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Full text of "Biochemische Zeitschrift 95.1919"

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DR ibrary of 





Princeton University. 


Presented ір 
Charles Millisten M’Alpin , 
Class of 88. 





Biochemische Zeitschrift. 


Beiträge 
zur chemischen Physiologie und Pathologie. 


Herausgegeben von 
Е. Hofmeister-Straßburg i. Els., C. von Noorden-Frankfurt a. M. 
E. Salkowski-Berlin, A. von Wassermann-Berlin, N. Zuntz-Berlin 
unter Mitwirkung von 
И. Ascoli- Catania, L. \sher- Bern, ©, Bertrand - Paris, A, Віскеі - Berlin, Е. Biumenthal- 
Berlin, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhei. B., A.Durig-Wien, F. Ehrlich- 
Breslau, Н, у. Euler-Stockholm, J. Feigl-Hamburg, 8. Fiexner-NewYork, J, Forssman-Lund, 
8. Fränkel-Wien, Е. Freund-Wien, Н, Freundlich-Berlin-Dahlem, E. Friedberger-Greifswald, 
E. Friedmann- Berlin, ©. v. Fürth-Wien, G. Galeottl-Neapel, Е, Haber- Berlin-Dahlem, Н. J, Ham- 
burger - Groningen, Р. Hári- Budapest, A. Hefter - Berlin, V. Henri- Paris, V. Henriques- 
Kopenhagen, W. Heubner-Göttingen, R. Höber-Kiel, М. Jacoby-Berlin, A. Koeh-Göttingen, 
М. Kumagawa-Tokio, F. Landoit-Buenos Aires, L. Langstein-Berlin, Р. A. Levene-New York, 
L. v. Liebermann-Budapest, J. Loeb-New York, A. Loewy-Berlin, A. Magnus- Levy- Berlin, 
3. A. Mandel- New York, L. Marchlewski-Krakau, Р. Mayer-Karlsbad, J. Meisenheimer-Greifswald, 
L. Michaelis- Berlin, Н. Molisch-Wien, J. Morgenroth - Berlin, E. Münzer- Prag, W. Nernst- 
Berlin, W. Ostwaid - Leipzig, W. Palladin - St. Petersburg, W. Pauli-Wien, В. Pfeifler- Breslau, 
Е. P. Pick Wien, J. Pohl- Breslau, Ch. Porcher- Lyon, Р. Rona- Berlin, 8. Sa'askin- St. Peters- 
burg, N. Sieb r - St. Petersburg, М. Siegfried - Leipzig, 8. Р. L. BSörensea- Kopenhagen, И. Spiro- 
Straßburg, E, H. Starilng-London, J. Stoklasa-Prag, W,8Straub-Freiburgi.B.. A. Stutzer-Königs- 
berg i. Pr., Н. v, Tappeiner-München, H. Thoms- Berlin, P. Trendeienburg-Rostock, А. J, 3. Van- 
deveide „Сеп, ©. Warburg-Berlin, W. Wiechowski- Prag, А. Wehl-Danzig, 2. Wohlgemuth-Berlin. 


Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin. 


Fünfundneunzigster Band. 





MORPHOLOGICAL LABORATOFY, 
GREEN SCHOOL OF SCIENCE, 









Berlin. 
Verlag von Julius Springer. 
1919. 


Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
Nottbohm, Р. E. Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung 
geeimet? а... а.а... Bu a AA 1 
Halberkann, J. Chinin und Hydrochinin im menschlichen бека» 
mus. Verhalten des Chinins gegen rote Blutkörperchen. . . . 24 
Lange, €. Über Jod-Stärkereaktion und ihre Verwendung für eine 


colorimetrische Eiweißbestimmung bei Immunitätsprozesen . . 46 
Traube, J. und Hedwig Rosenstein. Über die Wirkung von oberflächen- 

aktiven Stoffen auf Pflanzensamen ............. 85 
Briokman, R. Einige Bemerkungen über die Bedeutung des Blut- 

ЖАКЕ a Ehr nn ae Фао ЫМ Ла) Ia ée 101 
Armbrecht, Walther. Beiträge zur Kenntnis der Chitose ..... 108 


Jacoby, Martin. Über Bakterien-Katalase. III.. . . . . . . . . . 124 
Dienes, L. · Studien zur quantitativen Bestimmung sehr geringer 
Ca-, Mg- und P-Mengen in tierischen Substanzen . . . . .. . 131 
Trendelenburg, Paul. Quantitative Messungen über die Spaltung des 
Hexamethylentetramins . . . ......... e enee wd 146 
Tunmann, ©. Über die Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen . 164 
Boas, Friedrich und Hans Leberle. Untersuchungen über EE 


bei Pilzen und Hefen. III... . . de fach 169 
Richter- Quittner, M. Zur Methodik der hsmin KORE EA E: 
Kritik der Enteiweißungsmethoden. . . 2»: 2 22... 0... 179 
Vécsei, Anna. Beitrag zur Kenntnis der Hämagglutinine und Hämo- 
Lentgen л ыы E are we ga Tee АЙС ЛЕК T EU 
Acél, D. Über Resistenz der roten Blutkörperchen bei Stiokstof- 
defizit und bei Inanition .................. 211 


Schilling, Karl. Beitrag zur Lehre von der Biutgeriunung So a 090 

Beumer, H. Zur pathogenetischen кү der Ölsäure bei An- 
EE ENEE a dx ew e 080 

Flury, Ferdinand und Wollgang еба. Über Wirkung und Ent- 
giftung eingeatmeter Blausäure ........... .. e 249 





IV 

Seite 

Нагі, Paul. Über die Lichtabsorption neutraler Lösungen von Oxy- 
hämoglobin ......... ө ar enge, ее 65 лара ДЭЙ 

Hári, Paul. Ist das ‚Absorptionsverhältnis (Vierordt) ein von der Art 

des verwendeten Apparats (Spektrophotometer) unabhängiger, 
charakteristischer Wert? .................. 266 

• Kornfeld, Klara und Heinrich Lar. Untersuchungen über die Wärme- 

tönung von Enzymreaktionen. V. Über die ER der 
Organautolyse . . . . . . .. . Б өзө ЛӨ. ы ЛЕ Ss оа ОТО 
Nord, Е. Р. Biochemische Bildung von ‘Aminoäthylalkohol aus Serin 281 

Gonnermann, M. Der Eisengehalt der Öle, Fette, Wachsarten, Harze, 

Gummiharze, Gummiarten; sowie einige Analysen über den Ge- 


halt an Kieselsäure und Tonerde .......... . 286 
Einbeck, Hans. Über quantitative Versuche mit CC 66 
von Battelli und Stern эй Меле Are E EAR, tr 2% . . 296 


Kögel, P.R. Über die Photosynthese des Formaldehyds und des 
Zuckerss . ..... et ee Маас эв a "б e ar EEN 
Autorenverzeichnis . 2 2 2 s 20 2 2er Жо» улу а р» ‚ 817 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung 
8 geeignet? 


Von 


F. E. Nottbohm. 


(Mitteilung aus dem Staatlichen Hygienischen Institut zu Hamburg.) 


(Eingegangen am 11. März 1919.) 


Mit 4 Figuren im Text. 


Wiederholt ist der Einfluß des Lactationsstadiums auf 
Zusammensetzung und Eigenschaften der Milch auf experimen- 
teller Grundlage bearbeitet worden, so daß man im allgemeinen 
über die Veränderungen der Milch bei fortschreitender Lacta- 
tion unterrichtet ist. Soweit die umfangreiche Literatur über 
diesen Gegenstand eingesehen werden konnte, finden sich aber 
gerade in bezug auf das Ende der Lactation, d.h. diejenige 
Zeit, in welcher nur noch sehr wenig Milch produziert wird, 
keine zusammenhängenden Angaben über die in diesem Stadium 
auftretenden weitgehenden Veränderungen. Wenn auch hin 
und wieder Abweichungen einzelner Milchbestandteile von der 
normalen Beschaffenheit einer Milch verzeichnet sind und sich 
vereinzelt schon Andeutungen finden, daß die letzte Milch sich 
nicht zur Verwendung als Kindermilch eignet, so ist doch eine 
eingehende Prüfung der Frage, ob die Milch, die gegen Ende 
der Lactation gewonnen wird, so weitgehende Abweichungen 
von der Beschaffenheit einer normalen Milch zeigt, daß sie als 
Säuglings- oder Vorzugsmilch nicht in den Verkehr gebracht 
werden sollte, offenbar noch nicht vorgenommen worden. 

Während in sehr vielen Milchverordnungen, unter anderen 


auch in dem Hamburger Gesetz betreffend den Verkehr mit 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 1 


о Е. Ё. Nottbohm: 


Kuhmilch vom Jahre 1894 sich in bezug auf die gewöhnliche 
Handelsmilch die Vorschrift findet, daß „nach dem Abkalben 
gewonnene Milch so lange nicht in den Verkehr gebracht werden 
darf, als sie beim Kochen gerinnt“, ist, soweit ermittelt werden 
konnte, keine Vorschrift über Vorzugsmilch bekannt, die das 
Produkt des letzten Stadiums der Lactation als Vorzugsmilch 
ausschaltet. Der Entwurf einer Hamburger Verordnung über 
den Verkehr mit Kuhmilch stellt zwar unter III. Beschaffen- 
heit der Milch, im $ 8 die Anforderung, daß „von der Ein- 
fuhr in die Stadt Hamburg und vom Verkehr daselbst auszu- 
schließen ist, Milch, die kurz vor oder in den ersten Tagen 
nach dem Abkalben gewonnen ist, solange sie beim Kochen 
gerinnt oder nach Aussehen, Geruch und Geschmack die Eigen- 
schaften gewöhnlicher Milch nicht besitzt“. Hier soll offenbar 
nur die unmittelbar vor dem Kalben erzielte Milch be- 
troffen werden, soweit sie nach leicht feststellbaren äußeren 
Eigenschaften keine verkehrsfähige Milch darstellt, also das 
Colostrum. Würde der Begriff „kurz vor dem Kalben“ so 
weit gefaßt werden, daß auch die Milch, die am Ende der 
Lactation erzielt wird, einbegriffen ist, so bliebe immer noch 
zu ihrer Ausschließung vom Verkehr die Forderung, daß sie in 
den angezogenen Eigenschaften von normaler Milch ab- 
weichen muß. 

Soweit bis jetzt aber schon festgestellt werden konnte, 
besteht Grund für die Annahme, daß jede Milch gegen Ende 
der Lactation in ihrer chemischen Zusammensetzung weitgehende 
Abweichungen von gewöhnlicher Milch zeigt, ohne daß diese 
Eigenschaften äußerlich erkennbar sind. 

Die für diese Ansicht bereits vorliegenden Unterlagen 
sollen nachstehend’ aufgeführt werden. 

Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, daß die ein- 
zelnen Milchbestandteile nicht unbeträchtlichen Schwankungen 
unterworfen sind. Wenn daher in diesen Ausführungen von 
einer Durchschnittsmilch gesprochen wird, so ist dies mit ge- 
wissem Vorbehalt zu verstehen, da eine Reihe von Ursachen, 
wie Rasse, Fütterung, Brunst, Melkzeit und andere mehr oder 
weniger erhebliche Abweichungen von dieser Normalmilch be- 
dingen können. 

Nachfolgend ist die Zusammensetzung einer Milch, die 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 8 


nach den Untersuchungen von Bremer und Sponnagel’) und 
solchen, die im hiesigen Institut ausgeführt wurden, für das 
in der Umgegend Hamburgs vorherrschende Niederungsvieh als 
Durchschnittsmilch anzusehen ist, wiedergegeben und den von 
König?) angeführten Zahlen für die mittlere Zusammensetzung 
einer Frauenmilch gegenüber gestellt: 





Fettfreie |Stickstoff-] Milch- 
Spez. Gew.| Fett | Trocken- | substanz | zucker | Asche 
bei 15° Da | substenz lin 100 eem än 100 сот) 2, 


°% g g 
Kuhmilch ... 1,0315 | 3,10 8,75 3,16 4,91 0,77 
Frauenmilch . . | 1,0298 | 3,74 8,68 2,01 (9/,) | 6,87 (°/%)| 0,30 


Ein Vergleich der vorstehenden Zahlen zeigt deutlich, wie 
verschieden die beiden Milcharten ihrer chemischen Zusammen- 
setzung nach sind. Die Kuhmilch übertrifft in erster Linie im 
Aschengehalt die Frauenmilch um das Doppelte; daneben ist 
sie auch erheblich reicher an Eiweißstoffen — ganz abgesehen 
von deren Zusammensetzung —, während umgekehrt ihr Ge- 
halt an Milchzucker niedriger liegt als bei der Frauenmilch. 

Um demnach in einfachster Weise die Kuhmilch in 
einigen wichtigen Punkten der natürlichen Nahrung des Säug- 
lings ähnlich zu machen, verdünnt man sie zur Herabsetzung 
des Protein- und Aschengehaltes mit Wasser unter gleich- 
zeitigem Zusatz von Milchzucker. Das dabei eintretende 
Herabdrücken des Fettgehaltes gleicht man im allgemeinen da- 
durch aus, daß man entsprechend mehr Milchzucker zusetzt, 
da 243 Teile Milchzucker 100 Teilen Fett isodynam sind. 

Von einer alleinigen Verdünnung der Kuhmilch mit Wasser 
ist schon aus dem Grunde abzuraten, weil dadurch der osmo- 
tische Druck, der für Frauen- und Kuhmilch nahezu gleich 
ist, herabgesetzt würde. Eine Milchzuckerlösung von 11,5 °/, 
hat aber den gleichen osmotischen Druck wie Milch?). 

Im allgemeinen kann somit unter der Annahme, daß die 








1) Milchzeitung 38, 409, 1909. 
з) Die menschlichen Nahrungs- und Genußmittel, 4. Aufl., 2, 
598, 1904. 
3) Jahrbuch für Kinderheilkunde 47, 389, 1898. 
1* 


4 F. E. Nottbohm: 


zur Verwendung gelangende Kuhmilch in ihrer Zusammen- 
setzung keine erhebliche Schwankung zeigt, durch Zusatz einer 
bestimmten Menge Milchzuckörlösung ein annähernd gleich- 
artiges Produkt erzielt werden. 

Wie liegen aber die Verhältnisse, wenn als Ausgangs- 
material für die herzustellende Mischung eine Milch verwendet, 
wird, die erst gegen Ende der Lactation gewonnen ist? 

Da nach dieser Richtung hin eine größere Anzahl von 
Untersuchungen bisher nicht ausgeführt werden konnte, so muß 
zunächst versucht werden, diese Frage unter Zuhilfenahme der 
bereits vorliegenden Literaturangaben an der Hand der Zu- 
sammensetzung von drei gelegentlich entnommenen Milchproben 
altmelker Kühe zu beantworten. 

Die bei den eigenen Untersuchungen ermittelten Zahlen 
sind in der nachfolgenden Zusammenstellung aufgeführt: 











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9,34 | 5,17 | 3,41 | 0,92 2,18 


9,78] — | — | 0,83 1,80 
11,46 | 7,25 | 3,06 | 1,20 2,42 


1 |6. v.ıol 1 [| 1,0343 [4,70 
73 |19. 11.14) 1}, | 1,0310 | 5,70 
165 |19. Ш. 14] 1 | 1,0350 | 8,00 


In allen drei Fällen handelt es sich um Tiere, die nur 
noch sehr wenig Milch lieferten und die deshalb nur noch ein- 
mal täglich gemolken wurden. Während die Milch der Kuh 
Nr. 1 im Haushalte verwertet wurde, kam diejenige von Nr. 73 
und 165 in den Verkehr und zwar, da die betreffende Wirt- 
schaft besondere Sauberkeit in der Aufstallung der Tiere und 
in der Behandlung der Milch vorsieht, als bevorzugte Milch. 





Fett. 

Sehen wir vom spezifischen Gewicht, das in zwei Fällen 
ungefähr mit demjenigen einer Zentrifugenmagermilch über- 
einstimmt, ab, so zeigt in erster Linie der Fettgehalt eine auf- 
fallende Höhe. Würde man die Milch der Kuh Мг. 165 nach 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 5 


dem Fettgehalt beurteilen, so müßte man sie als Rahm an- 
sprechen. 

Es kann aber nicht gleichgültig sein, ob ein Säugling 
heute eine Milch mit einem Fettgehalt von 3,1°/, bekommt 
und morgen eine solche mit einem Fettgehalt, der annähernd 
dreimal so hoch liegt. Man wird vielleicht den Einwand er- 
heben wollen, daß derartige Fälle nur ganz vereinzelt vor- 
kommen und daß die Höhe des Fettgehaltes einzelner Gemelke 
durch andere Milch ausgeglichen wird. Ich will aber vorweg 
bemerken, daß auf dem Gut, von dem die Proben der Kühe 
Nr. 73 und 165 kommen, die Kühe nach dem Milchertrag 
gefüttert und zu dem Zwecke auch entsprechend aufgestallt 
werden. So kommt es, daß sämtliche Kühe, die am Ende der 
Lactation sind, zusammenstehen und daß infolgedessen unter 
Umständen die Mischmilch ganzer Kannen nur von Tieren 
stammt, die am Ende der Lactation sind und deren Milch, 
wie später noch gezeigt wird, eine durchaus anormale Zu- 
sammensetzung aufweist. Hinzu kommt, daß das Abkalben in 
hiesiger Gegend in der Hauptsache in einem ziemlich eng be- 
grenzten Zeitabschnitt erfolgt, so daß schon aus diesem Grunde 
allein die Möglichkeit besteht, daß zeitweilig die Milch ganzer 
Kannen nur von altmelken Kühen herrührt. 

Ganz abgesehen von der außergewöhnlichen Höhe des 
Fettgehaltes, macht sich gegen Ende der Lactation aber auch 
eine tiefgehende Veränderung in der Beschaffenheit des 
Fettes bemerkbar. 

Erst kürzlich hat von Fodor!) diese Veränderungen ein- 
gehend geprüft und sich hauptsächlich mit dem Säuregrad 
befaßt. Bekannt "war bereits, daß die Menge der in Wasser 
löslichen flüchtigen Fettsäuren (В. М. 7.) während der Lacta- 
tionsperiode allmählich sinkt, während die Jodzahl zunimmt. 

Fodor fand zunächst, daß Butter in den Monaten, in 
denen das Abmelken vornehmlich stattfand, viel schneller ver- 
dirbt als zu anderen Zeiten des Jahres. Um die Ursache 
hierfür festzustellen, verbutterte er den Rahm der Milch von 
frisch- und altmelken Kühen. Die erhaltene Butter zeigte, 
-wenn sie noch am Tage des Melkens gewonnen war, für beide 


1) Diese Zeitschr. 26, 235, 1913. 


6 F. N. Nottbohm: 


Arten ungefähr denselben Säuregrad.. War die Butterung 
jedoch am Tage nach dem Melken vorgenommen, so übertraf 
die Butter von altmelken Kühen die andere im Säuregrad 
ganz erheblich. Fodor zieht auf Grund seiner Versuchs- 
ergebnisse den Schluß, daß das Milchfett der altmelken 
Kühe leichter zersetzbar ist als das der frischmelken. 
Die schnelle Veränderlichkeit des Fettes muß naturgemäß den 
Geschmack der Milch selbst bei kurzer Aufbewahrung schon 
nachteilig beeinflussen. Fortgeschrittene Lactation soll nach 
L. A. Rogers!) oft die Ursache eines ausgesprochen bitteren 
Geschmackes der Milch sein. Aus eigener Anschauung kann 
hierzu gesagt werden, daß die Milch der Kühe 73 und 165 
am Tage nach der Probeentnahme bereits einen widerlich 
säuerlichen Geruch aufwies, so daß sie in diesem Zustande für 
den unmittelbaren Genuß untauglich war. Es ist anzunehmen, 
daß solche Milch schon unmittelbar nach dem Melken sich 
geschmacklich scharf von anderer Milch trennen läßt, eine 
Eigenschaft, auf die der Säugling sofort reagieren wird. 


Fettfreie Trockensubstanz. 


Der Jahresdurchschnitt an fettfreier Trockensubstanz be- 
trug in den Jahren 1912 und 1913 für die Hamburger Markt- 
milch 8,83 bzw. 8,86°/,, bewegt sich also in relativ engen 
Grenzen. Recht erhebliche, a zeigen dagegen die 


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Fig. 1. 















875 


470 





465 





460 


1) U. S. Dep. of. Agriculture. Farmers Bull. 490. 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 7 


Durchschnittszahlen der einzelnen Monate, die der Übersicht 
halber in der beifolgenden graphischen Darstellung I zu- 
sammengestellt sind. 

Um die Veränderungen in der Höhe der fettfreien Trocken- 
substanz noch anschaulicher zu machen, ist die Darstellung II 
so getroffen, daß hier nur diejenigen Milchproben, deren fett- 
freie Trockensubstanz über 9°/, und damit schon nicht uner- 
heblich über dem Jahresdurchschnitt liegt, zu den gesamten 
untersuchten Proben in Beziehung gebracht sind. 

Im allgemeinen läßt sich aus den Kurven I und II fol- 
gendes ersehen: * 

Vom Monat Juli an findet bis zum November ein gleich- 
mäßig schnelles Ansteigen der Trockensubstanz statt, während 
sie dann im Frühjahr, abgesehen von einem plötzlichen Ab- 
fallen im Monat April, allmählich bis zum Juli wieder sinkt. 
Unter dem jeweiligen Jahresdurchschnitt an fettfreier Trocken- 
substanz sind, abgesehen vom Mai, die Monate April bis Oktober 
zu verzeichnen, von denen wieder der Monat Juli die am 
wenigsten gehaltreiche Milch liefert. 

Auf welche Ursachen ist nun der hohe Durchschnitt an 
fettfreier Trockensubstanz in den Wintermonaten zurückzu- 
führen? 


ZERSBERBERE 





























8 F. E. Nottbohm: 


Die drei untersuchten Milchproben von altmelken Kühen 
liegen mit 9,34, 9,78 und 11,46°/, fettfreier Trockensubstanz 
sehr weit über dem Durchschnitt. Wenn diese Werte sich 
auch lediglich auf Einzelgemelke beziehen, so zeigen die für 
einzelne Monate aufgeführten Höchstwerte (Darstellung II) 
doch, daß gleiche oder ähnliche außergewöhnliche Zustände 
auch bei der Hamburger Marktmilch anzutreffen sind. Es ist 
anzunehmen, daß, abgesehen von Einflüssen, die durch be- 
sondere Fütterungsverhältnisse — Übergang zur Trocken- 
fütterung — und andere Umstände bedingt sind, der hohe 
Durchschnitt an fettfreier Trockensubstanz in den Winter- 
monaten mit darauf zurückzuführen ist, daß um diese Jahres- 
zeit die Mehrzahl der Milchtiere kurz vor dem Kalben steht 
und in diesem Stadium Milch mit außergewöhnlich hoher fett- 
freier Trockensubstanz liefert. 

Es muß aber für anormale Mengen an fettfreier Trocken- 
substanz in einer Kindermilch das gleiche gelten wie für 
außergewöhnlichen Fettgehalt, d.h. es kann nicht gleichgültig 
sein, ob ein Säugling einmal eine normal zusammengesetzte 
Milch mit einer fettfreien Trockensubstanz von ungefähr 8,75 °/, 
erhält und das andere Mal eine solche mit 9 bis 11 und mehr 
Prozenten. 


Stickstoffsubstanz. 


Die Kurven für den Gehalt der Milch an Trockensubstanz 
sind bis zu einem gewissen Grade abhängig von den Schwan- 
kungen der Milch im Eiweißgehalte. Es soll daher versucht 
werden, als Erklärung für das in allen drei Jahren sich be- 
merkbar machende Sinken der Trockensubstanz im Monat 
April — siehe Knickung der Kurven І und II — und für die 
auffallende Höhe an Trockensubstanz in den Wintermonaten 
gewisse im Verlaufe der Lactationsperiode regelmäßig auf- 
tretende Schwankungen im Eiweißgehalte heranzuziehen. Hierbei 
kann auf Versuche zurückgegriffen werden, die Eckleß und 
Shaw!) an einer Reihe von Milchtieren während des Verlaufs 
einer ganzen Lactationsperiode anstellten. Des besseren Ver- 
gleichs halber teilen sie die Lactationszeit nach Abzug der 
Colostralperiorde und der Zeit kurz vor dem Versiegen der 


1) U. S. Dep. of. Agriculture. Bureau of Animal Industry Bull. 155. 


і 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsrahrung geeignet? 9 






































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ei akeeft Date, 27 
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= 















































Milch in etwa vierwöchige Abschnitte ein und geben den wirk- 
lichen Durchschnittsgehalt an Stickstoffsubstanz für die Einzel- 
abschnitte an. > 

In der Darstellung III sind die von den Verfassern in 
Zahlen angegebenen Werte aufgezeichnet. Die daraus sich er- 
gebenden Linien zeigen die bemerkenswerte Tatsache, daß der 
Eiweißgehalt der Milch jedes einzelnen Versuchstieres unmittel- 
bar nach der Colostralperiode nicht unbeträchtlich abnimmt, 


10 F. E. Nottbohm: 


um nach einigen Monaten, d. h. gegen Ende der Lactation 
weit über den anfänglichen Gehalt hinaus zu steigen. 

Um das deutliche Sinken des Eiweißgehaltes am Anfang 
der Lactationsperiode noch anschaulicher zu machen, zeigt 
Darstellung IV den wöchentlichen Eiweißgehalt der Milch 
in den ersten sechs Wochen nach der Colostralperiode. 


7 Woche 5:2 A 4, 5 
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—— 
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301 -—-—- 








Überträgt man die Befunde der amerikanischen Forscher 
auf die hiesigen Verhältnisse, so kann, da die Zeit des Ab- 
kalbens hier hauptsächlich in die Wintermonate und zwar vor- 
zugsweise in die Monate Februar und März fällt, dieser Um- 
stand möglicherweise als Erklärung für das auffällige Sinken 
des durchschnittlichen Gehaltes an fettfreier Trockensubstanz 
im April herangezogen werden. Daß die hohen Trockensub- 
stanzen der Wintermonate in erster Linie auf den zunehmen- 
den Eiweißgehalt der Milch gegen Ende der Lactation zurück- 
zuführen sind, läßt ein Blick auf die Darstellung III erkennen, 
wo von der 7. bis 8. Periode an sämtliche Kurven lebhaft 
ansteigen. Außerdem spricht für diese Anschauung neben 
eigenen Untersuchungen der hohe Prozentsatz von Milchproben 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 11 


mit über 9°/, fettfreier Trockensubstanz in den Winter- 
monaten. 

Da bei den Versuchen von Eckleß und Shaw nach dem 
anfänglichen Sinken des Eiweißgehaltes dieser während der 
ganzen übrigen Lactationsperiode lediglich eine aufsteigende 
Tendenz zeigt und da die sonstigen für die Zusammensetzung 
der fettfreien Trockensubstanz in Frage kommenden Stoffe nur 
unerheblichen Schwankungen unterliegen, so bleibt dagegen 
der für Hamburg festgestellte Tiefstand der Trockensubstanz 
in den Sommermonaten zunächst unaufgeklärt. Möglich ist 
allerdings, daß der Übergang von der Stallfütterung zum Weide- 
gang, der in hiesiger Gegend ungefähr in die Mitte des Monats 
Mai fällt, und die dann einsetzende ausschließliche Grasnahrung 
eine Herabsetzung des Eiweißgehaltes der Milch bedingen. Im 
vorliegenden Falle können jedoch für den Tiefstand der Trocken- 
substanz in den Sommermonaten noch andere Momente in 
Frage kommen, da die Berechnungen den durchschnittlichen 
Gehalt der Hamburger Marktproben darstellen. Gegebenen- 
falls wäre über die Ursachen der besprochenen Erscheinung 
durch Untersuchung der Milch von Viehstapeln, die ausschließ- 
lich Stallfütterung und solchen, die Weidegang haben, Klarheit 
zu schaffen. 

Ist der höhere Proteingehalt einer normalen Kuhmilch 
gegenüber Frauenmilch schon ein maßgebender Faktor für ihre 
Beurteilung als Ersatz für Muttermilch, so wird er zu einer 
äußerst wichtigen Frage, wenn man annehmen muß, daß bei 
der Nahrung eines Säuglings von heute auf morgen eine Er- 
höhung des normalen Eiweißgehaltes um das Doppelte und 
mehr eintreten kann. Die drei untersuchten Proben sprechen 
jedenfalls für eine solche Möglichkeit. Bei Kuh Nr. 165 ist 
der Eiweißgehalt etwa 3- bis 4mal so hoch wie der einer nor- 
malen Frauenmilch. 

Abgesehen von der beträchtlichen Zunahme der Protein- 
stoffe gegen Ende der Lactation muß auch mit der Möglich-. 
keit gerechnet werden, daß die einzelnen Eiweißarten in ihrem 
Verhältnis zueinander gegenüber normaler Kuhmilch eine Ver- 
änderung erfahren haben. н 

Da a priori angenommen werden kann, daß durch eine 
plötzliche Überfütterung eines Säuglings mit Eiweiß Ver- 


12 F. E. Nottbohm: 


dauungsstörungen auftreten, so kann man zu der Ansicht 
kommen, daß in den Monaten, in denen sich die meisten Milch- 
tiere am Ende der Lactation befinden, also im Spätherbst und 
im Winter, ein Ansteigen der Säuglingserkrankungen zu ver- 
zeichnen sein muß. Es erscheint deshalb nicht ausgeschlossen, 
daß Vergleiche auf Grund statistischer Unterlagen auch nach 
dieser Richtung hin Aufklärungen bringen können. 


Milchzucker. 


Der höhere Milchzuckergehalt der Frauenmilch gilt als 
wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber Kuhmilch. 
Nach den vorliegenden beiden Untersuchungen der Milch alt- 
melker Kühe besteht Grund zu der Annahme, daß der Milch- 
zuckergehalt im letzten Stadium der Laktation zurückgeht, 
so daß dadurch die Verwendung solcher Milch als Säuglings- 
nahrung noch mehr in Frage gestellt wird. 


Daß man eine Milch, die in der letzten Zeit vor dem 
Versiegen gewonnen ist, infolge ihrer von normaler Milch ab- 
weichenden Zusammensetzung im allgemeinen schon durch die 
gewöhnliche Milchuntersuchung wird erkennen können, dürfte 
anzunehmen sein. Wie steht es aber, wenn eine Vermischung mit 
normaler Milch stattgefunden hat, oder wenn sich die Ver- 
änderungen noch nicht so stark bemerkbar machen, daß sie 
die nicht unbeträchtlichen üblichen Schwankungen in der Zu- 
sammensetzung gewöhnlicher Milch nicht übertreffen? In diesem 
Falle lassen sich mit Hilfe der allgemein üblichen Unter- 
suchungsweise keine Anhaltspunkte für die Gegenwart von 
anormaler Milch finden. Man darf aber voraussetzen, daß sich 
mit Rücksicht auf die Entstehungsweise der Milch in der Zu- 
sammensetzung der Milchasche die Einflüsse der Lactation 
bereits zu einem Zeitpunkte zeigen werden, wo sie anderweitig 
noch nicht zu erkennen sind. Es erscheint daher angebracht, 
den einzelnen Aschenbestandteilen der Milch verschiedener 
Lactationsstadien ganz besondere Beachtung zu schenken. 

In der nachfolgenden Tabelle ist die Zusammensetzung 
einer Anzahl von Milchaschen wiedergegeben. 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 13 


Zusammensetzung der Aschen von anscheinend nor- 
maler Milch. 




















1:2,4 

Schrodt & Hansen‘) погов 2448 | 1424 |1:2,3 
König)...... 2465| 8,18 26.28 | 13,95 | 1: 3,0 
Pr. I .| 2551| 5,58 28,83 | 11,34 11:46 

Kuh 655%) Pr. D. .| 25.101 532 30,16 | 10,58 | 1 :4,7 
Pr. Ш .| 19,53) 6,30 28,71 | 1287 [1:31 

Рг.І,. .| 2571| 588 28.76 | 13,78 | 1:44 

Kuh 674%) Pr. П, .| 2447| 6.05 27.26 | 17.05 11:40 
Pr. II .| 2031| 10,34 25,58 | 20.23 | 1:20 

Orla Jensen?) . . .| 25,27| 6,01 27,32 | 13,99 |1: 4,20 
V. Storch ®) 2474| 9,71 28.05 | 13,36 | 1:255 
ENEE eebe 2123| 7,19 27,96 | 1245 |1:3,0 
Kuh2 e ou 2407| 5,75 27.00 | 14,79 11:42 
Kıh38...... 17,92] 4.76 30,63 | 9,65 | 1:38 





Schrodt & Hansen nahmen während der Monate Januar- 
September Aschenuntersuchungen in der Milch des Viehstapels 
der Versuchsstation Kiel vor. Hierbei war es ihnen in erster 
Linie darum zu tun, die Schwankungen festzustellen, die 
im Laufe der Lactationszeit auftraten. Die in der Tabelle 
wiedergegebenen Zahlen stellen die durchschnittliche Zusammen- 
setzung der Asche dar, und zwar a) diejenige der aus Stall- 
fütterung gewonnenen Milch, b) diejenige der aus Weidegang 
erzielten. Die von König angegebenen Zahlen sind Mittelwerte 
aus 16 Analysen. 

Trunz untersuchte die Milchaschen von 2 Kühen während 
einer ganzen Lactationsperiode Um die einzelnen Abschnitte 
derselben miteinander vergleichen zu können, teilte er sie in 
Perioden ein, die nach Abzug der sogenannten Colostrumperiode 
als Perioden I bis III in der Tabelle wiedergegeben sind. 


1) Nicht Äquivalent! 

2) Mitteilung a. d. milchw. Versuchsstat. zu Kiel; durch landw. Ver- 
suchsstat. 31, 55, 1885. 

з) König, Chemie d. menschl. Nahrungs- u. Genußmittel IV. Aufl., 
2, 603, 1904. 

4) Zeitschr. f. physiol. Chem. 40, 263, 1903/04. 

5) Molkereizeitung f. Berlin 14, Nr. 44, 1904. 

©) V. Storch, Analyse der Milch von tuberkulösen Kühen. Nach 
Maly, ЈаһгевЬег. über die Fortschr. der Tierchem. 14, 170, 1884. 


14 F. E. Nottbohm: 


q 


Orla Jensen prüfte den Einfluß der Mineralbestandteile 
des Futters auf die Zusammensetzung der Milch. Die an- 
gegebenen Zahlen toigan. den Durchschnitt aus 15 Einzel- 
untersuchungen. 

Storch wollte die Veränderungen der Milch bei Euter- 
tuberkulose zeigen und stellt die gefundenen Werte solchen 
von gesunden Kühen aus Dänemark gegenüber. 

Die Werte für die Einzelgemelke der Kühe 1, 2 und 33 
sind im hiesigen Institut ermittelt und aus einer Arbeit über 
die Alkalität von Milchaschen herausgegriffen. 

Zum Vergleich mit den obigen Werten ist in der nach- 
folgenden Übersicht eine Zusammenstellung der Aschenbestand- 
teile von solcher Milch wiedergegeben, die ausschließlich von 
altmelken Kühen gewonnen wurde. Die Zahlen von Schrodt & 
Hansen stellen die mittlere Zusammensetzung von 3 Milch- 
aschen dar, die aus Mischmilch von 2, 4 und 3 altmelken Kühen 
erhalten wurde. 










19,41 21,30] 1:0,8 
29,34| 16,33] 1: 0,7 







ema Date 31,60| 2,72 
Trunz Kuh 674 . 
(letztesGemelk) . 
Schrodt & Hansen 






21,23] 3,53 
20,97| 2,75 


22,23] 24,77| 1:0,8 
22,18 17,63] 1:1,3 





20,61| 16,15 


Vergleich der Aschenbestandteile von normaler Milch und 
solcher, die von,altmelken Kühen stammt. 


In der Höhe des Aschengehaltes übertrifft die Milch alt- 
melker Kühe in Einzelfällen die normale Milch mit einem 
Aschengehalte von etwa 0,77°/, ganz erheblich, was insbesondere 
bei Kuh 165 hervortritt. 

Stellt man die Einzelbestandteile der Aschen einander 
gegenüber, so fällt sofort eine völlige Verschiebung des Ver- 
hältnisses von Natron und Kali auf. Bei den Analysen von 
König, von Orla Jensen und auch bei den eigenen Aschen- 
untersuchungen normaler Einzelmilchproben überwiegt in allen 
Fällen das Kali ganz beträchtlich, und zwar verhalten sich Na,0: 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 15 


K,0=1:3,0 — 4,2. In ähnlichen Grenzen bewegen sich, wenn 
man von einer Ausnahme absieht, die Zahlen von Trunz. 

Bei den Proben von Schrodt & Hansen und von Storch 
ist dagegen das Verhältnis bereits etwas verschoben, obgleich 
auch hier immer noch das Kali beträchtlich vorherrscht. Von 
den Proben b ist bekannt, daß sie von Kühen gewonnen sind, 
die den Höhepunkt der Lactation überschritten haben. Von 
den Proben a ist allerdings gesagt, daß sie aus einer Versuchs- 
periode stammen, in der sämtliche Tiere frischmelkend waren. 
Es ist also immerhin möglich, daß ein Heruntergehen des 
Verhältnisses Na,0:K,O auf 1:2 noch zu den natürlichen 
Schwankungen einer normalen Milch gehört, oder man müßte 
annehmen, daß bei frischmilchenden Tieren der Kaligehalt der 
Milchasche niedriger liegt als gewöhnlich. 

Kuh 674 Serie III, bei der sich Natron und Kali ebenfalls 
wie 1:2 verhält, kann hier aus einem später zu erwähnenden 
Grunde unberücksichtigt bleiben. 

Verhältnis von Natron : Kali in der Milch altmelker Kühe, 

Aus der Übersicht der Aschen altmelker Tiere ist zu ent- 
nehmen, daß in 3 Fällen, und zwar stets da, wo Einzelgemelke 
in Frage kommen, nicht mehr das Kali, sondern das 
Natron überwiegt. 

Wenn bei den altmelken Kühen von Schrodt & Hansen 
(siehe Tabelle) noch ein geringer Überschuß von Kali vor- 
handen ist, so muß dabei berücksichtigt werden, daß die an- 
geführte Asche die mittlere Zusammensetzung von 9 Einzel- 
gemelken darstellt. Immerhin ist auch in diesem Falle das 
Verhältnis von Natron zu Kali gegenüber normaler Milch 
wesentlich verändert. 

Untersuchungsbefunde, durch die eine Verschiebung der 
Alkalimengen in der Milchasche festgestellt wird, finden sich 
zwar in der Literatur, jedoch sind diese Beobachtungen 
nur auf vereinzelte Fälle beschränkt geblieben und haben 
offenbar keine Veranlassung gegeben, auf breiterer Grundlage 
Versuche anzustellen, um daraus allgemein gültige Schluß- 
folgerungen über die Beschaffenheit der Milch von altmelken 
Kühen zu ziehen. 

Um den Kali-, Natron- und Chlorgehalt der Milch mit dem 
Gesamtorganismus der Säugetiere vergleichen zu können, unter- 


16 F. E. Nottbohm: 


suchte Bunget) unter anderem die Aschen der Milch von 
9 Kühen, die in der Lactation ungefähr gleich waren, auf ihren 
Gehalt an Alkalien: Er erhielt hierbei in der Milch von: 

Kuh 1) 0,1748 K,O — 0,0678 Na,0, daraus berechnet sich Na,0 : K,O = 1 : 2,6 


» 2)0,1716 sa — 0,0527 n n H H n =1:3,3 
» 3) 0,1769 » — 0,0494 » H ” ” D ==1:8,6 
» 4) 0,1884 sa — 0,0506 „ n 3 = n ==1:8,6 
» 5)0,1865 » —0,0501 e ” H n n =1:3,7 
» 6)0,1904 » — 0,0499 » H H H n ==1:8,8 
n 7) 0,1879 E 0,0448 n n H ” n” =l 4,2 
» 8)0,2125 „ — 0,0445 „ H H H n ==1:4,8 
» 9)0,2187 » — 0,0373 e n ” ” ” ==1:5,7 


Bunge erwartete von vornherein einen um so größeren 
Kaliüberschuß, je reichlicher die Milchsekretion war, und fand 
dies auch insofern bestätigt, als die Kuh, deren Milchsekretion 
die spärlichste war, die natronreichste Milch lieferte und um- 
gekehrt. Die mittleren Zahlen fügen sich allerdings diesem Ge- 
setz nicht, weshalb Bunge meint, daß noch andere Faktoren 
gleichfalls von Einfluß auf den Alkaligehalt sind. 

Die von Bunge angewendete Methode zur Bestimmung von 
Alkalien dürfte auch nach unseren heutigen Anschauungen als 
einwandfrei gelten, weshalb den von ihm ermittelten Zahlen 
Bedeutung beigelegt werden kann. Bemerkenswert ist, daß bei 
der Milch von Kuh 9 das Verhältnis von Natron : Kali sogar 
bis auf 1:5,7 steigt. 

Bei einem anderen Versuche wollte Bunge den Einfluß 
der Kochsalzentziehung studieren. Er gab einem Tiere zunächst 
täglich 10 g Kochsalz, stellte dann die Darreichung von Salz 
vom 5. bis 10. Dez. ein und untersuchte die Milch am 19. Dez. 

Er erhielt: 

0,1713 g K,O und 0,1230 Na,O, d. h. N,0:K,0 =1: 1,4. 

Da das betreffende Tier bereits im April gekalbt hatte 
und nur noch relativ wenig Milch gab, dürfte diese Mitteilung 
von Bunge als Stütze für die eigenen Befunde herangezogen 
werden können. 

Schrodt & Hansens Untersuchungsergebnisss bewegen 
sich ziemlich eindeutig in der gleichen Richtung. Auch diese 
Autoren meinen, daß von den Veränderungen gegen Ende der 


1) Zeitschr. f. Biol. 10, 295, 1874. 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 17 


Lacatation vorzugsweise die Alkalien betroffen werden, da ins- 
besondere das Mengenverhältnis des Natrons zum Kali ein ganz 
anderes wurde, als sie es sonst bei Aschen von normaler Milch 
beobachten konnten. Schrodt & Hansen glauben die Ursache 
für die Verminderung des Kaligehaltes in der nachlassenden 
Energie suchen zu müssen, mit welcher der Zerfall der Milch- 
drüsen erfolgt. 

Trunz, der gleichfalls die prozentische Veränderung: der 
Milchaschenbestandteile im Laufe der Lactation verfolgte, fand, 
daß bei 2 Versuchstieren der Kaligehalt in der Zeit der größten 
Milchsekretion mit 26,87 und und 29,63°/, den höchsten Stand 
erreichte, um dann zunächst langsam und in den beiden letzten 
Monaten rasch und zwar schließlich auf 16,89 und 13,92%, 
zu fallen. 

Der Natrongehalt der Asche von normaler Milch liegt, 
wie aus der Tabelle hervorgeht, zwischen 4,76 und 11,07°/,. 
Der hohe Natrongehalt der Serie III von Kuh 674 wird lediglich 
durch den 17,62°/, betragenden Natrongehalt des letzten Ge- 
melkes verursacht. Im übrigen findet Trunz während der 
ganzen Lactationszeit seiner beiden Versuchstiere nur einen 
Natrongehalt von 3,24 bis 8,56°/ Die von Orla Jensen 
untersuchten 15 Einzelaschen zeigen einen Natrongehalt von 
5,39 bis 6,85°/, der Asche. Alle diese Befunde decken sich 
demnach mit den eigenen und lassen den Schluß zu, daß der 
Natrongehalt der Aschen von normaler Milch sich in ziemlich 
engen Grenzen bewegt. 

Bei der Milch altmelker Kühe liegt nach den bisherigen 
Feststellungen der Natrongehalt der Asche zwischen 12,73 und 
17,62°/,, also ganz erheblich höher als bei normaler Milch. 

Hinsichtlich des prozentischen Gehaltes der Milchasche 
an Kalk bewegten sich die für normale Milch und für solche 
von altmelken Kühen erhaltenen Zahlen ungefähr innerhalb 
gleicher Grenzen. Bei normaler Milch lag der Kalkgehalt der 
Asche zwischen 20,56 und 29,42°/,. Wenn auch für den Kalk- 
gehalt der Milch altmelker Kühe bisher nur wenige Unter- 
suchungen herangezogen werden können, so zeigen die zwischen 
20,97 und 31,60°/, liegenden Werte doch bereits, daß wesent- 
liche Veränderungen durch das Fortschreiten der Lactation 


kaum zu erwarten sind. Erwähnt sei hier, daß bereits früher 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 2 


18 F. E. Nottbohm: 


in den Aschen von 20 Stallproben Kalkbestimmungen aus- 
geführt wurden, wobei allerdings hinsichtlich der Lactationszeit 
der Milchtiere keine besonderen Feststellungen getroffen werden 
konnten. Der Kalkgehalt schwankte damals zwischen 19,68 
und 28,189. 

Trunz fand bei Kuh Nr. 655 in den beiden letzten 
Monaten der Lactation eine ganz erhebliche Zunahme des 
Kalkgehaltes, während derselbe sich bei Kuh Nr. 674 bis zum 
Schluß in ganz normalen Grenzen hielt. Der Kalkgehalt des 
letzten Gemelkes der ersten Kuh mit 32,95°/, geht allerdings 
noch über den diesseits ermittelten Höchstwert von 31,60°/, 
hinaus. 

Trunz zieht aus seinen Versuchen den Schluß, daß zwar 
das Casein mit fortschreitender Lactation eine bedeutende 
Zunahme erfährt, die nicht an Casein gebundene Kalkmenge 
jedoch nahezu: die Gleiche bleibt, weshalb die Milch altmelker 
Kühe weniger intensiv auf Lab reagiert, als zur Zeit, wo 
der Caseingehalt niedriger ist. 

Der Magnesiagehalt der Milchasche bewegt sich abgesehen 
von der Colostrumperiode für die übrige Lactationszeit in un- 
gefähr gleichen Grenzen. Für normale Milch ergeben sich Werte 
von 1,63 bis 3,35°/, und für Milch altmelker Kühe solche von 
2,72 bis 3,53°/,. 

Der Gehalt an Phosphorsäure in der Asche von normaler 
Milch schwankt zwischen 24,48 und 30,63°/,, während er bei 
Milch von altmelken Kühen zwischen 19,41 und 29,34°/, liegt- 
Sieht man von der Kuh Nr. 165 mit 29,34°/, P,O, ab, so er- 
reichen die übrigen 3 Proben noch nicht den niedrigsten Wert 
für normale Milch. Man kann demnach schließen, daß im all- 
gemeinen der Phosphorsäuregehalt der Asche am Ende 
der Lactation tiefliegt, daß aber vereinzelt Ausnahmen 
vorkommen. Durch diese Feststellung finden wahrscheinlich 
auch die in der Literatur vertretenen verschiedenartigen An- 
schauungen über den Phosphorsäuregehalt der Milch bei fort- 
schreitender Lactation eine Erklärung. d 

Trunz glaubt sich in diesem Punkte im Gegensatz zu 
Schrodt & Hansen und zu Kort der von Andouard aus- 
gesprochenen Erkenntnis anschließen zu müssen, daß der pro- 
zentische Phosphorsäuregehalt der Asche mit fortschreitender 


lst die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 19 


Lactation sich bedeutend vermindere. Bei Kuh 674 findet 
er allerdings eine beträchtliche Verminderung des Phosphör- 
säuregehaltes. Dieser beträgt im letzten Gemelk nur 22,23 °/,; 
dagegen ist in der Milch von Kuh 655 ein in Betracht 
kommendes Heruntergehen des Phosphorsäuregehaltes nicht zu 
erkennen. 

Auch hier werden sich entscheidende Feststellungen erst 
an der Hand eines größeren Materials treffen lassen. 

Der Chlorgehalt der Asche normaler Milch liegt, wenn 
wir von Kuh 674, Serie III, absehen, zwischen 9,65 und 17,05°/,, 
derjenige der Milch altmelker Kühe zwischen 16,33 und 24,77°/,. 
Bereits Schulte-Bäuminghaus!) hat eine Steigerung im 
Chlorgehalt bei fortschreitender Lactation festgestellt. Trunz 
konnte allerdings nur in einem Fall, dann aber auch eine ganz 
beträchtliche Zunahme des Chlorgehaltes wahrnehmen, im an- 
deren Falle hielt sich der Chlorgehalt ziemlich gleichmäßig‘ 
während der ganzen Lactationsperiode. 

Allem Anscheine nach ist gegen Ende der Lactations- 
zeit mit einer Erhöhung des Chlorgehaltes zu rechnen; die 
aber womöglich erst in den letzten Gemelken deutlich zu- 
tage tritt. 

Eine Veränderung innerhalb der Salze, insbesondere eine 
Zunahme des Natrium- und ein Zurücktreten des Kalium- 
gehaltes in der Milch altmelker Kühe ist insofern von 
weittragender Bedeutung, als die Salze der Milch in er- 
nährungsphysiologischer Hinsicht eine große Rolle spielen. 
Sind sie es doch ausschließlich, aus denen der Säugling 
während eines beträchtlichen Zeitraumes das anorganische 
Material zur Blutbildung und zum Aufbau des Knochen- 
gerüstes entnimmt. 

Nach Besprechung und Festlegung der Veränderungen, 
die in der prozentischen Zusammensetzung der Asche ein- 
treten, wenn sich die Milchsekretion dem Ende zuneigt, soll 
noch kurz ein Vergleich gezogen werden mit der Asche einer 
Milch, die von einer mit eitriger Streptokokkenmastitis be- 
hafteten Kuh stammt. 


1) Mitteilung der landw. Institute der Univ. равоч 2, 1; durch 
Zeitschr. f. physiol. Chem. 40, 295, 1902/3. 





dg 


20 F. E. Nottbohm: 











4 Aschen 
altmelker Kühe 


14,18 | 15,68 | 24,28 | 2,97 


Mittel aus den 
23,29 | 20,01 | 1:0,9 





Kuh mit eitriger 
Streptokokken- 
mastitis 





13,75 | 20,80 | 17,75 | 2,16 | 21,89 | 22,20 | 1: 0,7 


Aus der weitgehenden Übereinstimmung der beiden Aschen 
geht hervor, daß alle charakteristischen Merkmale der 
Milchaschen altmelker Kühe sich auch bei Sekreten 
finden, die aus erkrankten Drüsen stammen. Das Ver- 
hältnis von Natron zu Kali ist gegenüber normaler Milch ver- 
schoben, der Phosphorsäuregehalt liegt tief, und der Chlor- 
gehalt ist beträchtlich erhöht. 

Es erscheint angebracht, an dieser Stelle auf die Unter- 
suchung einer Milch von einem mit Eutertuberkulose behafteten 
Tiere hinzuweisen, die von Storch!) ausgeführt wurde Er 
fand die Milch der kranken Drüse außerordentlich arm an 
Kalk und Phosphorsäure, während der Gehalt an Natrium stark 
vermehrt war. Aus seiner Analyse berechnet sich ein Ver- 
hältnis von Natron: Каі = 1:0,27. Beim Vergleich mit der 
Milch aus den gesunden Drüsen derselben Kuh stellt er fest, 
daß diese auffallend reich an Eiweiß ist. Die Zusammen- 
setzung war folgende: 

Na,0: 


Fett кеш, KA 


6,50 | 5,89 н 1,01 GE 24,67| 3,43 25,42 | 0,19 | 1:0,6 25,42 | 0,19 | 1:0,6 


Diese Milch paßt ihrer Zusammensetzung nach in allen 
Werten mit Ausnahme des Chlors zu den angeführten Milch- 
proben von altmelken Kühen und ist mit ziemlicher Sicherheit 
als solche anzusprechen. Für den auffallend niedrigen Chlor- 
gehalt fehlt allerdings jede Erklärung. Wenn Storch in der 


Ми. СаО | MgO | Р,0, 











Nase xati 











1) L o. 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 21 


Milch gesunder Kühe einige Male dasselbe beobachtet haben 
will, so ist diese Erklärung mit Vorsicht aufzufassen, da eine 
derartige Beobachtung einzig dazustehen scheint. 

Faßt man die Ergebnisse der vorliegenden Ausarbeitung 
zusammen, so ist als festgestellt anzusehen, daß die Milch alt- 
melker Kühe sich in ihrer Zusammensetzung von normaler 
Milch so weitgehend unterscheidet, daß sie eine Sonderstellung 
einnimmt. 

Zu einer ähnlichen Anschauung sind Bienert!) und 
Auzinger?) gekommen, aber auf anderem Wege. Bienert 
äußert auf Grund des Ausfalles der Labgärprobe die Ansicht, 
daß Milch von altmelken Kühen sich nicht zur Kinder- 
ernährung eignet. 

Auzinger stellt die Forderung auf, daß als Kindermilch 
in keinem Falle Milch Verwendung finden darf, die bei der 
einfachen Alkoholprobe mit 70 Volumproz. Alkohol gerinnt. Da 
er an anderer Stelle darauf hinweist, daß unabhängig vom 
Säuregrad frische Einzelmilch nicht selten gerinnt, wenn sie 
von altmelken Kühen gegen Ende der Lactation stammt, wo 
der Säuregrad häufig erniedrigt ist, so will auch dieser For- 
scher schon einen Teil der Milch altmelker Kühe als Kinder- 
milch ausschalten. 

Die Anschauungen von Bienert und Auzinger finden 
durch die Feststellungen der vorliegenden Arbeit eine erheb- 
liche Stütze. Darüber hinaus muß aber gleichfalls in Er- 
wägung gezogen werden, ob Milch, die im letzten Stadium der 
Lactation gewonnen wird, nicht überhaupt vom Verkehr aus- 
zuschließen ist. 

Vorerst dürfte es sich empfehlen, die aus dem bis heute 
zur Verfügung stehenden wenig umfangreichen Material unter 
Heranziehung der bereits vorliegenden Literaturangaben ge- 
folgerten besonderen Eigenschaften der Sekrete altmelker Kühe 
durch eine größere Anzahl ähnlicher Untersuchungen nachzu- 
prüfen. Zu dem Zwecke müßten, um möglichst alle durch 
Rasse, Fütterung usw. bedingten Schwankungen in der Zu- 
sammensetzung der Milch zu treffen, längere Zeit hindurch aus 


1) Deutsche Milchwirtschaft in Wort und Bild 1914, 31. 
2) Molkerei-Zeitung Hildesheim 28, 458, 1914. 


22 F. E. Nottbohm: 


einer Reihe von Viehhaltungen verschiedenster Art Milchproben 
zur Untersuchung entnommen werden. 

Nur so wird es unter Umständen möglich sein, nach ge- 
wissen Richtlinien den Zeitpunkt festzulegen, von dem an eine 
solche Milch nicht mehr als Vorzugsmilch oder überhaupt nicht 
mehr in Verkehr gebracht werden darf. 

Vielleicht kann hierfür die Verschiebung des Verhältnisses 
der Alkalien zueinander als maßgebend herangezogen werden. 
Es bliebe noch nachzuweisen, ob das Zurücktreten des Kaliums 
allmählich vor sich geht, oder ob ein schneller Übergang zum 
Vorherrschen des Natriums führt. Feststellungen in dieser 
Richtung können uns vielleicht auch in der Frage, in welcher 
Weise die Milch innerhalb des Tierkörpers entsteht, einen 
Schritt weiter bringen. 

Daß die Natronsalze in der Milch altmelker Kühe vor 
den Kalisalzen überwiegen, läßt den Schluß zu, daß zu diesem 
Zeitpunkt das Blutserum bei der Bildung des Sekretes eine 
weit größere Rolle spielt, bzw. seine Ausscheidungsprodukte 
mehr in die Erscheinung treten als zur Zeit normaler Milch- 
sekretion. 

Hinsichtlich des Verhältnisses von Natron: Kali zeigen die 
Milch altmelker Kühe, pathologische Milch bei Euterentzün- 
dungen (Mastitis und Tuberkulose) und Blutserum weitgehende 
Übereinstimmung. Nach Bunge!) und Abderhalden?) be- 
rechnet sich im Rinderblutserum Natron : Kali = 1 : 0,06. 

Durch die Wirkung der in einer pathologischen Milch vor- 
handenen Blutflüssigkeit (Serum) wird die Gerinnung nach Lab- 
zusatz verhindert. Auf dieser Erscheinung fußt bekanntlich 
die sogenannte „Labhemmprobe“ zur Diagnose der patho- 
logischen Milch und der Euterentzündungen. Eine Milch, die 
von altmelken Kühen gewonnen ist, muß sich gegen Lab ganz 
ähnlich verhalten wie pathologische Milch. Für die Frage der 
Intensität der Labhemmprobe wäre es von Bedeutung zu 
wissen, ob die hemmende Wirkung erst eintritt, wenn die 
Natronsalze überwiegen oder schon beim Heruntersinken der 
Kaliumsalze. 





1) Zeitschr. f. Biologie 12, 191, 1876. 
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 23, 511, 1897. 


Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 23 


Durch die Verschiebung der Mengenverhältnisse der beiden 
Alkalien kann möglicherweise auch die Löslichkeit des Caseins 
beeinflußt werden. 

Eine Nachprüfung der schon jetzt vorliegenden Befunde 
an möglichst reichem Material empfiehlt sich schon aus dem 
Grunde, weil das Zurückweisen der Milch altmelker Kühe vom 
Verkehr in bisher scheinbar überall bestehende Gewohnheiten 
eingreift und somit in wirtschaftlicher Hinsicht fühlbare Folgen 
haben kann. 

In ernährungsphysiologischer Hinsicht aus den vorliegen- 
den Befunden schon weitergehende Schlüsse zu ziehen, dürfte, 
so sehr die Ergebnisse dazu anregen können, verfrüht sein. 
Sowie aber die erforderlichen Nachprüfungen stattgefunden 
haben und die in der Arbeit festgelegten Befunde bestätigt 
sind, sollten klinische Versuche folgen. 


Chinin und Hydrochinin im menschlichen Organismus. 
Verhalten des Chinins gegen rote Blutkörperchen. 


Von 
J. Halberkann. 


(Aus dem Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten zu Hamburg.) 


(Eingegangen am 22. März 1919.) 


Es ist eine schon längst bekannte Tatsache, daß das 
Chinin unter normalen physiologischen Bedingungen den mensch- 
lichen Organismus teilweise zu passieren vermag, der größere 

ə Teil hingegen eine Zerstörung erleidet, deren Verlauf und 
Produkte allerdings unbekannt sind. Da es vielen, die sich 
mit der Aufklärung dieses Zerfalles beschäftigt haben, nicht 
gelang, neben unverändertem Alkaloid ein Abbauprodukt zu 
finden, ist die Meinung allgemein geworden, daß der ange- 
griffene Anteil restlos verbrannt wird, so daß die Endprodukte, 
Wasser, Kohlensäure und Ammoniak resp. einfache Bausteine 
aus diesen, als solche nicht in Erscheinung treten können. Eine 
so vollkommene, ohne Zwischenprodukte auslaufende Oxydation 
ist mit der sonst beobachteten Stabilität der beiden im Chinin- 
molekül enthaltenen heterozyklischen Ringe, des Piperidin- und 
besonders des Chinolinkomplexes, schlecht in Einklang zu 
bringen, die auch in vitro sich gegen Oxydationsmittel recht 
beständig erweisen. Deshalb scheint mir eine völlige oxyda- 
tive Aufspaltung doch nicht wahrscheinlich, obgleich auch ich 
mich bisher vergebens bemühte, Spaltstücke aufzufinden. 

Das unverändert ausgeschiedene Alkaloid, dessen Menge 
normalerweise zwischen 15 bis35°/, schwankt, wird zur Haupt- 
sache durch die Nieren eliminiert, nur ein geringer Bruchteil 
wird mit den Faeces ausgeschieden. So ergaben Gewichtsbe- 


J. Halberkann: Chinin und Hydrochinin im Organismus. 25 


stimmungen in dem Stuhle eines Malarikers, der wunschgemäß 
täglich 2 g (4 mal 0,5 g) Chinin hydrochlor. per os erhalten hatte, 
an fünf aufeinander folgenden Tagen im Durchschnitt pro Tag 
2,1°/, des vereinnahmten Chinins. Mariani fand 2,67 9/,!), 
andere Untersucher [Kerner?), Merkel’), Schmitz‘), Giemsa 
und Schaumann?)] nichts bis Spuren, Flamini), allerdings 
beim gerbsauren Chinin, in zwei Fällen 7,8%, und 14,8 9/,. 
An obigen fünf Kottagen enthielten die Harne 20,6, 16,7, 29,2, 
31,6 und 30°/, des eingenommenen Chinins. Die Höhe der 
Ausscheidung durch den Harn ist nicht abhängig von der 
Dauer der Einnahme [Prophylaxe und Medikation "1207 und 
eventuell eingeschobener Arsenbehandlung 15), 16), 8s u. b), 18), die 
bei drei Prüfungen®b) gleichmäßig am ersten Tage eine Senkung 
zu verursachen schien, die am zweiten Arsentage aber wieder 
ausgeglichen war. Die Schwankungen zeigen sich aber nicht 
nur bei verschiedenen Menschen, sondern auch bei dem gleichen 
Individuum, ohne Regel, von Tag zu Tag'”), so daß eiņe Kon- 
stanz nicht eintritt. Wodurch dies bedingt wird, ist nicht klar- 
gestellt, jedoch spielen, abgesehen von Disposition, die Menge 
und Art der Nahrung, die Art der Chinineinverleibung und 
die Menge des Urins sicherlich dabei eine Rolle. 

Daß das Harnchinin keine tiefgreifenden Veränderungen 
erfahren hat, ist schon längst wahrscheinlich gemacht worden, 
wenn sich auch neben diesem Chinin noch alkaloidartige Um- 
wandlungsprodukte finden sollen, so das Dihydroxylchinin von 
Kerner’), identisch mit Skraups Chitenin 18), ferner nach 
Merkel?) je eine Substanz basischen und sauren Charakters. 
Unter anderen schloß Personne?) aus den Formen der Salze 
und aus dem Drehungsvermögen des Sulfates, Schmitz‘) aus 
den Eigenschaften und dem Säuregehalte des schwefelsauren 
Salzes, aus dem Wassergehalte des Platinates und dem Schmelz- 
punkte der Base, daß es sich nur um unverändertes Chinin 
handele. Giemsa und Schaumann?) prüften diese Angaben 
nach und fanden sie durch den Wassergehalt und durch die 
Schwefelsäurebestimmung des basischen Sulfates und gemäß 
des Schmelzpunktes der Base bestätigt und legten durch die 
Elementaranalyse der Base selbst das Resultat endgültig fest. 
Späterhin haben noch М№івһі 15) aus der Zusammensetzung 
des citronensauren Salzes, das aber nach Katz nicht konstant 


26 J. Halberkann: 


zusammengesetzt sein soll, und aus dem Metallgehalte des 
Platinates und Katz?) aus dem Wasser- und dem Platingehalte 
des Doppelsalzes, ferner aus dem Jodgehalte des Herapathites 
geschlossen, daß es sich um unverändertes Chinin handele. 
Im Verlaufe einer vor einiger Zeit mit Giemsa gemein- 
sam veröffentlichten Arbeit?!) über China-Alkaloide wurde fest- 
gestellt, daß das basische Chininsulfat, das mit 8 Molekülen 
Wasser krystallisiert, die unter Verwitterung teilweise schon 
bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft abgegeben werden, 
entgegen den Angaben in der Literatur über Schwefelsäure 
das Wasser nicht bis auf 2 Moleküle, sondern restlos abgibt, 
wenn auch die letzten Anteile nur langsam entweichen. Da 
infolge dieser Beobachtung eine gewisse Unsicherheit in die 
Ergebnisse von Giemsa und Schaumann’) getragen war, 
habe ich die Charakterisierung der Base nochmals durchgeführt. 
Zur Isolierung der notwendigen Alkaloidmengen aus dem 
Harne bediente ich mich nicht des umständlichen direkten 
Ätherverfahrens, sondern ich habe, wenn auch mit Verlust, 
eine vorherige Konzentration der Base mittels Quecksilberjodid 
vorgenommen. Katz?°) hält dessen Anwendung für untunlich, 
da er feine Suspensionen erhielt, die er weder durch Absetzen 
klären, noch filtrieren, noch auch durch längeres Zentrifugieren 
separieren konnte. In Wirklichkeit bereitet die Sammlung der 
Fällung keine Schwierigkeiten; man muß nur genügende Men- 
gen der essigsauren Lösung des Kaliumquecksilberjodides zu- 
geben, dessen Überschuß sich ja leicht aus den Filtraten zu- 
rückgewinnen läßt. Nach dem Absetzen im Eisschranke wurde 
die überstehende Flüssigkeit klar abgegossen und die aus un- 
gefähr 100 1 Harn gesammelten Niederschläge über Talkum 
filtriert und mit Essigsäure enthaltendem Wasser ausgewaschen. 
Zur Weiterverarbeitung hätte man nun in saurer Anschwem- 
mung das Quecksilber durch Schwefelwasserstoff entfernen und 
das Filtrat einengen oder nach Alkalisierung ausäthern können. 
Ersterer Weg ist nicht betretbar wegen der leichten Disso- 
ziation des Jodwasserstoffes und der unvermeidlichen Einwir- 
kung des Jodes auf die Basen; da deshalb doch geäthert werden 
muß, umgeht man die umständliche und unangenehme Ab- 
scheidung des Quecksilbers als Sulfid, nach einer Methode, die 
nachfolgend beschrieben ist und in manchen anderen Fällen, 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 27 


in denen es sich um durch Quecksilberjodid fällbare, in Na- 
tronlauge unlösliche Substanzen handelt, ebenfalls gute Dienste 
leisten dürfte. — Übrigens hat Meyer ein ähnliches Verfahren 
vorgeschlagen, den entstandenen Quecksilberniederschlag mit 
alkalischem Zinnchlorür umzusetzen und die entstandene Flüssig- 
keit auszuäthern; jedoch bewährte sich Kerner?) diese Me- 
thode nicht. 

Der vom Talkum zurückgehaltene Harnniederschlag wurde 
noch feucht mit Wasser angeschlemmt, in eine größere Stöpsel- 
flasche übergeführt, Natronlauge zugefügt und so lange mit Natri- 
umsulfidlösung versetzt, bis das gebildete Quecksilbersulfid beim 
Schütteln mit hellbrauner Farbe in Lösung ging. Dann wurde 
von Talkum und Filterresten abgesaugt, der Rückstand aus- 
gewaschen, getrocknet und mit Äther extrahiert. Dieser Äther- 
auszug wurde sofort zum Ausschütteln des mit Kochsalz ver- 
setzten Filtrates weiterverwand. Nach dem Waschen und 
Trocknen der vereinigten Ätherauszüge wurde das Lösungsmittel 
verjagt, der Rückstand in wenig Alkohol gelöst, mit Schwefel- 
säure schwach kongosauer gemacht, die gleiche Menge Wasser 
zugesetzt und längere Zeit mit Tierkohle in der Wärme dige- 
vert, Das fast alkoholfreie, schwachgelbe Filtrat wurde in 
der Siedehitze mit Soda gegen Lackmus neutralisiert und nach 
Zusatz von Talkum kochend heiß filtriert. Beim Erkalten 
schieden sich lange, wenig hellgrau gefärbte, teils in Büscheln 
angeordnete Nadeln ab, die genau wie basisches Chininsulfat 
aussehen. Nach nochmaligem Ausschütteln mit Äther und 
Wiederüberführung in das basische Sulfat waren die Krystalle 
völlig farblos, die zur Erzielung möglichst reiner Substanz 
durch Störuhg mikrokrystallinisch abgeschieden wurden. 

Wie schon erwähnt, gibt das basische Chininsulfat über 
Schwefelsäure sein Krystallwasser völlig ab. Dieses entwässerte 
Sulfat nimmt jedoch an der Luft in kürzester Zeit genau 
2 Moleküle Wasser wieder auf, ein Verhalten, das zur Kenn- 
zeichnung sehr geeignet ist?!). Das oben isolierte Sulfat zeigte 
scharf dieses Verhalten: über Schwefelsäure erfolgte völlige 
Entwässerung, und das so oder durch Erhitzen wasserfrei ge- 
wonnene Sulfat nahm 2 Moleküle Wasser wieder auf. 

0,7238 g über Schwefelsäure entwässertes Sulfat zogen nach 25 
0,0341 g, nach 24 0,0352 g Wasser an. 


28 J. Halberkann: 


0,8391 g bei 120° getrocknetes Sulfat zogen nach 2 0,0382 g, 
nach 24h 0,0403 g Wasser an. 
Für (C,,H,,0,N,),-SO,H,-2H,O (Mol.- Gew. 782,7) 
berechnet 4,60 %/,, 
gefunden nach 25 4,50°/,, nach 24b 4,64°/, H,O, 
e n 25 4,359, „ 24b 4,58%, H,O. 
Der Gehalt an Schwefelsäure wurde gleichfalls stimmend 
gefunden. 
0,3912 g wasserfreies Sulfat gaben 0,1240 р SO, Ba, 
0,4204 » 9 nm п 0,1310» SO,Ba. 
Für (С,,Н,,0,М,),:80,Н, (Mol.-Gew. 746,7) 
berechnet 13,14°],, 
gefunden 13,31°/, und 13,09°/, SO,H,. 


Zur ferneren Charakterisierung wurde über das chlor- 
wasserstoffsaure Salz hinweg das Platindoppelsalz bereitet, 
dessen Wassergehalt und Elementaranalyse eindeutig für Chinin 
sprechen. 

0,4673 g Platindoppelsalz verloren 0,0102 g an Gewicht. — 
0,1660 g lufttrockenes Platindoppelsalz gaben 0,1935 g CO,, 
0,0594 g H,O, 0,0431 g Pt. — 0,1757 g Doppelsalz lieferten 
0,2006 g AgCl. 

Für C,,H,,0,N, ·-РЬС1,Н, -H,O (Mol.-Gew. 752,3) 

berechnet H,O 2,40 °/,, С 31,91°/,, Н 3,75 °/,, 
Pt 25,95°/,, Cl 28,28, 

gefunden H,O 2,18°/,, С 31,80°/,, Н 4,00%, 
Pt 25,96°/,, Cl 28,24. 


Die Base selbst zeigte in 1,5172 volumprozentiger, absolut 
alkoholischer Lösung im 200 mm-Rohr bei 20° eine Drehung von 
— 5,06°, demnach ist q 20° —-166,7°. Diese Drehung stimmt 
mit der in der Literatur angegebenen spezifischen Drehung 
für Chinin überein, die nach Oudemans???) — 164,7° bis 
— 169,80 (bei 0,49 bis 17°), nach Hesse”) — 169,259 bis 
— 170,59 und nach Rabe?) — 158,2° und — 158,79 (bei 15° 
resp. 20°) beträgt. 

Nach allen diesen Befunden, in Beihalt der qualitativen 
Prüfungen (leichte Oxydierbarkeit durch Kaliumpermanganat in 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 29 


schwefelsaurer Lösung, Fluorescenz, Thalleiochinprobe, Schmelz- 
punkt der Base) ist festgestellt, daß das nach obiger Methode 
aus dem Harn nach Chinineinnahme isolierte Alkaloid unver- 
ändertes Chinin ist. 

Wenn es auch unwahrscheinlich, jedoch nicht gänzlich aus- 
geschlossen schien, daß das Chinin im Organismus teilweise 
reduziert würde, wobei Hydrochinin (das neben Chinin in der 
Chinarinde vorkommt) gebildet werden könnte, wurde die 
Mutterlauge des Chininsulfates daraufhin geprüft. Das darin 
enthaltene Alkaloid wurde jedoch bei 0° in kurzer Zeit durch 
Kaliumpermanganat restlos zerstört, so daß das Vorhanden- 
sein des beständigeren Hydrochinins ausgeschlossen ist. 

Die Isolierung des Chinins aus dem Harne wurde noch 
auf einem anderen Wege durchgeführt, der jedoch der Queck- 
silberisolierung gegenüber keine Vorteile aufwies, nämlich durch 
Adsorption an Kohle. Der Harn wurde durch 200 g Tierkohle 
filtriert, die gemäß der Prüfung des Ablaufes mit Неј, das 
Alkaloid vollkommen band. Bei 501 Harn mußte die Per- 
kolation wegen Verschleimung des Filters unterbrochen werden; 
es ist jedoch nicht zweifelhaft, daß bei Zusatz von Toluol noch 
vielmals mehr Harn die Kohle mit Erfolg hätte durchfließen 
können. Die mit Wasser gewaschene Kohle wurde mit schwefel- 
säurehaltigem Alkohol wiederholt ausgekocht, die Auszüge fast 
neutralisiert, der Alkohol verjagt, und dem Rückstande nach 
Zusatz von Natronlauge das Alkaloid durch Äther entzogen. 
Nach Reinigung des Ätherextraktes durch Kochen mit Kohle 
und Trocknen mit geglühtem Natriumsulfat hinterließ das Fil- 
trat einen bräunlichen Firnis, der bei 138° schmolz. Chinin 
besitzt den Schmelzpunkt 177°, jedoch genügen geringe Ver- 
unreinigungen, um denselben außerordentlich herabzudrücken. 
1,298 g verbrauchten zur Neutralisation gegen Lackmus 3,9 cem 
n-Schwefelsäure; für Chinin berechnet sich 4,0 ccm. Das er- 
haltene gereinigte Sulfat gab die Chininreaktionen, krystalli- 
sierte wie dessen Sulfat und enthielt 13,08°/, SO,H,, berech- 
net 13,149. 

Beim Ausschütteln des Chinins mit Äther verblieb noch 
Alkaloid in der laugischen Flüssigkeit, das nach dem Ansäuern 
und folgendem Alkalisieren mit Soda jetzt in Äther überging. 
Nach zweckentsprechender Reinigung schmolz die firnisartige 


30 J. Halberkann: 


Base bei 120° unter Aufschäumen, zeigte in salpetersaurer 
Lösung schwach blaue Fluorescenz (vielleicht von Chininspuren 
herrührend) und gab nur schwache Thalleiochinreaktion. 
0,4721 g benötigten zur Neutralisation gegen Lackmus 12,0 ccm 
n/ o Schwefelsäure, wohingegen sich für Chinin 13,2 ccm berech- 
nen würden, und das gereinigte Sulfat krystallisierte in Drusen 
farbloser, derber Nädelchen, andersartig als wie Chininsulfat. 
Die geringe Menge der Base wurde nochmals in Natronlauge 
gelöst und nach Reinigung der Lösung mit Äther, Ansäuern 
und Alkalischmachen mit Soda in Äther aufgenommen. Der 
zurückbleibende, fast farblöse Firnis wurde zerrieben und über 
Schwefelsäure getrocknet. 


0,0886 g Substanz gaben 0,2175 g CO, und 


0,0543 g H,O, gefunden . . . . . . C 66,97 und H 6,86, 
während sich für Chinin berechnet (das aber 
nicht in Betracht kommt) . . . . . 74,03 » n 7,46, 


und für Cuprein, das Phenol des Chinins » 73,48 n»n » 7,14. 


Die geringe Menge der Substanz, die leider teilweise noch 
in Verlust geriet, ließ eine Aufklärung nicht zu. Zu irgend- 
einer Deutung berechtigen die geringen Resultate nicht, und 
sie muß deshalb späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Ob 
es sich um eine Einführung des Glykokollrestes — NHCH,COOH 
in das Chininmolekül handelt, möge nur als Hypothese aus- 
gesprochen werden. Eine solche Substanz, die 66,31 °/, Kohlen- 
stoff und 7,09 °/, Wasserstoff enthalten würde, sollte allerdings 
a priori in Soda löslich sein. Daß die Base nachträglich aus 
Chinin durch Bakterientätigkeit in der Kohle entstanden ist, 
ist nicht anzunehmen, da die Harnbakterien das Chinin nicht 
verändern, eher käme eine Oxydation durch die Kohle als Ka- 
talysator in Frage, obwohl dies in dem Medium unwahrschein- 
lich dünkt. Einige Versuche, in denen je 400 ccm Normal- 
harn 0,03 g Chininbase als salzsaures Salz zugefügt worden 
waren und die bis 6 Monate in offenen Kolben bei Zimmer- 
temperatur standen, ergaben, daß das Chinin bei der Fäulnis 
des Harnes nicht verändert wird. Die Proben zeigten bald 
starke, ammoniakalische Gärung, und es schied sich in den 
länger stehenden Proben Ammonium - Magnesiumphosphat in 
großen Krystallen ab. 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 31 





Nummer [ nach E 












Kontrolle — 0,7 
1 8 Tagen 0,0308 102,7 
2 3 Wochen | 0,0802 100,7 
3 2 Monaten 0,0295 98,0 
4 | _ 0,0303 101,0 





Eine Zerstörung oder Veränderung des Chinins fand nicht 
statt; alle Rückstände waren farblose Firnisse, zeigten ange- 
nährte Schmelzpunkte und gaben die Identitätsreaktionen. 
Danach braucht man sich mit der Chininisolierung gar nicht 
zu beeilen, und nach Feststellung des Gewichtes bzw. des Vo- 
lumens des Harnes kann man sie auf eine arbeitsfreiere Zeit 
verschieben, oder, wenn eine Untersuchung an Ort und Stelle 
nicht möglich ist, kann man die Proben ohne Zusatz eines Er- 
haltungsmittels verschicken, ohne das Ergebnis zu gefährden. 

Eine Entgiftung des Chinins im Organismus durch Über- 
führung in eine gepaarte Schwefelsäure oder in eine glykuron- 
saure Verbindung, was gleichzeitig, ohne Vorbehandlung, einen 
.Minderbefund an Alkaloid bei der Ausätherung des alkalisierten 
Harnes bedingen würde, konnte nicht festgestellt werden. Die 
chininhaltigen Harne (verschiedener Malariker), deren Glykuron- 
säuregehalt nicht übermäßig war, wurden nach Zusatz von 
1,25°/, Salzsäuregas eine Stunde in kochendem Wasserbade 
erhitzt und dann in ihnen und in nicht behandelten Proben 
das Chinin bestimmt. Je 400 ccm wurden angewandt. 





Konter | Nicht behandelt| + НСІ erhitzt 











D g 
1 0,0101 0,0098 
2 0,0231 0,0228 
3 0,0136 0,0130 
be 4 0,0185 0,0185 


Für eine Entgiftung in obigem Sinne hat sich demnach 
kein Anhalt ergeben, da vor und nach der Behandlung die 
gleiche Menge gefunden ward. 

Ähnlich oder gleich dem Chinin verhält sich auch das 
Hydrochinin im menschlichen Organismus. Dieses Alkaloid ist 
ein steter Begleiter des Chinins in der Chinarinde, findet sich 
allerdings nur in untergeordnetem Maße. Die Isolierung aus 


32 J. Halberkann: 


den Mutterlaugen des Chinins ist begründet auf die größere 
Widerstandsfähigkeit gegenüber Kaliumpermanganat, weil die 
so leicht der Oxydation unterliegende Vinylgruppe in die Äthyl- 
gruppe umgewandelt ist. Dieses Hydrochinin kann nun nach 
der Paalschen Methode, durch Reduktion in alkoholischer 
Lösung bei Anwesenheit eines Edelmetall - Katalysators, oder 
nach Kelber®) durch Reduktion der Salze des Chinins in 
wäßriger Lösung bei Gegenwart von Nickel-Katalysator mittels 
Wasserstoff quantitativ dargestellt werden, was wichtig ist, 
weil es gegen die Malariaparasiten in geringeren Dosen die 
gleiche Wirkung wie sein Isologes entfaltet 201. 

Anschließend an die Publikation von Giemsa und 
Werner°®) ergaben Selbstversuche, daß die Ausscheidung durch 
den Harn in die Chininintervalle fällt. Es wurden an einem 
Tage je 2 mal 0,5 g des salzsauren Salzes іп Oblaten genommen, 
der Harn von 2 Tagen gesammelt; dann blieb die Quecksilber- 
reaktion aus, so daß nur noch eine geringe Nachausscheidung 
anzunehmen ist, die allerdings mit der äußerst empfindlichen 
Fluorescenzprobe bis zum sechsten Tage sicher verfolgt wurde. 
Es möge erwähnt werden, weil auf Grund der Fällungs- und 
Trübungsintensitäten mit Bel, quantitative Ausmittelungen 
ausgeführt worden sind, die als völlig unhaltbar nachgewiesen 
wurden, daß die einzelnen Harnproben des einen mit Hg), 
keine Niederschläge, sondern nur mehr oder minder starke 
Trübungen gaben, dagegen in den anderen Harnen bei vielen 
Proben sofort Fällungen auftraten, was ganz unterschiedliche 
Mengen anzuzeigen schien, während tatsächlich die gewichts- 
analytische Bestimmung fast gleiche Gehalte ergab. Angewandt 
wurden је 400 ccm Harn: in dem einen 4380 ccm betragenden 
Harn fanden sich 0,1774 g, in dem andern 4250 ccm Harn 
0,1721 g Base, das ergibt eine Ausscheidung von 21,69, und 
21,0°/,- 

Diese Befunde stehen nicht im Einklange mit der Angabe 
bei Giemsa und Werner, die in einem Falle fanden, daß im 
Harn nahezu 70°/, des Hydrochinirs eliminiert werden, und 
die darauf die energischere Wirkung gegenüber Chinin zurück- 
führten — in der Annahme, daß nur das unveränderte Al- 
kaloid zur Entfaltung seiner Wirksamkeit gelangt —, da letz- 
teres wegen der Vinylgruppe eine geringere Widerstandskraft 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 33 


gegenüber der destruktiven Tendenz der Körperzellen habe. 
Wegen der wenigen Untersuchungen muß gelegentlich eine 
Nachprüfung erfolgen. 


Giemsa und Werner”) machten schon wahrscheinlich, daß 
die isolierte Base, von der ihnen für eine Elementaranalyse 
nicht genügend Substanz zur Verfügung stand, unverändertes 
Hydrochinin sei, da der Schmelzpunkt, die Krystallform des 
basischen Sulfates, die Widerstandsfähigkeit gegen Kalium- 
permanganat und andere Eigenschaften dafür sprachen. Daß 
es sich in der Tat um Hydrochinin handelt, wird durch fol- 
gende Untersuchungen festgelegt. 

Eine größere Menge Harn von Malarikern, die pro Tag 
1 g salzsaures Hydrochinin erhielten, wurde wie bei Chininharn 
angegeben mit HgJ, versetzt, wobei sich in der Farbe der 
Niederschläge der Unterschied zeigte, daß, während sich bei 
Chinin ein rötlichweißer Niederschlag bildete, der bei Hydro- 
chinin grauweiße Farbe besaß. Die Weiterverarbeitung geschah, 
wie beschrieben, und aus der schließlich erhaltenen Rohbase, 
ein hellbrauner Firnis, wurde das völlig farblose, in langen, 
spießigen Nadeln krystallisierende, basische Sulfat bereitet. 
Dieses gibt, ebenso wie das Chininsulfat, über Schwefelsäure 
sämtliches Krystallwasser ab, nimmt aber an der Luft, im 
Gegensatze zu diesem, das nur 2 Moleküle Wasser anzieht, 
4 Moleküle Wasser, in etwas längerer Zeit und nicht mit der 
gleichen Konstanz ап???) 7 

0,4428 g entwässertes Sulfat nahmen nach 24h 0,0404 g 
Wasser auf. — 0,6707 р Substanz nach 24h 0,0579 р, nach 
48h 0,0626 g. — 0,4433 р Substanz nach 24b 0,0435 g, nach 
48h 0,0448 g. 

Für (C,,H,,0,N,), -SO,H, -4H,O (Mol.-Gew. 822,7) berechnet: 
8,76°/, H,O; gefunden: 8,36°/,, 7,95 resp. 8,54°/,, 8,94°/, 
resp. 9,18°/,. 

0,3376 g wasserfreies Sulfat lieferten 0,1040 g SO, Ba, 

Für (C,,H,,0,N,),-SO,H, (Mol.-Gew. 750,7) berechnet 
13,07°/,; gefunden: 12,95°/, SO,H,. 

Die Elementaranalyse des über das salzsaure Salz weg 
hergestellten Platindoppelsalzes?”) zeitigte folgendes Ergebnis. 


0,1497 g Substanz verloren im Vakuum bei 95° 0,0066 g 
Biochemische Zeitschrift Band 95 3 


34 J. Halberkann: 


an Gewicht und gaben 0,1710g CO, 0,0507g H,O und 
0,0376 g Pt. — 0,1657 g Substanz geben 0,1839 g Ae), 

Für С,,Н,,0,№, - PtC1,H, -2H,O (Mol.-Gew. 772,4) berechnet: 
H,O 467°], Н 38,65°/„ C 31,09%, Pt 25,27°/ Cl 27,55%,; 
gefunden: H,O 4,40°/,, Н 3,79°/,, С 31,16°/,, Pt 25,12°/,, 
O 27,469/,. 

Die bei 125° getrocknete Base drehte in 1,7292 volum- 
prozentiger Lösung in 969/ 1рет Alkohol im 200 mm-Rohr bei 
20° — 4,92%, demnach beträgt 0209 = — 142,39; nach Beil- 
stein, Handbuch der organischen Chemie 8, 859, ist die spe- 
zifische Drehung einer 2,4 volumprozentigen Lösung іп 95°/,igem 
Alkohol bei 209 — 142,2°?”). 

Die Lösung von 0,05 g des Sulfats in 10 ccm Wasser und 
5 Tropfen verdünnter Schwefelsäure reduzierte nach Zusatz 
eines Tropfens gesättigter Kaliumpermanganatlösung dieses nicht 
sofort, sondern erst nach einigem Stehen. 

Diese Ergebnisse nebst den qualitativen Eigenschaften 
der Base beweisen, daß das Hydrochinin, soweit es durch den 
Harn ausgeschiegen wird, beim Durchgang durch den mensch- 
lichen Körper nicht verändert wird. Daß auch keine teilweise 
Veränderung stattgefunden hat, ergab die Prüfung des letzten, 
aus den Mutterlaugen isolierten Anteiles, der sich gegen Per- 
manganat ebenfalls beständig erwies. 


Von einer größeren Anzahl von Forschern ist festgestellt 
worden, daß das Chinin, wie es auch dem Körper einverleibt 
werde, selbt nach intravenöser Injektion, nur eine kurze Zeit 
im zirkulierenden Blute nachzuweisen ist, und daß es nach 
einigen Stunden daraus völlig verschwinde, während es noch 
lange hernach mit dem Harn ausgeschieden wird. Daraus 
wurde gefolgert, daß es von gewissen Organen oder Zellkom- 
plexen abgefangen und deponiert werde, und von dort aus 
allmählich freigegeben werde oder der Vernichtung anheimfalle. 
So fanden Giemsa und Schaumann’), die sich als erste mit 
diesem Problem beschäftigten, nach Verfütterung an Hunde 
per оз nur sehr geringe Mengen Chinin im Blute, und zwar 
im Serum, nicht in den Blutkörperchen und folgern, sofern sie 
einen Schluß für zulässig halten, daß das Serum alles Chinin 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 35 


oder doch die Hauptmenge enthalte. Größere, wenn auch nicht 
wägbare Mengen stellten sie und nachher noch Сїешза?%) im 
Gehirn, Niere, Nebenniere, Milz und Leber fest, weshalb es 
wahrscheinlich sei, daß die Abtötung der Parasiten vorzugs- 
weise in diesen Orgahen stattfinde. A. Plehn?®) bestätigte die 
Blutbefunde beim Kaninchen und Hunde und macht es höchst- 
wahrscheinlich, nachdem er mit Großer?) das Verschwinden 
von 55 bis 75°/, Chinin in der künstlich durchbluteten Leber 
beobachtet hatte, daß das periphere Gefäßsystem resp. die Endo- 
thelauskleidung seines Capillargebietes an der fast sofortigen 
Arretierung des in die Blutbahn eingeführten Chinins beteiligt ist. 

Bei dem Nachweise des Chinins im Blute ist es nicht 
richtig, das Fibrin abzuscheiden, das zwar an sich, wie ich 
mit Schweineblutfibrin prüfte, kein Chinin zu binden imstande 
ist, dieses jedoch mechanisch mitzureißen vermag, ein Fehler, 
der bei den geringen Alkaloidmengen wohl ins Gewicht fallen 
könnte. Großer vermeidet diesen Fehler, indem er das Fibrin 
nach langwieriger Vorbereitung mit Chloroform extrahiert, also 
zwei Extraktionen vornehmen muß, was zu umgehen ist. Das 
eben entnommene Blut verreibt man im Mörser sofort mit 
15°/,iger Natronlauge (30 ccm auf 100 сот Blut), verdünnt 
die homogene Masse mit der gleichen Menge Wasser, gießt in 
einen Scheidetrichter, spült den Mörser portionsweise mit der- 
selben Menge Wasser, dann einigemale mit Äther und schüttelt 
nach völliger Auflösung des Blutes wiederholt mit Äther aus. 
Die getrockneten Ätherextrakte werden mit ®/,,- oder "/, -8а12- 
säure einigemale geschüttelt, der saure Auszug mit Äther ge- 
reinigt, dann das Alkaloid nach Zufügen von Ammoniak oder 
Natronläuge in Äther aufgenommen. Der Äther wird entwässert, 
und dessen Rückstand bei 120° im gewogenen Kolben ge- 
trocknet. Wägbare Mengen ` wird man zwar in praxi nicht 
finden, jedoch arbeitet die Methode quantitativ. So erhielt ich 
aus 50 cem Rinderblut (erste Ätherauszüge durch Lipochrom- 
gehalt stark gelb gefärbt), dem 0,041 g Chinin zugesetzt war, 
0,0401 g = 98,29, zurück, eine Kontrolle mit gleich viel Blut 
gab einen Rückstand von !/,, mg. Eine andere Probe, mit 
Kaliumbioxalat ungerinnbar gemachten Schweineblutes (50 cem) 
wurde mit 0,082g Chinin—0,1 g salzsaures Salz versetzt, die 
berechnete Menge Chlorcaleium zugefügt, durch Rühren das 

3% 


36 J. Halberkann: 


Fibrin abgeschieden und dieses mit 100 cem Wasser sorgfältig 
ausgewaschen. Die Blutflüssigkeit und das Fibrin wurden ge- 
trennt in Natronlauge gelöst und wie oben weiterbehandelt. 
Das defibrinierte Blut ergab 0,0758 g Chinin — 92,8°/, und das 
Fibrin, trotz sorgfältigen Auswaschens noch 0,0048 g = 5,9°/,„; 
zurückgewonnen 98,7°/,. 

Die Folgerung aus den Blutbefunden von Giemsa und 
Schaumann teilte Nocht?!) nicht, der durch seine Experimente 
zu der Ansicht gelangt war, daß das Chinin seine Wirkung 
innerhalb der roten Blutkörperchen entfalte. Die Ergebnisse 
seiner im Jahre 1900 angestellten Versuche, die er bei den 
Verhandlungen des deutschen Kolonialkongresses 1905 in seinem 
Vortrage: Über Schwarzwasserfieber bekanntgab, waren in fol- 
gender, kurz skizzierter Anordnung gewonnen. Wurde weniger 
als die hämolytische Chinindosis — das sind 2 mg — 5 ccm 
einer 10°/ igen Aufschwemmung defibrinierten Menschenblutes in 
physiologischer Kochsalzlösung zugesetzt, und nach einigem 
Stehen bei 37° das durch Zentrifugieren erhaltene Serum wieder 
mit so viel Chininlösung und Blutkörperchen versetzt, daß für 
obige Aufschwemmung die totalhämolysierende Chinindosis er- 
reicht oder gar etwas überschritten war, so erfolgte keine Hä- 
molyse. Aus diesem Verhalten blieb nur den Schluß zu ziehen 
übrig, daß im ersten Teile der Versuche die Blutkörperchen 
einen größeren Teil des Chinins gebunden hatten. 

In einer vor einiger Zeit erfolgten Veröffentlichung stellt 
Morgenroth°®) fest, daß das Chinin, ebenso wie Optochin von 
den Erythrocyten nicht nur aufgenommen, sondern 'sogar in 
erheblichem Maße gespeichert werde; er zeigte dies vorher 
schon durch Anästhesierung der Kaninchencornea, die mit 
einem mit Optochin behandelten Blutkörperchenbrei (nach dem 
Zentrifugieren) alsbald eintrat, während der Abguß nur un- 
deutlich reagierte. Ebenso verhielt sich Chinin, und Morgen- 
roth bezeichnet dieses Beladen und Wiederabgeben an andere 
Zellen als Transgression. Diese Speicherung scheint nur ein 
physikalischer Vorgang zu sein, ist jedenfalls so labil, daß die 
beladenen Blutkörperchen mit Kochsalz- oder Rohrzuckerlösung 
geschüttelt einen Teil des Alkaloids an die Verdünnungs- 
flüssigkeit abgeben. Aus den Versuchen folgert Morgenroth, 
daß bei einer Verdünnung 1:100000 Vollblut Mengen, die sich 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 37 


um 50°/, herum bewegen, — ob 75°/, oder 25°/, bleibt unent- 
schieden — in Verlust gegangen sind. 

Eindeutig scheinen die Folgerungen nicht zu sein, wie 
auch in einer Fußnote hervorgehoben wird, da bei der Ein- 
wirkung ‚auf Pneumokokken (Versuche Boeckers) ebenso in 
den Anästhesierungsversuchen eine Transgression, bei’ den 
eigenen Pneumokokkenversuchen aber nicht oder weniger in 
Erscheinung tritt. 

Seine Beobachtungen führten Morgenroth zu der An- 
nahme, daß die geringe Chininkonzentration im ganzen Blute 
zur Abtötung der Plasmodien nicht genüge, und daß erst durch 
die Speicherung in den roten Blutkörperchen die Wirkung des 
Chinins verständlich werde. Die chininbeladenen Erythrocyten 
hindern die Merozoiten bzw. Sporozoiten einzudringen, die so 
dem Untergange geweiht sind: Repulsionshypothese. So in- 
· teressant auch diese Hypothese ist, darf man mit Fug und Recht 
außerdem annehmen, daß das Chinin auch schon eingedrungene 
Parasiten zu vernichten imstande ist. 

Ehe Morgenroths Veröffentlichung erschien, hatte ich 
schon Versuche beendet, auf einfacherem Wege in vitro die 
Chininspeicherung der roten Blutkörperchen nachzuweisen bzw. 
nachzuprüfen; wegen anderweitiger Inanspruchnahme unterblieb 
bisher die Bekanntgabe. 


1. 


Defibriniertes Schweineblut wurde mit unterschiedlichen 
Mengen Chininsalz versetzt, die Differenzen durch physiologische 
Kochsalzlösung ausgeglichen. Alle Proben wurden doppelt an- 
gesetzt und 3 Stunden bei 37° gehalten. | 


| 3 ` u.a | Chin. hydro- Konen, 
Nr. | Def. Blut | 10%, NaCl | 0,99%, NaCl | chlor. 3%), tration 
ccm ccm | ccm | ccm 0/6 
Д ааннара Йан — = 




















1 13 | 018 | er 2 0,4 
2 13 | 009 | 1 1 0,2 
3 13 | — | 2 — Kontrolle 





Nach dieser Zeit sind in Gläschen 1 und 2 alle Blut- 
körperchen unter Erhaltung der Delle prall aufgetrieben, er- 
scheinen sonst intakt, und alle liegen einzeln. Seitlich betrachtet 
sind alle starr halbmondförmig. Nach dem Zentrifugieren 


38 J. Halberkann: 


haften die vielmals dunkler gefärbten Blutkörperchenkuchen fest 
am Boden, die Sera sind stark hämolytisch gefärbt, in Gläschen 1 
' stärker als in 2. In der Kontrolle 3 zeigen die Blutkörperchen 
gegenüber einer Probe keine Unterschiede, fast alle sind schwach 
zusammengedrückt, mit groben Stechapfelfortsätzen, viele liegen, 
wenn auch verzerrt, reihenweise beisammen. Das Serum ist 
nur wenig gerötet, und die zentrifugierten Blutkörperchen 
lockern sich beim Umschwenken mit physiologischer Kochsalz- 
lösung leicht vom Boden. 

