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DR ibrary of
Princeton University.
Presented ір
Charles Millisten M’Alpin ,
Class of 88.
Biochemische Zeitschrift.
Beiträge
zur chemischen Physiologie und Pathologie.
Herausgegeben von
Е. Hofmeister-Straßburg i. Els., C. von Noorden-Frankfurt a. M.
E. Salkowski-Berlin, A. von Wassermann-Berlin, N. Zuntz-Berlin
unter Mitwirkung von
И. Ascoli- Catania, L. \sher- Bern, ©, Bertrand - Paris, A, Віскеі - Berlin, Е. Biumenthal-
Berlin, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhei. B., A.Durig-Wien, F. Ehrlich-
Breslau, Н, у. Euler-Stockholm, J. Feigl-Hamburg, 8. Fiexner-NewYork, J, Forssman-Lund,
8. Fränkel-Wien, Е. Freund-Wien, Н, Freundlich-Berlin-Dahlem, E. Friedberger-Greifswald,
E. Friedmann- Berlin, ©. v. Fürth-Wien, G. Galeottl-Neapel, Е, Haber- Berlin-Dahlem, Н. J, Ham-
burger - Groningen, Р. Hári- Budapest, A. Hefter - Berlin, V. Henri- Paris, V. Henriques-
Kopenhagen, W. Heubner-Göttingen, R. Höber-Kiel, М. Jacoby-Berlin, A. Koeh-Göttingen,
М. Kumagawa-Tokio, F. Landoit-Buenos Aires, L. Langstein-Berlin, Р. A. Levene-New York,
L. v. Liebermann-Budapest, J. Loeb-New York, A. Loewy-Berlin, A. Magnus- Levy- Berlin,
3. A. Mandel- New York, L. Marchlewski-Krakau, Р. Mayer-Karlsbad, J. Meisenheimer-Greifswald,
L. Michaelis- Berlin, Н. Molisch-Wien, J. Morgenroth - Berlin, E. Münzer- Prag, W. Nernst-
Berlin, W. Ostwaid - Leipzig, W. Palladin - St. Petersburg, W. Pauli-Wien, В. Pfeifler- Breslau,
Е. P. Pick Wien, J. Pohl- Breslau, Ch. Porcher- Lyon, Р. Rona- Berlin, 8. Sa'askin- St. Peters-
burg, N. Sieb r - St. Petersburg, М. Siegfried - Leipzig, 8. Р. L. BSörensea- Kopenhagen, И. Spiro-
Straßburg, E, H. Starilng-London, J. Stoklasa-Prag, W,8Straub-Freiburgi.B.. A. Stutzer-Königs-
berg i. Pr., Н. v, Tappeiner-München, H. Thoms- Berlin, P. Trendeienburg-Rostock, А. J, 3. Van-
deveide „Сеп, ©. Warburg-Berlin, W. Wiechowski- Prag, А. Wehl-Danzig, 2. Wohlgemuth-Berlin.
Redigiert von
C. Neuberg-Berlin.
Fünfundneunzigster Band.
MORPHOLOGICAL LABORATOFY,
GREEN SCHOOL OF SCIENCE,
Berlin.
Verlag von Julius Springer.
1919.
Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Nottbohm, Р. E. Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung
geeimet? а... а.а... Bu a AA 1
Halberkann, J. Chinin und Hydrochinin im menschlichen бека»
mus. Verhalten des Chinins gegen rote Blutkörperchen. . . . 24
Lange, €. Über Jod-Stärkereaktion und ihre Verwendung für eine
colorimetrische Eiweißbestimmung bei Immunitätsprozesen . . 46
Traube, J. und Hedwig Rosenstein. Über die Wirkung von oberflächen-
aktiven Stoffen auf Pflanzensamen ............. 85
Briokman, R. Einige Bemerkungen über die Bedeutung des Blut-
ЖАКЕ a Ehr nn ae Фао ЫМ Ла) Ia ée 101
Armbrecht, Walther. Beiträge zur Kenntnis der Chitose ..... 108
Jacoby, Martin. Über Bakterien-Katalase. III.. . . . . . . . . . 124
Dienes, L. · Studien zur quantitativen Bestimmung sehr geringer
Ca-, Mg- und P-Mengen in tierischen Substanzen . . . . .. . 131
Trendelenburg, Paul. Quantitative Messungen über die Spaltung des
Hexamethylentetramins . . . ......... e enee wd 146
Tunmann, ©. Über die Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen . 164
Boas, Friedrich und Hans Leberle. Untersuchungen über EE
bei Pilzen und Hefen. III... . . de fach 169
Richter- Quittner, M. Zur Methodik der hsmin KORE EA E:
Kritik der Enteiweißungsmethoden. . . 2»: 2 22... 0... 179
Vécsei, Anna. Beitrag zur Kenntnis der Hämagglutinine und Hämo-
Lentgen л ыы E are we ga Tee АЙС ЛЕК T EU
Acél, D. Über Resistenz der roten Blutkörperchen bei Stiokstof-
defizit und bei Inanition .................. 211
Schilling, Karl. Beitrag zur Lehre von der Biutgeriunung So a 090
Beumer, H. Zur pathogenetischen кү der Ölsäure bei An-
EE ENEE a dx ew e 080
Flury, Ferdinand und Wollgang еба. Über Wirkung und Ent-
giftung eingeatmeter Blausäure ........... .. e 249
IV
Seite
Нагі, Paul. Über die Lichtabsorption neutraler Lösungen von Oxy-
hämoglobin ......... ө ar enge, ее 65 лара ДЭЙ
Hári, Paul. Ist das ‚Absorptionsverhältnis (Vierordt) ein von der Art
des verwendeten Apparats (Spektrophotometer) unabhängiger,
charakteristischer Wert? .................. 266
• Kornfeld, Klara und Heinrich Lar. Untersuchungen über die Wärme-
tönung von Enzymreaktionen. V. Über die ER der
Organautolyse . . . . . . .. . Б өзө ЛӨ. ы ЛЕ Ss оа ОТО
Nord, Е. Р. Biochemische Bildung von ‘Aminoäthylalkohol aus Serin 281
Gonnermann, M. Der Eisengehalt der Öle, Fette, Wachsarten, Harze,
Gummiharze, Gummiarten; sowie einige Analysen über den Ge-
halt an Kieselsäure und Tonerde .......... . 286
Einbeck, Hans. Über quantitative Versuche mit CC 66
von Battelli und Stern эй Меле Are E EAR, tr 2% . . 296
Kögel, P.R. Über die Photosynthese des Formaldehyds und des
Zuckerss . ..... et ee Маас эв a "б e ar EEN
Autorenverzeichnis . 2 2 2 s 20 2 2er Жо» улу а р» ‚ 817
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung
8 geeignet?
Von
F. E. Nottbohm.
(Mitteilung aus dem Staatlichen Hygienischen Institut zu Hamburg.)
(Eingegangen am 11. März 1919.)
Mit 4 Figuren im Text.
Wiederholt ist der Einfluß des Lactationsstadiums auf
Zusammensetzung und Eigenschaften der Milch auf experimen-
teller Grundlage bearbeitet worden, so daß man im allgemeinen
über die Veränderungen der Milch bei fortschreitender Lacta-
tion unterrichtet ist. Soweit die umfangreiche Literatur über
diesen Gegenstand eingesehen werden konnte, finden sich aber
gerade in bezug auf das Ende der Lactation, d.h. diejenige
Zeit, in welcher nur noch sehr wenig Milch produziert wird,
keine zusammenhängenden Angaben über die in diesem Stadium
auftretenden weitgehenden Veränderungen. Wenn auch hin
und wieder Abweichungen einzelner Milchbestandteile von der
normalen Beschaffenheit einer Milch verzeichnet sind und sich
vereinzelt schon Andeutungen finden, daß die letzte Milch sich
nicht zur Verwendung als Kindermilch eignet, so ist doch eine
eingehende Prüfung der Frage, ob die Milch, die gegen Ende
der Lactation gewonnen wird, so weitgehende Abweichungen
von der Beschaffenheit einer normalen Milch zeigt, daß sie als
Säuglings- oder Vorzugsmilch nicht in den Verkehr gebracht
werden sollte, offenbar noch nicht vorgenommen worden.
Während in sehr vielen Milchverordnungen, unter anderen
auch in dem Hamburger Gesetz betreffend den Verkehr mit
Biochemische Zeitschrift Band 95. 1
о Е. Ё. Nottbohm:
Kuhmilch vom Jahre 1894 sich in bezug auf die gewöhnliche
Handelsmilch die Vorschrift findet, daß „nach dem Abkalben
gewonnene Milch so lange nicht in den Verkehr gebracht werden
darf, als sie beim Kochen gerinnt“, ist, soweit ermittelt werden
konnte, keine Vorschrift über Vorzugsmilch bekannt, die das
Produkt des letzten Stadiums der Lactation als Vorzugsmilch
ausschaltet. Der Entwurf einer Hamburger Verordnung über
den Verkehr mit Kuhmilch stellt zwar unter III. Beschaffen-
heit der Milch, im $ 8 die Anforderung, daß „von der Ein-
fuhr in die Stadt Hamburg und vom Verkehr daselbst auszu-
schließen ist, Milch, die kurz vor oder in den ersten Tagen
nach dem Abkalben gewonnen ist, solange sie beim Kochen
gerinnt oder nach Aussehen, Geruch und Geschmack die Eigen-
schaften gewöhnlicher Milch nicht besitzt“. Hier soll offenbar
nur die unmittelbar vor dem Kalben erzielte Milch be-
troffen werden, soweit sie nach leicht feststellbaren äußeren
Eigenschaften keine verkehrsfähige Milch darstellt, also das
Colostrum. Würde der Begriff „kurz vor dem Kalben“ so
weit gefaßt werden, daß auch die Milch, die am Ende der
Lactation erzielt wird, einbegriffen ist, so bliebe immer noch
zu ihrer Ausschließung vom Verkehr die Forderung, daß sie in
den angezogenen Eigenschaften von normaler Milch ab-
weichen muß.
Soweit bis jetzt aber schon festgestellt werden konnte,
besteht Grund für die Annahme, daß jede Milch gegen Ende
der Lactation in ihrer chemischen Zusammensetzung weitgehende
Abweichungen von gewöhnlicher Milch zeigt, ohne daß diese
Eigenschaften äußerlich erkennbar sind.
Die für diese Ansicht bereits vorliegenden Unterlagen
sollen nachstehend’ aufgeführt werden.
Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, daß die ein-
zelnen Milchbestandteile nicht unbeträchtlichen Schwankungen
unterworfen sind. Wenn daher in diesen Ausführungen von
einer Durchschnittsmilch gesprochen wird, so ist dies mit ge-
wissem Vorbehalt zu verstehen, da eine Reihe von Ursachen,
wie Rasse, Fütterung, Brunst, Melkzeit und andere mehr oder
weniger erhebliche Abweichungen von dieser Normalmilch be-
dingen können.
Nachfolgend ist die Zusammensetzung einer Milch, die
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 8
nach den Untersuchungen von Bremer und Sponnagel’) und
solchen, die im hiesigen Institut ausgeführt wurden, für das
in der Umgegend Hamburgs vorherrschende Niederungsvieh als
Durchschnittsmilch anzusehen ist, wiedergegeben und den von
König?) angeführten Zahlen für die mittlere Zusammensetzung
einer Frauenmilch gegenüber gestellt:
Fettfreie |Stickstoff-] Milch-
Spez. Gew.| Fett | Trocken- | substanz | zucker | Asche
bei 15° Da | substenz lin 100 eem än 100 сот) 2,
°% g g
Kuhmilch ... 1,0315 | 3,10 8,75 3,16 4,91 0,77
Frauenmilch . . | 1,0298 | 3,74 8,68 2,01 (9/,) | 6,87 (°/%)| 0,30
Ein Vergleich der vorstehenden Zahlen zeigt deutlich, wie
verschieden die beiden Milcharten ihrer chemischen Zusammen-
setzung nach sind. Die Kuhmilch übertrifft in erster Linie im
Aschengehalt die Frauenmilch um das Doppelte; daneben ist
sie auch erheblich reicher an Eiweißstoffen — ganz abgesehen
von deren Zusammensetzung —, während umgekehrt ihr Ge-
halt an Milchzucker niedriger liegt als bei der Frauenmilch.
Um demnach in einfachster Weise die Kuhmilch in
einigen wichtigen Punkten der natürlichen Nahrung des Säug-
lings ähnlich zu machen, verdünnt man sie zur Herabsetzung
des Protein- und Aschengehaltes mit Wasser unter gleich-
zeitigem Zusatz von Milchzucker. Das dabei eintretende
Herabdrücken des Fettgehaltes gleicht man im allgemeinen da-
durch aus, daß man entsprechend mehr Milchzucker zusetzt,
da 243 Teile Milchzucker 100 Teilen Fett isodynam sind.
Von einer alleinigen Verdünnung der Kuhmilch mit Wasser
ist schon aus dem Grunde abzuraten, weil dadurch der osmo-
tische Druck, der für Frauen- und Kuhmilch nahezu gleich
ist, herabgesetzt würde. Eine Milchzuckerlösung von 11,5 °/,
hat aber den gleichen osmotischen Druck wie Milch?).
Im allgemeinen kann somit unter der Annahme, daß die
1) Milchzeitung 38, 409, 1909.
з) Die menschlichen Nahrungs- und Genußmittel, 4. Aufl., 2,
598, 1904.
3) Jahrbuch für Kinderheilkunde 47, 389, 1898.
1*
4 F. E. Nottbohm:
zur Verwendung gelangende Kuhmilch in ihrer Zusammen-
setzung keine erhebliche Schwankung zeigt, durch Zusatz einer
bestimmten Menge Milchzuckörlösung ein annähernd gleich-
artiges Produkt erzielt werden.
Wie liegen aber die Verhältnisse, wenn als Ausgangs-
material für die herzustellende Mischung eine Milch verwendet,
wird, die erst gegen Ende der Lactation gewonnen ist?
Da nach dieser Richtung hin eine größere Anzahl von
Untersuchungen bisher nicht ausgeführt werden konnte, so muß
zunächst versucht werden, diese Frage unter Zuhilfenahme der
bereits vorliegenden Literaturangaben an der Hand der Zu-
sammensetzung von drei gelegentlich entnommenen Milchproben
altmelker Kühe zu beantworten.
Die bei den eigenen Untersuchungen ermittelten Zahlen
sind in der nachfolgenden Zusammenstellung aufgeführt:
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9,34 | 5,17 | 3,41 | 0,92 2,18
9,78] — | — | 0,83 1,80
11,46 | 7,25 | 3,06 | 1,20 2,42
1 |6. v.ıol 1 [| 1,0343 [4,70
73 |19. 11.14) 1}, | 1,0310 | 5,70
165 |19. Ш. 14] 1 | 1,0350 | 8,00
In allen drei Fällen handelt es sich um Tiere, die nur
noch sehr wenig Milch lieferten und die deshalb nur noch ein-
mal täglich gemolken wurden. Während die Milch der Kuh
Nr. 1 im Haushalte verwertet wurde, kam diejenige von Nr. 73
und 165 in den Verkehr und zwar, da die betreffende Wirt-
schaft besondere Sauberkeit in der Aufstallung der Tiere und
in der Behandlung der Milch vorsieht, als bevorzugte Milch.
Fett.
Sehen wir vom spezifischen Gewicht, das in zwei Fällen
ungefähr mit demjenigen einer Zentrifugenmagermilch über-
einstimmt, ab, so zeigt in erster Linie der Fettgehalt eine auf-
fallende Höhe. Würde man die Milch der Kuh Мг. 165 nach
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 5
dem Fettgehalt beurteilen, so müßte man sie als Rahm an-
sprechen.
Es kann aber nicht gleichgültig sein, ob ein Säugling
heute eine Milch mit einem Fettgehalt von 3,1°/, bekommt
und morgen eine solche mit einem Fettgehalt, der annähernd
dreimal so hoch liegt. Man wird vielleicht den Einwand er-
heben wollen, daß derartige Fälle nur ganz vereinzelt vor-
kommen und daß die Höhe des Fettgehaltes einzelner Gemelke
durch andere Milch ausgeglichen wird. Ich will aber vorweg
bemerken, daß auf dem Gut, von dem die Proben der Kühe
Nr. 73 und 165 kommen, die Kühe nach dem Milchertrag
gefüttert und zu dem Zwecke auch entsprechend aufgestallt
werden. So kommt es, daß sämtliche Kühe, die am Ende der
Lactation sind, zusammenstehen und daß infolgedessen unter
Umständen die Mischmilch ganzer Kannen nur von Tieren
stammt, die am Ende der Lactation sind und deren Milch,
wie später noch gezeigt wird, eine durchaus anormale Zu-
sammensetzung aufweist. Hinzu kommt, daß das Abkalben in
hiesiger Gegend in der Hauptsache in einem ziemlich eng be-
grenzten Zeitabschnitt erfolgt, so daß schon aus diesem Grunde
allein die Möglichkeit besteht, daß zeitweilig die Milch ganzer
Kannen nur von altmelken Kühen herrührt.
Ganz abgesehen von der außergewöhnlichen Höhe des
Fettgehaltes, macht sich gegen Ende der Lactation aber auch
eine tiefgehende Veränderung in der Beschaffenheit des
Fettes bemerkbar.
Erst kürzlich hat von Fodor!) diese Veränderungen ein-
gehend geprüft und sich hauptsächlich mit dem Säuregrad
befaßt. Bekannt "war bereits, daß die Menge der in Wasser
löslichen flüchtigen Fettsäuren (В. М. 7.) während der Lacta-
tionsperiode allmählich sinkt, während die Jodzahl zunimmt.
Fodor fand zunächst, daß Butter in den Monaten, in
denen das Abmelken vornehmlich stattfand, viel schneller ver-
dirbt als zu anderen Zeiten des Jahres. Um die Ursache
hierfür festzustellen, verbutterte er den Rahm der Milch von
frisch- und altmelken Kühen. Die erhaltene Butter zeigte,
-wenn sie noch am Tage des Melkens gewonnen war, für beide
1) Diese Zeitschr. 26, 235, 1913.
6 F. N. Nottbohm:
Arten ungefähr denselben Säuregrad.. War die Butterung
jedoch am Tage nach dem Melken vorgenommen, so übertraf
die Butter von altmelken Kühen die andere im Säuregrad
ganz erheblich. Fodor zieht auf Grund seiner Versuchs-
ergebnisse den Schluß, daß das Milchfett der altmelken
Kühe leichter zersetzbar ist als das der frischmelken.
Die schnelle Veränderlichkeit des Fettes muß naturgemäß den
Geschmack der Milch selbst bei kurzer Aufbewahrung schon
nachteilig beeinflussen. Fortgeschrittene Lactation soll nach
L. A. Rogers!) oft die Ursache eines ausgesprochen bitteren
Geschmackes der Milch sein. Aus eigener Anschauung kann
hierzu gesagt werden, daß die Milch der Kühe 73 und 165
am Tage nach der Probeentnahme bereits einen widerlich
säuerlichen Geruch aufwies, so daß sie in diesem Zustande für
den unmittelbaren Genuß untauglich war. Es ist anzunehmen,
daß solche Milch schon unmittelbar nach dem Melken sich
geschmacklich scharf von anderer Milch trennen läßt, eine
Eigenschaft, auf die der Säugling sofort reagieren wird.
Fettfreie Trockensubstanz.
Der Jahresdurchschnitt an fettfreier Trockensubstanz be-
trug in den Jahren 1912 und 1913 für die Hamburger Markt-
milch 8,83 bzw. 8,86°/,, bewegt sich also in relativ engen
Grenzen. Recht erhebliche, a zeigen dagegen die
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Fig. 1.
875
470
465
460
1) U. S. Dep. of. Agriculture. Farmers Bull. 490.
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 7
Durchschnittszahlen der einzelnen Monate, die der Übersicht
halber in der beifolgenden graphischen Darstellung I zu-
sammengestellt sind.
Um die Veränderungen in der Höhe der fettfreien Trocken-
substanz noch anschaulicher zu machen, ist die Darstellung II
so getroffen, daß hier nur diejenigen Milchproben, deren fett-
freie Trockensubstanz über 9°/, und damit schon nicht uner-
heblich über dem Jahresdurchschnitt liegt, zu den gesamten
untersuchten Proben in Beziehung gebracht sind.
Im allgemeinen läßt sich aus den Kurven I und II fol-
gendes ersehen: *
Vom Monat Juli an findet bis zum November ein gleich-
mäßig schnelles Ansteigen der Trockensubstanz statt, während
sie dann im Frühjahr, abgesehen von einem plötzlichen Ab-
fallen im Monat April, allmählich bis zum Juli wieder sinkt.
Unter dem jeweiligen Jahresdurchschnitt an fettfreier Trocken-
substanz sind, abgesehen vom Mai, die Monate April bis Oktober
zu verzeichnen, von denen wieder der Monat Juli die am
wenigsten gehaltreiche Milch liefert.
Auf welche Ursachen ist nun der hohe Durchschnitt an
fettfreier Trockensubstanz in den Wintermonaten zurückzu-
führen?
ZERSBERBERE
8 F. E. Nottbohm:
Die drei untersuchten Milchproben von altmelken Kühen
liegen mit 9,34, 9,78 und 11,46°/, fettfreier Trockensubstanz
sehr weit über dem Durchschnitt. Wenn diese Werte sich
auch lediglich auf Einzelgemelke beziehen, so zeigen die für
einzelne Monate aufgeführten Höchstwerte (Darstellung II)
doch, daß gleiche oder ähnliche außergewöhnliche Zustände
auch bei der Hamburger Marktmilch anzutreffen sind. Es ist
anzunehmen, daß, abgesehen von Einflüssen, die durch be-
sondere Fütterungsverhältnisse — Übergang zur Trocken-
fütterung — und andere Umstände bedingt sind, der hohe
Durchschnitt an fettfreier Trockensubstanz in den Winter-
monaten mit darauf zurückzuführen ist, daß um diese Jahres-
zeit die Mehrzahl der Milchtiere kurz vor dem Kalben steht
und in diesem Stadium Milch mit außergewöhnlich hoher fett-
freier Trockensubstanz liefert.
Es muß aber für anormale Mengen an fettfreier Trocken-
substanz in einer Kindermilch das gleiche gelten wie für
außergewöhnlichen Fettgehalt, d.h. es kann nicht gleichgültig
sein, ob ein Säugling einmal eine normal zusammengesetzte
Milch mit einer fettfreien Trockensubstanz von ungefähr 8,75 °/,
erhält und das andere Mal eine solche mit 9 bis 11 und mehr
Prozenten.
Stickstoffsubstanz.
Die Kurven für den Gehalt der Milch an Trockensubstanz
sind bis zu einem gewissen Grade abhängig von den Schwan-
kungen der Milch im Eiweißgehalte. Es soll daher versucht
werden, als Erklärung für das in allen drei Jahren sich be-
merkbar machende Sinken der Trockensubstanz im Monat
April — siehe Knickung der Kurven І und II — und für die
auffallende Höhe an Trockensubstanz in den Wintermonaten
gewisse im Verlaufe der Lactationsperiode regelmäßig auf-
tretende Schwankungen im Eiweißgehalte heranzuziehen. Hierbei
kann auf Versuche zurückgegriffen werden, die Eckleß und
Shaw!) an einer Reihe von Milchtieren während des Verlaufs
einer ganzen Lactationsperiode anstellten. Des besseren Ver-
gleichs halber teilen sie die Lactationszeit nach Abzug der
Colostralperiorde und der Zeit kurz vor dem Versiegen der
1) U. S. Dep. of. Agriculture. Bureau of Animal Industry Bull. 155.
і
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsrahrung geeignet? 9
ee
ei akeeft Date, 27
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=
Milch in etwa vierwöchige Abschnitte ein und geben den wirk-
lichen Durchschnittsgehalt an Stickstoffsubstanz für die Einzel-
abschnitte an. >
In der Darstellung III sind die von den Verfassern in
Zahlen angegebenen Werte aufgezeichnet. Die daraus sich er-
gebenden Linien zeigen die bemerkenswerte Tatsache, daß der
Eiweißgehalt der Milch jedes einzelnen Versuchstieres unmittel-
bar nach der Colostralperiode nicht unbeträchtlich abnimmt,
10 F. E. Nottbohm:
um nach einigen Monaten, d. h. gegen Ende der Lactation
weit über den anfänglichen Gehalt hinaus zu steigen.
Um das deutliche Sinken des Eiweißgehaltes am Anfang
der Lactationsperiode noch anschaulicher zu machen, zeigt
Darstellung IV den wöchentlichen Eiweißgehalt der Milch
in den ersten sechs Wochen nach der Colostralperiode.
7 Woche 5:2 A 4, 5
zi zog
——
М
300 He — ж
301 -—-—-
Überträgt man die Befunde der amerikanischen Forscher
auf die hiesigen Verhältnisse, so kann, da die Zeit des Ab-
kalbens hier hauptsächlich in die Wintermonate und zwar vor-
zugsweise in die Monate Februar und März fällt, dieser Um-
stand möglicherweise als Erklärung für das auffällige Sinken
des durchschnittlichen Gehaltes an fettfreier Trockensubstanz
im April herangezogen werden. Daß die hohen Trockensub-
stanzen der Wintermonate in erster Linie auf den zunehmen-
den Eiweißgehalt der Milch gegen Ende der Lactation zurück-
zuführen sind, läßt ein Blick auf die Darstellung III erkennen,
wo von der 7. bis 8. Periode an sämtliche Kurven lebhaft
ansteigen. Außerdem spricht für diese Anschauung neben
eigenen Untersuchungen der hohe Prozentsatz von Milchproben
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 11
mit über 9°/, fettfreier Trockensubstanz in den Winter-
monaten.
Da bei den Versuchen von Eckleß und Shaw nach dem
anfänglichen Sinken des Eiweißgehaltes dieser während der
ganzen übrigen Lactationsperiode lediglich eine aufsteigende
Tendenz zeigt und da die sonstigen für die Zusammensetzung
der fettfreien Trockensubstanz in Frage kommenden Stoffe nur
unerheblichen Schwankungen unterliegen, so bleibt dagegen
der für Hamburg festgestellte Tiefstand der Trockensubstanz
in den Sommermonaten zunächst unaufgeklärt. Möglich ist
allerdings, daß der Übergang von der Stallfütterung zum Weide-
gang, der in hiesiger Gegend ungefähr in die Mitte des Monats
Mai fällt, und die dann einsetzende ausschließliche Grasnahrung
eine Herabsetzung des Eiweißgehaltes der Milch bedingen. Im
vorliegenden Falle können jedoch für den Tiefstand der Trocken-
substanz in den Sommermonaten noch andere Momente in
Frage kommen, da die Berechnungen den durchschnittlichen
Gehalt der Hamburger Marktproben darstellen. Gegebenen-
falls wäre über die Ursachen der besprochenen Erscheinung
durch Untersuchung der Milch von Viehstapeln, die ausschließ-
lich Stallfütterung und solchen, die Weidegang haben, Klarheit
zu schaffen.
Ist der höhere Proteingehalt einer normalen Kuhmilch
gegenüber Frauenmilch schon ein maßgebender Faktor für ihre
Beurteilung als Ersatz für Muttermilch, so wird er zu einer
äußerst wichtigen Frage, wenn man annehmen muß, daß bei
der Nahrung eines Säuglings von heute auf morgen eine Er-
höhung des normalen Eiweißgehaltes um das Doppelte und
mehr eintreten kann. Die drei untersuchten Proben sprechen
jedenfalls für eine solche Möglichkeit. Bei Kuh Nr. 165 ist
der Eiweißgehalt etwa 3- bis 4mal so hoch wie der einer nor-
malen Frauenmilch.
Abgesehen von der beträchtlichen Zunahme der Protein-
stoffe gegen Ende der Lactation muß auch mit der Möglich-.
keit gerechnet werden, daß die einzelnen Eiweißarten in ihrem
Verhältnis zueinander gegenüber normaler Kuhmilch eine Ver-
änderung erfahren haben. н
Da a priori angenommen werden kann, daß durch eine
plötzliche Überfütterung eines Säuglings mit Eiweiß Ver-
12 F. E. Nottbohm:
dauungsstörungen auftreten, so kann man zu der Ansicht
kommen, daß in den Monaten, in denen sich die meisten Milch-
tiere am Ende der Lactation befinden, also im Spätherbst und
im Winter, ein Ansteigen der Säuglingserkrankungen zu ver-
zeichnen sein muß. Es erscheint deshalb nicht ausgeschlossen,
daß Vergleiche auf Grund statistischer Unterlagen auch nach
dieser Richtung hin Aufklärungen bringen können.
Milchzucker.
Der höhere Milchzuckergehalt der Frauenmilch gilt als
wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber Kuhmilch.
Nach den vorliegenden beiden Untersuchungen der Milch alt-
melker Kühe besteht Grund zu der Annahme, daß der Milch-
zuckergehalt im letzten Stadium der Laktation zurückgeht,
so daß dadurch die Verwendung solcher Milch als Säuglings-
nahrung noch mehr in Frage gestellt wird.
Daß man eine Milch, die in der letzten Zeit vor dem
Versiegen gewonnen ist, infolge ihrer von normaler Milch ab-
weichenden Zusammensetzung im allgemeinen schon durch die
gewöhnliche Milchuntersuchung wird erkennen können, dürfte
anzunehmen sein. Wie steht es aber, wenn eine Vermischung mit
normaler Milch stattgefunden hat, oder wenn sich die Ver-
änderungen noch nicht so stark bemerkbar machen, daß sie
die nicht unbeträchtlichen üblichen Schwankungen in der Zu-
sammensetzung gewöhnlicher Milch nicht übertreffen? In diesem
Falle lassen sich mit Hilfe der allgemein üblichen Unter-
suchungsweise keine Anhaltspunkte für die Gegenwart von
anormaler Milch finden. Man darf aber voraussetzen, daß sich
mit Rücksicht auf die Entstehungsweise der Milch in der Zu-
sammensetzung der Milchasche die Einflüsse der Lactation
bereits zu einem Zeitpunkte zeigen werden, wo sie anderweitig
noch nicht zu erkennen sind. Es erscheint daher angebracht,
den einzelnen Aschenbestandteilen der Milch verschiedener
Lactationsstadien ganz besondere Beachtung zu schenken.
In der nachfolgenden Tabelle ist die Zusammensetzung
einer Anzahl von Milchaschen wiedergegeben.
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 13
Zusammensetzung der Aschen von anscheinend nor-
maler Milch.
1:2,4
Schrodt & Hansen‘) погов 2448 | 1424 |1:2,3
König)...... 2465| 8,18 26.28 | 13,95 | 1: 3,0
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Orla Jensen?) . . .| 25,27| 6,01 27,32 | 13,99 |1: 4,20
V. Storch ®) 2474| 9,71 28.05 | 13,36 | 1:255
ENEE eebe 2123| 7,19 27,96 | 1245 |1:3,0
Kuh2 e ou 2407| 5,75 27.00 | 14,79 11:42
Kıh38...... 17,92] 4.76 30,63 | 9,65 | 1:38
Schrodt & Hansen nahmen während der Monate Januar-
September Aschenuntersuchungen in der Milch des Viehstapels
der Versuchsstation Kiel vor. Hierbei war es ihnen in erster
Linie darum zu tun, die Schwankungen festzustellen, die
im Laufe der Lactationszeit auftraten. Die in der Tabelle
wiedergegebenen Zahlen stellen die durchschnittliche Zusammen-
setzung der Asche dar, und zwar a) diejenige der aus Stall-
fütterung gewonnenen Milch, b) diejenige der aus Weidegang
erzielten. Die von König angegebenen Zahlen sind Mittelwerte
aus 16 Analysen.
Trunz untersuchte die Milchaschen von 2 Kühen während
einer ganzen Lactationsperiode Um die einzelnen Abschnitte
derselben miteinander vergleichen zu können, teilte er sie in
Perioden ein, die nach Abzug der sogenannten Colostrumperiode
als Perioden I bis III in der Tabelle wiedergegeben sind.
1) Nicht Äquivalent!
2) Mitteilung a. d. milchw. Versuchsstat. zu Kiel; durch landw. Ver-
suchsstat. 31, 55, 1885.
з) König, Chemie d. menschl. Nahrungs- u. Genußmittel IV. Aufl.,
2, 603, 1904.
4) Zeitschr. f. physiol. Chem. 40, 263, 1903/04.
5) Molkereizeitung f. Berlin 14, Nr. 44, 1904.
©) V. Storch, Analyse der Milch von tuberkulösen Kühen. Nach
Maly, ЈаһгевЬег. über die Fortschr. der Tierchem. 14, 170, 1884.
14 F. E. Nottbohm:
q
Orla Jensen prüfte den Einfluß der Mineralbestandteile
des Futters auf die Zusammensetzung der Milch. Die an-
gegebenen Zahlen toigan. den Durchschnitt aus 15 Einzel-
untersuchungen.
Storch wollte die Veränderungen der Milch bei Euter-
tuberkulose zeigen und stellt die gefundenen Werte solchen
von gesunden Kühen aus Dänemark gegenüber.
Die Werte für die Einzelgemelke der Kühe 1, 2 und 33
sind im hiesigen Institut ermittelt und aus einer Arbeit über
die Alkalität von Milchaschen herausgegriffen.
Zum Vergleich mit den obigen Werten ist in der nach-
folgenden Übersicht eine Zusammenstellung der Aschenbestand-
teile von solcher Milch wiedergegeben, die ausschließlich von
altmelken Kühen gewonnen wurde. Die Zahlen von Schrodt &
Hansen stellen die mittlere Zusammensetzung von 3 Milch-
aschen dar, die aus Mischmilch von 2, 4 und 3 altmelken Kühen
erhalten wurde.
19,41 21,30] 1:0,8
29,34| 16,33] 1: 0,7
ema Date 31,60| 2,72
Trunz Kuh 674 .
(letztesGemelk) .
Schrodt & Hansen
21,23] 3,53
20,97| 2,75
22,23] 24,77| 1:0,8
22,18 17,63] 1:1,3
20,61| 16,15
Vergleich der Aschenbestandteile von normaler Milch und
solcher, die von,altmelken Kühen stammt.
In der Höhe des Aschengehaltes übertrifft die Milch alt-
melker Kühe in Einzelfällen die normale Milch mit einem
Aschengehalte von etwa 0,77°/, ganz erheblich, was insbesondere
bei Kuh 165 hervortritt.
Stellt man die Einzelbestandteile der Aschen einander
gegenüber, so fällt sofort eine völlige Verschiebung des Ver-
hältnisses von Natron und Kali auf. Bei den Analysen von
König, von Orla Jensen und auch bei den eigenen Aschen-
untersuchungen normaler Einzelmilchproben überwiegt in allen
Fällen das Kali ganz beträchtlich, und zwar verhalten sich Na,0:
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 15
K,0=1:3,0 — 4,2. In ähnlichen Grenzen bewegen sich, wenn
man von einer Ausnahme absieht, die Zahlen von Trunz.
Bei den Proben von Schrodt & Hansen und von Storch
ist dagegen das Verhältnis bereits etwas verschoben, obgleich
auch hier immer noch das Kali beträchtlich vorherrscht. Von
den Proben b ist bekannt, daß sie von Kühen gewonnen sind,
die den Höhepunkt der Lactation überschritten haben. Von
den Proben a ist allerdings gesagt, daß sie aus einer Versuchs-
periode stammen, in der sämtliche Tiere frischmelkend waren.
Es ist also immerhin möglich, daß ein Heruntergehen des
Verhältnisses Na,0:K,O auf 1:2 noch zu den natürlichen
Schwankungen einer normalen Milch gehört, oder man müßte
annehmen, daß bei frischmilchenden Tieren der Kaligehalt der
Milchasche niedriger liegt als gewöhnlich.
Kuh 674 Serie III, bei der sich Natron und Kali ebenfalls
wie 1:2 verhält, kann hier aus einem später zu erwähnenden
Grunde unberücksichtigt bleiben.
Verhältnis von Natron : Kali in der Milch altmelker Kühe,
Aus der Übersicht der Aschen altmelker Tiere ist zu ent-
nehmen, daß in 3 Fällen, und zwar stets da, wo Einzelgemelke
in Frage kommen, nicht mehr das Kali, sondern das
Natron überwiegt.
Wenn bei den altmelken Kühen von Schrodt & Hansen
(siehe Tabelle) noch ein geringer Überschuß von Kali vor-
handen ist, so muß dabei berücksichtigt werden, daß die an-
geführte Asche die mittlere Zusammensetzung von 9 Einzel-
gemelken darstellt. Immerhin ist auch in diesem Falle das
Verhältnis von Natron zu Kali gegenüber normaler Milch
wesentlich verändert.
Untersuchungsbefunde, durch die eine Verschiebung der
Alkalimengen in der Milchasche festgestellt wird, finden sich
zwar in der Literatur, jedoch sind diese Beobachtungen
nur auf vereinzelte Fälle beschränkt geblieben und haben
offenbar keine Veranlassung gegeben, auf breiterer Grundlage
Versuche anzustellen, um daraus allgemein gültige Schluß-
folgerungen über die Beschaffenheit der Milch von altmelken
Kühen zu ziehen.
Um den Kali-, Natron- und Chlorgehalt der Milch mit dem
Gesamtorganismus der Säugetiere vergleichen zu können, unter-
16 F. E. Nottbohm:
suchte Bunget) unter anderem die Aschen der Milch von
9 Kühen, die in der Lactation ungefähr gleich waren, auf ihren
Gehalt an Alkalien: Er erhielt hierbei in der Milch von:
Kuh 1) 0,1748 K,O — 0,0678 Na,0, daraus berechnet sich Na,0 : K,O = 1 : 2,6
» 2)0,1716 sa — 0,0527 n n H H n =1:3,3
» 3) 0,1769 » — 0,0494 » H ” ” D ==1:8,6
» 4) 0,1884 sa — 0,0506 „ n 3 = n ==1:8,6
» 5)0,1865 » —0,0501 e ” H n n =1:3,7
» 6)0,1904 » — 0,0499 » H H H n ==1:8,8
n 7) 0,1879 E 0,0448 n n H ” n” =l 4,2
» 8)0,2125 „ — 0,0445 „ H H H n ==1:4,8
» 9)0,2187 » — 0,0373 e n ” ” ” ==1:5,7
Bunge erwartete von vornherein einen um so größeren
Kaliüberschuß, je reichlicher die Milchsekretion war, und fand
dies auch insofern bestätigt, als die Kuh, deren Milchsekretion
die spärlichste war, die natronreichste Milch lieferte und um-
gekehrt. Die mittleren Zahlen fügen sich allerdings diesem Ge-
setz nicht, weshalb Bunge meint, daß noch andere Faktoren
gleichfalls von Einfluß auf den Alkaligehalt sind.
Die von Bunge angewendete Methode zur Bestimmung von
Alkalien dürfte auch nach unseren heutigen Anschauungen als
einwandfrei gelten, weshalb den von ihm ermittelten Zahlen
Bedeutung beigelegt werden kann. Bemerkenswert ist, daß bei
der Milch von Kuh 9 das Verhältnis von Natron : Kali sogar
bis auf 1:5,7 steigt.
Bei einem anderen Versuche wollte Bunge den Einfluß
der Kochsalzentziehung studieren. Er gab einem Tiere zunächst
täglich 10 g Kochsalz, stellte dann die Darreichung von Salz
vom 5. bis 10. Dez. ein und untersuchte die Milch am 19. Dez.
Er erhielt:
0,1713 g K,O und 0,1230 Na,O, d. h. N,0:K,0 =1: 1,4.
Da das betreffende Tier bereits im April gekalbt hatte
und nur noch relativ wenig Milch gab, dürfte diese Mitteilung
von Bunge als Stütze für die eigenen Befunde herangezogen
werden können.
Schrodt & Hansens Untersuchungsergebnisss bewegen
sich ziemlich eindeutig in der gleichen Richtung. Auch diese
Autoren meinen, daß von den Veränderungen gegen Ende der
1) Zeitschr. f. Biol. 10, 295, 1874.
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 17
Lacatation vorzugsweise die Alkalien betroffen werden, da ins-
besondere das Mengenverhältnis des Natrons zum Kali ein ganz
anderes wurde, als sie es sonst bei Aschen von normaler Milch
beobachten konnten. Schrodt & Hansen glauben die Ursache
für die Verminderung des Kaligehaltes in der nachlassenden
Energie suchen zu müssen, mit welcher der Zerfall der Milch-
drüsen erfolgt.
Trunz, der gleichfalls die prozentische Veränderung: der
Milchaschenbestandteile im Laufe der Lactation verfolgte, fand,
daß bei 2 Versuchstieren der Kaligehalt in der Zeit der größten
Milchsekretion mit 26,87 und und 29,63°/, den höchsten Stand
erreichte, um dann zunächst langsam und in den beiden letzten
Monaten rasch und zwar schließlich auf 16,89 und 13,92%,
zu fallen.
Der Natrongehalt der Asche von normaler Milch liegt,
wie aus der Tabelle hervorgeht, zwischen 4,76 und 11,07°/,.
Der hohe Natrongehalt der Serie III von Kuh 674 wird lediglich
durch den 17,62°/, betragenden Natrongehalt des letzten Ge-
melkes verursacht. Im übrigen findet Trunz während der
ganzen Lactationszeit seiner beiden Versuchstiere nur einen
Natrongehalt von 3,24 bis 8,56°/ Die von Orla Jensen
untersuchten 15 Einzelaschen zeigen einen Natrongehalt von
5,39 bis 6,85°/, der Asche. Alle diese Befunde decken sich
demnach mit den eigenen und lassen den Schluß zu, daß der
Natrongehalt der Aschen von normaler Milch sich in ziemlich
engen Grenzen bewegt.
Bei der Milch altmelker Kühe liegt nach den bisherigen
Feststellungen der Natrongehalt der Asche zwischen 12,73 und
17,62°/,, also ganz erheblich höher als bei normaler Milch.
Hinsichtlich des prozentischen Gehaltes der Milchasche
an Kalk bewegten sich die für normale Milch und für solche
von altmelken Kühen erhaltenen Zahlen ungefähr innerhalb
gleicher Grenzen. Bei normaler Milch lag der Kalkgehalt der
Asche zwischen 20,56 und 29,42°/,. Wenn auch für den Kalk-
gehalt der Milch altmelker Kühe bisher nur wenige Unter-
suchungen herangezogen werden können, so zeigen die zwischen
20,97 und 31,60°/, liegenden Werte doch bereits, daß wesent-
liche Veränderungen durch das Fortschreiten der Lactation
kaum zu erwarten sind. Erwähnt sei hier, daß bereits früher
Biochemische Zeitschrift Band 95. 2
18 F. E. Nottbohm:
in den Aschen von 20 Stallproben Kalkbestimmungen aus-
geführt wurden, wobei allerdings hinsichtlich der Lactationszeit
der Milchtiere keine besonderen Feststellungen getroffen werden
konnten. Der Kalkgehalt schwankte damals zwischen 19,68
und 28,189.
Trunz fand bei Kuh Nr. 655 in den beiden letzten
Monaten der Lactation eine ganz erhebliche Zunahme des
Kalkgehaltes, während derselbe sich bei Kuh Nr. 674 bis zum
Schluß in ganz normalen Grenzen hielt. Der Kalkgehalt des
letzten Gemelkes der ersten Kuh mit 32,95°/, geht allerdings
noch über den diesseits ermittelten Höchstwert von 31,60°/,
hinaus.
Trunz zieht aus seinen Versuchen den Schluß, daß zwar
das Casein mit fortschreitender Lactation eine bedeutende
Zunahme erfährt, die nicht an Casein gebundene Kalkmenge
jedoch nahezu: die Gleiche bleibt, weshalb die Milch altmelker
Kühe weniger intensiv auf Lab reagiert, als zur Zeit, wo
der Caseingehalt niedriger ist.
Der Magnesiagehalt der Milchasche bewegt sich abgesehen
von der Colostrumperiode für die übrige Lactationszeit in un-
gefähr gleichen Grenzen. Für normale Milch ergeben sich Werte
von 1,63 bis 3,35°/, und für Milch altmelker Kühe solche von
2,72 bis 3,53°/,.
Der Gehalt an Phosphorsäure in der Asche von normaler
Milch schwankt zwischen 24,48 und 30,63°/,, während er bei
Milch von altmelken Kühen zwischen 19,41 und 29,34°/, liegt-
Sieht man von der Kuh Nr. 165 mit 29,34°/, P,O, ab, so er-
reichen die übrigen 3 Proben noch nicht den niedrigsten Wert
für normale Milch. Man kann demnach schließen, daß im all-
gemeinen der Phosphorsäuregehalt der Asche am Ende
der Lactation tiefliegt, daß aber vereinzelt Ausnahmen
vorkommen. Durch diese Feststellung finden wahrscheinlich
auch die in der Literatur vertretenen verschiedenartigen An-
schauungen über den Phosphorsäuregehalt der Milch bei fort-
schreitender Lactation eine Erklärung. d
Trunz glaubt sich in diesem Punkte im Gegensatz zu
Schrodt & Hansen und zu Kort der von Andouard aus-
gesprochenen Erkenntnis anschließen zu müssen, daß der pro-
zentische Phosphorsäuregehalt der Asche mit fortschreitender
lst die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 19
Lactation sich bedeutend vermindere. Bei Kuh 674 findet
er allerdings eine beträchtliche Verminderung des Phosphör-
säuregehaltes. Dieser beträgt im letzten Gemelk nur 22,23 °/,;
dagegen ist in der Milch von Kuh 655 ein in Betracht
kommendes Heruntergehen des Phosphorsäuregehaltes nicht zu
erkennen.
Auch hier werden sich entscheidende Feststellungen erst
an der Hand eines größeren Materials treffen lassen.
Der Chlorgehalt der Asche normaler Milch liegt, wenn
wir von Kuh 674, Serie III, absehen, zwischen 9,65 und 17,05°/,,
derjenige der Milch altmelker Kühe zwischen 16,33 und 24,77°/,.
Bereits Schulte-Bäuminghaus!) hat eine Steigerung im
Chlorgehalt bei fortschreitender Lactation festgestellt. Trunz
konnte allerdings nur in einem Fall, dann aber auch eine ganz
beträchtliche Zunahme des Chlorgehaltes wahrnehmen, im an-
deren Falle hielt sich der Chlorgehalt ziemlich gleichmäßig‘
während der ganzen Lactationsperiode.
Allem Anscheine nach ist gegen Ende der Lactations-
zeit mit einer Erhöhung des Chlorgehaltes zu rechnen; die
aber womöglich erst in den letzten Gemelken deutlich zu-
tage tritt.
Eine Veränderung innerhalb der Salze, insbesondere eine
Zunahme des Natrium- und ein Zurücktreten des Kalium-
gehaltes in der Milch altmelker Kühe ist insofern von
weittragender Bedeutung, als die Salze der Milch in er-
nährungsphysiologischer Hinsicht eine große Rolle spielen.
Sind sie es doch ausschließlich, aus denen der Säugling
während eines beträchtlichen Zeitraumes das anorganische
Material zur Blutbildung und zum Aufbau des Knochen-
gerüstes entnimmt.
Nach Besprechung und Festlegung der Veränderungen,
die in der prozentischen Zusammensetzung der Asche ein-
treten, wenn sich die Milchsekretion dem Ende zuneigt, soll
noch kurz ein Vergleich gezogen werden mit der Asche einer
Milch, die von einer mit eitriger Streptokokkenmastitis be-
hafteten Kuh stammt.
1) Mitteilung der landw. Institute der Univ. равоч 2, 1; durch
Zeitschr. f. physiol. Chem. 40, 295, 1902/3.
dg
20 F. E. Nottbohm:
4 Aschen
altmelker Kühe
14,18 | 15,68 | 24,28 | 2,97
Mittel aus den
23,29 | 20,01 | 1:0,9
Kuh mit eitriger
Streptokokken-
mastitis
13,75 | 20,80 | 17,75 | 2,16 | 21,89 | 22,20 | 1: 0,7
Aus der weitgehenden Übereinstimmung der beiden Aschen
geht hervor, daß alle charakteristischen Merkmale der
Milchaschen altmelker Kühe sich auch bei Sekreten
finden, die aus erkrankten Drüsen stammen. Das Ver-
hältnis von Natron zu Kali ist gegenüber normaler Milch ver-
schoben, der Phosphorsäuregehalt liegt tief, und der Chlor-
gehalt ist beträchtlich erhöht.
Es erscheint angebracht, an dieser Stelle auf die Unter-
suchung einer Milch von einem mit Eutertuberkulose behafteten
Tiere hinzuweisen, die von Storch!) ausgeführt wurde Er
fand die Milch der kranken Drüse außerordentlich arm an
Kalk und Phosphorsäure, während der Gehalt an Natrium stark
vermehrt war. Aus seiner Analyse berechnet sich ein Ver-
hältnis von Natron: Каі = 1:0,27. Beim Vergleich mit der
Milch aus den gesunden Drüsen derselben Kuh stellt er fest,
daß diese auffallend reich an Eiweiß ist. Die Zusammen-
setzung war folgende:
Na,0:
Fett кеш, KA
6,50 | 5,89 н 1,01 GE 24,67| 3,43 25,42 | 0,19 | 1:0,6 25,42 | 0,19 | 1:0,6
Diese Milch paßt ihrer Zusammensetzung nach in allen
Werten mit Ausnahme des Chlors zu den angeführten Milch-
proben von altmelken Kühen und ist mit ziemlicher Sicherheit
als solche anzusprechen. Für den auffallend niedrigen Chlor-
gehalt fehlt allerdings jede Erklärung. Wenn Storch in der
Ми. СаО | MgO | Р,0,
Nase xati
1) L o.
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 21
Milch gesunder Kühe einige Male dasselbe beobachtet haben
will, so ist diese Erklärung mit Vorsicht aufzufassen, da eine
derartige Beobachtung einzig dazustehen scheint.
Faßt man die Ergebnisse der vorliegenden Ausarbeitung
zusammen, so ist als festgestellt anzusehen, daß die Milch alt-
melker Kühe sich in ihrer Zusammensetzung von normaler
Milch so weitgehend unterscheidet, daß sie eine Sonderstellung
einnimmt.
Zu einer ähnlichen Anschauung sind Bienert!) und
Auzinger?) gekommen, aber auf anderem Wege. Bienert
äußert auf Grund des Ausfalles der Labgärprobe die Ansicht,
daß Milch von altmelken Kühen sich nicht zur Kinder-
ernährung eignet.
Auzinger stellt die Forderung auf, daß als Kindermilch
in keinem Falle Milch Verwendung finden darf, die bei der
einfachen Alkoholprobe mit 70 Volumproz. Alkohol gerinnt. Da
er an anderer Stelle darauf hinweist, daß unabhängig vom
Säuregrad frische Einzelmilch nicht selten gerinnt, wenn sie
von altmelken Kühen gegen Ende der Lactation stammt, wo
der Säuregrad häufig erniedrigt ist, so will auch dieser For-
scher schon einen Teil der Milch altmelker Kühe als Kinder-
milch ausschalten.
Die Anschauungen von Bienert und Auzinger finden
durch die Feststellungen der vorliegenden Arbeit eine erheb-
liche Stütze. Darüber hinaus muß aber gleichfalls in Er-
wägung gezogen werden, ob Milch, die im letzten Stadium der
Lactation gewonnen wird, nicht überhaupt vom Verkehr aus-
zuschließen ist.
Vorerst dürfte es sich empfehlen, die aus dem bis heute
zur Verfügung stehenden wenig umfangreichen Material unter
Heranziehung der bereits vorliegenden Literaturangaben ge-
folgerten besonderen Eigenschaften der Sekrete altmelker Kühe
durch eine größere Anzahl ähnlicher Untersuchungen nachzu-
prüfen. Zu dem Zwecke müßten, um möglichst alle durch
Rasse, Fütterung usw. bedingten Schwankungen in der Zu-
sammensetzung der Milch zu treffen, längere Zeit hindurch aus
1) Deutsche Milchwirtschaft in Wort und Bild 1914, 31.
2) Molkerei-Zeitung Hildesheim 28, 458, 1914.
22 F. E. Nottbohm:
einer Reihe von Viehhaltungen verschiedenster Art Milchproben
zur Untersuchung entnommen werden.
Nur so wird es unter Umständen möglich sein, nach ge-
wissen Richtlinien den Zeitpunkt festzulegen, von dem an eine
solche Milch nicht mehr als Vorzugsmilch oder überhaupt nicht
mehr in Verkehr gebracht werden darf.
Vielleicht kann hierfür die Verschiebung des Verhältnisses
der Alkalien zueinander als maßgebend herangezogen werden.
Es bliebe noch nachzuweisen, ob das Zurücktreten des Kaliums
allmählich vor sich geht, oder ob ein schneller Übergang zum
Vorherrschen des Natriums führt. Feststellungen in dieser
Richtung können uns vielleicht auch in der Frage, in welcher
Weise die Milch innerhalb des Tierkörpers entsteht, einen
Schritt weiter bringen.
Daß die Natronsalze in der Milch altmelker Kühe vor
den Kalisalzen überwiegen, läßt den Schluß zu, daß zu diesem
Zeitpunkt das Blutserum bei der Bildung des Sekretes eine
weit größere Rolle spielt, bzw. seine Ausscheidungsprodukte
mehr in die Erscheinung treten als zur Zeit normaler Milch-
sekretion.
Hinsichtlich des Verhältnisses von Natron: Kali zeigen die
Milch altmelker Kühe, pathologische Milch bei Euterentzün-
dungen (Mastitis und Tuberkulose) und Blutserum weitgehende
Übereinstimmung. Nach Bunge!) und Abderhalden?) be-
rechnet sich im Rinderblutserum Natron : Kali = 1 : 0,06.
Durch die Wirkung der in einer pathologischen Milch vor-
handenen Blutflüssigkeit (Serum) wird die Gerinnung nach Lab-
zusatz verhindert. Auf dieser Erscheinung fußt bekanntlich
die sogenannte „Labhemmprobe“ zur Diagnose der patho-
logischen Milch und der Euterentzündungen. Eine Milch, die
von altmelken Kühen gewonnen ist, muß sich gegen Lab ganz
ähnlich verhalten wie pathologische Milch. Für die Frage der
Intensität der Labhemmprobe wäre es von Bedeutung zu
wissen, ob die hemmende Wirkung erst eintritt, wenn die
Natronsalze überwiegen oder schon beim Heruntersinken der
Kaliumsalze.
1) Zeitschr. f. Biologie 12, 191, 1876.
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 23, 511, 1897.
Ist die Milch altmelker Kühe als Säuglingsnahrung geeignet? 23
Durch die Verschiebung der Mengenverhältnisse der beiden
Alkalien kann möglicherweise auch die Löslichkeit des Caseins
beeinflußt werden.
Eine Nachprüfung der schon jetzt vorliegenden Befunde
an möglichst reichem Material empfiehlt sich schon aus dem
Grunde, weil das Zurückweisen der Milch altmelker Kühe vom
Verkehr in bisher scheinbar überall bestehende Gewohnheiten
eingreift und somit in wirtschaftlicher Hinsicht fühlbare Folgen
haben kann.
In ernährungsphysiologischer Hinsicht aus den vorliegen-
den Befunden schon weitergehende Schlüsse zu ziehen, dürfte,
so sehr die Ergebnisse dazu anregen können, verfrüht sein.
Sowie aber die erforderlichen Nachprüfungen stattgefunden
haben und die in der Arbeit festgelegten Befunde bestätigt
sind, sollten klinische Versuche folgen.
Chinin und Hydrochinin im menschlichen Organismus.
Verhalten des Chinins gegen rote Blutkörperchen.
Von
J. Halberkann.
(Aus dem Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten zu Hamburg.)
(Eingegangen am 22. März 1919.)
Es ist eine schon längst bekannte Tatsache, daß das
Chinin unter normalen physiologischen Bedingungen den mensch-
lichen Organismus teilweise zu passieren vermag, der größere
ə Teil hingegen eine Zerstörung erleidet, deren Verlauf und
Produkte allerdings unbekannt sind. Da es vielen, die sich
mit der Aufklärung dieses Zerfalles beschäftigt haben, nicht
gelang, neben unverändertem Alkaloid ein Abbauprodukt zu
finden, ist die Meinung allgemein geworden, daß der ange-
griffene Anteil restlos verbrannt wird, so daß die Endprodukte,
Wasser, Kohlensäure und Ammoniak resp. einfache Bausteine
aus diesen, als solche nicht in Erscheinung treten können. Eine
so vollkommene, ohne Zwischenprodukte auslaufende Oxydation
ist mit der sonst beobachteten Stabilität der beiden im Chinin-
molekül enthaltenen heterozyklischen Ringe, des Piperidin- und
besonders des Chinolinkomplexes, schlecht in Einklang zu
bringen, die auch in vitro sich gegen Oxydationsmittel recht
beständig erweisen. Deshalb scheint mir eine völlige oxyda-
tive Aufspaltung doch nicht wahrscheinlich, obgleich auch ich
mich bisher vergebens bemühte, Spaltstücke aufzufinden.
Das unverändert ausgeschiedene Alkaloid, dessen Menge
normalerweise zwischen 15 bis35°/, schwankt, wird zur Haupt-
sache durch die Nieren eliminiert, nur ein geringer Bruchteil
wird mit den Faeces ausgeschieden. So ergaben Gewichtsbe-
J. Halberkann: Chinin und Hydrochinin im Organismus. 25
stimmungen in dem Stuhle eines Malarikers, der wunschgemäß
täglich 2 g (4 mal 0,5 g) Chinin hydrochlor. per os erhalten hatte,
an fünf aufeinander folgenden Tagen im Durchschnitt pro Tag
2,1°/, des vereinnahmten Chinins. Mariani fand 2,67 9/,!),
andere Untersucher [Kerner?), Merkel’), Schmitz‘), Giemsa
und Schaumann?)] nichts bis Spuren, Flamini), allerdings
beim gerbsauren Chinin, in zwei Fällen 7,8%, und 14,8 9/,.
An obigen fünf Kottagen enthielten die Harne 20,6, 16,7, 29,2,
31,6 und 30°/, des eingenommenen Chinins. Die Höhe der
Ausscheidung durch den Harn ist nicht abhängig von der
Dauer der Einnahme [Prophylaxe und Medikation "1207 und
eventuell eingeschobener Arsenbehandlung 15), 16), 8s u. b), 18), die
bei drei Prüfungen®b) gleichmäßig am ersten Tage eine Senkung
zu verursachen schien, die am zweiten Arsentage aber wieder
ausgeglichen war. Die Schwankungen zeigen sich aber nicht
nur bei verschiedenen Menschen, sondern auch bei dem gleichen
Individuum, ohne Regel, von Tag zu Tag'”), so daß eiņe Kon-
stanz nicht eintritt. Wodurch dies bedingt wird, ist nicht klar-
gestellt, jedoch spielen, abgesehen von Disposition, die Menge
und Art der Nahrung, die Art der Chinineinverleibung und
die Menge des Urins sicherlich dabei eine Rolle.
