiere
wieder. Die Dosis von 46 mg pro Kilogramm Tier führte von
der Halsvene aus nach 48 Stunden den Tod herbei, nachdem
zuerst Erbrechen, Schwäche und einige Stunden vor dem Exitus
Lähmung eingetreten war. Die Sektion ergab mäßige Hyper-
ämie im Magen und unteren Dünndarm, sonst alles normal.
Demnach mußte das Sapindussaponin im Vergleich zu
anderen Saponinen, von denen schon ein Milligramm
pro Kilogramm Tier letal wirkt, als nur mittelstark
giftig bezeichnet werden.
Um die Wirkung der Substanz bei Applikation per os zu
studieren, wurden einem 1500 g schweren Kaninchen mittels
Sonde 632 mg Sapindussapotoxin von Kruskal in den Magen
gebracht. Es traten keinerlei Krankheitserscheinungen auf.
624 mg pro Kilogramm Tier wurden also noch gut vertragen.
Der Versuch zeigt, daß die Giftigkeit unseres Saponins vom
Magen-Darmkanal aus für Kaninchen eine sehr geringe ist.
Dieses Saponin wird im Darm der Pflanzenfresser eben
nur langsam resorbiert und bei der großen Länge des
Darmkanales von den sehr reichlich vorhandenen En-
zymen der Darmschleimhaut und der Darmbakterien
vorher wohl quantitativ zerlegt und dabei entgiftet.
Im großen und ganzen scheint dieser Satz für die meisten Sa-
ponine bei den erwachsenen Pflanzenfressern Geltung zu haben,
252 J. Fieger:
während junge noch milchtrinkende die Entgiftung nur un-
vollkommen auszuführen vermögen.
Unter die Haut des Rückens gespritzt wurden von mittel-
großen Feldfröschen 10mg des Kruskalschen Sapindussapo-
nins ohne jegliche Vergiftungserscheinungen vertragen. Zwei
andere Frösche von mittlerer Größe wurden bei Injektion von
je 30 mg dieses Saponins unter die Rückenhaut nach 6 Stun-
den bewegungslos. Auf Körpergewicht umgerechnet ergibt sich
1:1100. Am folgenden Tage trat jedoch selbst bei dieser sehr
großen Dose wieder völlige Euphorie ein.
Nach der Methode Türck-Setschenow wurden nun die
beiden Extremitäten eines geköpften, am Bande aufgehängten
Frosches in 1°/, HCl getaucht. Unter die Haut des einen
Unterschenkels wurde dann die Giftlösung injiziert und die
Erniedrigung der Erregbarkeit im Vergleich von dem nicht
vergifteten Bein festgestellt. Dabei ergab sich, daß für einen
Frosch von 30 bis 40 g mindestens 5 mg der Giftlösung nötig
sind, um nach einer Einwirkung von 10 Minuten eben eine
Herabsetzung der Erregbarkeit durch die HCl herbeizuführen.
Auf schwache elektrische Ströme reagierte das Bein selbst
nach Stunden noch prompt. Dosen von 10 und 15 mg, die
10 Minuten eingewirkt haben, setzen die Erregbarkeit so herab,
daß beim Eintauchen der Beine in die HCl bei dem vergif-
teten Bein nach etwa einer halben Minute überhaupt keine
Zuckung mehr auftritt. Auch schwache elektrische Ströme
rufen keine Zuckung hervor. Nach einigen Stunden rufen
selbst die stärksten Ströme keine Bewegungen mehr hervor.
Diese Versuche zeigen, daß das Sapindussapotoxin bei Ein-
spritzung größerer Dosen unter die Haut des Unter-
schenkels auf die sensiblen Nerven des Frosches
rasch einen lähmenden Einfluß ausübt, während die
Motilität etwas später und weniger intensiv geschädigt wird.
Bei der Einspritzung unter die Haut des Rückens erfolgte
überhaupt keine Wirkung, was wohl zu der Annahme berech-
tigt, daß das Gift vom dorsalen Lymphsack aus schnell resor-
biert und ausgeschieden oder im Froschkörper entgiftet wird.
Die Einspritzung unter die Haut des Unterschenkels
des Frosches und die Beobachtung der danach ein-
tretenden Nervenlähmung war früher die übliche Me-
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 253
thode des Saponinnachweises, bis Kobert den Hämo-
lyseversuch einführte.
Bei Warmblütern verläuft der Einspritzversuch unter die
Haut natürlich ganz anders. Einem Kaninchen wurden von
Kruskal pro kg Gewicht 88,2 mg unter die Rückenhaut steril
injiziert. Das Tier blieb munter. Nach einiger Zeit bildete
sich an der Injektionsstelle ein Absceß, der nach einigen
Wochen ausheilte. Im übrigen zeigte das Tier gar keine Krank-
heitssymptome. In den ersten Tagen war leicht zu konsta-
tieren, daß keine Anästhesie an der Injektionsstelle eintrat,
sondern im Gegenteil Hyperästhesie und eine Reaktion in Ge-
stalt einer Eiterung, die aber als eine sogenannte sterile Eite-
rung wohl aufzufassen ist, eben hervorgerufen durch die lokal-
reizende Giftlösung. An Menschen rufen alle stärker wir-
kende Saponine unter der Haut heftige Schmerzen
und lokale Entzündung hervor.
Bei äußerlicher Applikation von Saponinlösung auf die
Froschhaut erfolgt keine lokal anästhesierende Wirkung, bei
gleicher Anwendung von Cocainlösung aber wohl. Mithin
kommt also unserm Saponin und allen andern Sapo-
ninen keine cocainartige Wirkung zu, wie man früher
irrtümlich vermutet hatte.
Was die Wirkung des Sapindussapotoxins auf die Musku-
latur anlangt, machte Kruskal folgenden Versuch. Von den
beiden präparierten Musculi sartorii eines Frosches wird der
eine jeweils in eine Sapindussapotoxin-Kochsalzlösung, der
andere zur Kontrolle nur in Kochsalzlösung gelegt. Dabei gibt
der Muskel in der 1°/,igen und 0,5°/,igen Giftlösung nach.
5 Minuten auf leichten Reiz keine Zuckung mehr. Nach kurzer
Zeit reagiert er selbst auf die stärksten Ströme nicht mehr.
Eine 0,25°/ ige Giftlösung hebt bei dem viel stärkeren Mus-
culus gastrocnemius die Erregbarkeit in 30 Minuten auf. Ja
selbst in einer nur 0,1°/ igen Lösung erlischt die Erregbarkeit
des Musculus vastus externus nach 1 Stunde 45 Minuten selbst
für die stärksten faradischen Ströme vollkommen. Aus diesem
Versuch ergibt sich, daß unser Saponin die Muskelsub-
stanz in ihrer Vitalität nicht nur schädigt, sondern
sie sogar rasch total abtötet. Diese Abtötung bewirkte
das Sapindussaponin noch in einer 1000fachen Verdünnung.
254 J. Fieger:
Selbstverständlich werden die kleinen und dünnen Muskel in
ihrer Vitalität leichter und schneller geschädigt als die großen
und dicken. Die durch dieses Muskelgift entstehende
schädliche anatomische Wirkung ist irreparabel. Sie
kommt gleichmäßig allen stärker wirkenden Sapo-
ninen bei direktem Kontakt zu.
Um die Wirkung auf die motorischen Nerven zu stu-
dieren, wurde der in Zusammenhang mit dem Musculus gastro-
cnemius herausgeschnittene Nervus ischiadieus eines Frosches
in eine 1°/ ige Lösung von Sapindussapotoxin in physiologische
Kochsalzlösung gelegt, während der Muskel in reine Kochsalz-
lösung kam. Die Erregbarkeit der Nerven hört nach 3 Stunden
20 Minuten völlig auf, der Muskel reagiert von dieser Zeit selbst
noch auf die schwächsten Ströme. Ein Kontrollnerv hält sich
in physiologischer Kochsalzlösung viele Stunden lang. Die
protoplasmaschädigende Einwirkung desSaponins der
Seifennüsse hebt also auch die Lebensfähigkeit nicht
nur der sensiblen Nerven und der Muskeln, sondern
auch die der motorischen Nervenstämme, falls diese
Gebilde isoliert in die Giftlösung eingetaucht werden, auf.
Die dicke Nervenscheide vermochte durch ihre schützende Um-
hüllung die tötende Wirkung nur etwas zu verzögern. Doch
übte das Saponin diese Wirkung noch bei 100 facher Verdün-
nung aus.
Um die Wirkung des Sapindussapotoxins auf das über-
lebende Herz des Frosches zu studieren, wurde von Kruskal
ein an den Williamsschen Apparat angefügtes Froschherz mit
unverdünntem Rinderserum durchströmt und in Abständen
von 5 bis 10 Minuten nun der Durchströmungsflüssigkeit je
einige Milligramm Sapindussapotoxin zugesetzt. Dabei zeigte
sich, daß erst Mengen von 60 mg auf 50 ccm Blutserum
schwer schädigend auf das Herz einwirkten. Wurde das ver-
giftete Herz jetzt wieder mit normaler Blutkochsalzmischung
durchspült, so erholte sich sogar das Organ wieder ganz gut,
aber bei neuer Hinzugabe von nur 20 mg trat jetzt vollstän-
dige Lähmung ein. Kobert hat später denselben Versuch
wiederholt, wobei statt Rinderserum Ringersche Lösung
verwandt wurde. Bei dieser Anordnung lähmten schon
10 mg unseres Saponins das Herz unwiderbringlich.
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 255
Bei den Angaben über die Wirkung auf die Nerven und
die Muskulatur lernten wir unser Saponin als ein allgemeines
Protoplasmagift mit deletärer Wirkung kennen. Daß dies auch
für das Herz der Fall sein würde, war zu erwarten. Nun fällt
hierbei auf, daß die Empfindlichkeit des Herzens bei Krus-
kals Versuch eine viel geringere war. Den Schlüssel zu diesem
auffallenden Verhalten bietet der hohe Cholesteringehalt
des benutzten Serums, der ja nach Ransom antidotarisch
gegen alle Saponine wirkt. Mit Ringerlösung ergaben daher
schon viel kleinere Dosen Abtötung. Genug, auch das Herz
unterliegt, falls es nicht durch Serum geschützt ist,
der protoplasmavernichtenden Wirkung des Sapin-
dussaponins. l
Da das Saponin sich also als ein allgemeines Protoplasma-
gift erwiesen hatte, mußten wohl auch die roten Blut-
körperchen dadurch verändert werden. In der Tat wurden
bei Kruskals Versuchen die roten Blutkörperchen so weit ver-
ändert, daß das Blut lackfarben wurde. Diese Versuche wurden
immer mit defibriniertem 50 bis 100fach mit physiologischer
NaCl-Lösung verdünntem Blute und zwar zunächst mit Rinder-
blut angestellt. Kleine Proben von 5 bis 10 bis 20 cem wurden
in Reagenzgläser gefüllt und das Gift in verschiedener Konzen-
tration hinzugefügt. War die benutzte Dose des Giftes unwirk-
sam, so schied sich nach 6 bis 12 bis 24 Stunden oben farbloses
Serum ab, während die Blutkörperchen als dichte Masse am
Boden lagen. Bei den wirksamen Proben bildete sich eine
rote Lösung mit weißem oder überhaupt ohne Bodensatz. Für
das Sapindussapotoxin konnte Kruskal eine scheinbar
völlige Auslaugung der roten Blutkörperchen des
1°/,igen Blutkochsalzgemisches bei dieser Art der
Versuchsanordnung mit Rinderblut noch bei einer
Verdünnung von 1:14000 erzielen. Mit vom Serum be-
freiten noch 1 bis 2°/,ig in physiologischer NaCl-Lösung suspen-
dierten Blutkörperchen des Rindes konnte Kruskal eine noch
stärkere Saponinwirkung erzielen. Nun ist aber das Rinderblut
gegen alle Saponine weniger empfindlich als z. B. Meer-
schweinchen- oder Katzenblut. Bei den gutgewaschenen
Körperchen dieser Blutarten geht daher die Empfindlichkeit
noch weiter.
256 J. Fieger:
Um über die Beeinflussung des Blutdruckes durch unser
Gift etwas zu erfahren, wurde bei einem Hund ein Manometer
in die Carotis communis dextra, und eine Injektionskanüle in
die Vena jugularis sinistra eingeführt. Das Tier wurde dann
tracheotomiert, kurarisiert und die künstliche Atmung einge-
leitet. Von Zeit zu Zeit wurde durch die Kanüle (also intra-
venös) das Gift eingespritzt. Dabei ergab sich, daß das Sapin-
dussapotoxin selbst bei hohen Dosen in der ersten
halben Stunde auf den Blutdruck und den Puls nur
sehr wenig einwirkt. Kurz vor dem Tode des Tieres, der
190 mg erforderte, war der Blutdruck allerdings beträchtlich
erniedrigt. Zu dieser Zeit aber lagen, wie die Sektion ergab,
die schwersten pathologisch-anatomischen Veränderungen des
Herzens bereits vor. Aber kurze Zeit vorher war der Puls
noch normal, was zunächst doch sehr auffallend erscheint.
Indessen wird dieses Verhalten sehr verständlich, wenn man
bedenkt, daß die Saponine eine lange Inkubationszeit
nötig hatten, und daß der Cholesteringehalt des Blutes
zunächst entgiftend wirkt. Wer daher von unserer Sub-
stanz als allgemeinem Protoplasmagift erwartet, daß sie sofort
sehr energisch auf die Gefäße und deren Nerven einwirken
würde, irrt sich. Dazu stimmt, daß alle Tiere nach Ein-
spritzung der gerade eben letalen Dose direkt ins
Blut sich noch stundenlang ziemlich normal verhielten.
8. Einige Vorversuche mit käuflichem Sapindussaponin.
Ich verwandte zu meinen Versuchen‘ das käufliche Sapin-
dussaponin der Schweizer Firma Hoffmann-La Roche. Dieses
Präparat ist zwar nicht chemisch rein, aber es enthält nur
geringe Mengen von fremden Bestandteilen (Feuchtigkeit, Zucker.
Asche). Es bildet ein schönes weißes Pulver, ist gut löslich
und von neutraler Reaktion. Der Firma sei für kostenlose
Überlassung bestens gedankt. Aus welcher Spezies es herge-
stellt ist, ist auf dem Etikett nicht gesagt. Es scheint nicht
von Sapindus Saponaria zu stammen. Es wirkt stärker als
das von Kruskal aus den Früchten von Sapindus Saponaria
gewonnene.
Um nachzuweisen, ob dieses Saponin durch Abspaltung
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 257
` seines sogen. Anfangs-Sapogenins'), gut nachgewiesen werden
kann, wird folgender Versuch gemacht:
Versuch 1. In 25ccm Aqu. dest. werden 0,5 g Sapindussaponin
gelöst. Die mit dieser Lösung angestellte Fehlingsche Probe ist schwach
positiv, d. h. es war eine Spur Zucker als Verunreinigung vorhanden.
Nach Zersetzung von 5 ccm dieser Lösung durch einstündiges Kochen
mit verdünnter Schwefelsäure hat sich eine voluminöse Ausscheidung
gebildet. Nach Abfiltrieren dieser ergibt das Filtrat mit Fehling reich-
lich Zucker. Der Filterrückstand wird mit Wasser durchgewaschen, mit
Natriumcarbonat neutralisiert und gelöst und mit physiologischer Koch-
salzlösung nachgespült, bis 5cem Filtrat vorhanden sind. Diese klare
Flüssigkeit bringt nach Zusatz von 2 Tropfen Placentarblut sofort to-
tale Hämolyse hervor.
Das Sapogenin des Sapindussaponins wirkt also
hämolytisch. Man könnte beim Nachweis dieses Sa-
ponins z. B. im Harn sich daher der Zerkochungs-
methode bedienen, um aus saponinhaltigem Harn das
Sapogenin abzuscheiden und durch die hämolytische
Probe den Niederschlag als Sapogenin zu identifi-
zieren.
Versuch 2. Ein Teil der in Versuch 1 verwandten Saponinlösung
wird mit neutralem Bleiacetat versetzt. Es entsteht kein Niederschlag.
Nun wird Bleiessig im Überschuß zugesetzt. Es entsteht wiederum kein
Niederschlag, wenigstens nicht in den ersten 5 Minuten, wie dies sonst
bei den meisten Saponinen der Fall ist. Jetzt werden der Mischung
auf 50ccm Flüssigkeit auch noch 5 Tropfen freies Ammoniak zugesetzt.
Auch jetzt entsteht keineswegs sofort ein voluminöser Niederschlag,
sondern erst nach längerem Stehen. Letzterer ist aber nicht beweisend,
da er auch ohne Saponin durch Bildung von Bleihydroxyd langsam
eintritt.
Das Sapindussaponin der Firma Hoffmann-La
Roche läßt sich also weder durch neutrales Bleiacetat
noch durch Bleiessig sicher ausfällen, müßte also, falls
man es im Harn sucht, auch im Filtrat der Bleiessigfällung
noch gesucht werden. Unter allen Umständen erscheint diese
für die Darstellung aus der Droge wohl verwendbare Fällungs-
methode unpraktisch für die weiteren Zwecke der nachstehen-
den Arbeit. Auch May hat sich dahin ausgesprochen, daß für
dieses Saponin Blei ein wenig geeignetes Fällungsmittel ist.
1) Über diesen Begriff sei auf das verwiesen, was in den Neuen
Beiträgen schon wiederholt gesagt worden ist.
258 J. Fieger:
Ich begnüge mich daher, einen derartigen Versuch hier folgen
zu lassen.
Versuch 3. Nebeneinander werden folgende drei Gemische her-
gestellt:
1. Normaler, schwach sauer reagierender Hundeharn wird mit
Bleizucker versetzt. Es tritt ein voluminöser weißer Niederschlag (1)
von Phosphaten, Sulfaten, Farbstoffen usw. ein.
2. Ebenso werden 10 ccm einer 1°/,igen schwach sauer reagieren-
den Lösung von Sapindussaponin in physiologischer Kochsalzlösung
mit Bleizucker versetzt, wobei sich nur ein mittelstarker, weißer
Niederschlag (2) bildet. Dieser besteht wohl aus Bleichlorid.
3. 15 ccm normalen Hundeharns werden zu 10 ccm einer 1°/,igen,
mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellten Sapindussaponin-
Lösung zugesetzt. Dieses Gemisch wird mit Bleizucker versetzt.
Sofort tritt ein starker weißer Niederschlag (3) auf, weil außer Blei-
chlorid, ja auch die Phosphate, Sulfate und Farbstoffe gefällt werden.
Die drei klaren Filtrate (4, 5, 6), die mit Bleizucker keinen wei-
teren Niederschlag geben, werden nun mit Bleiessig versetzt. Dabei
tritt bei 4 (normaler Hundeharn ohne Saponin) ein deutlicher weißer
Niederschlag (7) auf. Filtrat 5 (nur Saponin) ergibt mit Bleiessig einen
sehr schwachen, weißen Niederschlag (8). Das Gemisch beider (6) brachte
mit Bleiessig einen sehr starken weißen Niederschlag (9) hervor.
Nun werden die Rückstände der Niederschläge 1, 2 und 3 auf den
Filtern mit verdünnter Schwefelsäure zersetzt und mit physiologischer
Kochsalzlösung nachgewaschen. Die erhaltenen Filtrate la, 2a, 3a
werden dann jeweils wieder mit Natriumcarbonat neutralisiert und je
in zwei Hälften geteilt. Die eine wird mit 2 Tropfen frischen Rinder-
blutes versetzt, die andere mit konzentrierterer Schwefelsäure noch etwas
erhitzt. Dabei tritt bei la und 3a weder Hämolyse ein, noch bei der
chemischen Probe eine Fällung. Bei 2a jedoch tritt etwas Hämolyse
auf, ebenso bringt auch der Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure
nach Erhitzen und wieder Abkühlen einen leichten weißen Niederschlag
von Sapogenin hervor. Demnach mußte also 3a (Harn + Saponin) das
Saponin in das Filtrat übergegangen, also durch den Bleizucker
nicht ausgefällt worden sein. Bei 2a hat das Chlorblei das Sa-
ponin teilweise niedergerissen.
Die drei klaren Filtrate 4, 5, 6, die mit Bleiessig Niederschläge
gaben, werden nun weiter untersucht. Nach Abfiltrieren werden die
Filterrückstände analog den Rückständen 7, 8, 9 untersucht, d. h. also
mit verdünnter Schwefelsäure zersetzt, mit physiologischer Kochsalz-
lösung nachgewaschen und mit Natriumcarbonat neutralisiert. Die er-
haltenen Flüssigkeitsmengen werden ebenfalls wieder halbiert und genau
in derselben Weise wie oben die beiden Reaktionen auf Saponin ange-
stellt. Bei keiner der sechs Proben wird ein Ausschlag erhalten. Blei-
essig hat also kein Saponin niedergeschlagen.
Die drei Filtrate der Bleiessigfällung 10, 11, 12 werden ebenfalls
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 259
durch Schwefelsäure entbleit, neutralisiert und geprüft. Dabei ergibt
sich für 10, also für den Normalharn nichts, für 11, d. h. die Saponin-
kochsalzlösung, mit Schwefelsäure zerkocht, ein feinflockiger Niederschlag,
während die Blutprobe wohl nur deshalb mißlingt, weil so viel Neutral-
salze entstanden waren, daß die Saponinhämolyse unmöglich wurde.
Für 12, d. h. für das Gemisch von Harn mit Saponin ergibt sowohl die
Blutprobe wie die chemische die Reaktion auf Saponin.
Das Sapindussaponin der Firma Hoffmann-La Roche ist
also aus einer Lösung, die mit physiologischer Kochsalzlösung
hergestellt ist, durch Bleizucker trotz der entstehenden Chlor-
bleibildung nur partiell ausfällbar. In Hundeharn gelöst geht
dieses Saponin weder in den mit Bleizucker noch mit Bleiessig
erhaltenen Niederschlag merklich über. Es findet sich viel-
mehr zum größten Teil im Filtrat der Bleiessigfällung.
Versuch 4. Er galt dem Nachweis mit konzentrierter Schwefel-
säure.
a) Zu l ccm Sapindussaponin-Lösung, die 10 mg Substanz enthält,
werden 4 ccm konzentrierter Schwefelsäure zugesetzt. Sofort tritt an
der Berührungsstelle der beiden Flüssigkeiten ein dunkler, ins Rote
gehender Ring auf. Beim Durchschütteln färbt sich die ganze Flüssig-
keit im Reagenzglas ganz dunkel, fast schwarz. lccm davon wird in
ein Gläschen mit planparallelen Wandungen gebracht. Dabei sieht man,
daß die Farbe der Flüssigkeit nicht schwarz, sondern dunkelrot ist, Vor
dem Spektroskop erkennt man deutlich einen Absorptionsstreifen im Gelb,
der scharfrandig beiderseits begrenzt ist. Ein zweiter Absorptionsstreifen
wird erst wahrnehmbar, wenn der Flüssigkeit im Spektralgläschen zur
Verdünnung noch 1ccem Alkohol zugesetzt wird. Dieser zweite Streifen
liegt im Grün. Der erste Teil des Grün wird gerade noch durchgelassen,
dann kommt der breite Absorptionsstreifen, so daß vom letzten Teil des
Grün eben noch eine Spur zu erkennen ist.
b) 1 ccm Saponinlösung, der 10 mg Saponin enthält, wird mit
9ccm Alkohol verdünnt. Von dieser Flüssigkeit, die also im Kubik-
zentimeter 1 mg Saponin enthält, wird 1 ccm mit 4ccm konzentrierter
Schwefelsäure versetzt. Sofort tritt an der Berührungsstelle eine pracht-
volle Schichtreaktion in Form eines roten Ringes auf. Nach dem Durch-
schütteln wird die ganze Mischung schwarzrot. Mit dem Spektroskop
kann man in einem Gläschen mit planparallelen Wandungen einen deut-
lichen Streifen im Grün erkennen, während der im Gelb in so dünnen
Schichten nicht zu erkennen ist.
c) Dieselbe Reaktion mit nur 0,5 mg Saponin tritt nur noch als
kaum sichtbare Ringreaktion mit roter Farbe auf. Mit Hilfe der Fur-
furolschwefelsäuremethode gibt jedoch noch 0,1l mg Saponin eine deut-
liche Ringreaktion.
Mit Hilfe der Schwefelsäure-Reaktion ist also noch
1 mg und mit Hilfe der Furfurolschwefelsäure-Reaktion
Biochemische Zeitschrift Band 86. 18
260 J. Fieger:
noch 0,1 mg des Handelspräparates von Sapindussaponin sicher
nachweisbar, aber natürlich nicht etwa von anderen Saponinen
zu unterscheiden.
Versuch 5. Zu 25 ccm Sapindussaponinlösung, die im Kubik-
zentimeter 10 mg Saponin enthält, werden 3cem verdünnte Schwefel-
säure zugesetzt und gekocht. Nach kurzem Kochen wird die ganze
Flüssigkeit milchartig. Beim Abkühlen scheidet sich in großen Flocken
ein voluminöser weißer Niederschlag vom Sapogenin ab.
Ein Teil des Filtrates wird neutralisiert und mit Fehlingscher
Lösung erhitzt. Es erfolgt eine starke Reduktionsausscheidung von
Kupferoxydulhydrat. Diese ist unendlich viel stärker als in der ent-
sprechend starken Lösung des Handelssaponins. Mithin ist durch die
Hydrolyse ein Zucker oder Zuckergemisch abgespalten worden und zwar
eine Hexose oder eine ‘Pentose oder beides. Eine weitere Portion des
Filtrates wird mit starker Salzsäure oder Orcin erhitzt, wobei eine
Dunkelgrünfärbung eintritt.
Eine weitere Portion wird mit starker Salzsäure und Phlorglucin
erhitzt. Dabei tritt eine anfangs rötliche, später rotbraune Färbung ein.
Diese beiden Reaktionen sind beweisend für die Anwesenheit von
abgespaltenen Pentosen. Der Nachweis der Hexose durch Vergärung
gelingt zunächst nicht, was jedenfalls auf den Einfluß von noch vor-
handener, nicht genügend neutralisierter Schwefelsäure zurückzuführen
ist. Bei Wiederholung trat Vergärung ein. Dies spricht für eine
Hexose. Der Filterrückstand wird in Alkohol gelöst, etwas gewaschen
und das Filtrat mit etwas Schwefelsäure unterschichtet. Es tritt ein
deutlicher roter Ring auf, der die Anwesenheit des Sapogenins beweist.
Durch unsere Spaltung ist also einerseits ein Sapogenin,
andererseits eine Pentose und eine Hexose entstanden. Die
Glykuronsäurereaktion mit Naphthoresorein habe ich nicht an-
gestellt, da unser Saponin den bisherigen Untersuchern nach
nicht in die Gruppe der Glykuronsaponine gehört. Die Arbeit
von F. Ehrlich, wonach alle Saponine nach dieser Richtung
hin neu untersucht werden müssen, erschien erst mehrere Jahre,
nachdem ich das Laboratorium mit dem Schlachtfelde ver-
tauscht hatte. Herr Dr. Gonnermann, der statt meiner nach-
träglich das Sapindussaponin auf Abspaltung von Galacto-
glykuronsäure untersuchte, fand, daß dies nicht der Fall ist.
Das Sapindussaponin ist also kein Glykuronoid.
4. Einige Blutversuche mit Sapindussaponin.
Es kam nun darauf an, mich über die Stärke der hämo-
lytischen Kraft des Handelspräparates zu orientieren. Zu
diesem Behufe wurde in 100 ccm physiologischer Kochsalz-
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine 261
lösung 1 g getrocknetes Sapindussaponin gelöst und durch Er-
hitzen sterilisiertt. In 1 ccm sind also 10 mg des Saponin-
präparates enthalten. Mit dieser Lösung werden folgende Proben
angestellt.
Versuch 6. Zu l.ccm obiger Saponinlösung werden noch 9 ccm
physiologischer Kochsalzlösung hinzugefügt. 2 Tropfen frisches Kanin-
chenblut werden in dieser Lösung nach Umschütteln sofort aufgelöst.
Die Konzentration beträgt hier also 1:1000.
Zu lccm Saponinlösung werden 49 ccm physiologischer Kochsalz-
lösung hinzugesetzt. Nach Zusatz von 2 Tropfen Kaninchenblut zum
fünften Teil dieses Gemisches tritt nach einmaligem Umschütteln binnen
5 Minuten vollständige Hämolyse ein. Die Konzentration ist hier 1:5000.
Bei derselben Versuchsanordnung erfolgt bei einer nochmaligen
Verdünnung auf 1:10000 langsam völlige Auflösung des Blutfarbstoffes
aus den Blutkörperchen‘), aber bei Verdünnung auf 1:20000 selbst nach
24 Stunden keine völlige Hämolyse mehr.
Das Sapindussaponin wirkt hämoglobinauslösend.. Für
Kaninchenblut beträgt die hämolysierende Wirkung, auch
wenn das Serum nicht entfernt ist, mindestens 1:10000. Folg-
lich müssen sich mit Hilfe dieser Methode auch kleine Mengen
unserer Substanz nachweisen lassen.
Für alle weiteren Blutversuche wird als Stammlösung die
obengenannte sterile Saponinlösung benutzt, die in 1 cem 10 mg
Saponin enthält. Daraus werden die weiteren Verdünnungen
mit physiologischer Kochsalzlösung bereitet. Zu 5 ccm Gemisch
werden, wo nichts anderes angegeben, immer 2 Tropfen defi-
briniertes Blut oder 1 Tropfen Blutkörperchen zugesetzt, so
daß dies ungefähr einer 2°/ igen Blutlösung entspricht. Be-
nutzt wurde immer ein Gestell mit zwei Reihen von je
7 Gläschen. Die Versuchsanordnung ist für die Versuche immer
dieselbe, so daß hier nicht alle in extenso angeführt werden
brauchen.
Versuch 7. Pferdeblutkörperchen. Zu jedem Reagensglas
wird 1 Tropfen Blutkörperchen zugesetzt.
1. Reihe.
Glas I 5cem phys. NaCl-Lösung zur Kontrolle
n»n U 5 » Saponinlösung, 50 mg Saponin enthaltend
n III 5 n ” 25 n n n
1) Wir werden diesen Vorgang immer kurz als Hämolyse bezeichnen,
obwohl dieser Ausdruck nicht genau ist, denn die Stromata bleiben ja
erhalten.
18*
262 J. Fieger:
GlasIV 5ccm Saponinlösung 12,5 mg Saponin enthaltend
n V5n ” 6,25 n n n
n VIŠ n n 3,125 » n n
n VIL 5 » n 1,56 » n n
Glas I setzt klar ab, Glas II bis VII werden sofort völlig hämo-
lysiert.
2. Reihe, abends 6? aufgestellt.
Glas I 5cem phys. NaCl-Lösung zur Kontrolle
n II 5 » Saponinlösung, 0,78 mg Saponin enthaltend
n II 5 » i n 0,39 n n n
n W5 n n 0,195 » n n
» V5» n 0,0975 n n n
n VI5Sn n 0,0487 n n n
„VO 5 n n 0,0243 n n n
Glas I setzt klar ab, Glas II wird sofort völlig hämolysiert, Glas III
nach 1 Minute, Glas IV über Nacht; Glas V wird nur noch teilweise
hämolysiert, Glas VI und VII setzen klar ab.
1°/,ige Pferdeblutkörperchensuspension wird also
von Sapindussaponin noch bei einer Verdünnung von 0,195 mg:
5cem, d.h. von 1:25600 völlig und bei 1:51200 Verdünnung
teilweise hämolysiert.
Versuch 8. Die gleiche Versuchsanordnung und Ausführung.
Rinderblut, Das Serum ist hier also nicht entfernt. Jedem Glas
werden 2 Tropfen Blut zugesetzt.
1. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II bis IV werden sofort, Glas
V bis VI in einer halben Minute, Glas VII in 1 Minute ganz aufgelöst.
2. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II wird in 5 Minuten, Glas III
in 12 Minuten total, Glas IV über Nacht zum Teil gelöst, Glas V bis VII
auch nach 24 Stunden unverändert.
2°/ iges Rinderblut wird von Sapindussaponin in einer
Verdünnung von 1:12800 völlig und bei 1:25600 noch teil-
weise gelöst. `
Versuch 9. Placentarblut vom Menschen. Sonst dieselbe Aus-
führung.
1. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II bis V werden sofort, Glas VI
und VII in einer halben Minute völlig hämolysiert.
2. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II wird in 1 Minute, Glas III
in 2 Minuten total, Glas IV fast total über Nacht gelöst, Glas V bis VII
weisen auch nach 24 Stunden keine Zeichen von Hämolyse auf.
2°/ iges Placentarblut vom Menschen wird durch Sapin-
dussaponin noch bei 1:12800 völlig und bei 1:25600 größten-
teils gelöst.
Versuch 10. Schweineblut. Anordnung und Ausführung
wie oben.
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 263
1. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II bis VII werden sofort gänz-
lich hämolysiert.
2. Reihe: Glas I und IV bis VII bleiben unverändert, Glas II wird
` in 2 Minuten, Glas III in 45 Minuten völlig gelöst.
2°/,iges Schweineblut-wird von Sapindussaponin noch
in einer Verdünnung von 1:12800 völlig gelöst.
Versuch 11. Katzenblut. Aufstellung und Ausführung wie oben.
1. Reihe: Glas I setzt klar ab, Glas II bis VIII werden sofort
gänzlich gelöst.
2. Reihe: Glas I, VI und VII sind auch nach 24 Stunden unver-
ändert. Glas II wird sofort, Glas III und IV binnen 1 Stunde gänzlich,
Glas V ist nach 24 Stunden zum Teil gelöst.
2°/,iges Katzenblut wird durch Sapindussaponin noch
in einer Verdünnung von 1:25600 ganz aufgelöst. Bei einer
Verdünnung von 1:51200 erfolgt noch partielle Hämolyse.
Ergebnis. Überblicken wir alle Blutversuche, so können
wir sagen, daß unser Saponin auf sämtliche beliebig
herausgegriffenen Blutarten erheblich hämolytisch
einwirkt und auf serumfreie rote Blutkörperchen so-
gar noch stärker. Die Grenzwerte für völlige Auslösung des
Hämoglobins aus den Blutkörperchen liegen
für Kaninchenblut bei. . . . . 1:10000,
» Menschenblut bei . . . . . 1:12800,
*» Rinderblut bei . . . . . . 1:12800,
» Schweineblut bei . . . . . 1:12800,
» Katzenblut bei . . . . . . 1:25600,
» Pferdeblutkörperchen bei . . 1:25600.
Es ist daraus ersichtlich, daß es mit Hilfe dieser Me-
thode noch möglich sein muß, Mengen von etwa einem
halben Milligramm Saponin in Harn und Kot nach-
zuweisen.
5. Einige Blutversuche mit Sapindussapogenin.
Das Sapogenin wurde für unsere speziellen Zwecke durch
Spaltung aus dem Saponin auf folgende Weise gewonnen:
50 cem 1°/,ige Sapindussaponin-Lösung werden mit 3 cem ver-
dünnter Schwefelsäure 2 Stunden im Wasserbad zerkocht und
dann der Abkühlung überlassen. Dabei setzt sich langsam
ein voluminöser flockiger Niederschlag ab. Dieser wird am
nächsten Morgen abgesaugt, gewaschen und zu dem Filter-
264 J. Fieger:
rückstand, der ja das Sapogenin enthalten muß, 50 ccm phy-
siologische NaCl-Lösung zugesetzt nebst einigen Tropfen Natrium-
carbonat, um das in saurer Lösung unlösliche Sapogenin zu
lösen. Das ganz klare Filtrat ergibt bei nochmaligem Kochen
keinen Niederschlag mehr. Es ist also kein unzerkochtes
Saponin mehr darin enthalten. Vom chemischen Standpunkte
aus hätte ich versucht sein können, das Sapogenin nach dem
Auswaschen von neuem in verdünnter Mineralsäure zu suspen-
dieren und so lange zu kochen, bis keine Spur von Zucker
mehr in Lösung ging. Dies Verfahren wäre das richtige ge-
wesen, wenn ich ein Endsapogenin hätte gewinnen wollen.
Da jedoch Endsapogenine in neutralen Flüssigkeiten sich in
physiologischer Kochsalzlösung meist nicht mehr lösen lassen
und daher auch nicht mehr hämolytisch wirken, mied ich ab-
sichtlich längeres Kochen. Das auf diese Weise von mir ge-
wonnene Sapogenin ist ein ganz saponinfreies Anfangs-
sapogenin, oder, was dasselbe besagt, ein in Wasser
unlösliches sekundäres Glykosid, das sich in alkalischer
physiologischer Kochsalzlösung, so lange es feucht ist, glatt
lösen läßt. Meist geht die Abspaltung der Hexose leichter
vor sich als die der Pentose. Von meinem Sapogenin durfte
ich bei obiger Darstellung also stets hoffen, daß es sich noch
feucht unter Zusatz von Natriumcarbonat in physiologischer
Kochsalzlösung neutral lösen und daß es hämolytisch wirken
werde. Im Filtrate dieses Sapogenins war mit Fehlingscher
Lösung stets Zucker reichlich nachweisbar, und zwar war so-
wohl eine vergärbare Hexose als eine durch die Orcinreaktion
erkennbare Pentose vorhanden. Ob letztere nur in geringen
Mengen abgespalten war, weiß ich nicht.
Da nach May der Sapogeningehalt des Sapindussaponins
fast 20°/, (19,8) ist, müssen in dem mit 50 ccm NaCl-Lösung
und etwas Natronlauge versetzten Filterrückstand je 2 mg im
ccm enthalten sein. Diese Sapogenin-NaCl-Lösung reagiert neu-
tral. Es werden damit folgende Blutversuche angestellt:
Versuch 12. Als Blutart werden mit 99°/, physiologischer Koch-
salzlösung versetzte Katzenblutkörperchen verwandt. Jedes Glas
enthält 5 ccm dieser 1°/,igen Katzenblutkörperchen.
1. Reihe.
Glas I 5cem Blutkörperchen -+ 5com phys. NaCl-Lös. zur Kontrolle
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 265
GlasII 5 ccm Blutkörperchen + 5 ccm enthaltend 10 mg Sapogenin
‚UI 5 » r +5 n n 8 n» n
kad IV 5 n n + 5 n n 6 n ”
n V 5 n n + 5 n ” 4 n n
n VI 5 n n + 5 » n 2 n n
„VI 5 » n +5 n» phys. NaCl.-Lös. zur Kontrolle.
Glas I und VII setzen klar ab, Glas II nach 12, Glas III nach 25,
Glas IV nach 40, Glas V nach 50 Minuten und Glas VI nach 1!/, Stunden
völlig hämolysiert.
Die Konzentration der Giftlösung betrug also hier bei
Glas II 1:1000 Sapogenin oder berechnet auf Saponin 1:200
» II 1: 1250 n n n n n 1:250
n»n IV 1: 1666 n n n n n 1: 333
” v 1 2500 n ” n n” n 1: 500
» VI 1 5000 n n n n n 1 : 1000.
2. Reihe.
Glas I 5ccm Blutkörperchen + 5 ccm phys. NaCl.-Lös. zur Kontrolle
» U 5 n n +5 n» enthaltend 0,2 mg Sapogenin
n»n II 5 n n +5 n n 0,02 n n
„IV õn n +5 » n 0,002 n n
= V õn n +5 n» n 0,0002 n n
» VI 5n» n +5 n» phys. NaCl.-Lös. zur Kontrolle.
Glas I und IV setzen klar ab, Glas II nach 3 Minuten total hämo-
lysiert, Glas III bis V bleiben unverändert.
Die Konzentration betrug also bei >
Glas II 1:50000 Sapogenin oder 1:10000 auf Saponin berechnet.
Das Sapogenin des Sapindussaponins wirkt also hämo-
lysierend auf Katzenblutkörperchen und zwar noch völlig
bei 1:50000 Sapogenin, was 1:10000 berechnet auf Saponin
entspricht, denn nur der fünfte Teil des Saponins wird Sapogenin.
Versuch 13. Benutzt wird 2°/,iges Blut aus der mensch-
lichen Placenta.
1. Reihe.
Dieselbe Versuchsanordnung wie bei den vorigen Versuchen in der
1. Reihe.
Glas I und VII setzen klar ab, Glas II bis VI sind nach 3 Stunden
völlig hämolysiert.
2. Reihe.
Anordnung ebenso, nur andere Konzentration:
Glas II 1:10000 Sapogenin oder 1: 2000 Saponin
» DI 1:20000 n » 1: 4000 »
n IV 1:40000 n n 1: 8000 »
» V 1:80000 ” r 1:16000 »
266 J. Fieger:
Glas I und VII klar absgesetzt, Glas II bis IV nach einigen Minuten
völlig aufgelöst, Glas V partiell am nächsten Morgen, Glas VI unver-
ändert.
In 2°/,igem Menschenblut wirkt also Sapindussapogenin
noch in einer Verdünnung von 1:40000 völlig hämolysierend
(auf Saponin berechnet 1:8000). Daraus folgt, daß das Sapo -
genin des Sapindussaponins eine stärkere hämoly-
tische Wirkung hat als die dem Gewicht nach gleiche
Menge Saponin. Rechnet man jedoch auf die entsprechende
Saponinmenge, die 5 mal größer ist, um, so hat unser Sapogenin
eine verhältnismäßig etwas schwächere Wirkung als sein Saponin.
Immerhin kann man das Sapogenin zum Nachweis
des Saponinabbaues im lebenden Organismus recht
gut benutzen. Gerade auf die Feststellung dieses Punktes
kam es mir für die nachstehenden Untersuchungen an.
6. Einige Tierversuche mit Sapindussaponin.
a) Ich lasse zunächst einige Versuche an Fröschen fol-
gen, und zwar an Temporarien. Da die Versuche in den
Dezember fielen, waren die Tiere wenig widerstandsfähig.
Sommerfrösche würden wohl größere Dosen ertragen haben.
Versuch 14. Einem Froschmännchen von 35 g Gewicht
werden am 11. XII. 4 Uhr nachm. 10 mg Sapindussaponin unter die
Rückenhaut gespritzt. Gleichzeitig werden einem weiblichen
Frosch von 68g an der gleichen Stelle 20 mg injiziert. Um !/,6 sind
beide Frösche noch ziemlich normal. Der Versuch, den beiden Fröschen
am Abend Harn auszudrücken, gelingt nicht. Das Froschweibchen ist
am Abend schon sehr träge. Am nächsten Morgen war es tot. Bei der
Sektion findet sich, daß unter der Rückenhaut alles resorbiert ist und
daß an dieser Stelle keinerlei Entzündungserscheinungen eingetreten
sind. Auch sonst finden sich keinerlei pathologisch-anatomische Ver-
änderungen.
Der kleinere Frosch ist am Mittag des 12. noch ganz wohl. Um
4 Uhr nachm. kann ihm schon 1 cem Harn ausgepreßt werden. Mit 1 ccm
Schwefelsäure versetzt, zeigt sich an der Berührungsstelle ein nicht sehr
starker, aber doch deutlicher roter Ring, der auf die Ausscheidung von
Saponin oder Sapogenin durch den Harn hindeutet. Weiterer Harn
konnte nicht gewonnen werden, auch am 13. früh nicht. Nachm. 4 Uhr
war auch dieser Frosch verendet. Bei der Sektion findet sich die obere
Munddecke stark gerötet. Sonst sind keinerlei Veränderungen zu kon-
statieren.
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 267
Die eingespritzte sehr große Dosis führte den Tod der
beiden Tiere nicht sofort herbei, sondern bei dem kleineren
Tiere recht langsam und trotzdem, ohne starke Veränderungen
vorher hervorzurufen. In dem ausgepreßten Urin schien Sapo-
nin oder ein Umwandlungsprodukt davon vorhanden zu sein.
Versuch 15. Einem Frosoh von mittlerem Gewicht (etwa 35 g)
werden am 12. XII., vorm.?/,12 Uhr, 1 ccm, enthaltend 10 mg Sapindus-
saponin, in den rechten Unterschenkel gespritzt. Es treten in
der Folge weder allgemeine noch lokale Störungen ein. Harn kann
durch Auspressen nicht gewonnen werden. Am Morgen des 15. wird
der Frosch tot in normaler Lage vorgefunden. Außer leichter Rötung
des Mundbodens konnte bei der Sektion nichts festgestellt werden.
Auch in diesem Versuche wirkten 10 mg nicht lokal,
führten aber wie in Versuch 1 den Tod des Tieres herbei.
Das Kruskalsche Saponin von Sapindussaponaria war weniger
giftig. Von der erwarteten Lähmung des Gliedes war trotzdem
nichts wahrnehmbar.
Versuch 16. Einem Frosch von 55 g Gewicht werden am 13.
nachm. 5 Uhr 30 Min. je 1 cem 1°/,igeSapindussaponin-Lösung in den rechten
Ober- und in den Unterschenkel eingespritzt. Am 14. früh ist das
Wohlbefinden noch nicht gestört. Am Nachmittag war deutlich zu
sehen, daß er das rechte Bein nachschleppt. Am 15. früh wird er tot
vorgefunden mit ausgestrecktem rechten Bein. Die Sektion ergibt nichts.
Die Saponinlösung hat hier allerdings lokal wahrscheinlich
durch Wirkung auf die motorischen Nerven eine Lähmung des
rechten Beines herbeigeführt. Aber dazu waren 20 mg .nötig.
Alle drei Versuche zusammengenommen ergeben, daß ganze
Frösche, wie das ja auch wohl von vornherein anzunehmen
war, wenig geeignete Versuchstiere zum Nachweisvon
Saponinsubstanzen sind. Ganz anders wird dagegen die
Sachlage, falls man die Nerven und Muskel oder das Herz
dieser Tiere isoliert mit Saponin in Berührung bringt.
Solche Versuche hatte ich jedoch keine Veranlassung zu ma-
chen, da die von Kruskal genügend sind zur allgemeinen
Orientierung.
b) Ich komme jetzt zu einigen Versuchen an Kaninchen.
Versuch 17. 11. XII. Ein kleines schwarzes Kaninchen erhält
am 11. XII., 5 Uhr nachm., 5cem 1°/,iger Sapindussaponin-NaCl-Lösung
unter die Haut des Rückens injiziert. Am nächsten Morgen ist das
Tier noch vollkommen wohl.
12. XII. Der über Nacht gelassene Harn reagiert wie normaler
Kaninchenharn stark alkalisch und ist stark trüb. Durch Zusatz von
268 J. Fieger:
etwas verdünnter Essigsäure wird er klar. Es finden sich weder Eiweiß
noch sonst abnorme Bestandteile darin.
13. XII. Da das Tier keinerlei Erscheinungen zeigt, werden ihm
10 Uhr vorm. weitere 10 ccm der 1°/,igen Lösung, d.h. also 100 mg unter
die Rückenhaut gespritzt. Der Harn vor der Einspritzung wieder al-
kalisch und trüb. Er enthält kein Eiweiß und wirkt neutralisiert auf
Blut nicht hämolytisch. Nachm. 3? konnte nach der neuen Einspritzung
schon eine kleine Menge neuer Urin untersucht werden. Er ist trüb
alkalisch; er wird durch Essigsäure klar und neutral. Auch dieser Harn
besitzt noch keine hämolytische Wirkung. Es wird mit neutralem Blei
ausgefällt und filtriert. Das Filtrat ist klar. Der Filterrückstand sieht
gelb aus. Es wird deshalb auf Gallenfarbstoff geprüft und zwar zuerst
mit Alkohol gewaschen, dann mit Alkohol, der etwas Schwefelsäure ent-
hält, zersetzt. Das dabei erhaltene Filtrat enthält aber (nach Gmelin)
keinen Gallenfarbstoff.
14. XII. Das Tier ist wohl und hat über Nacht 45 ccm Harn
gelassen, der, wie immer, trübe ist. Durch Essigsäure wird er klar und
neutral. 5 ccm Harn, mit 2 Tropfen Katzenblutkörperchen versetzt,
übt keine hämolytische Wirkung aus. Der übrige Harn wird mit neu-
tralem Blei ausgefällt und abfiltriert. Der Filterrückstand sieht auch
hier wieder gelb aus, enthält aber, ebenso wie oben untersucht, keinen
Gallenfarbstoff.
16. XII. Der von 2 Tagen zusammengekommene Harn beträgt
300 com. Er sieht wie an den vorhergehenden Tagen aus und wird
auch ebenso untersucht. Er enthält kein Eiweiß und besitzt auch keine
hämolytische Wirkung auf Menschenblut. Der Bleizuckerniederschlag
sieht vollkommen farblos aus und enthält keinen Gallenfarbstoff.
Im Wohlbefinden des Tieres ist bis jetzt keine Änderung eingetreten.
17. XII. 195 ccm alkalischer, trüber Harn. Untersuchung auf
Eiweiß und Hämolyse negativ, kein Gallenfarbstoff in dem Bleizucker-
niederschlag.
18. XII. Das Tier ist immer noch ganz wohl. Die Urinmenge
beträgt 145 ccm, ist trüb und reagiert alkalisch. Hämolytisch unwirk-
sam. Eiweiß fehlt; kein Gallenfarbstoff in der Bleifällung.
19. XII. Tier noch wohl. Reichlich Urin, 300 ccm, sehr trüb und
alkalisch. Kein Eiweiß, keine Hämolyse. Bleifällung ganz weiß.
20. XII. Harn: 225 ccm, trüb, alkalisch, kein Eiweiß, keine Hä-
molyse. Gallenfarbstoff nicht vorhanden.
21. XII. 235 ccm trüber, alkalischer Harn. Keine Hämolyse, kein
Gallenfarbstoff, kein Albumen. Das Tier ist ganz munter; unter der
Haut keine Anschwellung.
22. und 23. XII. Je 180 ccm alkalischer Harn, nur leicht getrübt.
Nichts Besonderes.
Der Versuch wird abgebrochen.
Die Menge von 150 mg Sapindussaponin, die dem Tier
binnen 2 Tagen unter die Rückenhaut gespritzt wurde, hatte
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 269
auch nach längerer Zeit anscheinend keinen schädigenden Ein-
fluß, trotzdem man doch sicher annehmen muß, daß sie, wenn
vielleicht auch nur langsam, resorbiert worden ist. Eine Aus-
scheidung eines hämolytischen Stoffes im Harn konnte nicht
nachgewiesen werden, wie denn auch sonst der Urin keine
pathologischen Bestandteile aufwies. Allerdings schien die
Menge des Urins einem normalen, mit gleicher Kost
versehenen Kaninchen gegenüber gesteigert zu sein.
Das Ausbleiben einer lokalen Entzündung unter der Haut
nach einer so großen Menge von Substanz beweist, daß gerade
das vorliegende Saponin in der verwandten Dose re-
lativ wenig reizend wirkt. Daß es bei größerer Dose doch
lokal reizend, ja nekrotisierend wirkt, zeigt der folgende Versuch.
Versuch 18. Der Harn eines mittelgroßen normalen Kaninchens,
das nur als Kontrolltier dienen soll, von 1600 g Gewicht, wird einige
Tage hindurch nur daraufhin untersucht, ob er etwa an sich hämolytisch
wirkt, was bei gewisser Fütterung vorkommen kann.
11. I. 13. 185 com stark alkalischer Harn. Schwach getrübt, wird
durch Zusatz von Essigsäure klar und neutral. Sehr deutlich wirkt
dieser Harn jetzt auf Menschenblut binnen 15 Minuten hä-
molysierend, dagegen auf Rinderblut nicht. Gallenfarbstoff und
Eiweiß enthält er nicht.
13. I. Der Urin von 2 Tagen beträgt 230 ccm. Er ist stark ge-
trübt und alkalisch; durch Essigsäure wird er klar und neutral. Er
wirkt hämolytisch auf Menschen- und Hundeblut in 10 bzw.
15 Minuten. Mit NaCl Lösung aa verdünnt macht er nach 6 Stunden
nur partielle Hämolyse. Eiweiß und Gallenfarbstoff nicht nachweisbar.
Daß der Harn dieses anscheinend gesunden Tieres bei Mohrrüben-
und Kleiefütterung hämolytisch wirkte, war zunächst nicht ganz uner-
klärlich. Doch konnte man vermuten, daß die Hämolyse vielleicht nur
durch das infolge der Neutralisation mit Essigsäure reichlich entstan-
dene essigsaure Natron hervorgerufen sein könnte. Um dies festzustellen,
wird der nächste Harn mit verdünnter Schwefelsäure neutralisiert.
Die dann mit dem Urin angestellten Blutproben ergaben selbst nach
vielen Stunden keine Hämolyse. Damit ist der Beweis erbracht, daß
die Hämolyse hier nur durch die Neutralisation mit Essig-
säure hervorgerufen worden war.
14. I. 85 ccm stark trüber, alkalischer Harn. Kein Eiweiß; kein
Gallenfarbstof. Vergleichshalber wird nun ein Teil mit verdünnter
Essigsäure, ein anderer Teil mit verdünnter Schwefelsäure geklärt und
neutralisiert. Der mit Essigsäure neutralisierte Harn wirkt sowohl
auf Menschen- als auch auf Hundeblut hämolytisch, und zwar
sehr deutlich. Der mit Schwefelsäure neutralisierte Harn machte
selbst nach vielen Stunden keine Hämolyse.
270 J. Fieger:
Die Neutralisation des Kaninchenharns mit Essig-
säure kann also bei Blutversuchen zu falschen Resul-
taten führen und Hämolyse vortäuschen, die nicht durch
den Urin bedingt zu sein braucht. Die Neutralisation mit
Schwefelsäure läßt diesen Irrtum vermeiden. — Später stellte
sich heraus, daß selbst bei Futterrübenfütterung der mit
Schwefelsäure neutralisierte Harn nicht hämolytisch
wirkt, obwohl Beta vulgaris nach Kobert zwei Saponine
enthält. .
Nach diesem Vorversuch wurde bei Ernährung mit Mohrrüben und
Kleie der Harn eines anderen mittelgroßen Kaninchens von 1600 g
Gewicht einer ebensolchen Voruntersuchung unterzogen. Er erwies sich
als durchaus in jeder Beziehung normal. Er ist stark getrübt und re-
agiert alkalisch. Eiweiß und Gallenfarbstoff enthält er nicht. Versuchs-
weise wird er zum Vergleich sowohl mit Essigsäure wie mit Schwefel-
säure neutralisiert. Im ersten Fall wirkt er wieder hämolytisch, im
zweiten nicht einmal spurweise.
Am 15. I. wird dem Tier ein ganzes Gramm Sapindussaponin, in
-10 eem NaCl-Lösung gelöst, mittags unter die Rückenhaut gespritzt.
Im Wohlbefinden des Kaninchens tritt trotzdem zunächst keine Ande-
rung ein.
16. I. Das Tier hat 30 ccm Harn gelassen. Im Gegensatz zu dem
normal schmutziggelben Harn eines Kaninchens besitzt dieser eine
braungelbe Farbe. Er reagiert stark alkalisch. Blut, woran die braune
Farbe denken ließ, ist in dem Urin mit der Guajakprobe nicht nach-
weisbar. Eiweiß ist nicht vorhanden. Die Neutralisation wird mit ver-
dünnter Schwefelsäure vorgenommen. Die nunmehr mit dem Urin
angestellten Blutproben auf Hämolyse sind sämtlich posi-
tiv. Es werden in je 5ccm Urin total aufgelöst 2 Tropfen Menschen-,
Pferde- uud Hammelblut und zwar in 3 bzw. 2 und 1 Minute.
Nach dieser prompten hämolytischen Wirkung zu schließen, mußte also
in dem Harn schon ein beträchtlicher Teil des eingespritzten Saponins
ausgeschieden worden sein. Gallenfarbstoff läßt sich in dem Harn niebt
nachweisen.
17. I. Seit dem 16. abends macht das Tier einen schwerkranken
Eindruck. Es frißt gar nichts mehr und sitzt regungslos in einer Ecke
seines Käfigs.. Die Harnmenge beträgt nur 20 ccm, ist ziemlich klar
und kaum noch alkalisch. Proben von 5 cem hämolysieren zwei
Tropfen Menschenblut in 5 und Hammelblut in 10 Minuten
völlig. Verdünnungen mit NaCl-Lösung aa besitzen keine hämolytische
Kraft mehr. Bei Zusatz von überschüssiger Schwefelsäure zu
dem Harn tritt ein flockiger Niederschlag ein. Ob dieser aus Eiweiß
oder eventuell auch Sapogenin besteht, läßt sich nicht ohne weiteres
sagen. Diese Probe wird deshalb zusammen mit dem noch übrigen
vorhandenen Harn mit weiterer verdünnter Schwefelsäure versetzt und
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. - 271
2 Stunden lang im Wasserbad zerkocht. Die Flüssigkeit färbt sich da-
bei braunrot, und es fällt ein spärlicher, flockiger Nieder-
schlag aus. Die Flüssigkeit wird filtriert und das Filtrat auf Zucker
untersucht, der jedoch nicht nachweisbar ist. Auch der Niederschlag
ließ sich durch den hämolytischen Versuch nicht sicher als wirksam nach-
weisen, obwohl es wohl sicher ein Sapogenin war.
18. I. Das Tier hat sich anscheinend inzwischen wieder etwas
erholt, frißt aber noch nicht richtig. Es sind 65 cem leicht braungelber,
nicht ganz klarer, fast neutraler Harn vorhanden. Keine hämolytische
Wirkung auf Menschenblut und Pferdeblutkörperchen. Beim Neutrali-
sieren mit verdünnter Schwefelsäure wird der Harn ganz klar. Mit
Esbachs Reagens sowie mit Salzsäure und Kaliumquecksilberjudid
kann eine deutliche Fällung erzielt werden, durch Säure allein aber
nicht. Bleizucker gibt eine gelbe Fällung; das Filtrat des zersetzten
Bleizuckerniederschlags von nur 8 ccm Harn ist deutlich gelb und die
damit angestellte Gmelinsche Probe stark positiv. Während also die
Saponinausscheidung anscheinend zurückgetreten war, tritt jetzt eine
Nachwirkung in Form von im Harn vorhandenem Gallen-
farbstoff, wie auch von Eiweiß hervor. Die Zerkochung des
Harns mit Säure gibt einen mäßigen Niederschlag. Doch läßt sich
Zucker und Sapogenin dabei nicht nachweisen.