Nach Auffüllen mit Kochsalzlösung wird wiederum zentri- 
fugiert. Die überstehende Flüssigkeit ist bei Kontrolle 3 nicht, 
bei 1 und .2 sehr stark hämolysiert. Bei 1, soweit Blutkör- 
perchen noch vorhanden sind, sehen sie wie vorher prall auf- 
getrieben aus und haften tiefdunkelrot, verklebt am Boden. 
In 2 kleben sie etwas lockerer am Boden, aber nur wenige 
besitzen noch die aufgetriebene Form, die meisten haben aus- 
geprägte Stechapfelform angenommen. In der Kontrolle be- 
sitzen die Blutkörperchen feine Stechapfelfortsätze und lösen 
sich leicht vom Boden ab. 

Das dritte Zentrifugat war bei 1 und 2 wieder sehr stark 
hämolytisch verfärbt, bei Kontrolle 3 keine Hämolyse. Bei 1 
fanden sich kaum noch intakte, aber nun auch kollabierte 
Blutkörperchen. 

Das Ergebnis dieses Versuches läßt sich dahin zusammen- 
fassen, daß die Blutkörperchen für Chinin permeabel sind, daß 
die Diffusion nicht bis zur gleichmäßigen Verteilung zwischen 
Blutkörperchen und Serum geht, daß vielmehr eine Speicherung 
in ersteren stattfindet, die den osmotischen Druck innerhalb 
der-Zelle verstärkt, was bis zum Zerreißen ihrer Membran, bis 
zur Hämolyse führen kann. Andere als physikalische Ursachen 
kann man nicht verantwortlich machen. Die nach dem zweiten 
Zentrifugieren noch vorhandene, ballonartige Auftreibung der 
Erythrocyten in Gläschen 1 — die des Gläschens 2 kehren 
ziemlich zur Norm zurück — muß so gedeutet werden, daß 
das Alkaloid der unterdessen der Zerstörung anheimgefallenen 
Blutkörpercheg nun wiederum die noch intakten angehen kann, 
wodurch diese kein Chinin an die umgebende Flüssigkeit ab- 
zugeben vermögen, während dies bei 2 infolge des vielmals ge- 
ringeren Zerfalles möglich war. 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 39 


Nebenbei wurde geprüft, ob die chininbeladenen Blut- 
körperchen und ebenso die hämoglobinhaltigen Zentrifugate die 
Blutreaktionen mit Phenolphthalein und mit Guajacharz gaben. 
Die Reaktionen fielen positiv aus. 


2. 


Ein weiterer Versuch wurde derart angestellt, daß Blut 
mit fallenden Chinindosen einige Zeit in den Brutschrank kam, 
hernach zentrifugiert und die Blutkörperchenbreie noch 5 mal 
mit Kochsalzlösung versetzt und wieder abgeschleudert wurden. 
Ein mehr oder weniger starkes Auswaschen des Alkaloids aus 
den Blutkörperchen ist dabei anzunehmen. Dann wurde Form- 
aldehyd zugefügt und noch einigemale durch Zentrifugieren und 
Wiederauffüllen gewaschen. In einer zweiten Versuchsreihe 
wurde Formaldehyd nach dem ersten Abschleudern zugegeben 
und dann sorgsam ausgewaschen. Die Weiterführung dieser 
Anordnung, die das einmal eingetretene Chinin fixiert, scheiterte 
jedoch an der Unlöslichkeit der gehärteten Blutzellen in Natron- 
lauge. Es wurde versucht, Natriumhypobromid zu verwenden, 
jedoch ergaben einige orientierende Vorversuche, daß hierbei 
Verluste eintreten können, da man die Menge des Lösungs- 
mittels nur gefühlsmäßig zusetzen kann. So ergab eine Kon- 
trolle in ganzem Blut 0,0300 g, in Serum 0,0295 g, Härtung und 
sehr vorsichtiges Auflösen mit Natriumhypobromid 0,0298 g, 
ebenso mit der doppelten Menge des Lösungsmittels 0,0279 g 
Chinin. Vielleicht ließe sich dieser Gedankengang doch noch 
zu einer anwendbaren Methode gestalten. 


3. 

Zu diesem Versuche wurde das gegen Chinin resistentere 
Hammelblut verwandt, in gleicher Anordnung wie bei 3, nur 
daß hier nach dem fünften Zentrifugieren mit Alaun gehärtet 

















At A Chin. hydro- | Konzen- 
Nr. | Def. Blut | 10°/, NaCl | Dän, NaCl chlor. 39, ста 
ccm cem сеш ccm DR 
1 13 | 018 Б 2,0 0,4 
2 13 0,13 0,5 1,5 0,3 
3 13 0,09 1,0 1,0 0,2 
4 13 0,05 1,5 0,5 0,1 
5 18 0,02 1,75 0,25 0,05 
6 13 — 2,0 | — Kontrolle 








40 J. Halberkann: 


und dann noch 5mal gewaschen wurde. Die schließlich er- 
haltenen Blutkörperchen, die nach der Härtung immer stark 
am Boden kleben und schlecht zu suspendieren sind, sehen 
durchgängig intakt aus und sind meist hur etwas zusammen- 
gedrückt und vereinzelt mit Stacheln besetzt. Sie wurden in 
Natronlauge gelöst, ebenso die letzten Zentrifugate mit Natron- 
lauge versetzt, mit Äther sorgsam extrahiert und wie üblich 
weiterbehandelt. Wie zu erwarten war, ergaben sich in keinem 
Falle wägbare Rückstände, die mit einem Tropfen verdünnter 
Salpetersäure und 1 ccm Wasser gelöst und auf Fluorescenz ` 
untersucht wurden. Dann wurde je ein Tropfen Ammoniak- 
flüssigkeit und Essigsäure zugefügt und je die Hälfte der 
Thalleiochin- und der Quecksilberjodidprobe unterworfen. Das 
Ergebnis zeigt folgende Tabelle. 














Blutkörperchen Fluorescenz EA ++++ +++ ++ | | зи Гб 
n Thalleiochin | + | + + | 0 0 0 

n HgJ,-Nieder- | 
schlägel +++ | +++ | ++ + + 0 
Zentrifugat . . | Fluorescenz | ++ | ++ + | Sp. Sp 0 
» . . | Thalleiochin 0 0 | 0 t. 0 
n . . | Hg,J-Trübungen schwach, von 1 schwach bis 5 abfallen 0 








sehr schwach 


4. 


Der gleiche Versuch wurde wie bei 3 wiederholt, aber 
ohne Alaunhärtung, also die Blutkörperchen 10 mal mit Koch- 
salzlösung aufgeschwemmt und abgeschleudert. Das Resultat 
zeigt die Tabelle. 


eg LEET KEE EECH 
In Reaktion 1 TE Do A Ah 4 | 5 |Коп- 
= Be u | í | trolle 





Blutkörperchen Fluorescènz ++++ ++ +++ 





et: gek Jg 
Zentrifugat . . » +++ ++ | ++ | ++ P-| 0 
Blutkörperchen Hei, [++++++++++ ENEE +++! 0 
Zentrifugat . . л +++++++++ +++ O ++ + |0 


Die Intensität der Reaktionen, die nur für jede einzelne 
Untersuchung vergleichbar ist, habe ich mit Kreuzchen be- 
zeichnet. Für Versuch 3 und 4 darf wohl als sicher ange- 
nommen werden, daß von dem ursprünglich im Serum ver- 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 41 


bliebenen Chinin durch das 10malige sorgfältige Auswaschen 
— je '/, Stunde zentrifugiert bei 3150 Umdrehungen — wohl 
nichts mehr nachweisbar in das zehnte Zentrifugat herüber- 
gekommen ist. Das im zehnten Ablauf gefundene Alkaloid 
muß auf Konto des in den Blutkörperchen gespeicherten 
Chinins, das in die umgebende Flüssigkeit diffundierte, gesetzt 
werden. 

Aus den Versuchen 3 und 4 geht, besonders aus dem 
Ausfall der Quecksilberjodidprobe deutlich hervor, daß die 
Blutkörperchen eine verhältnismäßig große Chininmenge an- 
fänglich aufgenommen haben müssen, da trotz des häufigen 
Auswaschens sich noch Niederschläge bilden konnten. Wollte 
man auch annehmen, daß nicht alles nicht-gespeicherte Chinin 
fortgewaschen wäre, so ginge trotzdem aus dem Resultate 
hervor, daß die Erythrocyten am Ende des Versuches mehr 
Chinin enthalten als die Waschflüssigkeit. 

Die Fluorescenz obiger Flüssigkeiten konnte mit bloßem 
Auge im zerstreuten Tageslichte nicht wahrgenommen werden, 
sie tritt dagegen hervor, wenn man ein durch eine Linse zu- 
sammengefaßtes Strahlenbündel der Bogenlampe oder Sonne 
hineinfallen läßt, wobei seitlich abzublenden ist. 


Ə. 


Dieser Versuch sollte zeigen, ob Chinin in kleinsten Mengen, 
die noch eben durch Fluorescenz nachweisbar sind, vollständig 
von den roten Blutkörperchen adsorbiert wird, oder ob auch 
dann noch ein Gleichgewichtszustand sich einstellt zwischen 
Serum und den roten Blutzellen, wie es bei höheren Konzen- 
trationen der Fall ist. Hierzu wurde 2°/‚iges Hammelblut 
mit Chinin von 1:10000 bis 1:10000000 versetzt und die 
Proben in den Brutschrank gestellt. Nach je 2, 4 und 8 Stunden 
wurden jedesmal 10 ccm mit 1 ccm 0,4°/,iger Riein-Kochsalz- 
lösung vermischt und über Nacht im Eisschrank aufbewahrt. 
Kontrollen ohne Chinin wurden ebenso behandelt. Dann wurde 
klar und farblos abgegossen, zu je 5 сеш 2 Tropfen verdünnte 
Salpetersäure und 12 Tropfen 20°/,iger Silbernitratlösung ge- 
geben, und alle Proben einer Reihe, mit der stärksten Ver- 
dünnung beginnend, durch das gleiche Filter gegossen, was 
zwar eine gewisse Verschiebung der Konzentration bedingt, die 


42 J. Halberkann: 


aber im Versuch und in der Kontrolle gleichartig erfolgte. Die 
Kontrollen zeigten keine Fluorescenz, auch nicht die Ver- 
dünnungen 1:10 und 1:5 Millionen, und man könnte dies 
auf Konto der Speicherung durch die Blutkörperchen oder der 
Adsorption durch das Chlorsilber und des Filters setzen. Da- 
gegen fluorescierte die Verdünnung 1:2 Millionen noch, wenn 
auch äußerst schwach, die zu 1:1,5 und 1:1 Millionen ent- 
sprechend stärker, aber immer schwächer als eine entsprechend 
starke Kontrolle Chininlösung. Daraus darf man schließen, 
daß eine Speicherung in den Blutkörperchen erfolgt, die aber 
immer nur, anscheinend auch in den stärksten Verdünnungen, 
zu einem gewissen Grade führt, nämlich bis der Gehalt in den 
roten Blutkörperchen im Gleichgewichte ist mit dem Chinin: 
gehalt der umgebenden Flüssigkeit. 


6. 


Die bisherigen Versuche haben nur qualitativ dargetan, 
daß Chinin von den roten Blutkörperchen aufgenommen wird. 
Die quantitative Bestimmung in den mit Formaldehyd gehärteten 
Blutzellen scheiterte an deren Unlöslichkeit in Natronlauge, 
die Härtung mit Alaun schien für diesen Zweck nicht ge- 
eignet. Ich habe deshalb versucht, die Menge des gespeicherten 
Chinins indirekt zu ermitteln, nämlich durch Wägung des im 
Serum verbliebenen Alkaloides. 

Es wurde, wie in dem Schema zu dem Versuche 3, das 
doppelte Quantum Hammelblut mit 0,4, 0,2, 0,1 und 0,05°/, 
Chinin versetzt, 5 Stunden in den Brutschrank gestellt, scharf 
zentrifugiert und von den klaren, teils hämolytisch verfärbten 
Sera aliquote Teile zur Chininbestimmung entnommen. ` Ein- 
mal wurden Kontrollen ohne Chinin, jedesmal aber Kontrollen 
ohne Blut mit gleicher Menge Chinin angesetzt, um eventuelle 
Unstimmigkeiten der Pipetten zu umgehen. Alle Proben wie 
die Kontrollen wurden unter genau den gleichen Bedingungen 
geprüft. Је 10 eem wurden nach Zusatz von 3 cem Natron- 
lauge 3mal mit 20 cem Äther extrahiert, die Ätherauszüge mit 
10 сет 2/, ,-, dann mit 10 ccm "/,,-Salzsäure, dann noch mit 
5 союш Wasser ausgeschüttelt, die vereinigten sauren Extraktie 
mit Äther einmal gereinigt, dann 2 сеш Ammoniakflüssigkeit 
zugefügt und dreimal mit 25, 15 und 10 сет Äther ausgezogen. 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 43 


Die Ätherauszüge wurden mit wenig geglühtem Natriumsulfat 
getrocknet, filtriert, die Filter quantitativ ausgewaschen. Die 
Rückstände wurden bei 120° getrocknet und gewogen. Vier 
Kontrollen mit Blut ohne Chinin ergaben so Rückstände: je ein- 
mal von — 0,1 mg und + 0,4 mg, zweimal von 4+ 0,1 mg. 




























Verschwundenes 
Nr. Kontrolle Ganzes Blut |Blutkörperchen Chinin 
0/ 
10 
1 0,0327 0,0198 — "39,5 
2 0,0182 0,0101 — 44,5 
3 0,0095 0,0049 — 48,4 
4 0,0055 0,0025 — 54,5 
5 0,0319 0,0194 — 39,2 
6 0,0166 0,0102 j — 38,5 
7 0,0083 0,0052 — 37,3 
8 0,0051 0,0033 — 35,3 
0,0324 0,0195 0,0186 39,8 und 42,6 
0,0162 0,0094 0,0089 420 » 45,1 
' 0,0089 0,0056 0,0056 87,1 » 871 
0,0052 0,0031 | 0,0029 ! 404 » 44,8 





Diese Ergebnisse zeigen überzeugend, daß das Chinin weit- 
gehend von den Erythrocyten gespeichert wird, und es hat sich 
dabei kein oder kaum ein Unterschied ergeben, ob ganzes Blut 
oder 3mal mit physiologischer Kochsalzlösung gewaschene Blut- 
körperchen verwandt wurden. Absolut genaue Werte bieten 
diese Zahlen nicht; das Volumen der roten Blutkörperchen 
spielt bei der Versuchsanordnung nur eine geringe Rolle, eher 
wäre die von Gläschen 1 bis 4 abfallende Hämolyse in Rechnung 
zu stellen. Jedenfalls aber dürfen obige Zahlen auf möglichst 
angenäherte Werte Anspruch erheben. Mit geringeren Chinin- 
mengen, wie sie für den menschlichen Organismus in Betracht 
kommen, zu arbeiten, war leider wegen der Grenzen der Wäg- 
barkeit und der dadurch bedingten Zunahme der Versuchs- 
fehler nicht angängig, eine Methode aber, die auf anderen 
Prinzipien beruht, zu benutzen, war ich nicht in der Lage. 
Mit der gewöhnlichen, oben angedeuteten Anordnung der Fluores- 
cenzprobe quantitative. Bestimmungen vorzunehmen, erachte 
ich für nicht möglich, eine Beschreibung der Gehaltsermittlung 
mittels des Fluorescenzmikroskopes, das Hartmann und Zila 
dazu benutzten, stand mir nicht zur Verfügung. 


44 J. Halberkann: 


Die von den roten Blutkörperchen aufgespeicherten Mengen 
Chinin bewegen sich in Grenzen zwischen 35 bis 48°/, (einmal 
54,5°/,), und es macht sich kein Unterschied bemerkbar, ob 
dem Blute mehr oder weniger Chinin zugegeben war. Auch 
hieraus muß man schließen, daß das Chinin nicht selektiv von 
den Blutkörperchen angezogen wird, sondern daß ein Gleichge- 
wicht sich einstellt, Blutkörperchen : Serum == 35 — 48:65 — 52 
oder im Mittel aller Versuche 41,6: 58,4, das ist annähernd 2:3. 
Natürlich ist es nicht erlaubt, diese in vitro mit so großen, 
biologisch nicht möglichen Chininmengen gewonnenen Einblicke 
ohne weiteres auf die im zirkulierenden Blute sich abspielenden 
Vorgänge zu übertragen; aber anschließend möchte ich noch- 
mals auf die von Morgenroth in ganz anderer Versuchs- 
anordnung ermittelte Feststellung hinweisen, nach der bei einer 
Lösung von 1:100000 (Vollblut) 50°/, der Alkaloidmenge — ob 
in Wirklichkeit 25 oder 75°/, ließ die Versuchsanstellung un- 
entschieden — in Verlust geraten sind. 


Literatur. 


1) F. Mariani, Atti della società per gli studi della malaria 1904. 

2) G. Kerner, Arch. f. d. ges. Physiol. 2, 200, 1869; 3, 93, 1870. 

3) A. Merkel, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 47, 165, 1902. 

4) R. Schmitz, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmokol. 56, 301, 1907. 

5) G. Giemsa und H. Schaumann, Arch. f. Schiffs- u. Tropen- 
hygiene 12, Beiheft 3, 1907. — G. Giemsa, Biochemische Methoden bei 
Malariauntersuchungen, in Abderhaldens Handb. d. biochem. Arbeits- 
methoden 6, 195, 1912. 

6) М. Flamini, Atti della società per gli studi della malaria 1906. 

7) Teichmann, Deutsche med. Wochenschr. 43, 1092, 1917. 

sa) G. Giemsa und J. Halberkann, Deutsche med. Wochenschr. 
43, 1501, 1917. — ®) Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene 21, 333, 1917. 
— *) Münch. med. Wochenschr. 65, 972, 1918. 

%) Н. Hartmann und L. Zila, Münch. med. Wochenschr. 64, 
1597, 1917. — Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 83, 221, 1918. 

10) Warburg, Münch. med. Wochenschr. 65, 591, 1918. 

11) A.Schittenhelm und H.Schlecht, Deutsche med. Wochenschr. 
44, 314, 1918. 

12) H. Scholz, Deutsche med. Wochenschr. 44, 965, 1918. 

1з) A. Plehn, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 22, 381, 1918. 

14) E. Küster und Н. Wolff, Berl. klin. Wochenschr. 56, 123, 1919. 

15) M. Nishi, Arch. f.experim. Pathol. u. Pharmakol. 60, 312, 1909. 

16) S.Neuschloß, Münch. med. Wochenschr. 64, 1217 u. 1284, 1917. 


Chinin und Hydrochinin im Organismus. 45 


17) Н. Ziemann, Handb. d Tropenkrankh. V. 1. Die Malaria 1917. 

1) Н. Skraup, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 12, 1104, 1879. 

1) Personne, Journ. d. chim. et pharm. 28, 354, 1878. 

2) J. Katz, diese Zeitschr. 36, 144, 1911. 

21) G. Giemsa und J. Halberkann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 
51, 1325, 1918. 

22) А. C. Oudemans, Annal. d. Chem. 44, 182, 1876. 

23) О. Hesse, Annal. d Chem. 176, 256, 1875; 182, 135, 1876. 

“) P. Rabe, Annal. d. Chem. 373, 100, 1910 und Ber. d Deutsch. 
chem. Ges. 51, 466, 1918. 

25) C. Kelber, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 49, 55, 1916. 

2) G. Giemsa und H. Werner, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 
16, Beiheft 4, 65, 1912. 

27) О. Hesse, Annal. d. Chem. 241, 265, 1887. 

28) G. Giemsa, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 12, Beiheft 5, 78, 1908. 

29) A. Plehn, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 13, Beiheft 6, 145, 1909. 

‚ 20) P. Großer, diese Zeitschr. 8, 98, 1908. 

а) В. Nocht, Verhandl. d. Deutsch. Kolonialkongresses 1905, 218. — 
Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 12, Beiheft 5, Diskussion, 97, 1908. 

22) J. Morgenroth, Deutsche med. Wochenschr. 44, 961 und 
988, 1918. 


Über Jod-Stärkereaktion und ihre Verwendung für eine 


Prozessen. 


Von 
C. Lange. 


colorimetrische Eiweißbestimmung bei Immunitäts- 


(Aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie.) 


(Eingegangen am 22. März 1919.) 
Inhaltsangabe. 


Einleitung. Versuch einer Fermentbindung als Ersatz der 


II. 


II. 


Komplementbindung, der Veranlassung gibt, die Diastase- 
bestimmung mittels Jodstärkereaktion genauer zu analysieren, 
und bei dem sich die Möglichkeit ergibt, die Jodstärke- 
reaktion für eine quantitative colorimetrische Eiweißbe- 
stimmung zu һБеппеп................. 


. Die Diastasebestimmung mittels Jodstärkereak- 


tion, ihre Beeinflussung durch Körper, die schon bei 
Zimmertemperatur in kurzer Zeit Jod chemisch binden, 
speziell durch Eiweißkörper. Kritik der quantitativen Dia- 
stasebestimmung und Möglichkeit einer Verfeinerung . . . 
Untersuchungen über die Jodstärke: Art der Bin- 
dung, Beeinflussung der blauen Farbe durch physikalische 
Baktenep, Za эз уж» a ae э 

Das Zustandekommen der blauen Jodstärke wird erklärt 
durch eine gegenseitige Kolloidausfällung, resp. Löslichkeits- 
beeinflussung zwischen dem kolloidalen Jod und der kol- 
loidalen Stärke. Die Farbqualität (Jodstärke, Joddextrin) 
ist abhängig vom Dispersitätsgrade . . . . 2 22... 


- Die unter Einwirkung verschiedener physikalischer Fak- . 


toren verschiedene Intensität der Blaufärbung bei gleichen 
Mengen Jod und Stärke ist abhängig vom Quellungszustand 
des elektronegativen Kolloidkomplexes Jodstärke, bei stär- 
kerer Quellung neigt die Blaufärbung zum Verschwinden . 
Quantitative Eiweißbestimmung mittels der Jod- 
stärkereaktion. Jodierung mit und ohne Isolierung des 


41—54 


54—51 


58—69 


58—61 


61—69 


C. Lange: Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendg. f.e.colorimetr. Eiweißbest. 47 


Eiweißes, bei originaler oder saurer Reaktion mit oder ohne 
Katalysatoren. Allgemeine Grundlagen der Methodik für 
die Bestimmung des Gesamteiweißes in Serum, bzw. Plasma 
und Lumbalflüssigkeit und zur Standardisierung von Vaccinen. 
Bedeutung dieser Bestimmung für die Analyse von Immu- 
nitätsprozessen ........... GE KEE ... 69-84 


Den Ausgangspunkt für die im folgenden dargestellten 
Untersuchungen bildeten Versuche, eine Technik auszubilden, 
wobei analog der Komplementbindung die Adsorption von 
Fermenten als Indicator für die vollzogene Reaktion zwischen 
Antigen und Immunkörper. resp. bei der Wa.-R. zwischen Lues- 
serum und Extrakt verwendet: werden sollte. 


Untersuchungen in dieser Richtung scheinen in verschie- 
dener Richtung von Interesse: erstens als dadurch die Frage 
eine Klärung erfahren könnte, ob spezifische, immunisatorisch 
erzeugbare Antifermente tatsächlich vorhanden sind oder nur 
durch eine „Bindung“ vorgetäuscht werden, analog den Ver- 
suchen über die Feststellung immunisatorisch erzeugbarer spe- 
zifischer Antikomplemente. Zweitens scheinen Veränderungen 
der Versuchsanordnung möglich, die bei der Komplementbindung 
durch das Arbeiten mit einem hämolytischen System, ins- 
besondere aber mit Blutkörperchen, die gegen verschiedene 
Änderungen des Mediums sehr empfindlich sind, unmöglich ge- 
macht werden. 


Versuche in dieser Richtung, wenn auch mit negativem Erfolge, 
wurden bereits von Hailer unternommen. Er verglich’ die Bindung 
von Komplement und Ferment an spezifische und nichtspezifische Nieder- 
schläge und Suspensionen. Für das Labferment, das nur geprüft wurde, 
kam Hailer zu Feststellungen von Unterschieden іп der Adsorptions- 
fähigkeit zwischen Komplement und Ferment, die sich darauf bezogen, 
daß Lab z. B. durch Kaolin sehr stark gebunden wird, daß es dagegen 
von Aufschwemmungen von SiO, und spezifischen Präcipitaten, die Kom- 
plement stark binden, nicht adsorbiert wird. Wir hatten schon vor 
einer Reihe von Jahren Versuche des Ersatzes von Komplement gerade 
durch Lab gemacht, weil uns die ohne weiteres sichtbar zu machende 
Fermentwirkung besonders erwünscht schien und beim Lab wenigstens 
insofern eine Ähnlichkeit in der Adsorption an Oberflächen besteht, als 
es ebenso wie das Komplement durch Schütteln inaktiviert werden kann. 
Wir kamen damals zu keinen greifbaren Resultaten; die Untersuchungen 
von Hailer lassen den vermutlichen Grund dafür erkennen. Nun ist 
aber bekannt, daß die Adsorptionsfähigkeit verschiedener Fermente 
gegenüber verschiedenen Substanzen sehr erhebliche Differenzen zeigt. 


48 C. Lange: 


Die Untersuchungen von Hailer lassen es danach nicht ausgeschlossen 
erscheinen, daß trotzdem Fermente gefunden werden können, die in 
ihrer Adsorptionsfähigkeit an spezifische Präcipitate dem Komplement 
gleichstehen oder es sogar noch übertreffen. Neben dem Lab prüften 
wir damals Fibrinferment, aus dem gleichen Grunde, wie schon beim 
Lab angegeben, und Tyrosinase. Beim Fibrinferment zeigten sich Diffe- 
renzen, die sich aber als ungeeignet erwiesen, um darauf eine praktische 
Methode aufzubauen. Es erschienen dann die Arbeiten von Hirschberg 
und Klinger über eine Gerinnungsreaktion bei Lues, die uns veran- 
laßten, dieses spezielle Gebiet noch einmal zu untersuchen. Wir wollen 
hier nicht näher darauf eingehen, da wir an anderer Stelle über diese 
Untersuchungen berichten werden, wir wollen nur auf die Differenzen 
hinweisen; während wir ebenso wie Hailer eine Fermentbindung 
versuchten, ist die Gerinnungsreaktion etwas durchaus anderes, nämlich 
eine Kofermentbindung. Gebunden wird, resp. in Reaktion tritt 
das Koferment des Fibrinferments, das Cytozym, während die Ferment- 
wirkung nur den Indicator der stattgefundenen Kofermentinaktivierung dar- 
stellt. Derartige Kofermentbindungen kann man auch in anderer Form 
zur Demonstrierung von Immunitätsvorgängen heranziehen, z. B. bei 
luetischen Seren mit gallensauren Salzen, deren Kofermentinaktivierung 
durch Ausbleiben ihrer verstärkenden Wirkung auf Lipasen nachgewiesen 
werden kann. Eine direkte Fibrinfermentbindung, die Hirschberg 
und Klinger nicht gelang, konnten wir unter anderen Bedingungen 
ebenfalls nachweisen, doch erscheint die Fermentnatur des Gerinnungs- 
vorgangs uns so wenig gesichert, daß hieraus theoretische Schlüsse nicht 
gezogen werden hönnen. 

Wir mußten diese erklärenden Ausführungen erst bringen, um ver- 
ständlich zu machen, wie wir zu den gleich darzustellenden Versuchs- 
ergebnissen und Versuchsanordnungen kamen. 


Bei der Prüfung verschiedenster Fermente auf ihre Bin- 
dungsfähigkeit im Vergleich mit Komplement versuchten wir 
auch diastatische Fermente verschiedener Abstammung, weil 
wir hier in der Methode der quantitativen Bestimmung diasta- 
tischer Fermente nach Wohlgemuth eine Methode zu haben 
glaubten, die eine Demonstrierung von Fermentwirkungen fast 
ebenso bequem und außerdem quantitativ viel feiner abstufbar 
erwarten ließ, als bei Fermenten mit unmittelbar sichtbarer 
Fermentwirkung, wie z. B. Lab, Fibrinferment oder Tyrosinase. 


Wir wollen die dabei gefundenen Untersuchungsergebnisse 
kurz anführen, weil sie uns bei der Bewertung der quanti- 
tativen Resultate, die man mit der Methode erzielen kann, 
von praktischer Bedeutung erscheinen, da ja auch diese Me- 
thode wegen ihrer großen Bequemlichkeit für klinische Zwecke 


Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 49 


in ausgedehntem Maße herangezogen wurde. Man kann nun 
bei der Bestimmung diastatischer Fermente drei Methoden 
unterscheiden: erstens die Verfahren, wobei die quantitative 
Bestimmung des entstehenden Zuckers als Maß der Stärke des 
diastatischen Ferments genommen wird; zweitens die Methoden, 
die hierzu den Ausfall der Jodstärkereaktion in irgendeiner 
Weise benutzten, drittens die Methode von Walther, die 
analog der Pepsinbestimmung mit Mettschen Röhrchen die 
Länge eines verdauten Stärkecylinders als Maß der diastatischen 
Kraft wählt. 

Die Wohlgemuthsche Methode benutzt die Jodstärke- 
reaktion. Wir werden nun ausführen, welche Verhältnisse hier- 
bei eine genaue quantitative Abschätzung der diastatischen 
Kraft einer Fermentlösung bis zu einem gewissen Grade illu- 
sorisch erscheinen lassen. Wir werden dabei genauer auf die 
Verhältnisse der Jodstärkereaktion überhaupt und ihre Beein- 
flussung durch jodbindende und andere Körper in der Reak- 
tionsflüssigkeit, sowie durch andere Faktoren eingehen müssen, 
um dann zu zeigen, welchen besonderen Einfluß hierbei Eiweiß- 
körper, resp. der aromatische Kern im Eiweißmolekül haben 
und wie man diese Verhältnisse für praktische Zwecke zu einer 
quantitativen Eiweißbestimmung nutzbar machen kann. 

Nach Wohlgemuth wird die diastatische Kraft einer 
Fermentlösung auf die Weise bestimmt, daß man sich eine 
Reihe mit fallenden Mengen der zu untersuchenden Ferment- 
lösung herstellt und zu jeder Verdünnung 5 ccm einer 1°/ igen 
Stärkelösung zugibt. Nach Ablauf der gewünschten Versuchs- 
dauer werden sämtliche Reagensröhrchen etwa bis fingerbreit 
vom Rande mit Wasser aufgefüllt und je ein Tropfen einer 
®/,0Jodlösung zugesetzt und umgeschüttelt. Hierbei treten nun 
je nach der erreichten Stufe des Stärkeabbaus verschiedene 
Färbungen auf; zur Bestimmung der Diastase wird nun der 
unterste Grenzwert (limes) benutzt, wo zum erstenmal die rein 
blaue Farbe unverkennbar auftritt, Das mit Wasser aufgefüllte 
Röhrchen zeigt demnach eine leicht violette Färbung. Dies 
wird als Ausdruck dafür angenommen, daß in dieser Verdün- 
nung ein Abbau von Stärke nicht mehr erfolgt ist. Auf die 
übrigen Kautelen bei der Versuchsanordnung brauchen wir in 


diesem Zusammenhange nicht näher einzugehen, wo uns nur 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 4 


50 C. Lange: 


die Beeinflussung der Jodstärkereaktion durch fremde Faktoren 
interessiert. Auf eine Fehlermöglichkeit, die vielleicht nicht 
ausgeschaltet werden kann, außer bei der Methode nach Walther, 
wollen wir nur kurz hindeuten, daß nämlich die Diastasewirkung 
bei Mischung z. B. von Serum mit einer Lösung von Stärke 
durch die hierbei auftretende gegenseitige Kolloidausflockung 
erheblich beeinflußt werden kann, was zu unkontrollierbaren 
Fehlermöglichkeiten führen kann, da ja diese Ausfällungen 
nicht gleichmäßig in der fallenden Reihe abfallen, da derartige 
gegenseitige Kolloidfällungen von dem Mischungsverhältnis ab- 
hängig sind. 

Die Verhältnisse bei der Wohlgemuthschen Methode 
scheinen auf den ersten Blick sehr einfach und durchsichtig, 
und doch zeigt sich bei näherer Analyse, daß hierbei doch 
Fehlschlüsse möglich sind. Es liegt uns fern, die praktische 
Brauchbarkeit der Methode nach Wohlgemuth bezweifeln zu 
wollen,. aber wir werden nach näherer Analyse sehen, welch 
große Bedeutung den genauen Mischungsverhältnissen (5 ccm 
1°/,ige Stärke, 1 Tropfen ®/,,.Jod) zukommt, und daß die 
Methode der Bestimmung der diastatischen Kraft sehr leicht 
zu direkten Fehlern führen kann, wenn man von diesen Mi- 
schungsverhältnissen und der vorgeschriebenen Ablesung der 
Resultate erheblich abweicht, was ja ohne weiteres möglich und 
wünschenswert erscheint, wenn man sehr kleine Fermentmengen 
oder sehr kleine Differenzen im Gehalt an Ferment verschie- 
dener Lösungen feststellen will. Ohne eine besondere Kontroll- 
technik, die wir weiter unten geben werden, kann man sich 
sogar verleiten lassen, eine diastatische Fermentwirkung an- 
zunehmen, wo eine solche gar nicht existiert. 

Das Hauptmoment bei der Wohlgemuthschen Methode 
sehen wir in der Feststellung eines direkten Farbenum- 
schlages von blau zu roten oder bräunlichroten Nuancen; 
nur dadurch kann ein Abbau von Stärke nachgewiesen werden, 
nicht etwa auch durch Differenzen in der Intensität der 
Blaufärbung, und diesem Moment wird ja auch bei der Ver- 
suchsanordnung Rechnung getragen. Dagegen ist zu betonen, 
daß die Methode, wenn man sehr feine Differenzen feststellen 
will, als recht grob anzusehen ist, was durch die großen Mengen 
Stärke und Jod bedingt wird, wodurch die enorme Feinheit 


Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 51 


der Jodstärkereaktion unter anderen Verhältnissen ausgeschaltet 
wird. 

Arbeitet man mit kleineren Stärkemengen und kleinen 
Jodmengen, so könnte man hoffen, sehr geringen Stärkeabbau 
schon dadurch festzustellen, daß .man so geringe Jodmengen 
zugibt, daß Differenzen in der Sättigung der blauen Farbe als 
Ausdruck der diastatischen Wirkung genommen werden können, 
bevor ein direkter Umschlag in rotbraun erfolgt. Dies läßt 
sich auch in der Tat bei etwas komplizierter Versuchsanordnung 
ermöglichen. | 

Um diese Verhältnisse leichter verständlich zu machen, 
wollen wir zurückgreifen auf die anfangs beschriebenen Ver- 
suche der Fermentbindung mit diastatischen Fermenten, die 
möglichen Fehlerquellen werden dabei ohne weiteres deutlich, 
nebenbei wollen wir nur darauf hinweisen, daß gerade derartige 
diastatische Fermente für die gewählte Versuchsanordnung 
ihrer Dialysierfähigkeit wegen weniger geeignet erscheinen als 
andere hochkomplexe Fermente, die leicht adsorbiert werden, 
wie z. B. Lipasen. 

Wir vermischten präcipitierendes Serum mit dem dazu 
passenden Eiweiß in verschiedenen Mischungsverhältnissen und 
gaben dazu kleine Mengen Diastase, z. B. eine sehr verdünnte 
Lösung von Speichel. Nach verschiedenen Bindungszeiten bei 
verschiedenen Temperaturen gaben wir nun geringe Mengen 
Stärke dazu, ließen während einer durch einen Vorversuch 
passend ausgewählten Zeit im Wasserbad verdauen und gaben 
dann genau abgemessene Mengen einer so verdünnten Jod- 
lösung dazu, daß eine Blaufärbung entstand, die in der bereits 
vorhandenen Verdünnung feinere Nuancen erkennen lassen 
mußte; die ersten Farbumschläge nach rotviolett hin bei wirk- 
licher Verdauung sind übrigens kaum in Verdünnung zu unter- 
scheiden von verdünnten rein blauen Jodstärkelösungen. 

Wir wollen hier nicht ausführlicher auf unsere Versuche 
eingehen und nur die Resultate bringen, soweit sie in diesem 
Zusammenhang interessieren. Es zeigte sich beim Vergleich 
von normalen und präcipitierenden Seren in Mischung mit dem 
dazu gehörigen Antigen, wenn man Diastase, dann Stärke und 
zum Schluß Jod zugab, stets ein Unterschied bei Vorhanden- 


sein des Immunserums nach der entgegengesetzten Richtung 
4% 


52 С. Lange: 


als erwartet wurde, daß nämlich regelmäßig Mischungen mit 
Immunserum gegenüber denen mit Normalserum eine deutlich 
schwächere blaue Färbung zeigten. Dies trat ganz ausnahmslos 
auf bei den verschiedensten Antiseren und Antigenen. Die 
Deutung war schwierig und widersprach zum mindesten der 
Annahme durchaus, daß es sich um eine Bindung der Diastase 
handeln könnte. 

Bei näherer Analyse stellte sich dann heraus, daß hier 
besondere Verhältnisse vorliegen, die bisher anscheinend fast 
unbekannt geblieben sind und in engstem Zusammenhang mit 
der Beeinflussung der Jodstärkereaktion durch äußere Faktoren 
stehen, jedoch mit etwaigen Differenzen in der Fermentwirkung 
bei der gewählten Versuchsanordnung nichts zu tun haben. 

Auffallend schien sehr bald, daß wir bei den verschieden- 
sten Konzentrationsverhältnissen des Fermentes und bei noch 
so verschieden gewählter Versuchsdauer immer nur denselben 
Farbenunterschied zwischen den Lösungen mit Immun- oder 
Normalserum auftreten sahen. 

Eine bestimmte Richtung bekam dieser Zweifel sehr bald, 
als wir bei unseren Versuchen mit Immunseren, die größtenteils 
zwecks Konservierung mit Carbol versetzt waren, untersuchten, 
welchen Einfluß der Zusatz von Carbolsäure zum Serum auf 
den Ausfall der hier angeführten Versuche hätte. 

Es zeigte sich nun, daß sehr geringe Unterschiede im 
Carbolgehalt von Serum genügten, um einen deutlichen Unter- 
schied im Ausfall der Jodstärkereaktion zu ergeben. Die Er- 
klärung liegt natürlich darin, daß das Jod mit dem Phenol 
direkt schon bei Zimmertemperatur eine feste chemische Ver- 
bindung eingeht, trotzdem es vorher in irgendeiner Verbindung 
mit der Stärke stand, auf die wir noch eingehen werden. Auf- 
fallend waren nur und für die Methode der Diastasebestimmung 
mittels der Jodstärkereaktion von besonderem Interesse die 
zeitlichen Verhältnisse hierbei. Es ergab sich, daß Jod in 
kleinen Mengen mit dem Phenol so schnell reagiert, daß eine 
Blaufärbung der Stärke überhaupt nicht einzutreten braucht 
oder fast momentan verschwindet, selbst wenn man zu der 
carbolhaltigen Lösung zuerst Stärke und dann Jod zugibt. 
Fügt man zu carbokäurehaltigen Lösungen zuerst Jod und 
dann sofort Stärke, dann tritt keine Blaufärbung ein, selbst 


Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 53 


wenn man solche Jodmengen verwendet, daß sie schon eine 
recht starke Bläuung hervorrufen können. Maßgebend für diese 
Verhältnisse ist natürlich die Verteilung — ganz allgemein ge- 
sagt — des Jods zwischen Phenol und Stärke und die zeit- 
lichen Verhältnisse dieses Ablaufs. Doch bevor wir näher darauf 
eingehen können, müssen wir noch ausführen, daß dem Eiweiß 
bei derartigen Versuchen die gleiche Bedeutung zukommt, wie 
etwa dem Phenol. 

Als wir nämlich den Kontrollversuch anstellten, wie 
unsere Serummischungen mit Antigen und Ptyalin gegenüber 
der Jodstärkereaktion sich verhielten, bevor ein Abbau von 
Stärke stattgefunden haben konnte, ergab sich, daß sich die- 
selbe Differenz in der Stärke der Blaufärbung ergab wie nach 
Verdauung; der weitere Versuch ergab, daß auch die Seren 
allein diese Differenz zeigten. Mischte man also das eine Mal 
Immunserum mit Stärke und gab dann Jod dazu, so war die 
Blaufärbung stets geringer als bei Verwendung von Normal- 
serum. Diese Differenz konnte noch ganz erheblich verstärkt 
werden, wenn man zum Serum zuerst eine bestimmte Menge 
Jod zugab und dann nach einiger Zeit Stärke; es ergab sich 
dabei etwa, daß, wenn man zu 1 сот 1:10 verdünnten Serums 
0,5 ccm faso Jod zugab und nach einiger Zeit erst Stärke, das 
Normalserum eine starke Blaufärbung zeigte, während die Mi- 
schung mit Immunserum vollkommen farblos blieb. Die Unter- 
schiede bei den oben dargestellten Versuchen waren damit 
aufgeklärt und hatten danach gar keinen Zusammenhang mit 
der gewählten Versuchsanordnung, sondern waren bedingt durch 
die Differenzen zwischen Normal- und Immunserum. 

Da eine derartige Feststellung einer chemischen Differenz 
zwischen Normal- und Immunseren uns von großem Interesse 
erschien und alle untersuchten Immunseren betraf, prüften wir 
dann weiter, welche Körper diesen Unterschied bedingten. Es 
zeigte sich bald, daß der Unterschied durch den verschiedenen 
Gehalt an Eiweißkörpern bedingt sei, und daß die angegebene 
Methode, die sich noch erheblich verfeinern ließ, sich unter 
bestimmten Bedingungen gut zur quantitativen Bestimmung 
von Eiweiß verwenden ließ. 


Zu ähnlichen Befunden war, wie wir dann fanden, schon Clementi 
gekommen bei Untersuchungen, welchen Einfluß verschiedene Körper 


м 


54 C. Lange: 


auf das Verschwinden der Jodstärkereaktion haben; wir bemerken 
hier gleich, daß er anscheinend nur Körper untersucht hat, die schon 
bei Zimmertemperatur eine starke chemische Affinität zum Jod, gelöst 
in Jodkali, haben, die also der Jodstärkeverbindung das Jod entziehen 
und nicht auch solche Körper, die infolge physikalischer Beeinflussung 
der Löslichkeit dieses Kolloidkomplexes die Farbreaktion in ihrer Inten- 
sität beeinflussen. Außerdem ist für praktische Zwecke der Unterschied 
nicht zu übersehen, daß bei diesen Untersuchungen es nur darauf ankam, 
festzustellen, welche Körper eine blaue Jodstärkereaktion zum Ver- 
schwinden bringen können, während aus unseren Befunden hervorging, 
daß die Körper dieser Klasse, wenn sie im Reaktionsgemisch vorhanden 
sind, ihre Affinität zum Jod bei Zimmertemperatur so momentan geltend 
machen, daß sie den Ausfall einer erst auftretenden Jodstärkebläuung 
abschwächen oder verhindern können. 

Clementi fand das Furfurol wirksam, daneben hatten Eiweiß- 
körper denselben Einfluß; untersucht wurden Albumine, Globuline, 
Pflanzenproteine, Albuminoide und Phosphorproteide, die mit verschie- 
dener Schnelligkeit die Blaufärbung der Jodstärkereaktion aufhoben. 
Glykokoll, Alanin, Leucin, Asparagin waren ohne Einfluß, Tyrosin be- 
wirkte rasche Entfärbung. 


Bei unseren Untersuchungen gaben auch andere Aldehyde 
als das Furfurol eine Hemmung; besonders stark von anderen 
Körpern wieder die Gerbsäure, die aber in der Weise wirkt, 
daß sie die Stärke ausfällt. Auf die Hemmung durch Körper, 
die das Jod nicht binden, gehen wir später noch ein. 

Bevor wir jedoch auf diese Hemmungen und Verstärkungen 
infolge ihrer physikalischen Beeinflussung näher eingehen, wollen 
wir noch ausführen, welche Bedeutung die geschilderten Ver- 
hältnisse für die quantitative Bestimmung von Diastase mit 
Hilfe der Jodstärkereaktion haben. Es ist danach zweifellos. 
daß Farbnuancen in der helleren oder dunkleren Blaufärbung 
bei der Jodstärkereaktion nicht für einen diastatischen Abbau 
der Stärke zu sprechen brauchen; derartige Farbenintensitäts- 
differenzen werden ja nun bei der Wohlgemuthschen Methode 
auch nicht beachtet, sondern nur die Qualitätsdifferenzen 
zwischen den verschiedenen erzielten Farbtönen. Dies ist un- 
bedingt zu beachten, und Abweichungen nach der quantitativen 
Seite erlaubt die Methode in dieser Form kaum, wenigstens 
was die große Menge Jod betrifft. Die Stärkemenge scheint 
keinen so großen Einfluß zu haben, wovon man sich bei Ver- 
suchen mit Urin überzeugen kann, dessen Untersuchung auf 
Diastase nach der Methode Wohlgemuth klinisch viel ver- 


Jod-Stärkereakt. u. ihre Verwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 55 


wendet wird. Mischt man 1 ccm Urin mit 5 сот 1°/,iger 
Lösung von löslicher Starke und gibt dann 1 Tropfen "/,,-Јой 
dazu, so kann nach ganz schnell vorübergehender Blaufärbung, 
deren Intensität und Qualität man kaum beurteilen kann, die 
Färbung wieder vollkommen verschwinden. Dies kommt daher, 
daß der Harn vermutlich durch seinen Gehalt an Phenolen 
eine außerordentlich starke Fähigkeit hat, Jod zu binden, außer- 
dem ist aber zum mindesten noch eine physikalische Beein- 
flussung durch Harnstoff sicher. 

Es erscheint nun auf den ersten Blick auffällig, daß diese 
Entfärbung so plötzlich auftreten kann, wo doch so außer- 
ordentlich geringe Mengen Jod genügen, um mit Stärke eine 
erhebliche Blaufärbung zu erzielen. Der Grund kann nur darin 
gesehen werden, daß das Jod einerseits mit der Stärke eine 
sehr leicht zu trennende Kolloidverbindung eingeht, dagegen 
von Phenol mit großer Kraft chemisth gebunden wird. Man 
kann z. B. die blaue Farbe einer Jodstärkereaktion durch relativ 
kleine Mengen Phenol sehr rasch zum Verschwinden bringen. 
Diese Erklärung scheint im gegebenen Fall am nächsten zu 
liegen, ebenso für den gleichen Einfluß, den Eiweißkörper her- 
vorbringen, doch sind noch andere Verhältnisse denkbar, auf 
die wir bei Besprechung der Einflüsse verschiedener Faktoren 
auf den Ausfall der Jodstärkereaktion zu sprechen kommen 
werden. 

Um nun zurückzukommen auf die Bestimmung von Diastase 
mit der Jodstärkereaktion, so ist jedenfalls eins sicher, daß das 
Vorhandensein jodbindender Körper in der Reaktionsflüssigkeit 
einen erheblichen, und zwar momentan sich geltend machenden 
Einfluß besitzt, der durch die Menge zugegebener Stärke wenig 
beeinflußt wird; die größere Menge an Stärke ist nicht im- 
stande, etwa das Jod festzuhalten und die chemische Verbin- 
dung mit anderen Körpern zu verhindern. Man kann daher 
wohl ohne Bedenken bei Feststellung schwächerer Ferment- 
wirkungen oder feinerer Differenzen zwischen verschiedenen 
Lösungen mit der Stärkemenge heruntergehen. Es liegt auf 
der Hand, daß man allein hierdurch schon eine erhebliche Ver- 
feinerung erzielen kann, was sich sehr einfach demonstrieren 
läßt: erzielt man in 1 ccm Stärkelösung durch schwache Diastase- 
wirkung eine deutliche rote Farbe, so kann dieselbe ohne 


56 C. Lange: 


weiteres vollkommen verdeckt werden, wenn man noch 4 ccm 
unveränderte Stärkelösung und dann das Jod zugibt. Die blaue 
Farbe überdeckt dann die rote Färbung vollkommen; anderer- 
seits können die Verhältnisse noch komplizierter werden, wenn, 
wie im Urin, solche Mengen jodbindender Körper vorhanden 
sind, daß die Stärke der Färbung erheblich beeinflußt wird. 

Um hier die möglichste Feinheit an Unterschieden zu er- 
zielen, muß man die Jodmenge so bemessen, daß keine zu 
starke Farbintensität erzielt wird; 1 Tropfen 2/,,-Јоа ist in 
dieser Hinsicht schon ein sehr erhebliches Quantum; die Farb- 
nuancen werden hierbei durch Zumischung einer gelben Farb- 
nuance auch noch beeinflußt, worauf wir weiter unten noch 
zurückkommen werden. Will man nun bei der Bestimmung 
der Diastasewirkung mittels der Jodstärkereaktion, wenn es 
sich um Feststellung sehr feiner Differenzen handeln soll, eine 
möglichste Verfeinerung erzielen, so kann man dies auf die 
Weise erreichen, daß man die Jodmengen, entsprechend dem 
jeweiligen Vorhandensein jodbindender Körper in der Verdün- 
nungsreihe, die durch einen Vorversuch festzustellen wären, 
verschieden wählt. Man erhält dann wenigstens auch bezüg- 
lich der Farbintensitäten vergleichbare Resultate, die nur durch 
den Grad der Stärkeverdauung bedingt wären. Die Menge der 
Jodlösung wäre nach der Menge zu bemessen, die nach ungefähr 
10 Minuten bei Zimmertemperatur durch das Substrat restlos 
gebunden wird, also nach Zufügen von Stärkelösung keine Blau- 
färbung mehr erkennen läßt. Beim Fermentversuch würden 
dann die Farbnuancen maßgebend sein, die nach Abschluß 
der Verdauung und Zugabe der dosierten Jodmengen 10 Mi- 
nuten danach auftreten, nachdem inzwischen häufig gut durch- 
gemischt ist. 

Wir konnten auf die angegebene Weise Herabsetzung der 
Stärkemenge und Dosierung der Jodmenge eine erhebliche Ver- 
feinerung gegenüber den Resultaten erzielen, die bei genauer 
Innehaltung der Wohlgemuthschen Vorschriften zu erzielen 
waren. 

Um nun die Resultate zusammenzufassen, die sich bei 
Prüfung der Diastasebestimmung mittels der Jodstärkereaktion 
erzielen lassen, so ist es sicher, daß die Methode erheblich 
weniger fein ist, als man bei der enormen Empfindlichkeit der 


Jod-Stärkereakt.u. ihreVerwendung f.e. colorimetr. Eiweißbestimmung. 57 


Jodstärkereaktion erwarten sollte, da sehr viele wenig beachtete 
Zwischenreaktionen auftreten, die dieselbe beeinträchtigen. Diese 
Empfindlichkeit bezieht sich ja auch nur auf den Nachweis 
geringster Jodspuren mittels Stärke, nicht auf die bei der 
Diastasebestimmung obwaltenden Verhältnisse, wo nur der 
qualitative Nachweis des Farbumschlags bei der Stärkever- 
dauung als Indicator benutzt werden kann, und auch dies ist 
noch in bestimmter Richtung einzuschränken, als violette Töne 
allein schon durch die Anwesenheit bestimmter Salze erzielt 
werden können, also nur rote oder rotbraune Färbungen ver- 
wendbar sind. 

Die Menge der zugefügten Stärke scheint uns unter den 
geschilderten Verhältnissen wenig von Bedeutung zu sein, so 
daß man sie wohl herabsetzen kann. Auch die quantitativen 
Verhältnisse der Jodbindung durch andere Körper lassen sich 
bis zu einem gewissen Grade ausschalten, aber selbst bei diesen 
unzweifelhaften Verfeinerungen leistet die Methode in quanti- 
tativer Beziehung vielleicht weniger als der Nachweis des ab- 
gespaltenen Zuckers zur Bestimmung der Wirksamkeit von 
Diastasen; sie hat vor derselben nur die bequemere Ausführung 
voraus. - 

Beeinträchtigen nun besondere Umstände die Feinheit der 
Jodstärkereaktion für den Nachweis der Diastasewirkung, so 
ist diese Feinheit vollkommen ausgenützt, wenn wir die Re- 
aktion dazu benutzen, quantitativ Körper zu bestimmen, - die 
eine ausgesprochene Affinität zum Jod besitzen. Für die Eiweiß- 
bestimmung in bestimmten Körperflüssigkeiten, wo uns diese 
Verhältnisse gerade vom Standpunkt der Immunitätslehre inter- 
essieren, liegen die Verhältnisse in dieser Richtung vielleicht 
noch günstiger als bei der Bestimmung der Phenole mit Jod 
im Harn, wo andere jodbindende Körper, zum Teil wohl Al- 
dehyde, erst durch ein umständliches Verfahren ausgeschaltet 
werden müssen, während die Feststellung des Eiweißgehaltes 
in Serum oder Liquor mittels Jodstärkereaktion sich ohne be- 
sondere Vorbehandlung durchführen läßt. Hier wären ja, be- 
sonders auch beim Serum, derartig einfache Verfahren sehr 
erwünscht, wo manchmal schon die Feststellung von kleinen 
Differenzen von erheblichem Interesse sein könnte, ohne daß 
der absolute Gehalt mit anderen Methoden bestimmt zu werden 


58 С. Lange: 


brauchte, was sich nur äußerst schwierig und ungenau durch- 
führen läßt. Diesem Umstand ist wohl auch die Tatsache zu- 
zuschreiben, daß die Verhältnisse des Eiweißgehalts im Serum 
bei Immunitätsvorgängen so wenig erforscht sind. Anders 
liegen die Verhältnisse beim Liquor, wo schon gute Verfahren 
bekannt sind, aber auch hier wäre jede Verfeinerung außer- 
ordentlich wertvoll aus dem Grunde, weil der Liquor normaler- 
weise einen so konstanten Eiweißgehalt besitzt, daß jede Er- 
höhung, sobald sie sich sicher nachweisen läßt, als pathologisch 
anzusehen ist; die bekannten Verfahren reichen dafür noch 
nicht so weit aus, daß nicht weitere Verfeinerungen erwünscht 
wären. Bei dem äußerst geringen Normalgehalt des Liquors 
an Eiweißkörpern läßt sich eine geringe absolute Vermehrung 
relativ leicht feststellen, da diese Vermehrung prozentual aus- 
gedrückt gleich sehr große Werte annimmt, umgekehrt macht 
eine ebenso starke Eiweißvermehrung im Serum prozentual nur 
geringe Differenzen aus bei dem hohen Normalgehalt an Eiweiß. 
Eine Eiweißvermehrung im Serum läßt sich bei der großen 
Ungenauigkeit der bisher bekannten Methoden demnach sehr 
schwer feststellen. Bedenkt man aber, welche hohe Bedeutung 
bei allen Immunitätsprozessen im Liquor dem Nachweis der 
geringsten Eiweißerhöhung zukommt, so läßt sich ermessen, 
daß derartige Untersuchungen auf das Serum ausgedehnt wohl 
zu manchen interessanten Resultaten bei der Analyse von 
Immunitätsvorgängen führen müssen, wenn man nur eine be- 
queme und hinlänglich exakte Untersuchungsmethode für diesen 
Zweck besitzt. Es scheint uns aber nach unseren bisherigen 
Untersuchungen zweifellos, daß, wenn es nur auf quantitative 
Verhältnisse der Eiweißbestimmung · ankommt, ohne Berück- 
sichtigung der Spezifitätsverhältnisse, die chemischen Reaktionen 
den serologischen Methoden des Eiweißnachweises — wenigstens 
mittels der Technik der Präcipitation — gleichkommen, zum 
Teil auch überlegen sind; von rein chemischen Methoden, die 
wir im Auge haben, verweisen wir hier nur auf die von uns 
angegebene Methode der Liquoruntersuchung mit kolloidalem 
Gold. Auch nach anderer Richtung liegen die Verhältnisse 
verschieden für Blut und Liquor, und zwar auch hier wieder 
günstiger für den Liquor, wenn es sich um Feststellung von 
Eiweißvermehrung im Verlauf immunisatorischer Prozesse — 


Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 59 


ganz allgemein gesagt — handelt. Der Unterschied liegt darin, 
daß die Eiweißbestimmung im Liquor an der Flüssigkeit vor- 
genommen werden kann, wie sie sich im Körper vorfindet, das 
Blut aber gerinnt. :Nun nehmen die bei Immunitätsvorgängen 
interessierenden Eiweißkörper sowohl Antigene als Antikörper, 
in einer Reihe der Eiweißkörper, geordnet nach ihrer steigen- 
den Kolloidalität, die höchste Stufe ein; sie werden am leich- 
testen bei allen Fällungen mitgerissen, finden sich daher auch 
bei allen Salzfällungen meist in der Fraktion, die bei niedrig- 
stem Salzgehalt ausfällt. Das gleiche trifft zu bei der Gerinnung 
des Blutes. Eine Menge dieser Stoffe werden in das Blut- 
koagulum mit hineingerissen. Es ergibt sich nun hieraus die 
Aufgabe, derartige Untersuchungen nicht nur am Serum, son- 
dern аһ am Gesamtblut oder wenigstens am Plasma aus- 
zuführen. Wir werden später zeigen, daß die ersten Eiweiß- 
vermehrungen im Blut sich am Plasma und später erst am 
Serum zeigen; wir glauben, daß diese Feststellung auch für 
rein serologische Methoden von Bedeutung sein kann. Für die 
Eiweißbestimmung im Urin ist das jodometrische Verfahren 
kaum brauchbar zu gestalten, das spielt aber insofern gar keine 
Rolle, als hier die Feststellung so feiner Unterschiede, wie sie 
uns im Serum und Liquor bei Immunitätsvorgängen von großer 
Bedeutung wären, klinisch kaum von Interesse ist. Für die 
hier vorliegenden Bedürfnisse genügen die bekannten Verfahren 
den heutigen Ansprüchen. 

Um nun für eine derartige Methodik eine genügend 
sichere Unterlage zu schaffen, mußten * die Verhältnisse 
nach zwei Richtungen vollkommen geklärt werden: erstens, 
welche physikalischen Faktoren beeinflussen in nennens- 
werter Weise den Ausfall der Jodstärkereaktion, und zweitens, 
welche Körper mit starker chemischer Affinität zum Jod 
können in den auf Eiweiß zu untersuchenden Flüssigkeiten 
nebenher von Einfluß sein? Der letztere Punkt läßt sich 
auf die Weise entscheiden, daß man die eiweißfreie Flüssig- 
keit — hergestellt entweder durch Kolloidfiltration oder 
durch neutrale Ausfällung mit kolloidalem Eisen oder der- 
gleichen — auf jodbindende Körper prüft. Die Methode ist 
direkt brauchbar für alle Körperflüssigkeiten, wenn derartige 
Körper entweder nicht vorhanden sind oder sich unter den 


60 C. Lange: 


gegebenen Verhältnissen so konstant verhalten, daß sie ver- 
nachlässigt werden können. 

Der Einfluß physikalischer Faktoren ist deshalb von 
besonderem Interesse, weil die Erforschung dieser Verhältnisse 
erstens für unsere Methodik von Bedeutung ist, und außer- 
dem auch einen theoretischen Einblick in die komplizierten 
Verhältnisse bei der Jodstärkereaktion gewährt, die noch immer 
nicht vollkommen geklärt erscheinen, ob nämlich die Jod- 
stärke eine chemische Verbindung nach festen Proportionen, 
oder eine feste Lösung nach dem Verteilungssatz ist; wir neigen 
demgegenüber zu der Auffassung, daß es eine Verbindung ist, 
deren wechselnder Gehalt an Jod und wechselnde Färbung 
unter dem Einfluß verschiedener Faktoren durch die verschie- 
dene Löslichkeitsbeeinflussung des Kolloidkomplexes Jodstärke 
bedingt ist. Wir wollen hier die Tatsachen anführen, die uns 
lediglich eine derartige Deutung als möglich erscheinen lassen. 

Die Stärke gehört zu den durch Temperaturdifferenzen 
koagulierbaren hydrophilen Kolloiden, und zwar ist diese Ko- 
 agulation reversibel. Sie unterscheidet sich in dieser Beziehung 
z. B. wesentlich von dem Eiweiß, das gleichfalls ein hydro- 
philes Kolloid darstellt und durch Temperaturdifferenzen — 
aber irreversibel, koaguliert wird. Die Temperatureinwirkung 
ist bei Stärke ebenso wie bei Gelatine und Agar eine umge- 
kehrte als beim Eiweiß, insofern höhere Temperaturen ver- 
flüssigen, also die Löslichkeit erhöhen, niedere Temperaturen 
koagulieren. Die Stärke kann nun ebenso wie durch Tempera- 
tureinflüsse auch durch Krystalloide und Kolloide in ihren Lös- 
lichkeitsverhältnissen weitgehend beeinflußt werden; sie kann 
bei geeigneten Mischungsverhältnissen mit verschiedensten der- 
artigen Körpern entweder ausgeflockt werden oder löslicher 
werden, da letzteres sich durch eine Abnahme der Viscosität 
bemerkbar macht. 

Für die Beeinflussung der Jodstärkereaktion durch physikalische 
Einflüsse interessierte man sich aus praktischen Gründen schon sehr 
frühzeitig; wir wollen hier nicht auf die Literatur näher eingehen, son- 
dern wollen nur das Wichtigste kurz anführen. Fresenius (1857) 
stellte fest, daß die Jodstärkereaktion bei Erhitzung verschwindet, bei 
Abkühlen wieder auftritt. Er fand auch gleich, daß sie im reinen 


Wasser leichter verschwindet, als wenn Säuren oder Salze zugegen sind. 
Der starke Temperatureinfluß ist aus seinen Angaben ersichtlich, daß 


Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e. colorimetr. Eiweißbestimmung. 61 


man zu der gleichen Menge Stärkelösung je nach der Temperatur ganz 
verschiedene Mengen derselben Jodlösung zugeben muß, um eine gleich 
starke blaue Färbung zu erzielen, und zwar betrugen die Jodmengen 
bei 0° 0,4, bei 14° 0,7, bei 28° 1,4 cem. Hieraus kann man schon eins 
entnehmen, was für uns wichtig ist, daß man ohne besondere Vorsichts- 
maßregeln aus der Intensität der Blaufärbung in keiner Weise auf die 
Menge Jod schließen kann, die mit der Stärke unter Blaufärbung re- 
agiert hat. Die Jodstärkereaktion wird verstärkt, bzw. man braucht 
kleinere Mengen Jod bis zur Erzielung einer eben deutlichen Blau- 
färbung, wenn man Salze oder Säuren zugibt. So konnte Fresenius 
durch Zugabe von Chlornatrium und Salzsäure zur Stärkelösung den 
Jodnachweis, denn nur darauf kam es ihm an, so weit verfeinern, daß 
das Jod noch in einer Verdünnung von 1/2500000 durch Blaufärbung 
der Stärke nachgewiesen werden konnte. 

Eine befriedigende Erklärung für diese auffallenden Tat- 
sachen konnte man bei dem damaligen Stand der Kenntnisse 
nicht geben, sie kann nur aus kolloidchemischen Gesetzen her- 
geleitet werden, und man kann leicht erkennen, daß es sich 
hier tatsächlich um reine Kolloidbeziehungen abhängig vom 
Lösungszustand oder Dispersitätsgrad der Stärke, resp. des 
Jodstärkekomplexes handelt, wenn man die von diesem For- 
schungsgebiet geläufigen Vorstellungen auf die Verhältnisse der 
Jodstärkereaktion überträgt, man kann dann auch ohne weiteres 
voraussagen, wie gewisse Stoffe, z. B. Salze, in bestimmter und 
zwar entgegengesetzter Weise den Ausfall der Jodstärkereaktion 
beeinflussen müssen. 

Das Gesetz, nach dem die Jodstärkereaktion in ihrer 
Intensität durch äußere Faktoren beeinflußt wird, lautet ganz 
einfach so: der verschiedene Grad der Blaufärbung bei gleich- 
bleibenden Mengen Jod und Stärke ist lediglich abhängig vom 
Lösungszustand (aber im Hinblick auf die Quellung und 
nicht die Teilchengröße der dispersen Phase) des Kolloid- 
komplexes Jodstärke, und zwar in dem Sinne, daß eine größere 
Löslichkeit die Reaktion zum Verschwinden bringt und eine 
Annäherung an den Zustand der Ausfällung (Entquellung) sie 
verstärkt. 

Dies Gesetz gilt ganz gleichmäßig, ob es sich nun bei 
diesen äußeren Faktoren um rein physikalische oder mehr 
chemische Einflüsse handelt. Bei der physikalischen Beein- 
flussung durch chemische Körper ist es wiederum ganz gleich- 
gültig, ob es sich um Elektrolyte, Nichtelektrolyte, Säuren oder 


62 С. Lange: 


Basen, um Krystalloide oder Kolloide handelt, sie alle beein- 
flussen die Jodstärkereaktion, abgesehen natürlich von den 
Körpern, die momentan eine feste chemische Bindung mit Jod 
eingehen — in der gleichen Weise wie sie die Lösungsverhält- 
nisse des Kolloidkomplexes Jodstärke beeinflussen. 

Als was hat man sich nun den Komplex Jodstärke vor- 
zustellen, wenn man eine chemische Bindung, die leicht disso- 
ziabel sein soll, oder eine Verbindung nach dem Verteilungs- 
satze ablehnt? Nach den Fällungsreaktionen gegenüber anderen 
Kolloiden mit ausgesprochener elektrischer Ladung ist die Jod- 
stärke als elektronegatives Kolloid anzusehen. Sein Zu- 
standekommen erklären wir uns so, daß das fast wasserunlös- 
liche Jod durch Jodkali, ebenso wie die Stärke kolloidal ge- 
löst ist, in kolloidaler Lösung wirkt und daß nun die Bildung 
des Komplexes kolloidales Jod —+- kolloidale Stärke sich nach 
den Gesetzen der gegenseitigen Kolloidausflockung vollzieht, 
wobei zwei Kolloide sich in bestimmten Mischungsverhältnissen 
gegenseitig ausfällen, bzw. in ihren Löslichkeitsverhältnissen be- 
einflussen; ganz bestimmt sind aber zum Zustandekommen der 
Jodstärkereaktion keine Jodionen nötig, wie man dies früher 
annahm. Die Lösungsverhältnisse des Jods in wäßriger Lösung 
sind noch recht unklar, wir nehmen aber eine kolloidale Lösung 
aus folgenden Gründen an: die Löslichkeitserhöhung des Jods 
durch Jodkali beruht nicht nur auf irgendeiner chemischen 
Bindung, sondern das Jodkali beeinflußt offenbar, ebenso wie 
andere Körper, die Löslichkeit des elementaren Jods in 
physikalischer Weise, (das Jodion nimmt unter den anorgani- 
‚schen Anionen, die die Quellung von Gallerten und Löslichkeit 
hydrophiler Kolloide begünstigen, neben dem Rhodan und Brom 
mit die erste Stelle ein), denn erstens fällt das Jod aus kon- 
zentrierten Lösungen in Jodkali beim Verdünnen mit Wasser 
aus und zweitens entspricht die Erhöhung seiner Löslichkeit 
durch Salze der Löslichkeitsvermehrung anderer Kolloide durch 
Salze. Außerdem sprechen dafür Erfahrungen, die wir bei 
Prüfung der desinfektorischen Wirkung von Jod machten, 
über die wir an anderer Stelle berichten werden. Bei der 
Desinfektion mit Jod ist bekannt, daß wirkliche Lösungen in 
anderen Lösungsmitteln als Wasser, also z. B. Schwefelkohlen- 
stoff, die sich auch schon durch die Farbe erheblich unter- 


\ 


Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 63 


scheiden, kaum noch desinfizierende Wirkung besitzen; diese 
Wirkung aber in wäßriger Lösung kann durch Zugabe von 
Salzen, die zweifellos bei ihrer unverkennbaren Beziehung zu 
Hofmeisterschen (lyotropen) Reihen eine rein physikalische 
Einwirkung auf den Dispersitätsgrad des Jods in wäßriger 
Lösung haben, verstärkt oder abgeschwächt werden, ebenso wie 
dies bekannt ist von der Verstärkung der Phenolwirkung, das 
unserer Auffassung nach auch ganz zweifellos als Kolloid je 
nach den Mischungsverhältnissen als eiweißfällend- oder -lösend 
wirkt und in seiner desinfizierenden Wirkung durch Salze usw. 
ebenso im Sinne der 1Іуоётореп Reihen beeinflußt wird, wie 
diese Salzwirkungen einen unverkennbaren Zusammenhang mit 
der Ausfällung des Phenols aus wäßriger Lösung zeigen. 

Zur weiteren Erklärung dieser Auffassung der wäßrigen 
Jdd- und Phenollösungen als kolloidaler Lösungen müssen wir 
noch einiges hinzufügen. An sich stößt diese Auffassung auf 
gewisse Schwierigkeiten, da z. B. in Wasser „gelöstes“ Phenol 
durch die gebräuchlichen Dialysiermembranen hindurch diffun- 
dert, Dies braucht nicht unbedingt gegen den kolloidalen 
Charakter der „Lösung“ zu sprechen, da wir ja wissen, daß 
hochkolloidale Körper wie kolloidales Eisen unter gewissen Be- 
dingungen auch durch bestimmte Membranen hindurchtreten 
können. Wenn wir aber die Löslichkeitsverhältnisse, speziell 
des Phenols näher ins Auge fassen, so haben wir auf ihre Be- 
ziehungen zu lyotropen Reihen schon hingewiesen. Wir können 
hier nicht ausführlich auf die Bedeutung der lyotropen Reihen 
für biologische Prozesse und speziell den Desinfektionsvorgang 
mit Phenol eingehen, wir werden dies in anderem Zusammen- 
hang ausführen. Wir müssen hier nur den Begriff dieser Reihen 
etwas weiter fassen, als dies gewöhnlich geschieht, und auch 
anders formulieren, weil es für das Verständnis der kolloid- 
chemischen Vorgänge bei der Jodstärkereaktion von Bedeutung 
ist. Meist werden nur Salze unter den Begriff der lyotropen 
Reihen gebracht, die dann hauptsächlich durch ihre Anionen, 
weniger durch ihre Kationen wirken. Hofmeister unter- 
scheidet nun bei der Beeinflussung der Gelatinequellung und 
-entquellung in Salzlösungen quellungsfördernde und quellungs- 
hindernde Körper. Diese Unterscheidung ist nicht rein durch- 
führbar, da diese Einflüsse von den Mischungsverhältnissen 


64 C. Lange: 


abhängen und derselbe Stoff sowohl Quellung, als auch in 
anderer Konzentration Entquellung hervorruft. Die Quellung 
und Entquellung von Gallerten entspricht, soweit es sich über- 
sehen läßt, vollkommen der Löslichkeitsvermehrung und -ver- 
minderung gelöster hydrophiler Kolloide. Diese gegensätzliche 
Wirkung gilt nun für alle Körper dieser Reihen, gilt auch für 
Nichtelektrolyte und КоПоійе. Man kannte nun früher schon 
besonders lösungsbefördernde Salze, z. B. Bromkali und Rhodan- 
ammonium, die Gelatine auflösen, dasselbe aber auch gegen- 
über gewissen Bakterien leisten, wie wir nachweisen konnten. 
Den gleichen Effekt in ebenso starkem Maße zeigt z. B. Harn- 
stoff unter den Nichtelektrolyten. Zu dieser Gruppe gehören 
auch die von Neuberg als neuer Begriff aufgestellten „hydro- 
tropisch“ wirksamen Substanzen, die ebenso wie Bromkali, 
Rhodansalze und Harnstoff Gallerten gegenüber exzessiv quel- 
lungsbefördernde Eigenschaften zeigen, die rein physikalisch 
auf Anionenwirkung zurückzuführen sind. Wo die Lösungs- 
verhältnisse einer Substanz nun durch derartige Stoffe im Sinne 
lyotroper Reihen beeinflußt werden, kann man wohl annehmen, 
daß es sich um kolloidale Lösungen handelt. Wir gewinnen 
auf diese Weise ein bisher kaum beachtetes Kriterium, das 
zur Entscheidung dienen kann, ob sich ein Stoff in kolloidaler 
Lösung befindet oder doch in einem Lösungszustand, der sich 
dem kolloidalen nähert. Besonders wichtig ist dies Kriterium 
für solche Körper, die wenig kolloidal sind, eventuell sogar 
zum Teil mit Wasser echte Lösungen bilden. Dies trifft nun 
für das Phenol zweifellos zu; durch bestimmte Salze wird das 
Phenol ausgefällt und seine desinfektorische Kraft dement- 
sprechend erhöht, durch andere Salze seine Löslichkeit erhöht. 
Diese Salzwirkungen lassen sich mit Іуоёгореп Reihen gut in 
Einklang bringen. Von Interesse ist für das Phenol die durch 
Hueppe festgestellte Löslichkeitsbeförderung durch Zusatz von 
gewissen Salzen: brauchbar war das Natriumsalicylat, dann 
auch die Salze aller Orthooxybenzoesäuren, sowie der Ortho- 
benzolsulfosäuren und der entsprechenden Naphthalinderivate. 
Im „Solveol“ ist das kreolinsaure Natrium als Lösungsmittel 
benutzt. Es sind dies alles Stoffe, von denen Neuberg ihre 
allgemein hydrotropische Wirkung nachwies, die sich außerdem 
allerdings auch auf die „Wasserlöslichkeit“ von fettartigen 


Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 65 


Körpern erstreckt. Für das Phenol ist noch ein Punkt von 
Bedeutung: seine Lösung mit Hilfe von Alkali. Das Phenol- 
natrium hat exquisit lyotrope Eigenschaften und dient nun 
dazu, das restierende Phenol in Lösung zu halten. Je mehr 
Alkali man verwendet, um so stärker ist infolge Bildung von 
Phenolnatrium die Dispersität des Phenols vermehrt, um so 
geringer auch dementsprechend seine Desinfektionskraft. Man 
kann demnach wohl annehmen, daß das Phenol sich in wäßriger 
Lösung kolloidal gelöst vorfindet; die gleichen Betrachtungen 
sind auch für die wäßrige Jodlösung übertragbar. In der 
Lugolschen Lösung wirkt das Jodkali als lyotrope, bzw. 
hydrotrope Substanz, also die Löslichkeit erhöhend durch 
physikalische Einflüsse, ebenso wie andere Körper die Löslich- 
keit des Jods in Wasser im gleichen Sinne erhöhen. Diese 
Beeinflussung kann nun durch Verdünnung oder durch Mischung 
mit anderen Kolloiden aufgehoben, eventuell auch verstärkt 
werden. Ob daneben auch ein Teil Jod und Phenol wirklich 
in Wasser gelöst ist, können wir nicht entscheiden, darüber 
müßten wahrscheinlich ultramikroskopische Untersuchungen 
Aufschluß geben können. Der Unterschied in der Wasserlös- 
lichkeit des Jods gegenüber dem Chlor und Brom liegt darin, 
daß Jod mit Wasser kein Hydrat bildet, die Löslichkeit ist 
dementsprechend auch außerordentlich gering; 100 Teile Wasser 
lösen bei 30° nur 0,045 g Jod. Es würde hier zu weit führen, 
auf den Zusammenhang zwischen Hydratbildung und lyotroper 
Wirkung näher einzugehen. 

Hat nun das Jod in anderen Lösungsmitteln, die echte 
Lösungen darstellen, keinen desinfizierenden Wert mehr, so ver- 
hält sich dies ebenso bei der Erzielung einer Blaufärbung mit 
Stärke. Eine Lösung von Jod in Chloroform 2. В. bewirkt 
keine Blaufärbung. Wir nehmen daher an, daß das in Wasser 
kolloidal gelöste Jod mit der Stärke nach denselben Gesetzen 
sich verbindet, wie zwei Kollolde sich je nach den Mischungs- 
verhältnissen entweder ausfällen, oder wenn eins von beiden, 
hier wohl immer die Stärke, im Überschuß vorhanden ist, diese 
Ausfällung aufgehoben und eine Löslichkeitsvermehrung erzielt 
wird. Was nun die Färbung des Jods mit Stärke und ihren 
Abbauprodukten betrifft, so ist eine Analogie mit der Farbe · 
von Metallkolloiden auffällig. Die rote Farbe der Verbindung 


Kiochemische Zeitschrift Band 95. 5 


66 ` C. Lange: 


von Jod mit Dextrin findet sich bei den kleineren (abgebauten) 
Kolloidkomplexen, die blaue bei den großen. Dies stimmt ge- 
nau überein mit den Verhältnissen beim kolloidalen Gold, wo 
die Farbe um so mehr nach rot bis gelbrot tendiert, je mehr 
das Gold verteilt ist; nach blau, wenn das Gold ausgefällt ist 
oder doch bereits zu gröberen Komplexen zusammengetreten 
ist. Auch Lösungen von kolloidalem Silber zeigen einen röt- 
lichen Farbton, wenn die Verteilung eine sehr feine ist. 

Die Analogie geht — zufällig — noch weiter: in je ver- 
dünnteren Lösungen man das kolloidale Gold durch Reduktion 
von Goldsalzen entstehen läßt, um so mehr nähert sich die 
Farbe des Goldsols der rein gelben Farbe der gelösten Gold- 
salze; ebenso zeigt das Jod durch Jodkali gelöst auch eine 
gelbe Farbe. Wir haben demnach ganz auffällige Analogien 
zwischen der Färbung der kolloidalen hydrophilen Jodstärke 
und des kolloidalen hydrophilen Goldes, die beide elektronega- 
tive Kolloide darstellen, parallel der anzunehmenden Teilchen- 
größe (Dispersitätsgrad) der Komplexe, der aber bei der Jod- 
stärke mit dem Quellungszustand dieser verschieden großen 
Komplexe nicht identisch ist, denn wir haben hier trotz der 
geschilderten Analogien zwei ganz verschiedene Arten von Kol- 
loiden vor uns. Das Goldsol ist ein hydrophobes Kolloid, d. h. die 
disperse Phase ist nicht quellbar. Die Stärke ist ein hydrophiles 
quellbares Kolloid, bei ihr kann man demnach die Größe der 
Kolloidkomplexe (Jodstärke, Joddextrin) und daneben den 
Quellungszustand unterscheiden, die Größe bedingt die Farb- 
qualität, der Quellungszustand die Farbintensität. Die blaue 
Farbe der Jodstärke ist wohl mit Sicherheit auf einen Lösungs- 
zustand des Jods zu beziehen, das diese Farbe sowohl in Gas- 
form als auch in anderen Lösungsmitteln zeigt und auch im- 
stande ist, mit anderen Kolloiden als Stärke blaugefärbte 
Kolloidverbindungen einzugehen, wie z. B. die blaugefärbte Jod- 
cholsäure. Die Farbe der Jod„lösungen“ ist zweifellos ab- 
hängig von einer Verbindung des Jods mit Molekülen des 
Lösungsmittels; nur bezeichnen wir bei der Jodstärke die 
Stärke nicht als eigentliches Lösungsmittel, da wir ja einen 
Kolloidkomplex annehmen. Den Unterschied kolloidaler .Lö- 
sungen gegenüber wirklichen Lösungen müßte man dann daran 
erblicken, daß wirkliche Lösungen einen annähernd gleich- 


Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 67 


bleibenden Zustand der Löslichkeit zeigen, während die „Lös- 
lichkeit“ kolloidaler (hydrophiler) Körper in weiten Grenzen 
schwankt, was besonders durch Zusatz „lyotroper“ Substanzen 
erzielt werden kann. 

Daß nun die Farbe bei einem gewissen Grade des Stärke- 
abbaus nach Jodzugabe nicht rein rot ist, sondern mehr braun, 
erklärt sich wohl zum Teil daraus, daß sich hier die gelbe 
Farbe des Jods zusammen mit der blauen unabgebauter und 
der roten abgebauter Stärke zu einer schwärzlichen Nuance 
vereinigt; drängt man die gelbe Farbe durch Herabsetzen der 
Jodmenge zurück, so erscheint statt dessen ein mehr violetter 
Ton, also die Mischung von blau und rot. Wir kamen auf 
diese Verhältnisse der Farbnuancen hauptsächlich zu sprechen, 
um zu zeigen, daß die Mengen des Jods auch einen Einfluß 
auf die Farbenqualiät, nicht nur auf die Intensität der Färbung 
haben kann, was ebenfalls von Bedeutung ist, wenn man die 
Jodstärkereaktion zur quantitativen Bestimmung der Diastase- 
wirkung heranziehen will. 

Interessante Aufschlüsse über den Farbenton von Jod- 
lösungen ergaben auch die Untersuchungen von v. Kaufmann 
und Levite bezüglich der Einflüsse ungleich stark durch 
Halogen substituierter Kohlenwasserstoffe und über die physi- 
kalisch -chemischen Einflüsse auf die Rückverwandlung von 
Formalin; Stärke in Stärke, auf die wir hier nicht näher ein- 
gehen können. 

Uns erscheint nach dem Angeführten am einfachsten, die 
Jodstärkereaktion ihrem Wesen nach als Verbindung zweier 
Kolloide aufzufassen, danach erklärt sich auch der überraschend 
wechselnde Jodgehalt der Jodstärke viel besser als durch die 
Annahme einer chemischen Verbindung oder einer Lösung nach 
dem Verteilungssatz. 

Interessiert uns nun auch die Art des Zustande- 
kommens des Jodstärkekomplexes weniger für die Methode 
der Eiweißbestimmung, so ist doch zweifellos, daß die Beein- 
flussung der Farbintensität durch verschiedene Faktoren 
rein kolloidchemischen Gesetzen folgt. Wir wollen hier nur 
noch ganz kurz ausführen, was als Beweis hierfür angesehen 
werden kann. 

Wir haben bereits gesehen, daß die Blaufärbung durch 

м 5* 


68 C. Lange: 


Erwärmen zum Verschwinden gebracht, durch NaCl und Säure 
verstärkt werden kann, von den jodbindenden Körpern können 
wir hier absehen. Es lassen sich nun noch eine ganze Menge 
anderer Körper auffinden, die den Ausfall der Farbreaktion 
verstärken oder abschwächen gegenüber der Farbintensität, die 
in reinem Wasser erzielt wird. Um uns nicht in unnütze Ein- 
zelheiten zu verlieren, können wir das Ergebnis unserer Ver- 
suche dahin zusammenfassen, daß man z. B. bei der Einwir- 
kung von Salzen wieder die Hofmeistersche Reihe der An- 
ionen wirksam findet, wie sie dieser bei der Entquellung und 
Quellung von Gelatine in Wasser oder in Salzlösungen auf- 
deckte. Auch die Kationenwirkung entspricht einer ähnlichen 
Reihe. 

Auch hier folgen die Erscheinungen nicht rein dem Gesetz 
lyotroper Reihen, wie sie Hofmeister aufstellt, d h. die ein- 
zelnen Körper beeinflussen den Kolloidkomplex nicht einseitig, 
ebenso wie wir darauf hinwiesen, daß bei der Quellung von 
Gelatine in Salzlösungen die Salze sich nicht in quellungs- 
fördernde und -hindernde trennen lassen, gegenüber der Quellung 
in reinem Wasser, sondern jeder Körper kann je nach Kon- 
zentration eine positive und negative Wirkung haben im Sinne 
der Löslichkeitsvermehrung, wobei nur wichtig ist, daß die 
Breite der positiven und negativen Zone sehr verschie- 
den entwickelt sein kann, so daß die eine Reihe von Körpern 
mehr als löslichkeitsfördernd erscheinen, die anderen umgekehrt. 
Auch die Ausdehnung der lyotropen Reihen auf Nichtelektro- 
lyte, z.B. Harnstoff, sowie auf die hydrotropischen Substanzen 
und kolloidale Körper zeigt bei der Beeinflussung der Jod- 
stärkereaktion durchweg die gleichen Resultate, wie wir das 
von der Einwirkung bei anderen kolloidchemischen Vorgängen 
kennen. Es würde uns zu weit führen, hier noch die Bedeutung 
und mögliche Erklärung der sogenannten „Übergangsreihen“ 
zu entwickeln; wir müssen uns dies für eine andere Gelegen- 
heit versparen. 

Jedenfalls glauben wir genügend Material dafür beigetragen 
zu haben, um behaupten zu können: 

1. Die Jodstärke verdankt ihre Entstehung nicht einer 
chemischen Verbindung oder einer festen Lösung von Jod in 
Stärke. Sie ist eine Adsorptionsverbindung, bei der ganz ver- 


Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f. e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 69 


schiedene Proportionen vorkommen können, entstanden aus der 
gegenseitigen Ausfällung (oder sonstiger Löslichkeitsbeeinflussung) 
der beiden kolloidalen Lösungen Jod und Stärke. 

2. Die Intensität der Blaufärbung des elektronegativen 
K olloidkomplexes Jodstärke ist, wo es sich nicht um chemische 
Bindung des Jods durch andere Körper handelt, abhängig vom 
Quellungszustande, chemisch indifferente Körper wirken im 
Sinne Іуоёторег Reihen іп der erweiterten Fassung. 

Aus dem Resultat dieser Untersuchungen kann man leicht 
entnehmen, welche Kontrolluntersuchungen man vorzunehmen 
hat, wenn man die Intensität der Jodstärkereaktion als Indi- 
cator für eine colorimetrische Eiweißbestimmung verwenden 
will. Wenn sich auch bei näherer Analyse die Verhältnisse 
als sehr kompliziert herausgestellt haben, so scheint trotzdem 
kein Hindernis zu bestehen, diese Methode auf die Unter- 
suchung von Serum und Liquor zu übertragen. Bei unseren 
bisherigen Untersuchungen, teils an normalen und pathologischen 
Liquoren, teils an Serum und Plasma immunisierter. Tiere, trat 
keins der erwähnten Verhältnisse hindernd in die Erscheinung. 
Nicht eiweißartige Körper, die die Jodbindung in unkontrollier- 
barer Weise beeinflussen könnten, sei es durch chemische Bin- 
dung, sei es durch physikalische Beeinflussung, scheinen in 
wechselnder Menge nicht vorhanden zu sein. 

Wenn man bei Immunitätsprozessen, besonders natürlichen 
und künstlichen Infektionen an Versuchstieren, den Eiweiß- 
gehalt im Blut verfolgen will, so empfiehlt sich wohl im all- 
gemeinen, nicht das Serum, sondern das Plasma zur Unter- 
suchung heranzuziehen, worauf schon Langstein und Meyer 
hingewiesen haben. Wir konnten bei Versuchstieren im Laufe 
von Immunisierungen das Ansteigen des Eiweißgehalts im 
Plasma und Serum mit Hilfe der Jodstärkemethode eher fest- 
stellen als mit irgendeiner anderen Methode, die bisher zur 
Feststellung des Gesamteiweißes angewendet wurde. Auch im 
Liquor konnten wir Differenzen im Eiweißgehalt verschiedener 
Liquoren feststellen, wo die anderen Methoden versagten. 

Es fragt sich nun, welche Methode der Eiweißjodierung 
für unsere Zwecke am meisten geeignet ist. Es lassen sich 
mit etwas komplizierterer Technik Methoden ausarbeiten, die 
ganz außerordentlich feine Differenzen erkennen lassen und 


70 С. Lange: 


auch in Doppelbestimmungen vollkommen übereinstimmende 
Resultate ergeben, wobei sich alle Fehlermöglichkeiten aus- 
schalten lassen, die etwa durch Beimengung anderer jodbin- 
dender oder die Intensität der Färbung beeinflussender Sub- 
stanzen hervorgerufen werden könnten. Es handelt sich bei 
Auswahl der möglichen Methoden um zwei Fragen, erstens ob 
man die Jodierung des Eiweiß einer Flüssigkeit nach Isolierung 
desselben vornehmen will, oder ob man das Jod zu Serum, 
Liquor oder dergleichen direkt zugibt, zweitens in welcher 
Weise die Bindung des Jods am besten vorgenommen wird. 

Wir wollen gleich vorwegnehmen, daß es uns nach unse- 
ren bisherigen Untersuchungen für Serum resp. Plasma und 
Liquor am besten erscheint, die Jodlösung zu den Körper- 
flüssigkeiten, eventuell nach passender Verdünnung zuzugeben 
und dann 30 Minuten im Wasserbad von 40° einwirken zu 
lassen, worauf man Stärke zugibt und die entstandene Farb- 
intensität mit einer Testskala vergleicht, auf die wir gleich 
' noch zu sprechen kommen werden. 

Als Maß des Eiweißgehalts gilt die Menge Jod, die bei 
der gewählten Versuchsanordnung gebunden ist, was sich da- 
durch kenntlich macht, daß keine Bläuung mehr mit Stärke 
eintritt. 

Im Eiweißmolekül ist es nach den bisherigen Unter- 
suchungen zweifellos der aromatische Kern, der das Jod schon 
bei gewöhnlicher Temperatur in kürzester Zeit bindet. Bei 
dem verschiedenen Gehalt verschiedener Eiweißarten an Amino- 
säuren mit aromatischem Kern müssen dem entsprechend auch 
verschiedene Eiweißkörper verschiedene Mengen Jod binden, 
also eine verschiedene „Jodzahl“ besitzen. Man könnte diese 
Jodzahl der Eiweißkörper zu ihrer Charakteristik zu verwenden 
versuchen und muß annehmen, daß Körperflüssigkeiten bei 
gleichem Eiweißgehalt, der etwa durch Ausfällen und Wägen 
festzustellen wäre, verschiedene Mengen Jod binden könnten, 
doch sind diese Unterschiede zu klein, um einerseits eine 
scharfe Differenzierung verschiedener Eiweißkörper zu ermög- 
lichen oder andererseits die Eiweißbestimmung mittels Jod in 
methodischer Hinsicht fehlerhaft zu gestalten, besonders da es 
uns ja bei der Untersuchung von Blut und Liquor im wesent- 
lichen auf die Feststellung möglichst feiner Differenzen, nicht 


Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 71 


auf den absoluten Eiweißgehalt ankommt. In geeigneten Fällen 
könnte für eiweißdiagnostische Untersuchungen aber auch dieser 
Jodzahl Bedeutung zukommen, man müßte dann etwa den 
N-Gehalt 
Jodzahl 
für rein dargestellte Eiweißkörper, sondern auch z. B. für ver- 
schiedene durch Ausfällung gewonnene Serumfraktionen durch- 
führen ließe. 

Für unsere Untersuchungen über den Gesamteiweißgehalt 
von Blut und Liquor gläubten wir diesen Faktor vernachlässi- 
gen zu können; er spielt ja auch bei anderen Methoden der 
quantitativen Eiweißbestimmung in diesen Körperflüssigkeiten 
eine gewisse Rolle, z..B. bei der Methode von Roberts- 
Brandberg, wo als Maß des Eiweißgehalts die Endver- 
dünnung dient, die eben noch bei der Hellerschen Probe 
eine Ringbildung erkennen läßt. Auch hier ergeben verschie- 
dene Eiweißkörper eine verschiedene Endverdünnung, ohne daß 
hierdurch der Wert der Methode wesentlich herabgesetzt würde. 
Dieser Fehler haftet fast allen Methoden der quantitativen Ei- 
weißbestimmung an mit Ausnahme der Bestimmung durch 
Wägung, doch ist diese Methode. auf der anderen Seite mit 
so viel Unzuträglichkeiten (Verwendung größerer Mengen Unter- 
suchungsmaterial) und Ungenauigkeiten (Mitfällung anderer 
Körper, die durch Auswaschen mit heißem Wasser nicht fehler- 
frei entfernt werden können, da das koagulierte Eiweiß hierin 
nicht vollkommen unlöslich ist) belastet, daß beide Arten der 
Untersuchung vorläufig wohl nebeneinander ihre Berechtigung 
behalten werden. Auch der refraktometrischen und allen ande- 
ren Methoden der Eiweißbestimmung haften Fehler an, die 
sich vorläufig nicht ausschalten lassen. Es gibt eben keine 
absolut genaue Eiweißbestimmung in Blut oder Liquor, und 
außerdem soll hierbei noch der Forderung genügt werden, mit 
einer möglichst einfachen Apparatur und Versuchsanordnung 
bei genügender Ausschaltung subjektiver Momente auszukommen. 

Es ergab sich nun bei unseren Untersuchungen, daß im 
Verhältnis zum Serum der Liquor mehr Jod bindet, als dem 
relativen Eiweißgehalt entspricht, wenn man die Jodlösung ein- 
fach zu der unvorbehandelten Körperflüssigkeit zugibt. Ergeben 
sich nun dadurch Schwierigkeiten, die Jodzahl in absolute 


Quotienten bestimmen, was sich natürlich nicht nur 


72 C. Lange: 


Mengen Eiweiß umzurechnen, so halten wir dies Verfahren 
trotzdem für das beste, wenn man mit möglichst einfacher 
Versuchsanordnung auskommen will. Den Unterschied im Liquor 
führen wir auf den Einfluß der Carbonate zurück, die bei 
dem geringen Eiweißgehalt einen größeren Einfluß auf den 
Jodierungsprozeß ausüben. Der Liquor reagiert auch im Gegen- 
satz zum Serum gegen Lackmuspapier schwach alkalisch. 

Man kann diese Differenzen ausschalten, wenn man den 
Liquor oder passend verdünntes Serum mit der 4- bis 10fachen 
Menge absoluten Alkohols oder Aceton in einem Zentrifugen- 
glas ausfällt, abzentrifugiert, die alkoholische Lösung abschüttet 
und nun das Eiweißsediment wieder auflöst. Da das koagu- 
lierte Eiweiß sich bei dieser Methode nicht leicht restlos in 
Wasser oder auch Kochsalzlösung auflöst, besonders wenn es 
sich um größere Mengen handelt, fügt man zur Lösung geringe 
abgemessene Mengen Säure oder Alkali zu und jodiert nun. 
Man kann Schwefelsäure nehmen und jodiert dann nach Hof- 
meister unter Zufügen von Kaliumjodat oder bei schwach 
essigsaurer Reaktion nach Hopkins und Pinkus. Alle diese 
Zusätze sind mehr darauf berechnet, eine möglichst totale 
Jodierung des Eiweißes bis zur vollkommenen Sättigung her- 
beizuführen, sie beeinflussen aber den Ausfall der Jodstärke- 
reaktion, und zwar in verschieden starker Weise, da bei ver- 
schiedenem Eiweißgehalt auch verschiedene Mengen des zuge- 
setzten Alkalis oder der Säure gebunden werden. Dies Moment 
kann bis zu einem gewissen Grade vernachlässigt werden, da 
unter gleichen Versuchsbedingungen schließlich doch die Menge 
gebundenen Jods in einem festen Verhältnis zur Menge des 
vorhandenen Eiweißes steht; nur sind diese Mengen in verschie- 
denen Konzentrationen nicht absolut proportional. 

Für den Liquor und Blut ziehen wir deshalb vor, bei 
originaler Reaktion ohne jeden Zusatz zu jodieren. Anders 
liegen dagegen die Verhältnisse, wenn man die Eiweiß- 
bestimmung mittels Jod zur Feststellung des Eiweiß- oder Bak- 
teriengehaltes einer Vaccine verwenden will, worauf wir noch 
zu sprechen kommen. 

Die Jodierung des Eiweißes, gleichgültig ob dasselbe vor- 
her isoliert wurde oder z. B. Serum direkt jodiert wird, nehmen 
wir so vor, daß wir 30 Minuten im Wasserbad von 40° eine 


Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 73 


Jodlösung einwirken lassen, die man sich durch passende Ver- 
dünnung aus einer "/,,-Jodlösung herstellt. 

Bei diesen Versuchen ist darauf zu achten, daß das Jod 
sehr flüchtig ist; es muß demnach die Vorratsflasche mit der 
a/o Jodlösung stets gut verschlossen gehalten und vor jedes- 
maliger Entnahme durchgeschüttelt werden; die daraus her- 
gestellten Verdünnungen darf man nur kurze Zeit benutzen. 
Die Jodierung im Wasserbad nehmen wir stets in gleich 
großen Reagensröhrchen vor. Auf kleine Differenzen kommt 
es natürlich nicht an, nur kann es sehr wohl einen Unterschied 
ausmachen, ob man in einem Reagensglas mit hoher Schicht 
und kleiner Oberfläche oder in einem Becherglas mit geringer 
Schichthöhe und großer Oberfläche jodiert, wo dem Jod reich- 
licher Gelegenheit zum Verdunsten gegeben ist. Wir wählen 
deshalb auch die Versuchsdauer von 30 Minuten, damit nicht 
allzuviel Jod verdunstet, denn wir können ja nicht das ans 
Eiweiß gebundene Jod direkt bestimmen, wir bestimmen nur 
das in der Flüssigkeit restierende ungebundene Jod; nach 
30 Minuten ist das Eiweiß keineswegs restlos jodiert, aber Diffe- 
renzen sind nach dieser Zeit kaum festzustellen. 