Daß das Harnchinin keine tiefgreifenden Veränderungen
erfahren hat, ist schon längst wahrscheinlich gemacht worden,
wenn sich auch neben diesem Chinin noch alkaloidartige Um-
wandlungsprodukte finden sollen, so das Dihydroxylchinin von
Kerner’), identisch mit Skraups Chitenin 18), ferner nach
Merkel?) je eine Substanz basischen und sauren Charakters.
Unter anderen schloß Personne?) aus den Formen der Salze
und aus dem Drehungsvermögen des Sulfates, Schmitz‘) aus
den Eigenschaften und dem Säuregehalte des schwefelsauren
Salzes, aus dem Wassergehalte des Platinates und dem Schmelz-
punkte der Base, daß es sich nur um unverändertes Chinin
handele. Giemsa und Schaumann?) prüften diese Angaben
nach und fanden sie durch den Wassergehalt und durch die
Schwefelsäurebestimmung des basischen Sulfates und gemäß
des Schmelzpunktes der Base bestätigt und legten durch die
Elementaranalyse der Base selbst das Resultat endgültig fest.
Späterhin haben noch М№івһі 15) aus der Zusammensetzung
des citronensauren Salzes, das aber nach Katz nicht konstant
26 J. Halberkann:
zusammengesetzt sein soll, und aus dem Metallgehalte des
Platinates und Katz?) aus dem Wasser- und dem Platingehalte
des Doppelsalzes, ferner aus dem Jodgehalte des Herapathites
geschlossen, daß es sich um unverändertes Chinin handele.
Im Verlaufe einer vor einiger Zeit mit Giemsa gemein-
sam veröffentlichten Arbeit?!) über China-Alkaloide wurde fest-
gestellt, daß das basische Chininsulfat, das mit 8 Molekülen
Wasser krystallisiert, die unter Verwitterung teilweise schon
bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft abgegeben werden,
entgegen den Angaben in der Literatur über Schwefelsäure
das Wasser nicht bis auf 2 Moleküle, sondern restlos abgibt,
wenn auch die letzten Anteile nur langsam entweichen. Da
infolge dieser Beobachtung eine gewisse Unsicherheit in die
Ergebnisse von Giemsa und Schaumann’) getragen war,
habe ich die Charakterisierung der Base nochmals durchgeführt.
Zur Isolierung der notwendigen Alkaloidmengen aus dem
Harne bediente ich mich nicht des umständlichen direkten
Ätherverfahrens, sondern ich habe, wenn auch mit Verlust,
eine vorherige Konzentration der Base mittels Quecksilberjodid
vorgenommen. Katz?°) hält dessen Anwendung für untunlich,
da er feine Suspensionen erhielt, die er weder durch Absetzen
klären, noch filtrieren, noch auch durch längeres Zentrifugieren
separieren konnte. In Wirklichkeit bereitet die Sammlung der
Fällung keine Schwierigkeiten; man muß nur genügende Men-
gen der essigsauren Lösung des Kaliumquecksilberjodides zu-
geben, dessen Überschuß sich ja leicht aus den Filtraten zu-
rückgewinnen läßt. Nach dem Absetzen im Eisschranke wurde
die überstehende Flüssigkeit klar abgegossen und die aus un-
gefähr 100 1 Harn gesammelten Niederschläge über Talkum
filtriert und mit Essigsäure enthaltendem Wasser ausgewaschen.
Zur Weiterverarbeitung hätte man nun in saurer Anschwem-
mung das Quecksilber durch Schwefelwasserstoff entfernen und
das Filtrat einengen oder nach Alkalisierung ausäthern können.
Ersterer Weg ist nicht betretbar wegen der leichten Disso-
ziation des Jodwasserstoffes und der unvermeidlichen Einwir-
kung des Jodes auf die Basen; da deshalb doch geäthert werden
muß, umgeht man die umständliche und unangenehme Ab-
scheidung des Quecksilbers als Sulfid, nach einer Methode, die
nachfolgend beschrieben ist und in manchen anderen Fällen,
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 27
in denen es sich um durch Quecksilberjodid fällbare, in Na-
tronlauge unlösliche Substanzen handelt, ebenfalls gute Dienste
leisten dürfte. — Übrigens hat Meyer ein ähnliches Verfahren
vorgeschlagen, den entstandenen Quecksilberniederschlag mit
alkalischem Zinnchlorür umzusetzen und die entstandene Flüssig-
keit auszuäthern; jedoch bewährte sich Kerner?) diese Me-
thode nicht.
Der vom Talkum zurückgehaltene Harnniederschlag wurde
noch feucht mit Wasser angeschlemmt, in eine größere Stöpsel-
flasche übergeführt, Natronlauge zugefügt und so lange mit Natri-
umsulfidlösung versetzt, bis das gebildete Quecksilbersulfid beim
Schütteln mit hellbrauner Farbe in Lösung ging. Dann wurde
von Talkum und Filterresten abgesaugt, der Rückstand aus-
gewaschen, getrocknet und mit Äther extrahiert. Dieser Äther-
auszug wurde sofort zum Ausschütteln des mit Kochsalz ver-
setzten Filtrates weiterverwand. Nach dem Waschen und
Trocknen der vereinigten Ätherauszüge wurde das Lösungsmittel
verjagt, der Rückstand in wenig Alkohol gelöst, mit Schwefel-
säure schwach kongosauer gemacht, die gleiche Menge Wasser
zugesetzt und längere Zeit mit Tierkohle in der Wärme dige-
vert, Das fast alkoholfreie, schwachgelbe Filtrat wurde in
der Siedehitze mit Soda gegen Lackmus neutralisiert und nach
Zusatz von Talkum kochend heiß filtriert. Beim Erkalten
schieden sich lange, wenig hellgrau gefärbte, teils in Büscheln
angeordnete Nadeln ab, die genau wie basisches Chininsulfat
aussehen. Nach nochmaligem Ausschütteln mit Äther und
Wiederüberführung in das basische Sulfat waren die Krystalle
völlig farblos, die zur Erzielung möglichst reiner Substanz
durch Störuhg mikrokrystallinisch abgeschieden wurden.
Wie schon erwähnt, gibt das basische Chininsulfat über
Schwefelsäure sein Krystallwasser völlig ab. Dieses entwässerte
Sulfat nimmt jedoch an der Luft in kürzester Zeit genau
2 Moleküle Wasser wieder auf, ein Verhalten, das zur Kenn-
zeichnung sehr geeignet ist?!). Das oben isolierte Sulfat zeigte
scharf dieses Verhalten: über Schwefelsäure erfolgte völlige
Entwässerung, und das so oder durch Erhitzen wasserfrei ge-
wonnene Sulfat nahm 2 Moleküle Wasser wieder auf.
0,7238 g über Schwefelsäure entwässertes Sulfat zogen nach 25
0,0341 g, nach 24 0,0352 g Wasser an.
28 J. Halberkann:
0,8391 g bei 120° getrocknetes Sulfat zogen nach 2 0,0382 g,
nach 24h 0,0403 g Wasser an.
Für (C,,H,,0,N,),-SO,H,-2H,O (Mol.- Gew. 782,7)
berechnet 4,60 %/,,
gefunden nach 25 4,50°/,, nach 24b 4,64°/, H,O,
e n 25 4,359, „ 24b 4,58%, H,O.
Der Gehalt an Schwefelsäure wurde gleichfalls stimmend
gefunden.
0,3912 g wasserfreies Sulfat gaben 0,1240 р SO, Ba,
0,4204 » 9 nm п 0,1310» SO,Ba.
Für (С,,Н,,0,М,),:80,Н, (Mol.-Gew. 746,7)
berechnet 13,14°],,
gefunden 13,31°/, und 13,09°/, SO,H,.
Zur ferneren Charakterisierung wurde über das chlor-
wasserstoffsaure Salz hinweg das Platindoppelsalz bereitet,
dessen Wassergehalt und Elementaranalyse eindeutig für Chinin
sprechen.
0,4673 g Platindoppelsalz verloren 0,0102 g an Gewicht. —
0,1660 g lufttrockenes Platindoppelsalz gaben 0,1935 g CO,,
0,0594 g H,O, 0,0431 g Pt. — 0,1757 g Doppelsalz lieferten
0,2006 g AgCl.
Für C,,H,,0,N, ·-РЬС1,Н, -H,O (Mol.-Gew. 752,3)
berechnet H,O 2,40 °/,, С 31,91°/,, Н 3,75 °/,,
Pt 25,95°/,, Cl 28,28,
gefunden H,O 2,18°/,, С 31,80°/,, Н 4,00%,
Pt 25,96°/,, Cl 28,24.
Die Base selbst zeigte in 1,5172 volumprozentiger, absolut
alkoholischer Lösung im 200 mm-Rohr bei 20° eine Drehung von
— 5,06°, demnach ist q 20° —-166,7°. Diese Drehung stimmt
mit der in der Literatur angegebenen spezifischen Drehung
für Chinin überein, die nach Oudemans???) — 164,7° bis
— 169,80 (bei 0,49 bis 17°), nach Hesse”) — 169,259 bis
— 170,59 und nach Rabe?) — 158,2° und — 158,79 (bei 15°
resp. 20°) beträgt.
Nach allen diesen Befunden, in Beihalt der qualitativen
Prüfungen (leichte Oxydierbarkeit durch Kaliumpermanganat in
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 29
schwefelsaurer Lösung, Fluorescenz, Thalleiochinprobe, Schmelz-
punkt der Base) ist festgestellt, daß das nach obiger Methode
aus dem Harn nach Chinineinnahme isolierte Alkaloid unver-
ändertes Chinin ist.
Wenn es auch unwahrscheinlich, jedoch nicht gänzlich aus-
geschlossen schien, daß das Chinin im Organismus teilweise
reduziert würde, wobei Hydrochinin (das neben Chinin in der
Chinarinde vorkommt) gebildet werden könnte, wurde die
Mutterlauge des Chininsulfates daraufhin geprüft. Das darin
enthaltene Alkaloid wurde jedoch bei 0° in kurzer Zeit durch
Kaliumpermanganat restlos zerstört, so daß das Vorhanden-
sein des beständigeren Hydrochinins ausgeschlossen ist.
Die Isolierung des Chinins aus dem Harne wurde noch
auf einem anderen Wege durchgeführt, der jedoch der Queck-
silberisolierung gegenüber keine Vorteile aufwies, nämlich durch
Adsorption an Kohle. Der Harn wurde durch 200 g Tierkohle
filtriert, die gemäß der Prüfung des Ablaufes mit Неј, das
Alkaloid vollkommen band. Bei 501 Harn mußte die Per-
kolation wegen Verschleimung des Filters unterbrochen werden;
es ist jedoch nicht zweifelhaft, daß bei Zusatz von Toluol noch
vielmals mehr Harn die Kohle mit Erfolg hätte durchfließen
können. Die mit Wasser gewaschene Kohle wurde mit schwefel-
säurehaltigem Alkohol wiederholt ausgekocht, die Auszüge fast
neutralisiert, der Alkohol verjagt, und dem Rückstande nach
Zusatz von Natronlauge das Alkaloid durch Äther entzogen.
Nach Reinigung des Ätherextraktes durch Kochen mit Kohle
und Trocknen mit geglühtem Natriumsulfat hinterließ das Fil-
trat einen bräunlichen Firnis, der bei 138° schmolz. Chinin
besitzt den Schmelzpunkt 177°, jedoch genügen geringe Ver-
unreinigungen, um denselben außerordentlich herabzudrücken.
1,298 g verbrauchten zur Neutralisation gegen Lackmus 3,9 cem
n-Schwefelsäure; für Chinin berechnet sich 4,0 ccm. Das er-
haltene gereinigte Sulfat gab die Chininreaktionen, krystalli-
sierte wie dessen Sulfat und enthielt 13,08°/, SO,H,, berech-
net 13,149.
Beim Ausschütteln des Chinins mit Äther verblieb noch
Alkaloid in der laugischen Flüssigkeit, das nach dem Ansäuern
und folgendem Alkalisieren mit Soda jetzt in Äther überging.
Nach zweckentsprechender Reinigung schmolz die firnisartige
30 J. Halberkann:
Base bei 120° unter Aufschäumen, zeigte in salpetersaurer
Lösung schwach blaue Fluorescenz (vielleicht von Chininspuren
herrührend) und gab nur schwache Thalleiochinreaktion.
0,4721 g benötigten zur Neutralisation gegen Lackmus 12,0 ccm
n/ o Schwefelsäure, wohingegen sich für Chinin 13,2 ccm berech-
nen würden, und das gereinigte Sulfat krystallisierte in Drusen
farbloser, derber Nädelchen, andersartig als wie Chininsulfat.
Die geringe Menge der Base wurde nochmals in Natronlauge
gelöst und nach Reinigung der Lösung mit Äther, Ansäuern
und Alkalischmachen mit Soda in Äther aufgenommen. Der
zurückbleibende, fast farblöse Firnis wurde zerrieben und über
Schwefelsäure getrocknet.
0,0886 g Substanz gaben 0,2175 g CO, und
0,0543 g H,O, gefunden . . . . . . C 66,97 und H 6,86,
während sich für Chinin berechnet (das aber
nicht in Betracht kommt) . . . . . 74,03 » n 7,46,
und für Cuprein, das Phenol des Chinins » 73,48 n»n » 7,14.
Die geringe Menge der Substanz, die leider teilweise noch
in Verlust geriet, ließ eine Aufklärung nicht zu. Zu irgend-
einer Deutung berechtigen die geringen Resultate nicht, und
sie muß deshalb späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Ob
es sich um eine Einführung des Glykokollrestes — NHCH,COOH
in das Chininmolekül handelt, möge nur als Hypothese aus-
gesprochen werden. Eine solche Substanz, die 66,31 °/, Kohlen-
stoff und 7,09 °/, Wasserstoff enthalten würde, sollte allerdings
a priori in Soda löslich sein. Daß die Base nachträglich aus
Chinin durch Bakterientätigkeit in der Kohle entstanden ist,
ist nicht anzunehmen, da die Harnbakterien das Chinin nicht
verändern, eher käme eine Oxydation durch die Kohle als Ka-
talysator in Frage, obwohl dies in dem Medium unwahrschein-
lich dünkt. Einige Versuche, in denen je 400 ccm Normal-
harn 0,03 g Chininbase als salzsaures Salz zugefügt worden
waren und die bis 6 Monate in offenen Kolben bei Zimmer-
temperatur standen, ergaben, daß das Chinin bei der Fäulnis
des Harnes nicht verändert wird. Die Proben zeigten bald
starke, ammoniakalische Gärung, und es schied sich in den
länger stehenden Proben Ammonium - Magnesiumphosphat in
großen Krystallen ab.
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 31
Nummer [ nach E
Kontrolle — 0,7
1 8 Tagen 0,0308 102,7
2 3 Wochen | 0,0802 100,7
3 2 Monaten 0,0295 98,0
4 | _ 0,0303 101,0
Eine Zerstörung oder Veränderung des Chinins fand nicht
statt; alle Rückstände waren farblose Firnisse, zeigten ange-
nährte Schmelzpunkte und gaben die Identitätsreaktionen.
Danach braucht man sich mit der Chininisolierung gar nicht
zu beeilen, und nach Feststellung des Gewichtes bzw. des Vo-
lumens des Harnes kann man sie auf eine arbeitsfreiere Zeit
verschieben, oder, wenn eine Untersuchung an Ort und Stelle
nicht möglich ist, kann man die Proben ohne Zusatz eines Er-
haltungsmittels verschicken, ohne das Ergebnis zu gefährden.
Eine Entgiftung des Chinins im Organismus durch Über-
führung in eine gepaarte Schwefelsäure oder in eine glykuron-
saure Verbindung, was gleichzeitig, ohne Vorbehandlung, einen
.Minderbefund an Alkaloid bei der Ausätherung des alkalisierten
Harnes bedingen würde, konnte nicht festgestellt werden. Die
chininhaltigen Harne (verschiedener Malariker), deren Glykuron-
säuregehalt nicht übermäßig war, wurden nach Zusatz von
1,25°/, Salzsäuregas eine Stunde in kochendem Wasserbade
erhitzt und dann in ihnen und in nicht behandelten Proben
das Chinin bestimmt. Je 400 ccm wurden angewandt.
Konter | Nicht behandelt| + НСІ erhitzt
D g
1 0,0101 0,0098
2 0,0231 0,0228
3 0,0136 0,0130
be 4 0,0185 0,0185
Für eine Entgiftung in obigem Sinne hat sich demnach
kein Anhalt ergeben, da vor und nach der Behandlung die
gleiche Menge gefunden ward.
Ähnlich oder gleich dem Chinin verhält sich auch das
Hydrochinin im menschlichen Organismus. Dieses Alkaloid ist
ein steter Begleiter des Chinins in der Chinarinde, findet sich
allerdings nur in untergeordnetem Maße. Die Isolierung aus
32 J. Halberkann:
den Mutterlaugen des Chinins ist begründet auf die größere
Widerstandsfähigkeit gegenüber Kaliumpermanganat, weil die
so leicht der Oxydation unterliegende Vinylgruppe in die Äthyl-
gruppe umgewandelt ist. Dieses Hydrochinin kann nun nach
der Paalschen Methode, durch Reduktion in alkoholischer
Lösung bei Anwesenheit eines Edelmetall - Katalysators, oder
nach Kelber®) durch Reduktion der Salze des Chinins in
wäßriger Lösung bei Gegenwart von Nickel-Katalysator mittels
Wasserstoff quantitativ dargestellt werden, was wichtig ist,
weil es gegen die Malariaparasiten in geringeren Dosen die
gleiche Wirkung wie sein Isologes entfaltet 201.
Anschließend an die Publikation von Giemsa und
Werner°®) ergaben Selbstversuche, daß die Ausscheidung durch
den Harn in die Chininintervalle fällt. Es wurden an einem
Tage je 2 mal 0,5 g des salzsauren Salzes іп Oblaten genommen,
der Harn von 2 Tagen gesammelt; dann blieb die Quecksilber-
reaktion aus, so daß nur noch eine geringe Nachausscheidung
anzunehmen ist, die allerdings mit der äußerst empfindlichen
Fluorescenzprobe bis zum sechsten Tage sicher verfolgt wurde.
Es möge erwähnt werden, weil auf Grund der Fällungs- und
Trübungsintensitäten mit Bel, quantitative Ausmittelungen
ausgeführt worden sind, die als völlig unhaltbar nachgewiesen
wurden, daß die einzelnen Harnproben des einen mit Hg),
keine Niederschläge, sondern nur mehr oder minder starke
Trübungen gaben, dagegen in den anderen Harnen bei vielen
Proben sofort Fällungen auftraten, was ganz unterschiedliche
Mengen anzuzeigen schien, während tatsächlich die gewichts-
analytische Bestimmung fast gleiche Gehalte ergab. Angewandt
wurden је 400 ccm Harn: in dem einen 4380 ccm betragenden
Harn fanden sich 0,1774 g, in dem andern 4250 ccm Harn
0,1721 g Base, das ergibt eine Ausscheidung von 21,69, und
21,0°/,-
Diese Befunde stehen nicht im Einklange mit der Angabe
bei Giemsa und Werner, die in einem Falle fanden, daß im
Harn nahezu 70°/, des Hydrochinirs eliminiert werden, und
die darauf die energischere Wirkung gegenüber Chinin zurück-
führten — in der Annahme, daß nur das unveränderte Al-
kaloid zur Entfaltung seiner Wirksamkeit gelangt —, da letz-
teres wegen der Vinylgruppe eine geringere Widerstandskraft
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 33
gegenüber der destruktiven Tendenz der Körperzellen habe.
Wegen der wenigen Untersuchungen muß gelegentlich eine
Nachprüfung erfolgen.
Giemsa und Werner”) machten schon wahrscheinlich, daß
die isolierte Base, von der ihnen für eine Elementaranalyse
nicht genügend Substanz zur Verfügung stand, unverändertes
Hydrochinin sei, da der Schmelzpunkt, die Krystallform des
basischen Sulfates, die Widerstandsfähigkeit gegen Kalium-
permanganat und andere Eigenschaften dafür sprachen. Daß
es sich in der Tat um Hydrochinin handelt, wird durch fol-
gende Untersuchungen festgelegt.
Eine größere Menge Harn von Malarikern, die pro Tag
1 g salzsaures Hydrochinin erhielten, wurde wie bei Chininharn
angegeben mit HgJ, versetzt, wobei sich in der Farbe der
Niederschläge der Unterschied zeigte, daß, während sich bei
Chinin ein rötlichweißer Niederschlag bildete, der bei Hydro-
chinin grauweiße Farbe besaß. Die Weiterverarbeitung geschah,
wie beschrieben, und aus der schließlich erhaltenen Rohbase,
ein hellbrauner Firnis, wurde das völlig farblose, in langen,
spießigen Nadeln krystallisierende, basische Sulfat bereitet.
Dieses gibt, ebenso wie das Chininsulfat, über Schwefelsäure
sämtliches Krystallwasser ab, nimmt aber an der Luft, im
Gegensatze zu diesem, das nur 2 Moleküle Wasser anzieht,
4 Moleküle Wasser, in etwas längerer Zeit und nicht mit der
gleichen Konstanz ап???) 7
0,4428 g entwässertes Sulfat nahmen nach 24h 0,0404 g
Wasser auf. — 0,6707 р Substanz nach 24h 0,0579 р, nach
48h 0,0626 g. — 0,4433 р Substanz nach 24b 0,0435 g, nach
48h 0,0448 g.
Für (C,,H,,0,N,), -SO,H, -4H,O (Mol.-Gew. 822,7) berechnet:
8,76°/, H,O; gefunden: 8,36°/,, 7,95 resp. 8,54°/,, 8,94°/,
resp. 9,18°/,.
0,3376 g wasserfreies Sulfat lieferten 0,1040 g SO, Ba,
Für (C,,H,,0,N,),-SO,H, (Mol.-Gew. 750,7) berechnet
13,07°/,; gefunden: 12,95°/, SO,H,.
Die Elementaranalyse des über das salzsaure Salz weg
hergestellten Platindoppelsalzes?”) zeitigte folgendes Ergebnis.
0,1497 g Substanz verloren im Vakuum bei 95° 0,0066 g
Biochemische Zeitschrift Band 95 3
34 J. Halberkann:
an Gewicht und gaben 0,1710g CO, 0,0507g H,O und
0,0376 g Pt. — 0,1657 g Substanz geben 0,1839 g Ae),
Für С,,Н,,0,№, - PtC1,H, -2H,O (Mol.-Gew. 772,4) berechnet:
H,O 467°], Н 38,65°/„ C 31,09%, Pt 25,27°/ Cl 27,55%,;
gefunden: H,O 4,40°/,, Н 3,79°/,, С 31,16°/,, Pt 25,12°/,,
O 27,469/,.
Die bei 125° getrocknete Base drehte in 1,7292 volum-
prozentiger Lösung in 969/ 1рет Alkohol im 200 mm-Rohr bei
20° — 4,92%, demnach beträgt 0209 = — 142,39; nach Beil-
stein, Handbuch der organischen Chemie 8, 859, ist die spe-
zifische Drehung einer 2,4 volumprozentigen Lösung іп 95°/,igem
Alkohol bei 209 — 142,2°?”).
Die Lösung von 0,05 g des Sulfats in 10 ccm Wasser und
5 Tropfen verdünnter Schwefelsäure reduzierte nach Zusatz
eines Tropfens gesättigter Kaliumpermanganatlösung dieses nicht
sofort, sondern erst nach einigem Stehen.
Diese Ergebnisse nebst den qualitativen Eigenschaften
der Base beweisen, daß das Hydrochinin, soweit es durch den
Harn ausgeschiegen wird, beim Durchgang durch den mensch-
lichen Körper nicht verändert wird. Daß auch keine teilweise
Veränderung stattgefunden hat, ergab die Prüfung des letzten,
aus den Mutterlaugen isolierten Anteiles, der sich gegen Per-
manganat ebenfalls beständig erwies.
Von einer größeren Anzahl von Forschern ist festgestellt
worden, daß das Chinin, wie es auch dem Körper einverleibt
werde, selbt nach intravenöser Injektion, nur eine kurze Zeit
im zirkulierenden Blute nachzuweisen ist, und daß es nach
einigen Stunden daraus völlig verschwinde, während es noch
lange hernach mit dem Harn ausgeschieden wird. Daraus
wurde gefolgert, daß es von gewissen Organen oder Zellkom-
plexen abgefangen und deponiert werde, und von dort aus
allmählich freigegeben werde oder der Vernichtung anheimfalle.
So fanden Giemsa und Schaumann’), die sich als erste mit
diesem Problem beschäftigten, nach Verfütterung an Hunde
per оз nur sehr geringe Mengen Chinin im Blute, und zwar
im Serum, nicht in den Blutkörperchen und folgern, sofern sie
einen Schluß für zulässig halten, daß das Serum alles Chinin
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 35
oder doch die Hauptmenge enthalte. Größere, wenn auch nicht
wägbare Mengen stellten sie und nachher noch Сїешза?%) im
Gehirn, Niere, Nebenniere, Milz und Leber fest, weshalb es
wahrscheinlich sei, daß die Abtötung der Parasiten vorzugs-
weise in diesen Orgahen stattfinde. A. Plehn?®) bestätigte die
Blutbefunde beim Kaninchen und Hunde und macht es höchst-
wahrscheinlich, nachdem er mit Großer?) das Verschwinden
von 55 bis 75°/, Chinin in der künstlich durchbluteten Leber
beobachtet hatte, daß das periphere Gefäßsystem resp. die Endo-
thelauskleidung seines Capillargebietes an der fast sofortigen
Arretierung des in die Blutbahn eingeführten Chinins beteiligt ist.
Bei dem Nachweise des Chinins im Blute ist es nicht
richtig, das Fibrin abzuscheiden, das zwar an sich, wie ich
mit Schweineblutfibrin prüfte, kein Chinin zu binden imstande
ist, dieses jedoch mechanisch mitzureißen vermag, ein Fehler,
der bei den geringen Alkaloidmengen wohl ins Gewicht fallen
könnte. Großer vermeidet diesen Fehler, indem er das Fibrin
nach langwieriger Vorbereitung mit Chloroform extrahiert, also
zwei Extraktionen vornehmen muß, was zu umgehen ist. Das
eben entnommene Blut verreibt man im Mörser sofort mit
15°/,iger Natronlauge (30 ccm auf 100 сот Blut), verdünnt
die homogene Masse mit der gleichen Menge Wasser, gießt in
einen Scheidetrichter, spült den Mörser portionsweise mit der-
selben Menge Wasser, dann einigemale mit Äther und schüttelt
nach völliger Auflösung des Blutes wiederholt mit Äther aus.
Die getrockneten Ätherextrakte werden mit ®/,,- oder "/, -8а12-
säure einigemale geschüttelt, der saure Auszug mit Äther ge-
reinigt, dann das Alkaloid nach Zufügen von Ammoniak oder
Natronläuge in Äther aufgenommen. Der Äther wird entwässert,
und dessen Rückstand bei 120° im gewogenen Kolben ge-
trocknet. Wägbare Mengen ` wird man zwar in praxi nicht
finden, jedoch arbeitet die Methode quantitativ. So erhielt ich
aus 50 cem Rinderblut (erste Ätherauszüge durch Lipochrom-
gehalt stark gelb gefärbt), dem 0,041 g Chinin zugesetzt war,
0,0401 g = 98,29, zurück, eine Kontrolle mit gleich viel Blut
gab einen Rückstand von !/,, mg. Eine andere Probe, mit
Kaliumbioxalat ungerinnbar gemachten Schweineblutes (50 cem)
wurde mit 0,082g Chinin—0,1 g salzsaures Salz versetzt, die
berechnete Menge Chlorcaleium zugefügt, durch Rühren das
3%
36 J. Halberkann:
Fibrin abgeschieden und dieses mit 100 cem Wasser sorgfältig
ausgewaschen. Die Blutflüssigkeit und das Fibrin wurden ge-
trennt in Natronlauge gelöst und wie oben weiterbehandelt.
Das defibrinierte Blut ergab 0,0758 g Chinin — 92,8°/, und das
Fibrin, trotz sorgfältigen Auswaschens noch 0,0048 g = 5,9°/,„;
zurückgewonnen 98,7°/,.
Die Folgerung aus den Blutbefunden von Giemsa und
Schaumann teilte Nocht?!) nicht, der durch seine Experimente
zu der Ansicht gelangt war, daß das Chinin seine Wirkung
innerhalb der roten Blutkörperchen entfalte. Die Ergebnisse
seiner im Jahre 1900 angestellten Versuche, die er bei den
Verhandlungen des deutschen Kolonialkongresses 1905 in seinem
Vortrage: Über Schwarzwasserfieber bekanntgab, waren in fol-
gender, kurz skizzierter Anordnung gewonnen. Wurde weniger
als die hämolytische Chinindosis — das sind 2 mg — 5 ccm
einer 10°/ igen Aufschwemmung defibrinierten Menschenblutes in
physiologischer Kochsalzlösung zugesetzt, und nach einigem
Stehen bei 37° das durch Zentrifugieren erhaltene Serum wieder
mit so viel Chininlösung und Blutkörperchen versetzt, daß für
obige Aufschwemmung die totalhämolysierende Chinindosis er-
reicht oder gar etwas überschritten war, so erfolgte keine Hä-
molyse. Aus diesem Verhalten blieb nur den Schluß zu ziehen
übrig, daß im ersten Teile der Versuche die Blutkörperchen
einen größeren Teil des Chinins gebunden hatten.
In einer vor einiger Zeit erfolgten Veröffentlichung stellt
Morgenroth°®) fest, daß das Chinin, ebenso wie Optochin von
den Erythrocyten nicht nur aufgenommen, sondern 'sogar in
erheblichem Maße gespeichert werde; er zeigte dies vorher
schon durch Anästhesierung der Kaninchencornea, die mit
einem mit Optochin behandelten Blutkörperchenbrei (nach dem
Zentrifugieren) alsbald eintrat, während der Abguß nur un-
deutlich reagierte. Ebenso verhielt sich Chinin, und Morgen-
roth bezeichnet dieses Beladen und Wiederabgeben an andere
Zellen als Transgression. Diese Speicherung scheint nur ein
physikalischer Vorgang zu sein, ist jedenfalls so labil, daß die
beladenen Blutkörperchen mit Kochsalz- oder Rohrzuckerlösung
geschüttelt einen Teil des Alkaloids an die Verdünnungs-
flüssigkeit abgeben. Aus den Versuchen folgert Morgenroth,
daß bei einer Verdünnung 1:100000 Vollblut Mengen, die sich
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 37
um 50°/, herum bewegen, — ob 75°/, oder 25°/, bleibt unent-
schieden — in Verlust gegangen sind.
Eindeutig scheinen die Folgerungen nicht zu sein, wie
auch in einer Fußnote hervorgehoben wird, da bei der Ein-
wirkung ‚auf Pneumokokken (Versuche Boeckers) ebenso in
den Anästhesierungsversuchen eine Transgression, bei’ den
eigenen Pneumokokkenversuchen aber nicht oder weniger in
Erscheinung tritt.
Seine Beobachtungen führten Morgenroth zu der An-
nahme, daß die geringe Chininkonzentration im ganzen Blute
zur Abtötung der Plasmodien nicht genüge, und daß erst durch
die Speicherung in den roten Blutkörperchen die Wirkung des
Chinins verständlich werde. Die chininbeladenen Erythrocyten
hindern die Merozoiten bzw. Sporozoiten einzudringen, die so
dem Untergange geweiht sind: Repulsionshypothese. So in-
· teressant auch diese Hypothese ist, darf man mit Fug und Recht
außerdem annehmen, daß das Chinin auch schon eingedrungene
Parasiten zu vernichten imstande ist.
Ehe Morgenroths Veröffentlichung erschien, hatte ich
schon Versuche beendet, auf einfacherem Wege in vitro die
Chininspeicherung der roten Blutkörperchen nachzuweisen bzw.
nachzuprüfen; wegen anderweitiger Inanspruchnahme unterblieb
bisher die Bekanntgabe.
1.
Defibriniertes Schweineblut wurde mit unterschiedlichen
Mengen Chininsalz versetzt, die Differenzen durch physiologische
Kochsalzlösung ausgeglichen. Alle Proben wurden doppelt an-
gesetzt und 3 Stunden bei 37° gehalten. |
| 3 ` u.a | Chin. hydro- Konen,
Nr. | Def. Blut | 10%, NaCl | 0,99%, NaCl | chlor. 3%), tration
ccm ccm | ccm | ccm 0/6
Д ааннара Йан — =
1 13 | 018 | er 2 0,4
2 13 | 009 | 1 1 0,2
3 13 | — | 2 — Kontrolle
Nach dieser Zeit sind in Gläschen 1 und 2 alle Blut-
körperchen unter Erhaltung der Delle prall aufgetrieben, er-
scheinen sonst intakt, und alle liegen einzeln. Seitlich betrachtet
sind alle starr halbmondförmig. Nach dem Zentrifugieren
38 J. Halberkann:
haften die vielmals dunkler gefärbten Blutkörperchenkuchen fest
am Boden, die Sera sind stark hämolytisch gefärbt, in Gläschen 1
' stärker als in 2. In der Kontrolle 3 zeigen die Blutkörperchen
gegenüber einer Probe keine Unterschiede, fast alle sind schwach
zusammengedrückt, mit groben Stechapfelfortsätzen, viele liegen,
wenn auch verzerrt, reihenweise beisammen. Das Serum ist
nur wenig gerötet, und die zentrifugierten Blutkörperchen
lockern sich beim Umschwenken mit physiologischer Kochsalz-
lösung leicht vom Boden.
Nach Auffüllen mit Kochsalzlösung wird wiederum zentri-
fugiert. Die überstehende Flüssigkeit ist bei Kontrolle 3 nicht,
bei 1 und .2 sehr stark hämolysiert. Bei 1, soweit Blutkör-
perchen noch vorhanden sind, sehen sie wie vorher prall auf-
getrieben aus und haften tiefdunkelrot, verklebt am Boden.
In 2 kleben sie etwas lockerer am Boden, aber nur wenige
besitzen noch die aufgetriebene Form, die meisten haben aus-
geprägte Stechapfelform angenommen. In der Kontrolle be-
sitzen die Blutkörperchen feine Stechapfelfortsätze und lösen
sich leicht vom Boden ab.
Das dritte Zentrifugat war bei 1 und 2 wieder sehr stark
hämolytisch verfärbt, bei Kontrolle 3 keine Hämolyse. Bei 1
fanden sich kaum noch intakte, aber nun auch kollabierte
Blutkörperchen.
Das Ergebnis dieses Versuches läßt sich dahin zusammen-
fassen, daß die Blutkörperchen für Chinin permeabel sind, daß
die Diffusion nicht bis zur gleichmäßigen Verteilung zwischen
Blutkörperchen und Serum geht, daß vielmehr eine Speicherung
in ersteren stattfindet, die den osmotischen Druck innerhalb
der-Zelle verstärkt, was bis zum Zerreißen ihrer Membran, bis
zur Hämolyse führen kann. Andere als physikalische Ursachen
kann man nicht verantwortlich machen. Die nach dem zweiten
Zentrifugieren noch vorhandene, ballonartige Auftreibung der
Erythrocyten in Gläschen 1 — die des Gläschens 2 kehren
ziemlich zur Norm zurück — muß so gedeutet werden, daß
das Alkaloid der unterdessen der Zerstörung anheimgefallenen
Blutkörpercheg nun wiederum die noch intakten angehen kann,
wodurch diese kein Chinin an die umgebende Flüssigkeit ab-
zugeben vermögen, während dies bei 2 infolge des vielmals ge-
ringeren Zerfalles möglich war.
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 39
Nebenbei wurde geprüft, ob die chininbeladenen Blut-
körperchen und ebenso die hämoglobinhaltigen Zentrifugate die
Blutreaktionen mit Phenolphthalein und mit Guajacharz gaben.
Die Reaktionen fielen positiv aus.
2.
Ein weiterer Versuch wurde derart angestellt, daß Blut
mit fallenden Chinindosen einige Zeit in den Brutschrank kam,
hernach zentrifugiert und die Blutkörperchenbreie noch 5 mal
mit Kochsalzlösung versetzt und wieder abgeschleudert wurden.
Ein mehr oder weniger starkes Auswaschen des Alkaloids aus
den Blutkörperchen ist dabei anzunehmen. Dann wurde Form-
aldehyd zugefügt und noch einigemale durch Zentrifugieren und
Wiederauffüllen gewaschen. In einer zweiten Versuchsreihe
wurde Formaldehyd nach dem ersten Abschleudern zugegeben
und dann sorgsam ausgewaschen. Die Weiterführung dieser
Anordnung, die das einmal eingetretene Chinin fixiert, scheiterte
jedoch an der Unlöslichkeit der gehärteten Blutzellen in Natron-
lauge. Es wurde versucht, Natriumhypobromid zu verwenden,
jedoch ergaben einige orientierende Vorversuche, daß hierbei
Verluste eintreten können, da man die Menge des Lösungs-
mittels nur gefühlsmäßig zusetzen kann. So ergab eine Kon-
trolle in ganzem Blut 0,0300 g, in Serum 0,0295 g, Härtung und
sehr vorsichtiges Auflösen mit Natriumhypobromid 0,0298 g,
ebenso mit der doppelten Menge des Lösungsmittels 0,0279 g
Chinin. Vielleicht ließe sich dieser Gedankengang doch noch
zu einer anwendbaren Methode gestalten.
3.
Zu diesem Versuche wurde das gegen Chinin resistentere
Hammelblut verwandt, in gleicher Anordnung wie bei 3, nur
daß hier nach dem fünften Zentrifugieren mit Alaun gehärtet
At A Chin. hydro- | Konzen-
Nr. | Def. Blut | 10°/, NaCl | Dän, NaCl chlor. 39, ста
ccm cem сеш ccm DR
1 13 | 018 Б 2,0 0,4
2 13 0,13 0,5 1,5 0,3
3 13 0,09 1,0 1,0 0,2
4 13 0,05 1,5 0,5 0,1
5 18 0,02 1,75 0,25 0,05
6 13 — 2,0 | — Kontrolle
40 J. Halberkann:
und dann noch 5mal gewaschen wurde. Die schließlich er-
haltenen Blutkörperchen, die nach der Härtung immer stark
am Boden kleben und schlecht zu suspendieren sind, sehen
durchgängig intakt aus und sind meist hur etwas zusammen-
gedrückt und vereinzelt mit Stacheln besetzt. Sie wurden in
Natronlauge gelöst, ebenso die letzten Zentrifugate mit Natron-
lauge versetzt, mit Äther sorgsam extrahiert und wie üblich
weiterbehandelt. Wie zu erwarten war, ergaben sich in keinem
Falle wägbare Rückstände, die mit einem Tropfen verdünnter
Salpetersäure und 1 ccm Wasser gelöst und auf Fluorescenz `
untersucht wurden. Dann wurde je ein Tropfen Ammoniak-
flüssigkeit und Essigsäure zugefügt und je die Hälfte der
Thalleiochin- und der Quecksilberjodidprobe unterworfen. Das
Ergebnis zeigt folgende Tabelle.
Blutkörperchen Fluorescenz EA ++++ +++ ++ | | зи Гб
n Thalleiochin | + | + + | 0 0 0
n HgJ,-Nieder- |
schlägel +++ | +++ | ++ + + 0
Zentrifugat . . | Fluorescenz | ++ | ++ + | Sp. Sp 0
» . . | Thalleiochin 0 0 | 0 t. 0
n . . | Hg,J-Trübungen schwach, von 1 schwach bis 5 abfallen 0
sehr schwach
4.
Der gleiche Versuch wurde wie bei 3 wiederholt, aber
ohne Alaunhärtung, also die Blutkörperchen 10 mal mit Koch-
salzlösung aufgeschwemmt und abgeschleudert. Das Resultat
zeigt die Tabelle.
eg LEET KEE EECH
In Reaktion 1 TE Do A Ah 4 | 5 |Коп-
= Be u | í | trolle
Blutkörperchen Fluorescènz ++++ ++ +++
et: gek Jg
Zentrifugat . . » +++ ++ | ++ | ++ P-| 0
Blutkörperchen Hei, [++++++++++ ENEE +++! 0
Zentrifugat . . л +++++++++ +++ O ++ + |0
Die Intensität der Reaktionen, die nur für jede einzelne
Untersuchung vergleichbar ist, habe ich mit Kreuzchen be-
zeichnet. Für Versuch 3 und 4 darf wohl als sicher ange-
nommen werden, daß von dem ursprünglich im Serum ver-
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 41
bliebenen Chinin durch das 10malige sorgfältige Auswaschen
— je '/, Stunde zentrifugiert bei 3150 Umdrehungen — wohl
nichts mehr nachweisbar in das zehnte Zentrifugat herüber-
gekommen ist. Das im zehnten Ablauf gefundene Alkaloid
muß auf Konto des in den Blutkörperchen gespeicherten
Chinins, das in die umgebende Flüssigkeit diffundierte, gesetzt
werden.
Aus den Versuchen 3 und 4 geht, besonders aus dem
Ausfall der Quecksilberjodidprobe deutlich hervor, daß die
Blutkörperchen eine verhältnismäßig große Chininmenge an-
fänglich aufgenommen haben müssen, da trotz des häufigen
Auswaschens sich noch Niederschläge bilden konnten. Wollte
man auch annehmen, daß nicht alles nicht-gespeicherte Chinin
fortgewaschen wäre, so ginge trotzdem aus dem Resultate
hervor, daß die Erythrocyten am Ende des Versuches mehr
Chinin enthalten als die Waschflüssigkeit.
Die Fluorescenz obiger Flüssigkeiten konnte mit bloßem
Auge im zerstreuten Tageslichte nicht wahrgenommen werden,
sie tritt dagegen hervor, wenn man ein durch eine Linse zu-
sammengefaßtes Strahlenbündel der Bogenlampe oder Sonne
hineinfallen läßt, wobei seitlich abzublenden ist.
Ə.
Dieser Versuch sollte zeigen, ob Chinin in kleinsten Mengen,
die noch eben durch Fluorescenz nachweisbar sind, vollständig
von den roten Blutkörperchen adsorbiert wird, oder ob auch
dann noch ein Gleichgewichtszustand sich einstellt zwischen
Serum und den roten Blutzellen, wie es bei höheren Konzen-
trationen der Fall ist. Hierzu wurde 2°/‚iges Hammelblut
mit Chinin von 1:10000 bis 1:10000000 versetzt und die
Proben in den Brutschrank gestellt. Nach je 2, 4 und 8 Stunden
wurden jedesmal 10 ccm mit 1 ccm 0,4°/,iger Riein-Kochsalz-
lösung vermischt und über Nacht im Eisschrank aufbewahrt.
Kontrollen ohne Chinin wurden ebenso behandelt. Dann wurde
klar und farblos abgegossen, zu je 5 сеш 2 Tropfen verdünnte
Salpetersäure und 12 Tropfen 20°/,iger Silbernitratlösung ge-
geben, und alle Proben einer Reihe, mit der stärksten Ver-
dünnung beginnend, durch das gleiche Filter gegossen, was
zwar eine gewisse Verschiebung der Konzentration bedingt, die
42 J. Halberkann:
aber im Versuch und in der Kontrolle gleichartig erfolgte. Die
Kontrollen zeigten keine Fluorescenz, auch nicht die Ver-
dünnungen 1:10 und 1:5 Millionen, und man könnte dies
auf Konto der Speicherung durch die Blutkörperchen oder der
Adsorption durch das Chlorsilber und des Filters setzen. Da-
gegen fluorescierte die Verdünnung 1:2 Millionen noch, wenn
auch äußerst schwach, die zu 1:1,5 und 1:1 Millionen ent-
sprechend stärker, aber immer schwächer als eine entsprechend
starke Kontrolle Chininlösung. Daraus darf man schließen,
daß eine Speicherung in den Blutkörperchen erfolgt, die aber
immer nur, anscheinend auch in den stärksten Verdünnungen,
zu einem gewissen Grade führt, nämlich bis der Gehalt in den
roten Blutkörperchen im Gleichgewichte ist mit dem Chinin:
gehalt der umgebenden Flüssigkeit.
6.
Die bisherigen Versuche haben nur qualitativ dargetan,
daß Chinin von den roten Blutkörperchen aufgenommen wird.
Die quantitative Bestimmung in den mit Formaldehyd gehärteten
Blutzellen scheiterte an deren Unlöslichkeit in Natronlauge,
die Härtung mit Alaun schien für diesen Zweck nicht ge-
eignet. Ich habe deshalb versucht, die Menge des gespeicherten
Chinins indirekt zu ermitteln, nämlich durch Wägung des im
Serum verbliebenen Alkaloides.
Es wurde, wie in dem Schema zu dem Versuche 3, das
doppelte Quantum Hammelblut mit 0,4, 0,2, 0,1 und 0,05°/,
Chinin versetzt, 5 Stunden in den Brutschrank gestellt, scharf
zentrifugiert und von den klaren, teils hämolytisch verfärbten
Sera aliquote Teile zur Chininbestimmung entnommen. ` Ein-
mal wurden Kontrollen ohne Chinin, jedesmal aber Kontrollen
ohne Blut mit gleicher Menge Chinin angesetzt, um eventuelle
Unstimmigkeiten der Pipetten zu umgehen. Alle Proben wie
die Kontrollen wurden unter genau den gleichen Bedingungen
geprüft. Је 10 eem wurden nach Zusatz von 3 cem Natron-
lauge 3mal mit 20 cem Äther extrahiert, die Ätherauszüge mit
10 сет 2/, ,-, dann mit 10 ccm "/,,-Salzsäure, dann noch mit
5 союш Wasser ausgeschüttelt, die vereinigten sauren Extraktie
mit Äther einmal gereinigt, dann 2 сеш Ammoniakflüssigkeit
zugefügt und dreimal mit 25, 15 und 10 сет Äther ausgezogen.
Chinin und Hydrochinin im Organismus. 43
Die Ätherauszüge wurden mit wenig geglühtem Natriumsulfat
getrocknet, filtriert, die Filter quantitativ ausgewaschen. Die
Rückstände wurden bei 120° getrocknet und gewogen. Vier
Kontrollen mit Blut ohne Chinin ergaben so Rückstände: je ein-
mal von — 0,1 mg und + 0,4 mg, zweimal von 4+ 0,1 mg.
Verschwundenes
Nr. Kontrolle Ganzes Blut |Blutkörperchen Chinin
0/
10
1 0,0327 0,0198 — "39,5
2 0,0182 0,0101 — 44,5
3 0,0095 0,0049 — 48,4
4 0,0055 0,0025 — 54,5
5 0,0319 0,0194 — 39,2
6 0,0166 0,0102 j — 38,5
7 0,0083 0,0052 — 37,3
8 0,0051 0,0033 — 35,3
0,0324 0,0195 0,0186 39,8 und 42,6
0,0162 0,0094 0,0089 420 » 45,1
' 0,0089 0,0056 0,0056 87,1 » 871
0,0052 0,0031 | 0,0029 ! 404 » 44,8
Diese Ergebnisse zeigen überzeugend, daß das Chinin weit-
gehend von den Erythrocyten gespeichert wird, und es hat sich
dabei kein oder kaum ein Unterschied ergeben, ob ganzes Blut
oder 3mal mit physiologischer Kochsalzlösung gewaschene Blut-
körperchen verwandt wurden. Absolut genaue Werte bieten
diese Zahlen nicht; das Volumen der roten Blutkörperchen
spielt bei der Versuchsanordnung nur eine geringe Rolle, eher
wäre die von Gläschen 1 bis 4 abfallende Hämolyse in Rechnung
zu stellen. Jedenfalls aber dürfen obige Zahlen auf möglichst
angenäherte Werte Anspruch erheben. Mit geringeren Chinin-
mengen, wie sie für den menschlichen Organismus in Betracht
kommen, zu arbeiten, war leider wegen der Grenzen der Wäg-
barkeit und der dadurch bedingten Zunahme der Versuchs-
fehler nicht angängig, eine Methode aber, die auf anderen
Prinzipien beruht, zu benutzen, war ich nicht in der Lage.
Mit der gewöhnlichen, oben angedeuteten Anordnung der Fluores-
cenzprobe quantitative. Bestimmungen vorzunehmen, erachte
ich für nicht möglich, eine Beschreibung der Gehaltsermittlung
mittels des Fluorescenzmikroskopes, das Hartmann und Zila
dazu benutzten, stand mir nicht zur Verfügung.
44 J. Halberkann:
Die von den roten Blutkörperchen aufgespeicherten Mengen
Chinin bewegen sich in Grenzen zwischen 35 bis 48°/, (einmal
54,5°/,), und es macht sich kein Unterschied bemerkbar, ob
dem Blute mehr oder weniger Chinin zugegeben war. Auch
hieraus muß man schließen, daß das Chinin nicht selektiv von
den Blutkörperchen angezogen wird, sondern daß ein Gleichge-
wicht sich einstellt, Blutkörperchen : Serum == 35 — 48:65 — 52
oder im Mittel aller Versuche 41,6: 58,4, das ist annähernd 2:3.
Natürlich ist es nicht erlaubt, diese in vitro mit so großen,
biologisch nicht möglichen Chininmengen gewonnenen Einblicke
ohne weiteres auf die im zirkulierenden Blute sich abspielenden
Vorgänge zu übertragen; aber anschließend möchte ich noch-
mals auf die von Morgenroth in ganz anderer Versuchs-
anordnung ermittelte Feststellung hinweisen, nach der bei einer
Lösung von 1:100000 (Vollblut) 50°/, der Alkaloidmenge — ob
in Wirklichkeit 25 oder 75°/, ließ die Versuchsanstellung un-
entschieden — in Verlust geraten sind.
Literatur.
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Malariauntersuchungen, in Abderhaldens Handb. d. biochem. Arbeits-
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Chinin und Hydrochinin im Organismus. 45
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23) О. Hesse, Annal. d Chem. 176, 256, 1875; 182, 135, 1876.
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chem. Ges. 51, 466, 1918.
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2) G. Giemsa und H. Werner, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg.
16, Beiheft 4, 65, 1912.
27) О. Hesse, Annal. d. Chem. 241, 265, 1887.
28) G. Giemsa, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 12, Beiheft 5, 78, 1908.
29) A. Plehn, Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 13, Beiheft 6, 145, 1909.
‚ 20) P. Großer, diese Zeitschr. 8, 98, 1908.
а) В. Nocht, Verhandl. d. Deutsch. Kolonialkongresses 1905, 218. —
Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg. 12, Beiheft 5, Diskussion, 97, 1908.
22) J. Morgenroth, Deutsche med. Wochenschr. 44, 961 und
988, 1918.
Über Jod-Stärkereaktion und ihre Verwendung für eine
Prozessen.
Von
C. Lange.
colorimetrische Eiweißbestimmung bei Immunitäts-
(Aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie.)
(Eingegangen am 22. März 1919.)
Inhaltsangabe.
Einleitung. Versuch einer Fermentbindung als Ersatz der
II.
II.
Komplementbindung, der Veranlassung gibt, die Diastase-
bestimmung mittels Jodstärkereaktion genauer zu analysieren,
und bei dem sich die Möglichkeit ergibt, die Jodstärke-
reaktion für eine quantitative colorimetrische Eiweißbe-
stimmung zu һБеппеп.................
. Die Diastasebestimmung mittels Jodstärkereak-
tion, ihre Beeinflussung durch Körper, die schon bei
Zimmertemperatur in kurzer Zeit Jod chemisch binden,
speziell durch Eiweißkörper. Kritik der quantitativen Dia-
stasebestimmung und Möglichkeit einer Verfeinerung . . .
Untersuchungen über die Jodstärke: Art der Bin-
dung, Beeinflussung der blauen Farbe durch physikalische
Baktenep, Za эз уж» a ae э
Das Zustandekommen der blauen Jodstärke wird erklärt
durch eine gegenseitige Kolloidausfällung, resp. Löslichkeits-
beeinflussung zwischen dem kolloidalen Jod und der kol-
loidalen Stärke. Die Farbqualität (Jodstärke, Joddextrin)
ist abhängig vom Dispersitätsgrade . . . . 2 22...
- Die unter Einwirkung verschiedener physikalischer Fak- .
toren verschiedene Intensität der Blaufärbung bei gleichen
Mengen Jod und Stärke ist abhängig vom Quellungszustand
des elektronegativen Kolloidkomplexes Jodstärke, bei stär-
kerer Quellung neigt die Blaufärbung zum Verschwinden .
Quantitative Eiweißbestimmung mittels der Jod-
stärkereaktion. Jodierung mit und ohne Isolierung des
41—54
54—51
58—69
58—61
61—69
C. Lange: Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendg. f.e.colorimetr. Eiweißbest. 47
Eiweißes, bei originaler oder saurer Reaktion mit oder ohne
Katalysatoren. Allgemeine Grundlagen der Methodik für
die Bestimmung des Gesamteiweißes in Serum, bzw. Plasma
und Lumbalflüssigkeit und zur Standardisierung von Vaccinen.
Bedeutung dieser Bestimmung für die Analyse von Immu-
nitätsprozessen ........... GE KEE ... 69-84
Den Ausgangspunkt für die im folgenden dargestellten
Untersuchungen bildeten Versuche, eine Technik auszubilden,
wobei analog der Komplementbindung die Adsorption von
Fermenten als Indicator für die vollzogene Reaktion zwischen
Antigen und Immunkörper. resp. bei der Wa.-R. zwischen Lues-
serum und Extrakt verwendet: werden sollte.
Untersuchungen in dieser Richtung scheinen in verschie-
dener Richtung von Interesse: erstens als dadurch die Frage
eine Klärung erfahren könnte, ob spezifische, immunisatorisch
erzeugbare Antifermente tatsächlich vorhanden sind oder nur
durch eine „Bindung“ vorgetäuscht werden, analog den Ver-
suchen über die Feststellung immunisatorisch erzeugbarer spe-
zifischer Antikomplemente. Zweitens scheinen Veränderungen
der Versuchsanordnung möglich, die bei der Komplementbindung
durch das Arbeiten mit einem hämolytischen System, ins-
besondere aber mit Blutkörperchen, die gegen verschiedene
Änderungen des Mediums sehr empfindlich sind, unmöglich ge-
macht werden.
Versuche in dieser Richtung, wenn auch mit negativem Erfolge,
wurden bereits von Hailer unternommen. Er verglich’ die Bindung
von Komplement und Ferment an spezifische und nichtspezifische Nieder-
schläge und Suspensionen. Für das Labferment, das nur geprüft wurde,
kam Hailer zu Feststellungen von Unterschieden іп der Adsorptions-
fähigkeit zwischen Komplement und Ferment, die sich darauf bezogen,
daß Lab z. B. durch Kaolin sehr stark gebunden wird, daß es dagegen
von Aufschwemmungen von SiO, und spezifischen Präcipitaten, die Kom-
plement stark binden, nicht adsorbiert wird. Wir hatten schon vor
einer Reihe von Jahren Versuche des Ersatzes von Komplement gerade
durch Lab gemacht, weil uns die ohne weiteres sichtbar zu machende
Fermentwirkung besonders erwünscht schien und beim Lab wenigstens
insofern eine Ähnlichkeit in der Adsorption an Oberflächen besteht, als
es ebenso wie das Komplement durch Schütteln inaktiviert werden kann.
Wir kamen damals zu keinen greifbaren Resultaten; die Untersuchungen
von Hailer lassen den vermutlichen Grund dafür erkennen. Nun ist
aber bekannt, daß die Adsorptionsfähigkeit verschiedener Fermente
gegenüber verschiedenen Substanzen sehr erhebliche Differenzen zeigt.
48 C. Lange:
Die Untersuchungen von Hailer lassen es danach nicht ausgeschlossen
erscheinen, daß trotzdem Fermente gefunden werden können, die in
ihrer Adsorptionsfähigkeit an spezifische Präcipitate dem Komplement
gleichstehen oder es sogar noch übertreffen. Neben dem Lab prüften
wir damals Fibrinferment, aus dem gleichen Grunde, wie schon beim
Lab angegeben, und Tyrosinase. Beim Fibrinferment zeigten sich Diffe-
renzen, die sich aber als ungeeignet erwiesen, um darauf eine praktische
Methode aufzubauen. Es erschienen dann die Arbeiten von Hirschberg
und Klinger über eine Gerinnungsreaktion bei Lues, die uns veran-
laßten, dieses spezielle Gebiet noch einmal zu untersuchen. Wir wollen
hier nicht näher darauf eingehen, da wir an anderer Stelle über diese
Untersuchungen berichten werden, wir wollen nur auf die Differenzen
hinweisen; während wir ebenso wie Hailer eine Fermentbindung
versuchten, ist die Gerinnungsreaktion etwas durchaus anderes, nämlich
eine Kofermentbindung. Gebunden wird, resp. in Reaktion tritt
das Koferment des Fibrinferments, das Cytozym, während die Ferment-
wirkung nur den Indicator der stattgefundenen Kofermentinaktivierung dar-
stellt. Derartige Kofermentbindungen kann man auch in anderer Form
zur Demonstrierung von Immunitätsvorgängen heranziehen, z. B. bei
luetischen Seren mit gallensauren Salzen, deren Kofermentinaktivierung
durch Ausbleiben ihrer verstärkenden Wirkung auf Lipasen nachgewiesen
werden kann. Eine direkte Fibrinfermentbindung, die Hirschberg
und Klinger nicht gelang, konnten wir unter anderen Bedingungen
ebenfalls nachweisen, doch erscheint die Fermentnatur des Gerinnungs-
vorgangs uns so wenig gesichert, daß hieraus theoretische Schlüsse nicht
gezogen werden hönnen.
Wir mußten diese erklärenden Ausführungen erst bringen, um ver-
ständlich zu machen, wie wir zu den gleich darzustellenden Versuchs-
ergebnissen und Versuchsanordnungen kamen.