20.1. Von 2 Tagen zusammen 85 ccm alkalischer braungelber
Harn. Er besitzt keine hämolytische Wirkung, dagegen enthält er et»
was Eiweiß. Auch Gallenfarbstoff vorhanden, nur ist die Probe
nicht so deutlich wie vorher. 25 ccm, mit Säure zerkocht, geben einen
mäßigen Niederschlag. Zucker läßt sich in dem Filtrat nicht nach-
weisen. Der in Natriumcarbonat gelöste und in NaCl-Lösung aufge-
nommene Niederschlag rief binnen 20 Stunden bei Katzenblutkörperchen
eine partielle Hämolyse hervor, enthielt also wohl Spuren einer
hämolytischen Substanz.
21. I. Das Tier frißt wieder etwas. Es hat 140 cem Harn ge
lassen, der nicht mehr braun, sondern wieder wie normal, d. h. also
schmutziggelb aussieht. Auffallenderweise besitzt er jetzt nach dem
Neutralisieren mit Schwefelsäure starke hämolytische Wirkung. Von ca.
8 com Harn werden 2 Tropfen Katzenblutkörperchen in 10 Mi-
nuten völlig gelöst. Bei Verdünnung des Harns mit NaCl-Lösung
1:2 tritt nach 15 Minuten immer noch völlige und bei 1:4 verdünnt
wenigstens noch teilweise Hämolyse ein nach einigen Stunden. Eiweiß
und Gallenfarbstoff enthält der Harn nicht. Etwa 80 ccm werden mit
etwas Schwefelsäure 2 Stunden lang im Wasserbad zerkocht. Es ent-
steht ein mäßiger Niederschlag. der sich aber nicht durch Hämolyse
sicher als Sapogenin charakterisieren läßt.
23. I. Das Tier macht wieder einen kränkeren Eindruck. Der
gelassene Harn, 95 ccm, sieht normal aus. Kein Eiweiß; dagegen be-
sitzt er neutralisiert starke hämolytische Wirkung. 5 ccm Harn
ösen 2 Tropfen Menschenblut in 5 Minuten total; bei Verdünnung aa
272 J. Fieger:
mit NaCl-Lösung tritt nach ł2 Minuten partielle Hämolyse ein. Ver-
dünnung 1:4 übt keine Wirkung mehr aus. In 50 cem mit Säure zer-
kochten Harn läßt sich kein Zucker nachweisen, dagegen kann mit dem
Niederschlag, der in neutrale Lösung gebracht wird, nach 16 Stunden
Hämolys e von Katzenblutkörperchen erzielt werden.
23. I. Das Kaninchen ist wieder munter und frißt besser. Doch
ist es sehr heruntergekommen und mager. An der Injektionstelle
ist bis jetzt nichts zu sehen. Der Harn, 80 ccm, zeigt normale
Farbe und reagiert amphoter. Hämolytische Wirkung besitzt er heute
nicht; kein Eiweiß, kein Gallenfarbstoff.
24. I. 90 ccm alkalischer, etwas dunkler als normal aussehender
Harn. Starke hämolytische Wirkung. 5 ccm lösen 2 Tropfen
Menschenblut in 3 Minuten total, ebenso 2 Tropfen Rinderblut in
15 Minuten; bei Verdünnung mit NaCl-Lösung ía werden von 5 cem
2 Tropfen Menschenblut in 75 Minuten partiell und 2 Tropfen Rinder-
blut in 20 Minuten partiell gelöst. Gallenfarbstoff ist nicht nachweisbar.
Etwa 55 ccm mit Schwefelsäure 1 Stunde zerkocht geben einen grauen
Niederschlag. Im Filtrat läßt sich Zucker sicher nachweisen. Der
Niederschlag besteht aus Sapogenin, denn er bringt in neutraler
Lösung in 8ccm NaCl-Flüssigkeit nach Zusatz von 3 Tropfen Placentar-
blut bis zum nächsten Morgen totale Hämolyse hervor.
Die beiden Spaltungsprodukte des Saponins, nämlich re-
duzierender Zucker und Sapogenin, ließen sich also durch
Zerkochen des an sich hämolytisch wirkenden Harnes
gewinnen, und damit war auf diese Weise die Ausscheidung
des Saponins noch 9 Tage nach der Einspritzung im
Harn nachgewiesen. Schon vorher war es zeitweise zu
Ausscheidung von Gallenfarbstoff und von Eiweiß
gekommen. Unser Saponin wirkt also in großer Dose vom
Unterhautzellgewebe aus unbedingt blutzersetzend und macht
dabei Nierenschädigung. Endlich gelangte es sehr lang-
sam durch den Harn zur Ausscheidung und zwar zum
Teil unverändert, zum Teil wohl auch als ein Sapogenin. Was
die lokale Reizwirkung anlangt, so bildete sich langsam nach
dem neunten Tage ein Absceß aus, der sich nach dem Bauche
senkte und schließlich den Tod des Tieres bedingte. Die
Einzelheiten des Protokolles darüber übergehe ich.
Versuch 19. Einem mittelgroßen Kaninchen wird am 17. XII.,
5 Uhr nachmittags, 1 g Sapindussaponin, in etwa 10 cem Wasser auf-
gelöst, mit einem dünnen Gummischlauch direkt in den Magen ein-
geführt.
18. XII. Das Tier befindet sich noch ganz wohl. Bis 10 Uhr vor-
mittags hat es 80 ccm Harn gelassen, der sofort untersucht wird. Er
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 273
reagiert alkalisch und ist nur schwach trübe. Durch Salzsäure wird er
klar und neutral. 5 com werden mit 2 Tropfen Placentarblut versetzt.
Es tritt keine Hämolyse ein. Saponin scheint also in dem Harn nicht
vorhanden zu sein. Eiweiß ebenfalls nicht nachweisbar. Eine kleine
Menge Harn wird mit überschüssiger Schwefelsäure versetzt. Es tritt
keinerlei Veränderung und vor allem kein Niederschlag ein. Also ist
auch kein Sapogenin vorhanden, da dieses ja in freier Säure unlöslich
ist. Dagegen ist in dem Zersetzungsfiltrat (mit Alkohol-Schwefelsäure)
des Bleizuckerniederschlags Gallenfarbstoff spurweise vorhanden. Im
Laufe des Tages läßt der Appetit des Tieres bedeutend nach. Um 5 Uhr
nachmittags wird ihm wieder 1 g des Saponins in Wasser gelöst in den
Magen eingeführt. Das Kaninchen frißt danach überhaupt nicht mehr
und macht einen kranken Eindruck.
19.XII. Das Tier hat noch keinen weiteren Harn gelassen. Es
sitzt den ganzen Tag über bewegungslos in einer Ecke seines Käfigs und
frißt gar nichts. Um 5 Uhr läßt es den ersten Harn. Dieser wird mit
Schwefelsäure neutralisiert und 5ccm davon mit Katzenblutkörperchen
geprüft. Er wirkt hämolytisch. In der Bleizuckerfällung war
Gallenfarbstoff deutlich nachweisbar. Eiweiß enthielt der Urin
nicht. Durch überschüssige Säure ließ sich kein Sapogenin ausfällen.
Durch Verabfolgung des zweiten Grammes Saponin wurde
das Wohlbefinden des Kaninchens, obwohl dies bei innerer
Darreichung kaum zu erwarten war, schon erheblich gestört.
Der Harn löste in einer Menge von nur 5ccm 2 Tropfen Placen-
tarblut teilweise auf. Es mußten also bereits kleine Mengen
des Saponins mit dem Harn ausgeschieden worden sein. Auch
im Organismus hatte das Saponin bereits seine blutschädigende
Wirkung entfaltet, wie dies ja bereits nach dem 1. Gramm der
Fall zu sein schien, wo schon Spuren von Gallenfarbstoff im
Urin nachweisbar waren. In dem zuletzt gelassenen Urin war
Gallenfarbstoff sehr deutlich nachweisbar. Die ikterische Wir-
kung des Saponins war also im Zunehmen begriffen und wohl
unzweifelhaft. Leider starb dann das Tier später bei einer
neuen Einspritzung, die in die Lunge geraten war.
Immerhin beweist dieser Versuch, daß innerlich in
GrammdosenverabfolgtesSapindussaponinvomKanin-
chen z. T. resorbiert wird und gewisse störende Wir-
kungen, wie Appetitverlust und Blutzersetzung, ent-
faltet.
c) Ich gehe nun zu Versuchen am Hund über.
Versuch 19. Ein mittelgroßer Hund von 13 kg Körpergewicht,
der dauernd im Kasten gehalten wird und täglich die gleiche Nahrung
274 J. Fieger:
erhält, so daß sein Harn Tag für Tag genau dieselbe Zusammensetzung
hat, erhält am 6. XII., vormittags 9 Uhr, nachdem er Harn gelassen hat,
l g Sapindussaponin. Er verschluckt dies mit Fleisch, ohne Erbrechen
zu bekommen. Ebenso bekommt er am 7., 8. u. 9. XII. um dieselbe Zeit
je 1g desselben Saponins. Der Hund ist so abgerichtet, daß er immer
um dieselbe Zeit Harn läßt, der sauber aufgefangen wird. Und zwar
geschieht dies immer morgens, so daß der Urin immer gleich untersucht
werden kann,
6. XII. Mit dem vor der Verabfolgung des 1. Gramms Saponin ge-
lassenen Harn werden zur Kontrolle einige Blutproben angestellt. Es
ergibt sich, daß er keine Hämolyse hervorruft. Auch ist er wie der
Harn aller früheren Tage normal und ohne Besonderheiten. Auf Säure-
zusatz fällt nichts aus, also auch keine Kynurensäure.
7.XII. Der von dem Kastenhund am 7. XII., also nach Verab-
folgung des 1. Gramms Saponin gelassene Harn wird mit Bleiessig aus-
gefällt. Die Menge der gefällten Phosphate, Sulfate, Chloride usw. ist
eine sehr große. Das Filtrat wird mit verd. Schwefelsäure entbleit
und filtriert. Eine kleine Menge dieses Filtrates wird neutralisiert, um
damit die Zuckerprobe anzustellen. Die Fehlingsche Probe erweist sich
negativ. Der größte Teil des nicht neutralisierten Filtrates wird mit einigen
Kubikzentimeter Schwefelsäure versetzt und 4 Stunden im Wasserbad er-
hitzt, um etwa vorhandenes Saponin zu spalten in Zucker und Sapogenin,
Nach 4stündigem Erhitzen wird die Flüssigkeit abgekühlt. Dabei tritt
eine Trübung, aber kein Niederschlag ein. Schon daraus ist zu schließen,
daß kein Saponin im Harn vorhanden gewesen ist; denn sonst hätte
sich in der sauren Lösung Sapogenin abscheiden müssen. Es wird nun
weiter ein Teil der Flüssigkeit nach vorheriger Neutralisation mit NaOH
auf Zucker untersucht; es ist aber keiner vorhanden. Es ist also kein
Saponin im Filtrat der Bleiessigfällung vorhanden gewesen. Im übrigen
besitzt auch der frisch gelassene Harn vom 7. XII. an und für sich keine
hämolytische Wirkung.
8. XII. Im Gegensatz zum Harn vom 7. XII. ist der heutige spur-
weise alkalisch, im übrigen klar und hellgelb. Da beim vorigen Harn
im Filtrat der Bleiessigfällung nichts gefunden wurde, wird heute auch
die Bleiessigfällung mit untersucht. Die Verarbeitung des Harns ge-
staltet sich also folgendermaßen: Die Gesamtmenge wird gleich nach der
Entleerung mit neutralem Bleiacetat ausgefällt. Eine Probe des
Filtrates wird mit Bleiessig im Überschuß versetzt, gibt aber damit,
da ja der Harn von vornherein alkalisch gewesen ist, keinen Nieder-
schlag. Es sind also im ganzen überhaupt nur 2 Portionen zu unter-
suchen, nämlich der neutrale Bleizuckerniederschlag und sein Filtrat.
Der Bleizuckerniederschlag wird nun mit verd. Schwefelsäure zer-
setzt und mit Aqu. dest. durchgewaschen. Ein kleiner Teil des erhaltenen
Filtrates wird mit Natriumcarbonat neutralisiert und damit die Fehling-
sche Probe angestellt. Es tritt keine Reduktion ein. Der größere Teil
des Filtrates wird mit verd. Schwefelsäure einige Stunden auf dem Wasser-
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 275
bad erhitzt. Nachdem sich die Flüssigkeit abgekühlt hat, findet sich am
Boden ein ganz dunkler Niederschlag. Er wird abfiltriert und das Fil-
trat nach vorheriger Neutralisation mit NaOH auf Zucker geprüft. Die
Fehlingsche Probe ist negativ. Der Filterrückstand wird mit physiolo-
gischer Kochsalzlösung durchgewaschen unter gleichzeitigem Zusetzen
von Natriumcarbonat bis zur Neutralisation, wobei er sich z. T. löst. Die
mit der erhaltenen Flüssigkeit angestellte Blutprobe bringt keine Hämolyse
hervor. Es war also im Bleizuckerniederschlag kein Saponin enthalten.
Das Filtrat der Bleizuckerfällung wird nun in derselben Weise
untersucht. Nach dem Erhitzen mit verd. Schwefelsäure ist auch hier
weder Zucker noch ein Sapogenin nachweisbar. Also auch bei dem Harn
des 2. Tages verlief die Untersuchung vollständig resultatlos. Dement-
sprechend bleibt auch eine zum Harn zugesetzte Blutprobe
völlig ungelöst. Ebenso negativ verlief auch die Untersuchung des
Harns vom 9. XII., obwohl das Tier am 6., 7., 8. u. 9. XII. täglich ein
Gramm Saponin innerlich erhalten hatte.
10. XII. Der Harn, 200 cem betragend, reagiert amphoter, ist aber klar.
Kleine Proben von 5bis10cem ergeben bei Zusatz von 2 Tropfen Kaninchen-
und 2Tropfen Menschenblut soforttotaleHämolyse. Esistalsoent-
weder Saponin oder ein Sapogenin vorhanden. Ein größerer Teil
des Harns wird daher mit neutralem Blei ausgefällt. Der sehr voluminöse
Niederschlag ist dieses Mal nicht weiß wie an den vorhergehenden Tagen,
sondern deutlich gelb und erweckt den Verdacht, daß Gallenfarbstoff
darin enthalten ist. Er wird daher auf Gallenfarbstoff untersucht. Er
wird zu diesem Zweck mit verd. Schwefelsäure zersetzt und filtriert.
Das bleifreie Filtrat sieht intensiv ikterisch aus und gibt beim Aus-
schütteln mit Chloroform an dieses Bilirubin ab, welches sämtliche
üblichen Gallenfarbstoffreaktionen und zwar auf das intensivste gibt.
Beim Stehen an der Luft geht sowohl die wässerige als auch die Chloro-
formlösung nach einigen Stunden in Biliverdin über. Auch das Bili-
verdin gibt die dafür charakteristischen Reaktionen.
Somit war erstens dargetan, daß die innerliche Verab-
folgung des Sapindussaponins beim Hunde blutzer-
setzend gewirkt hat. Nur ist das zersetzte Blut nicht direkt
in Form von Hämoglobin, sondern nur indirekt, d.h. in Form
von Gallenfarbstoff zur Ausscheidung gelangt. Zweitens
ist dargetan, daß mit dem Gallenfarbstoff gleichzeitig offenbar
auch etwas unverändertes Saponin ausgeschieden wor-
den ist; deshalb löste der Harn Blutkörperchen auf. Gallen-
säuren waren nicht vorhanden. Resorption und Ausschei-
dung des Saponins gehen offenbar recht langsam vor
sich; erst am vierten Tage nach Beginn der Fütterung zeigt
der Harn die erwarteten Veränderungen. Da der Harn Men-
schen- und Kaninchenblut sofort löste, so muß für Menschen-
Biochemische Zeitschrift Band 86. 19
276 J. Fieger:
blut die Konzentration des Saponins darin (nach meinen früheren
Versuchen) mindestens die von ca. 1:8000 bis 1:1200 ge-
wesen sein.
11. XII. Das Tier ist heute entschieden krank und frißt nicht
mehr, während es bis jetzt einen ziemlich normalen Eindruck gemacht
hatte. Allerdings schien der Hund schon am gestrigen Tage beim Harn-
lassen Beschwerden zu haben. Die Menge des Harns beträgt 155 ccm.
Reaktion amphoter. Farbe deutlich gelb. Die hämolytische Probe er-
gibt, daß der Harn an sich, wenn 5 ccm mit 2 Tropfen Menschenblut
versetzt werden, augenblicklich totale Hämolyse hervorruft.
Dasselbe ist auch der Fall, wenn der Harn mit NaCl-Lösung 1:2 ver-
dünnt wird, ebenso noch, wenn er 1:4 verdünnt wird. Bei 1:8 dauert
es 3 Minuten, bis totale Hämolyse eintritt. 1:16 wirkt nicht mehr.
Da der Harn also noch bei 8facher Verdünnung hämolysierend wirkt,
so entspricht er 8mal 155 ccm, d. h. 1240 ccm einer gerade eben noch
hämolytisch wirkenden Saponin-NaCl-Lösung, d. h. einer Lösung von
1:8000 bis 1:12000. Die Menge des Saponins im Harri beträgt also
103 bis 155 mg.
Während im gestrigen Harn bei gleicher Art der
Schätzung nur 17 bis 25 mg Saponin vorhanden sein
konnten, ergibt sich heute die öfache Menge. Es gelang,
den Harn durch neutrales Bleiacetat zu reinigen. Der Blei-
niederschlag, der intensiv gelb aussah und aus dem sich
‚reines Bilirubin ausziehen ließ, war saponinfrei, das Filtrat
der Bleiacetatfällung, mit Natriumcarbonat entbleit, und neu-
tralisiert, wirkte dagegen deutlich hämolytisch. Der Ver-
such, daraus mit 90°/,igem Phenol das unveränderte Saponin
nach Brunner auszuschütteln, mißlang mir jedoch leider, da
diese Technik ziemlich schwierig ist.
12. XII. Der Harn hat heute eine intensiv braungelbe Farbe.
Die Menge beträgt 230 ccm. Reaktion amphoter. 5ccem, mit 2 Tropfen
Kaninchenblut versetzt, ergeben keine Hämolyse. Der Harn wird mit
neutralem Blei unvollkommen ausgefällt und die braungelbe Bleifällung
mit Alkohol, dem etwas verd. Schwefelsäure zugesetzt ist, zersetzt. Das
Filtrat sieht tiefgelb aus und gibt mit Salpetersäure das
charakteristische Farbenspiel der Gmelinschen Probe. Durch
ÖOxydationsmittel läßt sich das Bilirubin leicht in Biliverdin überführen.
Auch der Harn vom 12.XII. erlaubt also den Schluß, daß
im Körper des Hundes durch das am 6. bis 9. XII. ein-
gegebene Saponin eine Blutzersetzung bis zu Gallen-
farbstoff vor sich gegangen ist. Da der Harn von heute
nicht hämolytisch wirkt, so kann man auch bestimmt sagen,
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 277
daß die Hämolyse des vorhergehenden Tages nicht etwa auf
Gallensäuren bezogen werden kann, denn diese mußten im
heutigen stärker ikterischen Harn ja vermutlich noch reich-
licher vorhanden sein. Der Gallenfarbstoff ließ sich aus dem
neutralen Bleiniederschlag rein darstellen, gab prachtvolle Gme-
linsche Reaktion und ging beim Stehen an der Luft binnen
24 Stunden in Biliverdin über. Die Untersuchung auf Gallen-
säuren ergab deren Abwesenheit.
13. XII. Die sehr große Menge von 435 ccm Harn deutet auf eine
diuretische Wirkung des Saponins. Der Harn reagiert schwach alkalisch.
Eiweiß ist nicht nachweisbar. Keine hämolytische Wirkung. 35 cem
werden mit Bleizucker ausgefällt und aus dem zersetzten Niederschlag,
wie oben schon öfter beschrieben, ein gelbes Filtrat gewonnen, das eine
stark positive Gmelinsche Probe gibt. Urobilin ist nicht vorhanden.
Da sich schon aus 35 ccm Harn reichlich Gallenfarbstoff
nach der Bleimethode abscheiden ließ, so gibt das auf den
ganzen Harn berechnet eine sehr beträchtliche Menge. Daraus
muß geschlossen werden, daß die Giftwirkung des Saponins
auf das Blut beim Hunde nach innerlicher Darrei-
chung nicht nur intensiv, sondern auch extensiv ist,
d.h. daß es sehr lange anhält. In dem geringen Bodensatz
des Harns fanden sich beim Mikroskopieren einige ikterische
Körnercylinder, außerdem Krystalle von einfachen Phos-
phaten und Tripelphosphaten.
14. XII. 390 ccm neutraler Harn. Keine hämolytische Wirkung auf
Katzenblutkörperchen, kein Eiweiß. Dagegen ist Gallenfarbstoff in
der Bleifällung von 10 ccm Harn deutlich nachweisbar.
15. XII. 290ccm neutraler Harn. Keine hämolytische Wirkung.
Kein Eiweiß. Gallenfarbstoffausscheidung nur noch schwach.
16. XII. 350 ccm hämolytisch unwirksamer, neutraler Urin. Kein
Gallenfarbstoff nachweisbar.
17. XII. 340 ccm, neutral. Weder Hämolyse, noch Eiweiß. Spuren
von Gallenfarbstoff nachweisbar.
18. XII. 305 cem. Außer einer Spur Gallenfarbstoff nichts Be-
sonderes.
19. XII. bis 8.I. Harn enthält immer noch von Zeit zu Zeit Spuren
von Gallenfarbstoff. Seine Menge sinkt allmählich ab.
Die Blutzersetzung klingt also langsam ab. Unter allen
Umständen scheint mir durch den Versuch dargetan zu sein,
daß das Sapindussaponin bei innerlicher Verabfolgung
in Grammdosen am Hund keineswegs quantitativ im
Darm entgiftet wird, sondern in wirksamer Form teil-
19*
278 J. Fieger:
weise resorbiert wird, blutzersetzend wirkt und sogar
z. T. im Harn wiedererscheint, dessen Menge dabei
vermehrt wird.
Versuch 20. Ein anderer Hund von 9 Kilo Gewicht erhält am
14. II., vormittags 9 Uhr, 1 g Sapindussaponin, ebenso die folgenden
9 Tage, also im ganzen 10 g. Er erbrach nie, da das Saponin stets in
Fleisch gewickelt verabfolgt wurde.
15.1I. Harn, 175 ccm, schwach alkalisch, hellgelb. Kein Eiweiß,
keine Hämolyse. Gallenfarbstoff spurweise nachweisbar, wäh-
rend bis dahin der Harn davon frei war.
16. II. Harn, 265 ccm, dunkelgelb, klar, neutral. Hämolyse und
Eiweiß nicht vorhanden. Gallenfarbstoff gut nachweisbar.
17.1I. Harn, 280 ccm, neutral, dunkelgelb. Keine Hämolyse, kein
Eiweiß, dagegen reichlich Gallenfarbstoff.
18. II. 145 ccm neutraler, hellgelber, klarer Harn. Mäßig Eiweiß.
Sehr starke hämolytische Wirkung. 2 Tropfen Placentarblut vom
Menschen in jedem Glas werden vom Harn wie folgt völlig gelöst:
Glas I 5cem physiol. NaCl-Lösung zur Kontrolle
» I5 »n Harn
r M5 » » und physiol. NaCl-Lösung 1:2
n IV 5 r n n n ” 1:4
” Y Sy n ” ” n 1:8
» VIŠ » n n ” n 1:16
» VII5 » physiol. NaCl-Lösung zur Kontrolle.
Glas I u. VII setzen klar ab, Glas II u. III wird sofort, Glas IV
und V in 30 Sek., Glas VI in 1 Minute völlig gelöst.
Weitere Verdünnungen wirken nicht mehr völlig hämolytisch.
Nach der hämolytischen Wirkung zu urteilen, müßten im heutigen
Harn, wie Vergleichsversuche mit physiol. NaCl-Lösung zeigen, 193 mg
Saponin ausgeschieden worden sein.
Um den Harn größtenteils von den Farbstoffen usw. zu befreien,
wird er unvollkommen mit Bleizucker ausgefällt. Die Fällung sieht
deutlich gelb aus, was auf sehr viel Gallenfarbstoff schließen läßt.
Die Gmelinsche Probe bestätigt das auch. Im Filtrat der Fällung läßt
sich mit Fehling Zucker nicht nachweisen. Das Saponin, das sich ja
nach den Vorversuchen durch Blei nicht ausfällen läßt, mußte also im
Filtrat enthalten sein. Eine kleine Probe von cem löst auch 2 Tropfen
Menschenblut sofort völlig auf. Da sich aus dieser Flüssigkeit nach dem
Entbleien durch Natriumcarbonat durch Ansäuern nichts abscheiden
läßt, so ist damit bewiesen, daß nicht Sapogenin, sondern unver-
ändertes Saponin vorhanden ist. Diese Saponinflüssigkeit wird
nun mit verdünnter Schwefelsäure 1 Stunde lang im Wasserbad zerkocht.
Dabei färbt sie sich dunkelrot. Außerdem tritt ein Niederschlag ein.
Im Filtrat läßt sich mit Fehling jetzt reichlich Zucker nach-
weisen. Der auf dem Filter bleibende Rückstand, das Sapogenin, dem
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 279
ein dunkelroter Farbstoff beigemischt ist, wird mit wenig NaOH in 10 com
NaCl-Lösung gelöst und neutralisiert. Die Lösung ist von roter Farbe.
5ccm davon lösen 2 Tropfen Menschenblut in wenigen Minuten auf.
Damit ist biologisch nachgewiesen, daß ein durch Zerkochen
entstandener wasserunlöslicher Stoff von hämolytischer
Wirkung, also Sapogenin, vorhanden ist. Auf dem Filter bleibt
auch nach der Lösung des Sapogenins eine starke dunkelrote Färbung
zurück. Durch Aufgießen von Alkohol geht ein großer Teil dieses Farb-
stoffs in Lösung. Mit Äther ist die rote Substanz daraus nicht aus-
fällbar, sondern sie geht in diesen über. Auch in Essigäther ist sie
löslich. Weiteres über diesen Farbstoff vermag ich nicht auszusagen.
Vor dem Spektroskop war das Grün verdunkelt.
19. U. 165 ccm neutraler, braungelber Harn. Keine Hämolyse,
kein Eiweiß. Sehr viel Gallenfarbstoff. Mit Bleizucker von den
Farbstoffen befreit, wird der Harn mit verd. Schwefelsäure zerkocht.
Dabei tritt wieder die dunkelrote Färbung ein. Der Niederschlag ist
sehr gering. Im Filtrat tritt mit Fehling langsame Reduktion ein. Der
rote Farbstoff des Sapogeninniederschlages ist wieder in Alkohol löslich.
Da er bei der Überführung von Alkohol in Äther eine violette und beim
Übergang aus dem Ätherverdunstungsrückstand in Chloroform eine blaue
Farbe annimmt, so dürfte er als aus Indican entstanden angesprochen
werden, dem vielleicht ein roter Skatolfarbstoff beigemischt ist. Ober-
meyers Reagens bestätigt dies für den nativen Harn. Im Spektroskop
ist ein deutlich dunkler Streifen, der den letzten Teil des Rot und den
Anfang des Gelb auslöscht. Die Menge des Farbstoffgemisches muß eine
ziemlich beträchtliche sein, da der Niederschlag des zerkochten Harns,
trotzdem er schon ?mal mit Alkohol extrahiert war, immer noch rot
aussieht und roten Farbstoff abgibt. Diese starke Farbstoffausscheidung
ist jedenfalls durch die starke Eiweiß- und Blutzersetzung infolge der
Gifteinwirkung des Saponins bedingt. Ein Teil des Filterrückstandes,
mit etwas kohlens. Natron in 5cem NaÜl-Lösung gelöst und neutralisiert,
bringt 2 Tropfen Blut nach einigen Stunden zu partieller Hämolyse,
so daß neben dem Farbstoff in dem Niederschlag des zerkochten Harns
auch Sapogenin als vorhanden erwiesen ist.
20. II. 295 ccm neutraler Harn. Keine Hämolyse, etwas Eiweiß;
sehr viel Gallenfarbstoff.
21.11. 385 ccm dunkelgelber, neutraler, klarer Harn. Mäßig Ei-
weiß, keine deutliche Hämolyse. Mit Fehling längere Zeit erhitzt,
tritt starke Reduktion ein. Der Harn wird mit Bleizucker ausgefällt,
dann mit Säure zerkocht. Es bildet sich eine gelbrote, trübe Flüssig-
keit. Klares Filtrat, das gelbrot aussieht und reduziert. Auf dem Filter
bleibt ein gelbroter Rückstand zurück. Ein Teil löst sich leicht in
Alkohol, der Rest in Alkohol mit etwas Wasser verdünnt. Bei Zusatz
von Säure fallen aus dem letzten Teil weiße Flocken aus, die, mit wenig
NaOH in NaCl-Lösung gelöst und neutralisiert, partiellhämolysieren.
Also etwas Sapogenin vorhanden.
280 J. Fieger:
22. II. 405 ccm neutraler dunkelgelber Harn. Etwas Eiweiß. Starke
Blutwirkung; bis zur 12fachen Verdünnung völlige Hämolyse
von Katzenblutkörperchen. Gallenfarbstoff reichlich vor-
handen. Die Hauptmenge des Harns wird mit Bleiacetat ausgefällt
und das Filtrat nach dem Entbleien mit Säure zerkocht. Die Flüssig-
keit wird dabei diesmal nicht rot, sondern bleibt ungefärbt wie sie war.
Sie reduziert jetzt Kupfer und zwar in der für Zucker charakteristischen
Weise. Der beim Zerkochen entstandene Niederschlag wird auf einem
Filter gesammelt, gewaschen, in wenig NaOH gelöst und aus dieser
Lösung durch Zusatz von Säure als weißer Niederschlag gewonnen.
Dieser ist das reine Sapogenin. Die starke hämolytische Wir-
kung dieser Substanz bestätigt diese Annahme.
23. II. 365 ccm neutraler hellgelber Harn. Etwas Eiweiß. Der
Harn reduziert etwas. Keine Hämolyse, weniger Gallenfarbstoff
als am Tage vorher.
24. II. 385 ccm neutraler, hellgelber Harn. Etwas Eiweiß. Der
Harn reduziert. Hämolyse bis zur 8fachen Verdünnung. Gallen-
farbstoff nur wenig vorhanden. Säure fällt kalt nichts aus. Beim
Zerkochen ein rotes, klares Filtrat, das reduziert. Der Niederschlag
auf dem Filter, ein Gemisch von Sapogenin und Farbstoff, gibt an
wasserhaltigen Alkohol das Sapogenin ab; beim Nachwaschen des Filters
in Chloroform starke Blaufärbung. Es ist also wieder Indigofarbstoff
vorhanden. Die Lösung des Sapogenins in phys. NaCl besitzt
starke hämolytische Wirkung.
25. II. Harn 300 ccm, fast farblos, neutral. Keine Hämolyse, etwas
Eiweiß. Harn reduziert. Bleizuckerfällung weiß, wenig Gallenfarb-
stoff. Mit Säure zerkocht dunkelrote Verfärbung, aber kein Nieder-
schlag. Das Filtrat reduziert. Indigofarbstoff nachweisbar.
26. II. 400 ccm neutraler, hellgelber, klarer Harn, der reduziert.
Keine Hämolyse, kein Eiweiß. Gallenfarbstoff wieder deutlich
vermehrt. Mit Blei ausgefällt und mit Säure zerkocht, zeigt der Harn
dunkelrote Verfärbung. Etwas Indigofarbstoff vorhanden. Kein Nieder-
schlag, also kein Sapogenin abspaltbar.
27. bis 28. II. Harn bis auf Spuren von Gallenfarbstoff normal.
Im März wurde der Harn ganz normal.
Dieser zweite Versuch mit Sapindussaponin am Hund, der
als Kontrolle für den ersten dienen sollte, hat also die bei dem
ersten gemachten Beobachtungen voll bestätigt und in einigen
Punkten noch ergänzt. In dem ersten Versuch war der Nach-
weis der Saponinausscheidung nur durch die hämolytische
Wirkung des Harns geführt worden. In diesem Versuch
konnte das Saponin auch durch sein Spaltungsprodukt,
das Sapogenin, das in ziemlich reiner Form dargestellt
wurde, und durch den abgespaltenen Zucker charak-
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 281
terisiert werden. Beide Substanzen, das Saponin und
das Sapogenin, wirkten hämolytisch., Danach ist an
einer, wenn auch nurteilweisen, langsam eintretenden
Ausscheidung des Sapindussaponins im Harn beim
Hund nach innerlicher Verabfolgung massiver Dosen
nichtmehr zu zweifeln. Im übrigen tratdieblutschädigende
Wirkung des Saponins auch in diesem Versuch indirekt,
d. h. in Form von Gallenfarbstoffausscheidung, zutage.
Die gesteigerte Diurese trat hier ebenfalls deutlich noch in die
Erscheinung. Als neues Moment erschien eine leichte Eiweiß-
ausscheidung im Urin. Ferner ließ das nachgewiesene Chro-
mogen darauf schließen, daß auch eine starke Protoplasma-
schädigung im Organismus durch das Saponin stattfand,
deren Schlacken z. T. durch den Harn ausgeschieden wurden.
Ungiftig ist also das Sapindussaponin in Grammdosen pro Tag
für den Hund durchaus nicht. Daß es bei Darreichung viel
kleinerer Mengen unschädlich ist, ja vielleicht im Sinne eines
Gewürzes nützlich wirken kann, will ich nicht bestreiten; ich
habe mich eben nur mit der Wirkung massiver Dosen beschäftigt.
7. Einige Versuche mit Guajaksaponin,
Ausführliche Angaben über die Geschichte des Guajak-
holzes und seiner Rinde, sowie über die chemische Zusammen-
setzung beider finden sich bei Frieboes!), so daß ich hier
darauf verzichten kann, solche zu machen. Nur so viel sei be-
merkt, daß die Blätter des Guajakbaumes zwei andere Sapo-
nine enthalten als die Rinde. Das in Deutschland offizinelle
splintfreie Kernholz enthält nur Harze und gar keine Saponine.
Ich benutzte das Handelspräparat der Firma E. Merck,
welches auf Veranlassung von Geh.-Rat Kobert in den Handel
gebracht wird und die Bezeichnung Guajaksaponin führt. In
Wahrheit müßte es genauer als Guajakrindensaponingemisch
bezeichnet werden, denn es enthält sowohl neutrales als saures
Saponin der Rinde.
1) Walter Frieboes, Beiträge zur Kenntnis der Guajakpräparate.
Gekrönte Preisschrift. Mit einem Vorworte von R. Kobert, Stuttgart
1903.
282 J. Fieger:
a) Versuche mit Guajaksaponin und -sapogenin an Blut.
Mit einer 1°/,igen, mit physiologischer Kochsalzlösung
hergestellten neutralisierten Guajaksaponinlösung werden fol-
gende Versuche gemacht.
Versuch 1. Menschenblut.
Glas I 5cem physiol. NaCl-Lösung zur Kontrolle
» 15» “ ” 50,0 mg Saponin enthaltend
»n M 5 » ” „ 25,5 » n n
n IV 5» n ” 12,55 » » n
n V5»n ” n 6,25 » ” n
» VI5» n » 3,12» „ ”
„VI 5 » ” ” 1,56 » “ ”
Zu jeder Probe werden 2 Tropfen Menschenblut zugesetzt. Bis
zum nächsten Morgen haben alle Proben vollständig klar und farblos
abgesetzt. Alle Blutkörperchen liegen unverändert am Boden.
Das Guajaksaponin besitzt also auf serumhaltiges
Menschenblut keine hämolytische Wirkung, selbst
nicht wenn die Konzentration des Giftes 1:100 beträgt.
Versuch 2. Pferdeblut, serumarmes, das durch Absetzung
gewonnen ist. Anordnung und Ausführung wie bei Versuch 1. Zu jedem
Glas wird 1 Tropfen Blutkörperchenbrei zugesetzt.
Auch diese Proben setzen alle, also selbst in dem Glase mit 50 mg
Saponin, klar ab.
Unser Saponin übt also auch auf Pferdeblut keinerlei
hämolytische Wirkung aus, und zwar selbst dann nicht, wenn
die Hauptmenge des Serums entfernt ist und die Saponin-
menge 1:100 beträgt.
Versuch 3. Ziegenblut, serumhaltig. Ausführung wie in Ver-
such 1.
Keine Hämolyse. Also auch Ziegenblut wird durch unser
Saponin nicht angegriffen, selbst wenn die Konzentration des
Saponins 1:100 beträgt.
Versuch 4. Hühnerblut, serumhaltig. Ausführung wie oben
bei Versuch 1.
Guajaksaponin ruft bei Hühnerblut keine Hämolyse hervor,
selbst wenn die Konzentration des Saponins 1:100 beträgt.
Fassen wir alle Versuche zusammen, so ergeben sie eben-
falls, daß das Guajaksaponin der Firma Merck auf Blut
von Mensch, Ziege, Pferd, Huhn, selbst wenn das
Serum zum größten Teil entfernt ist, auch bei der
sehr starken Konzentration von 1:100 binnen 24 Stun-
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 283
den ohne Einwirkung ist. Da ich obige Blutarten, wie sie
sich mir gerade boten, und nicht etwa als die allerunempfindlich-
sten ausgewählt habe, so wird mein Ergebnis wohl auch noch
für eine Reihe weiterer Blutarten Geltung haben.
Etwa ein Jahr, nachdem ich vorstehende Versuche an-
gestellt hatte, erschien eine Publikation von J. Rühle!), in
welcher dieser ausgezeichnete Fachmann sich eingehend von
neuem mit dem Nachweis von Saponin in Schaumgetränken
beschäftigt und nach sorgfältigster Isolierung die Saponine
mittels gewaschener Blutkörperchen auf ihre hämolytische Kraft
prüft. Er fand, daß die beiden Komponenten des Guajak-
rindensaponins, das saure und das neutrale, auf gewaschene
isolierte Blutkörperchen noch bei 1:1000 nicht ohne hä-
molytische Kraft sind, und zwar besonders das saure. Für
das saure wissen wir dies schon durch Frieboes; für das
neutrale möchte Kobert Rühle nicht beipflichten. Jedenfalls
betone ich meinerseits demgegenüber, daß bei der von mir
gewählten Versuchsanordnung das Mercksche Präpa-
rat selbst bei 10mal größerer Konzentration, als
Rühle sie angewandt hat, binnen 24 Stunden keiner-
lei hämolytische Wirkungen ausübte. Würde man also
einem Schaumgetränk selbst die’10 fache Menge der Dose, die
zum Schaumerzeugen notwendig ist, zusetzen, so würden den-
noch 10 Flaschen einer solchen Limonade, im Laufe eines
Tages getrunken, das Blut des betreffenden Menschen wohl
kaum schädigen. Für den Rühleschen Nachweis kommt es
eben auf die Entfernung der letzten Spuren von Blut-
serum an; im lebenden Organismus kommt dies aber nie vor.
Ich gehe nun zur Besprechung meiner Versuche mit dem
Sapogenin des Merckschen Guajaksaponins über. 10ccm der
1°/ igen Guajaksaponinlösung werden mit 2ccm verdünnter
Schwefelsäure versetzt und diese Mischung 2 Stunden im
Wasserbad gekocht. Schon bei dem Zusatz der Säure tritt
eine sehr starke weiße Fällung ein, da ja das Handelspräparat
ein Gemisch beider Rindensaponine ist, von dem das saure in
1) Über den Nachweis von Saponin, III. Mitteilung. Sonderdruck
aus Zeitschr. f. Unters. d. Nähr- u. Genußmittel, 27, 1914, Heft 1 bis 3
(Königfestschrift).
284 J. Fieger:
angesäuertem Wasser unlöslich ist. Im Laufe der 2 Stunden
wurde der Niederschlag noch stärker, da beide Saponine in
Sapogenine übergingen. In dem neutralisierten Filtrat läßt
sich nach Fehling Zucker nachweisen. Der Niederschlag, der
das Sapogeningemisch sein muß, wird mit kohlensaurem Natron
gelöst, mit NaCl-Lösung verdünnt und dann die Mischung
neutralisiert. Sie beträgt 30 ccm. 1 ccm entspricht dem Sapo-
genin aus 3,3 mg Saponin, auf Sapogenin berechnet also höch-
stens 2 mg, auch wenn man berücksichtigt, daß die Ausbeute
an Sapogenin bei Guajaksaponin 3 mal größer ist als bei
Sapindussaponin (60 statt 20°/,).
Versuch 5. cem dieser Sapogeninlösung werden abends mit
2 Tropfen Menschenblut versetzt. Bis zum nächsten Morgen ist
vollständige Hämolyse eingetreten. 5 weitere ccm wirken auf
2 Tropfen Taubenblut binnen einer Stunde völlig hämolytisch.
Weitere 5ccm bringen 2 Tropfen Rinderblut vollständig zur Hä-
molyse.
Während also das Guajaksaponin als solches bei meiner
Versuchsanordnung nicht hämolytisch wirkt, ist die hämo-
lytische Wirkung des durch Zerkochen mit Säure nach
Abspaltung von Zucker erhaltenen Sapogeningemisches
eine recht beträchtliche. Bei 5mg: 5cem, d. h. bei 1:1000
tritt noch völlige Hämolyse ein. Wahrscheinlich geht sie
sogar noch weiter. Es ist die Vermutung nicht ganz von
der Hand zu weisen, daß Rühles wiedergewonnene
Saponine sapogeninhaltig waren.
Versuch 6. Von einer 1°/,igen Guajaksaponinlösung werden
20 cem mit 4ccm verdünnter Schwefelsäure länger als 1 Stunde zerkocht.
Beim Zusatz der Säure fällt das saure Saponin in weißen Flocken aus.
Nach 1stündigem Kochen im Wasserbad ist ein sehr starker weißer
Niederschlag von Sapogeninen eingetreten, der auch nach längerem
Stehen etwa !/, des Flüssigkeitsvolumens ausmacht. Nach dem Abifil-
trieren läßt sich im Filtrat reichlich Zucker nachweisen. Das Sapo-
geningemisch selbst wird in 40 ccm physiologischer Kochsalzlösung mit
ein wenig Alkali neutral gelöst. Wenn wir annehmen, daß das Saponin
höchstens ?/, seines Gewichts an Sapogenin liefert, so erhalten wir
132 mg Sapogenin in 40 ccm NaCl-Lösung, d. h. 3,3 mg in 1 ccm. Mit
dieser annähernd neutralen Lösung werden die nachstehenden Blutver-
suche an Placentarblut vom Menschen angestellt.
Glas I 5ccm physiol. NaCl-Lösung zur Kontrolle
» H5 » Flüssigkeit, 16 mg Sapogenin enthaltend
kad III 5 n ” 8 n n kad
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 285
Glas IV 5ccm Flüssigkeit, 4 mg Sapogenin enthaltend
n vV 5 n p 2 n n n
n VI 5 n n 1 n n n
n VO5n n 0,50 » n n
„n VII 5 » n 0,25 n n n
Jedem Glas werden 2 Tropfen Blut zugesetzt. Glas I nach 17 Stun-
den farblos abgesetzt. Glas II bis VII nach 17 Stunden völlig gelöst,
Glas VIII setzt farblos und klar ab.
Die hämolytische Wirkung des Guajaksapogenins auf
Menschenblut beträgt also 1:10000, falls 66°/, Ausbeute
gerechnet wird.
Versuch 7. Ziegenblut; dasselbe Sapogenin. Die ganze Aus-
führung ebenso.
Glas I hat nach 15 Stunden farblos abgesetzt, ebenso Glas VII und
VIII; Glas II völlig gelöst in 15 Stunden, Glas III fast vollständig,
Glas IV zum Teil, Glas V und VI nur in Spuren gelöst.
Die völlige hämolytische Wirkung unseres Sapogenins für
Ziegenblut, dessen große Unempfindlichkeit ja bekannt ist, hat
also ihre Grenze bei 1:312, wenngleich teilweise Hämolyse auch
noch für viel stärkere Verdünnungen eintritt.
Versuch 8. Serumarmes Hühnerblut, durch Absetzen erhalten.
Ausführung genau wie oben; dasselbe Sapogenin. Zu jedem Glas wird
1 Tropfen Blutkörperchen zugesetzt.
Nach 5 Stunden Glas I und V bis VII klar abgesetzt, Glas II und
III total, Glas IV partiell gelöst.
Serumarmes Hühnerblut wird von Guajaksapogenin noch
bei einer Verdünnung von 1:625 völlig gelöst.
Versuch 9. Rinderblut; dasselbe Sapogenin. Ausführung
ebenso. In jedes Glas kommen 2 Tropfen Blut. Glas V in 5 Minuten,
Glas VI nach 15 Minuten bei 1:5000 völlig gelöst; Glas IV, in dem die
Konzentration 4 mal stärker ist, geht erst nach 5 Stunden in völlige
Lösung über. Glas III und IV, in denen die Konzentration 8 mal, ja
15 mal stärker ist als in VI, bleiben fast völlig ungelöst; Glas VII ist
nach 24 Stunden nur teilweise gelöst; Glas I setzt farblos ab.
Rinderblut wird von unserem Sapogenin noch in einer
Konzentration von 1:1250 bis 1:5000 völlig gelöst. Stärkere
Konzentrationen zeigen nur Spuren von Hämolyse. Im ersten
Augenblick erscheint dies paradox, wird aber verständlich durch
die analogen Ergebnisse, die W. Laube!) mit dem Sapo-
genin der Saponaria alba erhalten hat. Die Lösung dieses
1) Beitr. z. Kenntnis der Wirkung einiger Sapogenine auf das Blut.
Zeitschr. f. exp. Path. u. Ther., 10, 28, 1912.
286 J. Fieger:
Sapogenins in Kochsalzlösung hat nämlich, wenn sie aus trock-
nem Sapogenin hergestellt wird, ebenfalls die Eigenschaft, bei
großer Verdünnung hämolytisch zu wirken, bei stärkerer Kon-
zentration aber nicht mehr; hier schlägt die hämolytische
Wirkung sogar in Agglutination um.
Ergebnis. Überblicken wir alle Blutversuche mit Guajak-
saponin und Guajaksapogenin, so ergibt sich von neuem die
schon seit Frieboes bekannte Tatsache, daß das Guajak-
saponingemisch der Rinde auf serumhaltiges Blut
keine nennenswerte hämolytische Wirkung besitzt.
Die von v. Liebermann!) und, wie oben schon besprochen
wurde, kürzlich wieder von Rühle dagegen erhobenen Ein-
wände erklären sich zum Teil dadurch, daß diese Autoren mit
gewaschenen serumfreien, d. h. des Cholesterinschutzes entbeh-
renden Blutkörperchen arbeiteten, die es im lebenden Organis-
mus doch nicht gibt. Bei dem Rühleschen Verfahren ist ferner
der Verdacht nicht ganz auszuschließen, daß die Prozedur der
Abscheidung und Reinigung der Saponine diese empfindlichen
Glykoside teilweise hydrolysierte und dadurch aktiv machte.
Meine Versuche ergaben nämlich das immerhin über-
raschende Resultat, daß den Guajaksapogeninen, was
bisher noch nicht bekannt war, eine recht beträcht-
liche blutlösende Wirkung zukommt. Sollte das Gua-
jaksaponin im Organismus etwa zersetzt werden, so
könnte der resorbierte Teil also doch hämolytisch
wirken.
b) Versuche mit Guajaksaponin am Hund.
Versuch 10. Am 16. I. früh bekommt ein mittelgroßer, dauernd
gleichmäßig mit Pansen genährter Hund in Fleisch gewickelt 1g Guajak-
saponin (Merck), ebenso die folgenden 9 Tage, im ganzen also 10 g.
Der Hund zeigt während des ganzen Versuchs keinerlei Störungen im
Befinden. Im Harn vor Beginn des Versuches kein Eiweiß, wohl aber
von meinem früheren Saponinversuche her abklingende minimale Mengen
von Gallenfarbstoff.
17. I. 270 cem neutral reagierender Harn. Spez. Gewicht 1029.
Keine hämolytische Wirkung weder auf Menschen-, noch auf Pferdeblut.
Die Gallenfarbstoffreaktion ist stärker alsim Harn der vor-
hergehenden Tage. Bei Zusatz von verdünnter Schwefelsäure zu
1) Arch. f. Hygiene, 62, 299, 1907.
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 287
dem Harn tritt eine geringe Trübung ein. Es kann dies, abgesehen von
Kynurensäure, ausgeschiedenes saures Saponin oder Sapogenin sein, da
diese beiden ja durch Säure ausfällbar sind. 210 ccm Harn werden
nach Zusatz von 1 ccm konzentrierter Schwefelsäure 2 Stunden lang
im Wasserbad zerkocht. Es tritt ein leichter Niederschlag ein, der auf
dem Filter gesammelt wird. Der Filterrückstand wird etwas gewaschen,
mit Natriumcarbonat neutralisiert, gelöst und in etwa 10 ccm physiolo-
gischer Kochsalzlösung aufgenommen. Die erhaltene Flüssigkeit rief
nach Zusatz von 2 Tropfen serumarmer Menschenblutkörperchen
im Laufe einer halben Stunde völlige Hämolyse hervor.
Da die hämolytische Kraft der isolierten Substanz nur
von durch Zerkochen gebildetem Guajaksapogenin bedingt sein
kann, so müssen wir annehmen, daß schon binnen 24 Stun-
den ein Teil der eingegebenen Substanz durch den
Harn unverändert ausgeschieden wurde. Erst beim
Zerkochen des Harns mit Säure wurde das Saponin zu
Sapogenin gespalten; als solches wirkte es hämoly-
tisch, während der Harn an und für sich keine Hämolyse
hervorrief.
18.1. 170ccm gelber klarer Harn, der neutral reagiert. Keine
hämolytische Wirkung auf Menschen- und auf Pferdeblut. Bei Säure-
zusatz entstehen leichte Flocken, die als Saponin aufgefaßt werden
müssen. Die Esbachsche Probe ergibt etwas Eiweiß. Das durch Zer-
setzung des Bleizuckerniederschlags von nur 10 ccm Harn erhaltene Fil-
trat ist sehr gelb und die Gmelinsche Probe sofort sehr deutlich. Die
Gallenfarbstoffausscheidung ist also wesentlich stärker wie
tags zuvor. In 24 Stunden tritt beim Stehen an der Luft Umwand-
lung in Biliverdin ein. Eine größere Portion des Harns, mit Säure zer-
kocht, läßt mit Fehling nicht sicher Zucker erkennen; wohl aber fällt
etwas Sapogenin aus, das sich durch Hämolyse nachweisen läßt, wenn-
gleich diese nur schwach ist.
Auch der Harn vom 18. I. enthielt eine geringe Menge
unzersetztes Saponin, das sich in Sapogenin umwandeln ließ.
Die Gallenfarbstoffausscheidung hat sich verstärkt.
19. I. 220 ccm alkalischer, ziemlich klarer Harn. Spuren von
Eiweiß. Keine hämolytische Wirkung. Gallenfarbstoff in 20 ccm
Harn nachweisbar. Sapogenin nicht abspaltbar, also heute wohl kein
Saponin ausgeschieden.
20. I. 260 ccm Harn, klar, alkalisch. Er enthält eine Spur Ei-
weiß; keine Hämolyse. Gallenfarbstoff in 10 ccm nachweisbar,
aber nicht so reichlich wie im Harn vom 19. I. 250 ccm Harn. Bei der
Zerkochung läßt sich etwas Sapogenin gewinnen, das partielle Hä-
molyse hervorruft. Es ist also wieder etwas Sapogenin im Harn aus-
geschieden worden. Auch Gallenfarbstoff ist nachweisbar.
288 J. Fieger:
21. I. Es finden sich 290 com annähernd klarer, amphoter reagie-
render Harn vor. Kein Eiweiß, keine hämolytische Wirkung, dagegen
deutlich Gallenfarbstoff in 15 cem nachweisbar. 220 ccm mit Säure
zerkocht geben einen leichten Niederschlag, der auf Menschenblut
schwach hämolytisch wirkt. Somit dürfte wieder etwas Saponin
vorhanden gewesen sein.
22.1. Die Harnmenge von 170 ccm ist heute dunkelgelb, was auch
in dem Nachweis von reichlichem Gallenfarbstoff zum Ausdruck
kommt. Reaktion amphoter. Keine Hämolyse, kein Eiweiß. Beim Zer-
kochen mit Säure ein leichter Niederschlag, der auf Menschenblut
schwach hämolytisch wirkt und auf Saponinausscheidung hin-
deutet. Zucker ist in der Zerkochungsflüssigkeit nicht nachweisbar.
Der Gallenfarbstoff geht bei Anwesenheit von 1 Tropfen Salpetersäure
über Nacht in Biliverdin über.
23. I. 105ccm sehr klarer, amphoter reagierender Harn. Etwas
Eiweiß, keine Hämolyse. Gallenfarbstoff nachweisbar. 75 ccm mit
Säure zerkocht, geben keinen Zucker, wohl aber einen leichten Nieder-
schlag, der schwache Hämolyse macht. Demnach ist auch heute
etwas Saponin ausgeschieden worden.
24.I. Der Hund hat 200 ccm Harn gelassen, der dunkelgelb aus-
sieht und amphoter reagiert. Er besitzt keine hämolytische Wirkung
und enthält kein Eiweiß. In 15 com sehr viel Gallenfarbstoff
nachweisbar, der beim Stehen an der Luft in Biliverdin übergeht. Es
wird das etwa im Harn ausgeschiedene saure Saponin oder Sapogenin,
ohne zu kochen, in der Kälte mit Säure daraus ausgefällt. In der Tat
tritt in 2 Proben nach Zusatz von etwas verdünnter Schwefelsäure
schon bei nur je 25 ccm Harn nach 4 Stunden ein beträchtlicher Nieder-
schlag ein. Die beiden Niederschläge werden nach Abgießen der Flüssig-
keit vereinigt, gewaschen, in 2 Tropfen NaOH und destilliertem Wasser
gelöst, daraus mit Säure wieder ausgefällt und filtriert. Auf dem Filter
bleibt eine rotgelbe Masse zurück. Schon eine minimale Menge davon
gibt die Reaktion mit Meckes Reagens, die nach Frieboes für Guajak-
saponin sowie auch für sein Sapogenin charakteristisch ist. Der Filter-
rückstand wird mit NaOH gelöst, destilliertem Wasser nachgespült und
mit verdünnter Schwefelsäure 1 Stunde zerkocht. Es tritt ein grau-
grüner Niederschlag, aber kein Zucker auf. Die Flüssigkeit wird abge-
kühlt und filtriert. Der Filterrückstand wird mit etwas Natriumcarbonat
gelöst und mit physiologischer Kochsalzlösung nachgespült. Zu der
etwa cem betragenden Flüssigkeit werden abends 2 Tropfen Placentar-
blut zugesetzt. Bis zum nächsten Morgen ist totale Hämolyse ein-
getreten. Es war also Sapogenin im Organismus abgespalten
worden und kam als solches im Harn zur Ausscheidung.
25. I. Aus diesem Harn wird das Sapogenin durch CIH ausgefällt.
Mit einigen Partikelchen der gefällten Substanz wird die Probe mit
Meckes Reagens angestellt. Diese gelingt mit den für Guajaksaponin
charakteristischen eintretenden Färbungen. Die Substanz auf dem Filter
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 289:
wird dann mit NaOH gelöst und mit destilliertem Wasser nachgespült.
Es wird überschüssige Schwefelsäure zugesetzt, wobei die Substanz
wieder ausfällt. Nun wird 1 Stunde im Wasserbad zerkocht, wobei
Zucker abgespalten wurde. Das gewonnene Sapogenin ist unterm 27. I.
weiterbesprochen. Der heutige Harn enthielt also auch unge-
spaltenes saures Saponin, das durch Säure neben eventuellem Sa-
pogenin mit ausgefällt werden konnte. Außerdem war in dem Harn
reichlich Gallenfarbstoff.
26. I. 190 ccm, auffallend klar, neutral. Kein Eiweiß, keine Hä-
molyse. Gallenfarbstoff deutlich nachweisbar, doch vielleicht weniger
wie sonst. 160 ccm werden mit etwa 10 ccm verdünnter Schwefelsäure
versetzt. Bis zum Morgen des 27. ist der Harn infolge Zersetzung trübe
geworden. Beim Filtrieren bleibt saures Saponin mit oder ohne
Sapogenin auf dem Filter zurück, das als solches charakterisiert werden
kann.
27. I. 170cem neutraler, hellgelber, durchsichtiger Harn. Keine
Hämolyse, etwas Eiweiß. Bleizuckerfällung zeigt einen Stich ins Gelbe.
Gallenfarbstoff leicht darin nachweisbar. 140 ccm werden mit 10 ccm
verdünnter Schwefelsäure versetzt. Am nächsten Morgen klar abgesetzt.
Die meiste Flüssigkeit wird abgegossen und die mit dem Niederschlag
zurückgelassene abfiltriett. Auf dem Filter bleibt eine rotgelbe Sub-
stanz zurück, die die Reaktion mit Meckes Reagens gibt, beim Spalten
Zucker liefert und also als von dem Hund unverändert ausge-
schiedenes saures Guajaksaponin angesehen werden muß. Um
etwaige Harnsäure aus der Substanz auszuschalten, wird mit Ammoniak
gelöst. So geht also nur das Saponin durchs Filter. Mit verdünnter
Schwefelsäure aus dem Filtrat wieder ausgefällt und wieder filtriert,
wird der Rückstand mit NaOH wieder gelöst und mit destilliertem
Wasser nachgespült. Nach Zusatz von überschüssiger Säure wird 1 Stunde
zerkocht. Genau so werden auch die aus den mit Säure versetzten
Harnmengen vom 28. und 29. erhaltenen Niederschläge zerkocht. Nach
dem Zerkochen konnte in dem Filtrat der erhaltenen Flüssigkeit mit
Fehling nach längerem Erhitzen Zucker nachgewiesen werden. Die
grauen Filterrückstände der vier einzelnen Portionen vom 25., 27., 28.
und 29. werden vereinigt, in wenig NaOH gelöst und in 20 cem NaCl-
Lösung aufgenommen. Mit dieser neutralen Flüssigkeit werden mit
zwei verschiedenen Blutarten Versuche gemacht. Der erste wurde mit
Placentarblut vom Menschen angestellt.