Will man nun die jodbindende Fähigkeit des Serums be- 
stimmen, so kann man hier, wo meist größere Mengen zur Ver- 
fügung stehen, einen anderen Weg einschlagen als beim Liquor, 
wo man gezwungen ist, mit möglichst geringen Mengen für 
eine Untersuchung auszukommen. 

Das Serum verwendeten wir meist in einer Verdünnung 
von t/o und gaben zu gleichen Mengen dieser Serumverdünnung 
fallende Mengen Jodlösung in möglichst enger Reihe. Es wurde 
dann die Mischung, die auf gleiches Volumen gebracht wurde, 
30 Minuten bei 40° gehalten und dann 0,5 ccm einer 1°/,igen 
Lösung von löslicher Stärke Kahlbaum zugegeben, die vorher 
auf 40° angewärmt wurde und täglich neu hergestellt war. 
Wir bekamen dann eine abfallende Reihe von verschiedenen 
blauen Farbtönen, angefangen von einer undurchsichtigen blauen 
Farbe über hellblau, weißblau, bis endlich in der Reihe ein 
Röhrchen kommt, wo durch Stärkezugabe überhaupt keine 
Spur von Blaufärbung mehr erzielt wird. Dieser Grenzwert 
läßt sich sehr genau bestimmen. Als Maß der jodbindenden 
Fähigkeit einer Serumverdünnung, die dem Eiweißgehalt ent- 


74 C. Lange: 


spricht, dient dann einfach die Menge einer verdünnten Jod- 
lösung in Bruchteilen eines Kubikzentimeters, die vollkommen 
gebunden wurde (in 30 Minuten bei 40°); dies ist kenntlich 
an der negativen Reaktion mit Stärke. 

Für das Serum resp. Plasma gestaltet sich demnach das 
Verfahren äußerst einfach. Wir wollen gleich hinzufügen, daß 
wir auf diese Weise so geringe Differenzen im Verdünnungs- 
grade eines Serums feststellen konnten, wie sie mit keiner an- 
deren Methode quantitativer Eiweißbestimmung mehr zu er- 
fassen waren. Eine Differenz von ca. 0,01°/,, Eiweiß läßt 
sich ohne Verwendung eines Colorimeters nachweisen. 

Will man für Doppelbestimmungen genau überein- 
stimmende Resultate haben, so stellen sich gewisse Schwierig- 
keiten ein, die aber jeder Methode von so außerordentlicher 
Feinheit anhaften müssen, nämlich die Differenzen, die sich 
durch ungenaue Abmessung ergeben. Wollte man mit den 
gewöhnlichen käuflichen Pipetten von 1 ccm, die auf la ein- 
gestellt sind, etwa eine Verdünnung von Serum herstellen, so 
bekommt man bei Verwendung verschiedener Pipetten immer 
gewisse kleinere oder größere Differenzen, die sich entweder 
dadurch vermeiden lassen, daß man möglichst große Mengen 
durch Pipettieren abmißt, oder indem man die Verdünnung 
durch Wägung herstellt. Die Serummenge wiegen wir dabei in 
einem Glasröhrchen ab, das an jedem Ende zu einer Capillare 
ausgezogen ist. Dieses Röhrchen wird dann mit Hilfe einer 
Saugvorrichtung entleert, mehrmals durchgespült und der In- 
halt durch Wägung auf den gewünschten Verdünnungsgrad ge- 
bracht. Auf diese Weise lassen sich alle durch Abmessung be- 
dingten Fehlermöglichkeiten in genügender Weise ausschalten, 
doch halten wir für gewöhnlich das Verdünnen mittels ge- 
eichter Pipetten für ausreichend, wenn es sich nicht etwa in 
einem besonderen Fall um Feststellung ganz besonders feiner 
Differenzen handeln sollte. 

Will man den Einfluß anderer Substanzen von variablem 
Gehalt als Eiweiß auf den Ausfall der Jodstärkereaktion aus- 
schalten, was uns bei unseren bisherigen Untersuchungen aber 
unnötig erschien, so kann man das Ultrafiltrat des Serums mit 
Jod binden lassen und die dadurch etwa entstehenden Diffe- 
renzen bei der Berechnung der Eiweißjodzahl in Rechnung 


Jod-Stärkereakt. u. ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 75 


setzen. Man hat dann auf jeden Fall rein die Jodmenge, die 
nur mit dem Eiweiß, resp. mit den kolloidalen Körpern 
reagiert hat. 

Abgesehen nun von den Verfeinerungsmöglichkeiten, die 
für gewisse Zwecke eventuell von Bedeutung sein könnten und 
eine etwas kompliziertere Versuchsanordnung nötig machen, 
gestaltet sich die Eiweißbestimmung im Serum äußerst einfach 
und ist in jedem Laboratorium von dem Ungeübtesten mit 
wenig Arbeitsaufwand auszuführen, die Ablesung ist kaum noch 
als subjektiv zu bezeichnen. Bei der großen Feinheit macht 
es auch kaum einen Unterschied, ob das eine oder andere 
Röhrchen noch als spurweise blau bezeichnet wird. Dieser End- 
wert ist außerordentlich viel leichter zu erkennen, als etwa die 

` eben noch sichtbare Bildung eines Ringes bei Unterschichtung 
mit Salpetersäure. 

Da verschiedene Stärkesorten einen etwas verschiedenen 
Ausfall der Reaktion bedingen können, der aber bei Ver- 
wendung des gleichen Präparats und sorgfältiger Herstellung 
vernachlässigt werden kann, kann man auch für das Serum 
das gleiche, oder ein ähnliches Verfahren anwenden, wie wir 
ep für die Eiweißbestimmung im Liquor als geeignet fanden. 

Die Untersuchung macht deshalb eine andere Versuchs- 
anordnung nötig, weil wir hier auf äußerste Materialersparnis 
angewiesen sind. Da der Liquor gegenüber dem Serum einen 
äußerst geringen Eiweißgehalt besitzt (ca. 0,2°/,,), so fällt auch 
die Verdünnung weg. Um die bei der Serumuntersuchung an- 
gegebene Untersuchungsreihe zu umgehen, müssen wir also ver- 
suchen, mit einem Einzelversuch auszukommen; das läßt sich 
auch bis zu einem gewissen Grade durchführen. 

Man versetzt 0,5 com Liquor mit einer passenden Menge 
са. ®/,00"Jodlösung, die man variieren kann, eventuell je nach 
dem Ausfall einer vorher angestellten anderen Eiweißreaktion 
(Nonne, Roberts, Brandberg, Goldreaktion.. Weiß man, 
daß der Eiweißgehalt erhöht ist, so nimmt man gleich eine 
entsprechend höhere Jodmenge. 

Die Jodmenge ist bei normalem, oder annähernd nor- 
malem Liquor so zu bemessen, daß nach 30 Minuten Bindung 
im Wasserbad von 40° eine Blaufärbung erzielt wird, die der 
einzelne Untersucher sich am besten durch Vorversuche be- 


76 C. Lange: 


stimmt. Einerseits muß die Jodmenge möglichst groß sein, um 
bei einer genügend starken Eiweißvermehrung noch eine Blau- 
färbung zu erzielen, andererseits muß die Jodmenge so gering 
sein, daß die Farbnuance, die bei Verwendung eines ganz nor- 
malen Liquors erzielt wird, nicht so stark ist, daß feinere 
Differenzen nicht mehr erkennbar sind. Dies kann, wie gesagt, 
vorher bestimmt werden, wenn man daneben irgendeine an- 
dere Eiweißreaktion benutzt, was man ja bei Untersuchung des 
Liquors stets tun wird. 


Wir müssen nun noch auf irgendeine Weise bestimmen, 
welche Menge Jod durch 0,5 сет Liquor gebunden worden ist. 
Wir haben uns lange bemüht, eine haltbare Farblösung zu 
finden, die als Standard für den Vergleich mit normalem Liquor 
zu gebrauchen wäre, keine der verwendeten bequem reproduzier- 
baren Standardflüssigkeiten entsprach in genügender Weise dem 
Farbton der Jodstärkereaktion. 


Es ist aber auch auf diese Weise nicht der Faktor aus- 
zuschalten, den die jedesmal neu herzustellende Stärkelösung 
auf das Zustandekommen der Blaufärbung ausübt; dieser Faktor 
ist zwar gering, wird doch aber besser ausgeschaltet. Man 
kann dies auf sehr einfache und bequeme Weise erreichen, 
indem man sich aus der jeweils verwendeten Stärkelösung 
durch Zugabe genau abgestufter Jodmengen eine Skala ver- 
schiedener Blaufärbungen herstellt. Hält man diese Reihe unter 
den gleichen Bedingungen, in unserem Falle also, läßt man die 
Reaktion nach Erwärmen auf 40° eintreten, so erkennt man 
am Grade der Blaufärbung, wieviel Jod unter den gleichen 
Mischungsverhältnissen einer bestimmten Blaufärbung entspricht; 
man kann auf diese Weise nun auch feststellen, wieviel Jod 
von der ursprünglich zu einer Eiweißlösung zugegebenen ab- 
gemessenen Menge nach einer bestimmten Bindungszeit übrig 
geblieben ist. Stimmt also die mit einem Liquor nach Bindung 
erzielte Jodstärkereaktion mit einem Röhrchen der Testskala 
von bekanntem Jodgehalt überein, so ist die Differenz zwischen 
dieser Menge im Teströhrchen und der ursprünglich zugegebenen 
Jodmenge die Jodzahl des betreffenden Liquors. 


Die Testskala verschieden starker Jodreaktionen stellt man 
sich am besten so her, daß man etwas größere Mengen Stärke- 


Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 77 


und Jodlösung verwendet, um genügend feine Abstufungen zu 
erzielen. 

Wir erreichen mit dieser Methode bei Verwendung einer 
einzigen Verdünnung der zu untersuchenden Körperflüssigkeit 
ungefähr das gleiche, was wir im Serum mit einer Verdünnung 
erzielen. 

Ist der ungefähre Eiweißgehalt des Liquor durch einen 
Vorversuch mit anderer Methode bekannt, so gelingt es bei 
einiger Übung leicht, die Jodmenge in jedem Fall so zu be- 
messen, daß nach 30 Minuten Bindung bei 40° eine Blaufärbung 
bei der Jodstärkereaktion zustandekommt, die sich auf die oben 
geschilderte Weise in die Eiweiß,jodzahl“ des Liquors um- 
rechnen läßt. 

Andererseits kann es beim Liquor aber auch besonders 
erwünscht erscheinen, nicht die absolute Eiweißmenge fest- 
zustellen, sondern nur eine Erhöhung über den normalen 
Eiweißgehalt, der als sehr konstant angesehen werden kann. 
Es kann nicht oft genug betont werden, eine wie außerordent- 
liche Bedeutung dieser Feststellung bei den verschiedensten 
Krankheiten, besonders aber bei Lues, zukommt. Kommt es 
nur auf diese Feststellung an, so kann man eine jedesmal 
gleichbleibende Menge Jod zu einer abgemessenen Liquormenge 
zugeben, so daß bei normalem Eiweißgehalt eine eben noch er- 
kennbare Blaufärbung eintritt. Man kann dann die Mischungs- 
verhältnisse so einstellen, daß sich die geringste krankhafte 
Eiweißvermehrung, wie sie sich durch keine andere Methode 
feststellen läßt, durch ein Ausbleiben der Jodstärkereaktion 
deutlich macht. 

Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die Jodzahl 
für Serum und Liquor nicht einem genau gleichen Eiweiß- 
gehalt entspricht, wenn man die Körperflüssigkeiten ohne be- 
sondere Zusätze jodiert, dies spielt aber praktisch unseres Er- 
achtens keine Rolle, da diese Jodzahlen trotzdem für den Eiweiß- 
gehalt beider Körperflüssigkeiten gute Vergleichswerte ergeben. 

Wir wollen hier nicht auf Vergleichswerte eingehen und 
uns in diesem Zusammenhang darauf beschränken, die Methode 
der Eiweißbestimmung mit der Jodstärkereaktion zu begründen 
und auf ihre verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten hinzu- 
deuten. 


78 C. Lange: 


Wir haben nun diese Methode der Eiweißbestimmung auch 
übertragen auf die Standardisierung von Bakterien- 
vaccinen. Die einfacheren Methoden der Gehaltsbestimmung 
von Bakterienvaccinen leiden sämtlich an starker Ungenauig- 
keit. Die meistübliche Methode der Abmessung von Bakterien 
in Form eines feuchten Rasens durch geeichte Normalösen 
oder gar die Umrechnung von bewachsenen Schrägröhrchen 
oder Kolleschalen auf eine bestimmte Bakterienmasse kann in 
keiner Weise feineren Ansprüchen genügen. Bei der Methode 
der Bakterienzählung in Zählkammern oder gar bei der Zählung 
nach Wright ist die Fehlerquelle ebenfalls .веһг groß infolge 
der enorm starken Verdünnung und des sehr hohen Faktors, 
mit dem die erhaltenen Zahlenwerte multipliziert werden 
müssen; außerdem sind stets, je nach dem Alter der Kultur, 
schon verschiedene Mengen Bakterien aufgelöst, die durch 
Zählung nicht erfaßt werden können. Wir werden auf einen 
Vergleich der verschiedenen zu Gebote stehenden Methoden 
eventuell an anderer Stelle eingehen und wollen hier nur 
darauf hinweisen, daß absolute Werte nur zu erhalten sind 
durch Vergleichzahlen, die sich auf getrocknete Bakterien be- 
ziehen, außerdem muß der Eiweißanteil der bereits durch Au- 
tolyse gelösten Bakterien mit berücksichtigt werden. In aus- 
reichend exakter Weise kann dieser Forderung genügt werden, 
wenn man den Stickstoffgehalt einer genügend großen Menge 
Vaccine bestimmt und auf den etwas verschiedenen Stickstoff- 
gehalt der jeweils verwendeten Bakterien umrechnet. Man kann 
auf diese Weise feststellen, welchem Gehalt an Bakterientrocken- 
substanz eine Vaccine entspricht. Da der Stickstofigehalt von 
Vaccinen relativ gering ist, so ist diese Methode bequem nur 
anwendbar bei der Herstellung von Impfstoffen im großen, wo 
ein Verlust etwas größerer Mengen für diese Untersuchung 
nicht ins Gewicht fällt. In der gewöhnlichen Vaccinepraxis 
empfehlen sich außer den diaphanometrischen Verfahren, auf 
die wir hier nicht näher eingehen wollen, vor allem die Me- 
thoden, die eine direkte Eiweißbestimmung der vorhandenen 
Bakterien bezwecken. Die Stickstoffbestimmung dient ja auch 
diesem Zwecke, wenn auch auf indirektem Wege. Wenn es 
auch colorimetrische Methoden gibt, die die Feststellung des 
Bakteriengehaltes einer Vaccine ohne vorherige Auflösung der Bak- 


Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 79 


terien gestatten, so sind doch alle diese Methoden recht ungenau; 
dasselbe trifft auch zu für die Eiweißbestimmung in ungelösten 
Vaccinen mit Jodstärkereaktion. 

Hier muß nun auf einen prinzipiellen Unterschied der 
Eiweißbestimmung mit’ Jod gegenüber anderen Methoden hin- 
gewiesen werden, der eventuell auch für andere Anwendungs- 
möglichkeiten dieser Methode von Bedeutung sein kann. Während 
z. B. die Eiweißbestimmung mittels Formoltitration nach Sö- 
rensen vom Grade des Eiweißabbaues abhängt und des- 
wegen auch eine besonders geeignete Methode ist, um diesen 
Abbau quantitativ zu verfolgen, scheint das Jodbindungs- 
vermögen der Eiweißkörper in weitestem Grade davon unab- 
hängig zu sein. Das Eiweißmolekül wird einerseits bei der 
Einwirkung des Jod schon in Teile gespalten, andererseits 
wird das Jod im aromatischen Kern der das Eiweiß bildenden 
Aminosäuren gebunden, so daß die Aminosäuren praktisch un- 
gefähr das gleiche Jodbindungsvermögen haben werden wie 
genuines Eiweiß. Wir können deshalb die „Jodzahl“ von Eiweiß 
oder von eiweißhaltigen Zellen ebensogut am genuinen Eiweiß 
bestimmen, als etwa an den durch Säurehydrolyse oder der- 
gleichen Eingriffe gewonnenen Spaltprodukten. 

Wir haben die Standardisierung von Bakterienvaccinen 
nur als ein Beispiel herausgegriffen, um zu zeigen, wie man 
die Jodstärkereaktion zur Eiweißbestimmung auch in Fällen 
benutzen kann, wo der Eiweißbestimmung eine eiweißauf- 
schließende Methode vorangehen muß. Zur Auflösung von 
Bakterien jeder Art stehen uns nun nach unseren eigenen 
Untersuchungen eine ganze Anzahl verschiedener Methoden 
zur Verfügung, die teils das Eiweiß vollkommen unverändert 
lassen, teils dasselbe mehr oder weniger tiefgehend verändern; 
wir wollen hier auf diese Methoden nicht näher eingehen. 
Für uns ist hier nur die Tatsache von Bedeutung, daß eine 
Spaltung des Eiweißes bei einem derartigen Aufschluß von 
Bakterien zwecks jodometrischer Eiweißbestimmung gleich- 
gültig ist, nur muß der Einfluß der zwecks Aufschließung 
zugegebenen Körper auf den Ausfall der Jodstärkereaktion 
berücksichtigt werden, was ja durch stets gleichbleibende Ver- 
suchsanordnung in genügendem Maße gewährleistet wird. Man 
kann dementsprechend etwa die Bakterien durch Erhitzen mit 


80 C. Lange: 


Säure auflösen und dann bei saurer Reaktion eventuell unter 
Zugabe von Katalysatoren (z. B. Eisenchlorid) jodieren und 
dann das gebundene Jod auf die schon geschilderte Weise 
bestimmen. 

Die angeführten Beispiele mögen genügen, um die Ver- 
wendungsmöglichkeit und die Art der Durchführung einer 
quantitativen Eiweißbestimmung mittels Jodstärkereaktion zu 
demonstrieren. Wir beabsichtigen über die beim Liquor er- 
haltenen Resultate, sowie über den Vergleich mit anderen 
Methoden der quantitativen Eiweißbestimmung noch eingehend 
zu berichten, und wollen hier zum Schluß nur noch kurz auf 
die Verhältnisse im Blut eingehen, soweit sie für die Methode 
im allgemeinen von Interesse sind. Gerade hier glauben wir 
für das Studium der Immunitätsvorgänge von der quantitativen 
Untersuchung des Eiweißgehaltes manchen Aufschluß erwarten 
zu können. 

Ein Beispiel möge dies illustrieren, nämlich die Unter- 
suchung der Verhältnisse bei der Wa.-R. Es ist bekannt, daß 
der Reaktionskörper, der den positiven Ausfall der Wa.-R. in 
Körperflüssigkeiten bedingt, an Leberzellen gebunden werden 
kann. Es ist.nun von Interesse, die Veränderungen zu ana- 
lysieren, die durch diese Art der Behandlung im luetischen 
Serum hervorgerufen werden. Späth kommt z. B. auf Grund 
seiner Untersuchungen mit der Goldreaktion am Liquor zu der 
Schlußfolgerung, daß die Goldreaktion und damit parallel der 
Ausfall der Wa.-R. nicht an Eiweißkörper gebunden sein kann, 
da die Paralysereaktion eines Liquors mit kolloidalem Gold 
nach Behandlung mit gekochter Leber verschwindet, ohne daß 
der Eiweißgehalt verändert ist. Diese letztere Behauptung 
wäre nun für die Deutung des Wesens der Wa.-R. von außer- 
ordentlicher Bedeutung, es läßt sich aber nachweisen, daß dies 
nicht der Fall ist. Wäscht man gekochte Leber so lange aus, 
daß das Waschwasser nicht mehr eiweißhaltig ist und bindet 
luetische Seren mit einer feinen Emulsion derartiger Leber, so 
kann man selbst im Serum nach Abzentrifugieren der Leber 
feststellen, daß das Jodbindungsvermögen herabgesetzt ist 
gegenüber einer Serumverdünnung, die in den gleichen Mischungs- 
verhältnissen mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellt 
wurde. Die tatsächliche Herabsetzung des Jodbindungsver- 


Jod-Stärkereakt. u. ihre Verwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 81 


mögens ist noch größer, als sie bei dieser Versuchsanordnung 
zutage tritt, da das mit dem gleichen Volumen Leberemulsion 
versetzte Serum ja tatsächlich infolge des Volums der Leber- 
partikelchen, die ungelöst bleiben, nicht so stark verdünnt 
wurde, wie der mit Kochsalzlösung verdünnte Kontrollversuch. 
Da die Serumlipoide bei der gewählten Versuchsanordnung 
kaum von Einfluß sein können, muß man dies Sinken der 
Jodzahl wohl unbedingt auf eine Bindung von Serumeiweiß 
an die Leberpartikelchen auffassen, der Eiweißgehalt ist also 
durch die Behandlung mit Leber herabgesetzt. 

Zeigt dieses Untersuchungsresultat nun, wie möglichst fein 
ausgebaute Methoden quantitativer Eiweißbestimmung für die 
Analyse von Immunvorgängen herangezogen werden können, 
so kommt dieser Untersuchung bei Immunitätsvorgängen inso- 
fern eine ganz allgemeine Bedeutung zu, als sie anscheinend 
ausnahmslos zu Veränderungen des Eiweißgehaltes des Blutes 
führen, die recht beträchtliche Grade erreichen können. Für 
die Auffassung, die wir uns von den Immunkörpern bilden 
müssen, ist diese Tatsache jedenfalls von erheblicher Bedeutung, 
insofern ein starkes Ansteigen des Eiweißgehaltes im Blute 
wenig vereinbar ist mit der Annahme, daß den Immunitäts- 
körpern ein reiner Fermentcharakter zukomme. Wie weit bei 
Infektionskrankheiten und bei Immunisierungen auch Herab- 
setzungen des Eiweißgehaltes im: Blute vorkommen und ob 
dies einen in gewissen Stadien regelmäßig zukommenden Befund 
darstellt, können wir nach unseren bisherigen Untersuchungen 
noch nicht sicher entscheiden. Sicher ist dagegen, daß alle 
Immunseren mit hohem Titer, die durch künstliche Immuni- 
sierung erzielt sind, einen mehr oder minder erhöhten Eiweiß- 
gehalt im Serum zeigen. Dies trifft bei allen präcipitierenden 
Seren zu, wie wir schon eingangs erwähnten, auch für agglu- 
tinierende Seren und z. B. für Diphtherieheilserum. 

Für eine feinere Analyse der hier in Frage kommenden 
Vorgänge genügt aber eine Untersuchung des Serums nicht, 
wie dies auch schon frühere Untersuchungen nachwiesen; einen 
genaueren Einblick in die Verhältnisse des Gesamteiweißes ge- 
währt nur die Untersuchung des Blutplasmas. In den letzten 
Jahren haben die Untersuchungen über die Verteilung von 


Immunkörpern auf die verschiedenen Eiweißfraktionen des 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 6 


82 C. Lange: 


Serums etwas genaueren Einblick in diese Verhältnisse ge- 
schaffen. Bei unseren früheren Untersuchungen über die Be- 
deutung der Salze für die spezifische Agglutination konnten 
wir auch nachweisen, daß das Agglutinin verschiedenen Eiweiß- 
fraktionen des Serums angehört, dasselbe ist ja auch vom 
Komplement bekannt. Daß nun diese Immunkörper — nach- 
weisbar durch ihre spezifische Wirkung — identisch seien mit 
den Eiweißkörpern des Normalserums, mit denen sie gleiche 
Ausfällung und Löslichkeit zeigen, ist damit nicht etwa be- 
wiesen; wir nehmen also keineswegs an, daß bei Immunisierung 
gegen körperfremdes Eiweiß die Globuline oder Albumine „ver- 
mehrt“ seien, sondern es treten Eiweißkörper im Serum auf, 
die mit diesen Serumfraktionen gleiche Reaktionen zeigen. 

Als allgemeines Gesetz bei Immunisierungen kann die 
Tatsache angesehen werden, daß sich bei Abgabe von Immun- 
körpern aus den Körperzellen an das Serum zuerst hoch- 
komplexe Eiweißkörper im Serum finden, oder sagen wir lieber: 
Eiweißkörper, die den hochkolloidalen Eiweißkörpern des 
Blutes in ihren Reaktionen gleichen; dahin gehört die Thermo- 
labilität der Immunkörper im ersten Stadium der Bildung, 
ihre relative Unlöslichkeit in destilliertem Wasser und die 
leichte Ausfällbarkeit durch Neutralsalze und H*-Ionen. Unter- 
sucht man nur das Serum, so kommen nur Körper in Frage, 
die höchstens mit den Globulinen gleiche Reaktionen zeigen, 
bei höherem Titer des Immunkörpers finden sich auch Anteile, 
die den Albuminen gleichen. Bevor aber diese Stufe erreicht 
wird, scheint sich regelmäßig ein Stadium zu finden, wo diese 
Körper nur in einer dem Fibrinogen analogen Form vorhanden 
sind, im Serum also eventuell überhaupt nicht nachgewiesen 
werden können; es liegt aber unseres Erachtens kein Grund 
vor, diese Körper nun etwa mit dem Fibrinogen zu identifizieren; 
auch muß mit der Tatsache gerechnet werden, daß derartige 
leicht ausfällbare Eiweißkörper, ohne in ihren Fällungsreaktionen 
mit dem Fibrinogen identisch zu sein, bei der Koagulation zu 
Fibrin an das entstehende Gerinnsel adsorbiert werden. 

Die mehr chemische Erklärung dieser Erscheinungen wäre 
darin gegeben, daß die hochkomplexen Eiweißkörper mit 
größerem Molekül (Albumin < Globulin < Fibrinogen) leichter aus- 
fällbar sind, es wäre aber auch eine rein physikalische, kolloid- 


Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 83 


chemische Auffassung denkbar, daß nämlich die Immunkörper 
einen Kolloidkomplex aus Antigen und Zelleiweiß darstellen, 
die sich in gewissen Mischungsverhältnissen gegenseitig aus- 
fällen (Agglutination, Präcipitation), in jedem anderen Mischungs- 
verhältnis aber — sei es nun, daß die eine oder die andere 
Komponente im Überschuß vorhanden ist — ihre Löslichkeit 
erhöhen. Wir wollen diese Theorie der Entstehung von spezi- 
fischen Immunkörpern hier nicht eingehend entwickeln, wir 
beabsichtigen dies später an anderer Stelle zu tun, für die ` 
hier interessierenden Fragen wäre diese Auffassung nur inso- 
fern von Bedeutung, als danach die verschiedene Fällbarkeit 
der verschiedenen Anteile eines Immunkörpers nicht auf ihrer 
eiweißchemischen Zugehörigkeit zu verschiedenen Eiweißfrak- 
tionen des Serums resp. Plasmas beruhen würde, sondern daß 
man darin einen Ausdruck ihrer verschiedenen Löslichkeit zu 
sehen hätte, bedingt durch ein wechselndes Mischungsver- 
hältnis. Es erscheint auch fraglich, ob diese Verteilung auf 
die verschiedenen Eiweißfraktionen überhaupt in dem Maße als 
präexistent angesehen werden kann. 

Wie dem auch sei, jedenfalls bilden sich die ersten An- 
teile eines Immunkörpers im Blut mmer in einer Form, die 
mit Gerinnung des Fibrins ausfällt und im Serum nicht nach- 
weisbar zu sein braucht. Eine rein serologische Untersuchung 
"in dieser Richtung ist dadurch erschwert, weil man Plasma bequem 
nur in kalkfreiem Zustand verarbeiten kann, und dadurch die 
Löslichkeitsverhältnisse nicht nur des Fibrinogens, sondern 
eventuell auch der im Plasma enthaltenen Immunkörper er- 
heblich alteriert werden. Für eine Gesamteiweißbestimmung 
im Plasma spielt dies natürlich keine Rolle, und es empfiehlt 
sich aus den angegebenen Gründen, in jedem Fall, wenn man 
das Gesamteiweiß bei Immunitätsprozessen bestimmen will 
Plasma und nicht Serum zu verwenden. 

Wir konnten mit der oben geschilderten Methode bei einer 
Reihe von Kaninchen, die wir mit intravenösen Injektionen 
verschiedener Bakterien behandelten, in jedem Fall ein An- 
steigen des Gesamteiweißes im Plasma nachweisen, das dem 
Ansteigen des Agglutinintiters annähernd parallel lief. Nach 
den oben gegebenen Ausführungen wird auch die Tatsache 
verständlich erscheinen, daß wir bei einem Kaninchen, das 

6* 


84 C.Lange: Jod-Stärkereakt. u. i. Verwendung f. e.colorimetr. Eiweißbest. 


gegen Vibrionen immunisiert wurde, im Plasma eine einwand- 
freie Erhöhung des Eiweißes feststellen konnten, bevor über- 
baupt mm Serum eine nachweisbare Erhöhung des Agglutinin- 
titers festzustellen war. Die Wichtigkeit der mit der Methode 
zu erzielenden Resultate erhellt wohl ohne weiteres aus dieser 
Feststellung. 


Literatur. 

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Hirschberg und Klinger, Deutsche med. Wochenschr. 1914, 1607. — 
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Zu III. Butjagin, Hyg. Rundschau 1902. — Engel, Arch. f. 
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Ges. 31, 1311, 1898. — Joachim, Wiener klin. Wochenschr. 1902. — 
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Macquaire, Compt. rend. de l’Acad. d. Sc. 153, 1084, 1911. — Moll, 
Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 4, 1908. — Р. Th. Müller, 
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Oswald, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 8, 514; Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 58, 230. — Pauly, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 3999, 1908. — 
Rhode, Zeitschr. f. physiol. Chem. 44, 161. — Samtleben, Ber. d. 
chem. Ges. 31, 1145, 1898. — Szontagh und Wellmann, Deutsche 
med. Wochenschr. 1898. 


Über die Wirkung уоп oberfläehenaktiven Stoffen auf 
Pflanzensamen. 


Von 
J. Traube und Hedwig Rosenstein. 


(Eingegangen am 24. März 1919.) 


Diese Mitteilung ist eine Fortsetzung einer an anderer 
Stelle!) erschienenen Arbeit von Traube und Marusawa 
„Über Quellung und Keimung von Pflanzensamen“, 

In jener Arbeit wurden — abgesehen von Quellungsver- 
suchen — Gerste und andere Samen eingelegt in Lösungen von 
Säuren, Basen, indifferenten Narkoticis, Salzen, Farbstoffen usw. 

Von den zahlreichen Einzelergebnissen seien hier nur noch- 
mals die folgenden hervorgehoben: 

Säuren wirken in verdünnten Konzentrationen vielfach, 
wie auch schon von anderen Seiten mitgeteilt wurde, reizend auf 
die Keimung, d. h. beschleunigend auf die Keimungsgeschwindig- 
keit, so beispielsweise Schwefelsäure, o-Phosphorsäure, besonders 
aber Citronensäure; oberhalb bestimmter Schwellenwerte der 
Konzentration erfolgt dann ziemlich plötzlich die schädigende 
Wirkung. 

Während beispielsweise bei der von Traube und Marusawa 
ausgeführten Versuchsanordnung beim Einlegen von 50 Gersten- 
körnern in eine "/ „-Salzsäurelösung 30 Körner keimten, keimte 
in einer ®/,-Lösung nicht ein einziges, In einer sl, -o-Phosphor- 
säurelösung keimten 32 Körner, in einer "/,-Lösung nur ein 
einziges usf. 

Bemerkenswert war die außerordentliche Giftigkeit ober- 
flächenaktiver Fettsäuren. Selbst in ?/,,„-Isovaleriansäurelösung 


1) Traube und Marusawa, Intern. Zeitschr. f. phys.-chem. Biol. 
2, 370, 1915. 


86 J. Traube und H. Rosenstein: 


keimten bei nur '/, stündigem Einlegen ein nur geringer Bruch- 
teil der Gerstenkörner, ein Ergebnis, das in geradem Gegen- 
satz steht zu etlichen vergleichbaren Tierversuchen; zeigt sich 
doch beispielsweise nach Loebs parthenogenetischen Versuchen 
am Seeigelei, daß gerade derartige Säuren befähigt sind, eine 
parthenogenetische Entwicklung anzuregen'), Bei den halo- 
genierten Essigsäuren nimmt auffallenderweise die Giftigkeit zu 
von Trichloressigsäure zu Dichloressigsäure und von dieser zu 
Monochloressigsäure. Borsäure schädigt weniger die Keimung 
als das Wachstum. 

In bezug auf die Versuche mit Basen sei hier nur auf 
die große Wachstumsschädigung hingewiesen, welche Gerste 
durch !/, stündiges Einlegen in eine "/ „Lösung von alkylierten 
Aminen und Ammoniumbasen erfährt im Gegensatz zu gleich- 
konzentrierten Lösungen von Ammoniak, Kalihydrat, Nicotin usw. 
Die Keimfähigkeit wird indessen auch durch Ammoniak, Py- 
ridin usw. sehr geschädigt. Über die Wirkung von Alkaloiden, 
Farbstoffen und Salzen vergleiche die Abhandlung. 

Am meisten interessieren uns hier jedoch die damals bereits 
angestellten Versuche mit oberflächenaktiven Nichtleitern, da 
diese Versuche in der vorliegenden Mitteilung eine Fortsetzung 
erfahren. Die Versuche, die mit gewöhnlichen Alkoholen, Äthyl- 
äther, Paraldehyd, Propionitril, Aceton, Urethan, Methylacetat 
und Chloralhydrat angestellt wurden, zeigten, daß bei !/, stün- 
digem Einlegen von Gerste in ®/,- und "/,-Lösungen zunächst 
der Isoamylalkohol im Gegensatz zum tertiären Amylalkohol 
ganz besonders giftig war. Als recht giftig erwies sich auch 
das Chloralhydrat. Beim Einlegen von 50 Gerstenkörnern in 
a/,-Chloralhydratlösungen keimten nach 2 Tagen О, nach 3 Tagen 
nur 12 Körner, beim Einlegen in "/,-Lösungen nach 2 Tagen 9, 
nach 3 Tagen 40 Körner. In den "/,-Lösungen kam es nach 
7 Tagen überhaupt nicht zum Wachstum, die Narkose war 
irreversibel, in den ?/,-Lösungen war das Wachstum zwar 
weit erheblicher, aber doch verkümmert. Chloralhydrat erwies 
sich auch für Pflanzen als ein schädliches Narkoticum. Eine 
völlige Reversibilität ist nicht vorhanden. Bei den untersuchten 
milderen Narkoticis ließ sich für verdünntere Konzentrationen 
ein Erregungsstadium feststellen. 

1) Vgl. indessen weiter unten über Capronsäure und Caprylsäure. 


Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 87 


Diese Untersuchungen ließen nun den Wunsch aufkommen, 
weitere Narkotica bzw. allgemein oberflächenaktive Stoffe in 
ihrer Wirkung auf Pflanzensamen zu untersuchen. 

Es leitete uns dabei u. a. der Gedanke, festzustellen, wie 
weit die Analogie für Tier und Pflanze vorhanden war, sowie 
ferner, wie weit die Oberflächenaktivität bzw. der Haftdruck') 
in Frage kam. 

Die Pflanze ist ein vortreffliches Testobjekt, um zu prüfen, 
ob ein Narkoticum nur vorübergehende oder dauernde Schädi- 
gungen herbeizuführen imstande ist, und wenn man auch mit 
Rückschlüssen auf das Tier vorsichtig sein soll, so erschienen 
doch gewisse Analogieschlüsse in bezug auf die Art der Wirkung, 
deren Intensität und Reversibilität bezugsweise Irreversibilität 
sehr wohl möglich. Besonders aber erschien ein weiteres Studium 
der „Reizwirkungen“ oberflächenaktiver Stoffe auf Pflanzen- 
keimung und Wachstum von nicht geringem Interesse, denn 
es kann nicht genug hervorgehoben werden, daß, wenn auch 
bisher auf diesem Gebiete noch so gut wie nichts praktisch 
Verwertbares erreicht wurde, wahrscheinlich die Landwirtschaft 
und Gärtnerkunst gerade nach dieser Richtung hin zu be- 
deutungsvollen Ergebnissen gelangen wird. Es ist uns beispiels- 
weise kaum zweifelhaft, daß, wenn etwa Wert und Wirkung 
gewisser tierischer Dünger keineswegs ihrem Stickstoffgehalte 
parallel gehen, gewisse Reizstoffe eine Rolle spielen, die man 
bisher nicht beachtet hat. Dasselbe dürfte zutreffen in bezug 
auf die Wirkung der Böden, Humusarten usw. Was früher 
Liebig in bezug auf die Zuführung der Nährstoffe für die Pflanze 
geleistet hat, das wird dereinst ein zukünftiger Liebig leisten 
müssen, indem er für die Feststellung derjenigen Katalysatoren 
sorgt, die Pflanzenkeimung und Pflanzenwachstum beschleu- 
nigen und nach anderer Richtung begünstigen. Indessen es 


1) Wenn hier von oberflächenaktiven Stoffen die Rede ist, so soll 
man eingedenk sein, daß Stoffe, wie beispielsweise Chloroform und zahl- 
reiche andere, wegen ihrer leichten Verdampfung aus der Oberfläche 
eigentlich nicht als oberflächenaktiv bezeichnet werden können (vgl. 
Traube, Arch. f. d. ges. Physiol. 153, 308, 1914). Es sind dies aber 
alles Stoffe von sehr geringem Haftdruck am Wasser, und wenn daher 
von oberflächenaktiven Stoffen gesprochen wird, so sullte man besser 
diese Stoffe allgemein als Stoffe von geringem Haftdruck bezeichnen. 


88 J. Traube und H. Rosenstein: 


werden sicherlich erst eine ganze Reihe von Vorarbeiten im 
Laboratorium und auf freiem Felde erfolgen müssen, ehe an 
endgültige Erfolge zu denken ist. 

Die Versuche sind nahezu sämtlich von der einen von uns, 
Hedwig Rosenstein, ausgeführt worden, und zwar, soweit 
es sich um flüchtige Narkotica handelt, in folgender Weise: 

Je 50 Körner einer guten Saatgerste vom Gute des Herrn Wal- 
ther Traube in Engelstedt bei Braunschweig wurden 1 Stunde 
lang in Wasser eingelegt, alsdann in größeren zylindrischen, mit 
Deckel verschließbaren Gläsern auf 6faches, mit der gleichen 
Menge Wasser befeuchtetes Filtrierpapier einzeln ausgebreitet, 
indem ein kleiner fingerhutgroßer zylindrischer Behälter mit 
dem betreffenden verdunstenden Stoffe während einer be- 
stimmten Zeit in den größeren Behälter eingesetzt und als- 
dann dieser gelüftet wurde. Die feuchte Gerste wurde somit 
lediglich den Dämpfen der betreffenden Stoffe ausgesetzt. 


Versuch 1. 
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach 
der Dämpfe 1 Tag 2 Tagen 
Chloroform 0 Min. 28 48 
1» 34 49 
2 ə 34 48 
bs 28 49 
10 >» 23 45 
20 » 26 45 
Versuch 2; 
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach 
der Dämpfe 1 Tag 2 Tagen 5 Tagen 
Chloroform 0 Min. 18 48 48 
2 » 15 50 50 
30 > 0 39 46 
Versuch 3. 
0 Min. 16 42 
60 » 0 38 
Versuch 4. 
0 Min. 29 49 
24 Std. 0 0 


Wirkung von oberflächensktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 89 


Die Versuche mit Chloroformdampf führen zu dem Ergebnis, 
daß je nach der Länge der. Einwirkung des Dampfes auf die 
Gerste eine reversible bzw. irreversible Narkose stattfindet, 
und es scheint, daß auch bei geringer Zeitdauer, bei der Ein- 
wirkung von nur 1 bis 2 Minuten ein Erregungsstadium wie 
bei den Tieren statthat. 


Versuch 5. 
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach 
der Dämpfe 1 Tag 3 Tagen 
Äthyläther 0 Min. 18 48 
5» 12 50 
10 >» 7 48 
20 >» 4 48 
‚ 30 e 5 45 
45 » 7 47 
Versuch 6. 
Athyläther 0 Min. 16 44 
60 >» 8 45 
Versuch 7. 
1 Tag 2 Tagen 
Äthyläther 0 Min. 29 49 
24 Std. 0 0 
Versuch 8. 
1 Tag 2 Tagen 4 Tagen 
Paraldehyd 0 Min. 19 42 48 
60 » 11 38 48 


Ein Vergleich des Äthyläthers mit dem Chloroform zeigt, 
daß der Ätherdampf eine mildere Narkose hervorruft als der 
 Chloroformdampf, auch hier beobachten wir je nach der Zeit- 
dauer der Wirkung eine reversible bzw. irreversible Narkose. 
Paraldehyddämpfe wirken gleichfalls weniger stark narkotisch 
als die Dämpfe des Chloroforms. 

Bei den folgenden nicht flüchtigen Narkoticis wurde 
so verfahren, daß die Samen je 1 Stunde entweder in Wasser 
oder die betreffenden Lösungen eingelegt und alsdann nicht ab- 
gespült auf 6fachem feuchtem Filtrierpapier in geschlossenen 
zylindrischen Gefäßen wie oben ausgebreitet wurden. 


90 J. Traube und H. Rosenstein: 


Versuch 9. 
Wachstum nach 
Stoff рг Keimzahl nach „6 Tagen, 
2 Tagen 3 Tagen Höhe der Stengel 
°% ош 
Urethan’) 0 39 50 1 bis 3 
0 39 46 1 bis 3 
1 39 48 1 bis 4 
1, 38 48 1 bis 4 
114 44 48 1 bis 4 
НА 48 50 2 bis 3 
ER 48 50 2 bis 4 
Versuch 10. 
Wachstum nach 
Stoff ne Keimzahl nach 2 10 Tagen, 
2 Tagen 3 Tagen Höhe der Stengel 
lo cm 
Sulfonal 0 34 44 4 bis 6 
gesätt. Lös. 31 44 2 bis 5 
о» ” 26 42 3 bis 6 
7 A H 30 49 3 bis 7 
AL F n 35 48 4 bis 6 
Versuch 11. 
2 Tagen 7 Tagen 7 Tagen 
Veronal 0 3 41 4 bis 5 
gesätt. Lös. 17 26 1 bis 3 
Ae N 30 44 3 bis 4 
nn s 25 38 3 bis 4 
Lk e sw 42 42 4 bis 6 
Versuch 12. В 
°% 4 Tagen 6 Tagen 
Medinal 0 (15) (32) 
2 8 35 
1 18 40 
als 17 44 
1], 26 40 


1) Auch eine weitere Versuchsreihe mit Urethan ergab namentlich 
eine Wachstumsbeschleunigung, so daß weitere Versuche mit diesem 
Narkoticum nach dieser Richtung sehr erwünscht wären. Sichere Schlüsse 
kann man erst ziehen, wenn eine größere Anzahl von Versuchsreiben 
vorliegen. 


Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzenssmen. 91 


Versuch 13. 
Stoff Konz. der Keimzahl nach 
Lösung 2 Tagen 3 Tagen 
lo 
Adalin 0 32 48 
2 32 47 
1 38 44 
1), 88 46 


Während Urethan sich auch bei der Pflanze als ein sehr 
mildes Narkoticum erweist mit anscheinend vorhandenem Er- 
regungsstadium, und beim Adalin in den untersuchten Kon- 
zentrationen überhaupt keine Wirkungen beobachtet werden 
konnten, bringen stärkere Sulfonal- wie Veronallösungen, wie 
namentlich die Wachstumsversuche zeigen, dauernde Schädi- 

gungen hervor. 

| Wenn wir die Versuche der älteren Arbeit von Traube 
und Marusawa über die Wirkung weiterer Narkotica, wie 
Chloralhydrat, Äthylalkohol usw. mit berücksichtigen, so zeigt sich 
in bezug auf die Wirkung von Narkoticis auf Tier und Pflanze 
eine solche Parallelität, daß in bezug auf die Beurteilung der 
schädigenden oder nicht schädigenden Wirkungen von Narkoticis 
Versuche mit einem so einfachen Testobjekt wie Gerste von 
Nutzen sein können. | 

Die folgenden Versuche beziehen sich gleichfalls auf die 
Wirkung der Dämpfe auf feuchte Gerste und wurden in der- 
selben Weise wie die Versuche weiter oben mit Chloroform usw. 
ausgeführt. 


Versuch 14. 

Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach 

der Dämpfe 1 Tag 3 Tagen 
Wasser... . — 16 44 
Thymol. ... 1 Stunde 32 47 
Toluol Sa l >» 12 46 
Napthalin . . . L- 21 50 
Chlorbenzol . . l >» 7 50 
Anilin 1, 10 49 
Pyridin . . 1, 22 49 
Рірегійіп . . . l a» 7 49 


92 


J. Traube und H. Rosenstein: 


Versuch 15. 
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach 
der Dämpfe 1 Tag 2 Tagen 
Wasser... . — 29 49 
Thymol. .. . 24 Stunden 13 42 
Touwl .... 4 n 0 0 
Naphthalin . .. 24 n 12 41 
Chlorbenzol . . 24 n 0 0 
Versuch 16. 
Wasser . . . . _ 11 19 
Anilin .... 24 Stunden 0 31 
Pyridin . 24 о» 0 0 
Piperidin . 24 n 0 0 
Versuch 17. 
Э Wachstum 
Stoff Keen Keimzahl nach nach 9 Tagen, 
Dämpfe 1Tag 2 Tg. 4Tg. Höhe ai 
Wasser . . . . _ 19 42 48 3 bis 8 
Aceton .. .. ISundd 0 0, — — 
Isobutylacetat . 1 » 0 0 — — 
Isoamylalkohol. 1 » 0 0 — — 
Heptylalkohol . 1 » 25 48 49 4 bis 6 
Benzaldehyd.. 1 » 24 42 46 4 bis 6 
m-Kresol ... 1 » 18 48 50 5 bis 7 
Versuch 18. 
1,Tag 2 Tg. 3 Tg. 
Wasser — 21 44 48 
Isoamylalko- 
hol 5 Min. 10 37 48 
10 » 12 38 46 
20 » 6 33 49 
80 » 0 17 34 
Versuch 19. 
2 Tg. 4 Tg. 
Wasser — 44 49 
Thymol 15 Min. 46 50 
30 > 49 50 


45°» 41 48 


Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pfilanzensamen. 93 


v 


Versuch 20. 
irkungs Wachstum 
Stoff Kë der _ Keimzahl nach nach 9 Tagen, 
Dämpfe 1 Tag 2 Tg. Höhe Lenga 
We e 8 39 6 bis 8 
m-Kresol 15 Min. 10 31 7 bis 9 
30 e 17 43 6 bis 8 
45 „Н 20 49 5 bis 7 
Za 12 4 4 bis 6 


In der folgenden Vetsuchsreihe wurde die Gerste 1 Stunde 
lang in die betreffenden Lösungen eingelegt und: sonst wie 
weiter oben verfahren. 


Versuch 21. 
Konz. der : Wachstum nach 14 Tagen 
Stoff Lösung Dee SC, Zahl 4.5 Höhe d. A 
0 
Wasser = 48 49 41 3 bis 6 
А = 45 48 4 5 bis 6,5 
m-Kresol ss 3 37 35 2 bis 4 
dÄ 30 48 48 6 
1, 41 49 44 6 bis 8 
Yo 43 46 44 6 bis 8 
1, 49 49 45 6 bis 9 
dÉ 44 48 47 5 bis 8 


Aus den Versuchen folgt, daß oberflächenaktive Stoffe wie 
Toluol, Chlorbenzol, ferner Piperidin, Pyridin, Anilin, ebenso 
Aceton, Isobutylacetat, insbesondere auch Isoamylalkohol, sehr 
starke Gifte sind. Von den Basen ist am wenigsten giftig Anilin 
und am giftigsten Piperidin. Die Naphthalin- und Thymol- 
dämpfe wirken bei nicht zu langer Einwirkung erregend, d.h. 
auf die Keimungsgeschwindigkeit beschleunigend. Die Dämpfe 
des Heptylalkohols wirken gleichfalls im Gegensatz zum Isoamyl- 
alkohol erregend, ebenso die Benzaldehyddämpfe bei 1 stündiger 
Wirkung. 

Es scheint, daß das Desinfiziens m-Kresol in gewissen Kon- 
zentrationen das Wachstum der Gerste günstig beeinflußt, in- 
dessen derartige Versuche müssen, ehe man sichere Schlüsse 
ziehen kann, noch häufiger wiederholt werden. 


94 


Stoff 


Benzoesäure, 
1 Std. eingelegt 


Benzoesäure, 
24 Std. eingelegt 


Salicylsäure, 
1 Std. eingelegt 


Zimtsäure, 
1 Std. eingelegt 


J. Traube und H. Rosenstein: 


Konz. der 
Lösung 


0% 


gesätt. Lös. 


KÉ » 
1/8 я 


0% 


gesätt. Lös. 


Ya S 
|, ” 


Ye n 


Versuch 22. 
Keimzahl nach 
2Tg. 4Tg. 6Tg. 
47 50 50 
2 9 35 
38 50 50 
в 49 4 
45 50 50 
Versuch 23. 
14 34 
0 0 
0 0 
0 0 
0 0 
Versuch 24. 
48 49 
1 6 
16, 47 
"42 49 
45 48 
Versuch 25. 
26 48 
27 50 
24 49 
(15) 47 
40 49 


Wachstum nach 6 Tagen 


Zahl d.St. 


20 
2 
12 


29 
33 


Höhe d. St. 
cm 


1 bis 2 


kä bah ка Fei 
сс 


EE: 
KL? 


Die gesättigte Benzoesäurelösung ergab in einem Stalagmo- 
meter, in dem die Tropfenzahl für Wasser gleich 53,7 war, die 
Tropfenzahl 59,9, die gesättigte Salicylsäurelösung — 55,5 und 
die gesättigte Zimtsäurelösung entsprechend ihrem minimalen 
Gehalte — 54,9. Mit diesen Oberflächenspannungen stehen die 
Keimversuche im Einklang. 

Bei den folgenden Versuchen wirkte nur der Dampf der 
betreffenden Fettsäuren, bei Versuch 26 und 28 je 1 Stunde 
lang, bei Versuch 27 24 Stunden lang auf die betreffende, mit 


Wasser 1 Stunde lang befeuchtete Gerste (50 Körner). 


Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 95 


Versuch 26. 
Keimzahl nach 
Stoff 1 Tag 2 Tagen 
Wasser ..... 16 44 
Саргопвёоге . . 20 47 
` Versuch 27. 
1 Tag 2 Tagen 
Wasser ..... 11 19 
Capronsäure . . 20 48 
Versuch 28. 
Wasser ..... 19 42 
Buttersäure . . 3 20 
Isovaleriansäure 8 38 
Caprylsäure .. 28 82 


Es ist sehr bemerkenswert, daß höhere Fettsäuren, wie 
Capron- und Caprylsäure so stark reizende Wirkungen auf die 
Keimungsgeschwindigkeit der Gerste ausüben. Man denkt hier- 
bei an die hohe parthenogenetische Wirkung auf das Seeigelei 
nach Loebs Versuchen. Auffallend ist es, daß die niederen 
Fettsäuren selbst in geringen Konzentrationen, namentlich die 
Isovaleriansäure (vgl. auch Traube und Marusawa, 1. с.), sehr 
giftig wirken. 

Um zu prüfen, ob nicht bei sehr kurzer Wirkung der 
Dämpfe der Isovaleriansäure doch ähnliche Reizwirkungen wie 
bei Capron- und Caprylsäure hervorgebracht wurden, brachten 
wir 50 Gerstenkörner, die 1 Stunde im Wasser lagen, eine ver- 
schiedene Anzahl von Minuten in die Dämpfe der Isovalerian- 
säure. 


Versuch 29. 
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach 
des Dampfes 1 Тар 2 Tagen 3 Tagen 
Isovaleriansäure 0 Min. 28 48 50 
ln 25 48 49 
2 n 22 48 49 
5 » 22 49 49 
10 » 28 45 28 
20 e 33 49 50 
Versuch 30. 
1 Tag 3 Tagen 5 Tagen 
Isovaleriansäure 0 Min. 18 48 48 
20 » 16 49 50 
30 >» 12 48 50 


ZS 45 » 14 46 48 


96 


J. Traube und H. Rosenstein: 


Eine erheblichere erregende Wirkung wurde somit nicht 


festgestellt. 


Von Desinfizienzien wurde noch f-Naphthol und namentlich 
Naphthalin untersucht. Die Körner, 50 Stück, wurden 1 Stunde 
lang und nur bei Versuch 34 24 Stunden lang in die betreffenden 
Lösungen eingelegt und dann unabgespült auf 6 faches, gleich- 
mäßig befeuchtetes Filtrierpapier im geschlossenen Gefäße aus- 
gebreitet. Die gesättigte f-Naphthollösung ergab im Stalagmo- 
meter (Tropfenzahl für Wasser — 53,7) die Tropfenzahl 55,4, 
die gesättigte Naphthalinlösung in Anbetracht ihres geringen 


Gehaltes = 


Stoff 
#-Naphthol 


Stoff 


Naphthalin 


Naphthalin 


Naphthalin, 
die Körner 
24 Stunden 
eingelegt 


53,9. 


Konz. der 
Lösung 
0% 

gesätt. Lös. 
1/ D n 


Ya ” 


Konzen- 
tration der 
Lösung 


0 
0% 


KÉ ” 
n 


gesätt. Lös. 
n 


Versuch 31. 
Keimzahl nach 


2 Tagen 4 Tagen 


43 49 
17 47 
32 48 
48 48 
Versuch 32. 
Keimzahl nach 
2Tg. 3Tg. 4Tg. 
25 31 40 
33 40 49 
38 48 48 
36 46 49 
39 44 46 
- Versuch 33. 
2Tg. 3Tg. 5Tg. 
23 38 43 
34 38 43 
39 47 49 
32 45 48 
38 45 47 
Versuch 34. 
2Tg. 3Tg. 4Tg. 
41 47 48 
24 35 43 
22 39 43 
24 36 43 
21 3l 41 


11 Tg. 


49 
50 
50 
50 
49 


9 Tg. 


46 
45 
49 
48 


Wachstum 
nach 11 Tagen, 
Höhe d. Stengel 

cm 

4 bis 10 

4 bis 9 

3 bis 8 
4 bis 8 
9 


4 bis 


Wachstum 
nach 9 Tagen 


3 bis 6 
4 bis 5 
4 bis 5 
3 bis 6 
4 bis 6 


Wachstum 
nach 11 Tagen 


Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 97 


Versuch 35. 
Konzen- . 
Stoff tration дег о ee akoh 
Lösung Е. Е. 8 
Naphthalin 0%, 81 44 48 
gesätt. Lös. 30 46 48 
А » 39 48 49 J 
WA n 29 45 47 
105 n 39 49 49 
tie A 39 50 50 
Versuch 36, 
2Tg. 4Tg. 6 Tg. 
Naphthalin 0%, 82 41 49 
gesätt. Lös. 42 48 49 
KÉ H EI 48 49 
e n 36 48 48 
Ak H 38 49 50 


Die Versuche mit $-Naphthol und Naphthalin zeigen zu- 
nächst, daß die stärkeren $-Naphthollösungen entsprechend der 
geringeren Oberflächenspannung bei gleicher Dauer der Ein- 
wirkung schädlicher auf Gerste einwirken als Naphthalinlösungen. 
Веі 24stündiger Einwirkung wirken selbst '/, gesättigte Naph- 
thalinlösungen schädlich auf Keimung und Wachstum der Gerste, 
dahingegen bei 1stündiger Einwirkung wird die Keimungs- 
geschwindigkeit der Gerste durch Naphthalin erheblich be- 
günstigt; ob auch das Wachstum gefördert wird, läßt sich noch 
nicht mit Sicherheit sagen. 

Folgende Basen wurden noch geprüft. Die Gerste wurde 
je 1 Stunde in die Lösungen eingelegt. 


Versuch 37. 5 
Stoff Konz. der Keimzahl nach 
Lösung 2 Tagen 4 Tagen 
Diphenylamin 0%, 43 50 
gesätt. Lös. 
(unfiltriert) 28 46 
kn 43 47 
Ыс a 46 49 
Versuch 38. 
2 Tagen 4 Tagen 
Chinolin 0%, 43 49 
1» 0 0 
Yan 0 0 
ija» 12 46 
NI 38 48 
he т 37 49 
Aer 7 45 49 


Biochemische Zeitschrift Band 95. 7 


98 J. Traube und H. Rosenstein: 


Die Löslichkeit von Diphenylamin ist sehr gering (Tropfen 
zahl 54,1, Wasser — 53,7), daher die geringe Wirkung. 

Mit oberflächenaktiven Kolloidlösungen wurden die folgen- 
den Versuche ausgeführt. Die Gerste wurde in allen Fällen 
1 Stunde lang in die Lösungen eingelegt. 


Versuch 39. 
Konzen- Wachstum nach 7 Tagen, 
Stoff tration Keimzahl nach Zahl der Höhe der 
der 1 Tag 2 Tagen Stengel Stengel 
Lösung cm 
Pepton Witte 0%, 10 47 33 1 bis 3,5 
On — 48 39 1 bis 4 
1» 6 45 33 1 bis 2 
Yon 11 49 36 1 bis 3 
IL a 16 49 42 2 bis 4 
SZ 14 49 43 2 bis 4 
1016 » 12 48 44 2 bis 4,5 
Versuch 40. 
Konzen- Wachstum nach 9 Tagen, 
Son em ug оте ато Zabi dee ° Hho e 
Lösung cm 
Med. Seife 09% 8 39 49 44 6 bis 8 
1» 9 30 48 39 6 bis 10 
„л 14 37 47 37 5 bis 8 
1, » 11 45 50 46 5 bis 8 
Y 15. 48 49 42 5 bis 9 
Yon 5 28 44 38 5 bis 10 
Versuch 41. 
2 Tagen 3 Tagen 
Saponin 0%, 37 49 
1» 44 41 
Yan 44 48 
Un 39 47 
1/6 » 45 49 
Yon 43 50 
РЕ 44 50 
Versuch 42. 
Natrium- 0%, 38 
cholat 1» 37 
Yan 30 
11, » 30 


dÉ 37 


Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 99 


Die Tropfenzahl einer 1°/,‚igen Seifenlösung in einem 
Stalagmometer (Tropfenzahl für Wasser == 53,7) war 90,2, die- 
jenige einer 1°/,igen Saponinlösung == 61,0 und einer 1°/,igen 
Lösung von Natriumcholat = 73,3. Bei allen diesen Stoffen, 
auch beim Pepton, handelt es sich um stark oberflächenaktive 
Stoffe. Da indessen derartige kolloide Stoffe nur sehr schwer 
oder gar nicht in das Gerstenkorn eindringen, ist ihre Wir- 
kung sehr gering. Man hätte allerdings für Seife und Saponin 
eine stärkere Wirkung vermutet. 

Es wurden nun noch eine größere Anzahl Versuchsreihen 
mit verschiedenen Samen ausgeführt, wie schlecht keimender 
Gerste, gut und schlecht keimendem Hafer und Roggen, gut 
und schlecht keimenden Erbsen, Zuckerrüben sowie Zwiebelsamen. 
Die Samen waren uns gütigst von der Firma Gebr. Dippe in 
Quedlinburg sowie Herrn Rittergutsbesitzer Steiger in Dresden 
zur Verfügung gestellt. Die Versuchsstoffe waren Naphthalin 
und Urethan. 

Es leitete uns bei diesen Versuchen zunächst der Gedanke, 
ob nicht bei anderen Samen die Ergebnisse in bezug auf das 
Erregungsstadium, die beginnende Giftwirkung usw., andere 
waren wie bei Gerste. Ferner galt es vor allem, der Frage 
näher zu treten, ob bei schlecht keimenden Samen nicht durch 
derartige Reizstoffe eine wesentliche Keimungs- und Wachstums- 
beschleunigung statthaben könnte. 

Da die Versuche indessen zu keinem ganz eindeutigen 
Ergebnis führten, so sehen wir von der Veröffentlichung der 
Zahlen einstweilen ab. У 

Es zeigte sich jedoch bei diesen vorläufigen Versuchen, 
daß beispielsweise bei schlecht keimender Gerste, Roggen und 
Hafer Naphthalin keine Erhöhung der Keimungsgeschwindigkeit 
hervorbrachte. Auch auf gut keimenden Hafer wirkte Naph- 
thalin im Gegensatz zu gut keimender Gerste anscheinend nicht 
erregend ein. Dagegen scheint es, daß Urethan in !/,- und 
21,67 /niger Lösung bei 1 stündigem Einlegen auf den betreffen- 
den schlecht keimenden Hafer sowohl in bezug auf Keimung 
wie Wachstum günstig einwirkte, nicht dagegen auf Zucker- 
rüben. Die Versuche bedürfen indessen einer weitgehenderen 
Prüfung. 

Die Versuche mit Zwiebelsamen wurden namentlich in der 

ә 7* 


100 J. Traube u. H. Rosenstein: Wirkung у. oberflächenaktiven Stoffen usw. 


Absicht unternommen, um zu prüfen, ob der Zwiebelgeruch 
vielleicht eine Reizwirkung auf die Entwicklung anderer Samen 
hervorrufen würde. Der Erfolg war einstweilen negativ. 

Es scheint uns indessen kaum zweifelhaft, daß gerade die 
Pflanzenduftstoffe, insbesondere Blumengerüche, besondere Be- 
deutung haben, insofern sie als oberflächenaktive Reizstoffe 
erregend auf mancherlei Entwicklungsvorgänge der Pflanzen, 
beispielsweise die Entwicklung der Knospen usw., einwirken. 

Schließlich sei bemerkt, daß wir auch mit denselben Reiz- 
stoffen, mit denen wir Versuche an Pflanzensamen vornahmen, 
eine größere Anzahl Versuche ausführten in bezug auf die Ent- 
wicklung von Froscheiern sowie in bezug auf die Giftwirkung 
auf Kaulquappen, um zu prüfen, wie weit von einer Parallelität 
der Wirkungen auf Tier und Pflanze gesprochen werden kann. 
Daß diese Parallelität im allgemeinen vorhanden ist, ergibt sich 
ja bereits aus älteren Versuchen an Kaulquappen und wurde 
auch im allgemeinen von uns bestätigt. Wir möchten auch hier, 
da unsere Versuche nicht erschöpfend waren, von der Veröffent- 
lichung der Zahlen einstweilen absehen. 


Zusammenfassung. 


Es wurde die Wirkung einer größeren Anzahl oberflächen- 
aktiver Stoffe auf die Keimung und das Wachstum von Gerste 
und anderen Pflanzensamen untersucht. 

Für die eigentlichen Narkotica, wie Chloroform, Äthyläther, 
Urethan usw., die teils als Dämpfe, teils in gelöstem Zustande 
auf die Gerste wirkten, ergab sich annähernd dieselbe Reihen- 
folge der narkotischen Wirkungen wie bei der tierischen Nar- 
kose; es besteht auch bei den Pflanzen in bezug auf den 
Keimungs- und Wachstumsvorgang eine reversible und irrever- 
sible Narkose, sowie ein Erregungsstadium. 

Ebensolche Ergebnisse wurden erzielt bei einer Reihe von 
Desinfizienzien, wie m-Kresol, Naphthalin usw. Die höheren Fett- 
säuren, wie Capronsäure, Caprylsäure, wirken in kleinen Mengen 
stark erregend auf die Keimungsgeschwindigkeit der Gerste ein. 

Die Duftstoffe der Pflanzen, wie ätherische Öle usw., ge- 
hören zu den oberflächenaktiven Stoffen und dürften daher 
eine entsprechende Reizwirkung ausüben. 


> 


Einige Bemerkungen über die Bedeutung des Blutkalks. 


Von 
R. Brinkman, Groningen. 


(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Groningen.) 
(Eingegangen am 5. April 1919.) 


In einer vor kurzem in dieser Zeitschrift erschienenen Arbeit 
haben Heubner und Копа!) sich über die funktionelle Bedeutung 
des Blutkalks und über die Wirkung der Schwankungen der totalen 
Kalkmenge im Blute geäußert. Heubner und Rona haben 
hervorgehoben, daß sowohl Kalkmangel wie Kalküberschuß ab- 
norme Wirkungen haben, daß also normal eine gewisse Kalk- 
menge anwesend sein muß. Sie haben weiter die Aufmerksamkeit 
darauf gelenkt, daß die Kalkwirkungen in zwei Gruppen zer- 
fallen: solche, die von der Ionenkonzentration des Calciums im 
Blutplasma abhängen, und solche, die unabhängig davon sind. 

Heubner und Rona scheint aber eine Arbeit entgangen 
zu sein, die Prof. Hamburger und ich?) im vorigen Jahre in 
dieser Zeitschrift veröffentlicht haben, woraus mit voller Klar- 
heit ein Prinzip hervorgeht, das wir bei unserh späteren Ver- 
suchen immer wieder bestätigt gefunden haben und das wir 
hier noch einmal betonen wollen. 

Dieses Prinzip lautet: 

Für die Erhaltung der normalen Funktionsfähig- 
keit der Membranen ist eine ganz bestimmte Calcium- 
ionenkonzentration, die nur um einige tausendstel 
Prozent Variation erleiden darf, unerläßlich. Diese 
Ionenkonzentration ist in Lösungen, die eine konstante 


1) Heubner und Rona, diese Zeitschr. 98, 187 bis 226, 1919. 
”) Hamburger und Brinkman, diese Zeitschr. 88, 97, 1918. 


102 R. Brinkman: 


[H] und eine konstante und genügend große [HCO,’] 
haben, automatisch eingestellt und fixiert, ganz wie 
die H-Ionenkonzentration. Auch für die Ca’-Ionen ist 
also im Blut ein Puffersystem vorhanden. 

Bekanntlich kommt das Calcium im Plasma in drei ver- 
schiedenen Formen vor, als bivalentes Ca-Ion, als nicht disso- 
ziiertes Ca-Salz [Са(НСО,),] und als kolloidale nicht diffusible 
Ca-Eiweißverbindung. Prozentisch kommt auf kolloidales Ca- 
Eiweiß etwa 25°/,, auf nicht-dissoziiertes Ca-Salz und freie Ca- 
Ionen etwa 75°/, des totalen Calciums. Der Gehalt an freien 
Ca-Ionen wird nach Копа und Takahashi!) bedingt durch die 
[Ca J[EHCO,’] ` 

H] ба 
für das Blutserum bedeutet das eine [Са``] уор 30 mg pro Liter. 

Es ist nun sicher, daß für die funktionelle Wirkung des 
Blutkalks die Ca-Ionen die erste Rolle spielen. Denkt man 
ja überhaupt beim Studium der Salzwirkungen in erster Linie 
an Ionenwirkungen. Bei vielen der sehr zahlreichen Unter- 
suchungen über die Calciumwirkungen ist das Ca ganz oder 
doch hauptsächlich in Ionenform anwesend gewesen. Weiter 
hat Sabattani?) für mehrere Prozesse nachgewiesen, daß die 
Wirkung verschiedener Ca-Salze ihrer Ca-Ionenkonzentration 
proportional ist. 

Für die allgemeine Theorie der biologischen Ca-Wirkungen, 
wie sie z. B. von Höber aufgestellt wurde, sind auch nur Ca- 
Ionen in Betracht gekommen. Bekanntlich wird in dieser 
Theorie den Ca-Ionen, als Antagonisten der Na- und K-Ionen, 
ein verdichtender Einfluß auf biologische Membrankolloiden 
zugeschrieben; sie sollen eine Art Membranfestigung bewirken, 
durch die die normale Zellpermeabilität, der Zusammenhalt von 
Zellverbänden, die Synapse usw. beeinflußt werden. 

Eine kräftige Bestätigung findet diese Theorie in zwei 
Tatsachen, die wir an ganz verschiedenen Objekten festgestellt 
haben, nämlich in den Einfluß der [Сә] auf die Permeabilität 
der Glomerulusmembran des Frosches für Glucose?) und auf die 


Gleichung k; k ist bei 18° im Mittel = 350; 


1) Rona und Takahashi, diese Zeitschr. 49, 370. 
2) Sabattani, Arch. Ital. de Biologie 36, fasc. 3, 39, 333. 
з) Hamburger und Brinkman, diese Zeitschr. 88, 97, 131. 


Bedeutung des Blutkalks. 103 


Hämolyse der Menschenblutkörperchen durch Hypotonie (Ver- 
suche, die noch nicht veröffentlicht sind und auf die wir hier 
nur kurz eingehen wollen). Was unsere Versuche an der Glome- 
rulusmembran betrifft, sei erinnert an folgende Sätze, die sich 
mit Deutlichkeit ergeben haben. 

1. Für die normale Impermeabilität der Glomerulusmembran 
für physiologische Glucosekonzentrationen ist bei der überlebenden 
Froschniere die Existenz von Ca’'-Ionen in der Durchströmungs- 
flüssigkeit absolut notwendig. 

2. Diese Ca Jonen müssen in ganz bestimmter Kon- 
zentration anwesend sein, die nur um einige tausendstel 
Prozent an Variation erleiden darf. Überschreitung der maxi- 
malen und minimalen Ca-Ionenkonzentration bedingt unmittelbar 
eine völlige Permeabilität der Membran für Glucose. 

3. In der Durchströmungsflüssigkeit: NaCl 0,5°/,, NaHCO, 
0,285°/,; KO 0,01°/, und CaCl, mindestens 0,02°/,, ist die Ein- 
stellung der oben geförderten [Ca] gesichert; die Konzentration 
bleibt in solcher Lösung konstant und ist von der totalen 
Konzentration des Calciums relativ unabhängig. 

Aus dieser Arbeit sieht man auch, daß nur die freien 
Ca-Ionen für die Membrankolloide von Bedeutung sind; die 
totale Ca-Menge darf innerhalb weit auseinander liegender 
Grenzen variieren, die Konzentration der freien Ca-Ionen muß 
konstant bleiben. 

Zweitens wollen wir noch einmal betonen, daß diese [Са ] 
einen ganz bestimmten Wert haben soll zur Einhaltung der 
physiologischen Membranfunktion. Diese Tatsache scheint wohl 
ein allgemeines Prinzip für die Kalkwirkung zu sein, dem man 
überall in der Literatur begegnet: Kalkmangel und Kalküber- 
schuß haben beide quantitativ abnorme und vielfach entgegen- 
gesetzte Wirkungen; es muß also eine physiologische Mittel- 
konzentration geben. 


Deutlich nun geht dieses Prinzip auch aus unsern 
Versuchen über die Hämolyse der Menschenblutkörper- 
chen durch Hypotonie hervor‘), Bekanntlich hemmt das 
Сә Jon diese Hämolyse. Soweit wir wissen, ist diese Er- 


1) Noch nicht veröffentlicht. 


104 R. Brinkman: 


scheinung nur für große Ca-Konzentrationen, nicht für physio- 
logische untersucht worden. . 

Behufs einer Arbeit über die Bestimmung der sogenannten 
Resistenz roter Blutkörperchen haben wir den Einfluß sehr 
geringer Ca’'-Ionenkonzentrationen auf die Hämolyse unter- 
sucht und sind auch hier zu dem Ergebnis gekommen, daß 
eine konstante [Са``] für die Einhaltung der normalen Disper- 
sität der Körperchenkolloide erforderlich ist. 

Die Versuche gestalteten sich in folgender Weise: 

0,080 ccm Blut aus der Fingerkuppe wurde suspendiert in 
5ccm reiner 0,9°/,iger NaCl-Lösung; nach einigen Minuten 
wurde zentrifugiert, die Flüssigkeit abgehoben und noch einmal 
NaCl 0,9°/, zur genügenden Auswaschung der Serumbestand- 
teile aufgegossen. Dann wurde wieder zentrifugiert, abgesaugt 
und die Blutkörperchen in 5 ccm NaCl 0,6°/, aufgeschwemmt. 
In der hypotonischen Lösung wurden die Körperchen immer 
eine Viertelstunde sich selbst überlassen. Durch Aufschwemmung 
derselben Körperchen in einer immer mehr hypotonischen Lösung 
wurde nun bestimmt, in welcher Lösung dieBeginnhämolyse auftrat. 

In genau derselben Weise wurde auch die Beginnhämolyse 
bestimmt in Lösungen, wo dem NaCl immer 0,005°/,, resp. 0,010, 
0,015, 0,020, 0,030°/, usw. CaCl,-6 aq. beigefügt worden war. 

Das Resultat war sehr deutlich: in NaCl-Lösungen, die 
0,015 bis 0,025°/, CaCl,-6 aq. enthalten, liegt die Beginn- 
hämolyse bei merklich schwächeren (stärker hypotonischen) 
Lösungen als in reinen NaCl-Lösungen oder in NaCl-Lösungen, 
die mehr als 0,025°/, CaCl,-6 aq. enthalten. 

Der osmotische Druck der Lösungen, die Beginnhämolyse 
herbeiführten, wurde ermittelt durch Gefrierpunkterniedrigung. 
Die folgende- Tabelle gibt ein Beispiel: 


Versuch 1. 
Beginn- 
Suspension in hämolyse bei 4 
тешек Mat, A 2 «чота SR я 0,53°/, А = — 0,315 
NaCl + 0,0059, CaCl -6 ад. . . . . . . 0,52 » A= 0,310 
» + 0,010 » Se "A Де е а 0,52» A= 0,812 
” 0,015 » па. erde 0,45 » A= 0,290 
n 0,020 » Ж ee 0,40 » A= 0,250 
” 0,022 » WO AENEA EN 0,44 n A= 0,275 
n 0,025 » P een 0,46 n A= 0,285 
n 0,030 » Sa Е en 0,53 » A= 0,817 
n -} 0,040 n De Ga E 0,53 » A= 0,320 


Bedeutung des Blutkalks. 105 


Man sieht also, daß die meist fragilen Körperchen 
ihre größte Resistenz haben, wenn in der hypotonischen 
Lösung 0,015 bis 0,025°/, CaCl, -6 aq., das ist + 0,0010 bis 
0,0015°/, freie Kationen vorkommen!). 


Auch mittels Versuchen, wo die Stärke der Hämolyse in 
den verschiedenen Lösungen nach Arrhenius?) gemessen wird, 
kommt man zu demselben Ergebnis. Ein Beispiel gibt Ver- 
such 2. 


Versuch 2. 
Aufschwemmung in Stärke der Hämolyse 
CEET уй 15%), 
H + CaCl, -6 aq. 0,005, ..... 10» 
$ Р и 0010. eräus Ce 5» 
n D 005 m ..... On 
n + n 0,020 ” sg es a 0 ” 
DH -+ n DU ei On 
А G 0095» ..... 5, 
n n 0,080 n . 2... 15 » 
H H 0,040»... .. 20» 


Diese Tabelle zeigt wieder, daß die größte Resistenz bei 
einer [Ca] von 0,0010 bis 0,0015°/, auftritt’). 

Diese Konzentration ist vermutlich dieselbe, die 
normal im Säugetierblut vorkommt oder etwas kleiner. 
Wir müssen also zu dem Schluß kommen, daß die normale [Ca] 
des Blutes eine der am meisten günstige für die Resistenz der 
Körperchen gegen Hypotonie ist. 

Wir haben weiter gefunden, daß, wie in der obengenannten 


1) Die direkte Berechnung sowie die experimentelle Bestimmung der 
Ca-Ionenkonzentration in NaCl-Lösung 0,5°/, hat uns dieses gezeigt. 

D Arrhenius und Madsen, Zeitschr. f. physikal. Chem. 1903. 

3) Man kann für einen gegebenen Fall die am meisten resistent 
machenden [Са``] wohl noch genauer feststellen, indem man, nach der 
Behandlung, wie sie in Versuch 2 dargestellt wurde, noch stärker hypo- 
tonische Lösung aufgießt und dann wieder bestimmt, welche [Са``] die opti- 
male Resistenz gibt. Dann aber bekommt man einen Wert, der mit 
jedem Tag variiert; die äußersten Grenzen sind 0,015 und 0,025 9, 
CaCl,-6 aq. Die Ursache dieser Variation muß in dem Älterungsprozeß 
der Körperchen gesucht werden. Auf die Bedeutung dieser Tatsachen 
für die Aufstellung einer rationellen Methode für die Resistenzbestimmung 
werden wir in einer ausführlichen Arbeit zurückkommen. 


106 R. Brinkman: 


Durchströmungsflüssigkeit für die Froschniere, in der Lösung: 
NaCl 0,5°/,, NaHCO, 0,29°/,, KC10,02°/,, CaCl, - 6 aq. mindestens 
0,020°/,, diese optimale [Са ]innerhalb gewisser Grenzen 
fixiert ist. Sowohl die experimentelle Bestimmung der Hämo- 
lyse durch Hypotonie, wie die direkte Bestimmung der [Са `] in 
dieser Lösung (mittels einer später zu veröffentlichenden Methode) 
hat uns dies gezeigt. Auch im Blute muß diese Ca -Ionen- 
[Ca ][HCO,/] 

[H] 
und innerhalb gewisser Grenzen unabhängig von der Konzen-. 
tration des totalen Calciums. ' z 

Es ist direkt einleuchtend, wie zutreffend es ist, 
daß die [Ca], die für die Einhaltung der normalen 
Dispersität der Biokolloide ebenso belangreich wie die 
[H] ist, im Blute auch in analoger Weise konstant ge- 
halten wird. 

Es ist deshalb unsere Meinung, daß man sich bei Experi- 
menten über die Rolle des Blutkalks in erster Linie die Frage 
vorzulegen hat: Wie groß ist die Konzentration der freien 
Ca-Ionen und in welcher Weise ändert sich diese durch 
die experimentelle Behandlung? Bei den subcutanen oder 
intravenösen Injektionen von Ca-Salzen, sowie bei deren oraler 
oder rektaler Einverleibung oder auch bei Inhalation von Ca- 
Salzen, wie es іп den Experimenten von Heubner und Копа!) 
geschah, müssen wir unbedingt wissen, wie die Konzentration 
der freien Ca-Ionen hierdurch verändert worden ist; ohne 
diese Kenntnis ist es unseres Erachtens nicht mög- 
lich, die Wirkung des Blutkalks zu beurteilen. 

Es ist z. B. unwahrscheinlich, daß eine langsame und nicht 
zu große Steigerung des Blutkalks überhaupt eine Vergrößerung 
des freien [Ca’'] bewirken wird. Man darf hier also auch keine 
[Ca ]-Wirkung erwarten. Bei schneller Steigerung des Blut- 
kalks kommt eine Ca-Ionenkonzentrationsvermehrung zustande, 
die einige Zeit anhält, aber dann wieder auf die Norm zurück- 
geht; die Ursache dieser Erscheinung ist, daß für die Ein- 


stellung des Gleichgewichtes = k einige Zeit nötig 


konzentration nach der Gleichung = k fixiert sein, 


1) Heubner und Rona, Le 


Bedeutung des Blutkalks. 107 


ist. Wir haben dieses durch direkte experimentelle Bestimmung 
der freien [Ca] festgestellt; die gebrauchte Methode hoffen wir 
später zu publizieren. 

Andererseits aber kann, durch Variation der HCO,’-Kon- 
zentration die freie [Са``] erheblich schwanken, ohne daß die 
totale Kalkmenge eine Änderung zeigt. Ein Konstantbleiben des 
Blutkalks kann daher noch nicht ein Konstantbleiben des funk- 
tionell bedeutenden Ca-Ionen einschließen. Erst die Bestim- 
mung des freien [Са `] des Serums wird uns über die 
Kalkwirkungen Aufschluß geben können, nicht aber 
die Messung der totalen Ca-Menge, wie sie von Heubner 
und Rona ausgeführt wurde. 


Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 


Von 
Walther Armbrecht. 


(Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Institutes der 
Wiener Universität.) 


(Eingegangen am 8. April 1919.) 


Eines der dunkelsten Kapitel der Kohlenhydratchemie ist 
die Chemie der Chitose. Trotz zahlreicher Arbeiten auf diesem 
Gebiet ist es bisher nicht gelungen, den Zucker krystallisiert 


zu erhalten. 

Die Entstehung der Chitose wurde zuerst von M. Berthelot!) 
und G. Staedeler*) bei der Einwirkung von Mineralsäuren auf Chitin 
beobachtet. Nach Ledderhose?) entsteht bei der Einwirkung der Säure 
als primäres Produkt Glucosamin, das erst sekundär in Ammoniak und 
Chitose zerlegt wird. Beide Reaktionen können nach Sundwick‘) an- 
geblich auch nebeneinander verlaufen, indem Chitin gleichzeitig in Glucos- 
amin und Chitose zerfällt. 

Nach Kruckenberg) wird Chitin auch durch Oxydationsmittel 
(Kaliumpermanganat, Natriumhypochlorit) zur Chitose abgebaut. 

Die konstitutionelle Verknüpfung der Chitose mit Chitin 
und Gluücosamin ist bisher nicht vollständig aufgeklärt. Die Chitose 
kann zwar als unmittelbares Spaltungsprodukt der erwähnten Körper 
entstanden sein. Nach E. Fischer und H. Leuchs®) kann Chitose aus 
dem Glucosamin erst infolge einer tiefergehenden, bisher nicht endgültig 
klargestellten Umlagerung hervorgehen. 


1) M. Berthelot, Compt. rend. 47, 227, 1858. 

1) G. Staedeler, Annal. d. Chem. 111, 21, 1859. 

з) G. Ledderhose, Zeitschr. f. physiol. Chem. 2, 213; 4, 139, 1878. 

*) E. Sundwick, Zeitschr. f. physiol. Chem. 5, 384, 1881. 

5) Fr. W.Kruckenberg, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 19, 880, 1886. 

% Е. Fischer und Н. Leuchs, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 35, 
3790, 1902. 


W. Armbrecht: Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 109 


Die Darstellung der Chitose geschah bisher auf folgende Weise: 

Ledderhose!), F. Tiemann‘®), Kueny?°) und Irvinet) brachten 
Glucosamin mit Kalium-, Natrium-, Barium- oder Silbernitrit in der 
Wärme in Reaktion. Sie erhielten auf diese Weise einen farblosen, 
nicht gärungsfähigen, rechtsdrehenden Zuckersirup, der in absolutem 
Alkohol leicht löslich, durch Äther in amorphen weißen Flocken fällbar 
war. Freilich blieb es ganz unsicher, ob dieser Zucker ein chemisch 
einheitliches Produkt darstellt. E. Fischer und Leuchs?°) führten die 
Bildung des Zuckers erst auf eine sekundäre Reaktion zurück. Diesen 
Zuckersirup haben auch E. Fischer und E. Tiemann‘) durch Ein- 
wirkung von Silbernitrit auf Glucosamin erhalten. 

Auch sie konnten reine Chitose nicht gewinnen, erhielten aber 
durch Kochen des Sirups mit Phenylhydrazin eine geringe Menge von 
Glucosazon”?). Nach diesem Befunde muß mit dem Reaktionsprodukte 
eine stereochemische Umlagerung vor sich gegangen sein. Auch Neu- 
berg?) gelang es nicht, ausgehend von Chitosehydrazonen zu krystalli- 
sierter Chitose zu gelangen. 

Angesichts dieser spärlichen Literaturangaben kann es nicht 
wundernehmen, daß bisher nicht einmal die Formel der Chitose 
mit Sicherheit festgestellt ist. Denn eine solche konnte bis- 
her nicht durch Analyse der Chitose erhalten werden, da ana- 
lysenfähige Chitose nicht gewonnen werden konnte; sie mußte 
vielmehr aus der Zusammensetzung von Derivaten erschlossen 
werden. Neuberg?), der einen nahen Zusammenhang von 
Chitose mit d-Ribose vermutet, hält die Zusammensetzung 
C,H,,0, für richtig; dagegen schreiben Е. Fischer und 
Andreae!®) der Chitose eine um ein Molekül Wasser ärmere 
Formel zu, nämlich C,H,,O, und halten dieselben für ein 
Derivat eines hydrierten Furans: 


CH,OH—CH—CH(OH)—CH(OH—CH—CHO 
| О 1 3 


1) Ledderhose, a. a. О. 

2) F. Tiemann, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 17, 241, 1884. 

3) Kueny, Zeitschr. f. physiol. Chem. 14, 330, 1889. 

4) J. C. Irvine, Journ. chem. Soc. 95, 564, 1909. 

5) E. Fischer und H. Leuchs, a. а. О. 

б) E. Fischer und E. Tiemann, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 27, 
138, 1894. 

7) F. Tiemann, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 19, 50, 1886. 

в) C. Neuberg, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, 4009, 1902. 

°) C. Neuberg, a. а. О. 

10) E. Fischer und E. Andrese, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 36, 
2589, 1903. 


110 W. Armbrecht: 


Mit dieser Annahme steht eine Beobachtung aus dem 
Laboratorium C. Neubergs!) im Einklang, derzufolge (im 
Gegensatz zum Glucosamin) das desaminierte Produkt, die 
Chitose, durch Salzsäure leicht in Lävulinsäure übergeführt 
werden kann. 


Bei der Unsicherheit, die demgemäß über das Wesen der 
Chitose in der Literatur herrscht, erscheint es als eine ver- 
lockende Aufgabe, die Versuche zum Studium dieser Substanz 
wieder aufzunehmen. 


Es möge mir gestattet sein, über einige Versuche, die ich 
in den Jahren 1913 und 1914 auf Veranlassung von Prof. 
v. Fürth in dieser Richtung ausgeführt habe und deren Fort- 
setzung durch den Kriegsausbruch und meine Einrückung zur 
militärischen Dienstleistung bisher verhindert worden ist, als 
Beitrag zum Studium dieser merkwürdigen Substanz im folgen- 
den zu berichten. __ 


> I. Darstellung des Ausgangsmaterials. 


Als Ausgangsmaterial dienten mir Crustaceenpanzer 
(von Nephrops norvegicus herrührend), die ich, dank dem 
liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Prof. Dr. Carl 
Cori, Direktor der k. k. zoologischen Anstalt in Triest, in ge- 
nügender Menge erhalten konnte. 


Die Verarbeitung der Panzer geschah in ähnlicher Weise wie bei 
Offer?) und Lenk’). Die Krebspanzer wurden mit roher Salzsäure 
behandelt, bis keine Entwicklung von Kohlensäure mehr bemerkbar 
und die Entkalkung der Schalen vor sich gegangen war. Die Anwendung 
von roher (gegenüber reiner verdünnter) Salzsäure erscheint insofern 
zweckmäßig, als auf diese Weise der Zusammenhang der Stücke ge- 
lockert wird. Dann wurden die Stücke іп fließendem Wasser mehrere 
Stunden gewaschen. Nun wurde zur Entfernung der Proteine mit Lauge 
ausgekocht und wieder gründlich gewaschen. Auf diese Weise konnte 
ohne Anwendung von Bleichmitteln vollständig farbloses Chitin erhalten 
werden, während nach dem bisherigen Vorgange erst Entfärbungsmittel 
(Permanganat, Bisulfit u. dgl.) angewendet werden mußten. 

Das so erhaltene Chitin wurde dann nach den Angaben 


1) H. Hamburger, diese Zeitschr. 36, 3, 1911. 
2) Offer, diese Zeitschr. 7, 117, 1907. 
3) E. Lenk, diese Zeitschr. 23. 50, 1909. 


Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 111 


von у. Fürth und Russo!) in Chitosan übergeführt: Das 
grob zerkleinerte Chitin wurde mit der fünffachen Menge,Ätz- 
kalis und etwas Wasser in einer Silberschale im Ölbade auf 
180° erhitzt und eine halbe Stunde unter öfterem Umrühren 
auf dieser Temperatur (Thermometer im Ölbade) erhalten. Die 
erkaltete Schmelze wurde dann mehrmals mit Wasser zur 
Entfernung des überschüssigen Ätzkalis gründlich gewaschen. 
Die Entfernung des Ätzkalis mit Wasser geht bedeutend 
schneller und erscheint zweckmäßiger als die Behandlung mit 
Alkohol am Rückflußkühler, wie sie früher üblich war. Das 
erhaltene freie Chitosan zeigt noch vollständig die Struktur 
des Ausgangsmaterials. Dieses wurde nun in verdünnter Essig- 
säure gelöst, evtl. ein ungelöster Rückstand durch Glaswolle ab- 
getrennt und das Filtrat durch Alkalizusatz als gallertartige 
Masse ausgefällt. Diese wurde auf einen gehärteten Filter ge- 
sammelt und bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion 
mit Wasser gewaschen. 

Für die weiteren Untersuchungen war unter den krystalli- 
sierten Chitosanverbindungen das Chitosanchlorhydrat wegen 
seiner Löslichkeit in heißem Wasser am zweckdienlichsten. Zu 
diesem Zwecke wurde dieses nach den Angaben von v. Fürth 
und Russo hergestellt. Die gallertartige Chitosanmasse wurde 
in verdünnter Salzsäure in Lösung gebracht und dann so lange 
konzentrierte Salzsäure zugesetzt, bis keine Fällung mehr ein- 
trat. Es wurde nun bis zur vollständigen Lösung erwärmt 
und dann ganz langsam abkühlen gelassen, wobei sich das 
Chitosanchlorhydrat in wohlausgebildeten mikroskopischen Kry- 
stallen abschied. 

Die krystallisierte Masse wurde dann filtriert, mehrmals 
aus heißem Wasser umkrystallisiert, erst mit Wasser bis zum 
Verschwinden der Chlorreaktion, dann mit Alkohol, schließlich 
mit Äther gewaschen und endlich über Schwefelsäure im 
Vakuum getrocknet. Auf diese Weise erhielt ich dieselben 
sehr charakteristischen Krystalle, wie sie v. Fürth und Russo 
seinerzeit erhalten hatten, und gelang es mir, ohne Anwendung 
von Entfärbungsmitteln immer rein weißes Chitosanchlorhydrat 
darzustellen. 


А 1) O.v.Fürth und M. Russo, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 
1906, 163. 


112 W. Armbrecht: 


П. Einwirkung von salpetriger Säure auf Chitosan. 


Bei diesen Versuchen wurde krystallisiertes Chitosanchlor- 
hydrat, welches in der oben angegebenen Weise dargestellt 
worden war, in Wasser in der Wärme gelöst, aus der Lösung 
das freie Chitosan mit Natronlauge gefällt, filtriert und mit 
Wasser bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion ge- 
waschen. Die gallertartige Masse wurde im Wasser suspendiert 
und auf diese Suspension salpetrige Säure einwirken gelassen. 
Aus praktischen Gründen, um nämlich nicht unnötigerweise 
anorganische Bestandteile beizumengen, wurde salpetrige Säure 
nicht in Form von festem Nitrit oder von Nitritlösung unter 
Zusatz von Säure angewendet, sondern im gasförmigen Zu- 
stande eingeleitet. Zu diesem Zweck wurde in einem kleinen 
Gasentwicklungsapparat aus arseniger Säure und konzentrierter 
Salpetersäure vom spezifischen Gewicht 1,3 durch schwaches 
Erwärmen salpetrige Säure dargestellt. Während des Ein- 
leitens ging die gallertartige Masse unter Stickstoffentwicklung 
vollständig in Lösung. Das Einleiten wurde so lange fort- 
gesetzt, bis keine Gasentwicklung mehr wahrnehmbar war. Ein 
etwaiger Überschuß an salpetriger Säure wurde durch einen 
kräftigen Luftstrom oder Erwärmen auf dem Wasserbade voll- 
ständig vertrieben, bis keine Reaktion mit «-Naphtylamin und 
Sulfanilsäure mehr eintrat. 

Schon der Umstand, daß alles in Lösung gegangen war, 
läßt darauf schließen, daß kein unverändertes Chitosan mehr 
vorhanden ist. Die erhaltene wäßrige Lösung zeigt folgende 
Reaktionen: 

1. Durch Natronlauge tritt keine Fällung mehr ein (es ist also 
kein unverändertes Chitosan mehr in der Lösung). 

2. Mit Natronlauge erwärmt, färbt sich die Lösung gelb, 
schließlich braun (Verharzung). 

3. Durch Alkohol tritt keine Fällung ein, wohl aber ist das 
Reaktionsprodukt aus der alkoholischen Lösung durch Äther fällbar. 
Da es aber sehr hygroskopisch ist, läßt es sich auf diese Weise nicht 
isolieren. 

4. Die wäßrige Lösung reduziert stark Fehlingsche Kupfer- 
lösung. 

5. Ammoniakalische Silberlösung wird unter Bildung eines 
Silberspiegels reduziert. 

6. Jodlösung tropfenweise zugesetzt, wird entfärbt. 


Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 113 


7. Beim Schütteln mit Benzoylchlorid in alkalischer Lösung 
erhält man ein Additionsprodukt. 

8. Resorcin bei Gegenwart von konzentrierter Salzsäure ruft 
rotbraune Färbung hervor (Schaum purpurrot); beim Kochen tritt eine 
satte rote Färbung ein. 

9. Gärungsversuche ergaben, daß der Zucker nicht gärungs- 
fähig ist. 

10. Da die Lösung immer Salpetersäure enthält, ist es nicht ohne 
weiteres möglich, durch qualitative Prüfung auf Stickstoff die Voll- 
ständigkeit der Reaktion in bezug auf Elimination von Stickstoff zu kon- 
statieren. Es sei auf die in desem Laboratorium ausgeführten Unter- 
suchungen von H. Brach!) verwiesen, aus denen hervorgeht, daß der 
ganze Stickstoff des Chitins und Chitosans durch Einwirkung von salpetri- 
ger Säure abgespalten wird. 

Diese Reaktionen weisen darauf hin, daß die wäßrigen 
Lösungen eine oder mehrere Zuckerarten enthielten. Es wurde 
nun versucht, den Zucker näher zu ckarakterisieren. 

Da die Lösung beim Eindunsten einen nicht krystallisie- 
renden Sirup hinterließ, wurde die Gewinnung eines krystalli- 
sablen Derivates versucht. 


III. Darstellung eines krystallisierten Osazons. 


Zu diesem Zwecke wurde Phenylhydrazin [und zwar nach 
E. Fischer?) ein Gemenge von salzsaurem Phenylhydrazin 
und Natriumacetat] in neutraler Lösung einwirken gelassen. 
Als die Lösung auf dem Wasserbad anhaltend erwärmt wurde, 
schied sich beim Erkalten ein rotgelbes Produkt ab. Nach 
Abtrennung desselben wurde bei neuerlichem Erwärmen und 
darauffolgendem Erkalten immer wieder, eine derartige Ab- 
scheidung erhalten. Diese ließ sich aus 60°/, Alkohol unter 
Zuhilfenahme von Tierkohle umkrystallisieren. Durch sehr 
oftmaliges Umkrystallisieren und Auswaschen mit Äther, wo- 
durch eine rotgelbe Verunreinigung entfernt wurde, konnte das 
Reaktionsprodukt in schönen gelben Nadeln krystallisierend er- 
halten werden. Der Schmelzpunkt wurde durch schnelles Er- 
hitzen in einem Schmelzpunktapparat nach Thiele schließlich 
bei 202° (unter Gasentwicklung) konstant gefunden. Dieses 
Präparat, das bei 110° getrocknet worden war, wurde zur Ana- 
lyse verwendet. 


1) H. Brach, diese Zeitschr. 38, 468, 1912. 


2) E. Fischer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 77, 1908. 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 8 


114 W. Armbrecht: 


Die Analyse des Osazons ergab folgende Werte: 
0,1545 g 0,0880 g H,O 6,37%, H 

0,3405 g CO, 60,11°/, C 

0,1622 g 0,0900 g H,O 6,21°/, H 

0,3582 g СО, 60,28°„С 

0,1676 g 0,0933 g H,O 6,23%, Н 

0,3723 g CO, 60,580/, С 


Die Analysen von C und H ergaben im Mittel für: 
С 60,309], 
Н 6,270). 