Bei der Prüfung verschiedenster Fermente auf ihre Bin-
dungsfähigkeit im Vergleich mit Komplement versuchten wir
auch diastatische Fermente verschiedener Abstammung, weil
wir hier in der Methode der quantitativen Bestimmung diasta-
tischer Fermente nach Wohlgemuth eine Methode zu haben
glaubten, die eine Demonstrierung von Fermentwirkungen fast
ebenso bequem und außerdem quantitativ viel feiner abstufbar
erwarten ließ, als bei Fermenten mit unmittelbar sichtbarer
Fermentwirkung, wie z. B. Lab, Fibrinferment oder Tyrosinase.
Wir wollen die dabei gefundenen Untersuchungsergebnisse
kurz anführen, weil sie uns bei der Bewertung der quanti-
tativen Resultate, die man mit der Methode erzielen kann,
von praktischer Bedeutung erscheinen, da ja auch diese Me-
thode wegen ihrer großen Bequemlichkeit für klinische Zwecke
Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 49
in ausgedehntem Maße herangezogen wurde. Man kann nun
bei der Bestimmung diastatischer Fermente drei Methoden
unterscheiden: erstens die Verfahren, wobei die quantitative
Bestimmung des entstehenden Zuckers als Maß der Stärke des
diastatischen Ferments genommen wird; zweitens die Methoden,
die hierzu den Ausfall der Jodstärkereaktion in irgendeiner
Weise benutzten, drittens die Methode von Walther, die
analog der Pepsinbestimmung mit Mettschen Röhrchen die
Länge eines verdauten Stärkecylinders als Maß der diastatischen
Kraft wählt.
Die Wohlgemuthsche Methode benutzt die Jodstärke-
reaktion. Wir werden nun ausführen, welche Verhältnisse hier-
bei eine genaue quantitative Abschätzung der diastatischen
Kraft einer Fermentlösung bis zu einem gewissen Grade illu-
sorisch erscheinen lassen. Wir werden dabei genauer auf die
Verhältnisse der Jodstärkereaktion überhaupt und ihre Beein-
flussung durch jodbindende und andere Körper in der Reak-
tionsflüssigkeit, sowie durch andere Faktoren eingehen müssen,
um dann zu zeigen, welchen besonderen Einfluß hierbei Eiweiß-
körper, resp. der aromatische Kern im Eiweißmolekül haben
und wie man diese Verhältnisse für praktische Zwecke zu einer
quantitativen Eiweißbestimmung nutzbar machen kann.
Nach Wohlgemuth wird die diastatische Kraft einer
Fermentlösung auf die Weise bestimmt, daß man sich eine
Reihe mit fallenden Mengen der zu untersuchenden Ferment-
lösung herstellt und zu jeder Verdünnung 5 ccm einer 1°/ igen
Stärkelösung zugibt. Nach Ablauf der gewünschten Versuchs-
dauer werden sämtliche Reagensröhrchen etwa bis fingerbreit
vom Rande mit Wasser aufgefüllt und je ein Tropfen einer
®/,0Jodlösung zugesetzt und umgeschüttelt. Hierbei treten nun
je nach der erreichten Stufe des Stärkeabbaus verschiedene
Färbungen auf; zur Bestimmung der Diastase wird nun der
unterste Grenzwert (limes) benutzt, wo zum erstenmal die rein
blaue Farbe unverkennbar auftritt, Das mit Wasser aufgefüllte
Röhrchen zeigt demnach eine leicht violette Färbung. Dies
wird als Ausdruck dafür angenommen, daß in dieser Verdün-
nung ein Abbau von Stärke nicht mehr erfolgt ist. Auf die
übrigen Kautelen bei der Versuchsanordnung brauchen wir in
diesem Zusammenhange nicht näher einzugehen, wo uns nur
Biochemische Zeitschrift Band 95. 4
50 C. Lange:
die Beeinflussung der Jodstärkereaktion durch fremde Faktoren
interessiert. Auf eine Fehlermöglichkeit, die vielleicht nicht
ausgeschaltet werden kann, außer bei der Methode nach Walther,
wollen wir nur kurz hindeuten, daß nämlich die Diastasewirkung
bei Mischung z. B. von Serum mit einer Lösung von Stärke
durch die hierbei auftretende gegenseitige Kolloidausflockung
erheblich beeinflußt werden kann, was zu unkontrollierbaren
Fehlermöglichkeiten führen kann, da ja diese Ausfällungen
nicht gleichmäßig in der fallenden Reihe abfallen, da derartige
gegenseitige Kolloidfällungen von dem Mischungsverhältnis ab-
hängig sind.
Die Verhältnisse bei der Wohlgemuthschen Methode
scheinen auf den ersten Blick sehr einfach und durchsichtig,
und doch zeigt sich bei näherer Analyse, daß hierbei doch
Fehlschlüsse möglich sind. Es liegt uns fern, die praktische
Brauchbarkeit der Methode nach Wohlgemuth bezweifeln zu
wollen,. aber wir werden nach näherer Analyse sehen, welch
große Bedeutung den genauen Mischungsverhältnissen (5 ccm
1°/,ige Stärke, 1 Tropfen ®/,,.Jod) zukommt, und daß die
Methode der Bestimmung der diastatischen Kraft sehr leicht
zu direkten Fehlern führen kann, wenn man von diesen Mi-
schungsverhältnissen und der vorgeschriebenen Ablesung der
Resultate erheblich abweicht, was ja ohne weiteres möglich und
wünschenswert erscheint, wenn man sehr kleine Fermentmengen
oder sehr kleine Differenzen im Gehalt an Ferment verschie-
dener Lösungen feststellen will. Ohne eine besondere Kontroll-
technik, die wir weiter unten geben werden, kann man sich
sogar verleiten lassen, eine diastatische Fermentwirkung an-
zunehmen, wo eine solche gar nicht existiert.
Das Hauptmoment bei der Wohlgemuthschen Methode
sehen wir in der Feststellung eines direkten Farbenum-
schlages von blau zu roten oder bräunlichroten Nuancen;
nur dadurch kann ein Abbau von Stärke nachgewiesen werden,
nicht etwa auch durch Differenzen in der Intensität der
Blaufärbung, und diesem Moment wird ja auch bei der Ver-
suchsanordnung Rechnung getragen. Dagegen ist zu betonen,
daß die Methode, wenn man sehr feine Differenzen feststellen
will, als recht grob anzusehen ist, was durch die großen Mengen
Stärke und Jod bedingt wird, wodurch die enorme Feinheit
Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 51
der Jodstärkereaktion unter anderen Verhältnissen ausgeschaltet
wird.
Arbeitet man mit kleineren Stärkemengen und kleinen
Jodmengen, so könnte man hoffen, sehr geringen Stärkeabbau
schon dadurch festzustellen, daß .man so geringe Jodmengen
zugibt, daß Differenzen in der Sättigung der blauen Farbe als
Ausdruck der diastatischen Wirkung genommen werden können,
bevor ein direkter Umschlag in rotbraun erfolgt. Dies läßt
sich auch in der Tat bei etwas komplizierter Versuchsanordnung
ermöglichen. |
Um diese Verhältnisse leichter verständlich zu machen,
wollen wir zurückgreifen auf die anfangs beschriebenen Ver-
suche der Fermentbindung mit diastatischen Fermenten, die
möglichen Fehlerquellen werden dabei ohne weiteres deutlich,
nebenbei wollen wir nur darauf hinweisen, daß gerade derartige
diastatische Fermente für die gewählte Versuchsanordnung
ihrer Dialysierfähigkeit wegen weniger geeignet erscheinen als
andere hochkomplexe Fermente, die leicht adsorbiert werden,
wie z. B. Lipasen.
Wir vermischten präcipitierendes Serum mit dem dazu
passenden Eiweiß in verschiedenen Mischungsverhältnissen und
gaben dazu kleine Mengen Diastase, z. B. eine sehr verdünnte
Lösung von Speichel. Nach verschiedenen Bindungszeiten bei
verschiedenen Temperaturen gaben wir nun geringe Mengen
Stärke dazu, ließen während einer durch einen Vorversuch
passend ausgewählten Zeit im Wasserbad verdauen und gaben
dann genau abgemessene Mengen einer so verdünnten Jod-
lösung dazu, daß eine Blaufärbung entstand, die in der bereits
vorhandenen Verdünnung feinere Nuancen erkennen lassen
mußte; die ersten Farbumschläge nach rotviolett hin bei wirk-
licher Verdauung sind übrigens kaum in Verdünnung zu unter-
scheiden von verdünnten rein blauen Jodstärkelösungen.
Wir wollen hier nicht ausführlicher auf unsere Versuche
eingehen und nur die Resultate bringen, soweit sie in diesem
Zusammenhang interessieren. Es zeigte sich beim Vergleich
von normalen und präcipitierenden Seren in Mischung mit dem
dazu gehörigen Antigen, wenn man Diastase, dann Stärke und
zum Schluß Jod zugab, stets ein Unterschied bei Vorhanden-
sein des Immunserums nach der entgegengesetzten Richtung
4%
52 С. Lange:
als erwartet wurde, daß nämlich regelmäßig Mischungen mit
Immunserum gegenüber denen mit Normalserum eine deutlich
schwächere blaue Färbung zeigten. Dies trat ganz ausnahmslos
auf bei den verschiedensten Antiseren und Antigenen. Die
Deutung war schwierig und widersprach zum mindesten der
Annahme durchaus, daß es sich um eine Bindung der Diastase
handeln könnte.
Bei näherer Analyse stellte sich dann heraus, daß hier
besondere Verhältnisse vorliegen, die bisher anscheinend fast
unbekannt geblieben sind und in engstem Zusammenhang mit
der Beeinflussung der Jodstärkereaktion durch äußere Faktoren
stehen, jedoch mit etwaigen Differenzen in der Fermentwirkung
bei der gewählten Versuchsanordnung nichts zu tun haben.
Auffallend schien sehr bald, daß wir bei den verschieden-
sten Konzentrationsverhältnissen des Fermentes und bei noch
so verschieden gewählter Versuchsdauer immer nur denselben
Farbenunterschied zwischen den Lösungen mit Immun- oder
Normalserum auftreten sahen.
Eine bestimmte Richtung bekam dieser Zweifel sehr bald,
als wir bei unseren Versuchen mit Immunseren, die größtenteils
zwecks Konservierung mit Carbol versetzt waren, untersuchten,
welchen Einfluß der Zusatz von Carbolsäure zum Serum auf
den Ausfall der hier angeführten Versuche hätte.
Es zeigte sich nun, daß sehr geringe Unterschiede im
Carbolgehalt von Serum genügten, um einen deutlichen Unter-
schied im Ausfall der Jodstärkereaktion zu ergeben. Die Er-
klärung liegt natürlich darin, daß das Jod mit dem Phenol
direkt schon bei Zimmertemperatur eine feste chemische Ver-
bindung eingeht, trotzdem es vorher in irgendeiner Verbindung
mit der Stärke stand, auf die wir noch eingehen werden. Auf-
fallend waren nur und für die Methode der Diastasebestimmung
mittels der Jodstärkereaktion von besonderem Interesse die
zeitlichen Verhältnisse hierbei. Es ergab sich, daß Jod in
kleinen Mengen mit dem Phenol so schnell reagiert, daß eine
Blaufärbung der Stärke überhaupt nicht einzutreten braucht
oder fast momentan verschwindet, selbst wenn man zu der
carbolhaltigen Lösung zuerst Stärke und dann Jod zugibt.
Fügt man zu carbokäurehaltigen Lösungen zuerst Jod und
dann sofort Stärke, dann tritt keine Blaufärbung ein, selbst
Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 53
wenn man solche Jodmengen verwendet, daß sie schon eine
recht starke Bläuung hervorrufen können. Maßgebend für diese
Verhältnisse ist natürlich die Verteilung — ganz allgemein ge-
sagt — des Jods zwischen Phenol und Stärke und die zeit-
lichen Verhältnisse dieses Ablaufs. Doch bevor wir näher darauf
eingehen können, müssen wir noch ausführen, daß dem Eiweiß
bei derartigen Versuchen die gleiche Bedeutung zukommt, wie
etwa dem Phenol.
Als wir nämlich den Kontrollversuch anstellten, wie
unsere Serummischungen mit Antigen und Ptyalin gegenüber
der Jodstärkereaktion sich verhielten, bevor ein Abbau von
Stärke stattgefunden haben konnte, ergab sich, daß sich die-
selbe Differenz in der Stärke der Blaufärbung ergab wie nach
Verdauung; der weitere Versuch ergab, daß auch die Seren
allein diese Differenz zeigten. Mischte man also das eine Mal
Immunserum mit Stärke und gab dann Jod dazu, so war die
Blaufärbung stets geringer als bei Verwendung von Normal-
serum. Diese Differenz konnte noch ganz erheblich verstärkt
werden, wenn man zum Serum zuerst eine bestimmte Menge
Jod zugab und dann nach einiger Zeit Stärke; es ergab sich
dabei etwa, daß, wenn man zu 1 сот 1:10 verdünnten Serums
0,5 ccm faso Jod zugab und nach einiger Zeit erst Stärke, das
Normalserum eine starke Blaufärbung zeigte, während die Mi-
schung mit Immunserum vollkommen farblos blieb. Die Unter-
schiede bei den oben dargestellten Versuchen waren damit
aufgeklärt und hatten danach gar keinen Zusammenhang mit
der gewählten Versuchsanordnung, sondern waren bedingt durch
die Differenzen zwischen Normal- und Immunserum.
Da eine derartige Feststellung einer chemischen Differenz
zwischen Normal- und Immunseren uns von großem Interesse
erschien und alle untersuchten Immunseren betraf, prüften wir
dann weiter, welche Körper diesen Unterschied bedingten. Es
zeigte sich bald, daß der Unterschied durch den verschiedenen
Gehalt an Eiweißkörpern bedingt sei, und daß die angegebene
Methode, die sich noch erheblich verfeinern ließ, sich unter
bestimmten Bedingungen gut zur quantitativen Bestimmung
von Eiweiß verwenden ließ.
Zu ähnlichen Befunden war, wie wir dann fanden, schon Clementi
gekommen bei Untersuchungen, welchen Einfluß verschiedene Körper
м
54 C. Lange:
auf das Verschwinden der Jodstärkereaktion haben; wir bemerken
hier gleich, daß er anscheinend nur Körper untersucht hat, die schon
bei Zimmertemperatur eine starke chemische Affinität zum Jod, gelöst
in Jodkali, haben, die also der Jodstärkeverbindung das Jod entziehen
und nicht auch solche Körper, die infolge physikalischer Beeinflussung
der Löslichkeit dieses Kolloidkomplexes die Farbreaktion in ihrer Inten-
sität beeinflussen. Außerdem ist für praktische Zwecke der Unterschied
nicht zu übersehen, daß bei diesen Untersuchungen es nur darauf ankam,
festzustellen, welche Körper eine blaue Jodstärkereaktion zum Ver-
schwinden bringen können, während aus unseren Befunden hervorging,
daß die Körper dieser Klasse, wenn sie im Reaktionsgemisch vorhanden
sind, ihre Affinität zum Jod bei Zimmertemperatur so momentan geltend
machen, daß sie den Ausfall einer erst auftretenden Jodstärkebläuung
abschwächen oder verhindern können.
Clementi fand das Furfurol wirksam, daneben hatten Eiweiß-
körper denselben Einfluß; untersucht wurden Albumine, Globuline,
Pflanzenproteine, Albuminoide und Phosphorproteide, die mit verschie-
dener Schnelligkeit die Blaufärbung der Jodstärkereaktion aufhoben.
Glykokoll, Alanin, Leucin, Asparagin waren ohne Einfluß, Tyrosin be-
wirkte rasche Entfärbung.
Bei unseren Untersuchungen gaben auch andere Aldehyde
als das Furfurol eine Hemmung; besonders stark von anderen
Körpern wieder die Gerbsäure, die aber in der Weise wirkt,
daß sie die Stärke ausfällt. Auf die Hemmung durch Körper,
die das Jod nicht binden, gehen wir später noch ein.
Bevor wir jedoch auf diese Hemmungen und Verstärkungen
infolge ihrer physikalischen Beeinflussung näher eingehen, wollen
wir noch ausführen, welche Bedeutung die geschilderten Ver-
hältnisse für die quantitative Bestimmung von Diastase mit
Hilfe der Jodstärkereaktion haben. Es ist danach zweifellos.
daß Farbnuancen in der helleren oder dunkleren Blaufärbung
bei der Jodstärkereaktion nicht für einen diastatischen Abbau
der Stärke zu sprechen brauchen; derartige Farbenintensitäts-
differenzen werden ja nun bei der Wohlgemuthschen Methode
auch nicht beachtet, sondern nur die Qualitätsdifferenzen
zwischen den verschiedenen erzielten Farbtönen. Dies ist un-
bedingt zu beachten, und Abweichungen nach der quantitativen
Seite erlaubt die Methode in dieser Form kaum, wenigstens
was die große Menge Jod betrifft. Die Stärkemenge scheint
keinen so großen Einfluß zu haben, wovon man sich bei Ver-
suchen mit Urin überzeugen kann, dessen Untersuchung auf
Diastase nach der Methode Wohlgemuth klinisch viel ver-
Jod-Stärkereakt. u. ihre Verwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 55
wendet wird. Mischt man 1 ccm Urin mit 5 сот 1°/,iger
Lösung von löslicher Starke und gibt dann 1 Tropfen "/,,-Јой
dazu, so kann nach ganz schnell vorübergehender Blaufärbung,
deren Intensität und Qualität man kaum beurteilen kann, die
Färbung wieder vollkommen verschwinden. Dies kommt daher,
daß der Harn vermutlich durch seinen Gehalt an Phenolen
eine außerordentlich starke Fähigkeit hat, Jod zu binden, außer-
dem ist aber zum mindesten noch eine physikalische Beein-
flussung durch Harnstoff sicher.
Es erscheint nun auf den ersten Blick auffällig, daß diese
Entfärbung so plötzlich auftreten kann, wo doch so außer-
ordentlich geringe Mengen Jod genügen, um mit Stärke eine
erhebliche Blaufärbung zu erzielen. Der Grund kann nur darin
gesehen werden, daß das Jod einerseits mit der Stärke eine
sehr leicht zu trennende Kolloidverbindung eingeht, dagegen
von Phenol mit großer Kraft chemisth gebunden wird. Man
kann z. B. die blaue Farbe einer Jodstärkereaktion durch relativ
kleine Mengen Phenol sehr rasch zum Verschwinden bringen.
Diese Erklärung scheint im gegebenen Fall am nächsten zu
liegen, ebenso für den gleichen Einfluß, den Eiweißkörper her-
vorbringen, doch sind noch andere Verhältnisse denkbar, auf
die wir bei Besprechung der Einflüsse verschiedener Faktoren
auf den Ausfall der Jodstärkereaktion zu sprechen kommen
werden.
Um nun zurückzukommen auf die Bestimmung von Diastase
mit der Jodstärkereaktion, so ist jedenfalls eins sicher, daß das
Vorhandensein jodbindender Körper in der Reaktionsflüssigkeit
einen erheblichen, und zwar momentan sich geltend machenden
Einfluß besitzt, der durch die Menge zugegebener Stärke wenig
beeinflußt wird; die größere Menge an Stärke ist nicht im-
stande, etwa das Jod festzuhalten und die chemische Verbin-
dung mit anderen Körpern zu verhindern. Man kann daher
wohl ohne Bedenken bei Feststellung schwächerer Ferment-
wirkungen oder feinerer Differenzen zwischen verschiedenen
Lösungen mit der Stärkemenge heruntergehen. Es liegt auf
der Hand, daß man allein hierdurch schon eine erhebliche Ver-
feinerung erzielen kann, was sich sehr einfach demonstrieren
läßt: erzielt man in 1 ccm Stärkelösung durch schwache Diastase-
wirkung eine deutliche rote Farbe, so kann dieselbe ohne
56 C. Lange:
weiteres vollkommen verdeckt werden, wenn man noch 4 ccm
unveränderte Stärkelösung und dann das Jod zugibt. Die blaue
Farbe überdeckt dann die rote Färbung vollkommen; anderer-
seits können die Verhältnisse noch komplizierter werden, wenn,
wie im Urin, solche Mengen jodbindender Körper vorhanden
sind, daß die Stärke der Färbung erheblich beeinflußt wird.
Um hier die möglichste Feinheit an Unterschieden zu er-
zielen, muß man die Jodmenge so bemessen, daß keine zu
starke Farbintensität erzielt wird; 1 Tropfen 2/,,-Јоа ist in
dieser Hinsicht schon ein sehr erhebliches Quantum; die Farb-
nuancen werden hierbei durch Zumischung einer gelben Farb-
nuance auch noch beeinflußt, worauf wir weiter unten noch
zurückkommen werden. Will man nun bei der Bestimmung
der Diastasewirkung mittels der Jodstärkereaktion, wenn es
sich um Feststellung sehr feiner Differenzen handeln soll, eine
möglichste Verfeinerung erzielen, so kann man dies auf die
Weise erreichen, daß man die Jodmengen, entsprechend dem
jeweiligen Vorhandensein jodbindender Körper in der Verdün-
nungsreihe, die durch einen Vorversuch festzustellen wären,
verschieden wählt. Man erhält dann wenigstens auch bezüg-
lich der Farbintensitäten vergleichbare Resultate, die nur durch
den Grad der Stärkeverdauung bedingt wären. Die Menge der
Jodlösung wäre nach der Menge zu bemessen, die nach ungefähr
10 Minuten bei Zimmertemperatur durch das Substrat restlos
gebunden wird, also nach Zufügen von Stärkelösung keine Blau-
färbung mehr erkennen läßt. Beim Fermentversuch würden
dann die Farbnuancen maßgebend sein, die nach Abschluß
der Verdauung und Zugabe der dosierten Jodmengen 10 Mi-
nuten danach auftreten, nachdem inzwischen häufig gut durch-
gemischt ist.
Wir konnten auf die angegebene Weise Herabsetzung der
Stärkemenge und Dosierung der Jodmenge eine erhebliche Ver-
feinerung gegenüber den Resultaten erzielen, die bei genauer
Innehaltung der Wohlgemuthschen Vorschriften zu erzielen
waren.
Um nun die Resultate zusammenzufassen, die sich bei
Prüfung der Diastasebestimmung mittels der Jodstärkereaktion
erzielen lassen, so ist es sicher, daß die Methode erheblich
weniger fein ist, als man bei der enormen Empfindlichkeit der
Jod-Stärkereakt.u. ihreVerwendung f.e. colorimetr. Eiweißbestimmung. 57
Jodstärkereaktion erwarten sollte, da sehr viele wenig beachtete
Zwischenreaktionen auftreten, die dieselbe beeinträchtigen. Diese
Empfindlichkeit bezieht sich ja auch nur auf den Nachweis
geringster Jodspuren mittels Stärke, nicht auf die bei der
Diastasebestimmung obwaltenden Verhältnisse, wo nur der
qualitative Nachweis des Farbumschlags bei der Stärkever-
dauung als Indicator benutzt werden kann, und auch dies ist
noch in bestimmter Richtung einzuschränken, als violette Töne
allein schon durch die Anwesenheit bestimmter Salze erzielt
werden können, also nur rote oder rotbraune Färbungen ver-
wendbar sind.
Die Menge der zugefügten Stärke scheint uns unter den
geschilderten Verhältnissen wenig von Bedeutung zu sein, so
daß man sie wohl herabsetzen kann. Auch die quantitativen
Verhältnisse der Jodbindung durch andere Körper lassen sich
bis zu einem gewissen Grade ausschalten, aber selbst bei diesen
unzweifelhaften Verfeinerungen leistet die Methode in quanti-
tativer Beziehung vielleicht weniger als der Nachweis des ab-
gespaltenen Zuckers zur Bestimmung der Wirksamkeit von
Diastasen; sie hat vor derselben nur die bequemere Ausführung
voraus. -
Beeinträchtigen nun besondere Umstände die Feinheit der
Jodstärkereaktion für den Nachweis der Diastasewirkung, so
ist diese Feinheit vollkommen ausgenützt, wenn wir die Re-
aktion dazu benutzen, quantitativ Körper zu bestimmen, - die
eine ausgesprochene Affinität zum Jod besitzen. Für die Eiweiß-
bestimmung in bestimmten Körperflüssigkeiten, wo uns diese
Verhältnisse gerade vom Standpunkt der Immunitätslehre inter-
essieren, liegen die Verhältnisse in dieser Richtung vielleicht
noch günstiger als bei der Bestimmung der Phenole mit Jod
im Harn, wo andere jodbindende Körper, zum Teil wohl Al-
dehyde, erst durch ein umständliches Verfahren ausgeschaltet
werden müssen, während die Feststellung des Eiweißgehaltes
in Serum oder Liquor mittels Jodstärkereaktion sich ohne be-
sondere Vorbehandlung durchführen läßt. Hier wären ja, be-
sonders auch beim Serum, derartig einfache Verfahren sehr
erwünscht, wo manchmal schon die Feststellung von kleinen
Differenzen von erheblichem Interesse sein könnte, ohne daß
der absolute Gehalt mit anderen Methoden bestimmt zu werden
58 С. Lange:
brauchte, was sich nur äußerst schwierig und ungenau durch-
führen läßt. Diesem Umstand ist wohl auch die Tatsache zu-
zuschreiben, daß die Verhältnisse des Eiweißgehalts im Serum
bei Immunitätsvorgängen so wenig erforscht sind. Anders
liegen die Verhältnisse beim Liquor, wo schon gute Verfahren
bekannt sind, aber auch hier wäre jede Verfeinerung außer-
ordentlich wertvoll aus dem Grunde, weil der Liquor normaler-
weise einen so konstanten Eiweißgehalt besitzt, daß jede Er-
höhung, sobald sie sich sicher nachweisen läßt, als pathologisch
anzusehen ist; die bekannten Verfahren reichen dafür noch
nicht so weit aus, daß nicht weitere Verfeinerungen erwünscht
wären. Bei dem äußerst geringen Normalgehalt des Liquors
an Eiweißkörpern läßt sich eine geringe absolute Vermehrung
relativ leicht feststellen, da diese Vermehrung prozentual aus-
gedrückt gleich sehr große Werte annimmt, umgekehrt macht
eine ebenso starke Eiweißvermehrung im Serum prozentual nur
geringe Differenzen aus bei dem hohen Normalgehalt an Eiweiß.
Eine Eiweißvermehrung im Serum läßt sich bei der großen
Ungenauigkeit der bisher bekannten Methoden demnach sehr
schwer feststellen. Bedenkt man aber, welche hohe Bedeutung
bei allen Immunitätsprozessen im Liquor dem Nachweis der
geringsten Eiweißerhöhung zukommt, so läßt sich ermessen,
daß derartige Untersuchungen auf das Serum ausgedehnt wohl
zu manchen interessanten Resultaten bei der Analyse von
Immunitätsvorgängen führen müssen, wenn man nur eine be-
queme und hinlänglich exakte Untersuchungsmethode für diesen
Zweck besitzt. Es scheint uns aber nach unseren bisherigen
Untersuchungen zweifellos, daß, wenn es nur auf quantitative
Verhältnisse der Eiweißbestimmung · ankommt, ohne Berück-
sichtigung der Spezifitätsverhältnisse, die chemischen Reaktionen
den serologischen Methoden des Eiweißnachweises — wenigstens
mittels der Technik der Präcipitation — gleichkommen, zum
Teil auch überlegen sind; von rein chemischen Methoden, die
wir im Auge haben, verweisen wir hier nur auf die von uns
angegebene Methode der Liquoruntersuchung mit kolloidalem
Gold. Auch nach anderer Richtung liegen die Verhältnisse
verschieden für Blut und Liquor, und zwar auch hier wieder
günstiger für den Liquor, wenn es sich um Feststellung von
Eiweißvermehrung im Verlauf immunisatorischer Prozesse —
Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 59
ganz allgemein gesagt — handelt. Der Unterschied liegt darin,
daß die Eiweißbestimmung im Liquor an der Flüssigkeit vor-
genommen werden kann, wie sie sich im Körper vorfindet, das
Blut aber gerinnt. :Nun nehmen die bei Immunitätsvorgängen
interessierenden Eiweißkörper sowohl Antigene als Antikörper,
in einer Reihe der Eiweißkörper, geordnet nach ihrer steigen-
den Kolloidalität, die höchste Stufe ein; sie werden am leich-
testen bei allen Fällungen mitgerissen, finden sich daher auch
bei allen Salzfällungen meist in der Fraktion, die bei niedrig-
stem Salzgehalt ausfällt. Das gleiche trifft zu bei der Gerinnung
des Blutes. Eine Menge dieser Stoffe werden in das Blut-
koagulum mit hineingerissen. Es ergibt sich nun hieraus die
Aufgabe, derartige Untersuchungen nicht nur am Serum, son-
dern аһ am Gesamtblut oder wenigstens am Plasma aus-
zuführen. Wir werden später zeigen, daß die ersten Eiweiß-
vermehrungen im Blut sich am Plasma und später erst am
Serum zeigen; wir glauben, daß diese Feststellung auch für
rein serologische Methoden von Bedeutung sein kann. Für die
Eiweißbestimmung im Urin ist das jodometrische Verfahren
kaum brauchbar zu gestalten, das spielt aber insofern gar keine
Rolle, als hier die Feststellung so feiner Unterschiede, wie sie
uns im Serum und Liquor bei Immunitätsvorgängen von großer
Bedeutung wären, klinisch kaum von Interesse ist. Für die
hier vorliegenden Bedürfnisse genügen die bekannten Verfahren
den heutigen Ansprüchen.
Um nun für eine derartige Methodik eine genügend
sichere Unterlage zu schaffen, mußten * die Verhältnisse
nach zwei Richtungen vollkommen geklärt werden: erstens,
welche physikalischen Faktoren beeinflussen in nennens-
werter Weise den Ausfall der Jodstärkereaktion, und zweitens,
welche Körper mit starker chemischer Affinität zum Jod
können in den auf Eiweiß zu untersuchenden Flüssigkeiten
nebenher von Einfluß sein? Der letztere Punkt läßt sich
auf die Weise entscheiden, daß man die eiweißfreie Flüssig-
keit — hergestellt entweder durch Kolloidfiltration oder
durch neutrale Ausfällung mit kolloidalem Eisen oder der-
gleichen — auf jodbindende Körper prüft. Die Methode ist
direkt brauchbar für alle Körperflüssigkeiten, wenn derartige
Körper entweder nicht vorhanden sind oder sich unter den
60 C. Lange:
gegebenen Verhältnissen so konstant verhalten, daß sie ver-
nachlässigt werden können.
Der Einfluß physikalischer Faktoren ist deshalb von
besonderem Interesse, weil die Erforschung dieser Verhältnisse
erstens für unsere Methodik von Bedeutung ist, und außer-
dem auch einen theoretischen Einblick in die komplizierten
Verhältnisse bei der Jodstärkereaktion gewährt, die noch immer
nicht vollkommen geklärt erscheinen, ob nämlich die Jod-
stärke eine chemische Verbindung nach festen Proportionen,
oder eine feste Lösung nach dem Verteilungssatz ist; wir neigen
demgegenüber zu der Auffassung, daß es eine Verbindung ist,
deren wechselnder Gehalt an Jod und wechselnde Färbung
unter dem Einfluß verschiedener Faktoren durch die verschie-
dene Löslichkeitsbeeinflussung des Kolloidkomplexes Jodstärke
bedingt ist. Wir wollen hier die Tatsachen anführen, die uns
lediglich eine derartige Deutung als möglich erscheinen lassen.
Die Stärke gehört zu den durch Temperaturdifferenzen
koagulierbaren hydrophilen Kolloiden, und zwar ist diese Ko-
agulation reversibel. Sie unterscheidet sich in dieser Beziehung
z. B. wesentlich von dem Eiweiß, das gleichfalls ein hydro-
philes Kolloid darstellt und durch Temperaturdifferenzen —
aber irreversibel, koaguliert wird. Die Temperatureinwirkung
ist bei Stärke ebenso wie bei Gelatine und Agar eine umge-
kehrte als beim Eiweiß, insofern höhere Temperaturen ver-
flüssigen, also die Löslichkeit erhöhen, niedere Temperaturen
koagulieren. Die Stärke kann nun ebenso wie durch Tempera-
tureinflüsse auch durch Krystalloide und Kolloide in ihren Lös-
lichkeitsverhältnissen weitgehend beeinflußt werden; sie kann
bei geeigneten Mischungsverhältnissen mit verschiedensten der-
artigen Körpern entweder ausgeflockt werden oder löslicher
werden, da letzteres sich durch eine Abnahme der Viscosität
bemerkbar macht.
Für die Beeinflussung der Jodstärkereaktion durch physikalische
Einflüsse interessierte man sich aus praktischen Gründen schon sehr
frühzeitig; wir wollen hier nicht auf die Literatur näher eingehen, son-
dern wollen nur das Wichtigste kurz anführen. Fresenius (1857)
stellte fest, daß die Jodstärkereaktion bei Erhitzung verschwindet, bei
Abkühlen wieder auftritt. Er fand auch gleich, daß sie im reinen
Wasser leichter verschwindet, als wenn Säuren oder Salze zugegen sind.
Der starke Temperatureinfluß ist aus seinen Angaben ersichtlich, daß
Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e. colorimetr. Eiweißbestimmung. 61
man zu der gleichen Menge Stärkelösung je nach der Temperatur ganz
verschiedene Mengen derselben Jodlösung zugeben muß, um eine gleich
starke blaue Färbung zu erzielen, und zwar betrugen die Jodmengen
bei 0° 0,4, bei 14° 0,7, bei 28° 1,4 cem. Hieraus kann man schon eins
entnehmen, was für uns wichtig ist, daß man ohne besondere Vorsichts-
maßregeln aus der Intensität der Blaufärbung in keiner Weise auf die
Menge Jod schließen kann, die mit der Stärke unter Blaufärbung re-
agiert hat. Die Jodstärkereaktion wird verstärkt, bzw. man braucht
kleinere Mengen Jod bis zur Erzielung einer eben deutlichen Blau-
färbung, wenn man Salze oder Säuren zugibt. So konnte Fresenius
durch Zugabe von Chlornatrium und Salzsäure zur Stärkelösung den
Jodnachweis, denn nur darauf kam es ihm an, so weit verfeinern, daß
das Jod noch in einer Verdünnung von 1/2500000 durch Blaufärbung
der Stärke nachgewiesen werden konnte.
Eine befriedigende Erklärung für diese auffallenden Tat-
sachen konnte man bei dem damaligen Stand der Kenntnisse
nicht geben, sie kann nur aus kolloidchemischen Gesetzen her-
geleitet werden, und man kann leicht erkennen, daß es sich
hier tatsächlich um reine Kolloidbeziehungen abhängig vom
Lösungszustand oder Dispersitätsgrad der Stärke, resp. des
Jodstärkekomplexes handelt, wenn man die von diesem For-
schungsgebiet geläufigen Vorstellungen auf die Verhältnisse der
Jodstärkereaktion überträgt, man kann dann auch ohne weiteres
voraussagen, wie gewisse Stoffe, z. B. Salze, in bestimmter und
zwar entgegengesetzter Weise den Ausfall der Jodstärkereaktion
beeinflussen müssen.
Das Gesetz, nach dem die Jodstärkereaktion in ihrer
Intensität durch äußere Faktoren beeinflußt wird, lautet ganz
einfach so: der verschiedene Grad der Blaufärbung bei gleich-
bleibenden Mengen Jod und Stärke ist lediglich abhängig vom
Lösungszustand (aber im Hinblick auf die Quellung und
nicht die Teilchengröße der dispersen Phase) des Kolloid-
komplexes Jodstärke, und zwar in dem Sinne, daß eine größere
Löslichkeit die Reaktion zum Verschwinden bringt und eine
Annäherung an den Zustand der Ausfällung (Entquellung) sie
verstärkt.
Dies Gesetz gilt ganz gleichmäßig, ob es sich nun bei
diesen äußeren Faktoren um rein physikalische oder mehr
chemische Einflüsse handelt. Bei der physikalischen Beein-
flussung durch chemische Körper ist es wiederum ganz gleich-
gültig, ob es sich um Elektrolyte, Nichtelektrolyte, Säuren oder
62 С. Lange:
Basen, um Krystalloide oder Kolloide handelt, sie alle beein-
flussen die Jodstärkereaktion, abgesehen natürlich von den
Körpern, die momentan eine feste chemische Bindung mit Jod
eingehen — in der gleichen Weise wie sie die Lösungsverhält-
nisse des Kolloidkomplexes Jodstärke beeinflussen.
Als was hat man sich nun den Komplex Jodstärke vor-
zustellen, wenn man eine chemische Bindung, die leicht disso-
ziabel sein soll, oder eine Verbindung nach dem Verteilungs-
satze ablehnt? Nach den Fällungsreaktionen gegenüber anderen
Kolloiden mit ausgesprochener elektrischer Ladung ist die Jod-
stärke als elektronegatives Kolloid anzusehen. Sein Zu-
standekommen erklären wir uns so, daß das fast wasserunlös-
liche Jod durch Jodkali, ebenso wie die Stärke kolloidal ge-
löst ist, in kolloidaler Lösung wirkt und daß nun die Bildung
des Komplexes kolloidales Jod —+- kolloidale Stärke sich nach
den Gesetzen der gegenseitigen Kolloidausflockung vollzieht,
wobei zwei Kolloide sich in bestimmten Mischungsverhältnissen
gegenseitig ausfällen, bzw. in ihren Löslichkeitsverhältnissen be-
einflussen; ganz bestimmt sind aber zum Zustandekommen der
Jodstärkereaktion keine Jodionen nötig, wie man dies früher
annahm. Die Lösungsverhältnisse des Jods in wäßriger Lösung
sind noch recht unklar, wir nehmen aber eine kolloidale Lösung
aus folgenden Gründen an: die Löslichkeitserhöhung des Jods
durch Jodkali beruht nicht nur auf irgendeiner chemischen
Bindung, sondern das Jodkali beeinflußt offenbar, ebenso wie
andere Körper, die Löslichkeit des elementaren Jods in
physikalischer Weise, (das Jodion nimmt unter den anorgani-
‚schen Anionen, die die Quellung von Gallerten und Löslichkeit
hydrophiler Kolloide begünstigen, neben dem Rhodan und Brom
mit die erste Stelle ein), denn erstens fällt das Jod aus kon-
zentrierten Lösungen in Jodkali beim Verdünnen mit Wasser
aus und zweitens entspricht die Erhöhung seiner Löslichkeit
durch Salze der Löslichkeitsvermehrung anderer Kolloide durch
Salze. Außerdem sprechen dafür Erfahrungen, die wir bei
Prüfung der desinfektorischen Wirkung von Jod machten,
über die wir an anderer Stelle berichten werden. Bei der
Desinfektion mit Jod ist bekannt, daß wirkliche Lösungen in
anderen Lösungsmitteln als Wasser, also z. B. Schwefelkohlen-
stoff, die sich auch schon durch die Farbe erheblich unter-
\
Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 63
scheiden, kaum noch desinfizierende Wirkung besitzen; diese
Wirkung aber in wäßriger Lösung kann durch Zugabe von
Salzen, die zweifellos bei ihrer unverkennbaren Beziehung zu
Hofmeisterschen (lyotropen) Reihen eine rein physikalische
Einwirkung auf den Dispersitätsgrad des Jods in wäßriger
Lösung haben, verstärkt oder abgeschwächt werden, ebenso wie
dies bekannt ist von der Verstärkung der Phenolwirkung, das
unserer Auffassung nach auch ganz zweifellos als Kolloid je
nach den Mischungsverhältnissen als eiweißfällend- oder -lösend
wirkt und in seiner desinfizierenden Wirkung durch Salze usw.
ebenso im Sinne der 1Іуоётореп Reihen beeinflußt wird, wie
diese Salzwirkungen einen unverkennbaren Zusammenhang mit
der Ausfällung des Phenols aus wäßriger Lösung zeigen.
Zur weiteren Erklärung dieser Auffassung der wäßrigen
Jdd- und Phenollösungen als kolloidaler Lösungen müssen wir
noch einiges hinzufügen. An sich stößt diese Auffassung auf
gewisse Schwierigkeiten, da z. B. in Wasser „gelöstes“ Phenol
durch die gebräuchlichen Dialysiermembranen hindurch diffun-
dert, Dies braucht nicht unbedingt gegen den kolloidalen
Charakter der „Lösung“ zu sprechen, da wir ja wissen, daß
hochkolloidale Körper wie kolloidales Eisen unter gewissen Be-
dingungen auch durch bestimmte Membranen hindurchtreten
können. Wenn wir aber die Löslichkeitsverhältnisse, speziell
des Phenols näher ins Auge fassen, so haben wir auf ihre Be-
ziehungen zu lyotropen Reihen schon hingewiesen. Wir können
hier nicht ausführlich auf die Bedeutung der lyotropen Reihen
für biologische Prozesse und speziell den Desinfektionsvorgang
mit Phenol eingehen, wir werden dies in anderem Zusammen-
hang ausführen. Wir müssen hier nur den Begriff dieser Reihen
etwas weiter fassen, als dies gewöhnlich geschieht, und auch
anders formulieren, weil es für das Verständnis der kolloid-
chemischen Vorgänge bei der Jodstärkereaktion von Bedeutung
ist. Meist werden nur Salze unter den Begriff der lyotropen
Reihen gebracht, die dann hauptsächlich durch ihre Anionen,
weniger durch ihre Kationen wirken. Hofmeister unter-
scheidet nun bei der Beeinflussung der Gelatinequellung und
-entquellung in Salzlösungen quellungsfördernde und quellungs-
hindernde Körper. Diese Unterscheidung ist nicht rein durch-
führbar, da diese Einflüsse von den Mischungsverhältnissen
64 C. Lange:
abhängen und derselbe Stoff sowohl Quellung, als auch in
anderer Konzentration Entquellung hervorruft. Die Quellung
und Entquellung von Gallerten entspricht, soweit es sich über-
sehen läßt, vollkommen der Löslichkeitsvermehrung und -ver-
minderung gelöster hydrophiler Kolloide. Diese gegensätzliche
Wirkung gilt nun für alle Körper dieser Reihen, gilt auch für
Nichtelektrolyte und КоПоійе. Man kannte nun früher schon
besonders lösungsbefördernde Salze, z. B. Bromkali und Rhodan-
ammonium, die Gelatine auflösen, dasselbe aber auch gegen-
über gewissen Bakterien leisten, wie wir nachweisen konnten.
Den gleichen Effekt in ebenso starkem Maße zeigt z. B. Harn-
stoff unter den Nichtelektrolyten. Zu dieser Gruppe gehören
auch die von Neuberg als neuer Begriff aufgestellten „hydro-
tropisch“ wirksamen Substanzen, die ebenso wie Bromkali,
Rhodansalze und Harnstoff Gallerten gegenüber exzessiv quel-
lungsbefördernde Eigenschaften zeigen, die rein physikalisch
auf Anionenwirkung zurückzuführen sind. Wo die Lösungs-
verhältnisse einer Substanz nun durch derartige Stoffe im Sinne
lyotroper Reihen beeinflußt werden, kann man wohl annehmen,
daß es sich um kolloidale Lösungen handelt. Wir gewinnen
auf diese Weise ein bisher kaum beachtetes Kriterium, das
zur Entscheidung dienen kann, ob sich ein Stoff in kolloidaler
Lösung befindet oder doch in einem Lösungszustand, der sich
dem kolloidalen nähert. Besonders wichtig ist dies Kriterium
für solche Körper, die wenig kolloidal sind, eventuell sogar
zum Teil mit Wasser echte Lösungen bilden. Dies trifft nun
für das Phenol zweifellos zu; durch bestimmte Salze wird das
Phenol ausgefällt und seine desinfektorische Kraft dement-
sprechend erhöht, durch andere Salze seine Löslichkeit erhöht.
Diese Salzwirkungen lassen sich mit Іуоёгореп Reihen gut in
Einklang bringen. Von Interesse ist für das Phenol die durch
Hueppe festgestellte Löslichkeitsbeförderung durch Zusatz von
gewissen Salzen: brauchbar war das Natriumsalicylat, dann
auch die Salze aller Orthooxybenzoesäuren, sowie der Ortho-
benzolsulfosäuren und der entsprechenden Naphthalinderivate.
Im „Solveol“ ist das kreolinsaure Natrium als Lösungsmittel
benutzt. Es sind dies alles Stoffe, von denen Neuberg ihre
allgemein hydrotropische Wirkung nachwies, die sich außerdem
allerdings auch auf die „Wasserlöslichkeit“ von fettartigen
Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 65
Körpern erstreckt. Für das Phenol ist noch ein Punkt von
Bedeutung: seine Lösung mit Hilfe von Alkali. Das Phenol-
natrium hat exquisit lyotrope Eigenschaften und dient nun
dazu, das restierende Phenol in Lösung zu halten. Je mehr
Alkali man verwendet, um so stärker ist infolge Bildung von
Phenolnatrium die Dispersität des Phenols vermehrt, um so
geringer auch dementsprechend seine Desinfektionskraft. Man
kann demnach wohl annehmen, daß das Phenol sich in wäßriger
Lösung kolloidal gelöst vorfindet; die gleichen Betrachtungen
sind auch für die wäßrige Jodlösung übertragbar. In der
Lugolschen Lösung wirkt das Jodkali als lyotrope, bzw.
hydrotrope Substanz, also die Löslichkeit erhöhend durch
physikalische Einflüsse, ebenso wie andere Körper die Löslich-
keit des Jods in Wasser im gleichen Sinne erhöhen. Diese
Beeinflussung kann nun durch Verdünnung oder durch Mischung
mit anderen Kolloiden aufgehoben, eventuell auch verstärkt
werden. Ob daneben auch ein Teil Jod und Phenol wirklich
in Wasser gelöst ist, können wir nicht entscheiden, darüber
müßten wahrscheinlich ultramikroskopische Untersuchungen
Aufschluß geben können. Der Unterschied in der Wasserlös-
lichkeit des Jods gegenüber dem Chlor und Brom liegt darin,
daß Jod mit Wasser kein Hydrat bildet, die Löslichkeit ist
dementsprechend auch außerordentlich gering; 100 Teile Wasser
lösen bei 30° nur 0,045 g Jod. Es würde hier zu weit führen,
auf den Zusammenhang zwischen Hydratbildung und lyotroper
Wirkung näher einzugehen.
Hat nun das Jod in anderen Lösungsmitteln, die echte
Lösungen darstellen, keinen desinfizierenden Wert mehr, so ver-
hält sich dies ebenso bei der Erzielung einer Blaufärbung mit
Stärke. Eine Lösung von Jod in Chloroform 2. В. bewirkt
keine Blaufärbung. Wir nehmen daher an, daß das in Wasser
kolloidal gelöste Jod mit der Stärke nach denselben Gesetzen
sich verbindet, wie zwei Kollolde sich je nach den Mischungs-
verhältnissen entweder ausfällen, oder wenn eins von beiden,
hier wohl immer die Stärke, im Überschuß vorhanden ist, diese
Ausfällung aufgehoben und eine Löslichkeitsvermehrung erzielt
wird. Was nun die Färbung des Jods mit Stärke und ihren
Abbauprodukten betrifft, so ist eine Analogie mit der Farbe ·
von Metallkolloiden auffällig. Die rote Farbe der Verbindung
Kiochemische Zeitschrift Band 95. 5
66 ` C. Lange:
von Jod mit Dextrin findet sich bei den kleineren (abgebauten)
Kolloidkomplexen, die blaue bei den großen. Dies stimmt ge-
nau überein mit den Verhältnissen beim kolloidalen Gold, wo
die Farbe um so mehr nach rot bis gelbrot tendiert, je mehr
das Gold verteilt ist; nach blau, wenn das Gold ausgefällt ist
oder doch bereits zu gröberen Komplexen zusammengetreten
ist. Auch Lösungen von kolloidalem Silber zeigen einen röt-
lichen Farbton, wenn die Verteilung eine sehr feine ist.
Die Analogie geht — zufällig — noch weiter: in je ver-
dünnteren Lösungen man das kolloidale Gold durch Reduktion
von Goldsalzen entstehen läßt, um so mehr nähert sich die
Farbe des Goldsols der rein gelben Farbe der gelösten Gold-
salze; ebenso zeigt das Jod durch Jodkali gelöst auch eine
gelbe Farbe. Wir haben demnach ganz auffällige Analogien
zwischen der Färbung der kolloidalen hydrophilen Jodstärke
und des kolloidalen hydrophilen Goldes, die beide elektronega-
tive Kolloide darstellen, parallel der anzunehmenden Teilchen-
größe (Dispersitätsgrad) der Komplexe, der aber bei der Jod-
stärke mit dem Quellungszustand dieser verschieden großen
Komplexe nicht identisch ist, denn wir haben hier trotz der
geschilderten Analogien zwei ganz verschiedene Arten von Kol-
loiden vor uns. Das Goldsol ist ein hydrophobes Kolloid, d. h. die
disperse Phase ist nicht quellbar. Die Stärke ist ein hydrophiles
quellbares Kolloid, bei ihr kann man demnach die Größe der
Kolloidkomplexe (Jodstärke, Joddextrin) und daneben den
Quellungszustand unterscheiden, die Größe bedingt die Farb-
qualität, der Quellungszustand die Farbintensität. Die blaue
Farbe der Jodstärke ist wohl mit Sicherheit auf einen Lösungs-
zustand des Jods zu beziehen, das diese Farbe sowohl in Gas-
form als auch in anderen Lösungsmitteln zeigt und auch im-
stande ist, mit anderen Kolloiden als Stärke blaugefärbte
Kolloidverbindungen einzugehen, wie z. B. die blaugefärbte Jod-
cholsäure. Die Farbe der Jod„lösungen“ ist zweifellos ab-
hängig von einer Verbindung des Jods mit Molekülen des
Lösungsmittels; nur bezeichnen wir bei der Jodstärke die
Stärke nicht als eigentliches Lösungsmittel, da wir ja einen
Kolloidkomplex annehmen. Den Unterschied kolloidaler .Lö-
sungen gegenüber wirklichen Lösungen müßte man dann daran
erblicken, daß wirkliche Lösungen einen annähernd gleich-
Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 67
bleibenden Zustand der Löslichkeit zeigen, während die „Lös-
lichkeit“ kolloidaler (hydrophiler) Körper in weiten Grenzen
schwankt, was besonders durch Zusatz „lyotroper“ Substanzen
erzielt werden kann.
Daß nun die Farbe bei einem gewissen Grade des Stärke-
abbaus nach Jodzugabe nicht rein rot ist, sondern mehr braun,
erklärt sich wohl zum Teil daraus, daß sich hier die gelbe
Farbe des Jods zusammen mit der blauen unabgebauter und
der roten abgebauter Stärke zu einer schwärzlichen Nuance
vereinigt; drängt man die gelbe Farbe durch Herabsetzen der
Jodmenge zurück, so erscheint statt dessen ein mehr violetter
Ton, also die Mischung von blau und rot. Wir kamen auf
diese Verhältnisse der Farbnuancen hauptsächlich zu sprechen,
um zu zeigen, daß die Mengen des Jods auch einen Einfluß
auf die Farbenqualiät, nicht nur auf die Intensität der Färbung
haben kann, was ebenfalls von Bedeutung ist, wenn man die
Jodstärkereaktion zur quantitativen Bestimmung der Diastase-
wirkung heranziehen will.
Interessante Aufschlüsse über den Farbenton von Jod-
lösungen ergaben auch die Untersuchungen von v. Kaufmann
und Levite bezüglich der Einflüsse ungleich stark durch
Halogen substituierter Kohlenwasserstoffe und über die physi-
kalisch -chemischen Einflüsse auf die Rückverwandlung von
Formalin; Stärke in Stärke, auf die wir hier nicht näher ein-
gehen können.
Uns erscheint nach dem Angeführten am einfachsten, die
Jodstärkereaktion ihrem Wesen nach als Verbindung zweier
Kolloide aufzufassen, danach erklärt sich auch der überraschend
wechselnde Jodgehalt der Jodstärke viel besser als durch die
Annahme einer chemischen Verbindung oder einer Lösung nach
dem Verteilungssatz.
Interessiert uns nun auch die Art des Zustande-
kommens des Jodstärkekomplexes weniger für die Methode
der Eiweißbestimmung, so ist doch zweifellos, daß die Beein-
flussung der Farbintensität durch verschiedene Faktoren
rein kolloidchemischen Gesetzen folgt. Wir wollen hier nur
noch ganz kurz ausführen, was als Beweis hierfür angesehen
werden kann.
Wir haben bereits gesehen, daß die Blaufärbung durch
м 5*
68 C. Lange:
Erwärmen zum Verschwinden gebracht, durch NaCl und Säure
verstärkt werden kann, von den jodbindenden Körpern können
wir hier absehen. Es lassen sich nun noch eine ganze Menge
anderer Körper auffinden, die den Ausfall der Farbreaktion
verstärken oder abschwächen gegenüber der Farbintensität, die
in reinem Wasser erzielt wird. Um uns nicht in unnütze Ein-
zelheiten zu verlieren, können wir das Ergebnis unserer Ver-
suche dahin zusammenfassen, daß man z. B. bei der Einwir-
kung von Salzen wieder die Hofmeistersche Reihe der An-
ionen wirksam findet, wie sie dieser bei der Entquellung und
Quellung von Gelatine in Wasser oder in Salzlösungen auf-
deckte. Auch die Kationenwirkung entspricht einer ähnlichen
Reihe.
Auch hier folgen die Erscheinungen nicht rein dem Gesetz
lyotroper Reihen, wie sie Hofmeister aufstellt, d h. die ein-
zelnen Körper beeinflussen den Kolloidkomplex nicht einseitig,
ebenso wie wir darauf hinwiesen, daß bei der Quellung von
Gelatine in Salzlösungen die Salze sich nicht in quellungs-
fördernde und -hindernde trennen lassen, gegenüber der Quellung
in reinem Wasser, sondern jeder Körper kann je nach Kon-
zentration eine positive und negative Wirkung haben im Sinne
der Löslichkeitsvermehrung, wobei nur wichtig ist, daß die
Breite der positiven und negativen Zone sehr verschie-
den entwickelt sein kann, so daß die eine Reihe von Körpern
mehr als löslichkeitsfördernd erscheinen, die anderen umgekehrt.
Auch die Ausdehnung der lyotropen Reihen auf Nichtelektro-
lyte, z.B. Harnstoff, sowie auf die hydrotropischen Substanzen
und kolloidale Körper zeigt bei der Beeinflussung der Jod-
stärkereaktion durchweg die gleichen Resultate, wie wir das
von der Einwirkung bei anderen kolloidchemischen Vorgängen
kennen. Es würde uns zu weit führen, hier noch die Bedeutung
und mögliche Erklärung der sogenannten „Übergangsreihen“
zu entwickeln; wir müssen uns dies für eine andere Gelegen-
heit versparen.
Jedenfalls glauben wir genügend Material dafür beigetragen
zu haben, um behaupten zu können:
1. Die Jodstärke verdankt ihre Entstehung nicht einer
chemischen Verbindung oder einer festen Lösung von Jod in
Stärke. Sie ist eine Adsorptionsverbindung, bei der ganz ver-
Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f. e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 69
schiedene Proportionen vorkommen können, entstanden aus der
gegenseitigen Ausfällung (oder sonstiger Löslichkeitsbeeinflussung)
der beiden kolloidalen Lösungen Jod und Stärke.
2. Die Intensität der Blaufärbung des elektronegativen
K olloidkomplexes Jodstärke ist, wo es sich nicht um chemische
Bindung des Jods durch andere Körper handelt, abhängig vom
Quellungszustande, chemisch indifferente Körper wirken im
Sinne Іуоёторег Reihen іп der erweiterten Fassung.
Aus dem Resultat dieser Untersuchungen kann man leicht
entnehmen, welche Kontrolluntersuchungen man vorzunehmen
hat, wenn man die Intensität der Jodstärkereaktion als Indi-
cator für eine colorimetrische Eiweißbestimmung verwenden
will. Wenn sich auch bei näherer Analyse die Verhältnisse
als sehr kompliziert herausgestellt haben, so scheint trotzdem
kein Hindernis zu bestehen, diese Methode auf die Unter-
suchung von Serum und Liquor zu übertragen. Bei unseren
bisherigen Untersuchungen, teils an normalen und pathologischen
Liquoren, teils an Serum und Plasma immunisierter. Tiere, trat
keins der erwähnten Verhältnisse hindernd in die Erscheinung.
Nicht eiweißartige Körper, die die Jodbindung in unkontrollier-
barer Weise beeinflussen könnten, sei es durch chemische Bin-
dung, sei es durch physikalische Beeinflussung, scheinen in
wechselnder Menge nicht vorhanden zu sein.
Wenn man bei Immunitätsprozessen, besonders natürlichen
und künstlichen Infektionen an Versuchstieren, den Eiweiß-
gehalt im Blut verfolgen will, so empfiehlt sich wohl im all-
gemeinen, nicht das Serum, sondern das Plasma zur Unter-
suchung heranzuziehen, worauf schon Langstein und Meyer
hingewiesen haben. Wir konnten bei Versuchstieren im Laufe
von Immunisierungen das Ansteigen des Eiweißgehalts im
Plasma und Serum mit Hilfe der Jodstärkemethode eher fest-
stellen als mit irgendeiner anderen Methode, die bisher zur
Feststellung des Gesamteiweißes angewendet wurde. Auch im
Liquor konnten wir Differenzen im Eiweißgehalt verschiedener
Liquoren feststellen, wo die anderen Methoden versagten.
Es fragt sich nun, welche Methode der Eiweißjodierung
für unsere Zwecke am meisten geeignet ist. Es lassen sich
mit etwas komplizierterer Technik Methoden ausarbeiten, die
ganz außerordentlich feine Differenzen erkennen lassen und
70 С. Lange:
auch in Doppelbestimmungen vollkommen übereinstimmende
Resultate ergeben, wobei sich alle Fehlermöglichkeiten aus-
schalten lassen, die etwa durch Beimengung anderer jodbin-
dender oder die Intensität der Färbung beeinflussender Sub-
stanzen hervorgerufen werden könnten. Es handelt sich bei
Auswahl der möglichen Methoden um zwei Fragen, erstens ob
man die Jodierung des Eiweiß einer Flüssigkeit nach Isolierung
desselben vornehmen will, oder ob man das Jod zu Serum,
Liquor oder dergleichen direkt zugibt, zweitens in welcher
Weise die Bindung des Jods am besten vorgenommen wird.
Wir wollen gleich vorwegnehmen, daß es uns nach unse-
ren bisherigen Untersuchungen für Serum resp. Plasma und
Liquor am besten erscheint, die Jodlösung zu den Körper-
flüssigkeiten, eventuell nach passender Verdünnung zuzugeben
und dann 30 Minuten im Wasserbad von 40° einwirken zu
lassen, worauf man Stärke zugibt und die entstandene Farb-
intensität mit einer Testskala vergleicht, auf die wir gleich
' noch zu sprechen kommen werden.