Glas I 5cem NaCl-Lösung zur Kontrolle
» TI 5 » der obigen Sapogeninlösung
n»n II 5 » Sapogeninlösung, mit NaCl-Lösung zu gleichen Teilen
verdünnt.
Nach 13 Stunden hat Glas I klar abgesetzt, Glas II ist total,
Glas III partiell gelöst.
Ein zweiter Versuch mit Rinderblut, dessen Ausführung ganz
analog war, lieferte dasselbe Ergebnis wie der Versuch mit Menschen-
290 J. Fieger:
blut. Somit ist bewiesen, daß das Sapogenin, welches aus Harn-
saponin gewonnen worden war, für zwei Blutarten deutlich
hämolytisch wirkte.
28. I. 370ccm neutraler klarer Harn. Etwas Eiweiß, keine Hā-
molyse. Bleizuckerfällung fast weiß, doch Gallenfarbstoff darin noch
nachweisbar. 340 ccm werden mit 15 cem verdünnter Schwefelsäure
versetzt. Am 29. früh hat sich das Saponin am Boden und an den
Seitenwandungen des Glases abgesetzt. Es wird auf einem Filter ge-
sammelt und genau so behandelt wie das vom 27. und ergibt ein ana-
loges Resultat. Also saures Saponin vorhanden.
29. I. 260 cem leicht alkalischer, hellgelber, klarer Harn. Blei-
zuckerfällung weiß, Gallenfarbstoff darin nicht mehr deutlich nachweis-
bar. Mäßig Eiweiß, keine hämolytische Wirkung. Der von 230 ccm
mit Schwefelsäure angesäuertem Harn am nächsten Morgen erhaltene
Niederschlag wird wie oben weiterbehandelt. Das zum Schluß gewon-
nene Sapogenin wird mit dem vom 27. vereinigt.
30. I. 255 ccm amphoter reagierender Harn. Keine Hämolyse,
kein Eiweiß. Gallenfarbstoff nachweisbar. Die Säurefällung von
240 ccm Harn wird mit der vom 31. I. vereinigt.
31.1. 180 ccm Harn. Kein Eiweiß, keine Hämolyse. In der
weißen Bleizuckerfällung Gallenfarbstoff nur eben angedeutet. 150 ccm
mit Säure versetzt, geben leichten Bodensatz. Dieser wird mit dem
vom 30. I. in Ammoniak gelöst und mit Säure wieder ausgefällt. Davon
wird ein Teil mit etwas Natriumcarbonat in etwa 10 cem NaCl-Lösung
gelöst. Diese Flüssigkeit wirkte nicht hämolytisch, was ja auch der Fall
sein muß, da das Saponin an sich hämolytisch unwirksam ist. Über
den Rest des Saponins siehe unter dem 4. II.
1. II. 155 ccm neutraler, klarer Harn. Kein Eiweiß, keine Hämo-
lyse. Gallenfarbstoff ist nicht nachweisbar. Bei der Säurefällung tritt
ein leichter Bodensatz ein. Auf dem Filter bleibt eine graugrüne Masse
zurück, die vielleicht zum Teil aus Kynurensäure besteht. Cf. 4. II.
3.II. 205 ccm, neutral, hellgelb. Kein Eiweiß, keine Hämolyse, Blei-
zuckerfällung gelb. Gallenfarbstoff darin vorhanden. Durch Säure
etwas ausfällbar.
4.II. 335 ccm dunkelgelber Harn. Keine Hämolyse, kein Eiweiß.
Gallenfarbstoff nachweisbar. Im angesäuerten Harn bildet sich ein
Bodensatz, der mit dem vom 30. bis 31. I. und 1. bis 3. II. vereinigt wird.
Dieser gesammelte, auf Saponin zu prüfende Bodensatz wird zuerst in
Ammoniak gelöst (um Harnsäure auszuschalten) und daraus mit Säure
wieder ausgefällt. Nun wird nach Zusatz von Säure 1 Stunde zerkocht.
Nach dem Abfiltrieren des Bodensatzes läßt sich in dem Filtrat mit
Fehling nach längerem Erhitzen und Stehenlassen sehr deutlich Zucker
(auch Pentose) nachweisen. Der Filterrückstand des Sapogenins wird
mit 2 Tropfen NaOH in 30 ccm physiol. NaCl-Lösung gelöst. Mit der
neutralen Flüssigkeit werden Blutversuche angestellt, die zu dem Schluß
berechtigen, daß wirklich Sapogenin vorliegt. Diese ist aus dem
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 291
Saponin des Harns vom 30. I. bis 4. II. durch Zerkochen mit Säure ent-
standen. Es besitzt hämolytische Kraft für Menschen-, Rinder-
und Pferdeblut.
5.II. 260 ccm klarer, dunkelgelber Harn. Keine Hämolyse, etwas
Eiweiß, reichlich Gallenfarbstoff. Im angesäuerten Harn fällt
etwas aus, und zwar heute sehr viel. Vermutlich ist die Hauptmenge
davon Kynurensäure und daneben ist vielleicht etwas Saponin vorhanden.
Siehe darüber unter 6. II.
6.II. 135 ccm leicht getrükter, dunkelgelber Harn. Keine Hämo-
lyse, kein Eiweiß. Bleizuckerfällung weißgelb. Gallenfarbstoff darin
reichlich vorhanden. Die Säurefällung im Harn ist eine mäßige, Sie
wird ebenso wie die vom 5. II., jede für sich, in erwärmtem Alkohol zu
lösen versucht. In beiden Fällen löst sich nur sehr wenig, aber eben
doch etwas. Eine Ätherausfällung ist aus dieser alkoholischen Lösung
nicht zu erzielen. Der Ätheralkohol wird deshalb wieder verdunstet und
der Rückstand zusammengebracht mit dem in Alkohol löslichen Teil der
Säurefällung vom 8. bis 10. II. Dieses ganze Gemisch wird nun mit Säure
zerkocht. Nach dem Zerkochen kann in dem Filtrat Zucker nachgewiesen
werden. Der Filterrückstand wird in physiol. NaCl-Lösung gelöst und
neutralisiert. Jetzt ist hämolytische Wirkung vorhanden und zwar eine
ziemlich beträchtliche, sowohl für Menschenblut als für Katzenblut. Also
auch indem Harn vom 5., 6., 8., 9. und 10. II. wurde, obwohl seit dem 25. I.
kein Saponin mehr gefüttert wurde, noch Saponin ausgeschieden,
das durch Abspaltung seines Sapogenins nachgewiesen werden konnte.
7.II, 155ccm neutraler, sehr dunkelgelber, klarer Harn. Keine
Hämolyse, kein Eiweiß, dagegen deutlich Gallenfarbstoff. Im an-
gesäuerten Harn fällt etwas aus. Dieses wird in Ammoniak gelöst, mit
Säure wieder ausgefällt und filtriert, Das fragliche Saponin auf dem Filter
wird nun mit erwärmtem 96°/,igen Alkohol zu lösen versucht. Ein be-
trächtlicher Teil geht auch ins Filtrat über. Bei Zusatz von wasser-
freiem Äther zu der alkoholischen Lösung fällt das Saponin
daraus, da es ja in Äther unlöslich ist, in schönen weißen
Flocken aus. Der Äther selbst nimmt eine grüne Farbe an, da in ihm
ja der Gallenfarbstoff bzw. ein Derivat desselben zurückgehalten wird.
Das ausgefällte Saponin gibt die Reaktion mit Meckes Reagens,
Es wird, da es ja als ziemlich rein angesehen werden kann, mit einem
kleinen Teil auf etwaige hämolytische Wirkung geprüft. Wie das chemisch
reine Guajaksaponin vor der Verfütterung, so wirkt auch dieses aus
dem Harn gewonnene Saponin an sich auf Menschenblut zunächst nicht
merklich hämolytisch. Der größere Teil der wiedergewonnenen Substanz
wird mit Säure zerkocht. In dem Filtrat läßt sich Zucker nachweisen.
Der Filterrückstand in etwa 8ccm physiol. NaCl-Lösung gelöst und neu-
tralisiert, löst 2 Tropfen Mensohenblut total in !/, Stunde.
Auch in den Tagen vom 11. bis 14. II. wurden noch eben nach-
weisbare Spuren von Saponin durch den Harn ausgeschieden. Von
da ab war der Harn dann dauernd normal.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 20
292 J. Fieger:
Dieser ausgedehnte Versuch am Hund erbrachte den Beweis,
daß das von Merck bezogene, ein Gemisch von saurem, in
Wasser unlöslichem,* und von neutralem wasserlöslichem Saponin
bildende Guajakrindensaponin allerdings nicht quantitativ,
aber doch teilweise unverändert im Harn ausgeschieden
wird. Damit ist selbstverständlich auch die unveränderte
Resorption bewiesen. Die Ausscheidung erfolgt wie
bei allen Saponinen nicht gleichmäßig, sondern schub-
weise, und überdauert die Einführung um mehr als
eine Woche. Da dieses Saponin nicht hämolytisch wirkt, so
konnte bei unveränderter Ausscheidung der Urin durch seinen
Saponingehalt niemals Hämolyse machen. Das war auch nie der
Fall. Andererseits aber mußte, da das Sapogenin des Guajak-
saponins Blut löst, das durch Spaltung des im Harn enthal-
tenen Saponins gewonnene Sapogenin selbstverständlich
Hämolyse machen. In der Tat konnte auch dieser Nachweis
öfter geführt werden. Da das eingegebene Guajaksaponin ein
Gemisch eines neutralen wasserlöslichen und eines sauren wasser-
unlöslichen Saponins war, konnte der durch Säure ausfällbare saure
Anteil nach Umreinigen neben dem im Organismus entstandenen
Sapogenin als ziemlich reines Substanzgemisch aus dem Harn
gewonnen werden. Die Identität konnte durch die Meckesche
Reaktion erwiesen werden. Gallenfarbstoffausscheidung
trat auch hier, nur nicht so intensiv — dieses Saponin ist ja
auch viel weniger giftig als das Sapindussaponin — deutlich
zutage. Man muß also immerhin auch diesem Saponin
bei großen Dosen beim Zirkulieren im Organismus eine
gewisse Blutschädigung zuschreiben. Die Diurese war
auch hier, wenn auch nicht auffallend, gesteigert. Auch fand
sich hin und wieder im Harn etwas Eiweiß, dessen Auftreten
doch nur auf Konto der Saponindarreichung gesetzt werden
kann. Ich will zum Schluß nicht unerwähnt lassen, daß Auf-
treten von Gallenfarbstoff im Harn gerade beim Hund relativ
leicht eintritt und weniger zu besagen hat als beim Menschen
oder gar beim Pflanzenfresser. Immerhin läßt sich doch nicht
bestreiten, daß sein schubweises Auftreten nach zwei verschie-
denen Saponinen nicht anders gedeutet werden kann, als daß
diese Stoffe es verursacht haben. Da das Guajaksaponingemisch
an sich nicht auf Blut hämolytisch wirkt, muß angenommen
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine, 293
werden, daß es durch ein spaltendes Enzym, vielleicht
durch ein Leberferment vorher teilweis zu Sapogenin
abgebaut wird. Dadurch wirkt es dann zerstörend auf
rote Blutkörperchen. Rühles Warnung auch vor Guajak-
Saponin schließt also bei Verwendung von Gramm-
dosen ein Körnchen Wahrheit, auch von unserm Stand-
punkte aus betrachtet, ein.. Bei Zusatz von Guajaksaponin
zu Schaumgetränken kommen ja aber nur milligrammatische
Dosen im Laufe eines Tages zur Verwendung; diese sind selbst-
verständlich ohne jede schädliche Wirkung, selbst wenn solche
Limonaden monatelang getrunken werden.
8. Einige Versuche mit Quillajasaponinen.
Die Quillajarinde enthält nach Kobert!) zwei Saponine,
ein saures, die Quillajasäure, und ein neutrales, das Quil-
lajasaponin. Letzteres ist in Wasser sehr leicht löslich,
ersteres schwerer löslich oder nicht löslich. Dies ist ein be-
merkenswerter Gegensatz gegen alle anderen sauren Saponine,
die in Wasser unlöslich sind. Von Handelspräparaten ist das
Quillajasaponin der Firma Rich.Sthamer in Hamburg
das bekannteste. Es ist nach Untersuchungen von Kobert?)
ein Gemisch der beiden Saponine mit 18°/, indifferenten Stofien
und bildet ein weißgelbes lockeres Pulver, das während des
Krieges als Ersatzmittel von Seife eine sehr hohe Bedeutung
erlangt hat. In vitro wirkt dieses Präparat erheblich hämo-
lytisch. Ich verfütterte es in Dosen von täglich einem Gramm
vom 4. bis 13. V. 1914 an den schon wiederholt zu Sa-
poninversuchen benutzten ganz gesunden Mittelhund.
Der Harn dieses Tieres wirkte danach in vitro nie-
mals hämolytisch. Auch eine Abscheidung der beiden
Saponine oder ihrer Sapogenine gelang nicht sicher, da der
Harn offenbar immer nur sehr geringe Mengen dieser Sub-
1) R.Kobert, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 28, 233, 1887;
Arbeiten des pharmakol. Inst. zu Dorpat 1, 4, 1888; Biochem. Hand-
lexikon von Abderhalden 7, 164 u. 168, 1612.
®) R. Kobert, Über die pharmakol. Bedeutung u. die biol. Wert-
bestimmung der Sarsaparillen u. verwandter Drogen. Ber. d. D. pharm.
Ges. 22, 205, 1912.
20*
294 J. Fieger:
stanzen enthielt. Dagegen trat auch während dieses Versuches
Gallenfarbstoff sicher auf. Der Harn gab meist die Gme-
linsche Probe, während er zu Beginn des Versuches keinen
Gallenfarbstoff enthielt. Die Diurese war beträchtlich
gesteigert, trotzdem im Harn die beiden Saponine nur in
sehr geringen Mengen vorhanden sein konnten. Erbrechen
trat nicht ein. Dazu war allerdings nötig, daß das Präparat
gut in Fleisch eingewickelt verabfolgt wurde. Bei Wiederholung
des Versuches durch Professor Kobert an einem noch
nicht benutzten Mittelhund von gleichem Gewicht
trat nach Verfütterung des dritten Gramms am vierten Tage
im Harn Gallenfarbstoff und am fünften Tage eine hämo-
lytische Substanz auf. Erhitzen des Harns mit verdünnter
Schwefelsäure lieferte am sechsten und siebenten Tage einen
geringen dunkeln Niederschlag, der nach Auswaschen mit Wasser
in verdünntem Alkohol gelöst und daraus durch Verdunsten
wiedergewonnen wurde. In alkalischer Kochsalzlösung gelöst
und neutralisiert wirkte er auf Hammelblutkörperchen
und auf Menschenblut rasch hämolytisch, bestand
also aus Sapogenin. Ein kleiner Rest davon gab auch mit
Furfurolschwefelsäure Sapogeninreaktion, d. h. erst Rot-, dann
Violettfärbung. Die Harnmenge war auch bei diesem Hunde
zeitweise vermehrt.
Gesamtergebnisse.
Gewisse Saponine werden nach innerlicher Verabfolgung,
allerdings bei weitem nicht quantitativ, aber doch in merk-
baren Mengen, vom Hund unverändert resorbiert und als
solche im Harn ausgeschieden. Der Beweis stützt sich vor-
nehmlich auf die Nachweismethode von Saponinen mit Hilfe
der Hämolyse, wiewohl auch die chemische Nachweismethode
zur Ergänzung mit herangezogen wurde.
1. Bei Versuchen mit dem Saponin aus Sapindus-
nüssen der Firma Hoffmann-La Roche, dessen starke
hämolytische Wirkung gleichzeitig in vitro wieder nachgeprüft
wurden, trat die blutlösende Wirkung des Saponin-Harns
sehr deutlich in Erscheinung. Das darin also vorhandene
Saponin konnte indessen auch noch durch Abscheidung seines
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 295
Spaltungsproduktes, des Sapogenins, nachgewiesen werden.
Aus dem mit Schwefelsäure zerkochten Harn konnte
das Sapogenin ziemlich rein dargestellt werden. Da
auch das Sapogenin von Sapindussaponin hämolytische Wirkung
besitzt, so mußte dies Harnsapogenin in vitro ebenfalls Hämo-
lyse hervorrufen. Die angestellten Blutversuche erbrachten
diesen Beweis in der Tat.
2. Schwieriger war der Beweis für die Ausscheidung im
Harn bei dem Merckschen Guajaksaponin zu erbringen.
Da dieses Saponin keine nennenswerte hämolytische Wirkung
besitzt, so war mit Blutversuchen des Harns nichts anzufangen.
Das Guajaksaponin, und zwar das saure, konnte je-
doch aus dem Harn leicht abgeschieden werden.
Andererseits war bisher nicht bekannt, ob das Sapogenin der
Guajaksaponine ein Blutgift ist oder nicht. Bei Versuchen
nach dieser Richtung hin bestätigte sich die von Kobert
zuerst am Glycyrrhizin!) gefundene Tatsache, daß ein
hämolytisch ganz unwirksames Saponin ein keineswegs unwirk-
sames Sapogenin liefern kann, auch für die beiden Guajak-
saponine gilt. Ich fand die für mich im ersten Augenblick
überraschende Tatsache, daß das Gemisch der Guajak-
sapogenine, das ich mir aus Merckschem Guajaksaponin
herstellte, eine ziemlich beträchtliche Hämolyse her-
vorruft. Durch Zerkochen mit Säure wurde aus dem
Harn ein analoges Sapogeningemisch gewonnen und
als solches mittels der Hämolyse identifiziert. Wäre
das Sapogenin als solches im Harn vorhanden gewesen, so
hätte der Harn von vornherein Blut lösen müssen. Da dies
aber niemals während des über 2 Wochen sich erstreckenden
Versuches der Fall war, so ist eben damit bewiesen, daß das
resorbierte Saponin unverändert im Harn ausge-
schieden wurde, ein Beweis, der bei Sapindus auf diese
Weise nicht geführt werden konnte, da dort beide. das Saponin
und das Sapogenin, hämolysieren.
3. Wenn bei dem Versuch mit dem Quillajasaponin
der Firma Sthamer, einem in vitro immerhin starken Blut-
1) R. Kobert, Über zwei süßschmeckende Drogen. Ber. d. D.
Pharmaz. Gesellsch. 25, 162, 1915.
296 J. Fieger:
gift, auf dem Wege der Hämolyse und auch auf chemischem
Wege bei dem Hunde, der schon vorher zu Saponin-
versuchen benutzt worden war, der Beweis für die Aus-
scheidung im Harn nicht erbracht werden konnte, so konnte
dies sich vielleicht folgendermaßen erklären. Entweder wird
dieses Saponin an und für sich weniger resorbiert
als andere, was übrigens nach einigen Autoren der Fall sein
soll, so daß die im Harn ausgeschiedene minimale Menge zu
gering war, um Hämolyse hervorzurufen. Oder aber die Re-
sorption von Saponin war infolge Gewöhnung des Tieres an
verschiedene, innerlich gereichte Saponingifte überhaupt all-
mählich immer geringer geworden, eine Erscheinung, die in
der Toxikologie ja nicht ohne Parallele sein würde Nach
Kobert kann sich nämlich allmählich eine relative
sogenannte Gruppenimmunität gegen Saponine bilden.
Diese besteht in hohem Grade z. B. bei der mit Futterrüben
(Beta vulgaris) oder mit Sheakuchen gefütterten Kuh sowie
bei dem mit Kornraden oder Saubrot (Cyclamen) gefütterten
Schwein und mit Kornraden gefütterten Hühnern. Auch beim
Rinde kann man durch vorsichtiges „Anfüttern“, wie der Land-
wirt dies nennt, eine gewisse relative Unempfindlichkeit, wenn
auch nicht absolute Immunität erzielen. Das nach Kobert
und Pachorukow an und für sich viel stärker toxisch als
Sapindussaponin wirkende Quillajasaponin wurde dank
dieser nützlichen Schutzeinrichtungen des Organis-
mus des ersten Hundes eben wahrscheinlich rasch
durch Spaltung zum größten Teil im Darm entgiftet
und als Sapogenin mit dem Kot ausgeschieden. Beim
zweiten Hund von gleichem Gewicht gingen dagegen
merkliche Spuren des in gleicher Menge gefütterten
Sthamerschen Präparates in den Harn über. Damit
ist- die Richtigkeit der zweiten Annahme bewiesen.
4. Die Annahme der partiellen Resorption der drei Sa-
ponine im veränderten oder unveränderten Zustande konnte
begründet werden, wenn die durch die meisten Saponine und
Sapogenine auf das Blut bedingten sekundären Veränderungen,
wie sie nicht im Reagensglas, sondern erst in der Leber vor
sich gehen, in irgendeiner Form nachgewiesen werden konn-
ten. In der Tat gelang es, nach allen drei Saponinen
Ausscheidung u. Wirkung innerlich dargereichter Saponine. 297
merkliche Ausscheidung von Gallenfarbstoff im Harn
der Hunde nachzuweisen. Bei den ganz kleinen Dosen,
die beim Eingeben eines Quillajainfuses beim Menschen als
Expektorans zur Verwendung kommen, tritt eine solche Blut-
zersetzung natürlich nicht ein.
5. Endlich wirkten alle drei Saponine zeitweise ver-
mehrend auf die Harnmenge. Diese Wirkung haben für
die Saponine des Bruchkrautes ja auch Daebler!), und für
die der Ononis Bülow?) und Bulkowstein®) nachzuweisen
vermocht.
1) Neue Beiträge 1, 88.
2) Ebenda, 40.
®) Ebenda, 58.
Über die Senkungsgeschwindigkeit der Blutkörperchen
verschiedener Blutarten im Hinblick auf deren Verwend-
barkeit für Phagocytoseuntersuchungen.
Von
J. de Haan, Konservator am Institut.
(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Groningen.)
(Eingegangen am 14. November 1917.)
Es ist schon seit langer Zeit bekannt, daß Pferdeblut,
nachdem es dem Tiere entnommen worden ist, sich in ganz
anderer Weise verhält als das Blut anderer Tiere. Defibri-
niertes Blut der meisten Tiere, z. B. des Rindes, kann stunden-
lang stehen, ohne daß es zu einer Trennung zwischen den
körperlichen Elementen und dem Serum kommt. Das Pferd
nimmt in dieser Hinsicht eine ganz besondere Stelle ein. Wenn
man defibriniertes Pferdeblut in einem engen, hohen Glasgefäße
stehen läßt, so sind meistens schon nach einer Stunde sämt-
liche roten und weißen Blutkörperchen zu Boden gesunken,
und darüber befindet sich ein Serum, das nur noch vereinzelte
körperliche Elemente enthält; das Volumverhältnis zwischen
Serum und Blutkörperchen entspricht schon dann den Werten,
die nach Zentrifugieren gefunden werden.
Diese Eigenschaft des Pferdeblutes hat Hamburger‘)
zuerst für die Erhaltung einer Suspension von Leukocyten für
Untersuchungen über Phagocytose verwendet; es bilden ja
die weißen Blutkörperchen eine gesonderte Schicht oberhalb
der roten Blutzellen, und es läßt sich diese Schicht ziemlich
leicht abheben; die in dieser Weise erhaltene Suspension ent-
hält viele Leukocyten.
1) Siehe Virchows Archiv 156, 329, 1899, und Osmotischer Druck
und Ionenlehre 1, 401.
J.deHaan: Senkungsgeschwindigk.d.Blutkörperch.versch.Blutart.usw. 299
Späterhin hat Hekma}) die Methode einigermaßen modi-
fiziert, indem er das Pferdeblut in einer Kochsalz-Natriumcitrat-
lösung auffing. In diesem Blutcitratgemisch bleibt die Gerin-
nung aus, das immerhin schädliche Defibrinieren ist deshalb
unnötig; die Senkung aller corpusculären Elemente wird mei-
stens verlangsamt, jedoch in der Weise, daß die roten Blut-
körperchen noch fast gleich schnell sich senken, die
weißen jedoch so langsam, daß während einer relativ lan-
gen Zeitdauer die weißen Blutkörperchen eine sozusagen reine
Suspension oberhalb der schon gesunkenen Erythrocyten bilden;
selbstredend läßt sich eine solche Suspension viel leichter ab-
heben, als dies nach der früheren Methode mit der oberen
Schicht gelang.
Es war vor einigen Jahren in der ersten Zeit, als ich
mich mit Phagocytoseversuchen beschäftigte, daß ich immer
aufs neue über diese merkwürdige Eigenschaft des Pferdeblutes
erstaunt war. Auffallend war auch die Tatsache, daß nicht
jedes Pferd in dieser Hinsicht dasselbe Blut liefert; während
meistens schon nach einer Stunde eine Leukocytensuspension
abpipettiert werden konnte, traf es sich auch dann und wann,
daß die Senkung der Erythrocyten eine viel längere Zeit er-
forderte, und demzufolge eine gute Trennung zwischen den
roten und den weißen Zellen ausblieb. Dieses Mißgeschick
veranlaßte mich damals, die Ursachen der schnellen Senkung
der Pferdeblutkörperchen näher zu untersuchen. Dazu kam
der Wunsch, zu prüfen, ob es nicht möglich wäre, auch das
Blut anderer Tiere derart abzuändern, daß es sich betreffs
der Senkung wie Pferdeblut verhielt; man würde dann die mit
der Phagocytose von Pferdeleukocyten erhaltenen Resultate mit
dem Blute anderer Tiere nachprüfen können. Dazu kommt, daß
man Pferdeblut weniger leicht beziehen kann als z.B. Rinder-
blut, und auch deshalb wäre es wünschenswert, die Methode
der Phagocytose auch für andere Blutarten verwendbar zu
machen. Die Trennung der roten und weißen Blutzellen ge-
lingt bei anderen Tieren nur schlecht, wenn man die natür-
liche Senkung durch Zentrifugieren beschleunigt; die obere
Schicht weißer Blutkörperchen läßt sich dann viel weniger
1) Siehe Festband dieser Zeitschr. 1908, 177.
300 J. de Haan
leicht gesondert abheben, als dies beim Pferdeblut der Fall ist.
Auch im Bluteitratgemisch bleibt meistens jede Senkung aus.
Ich hatte alsbald die Überzeugung gefaßt, daß die früher
geläufige Meinung, daß die Ursache der schnellen Senkung in
der relativ größeren spezifischen Schwere der Pferdeblutkörper-
chen gesucht werden muß, nicht zutrifft. Dennoch findet man
diese Meinung noch in vielen, auch in den neueren Hand-
büchern der Physiologie. Daß es nicht diese spezifische
Schwere sein konnte, wurde mir deutlich durch den folgenden
Versuch: als ich 1 ccm rote Blutkörperchen des Pferdes und
ebenso des Rindes zufügte zu 9 ccm einer 0,9°/ igen Kochsalz-
lösung und gut durchmischte, so war jeder Unterschied in der
Senkungsgeschwindigkeit zwischen den beiden Blutarten ver-
schwunden. Es ließ sich das Maß der Senkung genau angeben,
indem die Mischung in Reagensröhrchen gleichen Durchmessers,
die mit Teilstrichen versehen waren, beobachtet wurde. Die
Höhe der klaren Flüssigkeit oberhalb der Blutkörperchen war
das Maß der Senkungsgeschwindigkeit.
In der untenstehenden Tabelle (I) sieht man, daß während
4 Stunden die Senkung für beide Blutarten ganz gleich ver-
läuft; es wurden für jeden Versuch Doppelproben genommen.
Tabelle I.
i h | Höhe der Niveaux nach Stunden:
ischung ar E
Se = Bin | Ua | 3J | 1 | 11, | Zl 3 | 4
1 cem Pferdeblutkörper- | 9,9 | 9,85 | 9,85 | 9,8 | 9,65 | 9,5 | 9,35 | 9,2
chen in9ccmNa010,9°/, | 9,9 | 9,85 | 9,85 | 9,8 | 9,65 | 9,6 |9,4 | 9,3
lcem Rinderblutkörper- | 9,9 | 9,85 9,85 | 9,75 | 9,65 | 9,5 | 9,35 | 9,2
chen in 9ccm NaC10,9°/, | 9,9 | 9,85 | 9,85 | 9,75 | 9,65 | 9,5 |9,3 | 9,15
Wäre ein auch nur einigermaßen bedeutender Unterschied
in den spezifischen Gewichten der untersuchten Blutkörperchen
vorhanden gewesen, so würde dies auch seinen Einfluß auf die
Senkung in der Kochsalzlösung geltend machen.
Die spezifische Schwere kann also nicht der Hauptfaktor
sein. Auch ließ sich leicht mit Mischungen von Chloroform
und Benzol von verschiedenem 8.G. feststellen, daß ein nen-
1) Siehe u. m. Schäfer, Textbook of Physiology, 1898, 146 und
Lucianis Handbuch, deutsche Übersetzung 1, 87, 1905.
Senkungsgeschwindigkeit.d. Blutkörperchen versch. Blutarten usw. 301
nenswerter Unterschied im S.G. zwischen den roten Blutkör-
perchen verschiedener Tiere nicht vorhanden ist; auch die
spezifische Schwere der Seren verschiedener Tiere ist ziemlich
genau dieselbe; ich konnte dieselbe für Pferdeserum und Rinder-
serum auf genau 1028 bestimmen.
DasPferdeblutist jedoch in einer anderen Hinsicht
von den meisten anderen Blutarten durchaus ver-
schieden, und zwar darin, daß den roten Blutkörper-
chen desselben in ihrem eigenen Serum eine viel
größere Neigung zukommt, sich zu großen Geldrollen
zusammenzufügen. Die dadurch entstehenden ziemlich
großen Gebilde kann man während der Senkung im oben-
stehenden Serum sogar mit unbewaffnetem Auge erkennen.
Aber ganz besonders deutlich sieht man den Unterschied unter
dem Mikroskop; die Rinderblutkörperchen liegen in ihrem Serum
unter dem Deckglase nahezu alle räumlich getrennt; beim
Pferdeblut sieht man die roten Blutkörperchen nicht nur zu
Geldrollen, sondern auch zu ganz unregelmäßigen Gebilden
von oft mehr als hundert Blutkörperchen vereint.
Selbstredend muß ein solches Verhalten die Senkung in
erheblichem Maße beeinflussen. Aus einer jeden Suspension
werden bei gleichem S. G. die größten Teilchen, die der Flüssig-
keit die kleinste Oberfläche bieten, am schnellsten sich senken.
Wo beim Pferdeblut diese Partikel viel größer sind
als bei den anderen Blutarten, liegt es auf der Hand,
darin auch die Hauptursache für die schnellere Sen-
kung der Pferdeblutkörperchen zu suchen. Das Pferde-
blut bildet im Gegensatz zu den meisten anderen
Blutarten außerhalb des Körpers keine haltbare Sus-
pension.
Für diese Erklärungsweise spricht auch der Befund, daß,
sobald Kochsalzlösung als Suspensionsmittel verwendet wird,
das abweichende Betragen der Pferdeblutkörperchen verschwin-
det; sind ja bekanntlicherweise in einer physiologischen Koch-
salzlösung alle Blutkörperchen räumlich getrennt.
Um zu untersuchen, ob es möglich wäre, auch die Blut-
körperchen eines anderen Tieres derart zu beeinflussen, daß
auch bei ihnen die Senkung bedeutend beschleunigt würde,
stellte ich damals den folgenden Versuch an, durch den es
302 J. de Haan:
vielleicht auch ermöglicht würde, etwas Näheres über die Ur-
sachen der schnellen Senkung, also des Zusammenklebens der
Pferdeblutkörperchen zu lehren. Der Versuch wurde folgender-
maßen eingerichtet. Es wurde die Senkung von roten Blut-
körperchen des Pferdes und des Rindes studiert, nicht nur in
ihrem eigenen Serum als Suspensionsmittel, sondern auch in
dem des anderen Tieres, also von Rinderblutkörperchen auch
in Pferdeserum und umgekehrt. Zuerst wurden die betreffenden
Blutkörperchen mit dem zu untersuchenden Suspensionsmittel
einige Male mittels Zentrifugierens ausgewaschen und schließlich zu
2 Volumina der in dieser Weise gewaschenen Blutkörperchen 3 Vo-
lumina des zu untersuchenden Serums gesetzt, gut durchgemischt
und von dieser Mischung, die in ihrer Zusammensetzung also etwa
dem normalen Verhältnis Serum-Blutkörperchen im Blute ent-
sprach, 20 ccm in die schon oben beschriebenen, mit einer Tei-
lung versehenen Reagensröhrchen gegossen. Nach bestimmten
Zeitintervallen wurde das Maß der Senkung bestimmt, indem
die Grenze zwischen der klaren oberen Flüssigkeit und den
schon gesunkenen Blutkörperchen abgelesen wurde.
In der Weise war es möglich, den relativen Einfluß des
Serums und der Blutkörperchen selbst auf die Senkungs-
geschwindigkeit zu ermitteln. Indem weiterhin die schnelle
Senkung im Pferdeblut einigermaßen an eine Ausflockung er-
innerte, wie man es auch bei der Agglutination beobachtet,
untersuchte ich auch, inwieweit ein Inaktivieren des Serums
(Erhitzung während °/, Stunde auf 58°) einen Einfluß auf die
Senkung ausübte.
Ich stellte also die folgenden Proben an:
1. Pferdeblutkörperchen in normalem Pferdeserum
2: n » inaktivem ”
3. ” » normalem Rinderserum
4. ” » inaktivem ”
5. Rinderblutkörperchen » normalem “
6. „ „ ” Pferdeserum
7. ” » inaktivem ”
Insofern die vorhandene Zahl Röhrchen gleichen Durch-
messers es gestattete, wurden überall Doppelversuche ange-
stellt.
Senkungsgeschwindigkeit d. Blutkörperchen versch. Blutarten usw. 303
Tabelle II.
l. Höhe der Blutkörperchenschichten nach Std.
Mischung 7 a
we TiN FRE 1 |1| 2 3 4
Pferdeblutkörperchen in 10.7 | 9.7595 |92 T 9 88 88
normalem Pferdeserum $ 2 $ y $ A 3 ”
F fordeblatkörpərghen iù 16,5 |13,1 |11,4 [10,25 | 9,75| 9,4 | 9,3
inaktivem Pferdeserum | Ex
Pferdeblutkörperchenin 19,75| 19,75| 19,6 |19,25|18 J14 12,9
normalem Rinderserum 19,75, 19,75| 19,6 |19,25 | 17,25113,5 | 12,6
Pferdeblutkörperchenin 17,5 | 13,25| 11,75/10,50 | 10 9,5 | 9,3
inaktivem Rinderserum 17,5 |14 |12 [10,90 |10,2 | 9,75| 9,6
Rinderblutkörperchen i. 195
normalem Rinderserum E
Rinderblutkörperchen i.
normalem Pferdeserum |20 |20 |20 |20
9
9
|20 |20 |20 l20 |20 |19,75|19,
|20 |20 |20 |20 |20 |19,75|19
20 |20 20 |20 |20 105 |
|20 |20 E |20 = a
Rinderblutkörperchen i.
inaktivrem Pferdeserum
Es lehrt uns dieser Versuch folgendes. Die Senkungs-
geschwindigkeit der Blutkörperchen ist an erster Stelle eine
Funktion dieser Blutkörperchen selbst; sehen wir ja, daß die
Pferdeblutkörperchen sich schnell, sei es auch verschieden
schnell, senken in allen den untersuchten Seren, auch im
Rinderserum; nach 4 Stunden ist diese Senkung nahezu voll-
ständig; andererseits senken sich die Rinderblutkörperchen
überall gleich langsam; auch das Pferdeserum wirkt in dieser
Hinsicht gar nicht beschleunigend.
Dennoch zeigte es sich, daß die Serumart für die Senkung
der Pferdeblutkörperchen nicht ganz ohne Bedeutung ist: im
Pferdeserum geht sie schneller vor sich als im Rinderserum;
das Inaktivieren des Serums verlangsamt die Senkung der Pferde-
blutkörperchen beim Pferdeserum, beschleunigt jedoch dieselbe
beim Rinderserum. Ob diese ziemlich geringen Senkungsdifferenzen
auf einen Unterschied der Viscosität dieser Sera zurückzuführen sei,
oder ob auch hier der Unterschied nur den Grad der „Ausflockung“
der roten Blutkörperchen betrifft, habe ich nicht weiter unter-
sucht. Daß jedenfalls ein Viscositätsunterschied des Serums
bei dieser Senkung nur eine ziemlich unbedeutende Rolle
spielen kann, geht daraus hervor, daß das Pferdeserum nur für
Pferdeblutkörperchen, nicht für dieselben des Rindes eine
304 J. de Haan:
schnelle Senkung hervorruft, und daß Inaktivieren des Pferde-
serums auf Rinderblutkörperchen ohne Einfluß ist.
Der Versuch, für Rinderblutkörperchen durch
Zusatz von Pferdeserum ähnliche Ausflockungsver-
hältnisse zu schaffen wie für Pferdeblut, war als
verfehlt zu betrachten; eine Trennung zwischen roten
und weißen Blutzellen konnte in dieser Weise nicht
erreicht werden.
Späterhin habe ich mit Rinderblut und Schweineblut ver-
sucht, ob fraktionsweises Zentrifugieren (Abheben der leuko-
cytenreichen oberen Schicht nach Zentrifugieren und wiederum
Zentrifugieren derselben in speziell dafür konstruierten Zentri-
fugenröhrchen) besser zum Ziel führte. Es gelang mir zwar,
speziell mit Schweineblut, in dieser Weise ziemlich gute Leuko-
cytensuspensionen zu erhalten; die Methode erforderte jedoch
zu viel Zeit, um praktisch in Betracht kommen zu können,
und würde auch ein so wiederholtes starkes Zentrifugieren für
die Vitalität der Leukocyten nicht ohne Bedeutung sein.
Ich habe mich dann fernerhin mit der Phagocytose mittels
Pferdeblut beschäftigt und die Veröffentlichung der obenstehen-
den Versuche auf unbestimmte Zeit verschoben. Alsich jedoch
vor einiger Zeit diese Untersuchungen wiederum aufnahm, ist
es mir gelungen, auch für Schweineblut mittels der
für Pferdeblut beschriebenen Methode in den meisten
Fällen gute Resultate zu erhalten. Es stellte sich näm-
lich heraus, daß bei ziemlich hoher Zimmertemperatur
die Senkung der roten Blutkörperchen des Schweines erheblich
beschleunigt wird, wenn man das Blut im Citrat-Kochsalz-
gemisch auffängt. (Ich verwende dafür immer eine Lösung von
7g NaCl und 11g Na-Citrat in 11 dest. Wasser und fange 2
bis 3 Volumina Blut auf in 1 Volumen dieser Mischung.) Noch
schneller geht die Senkung im Brutschranke bei 37° vor sich.
Nach einigen Stunden läßt sich dann meistens eine leukocyten-
reiche, obenstehende Flüssigkeit abheben, die nur durch Zentri-
fugieren in der gewöhnlichen Weise von den zahllosen Blut-
plättchen befreit zu werden braucht, um ein schönes Material
für Phagocytoseuntersuchungen zu liefern.
Auch hier zeigte sich wiederum mikropkopisch, daß die
starke Geldrollenbildung als die Ursache der schnelleren Senkung
Senkungsgeschwindigkeit d. Blutkörperchen versch. Blutarten usw. 305
für Schweineblut betrachtet werden muß; es ist diese Geld-
rollenbildung, sei es auch weniger stark als beim Pferdeblut,
dennoch überaus viel größer als beim Rinderblut, und zwar
am deutlichsten, wenn eine gute Senkung gefunden wird.
Ich beabsichtige jetzt auch mit den Leukocyten des
Schweines die Wirkung verschiedener Lösungen auf die Phago-
cytose nachzuprüfen, wie dies bisher beim Pferde getan ist;
und daneben zu untersuchen, ob durch verschiedene Eingriffe
vielleicht auch nicht noch andere Blutarten in dieser Weise
Verwendung finden könnten. In letzterer Beziehung sei nur
noch hervorgehoben, unter welchen Umständen eine Trennung
zwischen roten und weißen Zellen erzielt werden kann: es
wird dies der Fall sein, wenn der Unterschied in der
Senkungsgeschwindigkeit dieser beiden Zellenarten
ein so großer ist, daß während einer genügend langen
Zeit die Hauptmasse der einen Art (in casu der Leu-
kocyten) suspensionsfähig bleibt, während die andere
Art schon „ausgeflockt“ ist.
Es wird dies beim Pferdeblut und (sei es weniger gut)
auch beim Schweineblut durch Auffangen des Blutes in einem
Blut-Citratgemisch erreicht. Was ist nun bei dieser Behandlung
der Unterschied mit dem Geschehen im einfach defibrinierten
Blute? Dieses besteht darin, daß beim Pferdeblut im Citrat-
gemisch die Senkung der weißen Blutkörperchen verlangsamt
wird, während sie für die Erythrocyten nur wenig sich ändert.
Für Schweineblut betrifft der Unterschied mehr die roten
Blutkörperchen; diese senken sich im Citratgemisch bedeutend
schneller als im defibriniertten Blute, und demzufolge
kommt es auch hier zu einer Trennung zwischen den beiden
Elementen.
Auch für die weißen Blutkörperchen ist die Sen-
kung an erster Stelle von dem Grade des Zusammen-
klebens derselben abhängig: im defibrinierten Pferdeblut
senken sich schnell auch die Leukocyten; untersucht man da
mikroskopisch die obere leukocytenreiche Schicht der gesun-
kenen Blutkörperchen, so sieht man sehr große Haufen von
miteinander verklebten weißen Blutkörperchen; im Serum-Citrat-
gemisch ist jedoch die überwiegende Mehrzahl derselben räum-
lich getrennt.
306 J. de Haan:
Es gilt also auch für andere Blutarten Faktoren
auszufinden, die die Ausflockung der roten und weißen
Blutzellen in verschiedenem Grade oder in verschie-
dener Richtung beeinflussen. Theoretische Überlegungen
über die bestimmenden Faktoren der Geldrollenbildung können
dabei ein wertvolles Hilfsmittel bieten. Es wurde die Geld-
rollenbildung sowie das Zusammenkleben der weißen Blutkörper-
chen als ein Problem der kontaktelektrischen Ladung
zuerst von Schwyzer schon in 1914 studiert!); dieser Autor
untersuchte den Einfluß von verschiedenen Elektrolyten, von
H- und OH-Ionen auf die Geldrollenbildung; er bestimmte
letztere nur zwischen Deckglas und Objektglas und betrachtete
die Berührung zwischen Glaswand und Blut als das auslösende
Moment für die Bildung der Geldrollen. Vorläufige von mir
angestellte Untersuchungen in dieser Richtung, ob vielleicht
durch Zusatz von Säure oder Alkali die gesuchte Trennung
zwischen roten und weißen Blutzellen des Rindes erzielt werden
konnte, blieben ohne Resultat. Es ist jedoch sehr gut mög-
lich, daß in dieser Weise noch mehrere Blutarten für Phago-
cytoseversuche nach der Hamburger-Hekmaschen Methode
„eröffnet“ werden können.
Andererseits könnte die Bestimmung der Senkungsgeschwin-
digkeit auch vielleicht als ein genaueres Maß der Geldrollen-
bildung in Betracht kommen als die von Schwyzer benutzte
mikroskopische Methode, und ich möchte auf die Vorteile, die
das Blut des Pferdes für derartige vergleichende Versuche
bietet, hinweisen.
Zusammenfassung.
Die schnelle Senkung der Blutkörperchen im defibrinierten
Pferdeblut wird in erster Linie durch die große Neigung der-
selben zur Geldrollenbildung, d.h. zum Zusammenkleben ver-
ursacht, und zwar gilt dies nicht nur für die roten, sondern
auch für die weißen Blutkörperchen.
In einem Blut-Citrat-Kochsalzgemisch bleiben die weißen
Blutkörperchen viel mehr räumlich getrennt und demzufolge
1) Siehe diese Zeitschr. 60, 297, 306, 1914.
Senkungsgeschwindigkeit d. Blutkörperchen versch. Blutarten usw. 307
während längerer Zeit suspensionsfähig, während die Geld-
rollenbildung und dadurch die Senkungsgeschwindigkeit der
Erythrocyten nicht nennenswert sich ändert; in dieser Weise
wird eine Trennung zwischen Leukocyten und roten Blut-
körperchen erreicht, wodurch ein gesondertes Aufheben und
ein Verwenden der letzteren für Phagocytoseversuche ermög-
licht wird.
Auch für Schweineblut gelingt es, eine derartige
Trennung in ähnlicher. Weise hervorzurufen, und zwar
kommt es hier im Blut-Citrat-Kochsalzgemisch zu einer schnelleren -
Senkung und größeren Geldrollenbildung der Erythrocyten als
im defibrinierten Schweineblute, zumal wenn man bei Kör-
pertemperatur arbeitet.
Die Geldrollenbildung der Pferdeblutkörperhen ist der
Hauptsache nach eine Eigenschaft dieser Blutkörperchen selbst;
es kann die Senkung jedoch durch eine Änderung des Sus-
pensionsmittels (Inaktivieren des Serums, Verwendung vonRinder-
serum statt Pferdeserum) in geringem Grade beeinflußt werden.
Dennoch gelingt es nicht, die Blutkörperchen eines Rindes
durch Aufschwemmung derselben in Pferdeserum auszuflocken.
Die Blutkörperchen des Rindes senken sich sehr langsam, und
im Einklang damit fehlt die Geldrollenbildung nahezu voll-
ständig.
Es wäre vielleicht möglich, durch künstliche Änderung
der kontaktelektrischen Ladung der Blutkörperchen auch für
andere Blutarten in derselben Weise wie beim Pferde- und
beim Schweineblut eine Trennung zwischen den roten und
weißen Blutzellen herbeizuführen.
Nachschrift.
Mit dem Schreiben dieses Artikels beschäftigt, kam mir eine Arbeit `
von L. Berczeller und E. Stanker!) zu Gesicht. Diese Autoren
untersuchten die Senkung der roten Blutkörperchen des Schweines und
des Rindes in verschiedenen Flüssigkeiten als einen Ausdruck für die
1) Internationale Zeitschr. f. physik.-chem. Biologie 2, 2, 133.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 21
308 J.deHaan: Senkungsgeschwindigk.d.Blutkörperch.versch.Blutart.usw.
verschiedenen physiko-chemischen Verhältnisse zwischen den roten Blut-
körperchen und der umgebenden Flüssigkeit; durch Zusatz von Verdün-
nungsflüssigkeiten zum Serum, von Elektrolyten und Nichtelektrolyten
änderte sich der Prozeß der Senkung, und ebenso durch das Inaktivieren
des Serums. Nach diesen Autoren setzt sich die Senkungsgeschwindig-
keit aus mehreren Faktoren, sowohl aus Eigenschaften der Blutkörper-
chen als des Außenmediums, zusammen.
Aus meinen Untersuchungen geht hervor, daß wenigstens für das
Pferd, und auch beim Schwein, die Hauptursache der schnellen Senkung
in der überaus stark ausgeprägten Geldrollenbildung gesucht werden muß.
Anionenwanderungen in Serum und Blut unter dem
Einfluß von CO,, Säure und Alkali.
Von
H. J. Hamburger, Groningen (Holland).
(Eingegangen am 14. November 1917.)
Nachdem wir eine mikrovolumetrische Methode ausfindig
gemacht hatten, um geringe SO,-Mengen in genauer Weise
quantitativ zu bestimmen'), schlugen wir Herrn Dr. S. de Boer
vor, mit Hilfe dieses Verfahrens die Permeabilität der roten
Blutkörperchen für SO, einer Untersuchung zu unterziehen.
Freilich war das Bestehen dieser Permeabilität bereits im
Jahre 1902 nachgewiesen), aber die Versuche waren mit in
isotonischer Zuckerlösung ausgewaschenen Blutkörperchen aus-
geführt, während die Flüssigkeit, in der die ausgewaschenen
Blutkörperchen SO, aufzunehmen die Gelegenheit hatten, eine
reine Na,SO,-Lösung war. Obgleich uns die Umkehrbarkeit
der unter dem Einfluß von CO, hervorgerufenen SO,-Bewegung
zu der Schlußfolgerung berechtigte, die Blutkörperchen seien
für SO, durchgängig, so kann doch nicht gesagt werden, daß
die Versuchsanordnung den physiologischen Verhältnissen voll-
kommen entsprach. Da es sich bei der Permeabilität von
Zellen für Anionen um eine Angelegenheit prinzipieller Be-
deutung handelt, schien es empfehlenswert, die Frage mit Hilfe
einer verbesserten Methodik in Angriff zu nehmen.
Zunächst ist man, dank den Untersuchungen Bechholds,
jetzt in der günstigen Lage, mittels Ultrafiltration die Krystal-
loide und Kolloide des Serums zu trennen, und zweitens ver-
1) Hamburger, diese Zeitschr. 77, 168, 1916.
2) Hamburger u.vanLier, Archiv f. (Anat. und) Physiol. 1902, 492.
21*
310 H. J. Hamburger:
` fügt man, wie gesagt, über eine viel genauere SO,-Bestim-
mungsmethode.
Mittels dieser Methode wies dann de Boer nach, daß das
Ultrafiltrat des Serums von mit physiologischen Kohlensäure-
mengen behandeltem Blut weniger SO, enthielt als das Ultra-
filtrat des ursprünglichen Serums’). Aus diesem Befund wurde
geschlossen, daß SO, das Serum verlassen hatte und in die
Blutkörperchen übergetreten war. Jedoch wurde bei dieser
Schlußfolgerung von uns versäumt, die Untersuchungen von
Rona und György’) zu berücksichtigen. Diese Autoren fanden,
daß bei Einwirkung von CO, auf Serum dessen Chlor teil-
weise in den nicht-diffusiblen Zustand übergeht. Sie erklären sich
diese Erscheinung dadurch, daß die Eiweißkörper durch die Säure
kathodisch werden und dadurch anodisches Chlor binden. Es liegt
also auf der Hand, daß, wenn de Boer CO, auf Blut einwirken
läßt, die Abnahme des SO, -Gehalts im Ultrafiltrat verursacht sein
kann durch Bindung von SO, an Eiweißkörper und der Beweis also
nicht geliefert ist, daß SO, in die Blutkörperchen übergetreten
sein muß. Es blieb also nichts anderes übrig, als die Ange-
legenheit etwas eingehender quantitativ zu untersuchen.
Bevor wir aber damit anfingen, wünschten wir uns durch
Wiederholung der Versuche von Rona und György ein
selbständiges Urteil über die Angaben der Autoren zu bilden.
Wir haben die Angaben vollkommen bestätigen können.
Da in einigermaßen anderer Weise gearbeitet wurde, ist es
vielleicht empfehlenswert, etwas von unserem Verfahren mit-
zuteilen, um so mehr, weil dasselbe auch für die weiteren Unter-
suchungen gebraucht wurde. Die Abweichungen bestanden
darin, daß wir den Chlorgehalt im diffusiblen Teil des Serums
nicht, wie die genannten Autoren, mittels Kompensationsdialyse,
sondern im Ultrafiltrat des Serums usw. ermittelten; zweitens
bewegen sich die zum Serum hinzugefügten Säuremengen inner-
halb der physiologischen Grenzen, waren also viel geringer als
bei Rona und György, so daß von Trübungen wie bei den
beiden Forschern nicht die Rede war.
1) S. de Boer, Journ. of Physiol. 51, 211, 1917.
2?) Rona u. György, diese Zeitschr. 56, 416, 1913.
Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 311
1. Der Übergang von Chlor in den nicht-diffusiblen Zustand
durch Einwirkung von CO, auf Rinderserum.
200 ccm Serum werden geschüttelt mit 20 Volumprozent
CO,. Ultrafiltration unter einem Druck von 4 Atmosphären. Die
nach 20 Minuten erhaltenen ersten 22 cem Ultrafiltrat werden
weggeworfen. Von den danach erhaltenen 124 ccm Ultrafiltrat
‚werden 2><10ccem auf Chlor titriert!).
Zu diesem Zweck werden 10 cem vom klaren Ultrafiltrat
versetzt mit 15 ccm 0,1 normal AgNO, und 2 ccm Salpeter-
säure; Zurücktitrierung mit 0,1 normal KCNS und 0,5 cem
Ferrinitrat.
10ccm des Ultrafiltrates des nörmalen Serums entsprechen
10,25 und 10,25ocm 0,1 normal AgNO,.
10ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums entsprechen 9,75
und 9,75ccm 0,1 normal AgNO,°).
Wie ersichtlich, ist durch die Einwirkung von CO,
Chlor in den nicht-diffusiblen Zustand übergegangen.
Wiederholung des Versuches mit anderem Blute. Genau so ge-
arbeitet wie oben.
20 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entsprechen 21,85 cem
0,1 normal AgNO,.
20 ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums entsprechen 18,9 ccm 0,1
normal AgNO,.
Resultat also wie oben.
Noch eine Wiederholung.
20 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entsprechen 22,2 cem
0,1 normal AgNO,.
20 ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums entsprechen 21,75 cem
0,1 normal AgNO,.
Auch hier sieht man wieder, daß durch die Ein-
wirkung von CO, Chlor in den nicht-diffusiblen Zu-
stand übergegangen ist, dasselbe also was Rona und
György mittels Dialyse fanden.
1) Durch ausführliche Vorversuche erwarben wir uns die Sicher-
heit, daß bei einem Druckwert von 4 Atmosphären der Chlorgehalt des
Ultrafiltrates während der Filtration unverändert blieb.
23) Um Raum zu ersparen, werden wir weiter hier nur von einem
Versuchsspezimen Doppelversuche anführen.
312 H. J. Hamburger:
2. Neue Bestätigung der sub 1 gefundenen Tatsachen.
Es stehen uns noch eine Anzahl nicht veröffentlichte ältere
Versuche zur Verfügung, die bezweckten, aus dem Chlor-
gehalt des Serums und dessen Ultrafiltrates das Volum
der Eiweißteilchen abzuleiten. Es wurde damals folgen-
des überlegt. Wenn 100 ccm Serum p g Chlor enthalten und
100 com von dessen Ultrafiltrat (p -+ p’) g, so kann das nur daher
rühren, daß bloß die Salzlösung, in der die Eiweißteilchen ver-
teilt sind, das Chlor enthält, und man muß durch eine ein-
fache Rechnung feststellen können, wie groß das relative Volum
der Eiweißteilchen und der „intermicellaren“ Flüssigkeit sich
gestaltet. -
Die vielfachen Versuche ergaben jedoch für verschiedene
Sera Werte für den Serumeiweißgehalt, die zwischen 4,7 und 7,5
Volumprozenten des Gesamtserums schwankten. Jetzt verstehen
wir, wo die großen Abweichungen herrühren; denn wir wissen,
daß durch Anwesenheit von CO, der Chlorgehalt des Ultra-
filtrats abnimmt und also das berechnete Volum der Eiweiß-
teilchen vom CO,-Gehalt des Serums beeinflußt wurde. Glück-
licherweise ermittelten wir damals nicht nur den Chlorgehalt
des Ultrafiltrates und des ursprünglichen Serums, sondern auch
vom auf dem Filter zurückgebliebenen eingedickten Serum.
Wenn wir nun in unsern Protokollen noch einmal die da-
mals bestimmte Gesamtchlormenge der nach der Ultrafiltration
zurückgebliebenen eingedickten Serummasse uns ansehen, stellt
sich deutlich heraus, daß mit dem zu geringen Chlorgehalt
des Ultrafiltrates immer ein zu hoher Cl-Gehalt des eingedick-
ten Serumrückstandes einhergegangen ist. Offenbar hat sich
unter dem Einfluß von CO, Cl an das Serumeiweiß
gebunden. Es scheint uns überflüssig, das betreffende Zahlen-
material hier anzuführen. Zwei Schlußfolgerungen wollen wir
aber hervorheben:
1. Daß die hier von Rona und György nach Dialysever-
suchen ausgesprochene und von uns in ähnlicher Weise an
Ultrafiltratversuchen bestätigte, also in beiden Fällen auf Grund
indirekter Versuche ausgesprochene Ansicht, daß unter dem
Einfluß von CO, Chlor sich an Eiweiß heftet, durch die soeben
hervorgehobenen direkten Experimente bestätigt wird.
Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 313
2. Daß man, um durch Vergleichung der Chlorkonzentration
des Gesamtserums und des entsprechenden Ultrafiltrates das
Volum des Eiweißes im Serum mit Erfolg zu bestimmen,
durch Vertreibung der CO, aus dem Serum dafür zu sorgen
hat, daß alles Chlor sich im Ultrafiltrate befindet.
3. Der Übergang von Chlor in den nicht-diffusiblen Zustand
durch Zusatz von H,SO, zum Serum.
Rona und György fügten dem Serum Essigsäure hinzu;
wir haben geringe Mengen Schwefelsäure angewandt.
204ccm Serum werden versetzt mit 2ccm, 1,12 normal
Schwefelsäure. Eine gleiche Serummenge wird mit 2 cem Wasser
versetzt. Beide klare Flüssigkeiten werden der Ultrafiltration
unterworfen. Das Resultat ist, daß 20cem des mit Säure ver-
setzten Ultrafiltrates 22,2ccm 0,1 normal AgNO, entspricht,
während 20 ccm des Ultrafiltrates des mit der gleichen Wasser-
menge vermischten Serums mit 22,56ccm 0,1 normal AgNO,
übereinstimmen. Auch hier ist also das Ultrafiltrat des Säure-
serums ärmer an Cl als das des Wasserserums, m. a. W.: unter
dem Einfluß einer geringen H,SO,-Menge ist Cl in
den nichtdiffusiblen Zustand übergegangen.
Ich werde hier noch einige von den angestellten Versuchen er-
wähnen.