Die Bestimmung des Stickstoffs ergab, nach Dumas ausgeführt, 
folgende Werte: 
0,1465 g Substanz bei 751 b 20° 20,5 cem 16,11%, 
0,0491 g n » 750b 22° 70 » 16,17%, N 


Die Bestimmung ergab im Mittelwert . . 16,17°%/, N. 
Berechnet für С,.Н,„0,М№,: 
Gef. С 60,809), С = 60,33°/, 
» Н 6,27%, == 6,15% 
» N 16,17% N = 15,649, 
О = 67,889/, 
100,00 9/,. 


Auf Grund der Analyse scheint ein Hexosazon vorzuliegen. 
Zur genaueren Identifizierung des Osazons wurde die optische 
Aktivität desselben geprüft. Eine Lösung von der Hellig- 
keit, wie sie notwendig ist, um 0,2g in 4ccm Pyridin und 
6 ccm absolutem Alkohol bei Auerlicht nach den Angaben von 
Neuberg!) polarisieren zu können, war trotz wiederholtem 
Umkrystallisierens in unserem Fall nicht erhältlich. Wohl aber 
gelang es, bei elektrischem Bogenlicht die Drehung zu bestim- 
men. Es wurden 0,2 g in der Wärme gelöst. Es ergab sich 
so in mehreren Bestimmungen übereinstimmend 
0,2 g in 4 cem Pyridin und 6 ccm absolutem Alkohol 
— 1° 12°. 


Das Pyridin war vor dem Gebrauch nach den Angaben 
von Neuberg!) über Kali rektifiziert worden. 

Zum Vergleich wurde das Osazon der Glucose dargestellt und in 
derselben Konzentration und bei derselben Beleuchtung auf sein Drehungs- 
vermögen untersucht. Dabei wurde für 0,2 g in 4 com Pyridin und 


1) C. Neuberg, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 32, 3389, 1899. 


Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 115 


6 ccm absolutem Alkohol eine Drehung der Polarisationsebene von 
— 1,509 erhalten!). 

Schon dieser Unterschied im Drehungsvermögen der beiden Osazone 
spricht dafür, daß sie miteinander nicht identisch sind. Außer dem ab- 
weichenden Wert für die Drehung spricht noch folgender Umstand da- 
für, daß das erhaltene Osazon nicht Glucosazon ist. Während sich näm- 
lich von Glucosazon 0,2 g oder evtl. noch mehr schon in der Kälte in 
4 rem Pyridin und 6 eem absolutem Alkohol leicht lösen, ist die Lös- 
lichkeit des von mir erhaltenen Osazons in der Kälte in diesem 
Lösungsmittel sehr gering, und es ist Erwärmung notwendig, um die 
Substanz überhaupt in Lösung zu bringen. Ferner läßt sich Glucosazon 
auch in absolutem Alkohol [0,2 g in 10 eem? polarisieren, während das 
von mir hergestellte Osazon in diesem Lösungsmittel selbst in der Hitze 
unlöslich ist. Auch läßt sich Glucosazon, und zwar 0,1 g in 12 ccm Eis- 
essig®) gelöst, polarisieren, in welchem Lösungsmittel das von mir her- 
gestellte Osazon ebenfalls unlöslich ist. 

Angesichts dieser Befunde mußte es als wünschenswert er- 
scheinen, die Angaben Tiemanns‘) über das aus Glucosamin- 


chlorhydrat erhältliche Osazon zu überprüfen. 


Darstellung eines Osazons, ausgehend vom Glucos- 
aminchlorhydrat. 


Glucosaminchlorhydrat wurde aus Chitosan-Chlor- 
hydrat durch Erhitzen mit konz. Salzsäure unter Beigabe von 
Zinnchlorür zur Vermeidung der Huminbildung bis zur be- 
ginnenden Krystallisation eingedampft. Das Produkt wurde aus 
heißem Wasser mehrmals umkrystallisiertt. Die Ausbeute an 
ganz reinem Präparat betrug aus 50 g Chitosanchlorhydrat 
12 g Glucosaminchlorhydrat. Nachdem zur Sicherheit noch 
quantitative Stickstoffbestimmungen (gef. 6,63°/,, 6,94°/,, ber. 
6,5°/,) gemacht worden waren, wurde auf die wäßrige Lösung 
des Glucosaminchlorhydrats salpetrige Säure wie bei den 
früheren Versuchen einwirken gelassen. Die erhaltene Lösung 
gab dieselben Reaktionen wie die Lösung, die ausgehend von 
Chitosanchlorhydrat erhalten worden war. 

Die Lösung, die nach dem Einleiten von salpetriger 


1) C. Neuberg (a. а. O.) hat unter ähnlichen Bedingungen — 1,809 
beobachtet. 
2) Н. Ost, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 28, 1503, 1895. 
3) E. Fischer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27, 2478, 1894. 
4) Е. Tiemann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 19, 118ff., 1886. 
8* 


116 W. Armbrecht: 


Säure erhalten und von deren Überschuß befreit worden war, 
wurde genau neutralisiert und mit Phenylhydrazinchlorhydrat 
und Natriumacetat behandelt. Durch Erwärmen auf dem Wasser- 
bade wurde ebenfalls ein rotgelbes Produkt erhalten, das nach 
oftmaligem Umkrystallisieren aus 60°/, Alkohol, Pyridinalkohol 
und Waschen mit Äther in schönen, zu Büscheln vereinigten 
gelben Nadeln erhalten wurde. F.P. bei 202°. 


Die Polarisation des erhaltenen Osazons wurde ebenfalls 
bei elektrischem Bogenlicht ausgeführt; dabei ergaben sich 
folgende Werte: 

— 1,19° 
— 1,20°. 

Nach der Drehung der Polarisationsebene zu schließen, 
ist also das Hexosazon aus Chitosan vollständig identisch mit 
dem ausgehend von Glucosamin erhaltenen Osazon. Für diese 
Vermutung spricht auch die Löslichkeit der beiden (Oe zone, 
die vollständig gleich und von der des Osazons der Glucose 
verschieden ist. Denn die beiden Osazone sind in Pyridin- 
Alkohol nur schwer, in der Kälte überhaupt nicht, sondern erst 
beim Erwärmen löslich, wobei es aber nicht möglich ist, hell- 
gefärbte Lösungen zu erhalten. In absolutem Alkohol sind 
beide Osazone gar nicht löslich, während Glucosazon in beiden 
Lösungsmitteln sich leicht löst. Abweichend von F. Tiemann’) 
konnte ich also die Bildung уоп Glucosazon nicht feststellen; 
es dürfte vielmehr das bisher nicht bekannte Osazon der 
Chitose vorliegen. к 


0,2g in 4ccm Pyridin und 6ccm abs. Alkohol d 


Wenn man die beiden Osazone, das aus Chitosan und das 
aus Glucosamin erhaltene Osazon mischt, schmilzt die Mischung 
wieder bei 202°. Mischt man hingegen die erhaltenen Osazone 
mit Glucosazon, so zeigt sich eine Depression des Schmelz- 
punktes. Auch dieser Umstand spricht dafür, daß die aus 
Chitosan und Glucosamin erhaltenen Osazone miteinander iden- 
tisch sind und beide vom Glucosazon verschieden. 

Die Resultate meiner Befunde über die aus Chitosan und 
Glucosamin erhältlichen Osazone lassen sich dahin zusammen- 
fassen, daß beide Wege zu ein und demselben vom Glucosazon 


1) Е. Tiemann, а. а. О. 


Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 117 


durch Löslichkeit, Drehung und Schmelzpunkt!) deutlich ver- 
schiedenen Osazon führen, welches wahrscheinlich das noch 
unbekannte Chitoseosazon darstellen dürfte. 

Versuche mit Nitrophenylhydrazin, Methylphenylhydrazin, 
Bromphenylhydrazin und Thiosemicarbacid aus der Zucker- 
lösung krystallisierte Produkte zu erhalten, blieben resultatlos. 


IV. Über die Zuckerausbeuten bei der Einwirkung von 
salpetriger Säure”auf Chitosan. 


Was die Ausbeuten bei meiner Arbeit betreffen, habe ich aus 
60 g Chitosanchlorhydrat 15 g Zucker (nach Bertrand ermittelt) ` 
erhalten. Diese 15 р Zucker lieferten 2?/, g reinen ÖOsazons. 
Angesichts der schlechten Ausbeuten erschien es aussichtslos, 
auf dem Wege über das Oson weiter zu krystallisierenden Ver- 
bindungen zu gelangen. Andererseits hielt ich es für geboten, 
über den nicht krystallisierenden Rest Aufschluß zu erlangen. 
Dies geschah in der Weise, daß quantitative Zuckerbestimmungen 
nach Bertrand und quantitative Bestimmungen der Trocken- 
substanz ausgeführt wurden. 

Zu diesen Bestimmungen wurden jedesmal 5 g Ausgangs- 
material, und zwar einmal 5 р Chitosansulfat, die anderen Male 
5g Chitosanchlorhydrat angewendet. Aus diesen Mengen wurde 
das freie Chitosan gefällt, alkalifrei gewaschen und in der oben 
geschilderten Weise mit salpetriger Säure behandelt. Die er- 
haltene Lösung wurde auf 100 ccm aufgefüllt und in aliquoten 
Mengen einerseits der Zuckergehalt, andererseits die Trocken- 
substanz ermittelt. 


Trockensubstanz Zucker 
gef. ber. 
5 č Chitosansulfat lieferten . . . . . 1,49 g 1,45 g 3,00 g 
5g Chitosanchlorhydrat lieferten . . . 1,61 g 1,88 g 3,70g 
5 g n n č.o 1 ‚48 g 1 ‚26 g 


Es zeigt sich also, daß die Bestimmungen des Zuckers 
nach Bertrand annähernd dieselben Werte lieferten wie die 
Bestimmungen der Trockensubstanz, und daß nach beiden Arten 
von Bestimmungen sich eine konstante Differenz gegenüber 





1) Der Schmelzpunkt des Glucosephenylosazons wird von C. Neu-: 
berg (Handbuch d. Biochem., herausg. von Oppenheimer 1, 169) mit 
210° angegeben. 


118 W. Armbrecht: 


den auf Grund der theoretischen Berechnung nach der Chitosan- 
formel von Brach!) zu erwartenden Werten ergibt. 

Auch bei Berücksichtigung der Abspaltung der im Chitosan- 
molekül enthaltenen Essigsäure müßte sonach eine erheblich 
größere Zuckermenge resultieren als sich auf Grund de? leidlich 
miteinander übereinstimmenden Zucker- und Trockensubstanz- 
bestimmungen tatsächlich ergibt. Es läßt dies wohl kaum eine 
andere Deutung zu, als daß bei der Einwirkung von salpetriger 
Säure auf Chitosan flüchtig® Produkte in nicht unbeträcht- 
licher Menge entstehen. r 

Damit ist aber auch schon gesagt, daß es sich dabei 
nicht etwa um einen einfachen Austausch von Amino- 
gruppen gegen Hydroxyle handeln könne, daß viel- 
mehr kompliziertere Spaltungsvorgänge unbekannter 
Art dabei eine Rolle spielen. Man wird gut tun, sich 
dabei zu vergegenwärtigen, daß ein Teil der salpetrigen Säure 
in der Reaktionsflüssigkeit stets in Salpetersäure übergeht, die 
wohl ihrerseits einzugreifen vermag. 

Schon dem Gesagten zufolge wird man schwerlich erwarten 
können, in dem Chitosesirup einen einzigen und chemisch ein- 
heitlichen Zucker vorzufinden. Ich habe es versucht, mir über 
diesen Punkt dadurch Klarheit zu verschaffen, daß ich feststellte, 
ob die Relation zwischen Reduktionsvermögen und optischem 
Drehungsvermögen bei Chitosesirupen verschiedener Provenienz 
eine konstante sei oder nicht. Und ich fand tatsächlich in 
einer Reihe von Versuchen, daß von einer Konstanz dieser Art 
keine Rede sei, vielmehr differieren die sich in verschiedenen 
Versuchen ergebenden Verhältniswerte innerhalb weiter Grenzen. 

Wir haben daher allen Grund, die chemische Einheitlichkeit 
des sich bei Einwirkung von salpetriger Säure auf Chitosan bzw. 
auf Glucosamin ergebenden reduzierenden Reaktionsproduktes, 
des sog. „Chitosesirup“, zu bezweifeln. Damit finden wohl auch 
die schlechten Ausbeuten an Osazon eine Erklärung, und wir 
werden wohl gut tun, die Bezeichnung „Chitose“ für jenen 
Bestandteil dieses Gemenges zu reservieren, der befähigt ist, 
sich mit Phenylhydrazin zu einem wohlcharakterisierten Produkte 
zu vereinigen. 


1) Brach, а.а. О. 


Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 119 


V. Oxydation des Chitosesirups. 


Um über die Natur des durch Einleiten von salpetriger 
Säure in eine Suspension von freiem Chitosan erhaltenen Zucker- 
gemenges nähere Aufklärung zu erhalten, wurden Oxydations- 


versuche angestellt. 

Oxydationsversuche mit der hypothetischen Chitose wurden schon 
von verschiedenen Forschern unternommen. E. Fischer und Tiemann!) 
oxydierten Chitoselösung mit Brom. Sie stellten ein Caleciumsalz der er- 
haltenen Säure dar, das sie mit der entsprechenden Menge Oxalsäure 
zerlegten. Durch Einengen der erhaltenen Lösung glaubten sie auf diese 
Weise zunächst ein Gemisch von freier Chitonsäure (einer anscheinend 
der Chitose entsprechenden Aldonsäure) und ihres Lactones erhalten zu 
haben; letzteres ließ sich aber durch Natriumamalgam nicht zu Chitose 
reduzieren und ergab bei der Oxydation mit Salpetersäure Oxalsäure 
und Isozuckersäure. Bomen? führte die Oxydation mit Jod in borax- 
haltiger Lösung aus und glaubt ebenfalls Chitonsäure erhalten zu haben. 
E. Fischer und Andreae?) setzten die Untersuchungen des Calcium- 
salzes fort und fanden, daß dieses nach 10 stündigem Stehen bei 140° 
über Phosphorsäureanhydrid bei 10 mm Druck noch Wasser verliert, 
wonach die Chitonsäure nicht die Formel GH... sondern C,H,,C, hätte. 
Da an der Anhydridbildung die Carboxylgruppe nicht beteiligt ist, wäre 
die Chitonsäure als ein Derivat eines Hydrofurans aufzufassen. Diese 
Vermutung konnten die beiden Forscher auch beweisen, indem sie das 
Kaliumsalz mit Essigsäureanhydrid und Natriumacetat kochten und 
so aus dem Reaktionsgemisch das Acetat der Oxymethylbrenzschleim- 


CH—CH 
säure | l erhielten. 
HO.H,C.CH соон 
N 


Bei der Oxydation der Chitose mit Salpetersäure erhielt Tiemann‘) 
Isozuckersäure. Zu diesen Versuchen verwendet Tiemann Glucosamin- 
chlorhydrat, das er aus Chitin dargestellt hatte, konnte aber bei der 
Oxydation kein einheitliches Calciumsalz erhalten, sondern ein Gemisch 
von isozuckersaurem und norisozuckersaurem Calciumsalz, welch letzteres 
um ein Molekül Wasser mehr enthält als ersteres. Anscheinend leiten 
sich die Salze mit Krystallwasser von der Norisozuckersäure, die Salze 
ohne Krystallwasser von der Isozuckersäure ab. E. Fischer und An- 








1) E. Fischer und Tiemann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27, 
138, 1894. 

2) Кошуп, Zeitschr. f. anal. Chem. 36, 350. 

3) E. Fischer und Andrese, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 86, 
2587, 1903. 

1) F. Tiemann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27, 118, 1894. 


120 W. Armbrecht: 


dreae!) teilen die Ansicht Tiemanns, derzufolge die Isozuckersäure 
ein Hydrofuranderivat sei, glauben jedoch nicht, daß eine Norisozucker- 
säure als wohldefinierte Verbindung existiere. Nach Tiemann bilden 
die Salze der Isozuckersäure krystallisierte Produkte, während die Salze 
der Norisozuckersäure zerfließliche Produkte liefern, die bei 100° in die 
um 1 Molekül Wasser ärmeren isozuckersauren Salze übergehen. Eine 
vollständige Klarheit in bezug auf diese Ergebnisse ist bisher noch nicht 
erlangt worden, was ja dem Obengesagten zufolge um so verständlicher 
erscheint, als die chemische Einheitlichkeit der Chitose nicht gewähr- 
leistet ist. 

Freies Chitosan wurde in der eingangs geschilderten Weise 
mit salpetriger Säure behandelt. Die Zuckerbestimmung nach 
Bertrand ergab 20 g Zucker. Nach Zusatz von 62 ccm Sal- 
petersäure vom spez. Gewicht 1,2 wurde auf dem Wasserbade 
eingedampft, bis rotbraune Dämpfe entwichen. Jetzt wurden 
noch 30 ccm Salpetersäure zugesetzt; es wurde bis zum Sirup 
eingedampft, hierauf in Wasser aufgenommen und die saure 
Lösung mit Kalk auf dem Wasserbade neutralisiert. Der Über- 
schuß von Kalk wurde durch Kohlensäure unter fortwährendem 
Erwärmen auf dem Wasserbade entfernt, abgesaugt und das 
Filtrat eingedampft. Nun wurde im Wasser aufgenommen und 
mit Alkohol versetzt. Dabei fiel ein anfangs weiches, bei einigem 
Stehen körnig werdendes Calciumsalz aus. Das Fällen mit 
Alkohol wurde deshalb ausgeführt, weil das Calciumsalz sehr 
zu übersättigten Lösungen neigt und der anhaftende Firnis 
nur sehr schwer erstarrt. Außerdem findet gleichzeitig beim 
Wiederholen der Alkoholfällung eine Abtrennung etwa bei- 
gemengter Spuren von Calciumnitrat statt, das in Alkohol löslich 
ist, während das erhaltene Calciumsalz in Alkohol unlöslich ist. 
Auf diese Weise wurden 7 g eines Calciumsalzes erhalten. Da 
das Calciumsalz schwer krystallisierbar war, wurde daran ge- 
gangen, ein krystallisiertes Derivat desselben zu erhalten. Das 
Calciumsalz wurde in Wasser gelöst und "/,„-Schwefelsäure 
zugesetzt, bis die Lösung eben anfing, Kongopapier zu bläuen. 
Nachdem auf diese Weise die Säure in Freiheit gesetzt und 
andererseits das Calcium in Gips übergeführt worden war, wurde 
unter Erwärmen Cinchonin?) bis zur Sättigung zugesetzt. 

1) E. Fischer und F. Andreae, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 86, 
2587, 1903. 

D Kürzlich sind Brucinsalze der Chitonsäure und der Chitarsäure 
von P. А. Levene und С. M. Meyer (Journ. of Biolog. Chem. 26, 355, 


Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 121 


Nach dem Erkalten wurde filtriert und der Überschuß von 
Chinchonin durch langandauernde Extraktion im Soxhletapparate 
mit Äther entfernt. Die so erhaltene Lösung wurde dann auf 
dem Wasserbade eingedampft und vom abgeschiedenen Gips 
filtriert. Es wurde dann weiter eingeengt, bis an der Oberfläche 
Krystallisation zu bemerken war. Beim Erkalten krystallisierte 
ein schneeweißes Produkt in langen Prismen aus. Dieses wurde 
aus heißem Wasser umkrystallisiert und auf diese Weise rein 
erhalten. Schmelzpunkt 200°. Es wurde noch einige Male aus 
heißem Wasser umkrystallisiert; dabei blieb der Schmelzpunkt 
konstant bei 200°. Dasselbe Präparat, nochmals aus heißem 
Wasser und etwas Alkohol umkrystallisiert und im Vakuum 
über Schwefelsäure getrocknet, ‘hatte wieder den gleichen 
Schmelzpunkt. 

In diesem Zustande wurde das Präparat zur Analyse 
verwendet. 

Analyse des Cinchoninsalzes. 


0,1612 e Substanz 0,8791 e СО, 64,149, C. 
0,0925g H,O 6,499], H. 
0,1620g » 0,3802 g CO, 64,02], C. 
0,0978g H,O 6,75%, H. 


Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl. 
0,1155 g Substanz 4,8 cem Si, HS0, 5,80°/ N. 
0,1088 g D 47 » Pho HSO, 6,059, N. 
0,1268 g л 5,5 o aho HS0, 6,079, N. 


Die Analyse des Cinchoninsalzes ergab: 


Gef. im Mittel Ber. für GA), Dua) 
С 64,07%, С 63,56%, 
Н 6,59%, Н 6,78%, 
N 5,9709, N 5,939), 
О 23,73%), 
100,00), 


Das Ergebnis der Analyse hat eigentlich etwas Über- 
raschendes. Denn nach den Erfahrungen der Literatur mußte 
bei der Oxydation einer Hexoselösung mit Salpetersäure eine Di- 
carbonsäure erwartet werden. Die Analyse stimmt aber sonder- 
barerweise auf das Cinchoninsalz einer Monocarbonsäure. Wenn 


1915; Chem. Centralbl. 1, 743, 1917) in bezug auf ihre Drehung unter- 
sucht worden. 


122 W. Armbrecht: 


man nun aber bedenkt, daß zur Analyse ein gut krystallisiertes 
Präparat benutzt worden war, dessen Krystalle unter dem 
Mikroskop alle den gleichen Habitus aufwiesen, daß ferner das 
Präparat seinen Schmelzpunkt beim Umkrystallisieren nicht 
mehr änderte und daß endlich die Analysen untereinander und 
mit der Formel С,Н, ,0,.С,,Н,,№0 leidlich übereinstimmen, 
so besteht wohl kein Grund, der Analyse Mißtrauen entgegen- - 
zubringen. Es muß vielmehr als Tatsache hingenommen werden, 
daß die Oxydation in diesem speziellen, von mir geschilderten 
Falle zu einer Monocarbonsäure geführt hat. Was nun die 
Struktur des erhaltenen Produktes betrifft, so kann man sowohl 
der erhaltenen Bruttoformel als auch den Ergebnissen der bis- 
herigen Forschungen in gleicher Weise gerecht werden, wenn 
man das Cinchoninsalz als ein Hydrofuranderivat!) auffaßt 
und ihm etwa folgende Konstitution zuschreibt (wobei über 
die sterische Konfiguration nichts ausgesagt werden soll): 





COOH.C,,H,,N,0. 
Ich verweise darauf, daß nach С. Neuberg?) der Chitarsäure, 
nach E. Fischer und E. Andreae?) sowohl der Chitonsäure 
als der Chitarsäure die Formel C,H,,O, und die Struktur 


OH.CH—CH.OH 


Se: 
HO. HOCH CH.COOH 
SM 


zukommen dürfte. 


1) Ich möchte es nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß auch 
Y. Kotake und Y. Sera (Osaka), Zeitschr. f. phys. Chem. 88, 56, 1913, 
ihrem aus Pilzen dargestellten Lykoperdin, das dem Chitosan nahe 
verwandt zu sein scheint, die Konstitution eines Hydrofuranderivates 
zuschreiben. | 

2) C. Neuberg, Н. Wolf und W. Neimann, Ber. d Deutsch. 
chem. Ges. 85, 4009, 1902. 

3) E. Fischer und E. Andrese, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 36, 
2587, 1903. 


Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 123 


Ich bemerke endlich, daß in meinem Reaktionsprodukte 
keine Oxalsäure enthalten war, also eine maximale Oxydation 
sicherlich nicht stattgefunden hatte. Auch steht das Auftreten 
einer Monocinchoninverbindung mit der Auffassung des Pro- 
duktes als einer Monocarbonsäure im Einklange. — Es wäre 
ja nicht einzusehen, warum eine Dicarbonsäure nicht 2 Moleküle 
Cinchonin an sich zu ketten befähigt sein sollte. 


Zusammenfassung. 


Die Resultate meiner Arbeit lassen sich in folgender Weise 
zusammenfassen: 

1. Bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf Chitosan 
geht dieses vollständig in Lösung. Die resultierende Zucker- 
lösung enthält aber keine einheitliche Zuckerart, sondern wahr- 
scheinlich ein Gemenge reduzierender Aldosen, und zwar Hexosen. 
Aus der erhaltenen Lösung konnte ein Osazon erhalten werden, 
das mit Glucosazon nicht identisch war, wohl aber mit einem 
Osazon, das ausgehend von Glucosamin erhalten werden konnte. 
Wahrscheinlich handelt es sich hier um ein Chitoseosazon, das 
von dem Glucosazon durch seine Schwerlöslichkeit in Pyridin- 
alkohol, seine Unlöslichkeit in absol. Alkohol und Eisessig und 
sein Drehungsvermögen unterschieden ist. 

2. Die Oxydation des Chitosesirups mit Salpetersäure 
führte zu einem in Form einer Cinchoninverbindung gut kry- 
stallisierenden einheitlichen Derivat einer Monocarbonsäure, 
in der ein Hydrofuranring vermutet werden kann. 

3. Demgemäß stehen unsere Befunde sowohl mit der An- 
sicht C. Neubergs, derzufolge die hypothetische Chitose eine 
wahre Hexose von der Formel C,H,,O, ist, als auch mit der 
Meinung desselben Autors sowie E. Fischers und seiner Mit- 
arbeiter, derzufolge die Chitarsäure und die Chitonsäure als 
Hydrofuranderivate aufzufassen wären, im Einklange. 

Angesichts der in dieser Arbeit ausgesprochenen Vermutung, 
daß der Chitosesirup kein einheitliches Produkt sei, würde sich 
bei der weiteren Bearbeitung des Gebietes vor allem die Not- 
wendigkeit ergeben, dieses anscheinend komplizierte Gemenge 
in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen. 


Über Bakterien-Katalase. 
III. Mitteilung’). 


Von 


Martin Jacoby. 


(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses Moabit 
in Berlin.) 


(Eingegangen am 12. April 1919.) 


Die Erforschung der Konstitution der Fermente gehört sicher- 
lich zu den schwierigsten Aufgaben der Biochemie. Wenn auch die 
Feststellung, welche chemische Gruppierung im Molekül der Fer- 
mente entscheidend für ihre spezifische Wirkung ist, am wich- 
tigsten wäre, so würde doch ein bedeutsamer Schritt getan sein, 
wenn das Gesamtmolekül eines Fermentes in seinem Bau erkannt 
wäre. Lediglich die Reindarstellung eines Fermentes würde schon 
einen Wendepunkt in der Lehre von den Fermenten bedeuten. 

Alle diese Wünsche sind aber sehr schwer erfüllbar, einmal 
wegen der großen Labilität der Fermente, außerdem aber wegen 
der Schwierigkeit, diese kolloiden Stoffe von ihren ähnlich sich 
verhaltenden Beimengungen zu isolieren. 

Als ich gesehen hatte, daß man auf Nährböden von che- 
misch genau bekannter Zusammensetzung gut wirksame Bak- 
terienfermente gewinnen konnte, war es klar, daß hier ein ge- 
eignetes Material für Isolierungsversuche gegeben ist. Bis zu 
einem gewissen Grade konnte man erwarten, weniger als unter 
den sonst gegebenen Bedingungen durch zufällige Beimengungen 
irregeführt zu werden. Ohne Zweifel werden aber auch bei 
diesem schönen Ausgangsmaterial erhebliche Schwierigkeiten noch 
zu überwinden sein. Seit meiner letzten Publikation habe ich die 
Untersuchung andauernd weitergeführt und bin bisher so weit 
gelangt, daß ich überzeugt bin, auf dem richtigen Wege zu sein. 

Vor einigen Monaten haben Willstätter und Stoll?) in 


1) I. Mitteilung diese Zeitschr. 89, 350. — II. Mitteilung diese Zeit- 
schr. 92, 129. 
D Liebigs Annalen 146, Н. 1, 21. 





M. Jacoby: Bakterien-Katalase. III. 125 


einer wichtigen Arbeit Versuche beschrieben, welche die Auf- 
klärung der Konstitution einer Peroxydase zum Ziele haben. 
Bei der Schwierigkeit des Stoffes ist es nicht zu verwundern, 
daß das Ziel trotz feinster Methodik. noch nicht erreicht werden 
konnte. Obwohl das Ausgangsmaterial der Autoren keineswegs 
durch diejenigen Vorzüge ausgezeichnet ist, die mein Bak- 
terienmaterial besitzt, wurden doch Resultate von größtem In- 
teresse erzielt. Aus Meerrettich wurde eine sehr aktive Peroxy- 
dase, von der bereits 0,04 mg eine starke Wirkung entfaltete, 
in Form eines Glucosides isoliert, das anscheinend ein ver- 
hältnismäßig kleines Molekulargewicht (500) besitzt. Im Mo- 
lekül scheint neben einer Pentose eine Hexose und 3 Atome N 
sich zu finden. Außer anderen anorganischen Stoffen fand sich 
in dem Präparat Eisen, ohne daß schon entschieden werden 
konnte, ob das Eisen zum Glucosidmolekül gehört. Von dem 
Glucosid mit Peroxydasewirkung ließ sich durch Sublimat- 
fällung ein Glucosid ohne Peroxydasewirkung trennen. An- 
scheinend handelt es sich hier um eine Substanz von höherem 
Molekulargewicht. Auf wiederum 3 Atome N kommen neben 
einer Hexose hier 2 Pentosen. 


In früheren Mitteilungen habe ich schon geschildert, wie 
ich mein Rohmaterial für die Katalasedarsellung aus Proteus- 
bakterien gewinne. Das Wesentlichste ist, daß ich von mög- 
lichst einfachen Nährböden von bekannter chemischer Zu- 
sammensetzung ausgehe. Das so gewonnene Ferment ließ sich 
aussalzen, ferner durch Quecksilbersublimat ausfällen. Aus dem 
Sublimatniederschlage/ konnte es durch Cyankalium wieder ex- 
trahiert werden. In der letzten Mitteilung hatte ich dann ge- 
zeigt, daß sich die so gewonnene Katalase ganz wie die in der 
Literatur beschriebenen Katalasen in bezug auf die Gesetze 
der Wirksamkeit verhält. 

Um das Ferment weiter zu isolieren, ergab sich als Haupt- 
aufgabe die Berücksichtigung der Schwierigkeit, daß das Fer- 
ment große Neigung hat, in eine unlösliche Modifikation über- 
zugehen. Es mußte also ein Fällungsmittel aufgefunden werden, 
das eine erhebliche Abtrennung von Beimengungen gestattet, 
ohne daß das Ferment dabei unlöslich wird. Nach einigen 
Versuchen fand ich als vortreffliches Fällungsmittel für das 
Ferment den Methylalkohol. Mit Methylalkohol kann man aus 
den Kulturen bei geeigneter Konzentration das Ferment sehr 
gut niederschlagen, während erhebliche Anteile der Kulturen, 


126 M. Jacoby: 


die aber ohne Katalasewirkung sind, im Methylalkohol gelöst 
bleiben. Das Ferment ist im Niederschlag in wasserlöslicher 
Form enthalten und kann durch Filtrieren von in Wasser un- 
löslichen Beimengungen getrennt werden. Diese Prozedur kann 
ohne Schaden mehrfach wiederholt werden, und man erhält so 
hochwirksame in Wasser lösliche Katalasepräparate. 

Selbstverständlich müssen die Präparate wiederum als 
Basis für weitere Isolierungsversuche dienen. Es ergibt sich 
die Aufgabe, die Zusammensetzung der Präparate zu ermitteln. 
Doch ist es schon wertvoll, nunmehr bereits eine gleichmäßige 
Reinigungsstufe zu haben und so Präparate von möglichst kon- 
stanter Zusammensetzung zu erhalten, die man immer wieder 
in beliebiger Quantität darstellen kann. _ 

Im folgenden schildere ich Beispiele von Darstellungen der 
Katalase.. Geht man so vor, so erhält man fast immer hoch- 
wirksame Präparate. Die angegebenen Verhältnisse der Fällungs- 
und Lösungsmittel, sind die Mengen, die sich allmählich als 
die zweckmäßigsten ergeben haben. 

Als Nährlösung für die Proteusbakterien wurde eine 
Mischung benutzt, іп der auf 100 ccm Wasser kamen: Chlor- 
natrium 0,6 g, Magnesiumsulfat 0,04 g, Dikaliumphosphat 0,25 g, 
Chlorcaleium 0,005 g. Ferner kamen auf je 100 ccm 0,4 р as- 
paraginsaures Natrium und 0,3 g milchsaures Natron. 

Gegenüber den früheren Versuchen haben wir nur insofern 
eine Änderung vorgenommen, als wir die Menge des Calcium- 
chlorids auf die Hälfte herabgesetzt haben. 


Präparat I. 


380 ccm dieser Nährlösung wurden in Einzelportionen von 
је 8 ccm verteilt und nach dem Sterilisieren mit Proteusbak- 
terien geimpft, die 4 Tage auf demselben Nährboden sich ent- 
wickelt hatten. Nach 6tägiger Bebrütung wurden die Kulturen, 
die sich gut entwickelt hatten, in einem Becherglase vereinigt 
und mit 760 ccm Methylalkohol ausgefällt. Es entstand sofort 
ein massiger, flockiger Niederschlag, der sich schnell absetzte. 
Sogleich wurde mit der Filtration begonnen, die in etwa 
2 Stunden beendigt war. Nunmehr wurde der Niederschlag 
leicht abgepreßt und in 400 cem Wasser aufgenommen. Die 
Mischung blieb über Nacht im Eisschrank. Bis zum nächsten Tage 
hatte sich der Niederschlag zum Teil gelöst. Darauf wurde 
filtriert und 398 ccm eines opaken Filtrates erhalten. Das Filtrat 
wurde im Faust-Heimschen Apparate bei Zimmertemperatur 


Bakterien-Katalase. TII. 127 


durch Überleiten eines Luftstromes eingedunstet, in 18 Stunden 
war die Flüssigkeit verdampft. Der Bodensatz‘ wurde dann 
mit dem Spatel abgekratzt, es resultierte ein weißes Pulver, 
dessen Gewicht 0,3183 g betrug. Das Pulver wurde an der 
Luft bis zur Gewichtskonstanz getrocknet, sein Gewicht nahm 
dabei bis auf 0,3168 g ab. 

Zur Prüfung der Wirksamkeit werden 10 mg in 20 ccm 
Wasser aufgenommen. Das Pulver löst sich nur schlecht. Nach 
15 Minuten wird filtriert. 

Von dem klaren Filtrat werden је 4 сот = 2 mg, 
2 ccm = 1 mg, 1 cem = 0,5 mg, 0,5 ccm = 0,25 mg auf 10 ccm 
mit Wasser aufgefüllt. Zu jeder Portion kommen je 2 ccm 
H,O, (1,5°/)= 0,03 g H,0,. 

Nach !/,stündigem Aufenthalt im Brutschrank werden die 
Gemische titriert. 

Es werden gespalten durch 


2,0 mg 99,59, 


1,0 » 98,30], 
0,5 » 87,80%), 
0,25 » 59,0°/,. 
Präparat П. 


In einem anderen Versuche werden 296 ccm einer ebenso 
bereiteten Nährlösung in Einzelportionen von je 8 ccm verteilt 
und nach dem Sterilisieren mit Proteusbakterien geimpft, die 
2 Tage auf demselben Nährboden sich entwickelt hatten. Nach 
15tägigem Wachstum werden die üppig entwickelten Kulturen 
in einem Becherglase vereinigt und mit 592 ccm Methylalkohol 
ausgefällt. Der Niederschlag wird schnell abfiltriert und in 
300 сеш Wasser aufgenommen. Die Mischung bleibt über Nacht 
auf Eis. Nunmehr wird filtriert. Man erhält ein milchiges 
Filtrat, das innerhalb 19 Stunden durch Überleiten eines Luft- 
stromes im Faust-Heimschen Apparat getrocknet wird. Das 
erhaltene Pulver wiegt 0,1841 р. Nachdem es lufttrocken ist, 
wiegt es 0,1838 g. 

Von diesem Pulver werden 10 mg abgewogen und in 
200 ccm Wasser aufgenommen. Es löst sich schlecht. Nach 
15 Minuten wird filtriert. 

Von dem klaren Filtrat werden einzelne Portionen wie 
im vorigen Versuche geprüft. 

Es werden gespalten durch 


128 ом Jacoby: 


2,0 mg 

К 1,0 » losan, 
0,5 » 
0,25» 88,39. 

Nach 3 Monaten: 

2,0 mg 99,5°/, 
1,0 » 91,19), 
0,5 » 88,99, 
0,25» 52,59, 


Präparat III. 


400 ccm Nährlösung werden wie in den eben geschil- 
derten Versuchen mit Proteusbakterien geimpft, die 2 Tage 
auf demselben Nährboden sich entwickelt hatten. Nach 5tä- 
gigem Wachstum werden die gut entwickelten Kulturen mit 
800 com Methylalkohol gefällt. Der schnell abfiltrierte Nieder- 
schlag wird in 400 ccm Wasser aufgenommen und so über 
Nacht auf Eis aufbewahrt. Am nächsten Tage wird filtriert, 
das sehr opake Filtrat wird im Faust-Heimschen Apparat 
getrocknet, die Trocknung nimmt 24 Stunden in Anspruch. 
Das erhaltene Pulver wiegt 0,2753 р. Nachdem es lufttrocken 
ist, wiegt es 0,2723 g. 

Die Prüfung auf Wirksamkeit wird wie in den anderen 
Versuchen vorgenommen. 

Es werden gespalten durch 

2,0 mg 99,5°/, 
1,0 » 98,09%, 
0,5 » 79,70), 
0,25» 44,791. 

Nach 2 Monaten: 

2,0 mg 99,5°/, 


1,0 » 67,19%, 
0,5 » 35,1 
0,25» 18,69/,. 


Um die Einzelheiten dieser Schilderung richtig zu würdigen, 
sind noch einige Erläuterungen notwendig. 

1. Die Impfung der Nährflüssigkeit erfolgt mit einigen 
Ösen einer Kultur, die bereits auf derselben Nährflüssigkeit 
gewachsen war. Dadurch wird vermieden, daß mit den Bak- 
` terien fremde Substanzen, wie sie 2. В. in der gewöhnlichen 
Nährbouillon vorhanden sind, in die Kulturen gelangen. 


Bakterien-Katalase. III. 129 


2. Wir setzen die Versuche nicht in Massenkulturen an, 
sondern beschicken Einzelröhrchen mit nur je 1 ccm, weil in- 
folge der so erzielten bedeutenden Vergrößerung der Ober- 
fläche die Bakterienernte viel reichlicher ausfällt. 

3. Um den Nährboden möglichst vollständig auszunutzen, 
darf die Brutzeit nicht zu kurz gewählt werden. 

4. Zur Verbesserung der Ausbeute darf man bei der Über- 
tragung der Kulturen aus dem Röhrchen in das Sammelglas, 
in dem die Ausfällung vorgenommen wird, sich nicht damit 
begnügen, die Kulturen auszugießen, sondern man muß die 
Bakterien auch von den Wänden des Glases, an denen immer 
ein Teil haftet, sorgfältig abkratzen. 

5. Die Konzentration — 2 Teile Methylalkohol auf 1 Teil 
Kultur — wurde als die optimale erkannt. Wenn man weniger 
Methylalkohol zufügt, bleibt ein Teil des Fermentes in Lösung. 
Die Tatsache, daß das Ferment in nicht zu konzentrierten Lö- 
sungen von Methylalkohol löslich ist, ist interessant, und man 
kann durch Weiterverarbeitung der Lösung eine wertvolle Fer- 
mentreinigung erzielen. Aber um eine möglichst befriedigende 
Ausbeute an Ferment zu erzielen, eignet sich die Lösung in 
Methylalkohol nicht. Denn hier ist der Fermentverlust zu groß. 

Der große Vorzug des Methylalkohols als Fällungsmittel 
gegenüber dem Äthylalkohol besteht darin, daß hier das Fer- 
ment nicht seine Löslichkeit in Wasser verliert. Da anzunehmen 
ist, daß auch beim Methylalkohol eine möglichst kurze Be- 
rührung des Fermentes mit dem Alkohol für das Bestehen- 
bleiben der Wasserlöslichkeit nützlich ist, haben wir die Fällung 
und Filtration möglichst beschleunigt. Während aber beim 
Äthylalkohol selbst sehr beschleunigtes Arbeiten kaum etwas 
nützt, spielt die Zeit der Einwirkung beim Methylalkohol keine 
erhebliche Rolle. 

6. Hat man den durch Methylalkoholfällung erhaltenen 
Niederschlag im Wasser verteilt, so ist es zweckmäßig, die 
Filtration erst nach einigem Abwarten vorzunehmen. An- 
scheinend geht das Ferment erst allmählich in Lösung. Eine 
irgendwie erhebliche Schädigung des Fermentes tritt durch das 
vorübergehende Verweilen in gelöster Form nicht ein, da die 
Veränderung bei Eisschranktemperatur nur sehr allmählich 
erfolgt. ‚ 

7. Die Eindunstung im Faust-Heimschen Apparat muß 
unbedingt in 24 bis 30 Stunden beendet sein, was auch ohne 


Schwierigkeiten möglich ist. Längeres Verweilen schwächt das 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 9 


130 M. Jacoby: Bakterien-Katalase. III. 


Ferment ab. Immer wurde Zimmertemperatur benutzt. Da er- 
höhte Temperatur nicht nötig ist, wurde nicht geprüft, ob sie 
ohne Schaden angewandt werden kann. 


Stickstoffgehalt der Präparate. 


Präparat I. 


0,0745 g enthalten 5,46 mg N = 7,39/, N. 

0,1120 g nm 8,26 » N=749,N. 

0,0828 g geben 0,0230 g Glührückstand = 27,89/,. 
Stickstoff, berechnet auf aschefreie Substanz = 10,1°/, N. 


Präparat II. 


0,0798 g enthalten 5,6 mg N = 7,0%, N. 
0,0772 g geben 0,0253 g Glührückstand = 32,7°|,. 
Stickstoff, berechnet auf aschefreie Substanz = 10,1°/, N. 


Präparat III. 


0,1000 g enthalten 6,9 mg N = 6,9°/, N. 
0,1036 g n 7,0 » N= 6,89, N. 


Als Glührückstand wird der Mittelwert der beiden vorigen 
Präparate angenommen = 30,79/,. 

Stickstoff, berechnet auf aschefreie Substanz == 9,9° j, N. 

Die Übereinstimmung der erhaltenen Werte ist sehr be- 
friedigend.. Wenn man bedenkt, daß es sich um vollkommen 
getrennte Darstellung handelt, so ist es bemerkenswert, daß 
bei Präparat I und II genau der gleiche Stickstoffgehalt der 
aschefreien Präparate erhalten wurde. Bei Präparat III fehlt 
leider die Bestimmung des Glührückstandes. Wir haben daher 
aus den Werten bei I und II das Mittel genommen. Auch 
dieser Stickstoffwert stimmt befriedigend mit den beiden anderen 
überein. 

Zunächst soll diese quantitative Untersuchung nur zu 
einer vorläufigen Orientierung dienen. Nach dem Ausfall der 
Analysen eröffnen sich aber neue Aussichten und Ausblicke. 
Es ist deutlich zu erkennen, daß unsere einfache Methodik 
doch zu erheblich einheitlicheren Präparaten führt, als man 
hoffen durfte. Es ist daher erwünscht, die Isolierung fort- 
zuführen, daneben aber auch die schon begonnene qualitative 
Untersuchung, soweit die Hilfsmittel und die Zeitumstände es 
gestatten, eifrig weiter zu betreiben. 


Studien zur quantitativen Bestimmung sehr geringer 
Ca-, Mg- und P-Mengen in tierischen Substanzen. 


Von 
L. Dienes. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität Budapest.) 
(Eingegangen am 17. März 1919.) 


Die im folgenden mitgeteilten Untersuchungen wurden vor 
dem Kriege angefangen und waren in den wesentlichen Er- 
gebnissen fertig. Sie wurden während einer ruhigeren Periode 
des Krieges in einem unter meiner Leitung stehenden Feld- 
laboratorium beendet. Der letzterwähnte Umstand soll ent- 
schuldigen, daß die Beziehungen auf die Literatur mangelhaft 
und vielleicht einige Teile der Untersuchung unvollständig ge- 
blieben sind. Ich habe nur volumetrische Verfahren aus- 
probiert und hatte keine Gelegenheit, diese mit gravimetrischen 
Mikromethoden zu vergleichen. — Soweit ich aus der Lite- 
ratur beurteilen kann, könnte man genauere Werte, bei sehr 
kleinen Mengen, durch ein gravimetrisches Verfahren auch 
nicht erreichen. Wir werden uns erst mit der Bestimmung 
des Ca, Mg und P in reinen Lösungen und nachher mit der 
Trennung derselben von den anorganischen Bestandteilen der 
tierischen Substanzen beschäftigen. 

Bekanntlich ist das volumetrische Verfahren auch zur Be- 
stimmung kleiner Substanzmengen geeignet. Wenn genügend auf 
die Reinheit der Büretten geachtet wird, sowie darauf, daß 
die Ausflußgeschwindigkeit klein und gleich sei, wie bei der 
Kalibrierung der Bürette, so kann man aus einer in eine dünne 
Capillare endenden Bürette Flüssigkeitsmengen mit 1bis2 Tausend- 
stel Kubikzentimeter Genauigkeit ausfließen Іаввеп!). Nach meiner 


1) Emich, Lehrbuch der Mikrochemie 1911, 8. 8. 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 10 


132 L. Dienes: 


Erfahrung soll man die Titrierung in möglichst kleinen Vo- 
lumen vornehmen und nicht sehr verdünnte Titrierflüssigkeit 
benützen, damit das Endvolumen der Lösung möglichst klein 
und der Übergang möglichst scharf bleibe Die Titrierung 


habe ich in später zu beschreibenden Röhrchen mit + = 


KMnO,-Lösung, bei der P-Bestimmung mit zg DO ge- 


macht. Zur Illustration, wie weit die Genauigkeit der Titra- 
tion selbst geht, teile ich einige Daten mit, die ich bei Ein- 
stellung der KMnO,-Lösung mit Oxalsäure gewonnen habe. 


Tabelle I. 
Abgewogen 0,404 р "/,-Oxalsäure erfordert 0,899 cem KMnO, (ber. auf 0,4 д Oxals. 0,881 ccm) 
л 0,399, » Blo: n n 0,878 » n (n n 0,4» » 0879 » ) 
n 0,412, n op ” ” 1,447 sw n ( n n 0,4» n 1,403 e) 
n 0,401, »®/„- D ” 1,404 n n (a n 0,4» ” 1,399 » ) 
n 0,402, n afos" n n 1,407 » n ( n n 0,4» ” 1,398 » ) 
n 0,996 » afas" n n 3,408 » n (n n 1,0» » 8,422 n»n) 
H 0,503, » alas- n n 1,722 n n (n n 1,6» z 3,425 r ) 


Zum Überführen von kleinen Flüssigkeitsmengen benütze 
ich Capillarröhrchen, zum Teil solche, die oberhalb der Capil- 
laren zu einer 1 bis 11/, ccm fassenden Kugel aufgeblasen sind. 
Zum Aufnehmen und Ablassen der Flüssigkeit in den Capil- 
laren bediene ich mich eines kleinen Gummiballons, der mit 
einem 10 bis 12 cm langen Gummischlauch versehen ist. Die 
Capillare wird mit dem Daumen und Zeigefinger gehalten, der 
Ballon kommt zwischen die Handfläche und die drei anderen 
Finger. Nach entsprechender Übung kann man auf diese 
Weise mit der größten Sicherheit die gewünschte Flüssigkeits- 
menge aufnehmen, nur darf die Capillare nicht zu eng sein. 
Um den Inhalt eines kleinen Tiegels zu überführen, wasche 
ich ihn 5 bis 6mal mit 2 bis 4 Tröpfchen Flüssigkeit aus 
einer Capillare (0,2 bis 0,3 ccm Flüssigkeit) aus, jedesmal acht- 
gebend, daß die Flüssigkeit die ganze Oberfläche des Tiegels 
benetzt. 

Zur Bestimmung und Trennung von Mg benütze ich die 
Abscheidung des Ca als Oxalat und das Titrieren des Nieder- 
schlages mit KMnO,-Lösung. Es hängt von 3 Umständen ab, 
bis zu wie kleinen Ca-Mengen man heruntergehen kann, ohne 


Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 133 


die Genauigkeit wesentlich zu beeinflussen:” 1. Ob die Abschei- 
dung des Ca vollständig ist und wie groß die Mengen sind, 
die in Lösung bleiben. 2. Wieviel von Mg mitgerissen wird 
und ob die zweifache Fällung des Ca unterbleiben kann. 3. Ob 
man den Niederschlag unbedingt abwaschen muß, oder ob 
unter geeigneten Umständen, trotz der bisher geltenden Er- 
fahrung!), dieses Auswaschen unterbleiben kann. 

Ich habe über die Löslichkeit des Calciumoxalats in Am- 
moniumoxalat, Ammoniumchlorfd und Ammoniak enthaltenden 
Lösungen keine Angaben gefunden. Ich habe selbst folgende 
Werte erhalten, die aber keinen Anspruch auf Genauigkeit er- 
heben und nur über die Größenordnung der Verluste bei der 
Analyse orientieren. Diese Werte sind auch deshalb ungenau, 
weil die Analysen in den später zu beschreibenden größeren 
Röhrchen durchgeführt sind, die für so kleine Mengen unge- 
eignet sind und immer höhere Werte geben. Obwohl ich Kor- 
rektionen angebracht habe, bleiben diese sicher gegenüber der 
erforderlichen Korrektion zurück. 13 ccm Flüssigkeit, die 
über dem Calciumoxalatniederschlag 2°/, Ammoniumchlorid und 
2,4n 
100 
schwach alkalisch war, hat bei der Analyse 0,009 mg Ca er- 
geben, in 1 ccm = 0,0007, mg, die Flüssigkeit wurde nach 
5stündigem Stehen filtriert. In 19,5 com Flüssigkeit mit 1,1°/, 
Ammoniumchlorid und ®/,„-Ammoniumoxalat habe ich 0,024 mg 
Са, d. h. іп 1 сеш = 0,001, mg gefunden. Die Flüssigkeit wurde 
nach 5stündigem Stehen auf einer kleinen Handzentrifuge zen- 
trifugiert und hat sich schwer geklärt. 12 ccm Flüssigkeit, die 
ich von 6 Ca-Bestimmungen abpipettiert habe, 1%, Ammonium- 
chlorid und ungefähr ®/,,-Ammoniumoxalat (nach 5stündigem 
Stehen abzentrifugiert) enthalten hat, ergab 0,014 mg Ca, auf 
1 ccm = 0,0012 mg. Kleinere Werte bekommen wir für die 
Löslichkeit des Caleiumoxalats, wenn wir die Resultate der Ana- 
lysen, die in kleinerem und größerem Volumen ausgeführt sind, 
vergleichen. Nach den Analysen 1 bis 3 und 8 bis 10 der Ta- 
belle II haben die ersten 3 Analysen um 0,002, mg weniger 
als die erwarteten Werte ergeben in 2,32 ccm Flüssigkeits- 
volumen; derselbe Unterschied ist 0,0052 mg bei 7,31 eem 





Ammoniumoxalatkonzentration enthalten hat und von H,N 


1) Th. Döring nach Chem. C. 2, 913. 
10* 


134 L. Dienes: 


Volumen, d.h. 0,0006 auf 1 ccm Flüssigkeit. Dieser Wert ist 
ungefähr die Hälfte des vorher erhaltenen und liegt sehr nahe 
jenem Wert, den wir nach Filtrieren der Flüssigkeit bekommen 
haben. Wie die Analysen 11 bis 12 zeigen, beeinflußt die 
Erhöhung der Ammoniumchloridkonzentration auf 3°/, die Löslich- 
keit des Calciumoxalats nicht merklich. Nach diesen Zahlen 
kann man auf eine Genauigkeit der Bestimmungen, die bis 
auf Bruchteile von "log mg geht, nur dann rechnen (bei 
der Konzentration des Ammoniumoxalats, welches wir benutzt 
haben), wenn das Volumen der Flüssigkeit bei der Fällung 
des Calciumoxalats unter 1 ccm bleibt. 

Nach Richards und seinen Mitarbeitern) ist die Trennung 
des Ca von Mg durch einfache Fällung als Oxalat vollkommen, 
bei ungefähr äquimolekularen Lösungen, wenn die Flüssigkeit 
bei 1°/, Ammoniumchlorid in 1 com nicht mehr als 0,45 mg Ca 
enthält und die überstehende Flüssigkeit von dem Niederschlag 
nach 3 bis 4 Stunden getrennt wird, bei 2facher Konzentration 
des Ca und Mg geht der Fehler auch nicht über 0,3°/,. Unsere 
Analysen haben zu denselben Ergebnissen geführt. In der 
Tabelle II finden wir im Mittel bei Vorhandensein von Mg 
die Ca-Werte nicht ganz um 0,3°/, erhöht (0,35°/, des vor- 





























Tabelle II. 
Volumen Ce. des 
Abgemess. | Abgemess. der Co.desOxalats| „mon... Gefundenes 
Ve Mg | Flüssigkeit] „über den | iere | Са 
HE Niederschlag 0 

шр mg ccm lo mg 
329, Ss 0,85 dÉ 1,2 329, 
325, = 0,76 Je 1,2 324, 
323, =: 0,74 Hee 1,4 322, ` 
226, 1133 190. | ahs | 10 226, 
223, | 1115 1,20 Ve 1,0 224, 
222, | 161, 1,20 den 1,0 322, 
306, 158, 1,20 den 1,0 306, 
320, = 2,82 э] 1,1 318, 
200. = 2,51 ei 1,2 318, 
326, > 1,98 = 1,0 325, 
324, = 2,10 а о 3,0 | 394, 
322, = 3,72 eg 3,0 319, 











1) Richards und Cattrey und Bisbee, Zeitschr. f. anal. Chem. 
28, 1901. 


Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 135 


handenen Mg). Dieser Unterschied rührt von Zufälligkeiten 
der 3. und 5. Analyse her. Wenn die Konzentration des 
Ammoniumchlorids geringer ist, wird das Mg stärker absorbiert. 

Für die Bestimmung sehr kleiner Mengen ist der wichtigste 
Umstand, ob man von dem Auswaschen des Niederschlages 
absehen kann. Die Zahlen der Tabelle II zeigen, daß unter 
den Umständen, unter denen diese Analysen ausgeführt wurden, 
dies der Fall war. Bei 6 Ca-Bestimmungen (1 bis 3, 8 bis 10) 
haben wir 0,0074 mg weniger bekommen (in 9,4 com Flüssig- 
keit) als abgemessen wurde, d. h. 0,0008 mg für 1 ccm der 
Flüssigkeit. Dieser Wert entspricht, wie wir schon besprochen 
haben, ungefähr der Löslichkeit des Ca-Oxalats. Wenn wir 
für die Löslichkeit die höchste erhaltene Zahl (0,001, in 1 ccm) 
— die jedenfalls zu hoch ist — annehmen, bekommen wir für 
die Adsorption der Oxalate durch das Calciumoxalat den Wert 
von 0,15°/,, Die Erklärung für diese Tatsache — die den 
bisherigen Erfahrungen widerspricht — dürfte in der geringen 
Konzentration der benützten Ammoniumoxalatlösung liegen (2/5), 
zum Teil darin, daß die Ammoniumoxalatlösung portionenweise 
der Ca-Lösung zugefügt und Zeit gelassen wurde, bis der 
Niederschlag nach Zugabe des Oxalats sich abgeschieden hat, 
so daß der größte Teil desselben bei einem Ca-Überschuß sich 
gebildet hat. Die Endkonzentration der Oxalate war über den 
gebildeten Niederschlag sehr gering ("/,oo Біз "/z00), Doch bei 
Benutzung von ®/,-Ammoniumoxalatlösung konnte ich keinen 
Einfluß auf die Analysenresultate beobachten, ob nun die 
Oxalatlösung schnell oder in größeren Mengen zugegeben war. 
Mit höherem Сс. des Ammoniumoxalats wurde die Löslichkeit des 
Caleciumoxalats herabgesetzt, doch mußte eine starke Erhöhung 
der Oxalatkonzentration vermieden werden, damit die Kor- 
rektion für die mittitrierte Oxalatlösung nicht zu hoch 
ausfällt. 

Wir konnten zwei Umstände beobachten, die die Genauig- 
keit der Ergebnisse beeinflussen. Erstens muß die Ammonium- 
oxalatlösung frisch hergestellt sein; bei älteren Lösungen — auch 
bei solchen, deren Titer kaum merklich verändert ist — 
haben wir höhere und unregelmäßige Werte bekommen. Die 
Ammoniumoxalatlösung haben wir durch Absättigung reinster 
Oxalsäure mit Ammoniak hergestellt. Der zweite Umstand, 


136 L. Dienes: 


den man berücksichtigen muß, ist, daß man bei sehr geringen 
Mengen, bei Benutzung von größeren Röhrchen zur Analyse 
höhere Werte bekommt als bei Benutzung von kleinen. In 
einem 3,5 ccm fassenden, 6,5 cm langen Quarzröhrchen waren 
die Analysen bis zu 0,1 mg hinab genau ausgefallen, bei Be- 
stimmung von 0,03 bis 0,06 mg jedoch 0,002 bis 0,003 mg höher 
als Ca abgemessen wurde. Die Tabelle III zeigt die Analysen- 
resultate in den größeren und kleineren Röhrchen, wobei das 
Volumen der Flüssigkeit und die Menge der benutzten Reagenzien 
gleich genommen wurde. Der höhere Wert in den größeren 
Röhrchen bleibt auch erhalten, wenn der Niederschlag aus. 
gewaschen wird. Wir können keine Erklärung für diese Er- 
scheinung finden. Am Ende wollen wir noch erwähnen, daß 
für die Ausführung der Ca-Bestimmung unbedingt Quarz- 
röhrchen, Quarz- oder Platintiegel zu gebrauchen sind. Bei Be- 
nutzung von Glas- und Porzellangeräten bekommt man häufig 
um 0,002 bis 0,0005 mg zu hohe, manchmal noch höhere Werte. 


Tabelle II. 








Abgemessene | Abgemessen | Volumen der | Gefundene 
Ca Mg Flüssigkeit Ca 


mg 


Kleine Röhrchen 
De 
063, 
065, 
065, 


Große Röhrchen 
06 


62, 








041, = 
039, — 0,32 0,041, 


Auf Grund der bisherigen Ausführungen empfehlen wir 
zur Bestimmung des Ca folgendes Verfahren: Die Ca-Lösung, 
deren Ca-Gehalt ungefähr bekannt sein muß, überführen wir, 
wenn der Ca-Gehalt über 0,1 mg ist, in ein 6,5 cm langes, un- 
gefähr 0,8 bis 0,9 cm breites, 3,5 ccm fassendes Röhrchen von 
durchsichtigem Quarz; wenn der Ca-Gehalt unter 0,1 mg ist, 
in ein 2,5 cm langes, 0,4 bis 0,5 cm breites, 0,7 сот fassendes 
Röhrchen. Die Lösungen dürfen auf 1 ccm, wenn Mg vor- 
handen ist, nicht mehr als !/, mg Ca enthalten, doch unter 


Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 137 


dieser Konzentration sollen sie ein möglichst kleines Volumen 
haben. Wir machen den Inhalt der Röhrchen mit Ammoniak 
schwach alkalisch und fügen so viel von einer 20°/,igen Ammo- 
niumchloridlösung zu, daß die Flüssigkeit nach Zusatz von Ammo- 
niumoxalat 1°/, Ammoniumchlorid enthält. Dann erhitzen wir 
die Röhrchen auf dem siedenden Wasserbad und geben so viel 
2/,,„.Ammoniumoxalatlösung zu, daß die Flüssigkeit in 1 ccm 
0,15 bis 0,25 ccm Ammoniumoxalat im Überschuß enthält. Zu 
den größeren Röhrchen geben wir auf einmal 0,1 ccm, zu den 
kleinen 0,02 bis 0,03 cem Oxalatlösung und warten zwischen 
den einzelnen Portionen ab, bis der Niederschlag sich ab- 
scheidet. Die Menge des zugegebenen Ammoniumoxalats wird 
notiert. Nach wenigen Minuten kann man die Röhrchen aus 
dem Wasserbad nehmen. Nach 3!/, bis 5 Stunden wird das 
Röhrchen stark abzentrifugiert, nachdem man die Wand des- 
selben vorher mit dem Inhalt gut abgespült hat. Jetzt wird 
das Röhrchen auf der analytischen Wage abgewogen, die klare 
Flüssigkeit abpipettiert und das Röhrchen wieder gewogen. 
Bei der Abpipettierung muß man achtgeben, daß der auf der 
Oberfläche der Flüssigkeit schwimmende Niederschlag nicht 
mitgenommen wird. Wenn etwas davon auf der Capillare 
haften bleibt, kann man das mit einem kleinen Tröpfchen 
Flüssigkeit auf die Wand des Röhrchens übertragen. Nach 
dem Wägen wird H,SO, dem Inhalt der Röhrchen zugefügt, 
auf 60° gehalten und mit "/, „-KMnO,-Lösung titriert. Auch 
wenn man dem Ende der Titration nahekommt, kann man mit 
1/;оо ccm fortschreiten und nach Beendigung der Titration den 
kleinen Überschuß des KMnO, colorimetrisch bestimmen. Den 
Oxalatgehalt der an dem Niederschlag haftenden Flüssigkeit 
muß man bei der Berechnung der Resultate nach folgender 
Formel in Abzug bringen. Die zur Oxydation des Calcium- 
oxalats nötige KMnO,-Lösung ist =. wo A die 
gesamten dem zur Analyse verwendeten Ammoniumoxalat ent- 
sprechenden Kubikzentimeter KMnO,-Lösung bedeutet, a die 
bei der Titration verbrauchten Kubikzentimeter KMnO,-Lösung, 
B das Gewicht der gesamten Flüssigkeit und b das Gewicht 
der mit dem Ca-Niederschlag zurückbleibenden Flüssigkeit. 
Beim Auswaschen des Ca-Oxalatniederschlages — durch 


138 L. Dienes: 


Zentrifugieren und Abpipettieren der überstehenden Flüssig- 
keit — (oder mit destilliertem Wasser oder auch mit Ammo- 
niaklösung) gehen bei 0,2 bis 0,5 mg Ca 0,002 bis 0,005 mg 
Ca mit dem Waschwasser (2 bis 3 ccm Waschwasser) ver- 
loren, bei Bestimmung von 0,05 bis 0,06 mg Ca 0,001 bis 
0,002. Wenn wenig Mg vorhanden ist, kann man das ver- 
loren gegangene Ca in folgender Weise bestimmen: Nach Ein- 
dampfen der abgenommenen Flüssigkeit und des Waschwassers 
wird der Rückstand in -0,1 bis 0,2 ccm Wasser aufgenommen, 
in das Quarzröhrchen übertragen und nach Abzentrifugieren 
mit 0,2 ccm Wasser einmal ausgewaschen. Durch diese Prozedur 
entfernt man den größten Teil des Mg. 'Der sehr geringe 
Niederschlag wird in einem Tropfen verdünnter HCl gelöst, 
und der Tiegel, in dem die Flüssigkeit eingedampft war, mit 
einem Tropfen НСІ ausgewaschen, dann nach Zugabe von 
Ammoniumchlorid und Ammoniumoxalat in 0,15 bis 0,2 ccm 
Volumen durch Zugabe von Ammoniak das Ca abgeschieden 
und nach 10 bis 12 Stunden mittels Zentrifugieren mit möglichst 
kleinen Wassermengen ausgewaschen. Wenn das vorhandene 
Mg nicht über 0,2 mg beträgt, sind die Resultate genau. Die 
später mitgeteilten Blutanalysen wurden zum Teil auf diese 
Weise ausgeführt. Bei Vorhandensein von viel Mg sind die 
erhaltenen Werte hoch. Wenn man ammoniumoxalathaltiges 
Wasser zum Auswaschen des Niederschlages benutzt, sind die 
Verluste geringer (ungefähr 0,002 mg), doch fallen die Resultate 
ohne Auswaschen des Niederschlages so genau aus, daß das 
Suchen nach einem anderen Verfahren unnötig schien. 

Für die Bestimmung des Mg habe ich mehrere Verfahren 
ausprobiert. Durch Ausfällen des Mg in neutralen und am- 
moniumsalzfreien Lösungen mit NaOH oder mit Ba(OH), 
und Titrierung des ausgefallenen Mg(OH), konnte ich keine 
gut übereinstimmenden Resultate bekommen. Manchmal waren‘ 
die Resultate entsprechend, dann, ohne daß ein Grund dafür 
gefunden werden konnte, sind Fehler von 10 bis 30°/, vor- 
gekommen. Durch Titrieren des Mg mit Seifenlösung habe 
ich bei sehr kleinen Mg-Mengen gute Resultate bekommen, bei 
0,1 mg waren die Schwankungen schon größer. Doch als ein 
schnell durchführbares, einfaches Verfahren, das doch annähernde 
Resultate gibt, will ich kurz folgendes beschreiben. Zu der 


Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 139 


Titration wird eine Na-Oleinicumlösung (hergestellt aus reinster 
Oleinsäure) verwendet, von der 1 ccm ungefähr 0,1 bis 0,05 mg Mg 
entspricht. Der Seifenlösung und ebenso der Mg-Lösung wird 
eine kleine Quantität verdünnte Natronlauge zugesetzt?!), so daß 
sie von Phenolphthalein rosa gefärbt wird. Die Titration wird 
in dem für die Ca-Bestimmung benutzten größeren Röhrchen 
durchgeführt, das Ende dadurch erkannt, daß man nach Zugabe 
der Seifenlösung mit Gummiballon und Capillare in die Lösung 
hineinbläst. Wenn die Seife in Überschuß vorhanden ist, füllt 
sich das Röhrchen mit aus kleinen Blasen bestehendem Schaum; 
während sie sich bis dahin wie destilliertes Wasser verhält. 
Das Ende der Titration ist scharf; jedoch auch zum destillierten 
Wasser muß man, damit Schaumbildung eintrete, beträchtliche 
Mengen der Seifenlösung zufügen, und darum muß das Volumen 
der Lösung nach der Titration abgemessen und die entsprechende 
Menge der Seifenlösung in Abzug gebracht werden. Die Ver- 
änderung der Alkalinität in kleinerem Maße, ebenso das Vor- 
handensein von soviel NaCl, als man bei der Analyse von tieri- 
schen Substanzen erwarten kann, beeinflussen die Resultate 
nicht. Doch fallen sie, wenn man die Seifenlösung schneller 
oder langsamer zufügt, sehr verschieden aus, und aus diesem 
Grunde kann man schon bei 0,06 bis 0,08 mg Mg keine guten 
Resultate erzielen. Die Tabelle IV dient als Beispiel, wie weit 
die Resultate entsprechen. Das destillierte Wasser war Ca-frei. 
Wenn wir zu einer 0,04 mg Mg enthaltenden Lösung, statt 
langsam vorzugehen, auf einmal 0,60 ccm Seifenlösung zugegeben 
haben, ist die verbrauchte Seifenlösung von 0,70 auf 0,79 ge- 
stiegen. 

Gute Resultate konnten wir für Mg durch Ausfällen als 
Mg(H,N)PO, und Bestimmung des in dem Niederschlag ent- 
haltenen P erreichen. Das Verfahren ist komplizierter als die 
Ca-Bestimmung, doch sind die einzelnen Operationen schnell 
ausführbar und die Analyse nimmt bedeutend weniger Zeit in 
Anspruch als das gravimetrische Verfahren im großen. Zunächst 
werden wir die Phosphorsäurebestimmung beschreiben. 

Die Phosphorsäure wird nach zweimaliger Ausfällung mit 
Ammoniummolybdat nach Woy durch Titrieren mit з /, „-Natron- 


1) Nach I. Bang. 





140 L. Dienes: 


Tabelle IV. 

Abgemessen Mg Verbrauchte Seifenlösung 
0,01 mg 0,191 ccm 
0,01 » 0,195 » 
0,02 » 0,367 » 
0,02 » 0,364 » 
0,04 » 0,707 » 
0,04 » 0,695 » 
0,06 » 0,964 » 
0,06 » 1,08 » 

Abgemessenes 

destill. Wasser 
0,75 ccm 0,035 » 
1,60 » 0,070 » 
2,3 » 0,100 » 


lauge bestimmt. Ich bin der Vorschrift von Treadwell’) ge- 
folgt, habe aber statt 50 ccm 0,5 ccm Volumen genommen. Für 
die Durchführung der Fällung und Titration werden die bei 
der Ca-Bestimmung benutzten größeren Röhrchen verwendet. 
Die nötige Menge von Ammoniummolybdat wurde in einem 
gleichen Röhrchen abgemessen, im Wasserbade erhitzt und in 
der ebenso erhitzten Mischung durch eine Capillare mit enger 
Öffnung im Strahl eingespritzt. Die zweite Fällung wird mit 
der Salpetersäure ebenso vorgenommen. Die nötigen Mengen 
der einzelnen Reagenzien zeigt die folgende nach Treadwell 
zusammengestellte Tabelle. 





Tabelle V. 
Man verwende 
Zur Fällung von Ännmoniuir: а ах Н 
mg P molybdat nitrat Salpetersäure 
ccm ccm ccm 





1) Lehrbuch d. analyt. Chemie 2, 7. Auf. S. 371. 


Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 141 


Der Niederschlag wird durch die Zentrifuge 1 mal mit dem 
vorgeschriebenen Waschwasser, dann 3 mal mit 1°/ iger KNO,- 
Lösung gewaschen. Dann wird in überschüssiger »”/ Natron- 
lauge gelöst, mit Phenolphthalein versetzt und mit "/,,-Salz- 
säure aus einer in ?/,. сост eingeteilten Bürette zurücktitriert. 
Man muß den Niederschlag mit großer Tourenzahl abzentrifu- 
gieren, sonst bleibt ein Teil des Niederschlages auf der Ober- 
fläche schwebend. 

EineNa,HPO,-Lösung, die nach gravimetrischer Bestimmung 
in einer 10 mal konzentrierteren Lösung in 1 ccm = 0.1012 mg P 
enthielt, hat nach obigem Verfahren folgende Werte gegeben: 


Tabelle VI. 
















Verbrauchte 
NaOH-Lösung 


Abgewogene 


Phosphatlösung Umgerechnet auf 


g 
0,800 






0,800 0,605 
0,500 0,379 
0,500 0,877 
0,200 0,159 
0,200 0,159 
0,100 0,082 


Der Titer der benutzten pl, Lauge war 1 cem = 0,998 "/,, 
berechnet aus den für 0,8 und 0,5 g bekommenen Werten 
und entspricht 1 eem Lauge = 0,133, mg Р!). Treadwell 
gibt 0,134, mg an?), doch bemerkt er, daß man die Natron- 
lauge z. B. bei Bestimmung des P im Stahl, mit dem gravi- 
metrisch bestimmten P einstellen muß. 

Bei kleineren P-Mengen sinkt der 1-cem Lauge entspre- 
chende P bedeutend, welcher Umstand bei der Berechnung 
unbedingt berücksichtigt werden muß. 

Zur Fällung des Mg bin ich der von Schmitz angegebenen 
Vorschrift gefolgt (nach Treadwell). Die Bestimmungen werden 
in den größeren und kleineren Quarzröhrchen ausgeführt. Zu 
der sauren Lösung habe ich ungefähr die doppelte Menge des 


1) Es wurde der Unterschied in dem spezifischen Gewicht der P- 
Lösung und des destillierten Wassers vernachlässigt. 
2) 1. е. 8. 506. 


142 L. Dienes: 


zum Ausfällen des Mg nötigen Na,HPO, zugefügt und nach 
Zugabe von etwas Phenolphthalein 1ш Wasserbade erhitzt und 
dann so viel 2,5°/ iges Ammoniak zugesetzt, bis die Flüssigkeit 
merklich rosafarbig wurde, dann eine !/, der Flüssigkeit ent- 
sprechende Menge 10°/,igen Ammoniaks. Die benutzte Na, HPO,- 
Lösung hat 1 mg P in Leem enthalten. Nach 4 bis 5 Stunden 
wurde bei größeren Mengen von Mg der Niederschlag 4 mal 
mit 0,3 bis 0,4 cem 2,5°/,igem Ammoniak mittels Zentrifuge 
gewaschen. Bei kleinen Mengen — man kann aber ebenso 
auch bei größeren Mengen verfahren — wurde die zugegebene 
Phosphatlösung genau abgemessen, das Gewicht der Röhrchen 
vor und nach dem Abpipettieren der klaren Flüssigkeit be- 
stimmt und der in der mitgewogenen Lösung zurückbleibende 
P sowie das Oxalat bei der Ca-Bestimmung durch Rechnung 
ermittelt. Der Niederschlag, im HNO, gelöst, wurde zur P- 
Bestimmung verwendet, 

Ich habe den Mg(NH,)PO,-Niederschlag іп der Flüssigkeit, 
von der er sich abscheidet oder in 2,5°/, Ammoniak kaum 
merklich löslich gefunden. Doch wegen des an der Oberfläche 
der Flüssigkeit schwimmenden Niederschlages, von dem Teile 
bei der Berührung der Oberfläche in der Flüssigkeit nieder- 
sinken, waren Verluste beim Waschen mittels Zentrifuge nicht 
vermeidbar, und ich halte dafür, den Niederschlag nicht aus- 
zuwaschen. Wahrscheinlich wäre das Geeignetste, den Nieder- 
schlag auf entsprechenden Filtern zu waschen. 


Tabelle VII. 


Der Niederschlag wurde gewaschen. 


Abgewogenes Mg Gefundenes Mg 
0,099 mg 0,099, mg 
0,099 » 0,099, » 
0,019, » 0,018, » 
0,019, » 0,018, » 

Der Niederschlag wurde nicht gewaschen. 
0,099, mg 0,099, mg 
0,098, » 0,100, » 2) 
0,019, » 0,019, » 
0,032, » 0,031, » 


1) Der Molybdänniederschlag hat sich nicht schön krystallinisch 
ausgeschieden. 


Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 143 


Die bei den mitgeteilten Analysen verwendete Ca-Lösung 
wurde durch Auflösen des reinsten CaCO, in НСІ und die 
Mg-Lösung durch Lösen von krystallinischem MgSO, hergestellt. 
Die mitgeteilten Analysen stellen komplette Analysenreihen dar. 

Bei der Analyse der tierischen Organe und des Blutes 
muß man Ca und Mg neben den organischen Substanzen von 
Fe und Р trennen. Die neben den Alkalisalzen anwesenden 
anderen Substanzen (Si, Mn) sind zum Teil in sehr kleinen 
Mengen vorhanden, zum Teil werden sie während der Analyse 
abgeschieden. Wenn man kleine Mengen tierischer Substanzen 
aufarbeitet (0,5 bis 2 р feuchtes Gewicht), verursacht die Ver- 
aschung keine Schwierigkeit. Nur muß man darauf achten, 
daß die Veraschung bei möglichst niedriger Temperatur ge- 
schehe (die Asche darf nicht schmelzen), sonst hat man mit 
dem Auflösen der Asche Schwierigkeiten. Das Auflösen gelingt 
leicht mit 1 Tropfen konz. HCl und einigen Tropfen dest. 
Wasser auf dem Wasserbade. Wenn das Fe nicht in Lösung 
geht, muß man den Inhalt des Tiegels mehrmals mit 1 Tropfen 
konz. HCl und einigen Tropfen Wasser eindampfen. Nach ge- 
lungener Lösung wird die DO verdampft, der Rückstand mit 
1 Tropfen verdünnter НСІ (®/,) und einigen Tropfen Wasser 
aufgenommen, in das Quarzröhrchen überführt und 5- bis 6 mal 
mit 4 bis 5 kleinen Tropfen Wasser nachgespült. 

Das Volumen der Flüssigkeit in den Quarzröhrchen kann 
1 bis 2 ccm sein. Dann fügen wir 0,2 bis 0,4 ccm konz. Am- 
moniumacetatlösung zu und tropfenweise so viel Fe,Cl,-Lösung, 
bis die Flüssigkeit sich stark färbt. Dann wird das Röhrchen 
im Wasserbade erhitzt, bis das Fe sich vollständig abscheidet 
(5 bis 10 Minuten), nachher kühlen wir die Röhrchen unter 
der Wasserleitung ab. Dann zentrifugieren wir sie und wägen 
sie auf der analytischen Wage, pipettieren die klare Flüssigkeit 
in einen Quarz- oder Platintiegel ab und wägen das Röhrchen 
wieder. Die Menge des Ca und Mg, die bei dem Eisennieder- 
schlag zurückbleibt, wird rechnerisch ermittelt. 

Das Fe scheidet sich gewöhnlich nicht vollständig ab, es 
bleiben 10 Tausendstel bis 1 bis 2 Tausendstel mg in Lösung. 
Doch spielt das im folgenden keine Rolle. Das Eisen wird 
mit dem Ca-Oxalat abgeschieden, doch nicht als Oxalat, und 
vermehrt den KMnO,-Verbrauch nicht. Die abpipettierte Lösung 


144 L. Dienes: 


dampfen wir ein, verjagen vorsichtig die Essigsäure und die 
Ammonsalze und verbrennen die ausgeschiedene Kohle bei 
möglichst niederer Temperatur. Starkes Erhitzen ist unbedingt 
zu vermeiden, sonst kann man das Ca kaum in Lösung bringen. 
Den Rückstand lösen wir in 1 Tropfen verdünnter НСІ, und 
zum Ausfällen des Ca bringen wir sie mit möglichst wenig 
Wasser (0,2 bis 0,3 ccm) in das Quarzröhrchen. Die von dem 
Ca-Oxalat abgenommene Flüssigkeit wird abgedampft und die 
Ammonsalze verjagt. Wenn wir das Mg mit Seife bestimmen 
wollen, ist das Vertreiben der Ammonsalze unerläßlich, und 
der Rückstand wird, nach Eindampfen mit 1 Tropfen ver- 
dünnter HCl, in Wasser aufgenommen. Wenn das Mg als 
Phosphat bestimmt wird, kann das Verjagen der Ammonsalze 
unterbleiben. In dem den Ferriphosphat und basisches Ferri- 
acetat enthaltenden Niederschlag kann der P nach dem be- 
schriebenen Verfahren bestimmt werden. 

Von meinen Analysen teile ich einige Ca-Bestimmungen 
in Blut und Blutplasma mit. Das Plasma wurde durch rasches 
Abkühlen und Zentrifugieren des Blutes hergestellt. Die Blut- 
aschelösung rührt von Blutproben her, von denen das Serum 
teilweise abpipettiert wurde. 


Tabelle УШ. 


Blut I. 
Abgemessen Gefunden Ca 
1,566 g Blut in.1 ccm Blut 0,062, mg 
0,979 » Plasma » 1 » Plasma 0,088, » 
1,371 » Blutkörperchen » 1 » Blut 0,063, » 
(Rückstand nach Abnahme (berechnet aus Plasma 
des Plasma) und Blutkörperchen) 
Blut П. 
Abgemessen Gefunden Ca 
2,657 g Blut in 1ccm Blut 0,052, mg 
1,794» » » ln » 0,053, » 
1,042 » Plasma » 1 » Plasma 0,095, » 


1,253 » Blutkörperchen » 1 » Blut 0,053, » 
wie bei Blut I berechnet wie bei Blut I 


Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 145 


Blut II. 
Abgemessen Gefunden Ca 
0,600 g Plasma in 1 ccm Plasma 0,094, mg 
1223g » » 1» ” 0,095, » 
Blutaschelösung. 

А Abgemessen Gefunden Ca Gefunden Mg 
0,396 ccm 0,038, mg 0,032, mg 
0,396 » 0,039, » 0,032, » 
0,792 » 0,071, » 0,062, » 
0,792 » 0,071, » 0,064, » 
1,477 » 0,133, » 


(berechnet auf 0,792 g Ca 0,071 mg). 


Die Bestimmungen wurden "bei allen in der Tabelle mit- 
geteilten Analysen in den größeren Röhrchen ausgeführt; davon 
rührt der erhöhte Wert bei 0,4 ccm Blutaschelösung her. In 
derselben Lösung wurden die mitgeteilten Mg-Bestimmungen 
durch Titrierung mit Seifenlösung ausgeführt. 


Quantitative Messungen über die Spaltung des , 
Hexamethylentetramins. 


Von 
Paul Trendelenburg. 


(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) 
(Eingegangen am 13. April 1919.) 
Mi 2 Abbildungen im Text. 


An der Tatsache, daß Hexamethylentetramin an sich keine 
keimtötenden Eigenschaften besitzt, sondern diese erst unter dem 
Einfluß einer bestimmten Eigenschaft des Lösungsmittels zur 
Entfaltung bringt, gehen Lehrbuch und Praxis fast ausnahms- 
los vorüber, ohne sie zu "beachten, obwohl sie sich schon aus 
den ersten Versuchen Nicolaiers!), der dieses Mittel bekannt- 
lich in die Therapie einführte, ergibt. 

Wie schon Nicolaier betont, ist es die im Molekül ver- 
steckte Komponente Formaldehyd, die, freigemacht, keimtötend 
wirkt. Der Zerfall von Hexamethylentetramin in Formaldehyd 
und Ammoniak geht aber nur bei saurer Reaktion in nennens- 
wertem Ausmaß vor sich, während bei alkalischer Reaktion 
Formaldehyd mit Ammoniak synthetisch Hexamethylentetramin 
bildet (C,H, ,N,+6H,0°56CH,0+4NH,). 

Daß Hexamethylentetramin selbst in mehrprozentiger 
Lösung tatsächlich nicht keimtötend wirkt, solange nur durch 
Alkalizusatz die Formaldehydabspaltung verhindert wird, und 
daß die Formaldehydabspaltung an die saure Reaktion des 
Lösungsmittels (des Urins) gebunden ist, zeigten neuerdings 
Hanzlic und Collins?) in ausführlichen Versuchsreihen — aber 





1) A. Nicolaier, Experimentelles und Klinisches über Urotropin. 
Zeitschr. f. klin. Med. 38, 350, 1899. 

2?) P. J. Hanzlic und R. J. Collins, Hexamethylentetramin: Ab- 
spaltung von Formaldehyd und antiseptische Kraft unter verschiedenen 


] 
P.Trendelenburg: Quantit.Mess.üb.d.Spalt.d.Hexamethylentetramins. 147 


auch ihre Versuche beschränkten sich auf die qualitative Fest- 
stellung, so daß es mir wünschenswert schien, durch weitere 
Versuche die quantitative Abhängigkeit der Hexamethylen- 
tetraminzerlegung von der Reaktion des Lösungsmittels sicher- 
zustellen. Da wir durch Arbeiten des letzten Jahrzehnts über 
die Reaktion der wichtigsten Körperflüssigkeiten genau unter- 
richtet sind, war zu erwarten, daß solche quantitative Messungen 
vielleicht Hinweise für eine rationelle Anwendung des Hexa- 
methylentetramins ergeben würden!). 


Methode. 


Da Hexamethylentetramin eine Base ist und da bei seiner 
Zersetzung die Reaktion der Lösung infolge Bildung des viel 
stärker basischen Ammoniaks die Neigung hat, sich nach der 
alkalischen Seite hin zu verschieben, war es unstatthaft, für 
die quantitative Messung des Einflusses von Acidität und Basi- 
cität auf die Hexamethylentetraminzersetzung von Lösungen 
der Substanz in Säuren und Basen wechselnder Stärke oder 
wechselnder Normalität auszugehen; die Reaktion einer 1°/,igen 
Hexamethylentetraminlösung in 0,1 n-HCl nimmt z. B. sehr 
bald infolge steigender Ammoniakbildung an Acidität ab. 
Um die Reaktion der Lösungen während der ganzen Ver- 
suchsdauer möglichst konstant zu halten, wurden deshalb 
Sörensensche Puffergemische, Gemische aus freien Säuren und 
zugehörenden Alkalisalzen usw. verwendet. Die Zusammen- 
setzung derselben und die Konzentration des Hexamethylen- 
tetramins wurde so bemessen, daß die Verschiebung der 
Reaktion während der Versuchsdauer innerhalb ganz enger 
Grenzen blieb. 


chemischen und biologischen Bedingungen. Investigations of the therap. 
research comittee of the council of pharmacy and chemistry of the 
american medical association 2, 11, 1913, und Archives of internal medi- 
cine 12, 578, 1912. Vgl. auch Fr. Hinman, Der Wert des Hexa- 
methylentetramins als inneres Antisepticum in anderen Körperflüssig- 
keiten als dem Urin. Archives of internal medicine 13, 841, 1914. 

1) Aus einem Referat im Chemischen Zentralblatt 77, 1087, 1906 
entnehme ich, daß R. Ischidzu und Т. Inouye (Journ. of Pharmac. 
Soc. of Japan) Versuche über die Hexamethylentetraminzersetzung durch 
verschieden starke Säuren ausführten. Die Originalarbeit war mir nicht 
zugänglich. 

Biochemische Zeitschrift Band 9. 11 


148 P. Trendelenburg: 


Alle Versuche wurden bei 38° durchgeführt, die Dauer 
betrug maximal 6 Stunden. 

Der aus dem Hexamethylentetramin abgespaltene Form- 
aldehyd gibt, wie erwähnt, den Lösungen die keimtötende Eigen- 
schaft. Es lag deshalb nahe, jeweils die Mengen freigeworde- 
nen Formaldehyds unmittelbar zu analysieren. Aber dahin 
gerichtete Versuche stießen auf große Schwierigkeiten. Die ge- 
nauen quantitativen Formaldehydbestimmungen, z. B. die 
Romijnsche Methode), oder die in das Deutsche Arzneibuch 
aufgenommene Lemmesche Methode geben zwar mit reinen 
wäßrigen Formaldehydlösungen sehr gute Ergebnisse — sie 
versagen aber, wenn neben dem nachzuweisenden Formaldehyd 
Ammoniumsalze vorhanden sind. Diese Methoden arbeiten bei 
natronalkalischer Reaktion: daher verbindet sich ein Teil des 
freigewordenen Ammoniaks rückläufig mit Formaldehyd zu 
Hexamethylentetramin, und die erhaltenen Werte fallen, wie 
ich durch Kontrollversuche feststellte, viel zu gering aus. Eben- 
so unbefriedigend verliefen Versuche, die Additionsprodukte, 
die sich bei Zugabe von Anilinwasser oder Hydrazinsalzlösung 
bilden, abzuscheiden und zur Wägung zu bringen; schon bei 
rein wäßrigen, einigermaßen verdünnten Formaldehydlösungen 
haben diese Methoden sehr weite Fehlergrenzen, sie sind bei 
Gegenwart von Ammoniumsalzen ganz unquantitativ. 

Deshalb wurde von einer unmittelbaren Formaldehyd- 
bestimmung in den Systemen Hexamethylentetramin -+ Form- 
aldehyd + Ammoniumsalz abgesehen und zunächst nur die Menge 
des zerlegten Hexamethylentetramins bestimmt. Zwei Wege 
standen offen: einmal die Messung des übrigbleibenden Hexa- 
methylentetramins und zweitens die Bestimmung der gebilde- 
ten Ammoniakmenge. 

Hexamethylentetramin wird durch Sublimatlösung auch 
aus recht verdünnten Lösungen quantitativ gefällt. Der Ver- 
such, aus der nach Kjehldahl bestimmten N-Menge des ab- 
filtrierten Niederschlags Auskunft über die in der Lösung vor- 
handen gewesene Hexamethylentetraminmenge zu erhalten, 
schlug aber fehl, da Sublimat bei Gegenwart von Chloriden, 


1) 9. Romijn, Über die Bestimmung des Formaldehyde, Zeitschr. 
f. anal. Chem. 86, 18, 1897. 


Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 149 


alsb auch von Ammoniumchlorid, das in den meisten Reaktions- 
gemischen zugegen war, nicht quantitativ fällt und daher ein 
sehr großer Prozentteil des Hexamethylentetramins sich der 
Analyse entzieht?). 

Es gelang dagegen, auf folgende Weise den aus dem 
Hexamethylentetramin freigewordenen Ammoniak neben unzer- 
setzter Substanz und neben Formaldehyd quantitativ zu bestimmen. ` 
Das Reaktionsgemisch wurde in siedende starke Natronlauge 
gegeben; diese läßt Hexamethylentetramin, wie ich bei Kon- 
trollversuchen fand, völlig unverändert und spaltet aus ihm 
keinen Ammoniak ab?), dagegen wird Formaldehyd von ihr so 
rasch oxydiert, daß eg sich nicht mit gleichzeitig zugegebenem 
Ammoniak zu Hexamethylentetramin verbinden kann. Wie 
die auf S. 162 mitgeteilten Kontrollversuche, bei denen Form- 
aldehyd + Ammoniumsalzlösung in die siedende Natronlauge ge- 
tropft wurde, zeigen, geht die gesamte zugegebene Ammoniak- 
menge unvermindert in das Destillat über. 

Die Apparatur bestand aus einem mit etwa 100 ccm 
ca. 5°/,iger Natronlauge beschickten Kjeldahlkolben, in dessen 
Hals ein Tropftrichter und ein mit Liebigschem Kühler und 
Vorlage verbundener Destillieraufsatz eingefügt war. Aus dem 
Tropftrichter wurde die auf NH, zu untersuchende Mischung 
in die lebhaft siedende Lauge eingetropft, nachdem die Vor- 
lage mit 0,1 n-HCl beschickt worden war; der Tropftrichter 
wurde mit destilliertem Wasser nachgespült. 

Die auf diese Weise erhaltenen Hexamethylentetramin- 
zersetzungskurven bedurften noch einer Ergänzung. Neben 
der Gleichung 1 Hexamethylentetramin = 6 Formalde- 
hyd + 4 Ammoniak können unter gewissen Bedingungen 
andere -Spaltungen verlaufen, die zu Methylamin oder Kohlen- 
säure führen?). In diesem Falle würde also die freigemachte 


1) Vgl. hierzu F. Schröter, Zur Methodik der quantitativen Be- 
stimmung des Hexamethylentetramins (Urotropins) im Harn, Arch. f. ex- 
perim. Pathol. u. Pharmakol. 64, 161, 1911. 

2) Die Beständigkeit des Hexamethylentetramins gegen siedende 
starke Natronlauge wurde auch von A. Wöhlk (Zur Untersuchung des 
Urotropins [Hexamethylentetramins], Zeitschr. f. anal. Chem. 44, 765, 
1905) nachgewiesen. 

®) Vgl. die angeführte Arbeit von R. Ischidzu und T. Inouye. 

11* 


150 P. Trendelenburg: 


Formaldehydmenge hinter der theoretisch möglichen Menge 
zurückbleiben. Um’ darüber Auskunft zu erhalten, ob solche 
Nebenreaktionen unter meinen Versuchsbedingungen in erheb- 
lichem Maße vorkommen, wurde in den Versuchen der 1. 
bis 7. Reihe wiederholt das Destillat auf Methylamin (Ge- 
ruchsprobe nach Zusatz von NaOH und Erwärmen) geprüft; 
es war in keinem Falle Methylamin nachzuweisen. Zweitens 
wurde nunmehr die freigemachte Menge Formaldehyd colori- 
metrisch bestimmt. Zu diesem Zweck wurde die zu prüfende, 
gegebenenfalls verdünnte Lösung mit gleichen Teilen einer 
Lösung von 1°/, Phloroglucin in 33°/, Natronlauge!) zugesetzt. 
Formaldehyd gibt mit dieser Jorissenschen Phloroglucinlösung 
eine schöne Rotfärbung, die eine quantitative Messung ermög- 
licht, da ihre Kraft und die Zeit bis zu ihrem Auftreten der 
Formaldehydkonzentration parallel geht. Da ich bei den Ver- 
suchen, den Formaldehyd in den Reaktionsgemischen chemisch 
zu bestimmen, gesehen hatte, daß diese Substanz in kalter, 
natronalkalischer Lösung nicht quantitativ nachzuweisen war, 
da ein Teil derselben sich mit dem aus dem Ammoniumsalz 
des Reaktionsgemisches freigewordenen Ammoniak rückläufig 
zu Hexamethylentetramin verband, vermutete ich, daß auch 
die Jorissensche Probe bei Anwesenheit von Ammoniak zu 
kleine Werte liefern würde. Dies ist tatsächlich der Fall?): 
Formaldehyd + Ammoniumsalz іп der aus der Gleichung folgen- 
den Menge gibt mit dem Reagens eine erheblich schwächere 
Färbung als Formaldehyd allein. Aus diesem Grund wurde 
die colorimetrische Formaldehydbestimmung folgendermaßen 
ausgeführt. Das Reaktionsgemisch wurde mit einer Lösung 
verglichen, die neben der vollen, aus der zuvor gewonnenen 


1) 33°/,ige NaOH ist der bisher immer empfohlenen 10- bis 15°/,igen 
NaOH vorzuziehen. In "hr löst sich das Phlorogluein nicht wie in jener 
mit violetter Farbe auf, sondern die Lösung ist und bleibt farblos, wo- 
durch die Schärfe der Reaktion gewinnt. Über die Violettfärbung von 
Phloroglucin in 15°/,iger NaOH auszuführen, vgl. E. Salkowski, Zum 
Verhalten des Urotropins und Formaldehyds im Organismus, diese 
Zeitschr. 87, 143, 1918. 

2) Hieraus folgt, daß die neuerdings wiederholt empfohlene Methode, 
Formaldehyd im Harn durch Colorimetrie mit Jorissenschem Reagens 
quantitativ zu messen, unzuverlässig ist. 


Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 151 


Hexamethylentetraminzersetzungskurve bestimmten, in der je- 
weils vorliegenden Probe des Reaktionsgemisches enthaltenen 
Ammoniumsalzmenge 100, 90, 80 und 70°% der nach der 
Gleichung maximal möglichen Formaldehydmenge enthielt. Alle 
Versuche fielen eindeutig aus: stets enthielt das Reaktions- 
gemisch sicher mehr als 70 oder 80°/, der theoretisch mög- 
lichen Formaldehydmenge, meist bestand Farbgleichheit mit 
der 100°/,igen Vergleichslösung, gelegentlich mit der 90°/,igen. 
Unter meinen Versuchsbedingungen wird also das Hexamethylen- 
tetramin sicher zum ganz überwiegenden Anteil nach der 
Gleichung С,Н,, №, + 6H,0=6CH,0-+-4NH, gespalten, Neben- 
reaktionen sind nicht nachweisbar. 


Spaltung des Hexamethylentetramins in Lösungen 
abnehmender Acidität. 


Die Ergebnisse der ersten 9 Versuchsreihen, deren ana- 
lytische Daten im experimentellen Teil der Arbeit mitgeteilt 
werden, sind in Kurve 1 und 2 graphisch dargestellt. 

In Kurve 1 sind auf der Abszisse die Zeiten in Minuten 
(Ende der Versuche maximal nach 6 Stunden) und auf der 
Ordinate die Prozente zersetzten Hexamethylentetramins ein- 
gezeichnet, zu jeder Kurve ist weiter die zugehörende Acidität, 
ausgedrückt als Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration = 
рн, angegeben). Kurve 2 ist aus den gleichen Ordinatenwerten 
gewonnen, doch sind auf der Abszisse hier die Logarithmen 
der Wasserstoffionenkonzentration wiedergegeben; einige physio- 
logisch wichtige Wasserstoffionenwerte wurden eingetragen. 

Aus beiden Kurven ist die starke Abhängigkeit der Hexa- 
methylentetraminzerlegung von der Wasserstoffionenkonzen- 
tration klar zu erkennen: ist z. B. die H-Ionenkonzentration 
0,1 п (рн also=1,0), so werden in 6 Stunden etwa gerade 
100°/, der Substanz zerlegt, in 0,001 n-H-Ionen (pu also 3,0) 
sinkt der zersetzte Anteil auf etwa 43°/,, in 0,00001 р (рн = 


1) Die Bestimmung der H-Ionenkonzentration wurde durch Colori- 
imetrie nach Indicatorenzusatz (Sörensen) ausgeführt. Die Vergleichs- 
puffergemische konnte ich im technologischen Institut bei Herrn Prof. 
Біевепѓе1а auf ihren richtigen H-Ionenwert elektrometrisch prüfen; 
Herrn Prof. Riesenfeld danke ich auch hier für seine Unterstützung. 


152 P. Trendelenburg: 


5,0) auf etwa 10°/,, um bei neutraler Reaktion (pa = 6,75) 


die Abszisse fast zu erreichen. 
FIRE. 
„Т 













| 
TE 
ИИТ. 
ТИТР 
ШШЕ 


| 

















Kurve 1. Zersetzung des Hexamethylentetramins in Lösungen fallender 
Azidität, bei 38°. 
Ordinate: °/, des Hexamethylentetramins zerlegt. 
Abszisse: Zeit in Minuten. 