Als Maß des Eiweißgehalts gilt die Menge Jod, die bei
der gewählten Versuchsanordnung gebunden ist, was sich da-
durch kenntlich macht, daß keine Bläuung mehr mit Stärke
eintritt.
Im Eiweißmolekül ist es nach den bisherigen Unter-
suchungen zweifellos der aromatische Kern, der das Jod schon
bei gewöhnlicher Temperatur in kürzester Zeit bindet. Bei
dem verschiedenen Gehalt verschiedener Eiweißarten an Amino-
säuren mit aromatischem Kern müssen dem entsprechend auch
verschiedene Eiweißkörper verschiedene Mengen Jod binden,
also eine verschiedene „Jodzahl“ besitzen. Man könnte diese
Jodzahl der Eiweißkörper zu ihrer Charakteristik zu verwenden
versuchen und muß annehmen, daß Körperflüssigkeiten bei
gleichem Eiweißgehalt, der etwa durch Ausfällen und Wägen
festzustellen wäre, verschiedene Mengen Jod binden könnten,
doch sind diese Unterschiede zu klein, um einerseits eine
scharfe Differenzierung verschiedener Eiweißkörper zu ermög-
lichen oder andererseits die Eiweißbestimmung mittels Jod in
methodischer Hinsicht fehlerhaft zu gestalten, besonders da es
uns ja bei der Untersuchung von Blut und Liquor im wesent-
lichen auf die Feststellung möglichst feiner Differenzen, nicht
Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 71
auf den absoluten Eiweißgehalt ankommt. In geeigneten Fällen
könnte für eiweißdiagnostische Untersuchungen aber auch dieser
Jodzahl Bedeutung zukommen, man müßte dann etwa den
N-Gehalt
Jodzahl
für rein dargestellte Eiweißkörper, sondern auch z. B. für ver-
schiedene durch Ausfällung gewonnene Serumfraktionen durch-
führen ließe.
Für unsere Untersuchungen über den Gesamteiweißgehalt
von Blut und Liquor gläubten wir diesen Faktor vernachlässi-
gen zu können; er spielt ja auch bei anderen Methoden der
quantitativen Eiweißbestimmung in diesen Körperflüssigkeiten
eine gewisse Rolle, z..B. bei der Methode von Roberts-
Brandberg, wo als Maß des Eiweißgehalts die Endver-
dünnung dient, die eben noch bei der Hellerschen Probe
eine Ringbildung erkennen läßt. Auch hier ergeben verschie-
dene Eiweißkörper eine verschiedene Endverdünnung, ohne daß
hierdurch der Wert der Methode wesentlich herabgesetzt würde.
Dieser Fehler haftet fast allen Methoden der quantitativen Ei-
weißbestimmung an mit Ausnahme der Bestimmung durch
Wägung, doch ist diese Methode. auf der anderen Seite mit
so viel Unzuträglichkeiten (Verwendung größerer Mengen Unter-
suchungsmaterial) und Ungenauigkeiten (Mitfällung anderer
Körper, die durch Auswaschen mit heißem Wasser nicht fehler-
frei entfernt werden können, da das koagulierte Eiweiß hierin
nicht vollkommen unlöslich ist) belastet, daß beide Arten der
Untersuchung vorläufig wohl nebeneinander ihre Berechtigung
behalten werden. Auch der refraktometrischen und allen ande-
ren Methoden der Eiweißbestimmung haften Fehler an, die
sich vorläufig nicht ausschalten lassen. Es gibt eben keine
absolut genaue Eiweißbestimmung in Blut oder Liquor, und
außerdem soll hierbei noch der Forderung genügt werden, mit
einer möglichst einfachen Apparatur und Versuchsanordnung
bei genügender Ausschaltung subjektiver Momente auszukommen.
Es ergab sich nun bei unseren Untersuchungen, daß im
Verhältnis zum Serum der Liquor mehr Jod bindet, als dem
relativen Eiweißgehalt entspricht, wenn man die Jodlösung ein-
fach zu der unvorbehandelten Körperflüssigkeit zugibt. Ergeben
sich nun dadurch Schwierigkeiten, die Jodzahl in absolute
Quotienten bestimmen, was sich natürlich nicht nur
72 C. Lange:
Mengen Eiweiß umzurechnen, so halten wir dies Verfahren
trotzdem für das beste, wenn man mit möglichst einfacher
Versuchsanordnung auskommen will. Den Unterschied im Liquor
führen wir auf den Einfluß der Carbonate zurück, die bei
dem geringen Eiweißgehalt einen größeren Einfluß auf den
Jodierungsprozeß ausüben. Der Liquor reagiert auch im Gegen-
satz zum Serum gegen Lackmuspapier schwach alkalisch.
Man kann diese Differenzen ausschalten, wenn man den
Liquor oder passend verdünntes Serum mit der 4- bis 10fachen
Menge absoluten Alkohols oder Aceton in einem Zentrifugen-
glas ausfällt, abzentrifugiert, die alkoholische Lösung abschüttet
und nun das Eiweißsediment wieder auflöst. Da das koagu-
lierte Eiweiß sich bei dieser Methode nicht leicht restlos in
Wasser oder auch Kochsalzlösung auflöst, besonders wenn es
sich um größere Mengen handelt, fügt man zur Lösung geringe
abgemessene Mengen Säure oder Alkali zu und jodiert nun.
Man kann Schwefelsäure nehmen und jodiert dann nach Hof-
meister unter Zufügen von Kaliumjodat oder bei schwach
essigsaurer Reaktion nach Hopkins und Pinkus. Alle diese
Zusätze sind mehr darauf berechnet, eine möglichst totale
Jodierung des Eiweißes bis zur vollkommenen Sättigung her-
beizuführen, sie beeinflussen aber den Ausfall der Jodstärke-
reaktion, und zwar in verschieden starker Weise, da bei ver-
schiedenem Eiweißgehalt auch verschiedene Mengen des zuge-
setzten Alkalis oder der Säure gebunden werden. Dies Moment
kann bis zu einem gewissen Grade vernachlässigt werden, da
unter gleichen Versuchsbedingungen schließlich doch die Menge
gebundenen Jods in einem festen Verhältnis zur Menge des
vorhandenen Eiweißes steht; nur sind diese Mengen in verschie-
denen Konzentrationen nicht absolut proportional.
Für den Liquor und Blut ziehen wir deshalb vor, bei
originaler Reaktion ohne jeden Zusatz zu jodieren. Anders
liegen dagegen die Verhältnisse, wenn man die Eiweiß-
bestimmung mittels Jod zur Feststellung des Eiweiß- oder Bak-
teriengehaltes einer Vaccine verwenden will, worauf wir noch
zu sprechen kommen.
Die Jodierung des Eiweißes, gleichgültig ob dasselbe vor-
her isoliert wurde oder z. B. Serum direkt jodiert wird, nehmen
wir so vor, daß wir 30 Minuten im Wasserbad von 40° eine
Jod-Stärkereakt. u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 73
Jodlösung einwirken lassen, die man sich durch passende Ver-
dünnung aus einer "/,,-Jodlösung herstellt.
Bei diesen Versuchen ist darauf zu achten, daß das Jod
sehr flüchtig ist; es muß demnach die Vorratsflasche mit der
a/o Jodlösung stets gut verschlossen gehalten und vor jedes-
maliger Entnahme durchgeschüttelt werden; die daraus her-
gestellten Verdünnungen darf man nur kurze Zeit benutzen.
Die Jodierung im Wasserbad nehmen wir stets in gleich
großen Reagensröhrchen vor. Auf kleine Differenzen kommt
es natürlich nicht an, nur kann es sehr wohl einen Unterschied
ausmachen, ob man in einem Reagensglas mit hoher Schicht
und kleiner Oberfläche oder in einem Becherglas mit geringer
Schichthöhe und großer Oberfläche jodiert, wo dem Jod reich-
licher Gelegenheit zum Verdunsten gegeben ist. Wir wählen
deshalb auch die Versuchsdauer von 30 Minuten, damit nicht
allzuviel Jod verdunstet, denn wir können ja nicht das ans
Eiweiß gebundene Jod direkt bestimmen, wir bestimmen nur
das in der Flüssigkeit restierende ungebundene Jod; nach
30 Minuten ist das Eiweiß keineswegs restlos jodiert, aber Diffe-
renzen sind nach dieser Zeit kaum festzustellen.
Will man nun die jodbindende Fähigkeit des Serums be-
stimmen, so kann man hier, wo meist größere Mengen zur Ver-
fügung stehen, einen anderen Weg einschlagen als beim Liquor,
wo man gezwungen ist, mit möglichst geringen Mengen für
eine Untersuchung auszukommen.
Das Serum verwendeten wir meist in einer Verdünnung
von t/o und gaben zu gleichen Mengen dieser Serumverdünnung
fallende Mengen Jodlösung in möglichst enger Reihe. Es wurde
dann die Mischung, die auf gleiches Volumen gebracht wurde,
30 Minuten bei 40° gehalten und dann 0,5 ccm einer 1°/,igen
Lösung von löslicher Stärke Kahlbaum zugegeben, die vorher
auf 40° angewärmt wurde und täglich neu hergestellt war.
Wir bekamen dann eine abfallende Reihe von verschiedenen
blauen Farbtönen, angefangen von einer undurchsichtigen blauen
Farbe über hellblau, weißblau, bis endlich in der Reihe ein
Röhrchen kommt, wo durch Stärkezugabe überhaupt keine
Spur von Blaufärbung mehr erzielt wird. Dieser Grenzwert
läßt sich sehr genau bestimmen. Als Maß der jodbindenden
Fähigkeit einer Serumverdünnung, die dem Eiweißgehalt ent-
74 C. Lange:
spricht, dient dann einfach die Menge einer verdünnten Jod-
lösung in Bruchteilen eines Kubikzentimeters, die vollkommen
gebunden wurde (in 30 Minuten bei 40°); dies ist kenntlich
an der negativen Reaktion mit Stärke.
Für das Serum resp. Plasma gestaltet sich demnach das
Verfahren äußerst einfach. Wir wollen gleich hinzufügen, daß
wir auf diese Weise so geringe Differenzen im Verdünnungs-
grade eines Serums feststellen konnten, wie sie mit keiner an-
deren Methode quantitativer Eiweißbestimmung mehr zu er-
fassen waren. Eine Differenz von ca. 0,01°/,, Eiweiß läßt
sich ohne Verwendung eines Colorimeters nachweisen.
Will man für Doppelbestimmungen genau überein-
stimmende Resultate haben, so stellen sich gewisse Schwierig-
keiten ein, die aber jeder Methode von so außerordentlicher
Feinheit anhaften müssen, nämlich die Differenzen, die sich
durch ungenaue Abmessung ergeben. Wollte man mit den
gewöhnlichen käuflichen Pipetten von 1 ccm, die auf la ein-
gestellt sind, etwa eine Verdünnung von Serum herstellen, so
bekommt man bei Verwendung verschiedener Pipetten immer
gewisse kleinere oder größere Differenzen, die sich entweder
dadurch vermeiden lassen, daß man möglichst große Mengen
durch Pipettieren abmißt, oder indem man die Verdünnung
durch Wägung herstellt. Die Serummenge wiegen wir dabei in
einem Glasröhrchen ab, das an jedem Ende zu einer Capillare
ausgezogen ist. Dieses Röhrchen wird dann mit Hilfe einer
Saugvorrichtung entleert, mehrmals durchgespült und der In-
halt durch Wägung auf den gewünschten Verdünnungsgrad ge-
bracht. Auf diese Weise lassen sich alle durch Abmessung be-
dingten Fehlermöglichkeiten in genügender Weise ausschalten,
doch halten wir für gewöhnlich das Verdünnen mittels ge-
eichter Pipetten für ausreichend, wenn es sich nicht etwa in
einem besonderen Fall um Feststellung ganz besonders feiner
Differenzen handeln sollte.
Will man den Einfluß anderer Substanzen von variablem
Gehalt als Eiweiß auf den Ausfall der Jodstärkereaktion aus-
schalten, was uns bei unseren bisherigen Untersuchungen aber
unnötig erschien, so kann man das Ultrafiltrat des Serums mit
Jod binden lassen und die dadurch etwa entstehenden Diffe-
renzen bei der Berechnung der Eiweißjodzahl in Rechnung
Jod-Stärkereakt. u. ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 75
setzen. Man hat dann auf jeden Fall rein die Jodmenge, die
nur mit dem Eiweiß, resp. mit den kolloidalen Körpern
reagiert hat.
Abgesehen nun von den Verfeinerungsmöglichkeiten, die
für gewisse Zwecke eventuell von Bedeutung sein könnten und
eine etwas kompliziertere Versuchsanordnung nötig machen,
gestaltet sich die Eiweißbestimmung im Serum äußerst einfach
und ist in jedem Laboratorium von dem Ungeübtesten mit
wenig Arbeitsaufwand auszuführen, die Ablesung ist kaum noch
als subjektiv zu bezeichnen. Bei der großen Feinheit macht
es auch kaum einen Unterschied, ob das eine oder andere
Röhrchen noch als spurweise blau bezeichnet wird. Dieser End-
wert ist außerordentlich viel leichter zu erkennen, als etwa die
` eben noch sichtbare Bildung eines Ringes bei Unterschichtung
mit Salpetersäure.
Da verschiedene Stärkesorten einen etwas verschiedenen
Ausfall der Reaktion bedingen können, der aber bei Ver-
wendung des gleichen Präparats und sorgfältiger Herstellung
vernachlässigt werden kann, kann man auch für das Serum
das gleiche, oder ein ähnliches Verfahren anwenden, wie wir
ep für die Eiweißbestimmung im Liquor als geeignet fanden.
Die Untersuchung macht deshalb eine andere Versuchs-
anordnung nötig, weil wir hier auf äußerste Materialersparnis
angewiesen sind. Da der Liquor gegenüber dem Serum einen
äußerst geringen Eiweißgehalt besitzt (ca. 0,2°/,,), so fällt auch
die Verdünnung weg. Um die bei der Serumuntersuchung an-
gegebene Untersuchungsreihe zu umgehen, müssen wir also ver-
suchen, mit einem Einzelversuch auszukommen; das läßt sich
auch bis zu einem gewissen Grade durchführen.
Man versetzt 0,5 com Liquor mit einer passenden Menge
са. ®/,00"Jodlösung, die man variieren kann, eventuell je nach
dem Ausfall einer vorher angestellten anderen Eiweißreaktion
(Nonne, Roberts, Brandberg, Goldreaktion.. Weiß man,
daß der Eiweißgehalt erhöht ist, so nimmt man gleich eine
entsprechend höhere Jodmenge.
Die Jodmenge ist bei normalem, oder annähernd nor-
malem Liquor so zu bemessen, daß nach 30 Minuten Bindung
im Wasserbad von 40° eine Blaufärbung erzielt wird, die der
einzelne Untersucher sich am besten durch Vorversuche be-
76 C. Lange:
stimmt. Einerseits muß die Jodmenge möglichst groß sein, um
bei einer genügend starken Eiweißvermehrung noch eine Blau-
färbung zu erzielen, andererseits muß die Jodmenge so gering
sein, daß die Farbnuance, die bei Verwendung eines ganz nor-
malen Liquors erzielt wird, nicht so stark ist, daß feinere
Differenzen nicht mehr erkennbar sind. Dies kann, wie gesagt,
vorher bestimmt werden, wenn man daneben irgendeine an-
dere Eiweißreaktion benutzt, was man ja bei Untersuchung des
Liquors stets tun wird.
Wir müssen nun noch auf irgendeine Weise bestimmen,
welche Menge Jod durch 0,5 сет Liquor gebunden worden ist.
Wir haben uns lange bemüht, eine haltbare Farblösung zu
finden, die als Standard für den Vergleich mit normalem Liquor
zu gebrauchen wäre, keine der verwendeten bequem reproduzier-
baren Standardflüssigkeiten entsprach in genügender Weise dem
Farbton der Jodstärkereaktion.
Es ist aber auch auf diese Weise nicht der Faktor aus-
zuschalten, den die jedesmal neu herzustellende Stärkelösung
auf das Zustandekommen der Blaufärbung ausübt; dieser Faktor
ist zwar gering, wird doch aber besser ausgeschaltet. Man
kann dies auf sehr einfache und bequeme Weise erreichen,
indem man sich aus der jeweils verwendeten Stärkelösung
durch Zugabe genau abgestufter Jodmengen eine Skala ver-
schiedener Blaufärbungen herstellt. Hält man diese Reihe unter
den gleichen Bedingungen, in unserem Falle also, läßt man die
Reaktion nach Erwärmen auf 40° eintreten, so erkennt man
am Grade der Blaufärbung, wieviel Jod unter den gleichen
Mischungsverhältnissen einer bestimmten Blaufärbung entspricht;
man kann auf diese Weise nun auch feststellen, wieviel Jod
von der ursprünglich zu einer Eiweißlösung zugegebenen ab-
gemessenen Menge nach einer bestimmten Bindungszeit übrig
geblieben ist. Stimmt also die mit einem Liquor nach Bindung
erzielte Jodstärkereaktion mit einem Röhrchen der Testskala
von bekanntem Jodgehalt überein, so ist die Differenz zwischen
dieser Menge im Teströhrchen und der ursprünglich zugegebenen
Jodmenge die Jodzahl des betreffenden Liquors.
Die Testskala verschieden starker Jodreaktionen stellt man
sich am besten so her, daß man etwas größere Mengen Stärke-
Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 77
und Jodlösung verwendet, um genügend feine Abstufungen zu
erzielen.
Wir erreichen mit dieser Methode bei Verwendung einer
einzigen Verdünnung der zu untersuchenden Körperflüssigkeit
ungefähr das gleiche, was wir im Serum mit einer Verdünnung
erzielen.
Ist der ungefähre Eiweißgehalt des Liquor durch einen
Vorversuch mit anderer Methode bekannt, so gelingt es bei
einiger Übung leicht, die Jodmenge in jedem Fall so zu be-
messen, daß nach 30 Minuten Bindung bei 40° eine Blaufärbung
bei der Jodstärkereaktion zustandekommt, die sich auf die oben
geschilderte Weise in die Eiweiß,jodzahl“ des Liquors um-
rechnen läßt.
Andererseits kann es beim Liquor aber auch besonders
erwünscht erscheinen, nicht die absolute Eiweißmenge fest-
zustellen, sondern nur eine Erhöhung über den normalen
Eiweißgehalt, der als sehr konstant angesehen werden kann.
Es kann nicht oft genug betont werden, eine wie außerordent-
liche Bedeutung dieser Feststellung bei den verschiedensten
Krankheiten, besonders aber bei Lues, zukommt. Kommt es
nur auf diese Feststellung an, so kann man eine jedesmal
gleichbleibende Menge Jod zu einer abgemessenen Liquormenge
zugeben, so daß bei normalem Eiweißgehalt eine eben noch er-
kennbare Blaufärbung eintritt. Man kann dann die Mischungs-
verhältnisse so einstellen, daß sich die geringste krankhafte
Eiweißvermehrung, wie sie sich durch keine andere Methode
feststellen läßt, durch ein Ausbleiben der Jodstärkereaktion
deutlich macht.
Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die Jodzahl
für Serum und Liquor nicht einem genau gleichen Eiweiß-
gehalt entspricht, wenn man die Körperflüssigkeiten ohne be-
sondere Zusätze jodiert, dies spielt aber praktisch unseres Er-
achtens keine Rolle, da diese Jodzahlen trotzdem für den Eiweiß-
gehalt beider Körperflüssigkeiten gute Vergleichswerte ergeben.
Wir wollen hier nicht auf Vergleichswerte eingehen und
uns in diesem Zusammenhang darauf beschränken, die Methode
der Eiweißbestimmung mit der Jodstärkereaktion zu begründen
und auf ihre verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten hinzu-
deuten.
78 C. Lange:
Wir haben nun diese Methode der Eiweißbestimmung auch
übertragen auf die Standardisierung von Bakterien-
vaccinen. Die einfacheren Methoden der Gehaltsbestimmung
von Bakterienvaccinen leiden sämtlich an starker Ungenauig-
keit. Die meistübliche Methode der Abmessung von Bakterien
in Form eines feuchten Rasens durch geeichte Normalösen
oder gar die Umrechnung von bewachsenen Schrägröhrchen
oder Kolleschalen auf eine bestimmte Bakterienmasse kann in
keiner Weise feineren Ansprüchen genügen. Bei der Methode
der Bakterienzählung in Zählkammern oder gar bei der Zählung
nach Wright ist die Fehlerquelle ebenfalls .веһг groß infolge
der enorm starken Verdünnung und des sehr hohen Faktors,
mit dem die erhaltenen Zahlenwerte multipliziert werden
müssen; außerdem sind stets, je nach dem Alter der Kultur,
schon verschiedene Mengen Bakterien aufgelöst, die durch
Zählung nicht erfaßt werden können. Wir werden auf einen
Vergleich der verschiedenen zu Gebote stehenden Methoden
eventuell an anderer Stelle eingehen und wollen hier nur
darauf hinweisen, daß absolute Werte nur zu erhalten sind
durch Vergleichzahlen, die sich auf getrocknete Bakterien be-
ziehen, außerdem muß der Eiweißanteil der bereits durch Au-
tolyse gelösten Bakterien mit berücksichtigt werden. In aus-
reichend exakter Weise kann dieser Forderung genügt werden,
wenn man den Stickstoffgehalt einer genügend großen Menge
Vaccine bestimmt und auf den etwas verschiedenen Stickstoff-
gehalt der jeweils verwendeten Bakterien umrechnet. Man kann
auf diese Weise feststellen, welchem Gehalt an Bakterientrocken-
substanz eine Vaccine entspricht. Da der Stickstofigehalt von
Vaccinen relativ gering ist, so ist diese Methode bequem nur
anwendbar bei der Herstellung von Impfstoffen im großen, wo
ein Verlust etwas größerer Mengen für diese Untersuchung
nicht ins Gewicht fällt. In der gewöhnlichen Vaccinepraxis
empfehlen sich außer den diaphanometrischen Verfahren, auf
die wir hier nicht näher eingehen wollen, vor allem die Me-
thoden, die eine direkte Eiweißbestimmung der vorhandenen
Bakterien bezwecken. Die Stickstoffbestimmung dient ja auch
diesem Zwecke, wenn auch auf indirektem Wege. Wenn es
auch colorimetrische Methoden gibt, die die Feststellung des
Bakteriengehaltes einer Vaccine ohne vorherige Auflösung der Bak-
Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 79
terien gestatten, so sind doch alle diese Methoden recht ungenau;
dasselbe trifft auch zu für die Eiweißbestimmung in ungelösten
Vaccinen mit Jodstärkereaktion.
Hier muß nun auf einen prinzipiellen Unterschied der
Eiweißbestimmung mit’ Jod gegenüber anderen Methoden hin-
gewiesen werden, der eventuell auch für andere Anwendungs-
möglichkeiten dieser Methode von Bedeutung sein kann. Während
z. B. die Eiweißbestimmung mittels Formoltitration nach Sö-
rensen vom Grade des Eiweißabbaues abhängt und des-
wegen auch eine besonders geeignete Methode ist, um diesen
Abbau quantitativ zu verfolgen, scheint das Jodbindungs-
vermögen der Eiweißkörper in weitestem Grade davon unab-
hängig zu sein. Das Eiweißmolekül wird einerseits bei der
Einwirkung des Jod schon in Teile gespalten, andererseits
wird das Jod im aromatischen Kern der das Eiweiß bildenden
Aminosäuren gebunden, so daß die Aminosäuren praktisch un-
gefähr das gleiche Jodbindungsvermögen haben werden wie
genuines Eiweiß. Wir können deshalb die „Jodzahl“ von Eiweiß
oder von eiweißhaltigen Zellen ebensogut am genuinen Eiweiß
bestimmen, als etwa an den durch Säurehydrolyse oder der-
gleichen Eingriffe gewonnenen Spaltprodukten.
Wir haben die Standardisierung von Bakterienvaccinen
nur als ein Beispiel herausgegriffen, um zu zeigen, wie man
die Jodstärkereaktion zur Eiweißbestimmung auch in Fällen
benutzen kann, wo der Eiweißbestimmung eine eiweißauf-
schließende Methode vorangehen muß. Zur Auflösung von
Bakterien jeder Art stehen uns nun nach unseren eigenen
Untersuchungen eine ganze Anzahl verschiedener Methoden
zur Verfügung, die teils das Eiweiß vollkommen unverändert
lassen, teils dasselbe mehr oder weniger tiefgehend verändern;
wir wollen hier auf diese Methoden nicht näher eingehen.
Für uns ist hier nur die Tatsache von Bedeutung, daß eine
Spaltung des Eiweißes bei einem derartigen Aufschluß von
Bakterien zwecks jodometrischer Eiweißbestimmung gleich-
gültig ist, nur muß der Einfluß der zwecks Aufschließung
zugegebenen Körper auf den Ausfall der Jodstärkereaktion
berücksichtigt werden, was ja durch stets gleichbleibende Ver-
suchsanordnung in genügendem Maße gewährleistet wird. Man
kann dementsprechend etwa die Bakterien durch Erhitzen mit
80 C. Lange:
Säure auflösen und dann bei saurer Reaktion eventuell unter
Zugabe von Katalysatoren (z. B. Eisenchlorid) jodieren und
dann das gebundene Jod auf die schon geschilderte Weise
bestimmen.
Die angeführten Beispiele mögen genügen, um die Ver-
wendungsmöglichkeit und die Art der Durchführung einer
quantitativen Eiweißbestimmung mittels Jodstärkereaktion zu
demonstrieren. Wir beabsichtigen über die beim Liquor er-
haltenen Resultate, sowie über den Vergleich mit anderen
Methoden der quantitativen Eiweißbestimmung noch eingehend
zu berichten, und wollen hier zum Schluß nur noch kurz auf
die Verhältnisse im Blut eingehen, soweit sie für die Methode
im allgemeinen von Interesse sind. Gerade hier glauben wir
für das Studium der Immunitätsvorgänge von der quantitativen
Untersuchung des Eiweißgehaltes manchen Aufschluß erwarten
zu können.
Ein Beispiel möge dies illustrieren, nämlich die Unter-
suchung der Verhältnisse bei der Wa.-R. Es ist bekannt, daß
der Reaktionskörper, der den positiven Ausfall der Wa.-R. in
Körperflüssigkeiten bedingt, an Leberzellen gebunden werden
kann. Es ist.nun von Interesse, die Veränderungen zu ana-
lysieren, die durch diese Art der Behandlung im luetischen
Serum hervorgerufen werden. Späth kommt z. B. auf Grund
seiner Untersuchungen mit der Goldreaktion am Liquor zu der
Schlußfolgerung, daß die Goldreaktion und damit parallel der
Ausfall der Wa.-R. nicht an Eiweißkörper gebunden sein kann,
da die Paralysereaktion eines Liquors mit kolloidalem Gold
nach Behandlung mit gekochter Leber verschwindet, ohne daß
der Eiweißgehalt verändert ist. Diese letztere Behauptung
wäre nun für die Deutung des Wesens der Wa.-R. von außer-
ordentlicher Bedeutung, es läßt sich aber nachweisen, daß dies
nicht der Fall ist. Wäscht man gekochte Leber so lange aus,
daß das Waschwasser nicht mehr eiweißhaltig ist und bindet
luetische Seren mit einer feinen Emulsion derartiger Leber, so
kann man selbst im Serum nach Abzentrifugieren der Leber
feststellen, daß das Jodbindungsvermögen herabgesetzt ist
gegenüber einer Serumverdünnung, die in den gleichen Mischungs-
verhältnissen mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellt
wurde. Die tatsächliche Herabsetzung des Jodbindungsver-
Jod-Stärkereakt. u. ihre Verwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 81
mögens ist noch größer, als sie bei dieser Versuchsanordnung
zutage tritt, da das mit dem gleichen Volumen Leberemulsion
versetzte Serum ja tatsächlich infolge des Volums der Leber-
partikelchen, die ungelöst bleiben, nicht so stark verdünnt
wurde, wie der mit Kochsalzlösung verdünnte Kontrollversuch.
Da die Serumlipoide bei der gewählten Versuchsanordnung
kaum von Einfluß sein können, muß man dies Sinken der
Jodzahl wohl unbedingt auf eine Bindung von Serumeiweiß
an die Leberpartikelchen auffassen, der Eiweißgehalt ist also
durch die Behandlung mit Leber herabgesetzt.
Zeigt dieses Untersuchungsresultat nun, wie möglichst fein
ausgebaute Methoden quantitativer Eiweißbestimmung für die
Analyse von Immunvorgängen herangezogen werden können,
so kommt dieser Untersuchung bei Immunitätsvorgängen inso-
fern eine ganz allgemeine Bedeutung zu, als sie anscheinend
ausnahmslos zu Veränderungen des Eiweißgehaltes des Blutes
führen, die recht beträchtliche Grade erreichen können. Für
die Auffassung, die wir uns von den Immunkörpern bilden
müssen, ist diese Tatsache jedenfalls von erheblicher Bedeutung,
insofern ein starkes Ansteigen des Eiweißgehaltes im Blute
wenig vereinbar ist mit der Annahme, daß den Immunitäts-
körpern ein reiner Fermentcharakter zukomme. Wie weit bei
Infektionskrankheiten und bei Immunisierungen auch Herab-
setzungen des Eiweißgehaltes im: Blute vorkommen und ob
dies einen in gewissen Stadien regelmäßig zukommenden Befund
darstellt, können wir nach unseren bisherigen Untersuchungen
noch nicht sicher entscheiden. Sicher ist dagegen, daß alle
Immunseren mit hohem Titer, die durch künstliche Immuni-
sierung erzielt sind, einen mehr oder minder erhöhten Eiweiß-
gehalt im Serum zeigen. Dies trifft bei allen präcipitierenden
Seren zu, wie wir schon eingangs erwähnten, auch für agglu-
tinierende Seren und z. B. für Diphtherieheilserum.
Für eine feinere Analyse der hier in Frage kommenden
Vorgänge genügt aber eine Untersuchung des Serums nicht,
wie dies auch schon frühere Untersuchungen nachwiesen; einen
genaueren Einblick in die Verhältnisse des Gesamteiweißes ge-
währt nur die Untersuchung des Blutplasmas. In den letzten
Jahren haben die Untersuchungen über die Verteilung von
Immunkörpern auf die verschiedenen Eiweißfraktionen des
Biochemische Zeitschrift Band 95. 6
82 C. Lange:
Serums etwas genaueren Einblick in diese Verhältnisse ge-
schaffen. Bei unseren früheren Untersuchungen über die Be-
deutung der Salze für die spezifische Agglutination konnten
wir auch nachweisen, daß das Agglutinin verschiedenen Eiweiß-
fraktionen des Serums angehört, dasselbe ist ja auch vom
Komplement bekannt. Daß nun diese Immunkörper — nach-
weisbar durch ihre spezifische Wirkung — identisch seien mit
den Eiweißkörpern des Normalserums, mit denen sie gleiche
Ausfällung und Löslichkeit zeigen, ist damit nicht etwa be-
wiesen; wir nehmen also keineswegs an, daß bei Immunisierung
gegen körperfremdes Eiweiß die Globuline oder Albumine „ver-
mehrt“ seien, sondern es treten Eiweißkörper im Serum auf,
die mit diesen Serumfraktionen gleiche Reaktionen zeigen.
Als allgemeines Gesetz bei Immunisierungen kann die
Tatsache angesehen werden, daß sich bei Abgabe von Immun-
körpern aus den Körperzellen an das Serum zuerst hoch-
komplexe Eiweißkörper im Serum finden, oder sagen wir lieber:
Eiweißkörper, die den hochkolloidalen Eiweißkörpern des
Blutes in ihren Reaktionen gleichen; dahin gehört die Thermo-
labilität der Immunkörper im ersten Stadium der Bildung,
ihre relative Unlöslichkeit in destilliertem Wasser und die
leichte Ausfällbarkeit durch Neutralsalze und H*-Ionen. Unter-
sucht man nur das Serum, so kommen nur Körper in Frage,
die höchstens mit den Globulinen gleiche Reaktionen zeigen,
bei höherem Titer des Immunkörpers finden sich auch Anteile,
die den Albuminen gleichen. Bevor aber diese Stufe erreicht
wird, scheint sich regelmäßig ein Stadium zu finden, wo diese
Körper nur in einer dem Fibrinogen analogen Form vorhanden
sind, im Serum also eventuell überhaupt nicht nachgewiesen
werden können; es liegt aber unseres Erachtens kein Grund
vor, diese Körper nun etwa mit dem Fibrinogen zu identifizieren;
auch muß mit der Tatsache gerechnet werden, daß derartige
leicht ausfällbare Eiweißkörper, ohne in ihren Fällungsreaktionen
mit dem Fibrinogen identisch zu sein, bei der Koagulation zu
Fibrin an das entstehende Gerinnsel adsorbiert werden.
Die mehr chemische Erklärung dieser Erscheinungen wäre
darin gegeben, daß die hochkomplexen Eiweißkörper mit
größerem Molekül (Albumin < Globulin < Fibrinogen) leichter aus-
fällbar sind, es wäre aber auch eine rein physikalische, kolloid-
Jod-Stärkereakt.u.ihreVerwendung f.e.colorimetr. Eiweißbestimmung. 83
chemische Auffassung denkbar, daß nämlich die Immunkörper
einen Kolloidkomplex aus Antigen und Zelleiweiß darstellen,
die sich in gewissen Mischungsverhältnissen gegenseitig aus-
fällen (Agglutination, Präcipitation), in jedem anderen Mischungs-
verhältnis aber — sei es nun, daß die eine oder die andere
Komponente im Überschuß vorhanden ist — ihre Löslichkeit
erhöhen. Wir wollen diese Theorie der Entstehung von spezi-
fischen Immunkörpern hier nicht eingehend entwickeln, wir
beabsichtigen dies später an anderer Stelle zu tun, für die `
hier interessierenden Fragen wäre diese Auffassung nur inso-
fern von Bedeutung, als danach die verschiedene Fällbarkeit
der verschiedenen Anteile eines Immunkörpers nicht auf ihrer
eiweißchemischen Zugehörigkeit zu verschiedenen Eiweißfrak-
tionen des Serums resp. Plasmas beruhen würde, sondern daß
man darin einen Ausdruck ihrer verschiedenen Löslichkeit zu
sehen hätte, bedingt durch ein wechselndes Mischungsver-
hältnis. Es erscheint auch fraglich, ob diese Verteilung auf
die verschiedenen Eiweißfraktionen überhaupt in dem Maße als
präexistent angesehen werden kann.
Wie dem auch sei, jedenfalls bilden sich die ersten An-
teile eines Immunkörpers im Blut mmer in einer Form, die
mit Gerinnung des Fibrins ausfällt und im Serum nicht nach-
weisbar zu sein braucht. Eine rein serologische Untersuchung
"in dieser Richtung ist dadurch erschwert, weil man Plasma bequem
nur in kalkfreiem Zustand verarbeiten kann, und dadurch die
Löslichkeitsverhältnisse nicht nur des Fibrinogens, sondern
eventuell auch der im Plasma enthaltenen Immunkörper er-
heblich alteriert werden. Für eine Gesamteiweißbestimmung
im Plasma spielt dies natürlich keine Rolle, und es empfiehlt
sich aus den angegebenen Gründen, in jedem Fall, wenn man
das Gesamteiweiß bei Immunitätsprozessen bestimmen will
Plasma und nicht Serum zu verwenden.
Wir konnten mit der oben geschilderten Methode bei einer
Reihe von Kaninchen, die wir mit intravenösen Injektionen
verschiedener Bakterien behandelten, in jedem Fall ein An-
steigen des Gesamteiweißes im Plasma nachweisen, das dem
Ansteigen des Agglutinintiters annähernd parallel lief. Nach
den oben gegebenen Ausführungen wird auch die Tatsache
verständlich erscheinen, daß wir bei einem Kaninchen, das
6*
84 C.Lange: Jod-Stärkereakt. u. i. Verwendung f. e.colorimetr. Eiweißbest.
gegen Vibrionen immunisiert wurde, im Plasma eine einwand-
freie Erhöhung des Eiweißes feststellen konnten, bevor über-
baupt mm Serum eine nachweisbare Erhöhung des Agglutinin-
titers festzustellen war. Die Wichtigkeit der mit der Methode
zu erzielenden Resultate erhellt wohl ohne weiteres aus dieser
Feststellung.
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med. Wochenschr. 1898.
Über die Wirkung уоп oberfläehenaktiven Stoffen auf
Pflanzensamen.
Von
J. Traube und Hedwig Rosenstein.
(Eingegangen am 24. März 1919.)
Diese Mitteilung ist eine Fortsetzung einer an anderer
Stelle!) erschienenen Arbeit von Traube und Marusawa
„Über Quellung und Keimung von Pflanzensamen“,
In jener Arbeit wurden — abgesehen von Quellungsver-
suchen — Gerste und andere Samen eingelegt in Lösungen von
Säuren, Basen, indifferenten Narkoticis, Salzen, Farbstoffen usw.
Von den zahlreichen Einzelergebnissen seien hier nur noch-
mals die folgenden hervorgehoben:
Säuren wirken in verdünnten Konzentrationen vielfach,
wie auch schon von anderen Seiten mitgeteilt wurde, reizend auf
die Keimung, d. h. beschleunigend auf die Keimungsgeschwindig-
keit, so beispielsweise Schwefelsäure, o-Phosphorsäure, besonders
aber Citronensäure; oberhalb bestimmter Schwellenwerte der
Konzentration erfolgt dann ziemlich plötzlich die schädigende
Wirkung.
Während beispielsweise bei der von Traube und Marusawa
ausgeführten Versuchsanordnung beim Einlegen von 50 Gersten-
körnern in eine "/ „-Salzsäurelösung 30 Körner keimten, keimte
in einer ®/,-Lösung nicht ein einziges, In einer sl, -o-Phosphor-
säurelösung keimten 32 Körner, in einer "/,-Lösung nur ein
einziges usf.
Bemerkenswert war die außerordentliche Giftigkeit ober-
flächenaktiver Fettsäuren. Selbst in ?/,,„-Isovaleriansäurelösung
1) Traube und Marusawa, Intern. Zeitschr. f. phys.-chem. Biol.
2, 370, 1915.
86 J. Traube und H. Rosenstein:
keimten bei nur '/, stündigem Einlegen ein nur geringer Bruch-
teil der Gerstenkörner, ein Ergebnis, das in geradem Gegen-
satz steht zu etlichen vergleichbaren Tierversuchen; zeigt sich
doch beispielsweise nach Loebs parthenogenetischen Versuchen
am Seeigelei, daß gerade derartige Säuren befähigt sind, eine
parthenogenetische Entwicklung anzuregen'), Bei den halo-
genierten Essigsäuren nimmt auffallenderweise die Giftigkeit zu
von Trichloressigsäure zu Dichloressigsäure und von dieser zu
Monochloressigsäure. Borsäure schädigt weniger die Keimung
als das Wachstum.
In bezug auf die Versuche mit Basen sei hier nur auf
die große Wachstumsschädigung hingewiesen, welche Gerste
durch !/, stündiges Einlegen in eine "/ „Lösung von alkylierten
Aminen und Ammoniumbasen erfährt im Gegensatz zu gleich-
konzentrierten Lösungen von Ammoniak, Kalihydrat, Nicotin usw.
Die Keimfähigkeit wird indessen auch durch Ammoniak, Py-
ridin usw. sehr geschädigt. Über die Wirkung von Alkaloiden,
Farbstoffen und Salzen vergleiche die Abhandlung.
Am meisten interessieren uns hier jedoch die damals bereits
angestellten Versuche mit oberflächenaktiven Nichtleitern, da
diese Versuche in der vorliegenden Mitteilung eine Fortsetzung
erfahren. Die Versuche, die mit gewöhnlichen Alkoholen, Äthyl-
äther, Paraldehyd, Propionitril, Aceton, Urethan, Methylacetat
und Chloralhydrat angestellt wurden, zeigten, daß bei !/, stün-
digem Einlegen von Gerste in ®/,- und "/,-Lösungen zunächst
der Isoamylalkohol im Gegensatz zum tertiären Amylalkohol
ganz besonders giftig war. Als recht giftig erwies sich auch
das Chloralhydrat. Beim Einlegen von 50 Gerstenkörnern in
a/,-Chloralhydratlösungen keimten nach 2 Tagen О, nach 3 Tagen
nur 12 Körner, beim Einlegen in "/,-Lösungen nach 2 Tagen 9,
nach 3 Tagen 40 Körner. In den "/,-Lösungen kam es nach
7 Tagen überhaupt nicht zum Wachstum, die Narkose war
irreversibel, in den ?/,-Lösungen war das Wachstum zwar
weit erheblicher, aber doch verkümmert. Chloralhydrat erwies
sich auch für Pflanzen als ein schädliches Narkoticum. Eine
völlige Reversibilität ist nicht vorhanden. Bei den untersuchten
milderen Narkoticis ließ sich für verdünntere Konzentrationen
ein Erregungsstadium feststellen.
1) Vgl. indessen weiter unten über Capronsäure und Caprylsäure.
Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 87
Diese Untersuchungen ließen nun den Wunsch aufkommen,
weitere Narkotica bzw. allgemein oberflächenaktive Stoffe in
ihrer Wirkung auf Pflanzensamen zu untersuchen.
Es leitete uns dabei u. a. der Gedanke, festzustellen, wie
weit die Analogie für Tier und Pflanze vorhanden war, sowie
ferner, wie weit die Oberflächenaktivität bzw. der Haftdruck')
in Frage kam.
Die Pflanze ist ein vortreffliches Testobjekt, um zu prüfen,
ob ein Narkoticum nur vorübergehende oder dauernde Schädi-
gungen herbeizuführen imstande ist, und wenn man auch mit
Rückschlüssen auf das Tier vorsichtig sein soll, so erschienen
doch gewisse Analogieschlüsse in bezug auf die Art der Wirkung,
deren Intensität und Reversibilität bezugsweise Irreversibilität
sehr wohl möglich. Besonders aber erschien ein weiteres Studium
der „Reizwirkungen“ oberflächenaktiver Stoffe auf Pflanzen-
keimung und Wachstum von nicht geringem Interesse, denn
es kann nicht genug hervorgehoben werden, daß, wenn auch
bisher auf diesem Gebiete noch so gut wie nichts praktisch
Verwertbares erreicht wurde, wahrscheinlich die Landwirtschaft
und Gärtnerkunst gerade nach dieser Richtung hin zu be-
deutungsvollen Ergebnissen gelangen wird. Es ist uns beispiels-
weise kaum zweifelhaft, daß, wenn etwa Wert und Wirkung
gewisser tierischer Dünger keineswegs ihrem Stickstoffgehalte
parallel gehen, gewisse Reizstoffe eine Rolle spielen, die man
bisher nicht beachtet hat. Dasselbe dürfte zutreffen in bezug
auf die Wirkung der Böden, Humusarten usw. Was früher
Liebig in bezug auf die Zuführung der Nährstoffe für die Pflanze
geleistet hat, das wird dereinst ein zukünftiger Liebig leisten
müssen, indem er für die Feststellung derjenigen Katalysatoren
sorgt, die Pflanzenkeimung und Pflanzenwachstum beschleu-
nigen und nach anderer Richtung begünstigen. Indessen es
1) Wenn hier von oberflächenaktiven Stoffen die Rede ist, so soll
man eingedenk sein, daß Stoffe, wie beispielsweise Chloroform und zahl-
reiche andere, wegen ihrer leichten Verdampfung aus der Oberfläche
eigentlich nicht als oberflächenaktiv bezeichnet werden können (vgl.
Traube, Arch. f. d. ges. Physiol. 153, 308, 1914). Es sind dies aber
alles Stoffe von sehr geringem Haftdruck am Wasser, und wenn daher
von oberflächenaktiven Stoffen gesprochen wird, so sullte man besser
diese Stoffe allgemein als Stoffe von geringem Haftdruck bezeichnen.
88 J. Traube und H. Rosenstein:
werden sicherlich erst eine ganze Reihe von Vorarbeiten im
Laboratorium und auf freiem Felde erfolgen müssen, ehe an
endgültige Erfolge zu denken ist.
Die Versuche sind nahezu sämtlich von der einen von uns,
Hedwig Rosenstein, ausgeführt worden, und zwar, soweit
es sich um flüchtige Narkotica handelt, in folgender Weise:
Je 50 Körner einer guten Saatgerste vom Gute des Herrn Wal-
ther Traube in Engelstedt bei Braunschweig wurden 1 Stunde
lang in Wasser eingelegt, alsdann in größeren zylindrischen, mit
Deckel verschließbaren Gläsern auf 6faches, mit der gleichen
Menge Wasser befeuchtetes Filtrierpapier einzeln ausgebreitet,
indem ein kleiner fingerhutgroßer zylindrischer Behälter mit
dem betreffenden verdunstenden Stoffe während einer be-
stimmten Zeit in den größeren Behälter eingesetzt und als-
dann dieser gelüftet wurde. Die feuchte Gerste wurde somit
lediglich den Dämpfen der betreffenden Stoffe ausgesetzt.
Versuch 1.
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach
der Dämpfe 1 Tag 2 Tagen
Chloroform 0 Min. 28 48
1» 34 49
2 ə 34 48
bs 28 49
10 >» 23 45
20 » 26 45
Versuch 2;
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach
der Dämpfe 1 Tag 2 Tagen 5 Tagen
Chloroform 0 Min. 18 48 48
2 » 15 50 50
30 > 0 39 46
Versuch 3.
0 Min. 16 42
60 » 0 38
Versuch 4.
0 Min. 29 49
24 Std. 0 0
Wirkung von oberflächensktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 89
Die Versuche mit Chloroformdampf führen zu dem Ergebnis,
daß je nach der Länge der. Einwirkung des Dampfes auf die
Gerste eine reversible bzw. irreversible Narkose stattfindet,
und es scheint, daß auch bei geringer Zeitdauer, bei der Ein-
wirkung von nur 1 bis 2 Minuten ein Erregungsstadium wie
bei den Tieren statthat.
Versuch 5.
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach
der Dämpfe 1 Tag 3 Tagen
Äthyläther 0 Min. 18 48
5» 12 50
10 >» 7 48
20 >» 4 48
‚ 30 e 5 45
45 » 7 47
Versuch 6.
Athyläther 0 Min. 16 44
60 >» 8 45
Versuch 7.
1 Tag 2 Tagen
Äthyläther 0 Min. 29 49
24 Std. 0 0
Versuch 8.
1 Tag 2 Tagen 4 Tagen
Paraldehyd 0 Min. 19 42 48
60 » 11 38 48
Ein Vergleich des Äthyläthers mit dem Chloroform zeigt,
daß der Ätherdampf eine mildere Narkose hervorruft als der
Chloroformdampf, auch hier beobachten wir je nach der Zeit-
dauer der Wirkung eine reversible bzw. irreversible Narkose.
Paraldehyddämpfe wirken gleichfalls weniger stark narkotisch
als die Dämpfe des Chloroforms.
Bei den folgenden nicht flüchtigen Narkoticis wurde
so verfahren, daß die Samen je 1 Stunde entweder in Wasser
oder die betreffenden Lösungen eingelegt und alsdann nicht ab-
gespült auf 6fachem feuchtem Filtrierpapier in geschlossenen
zylindrischen Gefäßen wie oben ausgebreitet wurden.
90 J. Traube und H. Rosenstein:
Versuch 9.
Wachstum nach
Stoff рг Keimzahl nach „6 Tagen,
2 Tagen 3 Tagen Höhe der Stengel
°% ош
Urethan’) 0 39 50 1 bis 3
0 39 46 1 bis 3
1 39 48 1 bis 4
1, 38 48 1 bis 4
114 44 48 1 bis 4
НА 48 50 2 bis 3
ER 48 50 2 bis 4
Versuch 10.
Wachstum nach
Stoff ne Keimzahl nach 2 10 Tagen,
2 Tagen 3 Tagen Höhe der Stengel
lo cm
Sulfonal 0 34 44 4 bis 6
gesätt. Lös. 31 44 2 bis 5
о» ” 26 42 3 bis 6
7 A H 30 49 3 bis 7
AL F n 35 48 4 bis 6
Versuch 11.
2 Tagen 7 Tagen 7 Tagen
Veronal 0 3 41 4 bis 5
gesätt. Lös. 17 26 1 bis 3
Ae N 30 44 3 bis 4
nn s 25 38 3 bis 4
Lk e sw 42 42 4 bis 6
Versuch 12. В
°% 4 Tagen 6 Tagen
Medinal 0 (15) (32)
2 8 35
1 18 40
als 17 44
1], 26 40
1) Auch eine weitere Versuchsreihe mit Urethan ergab namentlich
eine Wachstumsbeschleunigung, so daß weitere Versuche mit diesem
Narkoticum nach dieser Richtung sehr erwünscht wären. Sichere Schlüsse
kann man erst ziehen, wenn eine größere Anzahl von Versuchsreiben
vorliegen.
Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzenssmen. 91
Versuch 13.
Stoff Konz. der Keimzahl nach
Lösung 2 Tagen 3 Tagen
lo
Adalin 0 32 48
2 32 47
1 38 44
1), 88 46
Während Urethan sich auch bei der Pflanze als ein sehr
mildes Narkoticum erweist mit anscheinend vorhandenem Er-
regungsstadium, und beim Adalin in den untersuchten Kon-
zentrationen überhaupt keine Wirkungen beobachtet werden
konnten, bringen stärkere Sulfonal- wie Veronallösungen, wie
namentlich die Wachstumsversuche zeigen, dauernde Schädi-
gungen hervor.
| Wenn wir die Versuche der älteren Arbeit von Traube
und Marusawa über die Wirkung weiterer Narkotica, wie
Chloralhydrat, Äthylalkohol usw. mit berücksichtigen, so zeigt sich
in bezug auf die Wirkung von Narkoticis auf Tier und Pflanze
eine solche Parallelität, daß in bezug auf die Beurteilung der
schädigenden oder nicht schädigenden Wirkungen von Narkoticis
Versuche mit einem so einfachen Testobjekt wie Gerste von
Nutzen sein können. |
Die folgenden Versuche beziehen sich gleichfalls auf die
Wirkung der Dämpfe auf feuchte Gerste und wurden in der-
selben Weise wie die Versuche weiter oben mit Chloroform usw.
ausgeführt.
Versuch 14.
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach
der Dämpfe 1 Tag 3 Tagen
Wasser... . — 16 44
Thymol. ... 1 Stunde 32 47
Toluol Sa l >» 12 46
Napthalin . . . L- 21 50
Chlorbenzol . . l >» 7 50
Anilin 1, 10 49
Pyridin . . 1, 22 49
Рірегійіп . . . l a» 7 49
92
J. Traube und H. Rosenstein:
Versuch 15.
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach
der Dämpfe 1 Tag 2 Tagen
Wasser... . — 29 49
Thymol. .. . 24 Stunden 13 42
Touwl .... 4 n 0 0
Naphthalin . .. 24 n 12 41
Chlorbenzol . . 24 n 0 0
Versuch 16.
Wasser . . . . _ 11 19
Anilin .... 24 Stunden 0 31
Pyridin . 24 о» 0 0
Piperidin . 24 n 0 0
Versuch 17.
Э Wachstum
Stoff Keen Keimzahl nach nach 9 Tagen,
Dämpfe 1Tag 2 Tg. 4Tg. Höhe ai
Wasser . . . . _ 19 42 48 3 bis 8
Aceton .. .. ISundd 0 0, — —
Isobutylacetat . 1 » 0 0 — —
Isoamylalkohol. 1 » 0 0 — —
Heptylalkohol . 1 » 25 48 49 4 bis 6
Benzaldehyd.. 1 » 24 42 46 4 bis 6
m-Kresol ... 1 » 18 48 50 5 bis 7
Versuch 18.
1,Tag 2 Tg. 3 Tg.
Wasser — 21 44 48
Isoamylalko-
hol 5 Min. 10 37 48
10 » 12 38 46
20 » 6 33 49
80 » 0 17 34
Versuch 19.
2 Tg. 4 Tg.
Wasser — 44 49
Thymol 15 Min. 46 50
30 > 49 50
45°» 41 48
Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pfilanzensamen. 93
v
Versuch 20.
irkungs Wachstum
Stoff Kë der _ Keimzahl nach nach 9 Tagen,
Dämpfe 1 Tag 2 Tg. Höhe Lenga
We e 8 39 6 bis 8
m-Kresol 15 Min. 10 31 7 bis 9
30 e 17 43 6 bis 8
45 „Н 20 49 5 bis 7
Za 12 4 4 bis 6
In der folgenden Vetsuchsreihe wurde die Gerste 1 Stunde
lang in die betreffenden Lösungen eingelegt und: sonst wie
weiter oben verfahren.
Versuch 21.
Konz. der : Wachstum nach 14 Tagen
Stoff Lösung Dee SC, Zahl 4.5 Höhe d. A
0
Wasser = 48 49 41 3 bis 6
А = 45 48 4 5 bis 6,5
m-Kresol ss 3 37 35 2 bis 4
dÄ 30 48 48 6
1, 41 49 44 6 bis 8
Yo 43 46 44 6 bis 8
1, 49 49 45 6 bis 9
dÉ 44 48 47 5 bis 8
Aus den Versuchen folgt, daß oberflächenaktive Stoffe wie
Toluol, Chlorbenzol, ferner Piperidin, Pyridin, Anilin, ebenso
Aceton, Isobutylacetat, insbesondere auch Isoamylalkohol, sehr
starke Gifte sind. Von den Basen ist am wenigsten giftig Anilin
und am giftigsten Piperidin. Die Naphthalin- und Thymol-
dämpfe wirken bei nicht zu langer Einwirkung erregend, d.h.
auf die Keimungsgeschwindigkeit beschleunigend. Die Dämpfe
des Heptylalkohols wirken gleichfalls im Gegensatz zum Isoamyl-
alkohol erregend, ebenso die Benzaldehyddämpfe bei 1 stündiger
Wirkung.
Es scheint, daß das Desinfiziens m-Kresol in gewissen Kon-
zentrationen das Wachstum der Gerste günstig beeinflußt, in-
dessen derartige Versuche müssen, ehe man sichere Schlüsse
ziehen kann, noch häufiger wiederholt werden.
94
Stoff
Benzoesäure,
1 Std. eingelegt
Benzoesäure,
24 Std. eingelegt
Salicylsäure,
1 Std. eingelegt
Zimtsäure,
1 Std. eingelegt
J. Traube und H. Rosenstein:
Konz. der
Lösung
0%
gesätt. Lös.
KÉ »
1/8 я
0%
gesätt. Lös.
Ya S
|, ”
Ye n
Versuch 22.
Keimzahl nach
2Tg. 4Tg. 6Tg.
47 50 50
2 9 35
38 50 50
в 49 4
45 50 50
Versuch 23.
14 34
0 0
0 0
0 0
0 0
Versuch 24.
48 49
1 6
16, 47
"42 49
45 48
Versuch 25.
26 48
27 50
24 49
(15) 47
40 49
Wachstum nach 6 Tagen
Zahl d.St.
20
2
12
29
33
Höhe d. St.
cm
1 bis 2
kä bah ка Fei
сс
EE:
KL?
Die gesättigte Benzoesäurelösung ergab in einem Stalagmo-
meter, in dem die Tropfenzahl für Wasser gleich 53,7 war, die
Tropfenzahl 59,9, die gesättigte Salicylsäurelösung — 55,5 und
die gesättigte Zimtsäurelösung entsprechend ihrem minimalen
Gehalte — 54,9. Mit diesen Oberflächenspannungen stehen die
Keimversuche im Einklang.
Bei den folgenden Versuchen wirkte nur der Dampf der
betreffenden Fettsäuren, bei Versuch 26 und 28 je 1 Stunde
lang, bei Versuch 27 24 Stunden lang auf die betreffende, mit
Wasser 1 Stunde lang befeuchtete Gerste (50 Körner).
Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 95
Versuch 26.
Keimzahl nach
Stoff 1 Tag 2 Tagen
Wasser ..... 16 44
Саргопвёоге . . 20 47
` Versuch 27.
1 Tag 2 Tagen
Wasser ..... 11 19
Capronsäure . . 20 48
Versuch 28.
Wasser ..... 19 42
Buttersäure . . 3 20
Isovaleriansäure 8 38
Caprylsäure .. 28 82
Es ist sehr bemerkenswert, daß höhere Fettsäuren, wie
Capron- und Caprylsäure so stark reizende Wirkungen auf die
Keimungsgeschwindigkeit der Gerste ausüben. Man denkt hier-
bei an die hohe parthenogenetische Wirkung auf das Seeigelei
nach Loebs Versuchen. Auffallend ist es, daß die niederen
Fettsäuren selbst in geringen Konzentrationen, namentlich die
Isovaleriansäure (vgl. auch Traube und Marusawa, 1. с.), sehr
giftig wirken.
Um zu prüfen, ob nicht bei sehr kurzer Wirkung der
Dämpfe der Isovaleriansäure doch ähnliche Reizwirkungen wie
bei Capron- und Caprylsäure hervorgebracht wurden, brachten
wir 50 Gerstenkörner, die 1 Stunde im Wasser lagen, eine ver-
schiedene Anzahl von Minuten in die Dämpfe der Isovalerian-
säure.
Versuch 29.
Stoff Wirkungszeit Keimzahl nach
des Dampfes 1 Тар 2 Tagen 3 Tagen
Isovaleriansäure 0 Min. 28 48 50
ln 25 48 49
2 n 22 48 49
5 » 22 49 49
10 » 28 45 28
20 e 33 49 50
Versuch 30.
1 Tag 3 Tagen 5 Tagen
Isovaleriansäure 0 Min. 18 48 48
20 » 16 49 50
30 >» 12 48 50
ZS 45 » 14 46 48
96
J. Traube und H. Rosenstein:
Eine erheblichere erregende Wirkung wurde somit nicht
festgestellt.
Von Desinfizienzien wurde noch f-Naphthol und namentlich
Naphthalin untersucht. Die Körner, 50 Stück, wurden 1 Stunde
lang und nur bei Versuch 34 24 Stunden lang in die betreffenden
Lösungen eingelegt und dann unabgespült auf 6 faches, gleich-
mäßig befeuchtetes Filtrierpapier im geschlossenen Gefäße aus-
gebreitet. Die gesättigte f-Naphthollösung ergab im Stalagmo-
meter (Tropfenzahl für Wasser — 53,7) die Tropfenzahl 55,4,
die gesättigte Naphthalinlösung in Anbetracht ihres geringen
Gehaltes =
Stoff
#-Naphthol
Stoff
Naphthalin
Naphthalin
Naphthalin,
die Körner
24 Stunden
eingelegt
53,9.