10 cem Ultrafiltrat von
150 com Serum + 2 ccm Wasser entsprechen 10,8 com 0,1nAgNO,
150 » » +2 » H,SO, 0,75n n 10,75 n»n Ol n»n
150 » n +2 n HSO, 15n n 10,45 n Ol »
150 » n +2 » H,SO, 2n ” 10,05 » Ol nn )
10 ccm Ultrafiltrat von
143 ccm Serum + 2 ccm Wasser entspr. 11,05
143 » n +2 n n » 11,05 | 10,07 cem 0,1nAgNO,
143 » n +2 n » 111
143 >» n +2 n H,SO, 0,75n n 11
143 >» n +2 n»n H,SO,0,75n n u! 11,02 » 0,1 nAgNO,
145 r n -} 2 n HS0, 0,75n n 11
n
1) Es war interessant, daß, während alle vier Ultrafiltrate mit
Lackmuspapier alkalisch reagierten, in den zwei letzten Fällen die auf
dem Ultrafilter zurückgebliebenen serösen Sirupe saure Reaktion
zeigten. Es bestätigt das die Annahme von Rona und György
von dem Kathodischwerden des Eiweißes.
314 H. J. Hamburger:
143 ccm Serum +2 ccm H,SO, 1,5n entspr. 10,65
143 » n +2 n»n H,SO, 2n » 10,65 | 10,67 com 0,1 nAgNO,
148 » n +2 n H,SO, 2n n 10,7
143 » » +2 n HS0O,2n » 10,25
143 n n»n +2 n HSO, 2n » 1015 1102 » 0,1 nAgNO,
143 n » +2 » H,S0,2n » 102
Wie ersichtlich, sind die Resultate alle gleichlautend und
bestätigen die von Rona und György durch Essigsäurezusatz
herbeigeführte Cl-Bewegung, auch für H,SO,-Zusatz. An einer
andern Stelle des Artikels werden wir noch auf weitere ähn-
liche Experimente zurückkommen.
Es erhob sich jetzt die Frage, ob unter dem Einfluß von
Säuren auch eine SO,-Bewegung zu konstatieren sein würde.
Es war diese Frage, wie bereits oben gesagt, der Ausgangs-
punkt für die vorliegende Arbeit.
4. Der Übergang von SO, in den nicht-diffusiblen Zustand
bei Einwirkung von CO, auf das Serum.
Wieder wurde vom normalen Serum und vom entsprechen-
den CO,-Serum Ultrafiltrat angefertigt und in diesem SO,-Be-
stimmungen ausgeführt.
50 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums ent-
sprechen 33°/, Teilstrichen BaSO, (jeder Teilstrich entspricht
0,000294 g SO,).
50ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums entsprechen
30 Teilstrichen BaSO,.
Wie ersichtlich, ist durch die Einwirkung von 20 Volum-
prozent!) CO,, SO, in den nicht-diffusiblen Zustand über-
gegangen.
Was die Technik für die SO,-Bestimmung betrifft, wird
man am Ende dieses Aufsatzes noch ein paar Bemerkungen
finden.
Eine Wiederholung mit anderem Blute ergab folgendes:
50 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entsprechen
42,5 Teilstrichen BaSO,.
1) Es ist kaum zu vermeiden, daß nach der Einwirkung von CO,
auf das Serum ein Teil der CO, bereits bei der Anfertigung des Ultra-
filtrates wieder entweicht, so daß das Serum tatsächlich mit weniger als
20 Volumprozent CO, beteiligt iet.
Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 315
50ccm des Ultrafiltrates des mit 20 Volumprozent CO, berei-
cherten Serums entsprechen 40 Teilstrichen BaSO,.
Eine dritte Wiederholung lieferte:
50ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entsprechen
36 Teilstrichen BaSO,, während
50ccm des Ultrafiltrates des CO,-Serums 82,5 Teilstrichen ent-
sprechen.
Es ergibt sich deutlich, daß durch die Einwirkung
von CO, auf Serum, SO, in den nicht-diffusiblen
Zustand übergeht.
Wie erwartet werden konnte, zeigte sich die SO,-Bewegung
umkehrbar. Nach Schüttelung mit Luft ergab das SO,-Serum
ein Ultrafiltrat, von dem 50 cem 37 Teilstriche BaSO, lieferten,
also noch ein wenig mehr als das dem ursprünglichen Serum
entsprechende. Letzteres rührt daher, daß das Serum der
Jugularis des Pferdes entstammte, und da es in geschlossener
Flasche defibriniert war, noch CO, enthielt. Es wurde diese
durch energische Behandlung mit Luft entfernt. Wir haben
diesen Befund, daß Behandlung von normalem venösem Serum
mit Luft noch eine geringe Steigerung des diffusiblen SO,.
und auch des diffusiblen Cl zur Folge hat, in mehreren Ver-
suchen bestätigen können.
5. Der Übergang von SO, in den nicht-diffusiblen Zustand
durch Zusatz von HCI im Serum.
171 ccm Serum wurden mit 2 ccm normal Salzsäure bzw.
mit 2com Wasser versetzt. Von beiden wird wieder Ultra-
filtrat angefertigt. Das Resultat ist, daß 50 com des Ultra-
filtrates des mit Säure versetzten Serums 36,7 Teilstrichen
BaSO, entspricht, während 50 ccm des mit der gleichen Wasser-
menge versetzten Serums 41 Teilstrichen BaO, entspricht.
Auch hier enthält also das Ultrafiltrat des Säureserums weniger
SO, als das Ultrafiltrat des normalen Serums, m. a. W. ist unter
dem Einfluß von HCl SO, in den nicht-diffusiblen Zustand
übergegangen.
Wiederholung der Experimente:
60 ccm Ultrafiltrat von
180,75 com Serum + 2 ccm Wasser entsprechen 51 Teilstr. BaSO,
179 n n +2 » HO 0,75n n 505 » BaSO,
179 n r +2 » HCI 1,5 n " 47 » BaSO,
179 n » +2 » H02 n ” 46,5 » BaS0,
316 H. J. Hamburger:
Auch hier enthält das Ultrafiltrat des Säureserums weniger
SO, als das des mit Wasser vermischten Serums.
Diese Resultate wie auch diejenigen der dritten Versuchs-
reihe lassen keinen Zweifel darüber bestehen, daß sowohl
unter dem Einfluß vonCO, wie durch Zusatz von ein
wenig HCl zum Serum ein Teil des SO, in den nicht-
diffusiblen Zustand übergegangen ist.
Wenn de Boer also findet, daß nach Einwirkung von
CO, auf Blut, der SO,-Gehalt des Ultrafiltrates vom entsprechen-
den Serum abgenommen hat, so beweist diese Abnahme nicht,
daß SO, in die Blutkörperchen übergegangen ist. Offenbar
ist die Abnahme jedenfalls teilweise dem zuzuschreiben, daß
SO, sich an die Serumeiweißkörper geheftet hat.
Um zu entscheiden, ob auch den Blutkörperchen SO, zu-
teil geworden war, wurde folgendes überlegt:
1. Wenn bei Einwirkung von CO, auf Blut nicht nur die
Serumeiweißstoffe, sondern auch die Blutkörperchen sich
eines Teiles des SO, bemächtigen, so muß nach Abhebung des
Serums von den Blutkörperchen und Austreibung des CO, aus
dem’Serum dessen Ultrafiltrat auch einen geringeren SO,-Gehalt
besitzen als das Ultrafiltrat des normalen Serums, das ebenfalls
mit Luft behandelt war.
2. Wenn man 300ccm Blut mit 2 ccm normal HCl ver-
setzt und es geht dabei kein SO, in die Blutkörperchen
über, so muß man finden, daß nach Zugabe der 2 cem HCl zum
entsprechenden Serum allein dessen Ultrafiltrat genau dieselbe
SO,-Menge besitzen wird wie das Serum der 300 ccm Blut,
das mit 2ccm HCl versetzt wurde. Wenn aber das Ultrafiltrat
des Serums vom HCl-Blute einen geringeren SO,-Gehalt, als
das des HClI-Serums aufweist, so darf man schließen, daß SO,
in (oder auf) die Blutkörperchen übergegangen ist.
6. Der Übergang von SO, in die Blutkörperchen durch
Behandlung des Blutes mit C0O,').
300 ccm Rinderblut werden mit 20 Volumprozent CO, ge-
schüttelt. Dann wird das Blut in verschlossenen Röhren zen-
1) Vgl. sub 4
Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 817
trifugiert. Das Serum wird abgehoben und kräftig mit Luft
geschüttelt. Nachdem in dieser Weise die CO, vertrieben
worden ist, wird ultrafiltriert.
Zu gleicher Zeit wird auch eine gewisse Menge des ur-
sprünglichen Serums ultrafiltriert. In beiden Ultrafiltraten wird
der SO,-Gehalt ermittelt.
50 ccm Ultrafiltrat des normalen Serums geben 42,5
Teilstriche BaSO,;
50cem Ultrafiltrat des Serums des CO,-Blutes geben
40 Teilstriche BaSO,.
Aus diesem Versuch geht deutlich hervor, daß bei der
Behandlung des Blutes“ mit CO,, SO, nach den Blutkörperchen
wandert. e
Eine Wiederholung ergibt folgendes:
50 cem Ultrafiltrat des normalen Serums geben 40,5 Teilstriche
BaSO,;
50 ccm Ultrafiltrat des Serums des CO,-Blutes geben 36 Teil-
striche BaSO,.
Eine dritte Wiederholung:
50cem Ultrafiltrat des normalen Serums gibt 38 Teilstriche
BaSO,, während
50 ccm Ultrafiltrat des Serums desCO,-Blutes 35 Teilstriche gibt.
Auch hier ergibt sich wieder deutlich, daß bei der Behand-
lung des Blutes mit CO, SO, nach den Blutkörperchen wandert.
Das Resultat de Boers, das unter dem Einfluß von
CO, SO, in die Blutkörperchen wandert, bleibt also,
auch wenn man die Bindung von SO, durch die Eiweiß-
partikelchen berücksichtigt, richtig.
7. Der Übergang von SO, in die Blutkörperchen durch
Zusatz von ein wenig HCl zum Blute').
Es werden 2 >< 300 cem Blut abgemessen und zentrifugiert.
Das Serum wird größtenteils abgehoben und resp. mit 2 ccm
Wasser und 2ccm 2 normal HCl versetzt. Das Serum bleibt
in beiden Fällen vollkommen klar. Dann wird es mit den
zurückgebliebenen Blutkörperchen jede Viertelstunde gut ver-
mischt und während 2 Stunden sich selbst überlassen, so daß
die veränderten Sera Gelegenheit haben, ein neues Gleich-
1) Vgl. sub 5.
a
50
50
50
318 H. J. Hamburger:
gewicht mit den Blutkörperchen einzustellen. Abermals wird
zentrifugiert und das Serum abgehoben. Jetzt können beide
Sera ultrafiltriert und der SO,-Gehalt der Ultrafiltrate ermittelt
werden.
Zu gleicher Zeit werden 2 andere Serumportionen ultra-
filtriert. Es sind Serumgemische, die nicht mit den Blutkör-
perchen in Berührung gewesen sind!) Um diese Gemische
anzufertigen, sollten erst die Serummengen bestimmt werden,
die sich in 300 cem Blut + 2ccm Wasser und in 300 cem Blut
+ 2 com HCl 2n befanden. Zu diesem Zweck wurde das relative
Volum von Blutkörperchen und Serum in Hämatokriten er-
mittelt; eine einfache Berechnung lehrte dann, wieviel Serum
resp. in 300 cem H,O-Blut und 300 cem H(I-Blut vorhanden
war. Die erhaltenen Volumina wurden dann in Wirklichkeit
mit 2cem Wasser und 2 cem HCI versetzt. Wie gesagt, wurden
nachher diese Sera ultrafiltriert.
Wir lassen jetzt einige Versuchsresultate folgen.
1. 300 ccm Rindsblut +2 ccm Wasser.
2. 300 cem Rindsblut 4 2 ccm HCl 2 normal.
Nach Zentrifugierung erhalten 0,08 ccm?) der beiden Blutproben:
1. 79,5 Teilstriche Blutkörperchen,
2. 82,75 Teilstriche Blutkörperchen.
In 0,08ccm H,O-Blut befinden sich also 200—79,5 — 120,5 Teil-
striche Serum.
In 0,08 cem HÜCl-Blut befinden sich also 200 - 82,75 = 117,25 cem
Serum.
300 ccm H,O-Blut enthalten folglich
x 120,5 = 180,75 ccm Serum, und 300 cem HCI-Blut
300 ; :
200 > 117,25 — 175,9 ccm Serum.
‘Dementsprechend werden nun die folgenden Gemische angefertigt:
3. I80,75 ccm Serum + 2ccm Wasser,
d 4. 175,9 ccm Serum +2ccm HCl, normal.
Die SO,-Bestimmungen von 50 ccm der wasserklaren eiweißfreien
Ultrafiltrate von 1., 2., 3. und 4. liefern die folgenden Zahlen:
. 50 ccm Ultraf. vom Serum v. (300 cemBlut--2ccm Wasser) lief. 48 Teilstr. BaSO,
„ ” ” n v. (300 » » +2 n HCl2n) » 44,5 » BaS0,
» n » 180,75 ccm Serum +2 » Wasser n 51 » BaS0,
n n ” 175,9 ” n +2 » HCl2n n 46,5 ” BaSO,
1) Vgl. sub 2.
2) 100 Teilstriche des Hämatokrits entsprechen 0,04 ccm, also
0,08ccm stimmen mit 200 Teilstrichen überein.
Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. > 319
Ist nun unter dem Einfluß von HCI SO, in die Blut-
körperchen übergewandert, so muß nicht nur 2. kleiner sein
als 1., sondern auch 2. kleiner als 4., was in der Tat zutrifft?).
Ferner wiederholt sich die Erscheinung, daß unter dem Einfluß
von Säure ein Teil des SO, indiffusibel wird. Man sieht ja, daß 4.
kleiner ist als 3.
Zum Überfluß erwähnen wir hier noch eine Versuchsreihe
mit Serum und verschiedenen Säuremengen. Die Versuchsreihe
weist dasselbe Resultat auf, nur mit dem Unterschied, daß hier
die Zahlen noch deutlicher sprechen als früher (sub 5). Offenbar
verhalten sich also die Sera quantitativ nicht genau in der-
selben Weise.
50 ccm Ultraf. von 150 cem Serum + 2 ccm Wasser lief. 74,5 Teilstr. BaSO,
50 p n n 150 » n +2 » HCI 0,75n lief.64 » DBaSO,
50 » n n 150 n n +2 n HCI 1,5 n n 63,5 n BaS0,
50 s» n n 150 n n +2 » HCI 2n n 60 » BaSO,
Ein ähnlicher Versuch, aus dem hervorgeht, daß nicht
alles Blut sich in quantitativem Sinne gleich verhält, dürfte
jetzt folgen. Derselbe ist in gleicher Weise ausgeführt wie der
soeben genannte.
Die Resultate sind folgende:
1. 50 cem Ultraf.v.Ser.v. (300 ccm Blut-+ 2ccm Wass.)lief. 42,2 Teilstr. BaSO,
2.50 » n nn n(800 n n»n +2 n HCl2n) » 37 n BaSO,
3.50 » » n 172,5ccm Serum 4-2 » Wasser» 41,1 » BaSO,
4.50 » n » 171 n n +2 » HCl 2n n» 37 n BaSO,
Zunächst sieht man, daß wieder 2. kleiner ist als 1., je-
doch nicht kleiner als 4., während im vorigen Versuche das
wohl der Fall war.
8. Der Übergang von Cl in die Blutkörperchen durch
Behandlung des Blutes mit CO, oder mit H,SO,.
50 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entspricht 55,5 ccm
AgNO, 0,1 normal.
50 ccm des Ultrafiltrates des Serums des CO,-Blutes entspricht
»4,5ccm AgNO, 0,1 normal.
Wiederholung des Versuches.
1) Ob das SO, in die Blutkörperchen überwandert oder sich bloß
an deren Oberfläche haftet, wie das bei Eiweißpartikelchen der Fall ist,
wollen wir hier dahingestellt lassen. An das Eindringungsvermögen von
in Salzen vorhandenem SO,, Cl, NO, usw. kann übrigens nicht gezweifelt
werden. Wir haben das nach vier verschiedenen Methoden streng nach-
gewiesen. (Osmotischer Druck und Ionenlehre 1, 234 bis 239).
320 H. J. Hamburger:
50 ccm des Ultrafiltrates des normalen Serums entspricht 57,5 cem
AgNO, 0,1 normal.
50 ccm des Ultrafiltrates des Serums des CO,-Blutes entspricht
50,25 ccm AgNO, 0,1 normal.
Hier haben wir also eine mittels der Ultrafiltrationsmethode
gefundene Bestätigung der vor vielen Jahren auf ganz anderem
Wege gefundenen Resultate!), daß nämlich unter dem Einfluß
von CO, Cl in die Blutkörperchen übergeht, ein Resultat, das
von verschiedenen Seiten?), auch nach anderen Methoden,
in letzterer Zeit noch von Snapper?) bestätigt wurde.
Nebenbei sei hier noch hervorgehoben, daß derselbe Autor
meine Angaben über die Wanderung von Cl aus dem Serum
in die Blutkörperchen unter dem Einfluß von geringen H,SO,-
Mengen vollkommen bestätigen konnte.
Wir lassen hier aber zum Überfluß noch ein paar Ver-
suchsreihen folgen, die mit Hilfe unserer Ultrafiltrationsmethode
angestellt worden sind.
Es werden folgende Gemische angefertigt:
1. 300 ccm Rindsblut + 2ccm Wasser.
2. 300ccm Rindsblut + 2cem H,SO, 2 normal.
Nach Zentrifugierung erhalten 0,08ccm von beiden Blutproben:
1. 86,5 Teilstriche Blutkörperchen,
2. 92,5 Teilstriche Blutkörperchen.
In 0,08 cem H,O-Blut befinden sich also 200—86,5 = 113,5 Teil-
striche Serum;
in 0,08 ccm H,SO,-Blut also 200— 92,5 = 107,5 Teilstriche Serum.
300 cem H,O-Blut enthalten folglich an x 113,5 = 170,25 ccm
Serum.
300 cem H,SO,-Blut enthalten also = x 107,5 = 161 ccm Serum.
Dementsprechend werden nun die folgenden Gemische angefertigt:
3. 170,25 ccm Serum +2 ccm Wasser,
4. 161 cem Serum -+ 2 cem H,SO, 2 normal.
Die Cl-Bestimmungen von je 10 ccm der wasserklaren eiweißfreien
Ultrafiltrate lieferten folgendes:
1. 10ccm Ultraf. v. Ser. v. (300 ccm Blut-+ 2ccm Wasser) gebrauchen 10, 85 comAgNO, 0,1n
2.10 » n nn » (300 n n +2 n H,SO, 2n) n 10,025 n AgNO, 0,1n
3.10 » n n 170,25ccm Serum +2 » Wasser n 11,2 » AgNO,0,1n
4.10 » n n 161 n n +2 n H,SO, 2n n 10,6 n AgNO, O,ln
1) Hamburger, Zeitschr. f. Biol. 28, 405, 1892.
2) Vgl. Osmotischer Druck und Ionenlehre 1, 201 ff.
3) Snapper, diese Zeitschr. 51, 62, 1913.
Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 321
Der Übergang von Cl aus dem Serum nach den Blutkörperchen
erscheint wieder daraus, daß 2. sowohl kleiner ist als 1. und auch als 4.
Auch hier ersieht man wieder, daß unter dem Einfluß von Säure
ein Teil des Cl indiffusibel wird; 4. ist ja kleiner als 3.
Eine Wiederholung des Versuches lieferte folgendes:
1. 10 ccm Ultraf. v. Serum v. (300ccm Blut-+2ccmWasser) gebrauch. 10,22cem AgNO, 0,1n
2.10 » n n n n (300 n n +2 n H,SO, 2n n 8,87 n AgNO, 0,1n
3.10 » n»n n 147,5ccm Serum +2 » Wasser n 11,07 » AgNO,0,1n
4.10 » n ” 138,5 n n +2 n H,SO, 2n n 10,2 n AgNO, 0,1n
Auch hier kommt man wieder zu derselben Schlußfolgerung
wie bei dem vorigen Versuch.
9. Wanderung von Cl und SO, unter dem Einfluß von KOH.
Nach den vorigen Versuchsergebnissen lag es auf der Hand,
zu untersuchen, ob das in den Blutkörperchen vorkommende
Cl und SO, durch Zusatz von KOH in das Serum übergehen
würde, und weiter, ob das an den Eiweißkörpern haftende Cl
und SO, davon abzutrennen sein würde.
Die Versuchsanordnung war dieselbe wie bei der Säure-
wirkung. Sie wird also ohne weiteres verständlich sein.
Chlorbestimmungen.
Versuchsreihe 1.
1. 10 ccm Ultraf. v. 215,6 com Serum -+ 2ccm Wasser gebrauchen 11,075 com AgNO, 0,1n
2.10 » n n 2175 n n +2 » KOH0,75n n 11,325 n»n AgNO, 0,in
3.10 » n n 217,5 n n +2 n KOH 1,5 n n 11,825 n AgNO, 0,1n
4.10 » » n 218,7 n n +2 n KOH2n n 11,5 n AgNO, O,ln
Versuchsreihe 2.
1. 10 ccm Ultraf. vom 162 cem Serum + 2 com Wasser gebrauchen 10,8 ccm AgNO, 0,1n
2.10 » n n 165,6 n n +2 » KOH 0,75n n 11,25 n AgNO, 0,in
3.10 » » n 1674 n » +2» KOHl5n n» 11,83 » AgNO,0,ln
4.10 » n » 6986» » +2 n KOH2n » 11,38 » AgNO, 0,In
SO, -Bestimmungen.
Versuchsreihe 1.
Hier wurde dasselbe Ultrafiltrat benutzt wie bei der ersten Cl-
Bestimmung.
. 60 ccm Ultraf. vom 215,6 ccm Serum + 2 ccm Wasser geben 52 Teilstr. BaSO,
60 » r n»n 2175 n n +2 » KOH0/75n n 59 n BaSO,
60 n n n 217,5 n n -l 2 » KOH 1,5n n 55 n BaSO,
60 » n n 218,7 n n + 2 »n KOH2n n 50 ” BaSO,
»pwm
322 H. J. Hamburger:
Versuchsreihe 2.
Hier wurde dasselbe Ultrafiltrat benutzt wie bei der zweiten Cl-
Bestimmungsreihe.
1. 60 ccm Ultraf. vom 162 ccm Serum +4 2ccm Wasser geben 44 Teilstr. BaS0,
2.60 » n n 165,6 n n +2 » KOH 0,75n ” 52 n Ba50,
3.60 » “ n 1674 » n»n +2 » KOHl5n » 51 n Ba80,
4. 60 >» n n 169,6 » n +2 » KOH2n n 45 nr BaSO,
Es erhellt also, daB im Gegensatz zu der Säure-
wirkung das KOH eine Ablösung von SO, von den
Serumeiweißkörpern bewirkt,
Man ersieht, daß durch Spuren KOH (vgl. 1. und 2.) für
das SO, genau dasselbe stattfindet wie für Cl.
Es ist aber auffallend, daß bei Zusatz von etwas größeren
KOH-Mengen eine Beschränkung der Ablösung von SO, statt-
findet.
Es ist uns augenblicklich nicht möglich, diesen Gegensatz
zu erklären, ebensowenig wie die mit den Blutkörperchen er-
haltenen Resultate, auf die wir noch später zurückzukommen
beabsichtigen.
10. Einige technische Bemerkungen.
a) Die Anfertigung des Ultrafiltrates.
Zu diesem Zweck präparierten wir uns 6°/,ige Celloidin-
filter. Der Filtrationsdruck betrug 4 bis 5 Atmosphären. Durch
eine Reihe von Untersuchungen, über die wir hier nicht be-
richten werden, haben wir uns davon überzeugt, daß bei
6 Atmosphären Druck und weniger der Prozentgehalt des Chlors
während des ganzen Verlaufs der Ultrafiltration unverändert
bleibt. Die ersten 10 bis 15ccm wurden immer weggeworfen,
um Verdünnung des Ultrafiltrates durch das im Filter an-
wesende Wasser vorzubeugen. Der von uns benutzte Apparat
für Ultrafiltration weicht von dem Bechholdschen Modell
einigermaßen ab. Er besteht aus einem sehr diekwandigen
Glaszylinder, der durch Vermittlung eines Gummiringes auf
den Celloidinfilter gedrückt wird. Die Oberseite des Glas-
zylinders wird ebenfalls mittels eines Gummiringes durch eine
dicke Metallplatte abgeschlossen, die eine Öffnung für das
Manometer und ein Ventilrohr für die Druckerzeugung im
Zylinder trägt. Alles Metall, das mit dem Serum und dem
Anionenwanderungen in Serum u. Blut unter d. Einfluß v. CO, usw. 323
Ultrafiltrat in Berührung kommt, ist schwer vergoldet. Unter
dem Filter (Durchmesser 12,5 ccm) befindet sich ein Glasreser-
voir, das das Ultrafiltrat auffängt. Vier solcher Apparate sind
auf einem mit Rädern versehenen Gestell montiert, das mittels
eines elektrischen Motors fortwährend hin- und zurückgewiegt
wird. Man erreicht dadurch, daß das Filtrat homogen bleibt.
In dieser Weise können vier Versuche zu gleicher Zeit an-
gestellt werden. Jeder Apparat liefert aus 150 com Serum
innerhalb 5 Stunden ungefähr 100 ccm Ultrafiltrat.
b) Die SO,-Bestimmung.
Im vorigen Jahre wurde in dieser Zeitschrift (77, 168) die
hier angewandte SO,-Bestimmungsmethode beschrieben. Seitdem
haben wir dieselbe dadurch vereinfacht, daß das Vermischungs-
gestell überflüssig gemacht werden konnte. Man wird sich aus
der damaligen Beschreibung erinnern, daß die BaCl,-Lösung
mit einigen Tropfen Aceton und die also erhaltene Flüssig-
keit dann mit einer bestimmten Geschwindigkeit mit
der zu untersuchenden HCl-haltigen SO,-Lösung vermischt
wurde. Diese Geschwindigkeit sollte ein- für allemal ausprobiert
werden. Es hat sich nun aber nachträglich ergeben, daß, wenn
man sich darauf beschränkt, 6 Tropfen Aceton einfach auf die
5 ccm BaCl,-Lösung fallen zu lassen, ohne weiter diese
beiden Flüssigkeiten miteinander zu vermischen, die
Geschwindigkeit, mit der die Vereinigung von Reagens und
SO,-Lösung stattfindet, nicht genau abgestuft zu werden braucht.
Man kann die letzte Vermischung ohne Beschwerde mit freier
Hand ausführen. Nur hat man darauf zu achten, daß die
Handbewegung schnell erfolgt. Einzelheiten über die Ver-
einfachung des Verfahrens findet man in einem vor kurzem
erschienenen Artikel in der Zeitschr. f. physiol. Chemie!).
Hauptergebnisse.
1. Die Angabe von Rona und György, daß, wenn CO,
auf Serum einwirkt, ein Teil des Cl in nicht-diffusible Form
übergeht, konnten wir bestätigen. Dementsprechend konnte
1) Hamburger, Zur Bestimmung des Schwefels im Harn. Zeitschr.
f. physiol. Chemie 100, 221, 1917.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 22
324 H.J.Hamburger: Anionenwander.in Serum u. Blutu.d. Einfl.v.CO, usw.
für den Zusatz sehr geringer Mengen H,SO, zum Serum be-
stätigt werden, was die beiden Autoren für den Zusatz größerer
Mengen Essigsäure zum Serum gefunden hatten, nämlich ein
Übergang von Cl in den richt-diffusiblen Zustand durch Bindung
dieses Elementes an Eiweißkörper.
2. Die Erscheinungen, die für Cl zu beobachten sind,
konnten auch für SO, konstatiert werden. Läßt man nämlich
auf Serum CO, einwirken, oder fügt man eine sehr geringe
Menge HCl hinzu, so zeigen die Ultrafiltrate eine Abnahme des
SO,-Gehalts. Es geht somit ein Teil des SO, des Serums in
den nicht-diffusiblen Zustand über.
3. Die sub 2 erwähnte Tatsache ließ es fraglich erscheinen,
ob bei Behandlung des Blutes mit CO, die von S. de Boer
konstatierte Abnahme des entsprechenden Serums an diffu-
siblem SO, nicht ausschließlich an einer Bindung des SO, an
Serumeiweißkörper zugeschrieben werden mußte, ob also von
einem Übergang von SO, in die Blutkörperchen noch wohl
die Rede sein konnte. Es stellte sich nun aber heraus,
daß unter dem Einfluß von CO, nicht nur SO, sich
an Serumeiweißkörper heftet, sondern auch SO, in
die Blutkörperchen übergeht.
4. Zusatz einer geringen Menge HCl zum Serum oder zum
Blute hat den gleichen Effekt wie Behandlung mit CO,, bewirkt
also ebenfalls Übergang von diffusiblem SO, resp. auf Serum-
eiweißstoffe und in die Blutkörperchen.
5. Durch das vorliegende Versuchsverfahren wurden meine
älteren, von andern aufs neue konstatierten Angaben, daß durch
Einfluß von CO, und von andern Säuren Cl aus dem Serum
auf die Blutkörperchen übergeht, wieder bestätigt.
6. Zusatz geringer Mengen KOH zum Serum bewirkt
Wanderungen von Cl und von SO,, die denjenigen entgegen-
gesetzt sind, die bei Zusatz von Säuren stattfinden, m. a. W. es
findet durch Steigerung der Alkalinität des Serums
eine Ablösung von Cl und SO, von den Serumeiweiß-
körpern statt.
Notiz über Eiweißfällungen durch Narkotica.
Von
Otto Meyerhof.
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Kiel.)
e
(Eingegangen am 24. November 1917.)
Freundlich und Rona beschrieben kürzlich in dieser
Zeitschrift!) die „Sensibilisierung der Ausflockung von Suspen-
sionskolloiden durch capillaraktive Nichtleiter“: Kolloidales
Eisenhydroxyd wird in reinem Wasser z. B. durch Urethane
selbst in hoher Konzentration nicht verändert, in Salzgegen-
wart wie NaCl wird dagegen der fällende Einfluß des Salzes
verstärkt und beschleunigt. Sie vermuten daher, daß auch die
von Warburg und Wiesel entdeckten Fällungen im Hefe-
preßsaft durch Narkotica°), die den Gärungshemmungen durch
diese Substanzen in auffälligem Maße parallel gehen, auf dem
gleichen Mechanismus beruhen könnten. Diese Vermutung
läßt sich experimentell prüfen und erweist sich als
zutreffend. Ich habe in letzter Zeit sehr viel mit dem Hefe-
macerationssaft (Lebedew) experimentiert, der in seinen physi-
kalischen und physiologischen Eigenschaften dem Preßsaft sehr
nahe steht und auch die Fällungen durch Narkotica wie dieser
zeigt. Wird dieser Saft durch ein Kollodiumfilter filtriert, das
zuerst durchgehende Ultrafiltrat getrennt aufgefangen, der Rück-
stand dann mit sehr viel Wasser gründlich nachgewaschen, so
erhält man mit Narkoticazusätzen das folgende Bild:
1. Der ursprüngliche Macerationssaft, 1:1 verdünnt, zeigt
1) Diese Zeitschr. 81, 87, 1917.
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 144, 465, 1912.
22°
326 Otto Meyerhof:
mit 6°/, Äthylurethan bei Zimmertemperatur eine in 2 bis
3 Minuten einsetzende Trübung, die in etwa 20 Minuten zu
einer dicken Fällung führt.
2. Der gewaschene Ultrafiltrationsrückstand mit destillier-
tem Wasser aufs ursprüngliche Volumen verdünnt, zeigt mit
6°/, Äthylurethan keinerlei Trübung, sondern im Gegensatz
zur narkoticumfreien Lösung nur eine allmähliche Zunahme
des Tyndallphänomens,. während er im durchfallenden Licht
ganz klar bleibt.
3. Der gewaschene Rückstand mit dem zuerst aufge-
fangenen Ultrafiltrat aufs ursprüngliche Volumen verdünnt,
zeigt mit 6°), Äthylurethan ungefähr die gleiche Trübung und
Fällung wie der ursprüngliche Saft, während die narkoticum-
freie Lösung natürlich klar bleibt. ,
In gleichzeitigen Gärungsmessungen wird festgestellt, daß
der Rückstand gärkräftige Zymase enthält.
Daß die Fällung in Nr. 3 durch die Salze und nicht durch
dialysable organische Substanzen (wie etwa das Koferment) be-
dingt ist, läßt sich, wenn auch nicht sehr scharf, dadurch de-
monstrieren, daß man das Ultrafiltrat eindampft und glüht
und die Asche, aufs alte Volumen verdünnt, zum Ultrafiltra-
tionsrückstand zusetzt. Man erhält wegen der Schwerlöslich-
keit der Asche keine klare Lösung und auch eine starke
Verlangsamung der Urethanwirkung. Nach Verlauf mehrerer
Stunden sieht man aber auch dann in der urethanhaltigen
Lösung eine zunehmende Trübung und Ausflockung eintreten,
während die Trübung ohne Narkoticum sich nicht ändert.
Endlich kann man das gleiche noch besser durch Zusatz von
Salzlösung zu dem gewaschenen Rückstand demonstrieren.
Setzt man z. B. Lösungen von K,HPO, in ®/,0-, ®/e-; ?/3 m-
Konzentration hinzu, so tritt zwar auch ohne Narkoticum eine
Trübung auf, die aber bei den kleinen Phosphatkonzentrationen
nicht mehr stark zunimmt, während in Gegenwart von 6°/, Äthyl-
urethan eine viel schneller einsetzende, viel stärkere Trübung
und Ausfällung stattfindet. Noch deutlicher und dem Verhalten
des Rückstandes mit Ultrafiltrat völlig analog ist aber die Er-
scheinung bei NaCl-Zusätzen: Nimmt man z. B. 0,6 ccm ™/,ọ-
NaCl auf 1 ccm Gesamtflüssigkeit, so trübt sich die narkoticum-
freie Lösung überhaupt nicht, während mit 6°/, Äthylurethan
Eiweißfällungen durch Narkotica. 327
innerhalb 5 Minuten eine starke Trübung und Fällung auftritt,
die bezüglich Intensität und Zunahme sich genau wie die im
ursprünglichen Saft verhält; bei 0,2 ccm ®/, „NaCl auf 1 ccm
tritt erst in 20 Minuten eine Trübung auf usw. Ähnliche Er-
gebnisse bekommt man mit andern Narkotica, so Isobutylurethan
(1,5°/,), Methylalkohol (20°/,), Amylalkohol (1,5 bis 2°/,). Endlich
kann man den Salzeinfluß dadurch demonstrieren, daß man
kleinere Narkoticumkonzentrationen benutzt, und den unver-
änderten Macerationssaft das eine Mal mit NaCl-Lösung, das
andere Mal mit destilliertem Wasser verdünnt: Macerationssaft
1:1 mit dest. Wasser verdünnt, trübt sich z. B. mit 4°/, Äthyl-
urethan schwach in einer halben Stunde; mit mol NaCl ver-
dünnt, tritt schon nach 5 Min. eine starke, rasch zunehmende
Trübung auf, während der NaCl-Zusatz ohne Narkoticum auch
in vielen Stunden keinerlei optische Veränderung des Saftes
hervorruft.
Die weitere Annahme der Autoren, daß diese Sensibili-
sierung auf Herabsetzung der Ladung der elektrischen Doppel-
schicht der Kolloidteilchen beruht, bedingt durch die sehr viel
kleinere Dielektrizitätskonstante der adsorbierten Nichtleiter
gegenüber dem Wasser (wodurch die Kondensatorkapazität der
Teilchen verkleinert wird), dürfte in gutem Einklang mit der
jüngst von Zsigmondy') und Smoluchowski°) entwickelten
und rechnerisch bestätigten Theorie der Koagulation stehen
und andererseits manche bisher unklare Erscheinungen der
narkotischen Hemmungen plausibel machen. Wahrscheinlich
beruht ja die primäre Hemmungswirkung der Narkotica gegen-
über enzymatischen Prozessen auf einer Verdrängung des Sub-
strats von der Enzymoberfläche. In diesem Fall, der rein bei
der von mir studierten Hemmung der Invertase”) und des
kolloidalen Platins*), ferner in der von Warburg untersuchten
Oxalsäureoxydation an Tierkohle°) verwirklicht scheint, erhält
man richtige Adsorptionskurven der Narkoticumwirkung. Bei
den Hemmungen in Preßsäften und Zellen nimmt die Wirkung
1) Ges. d. Wiss. in Göttingen. Math.-phys. Klasse 1917, 1.
2) Kolloidzeitschrift, 21, Sept.-Heft 1917.
3) Arch. f. d. ges. Physiol. 157, 251, 1914.
4) Ebd. 157, 307, 1914.
®) Ebd. 155, 547, 1914.
328 Otto Meyerhof: Eiweißfällungen durch Narkotica.
dagegen mindestens linear mit der Konzentration zu; in be-
sonderen Fällen, wie z. B. bei den Nitratbakterien, erhält man
sogar ausgesprochen konvexe Krümmungen der Hemmungs-
kurve gegenüber der Abszissenachse (Konzentration)!). In diesen
Fällen kombiniert sich offenbar die Verdrängung mit der Ent-
ladung, und diese letztere dürfte durch die besonderen im Zell-
innern vorhandenen Salze beeinflußt sein. So könnte z. B. der
starke Gehalt an NO,’ und NO,’-Ion bei den Nitratbakterien
die Stabilität der Zellkolloide so verändern, daß erst bei Über-
schreitung einer gewissen Narkoticumkonzentration die Aus-
flockung beginnt. Auch die Gesetzmäßigkeit, daß die Dielek-
trizitätskonstante beim Aufsteigen in den homologen Reihen
noch abnimmt, daß sie ferner bei Äthylurethan kleiner
ist als bei Äthylalkohol, — entsprechend der stärkeren Fällung
und Hemmung durch ersteres trotz geringerer Oberflächenspan-
nungserniedrigung — könnte von Bedeutung sein. Wenn auch
diese Überlegungen noch viel Hypothetisches besitzen, so führen
sie jedenfalls dazu, den Salzen im Zellinnern beim Zustande-
kommen der narkotischen Hemmungswirkungen eine erhebliche
Bedeutung zuzuerkennen.
1) Ebd. 165, 232f., 1916.
Über Fermentbildung.
6. Mitteilung?)
von
Martin Jacoby.
(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenl:iauses Moabit
\ in Berlin.)
(Eingegangen am 27. November 1917.)
Als wesentlichstes Ergebnis meiner Studien über Ferment-
bildung hatte sich ergeben, daß Leucin beim Bacillus proteus unbe-
dingt notwendig für die Bildung des harnstoffspaltenden Fermentes
ist. Das Leucin war notwendig, zugleich aber auch ausreichend
als einzige organische Substanz im Nährboden, um die Urease
der betreffenden Bakterien zu bilden. Ferner hatte sich ge-
zeigt, daß die Bakterien beliebig ohne das Ferment fortgezüchtet
werden konnten. Fügte man dann wieder zum Nährboden
Leucin hinzu, so wurde die Urease wiederum gebildet.
Am Schlusse der 4. Mitteilung wurde dann ein Programm
der Fortsetzung der Untersuchungen entwickelt und folgendes
ausgeführt:
„Es wird leicht sein, die gewonnenen Erfahrungen auf
eine breitere Basis zu stellen, indem man verschiedene Mikro-
organismen heranzieht, mannigfache, wichtige Fermente, aber
auch Toxine und andere wesentliche Zellfaktoren auf ihre Bil-
dung untersucht. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß wir so
nicht nur zu einer Erweiterung unserer Kenntnisse gelangen,
sondern auch prinzipielle Fortschritte erzielen werden.“
Die damals ausgesprochene Hoffnung wurde nicht ent-
täuscht. Wir sind nunmehr zur Untersuchung an Bakterien
1) 1. bis 5. Mitteilung s. diese Zeitschr. 79 u. ff.
330 M. Jacoby:
übergegangen, bei denen wir die Bildung zweier Fermente ver-
gleichend studieren konnten. Dabei schien es zweckmäßig, eine
Bakterienart zu wählen, bei der das eine der zwei ausgewählten
Fermente eine Urease ist. Denn so konnte geprüft werden,
ob die Bedeutung des Leucins für die Ureasebildung eine all-
gemeine ist oder ob, was auch möglich war, dem Leucin diese
Funktion nur ganz speziell bei der bisher untersuchten Pro-
teusart zukommt.
Als geeignetes Versuchsobjekt erwies sich Bacterium coli.
Bacterium coli spaltet bekanntlich ausgezeichnet Traubenzucker
und vermag auch in geringem Grade Harnstoff zu spalten.
Bevor wir auf spezielle Dinge eingehen, muß ein prin-
zipieller Punkt im voraus erledigt werden. Bekanntlich spielte
früher in der Fermentliteratur die Frage eine erhebliche Rolle,
ob eine von Zellen geleistete Wirkung eine Fermentwirkung ist
oder eine Wirkung, die nur der intakten, lebenden Zelle reser-
viert ist. Diese Gegenüberstellung muß heute als veraltet an-
gesehen werden. Sie hatte nur so lange eine vorläufige Be-
rechtigung, als es nur in vereinzelten Fällen möglich war,
Fermente aus dem Gesamtverbande der Zellen zu isolieren.
Nachdem immer mehr solche Isolierungen gelungen sind, kann
man unmöglich noch eine prinzipielle Einteilung von dem
gerade zur Zeit erreichten Stande der experimentellen Technik
abhängig machen. Wir halten es für richtiger, immer dann
von Fermentwirkungen zu sprechen, wenn nach der Art des
von den Zellen beeinflußten chemischen Vorganges und nach
der Art und Weise, wie die in Frage kommende Zellsubstanz
auf den Vorgang einwirkt, die Wirkung eines Fermentes die
naheliegendste Erklärung ist. Ob und inwieweit es zur Zeit be-
reits gelungen ist, das Ferment zu isolieren, erscheint uns da-
neben unerheblich.
Nach dieser Darlegung wird es also auch als berechtigt
erscheinen, wenn wir die Zuckerzersetzung durch Bacterium
coli, die mit Gasbildung einhergeht, als einen fermentativen
Vorgang auffassen. Um unseren Standpunkt als begründet an-
zuerkennen, braucht man sich auch nur einmal ganz streng die
Frage vorzulegen, was denn eigentlich damit gesagt ist, wenn
man die Zuckervergärung als einen von der lebenden Zelle ab-
hängigen Vorgang im Gegensatz zu einem fermentativen auffaßt.
Über Fermentbildung. VI. 331
Die Antwort müßte dahin lauten, daß die Gärung nicht unter
dem Einfluß einer einzelnen Substanz zustandekommt, sondern
durch das gehörige Zusammen- oder Nacheinandereinwirken
einer Reihe von Substanzen. Das sind aber durchaus nicht
Bedingungen, die nicht auch bei Fermentwirkungen in Betracht
kommen. Man braucht nur an die Zuckervergärung durch die
Hefe zu denken, um sich zu überzeugen, daß hier bei einer
wahren Fermentwirkung auch ein Komplex von Substanzen
an der Bewältigung des Vorganges beteiligt ist.
Versuche über Harnstoffspaltung durch B. coli.
Immer 20 ccm Harnstofflösung (2°/,), 10 cem Wasser, in
den Leucinversuchen je 0,05g Eiweißleucin. Die Kulturmenge
beträgt, wo nicht anders vermerkt, 1 cem, die Versuchszeit
24 Stunden.
Nährboden Mit Leucin | Ohne Leucin Bemerkungen
Bouillon .... . — 7,7 2tägige Kultur
8,3
do: men — ~ 8&4 [do =
A u 8,8
don,” Kim 16,1 42 [| Stägige Kultur
ERS 182.2 EN "Br ER EEE
do: ts nun 3,7 | 1,2 2tägige Kultur 2 com
E 4,0 2,6 aa at
dae aaa EB 0,6 3tägige Kultur 0,5 cem,
ae en e 16,7 1,0 Versuchszeit 48 Stunden
Uschinski 7,4 0,7 ltägige Kultur
EB 1 =
Uschinski 4,0 05 | 1tägige Kultur,
2. Generation . . 61 | 23 Versuchszeit 48 Stunden
dos ..| 187 22 do.
40,0 10,8 2.
do. — 0,5 2tägige Kultur
M 22,1 06 | =
do 0,9 0,4 $tägige Kultur
1,7 1,2
In der Tabelle sind alle Versuchsresultate wiedergegeben,
um zu zeigen, daß beim B. coli die Werte der Harnstoffspaltung
unregelmäßig und meistens gering ausfallen, daß insbesondere
die Fermentbildung auch in Kontrollversuchen recht unregel-
mäßig verläuft.
332 M. Jacoby:
Trotzdem geht aus den Versuchen unzweifelhaft hervor,
daß Leucin für die Bildung der Urease des B.coli von Bedeu-
tung ist. Ohne Leucinzusatz wurde eine merkliche Harnstoff-
spaltung fast nur bei Bouillonkulturen bemerkt, und in der
Bouillon müssen wir ja, wie wir aus den Proteusversuchen
wissen, Leucin oder Leucinvorstufen annehmen. Beweisend
sind die Versuche, bei denen Bakterien benutzt wurden, die
auf Uschinski-Nährboden in 2. Generation gezüchtet waren, bei
denen also unbekannte Nährstoffe nicht mehr in Betracht
kommen. Bei aller Unregelmäßigkeit sind doch die Leuein-
ausschläge unverkennbar. Wie beim Proteus fällt auch beim
B. coli gelegentlich ein Versuch aus, wenn nämlich die Bakterien
die Fähigkeit verloren haben, überhaupt noch Ferment zu
bilden. Die Harnstoffspaltung durch B. coli ist überhaupt nur
gering und unregelmäßig, Nur bei Stämmen, die Harnstoff
spalten, kann das Leucin zur Bildung der Urease beitragen.
Auf Uschinski-Nährboden kann bei längerem Wachstum die
Activierbarkeit durch Leucin verloren gehen.
In Kontrollversuchen wurde besonders festgestellt, daß
B. coli unter unseren Versuchsbedingungen aus Leucin kein
Ammoniak abspaltet, daß ferner Glykokoll und Traubenzucker
ohne jeden Einfluß auf die Bildung des harnstoffspaltenden
Fermentes ist.
Somit lassen die Versuche — namentlich im Zusammen-
hang mit unseren Beobachtungen beim Bac. proteus — keine
einfachere Deutung zu als die, daß Leucin auch beim B. coli
zu der Bildung des harnstoffspaltenden Fermentes beiträgt.
Versuche über Zuckervergärung durch B. coli.
Die Prüfung, ob das Leucin Einfluß auf die Trauben-
zuckerspaltung durch B. coli hat, gestaltete sich sehr einfach.
Einhornsche Gärungsröhrchen wurden mit dem benutzten Nähr-
boden, der immer auf 1°/, Traubenzuckergehalt gebracht wurde,
beschickt und im Dampftopf sterilisiert. In den Leucinver-
suchen wurde in der Nährflüssigkeit außerdem Leucin gelöst
und zwar immer 0,11g Leucin in einem Gemisch von 20 cem
Uschinski-Lösung und 2ccm 10°/,iger Traubenzuckerlösung.
Nach der Sterilisierung wurden die Röhrchen beimpft und in
den Brutschrank gestellt. An den nächsten "Tagen wurde die
Über Fermentbildung. VI. 333
Menge des gebildeten Gases abgelesen. Strengeren quantitativen
Anforderungen genügt diese Prüfung natürlich nicht. Das ist
aber auch in diesem Falle nicht notwendig, weil das Ergebnis,
daß Leucin die Menge des gebildeten Gases nicht vermehrt,
sich vollkommen sicher herausstellte.
Die Versuche wurden dadurch besonders beweiskräftig
gestaltet, daß mit denselben Kulturen und denselben Nähr-
böden gleichzeitig die Prüfung beider Fermente, des harnstoff-
spaltenden und des zuckerspaltenden vorgenommen wurde.
Dadurch ist dann der Unterschied der Leucinwirkung besonders
deutlich: in dem einen Falle Fermentbildung unter dem Ein-
fluß des Leucins, in dem anderen Falle Hemmung der Ferment-
bildung.
Gärungsversuche auf Uschinski-Nährboden 2. Generation mit
B. coli.
In den in der Tabelle wiedergegebenen Versuchen waren
die Kolibacillen "auf dem Nährboden im Einhorn-Röhrchen gut
gewachsen.
Stunden Mit Leucin Ohne Leucin
48 0 O und 0,7
72 0 und 0,3 0,6 » 1,5
24 0,5 » 0,5 0,5 » 0,6
48 1,0 » 1,0 1,4 » 1,6
24 0,8 » 1,0 10» 1,4
48 14 » 186 2,3 n 2,7
Stunden Mit Glykokoll Ohne Glykokoll
24 0 und 0,2 0,9und 1,0
48 0,7 » 11 1,8 » 2,0
Die experimentellen Ergebnisse dieser Mitteilung sind über
den engeren Rahmen der Fragestellung hinaus von allgemeinem
Interesse. Als ich festgestellt hatte, daß die Urease der Pro-
teusbakterien Leucin zu ihrer Bildung braucht, waren mehrere
Möglichkeiten gegeben: Entweder konnte das Leucin als ein
Baustein für alle Fermente der betreffenden Proteusbakterien
oder nur für die Urease derselben in Frage kommen. Eine
andere Möglichkeit lag aber auch vor, daß nämlich Ureasen
334 M. Jacoby:
verschiedenster Herkunft auf Leucin als Baustein angewiesen
sind. In jedem Falle würden sich wichtige Perspektiven er-
geben. Hätten sich Anhaltspunkte für einen spezifischen Auf-
bau der verschiedenen Ureasen ergeben, so würde das eine
chemische Grundlage zu der serologischen Erfahrung abgegeben
haben, daß gleichwirkende Fermente verschiedener Zellabstam-
mung differente Antikörper bilden. Ebenso war aber der durch
das Experiment gefundene Sachverhalt a priori möglich, daß
also zwei Ureasen verschiedener Herkunft dieselbe Aminosäure
für ihre Bildung brauchen. Die oben erwähnte serologische
Spezifität steht dazu natürlich in keinem Widerspruch. Denn
selbstverständlich bleibt für spezifische Unterschiede im Ferment-
molekül immer noch genügender Spielraum. Vor langer Zeit
habe ich gerade am Beispiel der Ureasen eingehend dargelegt,
daß die fermentativ wirksame Gruppierung im Fermentmolekül
nichts mit der für die Antikörperbildung notwendigen direkt
zu tun hat.
Die Feststellung, daß Ureasen verschiedener Herkunft den-
selben Bildungsstoff im Leucin haben, ist bedeutungsvoll; sie
spricht auch dafür, daß vielleicht eine Beziehung zwischen dem
Leucin und der Konstitution der Ureasen besteht.
Besonders vermerkt sei übrigens noch eine Konsequenz,
die eigentlich schon aus unseren früheren Mitteilungen hervor-
geht, aber vielleicht noch nicht ausdrücklich genug hervor-
gehoben war. Es ist anzunehmen, daß in den Bakterienzellen
nicht jede Aminosäure ohne weiteres aus einer anderen ent-
stehen kann. Sonst müßte das Leucin auch durch andere
Aminosäuren ersetzbar sein.
Weittragendste Aufklärung aber leitet sich aus dem Befund
dieser Mitteilung ab, daß offenbar die einzelnen Fermente der-
selben Zelle verschiedene Bildungsstoffe haben. Den Bildungs-
stoff des Gärungsfermentes können wir allerdings leider vor-
läufig noch nicht angeben. Aber es ist wahrscheinlich, und wir
können es zunächst der Einfachheit halber annehmen, daß auch
an der Bildung des Gärungsfermentes eine Aminosäure ` oder
— allgemeiner ausgedrückt — ein Eiweißbestandteil beteiligt
ist. So gelangen wir zwanglos zu der Annahme, daß die diffe-
renten Bausteine des Eiweiß die untereinander verschiedenen
Bausteine der einzelnen Fermente liefern.
Über Fermentbildung. VI. 335
Zur Kenntnis der physiologischen Bedeutung der Eiweiß-
zusammensetzung.
Im Anschluß an die eben entwickelten Punkte scheint mir
eine allgemeine Betrachtung möglich. Wenn man sich fragt,
welche Bedeutung das Eiweiß für die lebende Substanz hat,
so lassen sich sofort zahlreiche Antworten geben. Das Eiweiß
ist der kolloide, für die Entstehung von Strukturen geeignete
Träger der Lebensvorgänge, durch seinen amphoteren Charakter
reguliert es vorzüglich die Reaktion des Protoplasmas, durch
seine Fähigkeit, Gruppen an sich zu kuppeln, vermag es, kom-
pliziertere Verbindungen zu bilden und Bruchstücke im Säfte-
strome sicher an den gehörigen Ort der Verwendung zu bringen.
Daß es in der Nahrung mehr oder weniger notwendig ist, er-
klärt sich allein schon dadurch, daß es gebraucht wird zum
Ersatz von Zelleiweiß, das durch Abnutzung verloren gegangen ist.
Alle diese Funktionen des Eiweißes wären aber auch er-
füllbar, wenn das Eiweiß aus Ketten einer einzelnen Amino-
säure bestände. Würden die angeführten Momente die Rolle
des Eiweißes erschöpfen, so könnte man die Komplikation des
Eiweißaufbaues nur kausal begreifen. Man müßte sich be-
gnügen, zu sagen, unter den in der Natur gegebenen Bedin-
gungen entsteht eben ein kompliziert aufgebautes Eiweiß. Aber
besondere Funktionen haben die einzelnen Bausteine nicht für
den normalen Betrieb der Organismen. Nun gibt es schon
gewisse Anhaltspunkte, die dafür sprechen, daß die einzelnen
Bausteine ihre besondere Funktion besitzen. So sind bekannt-
lich Eiweißkörper, denen aromatische Gruppen wie das Tyrosin
oder Tryptophan fehlen, kein vollwertiger Eiweißersatz in der
Nahrung. Doch das erklärt sich schon allein dadurch, daß die
Zelle aus einem unvollkommenen Nahrungseiweiß auch nicht
das richtige Zelleiweiß aufbauen kann.
Wenn wir nun aber sehen, daß ganz bestimmte Eiweiß-
bausteine unbedingt notwendig sind, um die Bildung verschie-
dener, spezifischer Fermente zu ermöglichen, so erkennen wir,
daß der komplizierte Eiweißaufbau eine unentbehrliche Vor-
bedingung der Funktion der Fermente ist. Ähnlich verhält es
sich wohl mit den Hormonen und allen Substanzen im Orga-
nismus, die nicht einfach Grundlage der Struktur oder als
336 M. Jacoby: Über Fermentbildung. VI.
Brennstoff, sondern als physiologisch aktive und spezifisch ein-
gestellte Faktoren im Organismus tätig sind.
So gelangen wir zu einer experimentell begründeten und
physiologisch übersehbaren Beziehung des Eiweißes zu den Fer-
menten und gewinnen zugleich einen tiefen Einblick in die
biologische Bedeutung des Eiweißes.. Diese neue Beziehung
zwischen Eiweiß und Ferment befriedigt mehr, als die naive,
ältere Anschauung. Diese frühere Hypothese, die immer halt-
los war, brachte Eiweißkörper und Fermente lediglich aus dem
unwissenschaftlichen Grunde in nahe Beziehung, weil die
analytische Technik heute noch nicht die Trennung der beiden
Gruppen aus einem Zellbreigemenge immer mit Sicherheit
ermöglicht.
Über die Darstellung von Kohlenhydratphosphorsäure-.
ester (Zymophosphat) durch lebende Hefe.
Von
Hans Euler.
(Aus dem chemischen Laboratorium der Universität Stockholm.)
(Eingegangen am 27. November 1917.)
In einer kürzlich erschienenen Mitteilung hat Neuberg‘)
Versuche angegeben, durch die er seine in zahlreichen Arbeiten
in dieser Zeitschrift vertretenen Anschauungen über den Ver-
lauf der alkoholischen Gärung weiter zu stützen sucht.
Ohne auf diese Anschauungen selbst hier näher einzugehen,
sehe ich mich — um Mißverständnissen vorzubeugen — ver-
anlaßt, zu einigen Versuchen Neubergs das Wort zu ergreifen.
Es handelt sich um die Bildung bzw. Darstellung des Harden-
schen Kohlenhydratphosphorsäureesters resp. der Salze des-
selben, die wir im folgenden der Kürze halber als Zymophos-
phate bezeichnen wollen.
Wie ich mit D. Johansson 1912 gefunden habe”), ge-
lingt es, anorganisches Phosphat quantitativ mittels lebender,
frischer Hefe in Zymophospat überzuführen, wenn man zu der
gärenden Flüssigkeit geeignete Mengen eines Protoplasma-.
giftes wie Toluol zusetzt. Ohne einen solchen Zusatz
tritt mit frischen Hefezellen eine Veresterung außerhalb der
Zellen, also eine Anreicherung des Zymophosphats in der Lö-
sung nicht ein; bzw. mit lebender Hefe nur in dem Maße,
als sie tote oder beschädigte Zellen enthält.
1) Neuberg, Färber, Levite und Schwenk, diese Zeitschr.
83, 244, 1917.
2) Euler und Johansson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 80, 175, 1912.
338 H. Euler:
Neuberg teilt nun mit, daß ihm auch unter Anwendung
von Toluol nach meinen Angaben nur eine Veresterung von
5 bis 8°/, gelungen sei. Er zitiert dabei die in meiner Mono-
graphie!) gegebene Vorschrift.
Ich möchte hierzu der Vollständigkeit halber noch die-
jenige Arbeit erwähnen, in der ich über die besprochene Wir-
kung des Toluols zuerst Mitteilung gemacht habe*), und ferner
diejenigen Arbeiten), in denen die quantitative Veresterung
des anorganischen Phosphates und der zeitliche Verlauf dieser
Veresterung näher behandelt sind. Aus diesen Arbeiten ist näm-
lich zu ersehen, wie regelmäßig und gleichartig die vollstän-
dige Veresterung bei der seit 6 Jahren in dieser Hinsicht von
uns untersuchten Gruppe von Hefen verläuft.