Kurve 1:рн zu Beginn = 0,5 ; am Ende 0,6 


n 2:» n n = 0,7 » n 0,8 
n Bin оял = 1,0 a 11 
n 4:» т ” == 1,7 n n 1,7 
n Šin n n = 2,6 » n 26 
n 6:n n n = 3,9 » ns 4,0 
n Tin n n = 5,2 n n 52 
n Bin n n = 6,8 n n 6,8 
n Lin n n = 6,75 n n 6,75. 


Aber auch bei genau neutraler Reaktion (wie sie in der 
9. Reihe des experimentellen Teiles vorlag) wird noch ein 
quantitativ meßbarer Anteil des Hexamethylentetramins ge- 
spalten: nach 60 Minuten sind 0,3 und nach 360 Minuten 
0,9°/, gespalten. Da es wegen der schwach alkalischen Reaktion 
mancher Körperflüssigkeiten (s. unten) von Wichtigkeit war, 


Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 153 


das Verhalten der Substanz noch weiter im alkalischen Gebiet 
zu verfolgen, wurden geeignete, zunehmend alkalische Puffer- 
gemische mit Hexamethylentetramin versetzt und mit der sehr 
empfindlichen Phloroglucinprobe, die eine Formaldehydkonzen- 
tration 1:1000000 noch anzeigt, auf Formaldehydabspaltung 
geprüft. Betrug рн zwischen 6,75 (= neutral) und 8,75 (erheb- 





Kurve 2. Abhängigkeit der Hexamethylentetraminzerlegung von der 
H-Ionenkonzentration. 
Ordinate: °/, des zugegebenen Hexamethylentetramins zerlegt 
A.: nach 1 Stunde bei 38°; 
B.: nach 6 Stunden bei 38°. ' 
Abszisse: Logarithmen der H-Ionenkonzentrationen. 


liche Rosafärbung mit Phenolphthalein!), so fiel die Reaktion 
sowohl 6 Stunden wie 1 Stunde nach Beginn positiv aus. Bei 
рн 9,0 war der Ausfall der Probe nach 1 Stunde negativ, nach 
6 Stunden positiv, und erst bei pa 9,1 konnte auch nach 
6 Stunden langer Beobachtungszeit kein Formaldehyd mehr 
nachgewiesen werden (vgl. experimenteller Teil). 

Hiernach wird Hexamethylentetramin,. entgegen 
der meist geäußerten Ansicht, auch noch bei neutraler 
und schwach alkalischer Reaktion der Lösung in ge- 
ringem Umfang gespalten. Dies Ergebnis deckt sich mit 


154 P. Trendelenburg: 


den Resultaten, die Hölst!) veröffentlichte: er konnte in 
Puffergemischen, die 0,2°/, Hexamethylentetramin enthielten, 
auch dann Formaldehyd qualitativ (nach Jorissen usw.) nach- 
weisen, wenn рн der Gemische im alkalischen Gebiet lag; 
auch in diesen Versuchen lag die Grenze etwa bei рн 9,0 
(Temperatur 37°, mehrstündige Beobachtungsdauer). 

Um einen näheren Einblick in die Abhängigkeit der Hexa- 
methylentetraminabspaltung von der H-Ionenkonzentration zu 
erhalten, wurden die Geschwindigkeitskonstanten der 
Hexamethylentetraminzerlegung für die verschiedenen 
Versuchsreihen berechnet. Ist es doch von zahlreichen Re- 
aktionen, deren Ablauf katalytisch durch Wasserstoffionen 
beeinflußt wird — ich erinnere nur an die Förderung der Rohr- 
zuckerinversion durch H-Ionen —, bekannt, daß die Ge- 
schwindigkeitskonstante in direkter Proportion zur, H-Ionen- 
konzentration steht. 

Da die Hexamethylentetraminzerlegung eine monomoleku- 
lare Reaktion ist, gilt für die Berechnung der Geschwindig- 

a 

а— r 
Ausgangskonzentration, x die zur Zeit t zerlegte Menge bedeutet. 
Wie aus den S. 162f. mitgeteilten Daten zu ersehen ist, waren 
die verschieden lange Zeit nach Versuchsbeginn innerhalb jeder 
Reihe erhaltenen Werte für k nicht ganz gleich groß; stets 
war ein Gang vorhanden derart, daß k mit zunehmender Zeit- 
dauer etwas kleiner wurde. Die Ursache hierfür liegt zum 
Teil zweifellos darin, daß trotz der vorhandenen Puffer die 
Reaktion des Gemisches sich langsam etwas nach der alkali- 
schen Seite hin verschob, die Konzentration des Katalysators 
also etwas schwächer wurde. Aber da der Gang der k-Werte 
besonders in den letzten Versuchsreihen bei geringer Acidität 
und geringer Hexamethylentetraminspaltung besonders ausge- 
Sprochen war, hier aber die Reaktionsverschiebung nur außer- 
ordentlich gering gewesen sein kann, müssen noch andere, 
nicht zu erklärende Ursachen (Nebenreaktionen?) im Spiel ge- 
wesen sein. 


keitskonstante k die Formel / = 1/t log nat 





, wobei a die 


1) H. J. Hölst, Über Urotropin. als Desinfiziens der Harnwege, 
‚Zeitschr. f. klin. Med. 81, 266, 1915. 


Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 155 


Immerhin liegen die für verschiedene Zeiten innerhalb 
jeder Reihe gewonnenen Werte nahe genug beieinander, um 
die mittleren Geschwindigkeitskonstanten zu den H-Ionenkonzen- 
trationen in Beziehung setzen zu können. Es ergab sich: 


Versuchs- H-Ionen- Geschwindigkeits- Н 
геїһе konzentration konstante (t) K 
1 0,25 n 0,035 (40) 7,1 
2 0,16 п 0,020 (60) 8,0 
3 0,08 n 0,012 (60’— 200’) 6,6 
4 0,02 n 0,0054 (150) 3,7 
5 0,0025 n 0,0025 (200) 1,0 
6 "0,0001 п 0,00075 (250°) 0,13 
7 0,0000064 n 0,00024 (360') 0,03 
8 0,0000005 n 0,000082 (135’) 0,006 


Entgegen der Erwartung besteht also keine unmittelbare 
Proportionalität zwischen Geschwindigkeitskonstante und H- 
Ionenkonzentration; die Geschwindigkeitskonstanten sind viel- 
mehr bei niederer H-Ionenkonzentration weit höher als nach 
den bei hohen H-Ionenkonzentrationen erhaltenen Werten zu 
erwarten war. 


Folgerungen. 


Während seines Durchgangs durch den Körper wirken 
vier verschieden hohe’ H-Ionenkonzentrationen auf das Hexa- 
methylentetramin ein; deren Einwirkung sei im folgenden be- 
trachtet. 

Die H-Ionenkonzentration im Mageninhalt ist in der 
letzten Zeit häufig gemessen worden, sie liegt meist bei 0,1 
bis 0,01 n-H-Ionen [рн also 1,0 bis 2,0%). In diesem Azidi- 


1) Die H-Ionenkonzentration des menschlichen Magensaftes liegt 
nach F. Tangl bei 0,02 bis 0,03g H im Liter (Untersuchungen über 
die Hydrogenionenkonzentration im Inhalt des nüchternen menschlichen 
Magens, Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 64, 1906). М. N. Menten 
fand bei einem Kind mit Magenfistel nach Ösophagusstenosierung 0,12 
bis 0,01 (Acidität des unverdünnten normalen Magensaftes bei einem Fall 
mit Magenfistel, Journ. of Biolog. Chem. 12, 341, 1915). Werte gleicher 
Größenordnung beobachteten beim Hunde mit MagenblindsackP.Fraenkel 
(Die Wasserstoffionenkonzentration des reinen Magensaftes und ihre Be- 
ziehungen zur elektrischen Leitfähigkeit und zur titrimetrischen Acidität. 


156 P. Trendelenburg: 


tätsbereich wird Hexamethylentetramin in kurzer Zeit sehr 
stark gespalten: nach 1 Stunde sind etwa 53 bis 25°/,, nach 
6 Stunden etwa 100 bis 70°/, des zugesetzten Hexamethylen- 
tetramins zerlegt (vgl. Kurve 2). Zweifellos wird also beim 
Durchgang durch den sauren Mageninhalt ein beträchtlicher 
Teil der Substanz in Formaldehyd und Ammoniumsalz über- 
geführt. 

Die Reaktion des Darmsaftes liegt, wie Messungen von 
Auerbach und Pick!) ergaben, nicht weit jenseits des neutralen 
Punktes im alkalischen Gebiet, рн des Darmsaftes beträgt 
zwischen 7,5 und 8,0, der Wert liegt dicht bei dem normalen 
Blutwert. Bei solchen H-Ionenkonzentrationen — durch Phenol- 
phthalein wird Darmsaft nicht oder kaum gerötet! — ist die 
Hexamethylentetraminspaltung zwar noch vorhanden, aber, wie 
oben erwähnt wurde, so gering, daß sie nur qualitativ zu fassen 
ist — mehr als 1°/, des zufließenden Hexamethylentetramins 
dürfte vor der Resorption im Dünndarm sicher nicht gespalten 
werden. / 

Von besonderem Interesse ist die Frage, ob die Substanz 
im zirkulierenden Blute zerlegt wird, denn in diesem Falle 
könnte den klinischen Versuchen, mit Hexamethylentetramin 
Septicämien zu heilen, eine experimentelle Grundlage geschaffen 
werden. Die Reaktion des arteriellen Blutes ist aus zahl- 
reichen Einzelbestimmungen, die mit verschiedenen Methoden 
erhalten wurden, genau bekannt: das ärterielle Blut hat eine 


Zeitschr. f. experim. Pathol. u.. Therap. 1, 431, 1905) und R. Rose- 
mann (Die Wasserstoffionenkonzentration des Magensaftes, Arch. f. 
d. ges. Physiol. 169, 188, 1917); nämlich 0,06 bis 0,07 bzw. 0,106 
bis 0,16. Aus Angaben und Kurvenbeispielen, die L. Michaelis bringt 
(L. Michaelis und H. Davidsohn, Die Bedeutung und die Messung 
der Magensaftacidität, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. 8, 398, 
1911, und L. Michaelis, Die Methode der elektrometrischen Titration 
und ihre Anwendung auf den Magensaft, diese Zeitschr. 79, 1, 1917), 
ergibt sich für den Mageninhalt nach Probefrühstück eine Acidität von 
meist 0,028 bis 0,0015 n-H-Ionen. Nach Johanne Christiansen 
(Untersuchungen über die freie und gebundene Salzsäure im Magensaft, I, 
diese Zeitschr. 46, 24, 1912) liegt der Durchschnittswert zahlreicher 
Einzelmessungen bei 0,026 n, der Höchstwert bei 0,074 n-H-Ionen. 

1) Fr. Auerbach und H. Pick, Die Alkalität von Pankreassaft 
und Darmsaft lebender Hunde. ‚Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheits- 
amt 43, 155, 1913. 


Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 157 


рн von 7,35 !). Pufferlösungen mit dieser H-Ionenkonzentration 
zerlegen qualitativ nachweisbare Anteile von Hexamethylen- 
tetramin, und wenn Blutserum mit 0,5°/, Hexamethylentetramin 
versetzt wird, so ist nach ein- bis mehrstündigem Aufenthalt 
im körperwarmen Raum Formaldehyd mit der Phloroglucin- 
probe nachzuweisen. Dagegen ist es bisher noch nicht ge- 
lungen, im Blutserum von Tieren, die Hexamethylentetramin 
einnahmen, Formaldehyd nachzuweisen?) — ob die Ursache hier- 
für in zu niedriger Hexamethylentetraminkonzentration im Blute 
liegt, oder ob der abgespaltene Formaldehyd im Organismus 
zu rasch oxydiert wird, ist noch unentschieden. Jedenfalls 
ist das Problem, die Blutflüssigkeit des lebenden Tieres durch 
Hexamethylentetraminzufuhr zu sterilisieren, durch weitere ex- 
perimentelle Arbeit zu verfolgen. 

Da das Hexamethylentetramin in alle Körperflüssigkeiten, 
z. B. Galle, Schweiß, Speichel, Cerebrospinalflüssigkeit, Milch 
übergeht — ja es soll durch Verfüttern von Hexamethylen- 
tetramin bei Hühnern eine dauernde Konservierung der geleg- 
ten Eier zu erzielen sein! — und da diese Körperflüssigkeiten 
sicher nicht nennenswert alkalischer, z. T. sogar saurer als das 
Blut reagieren, besteht auch für diese die theoretische Mög- 
lichkeit einer Sterilisation; doch ist es bisher nicht gelungen, 
in den genannten Flüssigkeiten nach Einnahme von Hexa- 
methylentetramin Formaldehyd aufzufinden, während Liquor 
cerebrospinalis, Ascites, Zysteninhalt, denen !/,, bis !/,°/, Hexa- 
methylentetramin zugesetzt worden war, nach ein- bis fünf- 
stündigem Stehen bei 37,59 positive Formaldehydreaktion 
geben?). 


1) Z. В. К. A. Hasselbalch, Die Berechnung der Wasserstoffzahl 
des Blutes aus der freien und gebundenen Kohlensäure derselben und 
die Sauerstoffbindung des Blutes als Funktion der Wasserstoffzahl, diese 
Zeitschr. 78, 112, 1916. 

2) P, J. Hanzlic und R. J. Collins, a. a. О. In eigenen Versuchen 
konnte ich hingegen diese Formaldehydabspaltung in Blutserum nicht 
finden. Über diese Versuche werde ich in der Münch. med. Wochenschr . 
demnächst berichten. 

з) P. J. Hanzlic und R. J. Collins, Frank Hinman, Der Wert 
des Hexamethylentetramins als internes Antisepticum, Arch. of internal 
Medicine 18, 841, 1914; Н. Vindevogel, nach Malys Jahresberichten 
82, 124, 1902. 


158 P. Trendelenburg: 


Neben dem Magensaft ist der Harn die einzige Körper- 
flüssigkeit, die stärker saure Reaktion erreichen kann; nur in sel- 
tenen Fällen sinkt die Acidität bis zum neutralen Punkt, ooch 
seltener wurde eine schwach alkalische Reaktion gefunden, wenn 
frische Harne, die der ammoniakalischen Zersetzung nicht unter- 
legen waren, verwendet wurden. Die Minimalwerte der H-Ionen- 
konzentrationen liegen etwa beim Blutwert. In folgender Tabelle 
gebe ich eine aus älteren und neueren Untersuchungen gewonnene 
Übersicht. 


Beobachter Maximalwert A ы: дг Minimalwert 

у. Вһогег!). . . De — 5,5 — 
НёЬегў .... ру 5,0 5,3 6,3 
Ringer?) .... Рн 4,96 5,56 6,99 
Henderson‘) . . De 5,5 6,2 7,5 
Hanzlie und Col- 

Det Ze ен De 4,5 6,4 1,4 
Henderson und 

Palmer‘) `, . . Рн 4,8 6,0 7,5 


Aus der Übersicht folgt, daß die H-Ionenkonzentration 
normaler Harne innerhalb sehr weiter Grenzen liegt: enthält 
doch ein dem maximalen Aciditätswert sich nähernder Harn 
über 100 mal so viel H-Ionen als ein neutraler oder schwach 
alkalischer Urin. Hieraus aber ergibt sich, daß die Geschwindig- 
keit, mit der Hexamethylentetramin im Harne zerlegt wird, 
außerordentlich verschieden sein muß. Nach Kurve 2 wird bei 
Pu 7,5 innerhalb 6 Stunden bei 38° höchstens 1°/,, bei pp 5,0 
in der gleichen Zeit dagegen rund 10°/, des zugegebenen Hexa- 

1) L. v. Rhorer, Die Bestimmung der Harnacidität auf elektro- 
metrischem Wege. Arch. f. d. ges. Physiol. 86, 586, 1901. 

з) R. Höber, Die Acidität des Harnes vom Standpunkte der Ionen- 
lehre. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 3, 525, 1903. 

3 W. E. Ringer, Die Acidität des Harnes. Zeitschr. f. physiol. 
Chem. 60, 341, 1909. 

4) Lawr. T. Henderson, Messungen der normalen Harnacidität, 
diese Zeitschr. 24, 40, 1910. 

5) P. J. Hanzlic und R. J. Collins, а. а. О. 

©) Lawr. J. Henderson und W. W. Palmer, Über die Höhe der 
Harnacidität unter normalen und pathologischen Bedingungen. Journ. 
of biolog. Chem. 13, 393, 1912. 


Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins.. 159 


methylentetramins gespalten. Die Aussichten, den Blaseninhalt 
antiseptisch zu beeinflussen, werden also sehr viel günstigere 
sein, wenn wir für eine ausreichende, möglichst für eine opti- 
male Acidität des Urins Sorge tragen. 


Zusammenfassung. 


Es wurde die Abhängigkeit der Hexamethylentetramin- 
spaltung in Formaldehyd und Ammoniak von der Acidität 
der Lösung quantitativ verfolgt. Hohe Wasserstoffionenkonzen- 
trationen begünstigen die Zerfallsgeschwindigkeit sehr stark, so 
daß in einer Lösung mit einer der "/,,-НСІ entsprechenden 
H-Ionenkonzentration bei 38° das gesamte Hexamethylentetra- 
min in etwa 6 Stunden völlig abgebaut ist. Die Geschwindig- 
keit der Reaktion sinkt mit fallender H-Ionenkonzentration, 
doch nicht proportional dieser, sondern langsamer. Auch in 
neutraler Lösung, also bei gleichem Gehalt der Lösung an H- 
und OH-Ionen wird noch ein meßbarer Anteil des Hexamethylen- 
tetramins zerlegt (innerhalb 6 Stunden bei 38° etwas unter 1°/,). 
Der qualitative Nachweis fällt erst bei erheblich alkalischer 
Reaktion der Lösung negativ aus (bei 6 Stunden langer Ein- 
wirkung und 36° liegt die Grenze etwa bei 1-10”? g H-Ionen/L, 
eine solche Lösung wird durch Phenolphthalein stark gerötet). 

Hieraus folgt, daß die Substanz im Magen zu einem sehr 
beträchtlichen Teil zerlegt wird. Eine wenn auch nur geringe 
Spaltung muß auch im Darminhalt, dem Blute und in den 
anderen Körperflüssigkeiten, wie Liquor cerebrospinalis, Humor 
aquaeus, Milch, vor sich gehen, da diese Flüssigkeiten schwächer 
alkalisch reagieren als der genannte Grenzwert (sie werden 
durch Phenolphthalein nicht gerötet!). Es bleibt aber eine offene 
Frage, ob sich Hexamethylentetramin in diesen Körperflüssig- 
keiten bei lebendem Organismus so stark anreichern läßt, daß 
in ihnen die baktericide Formaldehydgrenzkonzentration erzielt 
werden kann. Die Aussichten, durch Hexamethylentetramin- 
therapie den Blaseninhalt zu sterilisieren, sind bei optimaler 
Harnacidität außerordentlich viel bessere als bei pessimaler Harn- 
acidität (= neutraler oder ganz schwach alkalischer Reaktion). 
Denn die den Hexamethylentetraminzerfall ausdrückende Ge- 
schwindigkeitskonstante hat bei optimaler Harnacidität einen 
über 10 mal so hohen Wert als bei neutraler Reaktion. 


160 


Experimenteller Teil. 


P. Trendelenburg: 


1. Zerlegung des Hexamethylentetramins in Puffer- 


gemischen fallender Acidität. 


1. Reihe. 
0,29%, Hexamethylentetramin in Si, HO + ®/,-Glykokoll, 8++ 2 


nach 10 ір 20,0 ccm = 6,8 mg NH,; 32,4°/, des Hexamethylentetramins zerlegt 


» 50 
» 70 
„ 90 
» 120° 


nach 15’ 
a 55 
» 105 
n 155 


nach 25’ 
n 75 
n 125 
» 177° 
295’ 
360’ 


з 


n 20,0 » 
15,0 » 


n 
» 20,0 » =179 » 
n 


20,0 n 


= 15,6 
= 12,7 


== 18,8 


NH, ; 80,1%), 
МН,; 86,9%, 
NH,; 92,09, 
NH,; 96,8), 


2. Reihe. 
0,2%, Hexamethylentetramin in sl, DO -+"/,-Glykokoll, 7 -+3 


n 
n 
n 


n 
H 
n 


іп 15,0 ccm = 4,5 mg NH,; 30,9°/, des Hexamethylentetramins zerlegt 
» 15,0 » = 9,7 » NH,; 66,79%, » 
= 12,4 n МН,; 86,29, » 
„ 15,0 a = 18,7 n NH,; 93,6%, » 


n 15,0 » 


3. Reihe. 
0,29%, Hexamethylentetramin in ?/ HO + ?/,-Glykokoll, 6+4 


n 


n 


” 


in 20,0 ccm = 5,9 mg МН, ; 30,4°/, des Hexamethylentetramins zerlegt 


» 15,0 » 
n 15,0 » 
» 15,0 


» 15,0 


n 
n 15,0 » = 
n 


= 8,7 


n 


n 
n 
n 
n 


МН,; 59,50), 
NH,; 76,69, 
NH,; 88,20], 
МН,; 96,5%, 
МН, ; 98,3%), 


4. Reihe. 
0,2%, Hexamethylentetramin in =/,-HC1 -+ ®/,-Glykokoll, 5 LS 


3 3 a з 


з з зз 


a зз a 


nach 20’ іп 20,0 ccm = 2,7mg NH,; 13,69, des Hexamethylentetramins zerlegt 


n 65 
120’ 
190’ 
250’ 
305’ 
360’ 


з з з з з 


nach 30’ 
n 90 
» 165 
n 230’ 
n 360’ 


n 20,0 n 
„ 20,0 n 
» 15,0 » 
n 15,0 » 
» 15,0 » 
n 15,0 » 


іп 25,0 com 


n 25,0 » 
n 20,0 n 
n 25,0 n 


== 6,6 
= 9,6 
= 92 
= 10,4 


33333 


n 20,0 » =102 » 


МН,;; 83,89, 
МН,; 49,19, 
МН,; 63,29, 
МН,; 71,49% 
МН,; 77,8), 
МН,; 84,2%, 


5. Reihe. 


0,2%, Hexamethylentetramin in °/,-НСІ + ?/,-Glykokoll, 3 +7 
9,3°/, des Hexamethylentetramins zerlegt 


= 2,2 mg NH;; 

= 5,1 » МН,; 21,0%, 
= 68 » МН,; 35,19, 
=10,0 a NH,; 41,1%, 


МН,; 52,69), 


з 33333 


n 


n 
n 
n 


n 


з a a a a 


n 
n 
n 


ER ve d TR 


kad 
n 
”n 


Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 161 


6. Reihe. 
1°/, Hexamethylentetramin in n-Essigsäure 
nach 15’ in 25,0 ccm = 7,8mg NH,; 3,1°/, des Hexamethylentetramins zerlegt 


» 30 n» 20,0 n = 45» NH; 47% » n n 
» 60 n» 25,0 » = 8,5 » МН,; 70% » n S 
» 120 » 20,0 » =10,9 » NH,; 11,2%, » ” я 
» 185° » 20,0 » = 11,4 n МН,; 11,79%, » ” H 
„ 180° » 20,0 » =18,7 » NH,; 140%, » » H 
» 310° » 20,0 » =186 » NH,; 19,1%, » » л 
» 360° » 20,0 » =20,5 » NH,; 21,1%, » n n 


7. Reihe. 


19/, Hexamethylentetramin in */,,-Essigsäure + ”/,„-Natriumacetat, 1 + 1 
nach 37’ in 25,0 com = 2,7 mg NH,; 2,2°/, des Hexamethylentetramins zerlegt 


n 60 » 20,0 n = 2,9 n NH. 3,0%, n ” ы 

n 95° n 25,0 n = 42» МН,; 34% „ ” * 

» 140 „ 20,0 n = 48» МН,; 45% » n # 

» 800° » 20,0 » = 6,4» МН,; 6,7%, » 7 т 

n 360° » 20,0 » = 7,8 » МН,; 8,19, » n ” 
8. Reihe. 


1°/, Hexamethylentetramin in ®/, prim. +”/, sek. Natriumphosphat, 8 + 2 
nach 60’ in 20,0 ccm = 0,7mg МН,; 0,7°/, des Hexamethylentetramins zerlegt 


» 135° » 20,0 » = 1,1» NH; 11% » n ” 

„ 320 » 20,0 » = 1,4» МН,; 1,59, » Р e 

n 860 n 20,0» = 1,4» МН,; 1,5% » a e 
9. Reihe. 


1°/, Hexamethylentetramin in */, prim.+-®/, sek. Natriumphosphat, 1+1 
nach 60’ іп 20,0 ccm = 0,3mg МН,; 0,3°/, des Hexamethylentetramins zerlegt 


» 185° » 200» = 0,5 » NH; 05% » в e 

» 190° » 20,0 » = 0,6 n NH,; 0,69%, » ” n 

» 800 » 20,0 » = 09» NH,; 0,90, » e ” 

„ 360° »„ 20,0 » = 09» МН,; 0,99, » S s 
10. Reihe. 


1°/, Hexamethylentetramin gab mit 1°/, Phloroglucin, in 33°/, Natron- 
lauge gelöst, folgende Formaldehydreaktion (Rotfärbung): 


Hexamethylentetramin gelöst in: nach 60’ nach 360’ 
a) 5,5 */,,-МН,ВО, + 4,5 */, HCl ++ +++ 
b) 5,75 ®/,0-NaH,BO, + 4,25 */„„-НС1 ++ +++ 
с) 7,0 °/,,-МаН,ВО, +3,0 *%/,,-НСІ + ++ 
d) 7,5 */,,-МаН,ВО, +2,5 "/„-НС1 + + 
е) 8,0 */,,-МаН,ВО, + 2,0 ®/, HCl 0 + 
f) 9,0 */,-МН,ВО, +1,0 */„-НС1 0 0 


162 


I 3 a a a a d ds a a a 


N El e 


P. Trendelenburg: 


2. Colorimetrische Bestimmung der H-Ionen- 
exponenten nach Sörensen. 





Im Beginn Nach 360’ Indicator 
1 0,5 0,6 Methylviolett 
2 0,7 0,8 n 
3 1,0 1,1 n 
4 1,7 1,7 т 
5 26 2,6 ” 
6 8,9 4,0 Methylorange, Lackmus 
7 5,2 5,2 Alizarinsulfosaures Natrium 
8 6,3 6,3 Neutralrot, Rosolsäure 
9 6,75 6,75 n ” 
10а) 8,2 8,2 «&-Naphtholphthalein 
10b) 8,4 8,4 ” Phenolphthalein 
10 с) 8,75 8,75 D n 
10d) 8,9 8,9 D n 
10 e) 9,0 9,0 n D 
10 f) 9,1 9,1 n n 
3. Kontrollversuche. 
Gehalt dat in dis меры NDR enden im райы, 
N als NH,C1 Formaldehyd N 
mg g mg =), 
6,6 0,066 6,65 100,9 
6,6 0,156 6,65 100,9 
6,6 0,660 6,59 99,8 
13,5 0,030 13,7 101,5 
13,5 0,060 13,7 101,5 
13,5 0,100 13,3 98,5 
13,5 0,300 13,4 99,3 
4. Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten 
(x ee ) | 
t c—ı 
t= Zeit nach Versuchsbeginn. œ= umgesetzte Menge. c= Anfangs- 
konzentration. 
1. Reihe. _ 2. Reihe. 
с—хж==65 k = 0,043 t= W с—х—<—61,55 k= 0,024 
c— r= 46 k— 0,039 t= 40 с—2= 41,5 Е 0,022 
c— r= 84 k = 0,035 t= 607 с— == 80 k = 0,020 
c— == 25 k = 0,085 t= 80 с— == 22 k = 0,019 
c— z= 16,5 k=0,080 t=1lW с— == 16 k = 0,018 
с— == 10 k = 0,029 t=120 с— == 11,5 k=0,017 


Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 163 


= 0 
t= 40 
t= 60 
t= 80 
t=1W’ 
#= 150 
t = 200’ 
t= 20 
t= 40 
t= 60 
‚= 100 
t—= 150” 
t = 200 
t= 250 
t = 300 
t = 350 
t= 40 
t= 80 
t=100 
4=— 150 
t = 200’ 


3. Reihe. 
c— z= 78 
c— z= 57,5 
c— х= 47 
c — х == 88,5 
с— z= 81 
с— х = 17,5 
è— == 10 

4. Reihe. 
с — x = 86,5 
c— х= 77 
с — z= 68,5 
с— х= 56 
с— 2 == 44,5 
с — z = 85,5 
с — х = 28,5 
с — r = 22 
с— х = 18 

5. Reihe. 

с — х = 88 
с — z= 19,5 
с — = = 16 
c— == 67,5 
с — 2 = 61,5 


k = 0,016 
k = 0,014 
k= 0,012 
k= 0,012 
k = 0,012 
k = 0,012 
k = 0,012 


k = 0,0073 
k = 0,0068 
k = 0,0063 
k = 0,0058 
k = 0,0054 
k = 0,0052 
k = 0,0050 
k = 0,0050 
k = 0,0049 


k = 0,0032 
k = 0,0029 
k = 0,0027 
k = 0,0021 
k = 0,0025 


Biochemische Zeitschrift Band 95. 


t= 250 
t = 300 
t = 350’ 
t= 50 
t= 100 
t= 150’ 
t= 200 
t= 250’ 
t = 300 
t = 350 
t= 60 
t= 140 
= 360 
t= 60 
t= 135’ 
t = 360’ 
t= 60’ 
t= 190 
t= 360 


c— z= 56,5 k= 0,0023 

с— z= 52 k = 0,0026 

c — z= 48,5 k= 0,0021 
6. Reihe. 

c— z= 98,5 k= 0,0013 

c—x=90 k= 0,0011 

c— x= 87,5 k= 0,00089 

c—x=85 k= 0,00081 

c—z=83 k= 0,00075 

c—xz=8l k= 0,00070 

c — x= 79,5 k= 0,00066 
7. Reihe. 

c — x = 97,8 k= 0,000387 

с — z= 95,5 k= 0,00016 

c—z=91,9 k= 0,00024 
8. Reihe. 

c — x= 99,8 Е — 0,00012 

c — x= 98,9 k= 0,000082 

c— z= 98,5 k= 0,000042 
9. Reihe. 

c — z = 99,7 Е — 0,000050 

с — z= 99,4 k= 0,000031 

c — z= 99,1 k= 0,000025 


12 


Über die Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen. 


Von 
О. Tunmann. 


(Eingegangen am 13. April 1919.) 


Wir sind über die Frage, wie sich die Alkaloide bei Ver- 
wundungen von Pflanzen verhalten, nur recht mangelhaft unter- 
richtet. Es ist nicht sicher festgestellt, ob die Verwundung 
eine Vermehrung oder Verminderung der Alkaloidbildung zur 
Folge hat. Meines Wissens hat nur Troegele!) die Frage 
näher verfolgt und unter Hinweis auf die Cinchonen eine Ver- 
mehrung der Alkaloide bei Verwundungen angenommen. „Ein 
Beispiel dafür, daß im Anschluß von Verwundung eine reich- 
lichere Alkaloidbildung stattfindet, sind die Cinchonen, bei 
denen nach Entfernung der Rinde ein hoher Alkaloidgehalt 
in der sich neu bildenden Rinde beobachtet werden kann.“ 
Des weiteren hat Troegele eigene Versuche an Atropa Bella- 
Чоппа angestellt. Er schnitt aus dem Stengel 5 com lange, 
bis ins Mark gehende Stücke heraus und fand: „eine außer- 
ordentliche starke Anhäufung von Alkaloiden an der verletzten 
Stelle, und zwar in allen histologischen Elementen; aber auch 
die der Wundfläche naheliegenden Gewebepartien zeigen diese 
Überschwemmung mit Alkaloiden.“ Vermutlich seien die Al- 
kaloide nach der Wundfläche geleitet worden, da nach früheren 
Untersuchungen die Wanderung der Alkaloide in der Achse 
erwiesen sei. — Wie man sieht, ist die ganze Frage so gut 
wie ungeklärt. 

Zunächst möchte ich drei verschiedene Fälle auseinander- 


1) F. Troegele, Über das Verhalten der Alkaloide in den Organen 
der Atropa Belladonna L., Würzburger Dissertation 1900, S. 82%. 


O. Tunmann: Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen. 165 


halten: I. der Wundreiz kann eine Änderung im histologischen 
Aufbau zur Folge haben, wodurch eine Änderung im Alkaloid- 
gehalt bedingt wird. II. Selbstverständlich werden bei Ver- 
wundungen die Alkaloide sich aus den angeschnittenen Zellen 
an der Wundfläche anhäufen. An dieser Anhäufung können 
sich die Alkaloide der benachbarten Gewebe beteiligen (Ände- 
rung der osmotischen Verhältnisse). III. Der Wundreiz könnte 
direkt eine Alkaloidvermehrung zur Folge haben, die gleich- 
zeitig mit dem Prozeß der Wundvernarbung stattfindet. 

Naturgemäß sind hier die milchsaftführenden Alkaloid- 
pflanzen auszuscheiden. Ganz allgemein. ist es nicht angängig, 
die bei jenen Pflanzen gemachten Befunde auf die übrigen 
Alkaloidpflanzen zu übertragen, wie es in neuester Zeit giel 
fach geschieht. 

Gehen wir nun auf die oben genannten drei Fälle näher 
еш. I. Die Annahme Troegeles, daß der Wundreiz bei den 
Cinchonen eine reichlichere Alkaloidbildung bedingt, trifft nicht 
zu. Der höhere Alkaloidgehalt der sogenanntsn renewed bark 
ist auf die reichliche Bildung parenchymatischer Elemente zu- 
rückzuführen [Tschirch')]. Nur die Parenchymzellen führen 
Alkaloide, wie zuerst einwandfrei makrochemisch von Carl 
Müller (Heidelberg 1869), mikrochemisch von Parfenow (Dor- 
pat 1885) gezeigt wurde. Die Bastfasern sind alkaloidfrei. Auch 
bei der Yohimbe-Rinde erhält man im Wundparenchym be- 
sonders scharfe Alkaloidreaktionen. „Ebenso wie bei den Cin- 
chonen fehlen bei Coryanthe im Wundparenchym die alkaloid- 
freien Bastfasern, die natürlich den Gesamtgehalt der Rinde 
herabsetzen“ [Tunmann?)]. Somit steht bei diesen Pflanzen 
die Alkaloidvermehrung nur indirekt mit dem Wundreiz in 
Verbindung. Durch die Verwundung erfolgt nur eine vermehrte 
Bildung von Parenchym. 

П. Troegele schnitt aus der Achse von Atropa Bella- 
donna 6 cm lange, bis ins Mark reichende Stücke heraus. Da 
mir die Pflanzen bei diesen Verwundungen erkrankten, stach 
ich mit einem scharfen Korkbohrer 3 bis 4 mm breite Stücke 


1) Tschirch in Tschirch-Oesterle, Anatomischer Atlas, S. 35. 
з) Tunmann, Über angewandte Pflanzen-Mikrochemie, Natur- 
forscher-Vers., Karlsruhe 1911. 
12* 


166 O. Tunmann: 


heraus und stützte auf beiden Seiten die Pflanzen durch 
schmale Schienen. Nach etwa vier Wochen wurden die durch 
verkorktes Parenchym abgeschlossenen Wunden untersucht. 
Mikrochemisch konnte eine Alkaloidvermehrung nicht wahr- 
genommen werden, insbesondere war eine „Überschwemmung 
.der Wundstelle mit Alkaloiden“ bei den angestellten vier Ver- 
suchen ausgeschlossen. Troegele zieht zur Erklärung seines 
Befundes die Wanderung der Alkaloide in der Achse heran. 
Aber diese erfolgt, soweit wir es derzeit beurteilen können, 
ungemein langsam. Normalerweise alkaloidfreie Zellen waren 
nach der Vernarbung noch alkaloidfrei. Man kann bis jetzt 
nur sagen, daß bei Verwundungen sich lediglich jene Alkaloide 
anhäufen, die in den angeschnittenen Zellen und in den diesen 
benachbarten Zellen enthalten waren. 


ПІ. Es ist von vornherein wenig wahrscheinlich, daß der 
Wundreiz eine Alkaloidvermehrung bedingt. Die Alkaloide 
kommen als Bausteine bei der Wundheilung nicht in Betracht. 
Hierzu dienen in erster Linie Polysaccharide und Fettsäuren 
(zur Membranbildung, zur Kutinisierung und Verkorkung). Bei 
Pflanzen mit Glucotannoiden erfolgt an der Wundstelle eine 
Spaltung dieser Körper, die gerbstoffartigen Spaltlinge gehen 
durch Oxydation in Phlobaphene über und durchtränken die 
Membranen. Die Alkaloide verkleben auch nicht die Wunde 
wie Harz oder Milchsaft. 


Um künstliche Eingriffe auszuschalten, wurden die durch 
Erdflöhe und Schnecken heimgesuchten Blätter von Atropa 
Belladonna untersucht. 


Die von den Larven der Erdflöhe angefressenen Blätter 
sind bekanntlich stark „durchlöchert“. Der die Löcher um- 
gebende Hof erscheint hellgelb und ist chlorophylifrei. Mikro- 
chemisch gibt dieser Hof keine Alkaloidreaktion. Es muß 
angenommen werden, daß die vorhandenen Alkaloide zersetzt 
sind und neue Alkaloide nicht mehr gebildet wurden. Es 
wurden einige quantitative Bestimmungen an gleich großen 
Blättern ausgeführt, und zwar wurden die ausgezogenen Al- 
kaloide mit Kieselwolframsäure gefällt (Näheres über das Ver- 
fahren ist in der Dissertation des Herrn Ed. Baur, Bern 1919, 
zu ersehen). 


\ 


Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen. 167 
Frühjahr Juni Ende Juli 


lo % °% 
Angefressene Blätter. 0,044 0,039 0,023 
Ganze Blätter . . . 0,041 0,043 0,030 


Zu diesen Werten ist zu bemerken, daß im Belladonna- 
blatt die Hauptmenge der Alkaloide in den Nerven auftritt, 
und daß andererseits die Erdflöhe nur die Lamina anfressen. 

Des weiteren wurde der Alkaloidgehalt von Gehäuse- 
Schnecken angefressener Blätter, sowie der Gehalt gleich großer 
und zu gleicher Zeit geernteter ganzer Blätter bestimmt. 

Angefressene Blätter . 0,049°/, (auf Frischgewicht bezogen) 
Ganze Blätter . . . 0,0879/, ( » » » ) 


Der höhere Gehalt der angefressenen Blätter ist hier ebenfalls 
auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Schnecken vorzugs- 
weise die alkaloidarme Lamina fressen. Nun wurde der Ver- 
such wiederholt, aber nur die bis zur Mittelrippe abgetrennten 
Blatthälften in Untersuchung genommen. 


I п 

le >Si 
Angefressene Blatthälften 0,027 0,022 (auf Frischgewicht bezogen) 
Ganze Blatthälften . . . 0,026 0,022 ( » » » ) 


Bei den bisher angeführten Versuchen stammte das Matgrial 
von im Freien wachsenden Sträuchern her. 

« Zu der folgenden Bestimmung (ausgeführt nach dem Deut- 
schen Arzneibuch) benutzte ich frische am Zweige befindliche 
Belladonnablätter. Die Gehäuseschnecken (Helix-Arten) nehmen 
auch nach längerer Hungerzeit die Blätter niemals an, selbst 
nicht die frisch gepflückten. Erst wenn die Blätter kräftig be- 
netzt sind, werden sie gierig verzehrt!). Die Schnecken wurden 


1) Man nimmt allgemein an, daß die Schnecken unempfindlich für 
bestimmte Alkaloidpflanzen sind (Spezialisten im Sinne von E. Stahl). 
Nach meinen Erfahrungen fallen noch weitere Punkte wesent- 
lich in Betracht. Es ist mit Sicherheit festgestellt, daß der Alkaloid- 
gehalt in der Lamina der Blätter von Atropa nach längerer Regenzeit 
ein bedeutend geringerer ist als bei schönem Wetter. Nach Regen- 
wetter finden sich die Alkaloide vorzugsweise in den Hauptnerven. Die 
Schnecken fressen aber nur gut benetzte Blätter, also nur Blätter nach 
dem Regen, d.h. alkaloidarme. Die stärkeren Nerven werden weniger 
verzehrt und überdies in unverdautem Zustande ausgestoßen. Nur die 


168 O. Tunmann: 


nun nur auf den einen (angefeuchteten) Blatthälften zum Fraße 
zugelassen, und zwar so lange, bis annähernd ein Drittel der 
Blattfläche verzehrt war. Alsdann wurde der Zweig auf zwei 
Tage ins Wasser gestellt. Schließlich wurden die Blatthälften 
scharf am Hauptnerv abgetrennt und quantitativ untersucht. 


°% 
Ganze Віа еп . . . (im Mittel) 0,032 (auf Frischgewicht) 
Angefressene Blatthälften ( » » ) 0,029 (» » ) 


Sämtliche Bestimmungen stimmen mit den mikrochemi- 
schen Befunden überein und zeigen, daß der Wundreiz auf die 
Alkaloidbildung keinen Einfluß ausübt und daß an den Wund- 
rändern keine Anhäufung der Alkaloide stattfindet. — 


Die an Atropa Belladonna erzielten Ergebnisse wurden 
an Pilocarpus pennatifolius Lem. ergänzt. Die Versuchspflanze 
war eine neunjährige kräftige Topfpflanze. In gleich langen 
Blättern wurden an den einen Blatthälften mit einem Kork- 
bohrer Blattstückchen herausgehoben. Die Blätter verblieben 
darauf noch zwei.Wochen an der Pflanze. Einige Blätter zeigten 
um die Wunde größere etiolierte Zonen. Die meisten Blätter 
blieben völlig grün, die Wunden waren vernarbt, überwiegend 
mit harzigem Sekret (aus den schizolysigenen Drüsen) ver- 
schmiert. In den Wundrändern waren Alkaloidreaktionen 
zweifelhaft. Nach zwei Wochen wurden die Blätter abgepom- 
men, die Blattbälften an der Mittelrippe abgeschnitten und 
sofort untersucht. Bestimmung nach Keller-Fromme: 


Lamina fällt der Verdauung anheim.' In den ausgestoßenen Nerven- 
stückchen habe ich stets schärfere Alkaloidreaktionen erhalten als in 
den Exkrementen. Zuweilen gelang der Alkaloidngchweis in den Ex- 
krementen nicht. — Hasen und Kaninchen sollen nach Angaben der 
Literatur bei ausschließlicher Fütterung mit Atropa Belladonna gut ge- 
deihen. Nur Peyer (Biolog. Studien über Schutzstoffe, Jenaer Dissert. 
1911) fand, daß diese Tiere Atropablätter niemals annahmen. Bei 
unseren Versuchen fraßen stark hungernde Kaninchen zunächst die 
Blätter, nahmen sie aber bei der zweiten Fütterung nur wenig und mit 
sichtbarem Widerwillen an. In den Exkrementen gelang der Nachweis 
der Alkaloide nicht. Dieser Befund scheint mir die Angaben von 
J. Clark zu bestätigen (Brit. med. Journ. 26. X. 1912), nach denen die 
Kaninchen in der Leber Enzyme enthalten, die Atropin zersetzen. 


Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen. 169 


Trocken- Alkaloid Alkaloid 
substanz g °% | 
10 Blatthälften, 11 ст lang. . 6,34 0,058 = 0,91 
Die zugehörigen, ausgestochenen 
10 Blatthälften . . .... 4,58 0,041 = 0,89 


Die herausgestoßene Blattmasse war für eine quantitative Be- 
stimmung zu gering. 

Somit stimmt Pilocarpus pennatifolius Lem. mit Atropa 
Belladonna L. überein. Eine Anhäufung der Alkaloide findet 
bei auf künstlichem oder natürlichem Wege entstandenen Blatt- 
wunden nicht statt. Bei den Achsen sammeln sich an den 
Rändern der Wunde nur die Alkaloide der angeschnittenen 
Zellen und der diesen benachbarten Zellen an. Der Wund- 
reiz übt auf die Alkaloidbildung keinen Einfluß aus. 


Untersuchungen über Säurebildung bei Pilzen und Hefen 
III. Mitteilung. 


Von 
Friedrich Boas und Hans Leberle. 


(Aus dem botanischen und dem chemisch-technischen Laboratorium der 


Akademie Weihenstephan.) | 


(Eingegangen am 14. April 1919.) 
Mit 3 Kurventafeln im Text). 


In der vorliegenden Arbeit kommen Versuche zur Dar- 
stellung, in denen unser Versuchspilz Aspergillus niger zur 
Deckung seines Stickstoffbedürfnisses bei seinem Eiweißaufbau 
stets 2 Stickstoffverbindungen zur Verfügung hatte. Die 
eine dieser Stickstoffverbindungen war bei allen Versuchen 
Ammonsulfat; die andere Asparagin oder Acetamid, oder eine 
Aminosäure, wie Glykokoll. Es hat der Pilz demnach die Wahl 
zwischen dem Verbrauch von Ammonsulfat, wobei sich stets 
freie Schwefelsäure bildet und alle Folgen der Wirkung 
starker Säuren sich bemerkbar machen, und dem Verbrauch 
der erwähnten organischen Stickstoffverbindungen, bei deren 
Verarbeitung keine starken Säuren oder sonstige schädliche 
Stoffwechselverbindungen auftreten. Es handelt sich also 
bei unserer Versuchsanordnung, wo infolge der Zusammensetzung 
der Nährlösung eine Neutralisation der gebildeten Säure un- 
möglich war, um die Wahl zwischen den schädlich werdenden 
anorganischen und den unschädlichen organischen Stickstoff- 
verbindungen. Die folgenden Untersuchungen bringen daher 


1) Siehe diese Zeitschr. 90, 78ff., 1918 und 92, 171ff., 1918. 


F. Boas u. H. Leberle: Säurebildung bei Pilzen und Heften ПІ. 171 


einen Beitrag zur Lehre von dem elektiven Stickstoffwechsel, 
was insofern wichtig ist, als eingehende Versuche in dieser 
Richtung, abgesehen von den Arbeiten Zaleskis!), noch nicht 
vorliegen. Zwar ist allgemein bekannt, daß z. B. Ammonsalze 
durchwegs den Nitraten vorgezogen werden, doch fehlt es hier 
noch sehr an genaueren Arbeiten. Die vorliegenden Darstel- 
lungen sind auch insofern von Interesse, als sie quantitative 
Untersuchungen allerdings nur der Werte der aktuellen Säure 
bringen, woran es bis jetzt gefehlt hat; jedenfalls können unsere 
Messungen als quantitativ angesehen werden, wenn auch in 
einzelnen Fällen vielleicht eine eingehendere chemische Analyse 
noch erwünscht gewesen wäre. Ез sind in der vorliegenden 
Arbeit neben den Zahlen der [Wrsentöffionenkonsentraiion 
noch alle irgendwie nötigen Angaben, wie Erntegewicht, Auf- 
treten von Ammoniak in der Nährlösung, Ausbildung der Ko- 
nidien vorhanden, um in allen Fällen ein klares Bild zu er- 
langen, da z. В. die pp-Werte an sich gar nichts aussagen, wenn 
nicht auch die morphologischen Angaben als Vergleichswerte 
der Wachstumsintensität vorhanden sind. Ohne die gleichzeitige 
Verwertung aller Angaben müssen eben die Ergebnisse immer 
unbestimmt und ungenügend für weitere Schlüsse bleiben. 
Die Nährlösung war wie bei unseren früheren Versuchen °) 
zusammengesetzt, ebenso waren die Kulturbedingungen dieselben. 
In Versuch 41 wurde ausschließlich Acetamid, in Versuch 25 
nur Ammonsulfat verwendet. In Versuch 42 wurde eine Mi- 
schung dieser beiden Stickstoffquellen angewandt. Die Kon- 
zentration der Kohlenstoffquelle betrug 5°/, Dextrose. In Ver- 
such 41 und 25 wurde je 0,5°/, Stickstoffquelle gegeben, in 
Versuch 42 je 0,25°/, Acetamid und Ammonsulfat verwendet. 
Acetamid ist als Säureamid eine ziemlich schlechte Stick- 
stoffquelle®), ist aber im Gegensatz zu Ammonsulfat ziemlich 
lipoidlöslich, es besteht also, falls die Lipoidlöslichkeit den 
Verbrauch reguliert, die Möglichkeit, daß Acetamid in Stickstoff- 


1) W. Zaleski und W. Israilsky, Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 32, 
472 bis 479, 1914; ferner W.Zaleski und D. Pjukow, ebenda 479 bis 
483, 1914. 

2?) F. Boas und Hans Leberle, diese Zeitschr. 90, 78 ff. und 92, 
170#:., 1918. 

2) Vergl. hierzu die Arbeiten von Czapek, Lutz, Boas. 


172 F. Boas und H. Leberle: 


gemischen dem Ammonsulfat vorgezogen wird. Bei Verarbeitung 
des Ammonsulfates kommen bekanntlich alle Einflüsse der frei 
werdenden starken Schwefelsäure zur Geltung, nämlich Unter- 
drückung der im normalen Stoffwechsel auftretenden Oxalsäure, 
Bildung löslicher Stärke und Verzögerung der Konidienbildung. 
Es handelt sich also um tief in den Stoffwechsel einschneidende 
Störungen. Theoretisch bzw. teleologisch könnte also im vor- 
liegenden Fall sehr wohl das harmlose Acetamid dem schädlich 
wirkenden Ammonsulfat vorgezogen werden. In Wirklichkeit 
wird Ammonsulfat verarbeitet und Acetamid quantitativ un- 
berührt gelassen, wie die folgenden p„-Werte zeigen: 


Versuch 41 42 48 25 
Dextrose- 
Dextrose- Acetamid- Dextrose- Dextrose- 
Acetamid Ammonsulfat Ammonsulfatt Ammonsulfat 
END (је 0,25%/,) KIND 4 MN 
Kontrolle ру 4,86 4,38 4,68 4,12 
2. Tag 3,76 e 2,47 1,89 1,84 
3. n 3,49 1,91 1,70 1,68 
‚4. » 8,40 1,67 1,70 — 
5. » 8,17 1,74 1,84 — 
6. » — — — 1,93 
7.» — 2,55 — — 


Wie die Säurewerte zeigen, stimmen die Maximalzahlen 
der in Betracht, kommenden Versuche so vollkommen überein 
(Pa 1,67 Versuch 42, рр 1,70 Versuch 48 und py 1,68 Ver- 
such 25), daß der Schluß als einwandfrei erscheint, daß Acet- 
amid neben Ammonsulfat vollkommen unberührt bleibt. Die 
Lipoidlöslichkeit des Acetamides ist demnach als be- 
deutungslos für die Möglichkeit seines Verbrauches zu 
betrachten. 

ў Wir lassen auch noch die Erntegewichtszahlen, die ganz 
in dem vorgetragenen Sinne sprechen, hier folgen: 


Versuch 41 42 48 
Dextrose- Dextrose-Acetamid- Dextrose- 
Acetamid Ammonsulfat Ammonsulfat 
2. Tag 0,008 g 0,287 g — 
sofort viele weiße Decke 


Konidien 


Säurebildung bei Pilzen und Hefen. III. 173 


Versuch 41 42 48 
Dextrose- Dextrose Acetamid- Dextrose- 
Acetamid Ammonsulfat Ammonsulfat 
3. Tag ‚0,0095 g 0,729 g 0,832 g 
weiße Decke 
4. n 0,0145 » ` 1,115» 0,852 g 
5. n 0,0240 » 1,089 » — 
wenig Konidien 
T » — ' 0,935 g — 


Das Vorhandensein von Oxalsäure in der Nährlösung zeigt 
folgende Übersicht: 


Versuch 41 42 48 
2. Tag — Sech SE 
3. a (+) Spur — — 
A. » + deutlich p = 


Statt der Oxalsäure findet sich als Schwefelsäurewirkung 
in Versuch 42 (48 als Vergleich) lösliche Stärke in der Nähr- 
lösung, wie die folgende Übersicht zeigt. Lösliche Stärke in 
der Nährlösung am: 


Versuch 41 42 48 
Tag — (keine lösliche Stärke, 5 u 
weil mit der entstehen- 
H = x — = 
den Oxalsäure eine zu 
7 geringe Menge [Н-] er- 
n PS zielt wird) 


+ 
(+) Spur 


++ 


Fig. 1. Kurve I. Mischung 
von Stickstoffquellen. 7 
Organismus: Aspergillus niger, 
Versuch 41. Dextrose - Aoeta 2 
mid. 
” 25. Dextrose-Am- ; 
monsulfat. 
л 42, Dextrose-Aceta- „P 
mid- Ammon- Р 
sulfat. 





Auch aus dieser vergleichenden Übersicht kann daher der 
berechtigte Schluß gezogen werden, daß bei gleichzeitigem Vor- 
handensein von Acetamid und Ammonsulfat nur letzteres ver- 
braucht wird, Acetamid aber nicht in den Stoffwechsel für den 
Eiweißaufbau gezogen wird. 


174 F. Boas und H. Leberle: 


Die Py -Werte dieser Versuchsreihen sind in Kurve I zu- 
sammengestellt. Diese Kurve macht im Verein mit den vor- 
stehenden Angaben eine weitere Erörterung unnötig. 


II. 


Wenn wir statt der Kombination Säureamid-Ammonsulfat 
die Kombination Amid-Aminosäure wählen, so erhalten wir 
insofern ganz genau die gleichen Verhältnisse, als nämlich die 
lipoidunlösliche Aminosäure dem lipoidlöslichen Amid fast 
quantitativ vorgezogen wird. Als Amid wurde wieder Acetamid 
und als Aminosäure Glykokoll gewählt. Säurewirkungen durch 
stoffwechselfremde Säuren bleiben hier aus, denn in beiden 
Fällen entsteht das normale Stoffwechselprodukt des Aspergillus 
niger, die Oxalsäure. Wie die Kurve II zeigt, beeinflußt Acet- 
amid den Verlauf der Säurebildung kaum. Charakteristisch ist 
für Glykokoll allein, wie für die Mischung Acetamid-Glykokoll 
der starke Abfall der Kurve; dieser Abfall fällt in der Haupt- 

sache mit dem Auftreten 
von viel Ammoniak in der 
Nährlösung zusammen als 
Folge von Desamidierung 
von Glykokoll und der 
` durch Selbstverdauung 
(Proteolyse des Pilzes) 
auftretenden großen Men- 
genvon Ammoniak undal- 
kalisch reagierenden Ver- 
bindungen. Dagegen tritt 
in der Acetamidlösung 
Ammoniak erst nach 
langer Versuchsdauer auf. 
Die Erntegewichte, eben- 
so das Auftreten von 
Fig. 2. Kurve П. Konidien, stimmen bei 
Glykokoll (45) und Gly- 
kokoll-Acetamid (43) so genau überein, daß der Schluß ge- 
rechtfertigt ist, daß Acetamid jedenfalls nur in Spuren 
verarbeitet werden kann. Die sämtlichen hierher gehören- 
den Angaben sind in der folgenden Übersicht vereinigt. 








Säurebildung bei Pilzen und Hefen. III. 175 


Legende zu Kurve II. Versuch 41, 45, 43. 


Versuch 41 45 43 
Dextrose- Dextrose- Dextrose- 
Acetamid Glykokoll Glykokoll-Acetamid 
(0,5%) (0,5%) бе 0,25%) 
1. Erntegewichte. 
am 2. Tag 0,008 g 0,3585 g 0,321 g 
n 3. » 0,0095 » 0,6645 » 1,0085 » 
n 4. n»n 0,0145 » 0,9030 » 1,253 » 
n 5. » 0,0240 » 0,9240 » 1,070 » 
— — 0,714 » 
2. Neßlerreaktion. 
am 2. Tag — — — 
n 3. n — + gelb 
» 4. » -— + stark + 
n 5. n»n — ++ n + 
n 7. » — ++ » ++ 
3. Konidienbildung. 
am 2. Tag Viele Schneeweiße Weiße Decke 
Konidien Decke 
n 3. ». до. до. Wenig Konidien 
n 4. n Schwarze Wenig Konidien n D 
Pilzdecke 
n 5. » do. Viele я Viele ” 
4. Werte der aktuellen Säure. 
рн Kontrolle 4,86 4,88 4,77 
am 2. Tag 3,76 3,26 3,75 
n 3. » 3,49 2,77 2,81 
n 4. » 3,40 2,53 3,48 
n 5 » 3,17 3,26 4,86 
» 7.» — 4,19 7,12 
III. 


Als dritten Versuch für die Auswahl der Stickstoffquelle 
durch den Pilz wählten wir ein hochmolekulares Eiweiß, Pepton 
in der Mischung mit Ammonsulfat. 

Auch in dieser Mischung wird wie in den Versuchen 41 
bis 42 (Acetamid-Ammonsulfat) quantitativ das Ammonsulfat 
verbraucht, obwohl Pepton eine sehr gute Stickstoffquelle ist. 

In Versuch 46 wird als Stickstoffquelle Pepton verwendet, 
während der zum Vergleiche mit angeführte Versuch 25 Ammon- 
sulfat enthält. In Versuch 47 ist wieder durch Mischung gleicher 


176 F. Boas und Н. Leberle: 


Teile der beiden Stickstoffquellen von 46 und 25 die Konzen- 
tration der Stickstoffquelle је 0,259/,. 

Die рһ-Ұегќе kommen in der Kurve III zur Darstellung, 
während die übrigen zum Verständnis nötigen Zahlen wie die 
Angaben: über Erntegewichte, Ammoniakreaktion und Konidien- 
bildung in der folgenden Tabelle niedergelegt sind. 


Versuch 46 Versuch 47 Versuch 25 











Dextrose-Pepton- Dextrose- 
Dextrose-Pepton Ammonkuftat Ammonsulfat 
(0,59/,) бе 0,259/,) (0,5°,) 
Ausgangs-py 5,65 5,53 4,12 
nach 2 Tagen 3,09 2,36 1,84 
» З n 2,62 1,87 1,68 
n 4 n 2,29 1,91 1,91 
n 5 n 2,11 1,94 — 
n 6 n»n — — 1,93 
n 7» 2,45 1,94 — 
Fig. 3. Kurve III. 
Legende zu Kurve III. 
Versuch 46 Versuch 47 
Dextrose-Pepton ek er 
Erntegewichte: 
2. Tag 0,1580 g 0,2450 g 
3. » 0,2440 » 0,5385 » 
4. » 0,3310 » 0,6890 » 


5. » 0,7020 » 0,8000 » 


Säurebildung bei Pilzen und Hefen. III. 177 


Neßlerreaktion: 
2. Tag — ++ sehr stark 
3. n — + Abnahme deutlich! 
4. » — Nur noch Spuren 
(schwache Gelbfärbung 
der Nährlösung) 
5. n» — Nur noch Spuren 
Konidienbildung: 
2. Tag Sehr wenig schneeweiß 
5. » mäßig weniger als 46 


Die p„-Werte der Versuche 47 und 25 liegen so nahe 
beieinander, nämlich py 1,68 in Versuch 25 und 1,87 in Ver- 
such 47, daß man von einem fast ausschließlichen Verbrauch 
von Ammonsulfat sprechen kann, daß also Pepton unberührt 
bleibt. Wenn die immerhin bemerkliche Differenz von 0,19 
zwischen den beiden Versuchen besteht, so darf nicht übersehen 
werden, daß die Ausgangswerte mit рр 5,53 in Versuch 47 
und 4,12 in 25 beträchtlich auseinanderliegen und daß ver- 
mutlich Pepton eine gewisse Menge von Wasserstoffionen weg- 
fangen wird. Aus diesen Gründen darf die erwähnte Differenz 
als unwesentlich betrachtet werden. Auch der Verlauf der 
beiden Kurven, die, von dem verschiedenen Ausgangspunkt 
abgesehen, völlig parallel sich verhalten, und der völlig iden- 
tisch absteigende Ast des zweiten Teils der Kurve sprechen 
dafür, daß іп Pepton-Ammonsulfatgemisch nur Ammonsulfat 
verarbeitet wird. 

Die Erntegewichte lassen deutlich den Einfluß von Ammon- 
sulfat erkennen, das Wachstum erfolgt rascher, aber als Folge 
der stärkeren (Н) in der Nährlösung wird die Konidienbildung 
verlangsamt. Bemerkenswert ist ganz besonders das Ver- 
schwinden von Ammoniak in der Nährlösung in Ver- 
such 47; dies zeigt ja allein schon den raschen Verbrauch von 
Ammonsulfat an. In der Peptonkultur (Versuch 46) tritt in 
der Versuchszeit kein Ammoniak auf; daher ist auch aus diesen 
Angaben auf den alleinigen Verbrauch von Ammonsulfat in 
Versuch 47 zu schließen. Wenn außerdem Ammonsulfat allein 
verbraucht wird, dann muß es sehr rasch verschwinden, weil 
0,25 bis 0,3°/, Ammonsulfat gerade die nötige Stickstoffmenge 
liefern, damit der Pilz 5°/, Dextrose verarbeiten kann. Auch 


178 F. Boas u. H. Leberle: Säurebildung bei Pilzen u. Hefen. III. 


diese Forderung ist erfüllt, indem, wie die Angaben zeigen, 
Ammonsulfat bereits am 4. Tag nur noch in Spuren vorhanden ist. 

Als gemeinsames Merkmal ist den sämtlichen angeführten 
Versuchen eigen, daß, wenn Aspergillus niger die Wahl zwischen 
zwei Stickstoffquellen hat, von denen die eine еіп Ammonsalz 
der starken Mineralsäuren ist, er dann immer das Ammonsalz 
verbraucht und zwar so ziemlich allein. Daß dabei eine hohe 
Wasserstoffionenkonzentration entsteht und alle die schädlichen 
Folgen hoher (Йй), wie Auftreten löslicher Stärke in der Nähr- 
lösung sowie teilweise Hemmung der Konidienbildung eintreten, 
zeigt, daß einzig physikalisch-chemische Gesichtspunkte 
über den Verbrauch der Stickstoffverbindungen ent- 
scheiden. 

Die Ammonsalze unterscheiden sich nun durch die 
Größe der Dissoziation beträchtlich von allen anderen 
verwendeten Stickstoffverbindungen, wie Glykokoll, Acetamid, 
Pepton. Die Größe der Lipoidlöslichkeit dagegen spielt 
offenbar keine Rolle, sonst müßte das lipoidlösliche 
Acetamid dem lipoidunlöslichen Ammonsulfat vorge- 
zogen werden. Als allgemeines Resultat ergibt sich, 
daß stark dissoziierte Stickstoffverbindungen schwach 
dissoziierten vorgezogen werden, selbst wenn dabei schäd- 
liche Nebenwirkungen, wie starke Säurewirkungen und deren 
Folgen, z. B. Unterdrückung der Konidienbildung, Bildung lös- 
licher Stärke in der Nährlösung, sich einstellen. Teleologisch 
gesprochen wird also das schädlich wirkende Ammonsalz den 
harmlosen organischen Stickstoffverbindungen vorgezogen, auch 
wenn dabei der Pilz sich stark schädigt oder durch Säure fast 
vergiftet. 


Nachtrag zu unserer 1. Arbeit. 


Auf Seite 80 dieser Zeitschrift Bd. 90 1918 haben wir unter den 
Autoren, die den Lüersschen Standpunkt des Säureoptimums der Hefe 
bei рн 2,73 übernommen haben, auch Н. v. Euler erwähnt. Euler 
legt nun brieflich Wert darauf, festgestellt zu sehen, daß er gegenteiliger 
Ansicht ist. Diese Richtigstellung des Eulerschen Standpunktes wollen 
wir hiermit erfolgen lassen. Möglich war unsere andere Auffassung, weil 
aus der angezogenen Stelle bei Euler und Lindner (Chemie der Hefe 
und der alkoholischen Gärung) der Eulersche Standpunkt nach unserer 
Meinung nicht völlig klar hervorgeht. 


Zur Methodik der chemischen Blutanalyse. 


I. 
Kritik der Enteiweißungsmethoden. 


Von 


M. Richter-Quittner. 


(Aus dem chem. Laboratorium des Kaiserin-Elisabeth-Spitales in Wien; 
Vorsteher Prof. Dr. W. Falta.) 


(Eingegangen am 15. April 1919.) 


Theoretischer Teil. 


Eine chemische Blutanalyse muß einer doppelten Aufgabe 
gerecht werden. Sie muß von chemischen und biologischen 
Gesichtspunkten aus richtig sein. Als erste Voraussetzung muß 
die Blutanalytik wohl den Ansprüchen des Chemikers genügen, 
und ich möchte hier zunächst die Forderung erheben, daß bei 
allen derartigen Analysen nicht mit dem Ausgangsmaterial ge- 
spart werden darf. Bei allen klinischen Untersuchungen ist es 
gewiß selbstverständliche Pflicht, dem Patienten möglichst 
wenig Blut zu entnehmen, und es werden daher Mikroverfahren 
den Vorzug verdienen. Es ist aber meiner Ansicht nach vom 
rein chemischen Standpunkt aus nicht gleichgültig, ob man 
z. B. für eine Blutzuckerbestimmung nach Bertrand 30 oder 
5 ccm Blut verwendet. Das Blut wird im allgemeinen nach 
Rona und Michaelis enteiweißt, man arbeitet hier zweck- 
mäßig, um das Auswaschen zu vermeiden, mit aliquoten Teilen 
und bekommt bei einem Ausgangsmaterial von 30 ccm Blut 
höchstens 20 cem Blut zur weiteren Verarbeitung, die ca. 14 mg 
Zucker enthalten. Kleinere Mengen als 10 mg lassen sich aber 
mit der Kaliumpermanganatlösung nach Bertrand nicht mehr 


titrieren, man müßte stark verdünnte Lösungen verwenden und 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 13 


130 M. Richter-Quittner: 


verständlich für unerläßlich. Ich warne daher vor Ver- 
wendungen kleiner Blutmengen bei Makroanalysen. Bei 
Mikroanalysen halte ich 2 ccm Blut für das äußerste Minimum. 
Analysen, die in 2 bis 3 Tropfen Blut ausgeführt werden, 
können meiner Ansicht nach nicht richtig sein, da Blut keine 
ionisierte Lösung ist und 1 Tropfen Blut niemals mit einem 
zweiten Tropfen vollkommen identisch sein kann. Auf die For- 
derungen, die von biologischer Seite aus erhoben werden 
müssen, kann ich hier nicht eingehen. Die beste chemische 
Analyse ist wertlos, wenn die biologische Fragestellung falsch 
ist. Daß vom biologischen Standpunkt weder Vollblut, noch 
Serumanalysen allein richtig sind, sondern vor allem das Plasma, 
unter Umständen aber auch noch das Gesamtblut untersucht 
werden muß, ist von W. Falta?) ausführlich dargelegt worden, 
ebenso, daß bei der Plasmagewinnung die Blutkörperchen nicht 
geschädigt werden dürfen, da sonst die diffusiblen Substanzen 
des Plasmas in die Blutkörperchen hineindiffundieren und man 
im Plasma zu niedrige Werte erhält. Ich will hier nur auf die 
chemischen Voraussetzungen einer richtigen Blut- 
analyse eingehen und mich bemühen, zu zeigen, daß eine 
gute Enteiweißung der Grundstock ist, auf dem wir weiter 
aufbauen können. 

Die Enteiweißung von Blut, Plasma oder Serum 
ist das wichtigste und zugleich schwierigste Kapitel 
der ganzen Blutanalytik. Ich konnte mich überzeugen, daß 
die Richtigkeit einer chemischen Blutanalyse in allererster Linie 
von der Art der Enteiweißung abhängt. Da die Gegenwart von 
Eiweißkörpern die Fällungsreaktionen vielfach stört, so müssen 
die Eiweißkörper vollständig entfernt werden, bevor die übrigen 
Blutbestandteile untersucht werden können. Es stehen uns 
hierfür drei prinzipiell verschiedene Wege offen. 

1. Zerstörung der Eiweißkörper durch Veraschung auf 
nassem oder trockenem Wege. 

2. Fällung der Eiweißkörper. 

3. Dialyse. 


ече unsichere Werte. Auch halte ich Kontrollanalysen selbst- 


1) W. Falta, Über die Verteilung der diffusiblen Substanzen auf 
Körperchen und Plasma im strömenden Blut. Vortrag vom 7. April 1919. 
(Wiener klin. Wochenschr.) 


Chemische Blutanalyse. I. 181 


Die Veraschungsmethode eignet sich ausschließlich für 
Analysen von anorganischen Bestandteilen wie Chloride, Na, K, 
Ca usw. und hat daher ein sehr kleines Anwendungsgebiet. Vom 
biologischen Standpunkt aus sind die Veraschungs- und Fällungs- 
analysen nicht gleichwertig, da sich ein Teil der anorganischen 
Salze’ in organischer Bindung befindet, die bei der Zerstörung 
des Eiweißes gesprengt wird. Ich verweise hier auf die Ar- 
beiten von Rona über „Das gebundene Ca“ und auf unsere 
Mitteilung über das Vorkommen von gebundenem Chlor im 
Blutplasma. 

Die gebräuchlichsten Veraschungsmethoden sind das Ver- 
fahren von Neumann mit Schwefelsäure und Salpetersäure, 
von Korany mit Kaliumpermanganat und Salpetersäure und 
die trockene Veraschung von Abderhalden. Ich will auf 
diese Methoden hier nicht weiter eingehen. 

Das Dialysierverfahren hat bis nun keine Anwendung in 
der Blutanalytik gefunden, doch ist es mir gelungen, eine 
Dialysiermethode auszuarbeiten, die ich für Reststickstoff- 
bestimmungen empfehlen kann. Ich werde diese Methode an 
anderer Stelle ausführlicher beschreiben. 

Die Fällung der Eiweißkörper findet bisher in der Blut- 
analytik die allgemeinste Anwendung, so daß man immer diese 
Methoden vor Augen hat, wenn man von Enteiweißungs- 
methoden spricht. 


Eine gute Enteiweißungsmethode soll folgenden Anforde- 
rungen entsprechen: 

1. muß alles Eiweiß quantitativ ausgefällt werden, was bei 
der kolloiden Natur der Eiweißkörper einiger Übung und Ge- 
schicklichkeit bedarf; 

2. darf bei der ganzen Manipulation wie Erhitzen, Säure- 
zusatz usw. kein Eiweiß wieder in Lösung gehen; 

3. dürfen mit dem Eiweiß keine anderen Substanzen wie 
Harnsäure, Harnstoff usw. mitgefällt werden, die dann der Be- 
stimmung entgehen würden; 

4. dürfen keine Fällungsmittel verwendet werden, die an 
und für sich schon stark adsorbieren ; 

5. ist bei einigen Untersuchungen, wie z. B. bei den Rest- 


stickstoffbestimmungen, darauf zu achten, daß keine Peptone 
13* 


182 M. Richter-Quittner: 


und Albumosen gebildet werden, die in das Filtrat übergehen 
und so einen zu hohen Reststickstoff vortäuschen würden. 

Es ist ferner darauf zu achten, daß manche Enteiweißungs- 
methode für eine bestimmte Analyse, z. B. Zucker, sehr gut zu 
verwenden ist, während sie z. B. bei einer Chloridbestimmung 
vollständig versagen kann. Dieser Punkt muß mit größtem 
Nachdruck betont werden. Ich glaube nicht zu übertreiben, 
wenn ich behaupte, daß ein großer Teil der in der Literatur 
gemachten Angaben schon vom chemischen Standpunkt aus 
unrichtig ist, weil die Enteiweißungsmethoden unrichtig ange- 
wendet werden. 

Die Enteiweißung von Rona und Michaelis bedeutet 
für Blutzuckerbestimmungen, für die sie ausgearbeitet wurde 
ein Präzisionsverfahren, während sie für Chloridbestimmungen 
gänzlich versagt. Die Methode von Schenk mit Sublimat 
und Salzsäure eignet sich für Zucker, nicht aber für Rest-N-Be- 
stimmungen. Ich gebe auf Grund meiner Erfahrungen folgende 


Übersicht: 
1. Enteiweißung mit Schwermetallsalzen. 
1. Methode Schenk . . . . . . . . . , für Zuckerbestimmungen. 
2. Methode Abeles . . . . . . . . . Or Zuckerbestimmungen. 


2. Kolloidfällung. 


Methode Rona und Michaelis . . . . . . . für Zuckerbestimmungen. 


3. Hitzekoagulation. 


Für alle Analysen mit Ausnahme von Chloriden und Zucker. 


4. Enteiweißung mit verdünnten Säuren. 


1. Phosphorwolframsäure nach Neuberg und Ishida . . für Harnsäure. 
2. Phosphormolybdänsäure nach Bang. . für Rest-N, Zucker, Harnsäure. 
3. Methaphosphorsäure nach ОррІег . . . . . ... .für Chloride. 
4. Trichloressigsäure nach Greenwald . . . . . . . . . für RestN. 


5. Enteiweißung mit Methylalkohol. 
Eigene Methode . . . . 2. 22.2.2... . . für Chloridbestimmung. 


6. Dialysierverfahren. 
Eigene Methode ............... . . . . für Rest-N. 


Chemische Blutanalyse. I. 183 


1. Enteiweißung mit Schwermetallsalzen. 


Sehr allgemeine Anwendung finden als Fällungsmittel für 
Eiweißkörper die Schwermetallsalze, wie Quecksilberchlorid, 
Eisenchlorid, Bleiacetat, Zinkacetat, Uranylacetat u.a.m. Queck- 
silberchlorid wurde zum erstenmal von Schenk als Ent- 
eiweißungsmittel für Blutzuckerbestimmungen vorgeschlagen 
und wird seither bei allen möglichen Blutanalysen, insbesondere 
sehr oft bei Reststickstoffbestimmungen verwendet. Dieses 
Verfahren leistet ebenso wie die Methode von Abeles mit 
Zinkacetat und Alkohol für die Blutzuckerbestimmungen 
ausgezeichnete Dienste, ist aber für die Reststickstoffbestim- 
mungen unbrauchbar. Dle Angaben Bangs, daß man bei 
der Enteiweißung mit Sublimat und Salzsäure nach Schenk 
viel zu hohe Rest-N-Werte erhält, kann ich zwar nicht be- 
stätigen. Die Vollständigkeit der Eiweißfällung ist von dem 
Volumen sehr abhängig; ich konnte mich überzeugen, daß bei 
10- bis 15facher Verdünnung und unter Anwendung eines 
beträchtlichen Überschusses an Sublimat im eingeengten Filtrat 
mit Ferrocyankalium und Essigsäure absolut kein Eiweiß nach- 
zuweisen ist. Hingegen haben alle Schwermetallsalze die Eigen- 
schaft, Harnsäure, Kreatinin, Harnstoff usw. stark zu adsorbieren. 
Ich habe bei Enteiweißungsversuchen mit Schwermetallsalzen 
bei Rest-N-Bestimmungen ausnahmslos viel zu niedrige Werte 
erhalten. Die Größe der Adsorption hängt ab: 

1. von der Dauer der Einwirkung des Fällungsmittels, 

2. von der Menge des Fällungsmittels, ein großer Uber. 
schuß wirkt stark adsorbierend, 

3. von der Natur des Fällungsmittels. Sublimat absorbiert 
stärker als Zinkacetat. 


2. Kolloidfällung. 

Die allbekannten Enteiweißungsmethoden von Rona und 
Michaelis beruhen auf der Eigenschaft der Eiweißkörper, als 
Kolloide von anderen Kolloiden gefällt zu werden. Das Eiweiß 
kann als amphoteres Kolloid sowohl von negativen wie von 
positiven Kolloiden ausgeflockt werden. Diese Methoden haben 
zwar den Vorteil, daß man bei gewöhnlicher Temperatur ar- 
beitet und so das Erhitzen vermeidet, doch ist hier die Ad- 


184 M. Richter-Quittner: 


sorption ganz besonders groß. Alle Kolloide sind ja bekanntlich 
ganz ausgezeichnete Adsorptionsmittel, so daB man selbst- 
verständlich bei allen derartigen Fällungsmitteln wie Mastix, 
Kaolin und dem sehr viel angewendeten Ferrum oxydatum 
dialysatum mit sehr großen Fehlbeträgen rechnen muß, die 
durch Adsorption hervorgerufen werden. Bei Anwendung von 
Mastix konnte ich im Filtrat bei 10 verschiedenen Versuchen 
überhaupt keinen Rest-N nachweisen. Es gilt hier dasselbe, 
was bei den Schwermetallsalzen gesagt wurde, nur möchte ich 
noch bemerken, daß die Adsorption bei Anwendung von Ferrum 
oxydatum "dialysatum Merck vor allem von dem Grade der 
Reinheit des kolloidalen Eisens abhängt (durch Dialyse sehr 
gut gereinigtes Eisen adsorbiert stärker als weniger gut ge- 
reinigtes) und ferner im gewissen Sinne von der Menge des 
vorhandenen Eiweißes. Wir haben in unserer Untersuchung 
über die Faserstoffgerinnung die freien Chloride nach Roge&e- 
Fritsch durch Enteiweißung mit Ferrum oxydatum dialysatum 
bestimmt, doch mußten wir uns nachträglich davon überzeugen, 
daß diese Methode bei Chloridbestimmungen aus folgenden 
Gründen Fehler geben kann: 

1. ist das Ferrum oxydatum, wie schon erwähnt, unter 
Umständen besonders für die Chloride ein ausgezeichnetes Ad- 
sorptionsmittel; 

2. zweitens enthält das Ferrum oxydatum selbst wechselnde 
Mengen Chlor, die in irgendeiner Form gebunden sind und 
beim Verdünnen mit Wasser verschieden stark dissoziieren. Wir 
werden auf diese Tatsachen noch an anderer Stelle ausführlich 
zu sprechen kommen. 


3. Hitzekoagulation. 


Die gebräuchlichste Methode der Enteiweißung ist die 
Koagulation in der Hitze bei schwachsaurer Reaktion. Alle 
Autoren, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, be- 
richten über die großen technischen Schwierigkeiten dieses Ver- 
fahrens. Die quantitative Enteiweißung hängt davon ab, ob 
der richtige Säuregrad erreicht ist. Die Reaktion darf nur 
schwach sauer sein, da durch den geringsten Überschuß an 
Säure ein Teil des Eiweißes als Acidalbumin in Lösung geht. 
Während des Erhitzens wird aber ein Teil der Säure durch 


Chemische Blutanalyse. I. 185 ` 


das Eiweiß gebunden, so daß man nachsäuern muß. Wichtig 
ist auch das Volumen und die Dauer des Erhitzens. Kocht 
man zu lange, so riskiert man eine tiefgreifende Veränderung 
der Eiweißkörper, Hydrolyse usw., kocht man zu kurz, so ist 
die Fällung unvollständig. Ich habe nach folgendem modi- 
fizierten Verfahren gute Resultate erhalten, muß aber gestehen, 
daß mir trotz großer Übung Analysen mißglücken und es vor- 
kommt, daß ich 6 Bestimmungen ausführen muß, bevor ich 
vollkommen eiweißfreie Filtrate und übereinstimmende Werte 
erhalte. 


240 ccm destilliertes Wasser werden mit 10 ccm 1°/,iger 
Essigsäure und 10 eem BD, iger Monokaliumphosphatlösung zum 
Sieden erhitzt. Im Momente des Kochens werden 40 ccm 
Plasma, die mit 40 ccm halbgesättigter Kochsalzlösung versetzt 
sind, in dünnem Strahl unter beständigem Umrühren einge- 
tragen. Während des Kochens, das nicht länger als 3 Minuten 
dauern soll, erhält man durch tropfenweisen Zusatz von 1°/,iger 
Essigsäure die schwachsaure Reaktion aufrecht. Man prüft 
gegen empfindliches Lackmuspapier, das ich nach der Vor- 
schrift von Sörensen auf folgende Weise bereite. 0,5g fein- 
gepulvertes Azolithmin werden in einer Schale in 200 cem 
Wasser, dem 2,5 ccm ”/ o Natronlauge zugesetzt sind, gelöst, 
filtriert und zum Filtrat 50 ccm Alkohol zugegeben. Durch diese 
Lösung werden Streifen von aschearmem Filtrierpapier gezogen 
und’ auf Schnüren getrocknet. Sodann wird möglichst schnell 
noch heiß filtriert und mit kaltem Wasser ausgewaschen. Alle 
Filtrate werden in einem Meßkolben vereinigt. Man füllt bis 
zur Marke auf und bestimmt in einem Teil des Filtrates den 
Stickstoff, während man einen anderen Teil zur Prüfung auf 
Eiweiß verwendet. 


Ich habe 9 verschiedene Verfahren der Hitzekoagulation 
der Reihe nach durchgeprüft, habe aber in allen Fällen un- 
richtige, meistens zu hohe Rest-N-Werte erhalten. Die oben 
beschriebene Methode, die ich im folgenden „Essigsäure-Methode“ 
nenne, empfehle ich nicht, da sie schwierig und zeitraubend 
ist und auch viel Blut erfordert. Eine Enteiweißung dauert 
2 Stunden und verlangt 160 ccm Blut entsprechend 80 cem 
Plasma. 


186 M. Richter-Quittner: 


4. Enteiweißung mit verdünnten Säuren. 


Ich habe Versuche mit Phosphormolybdänsäure, Meta- 
phosphorsäure und Trichloressigsäure angestellt, um die Be- 
funde von Ivar Bang, Syolema und Hetterschy zu über- 
prüfen. Syolema und Hetterschy finden bei der Entei- 
weißung mit Phosphormolybdänsäure viel niedrigere Rest-N- 
Werte als bei der Enteiweißung mit Metaphosphorsäure und 
erhalten mit Trichloressigsäure ausnahmslos noch höhere Werte. 
Sie ziehen den Schluß, daß diese 3 Methoden insofern un- 
gleichwertig sind, als Phosphormolybdänsäure uud Metaphos- 
phorsäure auch die Eiweißabbauprodukte fällen. Bang ent- 
eiweißt in seinem Mikroverfahren ausschließlich mit Phosphor- 
molybdänsäure und gibt an, daß seine Werte mit den durch 
Hitzekoagulationen gefundenen sehr gut übereinstimmen. Ich 
finde im venösen Blut ganz in Übereinstimmung mit Bang, 
Syolema und Hetterschy Differenzen zwischen diesen 3 Me- 
thoden, die im arteriellen Blut kleiner sind. Im Gegensatz 
zu Bang gebe ich aber der Trichloressigsäure-Methode den 
Vorzug, da die so für Rest-N erhaltenen Zahlen mit anderen 
Methoden, z. B. Hitzekoagulation und Dialyse, sehr gut über- 
einstimmen. Die großen Differenzen verschwinden im arteriellen 
Blut teilweise. Eine eindeutige Erklärung für diese Resultate 
kann man heute noch nicht geben. Ich glaube, daß die nie- 
drigen Zahlen bei der Phosphormolybdänsäure-Enteiweißung sich 
zum Teil auch durch Adsorption erklären lassen. Verwendet 
man sehr wenig Blut und braucht daher auch wenig Säure, 
so erhält man bessere Werte. Die Methode von Bang gibt 
sogar bei einiger Übung sehr gute Resultate, vorausgesetzt, 
daß man nicht mit 1 bis 2 Tropfen Blut, sondern mit ca. 3 ccm 
Plasma arbeitet. Die Enteiweißung mit Metaphosphorsäure 
nach der Vorschrift von Oppler eignet sich nach meinen Er- 
fahrungen sehr gut für die Bestimmung der freien Chloride. 
Die Enteiweißung mit Trichloressigsäure hat zwar vor der 
Essigsäuremethode den Vorzug, daß sie leichter zu handhaben 
ist, weicht aber prinzipiell von ihr nicht ab. Hingegen ist heute 
Trichloressigsäure nahezu unerhältlich und daher sehr teuer. 
Eine einzige Enteiweißung mit Trichloressigsäure kommt auf 
3 bis 4 Kr. 


Chemische Blutanalyese. I. 187 


Meiner Ansicht nach ist die Enteiweißung mit Säuren, 
wenn es sich um Reststickstoffbestimmungen handelt, immer 
gewagt, da man sehr leicht durch Bildung von löslichem Acid- 
albumin zu hohe Werte erhält. 


5. Enteiweißung mit Alkohol. i: 


Ich habe in der Literatur 12 verschiedene Modifikationen 
der Alkoholenteiweißung gefunden, doch konnte ich mich über- 
zeugen, daß keine einzige für Rest-N-Bestimmungen verwendbar 
ist, da die Enteiweißung nie quantitativ ist und immer kleinere 
oder größere Mengen von Eiweiß im Filtrat bleiben. Die Me- 
thode von Folin mit Methylalkohol und Chlorzink wird leider 
für Rest-N-Bestimmungen sehr viel verwendet, obwohl der 
Autor selbst angibt: „Ich bin nicht sicher, ob nicht Spuren 
von Eiweiß der Fällung entgehen.“ Diese Spuren von Eiweiß 
können bei Folins Mikroverfahren 100 bis 200°/, ausmachen. 
Ich habe jedoch die Methode von Folin für Chloridbestim- 
mungen mit gutem Erfolg modifiziert. Die Methode gestaltet 
sich nun wie folgt: 

100 ccm Plasma werden im 250-ccm-Meßkolben mit 5р 
chem. reinem MgSO, versetzt, mit Methylalkohol bis zur Marke 
aufgefüllt, gut durchgeschüttelt und nach 2 bis 5 Minuten durch 
ein trockenes Faltenfilter filtriert. Das Filtrat ist immer klar 
und nahezu eiweißfrei. 100 ccm des Filtrates werden am 
Wasserbade zur Trockne eingedampft, mit Wasser aufge- 
nommen und mit ”/,„-AgNO,-Lösung titriert. Diese Methode 
läßt an Einfachheit nichts zu wünschen übrig. Sie hat vor 
der Methode von Oppler den großen Vorteil, daß man sotort 
filtrieren kann und nicht 6 Stunden absetzen lassen muß, und 
daher nicht riskiert, daß ein Teil der Chloride entbunden 
wird. Die Methode von Abeles mit Zinkacetat und Alkohol 
ist für Zuckerbestimmungen sehr zu empfehlen. Es scheint, 
daß der Alkohol wenigstens innerhalb gewisser Grenzen ein zu- 
verlässiges Mittel zur Fällung der Salze einiger Proteide mit 
Basen in unverändertem Zustand ist. Dies geht aus Unter- 
suchungen von L. L. Slyke und E. B. Hart hervor, die Alkohol 
‚ zur Fällung von Calciumcaseinit benutzten und fanden, daß 
das Präcipitat aus gegen Lackmus neutralen Lösungen genau 


188 M. Richter-Quittner: 


so viel Calcium enthält wie der Quantitat des Calciumhydrates 
entspricht. 


Experimenteller Teil. 


Ich bin daher der Ansicht, daß es bei einer chemischen 
Blütanalyse in allererster Linie auf die Art der Enteiweißung 
ankommt, während die Hunderte von Variationen bei der Be- 
stimmung der einzelnen Blutbestandteile auf das Resultat ohne 
wesentlichen Einfluß sind. Ob man z. B. die Chloride nach 
Volhard oder Mohr titriert, den Zucker gravimetrisch nach 
Pflüger-Allihn oder maßanalytisch nach Bertrand bestimmt, 
ist meiner Ansicht nach lediglich Sache des individuellen 
Geschmackes. 


1. Blutzuckerbestimmungen. 


Die Bestimmung von Zucker im Blute stößt vom chemi- 
schen Standpunkt aus durchaus auf keine Schwierigkeiten. Die 
verschiedenen Enteiweißungsmittel, die bei anderen Blutanalysen 
versagen, leisten hier ausgezeichnete Dienste, wie die Ent- 
eiweißung von Schenk mit Sublimat und Salzsäure, von Rona 
und Michaelis mit Ferrum oxydatum dialysatum Merck, von 
Abeles mit Zinkacetat und Alkohol, von Oppler mit Meta- 
phosphorsäure usw., da Zucker praktisch nicht adsorbiert wird, 
wie aus folgenden Versuchen ersichtlich. ’ 

















Tabelle I. 
Methode Methode Rona 
Bezeichnung Schenk u. Michaelis Methods Abeise 
Nieder- Nieder- Nieder- 
schlag schlag schlag 
Ascites 12,98) 0 1300| o 12,94] 0 
12,99 13,02 12,97 
Ödemflüssigkeit | 20,94|- 0 20,79 0 20,89 
20,96 20,79 20,96 
Pferdeplasma 110,38 0 110,29 0 110,37 0 
110,39 110,34 110,29 


Die Zuckerwerte sind maßanalytisch nach Bertrand er- 
mittelt. Alle drei Enteiweißungsmethoden sind gleichwertig. 
Die Methode von Копа und Michaelis ist am meisten zu 
empfehlen, da sie am einfachsten ist und die wenigsten Che- 
mikalien erfordert. Für Zuckerbestimmungen lassen sich alle 


Chemische Blutanalyse. I. 189 


bekannten Enteiweißungsmittel verwenden, bei denen man in 
der Kälte arbeitet. Beim Erhitzen werden die Saccharide 
oxydiert. 

Die quantitativen Zuckerbestimmungen machen von den 
verschiedenen Eigenschaften des Zuckers Gebrauch. 

1. Polarimetrische Bestimmungen. 

2. Colorimetrische Bestimmungen: Methode von Reicher 
und Stein, L. Waker, Ph. A. Shaffer. 

3. Reduktionsmethoden: Methode Pflüger-Allihn, Ber- 
trand, Lehmann-Maquenne. 

Betreffs der polarimetrischen Methoden verfüge ich über 
keine eigenen Erfahrungen. Die colorimetrischen Methoden 
sind, wie allgemein bekannt, für Zuckerbestimmungen sehr un- 
genau und nicht einmal für den Arzt zu verwenden. Die Re- 
duktionsmethoden verwenden die Eigenschaft des Zuckers, als 
Aldehyde alkalische Kupferlösungen zu reduzieren. Die alt- 
bewährte gravimetrische Methode von Pflüger-Allihn, bei 
der das bei der Reduktion entstehende Kupferoxydul gewogen 
wird, ist immer noch das genaueste und sicherste Verfahren, 
erfordert aber mindestens 50 com Blut oder 50 ccm Plasma 
(entsprechend 100 cem Blut). Ebenso gute Werte erhält man 
auch bei sehr sorgfältigem Arbeiten mit der maßanalytischen 
Methode von Bertrand, die nur 30 ccm Blut oder Plasma 
verlangt. Hier müssen die von Bertrand gegebenen Vor- 
schriften peinlich genau eingehalten werden. Man darf nicht 
länger als 2 Minuten kochen, zu starkes Erhitzen ist zu ver- 
meiden. Die ganzen Manipulationen des Filtrierene, Auswaschens, 
Wiederlösens müssen möglichst schnell erfolgen, da das Kupfer- 
oxydul leicht zu Oxyd oxydiert wird. 

Nach der Methode von Lehmann-Maquenne habe ich 
ausnahmslos etwas zu hohe Werte erhalten, die wohl darauf 


















Tabelle II. 
: Pflüger- Lehmann- 
Datum | Bezeichnung Allihn | Bertrana ee 
18. II. 18 Ochsenplasma 120,39 120,06 121,04 
120,74 120,00 121,09 
5. П. 18 Ascites 52,79 52,74 53,09 


52,70 52,79 53,21 


190 M. Richter-Quittner: 


zurückzuführen sind, daß das Blut Substanzen enthält, die mit 
dem Jodkalium reagieren. Ich führe hier nur zwei Versuche 
an, bei denen nach Rona und Michaelis enteiweißt wurde. 

Die größte Anwendung finden nach der Literatur zweifellos 
die Mikromethoden von Bang. Ich werde diese Verfahren an 
anderer Stelle ausführlich diskutieren. 


2. Harnsäurebestimmungen. 


Es ist bekannt, daß die Harnsäure im Blut in Form des 
Mononatriumurates kreist. Dieses wird nicht nur von den 
Eiweißfällungsmitteln, sondern auch von dem auskoagulierenden 
Eiweiß selbst in sehr starkem Maße adsorbiert, so daß es 
technisch unmöglich ist, richtige Resultate zu erhalten. Alle 
gefundenen Werte sind etwas zu niedrig. Die gebräuchlichsten 
Methoden der Enteiweißung sind die Hitzekoagulationen mit 
sehr verdünnter Essigsäure, die Enteiweißung mit Sublimat 
nach Schenk und mit Ferrum oxydatum dialysatum Merck. 
Um mir eine Vorstellung über die Adsorptionsverhältnisse zu 
machen, habe ich mir eine Lösung von Mononatriumurat Kahl- 
baum hergestellt, deren Harnsäuregehalt ich titrimetrisch nach 
Hopkins ermittelt hatte, diese mit einer Ovalbuminlösung ver- 
dünnt, nach verschiedenen Methoden enteiweißt und im Nieder- 
schlag wie im Filtrat die Harnsäure nach Ludwig-Salkowski 
bestimmt. Die Resultate dieser Versuche sind in Tabelle III 
zusammengestellt.- 


Tabelle III. 














Hitze- Ferrum ; Phosphor- 
2 koagulation oxydatum Sublimat wolframsäure 
Bezeichnung e 2 А 2 
Filtrat Nieder- Nieder- Nieder- Nieder- 
schlag schlag schlag schlag 
Ovalbuminlös. |),4920 | Murexid- | 0,4021) 0,0824 | 0,4000! 0,0321 | 0,4925| Murexid- 
mit 0,50009/, [0,4972 Беи 0,4000) 0,0879 | 0,4072) 0,0900 | 0,4920 ae 
Harnsäure + 
Ovalbuminlös. [0,0188 | Murexid- | 0,0400 0,0400 
mit 0,0500°/, [0,0480 go 0,0410 0,0392 
Harnsäure + 
Ovalbuminlös, |0,00477| Murexid- | 0,0042] Murexid- | 0,0038 0,0045 
mit 0,0050°/, [0,0046 ғу 0,0039] Probe | 0,0030 0,0040 
Harnsäure 











Chemische Blutanalyse. L 191 


Zu den Bestimmungen wurden immer 200 ccm Lösung 
verwendet. Die Versuche zeigen folgendes. 

1. Weder Ferrum oxydatum noch Sublimat sind brauchbar, 
da sie Harnsäure adsorbieren. 

2. Die Enteiweißung mit verdünnter Essigsäure in der 
Hitze und die mit Phosphorwolframsäure geben ziemlich gute 
Resultate, der Eiweißniederschlag enthält nur minimale Mengen 
von Harnsäure. 

3. Die Adsorption ist naturgemäß immer größer, je mehr 
Eiweiß vorhanden ist. 

4. Die Harnsäurebestimmung nach Ludwig-Salkowski 
ist ungenau, wodurch die Differenzen in den Kontrollanalysen 
erklärt werden. 

Ich habe nun dieselbe Lösung in derselben Weise ent- 
eiweißt, aber nur 10 ccm Lösung verwendet und die Harnsäure 
colorimetrisch nach Folin und W. Denis bestimmt. Es ergibt 


sich folgendes: 
Tabelle IV. 


Bezeichnung | Hitzekoagulation Ferrum oxydatum | Sublimat 


Ovalbuminlösung 0,0048 0,0042 
enthält 


0,0050°/, Harnsäure 0,0047 











0,0042 





Die Enteiweißung mit Essigsäure gibt also bei darauf- 
folgender colorimetrischer Bestimmung befriedigende Werte. 


Tabelle V. 












colorim. 


Ludwig- 
Folin u. Denis 


Salkowski 
mg 


Datum 











18. XII. 18 4,29 
4,59 6,92 
21. XII. 18 5,72 7,95 
5,00 ` 1,98 


Die Enteiweißung erfolgte in allen Fällen nach meiner 
Essigsäuremethode. Die Methode nach Ludwig-Salkowski 
gibt, wie bekannt, zu niedrige Werte, da die Harnsäure nicht 
quantitativ auskrystallisiert. Es finden sich in der Literatur 


192 M. Richter-Quittner: 


eine große Zahl colorimetrischer Harnsäuremethoden. Ich habe 
9 verschiedene Verfahren durchgeprüft und kann die Methode 
von О. Folin und W. Denis am meisten empfehlen. Die Re- 
sultate dieser Versuche werde ich an anderer Stelle im Zu- 
sammenhang mit anderen colorimetrischen Methoden mitteilen. 