Konz. der
Lösung
0%
gesätt. Lös.
1/ D n
Ya ”
Konzen-
tration der
Lösung
0
0%
KÉ ”
n
gesätt. Lös.
n
Versuch 31.
Keimzahl nach
2 Tagen 4 Tagen
43 49
17 47
32 48
48 48
Versuch 32.
Keimzahl nach
2Tg. 3Tg. 4Tg.
25 31 40
33 40 49
38 48 48
36 46 49
39 44 46
- Versuch 33.
2Tg. 3Tg. 5Tg.
23 38 43
34 38 43
39 47 49
32 45 48
38 45 47
Versuch 34.
2Tg. 3Tg. 4Tg.
41 47 48
24 35 43
22 39 43
24 36 43
21 3l 41
11 Tg.
49
50
50
50
49
9 Tg.
46
45
49
48
Wachstum
nach 11 Tagen,
Höhe d. Stengel
cm
4 bis 10
4 bis 9
3 bis 8
4 bis 8
9
4 bis
Wachstum
nach 9 Tagen
3 bis 6
4 bis 5
4 bis 5
3 bis 6
4 bis 6
Wachstum
nach 11 Tagen
Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 97
Versuch 35.
Konzen- .
Stoff tration дег о ee akoh
Lösung Е. Е. 8
Naphthalin 0%, 81 44 48
gesätt. Lös. 30 46 48
А » 39 48 49 J
WA n 29 45 47
105 n 39 49 49
tie A 39 50 50
Versuch 36,
2Tg. 4Tg. 6 Tg.
Naphthalin 0%, 82 41 49
gesätt. Lös. 42 48 49
KÉ H EI 48 49
e n 36 48 48
Ak H 38 49 50
Die Versuche mit $-Naphthol und Naphthalin zeigen zu-
nächst, daß die stärkeren $-Naphthollösungen entsprechend der
geringeren Oberflächenspannung bei gleicher Dauer der Ein-
wirkung schädlicher auf Gerste einwirken als Naphthalinlösungen.
Веі 24stündiger Einwirkung wirken selbst '/, gesättigte Naph-
thalinlösungen schädlich auf Keimung und Wachstum der Gerste,
dahingegen bei 1stündiger Einwirkung wird die Keimungs-
geschwindigkeit der Gerste durch Naphthalin erheblich be-
günstigt; ob auch das Wachstum gefördert wird, läßt sich noch
nicht mit Sicherheit sagen.
Folgende Basen wurden noch geprüft. Die Gerste wurde
je 1 Stunde in die Lösungen eingelegt.
Versuch 37. 5
Stoff Konz. der Keimzahl nach
Lösung 2 Tagen 4 Tagen
Diphenylamin 0%, 43 50
gesätt. Lös.
(unfiltriert) 28 46
kn 43 47
Ыс a 46 49
Versuch 38.
2 Tagen 4 Tagen
Chinolin 0%, 43 49
1» 0 0
Yan 0 0
ija» 12 46
NI 38 48
he т 37 49
Aer 7 45 49
Biochemische Zeitschrift Band 95. 7
98 J. Traube und H. Rosenstein:
Die Löslichkeit von Diphenylamin ist sehr gering (Tropfen
zahl 54,1, Wasser — 53,7), daher die geringe Wirkung.
Mit oberflächenaktiven Kolloidlösungen wurden die folgen-
den Versuche ausgeführt. Die Gerste wurde in allen Fällen
1 Stunde lang in die Lösungen eingelegt.
Versuch 39.
Konzen- Wachstum nach 7 Tagen,
Stoff tration Keimzahl nach Zahl der Höhe der
der 1 Tag 2 Tagen Stengel Stengel
Lösung cm
Pepton Witte 0%, 10 47 33 1 bis 3,5
On — 48 39 1 bis 4
1» 6 45 33 1 bis 2
Yon 11 49 36 1 bis 3
IL a 16 49 42 2 bis 4
SZ 14 49 43 2 bis 4
1016 » 12 48 44 2 bis 4,5
Versuch 40.
Konzen- Wachstum nach 9 Tagen,
Son em ug оте ато Zabi dee ° Hho e
Lösung cm
Med. Seife 09% 8 39 49 44 6 bis 8
1» 9 30 48 39 6 bis 10
„л 14 37 47 37 5 bis 8
1, » 11 45 50 46 5 bis 8
Y 15. 48 49 42 5 bis 9
Yon 5 28 44 38 5 bis 10
Versuch 41.
2 Tagen 3 Tagen
Saponin 0%, 37 49
1» 44 41
Yan 44 48
Un 39 47
1/6 » 45 49
Yon 43 50
РЕ 44 50
Versuch 42.
Natrium- 0%, 38
cholat 1» 37
Yan 30
11, » 30
dÉ 37
Wirkung von oberflächenaktiven Stoffen auf Pflanzensamen. 99
Die Tropfenzahl einer 1°/,‚igen Seifenlösung in einem
Stalagmometer (Tropfenzahl für Wasser == 53,7) war 90,2, die-
jenige einer 1°/,igen Saponinlösung == 61,0 und einer 1°/,igen
Lösung von Natriumcholat = 73,3. Bei allen diesen Stoffen,
auch beim Pepton, handelt es sich um stark oberflächenaktive
Stoffe. Da indessen derartige kolloide Stoffe nur sehr schwer
oder gar nicht in das Gerstenkorn eindringen, ist ihre Wir-
kung sehr gering. Man hätte allerdings für Seife und Saponin
eine stärkere Wirkung vermutet.
Es wurden nun noch eine größere Anzahl Versuchsreihen
mit verschiedenen Samen ausgeführt, wie schlecht keimender
Gerste, gut und schlecht keimendem Hafer und Roggen, gut
und schlecht keimenden Erbsen, Zuckerrüben sowie Zwiebelsamen.
Die Samen waren uns gütigst von der Firma Gebr. Dippe in
Quedlinburg sowie Herrn Rittergutsbesitzer Steiger in Dresden
zur Verfügung gestellt. Die Versuchsstoffe waren Naphthalin
und Urethan.
Es leitete uns bei diesen Versuchen zunächst der Gedanke,
ob nicht bei anderen Samen die Ergebnisse in bezug auf das
Erregungsstadium, die beginnende Giftwirkung usw., andere
waren wie bei Gerste. Ferner galt es vor allem, der Frage
näher zu treten, ob bei schlecht keimenden Samen nicht durch
derartige Reizstoffe eine wesentliche Keimungs- und Wachstums-
beschleunigung statthaben könnte.
Da die Versuche indessen zu keinem ganz eindeutigen
Ergebnis führten, so sehen wir von der Veröffentlichung der
Zahlen einstweilen ab. У
Es zeigte sich jedoch bei diesen vorläufigen Versuchen,
daß beispielsweise bei schlecht keimender Gerste, Roggen und
Hafer Naphthalin keine Erhöhung der Keimungsgeschwindigkeit
hervorbrachte. Auch auf gut keimenden Hafer wirkte Naph-
thalin im Gegensatz zu gut keimender Gerste anscheinend nicht
erregend ein. Dagegen scheint es, daß Urethan in !/,- und
21,67 /niger Lösung bei 1 stündigem Einlegen auf den betreffen-
den schlecht keimenden Hafer sowohl in bezug auf Keimung
wie Wachstum günstig einwirkte, nicht dagegen auf Zucker-
rüben. Die Versuche bedürfen indessen einer weitgehenderen
Prüfung.
Die Versuche mit Zwiebelsamen wurden namentlich in der
ә 7*
100 J. Traube u. H. Rosenstein: Wirkung у. oberflächenaktiven Stoffen usw.
Absicht unternommen, um zu prüfen, ob der Zwiebelgeruch
vielleicht eine Reizwirkung auf die Entwicklung anderer Samen
hervorrufen würde. Der Erfolg war einstweilen negativ.
Es scheint uns indessen kaum zweifelhaft, daß gerade die
Pflanzenduftstoffe, insbesondere Blumengerüche, besondere Be-
deutung haben, insofern sie als oberflächenaktive Reizstoffe
erregend auf mancherlei Entwicklungsvorgänge der Pflanzen,
beispielsweise die Entwicklung der Knospen usw., einwirken.
Schließlich sei bemerkt, daß wir auch mit denselben Reiz-
stoffen, mit denen wir Versuche an Pflanzensamen vornahmen,
eine größere Anzahl Versuche ausführten in bezug auf die Ent-
wicklung von Froscheiern sowie in bezug auf die Giftwirkung
auf Kaulquappen, um zu prüfen, wie weit von einer Parallelität
der Wirkungen auf Tier und Pflanze gesprochen werden kann.
Daß diese Parallelität im allgemeinen vorhanden ist, ergibt sich
ja bereits aus älteren Versuchen an Kaulquappen und wurde
auch im allgemeinen von uns bestätigt. Wir möchten auch hier,
da unsere Versuche nicht erschöpfend waren, von der Veröffent-
lichung der Zahlen einstweilen absehen.
Zusammenfassung.
Es wurde die Wirkung einer größeren Anzahl oberflächen-
aktiver Stoffe auf die Keimung und das Wachstum von Gerste
und anderen Pflanzensamen untersucht.
Für die eigentlichen Narkotica, wie Chloroform, Äthyläther,
Urethan usw., die teils als Dämpfe, teils in gelöstem Zustande
auf die Gerste wirkten, ergab sich annähernd dieselbe Reihen-
folge der narkotischen Wirkungen wie bei der tierischen Nar-
kose; es besteht auch bei den Pflanzen in bezug auf den
Keimungs- und Wachstumsvorgang eine reversible und irrever-
sible Narkose, sowie ein Erregungsstadium.
Ebensolche Ergebnisse wurden erzielt bei einer Reihe von
Desinfizienzien, wie m-Kresol, Naphthalin usw. Die höheren Fett-
säuren, wie Capronsäure, Caprylsäure, wirken in kleinen Mengen
stark erregend auf die Keimungsgeschwindigkeit der Gerste ein.
Die Duftstoffe der Pflanzen, wie ätherische Öle usw., ge-
hören zu den oberflächenaktiven Stoffen und dürften daher
eine entsprechende Reizwirkung ausüben.
>
Einige Bemerkungen über die Bedeutung des Blutkalks.
Von
R. Brinkman, Groningen.
(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Groningen.)
(Eingegangen am 5. April 1919.)
In einer vor kurzem in dieser Zeitschrift erschienenen Arbeit
haben Heubner und Копа!) sich über die funktionelle Bedeutung
des Blutkalks und über die Wirkung der Schwankungen der totalen
Kalkmenge im Blute geäußert. Heubner und Rona haben
hervorgehoben, daß sowohl Kalkmangel wie Kalküberschuß ab-
norme Wirkungen haben, daß also normal eine gewisse Kalk-
menge anwesend sein muß. Sie haben weiter die Aufmerksamkeit
darauf gelenkt, daß die Kalkwirkungen in zwei Gruppen zer-
fallen: solche, die von der Ionenkonzentration des Calciums im
Blutplasma abhängen, und solche, die unabhängig davon sind.
Heubner und Rona scheint aber eine Arbeit entgangen
zu sein, die Prof. Hamburger und ich?) im vorigen Jahre in
dieser Zeitschrift veröffentlicht haben, woraus mit voller Klar-
heit ein Prinzip hervorgeht, das wir bei unserh späteren Ver-
suchen immer wieder bestätigt gefunden haben und das wir
hier noch einmal betonen wollen.
Dieses Prinzip lautet:
Für die Erhaltung der normalen Funktionsfähig-
keit der Membranen ist eine ganz bestimmte Calcium-
ionenkonzentration, die nur um einige tausendstel
Prozent Variation erleiden darf, unerläßlich. Diese
Ionenkonzentration ist in Lösungen, die eine konstante
1) Heubner und Rona, diese Zeitschr. 98, 187 bis 226, 1919.
”) Hamburger und Brinkman, diese Zeitschr. 88, 97, 1918.
102 R. Brinkman:
[H] und eine konstante und genügend große [HCO,’]
haben, automatisch eingestellt und fixiert, ganz wie
die H-Ionenkonzentration. Auch für die Ca’-Ionen ist
also im Blut ein Puffersystem vorhanden.
Bekanntlich kommt das Calcium im Plasma in drei ver-
schiedenen Formen vor, als bivalentes Ca-Ion, als nicht disso-
ziiertes Ca-Salz [Са(НСО,),] und als kolloidale nicht diffusible
Ca-Eiweißverbindung. Prozentisch kommt auf kolloidales Ca-
Eiweiß etwa 25°/,, auf nicht-dissoziiertes Ca-Salz und freie Ca-
Ionen etwa 75°/, des totalen Calciums. Der Gehalt an freien
Ca-Ionen wird nach Копа und Takahashi!) bedingt durch die
[Ca J[EHCO,’] `
H] ба
für das Blutserum bedeutet das eine [Са``] уор 30 mg pro Liter.
Es ist nun sicher, daß für die funktionelle Wirkung des
Blutkalks die Ca-Ionen die erste Rolle spielen. Denkt man
ja überhaupt beim Studium der Salzwirkungen in erster Linie
an Ionenwirkungen. Bei vielen der sehr zahlreichen Unter-
suchungen über die Calciumwirkungen ist das Ca ganz oder
doch hauptsächlich in Ionenform anwesend gewesen. Weiter
hat Sabattani?) für mehrere Prozesse nachgewiesen, daß die
Wirkung verschiedener Ca-Salze ihrer Ca-Ionenkonzentration
proportional ist.
Für die allgemeine Theorie der biologischen Ca-Wirkungen,
wie sie z. B. von Höber aufgestellt wurde, sind auch nur Ca-
Ionen in Betracht gekommen. Bekanntlich wird in dieser
Theorie den Ca-Ionen, als Antagonisten der Na- und K-Ionen,
ein verdichtender Einfluß auf biologische Membrankolloiden
zugeschrieben; sie sollen eine Art Membranfestigung bewirken,
durch die die normale Zellpermeabilität, der Zusammenhalt von
Zellverbänden, die Synapse usw. beeinflußt werden.
Eine kräftige Bestätigung findet diese Theorie in zwei
Tatsachen, die wir an ganz verschiedenen Objekten festgestellt
haben, nämlich in den Einfluß der [Сә] auf die Permeabilität
der Glomerulusmembran des Frosches für Glucose?) und auf die
Gleichung k; k ist bei 18° im Mittel = 350;
1) Rona und Takahashi, diese Zeitschr. 49, 370.
2) Sabattani, Arch. Ital. de Biologie 36, fasc. 3, 39, 333.
з) Hamburger und Brinkman, diese Zeitschr. 88, 97, 131.
Bedeutung des Blutkalks. 103
Hämolyse der Menschenblutkörperchen durch Hypotonie (Ver-
suche, die noch nicht veröffentlicht sind und auf die wir hier
nur kurz eingehen wollen). Was unsere Versuche an der Glome-
rulusmembran betrifft, sei erinnert an folgende Sätze, die sich
mit Deutlichkeit ergeben haben.
1. Für die normale Impermeabilität der Glomerulusmembran
für physiologische Glucosekonzentrationen ist bei der überlebenden
Froschniere die Existenz von Ca’'-Ionen in der Durchströmungs-
flüssigkeit absolut notwendig.
2. Diese Ca Jonen müssen in ganz bestimmter Kon-
zentration anwesend sein, die nur um einige tausendstel
Prozent an Variation erleiden darf. Überschreitung der maxi-
malen und minimalen Ca-Ionenkonzentration bedingt unmittelbar
eine völlige Permeabilität der Membran für Glucose.
3. In der Durchströmungsflüssigkeit: NaCl 0,5°/,, NaHCO,
0,285°/,; KO 0,01°/, und CaCl, mindestens 0,02°/,, ist die Ein-
stellung der oben geförderten [Ca] gesichert; die Konzentration
bleibt in solcher Lösung konstant und ist von der totalen
Konzentration des Calciums relativ unabhängig.
Aus dieser Arbeit sieht man auch, daß nur die freien
Ca-Ionen für die Membrankolloide von Bedeutung sind; die
totale Ca-Menge darf innerhalb weit auseinander liegender
Grenzen variieren, die Konzentration der freien Ca-Ionen muß
konstant bleiben.
Zweitens wollen wir noch einmal betonen, daß diese [Са ]
einen ganz bestimmten Wert haben soll zur Einhaltung der
physiologischen Membranfunktion. Diese Tatsache scheint wohl
ein allgemeines Prinzip für die Kalkwirkung zu sein, dem man
überall in der Literatur begegnet: Kalkmangel und Kalküber-
schuß haben beide quantitativ abnorme und vielfach entgegen-
gesetzte Wirkungen; es muß also eine physiologische Mittel-
konzentration geben.
Deutlich nun geht dieses Prinzip auch aus unsern
Versuchen über die Hämolyse der Menschenblutkörper-
chen durch Hypotonie hervor‘), Bekanntlich hemmt das
Сә Jon diese Hämolyse. Soweit wir wissen, ist diese Er-
1) Noch nicht veröffentlicht.
104 R. Brinkman:
scheinung nur für große Ca-Konzentrationen, nicht für physio-
logische untersucht worden. .
Behufs einer Arbeit über die Bestimmung der sogenannten
Resistenz roter Blutkörperchen haben wir den Einfluß sehr
geringer Ca’'-Ionenkonzentrationen auf die Hämolyse unter-
sucht und sind auch hier zu dem Ergebnis gekommen, daß
eine konstante [Са``] für die Einhaltung der normalen Disper-
sität der Körperchenkolloide erforderlich ist.
Die Versuche gestalteten sich in folgender Weise:
0,080 ccm Blut aus der Fingerkuppe wurde suspendiert in
5ccm reiner 0,9°/,iger NaCl-Lösung; nach einigen Minuten
wurde zentrifugiert, die Flüssigkeit abgehoben und noch einmal
NaCl 0,9°/, zur genügenden Auswaschung der Serumbestand-
teile aufgegossen. Dann wurde wieder zentrifugiert, abgesaugt
und die Blutkörperchen in 5 ccm NaCl 0,6°/, aufgeschwemmt.
In der hypotonischen Lösung wurden die Körperchen immer
eine Viertelstunde sich selbst überlassen. Durch Aufschwemmung
derselben Körperchen in einer immer mehr hypotonischen Lösung
wurde nun bestimmt, in welcher Lösung dieBeginnhämolyse auftrat.
In genau derselben Weise wurde auch die Beginnhämolyse
bestimmt in Lösungen, wo dem NaCl immer 0,005°/,, resp. 0,010,
0,015, 0,020, 0,030°/, usw. CaCl,-6 aq. beigefügt worden war.
Das Resultat war sehr deutlich: in NaCl-Lösungen, die
0,015 bis 0,025°/, CaCl,-6 aq. enthalten, liegt die Beginn-
hämolyse bei merklich schwächeren (stärker hypotonischen)
Lösungen als in reinen NaCl-Lösungen oder in NaCl-Lösungen,
die mehr als 0,025°/, CaCl,-6 aq. enthalten.
Der osmotische Druck der Lösungen, die Beginnhämolyse
herbeiführten, wurde ermittelt durch Gefrierpunkterniedrigung.
Die folgende- Tabelle gibt ein Beispiel:
Versuch 1.
Beginn-
Suspension in hämolyse bei 4
тешек Mat, A 2 «чота SR я 0,53°/, А = — 0,315
NaCl + 0,0059, CaCl -6 ад. . . . . . . 0,52 » A= 0,310
» + 0,010 » Se "A Де е а 0,52» A= 0,812
” 0,015 » па. erde 0,45 » A= 0,290
n 0,020 » Ж ee 0,40 » A= 0,250
” 0,022 » WO AENEA EN 0,44 n A= 0,275
n 0,025 » P een 0,46 n A= 0,285
n 0,030 » Sa Е en 0,53 » A= 0,817
n -} 0,040 n De Ga E 0,53 » A= 0,320
Bedeutung des Blutkalks. 105
Man sieht also, daß die meist fragilen Körperchen
ihre größte Resistenz haben, wenn in der hypotonischen
Lösung 0,015 bis 0,025°/, CaCl, -6 aq., das ist + 0,0010 bis
0,0015°/, freie Kationen vorkommen!).
Auch mittels Versuchen, wo die Stärke der Hämolyse in
den verschiedenen Lösungen nach Arrhenius?) gemessen wird,
kommt man zu demselben Ergebnis. Ein Beispiel gibt Ver-
such 2.
Versuch 2.
Aufschwemmung in Stärke der Hämolyse
CEET уй 15%),
H + CaCl, -6 aq. 0,005, ..... 10»
$ Р и 0010. eräus Ce 5»
n D 005 m ..... On
n + n 0,020 ” sg es a 0 ”
DH -+ n DU ei On
А G 0095» ..... 5,
n n 0,080 n . 2... 15 »
H H 0,040»... .. 20»
Diese Tabelle zeigt wieder, daß die größte Resistenz bei
einer [Ca] von 0,0010 bis 0,0015°/, auftritt’).
Diese Konzentration ist vermutlich dieselbe, die
normal im Säugetierblut vorkommt oder etwas kleiner.
Wir müssen also zu dem Schluß kommen, daß die normale [Ca]
des Blutes eine der am meisten günstige für die Resistenz der
Körperchen gegen Hypotonie ist.
Wir haben weiter gefunden, daß, wie in der obengenannten
1) Die direkte Berechnung sowie die experimentelle Bestimmung der
Ca-Ionenkonzentration in NaCl-Lösung 0,5°/, hat uns dieses gezeigt.
D Arrhenius und Madsen, Zeitschr. f. physikal. Chem. 1903.
3) Man kann für einen gegebenen Fall die am meisten resistent
machenden [Са``] wohl noch genauer feststellen, indem man, nach der
Behandlung, wie sie in Versuch 2 dargestellt wurde, noch stärker hypo-
tonische Lösung aufgießt und dann wieder bestimmt, welche [Са``] die opti-
male Resistenz gibt. Dann aber bekommt man einen Wert, der mit
jedem Tag variiert; die äußersten Grenzen sind 0,015 und 0,025 9,
CaCl,-6 aq. Die Ursache dieser Variation muß in dem Älterungsprozeß
der Körperchen gesucht werden. Auf die Bedeutung dieser Tatsachen
für die Aufstellung einer rationellen Methode für die Resistenzbestimmung
werden wir in einer ausführlichen Arbeit zurückkommen.
106 R. Brinkman:
Durchströmungsflüssigkeit für die Froschniere, in der Lösung:
NaCl 0,5°/,, NaHCO, 0,29°/,, KC10,02°/,, CaCl, - 6 aq. mindestens
0,020°/,, diese optimale [Са ]innerhalb gewisser Grenzen
fixiert ist. Sowohl die experimentelle Bestimmung der Hämo-
lyse durch Hypotonie, wie die direkte Bestimmung der [Са `] in
dieser Lösung (mittels einer später zu veröffentlichenden Methode)
hat uns dies gezeigt. Auch im Blute muß diese Ca -Ionen-
[Ca ][HCO,/]
[H]
und innerhalb gewisser Grenzen unabhängig von der Konzen-.
tration des totalen Calciums. ' z
Es ist direkt einleuchtend, wie zutreffend es ist,
daß die [Ca], die für die Einhaltung der normalen
Dispersität der Biokolloide ebenso belangreich wie die
[H] ist, im Blute auch in analoger Weise konstant ge-
halten wird.
Es ist deshalb unsere Meinung, daß man sich bei Experi-
menten über die Rolle des Blutkalks in erster Linie die Frage
vorzulegen hat: Wie groß ist die Konzentration der freien
Ca-Ionen und in welcher Weise ändert sich diese durch
die experimentelle Behandlung? Bei den subcutanen oder
intravenösen Injektionen von Ca-Salzen, sowie bei deren oraler
oder rektaler Einverleibung oder auch bei Inhalation von Ca-
Salzen, wie es іп den Experimenten von Heubner und Копа!)
geschah, müssen wir unbedingt wissen, wie die Konzentration
der freien Ca-Ionen hierdurch verändert worden ist; ohne
diese Kenntnis ist es unseres Erachtens nicht mög-
lich, die Wirkung des Blutkalks zu beurteilen.
Es ist z. B. unwahrscheinlich, daß eine langsame und nicht
zu große Steigerung des Blutkalks überhaupt eine Vergrößerung
des freien [Ca’'] bewirken wird. Man darf hier also auch keine
[Ca ]-Wirkung erwarten. Bei schneller Steigerung des Blut-
kalks kommt eine Ca-Ionenkonzentrationsvermehrung zustande,
die einige Zeit anhält, aber dann wieder auf die Norm zurück-
geht; die Ursache dieser Erscheinung ist, daß für die Ein-
stellung des Gleichgewichtes = k einige Zeit nötig
konzentration nach der Gleichung = k fixiert sein,
1) Heubner und Rona, Le
Bedeutung des Blutkalks. 107
ist. Wir haben dieses durch direkte experimentelle Bestimmung
der freien [Ca] festgestellt; die gebrauchte Methode hoffen wir
später zu publizieren.
Andererseits aber kann, durch Variation der HCO,’-Kon-
zentration die freie [Са``] erheblich schwanken, ohne daß die
totale Kalkmenge eine Änderung zeigt. Ein Konstantbleiben des
Blutkalks kann daher noch nicht ein Konstantbleiben des funk-
tionell bedeutenden Ca-Ionen einschließen. Erst die Bestim-
mung des freien [Са `] des Serums wird uns über die
Kalkwirkungen Aufschluß geben können, nicht aber
die Messung der totalen Ca-Menge, wie sie von Heubner
und Rona ausgeführt wurde.
Beiträge zur Kenntnis der Chitose.
Von
Walther Armbrecht.
(Aus der chemischen Abteilung des physiologischen Institutes der
Wiener Universität.)
(Eingegangen am 8. April 1919.)
Eines der dunkelsten Kapitel der Kohlenhydratchemie ist
die Chemie der Chitose. Trotz zahlreicher Arbeiten auf diesem
Gebiet ist es bisher nicht gelungen, den Zucker krystallisiert
zu erhalten.
Die Entstehung der Chitose wurde zuerst von M. Berthelot!)
und G. Staedeler*) bei der Einwirkung von Mineralsäuren auf Chitin
beobachtet. Nach Ledderhose?) entsteht bei der Einwirkung der Säure
als primäres Produkt Glucosamin, das erst sekundär in Ammoniak und
Chitose zerlegt wird. Beide Reaktionen können nach Sundwick‘) an-
geblich auch nebeneinander verlaufen, indem Chitin gleichzeitig in Glucos-
amin und Chitose zerfällt.
Nach Kruckenberg) wird Chitin auch durch Oxydationsmittel
(Kaliumpermanganat, Natriumhypochlorit) zur Chitose abgebaut.
Die konstitutionelle Verknüpfung der Chitose mit Chitin
und Gluücosamin ist bisher nicht vollständig aufgeklärt. Die Chitose
kann zwar als unmittelbares Spaltungsprodukt der erwähnten Körper
entstanden sein. Nach E. Fischer und H. Leuchs®) kann Chitose aus
dem Glucosamin erst infolge einer tiefergehenden, bisher nicht endgültig
klargestellten Umlagerung hervorgehen.
1) M. Berthelot, Compt. rend. 47, 227, 1858.
1) G. Staedeler, Annal. d. Chem. 111, 21, 1859.
з) G. Ledderhose, Zeitschr. f. physiol. Chem. 2, 213; 4, 139, 1878.
*) E. Sundwick, Zeitschr. f. physiol. Chem. 5, 384, 1881.
5) Fr. W.Kruckenberg, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 19, 880, 1886.
% Е. Fischer und Н. Leuchs, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 35,
3790, 1902.
W. Armbrecht: Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 109
Die Darstellung der Chitose geschah bisher auf folgende Weise:
Ledderhose!), F. Tiemann‘®), Kueny?°) und Irvinet) brachten
Glucosamin mit Kalium-, Natrium-, Barium- oder Silbernitrit in der
Wärme in Reaktion. Sie erhielten auf diese Weise einen farblosen,
nicht gärungsfähigen, rechtsdrehenden Zuckersirup, der in absolutem
Alkohol leicht löslich, durch Äther in amorphen weißen Flocken fällbar
war. Freilich blieb es ganz unsicher, ob dieser Zucker ein chemisch
einheitliches Produkt darstellt. E. Fischer und Leuchs?°) führten die
Bildung des Zuckers erst auf eine sekundäre Reaktion zurück. Diesen
Zuckersirup haben auch E. Fischer und E. Tiemann‘) durch Ein-
wirkung von Silbernitrit auf Glucosamin erhalten.
Auch sie konnten reine Chitose nicht gewinnen, erhielten aber
durch Kochen des Sirups mit Phenylhydrazin eine geringe Menge von
Glucosazon”?). Nach diesem Befunde muß mit dem Reaktionsprodukte
eine stereochemische Umlagerung vor sich gegangen sein. Auch Neu-
berg?) gelang es nicht, ausgehend von Chitosehydrazonen zu krystalli-
sierter Chitose zu gelangen.
Angesichts dieser spärlichen Literaturangaben kann es nicht
wundernehmen, daß bisher nicht einmal die Formel der Chitose
mit Sicherheit festgestellt ist. Denn eine solche konnte bis-
her nicht durch Analyse der Chitose erhalten werden, da ana-
lysenfähige Chitose nicht gewonnen werden konnte; sie mußte
vielmehr aus der Zusammensetzung von Derivaten erschlossen
werden. Neuberg?), der einen nahen Zusammenhang von
Chitose mit d-Ribose vermutet, hält die Zusammensetzung
C,H,,0, für richtig; dagegen schreiben Е. Fischer und
Andreae!®) der Chitose eine um ein Molekül Wasser ärmere
Formel zu, nämlich C,H,,O, und halten dieselben für ein
Derivat eines hydrierten Furans:
CH,OH—CH—CH(OH)—CH(OH—CH—CHO
| О 1 3
1) Ledderhose, a. a. О.
2) F. Tiemann, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 17, 241, 1884.
3) Kueny, Zeitschr. f. physiol. Chem. 14, 330, 1889.
4) J. C. Irvine, Journ. chem. Soc. 95, 564, 1909.
5) E. Fischer und H. Leuchs, a. а. О.
б) E. Fischer und E. Tiemann, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 27,
138, 1894.
7) F. Tiemann, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 19, 50, 1886.
в) C. Neuberg, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, 4009, 1902.
°) C. Neuberg, a. а. О.
10) E. Fischer und E. Andrese, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 36,
2589, 1903.
110 W. Armbrecht:
Mit dieser Annahme steht eine Beobachtung aus dem
Laboratorium C. Neubergs!) im Einklang, derzufolge (im
Gegensatz zum Glucosamin) das desaminierte Produkt, die
Chitose, durch Salzsäure leicht in Lävulinsäure übergeführt
werden kann.
Bei der Unsicherheit, die demgemäß über das Wesen der
Chitose in der Literatur herrscht, erscheint es als eine ver-
lockende Aufgabe, die Versuche zum Studium dieser Substanz
wieder aufzunehmen.
Es möge mir gestattet sein, über einige Versuche, die ich
in den Jahren 1913 und 1914 auf Veranlassung von Prof.
v. Fürth in dieser Richtung ausgeführt habe und deren Fort-
setzung durch den Kriegsausbruch und meine Einrückung zur
militärischen Dienstleistung bisher verhindert worden ist, als
Beitrag zum Studium dieser merkwürdigen Substanz im folgen-
den zu berichten. __
> I. Darstellung des Ausgangsmaterials.
Als Ausgangsmaterial dienten mir Crustaceenpanzer
(von Nephrops norvegicus herrührend), die ich, dank dem
liebenswürdigen Entgegenkommen des Herrn Prof. Dr. Carl
Cori, Direktor der k. k. zoologischen Anstalt in Triest, in ge-
nügender Menge erhalten konnte.
Die Verarbeitung der Panzer geschah in ähnlicher Weise wie bei
Offer?) und Lenk’). Die Krebspanzer wurden mit roher Salzsäure
behandelt, bis keine Entwicklung von Kohlensäure mehr bemerkbar
und die Entkalkung der Schalen vor sich gegangen war. Die Anwendung
von roher (gegenüber reiner verdünnter) Salzsäure erscheint insofern
zweckmäßig, als auf diese Weise der Zusammenhang der Stücke ge-
lockert wird. Dann wurden die Stücke іп fließendem Wasser mehrere
Stunden gewaschen. Nun wurde zur Entfernung der Proteine mit Lauge
ausgekocht und wieder gründlich gewaschen. Auf diese Weise konnte
ohne Anwendung von Bleichmitteln vollständig farbloses Chitin erhalten
werden, während nach dem bisherigen Vorgange erst Entfärbungsmittel
(Permanganat, Bisulfit u. dgl.) angewendet werden mußten.
Das so erhaltene Chitin wurde dann nach den Angaben
1) H. Hamburger, diese Zeitschr. 36, 3, 1911.
2) Offer, diese Zeitschr. 7, 117, 1907.
3) E. Lenk, diese Zeitschr. 23. 50, 1909.
Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 111
von у. Fürth und Russo!) in Chitosan übergeführt: Das
grob zerkleinerte Chitin wurde mit der fünffachen Menge,Ätz-
kalis und etwas Wasser in einer Silberschale im Ölbade auf
180° erhitzt und eine halbe Stunde unter öfterem Umrühren
auf dieser Temperatur (Thermometer im Ölbade) erhalten. Die
erkaltete Schmelze wurde dann mehrmals mit Wasser zur
Entfernung des überschüssigen Ätzkalis gründlich gewaschen.
Die Entfernung des Ätzkalis mit Wasser geht bedeutend
schneller und erscheint zweckmäßiger als die Behandlung mit
Alkohol am Rückflußkühler, wie sie früher üblich war. Das
erhaltene freie Chitosan zeigt noch vollständig die Struktur
des Ausgangsmaterials. Dieses wurde nun in verdünnter Essig-
säure gelöst, evtl. ein ungelöster Rückstand durch Glaswolle ab-
getrennt und das Filtrat durch Alkalizusatz als gallertartige
Masse ausgefällt. Diese wurde auf einen gehärteten Filter ge-
sammelt und bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion
mit Wasser gewaschen.
Für die weiteren Untersuchungen war unter den krystalli-
sierten Chitosanverbindungen das Chitosanchlorhydrat wegen
seiner Löslichkeit in heißem Wasser am zweckdienlichsten. Zu
diesem Zwecke wurde dieses nach den Angaben von v. Fürth
und Russo hergestellt. Die gallertartige Chitosanmasse wurde
in verdünnter Salzsäure in Lösung gebracht und dann so lange
konzentrierte Salzsäure zugesetzt, bis keine Fällung mehr ein-
trat. Es wurde nun bis zur vollständigen Lösung erwärmt
und dann ganz langsam abkühlen gelassen, wobei sich das
Chitosanchlorhydrat in wohlausgebildeten mikroskopischen Kry-
stallen abschied.
Die krystallisierte Masse wurde dann filtriert, mehrmals
aus heißem Wasser umkrystallisiert, erst mit Wasser bis zum
Verschwinden der Chlorreaktion, dann mit Alkohol, schließlich
mit Äther gewaschen und endlich über Schwefelsäure im
Vakuum getrocknet. Auf diese Weise erhielt ich dieselben
sehr charakteristischen Krystalle, wie sie v. Fürth und Russo
seinerzeit erhalten hatten, und gelang es mir, ohne Anwendung
von Entfärbungsmitteln immer rein weißes Chitosanchlorhydrat
darzustellen.
А 1) O.v.Fürth und M. Russo, Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol.
1906, 163.
112 W. Armbrecht:
П. Einwirkung von salpetriger Säure auf Chitosan.
Bei diesen Versuchen wurde krystallisiertes Chitosanchlor-
hydrat, welches in der oben angegebenen Weise dargestellt
worden war, in Wasser in der Wärme gelöst, aus der Lösung
das freie Chitosan mit Natronlauge gefällt, filtriert und mit
Wasser bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion ge-
waschen. Die gallertartige Masse wurde im Wasser suspendiert
und auf diese Suspension salpetrige Säure einwirken gelassen.
Aus praktischen Gründen, um nämlich nicht unnötigerweise
anorganische Bestandteile beizumengen, wurde salpetrige Säure
nicht in Form von festem Nitrit oder von Nitritlösung unter
Zusatz von Säure angewendet, sondern im gasförmigen Zu-
stande eingeleitet. Zu diesem Zweck wurde in einem kleinen
Gasentwicklungsapparat aus arseniger Säure und konzentrierter
Salpetersäure vom spezifischen Gewicht 1,3 durch schwaches
Erwärmen salpetrige Säure dargestellt. Während des Ein-
leitens ging die gallertartige Masse unter Stickstoffentwicklung
vollständig in Lösung. Das Einleiten wurde so lange fort-
gesetzt, bis keine Gasentwicklung mehr wahrnehmbar war. Ein
etwaiger Überschuß an salpetriger Säure wurde durch einen
kräftigen Luftstrom oder Erwärmen auf dem Wasserbade voll-
ständig vertrieben, bis keine Reaktion mit «-Naphtylamin und
Sulfanilsäure mehr eintrat.
Schon der Umstand, daß alles in Lösung gegangen war,
läßt darauf schließen, daß kein unverändertes Chitosan mehr
vorhanden ist. Die erhaltene wäßrige Lösung zeigt folgende
Reaktionen:
1. Durch Natronlauge tritt keine Fällung mehr ein (es ist also
kein unverändertes Chitosan mehr in der Lösung).
2. Mit Natronlauge erwärmt, färbt sich die Lösung gelb,
schließlich braun (Verharzung).
3. Durch Alkohol tritt keine Fällung ein, wohl aber ist das
Reaktionsprodukt aus der alkoholischen Lösung durch Äther fällbar.
Da es aber sehr hygroskopisch ist, läßt es sich auf diese Weise nicht
isolieren.
4. Die wäßrige Lösung reduziert stark Fehlingsche Kupfer-
lösung.
5. Ammoniakalische Silberlösung wird unter Bildung eines
Silberspiegels reduziert.
6. Jodlösung tropfenweise zugesetzt, wird entfärbt.
Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 113
7. Beim Schütteln mit Benzoylchlorid in alkalischer Lösung
erhält man ein Additionsprodukt.
8. Resorcin bei Gegenwart von konzentrierter Salzsäure ruft
rotbraune Färbung hervor (Schaum purpurrot); beim Kochen tritt eine
satte rote Färbung ein.
9. Gärungsversuche ergaben, daß der Zucker nicht gärungs-
fähig ist.
10. Da die Lösung immer Salpetersäure enthält, ist es nicht ohne
weiteres möglich, durch qualitative Prüfung auf Stickstoff die Voll-
ständigkeit der Reaktion in bezug auf Elimination von Stickstoff zu kon-
statieren. Es sei auf die in desem Laboratorium ausgeführten Unter-
suchungen von H. Brach!) verwiesen, aus denen hervorgeht, daß der
ganze Stickstoff des Chitins und Chitosans durch Einwirkung von salpetri-
ger Säure abgespalten wird.
Diese Reaktionen weisen darauf hin, daß die wäßrigen
Lösungen eine oder mehrere Zuckerarten enthielten. Es wurde
nun versucht, den Zucker näher zu ckarakterisieren.
Da die Lösung beim Eindunsten einen nicht krystallisie-
renden Sirup hinterließ, wurde die Gewinnung eines krystalli-
sablen Derivates versucht.
III. Darstellung eines krystallisierten Osazons.
Zu diesem Zwecke wurde Phenylhydrazin [und zwar nach
E. Fischer?) ein Gemenge von salzsaurem Phenylhydrazin
und Natriumacetat] in neutraler Lösung einwirken gelassen.
Als die Lösung auf dem Wasserbad anhaltend erwärmt wurde,
schied sich beim Erkalten ein rotgelbes Produkt ab. Nach
Abtrennung desselben wurde bei neuerlichem Erwärmen und
darauffolgendem Erkalten immer wieder, eine derartige Ab-
scheidung erhalten. Diese ließ sich aus 60°/, Alkohol unter
Zuhilfenahme von Tierkohle umkrystallisieren. Durch sehr
oftmaliges Umkrystallisieren und Auswaschen mit Äther, wo-
durch eine rotgelbe Verunreinigung entfernt wurde, konnte das
Reaktionsprodukt in schönen gelben Nadeln krystallisierend er-
halten werden. Der Schmelzpunkt wurde durch schnelles Er-
hitzen in einem Schmelzpunktapparat nach Thiele schließlich
bei 202° (unter Gasentwicklung) konstant gefunden. Dieses
Präparat, das bei 110° getrocknet worden war, wurde zur Ana-
lyse verwendet.
1) H. Brach, diese Zeitschr. 38, 468, 1912.
2) E. Fischer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 41, 77, 1908.
Biochemische Zeitschrift Band 95. 8
114 W. Armbrecht:
Die Analyse des Osazons ergab folgende Werte:
0,1545 g 0,0880 g H,O 6,37%, H
0,3405 g CO, 60,11°/, C
0,1622 g 0,0900 g H,O 6,21°/, H
0,3582 g СО, 60,28°„С
0,1676 g 0,0933 g H,O 6,23%, Н
0,3723 g CO, 60,580/, С
Die Analysen von C und H ergaben im Mittel für:
С 60,309],
Н 6,270).
Die Bestimmung des Stickstoffs ergab, nach Dumas ausgeführt,
folgende Werte:
0,1465 g Substanz bei 751 b 20° 20,5 cem 16,11%,
0,0491 g n » 750b 22° 70 » 16,17%, N
Die Bestimmung ergab im Mittelwert . . 16,17°%/, N.
Berechnet für С,.Н,„0,М№,:
Gef. С 60,809), С = 60,33°/,
» Н 6,27%, == 6,15%
» N 16,17% N = 15,649,
О = 67,889/,
100,00 9/,.
Auf Grund der Analyse scheint ein Hexosazon vorzuliegen.
Zur genaueren Identifizierung des Osazons wurde die optische
Aktivität desselben geprüft. Eine Lösung von der Hellig-
keit, wie sie notwendig ist, um 0,2g in 4ccm Pyridin und
6 ccm absolutem Alkohol bei Auerlicht nach den Angaben von
Neuberg!) polarisieren zu können, war trotz wiederholtem
Umkrystallisierens in unserem Fall nicht erhältlich. Wohl aber
gelang es, bei elektrischem Bogenlicht die Drehung zu bestim-
men. Es wurden 0,2 g in der Wärme gelöst. Es ergab sich
so in mehreren Bestimmungen übereinstimmend
0,2 g in 4 cem Pyridin und 6 ccm absolutem Alkohol
— 1° 12°.
Das Pyridin war vor dem Gebrauch nach den Angaben
von Neuberg!) über Kali rektifiziert worden.
Zum Vergleich wurde das Osazon der Glucose dargestellt und in
derselben Konzentration und bei derselben Beleuchtung auf sein Drehungs-
vermögen untersucht. Dabei wurde für 0,2 g in 4 com Pyridin und
1) C. Neuberg, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 32, 3389, 1899.
Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 115
6 ccm absolutem Alkohol eine Drehung der Polarisationsebene von
— 1,509 erhalten!).
Schon dieser Unterschied im Drehungsvermögen der beiden Osazone
spricht dafür, daß sie miteinander nicht identisch sind. Außer dem ab-
weichenden Wert für die Drehung spricht noch folgender Umstand da-
für, daß das erhaltene Osazon nicht Glucosazon ist. Während sich näm-
lich von Glucosazon 0,2 g oder evtl. noch mehr schon in der Kälte in
4 rem Pyridin und 6 eem absolutem Alkohol leicht lösen, ist die Lös-
lichkeit des von mir erhaltenen Osazons in der Kälte in diesem
Lösungsmittel sehr gering, und es ist Erwärmung notwendig, um die
Substanz überhaupt in Lösung zu bringen. Ferner läßt sich Glucosazon
auch in absolutem Alkohol [0,2 g in 10 eem? polarisieren, während das
von mir hergestellte Osazon in diesem Lösungsmittel selbst in der Hitze
unlöslich ist. Auch läßt sich Glucosazon, und zwar 0,1 g in 12 ccm Eis-
essig®) gelöst, polarisieren, in welchem Lösungsmittel das von mir her-
gestellte Osazon ebenfalls unlöslich ist.
Angesichts dieser Befunde mußte es als wünschenswert er-
scheinen, die Angaben Tiemanns‘) über das aus Glucosamin-
chlorhydrat erhältliche Osazon zu überprüfen.
Darstellung eines Osazons, ausgehend vom Glucos-
aminchlorhydrat.
Glucosaminchlorhydrat wurde aus Chitosan-Chlor-
hydrat durch Erhitzen mit konz. Salzsäure unter Beigabe von
Zinnchlorür zur Vermeidung der Huminbildung bis zur be-
ginnenden Krystallisation eingedampft. Das Produkt wurde aus
heißem Wasser mehrmals umkrystallisiertt. Die Ausbeute an
ganz reinem Präparat betrug aus 50 g Chitosanchlorhydrat
12 g Glucosaminchlorhydrat. Nachdem zur Sicherheit noch
quantitative Stickstoffbestimmungen (gef. 6,63°/,, 6,94°/,, ber.
6,5°/,) gemacht worden waren, wurde auf die wäßrige Lösung
des Glucosaminchlorhydrats salpetrige Säure wie bei den
früheren Versuchen einwirken gelassen. Die erhaltene Lösung
gab dieselben Reaktionen wie die Lösung, die ausgehend von
Chitosanchlorhydrat erhalten worden war.
Die Lösung, die nach dem Einleiten von salpetriger
1) C. Neuberg (a. а. O.) hat unter ähnlichen Bedingungen — 1,809
beobachtet.
2) Н. Ost, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 28, 1503, 1895.
3) E. Fischer, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27, 2478, 1894.
4) Е. Tiemann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 19, 118ff., 1886.
8*
116 W. Armbrecht:
Säure erhalten und von deren Überschuß befreit worden war,
wurde genau neutralisiert und mit Phenylhydrazinchlorhydrat
und Natriumacetat behandelt. Durch Erwärmen auf dem Wasser-
bade wurde ebenfalls ein rotgelbes Produkt erhalten, das nach
oftmaligem Umkrystallisieren aus 60°/, Alkohol, Pyridinalkohol
und Waschen mit Äther in schönen, zu Büscheln vereinigten
gelben Nadeln erhalten wurde. F.P. bei 202°.
Die Polarisation des erhaltenen Osazons wurde ebenfalls
bei elektrischem Bogenlicht ausgeführt; dabei ergaben sich
folgende Werte:
— 1,19°
— 1,20°.
Nach der Drehung der Polarisationsebene zu schließen,
ist also das Hexosazon aus Chitosan vollständig identisch mit
dem ausgehend von Glucosamin erhaltenen Osazon. Für diese
Vermutung spricht auch die Löslichkeit der beiden (Oe zone,
die vollständig gleich und von der des Osazons der Glucose
verschieden ist. Denn die beiden Osazone sind in Pyridin-
Alkohol nur schwer, in der Kälte überhaupt nicht, sondern erst
beim Erwärmen löslich, wobei es aber nicht möglich ist, hell-
gefärbte Lösungen zu erhalten. In absolutem Alkohol sind
beide Osazone gar nicht löslich, während Glucosazon in beiden
Lösungsmitteln sich leicht löst. Abweichend von F. Tiemann’)
konnte ich also die Bildung уоп Glucosazon nicht feststellen;
es dürfte vielmehr das bisher nicht bekannte Osazon der
Chitose vorliegen. к
0,2g in 4ccm Pyridin und 6ccm abs. Alkohol d
Wenn man die beiden Osazone, das aus Chitosan und das
aus Glucosamin erhaltene Osazon mischt, schmilzt die Mischung
wieder bei 202°. Mischt man hingegen die erhaltenen Osazone
mit Glucosazon, so zeigt sich eine Depression des Schmelz-
punktes. Auch dieser Umstand spricht dafür, daß die aus
Chitosan und Glucosamin erhaltenen Osazone miteinander iden-
tisch sind und beide vom Glucosazon verschieden.
Die Resultate meiner Befunde über die aus Chitosan und
Glucosamin erhältlichen Osazone lassen sich dahin zusammen-
fassen, daß beide Wege zu ein und demselben vom Glucosazon
1) Е. Tiemann, а. а. О.
Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 117
durch Löslichkeit, Drehung und Schmelzpunkt!) deutlich ver-
schiedenen Osazon führen, welches wahrscheinlich das noch
unbekannte Chitoseosazon darstellen dürfte.
Versuche mit Nitrophenylhydrazin, Methylphenylhydrazin,
Bromphenylhydrazin und Thiosemicarbacid aus der Zucker-
lösung krystallisierte Produkte zu erhalten, blieben resultatlos.
IV. Über die Zuckerausbeuten bei der Einwirkung von
salpetriger Säure”auf Chitosan.
Was die Ausbeuten bei meiner Arbeit betreffen, habe ich aus
60 g Chitosanchlorhydrat 15 g Zucker (nach Bertrand ermittelt) `
erhalten. Diese 15 р Zucker lieferten 2?/, g reinen ÖOsazons.
Angesichts der schlechten Ausbeuten erschien es aussichtslos,
auf dem Wege über das Oson weiter zu krystallisierenden Ver-
bindungen zu gelangen. Andererseits hielt ich es für geboten,
über den nicht krystallisierenden Rest Aufschluß zu erlangen.
Dies geschah in der Weise, daß quantitative Zuckerbestimmungen
nach Bertrand und quantitative Bestimmungen der Trocken-
substanz ausgeführt wurden.
Zu diesen Bestimmungen wurden jedesmal 5 g Ausgangs-
material, und zwar einmal 5 р Chitosansulfat, die anderen Male
5g Chitosanchlorhydrat angewendet. Aus diesen Mengen wurde
das freie Chitosan gefällt, alkalifrei gewaschen und in der oben
geschilderten Weise mit salpetriger Säure behandelt. Die er-
haltene Lösung wurde auf 100 ccm aufgefüllt und in aliquoten
Mengen einerseits der Zuckergehalt, andererseits die Trocken-
substanz ermittelt.
Trockensubstanz Zucker
gef. ber.
5 č Chitosansulfat lieferten . . . . . 1,49 g 1,45 g 3,00 g
5g Chitosanchlorhydrat lieferten . . . 1,61 g 1,88 g 3,70g
5 g n n č.o 1 ‚48 g 1 ‚26 g
Es zeigt sich also, daß die Bestimmungen des Zuckers
nach Bertrand annähernd dieselben Werte lieferten wie die
Bestimmungen der Trockensubstanz, und daß nach beiden Arten
von Bestimmungen sich eine konstante Differenz gegenüber
1) Der Schmelzpunkt des Glucosephenylosazons wird von C. Neu-:
berg (Handbuch d. Biochem., herausg. von Oppenheimer 1, 169) mit
210° angegeben.
118 W. Armbrecht:
den auf Grund der theoretischen Berechnung nach der Chitosan-
formel von Brach!) zu erwartenden Werten ergibt.
Auch bei Berücksichtigung der Abspaltung der im Chitosan-
molekül enthaltenen Essigsäure müßte sonach eine erheblich
größere Zuckermenge resultieren als sich auf Grund de? leidlich
miteinander übereinstimmenden Zucker- und Trockensubstanz-
bestimmungen tatsächlich ergibt. Es läßt dies wohl kaum eine
andere Deutung zu, als daß bei der Einwirkung von salpetriger
Säure auf Chitosan flüchtig® Produkte in nicht unbeträcht-
licher Menge entstehen. r
Damit ist aber auch schon gesagt, daß es sich dabei
nicht etwa um einen einfachen Austausch von Amino-
gruppen gegen Hydroxyle handeln könne, daß viel-
mehr kompliziertere Spaltungsvorgänge unbekannter
Art dabei eine Rolle spielen. Man wird gut tun, sich
dabei zu vergegenwärtigen, daß ein Teil der salpetrigen Säure
in der Reaktionsflüssigkeit stets in Salpetersäure übergeht, die
wohl ihrerseits einzugreifen vermag.
Schon dem Gesagten zufolge wird man schwerlich erwarten
können, in dem Chitosesirup einen einzigen und chemisch ein-
heitlichen Zucker vorzufinden. Ich habe es versucht, mir über
diesen Punkt dadurch Klarheit zu verschaffen, daß ich feststellte,
ob die Relation zwischen Reduktionsvermögen und optischem
Drehungsvermögen bei Chitosesirupen verschiedener Provenienz
eine konstante sei oder nicht. Und ich fand tatsächlich in
einer Reihe von Versuchen, daß von einer Konstanz dieser Art
keine Rede sei, vielmehr differieren die sich in verschiedenen
Versuchen ergebenden Verhältniswerte innerhalb weiter Grenzen.
Wir haben daher allen Grund, die chemische Einheitlichkeit
des sich bei Einwirkung von salpetriger Säure auf Chitosan bzw.
auf Glucosamin ergebenden reduzierenden Reaktionsproduktes,
des sog. „Chitosesirup“, zu bezweifeln. Damit finden wohl auch
die schlechten Ausbeuten an Osazon eine Erklärung, und wir
werden wohl gut tun, die Bezeichnung „Chitose“ für jenen
Bestandteil dieses Gemenges zu reservieren, der befähigt ist,
sich mit Phenylhydrazin zu einem wohlcharakterisierten Produkte
zu vereinigen.
1) Brach, а.а. О.
Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 119
V. Oxydation des Chitosesirups.
Um über die Natur des durch Einleiten von salpetriger
Säure in eine Suspension von freiem Chitosan erhaltenen Zucker-
gemenges nähere Aufklärung zu erhalten, wurden Oxydations-
versuche angestellt.
Oxydationsversuche mit der hypothetischen Chitose wurden schon
von verschiedenen Forschern unternommen. E. Fischer und Tiemann!)
oxydierten Chitoselösung mit Brom. Sie stellten ein Caleciumsalz der er-
haltenen Säure dar, das sie mit der entsprechenden Menge Oxalsäure
zerlegten. Durch Einengen der erhaltenen Lösung glaubten sie auf diese
Weise zunächst ein Gemisch von freier Chitonsäure (einer anscheinend
der Chitose entsprechenden Aldonsäure) und ihres Lactones erhalten zu
haben; letzteres ließ sich aber durch Natriumamalgam nicht zu Chitose
reduzieren und ergab bei der Oxydation mit Salpetersäure Oxalsäure
und Isozuckersäure. Bomen? führte die Oxydation mit Jod in borax-
haltiger Lösung aus und glaubt ebenfalls Chitonsäure erhalten zu haben.
E. Fischer und Andreae?) setzten die Untersuchungen des Calcium-
salzes fort und fanden, daß dieses nach 10 stündigem Stehen bei 140°
über Phosphorsäureanhydrid bei 10 mm Druck noch Wasser verliert,
wonach die Chitonsäure nicht die Formel GH... sondern C,H,,C, hätte.
Da an der Anhydridbildung die Carboxylgruppe nicht beteiligt ist, wäre
die Chitonsäure als ein Derivat eines Hydrofurans aufzufassen. Diese
Vermutung konnten die beiden Forscher auch beweisen, indem sie das
Kaliumsalz mit Essigsäureanhydrid und Natriumacetat kochten und
so aus dem Reaktionsgemisch das Acetat der Oxymethylbrenzschleim-
CH—CH
säure | l erhielten.
HO.H,C.CH соон
N
Bei der Oxydation der Chitose mit Salpetersäure erhielt Tiemann‘)
Isozuckersäure. Zu diesen Versuchen verwendet Tiemann Glucosamin-
chlorhydrat, das er aus Chitin dargestellt hatte, konnte aber bei der
Oxydation kein einheitliches Calciumsalz erhalten, sondern ein Gemisch
von isozuckersaurem und norisozuckersaurem Calciumsalz, welch letzteres
um ein Molekül Wasser mehr enthält als ersteres. Anscheinend leiten
sich die Salze mit Krystallwasser von der Norisozuckersäure, die Salze
ohne Krystallwasser von der Isozuckersäure ab. E. Fischer und An-
1) E. Fischer und Tiemann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27,
138, 1894.
2) Кошуп, Zeitschr. f. anal. Chem. 36, 350.
3) E. Fischer und Andrese, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 86,
2587, 1903.
1) F. Tiemann, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 27, 118, 1894.
120 W. Armbrecht:
dreae!) teilen die Ansicht Tiemanns, derzufolge die Isozuckersäure
ein Hydrofuranderivat sei, glauben jedoch nicht, daß eine Norisozucker-
säure als wohldefinierte Verbindung existiere. Nach Tiemann bilden
die Salze der Isozuckersäure krystallisierte Produkte, während die Salze
der Norisozuckersäure zerfließliche Produkte liefern, die bei 100° in die
um 1 Molekül Wasser ärmeren isozuckersauren Salze übergehen. Eine
vollständige Klarheit in bezug auf diese Ergebnisse ist bisher noch nicht
erlangt worden, was ja dem Obengesagten zufolge um so verständlicher
erscheint, als die chemische Einheitlichkeit der Chitose nicht gewähr-
leistet ist.
Freies Chitosan wurde in der eingangs geschilderten Weise
mit salpetriger Säure behandelt. Die Zuckerbestimmung nach
Bertrand ergab 20 g Zucker. Nach Zusatz von 62 ccm Sal-
petersäure vom spez. Gewicht 1,2 wurde auf dem Wasserbade
eingedampft, bis rotbraune Dämpfe entwichen. Jetzt wurden
noch 30 ccm Salpetersäure zugesetzt; es wurde bis zum Sirup
eingedampft, hierauf in Wasser aufgenommen und die saure
Lösung mit Kalk auf dem Wasserbade neutralisiert. Der Über-
schuß von Kalk wurde durch Kohlensäure unter fortwährendem
Erwärmen auf dem Wasserbade entfernt, abgesaugt und das
Filtrat eingedampft. Nun wurde im Wasser aufgenommen und
mit Alkohol versetzt. Dabei fiel ein anfangs weiches, bei einigem
Stehen körnig werdendes Calciumsalz aus. Das Fällen mit
Alkohol wurde deshalb ausgeführt, weil das Calciumsalz sehr
zu übersättigten Lösungen neigt und der anhaftende Firnis
nur sehr schwer erstarrt. Außerdem findet gleichzeitig beim
Wiederholen der Alkoholfällung eine Abtrennung etwa bei-
gemengter Spuren von Calciumnitrat statt, das in Alkohol löslich
ist, während das erhaltene Calciumsalz in Alkohol unlöslich ist.