Da nun andererseits Neuberg gefunden hat, daß bei seinen
Versuchen nur eine Veresterung zu 5 bis 8°/, eingetreten ist,
so muß man den Schluß ziehen, daß es zwei Gruppeu
von Hefen gibt, von denen die eine in lebendem Zu-
stand in Gegenwart von Toluol Phosphat quantitativ
bindet, während bei der anderen diese Bindung nur
sehr unvollständig oder gar nicht eintritt.
Hinsichtlich der Durchführung der quantitativen Phosphat-
bindung muß in diesem Zusammenhang noch auf einige Punkte
die Aufmerksamkeit gelenkt werden.
1. Eine Steigerung des Toluolzusatzes über die von mir
und meinen Mitarbeitern angegebenen Grenzen hinaus be-
günstigt nicht etwa die Phosphatbindung, sondern hindert sie
im Gegenteil. In meiner ersten Mitteilung über dieses Thema
habe ich mit D. Johansson ausdrücklich angegeben:
„Für die Vergiftungserscheinungen der lebenden Hefezellen
kommen die relativen Mengen von Protoplasmagift und Hefe
stark in Betracht, so daß ein großer Überschuß von Toluol
eine Inaktivierung hervorruft, während kleinere Mengen fast
ohne Einwirkung sind.“
1) Euler und Lindner, Chemie der Hefe und der alkoholischen
Gärung, Leipzig 1915, Seite 174.
2) Euler und Johansson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 80, 174, 1912.
®) Z. B. Euler und Johansson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 80,
205, 1912 und 85, 192, 1913. Aus neuerer Zeit: Euler, Svanberg,
Hallberg und Brandting, Zeitschr. f. physiol. Chem. 100, 203, 1917.
Darstellung v. Kohlenhydratphosphorsäureester durch lebende Hefe. 339
Demgemäß wird unseren Erfahrungen nach ein Toluolzu-
satz von 10°/, der Wassermenge (vgl. Neuberg, l. c. S. 253)
bei allen Hefen die Phosphatbindung stark oder vollständig
hemmen.
2. Unsere sämtlichen Versuche über alkoholische Gärung
sind — soweit nicht ausdrücklich anders angegeben — wie
oft betont, mit untergäriger Bierhefe, in der Regel Hefe H,
angestellt. Wie hinsichtlich der Invertase, so verhält sich auch
hinsichtlich der Phosphatase Brennereihefe (Preßhefe) durchaus
verschieden von untergäriger Bierhefe und ist in der Regel
zu Zymophosphatdarstellung mit lebender Hefe und Toluol
unbrauchbar. Ich würde in meiner Vorschrift auch ausdrück-
lich die Notwendigkeit, untergärige Bierhefe hierzu anzuwenden,
betont haben, wenn ich nicht einmal eine Brennereihefe an-
getroffen hätte, die ebenfalls eine quantitative Veresterung er-
möglicht hat. Ich gebe aber gerne zu, daß ich auch in meiner
Monographie den Vorzug der Brauereihefe hätte hervorheben
sollen.
Unsere Versuche über die Wirkung des Toluolzusatzes
haben sich keineswegs auf die präparative Seite der Angelegen-
heit beschränkt. Mit Johansson habe ich z.B. mit dieser
Methode die Harden- Youngsche Gärungsgleichung für lebende
Hefe geprüft!), und vor kurzer Zeit habe ich mit einigen Mit-
arbeitern den schon früher betonten auffallenden Verlauf der
Veresterung mit lebender Hefe und Toluol wieder untersucht
und beschrieben.
Gleich bei der ersten Untersuchung über den Toluolein-
fluß auf die Veresterung habe ich mit Johansson übrigens
mehrere Hefen in den Kreis unserer Untersuchung gezogen.
Die Darstellung der Ergebnisse ist für eine zusammen-
fassende Mitteilung über Enzymbildung — speziell über die
Bildung der Phosphatase in lebenden Zellen — aufgespart
worden und hat sich aus äußeren Gründen verzögert.
Hier kann einstweilen angegeben werden, daß unter 11
untersuchten untergärigen Hefen sich 9 zur Zymophosphat-
bildung nach meiner Methode als brauchbar erwiesen haben,
und zwar 7 davon in etwa dem gleichen Maße wie die von
1) Euler und Johansson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 85, 192, 1913.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 23
340 H. Euler:
uns in der Regel verwendete untergärige Bierhefe H, während
2 Hefen eine erheblich längere Zeit bzw. größere Hefemengen
zur quantitativen Veresterung erforderten, und 2 Hefen sich
nach den bis jetzt angestellten Versuchen als unbrauchbar er-
wiesen.
Unter den genannten 7 gut veresternden Hefen waren 5
Saccharomyces cerevisiae, und davon 1 untergärige Münchener
Bierhefe und 1 untergärige Bierhefe aus dem Berliner Institut
für Gärungsgewerbe.
Ich entnehme unserem Laboratoriumstagebuch folgendes:
20 ccm einer 20°/,igen Glucoselösung + 10 com einer 10°/,igen
Lösung von Dinatriumphosphat + 6 g frische lebende Hefe wurden ge-
mischt. Zu Beginn des Versuches und nach gewissen Zeiten wurde das
noch anwesende freie Phosphat mittels Magnesiamischung unter den
üblichen Vorsichtsmaßregeln gefällt und als Mg,P,0, zur Wägung ge-
bracht. Die Zeiten, die erforderlich waren, um das gesamte ange-
wandte Phosphat zu verestern (bis also mit Magnesiamischung keine
Fällung mehr eintrat), waren für die beiden deutschen Bierhefen die
folgenden:
Münchener untergärige Bierhefe . . ...... 455 Min.
Bierhefe des Instituts für Gärungsgewerbe . . . 510 »
Dabei ist zu bemerken, daß die Hefen 2 Tage vorher eine
Vergärung durchmachten in 6°/,iger Rohrzuckerlösung, die
2°/, Dinatriumphosphat enthielt.
Aus der Literatur, besonders der Wochenschrift für Brauerei,
geht hervor, daß die deutschen Bierhefen sich während des
Krieges in mancher Hinsicht erheblich geändert haben; in
welcher Weise dies hinsichtlich ihres Veresterungsvermögens der
Fall ist, hatte ich keine Gelegenheit zu untersuchen. Sobald
aber normale Verhältnisse eintreten, werden wir übrigens der
Frage nach der Zymophosphatbildung durch lebende Hefen
aus verschiedenen Gründen wieder nähertreten und besonders
deutsche Hefen daraufhin untersuchen.
Mit dem Umstand, daß Neuberg offenbar mit Hefen ge-
arbeitet hat, die sich in bezug auf Zymophosphatbildung anders
verhalten, als die hier untersuchten, hängt es vielleicht auch
zusammen, daß er in seinen Produkten nie die von mir und
Fodor beobachteten Anzeichen für die Bildung von Triosemono-
phosphat hat finden können. Der von uns als Triosemono-
phosphat angesprochene Körper stellt ja nie etwas anderes dar
als eine geringe Beimengung zum Hauptprodukt, das, wie ich
Darstellung v. Kohlenhydratphosphorsäureester durch lebende Hefe. 341
ganz kürzlich!) in Bestätigung der Auffassung von Harden
und Young betont habe, aller Wahrscheinlichkeit nach Fruc-
tosediphosphat ist?) Die relative Menge der von mir be-
obachteten geringen Beimengung, die ich allerdings nie isolieren
konnte, ist aber von der Natur der angewandten Hefe recht
abhängig. Im Caleiumzymophosphat habe ich sie übrigens nur
selten und dann in sehr geringen Mengen gefunden; ihr Cal-
ciumsalz scheint erheblich leichter löslich zu sein als das des
Fructosediphosphates. Ich hoffe auf diese Frage bald aus-
führlich zurückzukommen. Was schließlich die Veresterungs-
fähigkeit von Dioxyaceton betrifft, besteht, was zunächst
die experimentelle Seite der Angelegenheit betrifft, zwischen
Neuberg und mir volle Übereinstimmung. Selbst habe ich
zwar nur einen Versuch darüber veröffentlicht, da v. Lebedew
die Bearbeitung dieser Frage sich vorbehielt. Ich habe aber
später mehrmals zu meiner eigenen Information weitere Ver-
suche angestellt und habe nach diesen keine Veranlassung, an
meinem früheren Versuch oder an dem daraus gezogenen Schluß
zu zweifeln. Der Versuch, den Herr Dr. Gambarjan im Labo-
ratorium von Herrn Prof. Meisenheimer für mich ausführte?),
war folgender:
A. 4g Dioxyaceton + 25 g Hefenextrakt + 10,5 proz. Na,HPO,-
lösung + 10 ccm Wasser.
B. 25 ccm angegorene Glucoselösung + 10 cem 5proz. NagHPO,-
Lösung -+ 10 ccm Wasser.
g Mg,P,0, in 10 cem Lösung
Stunden
0 0,0705 | 0,0658
4 Spuren | 0,0625
20 — ' 0,0594
Einige Zeit darauf haben Harden und Young!) geprüft,
ob freies Phosphat während des Gärungsprozesses von Dioxy-
1) Euler, diese Zeitschr. 84, 402, 1917.
2) Durch die schönen Versuche von Neuberg, Färber, Levite
und Schwenk (l. c.) über die Spaltung des Zymophosphates kann das
Ergebnis Hardens und Youngs, daß Fructosediphosphat vorliegt, nun-
mehr wohl als bewiesen angesehen werden.
3) Euler und Kullberg, Zeitschr. f. physiol. Chem. 74, 15, 1911.
4) Harden und Young, diese Zeitschr. 40, 458, 1912.
23*
342 H.Euler: Darstellung v. Kohlenhydratphosphorsäureester d. leb. Hefe.
aceton gebunden wird. Sie haben mit Macerationssaft (Schroder)
gearbeitet und geben folgende Tabelle an, die in g Mg,P,O,
ausgedrückt ist:
Entwickelte CO, Phosphat
ccm ungebunden | verestert
— 0,2389 —
27 0,1904 0,0485
83,3 0,1896 | 0,0493
Auch hier ist also „eine kleine Phosphatmenge auf diese Weise
gebunden worden“.
Unser Ergebnis steht also qualitativ und quantitativ in
Übereinstimmung mit dem von Harden und Young sowie
mit dem von Neuberg erhaltenen, dagegen quantitativ nicht in
Übereinstimmung mit v. Lebedew'), der eine sehr viel weiter-
gehende Veresterung angibt.
Auch befinde ich mich wohl in Übereinstimmung mit Neu-
berg, wenn ich den Schluß anführe, den ich 1911 aus dem
oben angegebenen Versuch gezogen habe:
„Ein Verbrauch von Phosphorsäure tritt“ — schrieb ich
damals —, „wie die Spalte A der Tabelle zeigt, allerdings ein,
indessen ist derselbe im Vergleich zu der Esterbildung bei Gegen-
wart angegorener Glucose so gering, daß man schließen muß,
daß Dioxyaceton nicht derjenige Bestandteil des angegorenen
Zuckers ist, der die Phosphorsäure bindet.“
1) v. Lebedew, diese Zeitschr. 86, 248, 1911, und Ber. d. Deutsch.
chem. Ges. 44, 2932, 1911.
Über die Abhängigkeit der serologischen Spezifizität
von der chemischen Struktur.
(Darstellung von Antigenen mit bekannter chemischer
Konstitution der spezifischen Gruppen.)
XII. Mitteilung über Antigene').
Ausgeführt mit Unterstützung der Fürst Liechtenstein-Spende.
Von
Karl Landsteiner und Hans Lampl.
(Aus der Prosektur des Wilhelminenspitales in Wien.)
[Eingegangen am 28. November 1917.]
Die Bedeutung der serologischen Reaktionen beruht zum
großen Teil auf den diagnostischen Anwendungen und biolo-
gischen Ergebnissen, als deren wichtigstes die Feststellung der
chemischen Arteigenheit und Artverwandtschaft anzusehen ist.
Davon abgesehen, erregen diese Reaktionen aber auch als solche
Interesse, da sie in ihrer eigentümlichsten Eigenschaft, der
Spezifizität, mit Ausnahme einiger Fermentwirkungen von allen
bekannten chemischen Erscheinungen abweichen.
Von den bisher gemachten Versuchen zur Aufklärung der
serologischen Spezifizität möchten wir, als in Zusammenhang
mit unserer Mitteilung stehend, die wichtigsten jener kurz
skizzieren, denen organisch-chemische Überlegungen zugrunde
liegen.
Eine Reihe derartiger Arbeiten beruht auf der Vornahme
von Veränderungen an den natürlich vorkommenden immuni-
sierenden Substanzen. Während die Untersuchung solcher ver-
änderter Antigene vorher nur wenige einfache Fälle betraf,
wie Abschwächung von Toxinen durch Erhitzen oder chemische
1) s. Zeitschr. f. Immunitätsf. 13, 17, 20, 21, 26. Vorläufige Mitteil.
Centralbl. f. Physiol. 30, Nr. 8, 1915.
344 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Agentien, Herstellung von Stromata aus Blutkörperchen‘), Er-
hitzung präcipitabler Substanz?) oder Einwirkung von Alkohol’),
wurde dieses Verfahren erst durch die Arbeiten von Ober-
mayer und Pick*) bedeutungsvoll. Das wesentlichste Ergebnis
der Untersuchungen dieser Autoren war die Feststellung, daß
durch verschiedenartige Veränderungen von Eiweiß neue Anti-
gene entstehen, die eine von der Art der vorgenommenen
Veränderung abhängige serologische Spezifizität besitzen und
daß dabei in bestimmten Fällen die Artspezifizität bei erhaltener
Antigeneigenschaft aufgehoben wird. Obermayer und Pick
unterscheiden mehrere Arten von Veränderungen, und zwar
zunächst solche „physikalisch-chemischen“ Charakters, sogenannte
Zustandsänderungen, ferner ziehen sie eine scharfe Grenze zwischen
Änderungen des Eiweißes mit erhaltener und mit aufgehobener
Artspezifizität. Eine Aufhebung der Artspezifizität fanden sie
ausschließlich bei drei der von ihnen studierten Reaktionen
(oder bei Kombinationen dieser Prozesse), nämlich bei der Bil-
dung von Xanthoprotein, der Jodierung von Eiweiß und der
Entstehung von sogenanntem Diazoeiweiß durch die Einwirkung
von salpetriger Säure. So wirkt z. B. ein mit Xanthoprotein
aus Pferdeserum hergestelltes Immunserum nur abgeschwächt’)
oder gar nicht auf natives Pferdeserum, auch nicht auf jodiertes
Pferdeeiweiß, aber stark auf Xanthoprotein aus Pferdeserum oder
dem Serum anderer Tierarten, und auch auf Xanthoprotein aus
Pflanzeneiweiß. Da die genannten drei Reaktionen mit Sub-
stitutionen in aromatischen Kernen einhergehen, so war zunächst
die Hypothese der Autoren plausibel, daß für die Aufhebung der
Artspezifizität das Stattfinden solcher Substitutionen wesentlich
1) Annales de l’Inst. Pasteur 14, 257, 297, 1900.
®) Münch. med. Wochenschr. 12, 1902.
3) Michaelis und Oppenheimer, Arch. f. Anat. u. Physiol.
1902, 353.
“% s. Pick, Biochem. d. Antigene, S.-A. aus Handb. d. pathog.
Mikroorg. v. Kolle-Wassermann, G.Fischer, Jena 1912 (Angaben über
Nachprüfungen); ferner Wiener klin. Wochenschr. 1903, Nr. 22; 1904,
Nr. 10; 1906, Nr. 12. Vgl. P. Th. Müller, Centralbl. f. Bakt. 32. 521.
5) Siehe Zeitschr. f. Immunitätsf. 20, 218, cf. Freund, diese Zeit-
schr. 20, 512, 1909, Pick und Yamanouchi, Zeitschr. f. Immunitätsf.
1, 676.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 345
seit). Die übrigen von Obermayer und Pick untersuchten
Eingriffe, z. B. Erwärmung, Einwirkung von Toluol, Chloroform,
Säuren, Laugen, riefen zwar Modifikationen der Antigeneigen-
schaften hervor, ließen aber die Artspezifizität intakt.
Wir haben in eigenen Untersuchungen?) diesen Gegenstand
weiter verfolgt und konnten einige neue Tatsachen feststellen.
So fanden wir, daß zwischen Eiweißveränderungen mit erhal-
tener und solchen mit abgeschwächter oder aufgehobener Art-
spezifizität Übergänge bestehen und daß der Kreis jener Verän-
derungen, die die Arteigenheit aufheben, ein größerer und
mannigfaltigerer ist,. als man vorher meinte. Als Reaktionen,
die diese Wirkung haben, erwiesen sich Veresterung des Ei-
weißes durch alkoholische Säuren, Acylierung durch Säure-
anhydride oder Säurechloride, ferner Alkylierung (Methylierung),
die, wie wir fanden?), durch Diazomethan leicht zu erzielen
ist. Es kann demnach die Substitution von Wasserstoffatomen
aromatischer Kerne nicht mehr als notwendige Bedingung für
das Verschwinden der Artspezifizität angesehen werden ^).
Den von uns angewendeten Reaktionen ist es gemeinsam,
daß Veränderungen an salzbildenden Gruppen des Eiweißes
vor sich gehen. Auch hier entstand eine neue, ausgeprägte,
durch die Art der chemischen Veränderung bestimmte Spezi-
fizität (Strukturspezifizität), so daß beispielsweise ein Immun-
serum gegen methyliertes Eiweiß aus Pferdeserum mit Methyl-
eiweiß der verschiedensten Serumarten und auch mit methy-
1) 1. c. -Wiener klin. Wochenschr. 1906, Nr. 12, S. 332,
®) Landsteiner und Prášek, u.Jablons, u. Barron, u. Lampl,
diese Zeitschr. 58, 362; vgl. ebenda 61, 67, 74; Zeitschr. f. Immunitätsf.
20, 211, 618, 21, 193, 26, 122, 133, 142.
3) Landsteiner, diese Zeitschr. 58, 362, 1913; Herzig und L.,
ebenda 61, 458.
t) Eine besondere Rolle bestimmter aromatischer Kerne ist aus
dem folgenden Grunde nicht anzunehmen. Nach Obermayer und
Pick ist die Tyrosingruppe wegen des Verhaltens der Oxyproteinsäure
und wegen der Erscheinungen bei Trypsinverdauung für die Erhaltung
bzw. Zerstörung der Arteigenheit nicht maßgebend; andererseits kommt
aber bei der nach unseren Ergebnissen (siehe unten) die Artspezifizität
beeinträchtigenden Kuppelung mit Diazokörpern unter den aromatischen
Kernen nur die Tyrosingruppe in Betracht. (Vgl. Obermayer und
Pick,l.o. Wiener klin. Wochenschr. 1906, Nr, 12, 330, 332; 1. o. Pick,
Biochemie der Antigene, S. 29, 30,)
346 K. Landsteiner u. H. Lampl:
liertem Pflanzeneiweiß reagiert. Eine derartige Abänderung,
daß Serumeiweiß für die gleiche Tierart, von der es stammt,
zum Antigen wird, wie in den Versuchen von Obermayer
und Pick, konnten wir!) auch erzielen, ohne daß die Art-
spezifizitätt bei der Prüfung mit gewöhnlichem präcipitie-
renden Serum sich als verändert erwies, und zwar durch Ein-
wirkung von Formaldehyd (und nachfolgende Alkoholfällung).
Ein solches aus Kaninchenserum hergestelltes Präparat rief bei
Kaninchen die Bildung von Antikörpern hervor, die mit der
zur Injektion benutzten Substanz, aber nicht mit gleichartig
verändertem Eiweiß anderer Tierarten reagierten. Vermutlich
werden sich für diese neue Art von Antigenen noch weitere
Beispiele finden lassen.
Mit einer anderen als der bisher betrachteten Methode suchten
Wells, Osborne und ihre Mitarbeiter chemische Aufschlüsse
über das Phänomen der serologischen Spezifizität zu erhalten,
indem sie solche natürliche Eiweißstoffe, die Besonderheiten
der chemischen Zusammensetzung aufweisen, in bezug auf ihre
Antigeneigenschaften untersuchten. So fand Wells?) [cf.
Klein®)], daß Injektionen von Gelatine keine Anaphylaxie
hervorrufen. Nach der Ansicht von Wells rührt dieses Fehlen
der Antigenwirkung daher, daß im Gelatinemolekül bestimmte
aromatische Gruppen, nämlich Tyrosin und Tryptophan, nicht
enthalten sind.
In Anbetracht dessen, daß gewisse, z. B. krystallinische
oder alkohollösliche, pflanzliche Proteine sich leichter als
im allgemeinen tierische Eiweißkörper in recht reinem Zu-
stande darstellen lassen und daß ihre Zusammensetzung aus
Aminosäuren gut bekannt ist, wandten sich Wells und
Osborne dem Studium dieser Substanzen zu und veröffent-
lichten darüber eine Anzahl mit besonderer Sorgfalt durch-
geführter wichtiger Arbeiten. Zunächst konnten sie fest-
stellen, daß ein Protein nicht alle gewöhnlich in Eiweiß
1) 1. o. L. u. Jablons, Zeitschr. f. Immunitätsf. 20, 618.
2) Journ. of infect. Dis. 5, 449; 1908; Journ. Americ: med. Ass. 50,
527. Vgl. Pabis und Ragazzi, Zeitschr. f. Immunitätsf: Ref: 9, 411;
1915, Vaughan zit. bei Wells.
3) Wiener klin. Wochenschr. 1902, Nr. 29, siehe L. und Barron;
Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 142, 1917.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 347
vorhandenen Aminosäuren enthalten muß, um ein Antigen zu
sein. So erhielt Wells mit Zein, Hordein, Gliadin typische
Anaphylaxie, obwohl diesen Körpern einige der Aminosäuren
Glykokoll, Tryptophan, Lysin ganz oder nahezu fehlen +). Weiter-
hin fanden Wells und Osborne?), daß nach ihrem chemischen
Aufbau und den Eigenschaften einander sehr nahestehende
Proteine, wie verschiedene Gliadine und Hordein, die von
verschiedenen Pflanzen stammen, im Anaphylaxieversuch ver-
wandt reagieren, daß aber auch in einer Pflanze (Weizen)
enthaltene Eiweißkörper von differentem chemischem Bau sich
in dieser Beziehung ähnlich verhalten können. Andererseits
erwiesen sich die im Hühnereiweiß enthaltenen Proteine als
serologisch verschieden [Wells]?).
Wells und Osborne kommen auf Grund ihrer Arbeiten
zu dem Schlusse, daß die Spezifizität der Immunreaktionen
hauptsächlich durch die chemische Struktur der Proteine und
wahrscheinlich durch bestimmte Gruppen bedingt ist, eine sero-
logische Verwandtschaft zweier Substanzen also auf dem ge-
meinsamen Besitz einer bestimmten Gruppe beruhen kann.
In einem Eiweißmolekül können wahrscheinlich mehrere ver-
schiedene, voneinander unabhängig reagierende Gruppen vor-
kommen. Es liegt nahe, diese Schlüsse mit den Erscheinungen,
die an künstlich veränderten Antigenen beobachtet wurden, in
Parallele zu setzen und auch die merkwürdigen, von Forss-
man entdeckten, Schafhämolysin erzeugenden Antigene in glei-
cher Weise aufzufassen.
Auf die Bedeutung der chemischen Struktur der Antigene
als solcher, abgesehen von ihrer Herkunft, wiesen übrigens
schon frühere Arbeiten über die Serumreaktionen verschiedener
Eiweißkörper hin (Ide, Leblanc, Myers, P. Th. Müller,
Michaelis, Klein, Ascoli, Gay und Robertson u. a.),
besonders die Untersuchungen von Uhlenhuth‘), die die sero-
logische Verwandtschaft der Linsensubstanz verschiedener Tier-
1) Journ. of infect. Dis. 5, 464, 1908. Vgl. Wells, Chemical Pa-
thology, Saunders, Philadelphia 1914, 180.
2) Journ. of infect. Dis. 12, 341, 1913. cf. Lake, Osborne und
Wells, ebenda 14, 364, 1914.
3) Journ. of infect. Dis. 9, 147, 1911.
4) Festschr. f. Rob. Koch, Jena 1903.
348 K. Landsteiner u, H. Lampl:
spezies nachwiesen [vgl. Salus!)]. Gleichsinnig sind die neuen
Ergebnisse von Doerr?) über Präcipitinogene des Harns, von
Elliot) über Glykoproteine, von Versell‘) aus dem Labora-
torium von Silberschmidt über Casein.
Durch Injektion von Gemischen von Aminosäuren und
einer Verbindung von Casein mit einem Protamin versuchten
Gay und Robertson’) neue Antigenwirkungen zu erzielen,
hatten aber nicht den erwarteten Erfolg. Als diese Autoren
dann eine Verbindung von Casein und Globin injizierten®),
erhielten sie Immunseren, die mit der Verbindung, aber
auch mit den Komponenten Casein und Globin reagierten,
während durch Injektion von Globin allein keine Immunkörper
erhalten wurden. Man könnte demnach annehmen, daß das
Globin durch die Verbindung mit Casein zu einem Antigen
geworden ist, doch steht dem entgegen, daß in Versuchen von
Browning und Wilson’) Globin selbst die Bildung von Anti-
körpern bewirkte.
Über die Antigenwirkung sogenannter lipoider Substanzen
liegt eine Anzahl interessanter Untersuchungen vor (Bang und
Forssman, Kurt Meyer, Much u.a... Es kann leicht sein,
daß diese Beobachtungen in Zukunft theoretische Bedeutung
haben werden. Da aber bis jetzt keine der Substanzen in
reinem Zustande hergestellt werden konnte, ihre Zusammen-
setzung und chemische Konstitution also’ nicht bekannt ist, so
sind sie für die Erkenntnis der Chemie der Antigene vorläufig
eher weniger geeignet als jene Antigene, deren Eiweißnatur
feststeht.
Auch auf die Arbeiten über die Antigenwirkung von Ver-
dauungsprodukten des Eiweißes und von Plasteinen (Gay und
Robertson, Herrmann und Chain, v. Knaffl-Lenz und
Pick) braucht nur im allgemeinen hingewiesen zu werden?).
1) Diese Zeitsch. 60, 1, 1914.
3) Zeitschr. f. Immunitätsf. 21, 463, 1914.
3) Journ. of infect. Dis. 15, 501, 1914.
+4) Zeitschr. f. Immunitätsf. 24, 267, 1915.
®) Journ. f. exp. Med. 16, 470, 479, 1912.
®) Journ. f. exp. Med. 17, 535, 1913.
”) Journ. of Path. and Bacter. 14, 174, 1909.
3) Vgl. 1l. o. Bioch. d. Antig., S. 29 (Lit.)
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 349
Die im vorstehenden nach ihren wesentlichsten Ergeb-
nissen referierten Untersuchungen haben ohne Zweifel sehr
belangreiche Tatsachen zutage gefördert und vor allem gezeigt,
daB chemische Untersuchungen über das Spezifizitätsproblem
im Prinzip möglich sind. Der Anwendung und Ausarbeitung
der geschilderten Methoden stehen aber Hindernisse entgegen,
die in der Natur der Sache begründet sind. Zunächst können,
wenn man an Eiweißkörpern chemische Veränderungen vor-
nimmt, in der Regel mehrere Stellen des großen Moleküls
betroffen werden und Wirkungen verschiedener Art eintreten,
so daß es nicht leicht möglich ist, mit Sicherheit anzugeben,
welche davon das serologische Verhalten bestimmt. Selbst bei
einer so glatt verlaufenden Reaktion wie der erwähnten Methy-
lierung von Eiweiß durch Diazomethan bleiben zwar nicht in
bezug auf die Art, aber doch auf den Ort der maßgebenden
Veränderung Zweifel offen, und um so mehr bei eingreifen-
deren Reaktionen, wie der Einwirkung von starken Oxy-
dationsmitteln +). Eine weitere Einschränkung liegt darin, daß
die Zahl der verschiedenartigen Reaktionen, die mit Proteinen
vorgenommen werden können, ohne die Antigeneigenschaft zu
zerstören, eine nur geringe Variationsmöglichkeit bietet. Man
kann annehmen, daß die meisten bisher bekannten und über-
haupt anwendbaren chemischen Eingriffe serologisch schon
ausgewertet wurden. Ebenso ist die Zahl solcher natürlich
vorkommender Antigene, die durch besondere Eigentümlich-
keiten des chemischen Baues charakterisiert sind, keine große,
und auch hier ist die Beziehung zwischen den chemischen und
serologischen Befunden nicht einfach zu deuten. Wie Wells
und Osborne?) selbst hervorheben, ist außerdem die Einheit-
lichkeit selbst der reinsten Eiweißpräparate kaum mit Sicher-
heit festzustellen.
Die angeführten Umstände machen die Schwierigkeit fühl-
bar, auf den bisher eingeschlagenen Wegen in der chemischen
Bearbeitung der Immunitätsreaktionen weitere Fortschritte zu
1) Vgl. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 259. Über die Veränderungen,
die z. B. bei der Einwirkung von Salpetersäure auf Eiweißkörper statt-
finden, s. Kossel u. Kennaway, Zeitschr. f. physiol. Chem. 72, 486, 1911.
2) Journ. of infect. Dis. 12, 357, 1913.
350 K. Landsteiner u. H. Lampl:
machen. So konnte ein Autor wie Morgenroth'!) vor kurzem
die Immunitätslehre als ein Gebiet bezeichnen, „zu. dem vor-
läufig keine Brücke aus der Chemie führt“.
Jedenfalls lag genügende Veranlassung vor, nach einer
neuen Methode zu suchen, die den folgenden Anforderungen
genügt, erstens die vorauszusetzende Abhängigkeit der sero-
logischen Eigenschaften von der chemischen Konstitution sicher
erkennen zu lassen und zweitens die Möglichkeit mannigfaltiger
Variationen zu bieten. Eine solche Methode liegt offenbar
dann vor, wenn es gelingt, durch eine und dieselbe Reaktion
verschiedenartige Gruppen bekannter chemischer Konstitution
in Eiweiß einzuführen und auf diese Weise neue Antigene in sozu-
sagen beliebiger Zahl darzustellen und wenn das serologische Ver-
halten der entstandenen Stoffe eindeutig durch die chemische
Konstitution der eingeführten Gruppen bestimmt wird.
Von vornherein erschien die Durchführbarkeit dieses Pla-
nes recht zweifelhaft, weil nach den vorliegenden Erfahrungen
wahrscheinlich einzelne Teile des Eiweißmoleküls für das sero-
logische Verhalten von Bedeutung sind und man vermuten
konnte, daß diese Eigenschaft nur bestimmten, im Eiweiß
natürlich vorhandenen Gruppierungen zukommt. Eine von
Obermayer und Pick?) gemachte Angabe war geeignet,
diese Zweifel zu bestärken. Andererseits ergaben aber unsere
ersten in der gedachten Richtung angestellten Versuche An-
haltspunkte für die Möglichkeit, das gewünschte Ergebnis zu
erzielen. Den Ausgangspunkt bildete die Immunisierung mit
acetyliertem Eiweiß®), einem Präparat, das durch Behandlung
von Serumeiweiß mit Acetanhydrid gewonnen war und das
bei der Prüfung mittels Komplementbildung eine ausgeprägte
Strukturspezifizität bei fast aufgehobener Artspezifizität auf-
wies (siehe oben). Nun wurden an Stelle des Acetanhydrids
1) Berl. klin. Wochenschr. Nr. 3, 59, 1917. Vgl. Festschrift f.
P. Ehrlich, S. 541. G. Fischer, Jena 1914.
2) I. c. Biochemie der Antigene, S.25; Handb.d.pathog. Mikroorg. 1,
2. Aufl., 709, vgl. die zitierten Untersuchungen über Proteinkombinationen
von Gay und Robertson.
3) S. Landsteiner und Jablons, Zeitschr. f. Immunitätsf. 21,
200; L. und Prášek, diese Zeitschr. 61, 191; L. und Lamp], Centralbl.
f. Physiol. 80, Nr. 8.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 351
andere Säureanhydride und Säurechloride angewendet und so
verschiedene Acylgruppen in das Eiweiß eingeführt‘), und
zwar die Reste der Propion-, Butter-, Isobutter, Valerian-, Mono-,
Di-, Trichloressig-, Anis-, Zimtsäure. Die erhaltenen Produkte
waren bis auf solche mit chemisch nahe verwandten Säure-
resten durch Serumreaktionen deutlich voneinander zu unter-
scheiden, und im allgemeinen bestand auch eine Übereinstimmung
in dem Grade der chemischen und serologischen Verwandtschaft.
Einige Umstände machten es wünschenswert, sich nicht
auf die Ausnützung dieser einen Reaktion zu beschränken.
Zunächst waren die dargestellten acylierten Proteine unlösliche
Körper, und wir wissen noch nicht, ob es gelingen wird, lös-
liche Acylproteine in genügender Zahl herzustellen. Es ist nun
zwar, wie wir fanden?), durch Anwendung der so erfolgreichen
Methode der Komplementbindung von Bordet und Gengou
möglich, auch ungelöste Eiweißkörper serologisch zu prüfen,
aber es ist nicht immer leicht und mißlingt manchesmal, eine
genügend feine Verteilung der Suspensionen herzustellen. Dazu
kommen gelegentlich technische Hindernisse des Komplementbin-
dungsverfahrens, wie Hemmungen der Hämolyse durch Antiseren
und Antigene. In einigen Fällen schien die Acylierung nicht den
gewünschten Verlauf zu nehmen, und mit einzelnen anderen als
den oben angeführten Produkten ließen sich keine Immunseren
herstellen. Schon aus diesen Gründen dürfte die Herbeischaf-
fung eines mannigfach variierten Versuchsmaterials mit Hilfe
acylierter Proteine Schwierigkeiten verursachen.
Wir fanden nun eine für unseren Zweck sehr geeignete Reak-
tion in der von Pauly eingehend untersuchten Kuppelung von
Eiweiß mit Diazokörpern. Die hierbei entstehenden gelben
bis braunen, in alkalischer Lösung tiefer gefärbten Produkte,
die wir als Azoproteine bezeichnen, sind, soweit unsere Erfah-
rungen reichen, in den allermeisten Fällen gut löslich und
gestatten so die Anwendung der einfach auszuführenden Prä-
eipitinreaktion. Die Kuppelung verläuft, wenn auch mit etwas
verschiedener Leichtigkeit, in der Regel ganz glatt; die Zahl
der als Komponenten verwendbaren, häufig leicht zugänglichen
1) Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 258, 1917.
®) Landsteiner und Prášek, Zeitschr. f. Immunitätsf. 20, 211.
352 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Diazokörper ist bekanntlich eine überaus große und schließt-
verschiedenartige, auch kompliziert gebaute Substanzen ein.
Über die vorläufigen Versuche mit Azoproteinen haben
wir schon berichtet!) Wir fanden, daß nach Injektionen einer
solchen Substanz Immunseren entstehen, die außer mit dem
Immunisierungsantigen auch mit Präparaten reagieren, die in
gleicher Weise, aber mit Serumeiweiß anderer Tiearten herge-
stellt wurden. Es erfolgt also durch die Kuppelung eine Ab-
schwächung der Artspezifizität, deren Grad, wie sich zeigte, von
der Intensität der Kuppelungsreaktion abhängt, so daß stärker
veränderte Präparate weniger artspezifisch sind. Die Abände-
rung des Eiweißes ist auch daran zu erkennen, daß nach
Einspritzung von Azoproteinen aus artgleichem Serumeiweiß
Antikörper entstehen.
Wir stellten dann Präparate aus Pferdeeiweiß mit vier
verschiedenen Diazokörpern her und immunisierten Kaninchen
mit diesen Substanzen. Die erhaltenen Immunseren zeigten
bei der Prüfung mit den vier Antigenen Differenzen der Wir-
kung im Sinne einer angedeuteten Spezifizität. Sehr große
Differenzen waren nicht zu erwarten, weil die Immunseren in
höherem oder geringerem Grade mit unverändertem Pferde-
serum reagieren und demnach auch das Eintreten von Reak-
tionen mit verschiedenen Azoproteinen aus Pferdeserum vorausge-
setzt werden konnte. Stärkere Unterschiede traten aber dann
auf, wenn wir als Prüfungsantigene Präparate verwendeten, die
durch intensivere Einwirkung der Diazokörper gewonnen waren
und noch mehr, als die Prüfung mit aus einer anderen Serum-
art bereiteten Azoproteinen vorgenommen wurde. Offenbar
kann so eine den Immunseren gemeinsame artspezifische Wir-
kungskomponente ausgeschaltet werden und der Einfluß der
eingeführten Gruppe besser hervortreten. Bei diesem Verfah-
ren ergaben sich in vorläufigen Versuchen sehr deutliche Aus-
schläge, die uns veranlaßten, die Untersuchung in größerem
Umfange fortzusetzen. Wir haben damals mit Präparaten aus
Pferdeserum immunisiert und zur Prüfung solche aus Rinder-
serum verwendet. Bei der Fortsetzung der Versuche, über
die im folgenden berichtet wird, wurden zur Prüfung der
1) Centralbl. f. Physiol. 30, 1915. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 293.
Diese Mitteilung enthält die Literaturangaben.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 353
mit Pferdeantigenen hergestellten Immunseren hauptsächlich
Präparate aus Hühnerserumeiweiß benutzt.
Wenn wir so die Prüfung der Immunseren nicht mit den-
selben Antigenen vorgenommen haben wie die Immunisierung,
so ist dieser Umstand, wie gleich bemerkt werden soll, für die
Betrachtung der Spezifizitätserscheinungen, d. i. im vorliegenden
Falle für die Feststellung des Zusammenhanges zwischen Serum-
reaktionen und chemischer Konstitution ohne Belang. Es wird
das außer durch eine einfache Überlegung auch durch den
folgenden Sachverhalt außer Zweifel gestellt. Wie Versuche
zeigten (S. 368), ist die Intensität der Reaktion der Azoimmun-
seren mit nativem Pferdeeiweiß sehr ungleich. Als nun ein-
zelne solche Immunseren, die unverändertes Pferdeserum nur
schwach präcipitieren, in ganz gewöhnlicher Weise mit den
Immunisierungsantigenen aus Pferdeserum geprüft wurden,
zeigten sie immerhin deutlich spezifische Reaktionen (S. 369).
Der allerdings sehr nützliche technische Kunstgriff des Wech-
sels der Proteinkomponente ist also im Prinzip nicht notwen-
dig und kann deshalb bei der Diskussion der Ergebnisse weiter-
hin außer Betracht bleiben.
Im übrigen ging unser Versuchsplan dahin, möglichst zahl-
reiche Antigene und Immunseren herzustellen, und auf Grund
unserer Vorversuche hielten wir es für zweckmäßig, zunächst
(mit einer Ausnahme) Substanzen mit sauren Gruppen als Azo-
komponenten!) zu verwenden.
So nahmen wir als Azokomponenten Anilin, Ortho-, Meta-,
Paraaminobenzoesäure, Ortho-, -Meta-, Paraaminobenzolsulfo-
säure, Paraaminophenylarsinsäure und eine Anzahl von Methyl-,
Chlor-, Brom-, Nitro-Substitutionsprodukten dieser Substanzen,
Ortho-, Meta-, Paraaminozimtsäure, Naphthionsäure, Amino-
azobenzoldisulfosäure.
Herstellung der Antigene und Immunseren. Ausführung
der Versuche.
1. Darstellung der Diazokörper.
Die Darstellung der Diazokörper wurde nach bekannten
Methoden vorgenommen, doch wollen wir, um Nachprüfungen
1) Mit diesem Ausdruck sollen die zur Diazotierung und Kuppelung
verwendeten aromatischen Substenzen bezeichnet werden.
354 K. Landsteiner u. H. Lampl:
zu erleichtern, das Verfahren bei den einzelnen Substanzen
und Einiges über die Darstellung der Ausgangsmaterialien
anführen. Da über die Diazotierung einer Anzahl der Körper
keine besonderen Angaben vorliegen und um überhaupt fest-
zustellen, ob die Diazotierung in der gewünschten Weise ver-
lief, wurde bei jeder neuen Substanz das Reaktionsprodukt
auf den Gehalt an Diazokörpern untersucht. Dies geschah
außer durch eine Titration mit R-Salz!) zweckmäßigerweise
auch durch Bestimmung des Gehaltes an Diazostickstoff®).
Einfüllen einer bestimmten Menge der sauren, gekühlten Lösung
oder Suspension in ein kleines, weithalsiges Rundkölbchen mit doppelt
durchbohrtem Kautschukstopfen, Austreiben der Luft durch Kohlen-
säure, die aus einem mit Natriumbicarbonat gefüllten Rohr durch Erwär-
men entwickelt wurde. Gelindes, dann starkes Erwärmen der Diazo-
lösung und Auffangen des Stickstoffes in einem Azotometer über 30°),
Natronlauge, zum Schluß wieder Durchleiten von Kohlensäure, bis das
Volumen nicht mehr zunimmt. In manchen Fällen, in denen dieses
Verfahren nicht brauchbar ist, war es möglich, bessere Werte zu erhal-
ten, wenn die Zersetzung mit feuchtem Kupferpulver nach Gatter-
mann vorgenommen wurde. In das die Lösung oder Suspension ent-
haltende Kölbehen wurde ein sehr kleines, die Flüssigkeitsoberfläche
überragendes mit dem Kupfer gefülltes Gefäßchen gebracht, dieses nach
Verdrängung der Luft umgeworfen und das Kupfer durch Schütteln verteilt.
Wenn die Gasentwickelung nicht mehr vonstatten ging, wurde erwärmt.
Die erhaltenen Zahlen blieben meistens, bei manchen Substanzen
beträchtlich hinter den berechneten zurück, was wohl auf eine nicht
glatte Zersetzung zu beziehen ist. Immerhin konnte so, was für unseren
Zweck genügte, nachgewiesen werden, daß die Diazotierung wenigstens
annähernd vollständig verlaufen war.
Von der richtigen Beschaffenheit der Aminosäuren über-
zeugten wir uns bei allen Substanzen durch Titration abge-
wogener Mengen mit n-Natronlauge und durch Bestimmung
des Schmelzpunktes, wo ein solcher existiert. Die verwendeten
Lösungen wurden meistens vor und während der Diazotierung
in Eis gekühlt, häufig durch Zufügen von Eisstückchen. Der
Zusatz von Nitrit erfolgte allmählich unter Umrühren und
Beobachtung der Reaktion mit Jodkaliumstärkepapier.
1. Anilin. Es wurde nicht, wie bei den früher mitgeteilten Ver-
suchen?) festes Diazobenzolsulfat, sondern in üblicher Weise hergestellte
1) Siehe H. Meyer, Analyse und Konstitutionsermittelung” usw.
Berlin. Springer 1909, S. 781.
2) Siehe H. Meyer, S. 866 fi.
®) Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 293.
Abhängigkeit d. serolog. Spezitizität von der chem. Struktur. XII. 355
salzsaure Diazobenzollösungen verwendet 1 g Anilin, 4 com Salzsäure!),
0.7527 Natriumnitrit].
2. o-Aminobenzoesüure. (Anthranilsäure) I g der Säure (Kahl-
baum) wurde in der molekularen Menge (7,3 ccm) n-Natronlauge gelöst,
mit Wasser auf ein Volumen von ungefähr 20 ccm gebracht, 3,5 ccm
Salzsäure (3,5 Moleküle) und dann eine Lösung von 0,511 g Natriumnitrit
in 2 ccm Wasser zugefügt.
3. Aminosäure aus m-Toluylsäure. Nitriepung und Reduk-
tion nach Jacobsen‘). 5g m-Toluylsäure (Kahlbaum) wurden in 40 cem
rauchender Salpetersäure unter Umrühren und Vermeidung starker Er-
wärmung eingetragen. Die Nitrosäure beginnt sich schon während des
Eintragens abzuscheiden, die Ausscheidung wird nach beendigter Reak-
tion durch Wasserzusatz vervollständigt. Bei der Nitrierung entstehen
nach Jacobsen zwei isomere Säuren. Eine Trennung dieser wurde,
als für den vorliegenden Zweck vorläufig nicht unbedingt nötig, unter-
lassen. Reduktion wie bei 2-Amino-p-Toluylsäure (siehe unten). Das
Hydrochlorid wurde nach Entfernung des Zinns durch Schwefelwasserstoff
durch Eindampfen der verdünnten Lösung gewonnen, unter Erwärmen
in möglichst wenig Wasser gelöst und mit Natriumacetat die Amino-
säure ausgefällt. Nach einmaligem Umkrystallisieren aus kochendem
Wasser Schmp. 155 bis 161°. Das Präparat besteht wahrscheinlich ganz
vorwiegend aus (,H,(NH,)“COOH)?CH,) neben etwas C,H,(NH,)!
(COOH)?(CH,)*.
Diazotierung wie bei o-Aminobenzoesäure unter dem Molekularge-
wicht entsprechender Änderung der Mengen.
4. m-Aminobenzoesüure (Kahlbaum). Darstellung des Diazo-
niumchlorides?°).
5. Aminosäuren aus o-Toluylsäure. Darstellung der Amino-
säure aus o-Toluylsäure (Kahlbaum) nach Jacobsen und Wierss®).
Nitrierung und Reduktion wie bei Nr. 3 ohne Trennung der isomeren
Nitrosäuren. Die entzinnte Lösung wurde (Vorsicht wegen Zersetzung)
auf dem Wasserbad eingeengt, dann im Vakuum über KOH zur
Trockene gebracht. Die aus der konzentrierten wässerigen Lösung
durch Natriumacetat abgeschiedenen Aminosäuren wurden aus kochen-
dem Wasser umkrystallisiert, wobei zwei noch nicht einheitliche Frak-
tionen erhalten wurden. Die in Wasser schwerer lösliche Säure ist
nach Jacobsen und Wierß C,H;( BEN die leichter
lösliche C,H,(NH,)COOH)?’(CH,)*.
Mit jeder der beiden Fraktionen wurde ein peter dargestellt.
Da die Serumreaktionen der beiden Präparate übereinstimmten, sind
sie in der Tabelle nur einmal unter Amino-o-toluylsäure angeführt.
1) Hier und im folgenden wurde, wenn nichts anderes erwähnt ist,
eine 7,3fach normale Säure verwendet.
?) Ber. d. d. chem. Ges. 14, 2353.
3) Siehe Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 297.
4) Ber. d. d. chem. Ges. 16, 1957, 17, 163.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 24
356 K. Landsteiner u. H. Lampl:
6. 2-Amino-p-toluylsäure C,H,(NH,)'(COOH)’(CH,)*. Ni-
trierung!): 10 g p-Toluylsäure (Kahlbaum) wurden in 40 cem rauchende
Salpetersäure eingetragen und das Gefäß bis zur völligen Lösung in
kochendem Wasser gehalten. Nach dem Abkühlen wurden die ausge-
schiedenen Krystalle über Glaswolle abgesaugt. Reduktion®): 15 g Zinn
wurden in 45 ccm rauchender Salzsäure (42°/,) am Rückflußkühler auf-
gelöst. In die Lösung wurden 7 g der rohen 2-Nitro-p-toluylsäure ein-
getragen und bis zur Lösung der Substanz etwa 10 Minuten lang er-
hitzt. Nach dem Abkühlen trat, durch Reiben begünstigt, Abscheidung
von Krystallen ein, die über Glaswolle abgesaugt wurden. Völliges
Auflösen in Wasser, vollständiges Ausfällen des Zinns durch Schwefel-
wasserstoff, Ausfällen der freien Aminosäure durch Zufügung der halben
für die völlige Neutralisation nötigen Menge Natronlauge. Ein Rest
wurde durch Ausäthern gewonnen. Umkrystallisieren aus wenig ko-
chendem Wasser. Schmp. 164°. Diazotierung wie bei 3. i
7. 4-Chlor-3-aminobenzoesäre (Schuchardt). C,H,(NH,)!
(COOH)? (C1), Schmp. 212—214°. Diazotierung wie bei 3. Die durch
Salzsäure ausgeschiedene Säure löste sich nur langsam ganz oder fast
vollständig.
8. 4-Brom-3-Aminobenzoesäure (Schuchardt). C,H,(NH,)!
(COOH)? (Br)®, Schmp. 225°. Diazotierung wie bei 7.
9. p-Aminobenzoesäure (Kahlbaum). Darstellung des Diazo-
körpers wie bei 4.
10. o-Aminozimtsäure (Kahlbaum). Darstellung von festem
Diazozimtsäurechlorid nach E. Fischer und Kuzel?).
11. m-Aminozimtsäure (Kahlbaum). Diazotierung wie bei
3 unter guter Kühlung und starkem Rühren. Von einem geringen
Niederschlag wird unter Kühlung rasch abfiltriert.
12. p-Aminozimtsäure (Kahlbaum). Diazotierung wie
bei 11.
13. o-Aminobenzolsulfosäure. Darstellung von p-Bromanilin
o-sulfosäure und Überführung in o-Aminobenzolsulfosäure nach Kreis’).
Die Erhitzung des Bromacetanilids’) bis zur Entfernung der Essigsäure
wurde bei gelinder Hitze über einem Drahtnetz bei ständigem Rühren
vorgenommen. Die bromierte Säure wurde aus Wasser unter Zusatz
von Tierkohle umkrystallisiert. Auch die o-Aminobenzolsulfosäure
wurde aus wenig siedendem Wasser umkrystallisiert.
Diazotierung: 1 g der Säure wurde in der molekularen Menge
(5,8 ccm) n-Natronlauge gelöst, mit Wasser auf 20 ccm ergänzt, 2 cem
7,3 n-Salzsäure (2,5 Moleküle) und dann eine Lösung von 0,404 Natrium-
nitrit in 2 cem Wasser zugefügt.
1) Fittig und Ramsay, Ann. d. Chem. 168, 251, 1873.
2) Vgl. Beilstein 2, 1351.
3) Ann. d. Chem. 221, 272, 1883.
4) Ann. d. Chem. 286, 379, 381, 386, 1895.
$) Darstellung: Meyer und Jacobsen, Lehrb. d.org. Chem. 2, 209.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 357
14. p-Toluidinsulfosäure!) (Schuchardt). C,H,(NH,)“SO,H)*?
(CH,)‘. Diazotierung mit entsprechend geänderten Mengenverhältnissen
wie bei 13, verlief etwas langsam.
15. p-Chlor-o-aminobenzolsulfosäure (Schuchardt). C,H,
(NH,)“SO,H)“CH,)‘, nach Angabe der Fabrik durch Sulfurierung von
Parachloracetanilid hergestellt?). Diazotierung wie bei 14.
16. p-Brom-o-aminobenzolsulfosäure syn. p-Bromanilin-o-
sulfosäure. C,H,(NH,)‘(SO,H)“Br)‘. Darstellung siehe bei 13.
Diazotierung wie bei 14, nur wird das Volumen der Lösung vor
dem Zusatz des Nitrits auf 50 ccm gebracht.
17. m-Aminobenzolsulfosäure (Metanilsäure Kahlbaum).
Diazotierung wie bei 14.
18. m-Xylidinsulfosäure (Sohuchardt). C,H,(NH,)“(SO H)*
(CH, *. Wurde aus siedendem Wasser umkrystallisiert. Diazotierung
wie bei 14, verläuft etwas langsam.
19. p-Brom-m-aminobenzolsulfosäure (Schuchardt). Dia-
zotierung wie bei 14, zum Schluß etwas langsam.
20. Tribromaminobenzolsulfosäure. C,H,(NH,)*SO, H)?
(Br)? 4°. Darstellung der Säure nach Berndsen’). Zu der sehr hei-
Ben Lösung von 2 g Metanilsäure in 40 ccm Wasser wurden in einem
geräumigen Erlenmeyerkolben 3 bis 3,5 cem Brom unter Umschütteln
rasch zugetropft. Zuerst tritt eine Ausscheidung ein, die sich wieder
löst. Bei richtig geleiteter Reaktion ist die Lösung klar und dunkelrot
und erstarrt bald zu einem Krystallbrei. Diazotierung wie bei 14 unter
guter Kühlung. Zu Anfang der Reaktion tritt Braunfärbung ein, die
wieder verschwindet.
21. p-Aminobenzolsulfosäure (Sulfanilsäure). Darstellung von
fester p-Diazobenzolsulfosäure*).
22. Toluidinsulfosäure (2,5) (Schuchardt). C,H;(NH,)!
(SO,H)*(CH,)®. Wurde aus siedendem Wasser umkrystallisiert und gab
dann bei der Titration mit Lauge die richtige Zahl. Diazotierung wie
bei 14.
23. o-Brom-o-toluidin-p-sulfosäure. C,R,(NH;)“SO,H)*
(Br)’(CH,)°. Darstellung der Säure nach Claus und Immel’). 10 g
umkrystallisierte Toluidinsulfosäure (2,5) (Schuchardt) wurden in 30 ccm
Wasser in der Wärme gelöst, die Lösung erkalten gelassen und 8,6 g
Brom, in 4 ccm Eisessig gelöst, unter Umschütteln zugetropft, die mäßig
stark gefärbte Lösung auf dem Wasserbade abgedampft, der Rückstand
in siedendem Wasser gelöst, filtriert, das Filtrat stark eingeengt. Die
sich abscheidenden Krystalle wurden abgesaugt, durch Zufügen von
1) Siehe Heumann, Die Anilinfarben. Vieweg, Braunschweig 4, 328.
2?) Ann. d. Chem. 265, 93; Heumann l. c. & (2) 2114.
3) Ann. d. Chem. 177, 87 (1875).
4) Siehe Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 297.
5) Ann. d. Chem. 265, 68, 1891.
24*
358 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Lauge bis auf einen geringen Rückstand gelöst, die Säure durch Zusatz.
von Salzsäure ausgefällt. Diazotierung wie bei 14, im Anfang Gelbfärbung.
24. Dibromsulfanilsäure. C,H,(NA,)'SO,H)*(Br)% ®. Darstellung
der Säure nach Heinichen’). Die Bromierung wurde unter Tur-
binieren vorgenommen, filtriert, das Filtrat eingeengt, die in der Kälte
ausgeschiedene Krystallmasse aus wenig siedendem Wasser umkrystalli-
siert, ein Rest der Substanz aus der Mutterlauge gewonnen. Die im
Vakuum getrocknete Säure erfuhr bei 100° keine Gewichtsabnahme.
Diazotierung wie bei 14, vorübergehende Verfärbung.
25. Nitranilinsulfosäure. C,H,(NH,)'SO,H)‘(NO,)’. Darstel-
lung nach Nietzki und Helbach?) Die Reaktion wurde nicht bis
zur Auflösung der ganzen Menge von Dinitrobenzol weitergeführt, son-
dern bei Verwendung von 10 g m-Dinitrobenzol nach dem Schmelzen
nur etwa 15 Minuten lang. Diazotierung: 1 g der Säure wird durch
Zusatz von 4,6 ccm n-Natronlauge in das Natriumsalz verwandelt, mit
einer verdünnten Lösung von 0,3206 Natriumnitrit versetzt, gekühlt und
in eine gekühlte, verdünnte Salzsäurelösung, die 12ccm n-HCl enthielt,
unter Rühren eingegossen. Die Diazolösung ist ziemlich dunkel gefärbt,
es scheiden sich gelbe Krystalle ab.
26. Naphthionsäure (Kahlbaum). Diazotierung wie bei 14
unter starkem Rühren.
27. Aminoazobenzoldisulfosäure (Schuchardt).
Diazotierung?): 1 g Säure wird in 40 com Wasser und 0,57 Salz-
säure gelöst, von einem Rückstand (Monosulfosäure) durch Filtration
getrennt. Die Lösung wird mit Eiestückchen wenig gekühlt und mit einer
Lösung von Natriumnitrit in wenig Wasser diazotiert. Es wurde na-
türlich weniger als die berechnete Menge (0,1934) Nitrit verbraucht und
aus dem mit Jodkaliumstärkepapier bestimmten Verbrauch der Gehalt
des verwendeten Präparates bestimmt.
28. o-Arsanilsäure [Präparat der Höchster Farbwerke !)].
Diazotierung wie bei 3. i
29. p-Nitranilinarsinsäure (Höchster Farbwerke). C,H,
(NH,)"(As0,H,)?(NO,)*. Diazotierung: 1 g Säure wurde in 25 ccm
Wasser und 3,8 cem n-Natronlauge gelöst, eine Lösung von 0,2668 Na-
triumnitrit in 5 ccm Wasser zugefügt und die klare Lösung langsam
unter Umrühren in eine Mischung von 1,8 cem Salzsäure und 20 cem
Wasser eingegossen.
30. 4-Chlor-3-Aminophenylarsinsäure (Höchster Farb-
werke). C,H,(NH,)“AsO,H,)*(Cl). Diazotierung wie bei 3. Es trat Ver-
färbung ein, von einer braunen Ausscheidung wurde abfiltriert.
1) Ann. d. Chem. 258, 269.
3) Ber. d. d. chem, Ges. 29, 2448.
2#) Heumann, l. c. 4, 851.
4) Für die gütige Überlassung mehrorer Präparate von Arsinsäuren
sprechen wir den Höchster Farbwerken unseren besten Dank aus.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 359
\ 31. prAminophenylarsinsäure. Die Diazolösung wurde aus
käuflichem Atoxyl hergestellt).
32. O-Toluidinarsinsäure (Höchster Farbwerke). C,H,(NH,)!
(AsO,H,)‘(CH,)°. Diazotierung wie bei 3.
33. 3-Chlor-4Aminophenylarsinsäure (Höchster Farbwerke).
C,H,(NH,)“(AsO,H,)*(C1)?. Diazotierung wie bei 3, verläuft langsam.
2. Herstellung der Azoproteine.
A. Immunisierungsantigene.
Die Antigene zur Immunisierung wurden, wie erwähnt, aus Pferde-
serum bereitet; von der Trennung der Fraktionen der Eiweißkörper
durch Aussalzung wurde als unnötig abgesehen, um so mehr als
die Fraktionen nicht als chemisch einheitlich zu betrachten sind.