3. Bestimmung der Chloride. 


Die Methoden von Rogee-Fritsch und уоп у. Hößlin 
zur Bestimmung von Chloriden werden von Ärzten und Physio- 
logen sehr viel angewendet. Beide Methoden, besonders aber 
die von Rog&e-Fritsch, sind unrichtig. Wir können mit 
diesem Verfahren nur einen Teil des im Gesamtblute oder im 
Plasma vorhandenen Chlors, die sogenannten „freien Chloride“, 
nachweisen, da ein kleiner Teil der Chloride an die Eiweiß- 
körper des Blutes (Fibrinogenfraktion) gebunden ist und erst 
bestimmt werden kann, nachdem die Eiweißkörper durch Ver- 
aschung zerstört sind. Aber auch die „freien Chloride“ lassen 
sich weder nach Bogée Fritsch, noch nach у. Hößlin quan- 
titativ bestimmen. 

v. Hößlin enteiweißt in der Hitze unter Zusatz von ver- 
dünnter Salpetersäure. Es ist zweifellos, daß die Hitzekoagu- 
lation von allen Enteiweißungsmethoden technisch am schwie- 
rigsten ist, und es ist daher von vornherein ratsam, auf diese 
Methode zu verzichten, wenn uns einfachere zur Verfügung 
stehen. 

Die Methode von v. Hößlin hat folgende Mängel: 

1. Unterliegen die Chloride viel stärker als irgendein an- 
deres Salz der Adsorption, weswegen man nur in der Kälte 
arbeiten darf, da die Adsorption mit steigender Temperatur 
zunimmt; 

2. Muß bei Chloridbestimmungen vollständig bis auf die 
letzten Spuren enteiweißt werden, da das Eiweiß mit dem 2/, ,- 
AgNO, reagiert und man zu hohe Werte erhalten würde. Bei 
der Hitzekoagulation läßt sich dies aber schwer erreichen. 

Wir bekommen also theoretisch nach dieser Methode ent- 
weder zu hohe oder zu niedrige Werte, und nur wenn sich 
beide Fehler kompensieren, stimmen die gefundenen Zahlen mit 
den Werten nach Oppler, die ich für richtig halte, überein. 

Die Enteiweißungsmethode von Rona und Michaelis mit 


Chemische Blutanalyse. I. 193 


Ferrum oxydatum dialysatum wurde von Rog&e-Fritsch für 
Chloridbestimmung vorgeschlagen. Wie schon eingangs erwähnt, 
ist diese Methode für Chloridbestimmung aus folgenden Gründen 
wenig geeignet: 

1. Enthält das Ferrum oxydatum immer Cl, manchmal 
sogar ebensoviel oder mehr wie das Blut. Ich habe im Laufe 
der letzten 4 Jahre über 200 verschiedene Lösungen im Ge- 
brauch gehabt und teile folgende Werte mit, die auf 50 ccm 
Ferrum oxydatum berechnet wurden, da für eine Enteiweißung 
von 10 ccm Plasma, Blut usw. 50 ccm Ferrum oxydatum in 
Anwendung kommen. 


Tabelle VI. 








L | m | m. | iv. | v. | v. | vi | уш. 
\ 











Chloridgehalt | 0,016 |0,025 |0,029 | 0,057 |0,079 | 0,146 |0,147 | 0,200 

der Ferrum- 
oxydatum- 
Lösung 


Chloridgehalt | 0,0275 
von 10 cem 
Plasma 
oder Serum 


0,0420] 0,059 | 0,065 | 0,047 [0,0451 0,038 | 0,037 


2. Dürfte ein Teil des Chlors in kolloidaler Form vorliegen, 
und es ist leicht verständlich, daß bei der Verdünnung mit 
Wasser unter verschiedenen Umständen verschiedene Cl-Mengen 
in den Ionenzustand übergehen. Dafür spricht folgender Ver- 
such: 

Es wurde дег Cl-Gehalt von 10 ccm einer 10°/,igen Lösung 
von Ferrum oxydatum dialysatum Merck unter wechselndem 
Zusatz von H,O ermittelt. Es zeigte sich, daß der Chlorid- 
gehalt mit steigender Verdünnung steigt. 


Tabelle УП. 








Wasserzusatz | 50 cem | 100 ccm | 150 ccm | 200 ccm | 300 cem 


Chloridgehalt 0,040 g 
von 10 ccm 
Ferrum oxydatum 


0,046 g | 0,047 g | 0,049 g | 0,053 g 














3. wirkt das Ferrum oxydatum als Kolloid auf Elektrolyte 
sehr stark adsorbierend. 


194 M. Richter-Quittner: 


Die Größe der Adsorption hängt ab: 
1. Von der Dauer der Einwirkung der Fällungsmittel, wie 
die Versuche der Tabellen VIII und IX zeigen. 


Tabelle VIII. 

Bestimmung der Chloride nach Rog6&e-Fritsch im menschlichen Plasma 
mii verschiedenen Lösungen von Ferrum oxydatum dialysatum und ver- 
schieden langer Einwirkungsdauer. 

Richtiger Wert nach Oppler = 0,5104°/, Chloride. 















Dauer 
der Ein- 
wirkung 





Lösung | Lösung 
у VI 


Lösung 
п 


Lösung 








Die Lösungen sind nach dem Grade der Reinheit geordnet. Lösung I 
wurde 12 Tage gegen fließendes HO dialysiert. 


Tabelle IX. 


Enteiweißung mit Ferrum oxydatum dialysatum Merck. 
















Ferrum | Dauer A 
Chloride 
А oxydatum der 
Bezeichnung dialysatum | Einwirkung auf 100 com |auf 100 ccm 







ccm 








0,5773 


0,5470 
0,5930 
Verdünnte NaCl- 0,5931 
Lösung + Harn- 0,6208 
stofflösung 0,6200 

+ Ovalbumin- 
lösung, 10 com 0,6047 
für eine Be- 0,6040 
stimmung 0,6149 
0,6140 
0,6472 
0,6470 


2. Von der Menge des angewandten Fällungsmittels. Die 
Versuche der Tabelle IX zeigen, daß ein großer Überschuß 
stark adsorbierend wirkt. 


Chemische Blutanalyse. I. 195 


3. Von der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung 
des Ferrum oxydatum, wie die Versuche der Tabelle VIII zeigen. 
Ein durch Dialyse möglichst von allen Elektrolyten befreites 
Ferrum oxydatum adsorbiert besonders stark. 

4. Von dem Eiweißgehalt der Lösung. Je mehr Eiweiß, 
desto größer die Adsorption. 


Tabelle X. 


Rest-N-Bestimmung in einer Eiweißlösung bei verschiedenem Eiweiß- 
gehalt und gleichem Harnstoffgehalt. 








Gesamt-N| 0,5472 1,0941 1,5674 2,0740 
0,5470 1,0949 1,5670 2,0740 2,5906 3,6741 


Rest-N | 0,13254 ! 0,13077 | 0,13054 | 0,12548 | 0,12074 | 0,11739 
0,13250 | 0,13079 | 0,13050 0,12550 | 0,12070 | 0,11738 


2,5906 3,6739 





Tabelle XI. 


Vergleich zwischen der Chloridbestimmung im Blut nach 
5 Rogée-Fritsch und у. Hößlin. 


ы Datum | Bezeichnung Ez v nend Bemerkungen 


ı| w.ı7 | Eiweiß-Nacı- | 1,61 RK 













IV. 17 









3 
4 
5 
6 
7 Der v. Hößlin- 
Wert stimmt mit 
Oppler überein. 
8 Mit einer guten aus- 
probierten Lösung 
von Ferrum oxyd. 
9 |13. XII. 18| Eiweißkochsalz- do. 
lösung enthalt. 
0,5003°/, NaCl 
10 Aseites do. 
11 Menschliches do. 





Plasma 
Biochemische Zeitschrift Band 9. 14 


196 M. Richter-Quittner: 


Aus allen diesen Versuchen geht wohl mit Sicherheit her- 
vor, daß die Bestimmungsmethode von Rogée-Fritsch sehr große 
Fehlerquėllen birgt. Die im Handel befindlichen Lösungen des hy- 
drolytischen Eisens sind qualitativ und quantitativ ŝehr verschieden 
(derartige Versuche sind noch nicht abgeschlossen); es erscheint 
mir immerħin möglich, daß man zufällig eine ziemlich brauch- 
bare Lösung in die Hand bekommt. Ich halte es auch nicht 
für ausgeschlossen, daß man durch einige Kunstgriffe sich 
bessere Lösungen des kolloidalen Eisens herstellen kann, doch 
scheinen mir diese Bemühungen zwecklos, da wir ja über gute 
Verfahren der Chloridbestimmung verfügen. Vergleichswerte 
mit den beiden Methoden von Rogee-Fritsch und von 
v. Hößlin befinden sich in Tabelle XI. Die Rogee-Fritsch- 
Werte sind ausnahmslos niedriger. 


Tabelle XII. 


Bestimmung der freien Chloride nach verschiedenen Methoden. 








PC Б 
Datum Bezeichnung ER 5 
oz РА 
ё р ` 
21. Х1. 18 Pferdeplasma 0,3274 | 0,3670 | 0,4091 
0,3270 | 0,3670 | 0,4090 
13. XII. 18 Ascites 0,4738 | 0,5192 | 0,5109 
0,4730 | 0,5190 | 0,5100 
13. XII. 18 Eiweißlösung, 0,4726 | 0,4907 | 0,4997 
enthaltend 0,4720 | 0,4900 | 0,4998 
0,5003°/, NaCl 
16. XII. 18 Menschliches 0,4444 | 0,4972 | 0,5103 |. 
Plasma 0,4444 | 0,4970 | 0,5100 
18. XU. 18 Ochsenplasma 0,4204 | 0,4400 | 0,4416 0,4400 
0,4200 | 0,4400 | 0,4416 0,4400 
20. XII. 18 Katzenplasma 0,3721 | 0,3800 | 0,8809 
0,3721 | 0,3800 | 0,3809 
21. II. 19 Pleuritisches 0,3876 | 0,4292 | 0,4200 
Exsudat 0,3876 | 0,4291 | 0,4200 
27.1. 19 ‚Ödemflüssigkeit 0,6019 | 0,5974 0,5839 
0,6019 | 0,5970 0,5800 
10. IH. 19 Menschliches 0,5102 | 0,5090 | 0,5092 
Plasma 0,5109 | 0,5090 | 0,5091 
4. III. 19 Ascites 0,4439 | 0,4624 | 0,4599 | 0,4598 
0,4439 | 0,4621 | 0,4598 | 0,4597 
24. III. 19 Ascites 0,4462 | 0,4800 | 0,4702 | 0,4709 


0,4462 | 0,4800 | 0,4709 | 0,4702 


Chemische Blutanalyse. І. 197 


Sehr zu empfehlen ist die Methode von Oppler, bei der 
in der Kälte mit 4°/, Metaphosphorsäure enteiweißt wird. Die 
von mir modifizierte Methylalkoholenteiweißung gibt auch gute 
Resultate. Ich gebe in Tabelle XII eine Übersicht über die 
verschiedenen Methoden. 


4. Bestimmung des Reststickstoffes. 


Unter Reststickstoff des Blutes versteht man den nicht 
koagulablen Stickstoff, die Summe aller N-haltigen Bestandteile 
des Blutes mit Ausnahme der Eiweißkörper. Ob man die Al- 
bumosen und Peptone dem Rest-N zurechnen soll-oder nicht, 
ist noch nicht entschieden. Ich will auf die Frage hier nicht 
eingehen, da Albumosen und Peptone meist nur spurenweise 
im Blute vorhanden sind. Von allen Blutanalysen ist die Rest- 
stickstoffbestimmung sicher die schwierigste. Die wichtigsten 
Faktoren des Rest-N sind Harnstoff, Harnsäure, Aminosäuren, 
Kreatinin und Ammoniak. Dies sind der Hauptsache nach gut 
krystallisierende Verbindungen, die der Adsorption sehr stark 
unterliegen.‘ Wir dürfen daher weder mit Schwermetallsalzen, 
noch mit kolloidalen Metallen enteiweißen, da diese alle Elek- 
trolyte sehr stark adsorbieren. Bei allen anderen Enteiweißungs- 
mitteln ist es aber nur sehr schwer zu vermeiden, daß nicht 
Spuren von Eiweiß der Fällung entgehen. Ich halte von 
136 Fällungsmitteln, die ich in der Literatur gefunden habe, 
nur zwei für brauchbar, und zwar die Enteiweißung mit Tri- 
chloressigsäure nach Greenwald und die Essigsäuremethode; 
alle anderen geben teils zu hohe, teils zu niedrige Werte. Auch 
diese beiden Methoden können den Anforderungen nicht ganz 
entsprechen, da das Eiweiß als Kolloid immer mehr oder 
weniger stark adsorbierend wirken muß und es anderseits un- 
endlich schwierig ist, ein Kolloid quantitativ bis auf die letzten 
Spuren auszuflocken. Deswegen würde ich mich auf eine Rest- 
stickstoffbestimmung, auch wenn die Kontrollanalysen noch so 
gut stimmen, nie verlassen. Will man sichere Werte erhalten, 
so muß man den Reststickstoff nach zwei zuverlässigen Me- 
thoden bestimmen. Die bequemste Methode der Reststickstoff- 
bestimmung ist meiner Ansicht nach die Dialyse, die sehr ein- 
fach ist und nur 2 bis 3 ccm Plasma erfordert. 

Wenn man bedenkt, was für große diagnostische und pro- 

$ 14* 


198 M. Richter-Quittner: 


gnostische Bedeutung den Reststickstoffbestimmungen in der 
Klinik und Therapie der Nephritiden zugeschrieben wird, so 
wird mir gewiß jedermann recht geben, wenn ich behaupte, daß 
man gerade hier angesichts der großen technischen Schwierig- 
keiten mit größter Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit arbeiten 
muß. Ich habe in Tabelle XIII Reststickstoffbestimmungen bei 
Gesunden nach den Literaturangaben zusammengestellt, um zu 
zeigen, daß die verschiedenen Autoren verschiedene Werte bei 
Normalen finden. 


Tabelle XIII. 


Reststickstoffbestimmungen bei Gesunden nach Literaturangaben. 





Jahr Rest-N 


Autor 








1899 | Sohöndorff 50 mg 


in 100 eem Blut 


41 bis 60 mg in 
100 com Serum 


1911 | Hohlweg 


Methodik 


Enteiweißung mit Phosphorwol- 
framsäure, N nach Kjeldahl. 


Hitzekoagulation unter Zusatz 
von CH,COOH, М№аН,ООН und 
NaCl, N nach Kjeldahl. 


1913 Philipp 32 mg in Enteiweißung mit der 4fachen 
100 ccm Serum | Menge Phosphorwolframsäure. 

1905 | v. Rzent- 22,6 bis 66 mg | Hitzekoagulation mit CH,COOH 

kowski |in 100ccm Blut) und NaCl. 

1913 O. Folin |22,0 bis 26,0 mg | Enteiweißung mit Methylalkohol 
in 100 cem Blut| und Chlorzink. 

1915 Wolf 25 bis 28 mg |keine Angabe 
in 100 ccm Blut 

4916 | Ivar Bang | 15 bis 32 mg | Enteiweißung -mit Phosphormo- 


in 100 ccm Blut 
oder Serum 

20 bis 40 mg in 

100 сот Serum 


1916 


Schenk 


lybdänsäure mikro- und makro- 
analytisch. 

Methode Folin mit Methylalko- 
hol und Chloride. 


1917 Taylor 25 bis 28 mg |keine Angabe 
in 100 cem Blut 
1917 Hulton 25 bis 28 mg dto. 
in 100 ccm Blut 
1918 Feigl 20 bis 30 mg | Mikromethode von Bang. 
in 100 eem Blut 
1918 Gettler 30 bis 45 mg | Enteiweißung nach Schenk. 
in 100 eem Blut 
oder Serum 
1918 | Volhard 30 mg Methode Folin. 
in 100 com Blut 
1919 Brun 24 bis 35 mg in | Methode Schenk. 





100 сет Serum 








13 


14 


Chemische Blutanalyse. 1. 


199 











CH,COOH 


60,54 
60,50 


54,67 
54,69 


83,31 
83,27 


200,09 
200,00 


72,50 
73,46 


105,62 
105,60 


198,96 
198,94 


45,60 
45,51 


139,80 
139,80 


19,07 
19,08 


25,29 
2,29 
55,82 
55,71 


15,74 
15,69 


15,98 


Tabelle XIV. 
Bestimmung des Reststickstoffes nach verschiedenen Enteiweißungs- 
methoden. 
ER? DH Р v 
Ha |1Sso о 55 | 
3 52,383 ТЕ: 
85 32223232 23 | 34 
2 Se H A 
25. X. Pferdeplasma 74,00 | 74,38 75,48 | 76,29 
18 74,10 | 74,29 75,40 | 76,30 
11. XI. Ochsenplasma 43,71 | 43,56 | 45,20 | 55,72 | 60,38 | 69,74 
18 43,70 43,50 45,20 | 55,00 | 60,38 | 69,98 
18. XI.|Plasma v.| Diabetes 48,37 | 50,22 | 54,92 
18 IK. Winter) mellitus 48,37 | 50,29 | 54,99 
18. XI. Pferdeplasma 69,84 | 70,00 | 70,54 | 79,43 88,27 | 89,94 
18 69,80 | 70,00 | 70,56 | 79,40 | 83,19 | 89,90 
22. Х1.| Johann |Nephritis |197,54 198,31 |199,04 |199,91 |200,07 |210,47 
18 Popp |Hyperton.|197,50 1198,30 |199,04 |199,90 1200,08 1210,40 
deme 
22. ХІ. Pferdeplasma 65,47 | 65,51 | 69,84 | 72,43 | 73,50 | 76,54 
18 65,40 | 65,59 | 69,80 | 72,40 | 73,46 | 76,59 
27. XI. Pferdeplasma 73,99 | 70,29 | 94,38 |100,62 |103,29 
18 73,90 | 70,20 | 94,29 |100,60 |103,20 
11.XIL| Julie Grippe |185,74 189,72 (190,89 194,67 1240,38 
18 Веһоё 185,70 189,70 |190,40 |194,60 1240,20 
13.XIL. Ascites von 12,54 | 11,32 | 21,00 19,79 
18 Franciska Sekyra | 12,50 | 11,30 | 21,14 19,82 
18.ХП. Ochsenplasma 32,84 | 32,79 | 44,71 | 45,41 | 45,44 | 49,38 
18 32,89 | 32,71 | 44,70 | 45,49 | 45,40 | 49,41 
16.XIL.| Knessek | Erythrä- 16,39 | 20,20 | 19,74 | 20,74 
18 mie 16,30 | 20,31 | 19,71 | 20,69 
Eiweiß 132,47 1129,45 |137,48 138,00 139,84 [150,39 
Harnstoff- 132,40 |129,40 [187,40 1128,10 |139,80 1150,38 
lösung 
(140,00 mg) 
21.XL. Katzenplasma 17,29 | 17,34 | 18,14 | 18,29 | 19,08 | 20,48 
18 17,00 | 17,30 | 18,10 | 18,20 | 19,01 | 20,41 
8.1.19 Hundeplasma 24,38 | 24,09 | 24,10 | 25,08 [25,56 | 26,09 
24,39 | 24,14 | 24,00 | 25,09 | 25,59 | 26,08 
8.1.19 Ochsenplasma 55,39 | 55,97 
(arteriell) 55,28 | 55,98 
18. II. Pleuritisches 15,72 
19 Punktat 15,79 
20. П. Ödemflüssigkeit 15,90 
19 15,79 


15,90 


200 M. Richter-Quittner: 


Tabelle XIV (Fortsetzung). 


















D U D Ф 
ka ka d 
я 8 59, „© 85 
Ра 82585838 i 
Nr. Pech: Dialyse 
SE |0 2al 0:9 E 
Би |а 0 R- E S 
о Ag m © 








Pleuritisches 
Exsudat 


Ochsenplasma 
arteriell 


Tabelle XIV gibt eine Übersicht über die verschiedenen Me- 
thoden. Es zeigt sich, daß die Enteiweißung mit Sublimat 
nach Schenk, mit Ferrum oxydatum dialysatum, Phosphor- 
molybdän und Metaphosphorsäure zu niedrige Werte ergibt, 
während die Enteiweißung mit Trichloressigsäure, die Essig- 
säuremethode und das Dialysierverfahren sehr gut überein- 
stimmen. Dieselben Resultate zeigen Tabellen XV und XVL 


\ 


Tabelle XV. 
Bestimmung des Rest-N in serösen Körperflüssigheiten. 























Datum| Name 





Ascites 





18 Sek. 




















5.11. | Therese Ascites 93,54 45,79 45,68 45,72 
19 Gabri 93,54 45,78 45,39 | 45,70 
18.П. | Josefine | Pleuritis | Exsudat 15,74 15,82 15,72 
19 Smol. 15,69 15,76 15,79 
20. II. | Mathilde Ödem 91,06 15,98 15,82 15,90 
19 Schmi. 91,06 15,90 15,83 15,79 
21. П. |] Therese | Pleuritis | Exsudat 22,94 22,74 | 21,07 
19 Eb. 22,85 22,68 21,08 
5. III. 18,94 18,91 17,38 
19 18,90 18,99 17,30 


Chemische Blutanalyse. I. 201 


Tabelle XVI. 


Rest-N-Bestimmungen bei verschiedenen Erkrankungen. 


"Alten Vollblut Plasma Serum 
CH,COOH] Dialyse |CH,COOH]/Dialyse|CH,COOH]| Dialyse 





























Datum Name | Diagnose 
14. UI Josefa Grippe 240,00 |289,48 | 248,74 | 248,71 
18 Door 240,09 |239,40 | 248,70 | 248,76 
8.П. | Leopold | Abge- 23,74 36,92 | 36,52 
19 Schim | klungene 23,70 36,85 | 36,50 
Grippe 
10.1. | Anna |Nephritis 117,29 | 117,20 | 135,98 | 135,00 
19 Haud. acuta 117,20 | 117,20 | 135,92 | 135,00 
12. IL. | Rosa Fr. | Nephritis 75,02 130,74 | 130,67 
19 75,31 130,62 | 130,72 
18. II. | Mathilde | Normal 15,09 | 15,82 | 27,95 | 27,94 
19 Schm. 15,80 | 27,98 | 27,69 
29. III.|Emilie Pf.| Nephritis 53,92 100,56 |100,59 | 100,00 | 100,54 
19 53,91 100,52 [100,41 | 100,21 | 100,27 





Die Stickstoffbestimmungen wurden entweder nach Kjel- 
dahl oder nach Pregl ausgeführt. Beide Methoden sind iden- 
tisch. Die Resultate dieser Versuche werde ich in der nächsten 
Mitteilung bringen. Kurz erwähnen möchte ich noch den merk- 
würdigen Befund vieler Autoren, daß der Rest-N-Gehalt des 
Serums und des Gesamtblutes nahezu gleich ist, woraus folgen 
würde, daß die Blutkörperchen ebensoviel Rest-N enthalten wie 
das Plasma. Wir können aber diese Angaben nicht bestätigen, 
wie aus Tabelle XVI hervorgeht. W. Falta hat an anderer 
Stelle ausführlich über die Verteilung von Chloriden, Zucker, 
Rest-N auf Blutkörperchen und Plasma berichtet. 


5. Einfluß der gerinnungshemmenden Mittel. 

Zum Schlusse seien mir noch einige Bemerkungen über 
den Einfluß der gerinnungshemmenden Mittel auf die einzelnen 
Blutbestandteile gestattet. Wir können das Blut durch folgende 
Mittel ungerinnbar machen: 

1. Indem wir das Blut mit Hirudin auffangen. 

2. Durch Zusatz einiger kalkfällender Salze, wie Natrium- 
fluorid, Natriumoxalat, Ammonoxalat, Natriumcitrat usw. 

3. Durch Defibrinieren. 

Vom biologischen Standpunkt aus ist es nicht gleichgültig, 
auf welche Weise man das Blut ungerinnbar macht, da sich 


202 M. Richter-Quittner: 


insbesondere das Natriumfluorid und Oxalat als starke Zellgifte 
erwiesen haben, die die Blutkörperchen schädigen. Alle Salze 
bringen die Blutkörperchen zum Schrumpfen, so daß man bei 
Hämatokritbestimmungen zu niedrige Werte erhält, wie folgende 
Versuche zeigen. 

Tabelle XVII. 











Blutkörperchenvolumen. 
Ohne Vorlage|3°/, Na-Oxalat|1°/, Na-Oxalat| Hirudin 
% 9 9 ` 
Normal 
Kriegsödem 


Diabetes mellitus 





Als ideales Mittel hat sich Hirudin!) erwiesen, das in der 
Mehrzahl der Fälle zur Anwendung kam (0,02 bis 0,5 g auf 
100 ccm). Vom Defibrinieren des Blutes durch Schlagen haben 
wir abgesehen, da es von vornherein wahrscheinlich war, daß 
die Blutkörperchen durch das Schlagen geschädigt werden. Vom 
chemischen Standpunkt erscheinen die verschiedenen, die Ge- 
rinnung hemmenden Mittel ziemlich indifferent, wie Tabelle ХУШ 
zeigt. 

Tabelle XVIIL 


Einfluß der gerinnungshemmenden Mittel auf die Bestimmung von 
Chloriden und Rest-N-Bestimmungen im Ochsenplasma 21. XII. 18. 











Chloride Best 
Ferrum 
oxydatum| Oppler I&oranyi 001,000 |н,соон 
0,03 g Hirudin | 0,4723 45,98 
auf 100 ccm Blut | 0,4728 45,90 
3 р Natriumoxalat | 0,4691 45,79 
auf 100 осш Blut | 0,4690 45,74 


1 g Natriumoxalat | 0,4699 
auf 100 eem Blut 0,4699 


1 g NaF 0,4692 
auf 100 ocm Blut | 0,4690 


2,5 g Ammoncitrat | 0,4700 
0,4706 


Ze Natriumcitrat | 0,4704 
0,4700 








1) Das Hirudin wurde uns von der Firma E. Sachsse in Leipzig in 
liebenswürdiger Wesie zur Verfügung gestellt. 


Chemische ‚Blutanalyse. І. 203 


Literatur. 


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34. Rohrmann, Über die Bestimmung des Zuckers im Blut. 
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35. Rog6e und Fritsch, Eine neue Makro- und Mikromethode zur 
quantitativen Bestimmung des Chlors im Blut. Diese Zeitschr. 44, 53, 1913. 

36. P. Rona und L. Michaelis, Enteiweißung mittels Kaolin und 
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37. Dieselben, Weitere Beiträge zur Methodik der Enteiweißung. 
Diese Zeitschr. 5, 365, 1907. 

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43. E. Wechsler, Zur Technik der Phosphorwolframsäurefällung. 
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44. M. Christine Tebb, The Precipitation of Proteids by Al- 
cohol and certain other Reagents. Journ. of Physiol. 30, 25, 1904. 


Beitrag zur Kenntnis der Hämagglutinine und 
Hämolysine. 


Von 


Anna Vécsei. 
(Aus dem hygienischen Institut der Universität in Budapest.) 
(Eingegangen am 15. April 1919.) 


Die Isolierung und Reinigung der Immunkörper wurde 
schon vor längerer Zeit versucht. Е. Pick!) teilte im Jahre 1902 
seine Versuche mit, die sich auf die Isolierung der Typhus- 
und Cholera-Immunagglutinine bezogen. Er fand die Agglutinine 
größtenteils in dem im Serum hergestellten Pseudoglobulin- 
niederschlag, und er reinigte diesen Niederschlag durch wieder- 
holte Auflösung und Ausfällung mit Ammonsulfat und Alkohol. 
Durch dieses Verfahren erhielt er eine relativ eiweißarme 
Lösung, die ungefähr !/, der ursprünglichen Agglutininmenge 
des Serums enthielt. Diese Lösung enthielt aber. noch koagu- 
lables Eiweiß und gab Biuret- und Millonsche Reaktion. Ver- 
suchte er aber die Eiweißkörper ganz zu eliminieren, so schwand 
auch die agglutinierende Wirksamkeit der Lösung. 

Hahn und Trommsdorf?) versuchten das Agglutinin aus aggluti- 
nierten Typhus- und Cholerabakterien durch Digestion mit Serum 
verschiedener Tierspezies, sowie durch verdünnte Säuren und Laugen 
zu extrahieren. Mit der letztgenannten Methode erhielten sie auch 
schwach agglutinierende Lösungen. 

Die Hämagglutinine zu isolieren versuchten zuerst Landsteiner 
und Jagiö°). Sie isolierten die Agglutinine aus den agglutinierten Blut- 
körperchen durch Digestion mit physiologischer Kochsalzlösung bei 
einer Wärme von 45°C. Durch diese Methode gewonnene Lösung ent- 


`1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1, 1902. 
з) Münch. med. Wochenschr. 1900. 
3) Münch. med. Wochenschr. 1913, Heft 18. 


206 A. Vécsei: 


hielt auch Eiweiß, das sie von den Agglutininen zu trennen nicht ver- 
mochten. 

Liebermann und Fenyvessy!) extrahierten die Immunkörper 
aus den agglutinierten Blutkörperchen mit verdünnter Salzsäure und 
haben sie auch in trockenem Zustand gewonnen. Ihre Lösung hatte 
eine sehr gute agglutinierende und hämolytische Wirkung, und es konnte 
darin kein Eiweiß mehr nachgewiesen werden. Da also diese Methode 
offenbar zu den relativ reinsten Produkten führt, habe ich sie zu meinen 
Versuchen verwendet, deren Ziel es war, einerseits die Frage, ob die in 
Rede stehenden Immunkörper Eiweißkörper sind, definitiv zu ent- 
scheiden, andererseits über ihre Eigenschaften und chemische Zusammen- 
setzung neue Daten beizubringen, soweit dies bei der Schwierigkeit, 
genügendes Material zu beschaffen, möglich war. 

Der Gang meiner Versuche war folgender: 

Kaninchen wurden gegen Schweineblutkörperchen immuni- 
siert, und zwar wurden von 25°/, Schweineblutkörperchen- 
emulsion 4 ccm und nach 4 Tagen 5 cem in die Ohrvenen 
der Tiere injiziert. 6 Tage nach der zweiten Injektion — als 
die Agglutinationswirkung der Sera der Tiere den Wert 1:800, 
die hämatolytische Wirkung den Wert 1:1250 erreichte — 
wurde jeden zweiten Tag Blut aus den Ohrvenen der Tiere 
entnommen und die Sera gesammelt. So habe ich von 7 Ka- 
ninchen 350 ccm Immunserum gewonnen, die ich in mehreren 
Fraktionen verarbeitete. 


Die Isolierung der Immunkörper habe ich, wie schon ge- 
sagt, nach dem Verfahren von Liebermann und Fenyvessy 
folgendermaßen vorgenommen: Das inaktivierte Serum wurde 
mit der doppelten Menge 5°/,ige Blutkörperchenemulsion ver- 
sehen und 1 Stunde lang im Brutschrank gehalten. Die ag- 
glutinierte Masse wurde zentrifugiert und mit physiologischer 
Kochsalzlösung 3mal gewaschen. Hierauf wurden die Agglu- 
tinine mit 2/, oo Salzsäure extrahiert?) und die Blutkörperchen 
aus der salzsäurigen Lösung abzentrifugiert. Die Lösung wurde 
mit ”/ oo- Natronlauge neutralisiert und der entständene Nieder- 
schlag abzentrifugiert, die Lösung mit Salzsäure angesäuert und 
mit Äther ausgeschüttelt, zentrifugiert, der Äther von der 
saueren Lösung abgegossen und die Lösung mit Lauge neutra- 


1) Centralbl. f. Bakt. 47, Heft 2. 
D Damit die Auflösung der Blutkörper vermieden werde, wurden 
sämtliche Reagenzien mit physiologischer Kochsalzlösung bereitet. 


Hämagglutinine und Hämolysine. 207 


lisiert. War die Lösung in diesem Stadium nicht ganz farblos, 
so wurde die Ausschüttelung mit Äther wiederholt und der 
Äther nachher verdampft. 

Sodann wurde die Lösung gegen destilliertes Wasser so 
lange dialysiert, bis darin mit Silbernitrat kein Chlor mehr 
nachgewiesen werden konnte. Nachher wurde die Lösung ein- 
getrocknet und die gewonnenen Trockensubstanzen gesammelt. 
Die bearbeiteten 350 cem Immunsera haben 0,1639 р Trocken- 
substanz ergeben. 

Die chemische Untersuchung der Trockensubstanz hat 
folgendes ergeben: sie ist in destilliertem Wasser schwer lös- 
lich, (kaum !/, [23°/,] löst sich) hingegen ziemlich leicht in 
physiologischer Kochsalzlösung, die mehr als ®/, (88°/,) löst, 
sowie in konzentrierter Essigsäure und Salpetersäure und in 
heißer verdünnter Natronlauge. In Äther und Alkohol ist sie 
unlöslich. Die Reaktion der Trockensubstanz ist sauer, auf 
feuchte Lackmusstreifen gebracht, rötet sie diese. Die wäßrige 
und kochsalzhaltige Lösung verhält sich jedoch gegen die Lack- 
musstreifen neutral. 

Der Aschengehalt ist groß. 15,6 mg verbrannt geben 
4,6 mg Asche, was 29,48°/, entspricht. Die Reaktion der 
Asche ist bei der Untersuchung mit feuchten Lackmus- 
streifen entschieden alkalisch. Die Asche löst sich in Wasser 
nur teilweise, aber leicht in verdünnten Säuren. 

Um etwa vorhandenen locker gebundenen Schwefel 
nachzuweisen, habe ich 4,8 mg Substanz mit Kalilauge gekocht 
und auf eine Silberplatte getröpfelt. Die Silberplatte ist nicht 
schwarz geworden. Auch beim Erhitzen mit einer Bleilösung 
war keine Schwärzung zu beobachten. Mit 3 mg Globulin habe 
ich Kontrollproben vorgenommen, die ein positives Resultat 
ergaben. Die Substanz enthält also keinen locker gebundenen 
bleischwärzenden Schwefel. 

Zum Nachweis des in Form von Sulfaten gebundenen 
Schwefels habe ich das Material mit 1 Teil Salpeter und 
2 Teilen Soda zusammengeschmolzen. In der Lösung der 
Schmelze war Schwefelsäure nachzuweisen, mehr als in einer 
Kontrollprobe mit der gleichen Menge Serumglobulin. Die 
Sulfate sind jedoch im Material nicht nur in organischer Bin- 
dung vorhanden, sondern sind auch ohne Aufschließen in den 


208 A. Veosei: 


(mit physiologischer NaCl-Lösung) bereiteten Lösungen mit 
Chlorbarium nachweisbar. 

Zur Bestimmung der Phosphorsäure habe ich 10,6 mg 
Trockensubstanz eingeäschert. Die Asche wurde in Salpeter- 
säure aufgelöst und mit Ammoniummolybdatlösung vermengt. 
Es konnten so Spuren von Phosphorsäure nachgewiesen werden. 

Zum Nachweis des Eisens habe ich 15,6 mg Trocken- 
substanz verbrannt, die Asche in Salzsäure gelöst und einige 
Tropfen Rhodankaliumlösung hinzugegeben, wodurcheineschwach 
rötliche Färbung entstand. 


Die quantitative Bestimmung des Eisens habe ich colori- 
metrisch in der Weise ausgeführt, daß ich in eine Eprouvette, 
die dieselben Mengen Salzsäure und Rhodankalium enthielt, 
tropfenweise eine Eisenchloridlösung, die in jedem Kubikzenti- 
meter 0,1 mg Eisen enthielt, so lange tröpfelte, bis ich eine 
der mit der Asche gewonnenen Reaktion entsprechende Färbung 
bekam. Auf diese Weise könnte ich 0,015 mg Eisen nach- 
weisen. Dies entspricht auf das Gewicht der Asche gerechnet 
0,32°/, und auf die ursprüngliche Trockensubstanz gerechnet 
0,96 TL, | 
Außer Eisen konnte keine andere Base als Natrium 

nachgewiesen werden. Die Untersuchung auf Calcium und 
Magnesium ergab ein negatives Resultat. 

Zum Nachweis des Stickstoffs habe ich 4,8 mg Trocken- 
substanz mit Natronkalk verrieben und erhitzt. Ein feuchter 
roter Lackmusstreifen wurde stark blau. Die quantitative Be- 
stimmung geschah nach Kjeldahl. Vorher habe ich 2 Kon- 
trollproben mit je 10 mg Serumglobulin ausgeführt, und nur 
als es sicher war, daß das Resultat auch bei Anwendung so 
kleiner Mengen Materials genau wird, machte ich zwei Paral- 
lelbestimmungen mit је 10 mg der Trockensubstanz. Das 
Resultat ergab 1,058 mg Stickstoff in 10 mg Trockensubstanz. 
Dies entspricht auf aschenfreies Material berechnet 14,69°/, N. 

Da trotz des gegenteiligen Befundes von Liebermann 
und Fenyvessy manche Autoren daran festzuhalten scheinen, 
daß die in Rede stehenden Immunkörper eiweißartiger Natur 

„find, war ев von Wichtigkeit, zu entscheiden, ob die nach der 
Methode von Liebermann und Fenyvessy mit Salzsäure 


Hämagglutinine und Hämolysine. 209 


extrahierte und auf die oben geschilderte Weise gereinigte 
wirksame Trockensubstanz tatsächlich eiweißfrei ist oder nicht. 

Zu diesem Zwecke habe ich die üblichen Eiweißreaktionen 
mit gewogenen Mengen Trockensubstanz ausgeführt und zur 
Kontrolle mit ebensoviel oder kleineren Mengen Serumglobu- 
lins, welche kleine Mengen Serumglobulin mit den angewendeten 
Reagenzien immer ein positives Resultat ergaben. Ich habe die 
folgenden Eiweißreaktionen vorgenommen: 

Mit 9,2 mg Trockensubstanz die Biuretreaktion 


» 54n ” » Millonsche Reaktion 
» 9,6» ” » Xanthoprotein-Reaktion 
» 48 » D » Adamkiewiczsche » 


Sämtliche Reaktionen ergaben ein negatives Resultat. 
Außer diesen habe ich noch Eiweißreaktionen in der kochsalz- 
haltigen Lösung des Materials vorgenommen, welche Lösung in 
jedem Kubikzentimeter 3,4 mg Trockensubstanz enthielt. Die 
darin vorgenommene Sulfosalicylsäure- und Xanthoprotein-Re- 
aktionen ergaben wieder ein völlig negatives Resultat. 

Alle diese Reaktionen, sowie die Abwesenheit von 
bleischwärzendem Schwefel beweisen, daß das auf 
diese Weise isolierte Material kein Eiweißkörper ist. 

Zur Entscheidung dessen, ob das die oben geschilderten 
chemischen Eigenschaften besitzende Material die Immunkörper 
tatsächlich enthält, habe ich Agglutinations- und hämolytische 
Proben angestellt. Ich habe eine Lösung (in physiologischer 
NaCl-Lösung) hergestellt, die in jedem Kubikzentimeter 3,07 mg 
Trockensubstanz enthielt. 1 ccm dieser Lösung wurde mit 
5 Tropfen 10°/,iger Schweineblutkörperchenemulsion vermengt. 
Agglutination konnte prompt beobachtet werden, und 
nach 2stündigem Aufenthalt im Brutschrank war die Agglu- 
tination stark. Dieses Verfahren hatte aber die Agglutinin- 
menge der Lösung noch nicht erschöpft, denn nach Zentrifu- 
gieren der agglutinierten Mengen gab ich zu der Lösung wieder 
5 Tropfen Blutkörperchenemulsion und erhielt abermals und 
auch sofort bemerkliche und nach 2stündigem Aufenthalt 
im Brutschrank stark gewordene Agglutination. Dieser 
Agglutinationsversuch wurde 2mal mit aus verschiedenen Teilen 
der Trockensubstanz entnommenen Proben wiederholt, immer 
mit demselben Resultat. 


210 A. Vécsei: Hämagglutinine und Hämolysine. 


Bei der hämolytischen Probe wurde 1 ccm Lösung mit 
5 Tropfen 10°], Schweineblutkörperchenemulsion und als Komple- 
ment mit 1 Tropfen 6fach verdünntem frischen Meerschwein- 
chenserum vermengt und 3 Stunden lang im Brutschrank ge- 
halten. Die Hämolyse war zwar bemerkbar, aber ge- 
ring. Das soll vielleicht bedeuten, daß die hämolytischen 
Immunkörper empfindlicher sind als die Agglutinine und unter 
dem langwierigen Reinigungsprozeß größtenteils zugrunde gehen. 

Aus den hier mitgeteilten Versuchen geht hervor, 
daß es mir gelang, nach der Methode von Liebermann 
und Fenyvessy aus den Seris gegen Schweineblut- 
körperchen immunisierter Kaninchen die entsprechen- 
den Immunkörper zu isolieren, und die chemischen 
Untersuchungen zeigten, daß diese — auch nach der 
Isolierung wirksame — Immunkörper in Überein- 
stimmung mit den Angaben von Liebermann und 
Fenyvessy keine Eiweißkörper sind, da sie weder 
bleischwärzenden Schwefel enthalten, noch die be- 
kannten empfindlichen Eiweißreaktionen geben. Ihr 
Stickstoffgehalt steht aber demjenigen der Eiweiß- 
körper nahe. 

Bezüglich des großen Aschengehalts des Materials und 
über seine Bedeutung wäre es verfrüht, sich zu äußern. Es 
ist möglich, daß es nur einfache Verunreinigung ist und daß 
man bei Verarbeitung größerer Mengen Materials und häufiger 
Reinigung zu ascheärmeren Produkten gelangen könnte. Ebenso 
kann vielleicht der Eisen- und Phosphorsäuregehalt aus den 
Blutkörperchen herrühren, von denen die Substanz abgespaltet 
wurde. 


Über Resistenz der roten Blutkörperchen bei Stick- 
stoffdefizit und bei Inanition. 


Von 
D. Acél. 


(Aus dem hygienischen Institut der Universität in Budapest.) 
(Eingegangen am 15. April 1919.) 


Physiologische Versuche an Menschen und Tieren haben 
es längst erwiesen, daß das Nahrungseiweiß nur bis zu einer 
bestimmten Grenze durch sonstige Nährstoffe ersetzt werden 
kann, d. h. daß zur Erhaltung des Lebens ein bestimmtes Mi- 
nimum an Eiweißnahrung unbedingt erforderlich ist. Wenn 
auch die Werte, die von den verschiedenen Autoren für den 
minimalen Eiweißbedarf des Menschen ermittelt worden sind, 
sehr weit voneinander abweichen, so wird doch allgemein an- 
genommen, daß eine weitere Verminderung der Eiweißzufuhr 
zu Schädigungen des Organismus führen muß. Es wäre daher 
für das Studium der Frage sehr wichtig, wenn wir über ein 
empfindliches und sicheres Zeichen verfügen würden, das 
die infolge von Eiweißmangel eintretenden Schädigungen des 
Organismus erkennen lassen würde. 

Es ist bekannt, daß der Organismus auf verschieden- 
artige Schädigungen mit bestimmten Reaktionen antwortet. An 
diesen Reaktionen müssen sich natürlich gewisse zellige Ele- 
mente beteiligen. Es wäre somit naheliegend, anzunehmen, daß 
die roten Blutkörperchen ebenfalls gewisse Veränderungen er- 
fahren, wenn die notwendigen Bausteine des Körpers, also in 
erster Reihe die Eiweißkörper, in ungenügender Menge zuge- 
führt werden, um so mehr, da es ja durch verschiedene Versuche 
und klinische. Verfahren bekannt ist, daß die Erythrocyten 

Biochemische Zeitschrift Band 95. 15 


212 ` D Aol: 


auf verschiedene Schädigungen des Organismus recht empfind- 
lich reagieren. 

Es war daher von Interesse, nachzuforschen, ob zwischen 
Eiweißmangel einerseits und zwischen dem Verhalten der roten 
Blutkörperchen anderseits Beziehungen existieren, und wenn ja, 
ob diese geeignet sind, aus dem Verhalten der Erythrocyten 
auf die Bedeutung des Eiweißhungers für den Gesamtorga- 
nismus bestimmte Schlüsse zu ziehen. 

Es hat schon Chittenden!) bei seinen Versuchen über das Eiweiß- 
minimum die Zahl der Erythrocyten und den Hämoglobingehalt des 
Blutes verfolgt, ohne jedoch zu bestimmten Schlüssen zu gelangen. 

Albertoni und Rossi?) haben in Menschenversuchen eine Zu- 
nahme des Hämoglobingehaltes gefunden, wenn die Versuchspersonen 
nach einer minimalen Zufuhr von Pflanzeneiweiß einen Zusatz von 
Fleisch oder Eiern erhalten haben. Wir möchten aber schon hier be- 
merken, daß es kaum angeht, in diesen Fällen die Hämoglobinzunahme 
auf die Vermehrung der Eiweißnahrung zurückzuführen. 

Aus diesen sowie aus den weiter unten zu besprechenden 
Versuchen geht nur so viel hervor, daß weder die Blutkörperchen- 
zahl, noch der Hämoglobingehalt des Blutes ein Indicator der 
durch Änderungen der Eiweißzufuhr im Organismus hervor- ~ 
gerufenen Schädigungen abgeben können. 

- Es ist neuerdings wiederholt gezeigt worden, daß die Re- 
sistenz der Blutkörperchen gegen verschiedene Einwirkungen 
bei gewissen Erkrankungen Änderungen erfährt, die für die 
betreffende Krankheit charakteristisch sein kann. Es war daher 
mehr Erfolg zu erwarten, wenn der" Einfluß des Eiweißhungers 
an der Resistenz der Erythrocyten geprüft wird. 

Wir haben in unseren Untersuchungen die Resistenz der 
roten Blutkörperchen mit dem von Liebermann?) angegebenen 
Verfahren bestimmt. Bezüglich der Einzelheiten dieser Me- 
thode sei auf die Originalmitteilung verwiesen und an dieser 
Stelle nur so viel erwähnt, als es zur Klarheit der nachstehenden 
Bemerkungen notwendig ist. 

Mit der Liebermannschen Methode wird jener Anteil 
der roten Blutkörperchen angegeben, der bei einer bestimmten 


2) Chittenden, zit. Oppenheimer, Handb. d. Biochemie 4, 
I. Teil, 790. 

2?) Albertoni und Rossi, ebenda. 

DL von Liebermann, Deutsche med. Wochenschr. 1912, 462. 


П 


Resistenz der roten Blutkörperchen bei N-Defizit und Inanition. 213 


Konzentration und Menge einer Kochsalzlösung bei einer be- 
stimmten Versuchszeit in Lösung geht. Das Resultat wird 
durch einen Quotienten (RQ — Resistenzquotient) ausgedrückt, 
der das Verhältnis der resistenten (nicht aufgelösten) Blut- 
körperchen zu den nicht resistenten (aufgelösten) für eine be- 
stimmte Kochsalzkonzentration angibt. Heißt es z. В. КОо 5 = 1, 
so bedeutet das, daß in einer 0,5°/,igen Kochsalzlösung die 
Zahl der resistenten und nicht resistenten Blutkörperchen die 
gleiche war, was einer Resistenz von 50°/, entspricht. RQo,s 
== оо bedeutet, daß in einer 0,5°/,igen Kochsalzlösung sämt- 
liche Erytrocythen ungelöst bleiben, während BO, =0 voll- 
ständige Hämolyse zum Ausdruck bringt (im ersteren Falle ist 
die Resistenz 100°/,, im letzteren 0°/,). 


Die Versuche, über die hier zunächst berichtet werden 
soll, sind an Hunden, die späteren an Mäusen und Meer- 
schweinchen ausgeführt worden. 


Versuch 1. 


Hund von 6250 g Gewicht. Der Versuch dauerte 76 Tage; während 
dieser Zeit wurde sowohl Nahrungsstickstoff, als auch der mit Kot und 
Harn ausgeschiedene Stickstoff täglioh bestimmt. Der Versuch beginnt 
mit einer Periode von N. plus und geht allmählich in Perioden von 
Stickstoffverlust über. Das entzogene Eiweiß wurde mit Kohlenhydrat 
und Fett ersetzt, so daß die Energiezufuhr stets die gleiche war. Die 
Blutkörperchenresistenz wurde für 0,5 sowie für 0,45°/,ige Kochsalz- 
lösung bestimmt. 

In diesem Versuche ließen sich bestimmte regelmäßige Beziehungen 
zwischen dem Verhalten des N-Stoffwechsels und der Resistenz der 
roten Blutkörperchen nicht nachweisen, weshalb wir sowohl hier als bei 
einem zweiten Versuch auf die Mitteilung der Versuchsdaten verzichten 
und nur so viel bemerken, daß es bei dem zweiten Versuch anfangs den 
Anschein hatte, als wenn bei N-Minus eine gewisse Besistenzerhöhung 
stattgefunden hätte, dieselbe verschwand aber in der nächsten Periode. 


Versuch 3. 


Ein dritter Hund wurde mit dem Zwecke eingestellt, den zweiten 
Versuch zu wiederholen. Ein Zufall verhinderte aber diesen Plan und 
leitete die Untersuchungen in andere Bahnen. 

15* 





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214 


т әпәче, 


Resistenz der roten Blutkörperchen bei N-Defizit und Inanition. 215 


Wie aus der Tabelle I ersichtlich, hat das Tier vom 25. 6. 
ab nur die Hälfte oder ein Drittel, bzw. einen noch geringeren 
Teil der gereichten Nahrung aufgenommen. Infolgedessen ge- 
riet es nicht nur in Stickstoff-, sondern auch in Caloriendefizit. 
Nun sehen wir in der Rubrik RQo4 (die Werte RQos sind 
durchweg unbrauchbar), daß die Resistenz der Blutkörperchen 
bei Stickstoff- und gleichzeitigem Energiedefizit eine deutliche 
Steigerung erfährt. Solange die Energiezufuhr eine genügende 
war, erwiesen sich in einer 0,45 °/,igen Kochsalzlösung 37,59/,, 
bzw. 41,179), der Erythrocyten als resistent, während bei un- 
genügender Energiezufuhr, die Resistenz von 2 Fällen ab- 
gesehen, zwischen 55,5 und 83,3°/, schwankt. Die folgende 
Periode mit positiver Bilanz konnte nicht weiter fortgesetzt 
werden infolge eines Darmkatarrhs des Tieres, der am 5. Tage 
zum Vorschein kam. Infolgedessen lassen sich diese Daten 
nicht verwerten. 

In diesem Versuche ist auch der Hämoglobingehalt des 
Blutes bestimmt worden, und zwar mit dem Sahlischen На- 
mometer. Die Schwankungen, die hier beobachtet wurden, 
sind nicht sehr erheblich und lassen keine Beziehungen zu 
den Stoffwechseländerungen erkennen. Wir können somit die 
oben erwähnten Beobachtungen von Chittenden, daß Ver- 
minderung der Eiweißzufuhr keinen Einfluß auf den Hämo- 
globingehalt hat, bestätigen. 

Der Einfluß einer calorisch ungenügenden Nah- 
rung auf die Resistenz der Erythrocyten, der sich 
in einer Erhöhung derselben kundgibt, war in dem 
obigen Versuch so auffallend, daß es uns notwendig 
schien, diese Verhältnisse durch weitere direkte Ver- 
suche aufzuklären. In diesen kam es uns also darauf an, 
den Einfluß der Nahrungsentziehung möglichst deut- 
lich zur Geltung kommen zu lassen. Daher haben wir 
die Tiere nach einer Periode von normaler Ernährung einige 
Zeit hungern lassen. Wir haben die Versuche zunächst an 
weißen Mäusen ausgeführt. In den Vorversuchen wurde zu- 
nächst die für die Resistenzbestimmung geeignete Kochsalz- 
konzentration ermittelt. Diese wurde 0,55°/, gefunden. Vor 
dem eigentlichen Versuche wurde bei demselben Tier die Re- 
sistenz wiederholt bestimmt. Die hierzu nötige geringe Blut- 


216 D. Acél: 


menge wurde aus dem Schwanz genommen. Es wurden zu- 
nächst zwei Mäuse herangezogen. Sie erhielten vom zweiten 
Tage an keine Nahrung, hingegen Wasser in beliebiger Menge. 
Die Resultate sind in der Tabelle II zusammengestellt. 


Tabelle II. 


| Weiße Maus Мг. 1 | Weiße Maus Nr. 2 








Anmerkung 


. 9. ж = 
9 Hungert von nach- 
2 mittag 6 Uhr an 
SR 1,38 57,98 
17. 9. 20, en 
Nahe | Nahe 
18. 9. e ee 
19. 9. 100 [Exit nachm.|Exit vm. 5 у} 


4 Uhr 10 Uhr 


Die beiden Tiere sind nach 4 Tagen des Hungerns ein- 
gegangen. Während dieser Zeit verlor die Maus 1, 30°/,, die 
Maus 2, 33°/, ihres Gewichtes. In beiden Fällen ist die Zu- 
nahme der Erythrocytenresistenz sehr deutlich. Sie beginnt 
bereits 24 Stunden nach der Entziehung der Nahrung und 
steigt weiter an. So erwiesen sich bei der Maus 1 zur Zeit 
der normalen Ernährung 46, bzw. 37°/,, am 4. Hungertage 
aber 100%, der Erythrocyten als resistent. Ganz ähnlich 
verhielt sich die Maus 2, die 6 Stunden vor der 1. Maus ver- 
endete. 

Es hat sich also die an dem letzten Hundeversuch ge- 
machte Beobachtung, d. h. die Erhöhung der Erythrocyten- 
resistenz bei Nahrungsentziehung durch diese beiden Mäuse- 
versuche bestätigen lassen. Es war nur noch ein Kontroll- 
versuch notwendig, um den evtl. Einfluß der wiederholten 
Blutentnahme auf die Resistenz der Blutkörperchen bewerten 
zu können. Es wurden zu diesem Zwecke 2 Mäuse ein- 
gestellt, die eine bei normaler Ernährung, die andere ohne 
Nahrung, und es wurden beiden von Zeit zu Zeit möglichst; 
gleiche Blutmengen entnommen. Das Resultat dieser Versuche 
ist aus Tabelle III ersichtlich, 


Resistenz der roten Blutkörperchen bei N-Defizit und Inanition. 217 


Tabelle IIL 


| Hungernde Maus | Kontrollmaus 














66,0 
2,0 | 66,0 Hungert von mittag 


12 Uhr an 64,28 


22. 9. 71,42 60,78 
22. 9. 
nachm. 80,0 57,08 
155 Uhr 
22. 9. 
abends 83,3 66,0 
8 Uhr 
23. 9 А d 

> Nahe | Exit vormittags 
vorm. 62,96 
10 Uhr 100 10, Uhr 


In diesem Versuch weist das hungernde Tier dieselbe 
Resistenzerhöhung auf (von 66°/, auf nahezu 100°/,), die wir 
in Tabelle II gesehen haben, während das Kontrolltier ganz 
unbedeutende Schwankungen zeigt (von 57 bis 66°/,) Somit 
spielt die Blutentnahme bei der beobachteten erhöhten Blut- 
körperchenresistenz keine Rolle. Sie ist vielmehr lediglich auf 
die Karenz zurückzuführen. Zu bemerken ist übrigens, daß 
die eigentliche Versuchsmaus nur 2 Tage gehungert und etwa 
22°/, ihres Gewichtes verloren hat. 

Es wurde sodann ein Hungerversuch an einem Meer- 
schweinchen und ein entsprechender Kontrollversuch bei nor- 
maler Nahrung ausgeführt. Die Erythrocytenresistenz wurde 
für eine 0,4°/ ‚ige Kochsalzlösung bestimmt. Gleichzeitig wurde 
auch der Hämoglobingehalt nach der Sahlischen Methode 
festgestellt. | 

Wir ersehen also aus der Tabelle IV, daß die Resistenz der 
Meerschweinchen-Erythrocyten bei dem eigentlichen Versuchs- 
tier zur Zeit der normalen Ernährung (in den ersten 5 Ver- 
suchstagen) nur unbedeutende Schwankungen zeigt (von 16,6 
bis 22,1°/,). In den ersten beiden Tagen der Hungerperiode 
sinkt zunächst die Resistenz, um vom 3. Tage an stetig 
zuzunehmen bis zu 41,86°/,. Es ist somit die Zahl der re- 


218 D. Acél: 


Tabelle IV. 





| Hungerndes Meerschweinchen | Kontrollmeerschweinchen 


















g Hb. Hb. 
3 (nach Anmerkung (nach 
A Sahli) Sahli) 


































29.9 02 |16,6 | 128 

30.9. | 460 | 0,285 | 2271 | 126 495 |033 | 2481 | 131 
2.10.| 465 |02 |166 | 123 435 |038 | 27.53 | 129 
4.10.| 470 |023 |187 | 122 448 |022 | 18.03 | 133 
6.10.| 470 |02 |166 | 128 a i o SS 450 |0,18 | 15,25 | 130 
7.10.| 435 [|016 |13,7 | 139 445 |018 |15,25| 130 
8.10.| 400 |014 |12.28 | 133 450 |0,125 | 11,1 | 129 
9.10.| 375 |0.32 |2424 | 138 450 |02 |166 | 127 





Sehr hinfällig. 
41,86 | 140 { Starker Haarausfall 
41,17 | 160 desgl. 

41,17 | 165 Exit vorm. 11 Uhr 


470 | 0,18 | 15,25 | 130 


460 | 0,3 23,07 | 125 
460 | 0,14 | 12,2 124 









sistenten Blutkörperchen auf das Doppelte gestiegen. Während 
dieser Zeit hat das Tier 32°/, seines Gewichtes verloren. 

Beim Kontrolltier, das also normal ernährt wurde und 
dem von Zeit zu Zeit die gleichen Blutmengen entnommen 
wurden, schwankt die Resistenz ohne bestimmte Regelmäßig- 
'keit zwischen 11,1°/, und 27,59/,. 

Bei dem Kontrolltier ist der Hämoglobingehalt des Blutes 
annähernd konstant. Beim Hungertier sehen wir. eine fort- 
schreitende Zunahme des Hämoglobingehaltes bis zum Tode, 
doch möchten wir diesen Befund einfach auf die durch Wasser- 
verlust bedingte Konzentration des Blutes zurückführen. 

Es ist uns somit auch an Meerschweinchen gelungen, die 
im letzten Hundeversuch sowie in den Mäuseversuchen beob- 
achtete Steigerung der Erythrocytenresistenz durch Nahrungs- 
entziehung zu konstatieren. 


Zusammenfassung. 


Überblicken wir die mitgeteilten Versuche, so sehen wir 
zunächst aus den beiden ersten Hundeversuchen, daß eine 
ungenügende Stickstoffzufuhr (negative Stickstoffbilanz) keinen 
merkbaren und gesetzmäßigen Einfluß auf die Resistenz der 
Erythrocyten ausübt. Aus den Versuchen Nr. 1, 2 und 3 


Resistenz der roten Blutkörperchen bei N-Defizit und Inanition. 219 


geht aber hervor, daß eine calorisch ungenügende Ernährung 
bzw. vollständige Nahrungsentziehung eine sehr deutliche Wir- 
kung auf die roten Blutkörperchen hat, die sich bei allen von 
uns untersuchten Tierarten (Hund, Maus, Meerschweinchen) in 
demselben Sinne äußert. Wir möchten daher die Resultate 
unserer Untersuchungen wie folgt zusammenfassen: 

1. Eine ungenügende Stickstoffzufuhr allein bei ange- 
messener, calorisch genügender Nahrung hat auf die Resistenz 
der Erythrocyten keinen, wenigstens keinen durch die von uns 
angewendete Methode nachweisbaren Einfluß. 

2..Bei calorisch ungenügender Ernährung bzw. bei fort- 
gesetztem Hungern nimmt die Resistenz der Blutkörperchen 
deutlich zu. 


Beitrag zur Lehre von der Blutgerinnung. 


Von 


Karl Schilling. 
(Aus dem Laboratorium der medizinischen Klinik zu Freiburg i. Br.) 
(Eingegangen am 19. April 1919.) 


Der Verlauf und Vorgang der Blutgerinnung hat von jeher 
das regste Interesse der Biologen auf sich gezogen. Viele ex- 
perimentelle Untersuchungen wurden zur Ergründung der Ur- 
sache und des Ablaufes derselben angestellt; darunter die aus- 
führlichen und grundlegenden Arbeiten von Loeb, Conradi, 
Morawitz u. a. 

Hierdurch wurde unzweideutig festgelegt, daß durch den 
Gehalt, die Bildung und die Zusetzung bestimmter Substanzen 
die Gerinnungsfähigkeit des Blutes beschleunigt, herabgesetzt 
oder völlig aufgehoben werden kann. Als solche kommen in 
Frage: die Kalksalze, die Kinase, sowie eine größere Anzahl 
anorganischer und organischer Stoffe. 

Weiterhin haben in eingehenden Mitteilungen Stuber und Heim 
gezeigt, daß die beschleunigende Wirkung der Organextrakte auf die 
Blutgerinnung als eine Folge ihres Lipase- und Fettgehaltes aufzufassen 
ist. Ihre mit Pferdeoxalatplasma und am lebenden Tiere durchgeführten 
Versuche fanden in einer weiteren Arbeit von Stuber und Partsch, 
die den Gerinnungsvorgang an mit Petroläther entfettetem Plasma prüften, 
eine weitere Stütze und bestätigten so die Angaben von. Bordet-Delange 
und Zak, nach denen entfettetes Plasma sein Gerinnungsvermögen ver- 
Неге und durch Zusatz lipoidartiger Substanzen dasselbe wiedergewinnt. 
Stuber sieht in dem Fettsäureradikal die eigentliche Ursache der Ge- 
rinnungsbeschleunigung. 

Eine „Studien zur Chemie und Physiologie der Blutgerin- 
nung, III“ betitelte Abhandlung von Herzfeld und Klinger, 
nach der entgegen den Ausführungen von Stuber und Heim 
den höheren Fettsäuren ein spezifischer Einfluß auf die Blut- 


K. Schilling: Blutgerinnung. 221 


gerinnung abgesprochen wird, und die Lipoide als keineswegs 
unerläßlich für die Gerinnung bezeichnet werden, veranlaßte 
mich auf Anregung von Stuber ihre Arbeiten und die von 
Herzfeld und Klinger, soweit sie Organe und Organextrakte 
anlangten, nochmals einer eingehenden Prüfung zu unter- 
ziehen. 

Ähnliohe Untersuchungen wurden von Yamada mit acetonextra- 
hiertem Knochenmark und den dabei erhaltenen Aocetonlipoiden ange- 
stellt. Doch kam genannter Autor zu negativen Ergebnissen. Nun muß 
aber gegen die Arbeit Yamadas ein Einwand erhoben werden. Die 
Wahl des Extraktionsmittels ist für eine quantitative Fettextraktion 
keineswegs gleichgültig. Es sei in dieser Hinsicht nur auf die Arbeiten 
von Erlandsen, Kumagawa-Suto und Ivar Bang verwiesen. 
Yamada selbst weist auch in seiner Arbeit darauf hin, daß er nur aus 
Mangel an Petroläther Aceton zur Extraktion verwandt habe. Aceton 
steht aber bezüglich seines Fettextraktionsvermögens gegen den Petrol- 
äther weit zurück, so daß auf diese Weise zubereitete Organe keineswegs 
als fettfrei angesehen werden können. Außerdem reicht auch die Prozedur 
des einfachen Schüttelns nicht aus, um eine ausgiebige Extraktion zu 
erzielen. Die in Yamadas Versuchen aufgetretene Gerinnungsbeschleu- 
nigung nach Zusatz der „entfetteten“ Organe dürfte dementsprechend 
duroh die ungenügende Extraktion zu erklären sein. 

Im folgenden wird der 1. Teil der Versuche in extenso 
wiedergegeben. 


Methodik. 


1. Zubereitung der frischen Organextrakte. 


Die frischen Organe Leber, Lunge, Herz, Niere, Neben- 
nieren, Hoden, Thymus und Milz wurden von Kaninchen, Hypo- 
physe vom Pferd, Pankreas vom Rind und Schilddrüse vom 
Hammel gewonnen. Kaninchen wurden nach Freilegung der 
Halsgefäße in Äthernarkose verbluten lassen. Durch die Vena 
jugularis wurde mit physiologischer Kochsalzlösung (ca. 1!/, 1) 
bis zum Herzstillstand nachgespült, um die Organe möglichst 
blutfrei zu erhalten. Die Organe wurden dann nach Befreiung 
vom Bindegewebe und anhaftenden Fett stark zerkleinert, eine 
entsprechende Menge Wasser zugesetzt und ca..1 Stunde auf 
der Schüttelmaschine geschüttelt. Nachdem sich die festen 
Bestandteile beim Stehen zu Boden gesetzt haben, wird der 
darüber stehende Extrakt abgegossen und zu den in folgendem 
wiedergegebenen Versuchen verwandt. 


222 K. Schilling: 


2. Zubereitung der getrockneten und extrahierten 
Organe. 

Da uns nur in beschränktem Maße Petroläther und Alkohol 
zur Verfügung standen, wurden nur 4 Organe: Leber, Lunge, 
Herz und Niere zur Extraktion verwandt. Die Organe wurden 
vom Kaninchen in der oben genannten Weise entnommen; gut 
zerkleinert und durch ein feines Drahtsieb gequetscht. Dann 
nach Angabe von Wiechowski auf paraffinierten Glasplatten 
in dünner Schicht ausgestrichen und im Exsiccator unter Luft- 
durchleitung getrocknet. Es ist wichtig, daß das Trocknen in 
möglichst kurzer Zeit geschieht, da sich die Organe rasch ver- 
ändern und, wie eigene Versuche gezeigt haben, zu ganz falschen 
Resultaten führen. Die eingetrocknete Masse, die sich von den 
Platten glatt ablöst, wird in der Reibschale möglichst fein 
pulverisiert und ein Teil davon im Soxhlet-Apparat 6 Tage 
mit Petroläther und 3 Tage mit 92°/,igem Alkohol extrahiert. 
Der fettreiche Organrückstand wird bis zum Verschwinden der 
Alkoholdämpfe getrocknet und in destilliertem Wasser auf- 
genommen. Der zweite, nicht entfettete Teil wird direkt in 
destilliertes Wasser aufgeschwemmt. Alle die Aufschwemmungen 
(Emulsionen), die extrahierten und nicht extrahierten, werden 
in 1°/,iger Lösung hergestellt, einige Zeit kräftig geschüttelt 
und bis zum Absitzen der ungelösten Bestandteile stehen ge- 
lassen (ca. 2 Stunden. Zu den Versuchen wurden dann die 
beinahe klaren Emulsionen verwandt. 


3. Zubereitung der Fettrückstände. 


Die Fettrückstände — in Petroläther und Alkohol — 
wurden bis zu einem kleinen Restrückstand eingedampft; letz- 
terer in angewärmtem absoluten Alkohol aufgenommen und in 
20 ccm mäßig stark erwärmtes destilliertes Wasser tropfenweise 
unter starkem Umschütteln eingegossen, damit möglichst homo- 
gene Emulsionen entstanden. Auf dem Wasserbade wurde dann 
dieses Gemisch so lange eingedampft, bis keine Spur des Petrol- 
äthers und Alkohols mehr nachzuweisen war. Das mitverdampfte 
Wasser wurde wieder auf 20 ccm ergänzt. Bei späteren Ver- 
suchen wurde außer absolutem Alkohol noch in gleichen Mengen 
Aceton zugegeben, um klarere Emulsionen zu erhalten. Die 
Resultate waren genau dieselben. 


Blutgerinnung. 223 


4. Plasma. 


a) Zu allen Versuchen wurde 2°/,„iges Pferdeoxalatplasma 
verwandt, das aus der Arterie direkt in Natr. oxalat.-Lösung 
aufgefangen wurde und den Vorteil hat, daß sich schon nach 
kurzer Zeit die zelligen Elemente sedimentiert haben. 

b) Ein Teil des Plasmas wurde 36 Stunden im Embden- 
Lindeschen Apparat mit Petroläther extrahiert. Der Petrol- 
äther wurde dann durch Luftdurchleiten entfernt und das 
Plasma möglichst bald zu den Gerinnungsversuchen verwandt. 


5. Reagensgläschen. 


Da die Gerinnungszeit von der Beschaffenheit des Glases 
und auch der Weite des Röhrchens beeinflußt wird, wurde mit 
möglichst gleichweiten, vollkommen entfetteten und getrockneten 
Reagensgläschen experimentiert. 


6. Gerinnungszeit und Intensität. 


In allen. Tabellen ist die Gerinnungszeit in Minuten, die 
Gerinnungsintensität für klumpig +, als unvollständig geronnen 
als ++ und vollständig geronnen als +++ angegeben. Bei voll- 
ständiger Gerinnung erstarrt die Masse, ist gelatinös und haftet 
beim Umdrehen des Glases fest an diesem an. Веі unvoll- 
ständig löst sich die gelatinöse Masse noch vom Glase ab, und 
bei klumpig geht die Masse vom flockigen in den gelatinösen 
Zustand über. 


7. Versuchsanordnung. 


Es wurde zu allen Versuchen 2 ccm Pferdeoxalatplasma 
verwandt und in entsprechenden Mengen frische Organextrakte, 
Organemulsionen und Fettrückstände zugesetzt und diese Ge- 
mische 1/, Stunde im Brutschrank bei 37° erwärmt. Dann 
wurden 3 Tropfen einer 5°/,igen Calciumchloridlösung zu- 
gesetzt, rasch umgeschüttelt und der Gerinnungsvorgang be- 


. obachtet. 


8. Von den zahlreichen Versuchen, die immer wieder das 
gleiche Resultat ergaben, wurde jedesmal nur einer als Beispiel 
angeführt. 


224 К. Schilling: 


Versuche, 


1. Versuche mit nativem Pferdeoxalatplasma 
und frischen Organextrakten. 


In einer Reihe von Reagensgläschen werden је 2 com Plasma und 
je 2, 3, 5, 10, 20 und 30 Tropfen der verschiedenen Organextrakte ein- 
gefüllt. Als Kontrollen werden entsprechende Mengen einer 1°/,igen 
Tierkohleaufschwemmung‘ und destilliertes Wasser beigefügt. Nach 
1j stündiger Erwärmung der Gemische im Brutschrank bei 37° werden 
је 3 Tropfen der 5°/,igen Caloiumchloridlösung zugesetzt, und dann 
wird durch vorsichtiges Neigen der Reagensgläschen geprüft, in welchen 
es nur bis zum Klumpigwerden, in welchen es bis zur unvollständigen 
und vollständigen Gerinnung gekommen war; endlich in welchen das 
Plasma ganz flüssig geblieben ist. Die Versuche ergaben folgendes. 


Tabelle L 























1 Leber — | — |10 

2 Lunge —| 2 3 

3 Herz — |9 |11 

4 ‚_ Niere —| 4 6 

5 Nebenniere 6 7 8 

6 Thymus —| 3 4 

7 Hoden —| 3 81], 

8 Milz 21 | 24 | 27 

9 Нурорһуве == Ya 
10 Schilddrüse —|— 2 
11 Pankreas — | — 1 
12 Tierkohle 20 | 24 | 27 
13 HO 21 | 24 | 27 

Tabelle II. 















Frische Organextrakte 3 Tropfen Lie + [++ ++ 












1| 2 Leber 8 — |— | 104, 
2| 2 Lunge 3 — |— 21, 
3 2 Herz 8 — |7 8 
4| 2 Niere 3 — 44 4 51/2 
5 2 Nebenniere 8 — | 5 8 
6 2 8 —|— 91, 
7 2 3 —|— CNA 
8 2 8 14 |18 
9 2 3 —|— KÉ 

10 2 Schilddrüse 3 —|— 2 

11 2 Pankreas 3 — |— 1 

12 2 Tierkuhle 3 — |14 16 

13 2 HO 8 — |15 |20 








Blutgerinnung. 225 


Tabelle III. 






Leber 
Lunge 
Herz 
Niere 
Nebenniere 
Thymus 
Hoden 
Milz 
Hypophyse 
Schilddrüse 
Pankreas 
Tierkohle 
DO 
Tabelle IV. 

















O на нч Ф бо сл © 






VER RN 
























Leber 
Lunge 
Herz 
Niere 
Nebenniere 
Thymus 
Hoden 
Milz 
Hypophyse 
Schilddrüse 
Pankreas 
Tierkohle 

H,0 
Tabelle V. 











ke о 
SET] 


Со Со Со Со co co oo co ca co oo СО ФО 


111% 111111 


з= 
E 
D 














Steige 
CaCl,- 
Lösung + |+ + 


Tropfen 





















PO 
М 
© 
ә 
= 
4 
= 
ww 








Tierkohle 
HO 


сз со со ко со в К В К 0 0 0 В 
Со оо Со фо ОФ Со СО СО co СЭ ОО СО СО 


226 K. Schilling: 























Tabelle VI. 
Fine, DO 
Nr. Deg Frische Organextrakte 30 Tropfen et + | ++ 144+ 


Tropfen 








Leber 
Lunge 
Herz 
Niere 
Nebenniere 
Thymus 
Hoden 
Milz 
Hypophyse 
Schilddrüse 
Pankreas 
Tierkohle 
H,0 









- 
=, 
> 








FELL” 
ы 
5 
> 







= 
re 
= 
w 
[ч 









м 
=, 
ә 





пк ко ко по го ВО КО 0 О М 
Со 09 Со Фо ФО ОО ОО СО ФО ОЭ СЮ oo ОО 





Resultat: Aus den Versuchen geht hervor, daß vor allen 
Dingen Lunge, Niere, Thymus, Hoden, Hypophyse, Schilddrüse 
und Pankreas eine stark beschleunigende Gerinnung hervor- 
riefen. Doch gleichen sich die Unterschiede der Beschleunigung 
mehr aus — mit Ausnahme der Milz —, wenn die Extrakte 
in größeren Mengen beigegeben werden. Eines sei noch er- 
wähnt: Der Wasserzusatz zu den einzelnen Organen erfolgte, 
soweit ев möglich war, dem Organgewicht entsprechend, nur 
beim Pankreas wurde mehr Organmasse verwandt, was vielleicht 
eine gewisse Beschleunigung der Gerinnung zur Folge hatte. 


2. Versuche mit extrahiertem Pferdeoxalatplasma 
und frischen Organextrakten. 


In derselben Weise wie in den vorigen Tabellen wurden zum 
Plasma, daß 36 Stunden mit Petroläther extrahiert war, die Organ- 


extrakte zugesetzt. 
Tabelle VII. 








Plas- 59/,іве 
Nr. es Frische Organextrakte 2 Tropfen gg + | ++ +++ 

ccm Tropfen 
1] 2 Leber were 
2 2 Lunge 8. |10| — | — 
3 2 Herz 3 – | – | – 
4 2 Niere 3 – | – | —- 
5 2 Nebenniere 3 — |-| — 
6 2 Thymus 3 107) — | — 
7 2 Hoden 3 — | | 
8 2 Milz 3 —| —– | — 
9 2 Hypophyse 3 -|I|-|— 
10 2 Schilddrüse 3 – | – | – 
п 2 Pankreas 3 | -| — 
12 2 Tierkohle 3 — | —– | —– 
13 2 HO 3 —– | – | — 





Blutgerinnung. 227 
Tabelle VIII. 





Plas- 












5°/,ige 
Nr. on Frische Organextrakte 3 Tropfen Geh +++ 



















ccm Tropfen 
1 2 Leber 3 -| —– — 
2 2 Lunge 3 5| —| — 
3 2; Herz b | -| — 
4 2 Niere 3 – | | — 
5 2 Nebenniere 3 – | – | — 
6 2 Thymus 3 5| =| — 
7 2 Hoden 3 – | – | — 
8 2 Milz 3 -| —-| — 
9 2 Hypophyse 3 | —-| — 
10 2 Schilddrüse 3 25 | 60 | 107 
11 2 Pankreas 3 —| —– | — 
12 2 Tierkohle 3 – | – | — 
13 2 H,0 3 —|—|— 
Tabelle IX. 
Plas- 50h ige 
Nr.| monge] Frische Organextrakte 5 Tropfen | C20- +++ 
-| menge rische Örganextrakte ropfen Lösung ++ 






ccm Tropfen 























ıl 2 Leber С 7 Вее So 
gek a Lunge 3 16 | 36 | \56 
3| 2 Herz 3 58 | — | — 
4 2 Niere 3 21 | 49| — 
5 2 Nebenniere 3 —|—|— 
6 2 Thymus 3 16 | 34 | 56 
7 2 Hoden 8 16 | 37 | 59 
8 2 Milz 8 —|—|— 
9 2 Нурорһузе 8 109 | — | — 
10 2 Schilddrüse 3 7 9| 21 
11 2 Pankreas 3 | -| — 
12 2 Tierkohle 3 ——|— 
15| 2 H,O SS en р 
Tabelle X. 
Plas- 5 ige 
Nr. Erec Frische Organextrakte 10 Tropfen eo ++ +++ 









ccm Tropfen 



















Leber 
Lunge 
Herz 
Niere 
Nebenniere 
Thymus 
Hoden 
Milz 
Hypophyse 
Schilddrüse 
Pankreas 
Tierkohle 
H,O 

Biochemische Zeitschrift Band 95. 













SONS л фо 0 








гого со со Ко го ОО КО О ср 0 К К 
| | | рю! е @‹ф! &! 


11 ое ll 









Фо фо фо co co ФО co oo ФО ФО ФО СО os 





ke 
Ed 


228 К. Schilling: 
Tabelle XI. 
























d 


Frische Organextrakte 20 Tropfen ee + + | ++ 







Leber 
Lunge 
Herz 
Niere 
Nebenniere 
Thymus 
Hoden 
Milz 
Hypophyse 
Schilddrüse 
Pankreas‘ 
Tierkohle 

HO 


Tabelle XII. 






СО ao Фо Фо Фо Фо Со Оо CI Фо ОО co oo 
ЛЕЗ 
арте ж 
















5%; ige 
CaCl,- 
Lösung 
Tropfen 






Frische Organextrakte 30 Tropfen + ++ +++ 





Leber 
Lunge 
Herz 
Niere 
Nebenniere 
Thymus 
Hoden 
Milz 
Hypophyse 
Schilddrüse 
Pankreas 
Tierkohle 
н,0 | 
Resultat: Das entfettete Plasma ergibt beim Zusatz von 
kleinen Mengen der Organextrakte keine Gerinnung. Erst bei 
Mengen von 5 Tropfen und mehr tritt eine Gerinnung ein, 
und da sind es vor allem wieder Lunge, Niere, Thymus, Hoden, 
Hypophyse und Schilddrüse. Die Kontrollen waren nach meb- 
reren Stunden noch vollkommen flüssig. Da erst größere Mengen 
einen Einfluß auf die Gerinnung ausüben, liegt die Vermutung 
nahe, daß eben die dem Plasma entzogenen ätherlöslichen Pro- 
dukte — Fette und Lipoide — wieder ausgeglichen werden müssen. 
Es muß darauf hingewiesen werden, daß bei der Entfettung des 
Plasmas äußerst sorgfältig zu verfahren ist. Vor allen Dingen sollte es 


nicht — wie es in den Arbeiten von Herzfeld und Klinger beschrieben 
wird — ausgeschüttelt werden. Auch darf im Embden-Lindeschen Ex- 


[| 12111111 ЕЯ 


DDDDDDDDDDDDD 
фо фо Фо Фо о aa Со ФО CO фо СО СО СО 


KLSFKREUEL рө! 


Blutgerinnung. 229 


traktionsapparat während des Extrahierens der Petroläther nicht direkt 
auf das Plasma gegossen, sondern muß stets in der Abflußflasche nach- 
gefüllt werden, denn bei jeder starken und vor allen Dingen plötzlich 
mechanischen Einwirkung, wie z. B. Schütteln oder Aufgießen des 
Petroläthers direkt auf das Plasma, fällt gewöhnlich eine gallertartige, 
mucinähnliche Masse in großen Mengen aus, und das so veränderte 
Plasma ergibt bei derselben Versuchsanordnung durchaus abweichende, 
unrichtige Resultate. Wir vermuten, daß auf die Nichtbeachtung dieser 
Fehlerquelle die vielfach abweichenden Versuchsergebnisse einzelner 
Autoren zurückzuführen sind. 

Aus was diese gallertartigen mucinähnlichen Massen bestehen, 
konnten wir bisher nicht genauer feststellen. Zum Teil handelt es sich 
jedenfalls um wasserlösliche Salze; es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, 
daß auch Veränderungen der Eiweißstoffe dabei mitspielen. 


3. Versuche mit nativem Pferdeoxalatplasma 

und Organemulsionen. 

Die folgenden Versuche wurden mit den getrockneten, zerriebenen 
und dann in H,O aufgenommenen Organen gemacht, und zwar sind zum 
besseren Vergleich die nicht extrahierten und die mit Petroläther und 
Alkohol extrahierten Organe (Emulsionen) nebeneinandergestellt. 

Tabelle XIII. 



















Organemulsion 2 Tropfen 








1 Leber 6 16 
2 Lunge 3 5 
8 Herz 8 23 
4 Niere 3 5 
5 Leber (extr. m. Petroläther u. Alkohol) 9 57 
6 Lunge do. 12 63 
7 Herz do. 6 3 
8 Niere 8 47 
9 81/3] 81 
10 H,O 22 62 
Tabelle XIV. 
Plas- 
Nr. Se Organemulsion 3 Tropfen 
















1 2 Leber 3 14 
2 2 Lunge 3 2 
3 2 Herz 3 17 
4 2 Niere 8 3 
5 2 | Leber(extr.m.Petroläther u. Alkohol) 3 30 
6 2 |Lunge do. 3 40 
7 2 Herz do. 3 29 
8 2 [Niere do. 3 27 
9 2 Tierkohle 3 EN 
10 2 HO 3 41 


1 


о 
+ 


230 K. Schilling: 
Tabelle XV. 












Nr. Organemulsion 5 Tropfen 
















1 Leber — | — | 88 

2 Lunge | —-| 4 

3 Herz — | — | 36 
4 Niere — | — | Ph 
5 Leber (extr.m. Petroläther u. Alkohol) — | — | 84 

6 Lunge do. — | — | 62 

7 Herz do. — | — | 40 

8 Niere do. — | — | 84 

9 Tierkohle — | — | 26 
10 HO — | — | 40 









Tabelle ХУІ. 


Organemulsion 10 Tropfen 

















1 2 Leber 3 _ 25 

2 2 Lunge 3 — 3 

3 2 Herz 3 — 26 

4 2 Niere 3 — 1%] 
5 2 | Leber(extr.m.Petrolätheru. Alkohol 3 — 88 

6 2 | Lunge do. 3 — 891), 
7 2 (fen do. 3 — 25 

8 2 [Niere do. 3 — 28 

9 2 Tierkohle 3 — 21 
10 2 H,O 8 _ 26 


Resultat: Die nur getrockneten Organe ergaben eine 
deutliche Gerinnungsbeschleunigung gegenüber den extrahier- 
ten, die erst in derselben Zeit oder später als die beigefügten 
Kontrollen eine Gerinnung herbeiführten. Unter den Organen 
sind es auch hier wieder Lunge und Niere, die die Beschleu- 
nigung am deutlichsten zeigen. 


Tabelle ХУП. 














Plas- о d 
Nr. Ge? ep Organemulsion 2 Tropfen Lösung + |++ +++ 
ccm Tropfen 
1 2 Leber 3 180 
2| 2 Lunge 3 — 
3] 2 Herz 3 — 
41 2 » Niere 3 180 
5| 2 |Leber(extr.m. Petrolätheru. Alkohol] 3 — 
6j 2 3 — 
7| 2 3 — 
81 2 3 — 
9] 2 3 ар 
10| 2 3 — 


Blutgerinnung. 231 
Tabelle XVII. 












Organemulsion 3 Tropfen 5 + |++ +++ 



















1 Leber — 
2 Lunge 20 | 180 
3 Herz — — 
4 Niere 20 | 35 
5 Leber (extr. m.Petrolätheru. Alkohol) — | — 
6 Lunge do. 36 | — 
7 Herz do. — — 
8 Niere do. 180 | — 
9 Tierkohle 29 | — 
10 HO — | — 
Ki 
Tabelle XIX. 









Organemulsion 5 Tropfen $ + {++ +++ 










Leber 

Lunge 

Herz 

Niere 

Leber (extr.m.Petrolätheru.Alkohol) 
do. 



















do. 
Tierkohle 
HO 





D o o a a o OO к нч 
ко ко ко ео КО во К К В В 
LIS ISSIT] 






— 





co фо ©2 Фо О CH 





Tabelle ХХ. 













Organemulsion 10 Tropfen ösung| + | ++ +++ 














Leber 
Lunge 
Herz 

Niere 
Leber(extr.m. Petroläther u.Alkohol) 
do. 















do. 
Tierkohle 


BA 






© ео со-з CC ь со во ч 
со ко ко сого о О о DD 
со Со СО Со СО ОЭ СО СО Оо Со 
III I I I8118 


E 





232 K. Schilling: 
Tabelle XXI. 


















Leber 
Lunge 
Herz 





2 3 
2 3 
2 3 
2 Niere 3 
2 |Leber(extr.m.Petrolätheru. Alkohol) 3 
2 |Lunge do. 3 
2 - [Herz do. 3 
2 [Niere do. 3 
2 Tierkohle 3 
2 HO 3 


Ф Фоо N Фо сл о к н 
ЕЕРЕЕ: 


Г 





Tabelle XXIL 












Organemulsion 30 Tropfen д + |++ [+++ 








Leber 
Lunge 
Herz 
Niere 
Leber (extr. m.Petrolätheru.Alkohol) 
Lunge do. 
Herz do. 
Niere do. 
Tierkohle 
HO 





© ес со 1 о бл TL 
DIBEDDDDDDDD 
wm фо фо co оо со oo 
БЕ ЕЕЕ 





— 


In den Tabellen XVII bis XXII wurden dieselben Versuche mit 
dem gleichen Pferdeoxalatplasma, nachdem es 5 Tage im Eisschrank 
gestanden hat, wiederholt. Dabei ergaben sich erheblich längere Zeiten, 
bis die Gerinnung auftrat. Zu den Versuchen ist es deshalb dringend 
notwendig, daß zu Vergleichszwecken stets gleich altes, am besten aber 
ganz frisches Plasma zur Verwendung kommt, wie das ja auch schon 
von verschiedenen Autoren betont wurde. 


4. Versuche mit extrahiertem Pferdeoxalatplasma 
und Organemulsionen: 

In derselben Versuchsanordnung wie unter Ziffer 3 wurden die 
Emulsionen dem extrahierten Pferdeoxalatplasma zugesetzt. Da die 
kleineren Mengen von 2 bis 5 Tropfen ohne jeden Einfluß auf den Ge- 
rinnungsablauf waren, sind die Tabellen nicht mit angeführt worden. 


| 
Blutgerinnung. 288 


Tabelle XXIII. 








та» 


d enge Organemulsion 10 Tropfen 































1 2 Leber Il | — 
2 2 Lunge ee 
3 2 Herz E E 
4 2 Niere 22 |57 | — 
5 2 [Leber (extr. ш. Petroläther u. Alkohol) – | – | — 
6 2 [опре do. Ss let ИРЕР 
7 2 |Herz do. Ss se 28 
8 2 [Niere do. — I | — 
9 2 Tierkohle — |- | — 
10 2 H,O 2 
Tabelle XXIV. 
Plas- 50/,ige 
ma- o 5 Ch- 
Nr. menge rganemulsion 20 Tropfen Lösung + |+ +H 
ccm Tropfen 
1 2 Leber 3 — 
2 2 Lunge 3 — 
3 2 Herz 3 — 
4 2 Niere 3 15 
5| 2 [Leber (extr.m.Petrolätheru. Alkohol)| 3 _ 
6 2 [апре do. 3 _ 
7 2 [Herz do. 3 — 
8 2 [Niere do. 3 — 
9 2 Tierkohle 3 _ 
10 2 H,O 3 _ 
Tabelle XXV. 













Organemulsion 30 Tropfen 

















Leber 
Lunge 
Herz 
Niere 
Leber (extr. m. EDER: Alkohol) 





IIIIIloal®8o 
III I I 12188 


III II II IS 


Tierkohle 
HO 


Ф Фор -1 о олњ ELE 
DDDDDDDDDD 
фо фо œo со co co Со oo oo oo 


— 





234 K. Schilling: 


Resultat: Wirksam sind nur die Emulsionen der nicht 
extrahierten Organe: Lunge, Niere und Leber und diese nur 
in größeren Mengen von 10 bis 30 Tropfen. Die extrahierten 
Organe ergaben genau wie die Kontrollen von Tierkohle und 
Wasser überhaupt keine Gerinnung. 


5. Versuche mit nativem Pferdeoxalatplasma!) und 
den Organ-Fettrückständen. 


Um auch hier Vergleichswerte zu erhalten, wurden die 
in Petroläther und Alkohol enthaltenen Fettrückstände neben- 
einander gestellt. Vor den Versuchen wurde ihre Reaktion 
auf Lackmuspapier geprüft: Dabei ergab sich, daß die in 
Petroläther gelösten Rückstände nach der Aufnahme in Wasser 
durchweg neutrale, die in Alkohol wenig sauer reagierten. Es 
ist dies um so wichtiger, da bei längerem Stehen (1 bis 2 Tage) 
alle Rückstände stark saueren Charakter annehmen und da- 
durch gerinnungsverzögernd wirken. Schon von Stuber und 
Heim wurde ja auf diesen Punkt besonders hingewiesen. 


Tabelle XXVI. 

















Plas- |: 59/1де 
Я СаС1,- 
Nr. Ge Fettextrakte 2 Tropfen ës + +++ 

ccm Tropfen 
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 41 | 47 | 152 
2 2 Lunge do. 3 — | 35 | '50 
3 2 Herz do. 3 — | — | 27 
4 2 Niere do. 3 — | 27 35 
5 2 Leber (Alkohol-Extrakt) 3 35 | 50 | 112 
6 2 Lunge do. 3 41 | 84 | 112 
7 2 Herz do. 3 35 | 41 50 
8 2 Niere do. 3 — | 40 | 50 
9 2 Tierkohle 3 31 | 35 | 50 
10 2 HO 3 41 |108 | — 


1) Dieselben Versuche am Petrolätherplasma konnten noch nicht 
abgeschlossen werden, da der Bezug von Petroläther zur Zeit aus nahe- 
liegenden Gründen große Verzögerung erleidet. Diese Versuche werden 
in einer späteren Publikation nachgeholt werden. 


Blutgerinnung. 235 
Tabelle XXVII. 














1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 
2 2 Lunge do. 
8 2 Berz do. 
4 2 Niere do. 
5 2 Leber (Alkohol-Extrakt) 
6 2 Lunge do. 
7 2 Herz do. 
8 2 Niere do. 
9 2 Tierkohle 
10 2 HO 


Tabelle XXVIIL 
















Fettextrakte 5 Tropfen 




































1| 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 26 
2 2 Lunge do. 3 39 
3 2 Herz 3 38 
4 2 3 26 
5 2 Leber (Alkohol- Extrakt) 3 30 
6 2 Lunge 3 47 
7 2 Herz 0. 3 26 
8 2 Niere do. H 67 
9 2 Tierkohle 3 58 
10 2 H,O 3 — 
Tabelle XXIX. 
Fettextrakte 10 Tropfen Саб. + |+ | +++ 















1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 

2 2 Lunge do. 3 

3 2 Herz do. 3 25 | 33 

4 2 Niere do. 3 16 | 18 

5 2 Leber (Alkohol- -Extrakt) 3 29 | 33 

6 2 Lunge do. 3 24 | 27 

7 2 Herz do. 3 14 | 15 

8 2 Niere do. 3 22 | 25 

9 2 Tierkohle 3 25 | 88 
10 2 HO 3 38 | — 








236 К. Schilling: 
Tabelle XXX. 












Fettextrakte 20 Tropfen D +++ | +++ 






















1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 — | 10 | 10 
2 2 Lunge do. 8 —| —| 12 
3 2 Herz do. 3 — | — | 10 
4 2 Niere do. 8 — | 12 | 15 
5j 2 Leber (Alkohol-Extrakt) 3 18 | 20 | 21 
6 2 Lunge do. 3 —| — | 10 
7 2 Herz do. 3 —|—|17 
8 2 Niere do. 8 7 8 | 10 
9 2 Tierkohle 3 12 | 14 | 15 
10 2 H,O 3 21 | 23 | 24 








Tabelle XXXI. 


Un nn Se En ег ea rn na Zw E 
5°/,ige 
Get, - 
Fettextrakte 30 Tropfen Lösung| + | ++ |++H+ 
f Tropfen 
7| 9 















1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 11 
2 2 Lunge do. 3 20 
3 2 Herz do. 8 16 
4 2 Niere do. 3 10 
5 2 Leber (Alkohol- -Extrakt) 3 13 
6 2 Lunge do. 3 9 
7 2 Herz do. 3 11 
8 2 Niere do. 3 9 
9 2 Tierkohle 3 19 
10 2 H,O 3 32 


Tabelle XXXII. 











Fettextrakte 2 Tropfen 



















1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 — |5 | 22 
2 2 Lunge do. 3 — | 5 16 
H 2 Herz do. 3 — |7 16 
4| 2 Niere do. 3 — |1 21 
5| 2 Leber (Alkohol-Extrakt) з |—|9 |27 
6| 2 Lunge do. 3 — | 9 | 26 
7 2 Herz do. 3 — | 4| 19 
8| 2 Niere do. 3 — | Dill 21 
al 2 Tierkohle 3 —| 9 | 29 
10| 2 H,0 3 — |18 | 817 





Blutgerinnung. 237 
Tabelle XXXIII. 
















Fettextrakte 3 Tropfen 














1 Leber (ао Кашын) — 

2 Lunge o. — 

3 Herz ar — | 11| 25 

4 Niere do. — | 11| 25 

5 Leber (Alkohol- -Extrakt) — |184, 29 

6 Lunge do. — |13, 30 

7 Herz do. — | 18 | 26 

8 Niere do. — | 10| 28 

9 Tierkohle — | 11| 28 
10 H,O — | 18 | 32 





Tabelle XXXIV. 














Fettextrakte 5 Tropfen 








































1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 — |7 |19 

2 2 Lunge do. 3 — | 61/,| 19 

3 2 Herz Cie 3 — | Bis | 181/2 
4| 2 Niere 3 — | Bill 25 

5 2 Leber (Alkohol Extrakt) 3 —| 7 14 

6 2 Lunge do. 3 — | 6 25 

7 2 Herz do. 8 — | 6 |181. 
8 2 Niere do. 3 — | 5 14 

9 2 Tierkohle 3 — | 6 24 

10| 2 HO 3 — |8 32 

Tabelle XXXV. 
Plas- 5h ige 
Nr. sat Fettextrakte 10 Tropfen а, + | ++ | +++ 
ccm Tropfen 

1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 — 

2 2 Lunge do. 3 — 

3 2 Herz do. 8 — 

4 2 Niere do. 3 — 

5| 2 Leber (Alkohol- -Extrakt) 3 _ 

6 2 Lunge do. 3 — 

1 2 Herz do. 3 — 

8 2 Niere do. 3 — 

9 2 Tierkohle 3 — 

10 2 H,O 3 — 





238 K. Schilling: Blutgerinnung. 


Resultat: Die Rückstände enthielten, da sie immer nur 
in kleinen Mengen frisch zubereitet zur Verwendung kamen, 
äußerst geringe Quantitäten von Fett und Lipoiden. Trotzdem 
ergaben sie beim Zusatz von 10 und mehr Tropfen eine deut- 
liche Gerinnungsbeschleunigung, und zwar ging diese parallel 
der Länge der Extraktion. In den Tabellen XXXII bis XXXV 
wurden die Organe vergleichshalber etwa doppelt solange mit 
Petroläther extrahiert. 


Zusammenfassung. 