Auf diese Weise wurden 7 g eines Calciumsalzes erhalten. Da
das Calciumsalz schwer krystallisierbar war, wurde daran ge-
gangen, ein krystallisiertes Derivat desselben zu erhalten. Das
Calciumsalz wurde in Wasser gelöst und "/,„-Schwefelsäure
zugesetzt, bis die Lösung eben anfing, Kongopapier zu bläuen.
Nachdem auf diese Weise die Säure in Freiheit gesetzt und
andererseits das Calcium in Gips übergeführt worden war, wurde
unter Erwärmen Cinchonin?) bis zur Sättigung zugesetzt.
1) E. Fischer und F. Andreae, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 86,
2587, 1903.
D Kürzlich sind Brucinsalze der Chitonsäure und der Chitarsäure
von P. А. Levene und С. M. Meyer (Journ. of Biolog. Chem. 26, 355,
Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 121
Nach dem Erkalten wurde filtriert und der Überschuß von
Chinchonin durch langandauernde Extraktion im Soxhletapparate
mit Äther entfernt. Die so erhaltene Lösung wurde dann auf
dem Wasserbade eingedampft und vom abgeschiedenen Gips
filtriert. Es wurde dann weiter eingeengt, bis an der Oberfläche
Krystallisation zu bemerken war. Beim Erkalten krystallisierte
ein schneeweißes Produkt in langen Prismen aus. Dieses wurde
aus heißem Wasser umkrystallisiert und auf diese Weise rein
erhalten. Schmelzpunkt 200°. Es wurde noch einige Male aus
heißem Wasser umkrystallisiert; dabei blieb der Schmelzpunkt
konstant bei 200°. Dasselbe Präparat, nochmals aus heißem
Wasser und etwas Alkohol umkrystallisiert und im Vakuum
über Schwefelsäure getrocknet, ‘hatte wieder den gleichen
Schmelzpunkt.
In diesem Zustande wurde das Präparat zur Analyse
verwendet.
Analyse des Cinchoninsalzes.
0,1612 e Substanz 0,8791 e СО, 64,149, C.
0,0925g H,O 6,499], H.
0,1620g » 0,3802 g CO, 64,02], C.
0,0978g H,O 6,75%, H.
Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl.
0,1155 g Substanz 4,8 cem Si, HS0, 5,80°/ N.
0,1088 g D 47 » Pho HSO, 6,059, N.
0,1268 g л 5,5 o aho HS0, 6,079, N.
Die Analyse des Cinchoninsalzes ergab:
Gef. im Mittel Ber. für GA), Dua)
С 64,07%, С 63,56%,
Н 6,59%, Н 6,78%,
N 5,9709, N 5,939),
О 23,73%),
100,00),
Das Ergebnis der Analyse hat eigentlich etwas Über-
raschendes. Denn nach den Erfahrungen der Literatur mußte
bei der Oxydation einer Hexoselösung mit Salpetersäure eine Di-
carbonsäure erwartet werden. Die Analyse stimmt aber sonder-
barerweise auf das Cinchoninsalz einer Monocarbonsäure. Wenn
1915; Chem. Centralbl. 1, 743, 1917) in bezug auf ihre Drehung unter-
sucht worden.
122 W. Armbrecht:
man nun aber bedenkt, daß zur Analyse ein gut krystallisiertes
Präparat benutzt worden war, dessen Krystalle unter dem
Mikroskop alle den gleichen Habitus aufwiesen, daß ferner das
Präparat seinen Schmelzpunkt beim Umkrystallisieren nicht
mehr änderte und daß endlich die Analysen untereinander und
mit der Formel С,Н, ,0,.С,,Н,,№0 leidlich übereinstimmen,
so besteht wohl kein Grund, der Analyse Mißtrauen entgegen- -
zubringen. Es muß vielmehr als Tatsache hingenommen werden,
daß die Oxydation in diesem speziellen, von mir geschilderten
Falle zu einer Monocarbonsäure geführt hat. Was nun die
Struktur des erhaltenen Produktes betrifft, so kann man sowohl
der erhaltenen Bruttoformel als auch den Ergebnissen der bis-
herigen Forschungen in gleicher Weise gerecht werden, wenn
man das Cinchoninsalz als ein Hydrofuranderivat!) auffaßt
und ihm etwa folgende Konstitution zuschreibt (wobei über
die sterische Konfiguration nichts ausgesagt werden soll):
COOH.C,,H,,N,0.
Ich verweise darauf, daß nach С. Neuberg?) der Chitarsäure,
nach E. Fischer und E. Andreae?) sowohl der Chitonsäure
als der Chitarsäure die Formel C,H,,O, und die Struktur
OH.CH—CH.OH
Se:
HO. HOCH CH.COOH
SM
zukommen dürfte.
1) Ich möchte es nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß auch
Y. Kotake und Y. Sera (Osaka), Zeitschr. f. phys. Chem. 88, 56, 1913,
ihrem aus Pilzen dargestellten Lykoperdin, das dem Chitosan nahe
verwandt zu sein scheint, die Konstitution eines Hydrofuranderivates
zuschreiben. |
2) C. Neuberg, Н. Wolf und W. Neimann, Ber. d Deutsch.
chem. Ges. 85, 4009, 1902.
3) E. Fischer und E. Andrese, Ber. d Deutsch. chem. Ges. 36,
2587, 1903.
Beiträge zur Kenntnis der Chitose. 123
Ich bemerke endlich, daß in meinem Reaktionsprodukte
keine Oxalsäure enthalten war, also eine maximale Oxydation
sicherlich nicht stattgefunden hatte. Auch steht das Auftreten
einer Monocinchoninverbindung mit der Auffassung des Pro-
duktes als einer Monocarbonsäure im Einklange. — Es wäre
ja nicht einzusehen, warum eine Dicarbonsäure nicht 2 Moleküle
Cinchonin an sich zu ketten befähigt sein sollte.
Zusammenfassung.
Die Resultate meiner Arbeit lassen sich in folgender Weise
zusammenfassen:
1. Bei der Einwirkung von salpetriger Säure auf Chitosan
geht dieses vollständig in Lösung. Die resultierende Zucker-
lösung enthält aber keine einheitliche Zuckerart, sondern wahr-
scheinlich ein Gemenge reduzierender Aldosen, und zwar Hexosen.
Aus der erhaltenen Lösung konnte ein Osazon erhalten werden,
das mit Glucosazon nicht identisch war, wohl aber mit einem
Osazon, das ausgehend von Glucosamin erhalten werden konnte.
Wahrscheinlich handelt es sich hier um ein Chitoseosazon, das
von dem Glucosazon durch seine Schwerlöslichkeit in Pyridin-
alkohol, seine Unlöslichkeit in absol. Alkohol und Eisessig und
sein Drehungsvermögen unterschieden ist.
2. Die Oxydation des Chitosesirups mit Salpetersäure
führte zu einem in Form einer Cinchoninverbindung gut kry-
stallisierenden einheitlichen Derivat einer Monocarbonsäure,
in der ein Hydrofuranring vermutet werden kann.
3. Demgemäß stehen unsere Befunde sowohl mit der An-
sicht C. Neubergs, derzufolge die hypothetische Chitose eine
wahre Hexose von der Formel C,H,,O, ist, als auch mit der
Meinung desselben Autors sowie E. Fischers und seiner Mit-
arbeiter, derzufolge die Chitarsäure und die Chitonsäure als
Hydrofuranderivate aufzufassen wären, im Einklange.
Angesichts der in dieser Arbeit ausgesprochenen Vermutung,
daß der Chitosesirup kein einheitliches Produkt sei, würde sich
bei der weiteren Bearbeitung des Gebietes vor allem die Not-
wendigkeit ergeben, dieses anscheinend komplizierte Gemenge
in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen.
Über Bakterien-Katalase.
III. Mitteilung’).
Von
Martin Jacoby.
(Aus dem biochemischen Laboratorium des Krankenhauses Moabit
in Berlin.)
(Eingegangen am 12. April 1919.)
Die Erforschung der Konstitution der Fermente gehört sicher-
lich zu den schwierigsten Aufgaben der Biochemie. Wenn auch die
Feststellung, welche chemische Gruppierung im Molekül der Fer-
mente entscheidend für ihre spezifische Wirkung ist, am wich-
tigsten wäre, so würde doch ein bedeutsamer Schritt getan sein,
wenn das Gesamtmolekül eines Fermentes in seinem Bau erkannt
wäre. Lediglich die Reindarstellung eines Fermentes würde schon
einen Wendepunkt in der Lehre von den Fermenten bedeuten.
Alle diese Wünsche sind aber sehr schwer erfüllbar, einmal
wegen der großen Labilität der Fermente, außerdem aber wegen
der Schwierigkeit, diese kolloiden Stoffe von ihren ähnlich sich
verhaltenden Beimengungen zu isolieren.
Als ich gesehen hatte, daß man auf Nährböden von che-
misch genau bekannter Zusammensetzung gut wirksame Bak-
terienfermente gewinnen konnte, war es klar, daß hier ein ge-
eignetes Material für Isolierungsversuche gegeben ist. Bis zu
einem gewissen Grade konnte man erwarten, weniger als unter
den sonst gegebenen Bedingungen durch zufällige Beimengungen
irregeführt zu werden. Ohne Zweifel werden aber auch bei
diesem schönen Ausgangsmaterial erhebliche Schwierigkeiten noch
zu überwinden sein. Seit meiner letzten Publikation habe ich die
Untersuchung andauernd weitergeführt und bin bisher so weit
gelangt, daß ich überzeugt bin, auf dem richtigen Wege zu sein.
Vor einigen Monaten haben Willstätter und Stoll?) in
1) I. Mitteilung diese Zeitschr. 89, 350. — II. Mitteilung diese Zeit-
schr. 92, 129.
D Liebigs Annalen 146, Н. 1, 21.
M. Jacoby: Bakterien-Katalase. III. 125
einer wichtigen Arbeit Versuche beschrieben, welche die Auf-
klärung der Konstitution einer Peroxydase zum Ziele haben.
Bei der Schwierigkeit des Stoffes ist es nicht zu verwundern,
daß das Ziel trotz feinster Methodik. noch nicht erreicht werden
konnte. Obwohl das Ausgangsmaterial der Autoren keineswegs
durch diejenigen Vorzüge ausgezeichnet ist, die mein Bak-
terienmaterial besitzt, wurden doch Resultate von größtem In-
teresse erzielt. Aus Meerrettich wurde eine sehr aktive Peroxy-
dase, von der bereits 0,04 mg eine starke Wirkung entfaltete,
in Form eines Glucosides isoliert, das anscheinend ein ver-
hältnismäßig kleines Molekulargewicht (500) besitzt. Im Mo-
lekül scheint neben einer Pentose eine Hexose und 3 Atome N
sich zu finden. Außer anderen anorganischen Stoffen fand sich
in dem Präparat Eisen, ohne daß schon entschieden werden
konnte, ob das Eisen zum Glucosidmolekül gehört. Von dem
Glucosid mit Peroxydasewirkung ließ sich durch Sublimat-
fällung ein Glucosid ohne Peroxydasewirkung trennen. An-
scheinend handelt es sich hier um eine Substanz von höherem
Molekulargewicht. Auf wiederum 3 Atome N kommen neben
einer Hexose hier 2 Pentosen.
In früheren Mitteilungen habe ich schon geschildert, wie
ich mein Rohmaterial für die Katalasedarsellung aus Proteus-
bakterien gewinne. Das Wesentlichste ist, daß ich von mög-
lichst einfachen Nährböden von bekannter chemischer Zu-
sammensetzung ausgehe. Das so gewonnene Ferment ließ sich
aussalzen, ferner durch Quecksilbersublimat ausfällen. Aus dem
Sublimatniederschlage/ konnte es durch Cyankalium wieder ex-
trahiert werden. In der letzten Mitteilung hatte ich dann ge-
zeigt, daß sich die so gewonnene Katalase ganz wie die in der
Literatur beschriebenen Katalasen in bezug auf die Gesetze
der Wirksamkeit verhält.
Um das Ferment weiter zu isolieren, ergab sich als Haupt-
aufgabe die Berücksichtigung der Schwierigkeit, daß das Fer-
ment große Neigung hat, in eine unlösliche Modifikation über-
zugehen. Es mußte also ein Fällungsmittel aufgefunden werden,
das eine erhebliche Abtrennung von Beimengungen gestattet,
ohne daß das Ferment dabei unlöslich wird. Nach einigen
Versuchen fand ich als vortreffliches Fällungsmittel für das
Ferment den Methylalkohol. Mit Methylalkohol kann man aus
den Kulturen bei geeigneter Konzentration das Ferment sehr
gut niederschlagen, während erhebliche Anteile der Kulturen,
126 M. Jacoby:
die aber ohne Katalasewirkung sind, im Methylalkohol gelöst
bleiben. Das Ferment ist im Niederschlag in wasserlöslicher
Form enthalten und kann durch Filtrieren von in Wasser un-
löslichen Beimengungen getrennt werden. Diese Prozedur kann
ohne Schaden mehrfach wiederholt werden, und man erhält so
hochwirksame in Wasser lösliche Katalasepräparate.
Selbstverständlich müssen die Präparate wiederum als
Basis für weitere Isolierungsversuche dienen. Es ergibt sich
die Aufgabe, die Zusammensetzung der Präparate zu ermitteln.
Doch ist es schon wertvoll, nunmehr bereits eine gleichmäßige
Reinigungsstufe zu haben und so Präparate von möglichst kon-
stanter Zusammensetzung zu erhalten, die man immer wieder
in beliebiger Quantität darstellen kann. _
Im folgenden schildere ich Beispiele von Darstellungen der
Katalase.. Geht man so vor, so erhält man fast immer hoch-
wirksame Präparate. Die angegebenen Verhältnisse der Fällungs-
und Lösungsmittel, sind die Mengen, die sich allmählich als
die zweckmäßigsten ergeben haben.
Als Nährlösung für die Proteusbakterien wurde eine
Mischung benutzt, іп der auf 100 ccm Wasser kamen: Chlor-
natrium 0,6 g, Magnesiumsulfat 0,04 g, Dikaliumphosphat 0,25 g,
Chlorcaleium 0,005 g. Ferner kamen auf je 100 ccm 0,4 р as-
paraginsaures Natrium und 0,3 g milchsaures Natron.
Gegenüber den früheren Versuchen haben wir nur insofern
eine Änderung vorgenommen, als wir die Menge des Calcium-
chlorids auf die Hälfte herabgesetzt haben.
Präparat I.
380 ccm dieser Nährlösung wurden in Einzelportionen von
је 8 ccm verteilt und nach dem Sterilisieren mit Proteusbak-
terien geimpft, die 4 Tage auf demselben Nährboden sich ent-
wickelt hatten. Nach 6tägiger Bebrütung wurden die Kulturen,
die sich gut entwickelt hatten, in einem Becherglase vereinigt
und mit 760 ccm Methylalkohol ausgefällt. Es entstand sofort
ein massiger, flockiger Niederschlag, der sich schnell absetzte.
Sogleich wurde mit der Filtration begonnen, die in etwa
2 Stunden beendigt war. Nunmehr wurde der Niederschlag
leicht abgepreßt und in 400 cem Wasser aufgenommen. Die
Mischung blieb über Nacht im Eisschrank. Bis zum nächsten Tage
hatte sich der Niederschlag zum Teil gelöst. Darauf wurde
filtriert und 398 ccm eines opaken Filtrates erhalten. Das Filtrat
wurde im Faust-Heimschen Apparate bei Zimmertemperatur
Bakterien-Katalase. TII. 127
durch Überleiten eines Luftstromes eingedunstet, in 18 Stunden
war die Flüssigkeit verdampft. Der Bodensatz‘ wurde dann
mit dem Spatel abgekratzt, es resultierte ein weißes Pulver,
dessen Gewicht 0,3183 g betrug. Das Pulver wurde an der
Luft bis zur Gewichtskonstanz getrocknet, sein Gewicht nahm
dabei bis auf 0,3168 g ab.
Zur Prüfung der Wirksamkeit werden 10 mg in 20 ccm
Wasser aufgenommen. Das Pulver löst sich nur schlecht. Nach
15 Minuten wird filtriert.
Von dem klaren Filtrat werden је 4 сот = 2 mg,
2 ccm = 1 mg, 1 cem = 0,5 mg, 0,5 ccm = 0,25 mg auf 10 ccm
mit Wasser aufgefüllt. Zu jeder Portion kommen je 2 ccm
H,O, (1,5°/)= 0,03 g H,0,.
Nach !/,stündigem Aufenthalt im Brutschrank werden die
Gemische titriert.
Es werden gespalten durch
2,0 mg 99,59,
1,0 » 98,30],
0,5 » 87,80%),
0,25 » 59,0°/,.
Präparat П.
In einem anderen Versuche werden 296 ccm einer ebenso
bereiteten Nährlösung in Einzelportionen von je 8 ccm verteilt
und nach dem Sterilisieren mit Proteusbakterien geimpft, die
2 Tage auf demselben Nährboden sich entwickelt hatten. Nach
15tägigem Wachstum werden die üppig entwickelten Kulturen
in einem Becherglase vereinigt und mit 592 ccm Methylalkohol
ausgefällt. Der Niederschlag wird schnell abfiltriert und in
300 сеш Wasser aufgenommen. Die Mischung bleibt über Nacht
auf Eis. Nunmehr wird filtriert. Man erhält ein milchiges
Filtrat, das innerhalb 19 Stunden durch Überleiten eines Luft-
stromes im Faust-Heimschen Apparat getrocknet wird. Das
erhaltene Pulver wiegt 0,1841 р. Nachdem es lufttrocken ist,
wiegt es 0,1838 g.
Von diesem Pulver werden 10 mg abgewogen und in
200 ccm Wasser aufgenommen. Es löst sich schlecht. Nach
15 Minuten wird filtriert.
Von dem klaren Filtrat werden einzelne Portionen wie
im vorigen Versuche geprüft.
Es werden gespalten durch
128 ом Jacoby:
2,0 mg
К 1,0 » losan,
0,5 »
0,25» 88,39.
Nach 3 Monaten:
2,0 mg 99,5°/,
1,0 » 91,19),
0,5 » 88,99,
0,25» 52,59,
Präparat III.
400 ccm Nährlösung werden wie in den eben geschil-
derten Versuchen mit Proteusbakterien geimpft, die 2 Tage
auf demselben Nährboden sich entwickelt hatten. Nach 5tä-
gigem Wachstum werden die gut entwickelten Kulturen mit
800 com Methylalkohol gefällt. Der schnell abfiltrierte Nieder-
schlag wird in 400 ccm Wasser aufgenommen und so über
Nacht auf Eis aufbewahrt. Am nächsten Tage wird filtriert,
das sehr opake Filtrat wird im Faust-Heimschen Apparat
getrocknet, die Trocknung nimmt 24 Stunden in Anspruch.
Das erhaltene Pulver wiegt 0,2753 р. Nachdem es lufttrocken
ist, wiegt es 0,2723 g.
Die Prüfung auf Wirksamkeit wird wie in den anderen
Versuchen vorgenommen.
Es werden gespalten durch
2,0 mg 99,5°/,
1,0 » 98,09%,
0,5 » 79,70),
0,25» 44,791.
Nach 2 Monaten:
2,0 mg 99,5°/,
1,0 » 67,19%,
0,5 » 35,1
0,25» 18,69/,.
Um die Einzelheiten dieser Schilderung richtig zu würdigen,
sind noch einige Erläuterungen notwendig.
1. Die Impfung der Nährflüssigkeit erfolgt mit einigen
Ösen einer Kultur, die bereits auf derselben Nährflüssigkeit
gewachsen war. Dadurch wird vermieden, daß mit den Bak-
` terien fremde Substanzen, wie sie 2. В. in der gewöhnlichen
Nährbouillon vorhanden sind, in die Kulturen gelangen.
Bakterien-Katalase. III. 129
2. Wir setzen die Versuche nicht in Massenkulturen an,
sondern beschicken Einzelröhrchen mit nur je 1 ccm, weil in-
folge der so erzielten bedeutenden Vergrößerung der Ober-
fläche die Bakterienernte viel reichlicher ausfällt.
3. Um den Nährboden möglichst vollständig auszunutzen,
darf die Brutzeit nicht zu kurz gewählt werden.
4. Zur Verbesserung der Ausbeute darf man bei der Über-
tragung der Kulturen aus dem Röhrchen in das Sammelglas,
in dem die Ausfällung vorgenommen wird, sich nicht damit
begnügen, die Kulturen auszugießen, sondern man muß die
Bakterien auch von den Wänden des Glases, an denen immer
ein Teil haftet, sorgfältig abkratzen.
5. Die Konzentration — 2 Teile Methylalkohol auf 1 Teil
Kultur — wurde als die optimale erkannt. Wenn man weniger
Methylalkohol zufügt, bleibt ein Teil des Fermentes in Lösung.
Die Tatsache, daß das Ferment in nicht zu konzentrierten Lö-
sungen von Methylalkohol löslich ist, ist interessant, und man
kann durch Weiterverarbeitung der Lösung eine wertvolle Fer-
mentreinigung erzielen. Aber um eine möglichst befriedigende
Ausbeute an Ferment zu erzielen, eignet sich die Lösung in
Methylalkohol nicht. Denn hier ist der Fermentverlust zu groß.
Der große Vorzug des Methylalkohols als Fällungsmittel
gegenüber dem Äthylalkohol besteht darin, daß hier das Fer-
ment nicht seine Löslichkeit in Wasser verliert. Da anzunehmen
ist, daß auch beim Methylalkohol eine möglichst kurze Be-
rührung des Fermentes mit dem Alkohol für das Bestehen-
bleiben der Wasserlöslichkeit nützlich ist, haben wir die Fällung
und Filtration möglichst beschleunigt. Während aber beim
Äthylalkohol selbst sehr beschleunigtes Arbeiten kaum etwas
nützt, spielt die Zeit der Einwirkung beim Methylalkohol keine
erhebliche Rolle.
6. Hat man den durch Methylalkoholfällung erhaltenen
Niederschlag im Wasser verteilt, so ist es zweckmäßig, die
Filtration erst nach einigem Abwarten vorzunehmen. An-
scheinend geht das Ferment erst allmählich in Lösung. Eine
irgendwie erhebliche Schädigung des Fermentes tritt durch das
vorübergehende Verweilen in gelöster Form nicht ein, da die
Veränderung bei Eisschranktemperatur nur sehr allmählich
erfolgt. ‚
7. Die Eindunstung im Faust-Heimschen Apparat muß
unbedingt in 24 bis 30 Stunden beendet sein, was auch ohne
Schwierigkeiten möglich ist. Längeres Verweilen schwächt das
Biochemische Zeitschrift Band 95. 9
130 M. Jacoby: Bakterien-Katalase. III.
Ferment ab. Immer wurde Zimmertemperatur benutzt. Da er-
höhte Temperatur nicht nötig ist, wurde nicht geprüft, ob sie
ohne Schaden angewandt werden kann.
Stickstoffgehalt der Präparate.
Präparat I.
0,0745 g enthalten 5,46 mg N = 7,39/, N.
0,1120 g nm 8,26 » N=749,N.
0,0828 g geben 0,0230 g Glührückstand = 27,89/,.
Stickstoff, berechnet auf aschefreie Substanz = 10,1°/, N.
Präparat II.
0,0798 g enthalten 5,6 mg N = 7,0%, N.
0,0772 g geben 0,0253 g Glührückstand = 32,7°|,.
Stickstoff, berechnet auf aschefreie Substanz = 10,1°/, N.
Präparat III.
0,1000 g enthalten 6,9 mg N = 6,9°/, N.
0,1036 g n 7,0 » N= 6,89, N.
Als Glührückstand wird der Mittelwert der beiden vorigen
Präparate angenommen = 30,79/,.
Stickstoff, berechnet auf aschefreie Substanz == 9,9° j, N.
Die Übereinstimmung der erhaltenen Werte ist sehr be-
friedigend.. Wenn man bedenkt, daß es sich um vollkommen
getrennte Darstellung handelt, so ist es bemerkenswert, daß
bei Präparat I und II genau der gleiche Stickstoffgehalt der
aschefreien Präparate erhalten wurde. Bei Präparat III fehlt
leider die Bestimmung des Glührückstandes. Wir haben daher
aus den Werten bei I und II das Mittel genommen. Auch
dieser Stickstoffwert stimmt befriedigend mit den beiden anderen
überein.
Zunächst soll diese quantitative Untersuchung nur zu
einer vorläufigen Orientierung dienen. Nach dem Ausfall der
Analysen eröffnen sich aber neue Aussichten und Ausblicke.
Es ist deutlich zu erkennen, daß unsere einfache Methodik
doch zu erheblich einheitlicheren Präparaten führt, als man
hoffen durfte. Es ist daher erwünscht, die Isolierung fort-
zuführen, daneben aber auch die schon begonnene qualitative
Untersuchung, soweit die Hilfsmittel und die Zeitumstände es
gestatten, eifrig weiter zu betreiben.
Studien zur quantitativen Bestimmung sehr geringer
Ca-, Mg- und P-Mengen in tierischen Substanzen.
Von
L. Dienes.
(Aus dem hygienischen Institut der Universität Budapest.)
(Eingegangen am 17. März 1919.)
Die im folgenden mitgeteilten Untersuchungen wurden vor
dem Kriege angefangen und waren in den wesentlichen Er-
gebnissen fertig. Sie wurden während einer ruhigeren Periode
des Krieges in einem unter meiner Leitung stehenden Feld-
laboratorium beendet. Der letzterwähnte Umstand soll ent-
schuldigen, daß die Beziehungen auf die Literatur mangelhaft
und vielleicht einige Teile der Untersuchung unvollständig ge-
blieben sind. Ich habe nur volumetrische Verfahren aus-
probiert und hatte keine Gelegenheit, diese mit gravimetrischen
Mikromethoden zu vergleichen. — Soweit ich aus der Lite-
ratur beurteilen kann, könnte man genauere Werte, bei sehr
kleinen Mengen, durch ein gravimetrisches Verfahren auch
nicht erreichen. Wir werden uns erst mit der Bestimmung
des Ca, Mg und P in reinen Lösungen und nachher mit der
Trennung derselben von den anorganischen Bestandteilen der
tierischen Substanzen beschäftigen.
Bekanntlich ist das volumetrische Verfahren auch zur Be-
stimmung kleiner Substanzmengen geeignet. Wenn genügend auf
die Reinheit der Büretten geachtet wird, sowie darauf, daß
die Ausflußgeschwindigkeit klein und gleich sei, wie bei der
Kalibrierung der Bürette, so kann man aus einer in eine dünne
Capillare endenden Bürette Flüssigkeitsmengen mit 1bis2 Tausend-
stel Kubikzentimeter Genauigkeit ausfließen Іаввеп!). Nach meiner
1) Emich, Lehrbuch der Mikrochemie 1911, 8. 8.
Biochemische Zeitschrift Band 95. 10
132 L. Dienes:
Erfahrung soll man die Titrierung in möglichst kleinen Vo-
lumen vornehmen und nicht sehr verdünnte Titrierflüssigkeit
benützen, damit das Endvolumen der Lösung möglichst klein
und der Übergang möglichst scharf bleibe Die Titrierung
habe ich in später zu beschreibenden Röhrchen mit + =
KMnO,-Lösung, bei der P-Bestimmung mit zg DO ge-
macht. Zur Illustration, wie weit die Genauigkeit der Titra-
tion selbst geht, teile ich einige Daten mit, die ich bei Ein-
stellung der KMnO,-Lösung mit Oxalsäure gewonnen habe.
Tabelle I.
Abgewogen 0,404 р "/,-Oxalsäure erfordert 0,899 cem KMnO, (ber. auf 0,4 д Oxals. 0,881 ccm)
л 0,399, » Blo: n n 0,878 » n (n n 0,4» » 0879 » )
n 0,412, n op ” ” 1,447 sw n ( n n 0,4» n 1,403 e)
n 0,401, »®/„- D ” 1,404 n n (a n 0,4» ” 1,399 » )
n 0,402, n afos" n n 1,407 » n ( n n 0,4» ” 1,398 » )
n 0,996 » afas" n n 3,408 » n (n n 1,0» » 8,422 n»n)
H 0,503, » alas- n n 1,722 n n (n n 1,6» z 3,425 r )
Zum Überführen von kleinen Flüssigkeitsmengen benütze
ich Capillarröhrchen, zum Teil solche, die oberhalb der Capil-
laren zu einer 1 bis 11/, ccm fassenden Kugel aufgeblasen sind.
Zum Aufnehmen und Ablassen der Flüssigkeit in den Capil-
laren bediene ich mich eines kleinen Gummiballons, der mit
einem 10 bis 12 cm langen Gummischlauch versehen ist. Die
Capillare wird mit dem Daumen und Zeigefinger gehalten, der
Ballon kommt zwischen die Handfläche und die drei anderen
Finger. Nach entsprechender Übung kann man auf diese
Weise mit der größten Sicherheit die gewünschte Flüssigkeits-
menge aufnehmen, nur darf die Capillare nicht zu eng sein.
Um den Inhalt eines kleinen Tiegels zu überführen, wasche
ich ihn 5 bis 6mal mit 2 bis 4 Tröpfchen Flüssigkeit aus
einer Capillare (0,2 bis 0,3 ccm Flüssigkeit) aus, jedesmal acht-
gebend, daß die Flüssigkeit die ganze Oberfläche des Tiegels
benetzt.
Zur Bestimmung und Trennung von Mg benütze ich die
Abscheidung des Ca als Oxalat und das Titrieren des Nieder-
schlages mit KMnO,-Lösung. Es hängt von 3 Umständen ab,
bis zu wie kleinen Ca-Mengen man heruntergehen kann, ohne
Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 133
die Genauigkeit wesentlich zu beeinflussen:” 1. Ob die Abschei-
dung des Ca vollständig ist und wie groß die Mengen sind,
die in Lösung bleiben. 2. Wieviel von Mg mitgerissen wird
und ob die zweifache Fällung des Ca unterbleiben kann. 3. Ob
man den Niederschlag unbedingt abwaschen muß, oder ob
unter geeigneten Umständen, trotz der bisher geltenden Er-
fahrung!), dieses Auswaschen unterbleiben kann.
Ich habe über die Löslichkeit des Calciumoxalats in Am-
moniumoxalat, Ammoniumchlorfd und Ammoniak enthaltenden
Lösungen keine Angaben gefunden. Ich habe selbst folgende
Werte erhalten, die aber keinen Anspruch auf Genauigkeit er-
heben und nur über die Größenordnung der Verluste bei der
Analyse orientieren. Diese Werte sind auch deshalb ungenau,
weil die Analysen in den später zu beschreibenden größeren
Röhrchen durchgeführt sind, die für so kleine Mengen unge-
eignet sind und immer höhere Werte geben. Obwohl ich Kor-
rektionen angebracht habe, bleiben diese sicher gegenüber der
erforderlichen Korrektion zurück. 13 ccm Flüssigkeit, die
über dem Calciumoxalatniederschlag 2°/, Ammoniumchlorid und
2,4n
100
schwach alkalisch war, hat bei der Analyse 0,009 mg Ca er-
geben, in 1 ccm = 0,0007, mg, die Flüssigkeit wurde nach
5stündigem Stehen filtriert. In 19,5 com Flüssigkeit mit 1,1°/,
Ammoniumchlorid und ®/,„-Ammoniumoxalat habe ich 0,024 mg
Са, d. h. іп 1 сеш = 0,001, mg gefunden. Die Flüssigkeit wurde
nach 5stündigem Stehen auf einer kleinen Handzentrifuge zen-
trifugiert und hat sich schwer geklärt. 12 ccm Flüssigkeit, die
ich von 6 Ca-Bestimmungen abpipettiert habe, 1%, Ammonium-
chlorid und ungefähr ®/,,-Ammoniumoxalat (nach 5stündigem
Stehen abzentrifugiert) enthalten hat, ergab 0,014 mg Ca, auf
1 ccm = 0,0012 mg. Kleinere Werte bekommen wir für die
Löslichkeit des Caleiumoxalats, wenn wir die Resultate der Ana-
lysen, die in kleinerem und größerem Volumen ausgeführt sind,
vergleichen. Nach den Analysen 1 bis 3 und 8 bis 10 der Ta-
belle II haben die ersten 3 Analysen um 0,002, mg weniger
als die erwarteten Werte ergeben in 2,32 ccm Flüssigkeits-
volumen; derselbe Unterschied ist 0,0052 mg bei 7,31 eem
Ammoniumoxalatkonzentration enthalten hat und von H,N
1) Th. Döring nach Chem. C. 2, 913.
10*
134 L. Dienes:
Volumen, d.h. 0,0006 auf 1 ccm Flüssigkeit. Dieser Wert ist
ungefähr die Hälfte des vorher erhaltenen und liegt sehr nahe
jenem Wert, den wir nach Filtrieren der Flüssigkeit bekommen
haben. Wie die Analysen 11 bis 12 zeigen, beeinflußt die
Erhöhung der Ammoniumchloridkonzentration auf 3°/, die Löslich-
keit des Calciumoxalats nicht merklich. Nach diesen Zahlen
kann man auf eine Genauigkeit der Bestimmungen, die bis
auf Bruchteile von "log mg geht, nur dann rechnen (bei
der Konzentration des Ammoniumoxalats, welches wir benutzt
haben), wenn das Volumen der Flüssigkeit bei der Fällung
des Calciumoxalats unter 1 ccm bleibt.
Nach Richards und seinen Mitarbeitern) ist die Trennung
des Ca von Mg durch einfache Fällung als Oxalat vollkommen,
bei ungefähr äquimolekularen Lösungen, wenn die Flüssigkeit
bei 1°/, Ammoniumchlorid in 1 com nicht mehr als 0,45 mg Ca
enthält und die überstehende Flüssigkeit von dem Niederschlag
nach 3 bis 4 Stunden getrennt wird, bei 2facher Konzentration
des Ca und Mg geht der Fehler auch nicht über 0,3°/,. Unsere
Analysen haben zu denselben Ergebnissen geführt. In der
Tabelle II finden wir im Mittel bei Vorhandensein von Mg
die Ca-Werte nicht ganz um 0,3°/, erhöht (0,35°/, des vor-
Tabelle II.
Volumen Ce. des
Abgemess. | Abgemess. der Co.desOxalats| „mon... Gefundenes
Ve Mg | Flüssigkeit] „über den | iere | Са
HE Niederschlag 0
шр mg ccm lo mg
329, Ss 0,85 dÉ 1,2 329,
325, = 0,76 Je 1,2 324,
323, =: 0,74 Hee 1,4 322, `
226, 1133 190. | ahs | 10 226,
223, | 1115 1,20 Ve 1,0 224,
222, | 161, 1,20 den 1,0 322,
306, 158, 1,20 den 1,0 306,
320, = 2,82 э] 1,1 318,
200. = 2,51 ei 1,2 318,
326, > 1,98 = 1,0 325,
324, = 2,10 а о 3,0 | 394,
322, = 3,72 eg 3,0 319,
1) Richards und Cattrey und Bisbee, Zeitschr. f. anal. Chem.
28, 1901.
Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 135
handenen Mg). Dieser Unterschied rührt von Zufälligkeiten
der 3. und 5. Analyse her. Wenn die Konzentration des
Ammoniumchlorids geringer ist, wird das Mg stärker absorbiert.
Für die Bestimmung sehr kleiner Mengen ist der wichtigste
Umstand, ob man von dem Auswaschen des Niederschlages
absehen kann. Die Zahlen der Tabelle II zeigen, daß unter
den Umständen, unter denen diese Analysen ausgeführt wurden,
dies der Fall war. Bei 6 Ca-Bestimmungen (1 bis 3, 8 bis 10)
haben wir 0,0074 mg weniger bekommen (in 9,4 com Flüssig-
keit) als abgemessen wurde, d. h. 0,0008 mg für 1 ccm der
Flüssigkeit. Dieser Wert entspricht, wie wir schon besprochen
haben, ungefähr der Löslichkeit des Ca-Oxalats. Wenn wir
für die Löslichkeit die höchste erhaltene Zahl (0,001, in 1 ccm)
— die jedenfalls zu hoch ist — annehmen, bekommen wir für
die Adsorption der Oxalate durch das Calciumoxalat den Wert
von 0,15°/,, Die Erklärung für diese Tatsache — die den
bisherigen Erfahrungen widerspricht — dürfte in der geringen
Konzentration der benützten Ammoniumoxalatlösung liegen (2/5),
zum Teil darin, daß die Ammoniumoxalatlösung portionenweise
der Ca-Lösung zugefügt und Zeit gelassen wurde, bis der
Niederschlag nach Zugabe des Oxalats sich abgeschieden hat,
so daß der größte Teil desselben bei einem Ca-Überschuß sich
gebildet hat. Die Endkonzentration der Oxalate war über den
gebildeten Niederschlag sehr gering ("/,oo Біз "/z00), Doch bei
Benutzung von ®/,-Ammoniumoxalatlösung konnte ich keinen
Einfluß auf die Analysenresultate beobachten, ob nun die
Oxalatlösung schnell oder in größeren Mengen zugegeben war.
Mit höherem Сс. des Ammoniumoxalats wurde die Löslichkeit des
Caleciumoxalats herabgesetzt, doch mußte eine starke Erhöhung
der Oxalatkonzentration vermieden werden, damit die Kor-
rektion für die mittitrierte Oxalatlösung nicht zu hoch
ausfällt.
Wir konnten zwei Umstände beobachten, die die Genauig-
keit der Ergebnisse beeinflussen. Erstens muß die Ammonium-
oxalatlösung frisch hergestellt sein; bei älteren Lösungen — auch
bei solchen, deren Titer kaum merklich verändert ist —
haben wir höhere und unregelmäßige Werte bekommen. Die
Ammoniumoxalatlösung haben wir durch Absättigung reinster
Oxalsäure mit Ammoniak hergestellt. Der zweite Umstand,
136 L. Dienes:
den man berücksichtigen muß, ist, daß man bei sehr geringen
Mengen, bei Benutzung von größeren Röhrchen zur Analyse
höhere Werte bekommt als bei Benutzung von kleinen. In
einem 3,5 ccm fassenden, 6,5 cm langen Quarzröhrchen waren
die Analysen bis zu 0,1 mg hinab genau ausgefallen, bei Be-
stimmung von 0,03 bis 0,06 mg jedoch 0,002 bis 0,003 mg höher
als Ca abgemessen wurde. Die Tabelle III zeigt die Analysen-
resultate in den größeren und kleineren Röhrchen, wobei das
Volumen der Flüssigkeit und die Menge der benutzten Reagenzien
gleich genommen wurde. Der höhere Wert in den größeren
Röhrchen bleibt auch erhalten, wenn der Niederschlag aus.
gewaschen wird. Wir können keine Erklärung für diese Er-
scheinung finden. Am Ende wollen wir noch erwähnen, daß
für die Ausführung der Ca-Bestimmung unbedingt Quarz-
röhrchen, Quarz- oder Platintiegel zu gebrauchen sind. Bei Be-
nutzung von Glas- und Porzellangeräten bekommt man häufig
um 0,002 bis 0,0005 mg zu hohe, manchmal noch höhere Werte.
Tabelle II.
Abgemessene | Abgemessen | Volumen der | Gefundene
Ca Mg Flüssigkeit Ca
mg
Kleine Röhrchen
De
063,
065,
065,
Große Röhrchen
06
62,
041, =
039, — 0,32 0,041,
Auf Grund der bisherigen Ausführungen empfehlen wir
zur Bestimmung des Ca folgendes Verfahren: Die Ca-Lösung,
deren Ca-Gehalt ungefähr bekannt sein muß, überführen wir,
wenn der Ca-Gehalt über 0,1 mg ist, in ein 6,5 cm langes, un-
gefähr 0,8 bis 0,9 cm breites, 3,5 ccm fassendes Röhrchen von
durchsichtigem Quarz; wenn der Ca-Gehalt unter 0,1 mg ist,
in ein 2,5 cm langes, 0,4 bis 0,5 cm breites, 0,7 сот fassendes
Röhrchen. Die Lösungen dürfen auf 1 ccm, wenn Mg vor-
handen ist, nicht mehr als !/, mg Ca enthalten, doch unter
Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 137
dieser Konzentration sollen sie ein möglichst kleines Volumen
haben. Wir machen den Inhalt der Röhrchen mit Ammoniak
schwach alkalisch und fügen so viel von einer 20°/,igen Ammo-
niumchloridlösung zu, daß die Flüssigkeit nach Zusatz von Ammo-
niumoxalat 1°/, Ammoniumchlorid enthält. Dann erhitzen wir
die Röhrchen auf dem siedenden Wasserbad und geben so viel
2/,,„.Ammoniumoxalatlösung zu, daß die Flüssigkeit in 1 ccm
0,15 bis 0,25 ccm Ammoniumoxalat im Überschuß enthält. Zu
den größeren Röhrchen geben wir auf einmal 0,1 ccm, zu den
kleinen 0,02 bis 0,03 cem Oxalatlösung und warten zwischen
den einzelnen Portionen ab, bis der Niederschlag sich ab-
scheidet. Die Menge des zugegebenen Ammoniumoxalats wird
notiert. Nach wenigen Minuten kann man die Röhrchen aus
dem Wasserbad nehmen. Nach 3!/, bis 5 Stunden wird das
Röhrchen stark abzentrifugiert, nachdem man die Wand des-
selben vorher mit dem Inhalt gut abgespült hat. Jetzt wird
das Röhrchen auf der analytischen Wage abgewogen, die klare
Flüssigkeit abpipettiert und das Röhrchen wieder gewogen.
Bei der Abpipettierung muß man achtgeben, daß der auf der
Oberfläche der Flüssigkeit schwimmende Niederschlag nicht
mitgenommen wird. Wenn etwas davon auf der Capillare
haften bleibt, kann man das mit einem kleinen Tröpfchen
Flüssigkeit auf die Wand des Röhrchens übertragen. Nach
dem Wägen wird H,SO, dem Inhalt der Röhrchen zugefügt,
auf 60° gehalten und mit "/, „-KMnO,-Lösung titriert. Auch
wenn man dem Ende der Titration nahekommt, kann man mit
1/;оо ccm fortschreiten und nach Beendigung der Titration den
kleinen Überschuß des KMnO, colorimetrisch bestimmen. Den
Oxalatgehalt der an dem Niederschlag haftenden Flüssigkeit
muß man bei der Berechnung der Resultate nach folgender
Formel in Abzug bringen. Die zur Oxydation des Calcium-
oxalats nötige KMnO,-Lösung ist =. wo A die
gesamten dem zur Analyse verwendeten Ammoniumoxalat ent-
sprechenden Kubikzentimeter KMnO,-Lösung bedeutet, a die
bei der Titration verbrauchten Kubikzentimeter KMnO,-Lösung,
B das Gewicht der gesamten Flüssigkeit und b das Gewicht
der mit dem Ca-Niederschlag zurückbleibenden Flüssigkeit.
Beim Auswaschen des Ca-Oxalatniederschlages — durch
138 L. Dienes:
Zentrifugieren und Abpipettieren der überstehenden Flüssig-
keit — (oder mit destilliertem Wasser oder auch mit Ammo-
niaklösung) gehen bei 0,2 bis 0,5 mg Ca 0,002 bis 0,005 mg
Ca mit dem Waschwasser (2 bis 3 ccm Waschwasser) ver-
loren, bei Bestimmung von 0,05 bis 0,06 mg Ca 0,001 bis
0,002. Wenn wenig Mg vorhanden ist, kann man das ver-
loren gegangene Ca in folgender Weise bestimmen: Nach Ein-
dampfen der abgenommenen Flüssigkeit und des Waschwassers
wird der Rückstand in -0,1 bis 0,2 ccm Wasser aufgenommen,
in das Quarzröhrchen übertragen und nach Abzentrifugieren
mit 0,2 ccm Wasser einmal ausgewaschen. Durch diese Prozedur
entfernt man den größten Teil des Mg. 'Der sehr geringe
Niederschlag wird in einem Tropfen verdünnter HCl gelöst,
und der Tiegel, in dem die Flüssigkeit eingedampft war, mit
einem Tropfen НСІ ausgewaschen, dann nach Zugabe von
Ammoniumchlorid und Ammoniumoxalat in 0,15 bis 0,2 ccm
Volumen durch Zugabe von Ammoniak das Ca abgeschieden
und nach 10 bis 12 Stunden mittels Zentrifugieren mit möglichst
kleinen Wassermengen ausgewaschen. Wenn das vorhandene
Mg nicht über 0,2 mg beträgt, sind die Resultate genau. Die
später mitgeteilten Blutanalysen wurden zum Teil auf diese
Weise ausgeführt. Bei Vorhandensein von viel Mg sind die
erhaltenen Werte hoch. Wenn man ammoniumoxalathaltiges
Wasser zum Auswaschen des Niederschlages benutzt, sind die
Verluste geringer (ungefähr 0,002 mg), doch fallen die Resultate
ohne Auswaschen des Niederschlages so genau aus, daß das
Suchen nach einem anderen Verfahren unnötig schien.
Für die Bestimmung des Mg habe ich mehrere Verfahren
ausprobiert. Durch Ausfällen des Mg in neutralen und am-
moniumsalzfreien Lösungen mit NaOH oder mit Ba(OH),
und Titrierung des ausgefallenen Mg(OH), konnte ich keine
gut übereinstimmenden Resultate bekommen. Manchmal waren‘
die Resultate entsprechend, dann, ohne daß ein Grund dafür
gefunden werden konnte, sind Fehler von 10 bis 30°/, vor-
gekommen. Durch Titrieren des Mg mit Seifenlösung habe
ich bei sehr kleinen Mg-Mengen gute Resultate bekommen, bei
0,1 mg waren die Schwankungen schon größer. Doch als ein
schnell durchführbares, einfaches Verfahren, das doch annähernde
Resultate gibt, will ich kurz folgendes beschreiben. Zu der
Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 139
Titration wird eine Na-Oleinicumlösung (hergestellt aus reinster
Oleinsäure) verwendet, von der 1 ccm ungefähr 0,1 bis 0,05 mg Mg
entspricht. Der Seifenlösung und ebenso der Mg-Lösung wird
eine kleine Quantität verdünnte Natronlauge zugesetzt?!), so daß
sie von Phenolphthalein rosa gefärbt wird. Die Titration wird
in dem für die Ca-Bestimmung benutzten größeren Röhrchen
durchgeführt, das Ende dadurch erkannt, daß man nach Zugabe
der Seifenlösung mit Gummiballon und Capillare in die Lösung
hineinbläst. Wenn die Seife in Überschuß vorhanden ist, füllt
sich das Röhrchen mit aus kleinen Blasen bestehendem Schaum;
während sie sich bis dahin wie destilliertes Wasser verhält.
Das Ende der Titration ist scharf; jedoch auch zum destillierten
Wasser muß man, damit Schaumbildung eintrete, beträchtliche
Mengen der Seifenlösung zufügen, und darum muß das Volumen
der Lösung nach der Titration abgemessen und die entsprechende
Menge der Seifenlösung in Abzug gebracht werden. Die Ver-
änderung der Alkalinität in kleinerem Maße, ebenso das Vor-
handensein von soviel NaCl, als man bei der Analyse von tieri-
schen Substanzen erwarten kann, beeinflussen die Resultate
nicht. Doch fallen sie, wenn man die Seifenlösung schneller
oder langsamer zufügt, sehr verschieden aus, und aus diesem
Grunde kann man schon bei 0,06 bis 0,08 mg Mg keine guten
Resultate erzielen. Die Tabelle IV dient als Beispiel, wie weit
die Resultate entsprechen. Das destillierte Wasser war Ca-frei.
Wenn wir zu einer 0,04 mg Mg enthaltenden Lösung, statt
langsam vorzugehen, auf einmal 0,60 ccm Seifenlösung zugegeben
haben, ist die verbrauchte Seifenlösung von 0,70 auf 0,79 ge-
stiegen.
Gute Resultate konnten wir für Mg durch Ausfällen als
Mg(H,N)PO, und Bestimmung des in dem Niederschlag ent-
haltenen P erreichen. Das Verfahren ist komplizierter als die
Ca-Bestimmung, doch sind die einzelnen Operationen schnell
ausführbar und die Analyse nimmt bedeutend weniger Zeit in
Anspruch als das gravimetrische Verfahren im großen. Zunächst
werden wir die Phosphorsäurebestimmung beschreiben.
Die Phosphorsäure wird nach zweimaliger Ausfällung mit
Ammoniummolybdat nach Woy durch Titrieren mit з /, „-Natron-
1) Nach I. Bang.
140 L. Dienes:
Tabelle IV.
Abgemessen Mg Verbrauchte Seifenlösung
0,01 mg 0,191 ccm
0,01 » 0,195 »
0,02 » 0,367 »
0,02 » 0,364 »
0,04 » 0,707 »
0,04 » 0,695 »
0,06 » 0,964 »
0,06 » 1,08 »
Abgemessenes
destill. Wasser
0,75 ccm 0,035 »
1,60 » 0,070 »
2,3 » 0,100 »
lauge bestimmt. Ich bin der Vorschrift von Treadwell’) ge-
folgt, habe aber statt 50 ccm 0,5 ccm Volumen genommen. Für
die Durchführung der Fällung und Titration werden die bei
der Ca-Bestimmung benutzten größeren Röhrchen verwendet.
Die nötige Menge von Ammoniummolybdat wurde in einem
gleichen Röhrchen abgemessen, im Wasserbade erhitzt und in
der ebenso erhitzten Mischung durch eine Capillare mit enger
Öffnung im Strahl eingespritzt. Die zweite Fällung wird mit
der Salpetersäure ebenso vorgenommen. Die nötigen Mengen
der einzelnen Reagenzien zeigt die folgende nach Treadwell
zusammengestellte Tabelle.
Tabelle V.
Man verwende
Zur Fällung von Ännmoniuir: а ах Н
mg P molybdat nitrat Salpetersäure
ccm ccm ccm
1) Lehrbuch d. analyt. Chemie 2, 7. Auf. S. 371.
Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 141
Der Niederschlag wird durch die Zentrifuge 1 mal mit dem
vorgeschriebenen Waschwasser, dann 3 mal mit 1°/ iger KNO,-
Lösung gewaschen. Dann wird in überschüssiger »”/ Natron-
lauge gelöst, mit Phenolphthalein versetzt und mit "/,,-Salz-
säure aus einer in ?/,. сост eingeteilten Bürette zurücktitriert.
Man muß den Niederschlag mit großer Tourenzahl abzentrifu-
gieren, sonst bleibt ein Teil des Niederschlages auf der Ober-
fläche schwebend.
EineNa,HPO,-Lösung, die nach gravimetrischer Bestimmung
in einer 10 mal konzentrierteren Lösung in 1 ccm = 0.1012 mg P
enthielt, hat nach obigem Verfahren folgende Werte gegeben:
Tabelle VI.
Verbrauchte
NaOH-Lösung
Abgewogene
Phosphatlösung Umgerechnet auf
g
0,800
0,800 0,605
0,500 0,379
0,500 0,877
0,200 0,159
0,200 0,159
0,100 0,082
Der Titer der benutzten pl, Lauge war 1 cem = 0,998 "/,,
berechnet aus den für 0,8 und 0,5 g bekommenen Werten
und entspricht 1 eem Lauge = 0,133, mg Р!). Treadwell
gibt 0,134, mg an?), doch bemerkt er, daß man die Natron-
lauge z. B. bei Bestimmung des P im Stahl, mit dem gravi-
metrisch bestimmten P einstellen muß.
Bei kleineren P-Mengen sinkt der 1-cem Lauge entspre-
chende P bedeutend, welcher Umstand bei der Berechnung
unbedingt berücksichtigt werden muß.
Zur Fällung des Mg bin ich der von Schmitz angegebenen
Vorschrift gefolgt (nach Treadwell). Die Bestimmungen werden
in den größeren und kleineren Quarzröhrchen ausgeführt. Zu
der sauren Lösung habe ich ungefähr die doppelte Menge des
1) Es wurde der Unterschied in dem spezifischen Gewicht der P-
Lösung und des destillierten Wassers vernachlässigt.
2) 1. е. 8. 506.
142 L. Dienes:
zum Ausfällen des Mg nötigen Na,HPO, zugefügt und nach
Zugabe von etwas Phenolphthalein 1ш Wasserbade erhitzt und
dann so viel 2,5°/ iges Ammoniak zugesetzt, bis die Flüssigkeit
merklich rosafarbig wurde, dann eine !/, der Flüssigkeit ent-
sprechende Menge 10°/,igen Ammoniaks. Die benutzte Na, HPO,-
Lösung hat 1 mg P in Leem enthalten. Nach 4 bis 5 Stunden
wurde bei größeren Mengen von Mg der Niederschlag 4 mal
mit 0,3 bis 0,4 cem 2,5°/,igem Ammoniak mittels Zentrifuge
gewaschen. Bei kleinen Mengen — man kann aber ebenso
auch bei größeren Mengen verfahren — wurde die zugegebene
Phosphatlösung genau abgemessen, das Gewicht der Röhrchen
vor und nach dem Abpipettieren der klaren Flüssigkeit be-
stimmt und der in der mitgewogenen Lösung zurückbleibende
P sowie das Oxalat bei der Ca-Bestimmung durch Rechnung
ermittelt. Der Niederschlag, im HNO, gelöst, wurde zur P-
Bestimmung verwendet,
Ich habe den Mg(NH,)PO,-Niederschlag іп der Flüssigkeit,
von der er sich abscheidet oder in 2,5°/, Ammoniak kaum
merklich löslich gefunden. Doch wegen des an der Oberfläche
der Flüssigkeit schwimmenden Niederschlages, von dem Teile
bei der Berührung der Oberfläche in der Flüssigkeit nieder-
sinken, waren Verluste beim Waschen mittels Zentrifuge nicht
vermeidbar, und ich halte dafür, den Niederschlag nicht aus-
zuwaschen. Wahrscheinlich wäre das Geeignetste, den Nieder-
schlag auf entsprechenden Filtern zu waschen.
Tabelle VII.
Der Niederschlag wurde gewaschen.
Abgewogenes Mg Gefundenes Mg
0,099 mg 0,099, mg
0,099 » 0,099, »
0,019, » 0,018, »
0,019, » 0,018, »
Der Niederschlag wurde nicht gewaschen.
0,099, mg 0,099, mg
0,098, » 0,100, » 2)
0,019, » 0,019, »
0,032, » 0,031, »
1) Der Molybdänniederschlag hat sich nicht schön krystallinisch
ausgeschieden.
Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 143
Die bei den mitgeteilten Analysen verwendete Ca-Lösung
wurde durch Auflösen des reinsten CaCO, in НСІ und die
Mg-Lösung durch Lösen von krystallinischem MgSO, hergestellt.
Die mitgeteilten Analysen stellen komplette Analysenreihen dar.
Bei der Analyse der tierischen Organe und des Blutes
muß man Ca und Mg neben den organischen Substanzen von
Fe und Р trennen. Die neben den Alkalisalzen anwesenden
anderen Substanzen (Si, Mn) sind zum Teil in sehr kleinen
Mengen vorhanden, zum Teil werden sie während der Analyse
abgeschieden. Wenn man kleine Mengen tierischer Substanzen
aufarbeitet (0,5 bis 2 р feuchtes Gewicht), verursacht die Ver-
aschung keine Schwierigkeit. Nur muß man darauf achten,
daß die Veraschung bei möglichst niedriger Temperatur ge-
schehe (die Asche darf nicht schmelzen), sonst hat man mit
dem Auflösen der Asche Schwierigkeiten. Das Auflösen gelingt
leicht mit 1 Tropfen konz. HCl und einigen Tropfen dest.
Wasser auf dem Wasserbade. Wenn das Fe nicht in Lösung
geht, muß man den Inhalt des Tiegels mehrmals mit 1 Tropfen
konz. HCl und einigen Tropfen Wasser eindampfen. Nach ge-
lungener Lösung wird die DO verdampft, der Rückstand mit
1 Tropfen verdünnter НСІ (®/,) und einigen Tropfen Wasser
aufgenommen, in das Quarzröhrchen überführt und 5- bis 6 mal
mit 4 bis 5 kleinen Tropfen Wasser nachgespült.
Das Volumen der Flüssigkeit in den Quarzröhrchen kann
1 bis 2 ccm sein. Dann fügen wir 0,2 bis 0,4 ccm konz. Am-
moniumacetatlösung zu und tropfenweise so viel Fe,Cl,-Lösung,
bis die Flüssigkeit sich stark färbt. Dann wird das Röhrchen
im Wasserbade erhitzt, bis das Fe sich vollständig abscheidet
(5 bis 10 Minuten), nachher kühlen wir die Röhrchen unter
der Wasserleitung ab. Dann zentrifugieren wir sie und wägen
sie auf der analytischen Wage, pipettieren die klare Flüssigkeit
in einen Quarz- oder Platintiegel ab und wägen das Röhrchen
wieder. Die Menge des Ca und Mg, die bei dem Eisennieder-
schlag zurückbleibt, wird rechnerisch ermittelt.
Das Fe scheidet sich gewöhnlich nicht vollständig ab, es
bleiben 10 Tausendstel bis 1 bis 2 Tausendstel mg in Lösung.
Doch spielt das im folgenden keine Rolle. Das Eisen wird
mit dem Ca-Oxalat abgeschieden, doch nicht als Oxalat, und
vermehrt den KMnO,-Verbrauch nicht. Die abpipettierte Lösung
144 L. Dienes:
dampfen wir ein, verjagen vorsichtig die Essigsäure und die
Ammonsalze und verbrennen die ausgeschiedene Kohle bei
möglichst niederer Temperatur. Starkes Erhitzen ist unbedingt
zu vermeiden, sonst kann man das Ca kaum in Lösung bringen.
Den Rückstand lösen wir in 1 Tropfen verdünnter НСІ, und
zum Ausfällen des Ca bringen wir sie mit möglichst wenig
Wasser (0,2 bis 0,3 ccm) in das Quarzröhrchen. Die von dem
Ca-Oxalat abgenommene Flüssigkeit wird abgedampft und die
Ammonsalze verjagt. Wenn wir das Mg mit Seife bestimmen
wollen, ist das Vertreiben der Ammonsalze unerläßlich, und
der Rückstand wird, nach Eindampfen mit 1 Tropfen ver-
dünnter HCl, in Wasser aufgenommen. Wenn das Mg als
Phosphat bestimmt wird, kann das Verjagen der Ammonsalze
unterbleiben. In dem den Ferriphosphat und basisches Ferri-
acetat enthaltenden Niederschlag kann der P nach dem be-
schriebenen Verfahren bestimmt werden.