Da wir vermuten konnten, daß eine intensivere Behandlung mit Diazo-
körpern die Ausbildung der gesuchten spezifischen Eigenschaften be-
günstigt, verwendeten wir eine größere als die in der vorhergehenden
Arbeit?) benutzte, und zwar annähernd die doppelte Menge der Diazo-
körper.
Die erhaltenen Immunseren erwiesen sich als gut brauchbar, es
wäre aber möglich, daß für eine Fortsetzung dieser Untersuchungen,
nachdem die Möglichkeit spezifische Antikörper zu erhalten einmal fest-
gestellt ist, die Darstellung mit einer geringeren Menge Diazokörper
hinreicht. Das hätte nach unseren Erfahrungen wahrscheinlich den
Vorteil, die Gewinnung von Antikörpern zu erleichtern. Es müßte dann
noch untersucht werden, ob die so hergestellten Immunseren bei ent-
sprechender Versuchsanordnung ebenso geeignet sind, mit Präparaten
aus heterologen Proteinen zu reagieren. Möglicherweise wäre es auch
zweckmäßig, bei den einzelnen Proteinen verschiedene Verfahren an-
zuwenden, doch wollten wir vorläufig die Darstellung möglichst gleich-
artig durchführen.
Bei noch intensiverer Behandlung mit Diazokörpern, als wir sie in
Anwendung brachten, schien die Bildung der Antikörper erschwert
zu sein.
Als Beispiel für die Darstellung der Immunisierungsanti-
gene diene das Präparat aus Anilin. Es wurden 100 cem
Pferdeserum mit 100 cem n-Sodalösung und einer ungefähr
1°/,igen Diazobenzollösung aus 1,18 g Anilin versetzt. Die
Lösungen waren gekühlt. Ein Tropfen der Mischung muß in
Wasser, dem Phenolphthalein zugesetzt ist, stark alkalisch
reagieren. Die Mischung wurde unter Eiskühlung®) 10 Minuten
1) Siehe Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 297.
?) ]. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 297.
3) Die Kühlung wird bei entsprechender Festsetzung der Kuppe-
lungsdauer voraussichtlich unnötig sein.
360 K. Landsteiner u. H. Lamp:
lang stehen gelassen, durch eine entsprechende Menge von
Salzsäure ausgefällt, der Niederschlag abfiltriert, in wenig
Wasser aufgeschwemmt, durch allmählichen Zusatz verdünnter,
etwa normaler Natronlauge in Lösung gebracht und mit Al-
kohol gefällt. Der abfiltrierte Niederschlag wurde in wenig
Wasser gelöst, nochmals mit Alkohol gefällt, die Fällung unter
Zusatz von wenig Lauge in Wasser gelöst, zur Entfernung des
Alkohols mit Wasser genügend verdünnt und mit Säure ausgefällt.
Der abfiltrierte Niederschlag wurde abermals durch Lauge in
Lösung gebracht, gegen Lackmuspapier neutralisiert, mit 1°/,
Kochsalzlösung unter Zusatz von !/,°/, Phenol gewöhnlich auf
ein Volumen von 200 cem gebracht, durch Gaze filtriert und
einfach mit Kork verschlossen im Eisschrank aufbewahrt!).
Die Alkoholfällung dient zur Entfernung giftig wirkender Sub-
stanzen; sie erwies sich nicht immer als notwendig, wurde
aber der Gleichmäßigkeit halber bei allen Präparaten vor-
genommen. Bei manchen Körpern mußte die Alkoholfällung
öfters wiederholt werden, bis die Injektionen gut vertragen
wurden. Eine starke Schädigung der Tiere scheint den Im-
munisierungseffekt zu beeinträchtigen und muß vermieden
werden.
Bezüglich der einzelnen Operationen wäre noch folgendes
zu erwähnen. Die Ausfällung der Substanzen erfolgt bei ver-
schiedenen Säuregraden’?), häufig bei deutlich saurer Kongoreak-
tion. Der Niederschlag soll durch entsprechenden Säurezusatz
grobflockig gemacht werden, damit die Filtration nicht zu
lange dauert; man überzeugt sich von der guten Filtrierbarkeit
am besten durch Auftropfen auf ein Stückchen Filtrierpapier.
In seltenen Fällen ist die Ausfällung durch Zusatz von kon-
zentrierter Kochsalzlösung zu unterstützen. Ein Antrocknen
des Niederschlages an das Filter ist zu vermeiden. Bei der
Auflösung der durch Säure gefällten Azoproteine wird nur ein
geringer Alkaliüberschuß verwendet, die Auflösung ist durch
Zerdrücken des Niederschlages mit einem platt gedrückten
Glasstab zu befördern, von ungelösten Resten wird nach Her-
1) Gewöhnlich wurde die ganze zur Immunisierung nötige Menge
des Antigens auf einmal hergestellt.
®) Dieser Umstand ließ sich durch Anwendung von Essigsäure-
Natriumacetatmischungen feststellen.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XIJ. 361
stellung neutraler Reaktion zweckmäßig durch Gaze abfiltriert
und der Niederschlagsrest für sich aufgelöst. Wenn die Lösung
beendet ist, wird die Reaktion gegen Lackmus neutral gemacht,
vor der Ausfällung mit Alkohol eher etwas sauer, um die
Wiederauflösung zu erleichtern. Im Falle durch Alkohol
keine oder keine flockige Ausfällung stattfindet, wird kon-
zentrierte Kochsalzlösung zugefügt. Die Auflösung der Alko-
holniederschläge kann durch Verklumpung Schwierigkeiten
bereiten. Sie geschieht am besten durch intensives Verreiben
kleiner Portionen des alkoholfeuchten Niederschlages mit sehr
allmählich zugesetztem Wasser in einer sehr geräumigen Reib-
schale. Durch die Behandlung mit Alkohol tritt manchmal
eine bleibende, auch durch Lauge nicht zu beseitigende Trü-
bung ein, die aber die Verwendbarkeit der Lösung zur Im-
munisierung nicht beeinträchtigt.
Die meisten Präparate wurden in der beschriebenen Weise
hergestellt, nur die Quantität der Diazokörper den Molekular-
gewichten entsprechend geändert, so daß bei den verschiedenen
Substanzen äquimolekulare Mengen zur Kupplung genommen
wurden. Die Lösung der Diazokörper war je nach dem Mole-
kulargewicht 1- bis 2°/,ig.
Die Kupplung des Eiweißes geht, wie die Bildung von
Azofarbstoffen im allgemeinen bei verschiedenen Diazokörpern
nicht gleich leicht vor sich und so mußte bei einer Anzahl
von Präparaten von den angeführten Bedingungen in bezug
auf die Temperatur, die Dauer der Kupplung oder den Alkali-
zusatz abgewichen werden. Als Kriterium für den Ablauf der
Kupplung diente außer der Intensität der Färbung die Reak-
tion mit einem gewöhnlichen Präcipitinserum gegen Pferde-
serumeiweiß, da wir uns überzeugt hatten, daß diese Reaktion
von dem Grade der Eiweißveränderung abhängt!). Die Immu-
nisierungsantigene wurden nun so dargestellt, daß sie in einer
Verdünnung von 1:500 mit 1 bis 2 Capillartropfen eines stark
wirkenden Präcipitins gegen Pferdeserum höchstens eine geringe
Reaktion gaben. Einen Anhaltspunkt gibt die Vergleichung
mit Präparaten, die nach den hier angeführten Vorschriften
hergestellt wurden.
1) Vgl. 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 300, 265, 268.
362 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Wir führen nun kurz jene Punkte an, in denen die Dar-
stellung einzelner Präparate von dem gegebenen Schema —
Serum —- gleiches Vol. n-Sodalösung, Kupplung 10 Minuten
unter Kühlung — abwich oder eine Besonderheit hatte.
2. o-Aminobenzoesäure 100 ccm Serum 4 50 cem n-NaOH.
6. 2-Amino-p-toluylsäure wie 2.
7. 4-Chlor-3-aminobenzoesäure. Die Flüssigkeit, die nach
der ersten Auflösung des Azoproteinniederschlages erhalten wurde, ent-
hielt in geringer Menge einen rötlichen Niederschlag, von dem durch
ein dichtes Filter abfiltriert wurde; dann erst erfolgte die Fällung mit
Alkohol.
8. 4-Brom-3-aminobenzoesäure wie 7.
12. p-Aminozimtsäure. Bei der Ausfällung des Niederschlages
mit Säure ist vorsichtig zu verfahren, um ein Verklumpen des Nieder-
schlages zu verhindern. Der Säureniederschlag wurde portionenweise
durch Verreiben in einer Reibschale mit Wasser und sehr allmählichen
Alkalizusatz gelöst, zum Schlusse die ganze Lösung noch längere Zeit
stark gerührt. Die Alkoholfällung wurde 3 mal wiederholt.
18. m-Xylidinsulfosäure. Kupplungsdauer 25 Minuten.
20. Tribromaminobenzolsulfosäure. Kupplung 35 Minuten
bei Zimmertemperatur.
23. o-Brom-o-toluidin-p-sulfosäure. Kupplungsdauer 35 Mi-
nuten.
26. Naphthionsäure. 100 ccm Serum + 50 ccm n-NaOH, Kupp-
lung bei Zimmertemperatur durch 10 Minuten, da bei Kühlung der Di-
azokörper schwer in Lösung geht. Der durch Säure ausgefällte Nieder-
schlag wird durch Laugenzusatz eben gelöst und von einem krystalli-
nischen Niederschlag, vermutlich überschüssigem Diazokörper, durch
starkes Zentrifugieren getrennt. Der Niederschlag scheint giftig zu sein-
Die Umfällung mit Alkohol wurde 4 mal wiederholt.
27. Aminoazobenzoldisulfosäure 100 ccm Serum + 150 ccm
n-Sodalösung.
B. Prüfungsantigene.
Zur Prüfung der Immunseren erwies es sich als vorteilhaft,
Präparate anzuwenden, die aus Hühnerserum durch intensive
Einwirkung der Diazokörper gewonnen waren‘). In der Regel
wurden cem Hühnerserum mit dem gleichen Volumen n-Soda-
lösung und der Lösung oder Aufschwemmung der Diazokörper
vermischt und 30 Minuten bei Zimmertemperatur gehalten.
Von den Diazokörpern wurde im Verhältnis zum ‚Serum bei
allen Präparaten die gleiche Menge wie bei den Immunisie-
rungsantigenen angewendet. Die Lösungen wurden dann mit
1) Vgl. L e. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 303.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 363:
Salzsäure ausgefällt, der Niederschlag abfiltriert und mit wenig
‘Wasser oder angesäuertem Wasser gewaschen, durch Laugen-
zusatz in 1°/, Kochsalzlösung unter Zusatz von !/,°/, Phenol
gewöhnlich auf 20 ccm gebracht. Die Lösungen wurden in ver-
korkten Eprouvetten im Eisschrank aufbewahrt und blieben
viele Monate lang unverändert brauchbar. Von Sedimenten,
die sich bei einzelnen Lösungen bildeten, wurde abgegossen.
Der Gehalt der Lösungen wurde durch Bestimmung des Trocken-
rückstandes minus Asche festgestellt.
Bei einer Anzahl von Präparaten wurden wieder Ände-
rungen des Verfahrens in bezug auf den Alkalizusatz bei der
Kupplung vorgenommen, so begreiflicherweise in den schon bei
den Immunisierungsantigenen erwähnten Fällen. Die Kupplung
geschah immer bei Zimmertemperatur, und ihre Dauer wurde
2- bis 3 mal so lange bemessen wie bei den Immunisierungs-
antigenen, bzw. bei solchen Präparaten, die dem für die Immu-
nisierungsantigene durch die Präcipitinreaktion gegebenen Kri-
terium entsprochen hätten. Die einzelnen Abweichungen von
der gegebenen Vorschrift waren die folgenden:
l. Anilin. Bei einigen Versuchen wurde neben dem in gewöhn-
licher Weise hergestellten Präparat ein anderes verwendet, bei dem statt
der Sodalösung die halbe Menge n-NaOH zur Kupplung genommen
wurde (s. S. 371).
2. o-Aminobenzoesäure 5 ccm Serum + 2,5 cem n-NaOH.
3. Aminosäuren aus m-Toluylsäure. Wie 2.
5. Aminosäuren aus o-Toluylsäure. Fraktion 1 Kupplungs-
dauer 1 Stunde, Fraktion 2 Kupplungsdauer 30 Minuten.
6. 2-Amino-p-toluylsäure. Wie 2.
7. 4-Chlor-3-aminobenzoesäure. Die Lösung des Azoproteins
wurde zum Schlusse durch Abzentrifugieren oder Sedimentieren von dem
darin suspendierten Niederschlag befreit.
8. 4-Brom-3-aminobenzoesäure. Wie 7.
18. m-Xylidinsulfosäure. Kupplungsdauer 1 Stunde.
20. Tribromaminobenzolsulfosäure. Wie 18.
23. o-Brom-o-toluidin-p-sulfosäure. Wie 18.
26. Naphthionsäure. 5cem Serum + 2,5 cem n-NaOH, zum
Schluß Zentrifugieren oder Filtrieren der Lösung.
27. Aminoazobenzoldisulfosäure 5 cem Serum + 7,5 com
n-Sodalösung.
28. o-Arsanilsäure 5cem Serum + 2,5 cem n-NaOH, Kupplungs-
dauer 1 Stunde.
29. p-Nitranilinarsinsäure 5cem Serum + 10 ccm n-Sodalösung.
364 K. Landsteiner u. H. Lampl:
30. 4-Chlor-3-aminophenylarsinsäure 5 com Serum + 7,5 com
n-Sodalösung. (Die Reaktion mit Pferdepräcipitin wurde nicht geprüft.)
32. o-Toluidinarsinsäure 5ccm Serum + 7,5 ccm n-Sodalösung.
33. 3-Chlor-4-aminophenylarsinsäure. Wie 32.
In gleicher Weise wie die Prüfungsantigene aus Hühner-
serum wurde eine Anzahl solcher Präparate aus Edestin!) her-
gestellt, nur an Stelle von 5 ccm Serum eine aus 0,35 g Edestin
mit 0,2 cem n-Natronlauge und 5 ccm Wasser hergestellte Lö-
sung verwendet. Einzelne der Azoproteine aus Edestin ließen
sich nach der Ausfällung mit Säure schlecht oder gar nicht
mehr in Lösung bringen und zwar die Präparate mit Anilin,
o-Zimtsäure, Tribromaminobenzolsulfosäure. Öfters bildeten sich
in den Lösungen geringe Sedimente.
3. Herstellung der Immunseren.
Wir immunisierten Kaninchen mit im ganzen 25 verschie-
denen Azoproteinen aus Pferdeserum und erhielten mit 23 von
diesen Substanzen brauchbare Immunseren. Zur Serumgewin-
nung eigneten sich junge, kräftige Kaninchen im Gewichte von
2 bis 2,5 kg, die in Abständen von einer Woche intraperito-
neale Injektionen von 10 bis 20 cem, selten mehr, der auf das
doppelte Serumvolumen gebrachten Lösungen (s. oben) erhielten.
Wenn die Tiere stark abmagerten, wurden sie bis zur Erho-
lung geschont. Von der dritten Injektion an wurden jedesmal
zur Prüfung des Serums kleine Blutmengen aus dem Obr ent-
nommen und zwar eine Woche nach der letzten Injektion. Die
Immunisierung nahm bei den einzelnen Präparaten einen un-
gleichen Verlauf, so daß bei einem Teil der Substanzen schwie-
riger stark wirkende Seren zu gewinnen waren als bei den
anderen. In einer ersten Versuchsperiode immunisierten wir
mit 17 Substanzen. Bei den meisten dieser genügten 5 Tiere,
um ein, meistens mehrere stark wirksame Immunseren zu er-
halten. Dazu waren 3 bis 9 Injektionen notwendig, gewöhn-
lich reichten 3 bis 6 aus. Einige Male schien es, wenn die
Antikörperbildung nicht fortschritt oder einen Rückgang zeigte,
nützlich, eine mehrwöchentliche Injektionspause einzuschalten
(Uhlenhuth). Größere Schwierigkeiten fanden wir nur bei
1) Über die Darstellung des Edestins s. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26,
129, Fußnote.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 365
dem Naphthionsäurepräparat, wo anfänglich, bevor das Präparat
in der angegebenen zweckmäßigen Weise dargestellt wurde,
durch Toxizität ziemlich viele Tierverluste eintraten.
Mit dem schließlich hergestellten Präparat erhielten wir
bei 5 Tieren nur ein brauchbares, aber ziemlich schwaches
Serum. Etwas schwierig war die Serumgewinnung auch bei
dem Körper aus Sulfanilsäure. Besonders leicht verliefen die
Immunisierungen mit den Präparaten aus m-Aminobenzosulfo-
säure, p-Aminophenylarsinsäure, p-Brom-o-aminobenzolsulfo-
säure. Hier gaben die meisten Tiere stark wirkende Seren. Des-
halb dürften diese Präparate, besonders die ersten beiden be-
quem herstellbaren bei einer Nachprüfung und Fortsetzung
unserer Versuche sich zur Einübung der Methode eignen. Ob
das beobachtete verschiedene Verhalten der Präparate wirklich,
wie es scheint, auf ihrer‘ besonderen chemischen Beschaffenheit
beruht, oder ob zufällige Umstände die Ursache waren, könnte
erst eine vergleichende Untersuchung mit zahlreichen Tieren
lehren. `
Die zweite Serie von Immunisierungen mit den übrigen
8 Substanzen nahmen wir etwa 1 Jahr später vor (Präparate
6, 7, 8, 11, 12, 20, 23, 24). Hier machte die Immunisierung
größere Schwierigkeiten; es wurde eine beträchtlich größere
Zahl von Tieren verbraucht, und die erhaltenen Immunseren
waren zum Teil ziemlich schwach, wenn auch brauchbar. Bei
zwei Präparaten (Dibromsulfanilsäure, Tribromaminobenzolsulfo-
säure) entstanden schwache Präcipitine, die aber für unsere
Untersuchung nicht verwendbar waren, da keine Reaktion mit
den Präparaten aus heterologem Protein eintrat. Ob die Er-
gebnisse mit diesen zwei Substanzen verbesserungsfähig sind,
können wir nicht sagen. Die schlechten Immunisierungseffekte
bei dieser zweiten Serie im allgemeinen möchten wir darauf
zurückführen, daß der äußeren Umstände wegen von vorn-
herein schlechter genährte, weniger kräftige Tiere in den Ver-
such eingestellt werden mußten. Wir haben in dieser Zeit auch
bei gewöhnlichen Antigenen, z. B. bei der Herstellung von
Pferdepräcipitin, ungünstigere Ergebnisse gehabt als sonst.
Die vorläufige Prüfung der Seren bei der Probeentnahme
geschah so, daß 0,2 ccm einer Verdünnung 1:500 (auf das ur-
sprüngliche Serumvolumen bezogen) des Immunisierungsantigens
366 K. Landsteiner u. H. Lampl:
mit einem Capillartropfen (ungefähr 0,04 cem) Serum versetzt
wurde. Ein verwendbares Serum mußte rasch eine starke Reaktion
geben. War das der Fall, so wurde eine Probe mit 0,2 cem einer Ver-
dünnung 1:500 des Prüfungsantigens aus Hühnerserum und zwei
Capillartropfen Serum angesetzt. Es variiert nämlich das Ver-
hältnis der Wirkungen auf die beiden Arten von Antigenen
bei den einzelnen, selbst gleichartigen Immunseren. Wenn
diese Probe im Brutofen oder bei Zimmertemperatur eine
starke oder mindestens deutliche Reaktion gab, so wurde das
Serum als brauchbar angesehen und die Tiere nach vorher-
gehender mehrstündiger Nahrungsentziehung am 7. oder 8. Tage
nach der letzten Injektion entblutet. Die Reaktion mit dem
Prüfungsantigen trat meistens schon innerhalb einiger Minuten ein,
ausnahmsweise erst später. Nur bei einzelnen Präparaten be-
gnügten wir uns mit schwächeren Seren, die erst bei größerer
Tropfenzahl mit dem Prüfungsantigen reagierten. Diese Einzel-
heiten sind aus den unten angeführten Versuchen zu ersehen.
Die Immunseren wurden mit dem Uhlenhuthschen Appa-
rate!) (mit Quetschhahn) durch Berkefeldfilter filtriert, in nicht
zu weite, dünnwandige Eprouvetten abgefüllt und diese zuge-
schmolzen. Wenn man die Eprouvetten in eine lange, schmale
Spitze auszielit, so kann man mit Capillarpipetten aus einem
Röhrchen wiederholt sterile Proben entnehmen.
Die Seren wurden gewöhnlich im Eisschrank aufbewahrt. Sie
zeigten dabei ein verschiedenes Verhalten, insofern ein Teil noch
nach einem Jahre und noch später brauchbar war, während andere
schon nach viel kürzerer Zeit stark abgeschwächt waren. Ziemlich
bald wurden solche Seren unwirksam, in denen sich bei der
Aufbewahrung im Eisraum Trübungen oder Niederschläge bil-
deten. Es ist vermutlich besser, solche Seren bei etwas höherer
Temperatur aufzubewahren?). wobei die Niederschlagsbildung
bei mehreren der in der Kälte sich trübenden Seren ausblieb.
Im übrigen waren die Seren nach der Entnahme und Filtra-
tion ganz klar oder höchstens schwach opalisierend. Fettige
Häutchen an der Oberfläche entstehen öfters bei ungenügender
1) Uhlenhuth und Weidanz, Handb. d. Techn. u. Method. der
Immunitätsf. 2, 808, Fig. 25. Fischer, Jena, 1909. (Die Vorrichtung zum
Messen blieb weg.)
2) s. Uhlenhuth und Weidanz, l c. S. 819.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 367
Reinigung des Glases und konnten durch Behandlung der Röhr-
chen mit heißer Chromsäurelösung vermieden werden.
4. Versuchsanordnung bei den Serumproben.
In eine Reihe ganz klarer, gut gereinigter, gleichweiter
Röhrchen (von ungefähr 8 mm Durchmesser) wurden je 0,2 ccm
der Antigenverdünnungen eingefüllt und dann mit einer Ca-
pillarpipette die angegebene Zahl von Tropfen des Immun-
serums, worauf alle Röhrchen, und zwar jedes für sich, durch-
geschüttelt wurden. Ein Tropfen der Pipette entsprach etwa
0,04 ccm. Bei Verwendung der gleichen (bei entsprechender
Reinigung oft verwendbaren) Pipette für jeden Versuch und
gleichartiger Haltung derselben gibt dieses Verfahren gute Re-
sultate und gestattet, Versuchsreihen mit zahlreichen Proben
sehr rasch anzustellen.
Die Antigene waren bis auf vereinzelte Fälle, von denen
noch die Rede sein wird, vollkommen klar.
Die Antigenverdünnungen beziehen sich immer auf eine
Stammlösung, die in 1 ccm 0,05 organische Trockensubstanz
enthielt (über die Bestimmung s. oben). Es ist damit, weil die
Lösungen neben den Eiweißkörpern noch andere organische
Stoffe enthalten, zwar keine vollkommene, aber doch eine durch-
aus genügende quantitative Übereinstimmung gesichert, beson-
ders da es bei den Spezifitätsproben nur auf relative Bestim-
mungen ankommt. Die Verdünnungen wurden aus der Stamm-
lösung jedesmal mit 1°, Kochsalzlösung frisch bereitet.
Um bei geringer Opalescenz der Seren ganz schwache
Reaktionen sicher zu erkennen, wurde für jedes Serum immer
eine Kontrollprobe mit 0,2 cem 1°/,iger Kochsalzlösung an-
gesetzt. Bei der Ablesung wurden die Röhrchen gegen einen
dunkeln Hintergrund gehalten, um auch sehr zarte Trübungen
zu erkennen.
Das Ergebnis der Fällungsreaktionen wird im folgenden
je nach der Intensität durch die Zeichen +, +, ++, ++,
+++, +++, +++, ++++ ausgedrückt, wo das erste
Zeichen eine eben erkennbare Trübung, das letzte eine sehr starke
flockige Fällung bedeutet; das Zeichen — bedeutet negative
Reaktion. Bei einiger Übung gelingt die Schätzung so gut,
368 K. Landsteiner u. H. Lampl:
daß mehrere unabhängige Ablesungen nur sehr wenig vonein-
ander abweichen.
Versuchsergebnisse.
Daß die aus Pferdeserum dargestellten Azoproteine mit
einem gegen unverändertes Pferdeserum gerichtetes Präcipitin
nur schwache Reaktionen gaben, wurde schon erwähnt. Eine
ausführliche Wiedergabe dieser Resultate und der ziemlich ge-
ringen Unterschiede in den einzelnen Fällen erscheint unnötig ').
Dagegen ist es nicht ohne Interesse, die großen Unterschiede
zu demonstrieren, die in der Wirkung der Immunseren auf
natives Pferdeserum bestanden, wobei es genügt, eine Anzahl
von Beispielen anzuführen.
Natives Pferdeserum 1:1000. 2 Tropfen der Immunseren. Ablesung
nach 1è bei 37°. Die Immunseren sind mit dem Namen der Azokompo-
nenten bezeichnet.
u g| lj m E|
SE | A
Immunseren gn i Immunseren En
28| 535l
a si _ I As
o-Aminobenzoesäure | 878 HHHH o-Aminobenzolsulfosäure .
n 879 | +++ || m-Aminobenzolsulfosäure . | 870 | ++
n 881 |+H+++ n . [873 | ++
m-Aminobenzoesäure] 883 | ++ | Toluidinsulfosäure (2,5) . [920 4++++
p-Aminobenzoesäure |849| — |/Aminoazobenzoldisulfosäure| 893| +
o-Aminozimtsäure . | 901 +++ n . 1894) +
» . {902| + ||p-Aminophenylarsinsäure . |840| ++
o-Aminobenzolsulfo-
saure . 2... 944 | ++
Mit einer Anzahl von Seren wurden auch Proben mit den Antigen-
konzentrationen 1:100, 1:500, 1:2500 angestellt und ähnliche Ergeb-
nisse erhalten.
Diese Proben zeigen, daß erstens bezüglich der Reaktion
mit nativem Pferdeserum die Seren stark verschieden sind und daß
zweitens Unterschiede auch bei Seren gegen dasselbe Antigen
vorkommen?). Ob den Azokomponenten doch ein bestimmen-
der Einfluß in dieser Richtung zukommt, kann vorläufig nicht
entschieden werden.
Wie bemerkt, wurden mit solchen Seren, die mit unver-
ändertem Pferdeserum nur schwache Reaktionen gaben, Spe-
1) Vgl. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 300.
°) Vgl. die Bemerkung $.366 über die Wirkung auf Pferde- und
Hühnerantigene.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 369
zifizitätsversuche mit Azoproteinen aus Pferdeserum angestellt,
wobei nur eine geringe Anzahl von Antigenen zur Verwendung
kamen.
Immunseren: p-Aminobenzoesäure Nr. 849, Aminoazobenzoldisulfo-
säure Nr. 893 je 1 Tropfen. Die Antigene sind mit den Nummern in
der S. 354 ff. gegebenen Aufzählung bezeichnet. Antigenverdünnung 1:500.
Ablesung nach 1 bei Zimmertemperatur.
Atiga ||| 2 || m |
Immunserum Nr. 849 ... _ | + +
» Nr.893... a ee
I ia
+ HH 3
1 Tropfen Immunserum p-Aminophenylarsinsäure Nr. 840. Antigen-
verdünnung 1:500.
Ablesung nach 1 bei Zimmertemperatur.
Antigene |2|4]|o[i3|1|17|21|22|27| s1
Immunserum Nr. 840 I + | gE | — | = | -| + | u +++
Man sieht aus diesen Proben deutlich, daß die stärkste
Reaktion mit den homologen Antigenen Nr. 9, 27, 31 statt-
findet, besonders auffallend ist dieses Verhalten bei dem p-Amino-
phenylarsinsäure 1.-S.1)®). Daß bei dieser Versuchsanordnung
das Auftreten der Mitreaktionen nicht nur von dem Ver-
halten der Seren gegen unverändertes Pferdeeiweiß, sondern
wohl auch von der Art der Azokomponente abhängt, zeigt der
folgende Versuch mit einem Serum, das Pferdeeiweiß stark prä-
eipitiert.
!/, Tropfen Immunserum Toluidinsulfosäure (2,5) Nr. 920.
Antigenverdünnung 1:500. Ablesung nach 1 bei Zimmertemperatur.
Antigene | 9 | u | 2 | | 3
Tmnnonserúm Nr. 920 . y ms | + | +++ | + | +
Im allgemeinen ist, wie schon hervorgehoben wurde, bei
dieser Art des Versuches das spezifische Verhalten in den
meisten Fällen nicht mit der wünschenswerten Klarheit nach-
weisbar, wofür die öfters zitierte Mitteilung Beispiele gibt.
Bei den zum Studium der spezifischen Eigenschaften an-
gestellten Versuchen mit Antigenen, die in der beschriebenen
1) Der Kürze halber bezeichnen wir die Seren und Antigene mit
dem Namen der Azokomponenten und einem angefügten I.-S. für Immun-
serum, A. für Antigen.
2) Siehe l. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 303.
370 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Weise aus Hühnerserum dargestellt wurden, mußte bei der
großen Zahl der zu prüfenden Substanzen eine Auswahl der
Bedingungen (Konzentration, Versuchsdauer) getroffen werden.
Versuche mit variierter Konzentration folgen nach.
Was die Menge des Serums anbelangt, die natürlich bei jedem
Serum für alle Antigene gleich blieb, so war es nötig, diese entsprechend
der ungleichen Wirkungsstärke zu bemessen, und zwar wurde so viel
Serum genommen, daß mit dem homologen Serum eine starke oder
doch sehr deutliche Reaktion eintrat. Über eine gewisse Grenze durfte
dabei nicht hinausgegangen werden, da sonst ähnlich wie bei anderen,
z. B. den forensischen Präcipitinproben, das Auftreten von unspezifischen
Mitreaktionen zu sehr begünstigt wird!). Die Ablesung erfolgte, nachdem
die Proben 15 Min. und 1 Stunde lang im Brutofen bei 37° gehalten waren.
Der Eintritt der Trübungen war aber bei starken Reaktionen immer
schon ganz kurze Zeit nach dem Ansetzen der Proben zu bemerken.
Die Tabellen I, II, III enthalten Ablesungen nach einer Stunde. Die
Ablesungen nach 15 Minuten sind, da die Reaktionen sehr ähnlich,
nur schwächer (und manchmal etwas spezifischer) waren als bei der
Ablesung nach einer Stunde, in die Tabellen nicht aufgenommen.
Nach der einstündigen Aufbewahrung im Brutofen kamen die Proben
über Nacht in den Eisraum (ungefähr + 4°) und wurden am nächsten
Tag nochmals abgelesen. Während dieser Zeit treten häufig neue, wenn
auch schwache Reaktionen ein, die die Übersichtlichkeit der Resultate
stören, so daß von dieser Ablesung nur für besondere Zwecke Gebrauch
gemacht wurde. Bekanntlich ist auch für die Präcipitinreaktionen mit
natürlichen Antigenen eine bestimmte Ablesungszeit festzusetzen, um
unspezifische Reaktionen auszuschalten (vgl. Uhlenhuth u. Weidanz)?).
Die Wahl der Temperatur von 37° geschah, um die Ungleichheiten der
Zimmertemperatur zu vermeiden. Die Reaktion dürfte durch die höhere
Temperatur auch beschleunigt werden. Ein Serum (2-Amino-p-toluylsäure)
gab bei 37° keine Reaktion, wohl aber bei niedrigerer (Zimmer-) Tempe-
ratur, so daß in diesem Falle die Proben nach 2 stündiger Aufbewahrung
bei Zimmertemperatur abgelesen wurden. Auch ein zweites, in der Ta-
belle nicht verzeichnetes, mit demselben Antigen hergestelltes Serum
reagierte bei der höheren Temperatur schwächer. Ob geringe Ab-
schwächungen durch höhere Temperaturen nicht auch in anderen Fällen
vorkommen, wurde nicht besonders geprüft. Beim Serum p-Aminozimt-
säure I erfolgte die Ablesung wegen der etwas schwachen Reaktion,
nachdem die Proben 1 Stunde bei 37° und dann 1 Stunde im Zimmer
gestanden hatten.
Zwei der Prüfungsantigene (Anilin, 4-Chlor-3-aminophenylarsinsäure)
1) Vgl. Uhlenhuth u. Weidanz |. ©. S. 753.
2) 1. o. S. 749.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 371
waren etwas trübe, und zwar so, daß die Trübung in der Verdünnung 1:500
kaum sichtbar war. Die Trübung verstärkte sich auf Zusatz vieler Immun-
seren, aber anch in etwas geringerem Grade durch normale Kaninchen-
seren. Die Intensität der Trübung nach Serumzusatz entsprach bei Ani-
lin A. dem Zeichen +, bei dem anderen Körper den Zeichen + oder +
unserer Skala. Die Trübungen traten gleich nach dem Zusatz der Seren
ein und verstärkten sich im Gegensatz zu den eigentlichen Reaktionen
im Laufe der Versuchszeit nicht deutlich. Diese schwachen Trübungen
sind wegen ihrer Bedeutungslosigkeit in den Tabellen nicht verzeichnet
und dort, wo diese Antigene wirkliche Reaktionen gaben, ist die Be-
zeichnung um + bzw. + vermindert. Eine Reihe von Versuchen wurde
dann auch mit einem Anilin A. gemacht, das in etwas modifizierter
Weise, nämlich durch Zusatz von 2,5 cem n-NaOH zu 5ccm Serum an
Stelle von Natriumcarbonat hergestellt war. Die Lösung dieses Präpa-
rates war klar und zeigte auch die Verstärkung der Trübung durch
Serumzusätze nicht, während es mit dem homologen Serum ganz wie
das andere, leicht trübe Präparat reagierte.
Es bleibt noch zu erwähnen, daß die Seren der ersten Reihe von
Immunisierungen (s. oben) alle rasch hintereinander und zwar jedes mit
24 Antigenen zugleich geprüft wurde, die Proben mit den übrigen 9 Anti-
genen (Nr. 3, 5, 24, 25, 28, 29, 30, 32, 33) wurden einige Wochen später
nachgetragen und zwar die Proben mit jedem Serum wieder in je einem
Versuch, wobei auf Grund von Vorversuchen die Serummenge so gewählt
wurde, daß die jedesmal wiederholte Probe mit dem homologen Antigen
eine ebenso starke Reaktion gab, wie in der ersten ‚Versuchsreihe. Die
Prüfung erfolgte Tage bis Monate nach der Serumabnahme. Bei den
übrigen Seren wurden die Proben mit allen Antigenen gleichzeitig an-
gesetzt und zwar kurze Zeit nach der Serumabnahme. Dagegen, daß
die verschiedenen Seren nicht zu gleicher Zeit geprüft werden konnten,
besteht kein Einwand, weil es nur auf den Vergleich der mit dem
gleichen Serum angestellten Proben ankommt. Öfters wurden Versuchs-
reihen wiederholt, wobei die Ergebnisse sehr gut übereinstimmten. Die
ein Maß der Wirkung gebenden Tropfenzahlen der Immunseren waren
in den Versuchen von Tabelle I der Reihe nach folgende 3, 4, 5, 6, 3,
5, 5, 4,4, 6, 3, 4, 3, 3, 1, 3, 3, 3, 3, 6, 6, 3, 3.
Die Proben, die in der Tabelle I (siehe die beigeheftete
Tafel I) verzeichnet sind, umfassen die Kombinationen aller
dargestellten Immunseren und Antigene. Diese Tabelle ent-
hält demnach die Zusammenstellung der wesentlichen Ergeb-
nisse unserer Arbeit.
In Tabelle I ist nur je ein Immunserum einer Art auf-
Biochemische Zeitschrift Band 86. 25
372 K. Landsteiner u. H. Lampl:
genommen, während öfters mehrere geprüft wurden. Um zu
zeigen, in welchem Ausmaße Verschiedenheiten zwischen den
einzelnen gleichartigen Seren vorkommen können, geben wir
auch diese Versuche wieder.
Tabelle II (siehe die beigeheftete Tafel II).
Die mit I bezeichneten Seren sind die schon in Tabelle I enthal-
tenen und werden zum Vergleich nochmals angeführt.
Die Versuche sind zumeist nur mit einem Teil der Antigene ge-
macht, die zur Zeit schon dargestellt waren. Die Stellen jener Präpa-
rate, die nicht mit allen gleichartigen Seren in Reaktion gebracht
wurden, sind leer gelassen. Bei den Seren 4-Chlor-3-aminobenzoe-
säure II und p-Aminozimmtsäure II kamen Antigene, deren Gewichts-
bestimmung zum Teil noch nicht ausgeführt war, zur Verwendung. Da
aber durch die nachher gemachten Bestimmungen sehr beträchtliche
Änderungen der Verdünnungen nicht veranlaßt wurden, so bedürfen
auch diese Resultate sicher keiner wesentlichen Korrektur.
Tropfenzahl der Seren der Reihe nach 4, 5, 4, 3, 4, 4, 5, 6, 3, 3,
4, 4,4, 3, 3, 1, 1, 3, 3, 3, 2, 3, 2, 3, 2.
Die Zusammenstellung zeigt, daß bei einem Teil der Seren
(Zeile 1, 2, 3, 6, 7, 14, 15, 20, 21, 24, 25) die Reaktionen so
gut übereinstimmen, als nur erwartet werden kann, woraus
hervorgeht, daß den Reaktionen kein zufälliger Charakter an-
haftet. Mehrmals bestehen in Betracht kommende Differenzen,
so daß eines der beiden verglichenen Seren eine größere Zahl
von Reaktionenegibt, als das andere. In einzelnen Fällen be-
ruhen die Unterschiede wahrscheinlich auf der geringeren Stärke
eines Serums, da z. B. beim Serum Toluidinsulfosäure (2, 5) II,
das im angeführten Versuch eine schwächere homologe Reak-
tion gibt, bei Anwendung einer beträchtlich größeren Serum-
menge alle bei Serum I angegebenen Reaktionen auftreten und
noch einige ganz schwache Trübungen dazu (bei o-Aminobenzol-
sulfosäure-A. und p-Aminophenylarsinsäure-A.. In anderen
Fällen, z. B. bei o-Aminobenzolsulfosäure I.-S. und p-Toluidin-
sulfosäure-I.-S. handelt es sich aber, wie Variationen der Serum-
menge zeigten, um Verschiedenheiten der Reaktionsbreite, die
bekanntlich auch bei gewöhnlichen Präcipitinen häufig zu beo-
bachten sind [vgl. z. B. v. Dungern'), Uhlenhuth und Wei-
danz?). Beim Studium der hier beschriebenen Spezifitäts-
1) Centralbl. f. Bakt. 34, 368, 1903.
3) 1. o. S. 815.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 373
erscheinungen wird es deshalb unter Umständen zweckmäßig
sein können, unter mehreren gleichartigen Seren eine Auswahl
zu treffen. Bemerkenswert ist der Fall des 4-Chlor-3-amino-
benzoesäure-l.-S. Hier bedeuten I und II Seren desselben
Tieres; I ist nach 5, II nach 4 Injektionen abgenommen.
Da die Differenz der homologen Reaktionen nicht groß ist, hat
hier die Spezifität im Verlaufe der Immunisierung offenbar
abgenommen. Auch dafür liegen Beispiele in der Literatur
vor [vgl. Park und Collins')].
Zu einer genügenden Kenntnis des Verhaltens der Immun-
seren war es nötig, ihre Wirkung auch bei Variation der quan-
titativen Verhältnisse wenigstens in mehreren Fällen festzustellen.
So zeigen die folgenden mit der Mehrzahl der Antigene an-
gestellten Versuche einigemale eine Verminderung der Zahl der
Mitreaktionen bei reduzierter Serum- und gleichbleibender An-
tigenmenge.
Tabelle III siehe Seite 374.
Durch Vermehrung der Serummenge kann demgemäß, be-
sonders bei manchen stark wirkenden Seren die Zahl der
Reaktionen noch vermehrt werden und ebenso unter Umständen
durch Erhöhung der Antigenkonzentration.
So traten z. B., als die Immunseren gegen o-Aminobenzoesäure,
p-Toluidinsulfosäure, m-Aminobenzolsulfosäure, Aminoazobenzoldisulfo-
säure mit je 12 Antigenen in der Verdünnung 1: 100 geprüft wurden, bei
den beiden letztgenannten ganz schwache Reaktionen mit p-Aminobenzol-
eulfosäure A. auf, die bei der Verdünnung 1:500 nicht nachweisbar
waren.
Die folgenden Tabellen (S. 375) zeigen die gegenseitige Einwir-
kung von drei Immunseren auf die entsprechenden Antigene,
bei variierter Antigenkonzentration, und einen zweiten ähnlichen
Versuch. Es kamen hierbei zumeist Präparate zur Verwen-
dung, die serologisch vollkommen verschieden sind, um fest-
zustellen, ob die Unterschiede auch bei quantitativer Variation
bestehen bleiben.
Ablesung nach 1 Std. bei 37°, verwendete Serummenge in Tropfen
der Reihe nach 4, 4, 3, 3, 5, 3, 5.
1) Journ. of med. Res. 12, 492, 1904.
25*
Tabelle III.
374 K. Landsteiner u. H. Lampl:
p-Aminophenylarsins. | | | | |
Aminoazobenzoldisulfo-
säure
Naphthionsäure
o-Brom-o-toluidin-
p-sulfosäure
Toluidinsulfosäure
(2,5)
f
p-Aminobenzol- i i 7
sulfosäure l E $ ’
++
T
+++ +++ +++- -
+
- Tribromaminobenzol-
a sulfosäure
p-Brom-m-amino-
benzolsulfosäure
n-Xylidinsulfosäure
m-Aminobenzol-
sulfosäure
p-Chlor-o-aminobenzol-
sulfosäure |
|
sulfosäure l l
p-Brom-o-aminobenzol-|
men I
| p-Toluidinsulfosäure
— +++ ++ +
|
|
|
|
_ o-Aminobenzolsulfo- ||
säure
p-Aminozimtsäure ||
m-Aminozimtsäure
|
I E etaa FF
o-Aminozimtsäure +
f p-Aminobenzoesäure |
4-Brom-3-amino-
benzoesäure
\FChlor-3-amino- j
benzoesäure
| 2-Amino-p-toluylsäure |
m-Aminobenzoesäure
| o-Aminobenzoesäure
Anilin
I
|
|
Antigene:
!/, Tropfen
II 1 Tropfen
m-Aminobenzolsul-
Immunseren:
säure II 5 Tropfen
fosäur. I 1 Tropfen
fosäure I !/, Tropf.
fosäure I 3 Tropf.
(2,5) I 8 Tropfen
Toluidinsulfosäure
sulfosäur. I 3 Trop-
fen .
Aminoazobenzoldi-
fosäure I 1 Tropf.
sulfosäure I
!/, Tropfen .
säure
(2,5) I
Aminoazobenzoldi-
o-Aminozimt-
o-Aminozimt-
m-Aminobenzolsul-
p-Aminobenzolsul-
p-Aminobenzolsul-
Toluidinsulfosäure
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 375
=
S, o-Aminozimt- | p-Toluidinsulfo- Toluidinsulfo-
E säure säure säure (2,5)
<
Konsmminnlicn der | | |
Antigene 1: | 100 | 500 (2000| 100 | 500 (2000| 100 | 500 |2000
o-Aminozimt- |
8 säure [+++ +++ - |-| - — | _
& J p-Toluidinsulfo- a i
5 säure | — as — BH++HHH+ ++] - | | >
a “Toluidinsulfo- | ra DZ
E säure (2,5) = - !-1 - | - | — Htt
2 m-Amino- f ʻ
g m-Amino- p-Amino- benzolsulfo- p-Aminobenzol- | p-Aminophenyl-
3 | benzoesäure benzoesäure Pi sulfosäure arsinsäure
E säure
<
der An-
tigene 1: |
Konzen- | re Du a Pa
tration | 100 | 500 2000| 100 | 500 12000]100,500 2000] 100 | 500 [2000 100 | 500 |2000
benzoe-
säure
F
+
a:
+
+
+
|
|
|
|
|
l
benzoe-
|
|
|
+
ł
£ = = |
+
|
|
I
|
|
|
a a
|
|
|
Immunseren:
tt | -= i-
benzol-
|
|
|
|
|
|
|+
+
|
+
+
+
|
|
f
i
|
| |
7 en ee D iadi ur nr
p-Amino- | p-Amino- | p-Amino- | m-Amino-
sinsäure |sulfosäure säure
phenylar-
Mit 8 Immunseren wurden auch Versuchsreihen mit 21
aus Edestin hergestellten Antigenen gemacht.
Die Immunseren waren Nr. 2, 12, 15, 17, 18, 19, 21, 22, die An-
tigene Nr. 2,4, 6, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 21, 22, 23,
26, 27, 31 in der Reihenfolge von Tabelle I. Drei der Antigenpräparate
blieben wegen ihrer schlechten Löslichkeit weg (s. S. 364), die übrigen
Präparate wurden aus Edestin nicht hergestellt.
Da die Resultate fast vollständig mit jenen übereinstimmen,
die mit den Antigenen aus Hühnerserum erhalten wurden, kann
376 K. Landsteiner u. H. Lampl:
von der Wiedergabe des Versuchsprotokolls abgesehen werden.
Es ist als abweichend nur zu erwähnen, daß die Reaktion des
Naphthionsäure-L-S. auf das homologe Antigen beträchtlich
stärker war als bei dem Serumpräparat. Ferner ergab sich
bei m-Aminobenzolsulfosäure-l.-S. und Naphthionsäure-I.-S. zum
Unterschied von der Serumreihe eine schwache Reaktion mit
m-Xylidinsulfosäure-A. Vermutlich rühren diese Mitreaktionen
von einer leichten Fällbarkeit des betreffenden Präparates her').
Daß ein solches Verhalten vorkommt, zeigt schon die Beobachtung
der relativ stärkeren Fällung des Naphthionsäure-A. aus Edestin
durch homologes Serum. Dementsprechend treten die beiden
Reaktionen auch bei den Serumantigenen bei später Ablesung
(Tabelle IV) auf. Es wird nötig sein, das Vorkommen solcher
Substanzen, die mehr als andere zu Fällungen neigen, zu be-
achten und bei Schlußfolgerungen zu berücksichtigen.
Die folgende Zusammenstellung (Tabelle IV) zeigt die Er-
gebnisse einiger Versuchsreihen, die schon in Tabelle I ver-
zeichnet sind, und zwar die Ablesungen, die gemacht wurden,
nachdem die Proben eine Stunde im Brutofen und dann über
Nacht im Eiskasten gehalten waren. Wie schon bemerkt wurde,
treten bei so später Ablesung zahlreichere Mitreaktionen ein.
Auch diese lassen aber bei passender Auswahl der Seren be-
merkenswerte Regelmäßigkeiten erkennen.
Da es hier darauf ankommt, Mitreaktionen zu demonstrieren, 80
wurden auch noch 3 positive Reaktionen verzeichnet (eingeklammert),
die bei gleichartigen Versuchen mit zwei anderen Immunseren hinzu-
kamen. Es sind das in Tabelle II mit II bezeichnete Seren.
Diskussion der Versuchsergebnisse.
Die im vorhergehenden Abschnitt wiedergegebenen Resul-
tate zeigen zunächst, daß man die Azoproteine in gleicher
Weise durch Serumreaktionen scharf unterscheiden kann, wie
artverschiedene natürliche Eiweißkörper, und sie beweisen, daß
die serologische Spezifizität der untersuchten Substanzen wirklich
von der chemischen Beschaffenheit der bei der Kupplung ein-
getretenen Gruppen abhängig ist. Schon unsere früheren Ver-
suche mit acylierten Proteinen?) legten eine Folgerung dieser
1) Vgl. die schwere Löslichkeit einzelner Edestinpräparate.
?) 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 258.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 377
Art nahe, doch war es vielleicht noch möglich, daß andere
Umstände, etwa der Ort der Acylierung und die Zahl der
Acylgruppen, maßgebend sind. Einwände solcher Art sind durch
die vorliegende Untersuchung widerlegt, mit größter Wahr-
scheinlichkeit schon durch den Nachweis der weitgehenden
Spezifizität bei einer viel größeren Zahl von Substanzen und
durch die Verwandtschaftsreaktionen derselben (s. u.). Außerdem
darf für die Kuppelung des Eiweißes mit Diazokörpern aus
chemischen Gründen ein gleichartiger Reaktionsverlauf ange-
nommen werden.
Nach den Untersuchungen von Pauly!) treten die Diazo-
körper nur in die Tyrosin- und Histidingruppe des Eiweißes
ein und auf Grund der Annahme eines Molekulargewichtes
des Eiweißes von annähernd 5000 [E. Fischer]?) und eines
Gehaltes an Tyrosin und Histidin von ungefähr je 3°/,®)
wären in einem Eiweißmolekül nicht mehr als je eine Tyrosin-
und Histidingruppe vorhanden. Wenn nun, wie man annehmen
kann‘), in jede dieser Gruppen ein oder zwei Moleküle der
Diazokörper eintreten können, so wäre die Zahl der Substanzen,
die durch verschiedene Art der Kupplung überhaupt entstehen
können, nicht groß (15); sie würde allerdings viel größer, wenn
das Molekulargewicht des Eiweißes etwa doppelt so groß zu
nehmen wäre oder entgegen der Ansicht von Pauly noch
andere als die genannten Aminosäuren zur Kupplung befähigt
wären. Auf Grund der überaus zahlreichen Erfahrungen über
die Bildung von Azofarbstoffen ist es aber auszuschließen, daß
jeder einzelne Diazokörper mit Eiweiß in besonderer Weise
reagiert). Endlich wird eine derartige Erklärung der Spezi-
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 42, 512, 1904; vgl. 94, 284, 426. Diese
Regel, die in bezug auf die als Eiweißspaltungsprodukte bekannten
Aminosäuren gilt, wird für die überwiegende Mehrzahl der Fälle wohl auch
durch die Angabe von Kossel u. Edlbacher (Zeitschr. f. physiolog.
Chem. 94, 268) nicht geändert.
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 99, 54, 1917.
3) s. Abderhalden, Lehrb. f. physiol. Chem. 1914, 400.
t) Pauly, Zeitschr. f. physiol. Chem. 94, 284, 1915.
5) Die Diazokörper haben vielmehr im allgemeinen nur eine 'quan-
titativ verschiedene Kupplungsfähigkeit, vgl. z. B. Kurt H. Meyer,
Irschick u. Schlösser, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 47, 1744, 1745,
1753 (1914).
378 K. Landsteiner u. H. Lampl:
fizität auch dadurch unmöglich, daß die Immunseren in derselben
Weise mit Antigenen reagieren, die die gleiche Azokomponente,
aber verschiedene Proteine enthalten, und zwar auch solche mit
differentem Gehalt an Tyrosin und Histidin. In der vorliegenden
Mitteilung sind nur Versuche mit Azokörpern aus Serumeiweiß
und Edestin beschrieben; seither wurden aber sehr verschiedene
Proteine in dieser Richtung geprüft, worüber später berichtet
werden soll. Hierzu kommt, daß die Spezifizität der Präcipitin-
reaktionen, wie besondere Versuche lehrten, durch Abstufungen
in der Intensität der Kupplung im wesentlichen unverändert
bleibt.
Aus den angeführten Gründen geht hervor, daß wirklich
die Natur der Azokomponenten das maßgebende Moment dar-
stellt. Dieser Sachverhalt läßt sich mit anderen Worten so
aussprechen, daß man imstande ist, Substanzen einfacher und
bekannter Zusammensetzung, nämlich aromatische Aminosäuren,
durch Serumreaktionen zu unterscheiden. Der erzielte Effekt
ergibt die Möglichkeit, eine nur durch die Ausführbarkeit
chemischer Variationen begrenzte Zahl neuer Antigene aus
einem Eiweißkörper künstlich herzustellen, wenn es auch offen
bleibt, ob die einzufiihrenden Komponenten nicht gewissen Be-
schränkungen z. B. in bezug auf die Molekulargröße unter-
liegen, um zur Immunisierung verwendbar zu bleiben.
Die früher bezüglich der acylierten Proteine gemachte
Annahme wird durch die neuen Erfahrungen per analogiam
bestätigt, und vermutlich wird die Methode der Einführung
chemisch bekannter Gruppen in Eiweiß nicht nur bei den zwei
bisher untersuchten Arten von Eiweißderivaten anwendbar sein?).
Es liegt nahe, die Verwertung anderer Reaktionen zu versuchen,
z.B. die Kombination von Eiweiß mit Chinonen?) und die
Kupplung von diazotiertem Eiweiß.
Einer besonderen Untersuchung bedarf noch die Frage, ob
es, um neue Antigene zu erzeugen, unbedingt nötig ist, die
einzuführende Substanz in feste chemische Bindung mit dem
Eiweiß zu bringen, oder ob auch lockerere Bindungsformen für
1) Vgl. auch Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 127, 128, 1917.
®) Raciborski, Anz. d. Akad. d. Wiss. Krakau, zit. nach Abder-
halden, Bioch. Handlexikon 4, 57; Suida, Zeitschr. f. physiol. Chem. 85,
317, 1913.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 379
diesen Zweck hinreichen. Einigermaßen beweisende Beobach-
tungen dieser Art wurden bisher nicht gemacht, doch könnten
vielleicht die Arbeiten von Schwarz!) über Niederschläge von
Bakterien mit Schwermetallsalzen und von Pick und Schwarz’)
über Immunisierung mit Gemischen aus Bakterienemulsionen
und Organlipoiden auf eine solche Möglichkeit hinweisen. Dem-
nach wird es angezeigt sein, die Antigeneigenschaften (z. B.
mit Azofarben) gefärbten Eiweißes zu untersuchen, wenn man
auch positive Resultate in dem angedeuteten Sinne von vorn-
herein nicht erwarten möchte.
Der weitgehende Einfluß der chemischen Beschaffenheit
der Azoproteine und selbst geringer Unterschiede der Konsti-
tution auf die hier beschriebenen Reaktionen veranlaßt daran
zu erinnern, daß die Frage öfters erörtert wurde, ob überhaupt
chemische Eigenschaften der Antigene durch die Serumreak-
tionen angezeigt werden. Nach den Arbeiten von Obermayer
und Pick, Wells und Osborne und uns selbst könnte es über-
flüssig erscheinen hierauf nochmals einzugehen, wenn nicht noch
in letzter Zeit verschiedene Ansichten über diesen Punkt be-
stünden. So hat die Meinung von Traube®),- der annimmt,
daßdie chemische Natur der Stoffe für die Spezifizitätserscheinungen
ganz bedeutungslos ist, einige Zustimmung gefunden, und in
einem Sammelreferat über Spezifizität von Sleeswijk') wird es
als zweifelhaft hingestellt, . . . . . ob die Spezifizität im
Grunde wirklich auf qualitativen Unterschieden beruht . N
Es ist klar, daß solche Ansichten unhaltbar geworden sind.
Vielmehr sollte die andere Frage revidiert und experimentell
untersucht werden, ob auch bei ganz gleicher chemischer Be-
schaffenheit zweier Substanzen durch physikalische Differenzen
derselben die Erscheinungen serologischer Spezifizität auftreten
können, wie Pick°) und Bordet*) es für möglich halten. Sichere
Beweise für ein solches Vorkommen, wobei etwa an Unterschiede
1) Zeitschr. f. Immunitätsf. 1, 89, 1908.
2) Diese Zeitschr. 15, 453, 1909.
3) Zeitschr. f. Immunitätsf. 9, 262, 1911.
4) Ergebn. d. Immunitätsf. 1, 405, 1914.
5) ].c. Biochem. d. Antigene S. 19, 20.
©) Studies in immunity. New York, Wiley, 1909, S. 525.
380 K. Landsteiner u. H. Lampl:
der Teilchengröße, Quellung, Temperatur zu denken wäre, liegen
wohl noch nicht vor, wohl aber Beispiele für die Wirkung eines
Immunserums auf Antigene von ungleichem Verteilungszustand').
Auch in dem öfters als Exempel angeführten Fall der serolo-
gischen Differenz zwischen nativem und gekochtem Eiweiß ist
das Bestehen chemischer Unterschiede doch nicht auszuschließen.
Diese Bemerkungen beziehen sich aber keineswegs darauf, daß
physikalisch-chemische Eigenschaften, wie die kolloide Beschaffen-
heit der Antigene und Antikörper für das Zustandekommen
der Immunreaktionen notwendig sind und bestimmte Eigen-
tümlichkeiten derselben bedingen und auch nicht auf die Mög-
lichkeit einer Beeinflussung der Spezifizität durch solche phy-
sikalische Eigenschaften, die von der chemischen Konstitution
abhängig sind’).
Was die Resultate unserer Versuche im einzelnen anbe-
langt, so verfügten wir über 23 Arten von Immunseren, die
mit 33 verschiedenen Azoproteinen in Reaktion gebracht wurden,
so daß im ganzen die Ergebnisse von 759 Reaktionen vorliegen?).
Diese sind in Tabelle I (Ablesung nach 1 Std.), auf die wir uns im
Nächstfolgenden gewöhnlich beziehen, zusammengestellt.
Von den Immunseren reagierten 6 unter den gewählten
Bedingungen überhaupt nur mit dem in bezug auf die Azo-
komponente homologen Antigen, also vollkommen spezifisch.
Von den Antigenen reagierten 15 nur mit je einem Immun-
serum. Die anderen Seren und Antigene zeigen mehrfache
Reaktionen, entsprechend der in der serologischen Literatur
als Verwandtschafts-, Gruppen-, Mitreaktionen bezeichneten Er-
scheinung, deren regelmäßiges Vorkommen bei der Präcipitation
1) Siehe z. B. Landsteiner u. Lamp], Zeitschr. f. Immunitäts-
forschung 26, 139.
2) Vgl. Zangger, Zeitschrift f. Immunitätsf. 1, 203; Pick, Bio-
chemie der Antigene S. 18.