Diese Versuche zeigten also in vollkommener Überein- 
stimmung mit den Arbeiten von Stuber und seinen Mit- 
arbeitern eine deutliche Gerinnungsbeschleunigung durch Organ- 
extrakte entsprechend deren Fettgehalt, wobei es einerlei ist, 
ob man die Organextrakte als solche oder deren extrahierte 
Fette allein zusetzt. 

Extrakte von vollkommen entfettetem Organ haben gar 
keinen Einfluß mehr auf den Ablauf des Gerinnungsprozesses. 
Entfettetes und dadurch seines Gerinnungsvermögens beraubtes 
Plasma erhält durch Zusatz fettreicher Organextrakte diese 
Eigenschaft wieder vollkommen, während dieselben Organ- 
extrakte nach völliger Entfettung wirkungslos sind. 

In welcher Weise sowohl in quantitativer als auch in 
qualitativer Hinsicht die in Frage stehenden Organfette be- 
züglich ihrer gerinnungsbeschleunigenden Wirkung einzuschätzen 
sind, und welche Rolle dem lipolytischen Ferment dabei zu- 
fällt, soll in einer späteren Mitteilung besprochen werden. 


Literatur. 


Morawitz, Deutsches Arch. f. klin. Med. 79, 1904; Beiträge z. 
chem. Physiol. u. Pathol. 5. 

Loeb, dortselbst weitere Versuche über Blutgerinnung. 

Stuber und Heim, diese Zeitschr. 77, I und II, 1916. 

Stuber und Partsch, dortselbst III. 

Zak, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 70, 1912; 74, 1913, 

Herzfeld und Klinger, diese Zeitschr. 82, 1917. 

Yamada, diese Zeitschr. 87, 1918. 

Wiechowski, diese Zeitschr. 81, 1917. 


Zur pathogenetischen Bedeutung der Ölsäure 
bei Anämien. 


Von 
H. Beumer. 


(Aus der Akademischen Kinderklinik in Düsseldorf.) 
(Eingegangen am 26. April 1919.) 


Die experimentellen Grundlagen der Theorie, daß die Öl- 
säure das die Bothriocephalusanämie erzeugende perniziöse 
Blutgift darstellt, finden sich in den Arbeiten von Faust und 
Tallquist!). 

Die Ölsäuretheorie war gewissermaßen ein Endergebnis des Studiums 
der Bothriocephalusanämien. Erst in jüngster Zeit wurde diese Frage 
durch Seyderhelm?®) in neue Bahnen gelenkt, wobei allerdings nicht 
zu vergessen ist, daß schon 1898 Schaumann und Tallquist?) auf 
dem richtigen, aber nicht scharf als solchen erkannten Weg waren, in- 
dem sie durch Injektion wäßriger Extrakte von Bothriocephalus bei 
einem Hunde das typische Bild einer perniziösen Anämie erzeugen 
konnten. Die Aufmerksamkeit wurde jedoch durch Faust und Tall- 
quist nach einer anderen Richtung gelenkt, als sie 1907 aus getrock- 
neter Bothriocephalussubstanz ein als Cholesterinölsäureester erkanntes 
Lipoid isolierten und dieses zum schädigenden Prinzip des breiten Band- 
wurms proklamierten. Durch Erzeugung chronischer Ölsäurevergiftung 
bei Hunden und Kaninchen suchten sie ihre Hypothese zu erhärten. 
Eine durch 7 Monate fortgesetzte Verfütterung von Ölsäure an einem 
Terrier hatte nach starken als regenerative Anstrengungen der Erythro- 
роёве gedeuteten Schwankungen schließlich eine erhebliche Anämie des 
Tieres zur Folge. Bei Kaninchen verursachte die subcutane Injektion 


1) Faust und Tallquist, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 57. 
Faust, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 58. 

з) Seyderhelm, Arch. f. klin. Med. 126. 

3) Schaumann und Tallquist, Deutsche med. Wochenschr. 
1898, 20. 


240 Н. Beumer: 


von ölsaurem Natrium rapiden Hämoglobinsturz mit raschem tödlichen 
Ausgang. Ein ähnliches, stark hämolytisch wirksames Lipoid konnten 
Berger und Tsuchiya!) aus der Darmschleimhaut eines an Biermer- 
scher Anämie Verstorbenen extrahieren. Somit schien die Möglichkeit 
gegeben, die in ihren Erscheinungsformen ähnlichen schweren Anämien 
verschiedenster Ätiologie-, Bothriocephalus-, Biermer-, Carcinomanämien 
[Grafe und Römer?)] auf eine einheitliche pathogenetische Grundlage 
mit der Ölsäure als gemeinsamer Noxe zu stellen. Das Bild der chroni- 
schen Ölsäurevergiftung am Hunde wurde von Flury und Schmincke’) 
weiterhin studiert und in bezug auf das dabei beobachtete Verhalten 
der Erythrocyten eingehend charakterisiert. Als Resultat einer 16 Monate 
lang fortgesetzten Verfütterung von täglich 10 g Ölsäure an einen 7,5 kg 
schweren Hund fanden diese Autoren einen kurzdauernden beträchtlichen 
Sturz der roten Blutkörperchen mit langsamer, aber vollständiger Repa- 
ration, die mit einer charakteristischen, im Sinne einer Schutzmaßregel 
gedeuteten Veränderung der Erythrocyten in biologischer und chemi- 
scher Beziehung in Zusammenhang gebracht wurde. Die Blutkörperchen 
zeigten nämlich eine spezifische Resistenzerhöhung "gegen Ölsäure, als 
deren chemisches Korrelat das Vorhandensein überwiegender Mengen von 
Cholesterinestern festgestellt wurde. 


Der kritischen Besprechung dieser Ergebnisse Flurys und 
Schminckes und ihrer Deutung schicke ich die Befunde 
einer eigenen an zwei Hunden durchgeführten Ölsäurefütterung 
voraus‘). Ich ging dabei von dem Gedanken aus, daß, wenn 
der Ölsäure wirklich eine erhebliche schädigende Wirkung im 
Sinne eines Blutgiftes innewohnt, diese in ganz besonderer 
Weise bei jungen wachsenden Tieren in Erscheinung treten 
mußte; denn es ist bekannt, daß gerade das jugendliche Blut 
leichter auf alimentäre Einflüsse reagiert, ihnen weniger Wider- 
stand entgegensetzt und mehr zu einem .Rückschlag ins Em- 
bryonale als reaktiver Wirkung auf gesetzte Schädigungen 
neigt. Außerdem richtete ich meine Aufmerksamkeit auf et- 
waige störende Wirkungen der Ölsäure auf Wachstum und 
Knochenbildung, da in dieser Beziehung den Fettsäuren bei 
der Entwicklung der Säuglinge eine besondere, aber noch nicht 
sicher nachgewiesene Bedeutung beigemessen wird (Czerny). 


1) Berger und Tsuchiya, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 96. 

2) Grafe und Römer, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 96. 

3) Flury und Schmincke, Arch. f. experim. Pathol. u. Phar- 
makol. 64. 

4) Diese Versuche wurden Anfang 1914 in der Universitäts-Kinder - 
klinik in Halle gemacht. 


/ 
Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 241 


Zu meinen Versuchen dienten 3 junge Hunde im Alter 
von 3 Wochen vom gleichen Wurf. z 


Der eine erhielt täglich, der andere mit Abständen 20 bis 30 g 
Ölsäure durch Magensonde. Der 3. Hund diente zur Kontrolle. Im Be- 
ginn zeigten die Hunde infolge starken Widerwillens und Ekels ver- 
minderte Freßlust, zeitweilig Durchfälle und etwas struppiges Fell. Später 
wurde die Sondenfütterung anstandslos vertragen. Nach 4 Monaten 
mußten die Versuche wegen Kriegsausbruches abgebrochen werden. In- 
folgedessen fehlen die Sektions- und Organbefunde; jedoch wird dadurch 
die Beurteilung der Ölsäurewirkung auf das Blut, wie später erörtert 
werden soll, nicht entwertet. Die folgende Tabelle zeigt zahlenmäßig 
das Verhalten des Blutes und Körpergewichtes des Kontrollhundes und 
des „Ölhundes“ I bei täglicher Ölsäurezufuhr. 















Blut- 
rperchen 





Gewicht Hämoglobin kö 








Bemerkungen 












25. III. 14| 3250 


1. IV. Beginn von täglich. 
20 g Ölsäure 

10. IV. Blutbild о. B. 

20. IV. Blutbild о. B. 
7.V. 
1. VI. 

4. VII. 

25. VII. 7200 [Ат 20. 7. Blutentnahme 


von 50 ccm 


Zu Beginn des Versuches war eine mäßige Abnahme des Körper- 
gewichts mit Verminderung des Hämoglobins und der Zahl der roten 
Blutkörperchen eingetreten. Nach dem Eindruck, den die Tiere sonst 
machten, waren aber diese Erscheinungen weniger auf eine spezifische 
Schädigung durch Ölsäure, als auf den widerlichen Geschmack des Prä- 
parates zurückzuführen, der zu geringerer Nahrungsaufnahme veranlaßte. 
Irgendwelche Zeichen von einer hämolytischen Wirkung der Ölsäure 
ließen sich weder im Serum noch im Blutbild nachweisen. Der Ölhund I 
erhielt im Vergleich zu dem doppelt so schweren Versuchshund Flurys 
und Schminckes und den Versuchshunden Fausts die vierfache Menge 
an Ölsäure. Trotzdem war das Tier nach eingetretener Gewöhnung 
stets munter. Sichtbare rachitische Veränderungen bildeten sich nicht 
aus, die Körpergewichtszunahme war befriedigend. 


Es haben also beim Hunde selbst große, längere Zeit ge- 
gebene Ölsäuremengen nach einer kurzen durch Appetitmangel 


242 H. Beumer: 


und Durchfälle verursachten Entwicklungshemmung keinen wahr- 
nehmbaren Einfluß auf Knochenbau und allgemeines Wachstum 
gezeitigt. Die Übertragung dieses Versuchsergebnisses auf die 
menschliche, vor allem kindliche Pathologie kann natürlich nur 
mit größter Reserve versucht werden. Es wird aber dadurch 
doch immerhin die Möglichkeit einer Schädigung durch höhere 
Fettsäuren, die unter natürlichen Bedingungen nur in bedeutend 
geringeren Quantitäten bei Anomalien des Fettstoffwechsels im 
Organismus auftreten könnten, zum mindesten sehr in Frage 
gestellt. 


An dem Blut meiner Hunde wurden zu verschiedenen Zeiten Re- 
sistenzbestimmungen gegen Ölsäure und Saponin angestellt. Die Saponin- 
resistenz der Ölhunde-Erythrocyten war niemals, verglichen mit Normal- 
erythrocyten, verändert. Zwei Resistenzbestimmungen, von denen eine 
an das Ende der viermonatigen Ölsäurefütterung fällt, sind in den beiden 
folgenden Tabellen dargestellt. 


Resistenzbestimmung gegen Natrium oleinicum 
am 8. VI. 14. 


0,25 ccm 5°/,ige Blutkörperchenaufschwemmung +3 com Natr. oleat. 
Kochsalzlösung. 
+ = deutliche Hämolyse, Ö I= Ölhund I, 
Sp = Spur Ö II= Ölhund II, 
fk = fast komplette Hämolyse, K = Kontrollhund, 
k = komplette Hämolyse. 








Hämo-| 1: 1000| 1:2000 | 1: 4000 | 1: 6000 | 1: 8000 |1: 10000] ı : 12000] 1 : 14000|1:20000 


lyse I __ 5 = — = МЕЧА 4 
2010111010 61/6 ӧӧ оо о0о оо, 
І Кт пп АНЕ ДЕ KlılmKlı olx ЧЕ 





K 











+ 
k |k рр! +|Sp| 0 |Sp| 0 
k 


o 
Ku 
FS + 
PS + 





к 
© 
+ 
тт 





+ |fk |fk |Sp 
+ + [ЕЕ 
ккк 

















fk| + | + | #|3рзр + 




















8 





d 


Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 243 


Hämolyse mit Ölsäure-Emulsion 
am 20. VII. 14. 
0,25 com 59], gewaschener Blutkörperchen. 
2,0 ccm Ölsäure-Emulsion in NaCl-Verdünnungen 1:1000, 1:2000 usw. - 

















Aus diesen Tabellen ist ersichtlich, daß sich eine nennens- 
werte Resistenzerhöhung der Erythrocyten Am Laufe der Öl- 
säurefütterung nicht herausgebildet hat. 

Einen weiteren Beweis gegen die hämolytische Wirksam- 
keit der Ölsäure im Blut ergab die folgende Versuchsanord- 
nung. 

Von beiden Ölhunden wurde 8 Stunden nach einer reichlichen Öl- 
säuremahlzeit (40 р), also zu einem Zeitpunkt, da erwartungsgemäß 
größere Mengen Ölsäure im Blut zirkulieren mußten, Serum entnommen, 
mit gewaschenen normalen Hundeblutkörperchen vermischt und 12Stunden 
im Brutschrank digeriert. Das daraufhin abzentrifugierte Serum zeigte 
keine Spur Hämolyse. Um die Ölsäurewirkung aufzuheben, bedarf es 
also keiner erst zu erwerbenden Ölsäurefestigkeit der Erythrocyten. 

Eine große Bedeutung bei den Versuchen Flurys und 
Schminckes ist der Feststellung von großen Mengen Cholesterin- 
ester in den Blutkörperchen beizulegen. Die Blutkörperchen 
meines Ölhundes I wurden daraufhin am 20. VII. 14 nach der 
Windausschen Methode untersucht. 

7 g gewaschene und getrocknete Blutkörperchen wurden mit Al- 
kohol und Äther erschöpfend extrahiert, das Extrakt geteilt und in 
einer Hälfte a das freie, in der zweiten b nach Verseifung das Gesamt- 
cholesterin bestimmt. 

Extrakthälfte a ergab 0,0570 Dig. Chol. == 0,396°/, freies Cholesterin, 

n b „ 0,0558 „ » = 0,387°/, Gesamtoholesterin. 

Somit war in den Blutkörperchen des Ölhundes I das 
Cholesterin nur in freier Form enthalten, und zwar entsprechen 
die gefundenen Werte denen normaler Hundeerythrocyten. Nach 


Hoppe-Seylers alten Untersuchungen beträgt der Cholesterin- 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 17 


244 H. Beumer: 


gehalt der Hundeblutkörperchen 0,36%, nach den jüngeren 
Feststellungen Thaysens 0,47°/,, Flury und Schmincke 
fanden bei ihrem Hunde 0,307 Cholesterin aus Estern. 

Nach Mitteilung dieser Resultate gehe ich zur Erörterung 
der „Ölsäurevergiftung“ über, wie sie sich in ihrer Wirkung 
nach den vorliegenden Arbeiten darstellt. Beim Hunde Flurys 
und Schminckes trat schon in der Vorversuchsperiode vom 
24. bis 30. XII. eine als Gefangenschaftsanämie erklärte Ver- 
minderung der Blutkörperchen um 1,2 Millionen ein. Am 1. XII. 
begann die Ölsäurefütterung und schon am 9, XII. erreichte 
die Blutkörperchenzahl ihren niedrigsten Stand mit einer Ab- 
nahme von 2,1 Millionen. Zwischen 1. und 9. XII. werden 
keine Zahlen angegeben. Es ist nicht ersichtlich, ob der durch 
Gefangenschaftsanämie erfolgte Blutkörperchensturz mit dem 
1. XII. seinen Abschluß erreicht hatte und das weitere schnelle 
Absinken der Blutkörperchen allein der Ölsäurewirkung zu- 
geschrieben werden kann. Diese Frage spielt aber nicht eine 
so wesentliche Rolle wie vielmehr der Umstand, daß schon 
nach 9 Ölsäuretagen die Zahl der Blutkörperchen und des 
Hämoglobins Wieder beständig steigt und am 30. XII. den 
alten Stand erreicht, der durch weitere 15 Monate fortgesetzte 
Ölsäurezufuhr nicht mehr ungünstig beeinflußt wird. Der 
durch die Ölsäure gesetzte Schaden wäre also höchstens ein 
akuter. Eine chronische Ölsäurevergiftung ohne Erscheinungen 
ist nicht vorstellbar. Betrachtet man daher mit Flury und 
Schmincke die an den Erythrocyten gefundenen Verände- 
rungen von Resistenzerhöhung und chemischer Abartung als 
Abwehrmaßregeln des Organismus, so muß man annehmen, 
daß diese Waffen bereit waren zu dem Zeitpunkt, als der 
Körper begann, sich mit Erfolg der Ölsäurewirkung zu er- 
wehren. Das wäre also schon nach der ersten Woche der Öl- 
säureüberschwemmung. Dagegen zeigen meine Versuche, daß 
der Körper auch ohne Resistenzerhöhung seiner Blutkörper- 
chen mit noch größeren Mengen Ölsäure fertig wird. Die ver- 
mehrte Widerstandsfähigkeit der Erythrocyten, zu deren Aus- 
bildung zugegebenermaßen der Zeitfaktor eine Rolle spielen 
mag, kann daher nicht ein unentbehrliches Mittel im Kampf 
gegen die Ölsäure sein, wenn man nach den vorliegenden Er- 
gebnissen nicht überhaupt den Gedanken aufgeben will, die 


Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 245 


Ölsäure als ein für den Organismus besonders schädliches 
Nahrungs- und Blutgift zu betrachten. 

Am weitaus interessantesten sind die chemischen Verände- 
rungen, die Flury und Schmincke an den Blutkörperchen 
ihres Hundes gefunden zu haben glauben, jedoch erscheinen 
gerade diese am wenigsten sicher fundiert. Die Autoren 
schreiben, daß sie erst nach mehrfacher energischer Verseifung 
größere Mengen Cholesterin aus dem Blutkörperchenextrakt 
gewinnen konnten und folgern daraus sowie aus der gefunde- 
nen Jodzahl das Vorkommen von Cholesterinestern der Palmitin- 
und Ölsäure. Es fragt sich, ob diese Kriterien genügen. Die 
Cholesterinester wurden nicht selbst dargestellt und als solche 
identifiziert. Wir haben inzwischen durch Windaus im Digi- 
tonin ein zuverlässiges Mittel gewonnen, die Anwesenheit selbst 
kleiner Mengen von Cholesterinestern einwandfrei nachzuweisen. 
Mit dieser Methode enthielten bei meinem Ölhund I die Blut- 
körperchen keine Spur von gebundenem Cholesterin. Auch in 
früheren Versuchen bei Übertragung der Ölsäuretheorie auf die 
menschliche Pathologie konnten Bürger und ich!) in den 
Blutkörperchen bei perniziöser Anämie keine Cholesterinester 
feststellen. Man muß sich fragen, ob eine überwiegende Menge 
von Cholesterinestern mit den Funktionen der Lipoidhülle der 
Blutkörperchen überhaupt in Einklang gebracht werden kann, 
vor allem aber, ob eine solche spezifische Resistenzerhöhung 
gegen Ölsäure infolge Anwesenheit von Cholesterin denkbar 
ist, ohne von einer starken Resistenzverminderung gegenüber 
Saponinen begleitet zu sein. Die einseitige Spezifität der Re- 
sistenz wird aber von Flury und Schmincke besonders be- 
tont. Wir wissen, daß der Resistenzgrad der Blutkörperchen 
gegen Saponine von ihrem Cholesteringehalt direkt abhängig 
ist. Bei Saponininjektionen geht die Zunahme der Saponin- 
resistenz mit einer Vermehrung des freien Cholesterins in den 
Blutkörperchen parallel [Wacker und Hueck?)]. Die hämo- 
lytische Wirkung der Saponine wird durch freies Cholesterin 
gehemmt, nicht aber durch Cholesterinester. Die Vorstellung 
einer aus Cholesterinestern bestehenden Lipoidmembran mit 


1) Beumer und Bürger, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. 18. 
2) Wacker und Hueck, Arch. f. experim. Pathol. u. Therap. 74. 
17* 


246 H. Beumer: 


unveränderter Resistenz gegen Saponine würde also erheblichen 
Schwierigkeiten begegnen. Ich glaube daher, daß angesichts 
der anfechtbaren Annahme von Cholesterinestern, für die von 
Flury und Schmincke gefundene Resistenzsteigerung gegen 
Ölsäure eine andere Deutung gesucht werden muß. 

Die von Faust und Tallquist als eigentliches Bothrio- 
cephalusgift angenommenen Cholesterinölsäureester als solche 
besitzen keine hämolytischen Fähigkeiten. - Serumfreie, mit 
einer Cholesterinölsäureester-Emulsion geschüttelte Blutkörper- 
chen werden selbst nach 24stündigem Stehen im Brutschrank 
nicht hämolysiert, was zugleich gegen das Vorkommen einer 
Cholesterase in den Erythrocyten spricht, da eine Spaltung 
selbst geringer Mengen der Cholesterinester Hämolyse hervor- 
rufen müßte. 

. Bei subeutaner Einverleibung von 16 g Cholesterinölsäure- 
ester in einer kürzeren Periode bei einem Kaninchen fand sich 
ein größerer Teil des Injizierten noch unresorbiert im Unter- 
hautzellgewebe, ein Teil in Form gelber Tröpfchen. noch un- 
gespalten im Mesenterialfett. Die Resistenzprüfung ergab gegen 
Saponin keine, gegen Ölsäure eine ganz geringe Verschiebung. 

















Hämolyse d e 1 1 1 . 1 1 
nach "DT | 10000 | 30000 | 40000 | 60000 | 80000 
1 Stunde | Cholesterin- k 0 
24 Stunden | kaninchen k Sp 
1 Stunde Normal- k fk fk 0 0 
24 Stunden | kaninchen k k fk fk Sp 
Hämolyse | Ölsäure- 1 1 1 1 1 
nach Emulsion | 2000 | 4000 | 5000 | 8000 | 10000 
1 Stunde | Cholesterin- k k Sp 0 0 
24 Stunden | kaninchen k k k fk + 
1 Stunde Normal- k k k Sp Sp 
24 Stunden | kaninchen k k k k k 








Von klinischer Seite wurden sofort erhebliche Bedenken 
gegen die Richtigkeit der Ölsäuretheorie der perniziösen Anämie 
erhoben. Mit Recht wurde hervorgehoben, daß es Faust und 
seinen Schülern niemals gelungen ist, durch noch so lange fort- 


Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 247 


gesetzte Ölsäurefütterungen das wirkliche Bild einer perniziösen 
Anämie hervorzurufen. . Die erzeugten Anämien haben das 
Charakteristische geringgradiger sekundärer Blutveränderungen 
mit mäßig herabgesetzten Blutkörperchenzahlen und verminder- 
tem Hämoglobinindex. Wenn Faust daher angibt, einwand- 
frei festgestellt zu haben, daß die Ölsäure das hämolytisch 
wirksame Gift des breiten Bandwurms ist und per op ver- 
füttert im Organismus die gleiche hämolytische Wirkung ent- 
faltet wie im Reagensglase, so geben dieser Schlußfolgerung 
die vorliegenden Ergebnisse keine Beweiskraft. Vielmehr liegen 
die Verhältnisse im Serum ganz anders wie im Reagensglase. 
Die Schutzkraft des Serums ist eine ganz evidente, wie wir 
sie in ähnlicher Weise bei den schweren Formen von Reten- 
tionsikterus sehen, bei dem trotz Überschwemmung des Blutes 
mit (im Reagensglas) stark hämolytisch wirksamen Gallen- 
säuren fast nie eine Hämolyse beobachtet wird. Die Entgif - 
tung der verfütterten Ölsäure ist auf verschiedenen Wegen 
denkbar. Möglich ist ihre Bindung an Cholesterin zu Chole- 
sterinestern; jedoch stieg bei meinen Versuchen die Menge der 
Cholesteriüester im Blutserum selbst nach Verfütterung großer 
Ölsäuremengen (150 сот) nicht erheblich an. Auch führte eine 
24-Bebrütung einer Mischung von Blut und Ölsäure im Brut- 
schrank nicht zur Bildung von Cholesterinestern. Die Entgif- 
tung erfolgt daher wahrscheinlich durch Bildung von Glycerin- 
estern. Nach Faust Копћбеп nach Ölsäurefütterung beträcht- 
liche Mengen Ölsäure aus dem Chylus mittels einer Ductus 
thoracicus-Fistel gewonnen werden. Nach den jüngsten Arbeiten 
von Bang!) aber wird die Hauptmenge der Fettsäure der 
Leber durch die Pfortader zugeführt. Auch normalerweise 
kommen in der Leber größere Mengen freier Fettsäuren vor. 
Die Annahme erscheint daher berechtigt, daß der Angriff der 
Ölsäure schon durch die synthetischen Kräfte des Darmepithels, 
im übrigen aber durch das Serum und die Leber abgeschlagen 
wird, bevor er die Blutkörperchen überhaupt erreicht. Auch 
von Faust wurden Zeichen einer am Serum sichtbaren hämo- 
lytischen Wirkung nicht beobachtet. Diese treten allerdings 
bei intravenöser Zufuhr von Ölsäure bzw. ölsaurem Natrium 





1) Bang, diese Zeitschr. 91. 


248 H. Beumer: Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 


auf, deren Einverleibung in die Zirkulation mit dem Leben 
der Tiere unvereinbar ist (Munk, Jastrowitz!), eigene Ver- 
suche. Nach Munks Ansicht starben die Tiere dabei an 
plötzlichem Herztod. 

Es bliebe noch die Möglichkeit eines pathologischen endo- 
genen Fettabbaues, bei dem freiwerdende Ölsäure hämolytische 
Wirkungen auslösen könnte. Eine solche Möglichkeit bei 
ätiologisch ungeklärten Anämien des Kindesalters deutet 
v. Pfaundler?) kurz an. Jedoch fehlen dafür vollends die 
Beweise, wie wohl auch diese hypothetische Erwägung nur unter 
dem Eindruck der Ölsäuretheorie Fausts entstanden ist. Das 
gleiche gilt für die von Kleinschmidt?) in das Bereich der 
Möglichkeit gezogene schädigende Wirkung der Ölsäure bei den 
alimentären Formen der Säuglingsanämien. Welche Mengen 
von Ölsäure der wachsende Organismus ohne erhebliche Schädi- 
gung seines Blutes und Wachstums vertragen kann, geht aus 
den beschriebenen Versuchen an jungen Hunden hervor. 

Es muß daher abgelehnt werden, der Ölsäure eine patho- 
genetische Bedeutung für die perniziösen Anämien einzuräumen. 
Ebensowenig kann eine charakteristische, im Laufe der Öl- 
säurefütterung erworbene relative Ölsäurefestigkeit der Erythro- 
cyten mit partieller Abartung der Lipoide durch Substitution 
des freien Cholesterins durch Cholesterinester bestätigt und 
ihrer Deutung als Abwehrmaßnahme des Körpers gegen die 
hämolytische Wirkung der Ölsäure beigestimmt werden. 


1) Jastrowitz, Zeitschr. f. klin. Med. 1914. 
*) у. Pfaundler, Feers Lehrb. d. Kinderheilkunde. 
3) Kleinschmidt, Jahrb. f. Kinderheilk. 83. 


Über Wirkung und Entgiftung eingeatmeter Blausäure. 


Von 
Ferdinand Flury und Wolfgang Heubner. 


(Aus der Pharmakologischen Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für 
physikalische Chemie und Elektrochemie, Berlin-Dahlem.) 


(Eingegangen am 30 April 1919.) 


Vor kurzem haben Teichmann und Nagel!) über Versuche 
an Mäusen berichtet, durch die sie die seit 1895 bekannte Tat- 
sache bestätigen, daß Natriumthiosulfat prophylaktisch gegen 
Blausäurevergiftung wirksam ist. Sie haben weiter die Fest- 
stellung von Schankies?) bestätigt, daß im Durchschnitt die 
Erholungszeit vergifteter Tiere etwas kürzer ist, wenn ihnen 
nach Aufenthalt in einer Blausäureatmosphäre Thiosulfat in- 
jiziert wird, d. h. bei nicht tödlich vergifteten Tieren macht 
sich die bekannte entgiftende Wirkung des Thiosulfats auch bei 
nachträglicher Zufuhr ein wenig geltend. Teichmann und 
Nagel haben nicht erweisen können, daß tödlich vergiftete 
Tiere nach Einatmung von Blausäure durch nachträgliche Zu- 
fuhr von Thiosulfat gerettet werden können. Dies verdient wegen 
der praktischen Bedeutung der Frage mit aller Schärfe hervor- 
gehoben zu werden, um so mehr, als die Autoren in ihren Schluß- 
folgerungen zu dem Resultat kommen, daß durch „therapeu- 
tische Behandlung Vergifteter“ die Unglücksfälle bei Blausäure- 
vergasungen, wie sie jetzt zum Zwecke der Schädlingsbekämpfung 
in großem Umfang stattfinden, verringert werden könnten. 
Nach unserer Ansicht muß aber die Errettung vom Tode das 


1) Diese Zeitschr. 98, 312, 1919. 
з) Beitäge zur experimentellen Therapie der Blausäurevergiftung. 
Inaug.-Diss. Königsberg 1918. 


250 Е. Flury und W. Heubner: 


erste Ziel einer gegen Unglücksfälle gerichteten Maßregel sein, 
während ein etwas schnellerer Verlauf einer im allgemeinen 
von selbst rasch fortschreitenden Erholung nur geringe Bedeutung 
haben kann. 

Über die Rettung tödlich vergifteter Tiere nach Blau- 
säureeinatmung durch Thiosulfat haben wir bereits vor längerer 
Zeit Versuche an Katzen angestellt und zwar mit intravenöser 
Injektion; wir sind damals zu dem Resultat gekommen, daß 
eine sichere Wirkung nicht festzustellen ist und in praxi bei 
akuter Vergiftung keine Rolle spielen kann, denn bei den Grenz- 
dosen ist es nie mit Bestimmtheit vorauszusagen, ob das Tier 
ohne Thiosulfat sterben würde, und bei sicher tödlichen Dosen 
verläuft die Vergiftung so rasch, daß die Behandlung immer 
zu spät kommt — selbst im Laboratorium, wo alles zur In- 
jektion bereit steht, geschweige denn im Ernstfalle. Das außer- 
ordentlich rasche Tempo der Vergiftung, worin die Einatmung 
des Giftes die anderen Applikationen noch wesentlich übertrifft, 
scheint uns also eine Thiosulfatbehandlung ganz aussichtslos zu 
machen. Soviel über die Heilversuche. Der prophylaktischen 
Methode — Einspritzung von Thiosulfat bei den mit Blausäure- 
vergasungen beschäftigten Personen vor der Arbeit — stehen 
wir ebenfalls aus praktischen Gründen sehr skeptisch gegen- 
über. Deswegen haben wir auch seinerzeit weitere Versuche 
abgebrochen. 

Bei dieser Gelegenheit möchten wir aber noch auf eine 
bei unseren Arbeiten mit Blausäure gemachte Beobachtung hin- 
weisen. Systematische Versuche mit verschieden hohen Kon- 
zentrationen bei verschiedener Einatmungszeit haben uns gezeigt, 
daß nicht alle Vergiftungen in dem oben erwähnten raschen 
Tempo verlaufen. Es gibt eine Vergiftungsform durch Ein- 
atmung, die eine besondere Stellung einnimmt, die übrigens 
auch von Teichmann und Nagel nicht berücksichtigt worden 
ist. Sie kommt nur zustande, wenn ganz bestimmte Konzen- 
trationen des Blausäuredampfes längere Zeit eingeatmet werden. 
Für Katzen liegen diese Konzentrationen um 0,10 mg pro Liter 
Luft herum. Sie können mehrere Viertelstunden lang ohne töd- 
lichen Erfolg eingeatmet werden, bewirken dabei aber eine 
schwere Vergiftung, deren Höhepunkt nach 5 bis 15 Minuten 
erreicht wird, um dann, ähnlich wie etwa bei der Narkose, 


Entgiftung eingestmeter НОМ. 251 


stationär zu bleiben: Bewußtlosigkeit, langsame, krampfhaft ver- 
tiefte Atmung, ab und zu leichte Krämpfe. Bringt man solche 
Tiere nach längerer Zeit wieder in reine Luft, so bessert sich 
regelmäßig die Atmung. Trotzdem kann es geschehen, daß 
eine völlige Erholung ausbleibt und der Tod noch nachträg- 
lich, unter Umständen erst nach mehreren Stunden eintritt. 
Dabei ist uns der charakteristische Befund aufgefallen, daß in 
der Leiche hellrotes Blut angetroffen wird; die Lähmung der 
Oxydationsfermente kann also die Blausäureatmung erheb- 
lich überdauern, während die Störung der Atmung sich rasch 
erholt. 

Diese Beobachtung scheint uns auch in theoretischer Beziehung von 
großem Interesse. Denn sie ist schwer vereinbar mit der Auffassung 
von Geppert!), nach der auch die zentralen Symptome der Blausäure- 
vergiftung hauptsächlich Folge der gestörten Oxydation sein sollen?). 

Bei dem genannten Vergiftungstypus kommt es also trotz 
ständig erneuter Giftzufuhr nicht zur Lähmung des Atem- 
zentrums, weil sich hier offenbar ein Gleichgewichtszustand 
einstellt, bei dem fortwährend Blausäure durch Ausscheidung 
oder Zerstörung oder sonstwie unschädlich gemacht und eine 
bestimmte Konzentration des Giftes an den empfindlichen 
Elementen der nervösen Zentren nicht überschritten wird. In 
dieser Beziehung läßt also die Blausäure eine gewisse Analogie 
mit der Wirkungsweise der flüchtigen Inhalationsnarkotica der 
Fettreihe erkennen. Daß die Tiere in diesem Zustand ein Viel- 
faches der bei höherer Konzentration schnell tödlich wirkenden 
absoluten Dosis einatmen, verdient besondere Beachtung. Es 
ergibt sich daraus nämlich, daß eine strikte tödliche Dosis 
für eingeatmete Blausäure nicht aufgestellt werden 
kann; ihre Giftigkeit ist innerhalb weiter Grenzen abhängig 
von der eingeatmeten Konzentration. 

Noch ein weiterer Punkt möge hier erwähnt werden. Die 
Vergiftung durch sehr schwache Konzentrationen hat aus- 
gesprochen reversiblen Charakter. Wenn man Tiere mit 
Konzentrationen, die etwa 0,2 bis 0,4 mg Blausäure im Liter 





1) Über das Wesen der Blausäurevergiftung. Berlin 1889. 
2) Vgl. W. Ewald, Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. 38, 335, 1907. — 
v. Tappeiner, Lehrb. d. Arzneimittellehre. 11. Aufl. 1916, 251. 


252 F. Flury und W. Heubner: 


Luft enthalten, bis zum Eintritt von Atemstillstand und völliger 
Bewußtlosigkeit vergiftet und dann zur Vermeidung des Herz- 
stillstandes sofort wieder in frische Luft bringt,. kommt die 
Atmung bald wieder spontan oder nach einigen Thoraxkom- 
pressionen in Gang, und die Tiere erholen sich in der Regel 
wieder vollständig. Während dieser Erholungsperiode treten 
nun, wie wir besonders häufig bei Katzen gesehen haben, die 
anfänglichen Vergiftungssymptome, aber in umgekehrter Reihen- 
folge, wieder auf. Es kommt wieder zu Krämpfen, Atem- 
beschleunigung, Erregungszuständen, motorischen Störungen, 
Ataxie usw. Diese Form der Vergiftung dürfte sich gut zum 
Studium und zur anschaulichen Darstellung reversibler Ver- 
giftungsprozesse eignen. 

Auf Versuche über die Behandlung der „stationären“ Blau- 
säurevergiftung mit Thiosulfat haben wir verzichtet. Denn 
für sie gilt erst recht, daß der spontane Verlauf niemals sicher 
vorauszusehen ist, sondern von Individuum zu Individuum 
schwankt. Von zwei gleichzeitig unter scheinbar absolut gleichen 
Bedingungen vergifteten Tieren kann das eine auch nach lang- 
dauernder Vergiftung noch eine ziemlich rasche Erholung zeigen, 
während das andere in der beschriebenen Weise nachträglich 
zugrunde geht. Ob es sich bei solchen bedrohten Fällen darum 
handelt, die Blausäure möglichst rasch chemisch zu entgiften, 
oder nicht vielmehr darum, die — vielleicht auch im Herz- 
muskel? — irreparabel geschädigte Fermenttätigkeit wieder in 
Gang zu bringen, möchten wir dahingestellt sein lassen. Immer- 
hin wollen wir nicht mit Bestimmtheit behaupten, daß bei so 
gearteten Fällen von Blausäurevergiftung am Menschen nicht 
auch einmal Thiosulfat nützlich sein könnte. Die besten Be- 
handlungsmethoden der Blausäurevergiftung nach Einatmung 
sind jedoch immer noch die Zufuhr von Sauerstoff und 
die künstliche Atmung, von der wir auch in Tierversuchen 
häufig überraschende Erfolge selbst bei schwersten Vergiftungen 
sahen. 

Die sichere Dosierung gasförmiger Blausäure ist nicht 
leicht. Wir haben z. T. mit Strömungskammern unter gleich- 
zeitiger Analyse der Kammerluft, 2. Т. mit großen, gut ge- 
dichteten Kammern (von 1 bis 12 cbm) gearbeitet, in denen 
abgemessene Mengen reiner, wasserfreier Blausäure zerstäubt 


Entgiftung eingestmeter HCN. 253 


wurden. Hierbei wurden die verwendeten Konzentrationen so 
weit wie möglich fortlaufend durch chemische Analysen kon- 
trolliert. Leider sind die meisten in der Literatur enthaltenen 
Untersuchungen über die Wirkung von Gasen, auch die von 
Teichmann und Nagel, ohne chemische Kontrolle der bei 
den Versuchen wirklich vorhandenen Gaskonzentrationen durch- 
geführt worden. Dadurch wird die Unsicherheit der Dosierung, 
die bei toxikologischen Gasversuchen aus zahlreichen Gründen 
stets vorhanden, z. T. kaum vermeidbar ist, besonders groß 
und die Reproduktion solcher Versuche fast unmöglich. 

Als Analysenmethode haben wir uns eines von Professor 
H. Wieland-München im hiesigen Institut ausgearbeiteten 
Verfahrens bedient, das auf der Absorption von Blausäure 
durch Jodlösung beruht und bequem, sicher und schnell zu 
arbeiten gestattet. Die blausäurehaltige Luft wird durch eine 
kleine Waschflasche mit Jodlösung, die mit etwas Stärke und 
Bicarbonatlösung versetzt ist, geleitet; das Ende der Reaktion 
wird durch die Entfärbung der Jodlösung erkannt. Die Wasch- 
flasche hat ein capillares Einleitungsrohr mit einem auf dieses 
aufgesetzten Dreiweghahn, dessen eine Öffnung mit: dem Zu- 
leitungsrohr aus dem Gasraum in Verbindung gebracht wird, 
während die andere Öffnung in ein kurzes offenes Glasrohr 
mündet, das zum Durchspülen des Apparates mit dem Blau- 
säureluftgemisch vor Beginn der Absorption verwendet: wird. 
Zuerst saugt man so lange Gas aus dem Versuchsraum, bis das 
Zuleitungsrohr völlig damit gefüllt ist, dann stellt man den 
Dreiweghahn um und saugt das zu analysierende Luftgemisch 
durch die Waschflasche mit Jodlösung. Man läßt zweckmäßig 
so lange Wasser aus einer mit der Waschflasche verbundenen 
graduierten Pipette ausfließen, bis die Jodlösung entfärbt ist. 
Als Maß der durchströmenden Blausäureluftmischung benutzt 
man die aus der Pipette ausfließende Wassermenge. Bei Blau- 
säurekonzentrationen von 0,1 bis 0,5°/, genügen 10 ccm R/, 000” 
Jodlösung, 1 com 1°/,ige Natriumbicarbonatlösung und 10 Trop- 
fen 0,5°/,iger Stärkelösung. Der Blausäuregehalt der Luft in 
mg pro Liter ist dann gleich dem Verhältnis 135: verbrauchtes 
Gasvolumen in ccm. 

(HON + 23 = JON + нә; 1J EN 1з»). 


254 F. Flury und W. Heubner: 


Bei sehr geringen Konzentrationen legt man entsprechend 
weniger Jodlösung vor, natürlich müssen auch größere Mengen 
Luft durchgesaugt werden. Bei einem Gehalt von 0,01 mg Blau- 
säure im Liter Luft (etwa 0,001 Volumprozent) muß man bei- 
spielsweise bei Vorlegung von Leem ”/iooo Jodlösung für die 
Analyse 1 350 ccm der blausäurehaltigen Luft entnehmen. 

Unsere Zahlenwerte stimmen mit denen von K. B. Leh- 
mann und seinen Schülern Wagschal!) und Ahlmann?) gut 
überein. Akut tödlich für Katzen sind Konzentrationen über 
0,35 mg pro.Liter Luft; Atemstillstand binnen 2 Minuten, Herz- 
stillstand binnen 10 Minuten. Mit sinkender Konzentration 
treten die ersten Erscheinungen später ein, die Vergiftungszeit 
wächst; bei 0,12 mg erfolgt erst nach :/, Stunde Atemstillstand. 
Die Erholung nach untertödlicher Vergiftung ist deutlich lang- 
samer als bei gleichstarker aber rascherer Vergiftung (durch 
höhere Dosen). Offenbar wird die Schädigung der Ferment- 
tätigkeit mit zunehmender Wirkungsdauer schwerer reparabel. 
Dauernd ertragen werden Konzentrationen unterhalb 0,06 mg 
pro Liter; doch rufen sie bei vielen Individuen noch Vergiftungs- 
symptome hervor. 

Hierfür können folgende Versuche als Beleg dienen. Eine Katze 
wurde in einem Gasraum von !/, cbm Fassungsvermögen, der mit einer 
konstanten, chemisch analysierten Blausäureatmosphäre von 0,062 mg 
im Liter Luft durchströmt wurde, eine Stunde lang gehalten. Nach 
6 Minuten ganz geringe Atemvertiefung, die nach 15 Minuten deutlicher 
wurde. Nach 45 Minuten Andeutungen von Ataxie, geringfügiges Taumeln. 
Sonst blieb das Tier symptomlos, erkrankte auch nicht nach dem 
Versuch. 

Eine zweite Katze blieb unter den gleichen Verhältnissen zunächst 
30 Minuten lang symptomlos, nach 40 Minuten traten Erbrechen, leichte 
Krämpfe, vertiefte Atmung ein. Nach 43 Minuten Beginn schwerer 
Lähmungserscheinungen (Bewußtlosigkeit, Krämpfe, Seitenlage); das Tier 
blieb noch 37 Minuten bewußtlos, konstant schwer atmend, in der 
giftigen Atmosphäre. In frischer Luft rasche Erholung, nach 10 Minuten 
schon spontane Bewegungen. 

Erst bei 0,04 mg sahen wir Vergiftungserscheinungen völlig 


1) Quantitative Studien über die Giftigkeit der Blausäuredämpfe. 
Inaug.-Diss. Würzburg, 1903. 

2?) Weitere Untersuchungen über die Giftigkeit der Blausäure. Inaug.- 
Diss. Würzburg, 1905. 


Entgiftung eingeatmeter HCN. 255 


ausbleiben. Lehmann, der seine Dosen in Vol.-Prozent Blau- 
säuredampf angibt, bezeichnet 0,03 bis 0,04°/,, als dauernd 
unwirksam, 0,05 bis 0,06°/,, als vergiftend, und bei mehrstün- 
diger Wirkungsdauer als meistens tödlich; dies entspricht etwa 
0,04 bis 0,05 mg (unwirksam) und 0,06 bis 0,07 mg als töd- 
licher Grenze. Die Übereinstimmung dieser Zahlen mit den 
unseren kann nicht besser seint). 

Die Giftigkeit der Blausäure für den Menschen bei Ein- 
atmung dürfen wir unbedenklich als die gleiche wie für den 
Hund und die Katze ansehen; zu dieser Auffassung berechtigen 
uns Erfahrungen mit Affen. 

Bei einem von uns angestellten Versuch wurden unter den gleichen 
Versuchsbedingungen im gleichen Raum gleichzeitig ein mittelgroßer 
malaiischer Makak (Cynomolgus fascicularis), ein Hund (Fox) und eine 
Katze in einer Gaskammer von 12 cbm Rauminhalt einer Blausäure- 
atmosphäre von 0,14 mg pro Liter Luft ausgesetzt. Sobald der Affe 
und der Hund völlig gelähmt und bewußtlos waren, wurden sie in 
frische Luft zurückgebracht, die Katze verblieb noch 7 Minuten lang 
bewußtlos, aber gleichmäßig atmend in der Blausäureatmosphäre. 

Das Ergebnis war wie folgt: 




























Erste Anzei- 
chen der Ver- 


giftung 


Erholung nach 
Versuchsbeginn 


Tier- 


ar allgemeiner 


Lähmung 


von Lähmungs- 
erscheinungen 























nach 19 Minuten 
verbesserte At- 
mung, nach 21 
Minuten wieder 
spontane Be- 
wegungen 


nach 12 Minuten 

Krämpfe, ver- 

tiefte Atmung, 
Seitenlage 


nach 4 Minuten 
Gähnen Anzei- 
chen von Nau- 
sea, nach 6 Mi- 
nuten Erbre- 
chen 
Husten 








nach 8 Minuten 
sinkt das Tier 
taumelnd insich 
zusammen 





















nach 9 Minuten | nach 10 Minuten | Reflexe kehren 







nach 3 Minuten 























Nausea, Wür-| Ataxie und |Krämpfe,schwe-| nach 20 Minu- 
gen, nach 5 Mi- Taumeln re Atmung, Sei-| ten wieder 
nuten Er- ; tenlage 
brechen 
Katze |nach 3 Minuten | nach 6 Minuten | nach 6 bis 7 | nach 28 Minu- 
Würgen, nach | Dyspnoe und Minuten ten Beginn 
5 Minuten Er-| Seitenlage spontaner Be- 
brechen wegungen 





‚ 1) Vgl. dazu die Bemerkungen von Schankies auf 8.17 seiner 
Dissertation (Anmerkung), der die Angaben von Lehmann ‚mißver- 
standen hat. 


256 F. Flury und.W. Heubner: Entgiftung eingeatmeter HCN. 


Alle 3 Tiere erholten sich vollkommen. ` 

Auch ein weiterer analoger Versuch mit einer anderen Affenart 
(grüne Meerkatze, Cercopithecus sabaeus) zeigte ähnliche gute Überein- 
stimmung bezüglich des Eintritts und der Art дег Vergiftungssymptome 
bei Hund und Katze. 

Danach steht der Affe, wie übrigens auch der Hund, in 
seiner Empfindlichkeit der Katze sehr nahe und entfernt sich 
von dem widerstandsfähigeren Kaninchen und erst recht von 
den kleineren Nagern. 


Bemerkung. 


Von 


M. Biedermann-Jena. 


Gegen die von J. Wohlgemuth im 3. und 4. Heft von Bd. 94 
der „Biochem. Zeitschr.“ geübte Kritik an meinen Versuchen 
erhebe ich Widerspruch und verweise auf meine in kurzem in 
der „Fermentforschung“ erscheinende ausführliche Behandlung 
dieses Gegenstandes. 


Druckfehlerberichtigung. 
Zu der Arbeit Salkowski: Bemerkungen zu der Arbeit von 
Hans Aron „Über den Nährwert“. 
In Band 94, Seite 209, Zeile 11 von unten 
lies statt: „vom 13. V bis 5. IX...“ 
„von 13 bzw. 5, 5, 9 Tagen... .“ 


Über die Lichtabsorption neutraler Lösungen von Oxy- 
hämoglobin. 


Von 
Paul Häri. 


(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.) 


(Eingegangen am 9. April 1919.) 


Da spektroskopische und spektrophotometrische Unter- 
suchungen des Blutes nur an ganz klaren Lösungen vorgenommen 
werden können, ist es üblich geworden, die Verdünnung des 
Blutes mit einer 0,1°/ igen Lösung von kohlensaurem Natrium 
vorzunehmen. Da auch krystallisiertes Oxyhämoglobin sich 
bei Zusatz von kohlensaurem Natrium weit besser als im 
destillierten Wasser löst, wurde auch die große Mehrzahl der 
Beobachtungen an Oxyhämoglobin an soda-alkalischen Lösungen 
desselben ausgeführt. 

Nun ist es von vornherein nicht auszuschließen, daß sich 
die Lichtabsorption des Oxyhämoglobins in soda-alkalischen 
Lösungen anders als in einer wirklich reinen Lösung in destil- 
liertem Wasser verhält; in der Tat hat Torup!) angegeben, 
daß der Zusatz von kohlensaurem Natrium zu einer Ver- 
schiebung der Stelle der stärksten Absorption führt. 

Ich habe zur Klärung dieser Frage nachfolgende Unter- 
suchungen vorgenommen. 


Aus einer ersten Reihe von Beobachtungen, deren Daten 
in den nachfolgenden Tabellen I und II zusammengestellt 
sind, ergab sich zunächst eine weitgehende Übereinstimmung 





1) Zitiert bei Bohr, Über den spezifischen Sauerstoffgehalt des 


Blutes. Skandinav. Arch. f. Physiol. 8, 107. 
Biochemische Zeitschrift Band 95. 18 


258 - P. Häri: 


zwischen neutralen und soda-alkalischen Lösungen. [Eine große 
Reihe von Beobachtungen an letzteren sind in meiner jüngst 
erschienenen Arbeit publiziert'!).] Diese Übereinstimmung be- 
stand im folgenden: 

a) Der Quotient der Extinktionskoeffizienten — gemessen 
annähernd genau an den zwei von Hüfner seinerzeit vorge- 
schlagenen Stellen des Spektrums, und zwar am zweiten Streifen 
von Grün bei 541,6 — 533,1 ци und im Zwischenraum zwischen 
beiden Streifen, bei 565,8 — 555,9 uu — betrug an 5 neutralen 
Lösungen (Tabelle I) im Mittelwert annähernd dasselbe, näm- 
lich 1,62, wie seinerzeit von mir an soda-alkalischen Lösungen 
gefunden wurde, nämlich etwas über 1,60. In einer Reihe 
weiter unten mitzuteilender Versuche ist die Übereinstimmung 
eine noch bessere. 


Tabelle 1. 


 Extinktionskoeffizient 


Untersuchte (a) 











Lö in Grün im Zwischenraum 
‚sung bei 541,6 — 533,1 un | bei 565,8 — 555,9 uu (b) 
@) | H 
Hundeblut 25 | 
Lösung l.... 0,920 | 0,560 1,64 
Hundehämoglobin 28 0,923 0,583 1,58 
Pferdehämoglobin 36 1,004 0,613 1,64 
Pferdehämoglobin 37 
Lösungl .... 0,740 0,459 1,61 
Pferdehämoglobin 38 
Lösung 6. ... 1,520 фм: 0,985 1,68 
Mittelwert... . . — — 1,62 


b) An soda-alkalischen Lösungen wurde seinerzeit gefunden, 
daß dieselben während des Stehens, sogar in der Kälte, an 
Stärke der Lichtabsorption einbüßen. Dasselbe ist, wie aus 
Tabelle II hervorgeht, auch an neutralen Lösungen der Fall. 

c) In einer weiteren Reihe von Versuchen wurden die 
spezifischen, auf eine Konzentration von 0,1%, bezogenen 
Extinktionskoeffizienten an den beiden genannten Stellen des 
Spektrums bestimmt, und zwar sowohl in soda-alkalischer, wie 
auch in rein wäßriger neutraler Lösung des Blutes resp. des 


1) Beiträge zur Lichtabsorption des Oxyhämoglobins. Diese Zeit- 
schr. 82, 229, 1917. 


Liehtabsorption neutraler Lösungen von Oxyhämoglobin. 259 


Tabelle П. 


Spektralausschnitt | Extinktionskoeffizienten 


a- in Grün nach Fertigstell.der Lösung 
Untersuchte Lösung |bei 511,6 — 533,1 zu z 
b-imZwischenraum] sofort | später 


bei 565,8 — 555,9 ua | untersucht | 


| untersucht 





Hundeblut 28 Br. ars гй 0,730 0.715, 
Lösung 1 По Se | 0:935 29 
z ër ICH, e А а 0,92: ‚9331. 
Mumdohāmogiotin в d 1 18 | DS 
Pferdehämoglobin 57 |а........ 0,740 | 0,7181, 
Lösung 1 АЖ ыла ал» rss .| 0,459 0,4637) 
Pferdehämoglobin 38 BR tan 1,521 1,241 Lu 
Lösung 6 \ {тө эк, бе йды ТА 0,935 0,7929 
Pferdehämoglobin 39 |а«........ 0,816 0,742 \», 
Lösung 5 UV ECKER 0,500 0,4529 


Blutfarbstoffes. Die weitaus größte Zahl dieser Untersuchungen 
wurde mit dem in meiner bereits zitierten ersten Mitteilung‘) 
verwendeten alten Königschen Spektrophotometer, eine geringe 
Anzahl mit dem nach Martens und Grünbaum modifizierten 
Apparat ausgeführt, den ich in meiner zweiten Mitteilung”) be- 
schrieben habe. 

Die Ergebnisse dieser Versuche sind in nachfolgender 
Tabelle III zusammengestellt. 

Von den in Tabelle III zusammengestellten Versuchen 
sind die letzten drei (Nr. 8 bis 10) von den vorangehenden, 
(Nr. 1 bis 7), die sich wesentlich anders verhalten, auch räum- 
lich abgetrennt. Zunächst sollen die Versuche 1 bis 7 be- 
sprochen werden. 

An der überwiegenden Zahl dieser sieben Lösungen fielen 
Че an der neutralen Lösung abgelesenen Exstinktionskoeffizienten 
etwas geringer aus als an der soda-alkalischen Lösung, und 
zwar waren sie im Mittelwert aller Fälle am zweiten Absorptions- 
streifen von Grün um 1,8°/, geringer, im Zwischenraum zwischen 
beiden Streifen um 1,4°/, geringer. 


1) und 2 Über Nacht im Eisschrank. 
5) 24 Stunden im Eisschrank. 
+) 3 Wochen im Eisschrank. 
" 4 Tage im Eisschrank. 
бу б. 
7) Diese Zeitschr., dieses Heft, 5/6. 
18* 


260 P. Häri: 
Tabelle III. 


Extinktionskoeffizient 








| 
| 
| 
| 
| 



























































© SE 
8 BZ im Zwischenraum (a) 
g со in Grün zwischen beiden = 
S 25 | bei 541,6— 533,1 uu . „Streifen (b) 
d CH: bei 565.8 — 555,9 uu 
Е, Ek З 

2 | Untersuchte Lösung Ө g i egal ON НЕЗ 
З e 8 neutral neutral | 
ы ke = ^1 а т |5 | 
Ф х 9 = | г Ki ~ | © # 

К + > S Gi kl ECH 
E а х3 | $ SCHEI 
E E 538| 3 | 2 835128 
z E S |з |j Séi 

ЕЁ $ | 








Hundeblut 23 
Lösung 1а (alkal.) 
„ 2 (neutr.) 


Hundeblut 28 






0,17 
0,085 


Pferdehämoglobin 39 
Lösung 2 (alkal.) 


» 5 (neutr.) 


Pferdehämoglobin 40 
Lösung 3 (alkal.) 

„ 4 (neutr.) 
Hundehämoglobin 56 
Lösung 2a (alkal.) 

n 2 (neutr.) 
Pferdehämoglobin 58 
Lösung 2a (alkal.) 

„ 20 (neutr.) 
Pferdehämoglobin 58 
Lösung 3a (alkal.) 

» ЗЫ (neutr.) 


Mittelwerte . ^. . . — 1,4 |1,60/1,60 


Hundeblut 26 
Lösung 1 (alkal.) 
» 2 (neutr.) 











0,515| — 1,0 

















0,188] — 4,1 
6°) 











| . 
0,735| + 5,4 0,422 0419 + 13,5]1,65/1,53 



























9 | Pferdeblut 29 
Lösung 1 (alkal.) 
e КА, 0469| + вл 020270300 + 16,1J1,041,56 
10°) | Pferdehämoglobin 38 | | 
Lösung 4 (alkal.) | 0,168 | E 
„ 2 (neutr) | 0.059 10,850 0,765|— 10,8 [0,534:0,473| — 11, 1,5911,62 








1) In den so bezeichneten Versuchen, in denen die alkalische und 
neutrale Lösung nicht von derselben Konzentration waren, wurden die 
Extinktionskoeffizienten auf dieselbe Konzentration bezogen. 

2) Diese Versuche wurden mit dem nach Martens und Grün- 
baum modifizierten Königschen Apparat ausgeführt (alle übrigen mit 
dem alten Königschen), und zwar an den um ein Geringes abweichenden 
Spektralstellen 541,4 — 533,7 und 565,6 — 556,1 ди. 


Lichtabsorption neutraler Lösungen von Oxyhämoglobin. 261 


In den drei von den übrigen abgetrennten Versuchen 
8 bis 10 der Tabelle III sind die Unterschiede zwischen den 
neutralen und alkalischen Lösungen weit größer, und zwar 
fiel in zwei Versuchen der Extinktionskoeffizient in der neu- 
tralen Lösung größer, in einem der Versuche kleiner aus. Es 
heißt sicher den Tatsachen keinen Zwang anzutun, wenn ich 
die Ergebnisse der Versuche 8 bis 10 außer Rechnung lasse, 
denn es hatte sich in diesen Versuchen um relativ sehr stark 
verdünnte Farbstoffllösungen gehandelt, an denen die mittels 
des alten Königschen Spektrophotometers erhaltenen Ergebnisse 
recht unsicher sind!) Diese Unsicherheit äußert sich in den 
Versuchen 8 bis 10 auch in der bedeutenden Divergenz der an 
den neutralen einerseits und soda-alkalischen Lösungen anderer- 
seits aus den Extinktionskoeffizienten berechneten Quotienten, 
die in den Versuchen 1 bis 7 weit besser übereinstimmen. (Siehe 
die beiden letzten Stäbe der Tabelle III.) 

Ich stehe demnach nicht an, mich bloß an die Ergebnisse 
der Versuche 1 bis 7 zu halten, aus denen, wie erwähnt, her- 
vorgeht, daß die Extinktionskoeffizienten der neutralen Lösungen 
im Durchschnitt aller Versuche um 1,8 resp. 1,4°/, geringer 
ausfielen als an den soda-alkalischen Lösungen. Nun ergibt 
sich noch die Frage, ob wir angesichts dieses geringen Unter- 
schiedes von weniger als 2°/,, der den in derartigen Beobach- 
tungen zulässigen Versuchsfehler keinesfalls überschreitet, das 
Recht haben, zu folgern, daß die Lichtabsorption neutraler 
Lösungen von Hämoglobin schwächer sei als die der soda- 
alkalischen Lösung derselben Konzentration? 

Ich glaube, daß diese Frage bejaht werden darf, und zwar 
aus folgenden Gründen: 1. Weil bloß in 3 von 14 Beobach- 
tungen ein umgekehrtes Verhalten — nämlich stärkere Licht- 
absorption der neutralen Lösung — zu beobachten war. 
2. Weil dasselbe, was im vorangehenden für zwei Spektral- 
ausschnitte bewiesen wurde, auch für die benachbarten Spektral- 
bezirke gilt. In nachstehender Tabelle IV sind die an zwei 


1) Die an noch stärker verdünnten Lösungen ausgeführten Versuche 
5, 6 und 7 rangieren nicht hierher, da sie mittels des neuen, modifizierten 
Königschen Apparates untersucht wurden, an dem — abgesehen von 
den prinzipiellen Vorteilen — durch Verwendung einer diekeren Flüssig- 
keitsschicht (längere Röhren) diese Fehlerquelle wegfällt. 





262 P. Hári: 


neutralen Lösungen von Oxyhämoglobin abgelesenen spezifischen 
(auf 0,10, Hämoglobinkonzentration berechneten) Extinktions- 
koeffizienten eingetragen und mit dem Mittelwert der Extinktions- 
koefiizienten verglichen, die von mir an einer größeren Anzahl 
soda-alkalischer Lösungen an den betreffenden Spektralstellen 
ausgeführt und seinerzeit mitgeteilt wurden. 


Tabelle IV. 





Spezifische Ex- | Durchschnittliche 
tinktions- | von mir früher ge- 





7 S 8 зек 1 ie S е 
ee Өй pektralpereioh koeffizienten | fundene Extink- 
SENDE der neutralen |tionskoeffizienten 
ин Lösung an alkal. Lösungen 
Pier ein 40 j) 583 8— 578,2 0,725 0.702 
KEE \ 580,3—570,5 0,841 0,832 
571,4 — 561,2 0,609 0,617 
569.5 — 559,4 0,573 0,580 
Р" А 567,6 — 557,6 0,527 0,554 
SE RE ege, 0,520 0,536 
ENDE 564,9 — 554,9 0,512 0,52% 
563,9 — 554,0 0,511 0,515 
| 569,1 — 552,0 0,518 0,522 
EE 0,694 0,683 
| | 546,4— 587,6 0,810 0,847 
& абд 544,8 — 536,1 0,821 0,850 
Aierdeh imoplobin 20 || - 548.2 584,6 0,821 0.845 
Е 540.0 — 531,6 0,791 0,805 
538,4 — 530,1 0,769 0.771 
An 15 diesbezüglich untersuchten — im weiteren Bereich 
des zweiten Streifens und des Zwischenraums zwischen beiden 
Streifen gelegenen — Stellen des Spektrums sind es wieder 


nur drei, an denen die Lichtabsorption der neutralen Lösung 
stärker ausfiel, an allen übrigen Stellen war sie geringer. Es 
kann sich nach alledem nur um eine Veränderung handeln. 
die von der Anwesenheit des kohlensauren Alkalis verursacht 
ist, eine Veränderung, die, wie ich im nachfolgenden ausführen 
will, dem Methämoglobingehalt der wenn auch frischen und 
sofort nach ihrer Bereitung untersuchten Oxyhämoglobinlösung 
zugeschrieben werden muß. 

Es betragen nämlich die spezifischen (auf eine Konzen- 
tration von 0,1°/, berechneten) Extinktionskoeffizienten 


Liehtabsorption neutraler Lösungen von Oxyhämoglobin. 263 


bei bei 
541,6 — 588,1 uu 565,8 — 555,9 un 
für Oxyhämoglobin (soda-alkalisch) . 0,841 0,523 
Methämoglobin!) (soda-alkalisch) 0,576 0,470 
Methämoglobin!) (neutral) . . 0,356 0,215 


Da die Extinktionskoeffizienten des Methämoglobins — ob 
in neutraler oder in soda-alkalischer Lösung befindlich — wesent- 
lich geringer sind als die des Oxyhämoglobins, müssen die 
Extinktionskoeffizienten einer Lösung von Oxyhämoglobin, die 
Methämoglobin enthält — wie längst bekannt — an beiden 
Spektralstellen heruntergedrückt werden.. Da ferner die Ex- 
tinktionskoeffizienten der neutralen Methämoglobinlösung an 
den genannten Spektralstellen noch um ein Bedeutendes ge- 
ringer sind als die einer soda-alkalischen Methämoglobinlösung. 
werden die Extinktionskoeffizienten einer durch Methämoglobin 
verunreinigten Lösung von Oxyhämoglobin nicht gleich stark 
herabgedrückt werden, ob die Lösung eine soda-alkalische oder 
eine rein wäßrige ist; vielmehr wird der Abfall in der neutralen 
Lösung bedeutender sein. 

Es läßt sich sehr leicht berechnen, daß es der Beimischung 
einer nur geringen Menge von Methämoglobin bedarf, die sich 
auf nicht mehr als einige Prozente des anwesenden Oxyhämo- 
globins belaufen muß, um die von mir gefundene schwächere 
Lichtabsorption der neutralen Lösung zu verursachen. (Aller- 
dings ergibt diese Berechnung auch, daß die Verringerung im 
Zwischenraume stärker als am zweiten Streifen sein müßte, was 
in meinen Versuchen nicht der Fall war.) 

Ein weiterer Beweis für die Anwesenheit geringer Mengen 
von Methämoglobin in den von mir seinerzeit und jetzt unter- 
suchten Lösungen des vermeintlich reinen Oxyhämoglobins er- 
gibt sich aus folgender Betrachtung. 

Durch eine neutrale Lösung von Methämoglobin wird, wie 
bekannt, und wie in\der bereits angekündigten späteren Ab- 
handlung noch ausführlich gezeigt werden soll, das Licht vom 
roten Spektralende angefangen bis etwa zur Wellenlänge 617 pu 
weit stärker absorbiert als durch eine soda-alkalische Lösung 
von Methämoglobin. Es verhalten sich daher die neutralen und 


1) Siehe eine demnächst mitzuteilende Arbeit in dieser Zeitschrift. 


264 P Нап: 


soda-alkalischen Lösungen von Methämoglobin in diesen Spektral- 
gebieten entgegengesetzt, als in dem oben behandelten Gebiet 
(dem des zweiten Streifens und des Zwischenraums). Ist dem aber 
so, so muß die Lichtabsorption derselben neutralen Lösungen 
vom Oxyhämoglobin, die im Gebiete der Streifen schwächer 
als der soda-alkalischen ausfiel, am roten Ende — eben infolge 
ihres Methämoglobingehaltes — stärker als die der soda-alka- 
lischen sein. 

Daß dies in der Tat der Fall ist, geht aus den Daten 
der nachfolgenden Tabelle V hervor. 









































Aus den Werten der soda-alkalischen Oxyhämoglobin- 
lösungen, die großenteils bereits in meiner zitierten ersten 
Arbeit mitgeteilt waren, konnte bei ihrer leidlichen Überein- 
stimmung ein Mittelwert gezogen werden; nicht so an den ver- 
schiedenen neutralen Lösungen, deren entsprechende Werte 
stark divergieren. Immerhin geht aus dem Vergleich der mit- 
geteilten Daten hervor, daß die Lichtabsorption neutraler 


1) Diese Zahlen bedeuten die Wellenlängen der Strahlen, die die 
Mitte des Spektralausschnittes eingenommen haben. 


Tabelle V. 
Spezifische Extinktionskoeffizienten >< 10* 

Soda-alkalische Lösungen neutrale Lösungen 
c=0,088 Y,le=1,47%/,\€ BER ojoje = 1,10% lc = DEN c= 2,95%,le =1,90°/, с = 8,83 7 с =0,03°%/, 
Кй | Baa 486 SA SE 25. KP SS | „Ж. Sa 
52м 52м 55 ш озм) 52м |Кш®| 85% EE ЗЕМ | 55 
ою кою | ою BE | 50 9.01 дос бою А 2:5 ао = 
ЕН | Bd | Sri ЕН | 5m Sm ая Er ЕН Ek 
EH i @ EI © E) == CT E? 8 кё 
а | EI | ZS ` а Si E 2 0 Ж ЖЕЕ а | & 
52,8 | 520| 545 | вва 212 LS | авгур 
3,9 1 — = _ 64,5 | 592| 323 | — | 191 er 
54,6 67,8 | 743 76,8 75,3 | 70,0] 366 482 216 | — 
71,9 — | — | 8,7 97,7 | 83,4 — — | 242 — 
92,7 | — — | 847 — 88,7 — тә аа 316 
119,0 112,0 | 115,0 | 108,0 | 117,0 |116,0] 401° 540 | 257 = 
(EE e ege E 150,0 1150,0] — = 284 SE 
191,0 151,0 | 166,0 | 155,0 — |166,0] 401 534 — — 
268,0 | — | = | 211,0 | 212,0 |2450] — — | 82 | = 

296,0 | 242,0 | 252,0 | 236,0 | — 256,0 442 588 | — 
— | — | = | — — | — — — — 510 
429,0 | 357,0 | 331,0 | 334,0 | 314,0 1353,0] 519 | 649 Ze Sab 


Lichtabsorption neutraler Lösungen уоп Oxyhämoglobin. 265 


Lösungen von vermeintlich reinem Oxyhämoglobin am roten 
Ende des Spektrums — eben infolge ihres Methämoglobin- 
gehalts — größer ist als die der soda-alkalischen Lösung. 
(Warum in meinen Versuchen die Lichtabsorption noch über 
die Stelle von 617 ци violettwärts stärker war als die der 
soda-alkalischen, kann ich mir vorläufig nicht erklären.) 

Die Ergebnisse obiger Versuche kann ich wie folgt zu- 
sammenfassen: 

1. Die Lichtabsorption neutraler Lösungen von 
Blut oder von Oxyhämoglobin unterscheidet sich nur 
sehr wenig von der der soda-alkalischen Lösungen. 

2. Der Unterschied ist der Beimischung geringer 
Mengen von Methämoglobin zuzuschreiben. 


Ist das Absorptionsverhältnis (Vierordt) ein von der Art 
des verwendeten Apparats (Spektrophotometer) unab- 
hängiger, charakteristischer Wert? 


Von 
Paul Hári. 
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.) 


(Eingegangen am 9. April 1919.) 


In einer vorangehenden Arbeit!) über die Lichtabsorption 
des Oxyhämoglobins habe ich bezüglich der an einer und der- 
selben Farbstoffllösung mittels verschiedener Apparate zu er- 
wartenden Werte folgendes ausgeführt?): 

„Es ist von verschiedenen Autoren mehr oder minder stark 
betont worden, daß die für das Absorptionsverhältnis erhaltenen 
Werte auch von der Art des verwendeten Spektrophotometers 
abhängen. So behauptet Gallerani?) direkt, daß das Ab- 
sorptionsverhältnis für jeden Apparat eigens bestimmt werden 
muß; sogar Butterfield sagt‘), daß... ,A nicht notwendig 
den gleichen Wert bei jedem Apparat zu haben braucht‘. Würde 
sich das bewahrheiten, so würde die Spektrophotometrie prinzipiell 
und auch methodisch recht wenig Vertrauen verdienen.“ 

1) Beiträge zur Lichtabsorption des Oxyhämoglobins. Diese Zeitschr. 
82, 229, 1917. 

”) S. 261. 

з) G. Gallerani, Sur la nature et les variantes du rapport d'ab- 
orption spectrophotometrique de l’oxyh&moglobine ete. Arch. ital. de 
biologie 37, 20, 1902. 

4) Е. E. Butterfield, Über die Lichtextinktion, das Gasbindungs- 
vermögen und den Eisengehalt des menschlichen Blutfarbstofis in nor- 
malen und krankhaften Zuständen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 62, 192. 


. P. Нагі: Isi das Absorptionsverhältn. ein vom Apparat unabh. Wert? 207 


Daß diese Befürchtung unbegründet ist, soll im nach- 
stehenden gezeigt werden. 


Noch während der Kriegsdauer bin ich in den Besitz 
eines nach Martens und Grünbaum!) verbesserten König 
schen Spektrophotometers gelangt und habe an mehreren blut- 
und Hämoglobinlösungen vergleichende Untersuchungen mittels 
des alten (in der ersten Mitteilung benutzten) und des neuen 
Königschen Apparates (große Beleuchtungsvorrichtung) aus- 
geführt. А 

Diesem Versuchen ging selbstverständlich eine genaue 
Justierung und eine möglichst genaue Eichung des neuen 
Apparates voran; letztere wurde, da der Apparat auch zu 
Untersuchungen in verschiedenen Spektralreihen benutzt werden 
sollte, an möglichst vielen Stellen mittels Funken- resp. Flammen- 
spektren vorgenommen. 


Tabelle 1. 


Skala Skala 


` Orien- | Orien- Orien- 
yui | tierungs- uu | tierungs- un | tierungs- 
| | Skala 


РЬ 438,7 2735 | Cd 5086 | 3811 | Pb 560,8 49295 
Са 4413 | 2793 | Cu 510,6 | 3831 | Sn 579,9. 4432 
He 472 | 2904 | Cu 5153 | 3888 | He 587,6 ` 4482 
Mg 448,1 2923 | Mg 517,5 | 3908 | Na 589,3 | 4493 
Sr 460,8 3150 | Ag 520,9 | 3941 | TI 5949 4530 
Са 467,8 3267 | Cu 521,8 | 3950 | Sr 6055 4593 
He 471,3 3320 | Cd 533,8 | 4067 | Zn 6103 4620 
Zu 4722 | 3335 | TI 535,1 | 4079 | Sb 613,0 | 4635 
Cd 480,0 | 3450 | TI 5373 | 4098 | Zn 636,4 | 4755 
Zn, 481,1 3464 | Са 5379 um | Са 643,8 | 4791 

| 





486,6 3534 | Hg 546,1 | 4176 | Sn 6453 4797 
Не 492,1 | 3613 | Ag 5466 | 4179 | Н 6563, 4846 
Zn 4925 | 3617 | Sb 556,9 | 4263 | He 667,8 | 4894 
Не 5016 | 3728 | Sn 5576 | 4269 | 


Die Wellenlängen wurden auf die Ordinaten, — die Werte 
der Örientierungsskala auf die Abszissenachse aufgetragen und 
die resultierenden meist dicht benachbarten Punkte zu einer 
Kurve vereinigt. 


1) F. F. Martens, Über eine Neukonstruktion des Königschen 
Spektrophotometers. Verhdl. d. Deutsch. physikal. Ges. 1, 1899. — 
F. F. Martens und F. Grünbaum, Über eine Neukonstruktion des 
Königschen Spektrophotometers. Annal. d. Physik, 4. Folge, 12, 1905. 


268 ‚ P. Häri: 


Zum Überfluß habe ich noch einige von Martens und 
Grünbaum angegebene Probebestimmungen an Lösungen von 
doppelt-chromsaurem Kalium bekannter Konzentration bei Thal- 
liumfunken als Lichtquelle (4 = 535,1 ии) vorgenommen. 

Da es mir mangels einer entsprechenden Einrichtung nicht 
glückte, das Licht für die Dauer eines Versuches in ganz gleich- 
mäßiger Intensität zu erhalten, mußte ich die teilweile sehr 
bedeutenden Unterschiede zwischen den Einzelbestimmungen 
wohl oder übel hinnehmen. Die sehr annehmbare Übereinstim- 
mung der Mittelwerte, die nur um —1, resp. + 2°/, vom 
Martens und Grünbaumschen abweichen, liefern jedoch eine 
Gewähr für die Exaktheit der Justierung und Kalibrierung. 


Tabelle П. 





E E Extinktions-K.oeffizient 


Nr. | der Lösung 





nach Martens | 











üf und Grünbaum | von mir gefunden 

1. 0,01396 0,199 | og 

2. 0.01396 0.129 0.136 | Mittelwert 0,128 
3. 0.01396 0,199 0.127 

4. 0,01698 0,157 | 0165 

5, 0.01698 0,157 0,159 | ү. 

6. 0.01698 0,157 | 0155 | Mittelwert 0,160 
d 0.01698 0157 | 018 


Den Okularspalt habe ich so eingestellt, daß seine Breite 
möglichst genau der in der ersten Mitteilung am alten Apparat 
verwendeten Okularspaltbreite entspreche. Angesichts des Um- 
standes, daß, wie an dem alten, so auch am neuen, von Schmidt 
und Haensch gelieferten Apparat, an dem Okularspalt Keine 
Meßtrommel angebracht ist, bereitete dies gewisse Schwierig- 
keiten und hatte die allerdings sehr geringe Abweichung zur 
Folge, daß die Spaltbreite 

am alten Apparat 541,6 bis 533,1 resp. 565,8 bis 555,9 ии 

» neuen » 541,4 » 533,7 » 565,6 » 556,1 » 
betragen hatte. ў 

Der Eintrittspalt wurde genau wie am alten Apparat auf 
0,1 mm eingestellt. 

Als Lichtquelle wurde Gasglühlicht verwendet. 

Beschreibung der Versuche. In einer ersten Reihe 





Ist das Absorptionsverh. ein vom Apparat unabh. Wert? 269 


von Versuchen wurde der Extinktionskoeffizient an soda-alka- 
lischen Blut- resp. Hämoglobinlösungen an den beiden genannten 
Stellen, an denen ich auch mit dem alten Apparat gearbeitet 
hatte, bestimmt. In nachfolgender Tabelle III sind die betrefien- 
den Daten zusammengestellt. 


Tabelle II. 





Nr. 


- be 


6020100. Së Së ER "Wée 





Extinktionskoeffizienten 





+ = . |inZwischenräumen 
in Grün bei | zwischen beiden N 


























б ` Streifen bei 
Untersuchte Lösung 541,4-533,7 ци аи «Ж > 
(4) (B) 
sofort!) später?) sofort später | sofort | später 

Pferdeblutkörperchen Nr 46 0,498 | — | 0,3141] — |1584 
EEE Nr. 47 0,685 — 0,487 — |1,569 

Nr. 48 — | 0,341 — [1609| — 
Hundehämoglobin Nr. 49; 

Lösung. us a. ae а — | 0,292 — 1,590 | — 
Pferdehämoglobin Nr. 50; | 

Lösung? ..... е — 0,248 — 1,596 — 
Hundehämoglobin Nr. 51; | 

Lösung 1 .. А — | 0,324 — | 1,607 | — 
Pferdeblut Nr. 52; 

Lösung 2a 0,640 — 0,403 1,588 
Pferdeblut Nr. 53; "Lösung 3 0,251 | — | 0,160 — 11,572 
Pferdeblut Nr. 54. 0,447 — | 0,289 — 115% 
Hundeblut Nr. 55; Lösung 2 0,869 — | 0,550 — 1,574 
Hundehämoglobin Nr. 55; 

Lösung‘ la, a. э e — 0,424 — 1,599 — 
Dasselbe; Lösung 2а . . . — 0,250 — 1,588 _ 
Pferdehämoglobin Nr. 58; 

Lösung: ew e е era — | 0,232 — | 1,595 | — 
Dasselbe; Lösung 2b . . . — 0,240 — 1,612 — 
Dasselbe; Lösung ЗЬ . .. — 0,238 — 1,561 — 

Mittelwerte: | 1,595 | 1,572 





In meiner ersten Mitteilung habe ich an einer größeren 
Reihe von Versuchen den Erweis erbracht, daß der Quotient 
der Absorptionsverhältnisse (A im Zwischenraum : A am zweiten 
Streifen) resp. der diesem Quotienten gleiche Ausdruck Extink- 
tionskoeffizient am zweiten Streifen : Extinktionskoeffizient im 
Zwischenraum den konstanten Wert von etwas über 1,60 be- 








1) „Sofort“ soll heißen: sofort nach Bereitung der Lösung untersucht. 
з) „Später“ soll heißen: mehrere bis 24 Stunden nach Bereitung 
der Lösung untersucht. 


270 P. Häri: 


sitzt, sofern wirklich an frischen, sofort nach ihrer Bereitung 
untersuchten Lösungen gearbeitet wird; hingegen erhält man 
die von Hüfner gefundene etwas niedrigere Zahl von etwa 1,58, 
wenn man die soda-alkalische Lösung nicht „sofort“, sondern 
„später“ innerhalb der ersten 24 Stunden nach ihrer Bereitung 
untersucht. 

Dasselbe war in den hier untersuchten, in Tabelle III zu- 
sammengestellten Versuchen der Fall: an den sofort unter- 
suchten Lösungen betrug der Wert des Quotienten (Extinktions- 
koeffizient in Grün : Extinktionskoeffizient im Zwischenraum) 

1,595, an den später untersuchten 1,572, also annähernd genau 
dasselbe, was am alten Apparate erhalten wurde. 

In einer anderen Reihe von Versuchen wurde festzustellen 
gesucht, ob die Extinktionskoeffizienten an einer und derselben 
Farbstofflösung einmal mit dem neuen, einmal mit dem alten 
Apparat bestimmt, den gleichen oder aber einen verschiedenen 
Wert aufweisen. Die vergleichenden Ablesungen wurden teils 
an soda-alkalischen Blutlösungen, teils an Lösungen von Oxy- 
hämoglobin resp. einmal am Methämoglobin angestellt; wobei 
es hier natürlich nicht darauf ankam, ob die Lösung frisch war 
oder bereits einige Tage gestanden hatte. 

Die Ergebnisse dieser Ablesungen sind in Tabelle IV zu- 
sammengestellt. 


Tabelle IV. 


Extinktionskoeffizienten 





¡im Zwischenraum zwischen 
Nr. Untersuchte Lösung am 2. Streifen (in Grün) | beiden Streifen 
i 





Per alter Apparat'neuer Apparat 
bei 5418—5584 | bei 541,1—533,7 hei 805.8--535.9 | bei 5656—5561 





1: Pferdeblutkörperchen- | | 

lösung Nr. 46... 0,482 0,498 | 0,804 0,314 
2. | Pferdehämoglobin Nr. 47 0,703 0,685 | 0,460 | 0,437 
3. | Pferdemethämoglobin | 

Nr. 50; Lösung 5 4 0,555 0,561 0,460 | 0,454 
4. | Hundehämoglobin Nr. 51 i | 

Lösung 1; ш... e 0,581 0,521 | 0,326 0,324 
5. | Pferdeblutlösung Nr. 54 0,450 0,447 | 0,296 0,289 


Die Ablesungen mit dem neuen Apparat fielen größer (-|-) 
resp. kleiner (—) aus: 


Ist das Absorptionsverh. ein vom Apparat unåbh. Wert? 271 


in Versuch in Grün im Zwischenraum 
1 +3,39, +3,29, 
2 — 2,6 » — 5,0 » 
3 4-1,0 ә — 1,8 » 
4 —21n - 0,6 ~ 
5 — 0.7 » + 2,4 » 
Mittelwerte: —1,0°/, — 1,39, 


Diese beinahe vollständige Übereinstimmung zwischen den 
beiden abweichend konstruierten Apparaten läßt folgern, daß die 
für das Absorptionsverhältnis erhaltenen Zahlen als für 
den betreffenden Spektralausschnitt eindeutig charak- 
teristische, absolute Werte anzusehen sind, die von 
der Art des benutzten Apparats unabhängig sind, so- 
fern nur diese Apparate richtig konstruiert und genau justiert 
resp. kalibriert sind und bei derselben Okular- und Eintritts- 
breite abgelesen wird. 


Untersuchungen über die Wärmetönung von Enzym- 
reaktionen. 


V. Mitteilung. 
Über die Wärmetönung der Organautolyse. 


D 
Von 


Klara Kornfeld und Heinrich Lax. 
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.) 


(Eingegangen am 9. April 1919.) 


In einer Reihe vorangehender Mitteilungen!) wurde er- 
mittelt, daß die Trypsinverdauung des Eiweißes ohne nach- 
weisbare Wärmetönung, hingegen die Salzsäurepepsinverdauung 
des Eiweißes exothermal verläuft. Es war daher von Interesse, 
zu erfahren, wie sich diesbezüglich die Autolyse, die nament- 
lich an der Leber den Gegenstand vielfacher Untersuchungen 
abgab, verhält. 

In diesen Versuchen haben wir dieselbe Methodik ver- 
wendet, die in den erwähnten Mitteilungen ausführlich be- 
schrieben wurde; sie sei weiter unten kurz geschildert. Das 
Prinzip dieser Methodik besteht darin, daß der Energiegehalt 
des fraglichen Gemisches (hier des Leberbreies) in einer Portion 
ohne vorangehende Autolyse bestimmt und mit dem Energie- 


1) Franz Tangl, Untersuchungerfüber die Wärmetönung von Enzym- 
reaktionen. Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 1. — Roland v. Lengyel, 
Einige Versuche über Wärmetönung der Pepsinverdauung des Eiweißes. 
Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 7. — Paul Häri, Über die Wärme- 
tönung der Trypsinverdauung des Eiweißes. Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 11. 
— Derselbe, Über die Wärmetönung der Pepsinverdauung des Ei- 
weißes. Arch. f.d. ges. Physiol. 121, 459, 1908. 


K. Kornfeld und H. Lax: Wärmetönung der Organautolyse. 273 


gehalt einer zweiten Portion verglichen wird, die vorher der 
Autolyse überlassen war. 

Wenn es sich dann erweist, daß der Energiegehalt in dem 
ohne — und nach erfolgter Autolyse untersuchten Brei gleich 
groß ist, dann ist die Wärmetönung der Autolyse gleich Null; 
ist der Energiegehalt des autolysierten Breies kleiner, resp. 
größer als der des nicht autolysierten, so ist eben der auto- 
lytische Zerfall ein exo- resp. endothermaler Vorgang. 

Durch vergleichende Bestimmung des N- resp. auch des 
Trockensubstanzgehaltes war auch Aufschluß einerseits über 
einen etwaigen N-Verlust, andererseits über den Umfang der 
die Autolyse eventuell begleitenden Hydrolyse zu erwarten. 


Versuchsmethodik. 


„Ganz frisch dem Tiere entnommene Leber wurde zunächst 
von den zuführenden Gefäßen aus mit 1'/, bis 21 destillierten 
Wassers blutleer gespült, sodann in der Fleischmühle zerkleinert. 
durch ein engmaschiges Sieb gedrückt; der "einkörnige Brei 
wurde zu den weiteren Versuchen verwendet. Ein Teil dieses 
Breies wurde sofort eingedampft und im lufttrockenen Rück- 
stand die entsprechenden Bestimmungen vorgenommen. Ein 
anderer Teil des Breies wurde nach Salkowskis') Vorschrift 
mit dem 10fachen Volumen Chloroformwassers versetzt, in größere, 
mit eingeschliffenen Glasstöpseln versehene Erlenmeyersche Kol- 
ben gefüllt und im Thermostaten der Autolyse bei 37 bis 40° 
überlassen. Bei der nachgewiesenen Verzögerung der Autolyse 
durch mitanwesendes Chloroform wäre es erwünscht gewesen. 
bloß aseptisch, ohne jedweden Zusatz eines Antisepticums vor- 
zugehen; doch zwangen uns die dabei sich ergebenden tech- 
nischen Schwierigkeiten hiervon abzuschen. 

Über den Fortgang der Autolyse haben wir uns in einigen 
eigens zu diesem Zwecke aufgestellten Kontrollversuchen über- 
zeugt, und zwar so, daß wir einzelne Portionen des mit Chloro- 
formwasser beschickten Breies warmstellten (in einem Thermo- 
staten), einige andere Portionen kaltstellten (im Eisschrank) 
und nach einiger Zeit je eine warm- resp. kaltgehaltene Portion 
vergleichsweise auf koaguliertes Eiweiß untersuchten. Die Ab- 


1) Salkowski, Bemerkungen über Autolyse und Konservierung. 


Zeitschr. f. physiol. Chem. 63, 136, 1909. 
Biochemische Zeitschrift Band 95, 14 


274 K. Kornfeld und H. Lax: 


= 


nahme desselben konnte als Maß der fortschreitenden auto- 
lytischen Zersetzung gelten. So betrug 2. В. in einer Versuchs- 
reihe nach 18tägiger Versuchsdauer $ 


| | der коер йыш nicht koagulable N 
°% 
їп EES раат Lebeibrei 0, 52 0, uo 
іп dem warmgehaltenen » 0, 14 0, 41 


Auch haben wir uns von Zeit zu Zeit durch Impfen auf Араг 
davon überzeugt, daß ein Zersetzen durch Bakterien in der 
Autolysenflüssigkeit nicht stattfand. 

Sowohl in dem frischen Leberbrei als auch in dem — 
ohne vorangehende Autolyse oder nach erfolgter Autolyse am 
Wasserbad eingedampften Leberbrei — wurde der Gehalt an 
Trockensubstanz, an Stickstoff und an chemischer Energie be- 
stimmt. 

Die Trockensubstanzbestimmung erfolgte in kleinen Wäge- 
gläschen mit eingeschliffenen Glasstöpseln; die N-Bestimmung 
nach Kjeldahl mit metallischem Hg als Katalysator; die Be- 
stimmung der chemischen Energie in einer modifizierten Berthe- 
lot-Mahlerschen Bombe. Zu jeder Bestimmung dienten 2 bis 
3 Parallelanalysen, im Falle schlechter Übereinstimmung deren 
auch mehr. Die Bestimmungen am eingedampften Leberbrei 
wurden folgendermaßen vorgenommen: der zu untersuchende 
Brei wurde in große, vorher auf 0,01 g genau gewogene Porzellan- 
schalen gegossen und am Wasserbad eingedampft, wieder genau 
abgewogen, jedoch erst nachdem die Schale offen — bloß vor 
Staub geschützt — 24 Stunden lang im Zimmer gestanden hatte. 
Auf diese Weise erhielten wir eine lufttrockene Substanz von 
bekanntem Gewicht, von der nicht zu befürchten war, daß sie 
während der nachfolgenden Manipulationen (wie Auskratzen aus 
der Schale, Zerreiben zu einem feinen und gleichmäßigen Pulver, 
Abwägen in kleine Portionen zu den Analysen) Wasser anziehe 
oder verlöre. 

Soferne von der oben beschriebenen Methodik Abweichungen 
stattfanden, soll dies an den betrefienden Stellen vermerkt werden. 

















Beschreibung der Versuche. 


Versuchsreihe I. Die frischen, zwei eben getöteten Hunden 
entnommenen Lebern wurden nach der beschriebenen Methodik behaneldt, 


‚ Wärmetönung der Organautolyse. 275 


jedoch mit dem Unterschied, daß hier die Bestimmungen am frischen 
Leberbrei wegfielen und nur an dem ohne und nach erfolgter Autolyse 
eingedampften Leberbrei vorgenommen wurden. In Versuch 1 und 2 
betrug die Autolysendauer 2 Wochen, in Versuch 3 und 4 4 Wochen. 

Die Analysenbelege und Ergebnisse dieser Versuchsreihe sind aus 
nachfolgenden Tabellen zu ersehen: 











































Tabelle L 
Analyse des zu den Autolyseversuchen verwendeten Leberbreies _ 
feucht | nach dem Eindampfen 
RAR ké N-Gehalt | Energiegehalt 
Trockengehalt der Trockensubstanz | pro 1 g Trockensubstanz 
E ee EE ee с. 
we | 14,43 | 6594 
Tabelle II. 
Zur Autolyse aufgestellter Leberbrei 
| г der Autol Aë See 
sl. ее ane Tab T) nach erfolgter Autolyse (bestimmt) 
= y 
Е EIN | Lal ZE n [|!Ш as |N in der | Energiegehalt 
5|е|8& 925258 883 25 | Trocken- | der Trocken- 
= еј БЕ [2% 532 862 52 substanz 
5 |,2| 7&|Н® ина Suz E EE 
= [> EK pro 1g |1. ganzen 
kg-Cal g-Cal | kg-Cal 









7| ? ? | 6611 | 34,21 
8 [10230,52 | 6408 | 33,20 
8 |15,3710,60 | 6671 | 25,90 
0, ? ? | 6676 | 38,07 


g 
38,58 | 6,02 | 85,96 [5,1 
| 36,03 | 5,95 | 87,07 15,1 
| 3 38,93 14,13 0,59 3,8 
2,7 


27,26 | 4,62 | 84,03 
4 156,86 |6.04| 0.87 


39,82 | 6,85 | 83,24 |5, 





Tabelle III. 








Unterschied zwischen dem ohne Autolyse und nach ı erfolgter Autolyse 
_eingedampften Leberbrei (berechnet aus Tabelle П) 











2,13 Im Тгоокеп- А 
S E Е u| substanzgehalt Im N-Gehalt Im Energiegehalt 
GEI Б Е- —— H- las = 
je) e 1%): I 6% [em] a 
1 | — 0,68 | — 11,6 ? ? — 4,37 | — 11-18 
I 2 | — 0,28 | — 52 | — 0,27 | — 34,2 — 2,83 — 7,8 
s | —025 | — 61 | +001 | +°17 | —1386 | — 49 
4 | —0.34 i — 56 ? ? =i | = 44 


Das wesentlichste Ergebnis dieser Versuche ist ein relativ bedeuten- 
der, 4,4 bis 11,39%, betragender Energieverlust des autolysierten Leber- 
breies in allen 4 Versuchen, welcher Verlust weit größer ist, als es den 
zulässigen und unvermeidlichen Versuchsfehlern entspricht. Aus diesem 

19* 


Е 


276 K. Kornfeld und H. Lax: 


Verlust auf eine positive Wärmetönung des Autolysenvorganges zu schließen, 
haben wir jedoch um so weniger das Recht, da ja demselben ein beinahe 
gleicher, 5,6 bis 11,6 °/, betragender Verlust an 'Trockensubstanz — offen- 
bar an flüchtigen Bestandteilen — gegenübersteht. Durch diesen Sub- 
stanzverlust ist der Verlust an chemischer Energie genügend begründet, 
wenn man annimmt — was hier zunächst gestattet sein soll —, daß die 
in 1 g enthaltene Energiemenge der verlorenen (verflüchtigten) Bestand- 
teile dem der übrigen Trockensubstanz gleich sei. Welcher Natur die 
durch Verfüchtigung verlorenen Bestandteile resp. Zersetzungsprodukte 
sind, geht bereits aus den Untersuchungen von Magnus-Levy?) hervor, 
der gefunden hat, daß sich während der Autolyse nebst nichtflüchtigen 
Stoffen auch flüchtige Säuren,:wie Kohlensäure, Essig-, Milch-, Bernstein- 
säure usw. bilden. Es ist also als sehr plausibel anzunehmen, daß die 
genannten, chemische Energie enthaltenden Zersetzungsprodukte sich 
teilweise bereits während der Autolyse, besonders leicht und ausgiebig 
jedoch während der der Energiebestimmung vorausgehenden Eindampfung 
ich verflüchtigen und so den besprochenen Ausfall an Energiegehalt 
bewirken. — Über den N-Verlust des Leberbreies resp. über den N-Gehalt 
der verflüchtigten Substanzen sollten uns eigentlich die ebenfalls in 
Tabelle ПІ zusammengestellten Daten Aufschluß geben. Leider sind 
aber dieselben durch eine Häufung von Fehlanalysen und Unstimmig- 
keiten zu diesem Aufschluß nicht geeignet. 


Versuchsreihe II und III. Das Entweichen flüchtiger Bestand- 
teile resp. dadurch bedingter Verlust an Trockensubstanz in Versuchs- 
reihe I, der eine etwaige davon unabhängige Veränderung im Energie- 
gehalt des eingedampften Leberbreies verdecken konnte, war durch die 
ange Dauer (24 Stunden) des Eindampfungsprozesses sehr gefördert 
Aus diesem Grunde haben wir in den nun zu besprechenden Versuchs- 
reihen II und III das Eindampfen durch Steigerung der Eindampfungs- 
temperatur auf 90 bis 95° (in Versuchsreihe I betrug sie 80 bis 90°) 
wesentlich, auf etwa 12 Stunden, abgekürzt. 


Ein weiterer Mangå der Versuchsreihe I bestand darin, daß aus 
den dort beschriebenen Versuchen nicht zu ersehen war, ob die Ver- 
dampfung allein, also unabhängig von dem Autolysenvorgang, zu einer 
Veränderung im Trockensubstanz- und N-Gehalt führte. Auch diesem 
Mangel wurde in den Versuchsreihen II und III abzuhelfen gesucht, und 
zwar dadurch, daß einerseits die N-Bestimmungen auch am frischen 
Leberbrei ausgeführt wurden, wo also jedweder Verlust ausgeschlossen 
war, andererseits der Trockensubstanzgehalt des frischen Leberbreies an 
ganz geringen Mengen desselben bestimmt wurde, die sehr rasch ein- 
trockneten, wodurch ein etwaiger Verlust auf ein Minimum reduziert 
wurde. 


1) Magnus-Levy, Über die Säurebildung bei der Autolyse der 
Leber. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 2, 261, 1903. 


Wärmetönung der ÖOrganautolyse. 