Von meinen Analysen teile ich einige Ca-Bestimmungen
in Blut und Blutplasma mit. Das Plasma wurde durch rasches
Abkühlen und Zentrifugieren des Blutes hergestellt. Die Blut-
aschelösung rührt von Blutproben her, von denen das Serum
teilweise abpipettiert wurde.
Tabelle УШ.
Blut I.
Abgemessen Gefunden Ca
1,566 g Blut in.1 ccm Blut 0,062, mg
0,979 » Plasma » 1 » Plasma 0,088, »
1,371 » Blutkörperchen » 1 » Blut 0,063, »
(Rückstand nach Abnahme (berechnet aus Plasma
des Plasma) und Blutkörperchen)
Blut П.
Abgemessen Gefunden Ca
2,657 g Blut in 1ccm Blut 0,052, mg
1,794» » » ln » 0,053, »
1,042 » Plasma » 1 » Plasma 0,095, »
1,253 » Blutkörperchen » 1 » Blut 0,053, »
wie bei Blut I berechnet wie bei Blut I
Quantitative Bestimmung sehr geringer Ca-, Mg- und P-Mengen. 145
Blut II.
Abgemessen Gefunden Ca
0,600 g Plasma in 1 ccm Plasma 0,094, mg
1223g » » 1» ” 0,095, »
Blutaschelösung.
А Abgemessen Gefunden Ca Gefunden Mg
0,396 ccm 0,038, mg 0,032, mg
0,396 » 0,039, » 0,032, »
0,792 » 0,071, » 0,062, »
0,792 » 0,071, » 0,064, »
1,477 » 0,133, »
(berechnet auf 0,792 g Ca 0,071 mg).
Die Bestimmungen wurden "bei allen in der Tabelle mit-
geteilten Analysen in den größeren Röhrchen ausgeführt; davon
rührt der erhöhte Wert bei 0,4 ccm Blutaschelösung her. In
derselben Lösung wurden die mitgeteilten Mg-Bestimmungen
durch Titrierung mit Seifenlösung ausgeführt.
Quantitative Messungen über die Spaltung des ,
Hexamethylentetramins.
Von
Paul Trendelenburg.
(Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.)
(Eingegangen am 13. April 1919.)
Mi 2 Abbildungen im Text.
An der Tatsache, daß Hexamethylentetramin an sich keine
keimtötenden Eigenschaften besitzt, sondern diese erst unter dem
Einfluß einer bestimmten Eigenschaft des Lösungsmittels zur
Entfaltung bringt, gehen Lehrbuch und Praxis fast ausnahms-
los vorüber, ohne sie zu "beachten, obwohl sie sich schon aus
den ersten Versuchen Nicolaiers!), der dieses Mittel bekannt-
lich in die Therapie einführte, ergibt.
Wie schon Nicolaier betont, ist es die im Molekül ver-
steckte Komponente Formaldehyd, die, freigemacht, keimtötend
wirkt. Der Zerfall von Hexamethylentetramin in Formaldehyd
und Ammoniak geht aber nur bei saurer Reaktion in nennens-
wertem Ausmaß vor sich, während bei alkalischer Reaktion
Formaldehyd mit Ammoniak synthetisch Hexamethylentetramin
bildet (C,H, ,N,+6H,0°56CH,0+4NH,).
Daß Hexamethylentetramin selbst in mehrprozentiger
Lösung tatsächlich nicht keimtötend wirkt, solange nur durch
Alkalizusatz die Formaldehydabspaltung verhindert wird, und
daß die Formaldehydabspaltung an die saure Reaktion des
Lösungsmittels (des Urins) gebunden ist, zeigten neuerdings
Hanzlic und Collins?) in ausführlichen Versuchsreihen — aber
1) A. Nicolaier, Experimentelles und Klinisches über Urotropin.
Zeitschr. f. klin. Med. 38, 350, 1899.
2?) P. J. Hanzlic und R. J. Collins, Hexamethylentetramin: Ab-
spaltung von Formaldehyd und antiseptische Kraft unter verschiedenen
]
P.Trendelenburg: Quantit.Mess.üb.d.Spalt.d.Hexamethylentetramins. 147
auch ihre Versuche beschränkten sich auf die qualitative Fest-
stellung, so daß es mir wünschenswert schien, durch weitere
Versuche die quantitative Abhängigkeit der Hexamethylen-
tetraminzerlegung von der Reaktion des Lösungsmittels sicher-
zustellen. Da wir durch Arbeiten des letzten Jahrzehnts über
die Reaktion der wichtigsten Körperflüssigkeiten genau unter-
richtet sind, war zu erwarten, daß solche quantitative Messungen
vielleicht Hinweise für eine rationelle Anwendung des Hexa-
methylentetramins ergeben würden!).
Methode.
Da Hexamethylentetramin eine Base ist und da bei seiner
Zersetzung die Reaktion der Lösung infolge Bildung des viel
stärker basischen Ammoniaks die Neigung hat, sich nach der
alkalischen Seite hin zu verschieben, war es unstatthaft, für
die quantitative Messung des Einflusses von Acidität und Basi-
cität auf die Hexamethylentetraminzersetzung von Lösungen
der Substanz in Säuren und Basen wechselnder Stärke oder
wechselnder Normalität auszugehen; die Reaktion einer 1°/,igen
Hexamethylentetraminlösung in 0,1 n-HCl nimmt z. B. sehr
bald infolge steigender Ammoniakbildung an Acidität ab.
Um die Reaktion der Lösungen während der ganzen Ver-
suchsdauer möglichst konstant zu halten, wurden deshalb
Sörensensche Puffergemische, Gemische aus freien Säuren und
zugehörenden Alkalisalzen usw. verwendet. Die Zusammen-
setzung derselben und die Konzentration des Hexamethylen-
tetramins wurde so bemessen, daß die Verschiebung der
Reaktion während der Versuchsdauer innerhalb ganz enger
Grenzen blieb.
chemischen und biologischen Bedingungen. Investigations of the therap.
research comittee of the council of pharmacy and chemistry of the
american medical association 2, 11, 1913, und Archives of internal medi-
cine 12, 578, 1912. Vgl. auch Fr. Hinman, Der Wert des Hexa-
methylentetramins als inneres Antisepticum in anderen Körperflüssig-
keiten als dem Urin. Archives of internal medicine 13, 841, 1914.
1) Aus einem Referat im Chemischen Zentralblatt 77, 1087, 1906
entnehme ich, daß R. Ischidzu und Т. Inouye (Journ. of Pharmac.
Soc. of Japan) Versuche über die Hexamethylentetraminzersetzung durch
verschieden starke Säuren ausführten. Die Originalarbeit war mir nicht
zugänglich.
Biochemische Zeitschrift Band 9. 11
148 P. Trendelenburg:
Alle Versuche wurden bei 38° durchgeführt, die Dauer
betrug maximal 6 Stunden.
Der aus dem Hexamethylentetramin abgespaltene Form-
aldehyd gibt, wie erwähnt, den Lösungen die keimtötende Eigen-
schaft. Es lag deshalb nahe, jeweils die Mengen freigeworde-
nen Formaldehyds unmittelbar zu analysieren. Aber dahin
gerichtete Versuche stießen auf große Schwierigkeiten. Die ge-
nauen quantitativen Formaldehydbestimmungen, z. B. die
Romijnsche Methode), oder die in das Deutsche Arzneibuch
aufgenommene Lemmesche Methode geben zwar mit reinen
wäßrigen Formaldehydlösungen sehr gute Ergebnisse — sie
versagen aber, wenn neben dem nachzuweisenden Formaldehyd
Ammoniumsalze vorhanden sind. Diese Methoden arbeiten bei
natronalkalischer Reaktion: daher verbindet sich ein Teil des
freigewordenen Ammoniaks rückläufig mit Formaldehyd zu
Hexamethylentetramin, und die erhaltenen Werte fallen, wie
ich durch Kontrollversuche feststellte, viel zu gering aus. Eben-
so unbefriedigend verliefen Versuche, die Additionsprodukte,
die sich bei Zugabe von Anilinwasser oder Hydrazinsalzlösung
bilden, abzuscheiden und zur Wägung zu bringen; schon bei
rein wäßrigen, einigermaßen verdünnten Formaldehydlösungen
haben diese Methoden sehr weite Fehlergrenzen, sie sind bei
Gegenwart von Ammoniumsalzen ganz unquantitativ.
Deshalb wurde von einer unmittelbaren Formaldehyd-
bestimmung in den Systemen Hexamethylentetramin -+ Form-
aldehyd + Ammoniumsalz abgesehen und zunächst nur die Menge
des zerlegten Hexamethylentetramins bestimmt. Zwei Wege
standen offen: einmal die Messung des übrigbleibenden Hexa-
methylentetramins und zweitens die Bestimmung der gebilde-
ten Ammoniakmenge.
Hexamethylentetramin wird durch Sublimatlösung auch
aus recht verdünnten Lösungen quantitativ gefällt. Der Ver-
such, aus der nach Kjehldahl bestimmten N-Menge des ab-
filtrierten Niederschlags Auskunft über die in der Lösung vor-
handen gewesene Hexamethylentetraminmenge zu erhalten,
schlug aber fehl, da Sublimat bei Gegenwart von Chloriden,
1) 9. Romijn, Über die Bestimmung des Formaldehyde, Zeitschr.
f. anal. Chem. 86, 18, 1897.
Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 149
alsb auch von Ammoniumchlorid, das in den meisten Reaktions-
gemischen zugegen war, nicht quantitativ fällt und daher ein
sehr großer Prozentteil des Hexamethylentetramins sich der
Analyse entzieht?).
Es gelang dagegen, auf folgende Weise den aus dem
Hexamethylentetramin freigewordenen Ammoniak neben unzer-
setzter Substanz und neben Formaldehyd quantitativ zu bestimmen. `
Das Reaktionsgemisch wurde in siedende starke Natronlauge
gegeben; diese läßt Hexamethylentetramin, wie ich bei Kon-
trollversuchen fand, völlig unverändert und spaltet aus ihm
keinen Ammoniak ab?), dagegen wird Formaldehyd von ihr so
rasch oxydiert, daß eg sich nicht mit gleichzeitig zugegebenem
Ammoniak zu Hexamethylentetramin verbinden kann. Wie
die auf S. 162 mitgeteilten Kontrollversuche, bei denen Form-
aldehyd + Ammoniumsalzlösung in die siedende Natronlauge ge-
tropft wurde, zeigen, geht die gesamte zugegebene Ammoniak-
menge unvermindert in das Destillat über.
Die Apparatur bestand aus einem mit etwa 100 ccm
ca. 5°/,iger Natronlauge beschickten Kjeldahlkolben, in dessen
Hals ein Tropftrichter und ein mit Liebigschem Kühler und
Vorlage verbundener Destillieraufsatz eingefügt war. Aus dem
Tropftrichter wurde die auf NH, zu untersuchende Mischung
in die lebhaft siedende Lauge eingetropft, nachdem die Vor-
lage mit 0,1 n-HCl beschickt worden war; der Tropftrichter
wurde mit destilliertem Wasser nachgespült.
Die auf diese Weise erhaltenen Hexamethylentetramin-
zersetzungskurven bedurften noch einer Ergänzung. Neben
der Gleichung 1 Hexamethylentetramin = 6 Formalde-
hyd + 4 Ammoniak können unter gewissen Bedingungen
andere -Spaltungen verlaufen, die zu Methylamin oder Kohlen-
säure führen?). In diesem Falle würde also die freigemachte
1) Vgl. hierzu F. Schröter, Zur Methodik der quantitativen Be-
stimmung des Hexamethylentetramins (Urotropins) im Harn, Arch. f. ex-
perim. Pathol. u. Pharmakol. 64, 161, 1911.
2) Die Beständigkeit des Hexamethylentetramins gegen siedende
starke Natronlauge wurde auch von A. Wöhlk (Zur Untersuchung des
Urotropins [Hexamethylentetramins], Zeitschr. f. anal. Chem. 44, 765,
1905) nachgewiesen.
®) Vgl. die angeführte Arbeit von R. Ischidzu und T. Inouye.
11*
150 P. Trendelenburg:
Formaldehydmenge hinter der theoretisch möglichen Menge
zurückbleiben. Um’ darüber Auskunft zu erhalten, ob solche
Nebenreaktionen unter meinen Versuchsbedingungen in erheb-
lichem Maße vorkommen, wurde in den Versuchen der 1.
bis 7. Reihe wiederholt das Destillat auf Methylamin (Ge-
ruchsprobe nach Zusatz von NaOH und Erwärmen) geprüft;
es war in keinem Falle Methylamin nachzuweisen. Zweitens
wurde nunmehr die freigemachte Menge Formaldehyd colori-
metrisch bestimmt. Zu diesem Zweck wurde die zu prüfende,
gegebenenfalls verdünnte Lösung mit gleichen Teilen einer
Lösung von 1°/, Phloroglucin in 33°/, Natronlauge!) zugesetzt.
Formaldehyd gibt mit dieser Jorissenschen Phloroglucinlösung
eine schöne Rotfärbung, die eine quantitative Messung ermög-
licht, da ihre Kraft und die Zeit bis zu ihrem Auftreten der
Formaldehydkonzentration parallel geht. Da ich bei den Ver-
suchen, den Formaldehyd in den Reaktionsgemischen chemisch
zu bestimmen, gesehen hatte, daß diese Substanz in kalter,
natronalkalischer Lösung nicht quantitativ nachzuweisen war,
da ein Teil derselben sich mit dem aus dem Ammoniumsalz
des Reaktionsgemisches freigewordenen Ammoniak rückläufig
zu Hexamethylentetramin verband, vermutete ich, daß auch
die Jorissensche Probe bei Anwesenheit von Ammoniak zu
kleine Werte liefern würde. Dies ist tatsächlich der Fall?):
Formaldehyd + Ammoniumsalz іп der aus der Gleichung folgen-
den Menge gibt mit dem Reagens eine erheblich schwächere
Färbung als Formaldehyd allein. Aus diesem Grund wurde
die colorimetrische Formaldehydbestimmung folgendermaßen
ausgeführt. Das Reaktionsgemisch wurde mit einer Lösung
verglichen, die neben der vollen, aus der zuvor gewonnenen
1) 33°/,ige NaOH ist der bisher immer empfohlenen 10- bis 15°/,igen
NaOH vorzuziehen. In "hr löst sich das Phlorogluein nicht wie in jener
mit violetter Farbe auf, sondern die Lösung ist und bleibt farblos, wo-
durch die Schärfe der Reaktion gewinnt. Über die Violettfärbung von
Phloroglucin in 15°/,iger NaOH auszuführen, vgl. E. Salkowski, Zum
Verhalten des Urotropins und Formaldehyds im Organismus, diese
Zeitschr. 87, 143, 1918.
2) Hieraus folgt, daß die neuerdings wiederholt empfohlene Methode,
Formaldehyd im Harn durch Colorimetrie mit Jorissenschem Reagens
quantitativ zu messen, unzuverlässig ist.
Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 151
Hexamethylentetraminzersetzungskurve bestimmten, in der je-
weils vorliegenden Probe des Reaktionsgemisches enthaltenen
Ammoniumsalzmenge 100, 90, 80 und 70°% der nach der
Gleichung maximal möglichen Formaldehydmenge enthielt. Alle
Versuche fielen eindeutig aus: stets enthielt das Reaktions-
gemisch sicher mehr als 70 oder 80°/, der theoretisch mög-
lichen Formaldehydmenge, meist bestand Farbgleichheit mit
der 100°/,igen Vergleichslösung, gelegentlich mit der 90°/,igen.
Unter meinen Versuchsbedingungen wird also das Hexamethylen-
tetramin sicher zum ganz überwiegenden Anteil nach der
Gleichung С,Н,, №, + 6H,0=6CH,0-+-4NH, gespalten, Neben-
reaktionen sind nicht nachweisbar.
Spaltung des Hexamethylentetramins in Lösungen
abnehmender Acidität.
Die Ergebnisse der ersten 9 Versuchsreihen, deren ana-
lytische Daten im experimentellen Teil der Arbeit mitgeteilt
werden, sind in Kurve 1 und 2 graphisch dargestellt.
In Kurve 1 sind auf der Abszisse die Zeiten in Minuten
(Ende der Versuche maximal nach 6 Stunden) und auf der
Ordinate die Prozente zersetzten Hexamethylentetramins ein-
gezeichnet, zu jeder Kurve ist weiter die zugehörende Acidität,
ausgedrückt als Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration =
рн, angegeben). Kurve 2 ist aus den gleichen Ordinatenwerten
gewonnen, doch sind auf der Abszisse hier die Logarithmen
der Wasserstoffionenkonzentration wiedergegeben; einige physio-
logisch wichtige Wasserstoffionenwerte wurden eingetragen.
Aus beiden Kurven ist die starke Abhängigkeit der Hexa-
methylentetraminzerlegung von der Wasserstoffionenkonzen-
tration klar zu erkennen: ist z. B. die H-Ionenkonzentration
0,1 п (рн also=1,0), so werden in 6 Stunden etwa gerade
100°/, der Substanz zerlegt, in 0,001 n-H-Ionen (pu also 3,0)
sinkt der zersetzte Anteil auf etwa 43°/,, in 0,00001 р (рн =
1) Die Bestimmung der H-Ionenkonzentration wurde durch Colori-
imetrie nach Indicatorenzusatz (Sörensen) ausgeführt. Die Vergleichs-
puffergemische konnte ich im technologischen Institut bei Herrn Prof.
Біевепѓе1а auf ihren richtigen H-Ionenwert elektrometrisch prüfen;
Herrn Prof. Riesenfeld danke ich auch hier für seine Unterstützung.
152 P. Trendelenburg:
5,0) auf etwa 10°/,, um bei neutraler Reaktion (pa = 6,75)
die Abszisse fast zu erreichen.
FIRE.
„Т
|
TE
ИИТ.
ТИТР
ШШЕ
|
Kurve 1. Zersetzung des Hexamethylentetramins in Lösungen fallender
Azidität, bei 38°.
Ordinate: °/, des Hexamethylentetramins zerlegt.
Abszisse: Zeit in Minuten.
Kurve 1:рн zu Beginn = 0,5 ; am Ende 0,6
n 2:» n n = 0,7 » n 0,8
n Bin оял = 1,0 a 11
n 4:» т ” == 1,7 n n 1,7
n Šin n n = 2,6 » n 26
n 6:n n n = 3,9 » ns 4,0
n Tin n n = 5,2 n n 52
n Bin n n = 6,8 n n 6,8
n Lin n n = 6,75 n n 6,75.
Aber auch bei genau neutraler Reaktion (wie sie in der
9. Reihe des experimentellen Teiles vorlag) wird noch ein
quantitativ meßbarer Anteil des Hexamethylentetramins ge-
spalten: nach 60 Minuten sind 0,3 und nach 360 Minuten
0,9°/, gespalten. Da es wegen der schwach alkalischen Reaktion
mancher Körperflüssigkeiten (s. unten) von Wichtigkeit war,
Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 153
das Verhalten der Substanz noch weiter im alkalischen Gebiet
zu verfolgen, wurden geeignete, zunehmend alkalische Puffer-
gemische mit Hexamethylentetramin versetzt und mit der sehr
empfindlichen Phloroglucinprobe, die eine Formaldehydkonzen-
tration 1:1000000 noch anzeigt, auf Formaldehydabspaltung
geprüft. Betrug рн zwischen 6,75 (= neutral) und 8,75 (erheb-
Kurve 2. Abhängigkeit der Hexamethylentetraminzerlegung von der
H-Ionenkonzentration.
Ordinate: °/, des zugegebenen Hexamethylentetramins zerlegt
A.: nach 1 Stunde bei 38°;
B.: nach 6 Stunden bei 38°. '
Abszisse: Logarithmen der H-Ionenkonzentrationen.
liche Rosafärbung mit Phenolphthalein!), so fiel die Reaktion
sowohl 6 Stunden wie 1 Stunde nach Beginn positiv aus. Bei
рн 9,0 war der Ausfall der Probe nach 1 Stunde negativ, nach
6 Stunden positiv, und erst bei pa 9,1 konnte auch nach
6 Stunden langer Beobachtungszeit kein Formaldehyd mehr
nachgewiesen werden (vgl. experimenteller Teil).
Hiernach wird Hexamethylentetramin,. entgegen
der meist geäußerten Ansicht, auch noch bei neutraler
und schwach alkalischer Reaktion der Lösung in ge-
ringem Umfang gespalten. Dies Ergebnis deckt sich mit
154 P. Trendelenburg:
den Resultaten, die Hölst!) veröffentlichte: er konnte in
Puffergemischen, die 0,2°/, Hexamethylentetramin enthielten,
auch dann Formaldehyd qualitativ (nach Jorissen usw.) nach-
weisen, wenn рн der Gemische im alkalischen Gebiet lag;
auch in diesen Versuchen lag die Grenze etwa bei рн 9,0
(Temperatur 37°, mehrstündige Beobachtungsdauer).
Um einen näheren Einblick in die Abhängigkeit der Hexa-
methylentetraminabspaltung von der H-Ionenkonzentration zu
erhalten, wurden die Geschwindigkeitskonstanten der
Hexamethylentetraminzerlegung für die verschiedenen
Versuchsreihen berechnet. Ist es doch von zahlreichen Re-
aktionen, deren Ablauf katalytisch durch Wasserstoffionen
beeinflußt wird — ich erinnere nur an die Förderung der Rohr-
zuckerinversion durch H-Ionen —, bekannt, daß die Ge-
schwindigkeitskonstante in direkter Proportion zur, H-Ionen-
konzentration steht.
Da die Hexamethylentetraminzerlegung eine monomoleku-
lare Reaktion ist, gilt für die Berechnung der Geschwindig-
a
а— r
Ausgangskonzentration, x die zur Zeit t zerlegte Menge bedeutet.
Wie aus den S. 162f. mitgeteilten Daten zu ersehen ist, waren
die verschieden lange Zeit nach Versuchsbeginn innerhalb jeder
Reihe erhaltenen Werte für k nicht ganz gleich groß; stets
war ein Gang vorhanden derart, daß k mit zunehmender Zeit-
dauer etwas kleiner wurde. Die Ursache hierfür liegt zum
Teil zweifellos darin, daß trotz der vorhandenen Puffer die
Reaktion des Gemisches sich langsam etwas nach der alkali-
schen Seite hin verschob, die Konzentration des Katalysators
also etwas schwächer wurde. Aber da der Gang der k-Werte
besonders in den letzten Versuchsreihen bei geringer Acidität
und geringer Hexamethylentetraminspaltung besonders ausge-
Sprochen war, hier aber die Reaktionsverschiebung nur außer-
ordentlich gering gewesen sein kann, müssen noch andere,
nicht zu erklärende Ursachen (Nebenreaktionen?) im Spiel ge-
wesen sein.
keitskonstante k die Formel / = 1/t log nat
, wobei a die
1) H. J. Hölst, Über Urotropin. als Desinfiziens der Harnwege,
‚Zeitschr. f. klin. Med. 81, 266, 1915.
Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 155
Immerhin liegen die für verschiedene Zeiten innerhalb
jeder Reihe gewonnenen Werte nahe genug beieinander, um
die mittleren Geschwindigkeitskonstanten zu den H-Ionenkonzen-
trationen in Beziehung setzen zu können. Es ergab sich:
Versuchs- H-Ionen- Geschwindigkeits- Н
геїһе konzentration konstante (t) K
1 0,25 n 0,035 (40) 7,1
2 0,16 п 0,020 (60) 8,0
3 0,08 n 0,012 (60’— 200’) 6,6
4 0,02 n 0,0054 (150) 3,7
5 0,0025 n 0,0025 (200) 1,0
6 "0,0001 п 0,00075 (250°) 0,13
7 0,0000064 n 0,00024 (360') 0,03
8 0,0000005 n 0,000082 (135’) 0,006
Entgegen der Erwartung besteht also keine unmittelbare
Proportionalität zwischen Geschwindigkeitskonstante und H-
Ionenkonzentration; die Geschwindigkeitskonstanten sind viel-
mehr bei niederer H-Ionenkonzentration weit höher als nach
den bei hohen H-Ionenkonzentrationen erhaltenen Werten zu
erwarten war.
Folgerungen.
Während seines Durchgangs durch den Körper wirken
vier verschieden hohe’ H-Ionenkonzentrationen auf das Hexa-
methylentetramin ein; deren Einwirkung sei im folgenden be-
trachtet.
Die H-Ionenkonzentration im Mageninhalt ist in der
letzten Zeit häufig gemessen worden, sie liegt meist bei 0,1
bis 0,01 n-H-Ionen [рн also 1,0 bis 2,0%). In diesem Azidi-
1) Die H-Ionenkonzentration des menschlichen Magensaftes liegt
nach F. Tangl bei 0,02 bis 0,03g H im Liter (Untersuchungen über
die Hydrogenionenkonzentration im Inhalt des nüchternen menschlichen
Magens, Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 64, 1906). М. N. Menten
fand bei einem Kind mit Magenfistel nach Ösophagusstenosierung 0,12
bis 0,01 (Acidität des unverdünnten normalen Magensaftes bei einem Fall
mit Magenfistel, Journ. of Biolog. Chem. 12, 341, 1915). Werte gleicher
Größenordnung beobachteten beim Hunde mit MagenblindsackP.Fraenkel
(Die Wasserstoffionenkonzentration des reinen Magensaftes und ihre Be-
ziehungen zur elektrischen Leitfähigkeit und zur titrimetrischen Acidität.
156 P. Trendelenburg:
tätsbereich wird Hexamethylentetramin in kurzer Zeit sehr
stark gespalten: nach 1 Stunde sind etwa 53 bis 25°/,, nach
6 Stunden etwa 100 bis 70°/, des zugesetzten Hexamethylen-
tetramins zerlegt (vgl. Kurve 2). Zweifellos wird also beim
Durchgang durch den sauren Mageninhalt ein beträchtlicher
Teil der Substanz in Formaldehyd und Ammoniumsalz über-
geführt.
Die Reaktion des Darmsaftes liegt, wie Messungen von
Auerbach und Pick!) ergaben, nicht weit jenseits des neutralen
Punktes im alkalischen Gebiet, рн des Darmsaftes beträgt
zwischen 7,5 und 8,0, der Wert liegt dicht bei dem normalen
Blutwert. Bei solchen H-Ionenkonzentrationen — durch Phenol-
phthalein wird Darmsaft nicht oder kaum gerötet! — ist die
Hexamethylentetraminspaltung zwar noch vorhanden, aber, wie
oben erwähnt wurde, so gering, daß sie nur qualitativ zu fassen
ist — mehr als 1°/, des zufließenden Hexamethylentetramins
dürfte vor der Resorption im Dünndarm sicher nicht gespalten
werden. /
Von besonderem Interesse ist die Frage, ob die Substanz
im zirkulierenden Blute zerlegt wird, denn in diesem Falle
könnte den klinischen Versuchen, mit Hexamethylentetramin
Septicämien zu heilen, eine experimentelle Grundlage geschaffen
werden. Die Reaktion des arteriellen Blutes ist aus zahl-
reichen Einzelbestimmungen, die mit verschiedenen Methoden
erhalten wurden, genau bekannt: das ärterielle Blut hat eine
Zeitschr. f. experim. Pathol. u.. Therap. 1, 431, 1905) und R. Rose-
mann (Die Wasserstoffionenkonzentration des Magensaftes, Arch. f.
d. ges. Physiol. 169, 188, 1917); nämlich 0,06 bis 0,07 bzw. 0,106
bis 0,16. Aus Angaben und Kurvenbeispielen, die L. Michaelis bringt
(L. Michaelis und H. Davidsohn, Die Bedeutung und die Messung
der Magensaftacidität, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. 8, 398,
1911, und L. Michaelis, Die Methode der elektrometrischen Titration
und ihre Anwendung auf den Magensaft, diese Zeitschr. 79, 1, 1917),
ergibt sich für den Mageninhalt nach Probefrühstück eine Acidität von
meist 0,028 bis 0,0015 n-H-Ionen. Nach Johanne Christiansen
(Untersuchungen über die freie und gebundene Salzsäure im Magensaft, I,
diese Zeitschr. 46, 24, 1912) liegt der Durchschnittswert zahlreicher
Einzelmessungen bei 0,026 n, der Höchstwert bei 0,074 n-H-Ionen.
1) Fr. Auerbach und H. Pick, Die Alkalität von Pankreassaft
und Darmsaft lebender Hunde. ‚Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheits-
amt 43, 155, 1913.
Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 157
рн von 7,35 !). Pufferlösungen mit dieser H-Ionenkonzentration
zerlegen qualitativ nachweisbare Anteile von Hexamethylen-
tetramin, und wenn Blutserum mit 0,5°/, Hexamethylentetramin
versetzt wird, so ist nach ein- bis mehrstündigem Aufenthalt
im körperwarmen Raum Formaldehyd mit der Phloroglucin-
probe nachzuweisen. Dagegen ist es bisher noch nicht ge-
lungen, im Blutserum von Tieren, die Hexamethylentetramin
einnahmen, Formaldehyd nachzuweisen?) — ob die Ursache hier-
für in zu niedriger Hexamethylentetraminkonzentration im Blute
liegt, oder ob der abgespaltene Formaldehyd im Organismus
zu rasch oxydiert wird, ist noch unentschieden. Jedenfalls
ist das Problem, die Blutflüssigkeit des lebenden Tieres durch
Hexamethylentetraminzufuhr zu sterilisieren, durch weitere ex-
perimentelle Arbeit zu verfolgen.
Da das Hexamethylentetramin in alle Körperflüssigkeiten,
z. B. Galle, Schweiß, Speichel, Cerebrospinalflüssigkeit, Milch
übergeht — ja es soll durch Verfüttern von Hexamethylen-
tetramin bei Hühnern eine dauernde Konservierung der geleg-
ten Eier zu erzielen sein! — und da diese Körperflüssigkeiten
sicher nicht nennenswert alkalischer, z. T. sogar saurer als das
Blut reagieren, besteht auch für diese die theoretische Mög-
lichkeit einer Sterilisation; doch ist es bisher nicht gelungen,
in den genannten Flüssigkeiten nach Einnahme von Hexa-
methylentetramin Formaldehyd aufzufinden, während Liquor
cerebrospinalis, Ascites, Zysteninhalt, denen !/,, bis !/,°/, Hexa-
methylentetramin zugesetzt worden war, nach ein- bis fünf-
stündigem Stehen bei 37,59 positive Formaldehydreaktion
geben?).
1) Z. В. К. A. Hasselbalch, Die Berechnung der Wasserstoffzahl
des Blutes aus der freien und gebundenen Kohlensäure derselben und
die Sauerstoffbindung des Blutes als Funktion der Wasserstoffzahl, diese
Zeitschr. 78, 112, 1916.
2) P, J. Hanzlic und R. J. Collins, a. a. О. In eigenen Versuchen
konnte ich hingegen diese Formaldehydabspaltung in Blutserum nicht
finden. Über diese Versuche werde ich in der Münch. med. Wochenschr .
demnächst berichten.
з) P. J. Hanzlic und R. J. Collins, Frank Hinman, Der Wert
des Hexamethylentetramins als internes Antisepticum, Arch. of internal
Medicine 18, 841, 1914; Н. Vindevogel, nach Malys Jahresberichten
82, 124, 1902.
158 P. Trendelenburg:
Neben dem Magensaft ist der Harn die einzige Körper-
flüssigkeit, die stärker saure Reaktion erreichen kann; nur in sel-
tenen Fällen sinkt die Acidität bis zum neutralen Punkt, ooch
seltener wurde eine schwach alkalische Reaktion gefunden, wenn
frische Harne, die der ammoniakalischen Zersetzung nicht unter-
legen waren, verwendet wurden. Die Minimalwerte der H-Ionen-
konzentrationen liegen etwa beim Blutwert. In folgender Tabelle
gebe ich eine aus älteren und neueren Untersuchungen gewonnene
Übersicht.
Beobachter Maximalwert A ы: дг Minimalwert
у. Вһогег!). . . De — 5,5 —
НёЬегў .... ру 5,0 5,3 6,3
Ringer?) .... Рн 4,96 5,56 6,99
Henderson‘) . . De 5,5 6,2 7,5
Hanzlie und Col-
Det Ze ен De 4,5 6,4 1,4
Henderson und
Palmer‘) `, . . Рн 4,8 6,0 7,5
Aus der Übersicht folgt, daß die H-Ionenkonzentration
normaler Harne innerhalb sehr weiter Grenzen liegt: enthält
doch ein dem maximalen Aciditätswert sich nähernder Harn
über 100 mal so viel H-Ionen als ein neutraler oder schwach
alkalischer Urin. Hieraus aber ergibt sich, daß die Geschwindig-
keit, mit der Hexamethylentetramin im Harne zerlegt wird,
außerordentlich verschieden sein muß. Nach Kurve 2 wird bei
Pu 7,5 innerhalb 6 Stunden bei 38° höchstens 1°/,, bei pp 5,0
in der gleichen Zeit dagegen rund 10°/, des zugegebenen Hexa-
1) L. v. Rhorer, Die Bestimmung der Harnacidität auf elektro-
metrischem Wege. Arch. f. d. ges. Physiol. 86, 586, 1901.
з) R. Höber, Die Acidität des Harnes vom Standpunkte der Ionen-
lehre. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 3, 525, 1903.
3 W. E. Ringer, Die Acidität des Harnes. Zeitschr. f. physiol.
Chem. 60, 341, 1909.
4) Lawr. T. Henderson, Messungen der normalen Harnacidität,
diese Zeitschr. 24, 40, 1910.
5) P. J. Hanzlic und R. J. Collins, а. а. О.
©) Lawr. J. Henderson und W. W. Palmer, Über die Höhe der
Harnacidität unter normalen und pathologischen Bedingungen. Journ.
of biolog. Chem. 13, 393, 1912.
Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins.. 159
methylentetramins gespalten. Die Aussichten, den Blaseninhalt
antiseptisch zu beeinflussen, werden also sehr viel günstigere
sein, wenn wir für eine ausreichende, möglichst für eine opti-
male Acidität des Urins Sorge tragen.
Zusammenfassung.
Es wurde die Abhängigkeit der Hexamethylentetramin-
spaltung in Formaldehyd und Ammoniak von der Acidität
der Lösung quantitativ verfolgt. Hohe Wasserstoffionenkonzen-
trationen begünstigen die Zerfallsgeschwindigkeit sehr stark, so
daß in einer Lösung mit einer der "/,,-НСІ entsprechenden
H-Ionenkonzentration bei 38° das gesamte Hexamethylentetra-
min in etwa 6 Stunden völlig abgebaut ist. Die Geschwindig-
keit der Reaktion sinkt mit fallender H-Ionenkonzentration,
doch nicht proportional dieser, sondern langsamer. Auch in
neutraler Lösung, also bei gleichem Gehalt der Lösung an H-
und OH-Ionen wird noch ein meßbarer Anteil des Hexamethylen-
tetramins zerlegt (innerhalb 6 Stunden bei 38° etwas unter 1°/,).
Der qualitative Nachweis fällt erst bei erheblich alkalischer
Reaktion der Lösung negativ aus (bei 6 Stunden langer Ein-
wirkung und 36° liegt die Grenze etwa bei 1-10”? g H-Ionen/L,
eine solche Lösung wird durch Phenolphthalein stark gerötet).
Hieraus folgt, daß die Substanz im Magen zu einem sehr
beträchtlichen Teil zerlegt wird. Eine wenn auch nur geringe
Spaltung muß auch im Darminhalt, dem Blute und in den
anderen Körperflüssigkeiten, wie Liquor cerebrospinalis, Humor
aquaeus, Milch, vor sich gehen, da diese Flüssigkeiten schwächer
alkalisch reagieren als der genannte Grenzwert (sie werden
durch Phenolphthalein nicht gerötet!). Es bleibt aber eine offene
Frage, ob sich Hexamethylentetramin in diesen Körperflüssig-
keiten bei lebendem Organismus so stark anreichern läßt, daß
in ihnen die baktericide Formaldehydgrenzkonzentration erzielt
werden kann. Die Aussichten, durch Hexamethylentetramin-
therapie den Blaseninhalt zu sterilisieren, sind bei optimaler
Harnacidität außerordentlich viel bessere als bei pessimaler Harn-
acidität (= neutraler oder ganz schwach alkalischer Reaktion).
Denn die den Hexamethylentetraminzerfall ausdrückende Ge-
schwindigkeitskonstante hat bei optimaler Harnacidität einen
über 10 mal so hohen Wert als bei neutraler Reaktion.
160
Experimenteller Teil.
P. Trendelenburg:
1. Zerlegung des Hexamethylentetramins in Puffer-
gemischen fallender Acidität.
1. Reihe.
0,29%, Hexamethylentetramin in Si, HO + ®/,-Glykokoll, 8++ 2
nach 10 ір 20,0 ccm = 6,8 mg NH,; 32,4°/, des Hexamethylentetramins zerlegt
» 50
» 70
„ 90
» 120°
nach 15’
a 55
» 105
n 155
nach 25’
n 75
n 125
» 177°
295’
360’
з
n 20,0 »
15,0 »
n
» 20,0 » =179 »
n
20,0 n
= 15,6
= 12,7
== 18,8
NH, ; 80,1%),
МН,; 86,9%,
NH,; 92,09,
NH,; 96,8),
2. Reihe.
0,2%, Hexamethylentetramin in sl, DO -+"/,-Glykokoll, 7 -+3
n
n
n
n
H
n
іп 15,0 ccm = 4,5 mg NH,; 30,9°/, des Hexamethylentetramins zerlegt
» 15,0 » = 9,7 » NH,; 66,79%, »
= 12,4 n МН,; 86,29, »
„ 15,0 a = 18,7 n NH,; 93,6%, »
n 15,0 »
3. Reihe.
0,29%, Hexamethylentetramin in ?/ HO + ?/,-Glykokoll, 6+4
n
n
”
in 20,0 ccm = 5,9 mg МН, ; 30,4°/, des Hexamethylentetramins zerlegt
» 15,0 »
n 15,0 »
» 15,0
» 15,0
n
n 15,0 » =
n
= 8,7
n
n
n
n
n
МН,; 59,50),
NH,; 76,69,
NH,; 88,20],
МН,; 96,5%,
МН, ; 98,3%),
4. Reihe.
0,2%, Hexamethylentetramin in =/,-HC1 -+ ®/,-Glykokoll, 5 LS
3 3 a з
з з зз
a зз a
nach 20’ іп 20,0 ccm = 2,7mg NH,; 13,69, des Hexamethylentetramins zerlegt
n 65
120’
190’
250’
305’
360’
з з з з з
nach 30’
n 90
» 165
n 230’
n 360’
n 20,0 n
„ 20,0 n
» 15,0 »
n 15,0 »
» 15,0 »
n 15,0 »
іп 25,0 com
n 25,0 »
n 20,0 n
n 25,0 n
== 6,6
= 9,6
= 92
= 10,4
33333
n 20,0 » =102 »
МН,;; 83,89,
МН,; 49,19,
МН,; 63,29,
МН,; 71,49%
МН,; 77,8),
МН,; 84,2%,
5. Reihe.
0,2%, Hexamethylentetramin in °/,-НСІ + ?/,-Glykokoll, 3 +7
9,3°/, des Hexamethylentetramins zerlegt
= 2,2 mg NH;;
= 5,1 » МН,; 21,0%,
= 68 » МН,; 35,19,
=10,0 a NH,; 41,1%,
МН,; 52,69),
з 33333
n
n
n
n
n
з a a a a
n
n
n
ER ve d TR
kad
n
”n
Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 161
6. Reihe.
1°/, Hexamethylentetramin in n-Essigsäure
nach 15’ in 25,0 ccm = 7,8mg NH,; 3,1°/, des Hexamethylentetramins zerlegt
» 30 n» 20,0 n = 45» NH; 47% » n n
» 60 n» 25,0 » = 8,5 » МН,; 70% » n S
» 120 » 20,0 » =10,9 » NH,; 11,2%, » ” я
» 185° » 20,0 » = 11,4 n МН,; 11,79%, » ” H
„ 180° » 20,0 » =18,7 » NH,; 140%, » » H
» 310° » 20,0 » =186 » NH,; 19,1%, » » л
» 360° » 20,0 » =20,5 » NH,; 21,1%, » n n
7. Reihe.
19/, Hexamethylentetramin in */,,-Essigsäure + ”/,„-Natriumacetat, 1 + 1
nach 37’ in 25,0 com = 2,7 mg NH,; 2,2°/, des Hexamethylentetramins zerlegt
n 60 » 20,0 n = 2,9 n NH. 3,0%, n ” ы
n 95° n 25,0 n = 42» МН,; 34% „ ” *
» 140 „ 20,0 n = 48» МН,; 45% » n #
» 800° » 20,0 » = 6,4» МН,; 6,7%, » 7 т
n 360° » 20,0 » = 7,8 » МН,; 8,19, » n ”
8. Reihe.
1°/, Hexamethylentetramin in ®/, prim. +”/, sek. Natriumphosphat, 8 + 2
nach 60’ in 20,0 ccm = 0,7mg МН,; 0,7°/, des Hexamethylentetramins zerlegt
» 135° » 20,0 » = 1,1» NH; 11% » n ”
„ 320 » 20,0 » = 1,4» МН,; 1,59, » Р e
n 860 n 20,0» = 1,4» МН,; 1,5% » a e
9. Reihe.
1°/, Hexamethylentetramin in */, prim.+-®/, sek. Natriumphosphat, 1+1
nach 60’ іп 20,0 ccm = 0,3mg МН,; 0,3°/, des Hexamethylentetramins zerlegt
» 185° » 200» = 0,5 » NH; 05% » в e
» 190° » 20,0 » = 0,6 n NH,; 0,69%, » ” n
» 800 » 20,0 » = 09» NH,; 0,90, » e ”
„ 360° »„ 20,0 » = 09» МН,; 0,99, » S s
10. Reihe.
1°/, Hexamethylentetramin gab mit 1°/, Phloroglucin, in 33°/, Natron-
lauge gelöst, folgende Formaldehydreaktion (Rotfärbung):
Hexamethylentetramin gelöst in: nach 60’ nach 360’
a) 5,5 */,,-МН,ВО, + 4,5 */, HCl ++ +++
b) 5,75 ®/,0-NaH,BO, + 4,25 */„„-НС1 ++ +++
с) 7,0 °/,,-МаН,ВО, +3,0 *%/,,-НСІ + ++
d) 7,5 */,,-МаН,ВО, +2,5 "/„-НС1 + +
е) 8,0 */,,-МаН,ВО, + 2,0 ®/, HCl 0 +
f) 9,0 */,-МН,ВО, +1,0 */„-НС1 0 0
162
I 3 a a a a d ds a a a
N El e
P. Trendelenburg:
2. Colorimetrische Bestimmung der H-Ionen-
exponenten nach Sörensen.
Im Beginn Nach 360’ Indicator
1 0,5 0,6 Methylviolett
2 0,7 0,8 n
3 1,0 1,1 n
4 1,7 1,7 т
5 26 2,6 ”
6 8,9 4,0 Methylorange, Lackmus
7 5,2 5,2 Alizarinsulfosaures Natrium
8 6,3 6,3 Neutralrot, Rosolsäure
9 6,75 6,75 n ”
10а) 8,2 8,2 «&-Naphtholphthalein
10b) 8,4 8,4 ” Phenolphthalein
10 с) 8,75 8,75 D n
10d) 8,9 8,9 D n
10 e) 9,0 9,0 n D
10 f) 9,1 9,1 n n
3. Kontrollversuche.
Gehalt dat in dis меры NDR enden im райы,
N als NH,C1 Formaldehyd N
mg g mg =),
6,6 0,066 6,65 100,9
6,6 0,156 6,65 100,9
6,6 0,660 6,59 99,8
13,5 0,030 13,7 101,5
13,5 0,060 13,7 101,5
13,5 0,100 13,3 98,5
13,5 0,300 13,4 99,3
4. Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten
(x ee ) |
t c—ı
t= Zeit nach Versuchsbeginn. œ= umgesetzte Menge. c= Anfangs-
konzentration.
1. Reihe. _ 2. Reihe.
с—хж==65 k = 0,043 t= W с—х—<—61,55 k= 0,024
c— r= 46 k— 0,039 t= 40 с—2= 41,5 Е 0,022
c— r= 84 k = 0,035 t= 607 с— == 80 k = 0,020
c— == 25 k = 0,085 t= 80 с— == 22 k = 0,019
c— z= 16,5 k=0,080 t=1lW с— == 16 k = 0,018
с— == 10 k = 0,029 t=120 с— == 11,5 k=0,017
Quantit. Messungen über die Spaltung des Hexamethylentetramins. 163
= 0
t= 40
t= 60
t= 80
t=1W’
#= 150
t = 200’
t= 20
t= 40
t= 60
‚= 100
t—= 150”
t = 200
t= 250
t = 300
t = 350
t= 40
t= 80
t=100
4=— 150
t = 200’
3. Reihe.
c— z= 78
c— z= 57,5
c— х= 47
c — х == 88,5
с— z= 81
с— х = 17,5
è— == 10
4. Reihe.
с — x = 86,5
c— х= 77
с — z= 68,5
с— х= 56
с— 2 == 44,5
с — z = 85,5
с — х = 28,5
с — r = 22
с— х = 18
5. Reihe.
с — х = 88
с — z= 19,5
с — = = 16
c— == 67,5
с — 2 = 61,5
k = 0,016
k = 0,014
k= 0,012
k= 0,012
k = 0,012
k = 0,012
k = 0,012
k = 0,0073
k = 0,0068
k = 0,0063
k = 0,0058
k = 0,0054
k = 0,0052
k = 0,0050
k = 0,0050
k = 0,0049
k = 0,0032
k = 0,0029
k = 0,0027
k = 0,0021
k = 0,0025
Biochemische Zeitschrift Band 95.
t= 250
t = 300
t = 350’
t= 50
t= 100
t= 150’
t= 200
t= 250’
t = 300
t = 350
t= 60
t= 140
= 360
t= 60
t= 135’
t = 360’
t= 60’
t= 190
t= 360
c— z= 56,5 k= 0,0023
с— z= 52 k = 0,0026
c — z= 48,5 k= 0,0021
6. Reihe.
c— z= 98,5 k= 0,0013
c—x=90 k= 0,0011
c— x= 87,5 k= 0,00089
c—x=85 k= 0,00081
c—z=83 k= 0,00075
c—xz=8l k= 0,00070
c — x= 79,5 k= 0,00066
7. Reihe.
c — x = 97,8 k= 0,000387
с — z= 95,5 k= 0,00016
c—z=91,9 k= 0,00024
8. Reihe.
c — x= 99,8 Е — 0,00012
c — x= 98,9 k= 0,000082
c— z= 98,5 k= 0,000042
9. Reihe.
c — z = 99,7 Е — 0,000050
с — z= 99,4 k= 0,000031
c — z= 99,1 k= 0,000025
12
Über die Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen.
Von
О. Tunmann.
(Eingegangen am 13. April 1919.)
Wir sind über die Frage, wie sich die Alkaloide bei Ver-
wundungen von Pflanzen verhalten, nur recht mangelhaft unter-
richtet. Es ist nicht sicher festgestellt, ob die Verwundung
eine Vermehrung oder Verminderung der Alkaloidbildung zur
Folge hat. Meines Wissens hat nur Troegele!) die Frage
näher verfolgt und unter Hinweis auf die Cinchonen eine Ver-
mehrung der Alkaloide bei Verwundungen angenommen. „Ein
Beispiel dafür, daß im Anschluß von Verwundung eine reich-
lichere Alkaloidbildung stattfindet, sind die Cinchonen, bei
denen nach Entfernung der Rinde ein hoher Alkaloidgehalt
in der sich neu bildenden Rinde beobachtet werden kann.“
Des weiteren hat Troegele eigene Versuche an Atropa Bella-
Чоппа angestellt. Er schnitt aus dem Stengel 5 com lange,
bis ins Mark gehende Stücke heraus und fand: „eine außer-
ordentliche starke Anhäufung von Alkaloiden an der verletzten
Stelle, und zwar in allen histologischen Elementen; aber auch
die der Wundfläche naheliegenden Gewebepartien zeigen diese
Überschwemmung mit Alkaloiden.“ Vermutlich seien die Al-
kaloide nach der Wundfläche geleitet worden, da nach früheren
Untersuchungen die Wanderung der Alkaloide in der Achse
erwiesen sei. — Wie man sieht, ist die ganze Frage so gut
wie ungeklärt.
Zunächst möchte ich drei verschiedene Fälle auseinander-
1) F. Troegele, Über das Verhalten der Alkaloide in den Organen
der Atropa Belladonna L., Würzburger Dissertation 1900, S. 82%.
O. Tunmann: Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen. 165
halten: I. der Wundreiz kann eine Änderung im histologischen
Aufbau zur Folge haben, wodurch eine Änderung im Alkaloid-
gehalt bedingt wird. II. Selbstverständlich werden bei Ver-
wundungen die Alkaloide sich aus den angeschnittenen Zellen
an der Wundfläche anhäufen. An dieser Anhäufung können
sich die Alkaloide der benachbarten Gewebe beteiligen (Ände-
rung der osmotischen Verhältnisse). III. Der Wundreiz könnte
direkt eine Alkaloidvermehrung zur Folge haben, die gleich-
zeitig mit dem Prozeß der Wundvernarbung stattfindet.
Naturgemäß sind hier die milchsaftführenden Alkaloid-
pflanzen auszuscheiden. Ganz allgemein. ist es nicht angängig,
die bei jenen Pflanzen gemachten Befunde auf die übrigen
Alkaloidpflanzen zu übertragen, wie es in neuester Zeit giel
fach geschieht.
Gehen wir nun auf die oben genannten drei Fälle näher
еш. I. Die Annahme Troegeles, daß der Wundreiz bei den
Cinchonen eine reichlichere Alkaloidbildung bedingt, trifft nicht
zu. Der höhere Alkaloidgehalt der sogenanntsn renewed bark
ist auf die reichliche Bildung parenchymatischer Elemente zu-
rückzuführen [Tschirch')]. Nur die Parenchymzellen führen
Alkaloide, wie zuerst einwandfrei makrochemisch von Carl
Müller (Heidelberg 1869), mikrochemisch von Parfenow (Dor-
pat 1885) gezeigt wurde. Die Bastfasern sind alkaloidfrei. Auch
bei der Yohimbe-Rinde erhält man im Wundparenchym be-
sonders scharfe Alkaloidreaktionen. „Ebenso wie bei den Cin-
chonen fehlen bei Coryanthe im Wundparenchym die alkaloid-
freien Bastfasern, die natürlich den Gesamtgehalt der Rinde
herabsetzen“ [Tunmann?)]. Somit steht bei diesen Pflanzen
die Alkaloidvermehrung nur indirekt mit dem Wundreiz in
Verbindung. Durch die Verwundung erfolgt nur eine vermehrte
Bildung von Parenchym.
П. Troegele schnitt aus der Achse von Atropa Bella-
donna 6 cm lange, bis ins Mark reichende Stücke heraus. Da
mir die Pflanzen bei diesen Verwundungen erkrankten, stach
ich mit einem scharfen Korkbohrer 3 bis 4 mm breite Stücke
1) Tschirch in Tschirch-Oesterle, Anatomischer Atlas, S. 35.
з) Tunmann, Über angewandte Pflanzen-Mikrochemie, Natur-
forscher-Vers., Karlsruhe 1911.
12*
166 O. Tunmann:
heraus und stützte auf beiden Seiten die Pflanzen durch
schmale Schienen. Nach etwa vier Wochen wurden die durch
verkorktes Parenchym abgeschlossenen Wunden untersucht.
Mikrochemisch konnte eine Alkaloidvermehrung nicht wahr-
genommen werden, insbesondere war eine „Überschwemmung
.der Wundstelle mit Alkaloiden“ bei den angestellten vier Ver-
suchen ausgeschlossen. Troegele zieht zur Erklärung seines
Befundes die Wanderung der Alkaloide in der Achse heran.
Aber diese erfolgt, soweit wir es derzeit beurteilen können,
ungemein langsam. Normalerweise alkaloidfreie Zellen waren
nach der Vernarbung noch alkaloidfrei. Man kann bis jetzt
nur sagen, daß bei Verwundungen sich lediglich jene Alkaloide
anhäufen, die in den angeschnittenen Zellen und in den diesen
benachbarten Zellen enthalten waren.
ПІ. Es ist von vornherein wenig wahrscheinlich, daß der
Wundreiz eine Alkaloidvermehrung bedingt. Die Alkaloide
kommen als Bausteine bei der Wundheilung nicht in Betracht.
Hierzu dienen in erster Linie Polysaccharide und Fettsäuren
(zur Membranbildung, zur Kutinisierung und Verkorkung). Bei
Pflanzen mit Glucotannoiden erfolgt an der Wundstelle eine
Spaltung dieser Körper, die gerbstoffartigen Spaltlinge gehen
durch Oxydation in Phlobaphene über und durchtränken die
Membranen. Die Alkaloide verkleben auch nicht die Wunde
wie Harz oder Milchsaft.
Um künstliche Eingriffe auszuschalten, wurden die durch
Erdflöhe und Schnecken heimgesuchten Blätter von Atropa
Belladonna untersucht.
Die von den Larven der Erdflöhe angefressenen Blätter
sind bekanntlich stark „durchlöchert“. Der die Löcher um-
gebende Hof erscheint hellgelb und ist chlorophylifrei. Mikro-
chemisch gibt dieser Hof keine Alkaloidreaktion. Es muß
angenommen werden, daß die vorhandenen Alkaloide zersetzt
sind und neue Alkaloide nicht mehr gebildet wurden. Es
wurden einige quantitative Bestimmungen an gleich großen
Blättern ausgeführt, und zwar wurden die ausgezogenen Al-
kaloide mit Kieselwolframsäure gefällt (Näheres über das Ver-
fahren ist in der Dissertation des Herrn Ed. Baur, Bern 1919,
zu ersehen).
\
Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen. 167
Frühjahr Juni Ende Juli
lo % °%
Angefressene Blätter. 0,044 0,039 0,023
Ganze Blätter . . . 0,041 0,043 0,030
Zu diesen Werten ist zu bemerken, daß im Belladonna-
blatt die Hauptmenge der Alkaloide in den Nerven auftritt,
und daß andererseits die Erdflöhe nur die Lamina anfressen.
Des weiteren wurde der Alkaloidgehalt von Gehäuse-
Schnecken angefressener Blätter, sowie der Gehalt gleich großer
und zu gleicher Zeit geernteter ganzer Blätter bestimmt.
Angefressene Blätter . 0,049°/, (auf Frischgewicht bezogen)
Ganze Blätter . . . 0,0879/, ( » » » )
Der höhere Gehalt der angefressenen Blätter ist hier ebenfalls
auf die Tatsache zurückzuführen, daß die Schnecken vorzugs-
weise die alkaloidarme Lamina fressen. Nun wurde der Ver-
such wiederholt, aber nur die bis zur Mittelrippe abgetrennten
Blatthälften in Untersuchung genommen.
I п
le >Si
Angefressene Blatthälften 0,027 0,022 (auf Frischgewicht bezogen)
Ganze Blatthälften . . . 0,026 0,022 ( » » » )
Bei den bisher angeführten Versuchen stammte das Matgrial
von im Freien wachsenden Sträuchern her.
« Zu der folgenden Bestimmung (ausgeführt nach dem Deut-
schen Arzneibuch) benutzte ich frische am Zweige befindliche
Belladonnablätter. Die Gehäuseschnecken (Helix-Arten) nehmen
auch nach längerer Hungerzeit die Blätter niemals an, selbst
nicht die frisch gepflückten. Erst wenn die Blätter kräftig be-
netzt sind, werden sie gierig verzehrt!). Die Schnecken wurden
1) Man nimmt allgemein an, daß die Schnecken unempfindlich für
bestimmte Alkaloidpflanzen sind (Spezialisten im Sinne von E. Stahl).
Nach meinen Erfahrungen fallen noch weitere Punkte wesent-
lich in Betracht. Es ist mit Sicherheit festgestellt, daß der Alkaloid-
gehalt in der Lamina der Blätter von Atropa nach längerer Regenzeit
ein bedeutend geringerer ist als bei schönem Wetter. Nach Regen-
wetter finden sich die Alkaloide vorzugsweise in den Hauptnerven. Die
Schnecken fressen aber nur gut benetzte Blätter, also nur Blätter nach
dem Regen, d.h. alkaloidarme. Die stärkeren Nerven werden weniger
verzehrt und überdies in unverdautem Zustande ausgestoßen. Nur die
168 O. Tunmann:
nun nur auf den einen (angefeuchteten) Blatthälften zum Fraße
zugelassen, und zwar so lange, bis annähernd ein Drittel der
Blattfläche verzehrt war. Alsdann wurde der Zweig auf zwei
Tage ins Wasser gestellt. Schließlich wurden die Blatthälften
scharf am Hauptnerv abgetrennt und quantitativ untersucht.
°%
Ganze Віа еп . . . (im Mittel) 0,032 (auf Frischgewicht)
Angefressene Blatthälften ( » » ) 0,029 (» » )
Sämtliche Bestimmungen stimmen mit den mikrochemi-
schen Befunden überein und zeigen, daß der Wundreiz auf die
Alkaloidbildung keinen Einfluß ausübt und daß an den Wund-
rändern keine Anhäufung der Alkaloide stattfindet. —
Die an Atropa Belladonna erzielten Ergebnisse wurden
an Pilocarpus pennatifolius Lem. ergänzt. Die Versuchspflanze
war eine neunjährige kräftige Topfpflanze. In gleich langen
Blättern wurden an den einen Blatthälften mit einem Kork-
bohrer Blattstückchen herausgehoben. Die Blätter verblieben
darauf noch zwei.Wochen an der Pflanze. Einige Blätter zeigten
um die Wunde größere etiolierte Zonen. Die meisten Blätter
blieben völlig grün, die Wunden waren vernarbt, überwiegend
mit harzigem Sekret (aus den schizolysigenen Drüsen) ver-
schmiert. In den Wundrändern waren Alkaloidreaktionen
zweifelhaft. Nach zwei Wochen wurden die Blätter abgepom-
men, die Blattbälften an der Mittelrippe abgeschnitten und
sofort untersucht. Bestimmung nach Keller-Fromme:
Lamina fällt der Verdauung anheim.' In den ausgestoßenen Nerven-
stückchen habe ich stets schärfere Alkaloidreaktionen erhalten als in
den Exkrementen. Zuweilen gelang der Alkaloidngchweis in den Ex-
krementen nicht. — Hasen und Kaninchen sollen nach Angaben der
Literatur bei ausschließlicher Fütterung mit Atropa Belladonna gut ge-
deihen. Nur Peyer (Biolog. Studien über Schutzstoffe, Jenaer Dissert.