3) Drei Substanzen, die außerdem noch als Antigene geprüft wur-
den, waren Disazoproteine. Die zur Kupplung benutzten Substanzen
wurden durch Kombination von Benzidin mit Metanilsäure und von
Sulfanilsäure und Metanilsäure mit m-Toluidin hergestellt. Die Präparate
reagierten mit keinem der Immunseren, Wir geben diese Versuche nicht
wieder, weil die richtige Zusammensetzung der zur Kupplung verwen-
deten Substanzen nicht ganz sichergestellt wurde.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 381
des Serums verschiedener Tierarten in umfassender Weise von
Nuttall’) studiert wurde.
Einzelne Seren und Antigene waren nach den in der
Tabelle enthaltenen Ergebnissen und auch nach weiteren, eigens
angestellten, quantitativen Versuchen nicht unterscheidbar. Es
sind dies die zwei Paare mit den chemisch ähnlich gebauten
Azokomponenten p-Toluidinsulfosäure, p-Chlor-o-aminobenzoe-
säure und p-Brom-o-aminobenzolsulfosäure, p-Brom-m-amino-
benzolsulfosäure. Das gleiche gilt vielleicht von dem Paare
4-Chlor-3-aminobenzoesäure und 4-Brom-3-aminobenzoesäure,
da die in der Tabelle zu erkennenden Unterschiede möglicher-
weise von der verschiedenen Stärke der benützten Seren herrühren.
Von den übrigen Seren gaben mit zwei Ausnahmen alle
mit dem homologen Antigen die stärkste Reaktion. Die Aus-
nahmen betreffen die o-Aminobenzoesäure-Immunseren, von
denen zwei mit o-Aminobenzolsulfosäure A. ebenso stark reagieren
wie mit dem homologen Antigen (siehe Tabelle II) und das
m-Xylidinsulfosäure-I.-S., wo die Reaktion mit p-Toluidinsulfo-
säure A. sogar ein wenig stärker ist als die homologe. Im
letzten Fall war bei einem zweiten gleichartigen Serum ein
stärkerer Unterschied im umgekehrten Sinne vorhanden (siehe
Tabelle II). Ähnliche Fälle sind auch bei natürlichen Antigenen
beobachtet worden, und es liegt nahe, sie einfach auf die leich-
tere Fällbarkeit der einen von zwei verwandten Substanzen zu
beziehen. Trotzdem sind die Antigene des ersten Paares sehr
leicht zu unterscheiden, da hier das o-Aminobenzolsulfosäure-L-S.
nur die homologe Reaktion gibt, während beim zweiten Paar
das p-Toluidinsulfosäure-l.-S. deutlich stärker auf das homologe
Substrat einwirkt, so daß, wie besondere quantitative Versuche
zeigten, die Unterscheidung des m-Xylidinsulfosäure-A. von p-
Toluidinsulfosäure-A.. sowie von dem, wie schon bemerkt wurde,
fast gleich reagierenden p-Chlor-o-aminobenzolsulfosäure-A. doch
möglich sein dürfte.
Wenn man jene Seren betrachtet, die mehrere Antigene
präcipitieren, so zeigen diese Reaktionen Gesetzmäßigkeiten, die
bei der Anordnung in der Tabelle sofort auffallen, da die
positiven Reaktionen hauptsächlich in einigen aus benachbarten
Kolumnen und Zeilen gebildeten Arealen zu finden sind.
1) Blood immunity and blood relationship. Cambridge 1904.
382 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Die Reihenfolge der Azokomponenten in der Tabelle ist,
wie dort angegeben, die, daß nach dem an erster Stelle stehen-
den Anilin die Carbonsäuren, und zwar Benzoesäuren, dann
Zimtsäuren, Sulfosäuren und Arsinsäuren aufeinanderfolgen.
In jeder dieser Abteilungen sind die Säuren nach der Stel-
lung der saueren Gruppe zur Aminogruppe in der Reihe ortho,
meta, para geordnet, immer mit den einfachen unsubstituierten
Aminosäuren beginnend.
Die einzelnen Immunseren reagieren nun ganz vorwiegend
nur mit solchen Körpern, deren Azokomponenten die gleiche
saure Gruppe haben, wie das homologe Antigen und gleiche
oder benachbarte Stellung der saueren Gruppen in dem an-
gegebenen Sinn. Demnach liegen hier wirklich chemische Ver-
wandtschaftsreaktionen vor. (Ein Zusammenhang der Reaktions-
ergebnisse mit der vorauszusetzenden Säurestärke der Azokom-
ponenten wurde nicht beobachtet.)
So gaben die 9 Carbonsäure-Iminunseren!) 17 Reaktionen
mit Carbonsäure-Antigenen und 4 Reaktionen, von denen noch
zu sprechen sein wird, mit allen anderen Substanzen, darunter 2,
die nach der üblichen Ausdrucksweise als „Spur“, eine, die als
„min. Spur“ zu bezeichnen wäre. 12 Sulfosäure-Immunseren
gaben 41 Reaktionen mit den Sulfosäure-Antigenen und außer-
dem nur noch zwei mit Arsinsäure-Antigenen, darunter eine
als „Spur“ zu bezeichnende. Das Arsinsäure-Immunserum
reagierte ausschließlich mit den 6 Arsinsäure-Antigenen. Das
p-Aminozimtsäure-l.-S. II gab eine nicht geringe Fällung mit
m-Aminozimtsäure-A., eine etwas schwächere mit p-Amino-
benzoesäure-A. (Tabelle 1I).
Auch der Einfluß der Stellung der saueren Gruppe zur
Amino- bzw. Azogruppe ist leicht zu erkennen. Bei den Sulfo-
säurekörpern bestehen zwei deutlich abgegrenzte Gruppen von
Reaktionen, von denen die eine die Substanzen mit Parastellung
enthält, während die Körper mit Ortho- und Metastellung eine
gemeinsame Gruppe bilden. Die 7 Seren dieser Gruppe gaben
28 Reaktionen mit den entsprechenden Antigenen und keine
1) Wir benutzen der Kürze halber diese und ähnliche ohne weiterer
verständliche Bezeichnungen.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 383
einzige mit den Körpern der Paragruppe. Die 3 Seren der
Paragruppe gaben 9 Reaktionen mit den zugehörigen Körpern
und nur 2 als „Spur“ zu bezeichnende mit einem Körper der
Metagruppe, dem m-Aminobenzolsulfosäure-A. Auch diese letzte
Reaktion läßt sich aber, wie noch zu zeigen ist, einer Regel
unterordnen. Bemerkenswert ist das Verhalten des stark wir-
kenden Toluidinsulfosäure (2,5)-I.-S., das sämtliche 5 Sulfosäure-
antigene der Paragruppe, in geringem Grade auch das nitrierte
Produkt, präcipitiert.
Die Seren der Aminobenzoesäuren reagieren nur mit den
der Stellung nach entsprechenden Aminobenzoesäurekörpern.
Hier wurden an Antigenen mit ÖOrthostellung 2, mit Meta-
stellung 5, mit Parastellung 1 untersucht. Hervorzuheben ist
wieder, daß das 4-Chlor-3-aminobenzoesäure-l.-S. mit 4 von den
5 Präparaten der Metastellung kräftige Fällungen gibt.
Die Bedeutung der Stellung ergibt sich noch aus zwei
anderen Momenten. Erstens: Wenn die Seren mit Antigenen
reagieren, die in bezug auf die Art der saueren Gruppe über-
einstimmen, nach der Stellung aber verschieden sind, dann ist
die Stellung fast immer die benachbarte. Die Beispiele wurden
schon angeführt. (Seren: p-Aminozimtsäure II, o-Aminobenzol-
sulfosäuren, p-Aminobenzolsulfosäure, Toluidinsulfosäure (2,5).
Eine Ausnahme macht nur das p-Aminophenylarsinsäure-l.-S.,
aber die Fällung der Präparate mit Orthostellung ist beträcht-
lich schwächer als bei dem Körper mit benachbarter Stellung.
In diesem Fall ist der Einfluß der Arsinsäuregruppe offenbar
besonders stark.
Bei später Ablesung (Tabelle IV) ergeben sich neue Beispiele für
die Regel, nämlich die Seren o-Aminobenzoesäure und p-Aminobenzoe-
säure. Das p-Aminobenzolsulfosäure-l.-S. reagiert außer auf m- in ge-
ringem Grade auch auf o-Aminobenzolsulfosäure-A. Dieses letztere An-
tigen zeichnet sich aber nach der Zahl der positiven Reaktionen über-
haupt durch leichtere Fällbarkeit aus. Diese Resultate können als Beleg
herangezogen werden, wenn auch die Tabelle nur eine Auswahl der Seren
enthält, weil die übrigen Ergebnisse nicht widersprechen.
Zweitens: Wenn die Seren mit Antigenen reagieren, deren
sauere Gruppen verschieden sind, dann ist die Stellung der-
selben in den meisten Fällen übereinstimmend. Hierher ge-
hörende Fälle sind die Reaktionen von o-Aminobenzoesäure-l.-S.
mit o-Aminobenzosulfosäure-A., 4-Chlor-3-aminobenzoesäure-l.-S.
384 K. Landsteiner u. H. Lampl:
mit m-Aminobenzolsulfosäure-A. und 4-Chlor-3-aminophenyl-
arsinsäure-A. (wo auch die Stellung der Cl übereinstimmt), p-
Aminozimtsäure-].-S. II mit p-Aminobenzoesäure- A., p-Amino-
benzolsulfosäure-A. und Toluidinsulfosäure (2,5)-A.
Auffallend ist die schon hervorgehobene Intensität der Fällung
des o-Aminobenzolsulfosäure-A. durch o-Aminobenzoesäure-l.-S., die der
homologen Reaktion gleichkommt, wofür bei so weit verschiedenen Sub-
stanzen in unseren Versuchen kein zweites Beispiel vorkommt. Die
leichte Fällbarkeit des Antigens wurde schon erwähnt, doch muß wohl
noch ein anderer Grund hinzukommen.
Die spätere Ablesung (Tabelle IV) ergibt noch andere hier einzu-
reihende Beobachtungen: o-Aminobenzoesäure-l.-S. und o-Arsanilsäure
A., p-Nitranilinarsinsäure-A., m-Aminobenzoesäure-l.-S. und m-Amino-
benzolsulfosäure-A., m-Aminobenzolsulfosäure-l.-S. und m-Aminobenzoe-
säure-A., p-Aminobenzolsulfosäure-I.-S. und p-Aminobenzoesäure-A.,
p-Aminophenylarsinsäure-A., o-Toluidinarsinsäure-A.
Im ganzen bleiben so von den nach 1 Std. abgelesenen
Proben, die der Erörterung hauptsächlich zugrunde liegen,
außer den schon erwähnten und leicht zu deutenden des
Arsinsäure-].-S. nur drei Reaktionen übrig, die sich den er-
wähnten Regelmäßigkeiten nicht einordnen lassen, darunter
zwei, bei denen nur eine eben erkennbare Trübung eintrat.
Diese Reaktionen betreffen die Kombinationen Naphthionsäure-
1.-S. und o-Aminobenzolsulfosäure-A., 4-Chlor-3-aminobenzoesäure-l.-8.
und p-Nitranilinarsinsäure-A., p-Brom-m-aminobenzolsulfosäure -I.-8.
und p-Nitronilinarsinsäure-A. Die Reaktion bei der ersten dieser Kom-
binationen wird durch die Betrachtung des Verhaltens des Naphthion-
säure-l.-S. bei später Ablesung verständlich, da es sich hier zeigt, daß
dieses Serum auch auf andere Sulfosäureantigene in geringem Grade
einwirkt. Für eine besondere Erklärung der beiden anderen Fälle
besteht vorläufig kein Anhaltspunkt.
Es wurde schon früher bemerkt, daß sich die Zahl der-
artiger, sozusagen irregulärer Reaktionen nicht unbeträchtlich
vermehrt, wenn man die Wirkung der Seren entweder durch
Vermehrung der Serummenge oder durch spätere Ablesung
verstärkt. Bei einzelnen Seren findet das in höherem Maße
statt als bei anderen. Diese Erscheinung spricht dafür, daß
den Seren eine gemeinsame Wirkungskomponente auf Azo-
proteine im allgemeinen zukommt, analog wie z.B. ein Präci-
pitin gegen Menschenserum sehr schwache Reaktionen mit dem
Serum zahlreicher Säugetierspezies gibt.
Was den Einfluß anderer als sauerer Gruppen auf die
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 385
Spezifizität anbelangt, so ist das uns vorliegende Material ge-
ring und sollte beträchtlich vermehrt werden. Die dargestellten
Präparate enthalten als Substituenten des aromatischen Kernes
Chlor-, Brom-, Methyl- und Nitrogruppen.
Die Änderung des serologischen Verhaltens durch Eintritt
einer Methylgruppe erwies sich als verschieden groß. In dem
Falle der p-Aminobenzolsulfosäure und p-Toluidinsulfosäure
(2,5) ist der Effekt der Methylgruppe sehr gering, so daß die
beiden Antigene durch die zugehörigen Seren eben noch unter-
scheidbar sind (vgl. auch p-Aminophenylarsinsäure und o-To-
luidinarsinsäure). Trotzdem macht sich ein Unterschied in den
Mitreaktionen geltend, z. B. gegenüber o-Brom-o-toluidin-p-sulfo-
säure-l.-S. und A., ein Beleg für die subtile Empfindlichkeit
der Serumreaktionen. Auch die Wirkung der o-Aminobenzoe-
säure-L.-S. ist auf das homologe Antigen nicht viel stärker
als auf das methylierte Präparat, während das m-Amino-
benzoesäure-l.-S. bei Ablesung zur gewöhnlichen Zeit mit den
methylierten Produkten nicht reagiert. Man sieht hier, daß selbst
gleichartige chemische Unterschiede verschiedene serologische
Dignität haben können, eine Erscheinung, deren Ursache wohl
erst durch Untersuchung einer größeren Zahl von Präparaten
aufgeklärt werden kann. Immerhin wirken von vier Seren
gegen Methylprodukte drei auf die entsprechenden nicht methy-
lierten Präparate, und bei späterer Ablesung finden zwischen
allen diesen Antigenen und Seren Reaktionen statt, so daß der
Einfluß einer substituierenden Methylgruppe sich im allgemeinen
als nicht sehr beträchtlich erwies!).
Der Eintritt von Chlor in den aromatischen Kern ergab
zwei Substanzen: 4-Chlor-3-aminobenzoesäure, p-Chlor-o-amino-
benzolsulfosäure, die sich bemerkenswerterweise ganz ähnlich
verhielten wie die an gleicher Stelle methylierten Präparate.
Im zweiten Falle waren die Seren und Antigene der chlorier-
ten und methylierten Substanz überhaupt nicht oder jeden-
falls nicht sicher zu unterscheiden (s. o.), und auch bei dem ersten
Körper ist der Unterschied nicht groß, besonders wenn man
die differente Wirkungsstärke der beiden Seren berücksichtigt.
Hier ist die Reaktion mit den beiden halogenierten (Cl,
1) Vgl. unsere Ergebnisse in Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 258.
386 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Br) Substanzen am stärksten, dann folgt die mit dem
methylierten und dem unsubstituierten Körper. Ähnliche Ver-
wandtschaftsreaktionen ergeben sich bei dem schwächeren 4-
Brom-m-aminobenzoesäure-I.-8. bei später Ablesung; nur ist
hier die Fällung mit dem unsubstituierten Körper beträchtlich
schwächer (Tabelle IV). Bei 2-Amino-p-toluylsäure-I.-S. rea-
gieren umgekehrt die halogenierten Körper etwas schwächer als
der homologe methylierte, wie man es von vornherein zu erwar-
ten hat (Tabelle IV). Die eben besprochene kleine Gruppe von
Präparaten gibt ein gutes Beispiel für die quantitative Ab-
stufung der Spezifizität bei Subtanzen von ähnlicher Struktur.
Bei dem 4-Chlor-3-aminobenzoesäure-1.-S. wurde schon die Reak-
tion mit dem in bezug auf die Stellung der Substituenten überein-
stimmenden 4-Chlor-3-aminophenylarsinsäure-A. hervorgehoben.
Bei diesem Serum fällt auch die Einseitigkeit der Wirkung
auf das m- Aminobenzoesäure I.-S. auf, da die umgekehrte
Reaktion — m-Aminobenzoesäure-l.-S. auf 4-Chlor-3-amino-
benzoesäure-A. — bei gleicher Ablesungszeit nicht stattfindet.
Ähnliche Fälle eines areziproken Verhaltens finden sich auch
bei o- und m-Aminobenzolsulfosäure und den entsprechenden
Methylkörpern und wurden schon bei anderer Gelegenheit er-
wähnt!).
Abweichend von dem eben erwähnten Falle ist der große
Unterschied der der Stellung nach verwandten Körper p-Chlor-
o-aminobenzolsulfosäure-A. und p-Brom-o-aminobenzolsulfosäure-
A., während die letzte Substanz von dem Brom in der gleichen
Stellung enthaltendem p-Brom-m-aminobenzolsulfosäure-A. mit
den zur Verfügung stehenden Seren nicht zu unterscheiden
war (8. 0.); auch hier wäre wohl, um Gesetzmäßigkeiten auf-
zufinden, die Kenntnis zahlreicher ähnlicher Fälle notwendig.
Beim Präparat Toluidinsulfosäure (2,5) ruft der Eintritt
von Brom, wie die gegenseitigen Reaktionen zeigen, nur eine
geringe Änderung hervor, und selbst der Eintritt von -zwei Br
in die Sulfanilsäure verhindert nicht eine ziemlich starke Wir-
kung des Toluidinsulfosäure (2,5)-I.-S., während diese Substanz
1) 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 126. Man vgl. die Untersuchungen
über serumfeste Bakterienstämme. Friedberger u. Moreschi, Berl.
klin. Wochenschr. 1905, Nr. 45.
Tafel 1.
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Anilin, Benzoesäuren, Zimtsäuren, Sulfosäuren, Arsinsäuren.
Bei jeder Art von Säuren
sin llung (in dem eben angegebenen Sinn) sind durch dickere Striche abgegrenzt.
Verlag von Julius Springer in Berlin.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 387
mit dem allerdings recht schwachen o-Brom-o-Toluidin-p-Sulfo-
säure-l.-S. erst bei später Ablesung eine ganz geringe Trübung
gibt. Dreifache Bromierung der m-Aminobenzolsulfosäure be-
wirkte, daß von den drei Immunseren gegen m-Aminobenzol-
sulfosäure und Derivate derselben nur das m-Xylidinsulfosäure-
1.-S. II mit der Substanz eine sehr schwache Trübung gab
(Tabelle II).
Dieselbe Reaktion zeigte das gleichartige I.-S. I bei später Ab-
lesung. Es ist hier die ähnliche Stellung der Substituenten in den
beiden Aminosäuren beachtenswert.
Soweit die besprochenen Ergebnisse schon einen Schluß zu-
lassen, scheinen die Substituenten CH,, Cl, Br einen geringeren
Einfluß auf die Serumreaktionen zu haben als die saueren COOH,
SO,H, AsO,H,. So findet sich kein Anzeichen einer Bildung
von serologischen Gruppen durch die Anwesenheit von Methyl
in gleicher Stellung. Mehr als die angeführten noch fragmen-
tarischen Beobachtungen sprechen in diesem Sinne vorläufige
Versuche über die Reaktion von Anilin-I.-S. mit Antigenen,
bei denen substituierte Aniline als Azokomponenten fungierten.
Wir beabsichtigen diese Versuche zu wiederholen und ein-
gehender auszuarbeiten. In dieser Beziehung ist noch zu er-
wähnen, daß ein kräftig wirkendes Anilin-I.-S. auch bei später
Ablesung keine Spur einer Trübung mit allen Antigenen gab,
die sauere Azokomponenten enthalten.
Mit dem Gesagten wurden die Regelmäßigkeiten angeführt,
die an den Reaktionen zu bemerken waren. Wie wir schon
zu bemerken Gelegenheit hatten, ist es natürlich wünschens-
wert, das Versuchsmaterial nach verschiedenenen Richtungen
hin zu vermehren, eine Aufgabe, die allerdings viel Arbeit und
Material erfordert, aber wenigstens keinen prinzipiellen Hinder-
nissen begegnen dürfte. So sollte eine systematische Unter-
suchung verschiedener Substituenten durchgeführt werden, um
zu ermitteln, ob ihre größere oder geringere Bedeutung für die
Spezifizität unter sonst gleichen Bedingungen in erster Linie
von dem chemischen Charakter oder anderen noch zu ermit-
telnden Eigenschaften, z. B. der Größe der eintretenden Atome
oder Gruppen, abhängt. Weiterhin wäre die Untersuchung
verschiedener, auch komplizierter, und im besonderen alipha-
tischer Seitengruppen von Wichtigkeit, im Hinblick auf die
Biochemische Zeitschrift Band 86. 26
388 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Verhältnisse bei Proteinen mit Berücksichtigung von optisch
aktiven Gruppen und wenn möglich von Aminosäuren.
Wenn wir die besprochenen Ergebnisse im allgemeinen zu
betrachten versuchen, so ist es ein klares Ergebnis derselben,
daß das spezifische Verhalten durch die chemische Struktur
relativ kleiner Teile der großen Antigenmoleküle bestimmt wird.
Schon früher bekannt gewordene Tatsachen!) haben in gleiche
Richtung gewiesen. Diese Abhängigkeit ist allem Anschein
nach keine einfache.
Die Erscheinung, daß, wie die Versuche ergaben, die
Stellung bestimmter Gruppen durch die Immunseren angezeigt
wird, läßt sich nach unserer Meinung schwer anders als durch
eine gewisse räumliche Übereinstimmung von Antigen und
Antikörper erklären, wie sie bekanntlich E. Fischer?) für die
spezifische Wirkung der Fermente annimmt,
Man könnte hypothetischerweise daran denken, daß auf diese Art
eine mehrfache (zyklische) Bindung ermöglicht wird, entsprechend der
in den folgenden Sätzen enthaltenen Vorstellung von van t Hoff’):
n:.. daß nicht nur in dieser Weise einigermaßen die Entfernungen im
Molekül geschätzt werden können, sondern daß sich zwei Moleküle
einander anlegen lassen als gewisses Maß, wenn nur beide zwei An-
griffspunkte haben, z. B. eine zweibasische Säure und ein zweiwertiger
Alkohol; sind dieselben imstande, einen Doppelester zu bilden, so kann
die Entfernung der zwei Hydroxylgruppen in den beiden Molekülen
nicht sehr verschieden sein; in dieser Hinsicht sind die Chloralide von
Interesse, sowie die Selbstsättigung der Aminosäuren.“
Will man also nicht, wofür kein Anhaltspunkt vorliegt,
irgendeine Eigenschaft, die von dem Bau des Moleküls abhängt,
als Zwischenglied supponieren, so wäre über einen die Spezi-
fizität bedingenden Faktor Aufklärung gewonnen, und zwar im
Sinne der von Ehrlich im Anschluß an die klassischen Ar-
beiten von E. Fischer gemachten Hypothese.
Es erscheint aber nicht möglich, daß die räumliche Anordnung
bestimmter Gruppen allein die Grundlage der von uns beobachteten
Erscheinungen und der serologischen Spezifizität überhaupt dar-
!) Siehe die zu Beginn zitierten Arbeiten.
2) Zeitschr. f. physiolog. Chem. 26, 60. Ber. d. Deutsch. chem. Ges.
27, 2036, 2992.
3) Ansichten über die organische Chemie. Braunschweig, Vieweg,
1878, S. 253.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 389
stellt. Eine Gruppe von Reaktionen, die sich dieser Erklärung
nicht fügt, sind die des Serums gegen das p-Aminophenylarsin-
säure-Antigen. In diesem Serum liegt, obwohl die Stellung
der AsO,H,-Gruppe quantitative Unterschiede!) verursacht,
geradezu ein serologisches Reagens auf Aminoarsinsäuren vor,
da von allen 33 geprüften Antigenen keines, mit Ausnahme
der 6 Arsinsäurepräparate, auch nur die geringste Reaktion
gab. Die Spezifizität muß hier durch die Beschaffenheit der Arsin-
säuregruppe als solcher bedingt sein. In gleicher Weise sind
vermutlich auch die Verwandtschaftsreaktionen innerhalb der
Gruppen der Sulfosäure- und Carbonsäurepräparate aufzufassen,
Wir gelangen demnach zu dem Schlusse, daß außer der Kon-
figuration auch die chemische Eigentümlichkeit bestimmter
Gruppen in der serologischen Spezifizität zum Ausdruck kommt.
In Zusammenhang damit, daß für die Spezifizität der Se-
rumreaktionen wahrscheinlich mehrere Faktoren von Bedeutung
sind, möchten wir darauf hinweisen, daß auch die verschiedenen
Arten von Immunreaktionen sich in dieser Beziehung nicht
gleich verhalten müssen. So könnten namentlich bei schwach
und stark spezifischen Antikörpern, z. B. Phytagglutininen und
Antikörpern des normalen Serums einerseits, Immunpräcipitinen
andererseits recht wohl verschiedene Verhältnisse vorliegen.
Die Abhängigkeit der Spezifizität der Antigene von ein-
zelnen Gruppen, wie sie sich aus unseren Versuchen ergibt,
sowie die wahrscheinliche Übertragbarkeit der Vorstellung
von E. Fischer über Fermentspezifizität auf dieses Gebiet ent-
sprechen offenbar einem Teile der Ehrlichschen Anschauungen,
nämlich der Konzeption der Rezeptoren. Trotzdem bleibt eine
prinzipielle Differenz zwischen der Rezeptorenhypothese und
unseren Resultaten übrig, durch die eine von uns öfters ge-
äußerte Annahme über die Spezifizität eine Bestätigung erfährt.
Wir haben es, wie andere Autoren [vgl. Bordet, Gruber,
Pfeiffer?)], für nicht möglich gehalten, die Wirkung eines
normalen oder Immunserums auf zahllose Zellarten durch die
1) Wegen der hier auftretenden abgestuften Mitreaktionen wird
sich diese Gruppe von Substanzen vielleicht besonders gut dazu eignen,
die serologische Wirkung verschiedener Substituenten zu untersuchen.
2) Zit. Münch. med. Wochenschr. 1902, Nr. 46.
26
390 K. Landsteiner u. H. Lampl:
Supposition einer gleichen Menge verschiedener Antikörper‘)
rationell zu erklären und aus analogen Gründen eine Un-
zahl von Rezeptoren in einer Zelle anzunehmen. Wir hiel-
ten, wie M. Gruber’), die einfachere Annahme für hinreichend,
daß ein Antikörper auf verschiedene serologisch nicht iden-
tische, aber verwandte Antigene wirken kann). Eine ex-
perimentelle Stütze fanden wir in Untersuchungen über den
Zusammenhang von Agglutininen und präcipitabler Substanz,
die lehrten, daß man sich die wirksame Substanzmenge eines
Antikörpers nicht beliebig klein vorstellen darf‘), und in der
Tatsache, daß von einer Zellart gebundene und wieder abge-
spaltene Antikörper regelmäßig Affinitäten für zahlreiche Sub-
strate zeigen. In Zusammenhang damit konnten wir nach-
weisen’), daß bei der Immunisierung die Antikörper eine Zu-
nahme der Spezifizität erfahren.
Dieses wenig beachtete Resultat steht in grundsätzlichem Gegen-
satze zu der Hypothese Ehrlichs über die Immunkörperbildung, die
fordert, daß alle spezifischen Antikörper beim normalen Tier oder als
Zellrezeptoren vorgebildet sind. Man denke daran, daß auch die in
der vorliegenden Arbeit untersuchten Antikörper gegen Azoproteine
dieser Forderung genügen müßten.
Nach Grubers und unserer Meinung erscheint die Spezifizi-
tät der Serumreaktionen als Ausdruck einer quantitativ abgestuf-
ten Affinität, die bei bestimmten Kombinationen — Antigen und
homologer Antikörper — einen maximalen Wert erreicht. Dem-
zufolge läßt sich auch die Existenz von Antikörpern mit größerer
und geringerer Reaktionsbreite, bzw. kleiner und großer Spezi-
fizität voraussehen, während die Ehrlichsche Theorie nur eine
gewissermaßen absolute Spezifizität‘) zuläßt.
1) s. z. B. Ehrlich, Deutsche med. Wochenschr. 1901, S. 915.
?) Münch. med. Wochensch. 1896, Nr. 9.
3) Landsteiner, Münch. med. Wochenschr. 1902, Nr. 46, 1903, Nr. 42;
Wiener klin. Wochenschr. 1909, Nr. 47; Oppenheimers Handb. d. Biochemie
2, 441. Daß bei Reaktionen mit verschiedenen Antikörpern wahrschein-
lich differente Strukturen einer Zelle beteiligt sein können, zeigte eine
früher ausgeführte Untersuchung (Landsteiner u. Prášek, Zeitschr.
f. Immunitätsf. 17, 374), aber ihre Zahl braucht darum nicht der der
verschiedenen möglichen Reaktionen gleichzukommen.
t) Landsteiner u. Prášek, Zeitschr. f. Immunitätsf. 10, 84, 1911.
5) Landsteiner u. Reich, Zeitschr. f. Immunitätsf. 58, 213, 1907.
£) 1. c. Ergebn. d. Immunitätsf. 1, 399, 1914.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 391
Ähnliche Ansichten hat, wenn wir seine Ausführungen
richtig verstehen, Traube!) und Bordets Mitarbeiter Slees-
wijk?) geäußert. Auch Forssman?) diskutiert den Gegenstand
neuerdings auf Grund seiner bekannten Untersuchungen über
Lysine und bringt einen Beleg dafür, daß spezifische Bindung
eines Antikörpers an verschiedene Rezeptoren stattfinden kann.
Bordet‘) hat sich in der folgenden Weise über das Thema
geäußert. Wir führen seine Worte an, weil sie die Sache an
einem Beispiel klar darlegen.
„Wenn wir beispielsweise sehen, daß ein durch Immunisierung
gegen Rinderblutkörperchen erhaltener hämolytischer Sensibilisator auch
Ziegenblutkörperchen, jedoch in viel schwächerem Maße, beeinflußt, so
sind hierfür zwei Erklärungen möglich: Man kann annehmen, und das
ist die von Ehrlich und seinen Schülern entwickelte Meinung, daß
das Ziegenblutkörperchen Bindungselemente für den Sensibilisator ent-
hält, die ganz identisch sind mit den im Rinderblutkörperchen ent-
haltenen ..., während jedoch im Ziegenblutkörperchen die entsprechen-
den Rezeptoren nur in geringer Menge existieren, sind sie im Rinder-
blutkörperchen reichlich vorhanden. So erklärt sich, warum die Ziegen-
blutkörperchen den Sensibilisator des Immunserums nur sehr schwer
aufbrauchen, während hingegen die totale Absorption des ersteren durch
die Rinderblutkörperchen leicht eintritt. Eigentlich könnte man ebenso-
gut annehmen (und diese Hypothese erscheint mir zumindest ebenso
plausibel als die erste), daß im Ziegenblutkörperchen kein Rezeptor
existiert, der mit dem des Rinderblutkörperchens vollständig identisch
ist, daß aber die Rezeptoren des Rindes und der Ziege, obgleich ver-
schieden, nichtsdestoweniger in ihrer physikalisch-chemischen Konsti-
tution genügend ähnlich sind, damit ein auf das erstere wirkender
Antikörper auch auf das zweite, nur etwas schwieriger, reagiert ...
Es würden sicherlich neue Untersuchungen notwendig sein, um
definitiv festzustellen, welche der beiden Hypothesen richtig ist.“
Wir möchten hinzufügen, daß nach unseren Ergebnissen®) die auf
dasselbe Substrat wirkenden Antikörper eines Serums sehr wahrscheinlich
Gemische verschiedener Stoffe sind.
Auch unsere neuen Resultate sind, wie wir glauben, für
die Frage vollkommen entscheidend. Da mehrere der Azo-
immunseren mit Gruppen von chemisch ähnlichen Antigenen
reagieren, aber unmöglich angenommen werden kann, daß sie
1) 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 9, 1911; diese Zeitschr. 10, 1908.
?) 1. c. Ergebn. d. Immunitätsf. 1, 399, 1914.
3) Diese Zeitschr. 77, 104, 1916.
4) Kraus-Levaditi, Handb. d. Immunitätsf. u. experim. Ther.
1. Lief., S. 39, 1914.
5) I. c. Zeitschr. f. Hygiene 58, 213.
392 K. Landsteiner u. H. Lampl:
auf Substanzen, die im Immunisierungsmaterial gar nicht vor-
handen sind, scharf spezifisch eingestellte Antikörper enthalten,
so bleibt nur mehr die Annahme übrig, daß ein Immunkörper
mit mehreren solchen Antigenen reagiert, deren die Spezifizität
bedingende Strukturen (Rezeptoren) zwar chemisch ähnlich, aber
nicht identisch sind. Der neue und für die Beurteilung maß-
gebende Umstand in unserem Falle liegt eben darin, daß jedes
zur Immunisierung dienende Azoprotein nur eine bestimmte,
für die Spezifizität maßgebende Azokomponente enthält, wäh-
rend bei den natürlichen Antigenen immer die Anwesenheit
ganzer Scharen von Stoffen in Betracht zu ziehen ist.
Wegen der einfacheren Verhältnisse wäre es auch sehr
wünschenswert, bei unseren Seren mit Berücksichtigung ihres
Verhaltens zu homologen und anderen Antigenen jene quanti-
tativen Methoden und Berechnungen anzuwenden, die Arrhe-
nius?) in die Immunitätslehre eingeführt hat (vgl. die Ver-
suche von Madsen und Walbum, Hamburger). Auch die
Ausführung von Absättigungsversuchen dürfte von Interesse sein.
Was die schwierige Frage nach der Natur der Immun-
körperreaktionen anbelangt, so haben wir darüber früher die
Hypothese gemacht’), daß es sich bei den Serumreaktionen
um die Bildung salzartiger Verbindungen handle [vgl. Arrhe-
nius?)]. Diese Auffassung wurde durch den raschen Ablauf der
Reaktionen, die Zersetzlichkeit der Verbindungen durch geringe
Konzentrationen von Säuren und Basen und durch Analogien mit
Kolloidreaktionen gestützt. Wenn an unseren Vorstellungen ge-
wisse Änderungen vorgenommen werden, so sehen wir auch in den
jetzt erhaltenen Ergebnissen keinen Widerspruch gegen diese Hy-
pothese. Der bei den beschriebenen Reaktionen der Azoproteine,
wie es den Anschein hat, hervortretende Einfluß saurer Gruppen
spricht vielmehr zu ihren Gunsten, ähnlich wie die früher
nachgewiesene bedeutende Änderung der Antigeneigenschaften
durch Acylierung und Alkylierung‘), Neue Erfahrungen über
1) Immunochemie Leipzig. Akad. Verlagsges. 1907, s. besonders
S. 191 bis 195.
2) Münch. med. Wochenschr. 1904, Nr. 27. Oppenheimers Handb.
der Biochemie 2, 440. Centralbl. f. Bakt. 41, 115. Zeitschr. f. Chem.
d. Kolloide 3, H. 5.
3) Zeitschr. f. physik. Chem. 44, 50, 1903.
4) 1. c. Zeitschr. f. Immunitätsf. 17, 20, 21, 26.
Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität von der chem. Struktur. XII. 393
Aminosäuren und Peptide [Werner!), Pfeiffer?)] lassen jetzt
auch daran denken, daß zwischen Antigenen und Antikörpern
Verbindungen nach Art von Komplexsalzen (Werner, Ley)
stattfinden könnten. Einen Hinweis auf die mögliche Bedeu-
tung innerer Komplexsalze für die Immunochemie finden wir
schon in einer Mitteilung von Baudisch?), in der der selek-
tive Charakter der zu innerer Komplexsalzbildung befähigten
Gruppen verschiedenen Metallen gegenüber hervorgehoben wird.
Insofern bei inneren Komplexsalzen eine zyklische Bindung
stattfindet, könnten so unsere Resultate über die merkwürdige
Bedeutung der Stellung der sauren Gruppen bei den Präcipi-
tinreaktionen der Azoantigene verständlich werden [s. 0.%)].
Mit wenigen Worten hätten wir noch die Erscheinungen
der Artspezifizität, wie sie sie in den Präcipitinreaktionen des
Eiweißes der verschiedenen Tierarten zum Ausdruck kommt,
zu berühren. Über die chemische Beschaffenheit der Serum-
eiweißkörper liegen verhältnismäßig wenige Angaben vor [Ab-
derhalden°’)] und, soviel wir wissen, gibt es keine Unter-
suchungen, die die Feststellung strukturchemischer Unterschiede
zwischen artverschiedenen Serumproteinen zum Gegenstand
haben mit Ausnahme einer Arbeit von Obermayer und Will-
heim®), deren Ergebnisse aber wahrscheinlich nicht zum Ver-
gleich mit den serologischen Befunden verwendbar sind’).
Auch abgesehen von möglichen Unterschieden in der Zusam-
mensetzung ist die Zahl der Isomeren eines Eiweißkörpers
1) Neuere Anschauungen auf dem Gebiete der anorganischen Chemie.
Vieweg, Braunschweig, 1914. Liter.
2) Pfeiffer und Mitarbeiter, Zeitschr. f. physiolog. Chem. 81, 329,
1912, 85, 1, 1913, 97, 128. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 48, 1041,
1289, 1915. Über Verbindungen von Aminosäuren s. Abderhalden,
Lehrb. d. physiolog. Chem. 3. Aufl. 1914, 1, 341.
s) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 49, 177, 1916. Über die Bedeutung
für physiologisch-chemische Erscheinungen im allgemeinen s. Will-
stätter, W. Pauli u. a.
4) Vgl. über Ringbildung bei Salzen von Aminosäuren Handovsky,
diese Zeitschr. 25, 522, 1910. Suida, Journ. f. prakt. Chem. 83, 233, 1911.
5) Zeitschr. f. physiolog. Chem. 37, 495, 1903, 44, 17, 1905. Lehrb.
d. physiolog. Chem. 3. Aufl. 1914, 1, 400. Vgl. Zeitschr. f. physiolog.
Chem. 51, 409, 1907.
6) Diese Zeitschr. 50, 369, 1913.
7) Zeitschr. f. Immunitätsf. 26, 133, 1917.
394 K.Landsteiner u.H.Lampl: Abhängigkeit d. serolog. Spezifizität usw.
selbst unter gewissen restringierenden Bedingungen eine un-
geheuer große [E. Fischer!), Abderhalden?°)]. Eine Folge-
rung, die sich nun ziemlich sicher aus den zitierten früheren
Arbeiten und der vorliegenden ergibt, ist die, daß viele von den
Isomeren mit den gegenwärtigen serologischen Methoden nicht
unterscheidbar sind. Solchen Isomeren, soweit sie überhaupt exi-
stieren, können also nicht die serologischen Artunterschiede, wohl
aber möglicherweise jene noch viel zahlreicheren individuellen
und Rassenunterschiede entsprechen, die sich bis jetzt serologisch
nicht differenzieren lassen®). Den durch die Präeipitinreaktion
nachweisbaren Artunterschieden werden wahrscheinlich bestimmte
Strukturen, vielleicht mehrere in einem Molekül, zugrunde liegen.
Zu einer solchen Folgerung sind auch Obermayer und Pick ge-
langt. Ihre Hypothese eines maßgebenden Einflusses der aromati-
schen Kerne kann jetzt möglicherweise durch Anwendung der von
uns benützten Methode näher untersucht werden. Unsere eigenen
Beobachtungen führen dazu, die räumliche Konfiguration der Ei-
weißmoleküle unter den Bedingungen der Artspezifizität und somit
der morphologischen Ausbildung der Organismen zu vermuten.
Sie lassen auch die Frage aufwerfen, ob nicht endständige
saure Gruppen für die Artverschiedenheiten von Bedeutung
sind. Eine experimentelle Prüfung dieser Vorstellung ist wohl
nicht ganz ausgeschlossen, da von Dakin und Dudley') eine
Methode für den Zweck vorgeschlagen wurde, Aminosäurereste
mit gebundenem und freiem Carboxyl im Eiweiß zu unter-
scheiden.
1) Sitzungsber. der k. preuß. Akad. d. Wiss. 40, 990, 1916. Zeitschr.
f. physiolog. Chem. 99, 54, 1917. E. Fischer berechnet auf Grund
bestimmter Voraussetzungen über die Zusammensetzung eines Protein-
moleküls eine Zahl von mehr als 10°” Isomeren.
2?) Lehrb. d. physiolog. Chem. 3. Aufl., 1, 361.
3) Uhlenhuth, Deutsche med. Wochenschr. 1905, 1673. Beih. z.
ıned. Klinik 1907, H. 9. Marshall und Teague, Philippine Journ. of
Sciences 8, 357, 1908. Fitzgerald, Journ. of Medic. Res. 21, 41, 1909.
Wir denken hier an Unterschiede der präcipitablen Substanz, nicht an
jene individuellen Differenzen, die von uns (Centralbl. f. Bakt. 27, 361,
Wiener klin. Wochenschr. 1901, Nr. 46) und bald nachher von Ehrlich
mit Hilfe von Isoagglutininen und Isolysinen nachgewiesen wurden.
*) Journ. of biolog. Chem. 18, 357, 1912/13, 15, 263, 271, 1913.
Über das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen
Blutserum. V.
Weitere Versuche zur analytischen Wiedergabe des Bestphosphors.
Selbständige Bestimmung dieser Fraktion.
Von
Joh. Feigl.
(Aus dem chemischen Laboratorium des Allgemeinen Krankenhauses
Hamburg- Barmbeck.)
(Eingegangen am 28. November 1917.)
Nachdem in größeren Untersuchungsreihen normale, patho-
logisch-physiologische, sowie (in breiter Ausdehnung) pathologische
Blutsera des Menschen auf den säurelöslichen Phosphor des
Enteiweißungsvorganges hin beobachtet worden waren, stellte
sich die Einsicht heraus, daß es sich bei diesen Werten um
solche grundsätzlich komplexer Natur handele!). Weitergeführte
Arbeiten erwiesen die Richtigkeit dieser Vorstellung und be-
legten, daß zwar in der Mehrzahl der Fälle der komplexe Cha-
rakter unmittelbar praktische Aufgaben nicht stellte, noch zu
Konsequenzen über die Beurteilung der Zahlen drängte?), daß
es aber immerhin Anlässe genug gäbe, in denen direkt nach
1) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch-
lichen Blutserum I. Säurelöslicher Phosphor bei Gesunden und Kranken I.
Diese Zeitschr. 81, 380 bis 420, 1917. Ders., Zum gegenwärtigen Stande
der chemischen Blutuntersuchung, Vortrag im ärztl. Verein zu Ham-
burg, Sitzung vom 2. Mai 1916. Ders., Diskussion zum Vortrage von
Th. Rumpel, Beiträge zur Ödemfrage, Ärztlicher Verein zu Hamburg,
Sitzung vom 3. VII. 1917, Hamb. Ärzte-Corresp.
2) Besprochen in !) sowie in folgenden Arbeiten, spez. über säure-
löslichen, anorganischen (Orthophosphat) und restlichen Phosphor bei
Morbus Brightii.
396 Joh. Feigl:
der Entschleierung der summarischen Fraktion gefragt werden
mußte!). Das Beobachtungsmaterial, das uns in den Stand
setzte, zunächst einmal bestimmt gerichtete Vorstellungen zu
schaffen, war seiner Artung nach ein ganz extrem pathoche-
misches?). An diesem ist nunmehr in der mehrfach angedeu-
teten Richtung weitergearbeitet worden?).
Der bisherige Untersuchungsgang war der folgende. Es
wird der säurelösliche Phosphor nach J. Greenwald im Sinne
der Enteiweißungs-Veraschungsanalyse bestimmt‘). Nebenher
wird getrachtet, das vorgebildete Orthophosphat, von dem im
allgemeinen angenommen wird, daß es den Hauptteil der
komplexen Fraktion ausmache, als solches zur Darstellung zu
bringen’). Von vielen diskutierbaren Wegen wurde bisher
derjenige beschritten, der zu den größten Ausschlägen führen
mußte®). In Übereinstimmung mit anderweitigen methodolo-
gischen Studien von J. Greenwald’) sowie von W. Mac Kim
Marriott, F.H. Haeßler, J. Howland*) wurde das vorge-
1) Akute gelbe Leberatrophie, Avitaminosen in schwereren Zu-
ständen u. a.
2) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch-
lichen Blutserum III. Säurelöslicher P, Orthophosphat und Restphosphor
bei Krankheitszuständen. Diese Zeitschr. 83, 218 bis 228, 1917.
3) Erörterung der Fragen nach Objektivität der Rest-P-Werte usw.
in Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch-
lichen Blutserum IV, Orthophosphat und Restphosphor bei Morbus
Brightii. Zusammenfassung bisheriger Ergebnisse. Diese Zeitschr. $4,
264, 1917.
4) J. Greenwald, The estimation of lipoid- and acid-soluble
phosphorus in small amounts of serum, Journ. of Biol. Chem. 21, 29,
1915. Hinweise auf ältere Literatur siehe dort.
5) Joh. Feigl, Über das Vorkommen von Phosphaten im mensch-
lichen Blutserum II, Säurelöslicher (Gesamt-) P, vorgebildetes Ortho-
phosphat und „Restphosphor“ beim Gesunden, diese Zeitschr. 88, 1/2,
81 bis 96, 1917.
6) Erörtert bei Joh. Feigl über Phosphate II, III, IV, 1. o. 1917.
Bestimmung von Orthophosphat im nativen Serum, nicht im mit sauren
Reagentien enteiweißten. Siehe unten im Texte.
7) J. Greenwald, The nature of the acid-soluble phosphorus of
serum, Journ. of Biol. Chem. 25, 431, 1916.
®#, W. Mac Kim Marriott, F. H. Haeßler, J. Howland,
Determination of phosphorus in small amounts of serum, Journ. of Biol.
Chem. 24, 18, 1916.
Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 397
bildete Orthophosphat aus nativem Serum als Magnesium-
ammoniumdoppelsalz (zunächst als Rohfällung, dann in gerei-
nigter Form) isoliert und die Analyse des Phosphors im Sinne
der mikrochemischen Nephelometrie als Strychnindoppelsalz
entsprechend der Bestimmung des säurelöslichen Phosphors
beendet!) Nunmehr wurden die Werte der beiden Verfahren
einander gegenübergerückt und eine allfällige, weiten Schwan-
kungen unterworfene Differenz als „Restphosphor“ bezeichnet.
Wie gesagt, zeigt der Restphosphor die Anlage zu erheblichen
Abwandlungen im Bereiche pathochemischer Umstimmungen.
Es sei in dieser Hinsicht auf Studien hingewiesen, die bereits
formuliert und mitgeteilt wurden, und denen einstweilen nur
die Absicht unterstellt war, an großen Ausschlägen für den
Restphosphor dessen Natur und mittelbare Bedeutung zu um-
reißen?). Doch ließen schon die bisherigen Beobachtungen
über die Verhältnisse der Norm*), über die Sachlage bei
Nephritiden‘), über schwere Destruktionsvorgänge°) den Schluß
zu, daß der Restphosphor unter Umständen ein praktisches
Interesse auf sich vereinigen könne Es zeigte sich näm-
lich nach Verf. Beobachtungen, daß die typischen Formen
akuter und chronischer Glomerulonephritiden verschieden orien-
tierte Bilder entwerfen können und daß dabei der Rest-
phosphor eine differenzierende Stellung ermöglichte, die mit
1) Zurückführung aller unmittelbar analytischen (Bestimmungs-)
Maßnahmen auf dieselbe Methodik. Die Magnesiafällung dient nur zur
Isolierung. Es wurde nicht mehr das Originalreagens von J. Pouget
und D. Chonchak (1911) nach J. Greenwalds ursprünglicher Vor-
schrift benutzt (Neigung zu inkonstantem Verhalten usw., siehe l. c. !)
Joh. Feigl über Phosphate I, 1917), sondern die verbesserten neuen
Darstellungsmethoden von P. A. Kober und G. Egerer 1913, l. c. 3.
2?) Siehe Joh. Feigl über Phosphate IV, I. c. 1917. Die extremen
Vorkommnisse des Rest-P wurden bisher der Hauptsache nach nicht aus
kasuistischen Interessen, sondern aus methodologischen benutzt.
>) Joh. Feigl über Phosphate II, 1. c. 1917. Grenzen des Rest-P
absolut (Extrem der Norm, nicht engere Durchschnittsgrenzen!) 0,2 mg
bis 0,9 mg P für 100 ccm Serum = 8°/, bis 23°), des gesamtsäurelös-
lichen P.
4) Joh. Feigl, Über Phosphate I, 1917, 402 bis 409 und über
Phosphate IV, 1917.
5) Joh. Feigl, Über Phosphate III, spez. Avitaminosen, akute
gelbe Leberatrophie, „Lagererkrankung“.
398 Joh. Feigl:
den übrigen einschlägigen Kennzeichen des Gebietes der Kry-
stalloidfraktionen im Blute (bzw. im Serum) zusammengefaßt '),
sachlich brauchbar sein dürfte. Feigl und Luce beschrieben
eingehend Umstimmungen bei akuter gelber Leberatrophie und
haben an mehreren Fällen die Meinung gewonnen, daß der
Restphosphor prognostische Bedeutung erlangen könnte’).
Weitere destruktive Zustände schwerer Art erreichen, daß der
Restphosphor auch mit anderen Vorstellungen unter Umständen
verknüpft werden könnte. Es handelte sich in dieser Hinsicht
nach Verf. um echte Avitaminosen im schweren Verlaufe®)
sowie um komplizierte Erscheinungen avitaminosenartigen, äu-
Beren Charakters, die sich als Inanitionsvorgänge auf der Basis
vorhergeschehener Infektionen darboten‘').
Immerhin liegt bisher genügend Material vor, das zu der
Meinung berechtigt, die bisherige Differentialanalyse liefere eine
rechnerische Größe, den Rest-P, die, wennschon bisher einseitig
umschrieben, überwiegend objektiven Charakters sei. Die einst-
weiligen Betrachtungen wurden nach der zunächst bestehenden
Möglichkeit angestellt; auf sie sei verwiesen. Besonders her-
vorheben möchten wir, daß nach des Verf. und Greenwalds
Versuchen und Erfahrungen der mögliche Einwand einer Fäl-
lungshemmung für das Ammoniummagnesiumphosphat als
1) Vorläufig erörtert für chronische Formen in Phosphate IV, 1917.
Parallel betrachtet mit den Verhältnissen der Struktur des gesamten
Nichteiweißstickstoffes im Blute, Kreatinin und Kreatin ; bei Joh. Feigl,
Über das Vorkommen von Kreatin und Kreatinin im Blute bei Gesun-
den und Kranken I, diese Zeitschr. 81, 1/2, 14 bis 80, 1917, und Vortrag
l. c. sowie *).
2) Joh. Feigl und H. Luce, Neue Untersuchungen über akute
gelbe Leberatrophie I, Über den Reststickstoff des Blutes usw., diese
Zeitschr. 79, 3/4, 162 bis 202, 1917, Festschrift für Joh. Orth. Die-
selben, Neue Untersuchungen über akute gelbe Leberatrophie III,
Fette und Lipoide, diese Zeitschr. 1918. — Dieselben, Neue Unter-
suchungen über akute gelbe Leberatrophie IV, diese Zeitschr. 1918.
3) 1. ce. 2.
14) Th. Rumpel und A. V. Knack, Dysenterieartige Darmerkran-
kungen und Ödem, Deutsche med. Wochenschr. 42, 44 bis 47, 1916,
sowie Joh. Feigl, l. c. über Phosphate III, 1917. A. V. Knack und
J. Neumann, Beiträge zur Ödemfrage, Deutsche med. Wochenschr.
1917, 19. Juli. Joh. Feigl, Beiträge zur deskriptiven Biochemie von
Ödemzuständen, diese Zeitschr. 1918.
Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 399
solcher (in grundsätzlicher Natur) kaum anerkannt werden
konnte'). Die einschlägigen Erfahrungen des Verf. können hier
genannt werden.
Die Weiterbildung unserer Kenntnisse von dem vor-
liegenden Gebiete erstrebte nun Verf. auf verschiedenen
Wegen. Einmal soll hier auf die anschließenden Erfah-
rungen über die Kasuistik des normalphysiologischen
Restphosphors unter alimentären Bedingungen, ferner
über die der pathochemischen Umstimmungen hinge-
wiesen werden. Unter letzteren sind sehr viel praktisch wich-
tige Gesichtspunkte — wir nennen Geisteskrankheiten, Arthritis,
Diabetes als Typen für Lipoidumlagerung, für Beziehungen
zur Harnsäure, zur Störung des Kohlenhydratstoffwechsels —
hervorgetreten?). Verf. und Reinhard haben, ausgehend von
der Beobachtung einseitiger Pathologien des Blutbestandes,
auch die Wirkungen von Strahlen auf den Lipoidhaushalt bei
an sich Gesunden mit gewissem Erfolge in den Kreis der
Betrachtungen gezogen).
Wenn uns auf diesem Gebiete viel deskriptives
Material zu Gebote steht, so müssen wir doch von
vornherein die methodologischen Verhältnisse weit
energischer berücksichtigen. Einmal hat sich gezeigt,
indem den Beziehungen des säurelöslichen, des anorganischen
(Orthophosphats), des restlichen P untereinander und zu phos-
phorhaltigen höheren (kolloiden) Gebilden Rechnung getragen
wurde‘), daß Analysen des Leecithins (Bloor), des Lipoid-P
(Greenwald), der Verteilung der Fettsäuren (Bloor), der
!) Erörtert bei Joh. Feig], Über Phosphate II, III, IV, 1917.
Hinweis auf die Dialysenversuche.
2) Die Frage der Beziehung des säurelöslichen P zur Harnsäure
des Blutes bei urämischen Zuständen (Gicht, Leukämie); bei Joh.
Feigl, Über Gesamtreduktion und Restreduktion des Blutes in Bezie-
hung zu den reduzierenden Komponenten des RN, diese Zeitschr. 77,
189 bis 232, 1916, sowie Vortrag (1916) und Diskussion (1917).
3) Versuche an Malariaerkrankten und Gesunden von Verf. in Ver-
bindung mit P. Reinhardt. Beobachtung über einen Fall von ex-
tremer Insolation mit E. Querner.
*) Nach letzten Erfahrungen müßten geeignete, lipämische Fälle
geprüft und die Beziehung von Lecithin bzw. von Lipoid-P zu den Kom-
ponenten des krystalloiden P näher studiert werden.
400 Joh. Feigl:
Purine (Benedict) usw. gemacht und ihre Ergebnisse parallel
diskutiert werden mußten'!). Durch die Verkettung und Gegen-
überstellung wurde, wie z. B. bereits von Feigl sowie von
Feigl und Luce in größeren Reihen mitgeteilt‘), Zusammen-
hang in die äußeren Erscheinungen bei gewissen Pathochemien
gebracht und die Anknüpfung an ältere Experimentalarbeiten
(A. Bornstein, G. Peritz, W. Klein und L. Dinkin?) usw.)
für gewisse Gebiete erstrebt und hergestellt. Den nach bis-
herigen, methodischen Gesichtspunkten in erörterter Beurteilung
gewonnenen, deskriptiven Materialien über die Kasuistik des
Restphosphors, über die anschließend zu berichten ist, setzen
wir Versuche vergleichend analytischen Charakters voran.
Diesen liegt die Absicht zugrunde, den bisher rein
rechnerisch als Differenz zweier selbständiger Ver-
fahren formulierten Restphosphor objektivineigenen
Werten darzustellen. Auf diesem Wege hoffen wir, die
durch seine weiten Schwankungen geschilderte Existenz exakt
zu kennzeichnen und dabei den ersten Schritt zu tun in dem
Bestreben, über seine Art, Natur, Bindungsformen, Gewicht etwas
auszusagen. Hier muß der Anschluß an die Pathochemie der
Organe angestrebt werden °’).
Naturgemäß mußte auch hier extrem geartetes patho-
chemisches Material die Versuchsbedingungen bestimmen. Wir
benutzten einstweilen Sera‘) aus
zwei Fällen von akuter gelber Leberatrophie (1, 2),
einem nach größeren Gaben von Lecithin (tech-
nisches Präparat) mit anschließendem, (zufällig) klinisch als
notwendig erwiesenen Aderlaß (chronische Nephritis) (3),
einem von Paralyse (schwerer Fall)
sowie in
einem Falle Serum von Ödemen nach Dysenterie-
infektion (4, 5).
in einem ferneren Falle von schwerer Diabetes.
1) Joh. Feigl und H. Luce, l. o. Über akute Leberatrophie III
und IV, 1918. Joh. Feigl, 1l. c. Über Ödemerkrankung, 1918.
2) Literaturhinweise bei Joh. Feigl, Über Phosphate I, 1917.
3) Bisherige Versuche lassen der Vermutung Raum, daß toxische
Einflüsse (bzw. an den Körperchen) sowie Umstimmungen im Muskel-
bestande hier neben sonstigen Anlässen eine Rolle spielen können.
+) Fälle Nr. 1, 2 bei Feigl und Luce (Mischsera).
Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 401
Bei allen hatte die Analyse in kleinerem Maßstabe relativ
hohe Restphosphorwerte ergeben. Die Durchführung geschah
auf folgenden Wegen. Vorbereitung durch Enteiweißung blut-
freien Serums nach J. Greenwald mit Pikrinessigsäure im
Verhältnis von 1:5, Abnutschen, Nachklären mit mittelfeinem
Glaspulver und Analyse des Filtrates!),. Ein angemessener
Teil wurde mit Magnesiamixtur, Ammoniak, Ammoniumchlorid
kalt bei sorgfältigem Vorgehen, Mischen, Schütteln mit Filtrier-
papierschnitzelchen, Stehen im Eisschrank (12 Stunden), Fil-
tration durch ein geeignetes Filter und Bestimmung des Nieder-
schlages (als Ammoniummagnesiumphosphat) zunächst auf prä-
formiertes Orthophosphat untersucht. Das Filtrat wurde noch
einmal sorgfältig filtriert und nach kaltem Stehen durch Tages-
frist auf Klarheit nachgesehen. Dann wurde es im Autoklaven
2 Stunden oder mehr auf 110° erhitzt. Die Fristen und Druck-
höhen wurden variiert. Dabei erschien zumeist ein erst später
deutlich an dem charakteristischen Aussehen erkennbarer, kry-
stallinischer Niederschlag). In einzelnen Fällen, besonders
solchen mit mäßigem Rest-P, wie sie in nicht extremen patho-
logischen Zuständen bei größerer Sammelarbeit angetroffen
wurden, hat es sich als zweckmäßig erwiesen, die Filtrate vor-
her angemessen einzuengen. Ferner wurden die orthophosphat-
freien Reaktionsfiltrate für sich im Kjeldahlkolben eingedampft,
verascht mit Säuregemisch und pikrinsäurefrei (nach eventu-
ellem Umfällen) gemacht. In allen Fällen wurde — wahrschein-
lich lassen sich die Einzelabschnitte des Analysenganges für
spätere, unmittelbar praktische Arbeit näher präzisieren — die
Magnesiafällung nur zur Isolierung, nicht zur Bestimmung
herangezogen. Sie wurde abfiltriert, bzw. zentrifugiert, in dün-
ner Zitronensäure oder Salzsäure nochmals gelöst, umgefällt,
im Zentrifugenglase gesammelt und gewaschen (nach allgemeinen
analytischen Vorbedingungen), schließlich (sie hält ziemlich lange
Pikrinsäure in Spuren als Ammoniumsalz fest) verascht und
nach der Strychninphosphormolybdatmethode nephelometrisch
1) Nachgebildet der modifizierten (späteren, für präparativ-makro-
analytische Verhältnisse) Vorschrift von J. Greenwald, The nature of
the acid soluble phosphorus, 25, 431, 1916.
2) Derselbe kann je nach den Verdünnungen unter Umständen
variierende, nicht unbeträchtliche Mengen Pikrat mit einschließen.
402 Joh. Feigl:
auf Grund des Reagenses von P. A. Kober und G. Egerer
endgültig bestimmt.
Die hauptsächlichen Ergebnisse sind in der anschließenden
Tabelle aufgeführt. Ihre Anordnung ist im großen dieselbe,
wie sie in den früheren Ergebnissen über Restphosphor be-
tätigt wurde!) Es wird unmittelbar der gesamte säurelösliche
Phosphor nach Greenwald angegeben. Daneben folgt das
Orthophosphat, berechnet als P — die Analyse der Nephelo-
metrie ergibt direkt die fraglichen Werte —, dann folgt der
Rest-P, indem er, wie folgt, aufgeführt wird. Zunächst figuriert
er als rechnerische (Differenz) Größe aus dem säurelöslichen P
und dem aus nativem Serum unmittelbar gefällten Orthophos-
phat-P. Dann folgt in den beiden Rubriken die Nennung der
gleichen Werte, jedoch gegründet auf die Fällung aus dem
(nachgeklärten) Pikrinessigsäureextrakt. Dabei erscheint nach
obigen kurzen Richtlinien der Bestimmungsmethode der Rest-P
in selbständig ermittelten Werten, die über das Ammonium-
magnesiumsalz nach dem nephelometrischen Modus gewonnen
wurden. Die früher befolgte Durchrechnnng der P-Verteilung
nach Prozenten der komplexen Größe des säurelöslichen Ge-
samt-P findet sich im Texte. Beim Rest-P erscheinen un-
abhängige Doppelanalysen und ihr Mittelwert.
Nebenangaben finden sich unter der Tabelle in Anmer-
kungen?). Vorher soll allgemein bemerkt werden, daß hier
nicht deskriptiv-pathologische bzw. pathologisch-chemische Ab-
sichten verfolgt wurden, weshalb mehrere diesbezügliche An-
gaben über die Art der Fälle und ihre Zusammenhänge fehlen?).
Tabelle I.
Beobachtungen über den Restphosphor in pathologischen
Seren. Säurelöslicher P, Orthophosphat-P (direkt, aus nativem Serum
bzw. im eiweißfreien Pikrinessigsäureextrakt) und Rest-P (rechnerisch
1) Joh. Feigl, 1. ec. Über Phosphate II, Tabelle I, 89, 1917; Über
Phosphate III, Tabelle I, 222, Tabelle III, 224, 1917; Über Phosphate IV,
Tabelle I, 235, 1917.
2) Besondere Sorgfalt wurde auf Auswahl und Eigenschaften der
Reagenzien selbst wie der Filtrierpapiere gelegt.
3) Zur Analyse wurden die Phosphatmengen nach Auflösung in
Säure im Sinne der Anforderungen durch die Methode von Greenwald
verdünnt.
Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 403
als Differenz bzw. durch getrennte Bestimmung im Extrakt) in Doppel-
analysen. Gegenüberstellung der Werte.
Milligramm P in 100,0 ccm Serum (frei von O,Hb, Hb, MtHb).
Orthophosphat- u
(anorganischer) P Rest-P
Säurelösl.
Lfdr. Fall
ee (Gesamt-)
(e. Text) direkt | i. Extr. Be selbständig bestimmt
a b | Mittel
1 3,2 2,5 2,9 2,7
2 3,5 4,0 3,4 3,
3 3,4 3,5 3,1 3,3
4 1,8 2,2 1,8 2,0
5 1,5 1,2 1,4 1,3
6 3,8 3,1 3,5 3,3
Bemerkungen: 1. 100 ccm Serum enteiweißt für Orthophosphat-P
und Rest-P aus Extrakt je 50,0 ccm; 2. 100 com Serum desgleichen,
3. 180 ccm Serum, je 75,0 ccm für die Analysen; 4. 90 ccm Serum, je
40,0 für die Analysen; 5. 80,0 ccm Serum, je 30 ccm für die Analysen;
6. 100 ccm Serum, je 45 cem für die Analysen. Fällungen aus un-
verdünntem Extrakt (nach Entfernung des Orthophosphat-P) 1, 2, 3 je
einmal; nach Greenwald aus verdünntem Extrakt je einmal, dann
auf je 50,0 bis 100,0 com eingeengt zur Rest-P-Fällung. In den übrigen
Fällungen wurde das Filtrat nach Orthophosphatfällung stark eingeengt.
Rest-P in Prozenten des Gesamt-P (Mittel): 30°/, (1), 30°/, (2), 23%, (8),
250/ (4), 26°/, (5), 40°/, (6); Orthophosphat-P desgleichen: 70°/, (1),
70%, (2), 77%, (3), 75°% (4), 74%, (5), 60°, (6 stark abgerundet).
Die Betrachtungen zu der Tabelle bedürfen vorweg eines
Hinweises. Dieser bezieht sich auf die Isolierung des Ortho-
phosphatphosphors. Während in den früheren Untersuchungen
mit bestimmter Absicht nur die Erzielung des größten Aus-
schlages der Differenz — des Rest-P — zum Zwecke offen-
sichtlicherer Förderung der Frage der Weg der Ausfällung aus
nativem Serum beschritten wurde, hat bisher ein äquivalentes,
naheliegendes Arbeitsschema sich nicht finden lassen, da, wo
der Rest-P in selbständigen, direkten Werten gefunden werden
sollte. Es ist nach weiteren, im Bereich normal gearteter
Sera ausgeführten Analysen des Verf. kaum anzunehmen, daß
der P des Orthophosphates gleich ausfallen kann bei der di-
rekten Isolierung wie die der geeigneten Fällung im sauren
Extrakte nach der Enteiweißung. Es ist weiterhin nicht tun-
lich, anzunehmen, daß die fraglichen, doch recht abweichenden
Grundlagen da, wo der Rest-P zu absolut und relativ beträcht-
lichen Höhen (gegen die Verhältnisse der Norm) anwächst,
Biochemische Zeitschrift Band 86. 27
Joh. Feigl:
sich soweit zu nähern vermöchten, daß sie sich vermischen.
Die Angelegenheit bedarf anderer Hilfen — besonders der
Übersicht über die Ermittelung alkalischer Qualitäten. Daß
diese in unseren „extremen“ Fällen samt und sonders erheb-
lich gedrückt waren, wie die Bestimmung der einfachen Titra-
tionsalkalescenz nach Konikoff erwies, sei hervorgehoben +).
Wie dem auch sei, diese Versuchsreihe wird die Aufgabe nach
sich ziehen müssen, direkte Analysen über den Rest-P zu
machen auf der Basis der Enteiweißungsmethodik, wobei natur-
gemäß die Orthophosphatwerte im selben Stadium erzielt
werden müssen. Dabei werden dann alle Ermittelungen auf
die gleiche Grundlage gestellt, was bisher durch die Analyse
des Orthophosphates im nativen Serum nicht der Fall war.
Immerhin glauben wir, daß der maßgebende pathochemische
Anteil des Rest-P unserer Fälle nicht ein solcher ist, der De-
struktionen durch das saure Enteiweißungsgemisch bei den
gegebenen Versuchsbedingungen erfahren könnte. Es haben
sich nach zahlreichen Angaben der Literatur dem Verf. immer
wieder Bestätigungen für die Tatsache ergeben, daß die sauren
Ester oder andersartigen Komplexgebilde der Phosphorsäure
die Acidität des Enteiweißungsverfahrens bei den gewählten
Zeit- und Temperaturverhältnissen zu ertragen vermögen?).
Anders wird das bei bestimmten anorganischen Salzen und
chemischen Komplexen empfindlicherer Art liegen. Deshalb
wird vielleicht in der Norm der Restphosphor des sauren
Enteiweißungsextraktes ein anderer — mitunter niedrigerer —
sein dürfen als die gleiche Größe, wie sie aus der Differenz
von säurelöslichem (Gesamt-)P und dem Orthophosphat aus
nativem Serum hervorgeht. Auf diese Verhältnisse werden wir
später zurückkommen.
Die Isolierung und Bestimmung des säurelöslichen P nach
1) Vorbehandlung durch Ausfällung von Proteinen usw. sowie den
Ca-Salzen durch Enteiweißung mit Monokaliumphosphat (nachfolgende
Titration gegen Thymolphthalein). Gewisse Parallele zu den Harnacidi-
tätstitrationen nach O. Folin und F., Moritz bei J. Feigl, l. c. über
Ödeme, 1918.
2) W. Heubner fand, daß die Mo-Fällung (verbesserter Faktor
gegen N eumann) die Trennung der anorganischen von organischen P-
Stoffen bei 37° gestatte. S. später bes. G. Embden und Schüler.
Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 405
eigenen ausgedehnten Erfahrungen als stichhaltig voraussetzend,
werden die fraglichen Zahlen als Mittel von Doppelwerten
genannt. Es fällt auf, daß die Zahlen für „Orthophosphat-P“
sich bei den zwei Methoden nicht völlig decken. Überwiegend
ist die Erscheinung höherer Werte auf Kosten der Fällung im
pikrinessigsauren Enteiweißungsfiltrate; die Abweichungen be-
tragen um 15°/, bei Fall 1 (Leberatrophie) und Fall 6 (schwerer
Diabetes), erheblich weniger bei Fall 3 (Lecithinversuch bei
chronischer Nephritis), bei Fall 4 (Ödemerkrankung nach
Dysenterien), ebenso bei Fall 5 (desgleichen). Ausnahme:
Fall 2 (Leberatrophie). Die Abweichungen unter den Einzel-
analysen für Restphosphor sind augenscheinlich. Wird der
Mittelwert dem berechneten Restphosphor gegenübergerückt,
so ergeben sich Abweichungen zumeist der Art, daß letzterer
überwiegt. Immerhin will dem Verf. nach dem Ausfall seiner
bisherigen Versuche scheinen, als ob die Übereinstimmung eine
solche sei, daß prinzipielle Schlüsse aus ihr gezogen werden
dürften').
Wir möchten also aus den vorliegenden Analysenergeb-
nissen zunächst für die Natur der fraglichen Blutsera und ihrer
Arbeitsbedingungen die Auffassung aussprechen, daß es gelungen
ist, den „Restphosphor“ nun auch in Werten selbständiger,
unmittelbarer Analysenverfahren zur Darstellung zu bringen
und somit seine Existenz nach deren Objektivität zu erhärten,
Für letztere spricht auch die Tatsache, daß bei unseren Ver-
1) Über die zur einstweiligen Benutzung vorgeschlagenen Nomen-
klaturen, die aus rein praktischen Bedürfnissen der Kennzeichnung her-
geleitet wurden, sei der Hinweis gestattet, daß der „säurelösliche P“,
der auch als Gesamt-P geführt wird, letzteren Zusatz nur für die Frak-
tion des krystalloiden P trägt. Der Gesamt-P des Serums überhaupt
würde den Lipoid-P, den proteingebundenen P (mitgewertet nach J.
Greenwald) umfassen gemeinsam mit der Krystalloidfraktion (säure-
löslicher P). Die einstweilen „Rest-P“ genannte Größe, formal anklingend
an „Reststickstoff“ und „Restreduktion“, entspricht daher sinngemäß
der ersteren nicht genau, wie sich aus der beiderseitigen Gegenüberstel-
lung zu den betr. Krystalloidfraktionen ergibt. Inzwischen ist der RN
(passender: Nichteiweißstickstoff im Sinne der amerikanischen Autoren)
aufgeteilt; die unserem RN verwandte Benennung „residual N“ ist der
nicht bestimmte bzw. nicht geklärte Anteil einiger Methoden. Er würde
dem Rest-P gleichen. J. Feigl, a. a. O.
27*
406 Joh. Feigl:
suchsmaterialien — die ja ein außerordentlich günstiges Cha-
rakteristikum enthalten in der Struktur des säurelöslichen
Gesamt-P durch hohe Anteile im Rest-P — der errechnete
Rest-P und der selbständig bestimmte sich weitgehend nähern.
Will Verf. vorsichtig urteilen nach den bisher vorgelegten Be-
obachtungsstoffen, so kann gesagt werden, daß es bei geeig-
neten „extremen“ Fällen mit eigenartiger P-Verteilung gelingt,
den Rest-P unmittelbar analytisch zu beschreiben. Doch kann
er auch hier schon darauf hinweisen, daß ihm weitere Ver-
suche zu Gebote stehen, unter diesen selbst solche, die un-
günstige Verhältnisse boten (geringer Rest-P) und andererseits
[durch eigenartige Zufälle!)] auch derartige, in denen der Rest-P
relativ noch höher ausfällt als in vorliegenden. Des weiteren
werden zu untersuchen sein die Fällungsbedingungen von
Phosphaten in pikrinessigsaurer Lösung sowie die einzelnen
Abschnitte der bisher befolgten Nachweis-Isolierungs- und Be-
stimmungshandhabungen. Vieles kommt, wie früher betont,
auf die Ergiebigkeit der Isolierungsmethodik an. Frühere
Versuche des Verf. laufen in ähnlicher Richtung wie einige
von J.Greenwald, namentlich in der Anwendung der Molyb-
dänfällung auf das Enteiweißung-Extrakt?). Andere zielen da-
hin, die Mittel der Eiweißfällung zu variieren. Fernere kann man
an Stelle der Nephelometrie die Colorimetrie der reduzierten
Molybdänfällung im Sinne einiger jüngerer Autoren setzen?).
Letztere hat indes nicht die Reichweite, wie sie dem Strych-
1) In zwei Fällen von schwerem Diabetes fand sich der Rest-P in
höheren Beträgen als der Orthophosphat-P.
2) Die Beobachtung von J. Greenwald, l.c., 2. Mitteilung, 1916,
daß der Molybdänphosphorsäureniederschlag, aus pikrinsaurer Lösung
gefällt, gewisse Unterschiede im Verhalten gegen Solventien zeige und
danach vermutlich anders gebaut sei, kann Verf. an dieser Stelle bestä-
tigen. Die Folge dieses Verhaltens ist die Schwierigkeit, aus der Mo-
Fällung eine Analyse zu entwickeln, die dem Mo-Gehalt zur mittelbaren
Grundlage macht und die daher dazu anregt, andere Enteiweißungs-Extrak-
tionsmittel an Stelle der Pikrinessigsäure zu setzen. Dabei würde das
Ziel die Gewinnung normaler Mo-Verbindungen sein.
3) Anschließend an die Gewinnung konstant zusammengesetzter
Mo-Fällungen mit bestimmtem Mo-Gehalt sind von A. E. Taylor und
C. W. Müller sowie E. Riegler in neuester Zeit P-Bestimmungen
colorimetrischer Natur entwickelt worden. Auf diese kommen wir zurüok.
Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 407
nindoppelsalze der Phosphormolybdänsalze eigen ist. Über
diese Versuche sowie über weiteres zur analytischen Chemie
des Rest-P soll anschließend berichtet werden, um so mehr als
nach der prinzipiellen Klarstellung eines Teiles der Aufgabe
die Forderung wieder in den Bereich der Möglichkeit rückt,
die rein analytische Größe zu praktischklinisch leichter erreich-
baren zu machen. Eine andere Sache ist die methodologische
` Durcharbeitung der im vorstehenden eingehender beschrie-
benen Untersuchungen auf Grund gravimetrischer Verfahren
nach makrochemischer Art, so wie sie von J. Greenwald in
seiner späteren Mitteilung über die Natur des säurelöslichen P
und seine Größenbemessungen betätigt worden ist. Diese wurden
vom Verf. gleichfalls aufgenommen und in breiterer Ausdehnung
angewendet, wie schon hier erwähnt werden darf. Alle noch
so verschiedenartigen Wege laufen in dem Ergebnisse zusammen,
daß es gelingt, den Rest-P nicht nur rechnerisch, sondern auch
in objektiven Befunden unmittelbar selbständiger Verfahren
darzustellen. Materialien verschiedener Artung aus patho-
chemischen Anlässen belegen das eigenartige Verhalten dieser
Größe, die bei gewissen Zuständen geradezu charakteristisch
genannt werden darf, und die in der Untersuchungsreihe von
Feigl und Luce anscheinend die Bedeutung eines Frühsym-
ptoms für die Prognose und Verlauf der akuten Leberatrophie
sich errungen hat!).
Schlußsätze.
Auf Grund des Enteiweißungsvorganges mit Pikrinessig-
säure nach J. Greenwald gelingt es, den säurelöslichen
1) Verf. hat a. a. O. (Über Ödeme) 1918 darauf hingewiesen, daß
bei Avitaminosen und ähnlichen Zuständen im Einklange mit experimen-
tellen Ergebnissen an Tieren bei einseitiger (Hafer-)Fütterung im Früh-
verlaufe der gelegentlich beträchtlich erhöhte RN vorwiegend durch
UrN beherrscht wird und daß der Endverlauf die von Fei gl und Luce
(l œ) 1917 die Erscheinungen hoher RN-Werte mit überwiegendem
Amino-N zeige, während sich gelegentlich (ebenda) Übergänge beobachten
ließen, die im RN ein mittleres Verhalten — absolut hoch mit etwa
normaler Struktur oder 50°], UN — zeigten. Die Rest-P- bzw. Gesamt-
P-Verhältnisse passen sich diesen Beziehungen anscheinend regelmäßig
an, indem zunächst absolut und relativ viel Orthophosphat-P mit etwa
subnormalem Rest-P auftritt und der Ablauf die geschilderten Erschei-
nungen von hohem Rest-P wiedergibt.
408 Joh. Feigl:
Phosphor zu isolieren, eine Größe, die von Verf. an vielsei-
tigem Materiale gekennzeichnet und umschrieben wurde. Diese
Ergebnisse sprechen gegen die gleichfalls sehr neue Auffassung
[A.E. Taylor und C.W.Miller')], im Serum komme Phosphat-P
in Spuren vor, die unterhalb der Schwelle guter Methoden
liegen. Der komplexe, säurelösliche Phosphor zeigt neben großen
pathochemischen Schwankungen auch weitgehende Struktur-
differenzen.
Bestimmt man den Orthophosphat-P aus nativem Serum,
was nach neuesten Arbeiten praktisch zureichend gelingt, so
tritt gegen erstere Größe eine rechnerische Differenz, der Rest-
phosphor, auf. Diese zeigt nach Verf. beträchtliche Um-
stimmungen bei Krankheitszuständen.
Erwägungen methodenkritischer und analytischer Art zeigen
das Interesse, den rechnerischen Rest-P, dessen Existenz
durch vielfältige Beobachtung wahrscheinlich gemacht und
durch große absolute und relative Schwankungen näher erläu-
tert und erhärtet worden ist, in objektiven Befunden
und selbständigen Analysen zur Anschauung zu bringen.
Dies gelingt durch Übertragung der Analysen des Orthophos-
phat-P wie des Rest-P auf saure, eiweißfreie Extrakte bei
extremen Blutzusammensetzungen pathochemischer Fälle. Beide
Ergebnisse über die Größe des Rest-P, je nach Isolierung des
Orthophosphat-P, nähern sich in den genannten Fällen stark:
Damit ist der Nachweis seiner Existenz in gewisser Hin-
sicht, wenn auch nach einseitigen Grundlagen, genügend geführt.
Die Beobachtung mag ihrerseits dem Urteile von Taylor und
Miller über die Frage des Vorkommens von krystalloiden P
im Serum entgegengehalten werden; doch schwebten den Au-
toren pathologische Zustände der Phosphatämie nicht vor,
Weitere Aufgaben aus dem angeschnittenen Gebiete liegen
zunächst in der Analyse des säurelöslichen, des anorganischen
des restlichen P. Sie sind methodologischer und analytischer
Natur und oben gestreift. Überdies sind sie aber auf deskriptiv-
biochemische bzw. pathochemische Fragen gerichtet, insofern
als die Kasuistik des Rest-P eingehender und reichlicher zu
1) A. E. Taylor und C. W. Miller, Journ. of Biol. Chem. 18,
215, 1914.
Phosphate im menschlichen Blutserum. V. 409
pflegen ist, wobei der Anschluß an ältere Arbeiten über Lipoid-P
des Serums, an neue einschlägige Methoden und Ergebnisse
sowie die Herstellung der Beziehungen beider Hauptgruppen
des P-Vorkommens erstrebenswert sind.
In den genannten Richtungen hat Verf. weitergearbeitet
und setzt bisher vorliegende Beobachtungen fort. Gegenstand
fernerer Mitteilungen werden Abschnitte der besprochenen Auf-
gaben bilden.
Die Fachgenossen bittet der Verf. um freundliche Über-
lassung des gekennzeichneten Arbeitsgebietes für einige Zeit,
um die größtenteils schon weitgehend geförderten Fragen des
mehrfach angegebenen Programms vorläufig zu Ende führen
und die verschiedenartigen, noch bestehenden Schwierigkeiten
der Gewinnung und Beurteilung von Ergebnissen beheben zu
können. Herr cand. phil. et med. H. Kleinmann ist an den
genannten Arbeiten derzeit beteiligt.
Ist die Kohlensäurebindung des Blutserums als Maß für
die Blutreaktion verwendbar?
Von
K. A. Hasselbalch und E. J. Warburg.
(Aus dem Laboratorium des Finsen-Instituts, Kopenhagen.)
[Eingegangen am 2. Dezember 1917 ]
Mit 5 Figuren im Text.
Die chemisch gebundene Kohlensäuremenge einer reinen
Natriumbicarbonatlösung bleibt bei jeder CO,-Spannung be-
kanntlich dieselbe (während die Menge der freien Kohlensäure
mit der steigenden CO,-Spannung proportional anwächst).
Löst man in der Flüssigkeit einen Ampholyten — d.h.
einen Stoff, der bei hohem py als Säure, bei niedrigem
Pr als Base, und bei mittlerem py, im isoelektrischen
Punkte. als Neutralsalz wirkt — und betrachtet man bei
steigender CO,-Spannung die Mengen der gebundenen Kohlen-
säure, so wird man natürlich nur bei isoelektrischer Reaktion
die vorher konstante Größe wiederfinden; bei größerem py
(niedriger CO,-Spannung) wird weniger, und bei niedrigerem py
(hoher CO,-Spannung) wird mehr Kohlensäure chemisch ge-
bunden als vorher.
Indem nun die Wasserstoffzahl der NaHCO,-Lösung bei
Verdoppelung der CO,-Spannung verdoppelt wird, kann man
mit Sicherheit die prinzipielle Form der CO,-Bindungskurve
(Abszisse: die CO,-Spannung, Ordinate: die chemisch gebundene
CO,-Menge) voraussagen. Diese Kurve wird zu Anfang rasch,
später immer langsamer ansteigen, wobei die prinzipielle Über-
einstimmung mit der CO,-Bindungskurve des Blutes sofort in
die Augen fällt.
Hasselbalch u. Warburg: Ist d. CO,-Bindg. d. Bluts. usw. verwendbar? 411
Als eine Demonstration dieser Sachlage kann die unten-
stehende Bestimmung der CO,-Bindung einer Glykokoll-Lösung
mit Natriumbicarbonat dienen.
Tabelle I.
Glycin 0,609-n, NaHCO, 0,025-n, Temp. 38°.
mm CO, Vol.-°/,CO,, gebunden PH
3,1 18,2 8,09
7,4 29,3 7,90
18,3 39,1 7,61
43,0 46,1 7,30
89,1 51,1 7,02
147,1 53,1 6,82
200,6 54,2 6,70
Fig. 1. Kohlensäurebindungskurven.
a SEHR }in 0,025-n NaHCO,-Lösung.
Fig. 1 ist eine graphische Darstellung dieser Versuchs-
ergebnisse und zeigt zugleich die Wirkung eines anderen Am-
pholyten, nämlich des Oxyhämoglobins'), auf die CO,-Bindung
der NaHCO,-Lösung.
Die reine ®/,,NaHCO,-Lösung (Tab. I) würde bei jeder
CO,-Spannung
exi 56,0 Vol. °), CO,
in gebundener Form enthalten (Normalvolumen der Gase 22,4 1).
Bei den obenstehenden Bestimmungen ist die CO,-Bindung der
Lösung überall kleiner als 56 Vol.-°/,, d. h. wir befinden uns,
auch bei der höchsten benutzten CO,-Spannung, auf der alka-
1) Siehe Hasselbalch, diese Zeitschr. 78, 130, 1916.
412 K. A. Hasselbalch u. E. J. Warburg:
lischen Seite des isoelektrischen Punktes des Glycins, wo der
Ampholyt hauptsächlich als Säure dissoziiert.
In der dritten Säule (Tab. I) ist aus den Mengen der
freien und der gebundenen CO, nach der von dem einen von
uns [H.?)] aufgestellten Formel die Wasserstoffzahl der Lösung
berechnet worden. Augenscheinlich ist die isoelektrische Re-
aktion des Glycins saurer als bei pẹ- 6,70.
Aus den vorliegenden, sorgfältig bestimmten Dissoziations-
konstanten des Glycins?) bei 25°, k,—=10-%", k, = 107157,
ergibt sich als isoelektrische Reaktion des Glycins bei 25°:
J=107%%, also bei Pg 6,09.
Bei einigen anderen Aminosäuren haben wir ähnliche Be-
stimmungen vorgenommen. Besonders hervorzuheben sind die
mit Histidin («-Amino-ß-Imidazolpropionsäure) gewonnenen
Ergebnisse (Tab. II und Fig. 2).
Tabelle II.
a) Temp. 38°. NaHCO, 0,025-n, Histidin 0,0266-n.
mm CO, Vol.-°/,CO,, geb. PH‘
2,2 36,7 8,45
5,7 44,0 8,10
14,6 48,5 7,73
27,4 50,6 7,47
37,2 51,8 7,35
75,2 54,3 7,08
128,5 57,1 6,85
178,7 60,0 6,72
356,2 65,3 6,45
b) Temp. 38°. NaHCO, 0,025-n, Histidin 0,0491-n.
mm CO, Vol.-°/,CO,, geb. PH‘
1,6 25,8 8,45
14,2 43,7 7,71
38,0 48,0 7,38
. 71,8 54,7 7,09
171,6 62,1 6,76
352,8 70,4 6,46
1) 1. ©. S. 124.
2) Winkelblech, Zeitschr. f. physikal. Chem. 36, 1901; Michae-
lis, diese Zeitschr. 49, 1913; Dernby, Medd. Carlsberg Labor., 11, 1916.
Ist dieCO,-Bindung d. Blutserums als Maß d. Blutreaktion verwendbar? 413
c) Temp. 18°. NaHCO, 0,025-n, Histidin 0,0491-n.
mm CO, Vol.-°/,CO,, geb. Pr:
2,1 37,3 8,36
12,5 50,5 7,70
30,5 53,7 7,35
30,8 54,0 7,34
43,7 57,9 7,21
73,4 60,4 7,01
94,8 62,7 6,91 Š
Fig. 2 ist eine graphische
Darstellung der in der Tab. II
a und b verzeichneten Bestim-
mungen. Mit der Theorie in
Übereinstimmung wird bei
stark variierter Ampholy-
tenkonzentration dieselbe
isoelektrische Reaktion,
nämlich bei py 6,93, gefunden
(Temp. 38°). Eine Untersuchung
der isoelektrischen Reaktion bei
Zimmertemperatur, 18°, (Tab. II,
c) ergibt als solche py = 7,25.
Aus den Dissoziationskonstan- Fig. 2. Isoelektrische Reaktion
ten’) des Histidins bei 25°, k, = a ne N
107866, k, = 10—84, wird die '
© n 0,0491 n
isoelektrische Reaktion py = in 0,025-n NaHCO,.
7,21 berechnet.
Das Produkt k,><k, ist bei Histidin 10-16% oder be-
deutend größer als beim Glycin, 107°. Dementsprechend
tritt bei dieser wie bei jeder anderen Methode die isoelek-
trische Reaktion des Histidins bedeutend schärfer hervor als
die des Glycins.
Wenden wir uns demnächst der etwas komplizierteren
CO,-Bindung des Blutes zu.
Es handelt sich nach unserer, anderswo von Hassel-
1) Kanitz, zitiert nach Michaelis, Die Wasserstoffionenkonzen-
tration, S. 40.
414 K. A. Hasselbalch u. E. J. Warburg:
balch!) begründeten Auffassung auch hier um ein Bicarbonat-
Ampholyten-System wie die oben behandelten. Der Ampholyt
ist das Oxyhämoglobin, das sich nach Überführungsversuchen
von Michaelis und Takahashi?) nur bei einer bestimmten
Reaktion, pr. = 6,75, elektrolytisch unwirksam, isoelektrisch,
bei jeder alkalischeren Reaktion als Säure, und bei jeder saureren
Reaktion als Base verhält. Der Ampholyt ist aber hier
nicht in Lösung vorhanden, sondern befindet sich inner-
halb der semipermeablen Hüllen der Blutkörperchen aufgehoben.
Und wenn wir als Bicarbonatlösung das Serum (oder das
Plasma) behandeln, ist der Umstand hervorzuheben, daß diese
Lösung keine reine ist, sondern sowohl Phosphate als auch
Ampholyten, die verschiedenen Eiweißstoffe, enthält.
Bezüglich der CO,-Bindung des Serums ist daher die Er-
wartung berechtigt, daß bei steigender CO,-Spannung die che-
misch gebundene CO,-Menge anwächst, was die Beobachtung
auch lehrt (siehe Tab. III und Fig. 3).
Was die CO,-Bindung des zugehörigen Blutes angeht, so
könnte dem Obenstehenden zufolge (und vorausgesetzt, daß als
Unterschied zwischen Blut und Serum nur das Oxyhämoglobin
ins Gewicht fällt) die Voraussagung berechtigt erscheinen, daß
bei jeder Reaktion, die alkalischer ist als pr- 6,75, das Serum
mehr CO, bindet als das Blut, während bei saurer Reaktion
das Blut am meisten Kohlensäure bindet.
Tabelle II.
Defibriniertes Rinderblut und zugehöriges Serum, 38°.
Blut Serum
mm CO, Vol.-°/ CO, Pr mm CO, Vol.-°/,CO, PH
43,5 - 41,2 7,23 41,3 54,4 7,33
93,6 54,3 7,00 74,5 58,5 7,10
150,9 63,9 6,86 140,5 62,2 6,85
203,9 70,1 6,76 203,0 67,5 6,72
269,4 76,5 6,67 271,5 68,9 6,61
361,8 83,4 6,58 — — -
692,9 101,9 6,37 710,0 76.3 6,23
1) L c. S. 112 bis 144.
?) Diese Zeitschr. 29, 1910.
Ist die CO,-Bindung d. Blutserums als MaB d. Blutreaktion verwendbar? 415
Mit der oben angegebenen Erwartung in erster Annähe-
rung übereinstimmend findet man denn Auch (Tab. III), daß
bei CO,-Spannungen unterhalb einer bestimmten
Grenze, hier etwa 150 mm, das Serum, bei höheren
- CO,-Spannungen das zugehörige Blut am besten
Kohlensäure bindet (Temp. 38°).
In der graphischen Darstellung des Versuchs (Abszisse:
Pa, berechnet, Ordinate: Vol.-"/, CO,, gebunden) sieht man
(Fig. 3) zwei sich schneidende CO,-Bindungskurven, von welchen
Z4 73 72 77 70 69 68 67 66 05 69 063 62
Pà
Fig. 3. Rinderblut Ç) und zugehöriges Serum +, 38°.
Zentrifugieren in offenen Gläsern.
die dem Blute gehörende steiler ansteigt als die Serumkurve.
Absolut genau trifft aber die Erwartung nicht zu, indem
der Schnittpunkt der beiden Kurven sich bei py- 6,86 und
nicht bei pg: 6,75 (Michaelis) befindet.
Und in einer Anzahl ähnlicher Versuche fanden wir die
Schnittpunkte 7,07, 6,94, 6,89, 6,92, 6,82, demnach recht vari-
ierende Befunde, die insgesamt eine alkalischere Lage der „iso-
elektrischen Reaktion“ des Oxyhämoglobins, als die von Mi-
chaelis und Takahashi durch Überführungsversuche be-
stimmte, angeben.
Solche Bestimmungen, wie die in der Tab. III verzeich-
neten, sind indessen, worauf wir nicht sofort aufmerksam
waren, mit einem prinzipiellen Fehler behaftet, insofern sie zu
einer Feststellung der isoelektrischen Reaktion des Blutfarb-
stoffs dienen sollen. Die CO,-Spannung, und damit die
416 K. A. Hasselbalch u. E. J. Warburg:
Wasserstoffzahl des Blutes, woraus das Serum durch Zentri-
fugieren gewonnen wird, ist für die Säurebindung des
Serums von der allergrößten Bedeutung, was bei näherer
Überlegung nicht wundernehmen kann. Schon längst zeigte
Hamburger!), daß die Verteilung der Säureanionen, speziell
der Chlorionen, zwischen Blutkörperchen und Serum des Blutes
durch Änderung der CO,-Spannung nach Belieben variiert
werden kann. Bei niedriger CO,-Spannung wandern
Cl-Ionen aus den Blutkörperchen in das Serum, und
bei hoher CO,-Spannung geht die entgegengesetzte
Wanderung vor sich. Nach unserer Auffassung ist dieses
Ereignis, genau wie die parallele Verschiebung der HCO,-Ionen,
die de facto schon seit 1867, durch eine Jugendarbeit von
N. Zuntz?) bekannt war, eine einfache Folge des Umstandes,
daß bei Ansäuerung des Blutes die Dissoziation des Oxyhämo-
globins als Base stärker hervortritt, während bei Auslüftung
des Blutes die Säurendissoziation des Oxyhämoglobins die
Oberhand gewinnt.
Wenn diese Betrachtung zutrifft, so sollte die Scheidung
des Blutes in Serum und Blutkörperchen eben bei isoelek-
trischer Reaktion des Oxyhämoglobins geschehen, um aus den
beiden CO,-Bindungskurven die isoelektrische Reaktion des
Blutfarbstoffs ausfindig zu machen. Mit anderen Worten: was
gesucht wird, muß im voraus bekannt sein!
Werden somit durch Ansäuerung des Gesamtblutes dem
Serum nichtflüchtige Säureanionen entzogen, so muß dadurch
das Säurebindungsvermögen des Serums vermehrt werden. Bei
hoher CO,-Spannung während des Zentrifugierens
wird die CO,-Bindungskurve des Serums nach oben,
bei niedriger CO,-Spannung nach unten verschoben.
Die untenstehenden Versuche, wo vor dem Zentrifugieren
das Blut bei Zimmertemperatur mit Luft von bekannter CO,-
Spannung gesättigt und sofort danach in geschlossenen Gläsern
zentrifugiert worden ist, bekräftigt vollauf diese Erwartung. `
1) Osmotischer Druck und Ionenlehre, 1, 263, 1902.
®) Centralbl. f. d. med. Wiss. 1867, 529, zitiert aus Hermann:
Handbuch d. Physiol. 4, 2, 77.
Ist dieCO,-Bindung d. Blutserums als Maß
Tabelle
Defibriniertes Rinderblut mit 9,2
d. Blutreaktion verwendbar? 417
IV.
9°, Hämoglobin wird in einem
Saturator mit Luftmischungen von variierter CO,-Spannung gesättigt
und in geschlossenen Zentrifugengläsern bei derselben CO,-Spannung
zentrifugiert. Temp. 12 bis 14°.
Serum gewonnen enthält bei
bei mm CO,-Sp. mm CO,-Sp.
110,4
$; Ept { 193,9
II. aus BlutohneVor- 15,0
behandlung in 87.9
offenen Gläsern P
zentrifugiert. 179,6
25,0
III. 58,8 96,8
173,1
29,0
IV. 89,7 101,1
182,9
23,1
V. 181,9 134,9
401,4
17,9
yI. 430,5 160,0
737,0
26,4
VII. 737,0 161,1
428,3
Vol
00
Wegen der Gefahr, daß
während der Versuchszeit das F
Blut einer Selbstsäuerung
unterliege, sind für jedes a
Serum nur ganz wenige Punkte
der CO,-Bindungskurve be-
stimmt worden. Bei dieser
Beschränkung der Versuchs-
zeit gelang es, was Kontroll- ,
versuche zeigten, die CO,-
Vol.-0/ CO,, PE
gebunden berechnet
62,3 6,80
64,4 6,57
54,9 7,62
64,1 6,91
69,7 6,63
61,8 7,45
69,9 6,90
74,0 6,68
67,3 7,41
75,4 6,91
76,3 6,66
68,5 7,52
79,3 6,81
87,7 6,35
75,4 7,67
88,2 6,78
91,6 . 6,13
80,6 7,52
92,6 6,79
95,0 6,38
% Cls
10 20 40 60 80 100 20 NO 160 B0 29I
, -mm Ceg
Bindung des Gesamtblutes Fig. 4. Rinderserum aus demselben
Blu
te. I. beil2,7mm CO,-Spannungab-
praktisch unverändert zu er- zentrifugiert; II. aus Blut ohne Vorbe-
halten. Selbstverständlich handlung, b. offen. Zentrifugengläsern;
II
kann dabei die Konstruktion IV.
der CO,-Bindungskurven der V.
Sera (Fig. 4) aus nur 2 bis 3 uia
. bei 58,8 mm CO,abzentrifugiert;
n 897 n n n
n 181,9 n n n
n 480,5 n n» n
n 787,0 n n»n ”
418 K, A. Hasselbalch u. E. J. Warburg:
Punkten keine große Genauigkeit beanspruchen. Die Bedeu-
tung der während der Serumabscheidung herrschenden CO,-
Spannung ist jedoch außer jeden Zweifel gestellt: die C0,-
Bindungskurve des Serums liegt um so höher, je
größer die CO,-Spannung des Gesamtblutes ist.
Besonders bei niedrigen CO,-Spannungen ist die Wirkung
groß. Solche Methoden zur Serumgewinnung, die eine Defibri-
nierung des Blutes durch Schlagen oder Peitschen in offenen
Schalen voraussetzen, müssen eine verhältnismäßig enorme
Herabsetzung des physiologischen Säurebindungsvermögens des
Serums bewirken. Es will uns scheinen, daß in diesem
Sachverhältnisse eine Aufforderung zur Innehaltung
gewisser Vorsichtsmaßregeln bei mehreren serologi-
schen Untersuchungsmethoden vorliegt.
Auch die in der Tab. IV angeführten berechneten Werte
von py: könnten in einer graphischen Darstellung als Abszisse
verwertet werden. Das Ergebnis der Untersuchung bleibt natür-
licherweise unverändert.
Bei einem anderen Blute wurde die untenstehende kleine
Versuchsreihe vorgenommen:
Tabelle V.
Rinderserum, bei ca. 18° und a) 15,3mm CO,, b) 86,0 mm CO,,
aus derselben Blutportion gewonnen.
a) bei mm CO, Vol.-/,CO, b) bei mm CO, Vol.-%/, CO,
22,4 42,1 20,5 60,0
107,5 50,2 104,6 69,7
Auch ohne graphische Darstellung ist das in der Tab. V
eingeschlossene Versuchsergebnis sehr deutlich: das bei hoher
CO,-Spannung (86,0 mm) abgeschiedene Serum zeigt ein weit
— um etwa 20 Vol.-°/, — größeres CO,-Bindungsvermögen als
das bei niedriger CO,-Spannung (15,3 mm) gewonnene.
Eine einfache Folge des Umstandes, daß das bei hoher
CO,-Spannung abgeschiedene Serum eine Erhöhung des Säure-
bindungsvermögens zeigt, ist die entsprechende Abnahme
des Säurebindungsvermögens der Blutkörperchen. Nur
der Vollständigkeit halber haben wir eine solche Demonstration
als angezeigt gefunden (Tab. VI und Fig. 5).
Ist dieCO,-Bindung d. Blutserums als Maß d. Blutreaktion verwendbar? 419
Tabelle VI.
Defibriniertes Rinderblut mit 14,65°/, Hämoglobin. Temp. 19°.
A. In offenen Gläsern zentrifugiert. Blutkörp. mit 24,67 °/, Hb.
B. Bei 65,0 mm CO, „ n n 22,92°/, Hb.
Serum A. Blutkörperchenbrei A.
bei mm CO, Vol.-°/ CO; pr: bei mm CO, Vol.-°/ CO, pp‘
33,3 56,3 7,33 27,5 48,6 7,40
87,5 59,9 6,92 74,3 68,6 7,10
378,3 64,6 6,32 174,5 90,4 6,83
— — — 381,5 106,8 6,55
Serum B. Blutkörperchenbrei B.
bei mm CO, Vol.-°/ COs pp: bei mm CO, Vol.-/,C0, Pr
19,5 61,6 7,59- 29,8 46,1 7,34
79,8 69,6 7,03 86,8 67,7 7,02
182,0 73,0 6,69 159,8 81,2 6,83
378.3 73,7 6,38 387,7 100,8 6,53
pra
AT
728 75 74 73 72 71 70 69 68 67 66 65 aTi
22
Foe Serum in offenen Gläsern zentrifugiert
© —— © Blutkörperchen ; .
x. x Serum pe 65,0 mm CO,-Spannung
S) - &) Blutkörperchen zentrifugiert.
Besonders die graphische Darstellung des Versuchs (Fig. 5),
wo als Abszisse die berechneten Werte von py benutzt sind,
zeigt sehr deutlich das erwartete Resultat: durch die erhöhte
CO,-Spannung während des Zentrifugierens wird das Säure-
bindungsvermögen des Serums um etwa 9 Vol.-"/, CO, erhöht;
dasjenige der Blutkörperchen um 8 Vol.-°/, CO,, also um fast
genau dieselbe Größe, erniedrigt.
Biochemische Zeitschrift Band 86. 28
420 Hasselbalch u. Warburg: Ist d. CO,-Bindg. d. Bluts. usw. verwendbar?
Wenn auch bei der hier gegebenen Erklärung dieser Er-
scheinungen Irrtümer oder Unvollständigkeiten vorkommen
sollten, so viel steht fest, daß das CO,-Bindungsvermögen
eines Serums mit der CO,-Spannung des Ausgangs-
materials steigt und fällt. Es ist nicht möglich, aus
der CO,-Bindung des Serums irgendwelche exakte
Schlüsse bezüglich der Blutreaktion oder etwa eines
acidotischen Stoffwechsels zu ziehen, ohne auf die
während der Beschaffung des Serums herrschende
CO,-Spannung Rücksicht zu nehmen.
Die CO,-Bindung des Gesamtblutes bei bekannter und
konstanter CO,-Spannung, z. B. 40 mm, ist und bleibt bis auf
weiteres das einfachste und sicherste Maß für die „reduzierte
Wasserstoffzahl“ des Blutes und somit für eine eventuelle
Acidosis des Organismus. Die Benutzung des Serums für
ähnliche Zwecke setzt als notwendige Versuchsbedingung vor-
aus, daß das Blut während der Beschaffung des Serums auf
alveolarer CO,-Spannung gehalten worden ist.
Daß gewisse andere Fragestellungen eine solche Versuchs-
methodik erfordern können, wollen wir nicht in Abrede stellen.
Beiträge zur Kenntnis des Meerschweinchenserums.
Von
Julius Freund.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität zu Budapest.
Direktor: Prof. Dr. L. v. Liebermann.)
[Eingegangen am 6. Dezember 1917.]
Bekanntlich nimmt das Meerschweinchen in bezug auf
sein Verhalten in Immunitätsreaktionen, wenn auch nicht in
qualitativen, so doch in quantitativen Beziehungen eine Sonder-
stellung ein. So zeichnet sich z. B. das Meerschweinchenserum
durch eine besondere Höhe und Konstanz der Komplement-
wirkung aus. So ist weiter das Meerschweinchen besonders
geeignet zum Studium der Anaphylaxie. Aus diesen Gründen
ist das Meerschweinchen das in der Immunitätsforschung zu-
meist benützte Tier, und sein Serum wird außerordentlich viel-
fach zu Versuchen in vitro verwendet. Aus allen diesen Grün-
den erscheint es wichtig, die chemischen und physikalischen
Eigenschaften des Meerschweinchenserums möglichst genau zu
erforschen. Diesbezügliche Angaben liegen jedoch noch nicht
vor, und so glauben wir mit den hier mitgeteilten Unter-
suchungen eine Lücke auszufüllen.
Bei den Untersuchungen sind vorläufig nur jene physika-
lischen und chemischen Eigenschaften des Serums berücksichtigt
worden, von welchen mit mehr oder weniger Recht zu er-
warten war, daß sie unsere Kenntnisse über die Sonderstellung
des Meerschweinchenserums zu fördern geeignet sein werden.
Das zu den Untersuchungen nötige Serum wurde auf fol-
gende Weise gewonnen:
4 bis 5 erwachsene, 600 bis 700 g schwere Meerschweinchen
28*
422 Julius Freund:
wurden entblutet und das vereinigte Blut ungefähr 5 Stunden
lang im Eisschrank gehalten, sodann abzentrifugiert.
Die physikalischen Konstanten des Serums wurden jedes-
mal innerhalb 24 Stunden nach dem Abzentrifugieren bestimmt.
Von den chemischen Bestimmungen wurden die der präfor-
mierten Seifen, des Lecithins, des Cholesterins und der Fett-
säuren ebenfalls an frischem, nativem Serum ausgeführt. Zur
Ausführung der übrigen chemischen Bestimmungen wurde das
Serum in flachen Schalen bel 40° unter starkem Luftstrom
eingetrocknet. Das Trockenserum konnte von der Schale leicht
und vollständig abgelöst werden und wurde nach Zerreibung
in einem Wassertrockenschrank so lange getrocknet, bis nach
weiterem 10stündigem Trocknen kein Gewichtsverlust mehr
eintrat.
Physikalische Bestimmungen.
Das spezifische Gewicht des Serums wurde im Ostwald-
schen Pyknometer bei 18°, die Gefrierpunkterniedrigung mit
dem Beckmannschen Kryoskop bestimmt. Die Temperatur
des Gefriergemisches war stets — 5°. Zur Bestimmung der
Oberflächenspannung benützten wir den Traubeschen Stalag-
mometer. Zur Erhaltung eines konstanten Druckes diente die
in Traubes „Physikalisch-chemischen Methoden“ angegebene
Einrichtung. Auch diese Bestimmungen wurden bei 18° aus-
geführt. Die Oberflächenspannung wurde nach folgender von
Traube angegebenen Formel berechnet: y = 100-8 an, wobei
=
y = Oberflächenspannung, $ = spezifisches Gewicht, T,, = Tropfen-
zahl des Wassers, T,= Tropfenzahl des Serums bedeutet. Für
Wasser ist y = 100.
Die Viscosität wurde mit dem Ost waldschen Viscosimeter
bei 18° bestimmt, und zwar bei konstantem Druck. Als Ein-
heit der Viscosität galt die des destillierten Wassers.
Die Refraktion des Serums wurde mit dem Zeißschen
Eintauchrefraktometer bei 17,5° bestimmt.
Chemische Untersuchungen.
Die Bestimmung des Wassergehaltes des Serums wurde
stets durch Eintrocknen von 1g Serum im Wassertrocken-
Zur Kenntnis des Meerschweinchenserums. 423
schrank ausgeführt, bis ein weiteres, 10 Stunden langes Trocknen
keine Gewichtsabnahme ergab. Der Eiweißgehalt wurde nach
Kjeldahl bestimmt unter Verwendung des üblichen Faktors
6.25.
Bei der Bestimmung der Seifen sind wir von 25,584 g
nativem Serum ausgegangen und haben die im Handbuch der
Physiologisch-chemischen Analyse von Hoppe-Seyler-Thier-
felder (8. Aufl., S. 663) beschriebene Methode angewendet.
Die Fettsäuren und das Cholesterin bestimmten wir mit
der Methode von Liebermann-Szekely'!), die Identität des
Cholesterins wurde unter dem Mikroskop und mit Hilfe der
Schwefelsäure-Jodreaktion festgestellt.
Die Phosphatiden (Lecithin) wurden in 26,20 g frischen
Serums nach der im oben zitierten Handbuch angeführten Me-
thode bestimmt. —
Die Phosphorsäure bestimmten wir nach der titrimetrischen
Methode von Neumann. Auch der Zucker wurde bestimmt
nach einer noch nicht publizierten, aber hier als brauchbar
befundenen Methode.
Chlor, Kalk und Magnesia bestimmten wir in getrocknetem
Serum. Die Veraschung wurde unter Zusatz von Soda (Bunge)
ausgeführt. Das Chlor wurde als AgCl gewogen. Das Calcium
wurde aus schwach essigsaurer Lösung als Oxalat gefällt und
als Oxyd sowie nachträglich als Sulfat gewogen. Das Magne-
sium wurde als Pyrophosphat bestimmt und als Oxyd berechnet.
Wir möchten nur noch bemerken, daß sämtliche Zahlen-
angaben mit Ausnahme der Seifen und der Phosphatide Mittel
aus mindestens zwei gut stimmenden Analysen sind.
Physikalische Daten.
Spezifisches Gewicht . . . . 1021,5
Gefrierpunkts-Erniedrigung . 0,6073
Oberflächenspannung . . . 92,68
Viscosität . . . 2 2 2... 1,649
Refraktion . ........ 46,3 Skalenteile
1) Liebermann-Sz6ökely, Über Fettbestimmung. Arch. f. d.
ges. Physiol. 72, 360; ferner Liebermann, ebendort 108, 481.
424 Julius Freund:
Chemische Analyse.
1000 g Mgerschweinchenserum enthalten:
Wasser . . 2 2 2.2.2202. 935,71
Eiweiß . . 2.2 2.2.2..2.2..50,98
Seifen . 2.2.2... 0.0. 0,588
Fettsäuren 4 Cholesterin. . . 4,9839
Cholesterin . . 2 2 2..2...0,8321
Phosphatide . . . . 2.2... 0,778
Zucker . w . 222 2.2..09
On ee he BR
CaO 5: 5 u a ara OLIER
MO .:.%.% 8.00 05 100104
Von den chemisch-analytischen Daten möchten wir vor
allem den Wassergehalt hervorheben. Die in der Tabelle ent-
haltene Zahl ist der Mittelwert von 5 Einzelbestimmungen, die
an dem Serum von 5 verschiedenen erwachsenen Meerschwein-
chen ausgeführt wurden und folgende Werte ergaben:
1. 938,00
2. 932,00
3. 934,00
4. 936,00
5. 938,50.
Diese Zahlen machen es einerseits sehr wahrscheinlich,
daß der Wassergehalt des Meerschweinchenserums keine er-
heblichen individuellen Schwankungen aufweist und zeigen
andererseits, daß er in der Tat höher ist als derjenige der meisten
sonstigen Tierarten ')!
Auffallend ist weiter der geringe Eiweißgehalt des Meer-
schweinchenserums. Dieser beträgt nur 5,098°/,. Dies stimmt
mit dem geringen Refraktionswert.
Die Refraktion des Meerschweinchenserums beträgt nach
unseren Bestimmungen 46,3 Skalenteile des Eintauchrefrakto-
meters. Nach den Untersuchungen von Reiß entspricht einer
solchen Refraktion des Serums (die Bestimmungen von Reiß
1) Nach Abderhalden, Zeitschr. f. phys. Chemie, 25, ist der
Wassergehalt des Serums vom Rind 913,064, vom Kaninchen 925,60,
vom Stier 913,38, vom Hund 923,02, vom Schaf 907,69, von der Katze
926,93, vom Pferd 902,05, vom Schwein 917,61.
Zur Kenntnis des Meerschweinchenserums. 425
beziehen sich allerdings auf Menschenserum) ein Eiweißgehalt
von 5,31°/,, was mit unseren direkten Eiweißbestimmungen
sehr gut übereinstimmt.
Da der Zuckergehalt des Meerschweinchenserums von dem-
jenigen der übrigen Tierarten nicht abweicht, so entsprechen
diese unsere Angaben auch den Beobachtungen von Abder-
halden und Weil, wonach die Linksdrehung des Meer-
schweinchenserums eine viel geringere ist als die anderer Sera.
„Die untersuchten Säugetierarten und der Mensch haben ein
sehr ähnlich drehendes Blutserum. Nur das Meerschweinchen
fällt aus der Reihe“!), Das Serum der meisten Tierarten zeigt
in einem 25 mm-Rohr eine Linksdrehung von 0,78°, das Serum
von Meerschweinchen nur 0,61°. —
Sehen wir von der Refraktion und dem Drehungsvermögen
ab, so unterscheiden sich die übrigen physikalischen Konstanten
nicht wesentlich von denjenigen anderer Sera. Die geringen
Abweichungen lassen sich mit dem höheren Wasser- und ge-
ringem Eiweißgehalt des Meerschweinchenserums erklären. —
Auch die meisten chemischen Bestandteile der Meerschwein-
chensera sind von derselben Größenordnung, wie man sie für
andere Sera gefunden hat.
Wenn man annehmen darf, daß die Zusammensetzung
der Meerschweinchensera keinen erheblichen individuellen
Schwankungen unterworfen ist, und wenn daher gestattet ist,
aus unseren Bestimmungen allgemeine Schlüsse zu ziehen, so
können wir sagen, daß das Meerschweinchenserum nur in
seinem Eiweißgehalt von den übrigen Seris abweicht.
Diese, sowie die übrigen Abweichungen, die wir zwischen
unseren Werten und denjenigen, die andere Autoren für andere
Tiersera angeben, gefunden haben, sind viel zu gering, um
irgendwelche Schlüsse auf die Ursache der Ausnahmestellung
zu gestatten, die das Meerschweinchenserum in immunolo-
gischer Hinsicht unter den übrigen Tierseris einnimmt.
1) Vgl. Zeitschr. f. phys. Chemie, 81, 3.
Autorenverzeichnis.
Bäck, Hans. Beiträge zur Kennt- |
nis der Ausscheidung der Sapo-
nine durch den Kot. S. 223.
Boas, Friedrich. Weitere Unter-
suchungen über die Bildung lös-
licher Stärke bei Schimmelpilzen
mit besonderer Berücksichtigung
der Frage nach der Eiweißsyn-
these der Schimmelpilze. S. 110.
Corral, José M. de.
rische Stoffwechselversuche über
die Frage der Bildung von Zucker |
Eiweißabbau- |
aus Eiweiß und
produkten. S, 176.
Euler, Hans. Über die Darstel-
lung von Kohlenhydratphosphor-
säureester (Zymophosphat) durch
lebende Hefe. S. 337.
Feigl, Joh. Neue Untersuchungen
über akute gelbe Leberatrophie.
III. Fette und Lipoide des Blutes.
S. 1.
— Über das Vorkommen von Phos-
phaten im menschlichen Blut-
serum. V. Weitere Versuche zur
analytischenWiedergabe des Rest-
phosphors. Selbständige Bestim-
mung dieser Fraktion. S. 395.
— und H. Luce. Neue Unter-
suchungen über akute gelbe Leber-
atrophie. IV. Verhalten von Blut-
zucker und Glykogen. Weitere
Bevbachtungen über den Rest-
stickstoff des Blutes und seine
Gliederung. Acetonkörper. Vor-
läufige Zusammenfassung von Er-
gebnissen über Befunde in Blut
und Plasma. S. 48.
Fieger, Josef. Über die Aus-
scheidung von Saponinen durch
den Harn und ihre Wirkung auf
das Blut nach innerlicher Dar-
reichung. S. 243.
Respirato- |
Freund, Julius. Beiträge zur
Kenntnis des Meerschweinchen-
serums. S. 421.
Haan, J. de. Über die Senkungs-
geschwindigkeit der Blutkörper-
chen verschiedener Blutarten im
Hinblick auf deren Verwendbar-
keit für Phagocytoseuntersuch-
‚ ungen. S. 293.
Hamburger, H. J. Anionenwan-
derungen in Serum und Blut
unter dem Einfluß von CO,
Säure und Alkali. S. 309.
Hasselbalch, K. A., und E. J.
Warburg. Ist die Kohlensäure-
bindung des Blutserums als Maß
für die Blutreaktion verwendbar ?
S. 410.
Jacoby, Martin. Über Ferment-
bildung. 6. Mitteilung. S. 329.
Lampl, Hans, s. Landsteiner.
Landsteiner, Karl, und Hans
Lampl. Über die Abhängigkeit
der serologischen Spezifizität von
der chemischen Struktur. (Dar-
stellung von Antigenen mit be-
kannter chemischer Konstitution
der spezifischen Gruppen.) XII.
Mitteilung über Antigene. S. 343.
Loewy, A., und R. von der
Heide. Über die Aufnahme des
Athylalkohols durch die Atmung.
S. 125.
Luce, H., s. Feigl.
Meyerhof, Otto. Notiz über Ei-
weißfällungen durch Narkotica.
S. 325.
Siegfried, M. Über die Beein-
flussung von Reaktionsgeschwin-
digkeiten durch Lipoide. S. 98.
von der Heide, R., s. Loewy.
Warburg, E. J., s. Hasselbalch.
BUCADA LONO
32101 079671572
pr