277 


Die Ergebnisse dieser beiden Versuchsreihen sind aus nach- 


folgenden Tabellen IV 


bis VI zu ersehen. 
Tabelle IV. 





feucht (A) 











nach dem Eindampfen (B) 
































2 e EEE жаН ест 
Ё Trocken- : Trocken- N in der Energiegehalt 
= gehalt Nitrogen gehalt Trocken- {pro 1g Trocken- 
3 substanz substanz 
. u 
Ф “к^ а р Е Ў = 
ER KS g = е а | | е u i g | 2-Са. 
ul 5 [265,104 8165, 77| 2,79 7,39 ||70,26[92,55|65,03|10,97| 7,14 | 5748 
6 | 266,11 |24.81,66.0212,73 7,42 170,75[91,93165,04[10,78 7,01 | 5748 
II 9] 40,28 |25,992110,16] 2,25 0,91 10,7395 ,11)10, 20] 9,12 0,93 | 54601 Mittelwert 
10 | 34,29]25,22! 8,65] 2,25 | 0,77 || 9,23]95,48| 8,81 8,93) 0,79 | 54357 5447 
Tabelle У. 
Zur Analyse aufgestellter Leberbrei Е 
vor г der Autalyse [C] nach erfolgter Autolyse eingedampft [р] 
£ | n | (berechnet aus Tabelle IV) (bestimmt) 
= ls Л man 
Ф ' 
| e дак jäsa], uul] lufttrocken | & 8 | Еп halt 4. 
а 5125 533 28758 - | E 5 | 2) in der | | Trockensubstanz 
s|2|1 82, 2% a8 52€? \Trok-;ı 5% | #rocken- ____ = 
2 Ё о 2 52 "3218385 ken- 22 substanz pro im 
с |y |н» дат Sr Е 8 a 
> |> ч gehalt == a ganzen 
g g | g | kg-! al g WÉI D un | g wi | kg-Cal 
ml 7421,66 30,18 | 3,39 173,50 || 33,88 | 85,89 129,10 11,82 3,29 | 5958 | 173,38 
- | 8] 99,98 | 24,80 | 2,78 142,55 || 25,68 : 89,13 EE 87 11,79 1 2,69 , 5943 | 136,03 
ПЦ 11 | 38,29. 9,66. 0,86 52,62 |] 10,39, 93,53 | 9,720) 8,39 | 0,82 | | 5326 | 51,70 
12| 5067 1278 1.14 69,61 || 13,66 | 92,85 112.68 850 | 1.08 ' 5340 | 67.73 
Tabelle VI. 
Unterschied zwischen Е 
І 2 Jf | ohn ‚se 
frischem und ohne Amo frischem und nach erfolgter GE 
Ge eingedampftem Lebe si Autolyse eingedampftem lyse eingedampf- 
E 5 rei; im letzteren me Ar , Leberbrei; im letzteren mehr = = erg 
8 | oder we a ( 2 (+) ode r ZE (—) h| mehr (+) oder 
— 5 ( — с weniger (— 
Ki 5 N S жар) © en ` 
= |Р |— il Fe SC Z FT 9% 
S ‚2 | im Trocken- im 2 im | im $| im Energie- 
> gehalt N-Gehalt Trockengehalt N-Gehalt gehalt 
18 1% D GC 0-96 g | % kg-Cal | o 
п] 5]-0,9- 1,1j— 0,25! 3,4l] 7[- 1,08 3,6 101012,9} 7| — 0,12 1-01 
6|— 0.98 — 1,5 — o41|— 590 80,98 |—3,7 |— 0,09 — E — 6,52 |— 46 
ПЦ 9 0,04 35 0,4! 0,0% 2+ 2.111114 0,06(2))+ 0,5(2)'— 0,04/— 4,51] 11 0,92 |— 1,7 
10 0. 16.4 1,8-0, 02. 2,5112 |— 0,10 -0,8 — 0,06! — 5,312 1,88 |— 2,7 


278 K. Kornfeld und H. Lax: 


Ehe wir darangehen, aus den Ergebnissen der Tabelle VI 
Schlüsse auf die Reaktionswärme des Autolysenvorganges zu 
ziehen, sollen zunächst die Veränderungen besprochen werden, 
die im Leberbrei durch das Eindampfen allein (ohne vor- 
angehende Autolyse) verursacht wurden (Versuche 5, 6, 9 und 
10 in Tabelle VI). 

Der Trockensubstanzgehalt zeigt in beiden Versuchen (5 
und 6) der Versuchsreihe II eine deutliche Abnahme, die jeden- 
falls größer ist als dem zulässigen Versuchsfehler entspricht; 
dies spricht dafür, daß der Verlust an flüchtigen Bestandteilen 
größer ist als der etwaige aus der Hydrolyse entstehende Zu- 
wachs. Der gleichzeitige nicht unbedeutende N-Verlust zeugi 
dafür, daß sich auch unter den verflüchtigten Produkten N- 
haltige in relativ bedeutender Menge befunden hatten. 

Anders gestalteten sich diese Verhältnisse in Versuchs- 
reihe III, in deren beiden Versuchen (9 und 10) eine geringe 
Zunahme der Trockensubstanz statthatte, aus der geschlossen 
werden könnte, daß hier der Verlust an verflüchtigten Sub- 
stanzen durch die Hydrolyse maskiert bzw. überkompensiert 
wurde. (Eine der Hydrolyse entsprechende intramolekulare 
Wasseraufnahme könnte ja mit der während des Eindampfens 
des Leberbreies erfolgenden Koagulation der Eiweißkörper ein- 
hergehen.) Diese Annahme verliert jedoch jede Berechtigung, 
wenn man die im N-Gehalt eingetretene Veränderung in Be- 
tracht zieht. Dieser zeigt nämlich ebenfalls eine geringe Zu- 
nahme, woraus nun gefolgert werden kann, daß hier ein ge- 
meinsamer Analysenfehler (beim Abwägen des feuchten oder 
eingedampften Leberbreies) vorliegt, der einerseits die noch 
immerhin mögliche Zunahme der Trockensubstanz, andrerseits 
jedoch die ganz unmögliche Zunahme des N-Gehaltes ergab. 

Bei diesem Stand der Dinge können wir uns bezüglich 
dieser Frage bloß an die mehr einwandfreien Versuche 5 und 
6 der Versuchsreihe II halten, aus denen hervorgeht, daß das 
Eindampfen des Leberbreies allein schon ein Ent- 
weichen N-haltiger Substanzen und einen dadurch be- 
dingten Verlust an Trockensubstanz verursacht. 

In dem nach erfolgter Autolyse eingedampften Leberbrei 
weist die Trockensubstanz der beiden Versuche (7 und 8) der 
Versuchsreihe II eine ziemlich einheitliche Abnahme auf, die 


Wärmetönung der Organautolyse. 279 


den durch einfaches Eindampfen (ohne vorangehende Auto- 
lyse) bedingten Verlust übertrifft. 

Es geht hieraus die oben gestreifte, bereits bekannte Tat- 
sache hervor, daß sich während der Autolyse flüchtige Sub- 
stanzen bilden, die während des nachfolgenden Eindampfens 
verloren gehen. Der Umstand, daß der N-Verlust hierbei 
nicht größer ist als beim einfachen Eindampfen, dürfte viel- 
leicht so gedeutet werden, daß die während der Autolyse ent- 
stehenden flüchtigen Verbindungen stickstofffrei sind. 

Der vorangehend für die Versuche 9 und 10 der Versuchs- 
reihe III vermutete Analysenfehler macht seine störende 
Wirkung auch in den Versuchen 11 und 12 geltend, denn die 
geringe Zunahme der Trockensubstanz im Versuch 11, sowie 
die im Vergleich mit Versuch 10 (ohne vorangehende Auto- 
lyse) geringere Abnahme der Trockensubstanz in Versuch 12 
sind folgerichtiger dem erwähnten Analysenfehler als einer 
intramolekularen Wasseraufnahme zuzuschreiben. Es ergibt sich 
demnach, daß während der Autolyse eine weitere Menge 
flüchtiger, diesmal wahrscheinlich N-freier Verbin- 
dungen entsteht, die während des Eindampfens des auto- 
lysierten Organbreies ebenfalls verloren gehen. 

Nun können wir darangehen, die Ergebnisse der Energie- 
bestimmungen zu besprechen. Es liegt in der Art dieser Bestim- 
mungen — sie wurden jedesmal bloß an dem eingetrockneten 
Brei vorgenommen —, daß ein Vergleich zwischen dem Energie- 
gehalt des frischen und autolysierten Breies nicht möglich war, 
bloß ein solcher zwischen den ohne vorangehende Autolyse 
und nach erfolgter Autolyse erhaltenen Eindampfungsrückstän- 
den. Dadurch kam es, daß ein Energieverlust, der etwa von 
dem einfachen — von der Autolyse unabhängigen — Eindampfen 
herrührt, nicht ermittelt werden konnte. 

Der Verlust, den der autolysierte Leberbrei während der 
Autolyse und der nachfolgenden Eindampfung erlitten hat, 
beträgt nach Abzug des auf das Eindampfen allein entfallen- 
den Anteils, also für die Autolyse allein, im Durchschnitt aus 
allen vier Versuchen der Versuchsreihen II und III gegen 
END 

Es ist dies ein ähnlicher Verlust, wie ihn, wenigstens in 
den besser gelungenen Versuchen 5 und 6 der Versuchsreihe II, 


280 К. Kornfeld und H Lax: Wärmetönung der Organautolyse. 


die Trockensubstanz und der N-Gehalt erlitten haben, nämlich 
3,6 bzw. 3,1°/,. | 


Die Schlüsse, die aus den oben beschriebenen drei Ver- 
suchsreihen gezogen werden können. lauten wie folgt: 

1. Während der Autolyse findet unter den ge- 
nannten Versuchsbedingungen eine geringe, jedoch 
sicher nachweisbare Verringerung des Energiegehalts 
des autolysierten Leberbreies statt. 

«2. Da eine ähnlich große Verringerung auch im 
Tröckensubstanzgehalt nachzuweisen ist, durch die 
der Energieverlust hinreichend erklärt werden kann, 
darf mit großer Wahrscheinlichkeit gefolgert werden, 
daß die Wärmetönung des Autolysenvorganges gleich 
Null ist. 

3. Eine mit der Autolyse einhergehende Hydro- 
lyse war unter den genannten Versuchsbedingungen 
nicht nachzuweisen. — 


Diese Arbeit wurde auf Anregung und unter Leitung des 
Prof. P. F ári ausgeführt. 


Biochemische Bildung von Aminoäthylalkohol aus Serin. 


Von 
F. F. Nord. 


(Aus der chemischen Abteilung des Kaiser Wilhelm-Instituts für 
experimentelle Therapie, Berlin-Dahlem.) 


(Eingegangen am 13. April 1912.) 


Den Aminoäthylalkohol, der zuerst durch die synthetischen 
Darstellungen von 8. Gabriel!) und L. Knorr’) bekannt ge- 
worden und jüngst durch S. Fränkel und M. Cornelius?) einer 
genauen Untersuchung unterzogen ist, hat man später auch in der 
Natur aufgefunden, und zwar als Bestandteil bestimmter Phos- 
phatide vom Charakter des Lecithins. С. Thudichum‘) hat als 
erster darauf hingewiesen, daß bei der Hydrolyse des Gehirn- 
phosphatides Kephalin das Oxyäthylamin auftritt. Seine große 
Verbreitung zeigte jedoch erst G. Trier’); er stellte die Substanz 

" aus pflanzlichen und tierischen Phosphatiden dar, in denen sie 
ganz oder teilweise das schon seit langem als Bestandteil des Leci- 
thins bekannte Cholin ersetzt. Durch die Befunde von W. Koch‘) 
und Н. Cousin‘), S. Fränkel und Е. Neubauer°) sowie 
S. Fränkel und L. Dimitz?) scheinen zwar die Angaben über das 
ausschließliche Auftreten des Aminoäthylalkohols als basisches 


1) S. Gabriel, Ber. 21, 566, 2664, 1883. 

2) L. Knorr, Ber. 30, 910, 1897. 

3) S. Fränkel und M. Cornelius, Ber. 51, 1654, 1918. 

4) G. Thudichum, „Die chemische Konstitution des Gehirns des 
Menschen und der Tiere“, Tübingen 1901. 

5) G. Trier, Zeitschr. f. physiol. Chem. 73, 385, 1911; 76, 497, 
1911/12. 

DW Koch, Zeitschr. f. physiol. Chem. 36, 134, 1902. 

7) Н. Cousin, Journ. Pharm. et Chim. 23, 225, 1906; 24, 101, 1906; 
25, 177, 1907, 

%) 8. Fränkel und E. Neubauer, diese Zeitschr. 21, 321, 1909. 

9%) 8. Fränkel und L. Dimitz, diese Zeitschr. 21, 343, 1909. 


282 F. F. Nord: 


Spaltungsprodukt der Phosphatide eingeschränkt, doch haben 
andere Autoren wie A. Baumann!) und H. Thierfelder”) 
das natürliche Vorkommen des Oxyäthylamins, das auch neuer- 
dings mit dem Trivialnamen Colamin bezeichnet wird, er- 
wiesen. 

Über die Bildungsweise des Cholins in der Natur haben 
E. Winterstein und G. Trier?) Hypothesen aufgestellt. Sie 
gingen von der Annahme aus, daß durch Kondensation von 
Formaldehyd zunächst Glykolaldehyd entstehe, der darauf durch 
Aminierung Aminoacetaldehyd liefere und von dem alsdann 
zwei Moleküle nach der Canizzarroschen Reaktion in Glyko- 
koll und Aminoäthylalkohol übergehen können. Die Autoren 
zogen auch die Möglichkeit in Betracht, daß bereits der Glykol- 
aldehyd die Canizzarrosche Reaktion erleide und dabei 
Äthylenglykol und Glykolsäure ergebe, während nachträgliche 
Aminierung ebenfalls zum Oxyäthylamin führt. Solange aller- 
dings die Canizzarrosche Reaktion bei Körpern von der 
Empfindlichkeit des Glykolaldehyds oder des Aminoacetaldehyds 
nicht tatsächlich verwirklicht ist, wird man jedoch auch andere 
Bildungsweisen des Aminoäthylalkohols ins Auge fassen dürfen. 
Denn die Reagenzien, welche die Canizzarrosche Reaktion ein- 
leiten. in erster Linie die Alkalien, bringen ganz andere Ver- 
änderungen an den beiden in Betracht kommenden labilen 
Aldehyden hervor. Der Glykolaldehyd wird durch starkes 
Alkali zerstört, durch verdünntes in Tetrose *), Pentose®) und 
Hexose®) umgewandelt; der Aminoacetaldehyd wird durch 
konzentrierte Lauge unter Ammoniakentwicklung zersetzt, durch 
verdünnte zu einem Polymeren des Aminoacetaldehyds konden- 
siert”). Dagegen hat sich gezeigt, daß der Aminoacetaldehyd 
mit besonderer Leichtigkeit aus dem Glykokoll®) entstehen kann, 


1) A. Baumann, diese Zeitschr. 54, 30, 1913. 

2?) H. Thierfelder, Zeitschr. f. physiol. Chem. 96, 296, 1915/16. 
3) E. Winterstein und G. Trier, „Die Alkaloide“, S. 311. 

+) E. Fischer und Landsteiner, Ber. 25, 2549, 1892. 

5) С. Neuberg, diese Zeitschr. 12, 337, 1908. 

6) Fenton und Jackson, Chem. News 80, 177, 1899. 

7) C. Neuberg und E. Kansky, diese Zeitschr. 20, 455, 1909. 

в) C. Neuberg, Ber. 41, 956, 1908. — E. Fischer, Ber. 41. 1019, 


Biochemische Bildung von Aminoäthylalkohol aus Serin. 283 


und die weitere Reduktion des Aminoacetaldehyds zum Amino- 
äthylalkohol ist ein Vorgang, dessen Verwirklichung nach den 
zahlreichen Erfahrungen in der Zuckergruppe durchaus im Be- 
reiche der Möglichkeit liegt. Aber auch die direkte Herleitung 
des Oxyäthylamins aus einem Eiweißspaltungsprodukte, dem 
Serin, scheint denkbar. Das Serin kommt in der Natur nicht 
nur in Molekülverbänden der Proteine vor, sondern ist als ein 
Stoffwechselprodukt auch in freiem Zustande, z. В. im Schweiß ?). 
beobachtet worden. 

Das Oxyäthylamin ist nun das zum Serin gehörige Amin. 
Auf rein chemischem wie auf biologischem Wege sind schon 
mehrfach Eiweißspaltungsprodukte in die entsprechenden und 
daher als proteinogene Amine bezeichneten Basen übergeführt 
worden. Während dieser Vorgang bei den aromatischen und 
heterozyklischen Aminosäuren sowie bei den Diaminosäuren 
verhältnismäßig leicht vonstatten geht, scheint seine Verwirk- 
lichung bei den einfachen aliphatischen Aminosäuren mit grö- 
Beren Schwierigkeiten verknüpft zu sein. Hier ist die Reaktion 
bisher nur bei einer einzigen Aminosäure geglückt, und zwar 
bei der «-Aminoisovaleriansäure;gsie geht nach den Feststel- 
lungen von Neuberg und Karczag?) in Isobutylamin über. 
Bei allen übrigen aliphatischen «-Aminosäuren ist die bioche- 
mische Decarboxylierung bisher noch nicht ausgeführt, doch 
kann es angesichts des oft beobachteten Auftretens der ent- 
sprechenden einfachen Amine unter den Produkten der Fäulnis 
keinem Zweifel unterliegen, daß sie auch hier möglich sein muß. 

Der Versuch mit Serin hatte unter Einhaltung bestimmter 
Bedingungen einen vollen Erfolg. Die Umwandlung der Amino- 
säuren bei der Fäulnis erfolgt im wesentlichen nach zwei Rich- 
tungen. Einmal entstehen durch Desaminierung Säuren, anderer- 
seits durch Decarboxylierung Amine. Den Abbau zu Säuren 
hat W. Brasch?) bei der gewöhnlichen Fäulnis des Serins fest- 
gestellt; er fand Ameisensäure und Propionsäure. Anders aber 
verläuft die Reaktion, wenn man unter anaeroben Bedingungen 
arbeitet: man gelangt dann zu dem entsprechenden basischen 
Spaltungsprodukt. Die Bedeutung des Luftabschlusses für die 

1) G. Embden und Tachau, diese Zeitschr. 28, 230, 1910. 


2) C. Neuberg und L. Karczag, diese Zeitschr. 18, 435, 1909, 
3) W. Brasch, diese Zeitschr. 22, 403, 1909. 


26+ Е. F. Nord: 


Entstehung der Fäulnisbasen hat früher A. Ellingert) erkannt 
und betont. Unter den Verhältnissen, die nachstehend im ein- 
zelnen angeführt sind, gelingt die Überführung des Serins in 
Oxyäthylamin. Die Isolierung geschah mittels der für diesen 
Zweck von L. Knorr (1. с.) empfohlenen Pikrolonsäure in der 
von H. Thierfelder und О. Schulze?) angegebenen Weise. 
Da jedoch das Pikrolonat des Oxyäthylamins und freie Pikro- 
lonsäure zufällig eine prozentisch wenig abweichende Zusammen- 
setzung”) aufweisen, so wurde die leicht ausführbare Umwandlung 
des Pikrolonats in die Chlorgold-Doppelverbindung vorgenommen. 


Experimenteller Teil. 


Zur Herstellung der Fäulnisflüssigkeit nach E. Salkowski 
wurden 5 р feingehacktes, schieres Rindfleisch mit 50 cem lau- 
warmem Leitungswasser und 1 ccm einer halbgesättigten Soda- 
lösung versetzt und 1 Tag im Brutschrank bei 37° stehen 
gelassen. 10 ccm dieser Faulflüssigkeit wurden nunmehr zu 
einer Lösung von 10 g Serin in 1000 cem Leitungswasser hin- 
zugefügt, welches an Nährsalzen 0,1 g Magnesiumsulfat, 0,5 g Am- 
monsulfat, 0,1 g Dikaliumphosphat sowie etwas Soda enthielt. 
und mit flüssigem Paraffinöl dick überschichtet. 
` Das Gemisch blieb sich 10 Tage im Brutschrank überlassen; 
es reagierte dann neutral. Behufs Gewinnung des basischen 
Reaktionsproduktes wurde die Paraffinschicht im Scheidetrichter 
abgetrennt, einmal mit wenig Wasser gewaschen und die ab- 
gelassene Flüssigkeit mit verdünnter Salzsäure schwach kongo- 
sauer gemacht, aufgekocht und nach dem Filtrieren bei 35° 
eingeengt. 

Der halbfeste Rückstand wurde mit 10 g frisch gelöschtem 
Ätzkalk zu einem dicken, trockenen Brei verrührt. Da deut- 
lich dabei Ammoniak frei wurde — die Desaminierung konnte 
nicht vollständig unterdrückt werden —, so wurde das Gemisch 
24 Stunden über Schwefelsäure in einem nicht evakuierten 
Exsiccator aufbewahrt. Zwecks Isolierung der Base wurde 
dann das Kalkpulver quantitativ in eine Soxhlethülse gebracht 


1) A. Ellinger, Ber. 31, 3183, 1898. 

2) H. Thierfelder und О. Schulze, Zeitschr. f. physiol. Chem. 
96. 296,71915/16. 

5) Oxäthylamin-Pikrolonat: С 44,28°%/,, Н 4,65%/,, N 21,54%. 


' Pikrolonsäure: С 45,45°/, Н 3,08%,, N 21,219/,. 


Biochemische Bildung von Aminoäthylalkohol aus Serin. 285 


und mit 280 cem Äther ausgezogen, wobei die extrahierte Base 
durch die unter Beigabe von etwas Alkohol gelösten 2 g Pi- 
krolonsäure sofort gebunden wurde. Die Extraktion war nach 
30 Stunden beendet. 

Der im Kolben allmählich entstandene Niederschlag, das 
Pikrolonat des Oxyäthylamins, wurde abgesaugt, zunächt mit 
alkoholhaltigem, dann mit reinem Äther gewaschen und in vacuo 
getrocknet. — Die Rohausbeute betrug 2,8 g Substanz, die nach 
zweimaligem Umkrystallisieren aus absolutem Alkohol 2,4 g 
reines Salz vom Schmelzpunkt 210° lieferten. 

0,1603 g Substanz gaben 0,2570 g CO, 0,0661 g H,O. 

C,0H;N,0,.C,H,.NO. Berechnet: С 44,28°/,, Н 4,65°/,; 

gefunden: С 43,7290, Н 4,579/,. 

Zwecks Überführung in die Chlorgoldverbindung wurden 
1,63 g Pikrolonat (= 0,3 g Base) in möglichst wenig heißem 
Wasser geJöst und die noch leicht getrübe Lösung in der Hitze 
mit 2,2 сет Salzsäure (D = 1,19) versetzt und über Nacht im Eis- 
schrank stehen gelassen. Nach Abfiltrieren der gut ausgefallenen 
Pikrolonsäure wurde die Lösung des Chlorhydrates einmal mit 
Essigester ausgeschüttelt und auf dem Wasserbade eingeengt. 

Die Flüssigkeit gab in Gegenwart von Calciumcarbonat 
eine typische Violettfärbung mit Triketonhydrindenhydrat!). — 
Die eingeengte Flüssigkeit wurde mit überschüssiger Goldchlorid- 
lösung (2р AuCl, in 25 cem Wasser) versetzt, abermals ein- 
geengt und die erstarrende Lösung über frisch geglühtem Cal- 
ciumoxyd eingetrocknet. Das Rohsalz wurde mit absolutem 
Alkolıol angefeuchtet, zweimal mit Alkoholäther (3:1 bzw. 1:6) 
gewaschen, abgesaugt, im Vakuumexsiccator getrocknet und 
schließlich aus wenig Wasser umkrystallisiert. Das Salz schmolz 
nach dem Trocknen bei 105° bei 185 bis 186°. Ausbeute 1,5 g. 
C,H.NO.HAuC],. Berechnet: Au 49,10°/,; gefunden: Au 48,96°/,. 

Durch die Überführung in die beiden von Knorr als 
charakteristische Derivate des Aminoäthylalkohols beschriebenen 
Salze ist die biochemische Entstehung des Oxyäthylamins aus 
Serin sichergestellt. Die Decarboxylierung mit Hilfe von Bak- 
terien ist somit auch bei einer Oxyaminosäure bewerkstelligt. 


1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 56, 500, 1913. 


Der Eisengehalt der Öle, Fette, Wachsarten, Harze, 
Gummiharze, Gummiarten; sowie einige Analysen 
über den Gehalt an Kieselsäure und Tonerde. 


Von 
M. Gonnermann. 


(Aus dem Institut für Pharmakologie der Universität Rostock.) 
(Eingegangen am 21. April 1919.) ei 


In den Berichten der Deutsch. Chem. Ges. 41, 910 bis 915 
21./3. veröffentlicht W. Glikin über den Eisengehalt der Fette, 
Lipoide und Wachsarten. Ein Referat über diese Arbeit be- 
findet sich im Chem. Centralbl. 79, 1908, I, 1564, dem ich die 
Angaben entnehme: 

„In dem Fett des Knochenmarkes verschiedener Menschen und 
Tiere ist Eisen in nachweisbaren Mengen enthalten; die Art der Eisen- 
verbindung unterscheidet sich wesentlich von den Nucleoalbuminen und 
Eisenalbuminaten, da sie in Alkohol, Chloroform, Äther löslich sind. 
In einer Tabelle sind die Resultate zusammengestellt, und daraus ergibt 
sich, daß das Knochenmark junger Tiere einen höheren Gehalt zeigt 
als das älterer, so 2. B. beim neugeborenen Ferkel 1,159%,, 6 Wochen 
alten 0.202, . bei 8 Wochen alten 0,15°/,, bei älteren Schweinen im 
Durchschnitt 0,03°,. Beim Hund fällt in gleicher Weise der Eisen- 
gehalt des Knochenmarkes mit dem Wachstum der Tiere in folgender 
Abstufung ab: 4,859/, (?), 0,44°/,, 0,32°/, und 0,05°,. Hieraus ergibt 
sich, daß der Eisengehalt des Knochenmarks mit dem Wachstum der 
Tiere und Menschen rapid abnimmt und zwar in gleichem Verhältnis 
wie der Lecithingehalt und analog dem Eisengehalt der Leber, der bei 
neugeborenen Tieren etwa 10 mal größer ist als bei ausgewachsenen. 
Auch in pflanzlichen Fetten: Kakaobutter, in verschiedenen Ölen und 
Wachsarten findet sich Eisen. Durch Ausschütteln mit salzsaurem kalten 
Wasser läßt sich das Eisen nicht entfernen, so daß man zu der An- 
nahme geführt wird, daß ein festgebundenes Fettmolekül vorliegt. Le- 
cithin und Cholesterin, die ständigen Begleiter der Fette, enthalten Eisen. 


M.Gonnermann: Fe-Gehaltd.Öle,Fette,Wachse,Harzeu.Gummiarten. 287 


Verfasser reinigte Lecithin Merck in methylalkoholischer Lösung 
mit Tierkohle, engte die Lösung ein und fällte durch Aceton, wobei 
eine fast farblose Masse erhalten wurde, die 0,173°/,, 0,3889%, und 
0,181°/, Eisen enthielt. Er nimmt als stöchiometrisches Verhältnis 
zwischen Lecithin und Eisen an, daß eine Kuppelung zwischen 1 Atom 
Fisen und 3 oder mehr Molekülen Lecithin stattfindet.“ 

Bei meinen neuen Versuchen, die auf Anregung Koberts 
erfolgten, um die Eisenfrage der Fette nochmals zu be- 
arbeiten, wurde auf die Aschenprozente des Eisens in dem 
verschiedenartigen Material besonders Rücksicht genommen, 
und zwar kam natürlich nur dasjenige in Betracht, was unter 
gegenwärtigen Verhältnissen zu erlangen war. Die anschließenden 
Drogen stammen aus der Sammlung des Institutes. 

Die Vorproben mit gelbem und rotem Pferdemark 
wurden mit Äthylalkohol verrieben, öfter durch heißes Wasser 
erwärmt, die Nacht über stehen gelassen, dann filtriert und 
der Alkohol verdampft. Den Rückstand verrieb ich mit wenig 
Aceton; hierbei ballte sich in beiden Proben, im roten Mark 
mehr, eine dunkle Masse zusammen; der Aceton wurde klar 
abgegossen und verdampft, der Rückstand unter Zugabe von 
etwas Ammoniumsulfid versetzt; keine Schwarzfärbung, also 
frei von Eisen. Die ausgeschiedenen Massen wurden mit 
salzsaurem Wasser verrieben, gelinde erwärmt, die Säure klar 
abgegossen, mit Ammoniak neutralisiert, Schwefelammonium 
zugefügt: gleichfalls ohne Schwarzfärbung — also Eisen 
nicht in Lösung gegangen. Nunmehr wurden die Massen mit 
Salpetersäure erwärmt, oxydiert, mit Ammoniak die Flüssig- 
keit abgestumpft, Schwefelammonium zugefügt: ebenfalls keine 
Eisenreaktion. b 

In dieser minimalen Menge vom angewandten Material 
war also eine Abspaltung des Eisens nicht zu erreichen, so 
daß, wenn das Eisen an Lecithin gebunden, dasselbe sehr fest 
verankert ist. 

Die Versuche wurden auf folgende Weise mit Pferde- 
mark ausgeführt. Das rote Mark ließ sich im Mörser zu 
einer ganz glatten, salbenartigen Masse verreiben, während das 
gelbe Mark konstanter war und mit der Schere zu kleinen 
Stücken zerschnitten werden mußte. Um das anhängende Blut 
zu entfernen, weil bereits selbst eisenhaltig, wurde das zer- 
kleinerte Mark mit destilliertem Wasser, das die Blutkörperchen 


288 M. Gonnermann: 


leicht löst, mehrmals ausgespült, die Nacht noch unter Wasser 
stehen gelassen, dann durch ein Sieb gegossen, nach Möglich- 
keit vom Wasser abgeschleudert und auf dem Dampfapparat 
nachgetrocknet. Beide Markproben wurden in Porzellantiegeln 
in kleinen Partien bei ganz kleiner Flamme auf Drahtnetz 
mit Asbestbelag zunächst erwärmt, bis sich ein deutliches 
Spratzen und Verbrennungsdämpfe entwickelten. Hierauf kamen 
die Tiegel auf offene kleine Flamme, bis sich die entwickelten 
Dämpfe entzünden ließen. Dieser letzte Verbrennungsakt voll- 
zog sich ziemlich schnell und hinterließ zunächst eine leicht 
zerreibliche kohlige Asche. 

I. Aus dem roten Mark, das 15,0 g betrug, wurden 0,162 g 
—1,08°/, dieser Asche erhalten; der geringen Menge wegen 
wurde sie sofort in demselben Tiegel, nachdem die am Rande 
befindliche Kohle vollständig durch Glühen verflüchtigt war. 
nochmals unter Zugabe von etwas Salpetersäure erhitzt, ge- 
glüht, nach dem Erkalten durch Salzsäure und wenig Salpeter- 
säure in der Wärme behandelt, um das Eisen in Lösung zu 
erhalten; diese mit heißem Wasser verdünnt und einige Tropfen 
davon mit Blutlaugensalz geprüft: es entstand eine tiefblaue 
Färbung, die die Gegenwart von Eisen im roten Mark be- 
wies. Es ist jedoch nicht zu vergessen, daß in dem roten 
Mark viel Blutfarbstoff enthalten und dieser selbst eisenhaltig 
ist, und zwar enthält die Blutasche 5,6°/, Eisen, die von dem 
gefundenen Eisen der Markasche abgezogen werden muß. so 
daß für den Eisengehalt des im Mark enthaltenen Lecithins 
sich ein gewisses Mehr ergeben wird. 

Die verdünnte saipetersaure Lösung wurde nun erwärmt 
mit Ammoniak gefällt, das ausgeschiedene Eisenhydroxyd auf 
gewogenem Filter ausgewaschen und bei 110° völlig ausge- 
trocknet. Es resultierten 0,035 g Fe,O,. die 0,0267 g Eisen 
entsprechen, und ergaben hiervon 

0,178°/, für Mark, 

16,358°/, für Asche 
im roten Mark nach Abzug von 31 mg Prozent für den Ge- 
halt an Eisen des Lecithins. 

II. Das gelbe Mark wog 85,0 g, lieferte 0,486 g kohle- 
freie Asche = 0,578 9/,; diese wurde durch Säuren in der 
Wärme gelöst und das Eisen durch Ammoniak heiß ausgefällt. 


Fe-Gehalt der Öle, Fette, Wachse, Harze und Gummiarten. 289 


Hierbei entstand jedoch ein sich schnell ausscheidender weißer 
Niederschlag, der nach der Prüfung sich als phosphorsäure- 
haltig ergab. Er wurde daher wieder in Salpetersäure gelöst 
und die Phosphorsäure durch Ammonmolybdat vollständig aus- 
gefällt, im Filtrat wieder das Eisen durch Ammoniak gefällt. 
Bei der Berechnung ergaben sich 

0,142°/, für Mark, 

2,882°/, für Asche. 

Wenn nun in den verschiedenen Fettarten sich festge- 
bundenes Eisen findet, so wäre es doch wohl möglich, das 
Eisen chemisch künstlich einzuverleiben, und habe auch 
ich demgemäß Versuche angestellt. Das Resultat war ein 
günstiges; ich erhielt eine beim weiteren Verdünnen, z. B. 
mit dem farblosen Paraffinöl, völlig klare Lösung von einem 
Eisenoleat in Lecithin; verseifte ich dasselbe durch Ammoniak, 
verdünnte mit Wasser, erwärmte etwas und setzte Schwefel- 
ammonium hinzu, entstand eine tiefschwarze Mischung, 
Schwefeleisen enthaltend. Es ist also auch chemisch nach- 
gewiesen, daß das Eisen in dem Lecithin als gelöstes Oleat 
enthalten war. 

Das gelbe Mark enthielt durch das gründliche Auswaschen 
kein Blut mehr und sind die gefundenen Werte für Eisen 
einwandfrei. 

III. Gesamtlipoide aus Pferdehirn (Dr. Witte). Es 
wurden 13,330 g verascht und nach Beseitigung der Phosphor- 
säure weiter verfahren, wie bei dem gelben Mark ausführlich 
angegeben ist. An Reinasche wurden 1,006 g erhalten, die 
für Lipoide 7,472°/, betrug. Eisen war nicht vorhanden, 
es erschien daher sehr wichtig, auch das Pferdegehirn auf 
Eisen zu untersuchen. 

IV. Lecithin aus Pferdegehirn (Dr. Witte). Die Me- 
thode war dieselbe; es fand sich in 1,60°/, Asche 

Eisen 0,121°/, für Lecithin, 
7,706°/, für Asche. 

Es wurden noch untersucht 

V. Pferdehirn, 

VI. Rogenlecithin (Dr. Witte), deren Resultate sich in 
der Tabelle befinden. Es folgten nunmehr die Untersuchungen 


von Wachs- und Fettarten, Ölen, denen sich die von Harzen, 
Biochemische Zeitschrift Band 9. 20 


290 M. Gonnermann: 


Gummiharzen und Gummi anschließen, wie aus der Tabelle 
ersichtlich ist. 








ы 
А Untersuchungs- 
3 Material 
d 

1 




























Nebennieren 
140,0 g 
Desgl. H 
170,0 g 

Leichenblut 

Kriebelmücke H 

Simulium reptans 

Canthariden 

Lytta vericatoria 

Pemphigus H 
vulgaris 


Menschlich 


э 





Auswärts 
Apotheke 
Hautklinik 


Seegras 


Zostera marina Ostsee 


} 
Stechapfel- 
blätter Drogen- 
Datura Strem- | handlung 
monium 
9 Bilsenkraut H 
Hyoscyamus niger 
10 | Tollkirsche- | 
blätter ” 
Atropa Belladonna 
11 | Gerstesamen Instituts- 
Hordeum vulgare sammlung 
12 geschält D 
13 Blattspinat Rubner 
14 | Spinat (überhaupt) » 
15 Grünkohl ” 
16 Kohlrüben ” 
17 Wirsing Ы 
18 | Pfifferlinge | 
Cantharellus Käuflich 
cibarius 
19 Steinpilz \ = >= 
Boletus edulis Ј 
20 |Maulbeerblätter 3,00 | 17,06 
e Morus nigra 
21 | a Morus alba 3,945 | 25,62 
22 | Renntierflechte \ | Pharmakolg. 917 Säi 
Cladonia rangiferin: Sammlung ? 
23 Carragheen \ 9,60 — 
Fucus crispus 7 d ? 
24 | Isländisch Moos 


8,07 | — 
Cetraria islandica i 


Fe-Gehalt der Öle, Fette, Wachse, Harze und Gummiarten. 291 


Nachweis des Eisens. 








I. Fette. 
a ER SS Eisen °/, in 
А | Untersuchungs- | Entstammt | $ S „ = S 2 lo 
3 Material von 33 E а $ Trock.- Acte 
A а 8 476 | Subst. 








Knochenmark, ү | Pferd, Ober- 






| 
1,08 0,178 | 16,358 






rot schenkelkn. | 150 © 

2 Desgl., gelb D 85,0 [:5 | 0,572 | 0,140 2,882 
3 Gehirn Pferd 30,0 1,315 | 0,360 8,355 
4 | Lipoide (Witte) |Pferdegehirn| 13,331 | 7,472 frei 
5 | Lecithin (Witte) » 12,250 | 1,600 | 0,121 | 1,100 
6 Desgl. Rogen 13,560 | 4,846 | 0,256 4,051 
7 Desgl., 

älteres Präparat } H 12,830 | 4,131 | 0,113 4,181 
8 | Wachs, gelbes Instituts- 

Apis mellifica } Sammlung 250 0048: 1010 0,292 


9 ier lc 
Rhus succedanea 


10 Carnauba- | 


25,0 0,096 | 0,0086 | 0,010 


Wachs 
Capernicia cerifera 
11 КаКаоб1 
Theobroma Cacao 
12 Walrsat } 
Cetaceum 
13 Kokosöl 
Cocos nucifera 
14 Pferdefett 
Equus caballus 


25,0 0,153 | 0,0748 | 3,252 


e , |In Reaktion vorh., 
25,0 0,096 nicht wägbar 


25,0 0,032 ” 
25,0 0,028 D 


H Fleischerei | 45,0 0,111 | 0,020 | 0,180 





15 |. Palmöl Henkel, 30.0 0.034 Nur durch Reak- 
Elaeis gujanensis Düsseldorf ? Р tion nachweisbar 
16 раа кета. } ы 30,0 0,040 A 
aeis gujanensis 
17 Mowrahöl » 30,0 | 0,100 D 
18 |Wollfett, rohes | 
Adom аде H » 30,0 1,470 | 0,0472 | 3,187 
х Nur durch Reak- 
19 | Desgl., reines D 30,0 0,014 tion nachweisbar 
20 | Wollfett für 
veterinären А 80,0 0,802 | 0,0233 | 2,834 
Gebrauch 
21 Wollfett Vorhanden, 
neutrales } Henkel 80,0 0,109 nicht wägbar 


Homo sapiens 
23 Oeseppus | 


(frisch) 70,0 0,128 =й 0,120 


n 


(Dr. Ihle) 


30,0 0,106 | 0,030 | 0,300 
Wollfettpräparat 


20* 


292 M. Gonnermann: 


Ehe ich die Tabelle über den Eisengehalt der oben an- 
geführten Wachsarten usw. folgen lasse, sollen noch einige 
Untersuchungen Platz finden, die während des Druckes meiner 
Veröffentlichung über „Die quantitative Ausscheidung der 
Kieselsäure im menschlichen Harn“!) ausgeführt worden 
sind, die zum Teil den Gehalt an Kieselsäure, zum Teil an 
Tonerde betreffen. 

Die Harze sind weiche oder feste Ausscheidungsprodukte 
der Pflanzen, die als solche zum Teil bereits in denselben ent- 
stehen, zumeist jedoch erst beim Austreten an der Luft aus 
den Balsamen sich abscheiden. Diese Balsame sind Lösungen 
der Harze in ätherischen Ölen, und beim Verdunsten derselben 
bleiben die Harze zurück. 

Bereits sind die Harze zum Teil aus Verbindungen des 
im Steinkohlenteer befindlichen Kumaron und Inden künst- 
lich dargestellt worden, indem diese Stoffe eine große Neigung 
haben, sich zu Kumaron- und Indenharz zu polymerisieren; 
sie finden viel Anwendung in der Lackindustrie?). Nach eng- 
lischem Patent werden organische Oxysäuren, 2. В. Weinsäure. 
mit Formaldehydlösungen unter Zusatz von Phenol in mit Blei 
ausgefütterten Gefäßen erwärmt und dann gekocht. Es er- 
scheinen auf der Oberfläche harzartige Massen, die durch heißes 
Wasser gewaschen werden. 

Dr. Goldschmidt stellt blauen Siegellack von einem Harz 
her, das aus Formaldehyd, Methyldiphenylamin und Salzsäure 
erhalten wird. Kopalersatz erhält man, wenn Monoäthyl- 
anilin, überschüssiges Formaldehyd und Salzsäure in der Kälte 
aufeinander wirken und längere Zeit stehen läßt; es wird dann 
das gebildete Harz durch Natronlauge gefällt. — 

Fossile Harze sind Bernstein, Asphalt und Ozokerit. 

Bei der Untersuchung auf Eisen wird die kohlefreie Asche 
mit Salzsäure unter Zugabe von Salpetersäure ausgekocht, das 
Filtrat durch Ammoniak gefällt, das ausgewaschene Eisen- 
hydroxyd bei 110° getrocknet und aus dem Gewicht nach 
der Gleichung 160:120—?:x das x als Eisen berechnet. Ebenso 
verlaufen die Untersuchungen der Gummiharze und Gummi- 
arten. 


1) Diese Zeitschr. 1919. 
2) Vgl. Chem.-Zeitg. 23/24, 93, 1918; 28, 109. 


Fe-Gehalt der Öle, Fette, Wachse, Harze und Gummiarten. 293 

















П. Harze. 
н 4 N 5° pe А o : 
А | Untersuchungs- | Entstammt | 2 S AR: E аы 
3 Material von SS © a% | Trock.- Ае 
vd et: А76 | Subst. 
1 Вер20ё, А z 
Sumatra Resina (| ez | 30,0 | 1% | олз | 1143 
Вептоё Е 
2 | Benzo&, Siam D 30,0 0,70 0,057 0,820 
3 | Benzoö Colo- 
phon А 
Colophonium | 35,0 3,904 | 0,857 2,921 
Benzoes 
4 Dammar rn | Vorh., nur durch 
Resina Dammara ý 30,0 | 0,070 [Reakt nachweisb. 
5 | Drachenblut 
Sanguis Draconis D 30,0 1,455 | 0,193 1,315 
canariensis 
6 Elemi ` > Vorh., nur durch 
Resina Elemi } x 35,0 | 8,148 [Reakt nachweisb. 
7 | Kopal, ostind., | 
Reine Copal H » 35,0 | 0,018 | 0,0086 | 0,172 
8 | Fichtenharz Vorhanden, doch 
eg ef ` ИШЕ 85,0 | 0,040 | nicht wägbar 
9 | Guajacharz | 
` | Resina Guajavi } n 35,0 | 0,291 | 0,071 | 0,230 
10 Mastix d | 
Resina Mastiche J n 35,0 0,194 | 0,023 0,118 
1 Sandarac, 
marokkan. » 35,0 | 0,109 | 0,044 | 0,408 
Resina Sandaraca 
12 Bernstein 
kene dee } | з 35,0 | 0,057 | 0,090 | 0,450 


III. Gummiharze. 


Die Gummiharze sind bekanntlich innigste Gemische 
von Harz und Gummi, die beim Verreiben mit Wasser eine 
Harzemulsion geben ähnlich den Öl- und Samenemulsionen. 
Hierbei wird der Gummi entweder gänzlich gelöst — Arabin — 
wie das arabische Gummi, oder, wie bei dem Traganth, nur in 
eine schleimige Substanz — Bassorin — übergeführt, wodurch 
das feinverteilte Harz in der Mischung schwebend erhalten 
bleibt. Die Gummiharze — oder Schleimharze — sind Be- 
standteile der Milchsäfte, die, aus den verwundeten Pflanzen 
fließend, erhärten — sie werden zu Balsamen; zum Teil ent- 
halten sie ätherische wie auch fette Öle. 


294 М. Gonnermanh: 


ПІ, Gummiharze., 




















Ag SÉ Eisen ° 
Untersuchungs- Entstammt | $ S „| = 5 д al 
Material von 8 2 5 s #4 | Trock.- ГРА 
ZS [93 | Subst. 
m 
Ammoniak 2 
Gi. res. Ammonia- en 0,591 | 13,600 
cum in massis Ы 
«Asa foedita 
Gi. res. Asae D 0,554 7,854 
foeditae in massis 
Euphorbium 
Gi. res. Euphorb. n 1,650 1.480 
Marokko 
Galbanum = 
Gi. res. Galbanum g 1,860 | 29,07 
Gutti Vorhanden,doch 
Gi. гез. Gott Siam > nicht wägbar 
Gi Мун Б н Vorhanden,doch 
" Arabi ST nicht wägbar 
Weihrauch 
Gi. res. Olibanum n 0,023 | 0,118 
Ostafrika 
Gi. res. Scammo- D 2,00 | 13,133 





Scammonium | 


nium Aleppo 


! 


IV. Gummiarten. 


Die Gummiarten finden sich in den Säften der betreffenden 
Pflanzen gelöst, sind in Gruppen dünnwandiger Zellen ein- 
geschlossen, die sich häufig zu Gummikanälen erweitern. Wäh- 
rend der heißesten Jahreszeit der Tropen quillt durch Bersten 
der Rinde der Inhalt hervor, verliert an der Luft seinen Wasser- 
gehalt und erhärtet zu festen Massen. Auch sammeln die Ein- 
geborenen durch gemachte lange Einschnitte zu bestimmten 
Zeiten an Ästen und Zweigen, besonders der Akazien, den 
reichlich austretenden Gummi. 

Vertreter sind nur 

Gummi arabicum = Gi. Mimosae.: 
Gummi Senegal. 
Gummi Traganth. 

Die beiden ersten enthalten das im Wasser lösliche Arabin, 
im Traganth befindet sich das im Wasser nur quellende Bas- 
sorin zu einem gallertartigen, halbdurchsichtigen Schleim. 


Fe-Gehalt der Öle, Fette, Wachse, Harze und Gummiarten. 295 
\ 


IV. Gummiarten. 










2 SR |°# | Eisen op i 
Z | Untersuchungs- | Entstammt | @ A „Le 3 3 n °/, in 
g Material von 5.2 E g$ | Trock.-| де 
= CS 2 El Subst. 








Instituts- 35,0 9,131 Vorhanden, je- 


bicum Gemisch Sammlung doch nicht wägbar 


1 | Gummi arabi- 
Arabien 


Frei von Eisen, selbst 


2 Senegal 35.0 6.315 [nach längerem Stehen 
i ы , 7 bewirkte Blutlaugen- 
Gummi ) salz keine Bläuung 
3 та } e 35,0 | 1,680 | 0,026 | 1,882 


Aus den vielen Untersuchungen der verschiedenartigsten 
Materialien ergibt sich, daß mit Ausnahme von 2 — die 
Lipoide aus Pferdegehirn, sowie der Senegal-Gummi —, die 
sich als frei von Eisen erwiesen, der Gehalt dieses Elementes 
in der Asche, den ich als wertvolles Resultat betrachte, von 
nicht wägbaren Mengen bis 29,7°/, aufstieg. Es gehört also 
das Eisen in den Ausscheidungen der Pflanzenzellsäfte zu 
den konstanten Bestandteilen, wie in den Säften und Or- 
ganen des menschlichen und tierischen Körpers. 


Über quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon von 
Battelli und Stern‘). 


Von 


Hans Einbeck. 


(Aus der chemischen Abteilung des pathologischen Instituts der Uni- 
versität Berlin nnd dem physiologischen Institut der Universität Genf.) 


(Eingegangen am 21. April 1919.) 


Die im Anschlusse an die Auffindung von Fumarsäure im 
Extrakte von frischem Fleische?) durchgeführte qualitative 
Aufarbeitung eines Oxydationsversuches von Bernsteinsäure 
mittels Muskelbreis nach Battelli und Stern hatte ein Ge- 
misch von Fumarsäure und Bernsteinsäure geliefert. Dieser 
Befund, der allerdings mit den nach den Angaben von Bat- 
telli und Stern verbrauchten Sauerstoffmengen®) im Wider- 
spruche stand, hatte mich zu der Annahme veranlaßt, daß die 
Fumarsäure das einzige Reaktionsprodukt der Einwirkung des 
Succinicoxydons auf Bernsteinsäure sei. Ich hatte seinerzeit 
quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon in Aussicht ge- 
nommen, um den Übergang von Bernsteinsäure zu Fumar- 
säure zu studieren. Die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit der 
Herr Professor Dr. F. Battelli und Fräulein Prof. Dr. L Stern 
mir die Erfahrungen und die Apparatur des Genfer physiologischen 
Instituts zur Verfügung stellten, wofür ich ihnen auch hier meinen 
verbindlichsten Dank aussprechen möchte, versetzte mich in die 
angenehme Lage, diese Versuche im Frühjahr 1914 in Genf 
durchführen zu können. Es zeigte sich hierbei, um das gleich 


1) Diese Zeitschr. 52, 226, 1913. 
D Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 301, 1914. 
®) Diese Zeitschr. 30, 176, 1910. 


H. Einbeck: Quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon. 297 


vorwegzunehmen, daß der vorstehend erwähnte Befund von 
Bernsteinsäure neben Fumarsäure zweifellos durch die un- 
genügende Durchführung des damaligen Oxydationsprozesses!) 
verursacht war und infolgedessen zur Beurteilung des Reaktions- 
verlaufes nicht mehr herangezogen werden kann. 

Um die chemischen Vorgänge bei der Einwirkung von 
ausgewaschenem Muskelbrei auf Bernsteinsäure bei Gegenwart 
von Sauerstoff aufzuklären, erschien es mir hauptsächlich er- 
forderlich, festzustellen, wie sich das Verhältnis zwischen der 
angewendeten Bernsteinsäuremenge und dem verbrauchten 
Sauerstoff gestaltet, wenn bei den Versuchen, die bis zur Er- 
schöpfung durchgeführt werden müssen, bei gleichbleibender 
Muskelbreimenge der Gehalt an zugefügter Bernsteinsäure va- 
riiert wird. Es wurden deshalb 4 Versuche gleichzeitig mit 
steigenden Bernsteinsäuremengen (0,0, 1,1, 2,2, 3,3 g) als Na- 
triumsalz angesetzt und der absorbierte Sauerstoff gemessen. 
Beschaffenheit und Menge des Muskelbreis sowie Konzentrations- 
verhältnisse waren hierbei die bisher in Genf üblichen‘). 

Die ersten 4 Versuche lieferten eindeutige Resultate. Ich 
hielt es jedoch für wünschenswert, durch eine zweite Versuchs- 
reihe die ersten Befunde zu kontrollieren. Ich benutzte die 
Gelegenheit, um die Versuchsbedingungen sowohl hinsichtlich 
der Beschaffenheit und Menge des angewendeten Muskelbreis, 
als auch der Konzentrationsverhältnisse abzuändern. 

Nachstehende Tabelle zeigt die in beiden Versuchsreihen 
verbrauchten Sauerstoffimengen: 

Angewendete Bernsteinsäure ng. 00 1,1 2,2 3,3 
Absorbierter Sauerstoff in ccm 
(bei 40° und 730mm) . . .IO 140 264 395 
по 139 260 389 

Es zeigt sich also, daß der Sauerstoffverbrauch in beiden 
Reihen proportional der zugesetzten Bernsteinsäuremenge an- 
steigt. 

Reduziert man die gefundenen Sauerstoffzahlen auf 09 und 
760 mm, so erhält man im Durchschnitt aus beiden Reihen 


die Werte 
107 сот 201 ccm 300 Gem 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 304, 1914. 
D Diese Zeitschr. 30, 177, 1910. 


298 H. Einbeck: 


Berechnet man andererseits die Mengen Sauerstoff, die, 
auf 1 Mol C,H,O, 1 Atom 0 gerechnet, 1,1, 2,2 und 3,3 р Bern- 
steinsäure entsprechen, so erhält man die Zahlen 

104 ccm 208 ccm 313 ccm 


Aus dem Vergleich der wirklich verbrauchten und der 
berechneten Sauerstoffmengen ergibt sich, daß in allen Fällen 
innerhalb gewisser Fehlergrenzen auf 1 Mol Bernsteinsäure 
1 Atom Sauerstoff aufgenommen worden ist. Dieser Befund 
entspricht den Angaben von Battelli und Stern!'). 

Wie bereits oben erwähnt, unterschieden sich die Reihen 
I und II hinsichtlich der Qualität und Quantität des ange- 
wandten Muskelbreis und ebenso hinsichtlich der Konzen- 
trationsverhältnisse. 

In Reihe I kamen je 90 g, in Reihe П je 50р Muskel- 
brei zur Verwendung. Muskelbrei I wurde 5 Stunden nach der 
Schlachtung und nach 5maligem Auswaschen mit Wasser ver- 
braucht, Muskelbrei II dagegen wurde gleich nach der Schlach- 
tung 10mal mit Wasser gewaschen, 24 Stunden bei 0° auf- 
bewahrt und dann zum Versuch verwendet. Außerdem waren 
die Flüssigkeitsmengen, in denen gearbeitet wurde, in der 
Reihe I größer als in Reihe II, mithin die Konzentration des 
bernsteinsauren Natriums in I kleiner als in II. 

Durch diese Verschiedenheiten in den Versuchsbedingungen 
wurden, wie nachstehende Tabelle zeigt, erheblich nur die zur 
Vollendung der Oxydation benötigten Zeiten beeinflußt. 


Versuch 2 3 4 
Reihe I . . . . Minuten 60 90 120 
Reihe Il. . . . » 60 120 180 


Diese Differenzen erscheinen mir aber für die Aufklärung 
der rein chemischen Verhältnisse unwesentlich. 

Zur Aufarbeitung des Oxydationsgemisches wurde das- 
selbe nach vorsichtiger Ansäuerung mit Essigsäure 15 Minuten 
in das siedende Wasserbad eingesetzt, wodurch ausreichende 
Koagulation erzielt werden konnte. Nach kurzer Abkühlung 
wurde durch Watte filtriert, mit siedendem Wasser nach- 
gewaschen und das Filtrat nebst Waschwässern auf dem 
Wasserbade eingedampft. Der ziemlich erhebliche Rückstand 


1) Diese Zeitschr. 30, 178, 1910. 


Quantitative Versuche mit dem Succinicoxydon. 299 


wurde mit Wasser ausgekocht. Nach dem Filtrieren durch ein 
dichtes Filter wurde wiederum eingedampft und so ein teig- 
artiger Rückstand erhalten, der allerdings immer noch einen 
erheblichen wasserunlöslichen Anteil enthielt. 

Zur Aufarbeitung im Extraktionsapparate wurde entweder 
der gesamte Rückstand in 10°/,iger Schwefelsäure suspendiert 
oder aber ` das wäßrige Filtrat desselben mit so viel Schwefel- 
säure versetzt, daß eine 10°/ ‚ige Lösung entstand. Ein wesent- 
licher Unterschied in der Ausbeute konnte bei den ver- 
schiedenen Methoden nicht beobachtet werden. Bei der Ex- 
traktion mit alkoholfreiem Äther zeigte es sich, daß ein Teil der 
freigewordenen Säuren schon innerhalb der ersten Stunden in 
den Äther überging (Extraktion I), ein anderer Teil dagegen 
wurde deutlich schwerer vom Äther aufgenommen, so daß die 
Extraktion bis zu 24 Stunden ausgedehnt wurde (Extraktion П). 
Die Ätherextrakte wurden nach Zugabe von etwas Wasser vor- 
sichtig abgedampft und nach Entfernung von etwas ausge- 
schiedenem Fett.zur Trockne gebracht. Nach längerem Stehen 
im Vakuumexsiccator über Schwefelsäure, wobei die Rückstände 
teilweise krystallinisch erstarrten, wurde gewogen. Die so er- 
haltenen Rohsäuren löste ich in ca. 20 Teilen Wasser und ver- 
setzte mit einem Überschuß von festem Silbernitrat. Aus 
der sauren Lösung fiel sofort bei allen aus ersten Extrak- 
tionen stammenden Rückständen fumarsaures Silber!) aus, das 
nach 24 Stunden abfiltriert, säurefrei gewaschen und, mit 
Schwefelwasserstoff zersetzt, aufgearbeitet wurde. Die aus den 
zweiten Extraktionen stammenden Rückstände enthielten nur 
spurenweise Fumarsäure. 

Die gefundenen Fumarsäuremengen (s. Tabelle) schwanken, 
auf die angewendeten Bernsteinsäuremengen berechnet, zwischen 
22,5 und 30,0°/,. Die Identifizierung der gewonnenen Fumar- 
säure erfolgte durch den sehr charakteristischen Schmelzpunkt, 
Fumarsäure 280 bis 285°, (Bernsteinsäure 185°), Mischschmelz- 
punkt und Analysen. 

Die Filtrate des fumarsauren Silbers lieferten beim Neu- 
tralisieren mit Ammoniak erhebliche Niederschläge. Dieselben 
wurden abfiltriert, säurefrei gewaschen und mit Schwefelwasser- 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 305, 1914. 


300 H. Einbeck: 


stoff zersetzt. Nach dem Eindampfen hinterblieb ein gelber 
sirupöser Rückstand, der im Vakuumexsiccator allmählich er- 
starrte. Infolge der verhältnismäßig geringen zur Verfügung 
stehenden Mengen und der beobachteten leichten Zerfließlichkeit 
der Rohsäuren gelang es nicht, die vorliegende Säure krystal- 
linisch zu gewinnen. Die Rückstände wurden deshalb in Wasser 
aufgenommen, mit Chlorcaleiumlösung versetzt und die Lösung 
mit Ammoniak neutralisiert. Eine direkte Fällung erfolgte nicht, 
auch beim Kochen entstanden nur geringfügige Niederschläge. 
Auf Zusatz von 1!/, Teilen Alkohols zur siedenden Lösung da- 
gegen fielen sofort dichte Niederschläge, die nach 24stündigem 
Stehen im Eisschrank abgesaugt wurden. Die so erhaltenen 
Caleiumsalze zeigten sich schwer löslich in kaltem wie siedendem 
Wasser. Die zahlreichen Analysenzahlen der nicht umkrystalli- 
sierten Calciumsalze stimmen gut überein und zeigen, daß ein 
Calciumsalz der Äpfelsäure mit 1 Mol Krystallwasser vorliegt. 

Zur Orientierung über die Mengen der isolierten Äpfel- 
säure habe ich in der Haupttabelle unter Äpfelsäure zunächst 
die Mengen der Rohsäuren und bei Versuch 2 Nr.4 die aus den 
gewonnenen Calciumsalzen berechnete Äpfelsäuremenge == 54,2%, 
aufgeführt. 

Die von mir früher ausgesprochene Ansicht, daß die Fumar- 
säure das Hauptreaktionsprodukt’ der Einwirkung von Suceinic- 
oxydon auf Bernsteinsäure sei!), schien damit widerlegt zu sein, 
zumal nach der Angabe von Battelli und Stern die Fumar- 
säure durch das Succinicoxydon nicht oxydiert werden soll?). 
Ich hielt es aber doch für wesentlich, diese Angabe, die 
sich nur auf die Beobachtung stützt, daB ein Gemisch von 
ausgewaschenem Muskelbrei und fumarsaurem Natrium in 
wäßriger Lösung aus einer Sauerstoffatmosphäre keinen Sauer- 
stoff absorbiert, daraufhin zu prüfen, ob die Fumarsäure aus dem 
Reaktionsgemisch unverändert zurückgewonnen werden kann. 

Zu diesem Zwecke wurden 2,5 р fumarsaures Natrium 
= 1,5 g Fumarsäure, gelöst in 300 ccm Wasser mit 75 g gut 
ausgewaschenem Muskelbrei unter Durchleitung von Sauerstoff 
und Turbinieren 2 Stunden auf 40° erwärmt (Versuch 4). Die 


1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 308, 1914. 
D Diese Zeitschr. 31, 489, 503/4, 1911. 


Quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon. 301 


Aufarbeitung des Versuches lieferte nur 25,69%, Fumarsäure 
unverändert zurück. Aus dem Filtrat des fumarsauren Silbers 
wurde ebenso wie bei den Bernsteinsäureversuchen ein Calcium- 
malat 4 1 Mol Krystallwasser erhalten. 

Auf diesen Befund hin war Fräulein Prof. Stern in Genf 
so liebenswürdig, dort einen Versuch mit Fumarsäure genau 
entsprechend den von mir mit Bernsteinsäure angestellten 
durchzuführen. Nach ihrem Bericht (vom 3. Juli 1914) wurden 
2 mal 60 р Muskelbrei + 3 g fumarsaurem Natrium in wäßriger 
Lösung in einer Sauerstoffatmosphäre 2 Stunden bei 40° ge- 
schüttelt. Sauerstoffabsorption konnte nicht wahrgenommen 
werden (Versuch 5). Die Aufarbeitung lieferte 37°/, Fumar- 
säure unverändert zurück, die Filtrate vom fumarsauren Silber 
ergeben gleichfalls Caleiummalat 4 1 Mol Krystallwasser. Die 
Ausbeute an Äpfelsäure, berechnet aus dem erhaltenen Calcium- 
salz, betrug 45,9°/,. 

Aus den Ergebnissen der Versuche 4 und 5 ersieht man, daß 
unter der Einwirkung des Muskelbreis eine Wasseranlagerung an 
die Doppelbindung der Fumarsäure stattfindet. Diese Reaktion, 
die zur Bildung von optisch-inaktiver Äpfelsäure führt, ist bereits 
lange bekannt. Wie Skraup') gezeigt hat, genügt das Erhitzen 
mit Wasser auf 180°, um Fumarsäure teilweise in racemische 
Äpfelsäure überzuführen. Es ist also anzunehmen, daß der aus- 
gewaschene Muskelbrei neben dem Succinicoxydon eine Substanz 
enthält, die die Wasseranlagerung an die Kohlenstofidoppel- 
bindung der Fumarsäure typisch-katalytisch beschleunigt. 

Was die Oxydationswirkung des Muskelbreis der Bernstein- 
säure gegenüber betrifft, so scheint diese Reaktion einstweilen 
einzigartig dazustehen. Zunächst glaubte ich allerdings, eine 
gewisse Übereinstimmung zwischen der Einwirkung des Suceinic- 
oxydons auf Bernsteinsäure, die zu Fumarsäure und Äpfelsäure 
führt, und den Oxydationsvorgängen im Organismus, die Butter- 
säure in ß-Oxybuttersäure®) und Phenylpropionsäure in ein 
Gemisch von ß-Oxyphenylpropionsäure und Phenylacrylsäure®) 
überführen, annehmen zu dürfen. Es schien mir durchaus 


1) Monatsh. f. Chem. 12, 113, 1891. 
3) L. Blum, Münch. med. Wochenschr. 57, 683, 1909. 
з) H. D. Dakin, Journ. of Biolog. Chem. 4, 419; 6, 203, 1909. 


302 H. Einbeck: 


nicht unwahrscheinlich zu sein, daß Muskelbrei bei Gegenwart 
von Sauerstoff auch die Oxydation von Buttersäure und Phenyl- 
propionsäure herbeiführen könnte. » Fräulein Professor L. Stern 
war во liebenswürdig, derartige Versuche anzustellen, wofür ich 
auch hier verbindlichst danken möchte. Die Resultate waren ` 
aber nach Privatmitteilungen von Fräulein Professor Stern 
sämtlich negativ. Die Gegenwart von Muskelbrei brachte nur 
Bernsteinsäure mit Sauerstoff in Reaktion. Der Beweis dafür, 
daß das Ausbleiben einer Oxydationserscheinung nicht durch 
eine schädigende Wirkung von Buttersäure und Phenylpropion- 
säure auf das Succinicoxydon bedingt ist, wurde dadurch er- 
bracht, daß Bernsteinsäure bei Gegenwart beider Säuren lebhaft 
Sauerstoff absorbiert. Dieser Befund zeigt, daß die Wirkungs- 
weise des Muskelbrei& nicht durch eine einfache Aktivierung 
des Sauerstofis erklärt werden kann. 


Ich möchte allerdings nicht unterlassen, hier auf die Be- 
obachtungen verschiedener Forscher hinzuweisen, die zeigen, 
daß die Wasserstoffe der beiden Methylengruppen der Bern- 
steinsäure durch eine gewisse Beweglichkeit ausgezeichnet sind. 
Neben der Bildung des Suceinilobernsteinsäureesters!) und der 
verschiedenen Kondensationsprodukte des Bernsteinsäureesters 
mit Ketonen?) möchte ich besonders die Darstellung der Di- 
benzalbernsteinsäure durch die Kondensation von Benzaldehyd 
mit Bernsteinstäurediäthylester bei Gegenwart von Natrium- 
äthylat®) hervorheben. 


Merkwürdigerweise zeigt im Gegensatze zu diesen Beob- 
achtungen die Bernsteinsäure im allgemeinen eine ungewöhn- 
liche Widerstandsfähigkeit gegen direkte Oxydationsmittel. So 
kann nach den verschiedensten Angaben Bernsteinsäure aus 
konzentrierter Salpetersäure umkrystallisiert werden‘). Kalium- 
permanganat greift sie in saurer Lösung nicht anë). Auch 
gegen Wasserstoffsuperoxyd in neutraler Lösung ist Bernstein- 
säure beständig im Gegensatz zu Äpfelsäure, die in Oxalessig- 


1) Herrmann, Lieb. Ann. 211, 306, 1882. 

2) Н. Stobbe, Lieb. Ann. 308, 67, 1899; 321, 83, 1902. 
з) Н. Stobbe und Ph. Naoüm, Ber. 87, 2240, 1904. 

*) С. Neuberg, diese Zeitschr. 67, 71, 1914. 

5) J. Seemann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 44, 229, 1905. 


Quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon. 303 


.säure übergeführt wird!), und Buttersäure?) und Phenylpropion- 

säure®), die beide leicht als Ammoniumsalze oxydativ abgebaut 
werden. Als besonders charakteristisch möchte ich hier anführen, 
daß Dakin nach der Einwirkung von Wasserstofisuperoxyd 
auf glutaminsaures Ammoniak 47°/, Bernsteinsäure aus dem 
Reaktionsgemisch isolieren konnte‘). Allerdings hat Neuberg 
kürzlich gezeigt, daß beim Kochen der freien Bernsteinsäure 
mit 2°/,iger Wasserstofisuperoxydlösung bei Gegenwart von 
Ferrosulfat eine andere Reaktion eintritt). Es entsteht dabei 
unter Spaltung des Moleküls Acetaldehyd. 

Vergleicht man mit diesen Beweisen für die außerordent- 
liche Beständigkeit der Bernsteinsäure gegen Oxydationsmittel 
die Leichtigkeit, mit der ausgewaschener Muskelbrei die Ein- 
wirkung von Sauerstoff auf Bernsteinsäure herbeiführt, so wird 
man im Gegensatz zu der Ansicht von E. Herzfeld und 
R. Klinger‘), die im Absatz 3 der Zusammenfassung ihrer 






































2 |, в Rohsäuren | Fumarsäure | Äpfelsäure 
5| оз |2 N a | 8 KS ge "Lé 
NEN 5-1 879 Ek sl £ | © кав! o KP н Ё 
51 2|=| 5259 5Е| 3 E К osal 5 |528| %8 
3| 8/2 55 lss 8 | 8 е 591 3 |828 ©: 
g| |3| 2% | 55| 5 j g Зай 2 соз 2% 
| s| £ 58 |5 Б я IR 529 5 1% S аа 
>р Ar: SI S ei soal E а 528 & 
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g g |cem/Min| g | g g ч яд g g ak 
(ried o о 601- 1-1-1 - [|= |= 
112 |90) 11 |140! 60] 9 | | 
1 | 3 | 90; 2,2 | 264 | 90 | 2,379 | 0,417 | 0,652 | 30,0 11,800 | — | — 
1.4 | 90) 3,3 | 395 | 120 | 2,873 7) 0,805 | 24,8 | 2,081] — | — 
211150 0, ү 0 60 | 0,004 | — — | — u — — 
2/2150 11 |139| 60 [0:761 | 0,418 | 0,264 | 24,4 = j 
2 | 3 |50] 2,2 |260 | 120 | 2,420 | 0,373 | 0,487 | 22,5 | 2,156| — | — 
214 | 50) 3,3 | 389 | 180 | 3,406 | 0,836 | 0,830 | 25,6 — | 2,025 | 54,2 
4 1— |75] 15 | — | 120 | 0,870 | 0,670 | 0,384 | 25,6 == — — 
Fumar 
| | säure | | | 
5 |—[120| 3,9 | — |120 | 3,510 | мем | 1,052 | 270 | — |9,066| 45,9 
| guung | |gewogen | 








säure | | | 


1) H. J. H. Fenton und H. O. Jones, Proc. Chem. Soc. 15, 224. 1901. 
2) H. D. Dakin, Journ. of Biolog. Chem. 4, 776, 1908. 

з) H. D. Dakin, Journ. of Biolog. Chem. 4, 419, 1908. 

4) H. D. Dakin, Journ. of Biolog. Chem. 5, 409, 1909. 

5) C. Neuberg, diese Zeitschr. 67, 71, 1914. 

6) Diese Zeitschr. 93, 352, 1919. 

7) Verloren gegangen. 


304 


H. Einbeck: 


Arbeit: „Zur Biochemie der Oxydationen“ schreiben: „Die in 
den lebenden Organismen ablaufenden Oxydationen werden auf 
die Gegenwart aktiven O, und leicht oxydabler, niederer Stoff- 
wechselprodukte zurückgeführt; die Annahme besonderer Oxy- 
dationsfermente ist entbehrlich“, zu der Überzeugung gebracht, 


daß 


in diesem Falle zunächst das Vorhandensein eines streng 


spezifischen Oxydationsfermentes bewiesen zu sein scheint. 


Analysen’). 
Fumarsäure. 


I. Substanz aus Versuch 1 Nr. 3. 

4,163 mg Substanz gaben 6,44 mg СО, und 1,25 mg H,O, 
3,930 » n л 6,05 » СО, » 1,28 » H,O. 
I. Substanz aus Versuch 2 Nr. 2, 3 und 4 vereinigt. 
0,1805 g Substanz gaben 0,2736 g CO, und 0,0567 g H,O. 

Berechnet für С,Н,О, = 116. С = 41,37°],, 
Н = 3,499. 
42,19°/,, 41,999. H = 41,349, 


Gefunden: = 
= 3,35%, 3,64 H ss 3,51%, 


С 
н 
Äpfelsaures Calcium. 

A. Substanz aus Versuch 2 Nr. 2. 
4,570 mg Substanz gaben 4,32 mg CO, und 1,46 mg H,O, 
0,2345 g » » 0,071 6 СаО. 
В. Substanz aus Versuch 2 Nr. 3. 
0,1895 g Substanz gaben 0,1763 g CO, und 0,0522 g H,O. 
“С. Substanz aus Versuch 2 Nr. 4. 
5,838 mg Substanz gaben 5,48 mg CO, und 1,77 mg H,O. 
D. Substanz aus Versuch 4. 
5,580 mg Substanz gaben 5,155 mg CO, und 1,77 mg H,O, 
0,1870g ž » » 0,056 g СаО. 
E. Substanz aus Versuch 5 Extraktion I. 
4,970 mg Substanz gaben 4,67 mg СО, und 1,53 mg H,O, 
0,2415 g D » 0,0727 g CaO. 
F. Substanz aus Versuch 5 Extraktion II. 
0,2486 g Substanz gaben 0,0738 g CaO. 


Graz. 





1) Die Mikroanalysen verdanke ich wieder Herrn Dr. Hans Lieb, 


Quantitative Versuche mit dem Succinicoxydon. 305 
Berechnet für С,Н,О,Са - Н,О = 190. C= 25,23°/,, 


H= 8,169, 
Са = 21,159/,. 


Gefunden: 
С А==25,78°/„ B= 25,37%), C= 25,60%, D= 25,20°/,, 
E = 25,6290, 
H A= 3,57°/„ B= 308%, C= 8,89%, D= 3,54%, 
E= 344°/, 
Са А = 21,64°|,, ` D=21,41°/, 


E = 21,529, F= 21,22°],. 


Zusammenfassung. 


Die vorstehend beschriebenen Versuche wurden in der 
Hauptsache im Sommer 1914 ausgeführt; die Veröffentlichung 
derselben verzögerte sich bis jetzt infolge des Ausbruches des . 
Krieges. 

Ich glaube durch meine Versuche mit Bernsteinsäure und 
Fumarsäure nachgewiesen zu haben, daß bei der Einwirkung 
von Muskelbrei bei Gegenwart von Sauerstoff auf Bernstein- 
säure zwei ganz getrennte Vorgänge zu unterscheiden sind: 

Zunächst die Eliminierung von zwei Wasserstoffatomen 
unter Bildung von Fumarsäure. Diese Reaktion erfolgt quan- 
titativ. Die Menge des verbrauchten Sauerstoffs ist proportional 
dem Gehalt des Reaktionsgemisches an Bernsteinsäure. Die 
zur vollständigen Oxydation benötigten Zeiten .scheinen der 
gleichen Abhängigkeit zu unterliegen. 

Sodann die Wasseranlagerung an die Doppelbindung der 
Fumarsäure, wobei optisch-inaktive Äpfelsäure entsteht. Diese 
Reaktion verläuft nicht quantitativ, sondern führt scheinbar 
zu einem Gleichgewichtszustande, denn bei den bisher ange- 
stellten Versuchen blieben stets ca. 25°/, der Fumarsäure un- 
verändert. 

Die Versuche, die Wirkungsweise des Suceinicoxydons auf- 
zuklären, sollen fortgesetzt werden. 


Biochemische Zeitschrift Band 95 21 


Über die Wasserlöslichkeit des Camphers. 


Von 


H. Leo und E. Rimbach. 


(Aus dem pharmakologischen und dem chemischen Institut der 
Universität Bonn.) 


(Eingegangen am 2. Mai 1919.) 


Im Zusammenhange mit den Studien!) des einen von 
uns über die therapeutische Verwendung wäßriger Campher- 
lösungen erschien es angezeigt, den Gehalt der gesättigten 
wäßrigen Lösung von Campher von neuem zu ermitteln. Die 
Angaben der Literatur hierüber sind schwankend. Für die 
Konzentration C (g Campher in 100 ccm) finden sich die Werte 
0,077 [Flückiger?)], 0,0833 [Hager°) und Е. Schmidt*)] und 
0,100 [Husemann?°)] ohne Bekanntgabe der Art ihrer Fest- 
stellung. Die von uns hierfür s. Z. vorläufig erhaltene®) Zahl 
C= 0,204 liegt wesentlich höher. Wir haben die Frage aber 
noch etwas weiter verfolgt und bringen nachstehend eine kurze 
Übersicht unserer endgültigen Ergebnisse. 

Die Bestimmung der gelösten Camphermenge erfolgte 
polarimetrisch und zwar nach zwei Verfahren; weiter dann 
auch noch auf chemischem Wege. 


1) Leo, Deutsche med. Wochenschr. 13, 1913, Münchener med. 
Wochenschr. 43, 1913 und Deutsche med. Wochenschr. 11, 1918. 

2) Flückiger, Pharmazeutische Chemie 1879, 356. 

3) Hager, Handb. d. pharm. Praxis (B. Fischer u. С. Hart- 
wich) 1, 579. 

1) E. Schmidt, Lehrb. d. pharm. Chem. 2, 1389, 1911. 

5 Husemann, Handb. d. gesamten Arzneimittellehre 1883, 942. 

©) Deutsche med. Wochenschr. 18, 1913. 


Н. Leo und Е. Rimbach: Wasserlöslichkeit des Camphers.. 307 


A. Polarimetrisches Verfahren. 


1. Differenzmethode. 


Als Lösungsmittel diente mit Rücksicht auf den besonderen 
Zweck nicht reines Wasser, sondern Ringerlösung. Eine im 
Wägegläschen genau abgewogene Menge feingepulverten Cam- 
phers wurde in ein Liter der Flüssigkeit gebracht und bei mitt- 
lerer Temperatur im Schüttelapparat 24 Stunden lang ge- 
schüttelt, also bis zum als sicher anzunehmenden Eintritt des 
Sättigungsgleichgewichts. Es wurde dann rasch abfiltriert, zur 
Entfernung des Salzes mit etwa 5 ccm Wasser kurz gewaschen 
und das Wasser mittels der Saugpumpe tunlichst entfernt. 
Den Gesamtfilterrückstand löste man mit 95°/, Alkohol quan- 
titativ zum Volum 50 ccm. Die Drehung der alkoholischen 
Lösung ergab die ungelöste Camphermenge, ihr Abzug von der 
in den Schüttelapparat eingebrachten lieferte die Menge des 
in die wäßrige Lösung Übergegangenen. ~ 


























O 1 7 

5, а= © = Gehalt d.wäß- 
© Ж З rigen Lösung 
2 атт g Campher 
aj SP in Jin 100 

nee T k 1 Literjcem=C 
1 |Ringerlösung mittel} 6,530 
2 |Ringerlösung n | 6,390 8,69414,347| 2,043 
3 |Ringerlsg.m.2°/,Alk.| » |7,870| 9,108 |10,973/5,486 2,384 | 0,238 
4 |Ringerlsg.m.5°/,Alk.| » | 9,286 0,270 


Aus Lösung 1 und 2 ergibt sich übereinstimmend C— 0,204 
als Sättigungskonzentration des Camphers in Ringerlösung; 
Alkoholzusatz bringt eine zu erwartende Steigerung, einiger- 
maßen proportional der Alkoholmenge. 


Zu den polarimetrischen Messungen diente ein großer Lippich- 
scher Halbschattenapparat, dessen Nonien 0,019 lieferten. Jedes х ist 
das Mittel einer Serie und bleibt mit seinem wahrscheinlichen Fehler 
unter + 0,01%. Die Temperatur der Lösungen wurde durch Wasserbad- 
röhre auf 20°-+0,1 konstant gehalten. Zur Ermittelung der Konzen- 
tration der alkoholischen Lösung aus ihrer Drehung sei folgendes be- 
merkt. Die spezifische Drehung [х] des Camphers wird zunächst von 
der Stärke des Alkohols beeinflußt. Eine Lösung von 6,166 g des be- 
nutzten Camphers in 95°/, Alkohol lieferte 02° im 4-dm-Rohr = 10,092 

21* 


308 H. Leo und E. Rimbach: 


und daraus Joel" = 40,92. Für die gleiche Konzentration fand Landolt!) 
in absolutem Alkohol [&] — 42,71, Hesse?) in 80°/, Alkohol, tm; 39,25. 
Unser Wert paßt sich also gut ein. Weiter aber hängt die spezifische 
Drehung des Camphers von der relativen Menge des Lösungsmittels ab. 
Für diese Abhängigkeit gibt Landolt’) auf Grund seiner Versuche mit 
absolutem Alkohol die Interpolationsformel: 

(off = 41,982 + 0,11824 С (1) 
Diese Formel mußte für 95°/, Alkohol umgeändert werden. Dies ge- 
schah auf Grund unserer angeführten Bestimmung der spezifischen Dre- 
hung in 95°/, Alkohol, unter gleichzeitiger Annahme, daß wohl die Dre- 
hung selbst mit der Alkoholstärke sich ändert, nicht aber, innerhalb 
der in Betracht kommenden Grenzen, der Wert d [œ] /d С, der in obiger 
Formel in der zweiten Konstanten sich darstellt. So erhielt man die für 
959%, Alkohol geltende Formel: 

[010 = 40,20 + 0,11824 C, (2) 
aus der dann die in Spalte 5 der Tafel angeführten С mittels Näherungs- 
rechnung sich ableiten. 

Trotz der, wohl mehr zufälligen, völligen Übereinstimmung 
der beiden Bestimmungen 1 und 2 ist ihr Ergebnis als zu 
hoch anzusehen, als eine obere Grenze für den tatsächlichen 
Wert. Beim Abfiltrieren und Absaugen des ungelösten Camphers 
tritt infolge seines nicht unerheblichen Dampfdruckes Verlust 
ein; die Werte für C in Spalte 5 werden dadurch zu niedrig 
und die Differenz in Spalte 7 zu hoch. Wir griffen deshalb 
noch zur unmittelbaren Bestimmung. 


2. Direktes Verfahren. 

Von vier gesonderten, in oben beschriebener Weise mit 
Ringerlösung hergestellten gesättigten Campherlösungen wurden 
je 300,ccm mit kleinen Mengen Benzol sukzessive ausge- 
schüttelt und die einzelnen Ausschüttelungen vereinigt bis 
zum Volum 60 ccm. Diese benzolischen Campherlösungen er- 
gaben folgende Drehungswinkel. ' 








_ Campher- 











|; & „Б ap Konzentration g Campher 
|2289] р С 

В ZS Sc, 5 für Rohrlängele in 100 em Ben- осе Bén- 

Z t = 2 dm ber. nach (8) Wasser 

1 | mittlere 0,604 0,7453 0,4472 

2 | mittlere 0,667° 0,8213 0,4928 

3 37,50 0,561 0,6922 0,4153 

4 37,50 0,5769 0,7094 0,4256 





Сау Landolt, Liebigs Ann. 189, 333. 
2) Hesse, Liebigs Ann. 176, 119. 
з) Landolt, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 21, 204, 1888. 


Wasserlöslichkeit des Camphers. 309 


Für die Anordnung der Drehungsmessungen und ihre Fehlergrenzen 
gilt das unter 1 Gesagte. Die spezifische Drehung des Camphers in Ben- 
zol ist von mehreren Seiten!) untersuch und durch Interpolations- 
formeln festgelegt, die untereinander übereinstimmende Werte liefern. 
Wir benutzten zur obigen Rechnung die Formel von Förster: 

20° (79,4688 ` — 0,01747 EE (8) 
weil sie in bequemer Weise die Konzentration als unmittelbare Funktion 
des Drehungswinkels darstellt. 

Auch diesen Mittelwerten haftet ein, wenn auch kleiner, 
doch konstanter Fehler an. Trotz der großen Löslichkeit in 
Benzol gegenüber Wasser wird beim Ausschütteln ein aller- 
dings sehr geringfügiger Rest des Camphers in der wäßrigen 
Flüssigkeit verbleiben und sich der Bestimmung entziehen. 
Der Mittelwert aus den Bestimmungen 1 und 2 stellt also 
eine untere Grenze für den gesuchten wirklichen Wert dar. 

Eine einfache Mittelbildung aus den Resultaten der beiden 
Verfahren würde dem Umstand nicht genügend Rechnung 
tragen, daß der Fehler der ersten Methode unbestreitbar größer 
ist als der der zweiten. Wir legen deshalb dem Ergebnis der 
ersten Methode nur das halbe Gewicht bei, gegenüber dem 
der zweiten und erhalten so aus den Drehungsmessungen 


den Endwert: 


2 2. 7 
ORT — 0,173 


£ 3 
als den wahrscheinlichsten Wert der Sättigungskonzentration 
des Camphers in Ringerlösung bei mittlerer Temperatur. 

Aus den Bestimmungen 3 und 4 ergibt sich, daß mit 
steigender Temperatur die Löslichkeit des Camphers sinkt, 
ein Verhalten, wie es auf Grund qualitativer Beobachtungen 


der eine von uns (L.) bereits früher?) festgestellt hat. 





B. Chemisches Verfahren. 


Anschließend an die beschriebenen Versuche arbeitete 
Herr Dr. Tischner, Chemiker im wissenschaftlichen Labora- 
torium der Firma E. Merck in Darmstadt, ein Verfahren aus, 


1) Landolt, Liebigs Ann. 189, 334, 1877; Förster, Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. 23, 2984, 1890; Rimbach, Zeitschr. f. physikal. Chem. 9. 
698, 1892. 

2) H. Leo, Deutsche med. Wochenschr. 13, 1913. 


310 H. Leo und E. Rimbach: 


das die Bestimmung der Sättigungskonzentration des Camphers 
in wäßriger Lösung auf chemischem Wege gestattet. Herr 
Dr. Tischner ist leider auf dem Felde der Ehre gefallen. 
Seinen uns zugegangenen Mitteilungen entnehmen wir das 
Nachstehende über die Methode und ihre Leistungen. 


Untersuchungsverfahren. 


„Zunächst zeigte sich, daß bei dem geringen Gehalt der 
wäßrigen Campherlösung die üblichen Reagenzien auf Campher 
sämtlich versagen bis auf Permanganat. Nun ist zwar bekannt. 
daß überschüssiges alkalisches Permanganat auf Campher nicht 
einheitlich wirkt: die zunächst entstehende Camphersäure wird 
zum Teil weiter oxydiert, auch bleibt ein wenig Campher un- 
angegriffen. Aber es fand sich, daß unter gleichen Ver- 
suchsbedingungen (Konzentration, Temperatur, Zeit) die 
Oxydation stets gleichweit vorschreitet, so daß man 
also mit Hilfe einer Vergleichslösung von bekanntem Gehalt 
den Gehalt einer unbekannten Campherlösung durch Titration 
mit Permanganat ermitteln kann. 

1,500 g reinster, resublimierter Campher wurde durch etwa fünf- 
stündiges Schütteln bei Zimmertemperatur in etwa 990 com Wasser ge- 
löst und die Lösung auf 1000 ccm aufgefüllt. Die ganz schwach opake 
Flüssigkeit klärt sich beim Filtrieren durch eine „Kerze“ vollständig. 
Von dieser Lösung werden genau 10 сот abpipettiert, 10 ccm 6 bis 7°/,ige 
Natronlauge und genau 25 ccm 0,1 n-KMnO, zugefügt. Ganz ebenso wird 
mit der zu untersuchenden Campherlösung verfahren; beide Flüssigkeiten 
erhitzt man dann auf demselben Dampfbad unter Rückflußkühlung. 
Nach genau einer Stunde wird der Dampf abgestellt und die Kühler 
werden ausgespült. Die auf Handwärme abgekühlte Flüssigkeit versetzt 
man mit 30 cem 10°/,iger Schwefelsäure und genau 25 ccm 0.1 n-Ferro- 
ammonsulfat. Nachdem unter Schütteln der Manganniederschlag klar 
gelöst ist, wird mit Permanganat auf schwach rosa Färbung zurück- 
titriert. Die Versuche werden mehrfach ausgeführt und die Mittelwerte 


gezogen. 

Bei strengem Innehalten der ausgemittelten Versuchs- 
bedingungen verbrauchte eine Standardlösung von 0,150 g 
Campher in 100ccm im Mittel 7,9 ccm 0,1 р-КМпО,. Die 
größte beobachtete Abweichung betrug 0,4 com = 0,0008 g 
Campher. Verbraucht die Standardlösung X, die zu untersuchende 
Y eem KMnO,, so hat die letztere also einen Gehalt von 
Ү!Х. 0,150 g Campher in 100 ccm. 


Wasserlöslichkeit des Camphers. 811 


Voraussetzung bei der Titration ist, daß die Konzentration der zu 
untersuchenden Flüssigkeit nicht allzuweit von 0,150 abweicht. Beträgt 
sie weniger als 0,100, so erhält man nur dann scharfe Werte, wenn man 
den Überschuß von KMnO, usw. entsprechend verringert. Bei einem 
Gehalt von 0,05 р auf 100 сот z. В. wurden mit 10 ccm Permanganat 
und 4 ccm Lauge richtige Zahlen erzielt. 

Löslichkeitsbestimmungen. Die untersuchten Lö- 
sungen stellte man (mit Ausnahme des Standards) aus dem 
Camphor. гай. des Arzneibuchs dar. Weil dieser sich nicht so 
gut pulvern läßt als das frisch sublimierte Präparat, mußte er 
mit ganz wenig Wasser in einer Reibschale verrieben und 
durch etwa 20maliges Nachspülen quantitativ in das Schüttel- 
gefäß übergeführt werden. Die Temperatur war 14 bis 17°. 

Hierbei gingen 0,5 g; 1,0g; 1,5g pro Liter schon innerhalb einiger 
Stunden völlig in Lösung, und die Titration der erhaltenen Lösungen 
ergab die richtigen Werte. 1,6 g brauchten etwa 30 Stunden und 2,0 g 
wurden auch nach 96stündigem Schütteln nicht restlos gelöst. Bereits 
hieraus kann man schließen, daß die Sättigungskonzentration zwischen 
0,16 und 0,20 liegen muß, wahrscheinlich näher dem ersteren Wert. 

Eine Anzahl bei mittlerer Temperatur gesättigter Lösungen, 
erhalten durch 4tägiges Schütteln, ergab bei der Titration als 
Sättigungskonzentration: 

C==0,167 g in 100 ccm. 


Aus der klaren, bei gewöhnlicher Temperatur gesättigten 
wäßrigen Lösung waren nach 2stündigem Schütteln bei 39° 
Campherkriställchen abgeschieden; Schütteln über Nacht bei 15° 
brachte sie wieder in Lösung. Bei neuerlichem Erwärmen 
fielen sie wieder aus usf. Dies bestätigt die oben erwähnte 
Feststellung, daB die Löslichkeit mit steigender Temperatur 
sinkt. In einem Einzelversuch fand sich die Konzentration 
der Lösung bei 39° zu 0,160, also etwas über 4°/, des 
Wertes geringer als bei Zimmertemperatur.“ 


Zusammenfassung. 


1. Die Löslichkeit des Camphers bei gewöhnlicher Теш- 
peratur in Ringerlösung wurde auf polarimetrischem Wege, 
nach verschiedenen Verfahren, im Mittel gefunden zu 0,173g 
in 100ccm Lösung=1:577. In reinem Wasser ergab sie 
sich, auf chemischem Wege, bei mittlerer Temperatur zu 
0,167 g іп 100 ccm Lösung=1:598. 


312 H. Leo und E. Rimbach: Wasserlöslichkeit des Camphers. 


Der Unterschied beider Werte fällt z. T. in die Fehler- 
grenzen; der Salzgehalt der Ringerlösung ist also von nur ge- 
ringfügigem Einfluß. 

2. Der Löslichkeitswert des Camphers in Wasser liegt 
wesentlich höher, fast doppelt so hoch, wie bis dahin allgemein 
angenommen wurde. 

3. Mit steigender Temperatur sinkt die Löslichkeit. Die 
Auflösung des Camphers in Wasser ist also, nach den Sätzen 
der Thermodynamik, ein exothermer, unter Wärmeentwick- 
lung sich vollziehender Vorgang. 


Über die Photosynthese des Formaldehyds und des 
Zuckers. 


Von 
Р. R. Kögel. S 


(Eingegangen am 2. Mai 1919.) 


Die Kohlensäureassimilation in der Pflanze wird bekannt- 
lich durch folgende Formelgleichungen dargestellt: 
6C0,-—+6H,0—=C,H „0, + 60,. 
Nimmt man Formaldehyd als Übergangsstoff an, so gilt 
für die Zwischengleichung 
6 CO, -+ 6 H,O = 6 НСОН —+60,. 
Formaldehyd 
Die Bildung der in der Pflanze nachgewiesenen Stärke aus 
Formaldehyd oder Zucker bringt man summarisch in folgender 
Weise zum Ausdruck: 
6 HCOH — H,0 = С,Н, 0, 
Formaldehyd Stärke 


С,Н,.0, ka H,O == C,H, ,0, $ 


ucker Stärke 

Die Hypothese der Bildung des Formaldehyds als erstes, 
zunächst nicht faßbares Produkt der Kohlensäureassimilation 
in der Pflanze wurde einst durch v. Bayer aufgestellt‘. Wenn 
nun im Laufe der Zeit — während annähernd 50 Jahren — 
manche Beobachtungen bekannt wurden, die diese Annahme 
stützen, so war es bisher doch nicht möglich, Formaldehyd als 
photochemisches Assimilationsprodukt in der Pflanze sicher 
nachzuweisen. Diese Tatsache spricht jedoch keineswegs gegen 
die v. Bayersche Annahme, da der Aldehyd bereits in seiner 


1) Die gegenwärtigen Verhältnisse ermöglichen es mir nicht, die 
Orginalabhandlung von у. Bayer u. а. nachzusehen. 


314 P. R. Kögel: 


Entstehungsform oder noch unmittelbar vorher zur Zucker- 
synthese verwendet werden kann, wofür wir theoretische Gründe 
alsbald kennen lernen werden. 

Die Herstellung des Formaldehyds bzw. Zuckers aus СО n 
und HO, ist chemisch ohne Lichtwirkung auf verschiedene 
Weise verwirklicht worden. Die photochemische Synthese des 
Formaldehyds wurde von D Berthelot und Gaudechon') 
durch Bestrahlung von Kohlendioxyd in Gegenwart von Wasser- 
stoff durchgeführt. Offenbar kann man diese Synthese nicht 
ohne weiteres der biologischen gleichstellen, da die Bedingungen 
sehr verschieden sind. Damit überhaupt irgendeine Photo- 
synthese des Formaldehyds bzw. des Zuckers in die biologische 
Versuchsordnung eingereiht werden kann, muß die Bildung 
der Zwischenprodukte bestimmt, d. h. photochemisch begründet 
werden. Dies soll im folgenden geschehen. 

Eine systematische Prüfung bisher bekannter photoche- 
mischer Reaktionen über Enol-Ketoumlagerungen ließ mich 
diese Umwandlung als eine sehr häufig stattfindende erkennen. 
Für unsere Zwecke wähle ich ein Beispiel, das den Vorgang 
klar zum Ausdruck bringt. 

Benzil С,Н, .СО.СО.О,Н, liefert am Licht unter Wasser- 
stoffaufnahme Benzil-Benzoin, wie einst Klinger?) festgestellt 
und Ciamician und Silber?) bestätigt haben. 


3C,H, а С.Н, + H, = SOA, 
-CO - CO- C,H, -С,Н, CO - CH(OH)CH, 


Benzil- nzoin 


Das Licht vollführt eine doppelte Aufgabe, die Bildung 
des Benzoins und seine Anlagerung an Benzil. 
Der erste Vorgang, der für uns von Bedeutung ist, soll auf 
folgende Weise dargestellt werden: 
C,H, -C= 0 C,H, C — OH C,H, C= О 


+H, | zap 
C,H, C=0 C,H,-C—OH ` GH, OHIO) 
Benzil Stilbendiol nzoin 


Der Übergang des Stilbendiols in Benzoin entspricht der 
Enol-Ketoumlagerung. Die Bildung des Zwischenproduktes, 


1) Compt. rend. 150, 1690, 1910. 
2) Ber. d Deutsch. chem. Ges. 19, 1864, 1886. 
з) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, III, 3594. 


Photosynthese des Formaldehyds und Zuokers. 315 


des Stilbendiols, wurde von Thiele durch die Fassung ent- 
sprechender Acetatderivate bestimmt. 

Dieser bei aromatischen Verbindungen festgestellte Vor- 
gang würde auf aliphatischem Gebiete in folgender Weise zur 
Photosynthese des Formaldehyds führen. Zwei Moleküle Kohlen- 
säure (CO,) bilden ein einfaches Polymeres. Die freien Valenzen 
befähigen es dazu. Die Photopolymerisation ist ein weitver-“ 
breiteter bekannter Vorgang. An die Sauerstoflatome lagert 


sich — wie beim Benzil — Wasserstoff an, was die freien 
Valenzen naturgemäß vermitteln'). 
0=Ct=0 HO — C — OH 
Lëtz | PO 
0= C0 HO — C — OH 
со, „ Tetraoxyäthylen 


Bei dem Übergang der Enol- in die symmetrische Keto- 
verbindung müßten sich die Valenzen kreuzen, wodurch eine 
Teilung des Moleküls unter Abspaltung von Sauerstoff eintritt. 
Dadurch entsteht Formaldehyd HCOH. Zugleich ist das Kern- 
gerüst für Zucker gegeben. 


H H 
OH — C — OH OH —C— 0 H.COH 
OH — C— OH . О — Сон H-COH 
H 
Enolform Ketoform Formaldehyd 
d OH H 
H.C-OH 90—С—0 - 
OH-C-H HO—C-H 
н.б.он H—C— 
H.Ċ.OH H—C—OH 
CH,OH 
Traubenzucker Traubenzucker 
(Gewöhnliche Formel) (Äthylenoxyd-Formel) 


1) Die gleiche Anlagerung des Wasserstoffes durch Licht findet man 
auch bei der Bildung des Hydrochinons und ChinhydronsC,H,0,-C,H,(OH), 
aus Chinon und bei anderen photochemischen Reaktionen. Ber. d. Deutsch. 
chem. Ges. 35, ПІ, 3594 ff. 


e 


316 P. R. Kögel: Photosynthese des Formaldehyds und Zuckers. 


Die Verbindung zweier Moleküle Formaldehyd und zwar 
auch hier im Sinne der photochemischen Benzoinbildung, führt 
am Licht zu den Endgruppen'!) СОН.СН,ОН: 


H 

2 3 HCOH CH,-OH 
a | > 

sf < OHCH CHO 
H 


1) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 44, 1035, 1911. 


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