1911) fand, daß diese Tiere Atropablätter niemals annahmen. Bei
unseren Versuchen fraßen stark hungernde Kaninchen zunächst die
Blätter, nahmen sie aber bei der zweiten Fütterung nur wenig und mit
sichtbarem Widerwillen an. In den Exkrementen gelang der Nachweis
der Alkaloide nicht. Dieser Befund scheint mir die Angaben von
J. Clark zu bestätigen (Brit. med. Journ. 26. X. 1912), nach denen die
Kaninchen in der Leber Enzyme enthalten, die Atropin zersetzen.
Alkaloide bei Verwundungen der Pflanzen. 169
Trocken- Alkaloid Alkaloid
substanz g °% |
10 Blatthälften, 11 ст lang. . 6,34 0,058 = 0,91
Die zugehörigen, ausgestochenen
10 Blatthälften . . .... 4,58 0,041 = 0,89
Die herausgestoßene Blattmasse war für eine quantitative Be-
stimmung zu gering.
Somit stimmt Pilocarpus pennatifolius Lem. mit Atropa
Belladonna L. überein. Eine Anhäufung der Alkaloide findet
bei auf künstlichem oder natürlichem Wege entstandenen Blatt-
wunden nicht statt. Bei den Achsen sammeln sich an den
Rändern der Wunde nur die Alkaloide der angeschnittenen
Zellen und der diesen benachbarten Zellen an. Der Wund-
reiz übt auf die Alkaloidbildung keinen Einfluß aus.
Untersuchungen über Säurebildung bei Pilzen und Hefen
III. Mitteilung.
Von
Friedrich Boas und Hans Leberle.
(Aus dem botanischen und dem chemisch-technischen Laboratorium der
Akademie Weihenstephan.) |
(Eingegangen am 14. April 1919.)
Mit 3 Kurventafeln im Text).
In der vorliegenden Arbeit kommen Versuche zur Dar-
stellung, in denen unser Versuchspilz Aspergillus niger zur
Deckung seines Stickstoffbedürfnisses bei seinem Eiweißaufbau
stets 2 Stickstoffverbindungen zur Verfügung hatte. Die
eine dieser Stickstoffverbindungen war bei allen Versuchen
Ammonsulfat; die andere Asparagin oder Acetamid, oder eine
Aminosäure, wie Glykokoll. Es hat der Pilz demnach die Wahl
zwischen dem Verbrauch von Ammonsulfat, wobei sich stets
freie Schwefelsäure bildet und alle Folgen der Wirkung
starker Säuren sich bemerkbar machen, und dem Verbrauch
der erwähnten organischen Stickstoffverbindungen, bei deren
Verarbeitung keine starken Säuren oder sonstige schädliche
Stoffwechselverbindungen auftreten. Es handelt sich also
bei unserer Versuchsanordnung, wo infolge der Zusammensetzung
der Nährlösung eine Neutralisation der gebildeten Säure un-
möglich war, um die Wahl zwischen den schädlich werdenden
anorganischen und den unschädlichen organischen Stickstoff-
verbindungen. Die folgenden Untersuchungen bringen daher
1) Siehe diese Zeitschr. 90, 78ff., 1918 und 92, 171ff., 1918.
F. Boas u. H. Leberle: Säurebildung bei Pilzen und Heften ПІ. 171
einen Beitrag zur Lehre von dem elektiven Stickstoffwechsel,
was insofern wichtig ist, als eingehende Versuche in dieser
Richtung, abgesehen von den Arbeiten Zaleskis!), noch nicht
vorliegen. Zwar ist allgemein bekannt, daß z. B. Ammonsalze
durchwegs den Nitraten vorgezogen werden, doch fehlt es hier
noch sehr an genaueren Arbeiten. Die vorliegenden Darstel-
lungen sind auch insofern von Interesse, als sie quantitative
Untersuchungen allerdings nur der Werte der aktuellen Säure
bringen, woran es bis jetzt gefehlt hat; jedenfalls können unsere
Messungen als quantitativ angesehen werden, wenn auch in
einzelnen Fällen vielleicht eine eingehendere chemische Analyse
noch erwünscht gewesen wäre. Ез sind in der vorliegenden
Arbeit neben den Zahlen der [Wrsentöffionenkonsentraiion
noch alle irgendwie nötigen Angaben, wie Erntegewicht, Auf-
treten von Ammoniak in der Nährlösung, Ausbildung der Ko-
nidien vorhanden, um in allen Fällen ein klares Bild zu er-
langen, da z. В. die pp-Werte an sich gar nichts aussagen, wenn
nicht auch die morphologischen Angaben als Vergleichswerte
der Wachstumsintensität vorhanden sind. Ohne die gleichzeitige
Verwertung aller Angaben müssen eben die Ergebnisse immer
unbestimmt und ungenügend für weitere Schlüsse bleiben.
Die Nährlösung war wie bei unseren früheren Versuchen °)
zusammengesetzt, ebenso waren die Kulturbedingungen dieselben.
In Versuch 41 wurde ausschließlich Acetamid, in Versuch 25
nur Ammonsulfat verwendet. In Versuch 42 wurde eine Mi-
schung dieser beiden Stickstoffquellen angewandt. Die Kon-
zentration der Kohlenstoffquelle betrug 5°/, Dextrose. In Ver-
such 41 und 25 wurde je 0,5°/, Stickstoffquelle gegeben, in
Versuch 42 je 0,25°/, Acetamid und Ammonsulfat verwendet.
Acetamid ist als Säureamid eine ziemlich schlechte Stick-
stoffquelle®), ist aber im Gegensatz zu Ammonsulfat ziemlich
lipoidlöslich, es besteht also, falls die Lipoidlöslichkeit den
Verbrauch reguliert, die Möglichkeit, daß Acetamid in Stickstoff-
1) W. Zaleski und W. Israilsky, Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 32,
472 bis 479, 1914; ferner W.Zaleski und D. Pjukow, ebenda 479 bis
483, 1914.
2?) F. Boas und Hans Leberle, diese Zeitschr. 90, 78 ff. und 92,
170#:., 1918.
2) Vergl. hierzu die Arbeiten von Czapek, Lutz, Boas.
172 F. Boas und H. Leberle:
gemischen dem Ammonsulfat vorgezogen wird. Bei Verarbeitung
des Ammonsulfates kommen bekanntlich alle Einflüsse der frei
werdenden starken Schwefelsäure zur Geltung, nämlich Unter-
drückung der im normalen Stoffwechsel auftretenden Oxalsäure,
Bildung löslicher Stärke und Verzögerung der Konidienbildung.
Es handelt sich also um tief in den Stoffwechsel einschneidende
Störungen. Theoretisch bzw. teleologisch könnte also im vor-
liegenden Fall sehr wohl das harmlose Acetamid dem schädlich
wirkenden Ammonsulfat vorgezogen werden. In Wirklichkeit
wird Ammonsulfat verarbeitet und Acetamid quantitativ un-
berührt gelassen, wie die folgenden p„-Werte zeigen:
Versuch 41 42 48 25
Dextrose-
Dextrose- Acetamid- Dextrose- Dextrose-
Acetamid Ammonsulfat Ammonsulfatt Ammonsulfat
END (је 0,25%/,) KIND 4 MN
Kontrolle ру 4,86 4,38 4,68 4,12
2. Tag 3,76 e 2,47 1,89 1,84
3. n 3,49 1,91 1,70 1,68
‚4. » 8,40 1,67 1,70 —
5. » 8,17 1,74 1,84 —
6. » — — — 1,93
7.» — 2,55 — —
Wie die Säurewerte zeigen, stimmen die Maximalzahlen
der in Betracht, kommenden Versuche so vollkommen überein
(Pa 1,67 Versuch 42, рр 1,70 Versuch 48 und py 1,68 Ver-
such 25), daß der Schluß als einwandfrei erscheint, daß Acet-
amid neben Ammonsulfat vollkommen unberührt bleibt. Die
Lipoidlöslichkeit des Acetamides ist demnach als be-
deutungslos für die Möglichkeit seines Verbrauches zu
betrachten.
ў Wir lassen auch noch die Erntegewichtszahlen, die ganz
in dem vorgetragenen Sinne sprechen, hier folgen:
Versuch 41 42 48
Dextrose- Dextrose-Acetamid- Dextrose-
Acetamid Ammonsulfat Ammonsulfat
2. Tag 0,008 g 0,287 g —
sofort viele weiße Decke
Konidien
Säurebildung bei Pilzen und Hefen. III. 173
Versuch 41 42 48
Dextrose- Dextrose Acetamid- Dextrose-
Acetamid Ammonsulfat Ammonsulfat
3. Tag ‚0,0095 g 0,729 g 0,832 g
weiße Decke
4. n 0,0145 » ` 1,115» 0,852 g
5. n 0,0240 » 1,089 » —
wenig Konidien
T » — ' 0,935 g —
Das Vorhandensein von Oxalsäure in der Nährlösung zeigt
folgende Übersicht:
Versuch 41 42 48
2. Tag — Sech SE
3. a (+) Spur — —
A. » + deutlich p =
Statt der Oxalsäure findet sich als Schwefelsäurewirkung
in Versuch 42 (48 als Vergleich) lösliche Stärke in der Nähr-
lösung, wie die folgende Übersicht zeigt. Lösliche Stärke in
der Nährlösung am:
Versuch 41 42 48
Tag — (keine lösliche Stärke, 5 u
weil mit der entstehen-
H = x — =
den Oxalsäure eine zu
7 geringe Menge [Н-] er-
n PS zielt wird)
+
(+) Spur
++
Fig. 1. Kurve I. Mischung
von Stickstoffquellen. 7
Organismus: Aspergillus niger,
Versuch 41. Dextrose - Aoeta 2
mid.
” 25. Dextrose-Am- ;
monsulfat.
л 42, Dextrose-Aceta- „P
mid- Ammon- Р
sulfat.
Auch aus dieser vergleichenden Übersicht kann daher der
berechtigte Schluß gezogen werden, daß bei gleichzeitigem Vor-
handensein von Acetamid und Ammonsulfat nur letzteres ver-
braucht wird, Acetamid aber nicht in den Stoffwechsel für den
Eiweißaufbau gezogen wird.
174 F. Boas und H. Leberle:
Die Py -Werte dieser Versuchsreihen sind in Kurve I zu-
sammengestellt. Diese Kurve macht im Verein mit den vor-
stehenden Angaben eine weitere Erörterung unnötig.
II.
Wenn wir statt der Kombination Säureamid-Ammonsulfat
die Kombination Amid-Aminosäure wählen, so erhalten wir
insofern ganz genau die gleichen Verhältnisse, als nämlich die
lipoidunlösliche Aminosäure dem lipoidlöslichen Amid fast
quantitativ vorgezogen wird. Als Amid wurde wieder Acetamid
und als Aminosäure Glykokoll gewählt. Säurewirkungen durch
stoffwechselfremde Säuren bleiben hier aus, denn in beiden
Fällen entsteht das normale Stoffwechselprodukt des Aspergillus
niger, die Oxalsäure. Wie die Kurve II zeigt, beeinflußt Acet-
amid den Verlauf der Säurebildung kaum. Charakteristisch ist
für Glykokoll allein, wie für die Mischung Acetamid-Glykokoll
der starke Abfall der Kurve; dieser Abfall fällt in der Haupt-
sache mit dem Auftreten
von viel Ammoniak in der
Nährlösung zusammen als
Folge von Desamidierung
von Glykokoll und der
` durch Selbstverdauung
(Proteolyse des Pilzes)
auftretenden großen Men-
genvon Ammoniak undal-
kalisch reagierenden Ver-
bindungen. Dagegen tritt
in der Acetamidlösung
Ammoniak erst nach
langer Versuchsdauer auf.
Die Erntegewichte, eben-
so das Auftreten von
Fig. 2. Kurve П. Konidien, stimmen bei
Glykokoll (45) und Gly-
kokoll-Acetamid (43) so genau überein, daß der Schluß ge-
rechtfertigt ist, daß Acetamid jedenfalls nur in Spuren
verarbeitet werden kann. Die sämtlichen hierher gehören-
den Angaben sind in der folgenden Übersicht vereinigt.
Säurebildung bei Pilzen und Hefen. III. 175
Legende zu Kurve II. Versuch 41, 45, 43.
Versuch 41 45 43
Dextrose- Dextrose- Dextrose-
Acetamid Glykokoll Glykokoll-Acetamid
(0,5%) (0,5%) бе 0,25%)
1. Erntegewichte.
am 2. Tag 0,008 g 0,3585 g 0,321 g
n 3. » 0,0095 » 0,6645 » 1,0085 »
n 4. n»n 0,0145 » 0,9030 » 1,253 »
n 5. » 0,0240 » 0,9240 » 1,070 »
— — 0,714 »
2. Neßlerreaktion.
am 2. Tag — — —
n 3. n — + gelb
» 4. » -— + stark +
n 5. n»n — ++ n +
n 7. » — ++ » ++
3. Konidienbildung.
am 2. Tag Viele Schneeweiße Weiße Decke
Konidien Decke
n 3. ». до. до. Wenig Konidien
n 4. n Schwarze Wenig Konidien n D
Pilzdecke
n 5. » do. Viele я Viele ”
4. Werte der aktuellen Säure.
рн Kontrolle 4,86 4,88 4,77
am 2. Tag 3,76 3,26 3,75
n 3. » 3,49 2,77 2,81
n 4. » 3,40 2,53 3,48
n 5 » 3,17 3,26 4,86
» 7.» — 4,19 7,12
III.
Als dritten Versuch für die Auswahl der Stickstoffquelle
durch den Pilz wählten wir ein hochmolekulares Eiweiß, Pepton
in der Mischung mit Ammonsulfat.
Auch in dieser Mischung wird wie in den Versuchen 41
bis 42 (Acetamid-Ammonsulfat) quantitativ das Ammonsulfat
verbraucht, obwohl Pepton eine sehr gute Stickstoffquelle ist.
In Versuch 46 wird als Stickstoffquelle Pepton verwendet,
während der zum Vergleiche mit angeführte Versuch 25 Ammon-
sulfat enthält. In Versuch 47 ist wieder durch Mischung gleicher
176 F. Boas und Н. Leberle:
Teile der beiden Stickstoffquellen von 46 und 25 die Konzen-
tration der Stickstoffquelle је 0,259/,.
Die рһ-Ұегќе kommen in der Kurve III zur Darstellung,
während die übrigen zum Verständnis nötigen Zahlen wie die
Angaben: über Erntegewichte, Ammoniakreaktion und Konidien-
bildung in der folgenden Tabelle niedergelegt sind.
Versuch 46 Versuch 47 Versuch 25
Dextrose-Pepton- Dextrose-
Dextrose-Pepton Ammonkuftat Ammonsulfat
(0,59/,) бе 0,259/,) (0,5°,)
Ausgangs-py 5,65 5,53 4,12
nach 2 Tagen 3,09 2,36 1,84
» З n 2,62 1,87 1,68
n 4 n 2,29 1,91 1,91
n 5 n 2,11 1,94 —
n 6 n»n — — 1,93
n 7» 2,45 1,94 —
Fig. 3. Kurve III.
Legende zu Kurve III.
Versuch 46 Versuch 47
Dextrose-Pepton ek er
Erntegewichte:
2. Tag 0,1580 g 0,2450 g
3. » 0,2440 » 0,5385 »
4. » 0,3310 » 0,6890 »
5. » 0,7020 » 0,8000 »
Säurebildung bei Pilzen und Hefen. III. 177
Neßlerreaktion:
2. Tag — ++ sehr stark
3. n — + Abnahme deutlich!
4. » — Nur noch Spuren
(schwache Gelbfärbung
der Nährlösung)
5. n» — Nur noch Spuren
Konidienbildung:
2. Tag Sehr wenig schneeweiß
5. » mäßig weniger als 46
Die p„-Werte der Versuche 47 und 25 liegen so nahe
beieinander, nämlich py 1,68 in Versuch 25 und 1,87 in Ver-
such 47, daß man von einem fast ausschließlichen Verbrauch
von Ammonsulfat sprechen kann, daß also Pepton unberührt
bleibt. Wenn die immerhin bemerkliche Differenz von 0,19
zwischen den beiden Versuchen besteht, so darf nicht übersehen
werden, daß die Ausgangswerte mit рр 5,53 in Versuch 47
und 4,12 in 25 beträchtlich auseinanderliegen und daß ver-
mutlich Pepton eine gewisse Menge von Wasserstoffionen weg-
fangen wird. Aus diesen Gründen darf die erwähnte Differenz
als unwesentlich betrachtet werden. Auch der Verlauf der
beiden Kurven, die, von dem verschiedenen Ausgangspunkt
abgesehen, völlig parallel sich verhalten, und der völlig iden-
tisch absteigende Ast des zweiten Teils der Kurve sprechen
dafür, daß іп Pepton-Ammonsulfatgemisch nur Ammonsulfat
verarbeitet wird.
Die Erntegewichte lassen deutlich den Einfluß von Ammon-
sulfat erkennen, das Wachstum erfolgt rascher, aber als Folge
der stärkeren (Н) in der Nährlösung wird die Konidienbildung
verlangsamt. Bemerkenswert ist ganz besonders das Ver-
schwinden von Ammoniak in der Nährlösung in Ver-
such 47; dies zeigt ja allein schon den raschen Verbrauch von
Ammonsulfat an. In der Peptonkultur (Versuch 46) tritt in
der Versuchszeit kein Ammoniak auf; daher ist auch aus diesen
Angaben auf den alleinigen Verbrauch von Ammonsulfat in
Versuch 47 zu schließen. Wenn außerdem Ammonsulfat allein
verbraucht wird, dann muß es sehr rasch verschwinden, weil
0,25 bis 0,3°/, Ammonsulfat gerade die nötige Stickstoffmenge
liefern, damit der Pilz 5°/, Dextrose verarbeiten kann. Auch
178 F. Boas u. H. Leberle: Säurebildung bei Pilzen u. Hefen. III.
diese Forderung ist erfüllt, indem, wie die Angaben zeigen,
Ammonsulfat bereits am 4. Tag nur noch in Spuren vorhanden ist.
Als gemeinsames Merkmal ist den sämtlichen angeführten
Versuchen eigen, daß, wenn Aspergillus niger die Wahl zwischen
zwei Stickstoffquellen hat, von denen die eine еіп Ammonsalz
der starken Mineralsäuren ist, er dann immer das Ammonsalz
verbraucht und zwar so ziemlich allein. Daß dabei eine hohe
Wasserstoffionenkonzentration entsteht und alle die schädlichen
Folgen hoher (Йй), wie Auftreten löslicher Stärke in der Nähr-
lösung sowie teilweise Hemmung der Konidienbildung eintreten,
zeigt, daß einzig physikalisch-chemische Gesichtspunkte
über den Verbrauch der Stickstoffverbindungen ent-
scheiden.
Die Ammonsalze unterscheiden sich nun durch die
Größe der Dissoziation beträchtlich von allen anderen
verwendeten Stickstoffverbindungen, wie Glykokoll, Acetamid,
Pepton. Die Größe der Lipoidlöslichkeit dagegen spielt
offenbar keine Rolle, sonst müßte das lipoidlösliche
Acetamid dem lipoidunlöslichen Ammonsulfat vorge-
zogen werden. Als allgemeines Resultat ergibt sich,
daß stark dissoziierte Stickstoffverbindungen schwach
dissoziierten vorgezogen werden, selbst wenn dabei schäd-
liche Nebenwirkungen, wie starke Säurewirkungen und deren
Folgen, z. B. Unterdrückung der Konidienbildung, Bildung lös-
licher Stärke in der Nährlösung, sich einstellen. Teleologisch
gesprochen wird also das schädlich wirkende Ammonsalz den
harmlosen organischen Stickstoffverbindungen vorgezogen, auch
wenn dabei der Pilz sich stark schädigt oder durch Säure fast
vergiftet.
Nachtrag zu unserer 1. Arbeit.
Auf Seite 80 dieser Zeitschrift Bd. 90 1918 haben wir unter den
Autoren, die den Lüersschen Standpunkt des Säureoptimums der Hefe
bei рн 2,73 übernommen haben, auch Н. v. Euler erwähnt. Euler
legt nun brieflich Wert darauf, festgestellt zu sehen, daß er gegenteiliger
Ansicht ist. Diese Richtigstellung des Eulerschen Standpunktes wollen
wir hiermit erfolgen lassen. Möglich war unsere andere Auffassung, weil
aus der angezogenen Stelle bei Euler und Lindner (Chemie der Hefe
und der alkoholischen Gärung) der Eulersche Standpunkt nach unserer
Meinung nicht völlig klar hervorgeht.
Zur Methodik der chemischen Blutanalyse.
I.
Kritik der Enteiweißungsmethoden.
Von
M. Richter-Quittner.
(Aus dem chem. Laboratorium des Kaiserin-Elisabeth-Spitales in Wien;
Vorsteher Prof. Dr. W. Falta.)
(Eingegangen am 15. April 1919.)
Theoretischer Teil.
Eine chemische Blutanalyse muß einer doppelten Aufgabe
gerecht werden. Sie muß von chemischen und biologischen
Gesichtspunkten aus richtig sein. Als erste Voraussetzung muß
die Blutanalytik wohl den Ansprüchen des Chemikers genügen,
und ich möchte hier zunächst die Forderung erheben, daß bei
allen derartigen Analysen nicht mit dem Ausgangsmaterial ge-
spart werden darf. Bei allen klinischen Untersuchungen ist es
gewiß selbstverständliche Pflicht, dem Patienten möglichst
wenig Blut zu entnehmen, und es werden daher Mikroverfahren
den Vorzug verdienen. Es ist aber meiner Ansicht nach vom
rein chemischen Standpunkt aus nicht gleichgültig, ob man
z. B. für eine Blutzuckerbestimmung nach Bertrand 30 oder
5 ccm Blut verwendet. Das Blut wird im allgemeinen nach
Rona und Michaelis enteiweißt, man arbeitet hier zweck-
mäßig, um das Auswaschen zu vermeiden, mit aliquoten Teilen
und bekommt bei einem Ausgangsmaterial von 30 ccm Blut
höchstens 20 cem Blut zur weiteren Verarbeitung, die ca. 14 mg
Zucker enthalten. Kleinere Mengen als 10 mg lassen sich aber
mit der Kaliumpermanganatlösung nach Bertrand nicht mehr
titrieren, man müßte stark verdünnte Lösungen verwenden und
Biochemische Zeitschrift Band 95. 13
130 M. Richter-Quittner:
verständlich für unerläßlich. Ich warne daher vor Ver-
wendungen kleiner Blutmengen bei Makroanalysen. Bei
Mikroanalysen halte ich 2 ccm Blut für das äußerste Minimum.
Analysen, die in 2 bis 3 Tropfen Blut ausgeführt werden,
können meiner Ansicht nach nicht richtig sein, da Blut keine
ionisierte Lösung ist und 1 Tropfen Blut niemals mit einem
zweiten Tropfen vollkommen identisch sein kann. Auf die For-
derungen, die von biologischer Seite aus erhoben werden
müssen, kann ich hier nicht eingehen. Die beste chemische
Analyse ist wertlos, wenn die biologische Fragestellung falsch
ist. Daß vom biologischen Standpunkt weder Vollblut, noch
Serumanalysen allein richtig sind, sondern vor allem das Plasma,
unter Umständen aber auch noch das Gesamtblut untersucht
werden muß, ist von W. Falta?) ausführlich dargelegt worden,
ebenso, daß bei der Plasmagewinnung die Blutkörperchen nicht
geschädigt werden dürfen, da sonst die diffusiblen Substanzen
des Plasmas in die Blutkörperchen hineindiffundieren und man
im Plasma zu niedrige Werte erhält. Ich will hier nur auf die
chemischen Voraussetzungen einer richtigen Blut-
analyse eingehen und mich bemühen, zu zeigen, daß eine
gute Enteiweißung der Grundstock ist, auf dem wir weiter
aufbauen können.
Die Enteiweißung von Blut, Plasma oder Serum
ist das wichtigste und zugleich schwierigste Kapitel
der ganzen Blutanalytik. Ich konnte mich überzeugen, daß
die Richtigkeit einer chemischen Blutanalyse in allererster Linie
von der Art der Enteiweißung abhängt. Da die Gegenwart von
Eiweißkörpern die Fällungsreaktionen vielfach stört, so müssen
die Eiweißkörper vollständig entfernt werden, bevor die übrigen
Blutbestandteile untersucht werden können. Es stehen uns
hierfür drei prinzipiell verschiedene Wege offen.
1. Zerstörung der Eiweißkörper durch Veraschung auf
nassem oder trockenem Wege.
2. Fällung der Eiweißkörper.
3. Dialyse.
ече unsichere Werte. Auch halte ich Kontrollanalysen selbst-
1) W. Falta, Über die Verteilung der diffusiblen Substanzen auf
Körperchen und Plasma im strömenden Blut. Vortrag vom 7. April 1919.
(Wiener klin. Wochenschr.)
Chemische Blutanalyse. I. 181
Die Veraschungsmethode eignet sich ausschließlich für
Analysen von anorganischen Bestandteilen wie Chloride, Na, K,
Ca usw. und hat daher ein sehr kleines Anwendungsgebiet. Vom
biologischen Standpunkt aus sind die Veraschungs- und Fällungs-
analysen nicht gleichwertig, da sich ein Teil der anorganischen
Salze’ in organischer Bindung befindet, die bei der Zerstörung
des Eiweißes gesprengt wird. Ich verweise hier auf die Ar-
beiten von Rona über „Das gebundene Ca“ und auf unsere
Mitteilung über das Vorkommen von gebundenem Chlor im
Blutplasma.
Die gebräuchlichsten Veraschungsmethoden sind das Ver-
fahren von Neumann mit Schwefelsäure und Salpetersäure,
von Korany mit Kaliumpermanganat und Salpetersäure und
die trockene Veraschung von Abderhalden. Ich will auf
diese Methoden hier nicht weiter eingehen.
Das Dialysierverfahren hat bis nun keine Anwendung in
der Blutanalytik gefunden, doch ist es mir gelungen, eine
Dialysiermethode auszuarbeiten, die ich für Reststickstoff-
bestimmungen empfehlen kann. Ich werde diese Methode an
anderer Stelle ausführlicher beschreiben.
Die Fällung der Eiweißkörper findet bisher in der Blut-
analytik die allgemeinste Anwendung, so daß man immer diese
Methoden vor Augen hat, wenn man von Enteiweißungs-
methoden spricht.
Eine gute Enteiweißungsmethode soll folgenden Anforde-
rungen entsprechen:
1. muß alles Eiweiß quantitativ ausgefällt werden, was bei
der kolloiden Natur der Eiweißkörper einiger Übung und Ge-
schicklichkeit bedarf;
2. darf bei der ganzen Manipulation wie Erhitzen, Säure-
zusatz usw. kein Eiweiß wieder in Lösung gehen;
3. dürfen mit dem Eiweiß keine anderen Substanzen wie
Harnsäure, Harnstoff usw. mitgefällt werden, die dann der Be-
stimmung entgehen würden;
4. dürfen keine Fällungsmittel verwendet werden, die an
und für sich schon stark adsorbieren ;
5. ist bei einigen Untersuchungen, wie z. B. bei den Rest-
stickstoffbestimmungen, darauf zu achten, daß keine Peptone
13*
182 M. Richter-Quittner:
und Albumosen gebildet werden, die in das Filtrat übergehen
und so einen zu hohen Reststickstoff vortäuschen würden.
Es ist ferner darauf zu achten, daß manche Enteiweißungs-
methode für eine bestimmte Analyse, z. B. Zucker, sehr gut zu
verwenden ist, während sie z. B. bei einer Chloridbestimmung
vollständig versagen kann. Dieser Punkt muß mit größtem
Nachdruck betont werden. Ich glaube nicht zu übertreiben,
wenn ich behaupte, daß ein großer Teil der in der Literatur
gemachten Angaben schon vom chemischen Standpunkt aus
unrichtig ist, weil die Enteiweißungsmethoden unrichtig ange-
wendet werden.
Die Enteiweißung von Rona und Michaelis bedeutet
für Blutzuckerbestimmungen, für die sie ausgearbeitet wurde
ein Präzisionsverfahren, während sie für Chloridbestimmungen
gänzlich versagt. Die Methode von Schenk mit Sublimat
und Salzsäure eignet sich für Zucker, nicht aber für Rest-N-Be-
stimmungen. Ich gebe auf Grund meiner Erfahrungen folgende
Übersicht:
1. Enteiweißung mit Schwermetallsalzen.
1. Methode Schenk . . . . . . . . . , für Zuckerbestimmungen.
2. Methode Abeles . . . . . . . . . Or Zuckerbestimmungen.
2. Kolloidfällung.
Methode Rona und Michaelis . . . . . . . für Zuckerbestimmungen.
3. Hitzekoagulation.
Für alle Analysen mit Ausnahme von Chloriden und Zucker.
4. Enteiweißung mit verdünnten Säuren.
1. Phosphorwolframsäure nach Neuberg und Ishida . . für Harnsäure.
2. Phosphormolybdänsäure nach Bang. . für Rest-N, Zucker, Harnsäure.
3. Methaphosphorsäure nach ОррІег . . . . . ... .für Chloride.
4. Trichloressigsäure nach Greenwald . . . . . . . . . für RestN.
5. Enteiweißung mit Methylalkohol.
Eigene Methode . . . . 2. 22.2.2... . . für Chloridbestimmung.
6. Dialysierverfahren.
Eigene Methode ............... . . . . für Rest-N.
Chemische Blutanalyse. I. 183
1. Enteiweißung mit Schwermetallsalzen.
Sehr allgemeine Anwendung finden als Fällungsmittel für
Eiweißkörper die Schwermetallsalze, wie Quecksilberchlorid,
Eisenchlorid, Bleiacetat, Zinkacetat, Uranylacetat u.a.m. Queck-
silberchlorid wurde zum erstenmal von Schenk als Ent-
eiweißungsmittel für Blutzuckerbestimmungen vorgeschlagen
und wird seither bei allen möglichen Blutanalysen, insbesondere
sehr oft bei Reststickstoffbestimmungen verwendet. Dieses
Verfahren leistet ebenso wie die Methode von Abeles mit
Zinkacetat und Alkohol für die Blutzuckerbestimmungen
ausgezeichnete Dienste, ist aber für die Reststickstoffbestim-
mungen unbrauchbar. Dle Angaben Bangs, daß man bei
der Enteiweißung mit Sublimat und Salzsäure nach Schenk
viel zu hohe Rest-N-Werte erhält, kann ich zwar nicht be-
stätigen. Die Vollständigkeit der Eiweißfällung ist von dem
Volumen sehr abhängig; ich konnte mich überzeugen, daß bei
10- bis 15facher Verdünnung und unter Anwendung eines
beträchtlichen Überschusses an Sublimat im eingeengten Filtrat
mit Ferrocyankalium und Essigsäure absolut kein Eiweiß nach-
zuweisen ist. Hingegen haben alle Schwermetallsalze die Eigen-
schaft, Harnsäure, Kreatinin, Harnstoff usw. stark zu adsorbieren.
Ich habe bei Enteiweißungsversuchen mit Schwermetallsalzen
bei Rest-N-Bestimmungen ausnahmslos viel zu niedrige Werte
erhalten. Die Größe der Adsorption hängt ab:
1. von der Dauer der Einwirkung des Fällungsmittels,
2. von der Menge des Fällungsmittels, ein großer Uber.
schuß wirkt stark adsorbierend,
3. von der Natur des Fällungsmittels. Sublimat absorbiert
stärker als Zinkacetat.
2. Kolloidfällung.
Die allbekannten Enteiweißungsmethoden von Rona und
Michaelis beruhen auf der Eigenschaft der Eiweißkörper, als
Kolloide von anderen Kolloiden gefällt zu werden. Das Eiweiß
kann als amphoteres Kolloid sowohl von negativen wie von
positiven Kolloiden ausgeflockt werden. Diese Methoden haben
zwar den Vorteil, daß man bei gewöhnlicher Temperatur ar-
beitet und so das Erhitzen vermeidet, doch ist hier die Ad-
184 M. Richter-Quittner:
sorption ganz besonders groß. Alle Kolloide sind ja bekanntlich
ganz ausgezeichnete Adsorptionsmittel, so daB man selbst-
verständlich bei allen derartigen Fällungsmitteln wie Mastix,
Kaolin und dem sehr viel angewendeten Ferrum oxydatum
dialysatum mit sehr großen Fehlbeträgen rechnen muß, die
durch Adsorption hervorgerufen werden. Bei Anwendung von
Mastix konnte ich im Filtrat bei 10 verschiedenen Versuchen
überhaupt keinen Rest-N nachweisen. Es gilt hier dasselbe,
was bei den Schwermetallsalzen gesagt wurde, nur möchte ich
noch bemerken, daß die Adsorption bei Anwendung von Ferrum
oxydatum "dialysatum Merck vor allem von dem Grade der
Reinheit des kolloidalen Eisens abhängt (durch Dialyse sehr
gut gereinigtes Eisen adsorbiert stärker als weniger gut ge-
reinigtes) und ferner im gewissen Sinne von der Menge des
vorhandenen Eiweißes. Wir haben in unserer Untersuchung
über die Faserstoffgerinnung die freien Chloride nach Roge&e-
Fritsch durch Enteiweißung mit Ferrum oxydatum dialysatum
bestimmt, doch mußten wir uns nachträglich davon überzeugen,
daß diese Methode bei Chloridbestimmungen aus folgenden
Gründen Fehler geben kann:
1. ist das Ferrum oxydatum, wie schon erwähnt, unter
Umständen besonders für die Chloride ein ausgezeichnetes Ad-
sorptionsmittel;
2. zweitens enthält das Ferrum oxydatum selbst wechselnde
Mengen Chlor, die in irgendeiner Form gebunden sind und
beim Verdünnen mit Wasser verschieden stark dissoziieren. Wir
werden auf diese Tatsachen noch an anderer Stelle ausführlich
zu sprechen kommen.
3. Hitzekoagulation.
Die gebräuchlichste Methode der Enteiweißung ist die
Koagulation in der Hitze bei schwachsaurer Reaktion. Alle
Autoren, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben, be-
richten über die großen technischen Schwierigkeiten dieses Ver-
fahrens. Die quantitative Enteiweißung hängt davon ab, ob
der richtige Säuregrad erreicht ist. Die Reaktion darf nur
schwach sauer sein, da durch den geringsten Überschuß an
Säure ein Teil des Eiweißes als Acidalbumin in Lösung geht.
Während des Erhitzens wird aber ein Teil der Säure durch
Chemische Blutanalyse. I. 185 `
das Eiweiß gebunden, so daß man nachsäuern muß. Wichtig
ist auch das Volumen und die Dauer des Erhitzens. Kocht
man zu lange, so riskiert man eine tiefgreifende Veränderung
der Eiweißkörper, Hydrolyse usw., kocht man zu kurz, so ist
die Fällung unvollständig. Ich habe nach folgendem modi-
fizierten Verfahren gute Resultate erhalten, muß aber gestehen,
daß mir trotz großer Übung Analysen mißglücken und es vor-
kommt, daß ich 6 Bestimmungen ausführen muß, bevor ich
vollkommen eiweißfreie Filtrate und übereinstimmende Werte
erhalte.
240 ccm destilliertes Wasser werden mit 10 ccm 1°/,iger
Essigsäure und 10 eem BD, iger Monokaliumphosphatlösung zum
Sieden erhitzt. Im Momente des Kochens werden 40 ccm
Plasma, die mit 40 ccm halbgesättigter Kochsalzlösung versetzt
sind, in dünnem Strahl unter beständigem Umrühren einge-
tragen. Während des Kochens, das nicht länger als 3 Minuten
dauern soll, erhält man durch tropfenweisen Zusatz von 1°/,iger
Essigsäure die schwachsaure Reaktion aufrecht. Man prüft
gegen empfindliches Lackmuspapier, das ich nach der Vor-
schrift von Sörensen auf folgende Weise bereite. 0,5g fein-
gepulvertes Azolithmin werden in einer Schale in 200 cem
Wasser, dem 2,5 ccm ”/ o Natronlauge zugesetzt sind, gelöst,
filtriert und zum Filtrat 50 ccm Alkohol zugegeben. Durch diese
Lösung werden Streifen von aschearmem Filtrierpapier gezogen
und’ auf Schnüren getrocknet. Sodann wird möglichst schnell
noch heiß filtriert und mit kaltem Wasser ausgewaschen. Alle
Filtrate werden in einem Meßkolben vereinigt. Man füllt bis
zur Marke auf und bestimmt in einem Teil des Filtrates den
Stickstoff, während man einen anderen Teil zur Prüfung auf
Eiweiß verwendet.
Ich habe 9 verschiedene Verfahren der Hitzekoagulation
der Reihe nach durchgeprüft, habe aber in allen Fällen un-
richtige, meistens zu hohe Rest-N-Werte erhalten. Die oben
beschriebene Methode, die ich im folgenden „Essigsäure-Methode“
nenne, empfehle ich nicht, da sie schwierig und zeitraubend
ist und auch viel Blut erfordert. Eine Enteiweißung dauert
2 Stunden und verlangt 160 ccm Blut entsprechend 80 cem
Plasma.
186 M. Richter-Quittner:
4. Enteiweißung mit verdünnten Säuren.
Ich habe Versuche mit Phosphormolybdänsäure, Meta-
phosphorsäure und Trichloressigsäure angestellt, um die Be-
funde von Ivar Bang, Syolema und Hetterschy zu über-
prüfen. Syolema und Hetterschy finden bei der Entei-
weißung mit Phosphormolybdänsäure viel niedrigere Rest-N-
Werte als bei der Enteiweißung mit Metaphosphorsäure und
erhalten mit Trichloressigsäure ausnahmslos noch höhere Werte.
Sie ziehen den Schluß, daß diese 3 Methoden insofern un-
gleichwertig sind, als Phosphormolybdänsäure uud Metaphos-
phorsäure auch die Eiweißabbauprodukte fällen. Bang ent-
eiweißt in seinem Mikroverfahren ausschließlich mit Phosphor-
molybdänsäure und gibt an, daß seine Werte mit den durch
Hitzekoagulationen gefundenen sehr gut übereinstimmen. Ich
finde im venösen Blut ganz in Übereinstimmung mit Bang,
Syolema und Hetterschy Differenzen zwischen diesen 3 Me-
thoden, die im arteriellen Blut kleiner sind. Im Gegensatz
zu Bang gebe ich aber der Trichloressigsäure-Methode den
Vorzug, da die so für Rest-N erhaltenen Zahlen mit anderen
Methoden, z. B. Hitzekoagulation und Dialyse, sehr gut über-
einstimmen. Die großen Differenzen verschwinden im arteriellen
Blut teilweise. Eine eindeutige Erklärung für diese Resultate
kann man heute noch nicht geben. Ich glaube, daß die nie-
drigen Zahlen bei der Phosphormolybdänsäure-Enteiweißung sich
zum Teil auch durch Adsorption erklären lassen. Verwendet
man sehr wenig Blut und braucht daher auch wenig Säure,
so erhält man bessere Werte. Die Methode von Bang gibt
sogar bei einiger Übung sehr gute Resultate, vorausgesetzt,
daß man nicht mit 1 bis 2 Tropfen Blut, sondern mit ca. 3 ccm
Plasma arbeitet. Die Enteiweißung mit Metaphosphorsäure
nach der Vorschrift von Oppler eignet sich nach meinen Er-
fahrungen sehr gut für die Bestimmung der freien Chloride.
Die Enteiweißung mit Trichloressigsäure hat zwar vor der
Essigsäuremethode den Vorzug, daß sie leichter zu handhaben
ist, weicht aber prinzipiell von ihr nicht ab. Hingegen ist heute
Trichloressigsäure nahezu unerhältlich und daher sehr teuer.
Eine einzige Enteiweißung mit Trichloressigsäure kommt auf
3 bis 4 Kr.
Chemische Blutanalyese. I. 187
Meiner Ansicht nach ist die Enteiweißung mit Säuren,
wenn es sich um Reststickstoffbestimmungen handelt, immer
gewagt, da man sehr leicht durch Bildung von löslichem Acid-
albumin zu hohe Werte erhält.
5. Enteiweißung mit Alkohol. i:
Ich habe in der Literatur 12 verschiedene Modifikationen
der Alkoholenteiweißung gefunden, doch konnte ich mich über-
zeugen, daß keine einzige für Rest-N-Bestimmungen verwendbar
ist, da die Enteiweißung nie quantitativ ist und immer kleinere
oder größere Mengen von Eiweiß im Filtrat bleiben. Die Me-
thode von Folin mit Methylalkohol und Chlorzink wird leider
für Rest-N-Bestimmungen sehr viel verwendet, obwohl der
Autor selbst angibt: „Ich bin nicht sicher, ob nicht Spuren
von Eiweiß der Fällung entgehen.“ Diese Spuren von Eiweiß
können bei Folins Mikroverfahren 100 bis 200°/, ausmachen.
Ich habe jedoch die Methode von Folin für Chloridbestim-
mungen mit gutem Erfolg modifiziert. Die Methode gestaltet
sich nun wie folgt:
100 ccm Plasma werden im 250-ccm-Meßkolben mit 5р
chem. reinem MgSO, versetzt, mit Methylalkohol bis zur Marke
aufgefüllt, gut durchgeschüttelt und nach 2 bis 5 Minuten durch
ein trockenes Faltenfilter filtriert. Das Filtrat ist immer klar
und nahezu eiweißfrei. 100 ccm des Filtrates werden am
Wasserbade zur Trockne eingedampft, mit Wasser aufge-
nommen und mit ”/,„-AgNO,-Lösung titriert. Diese Methode
läßt an Einfachheit nichts zu wünschen übrig. Sie hat vor
der Methode von Oppler den großen Vorteil, daß man sotort
filtrieren kann und nicht 6 Stunden absetzen lassen muß, und
daher nicht riskiert, daß ein Teil der Chloride entbunden
wird. Die Methode von Abeles mit Zinkacetat und Alkohol
ist für Zuckerbestimmungen sehr zu empfehlen. Es scheint,
daß der Alkohol wenigstens innerhalb gewisser Grenzen ein zu-
verlässiges Mittel zur Fällung der Salze einiger Proteide mit
Basen in unverändertem Zustand ist. Dies geht aus Unter-
suchungen von L. L. Slyke und E. B. Hart hervor, die Alkohol
‚ zur Fällung von Calciumcaseinit benutzten und fanden, daß
das Präcipitat aus gegen Lackmus neutralen Lösungen genau
188 M. Richter-Quittner:
so viel Calcium enthält wie der Quantitat des Calciumhydrates
entspricht.
Experimenteller Teil.
Ich bin daher der Ansicht, daß es bei einer chemischen
Blütanalyse in allererster Linie auf die Art der Enteiweißung
ankommt, während die Hunderte von Variationen bei der Be-
stimmung der einzelnen Blutbestandteile auf das Resultat ohne
wesentlichen Einfluß sind. Ob man z. B. die Chloride nach
Volhard oder Mohr titriert, den Zucker gravimetrisch nach
Pflüger-Allihn oder maßanalytisch nach Bertrand bestimmt,
ist meiner Ansicht nach lediglich Sache des individuellen
Geschmackes.
1. Blutzuckerbestimmungen.
Die Bestimmung von Zucker im Blute stößt vom chemi-
schen Standpunkt aus durchaus auf keine Schwierigkeiten. Die
verschiedenen Enteiweißungsmittel, die bei anderen Blutanalysen
versagen, leisten hier ausgezeichnete Dienste, wie die Ent-
eiweißung von Schenk mit Sublimat und Salzsäure, von Rona
und Michaelis mit Ferrum oxydatum dialysatum Merck, von
Abeles mit Zinkacetat und Alkohol, von Oppler mit Meta-
phosphorsäure usw., da Zucker praktisch nicht adsorbiert wird,
wie aus folgenden Versuchen ersichtlich. ’
Tabelle I.
Methode Methode Rona
Bezeichnung Schenk u. Michaelis Methods Abeise
Nieder- Nieder- Nieder-
schlag schlag schlag
Ascites 12,98) 0 1300| o 12,94] 0
12,99 13,02 12,97
Ödemflüssigkeit | 20,94|- 0 20,79 0 20,89
20,96 20,79 20,96
Pferdeplasma 110,38 0 110,29 0 110,37 0
110,39 110,34 110,29
Die Zuckerwerte sind maßanalytisch nach Bertrand er-
mittelt. Alle drei Enteiweißungsmethoden sind gleichwertig.
Die Methode von Копа und Michaelis ist am meisten zu
empfehlen, da sie am einfachsten ist und die wenigsten Che-
mikalien erfordert. Für Zuckerbestimmungen lassen sich alle
Chemische Blutanalyse. I. 189
bekannten Enteiweißungsmittel verwenden, bei denen man in
der Kälte arbeitet. Beim Erhitzen werden die Saccharide
oxydiert.
Die quantitativen Zuckerbestimmungen machen von den
verschiedenen Eigenschaften des Zuckers Gebrauch.
1. Polarimetrische Bestimmungen.
2. Colorimetrische Bestimmungen: Methode von Reicher
und Stein, L. Waker, Ph. A. Shaffer.
3. Reduktionsmethoden: Methode Pflüger-Allihn, Ber-
trand, Lehmann-Maquenne.
Betreffs der polarimetrischen Methoden verfüge ich über
keine eigenen Erfahrungen. Die colorimetrischen Methoden
sind, wie allgemein bekannt, für Zuckerbestimmungen sehr un-
genau und nicht einmal für den Arzt zu verwenden. Die Re-
duktionsmethoden verwenden die Eigenschaft des Zuckers, als
Aldehyde alkalische Kupferlösungen zu reduzieren. Die alt-
bewährte gravimetrische Methode von Pflüger-Allihn, bei
der das bei der Reduktion entstehende Kupferoxydul gewogen
wird, ist immer noch das genaueste und sicherste Verfahren,
erfordert aber mindestens 50 com Blut oder 50 ccm Plasma
(entsprechend 100 cem Blut). Ebenso gute Werte erhält man
auch bei sehr sorgfältigem Arbeiten mit der maßanalytischen
Methode von Bertrand, die nur 30 ccm Blut oder Plasma
verlangt. Hier müssen die von Bertrand gegebenen Vor-
schriften peinlich genau eingehalten werden. Man darf nicht
länger als 2 Minuten kochen, zu starkes Erhitzen ist zu ver-
meiden. Die ganzen Manipulationen des Filtrierene, Auswaschens,
Wiederlösens müssen möglichst schnell erfolgen, da das Kupfer-
oxydul leicht zu Oxyd oxydiert wird.
Nach der Methode von Lehmann-Maquenne habe ich
ausnahmslos etwas zu hohe Werte erhalten, die wohl darauf
Tabelle II.
: Pflüger- Lehmann-
Datum | Bezeichnung Allihn | Bertrana ee
18. II. 18 Ochsenplasma 120,39 120,06 121,04
120,74 120,00 121,09
5. П. 18 Ascites 52,79 52,74 53,09
52,70 52,79 53,21
190 M. Richter-Quittner:
zurückzuführen sind, daß das Blut Substanzen enthält, die mit
dem Jodkalium reagieren. Ich führe hier nur zwei Versuche
an, bei denen nach Rona und Michaelis enteiweißt wurde.
Die größte Anwendung finden nach der Literatur zweifellos
die Mikromethoden von Bang. Ich werde diese Verfahren an
anderer Stelle ausführlich diskutieren.
2. Harnsäurebestimmungen.
Es ist bekannt, daß die Harnsäure im Blut in Form des
Mononatriumurates kreist. Dieses wird nicht nur von den
Eiweißfällungsmitteln, sondern auch von dem auskoagulierenden
Eiweiß selbst in sehr starkem Maße adsorbiert, so daß es
technisch unmöglich ist, richtige Resultate zu erhalten. Alle
gefundenen Werte sind etwas zu niedrig. Die gebräuchlichsten
Methoden der Enteiweißung sind die Hitzekoagulationen mit
sehr verdünnter Essigsäure, die Enteiweißung mit Sublimat
nach Schenk und mit Ferrum oxydatum dialysatum Merck.
Um mir eine Vorstellung über die Adsorptionsverhältnisse zu
machen, habe ich mir eine Lösung von Mononatriumurat Kahl-
baum hergestellt, deren Harnsäuregehalt ich titrimetrisch nach
Hopkins ermittelt hatte, diese mit einer Ovalbuminlösung ver-
dünnt, nach verschiedenen Methoden enteiweißt und im Nieder-
schlag wie im Filtrat die Harnsäure nach Ludwig-Salkowski
bestimmt. Die Resultate dieser Versuche sind in Tabelle III
zusammengestellt.-
Tabelle III.
Hitze- Ferrum ; Phosphor-
2 koagulation oxydatum Sublimat wolframsäure
Bezeichnung e 2 А 2
Filtrat Nieder- Nieder- Nieder- Nieder-
schlag schlag schlag schlag
Ovalbuminlös. |),4920 | Murexid- | 0,4021) 0,0824 | 0,4000! 0,0321 | 0,4925| Murexid-
mit 0,50009/, [0,4972 Беи 0,4000) 0,0879 | 0,4072) 0,0900 | 0,4920 ae
Harnsäure +
Ovalbuminlös. [0,0188 | Murexid- | 0,0400 0,0400
mit 0,0500°/, [0,0480 go 0,0410 0,0392
Harnsäure +
Ovalbuminlös, |0,00477| Murexid- | 0,0042] Murexid- | 0,0038 0,0045
mit 0,0050°/, [0,0046 ғу 0,0039] Probe | 0,0030 0,0040
Harnsäure
Chemische Blutanalyse. L 191
Zu den Bestimmungen wurden immer 200 ccm Lösung
verwendet. Die Versuche zeigen folgendes.
1. Weder Ferrum oxydatum noch Sublimat sind brauchbar,
da sie Harnsäure adsorbieren.
2. Die Enteiweißung mit verdünnter Essigsäure in der
Hitze und die mit Phosphorwolframsäure geben ziemlich gute
Resultate, der Eiweißniederschlag enthält nur minimale Mengen
von Harnsäure.
3. Die Adsorption ist naturgemäß immer größer, je mehr
Eiweiß vorhanden ist.
4. Die Harnsäurebestimmung nach Ludwig-Salkowski
ist ungenau, wodurch die Differenzen in den Kontrollanalysen
erklärt werden.
Ich habe nun dieselbe Lösung in derselben Weise ent-
eiweißt, aber nur 10 ccm Lösung verwendet und die Harnsäure
colorimetrisch nach Folin und W. Denis bestimmt. Es ergibt
sich folgendes:
Tabelle IV.
Bezeichnung | Hitzekoagulation Ferrum oxydatum | Sublimat
Ovalbuminlösung 0,0048 0,0042
enthält
0,0050°/, Harnsäure 0,0047
0,0042
Die Enteiweißung mit Essigsäure gibt also bei darauf-
folgender colorimetrischer Bestimmung befriedigende Werte.
Tabelle V.
colorim.
Ludwig-
Folin u. Denis
Salkowski
mg
Datum
18. XII. 18 4,29
4,59 6,92
21. XII. 18 5,72 7,95
5,00 ` 1,98
Die Enteiweißung erfolgte in allen Fällen nach meiner
Essigsäuremethode. Die Methode nach Ludwig-Salkowski
gibt, wie bekannt, zu niedrige Werte, da die Harnsäure nicht
quantitativ auskrystallisiert. Es finden sich in der Literatur
192 M. Richter-Quittner:
eine große Zahl colorimetrischer Harnsäuremethoden. Ich habe
9 verschiedene Verfahren durchgeprüft und kann die Methode
von О. Folin und W. Denis am meisten empfehlen. Die Re-
sultate dieser Versuche werde ich an anderer Stelle im Zu-
sammenhang mit anderen colorimetrischen Methoden mitteilen.
3. Bestimmung der Chloride.
Die Methoden von Rogee-Fritsch und уоп у. Hößlin
zur Bestimmung von Chloriden werden von Ärzten und Physio-
logen sehr viel angewendet. Beide Methoden, besonders aber
die von Rog&e-Fritsch, sind unrichtig. Wir können mit
diesem Verfahren nur einen Teil des im Gesamtblute oder im
Plasma vorhandenen Chlors, die sogenannten „freien Chloride“,
nachweisen, da ein kleiner Teil der Chloride an die Eiweiß-
körper des Blutes (Fibrinogenfraktion) gebunden ist und erst
bestimmt werden kann, nachdem die Eiweißkörper durch Ver-
aschung zerstört sind. Aber auch die „freien Chloride“ lassen
sich weder nach Bogée Fritsch, noch nach у. Hößlin quan-
titativ bestimmen.
v. Hößlin enteiweißt in der Hitze unter Zusatz von ver-
dünnter Salpetersäure. Es ist zweifellos, daß die Hitzekoagu-
lation von allen Enteiweißungsmethoden technisch am schwie-
rigsten ist, und es ist daher von vornherein ratsam, auf diese
Methode zu verzichten, wenn uns einfachere zur Verfügung
stehen.
Die Methode von v. Hößlin hat folgende Mängel:
1. Unterliegen die Chloride viel stärker als irgendein an-
deres Salz der Adsorption, weswegen man nur in der Kälte
arbeiten darf, da die Adsorption mit steigender Temperatur
zunimmt;
2. Muß bei Chloridbestimmungen vollständig bis auf die
letzten Spuren enteiweißt werden, da das Eiweiß mit dem 2/, ,-
AgNO, reagiert und man zu hohe Werte erhalten würde. Bei
der Hitzekoagulation läßt sich dies aber schwer erreichen.
Wir bekommen also theoretisch nach dieser Methode ent-
weder zu hohe oder zu niedrige Werte, und nur wenn sich
beide Fehler kompensieren, stimmen die gefundenen Zahlen mit
den Werten nach Oppler, die ich für richtig halte, überein.
Die Enteiweißungsmethode von Rona und Michaelis mit
Chemische Blutanalyse. I. 193
Ferrum oxydatum dialysatum wurde von Rog&e-Fritsch für
Chloridbestimmung vorgeschlagen. Wie schon eingangs erwähnt,
ist diese Methode für Chloridbestimmung aus folgenden Gründen
wenig geeignet:
1. Enthält das Ferrum oxydatum immer Cl, manchmal
sogar ebensoviel oder mehr wie das Blut. Ich habe im Laufe
der letzten 4 Jahre über 200 verschiedene Lösungen im Ge-
brauch gehabt und teile folgende Werte mit, die auf 50 ccm
Ferrum oxydatum berechnet wurden, da für eine Enteiweißung
von 10 ccm Plasma, Blut usw. 50 ccm Ferrum oxydatum in
Anwendung kommen.
Tabelle VI.
L | m | m. | iv. | v. | v. | vi | уш.
\
Chloridgehalt | 0,016 |0,025 |0,029 | 0,057 |0,079 | 0,146 |0,147 | 0,200
der Ferrum-
oxydatum-
Lösung
Chloridgehalt | 0,0275
von 10 cem
Plasma
oder Serum
0,0420] 0,059 | 0,065 | 0,047 [0,0451 0,038 | 0,037
2. Dürfte ein Teil des Chlors in kolloidaler Form vorliegen,
und es ist leicht verständlich, daß bei der Verdünnung mit
Wasser unter verschiedenen Umständen verschiedene Cl-Mengen
in den Ionenzustand übergehen. Dafür spricht folgender Ver-
such:
Es wurde дег Cl-Gehalt von 10 ccm einer 10°/,igen Lösung
von Ferrum oxydatum dialysatum Merck unter wechselndem
Zusatz von H,O ermittelt. Es zeigte sich, daß der Chlorid-
gehalt mit steigender Verdünnung steigt.
Tabelle УП.
Wasserzusatz | 50 cem | 100 ccm | 150 ccm | 200 ccm | 300 cem
Chloridgehalt 0,040 g
von 10 ccm
Ferrum oxydatum
0,046 g | 0,047 g | 0,049 g | 0,053 g
3. wirkt das Ferrum oxydatum als Kolloid auf Elektrolyte
sehr stark adsorbierend.
194 M. Richter-Quittner:
Die Größe der Adsorption hängt ab:
1. Von der Dauer der Einwirkung der Fällungsmittel, wie
die Versuche der Tabellen VIII und IX zeigen.
Tabelle VIII.
Bestimmung der Chloride nach Rog6&e-Fritsch im menschlichen Plasma
mii verschiedenen Lösungen von Ferrum oxydatum dialysatum und ver-
schieden langer Einwirkungsdauer.
Richtiger Wert nach Oppler = 0,5104°/, Chloride.
Dauer
der Ein-
wirkung
Lösung | Lösung
у VI
Lösung
п
Lösung
Die Lösungen sind nach dem Grade der Reinheit geordnet. Lösung I
wurde 12 Tage gegen fließendes HO dialysiert.
Tabelle IX.
Enteiweißung mit Ferrum oxydatum dialysatum Merck.
Ferrum | Dauer A
Chloride
А oxydatum der
Bezeichnung dialysatum | Einwirkung auf 100 com |auf 100 ccm
ccm
0,5773
0,5470
0,5930
Verdünnte NaCl- 0,5931
Lösung + Harn- 0,6208
stofflösung 0,6200
+ Ovalbumin-
lösung, 10 com 0,6047
für eine Be- 0,6040
stimmung 0,6149
0,6140
0,6472
0,6470
2. Von der Menge des angewandten Fällungsmittels. Die
Versuche der Tabelle IX zeigen, daß ein großer Überschuß
stark adsorbierend wirkt.
Chemische Blutanalyse. I. 195
3. Von der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung
des Ferrum oxydatum, wie die Versuche der Tabelle VIII zeigen.
Ein durch Dialyse möglichst von allen Elektrolyten befreites
Ferrum oxydatum adsorbiert besonders stark.
4. Von dem Eiweißgehalt der Lösung. Je mehr Eiweiß,
desto größer die Adsorption.
Tabelle X.
Rest-N-Bestimmung in einer Eiweißlösung bei verschiedenem Eiweiß-
gehalt und gleichem Harnstoffgehalt.
Gesamt-N| 0,5472 1,0941 1,5674 2,0740
0,5470 1,0949 1,5670 2,0740 2,5906 3,6741
Rest-N | 0,13254 ! 0,13077 | 0,13054 | 0,12548 | 0,12074 | 0,11739
0,13250 | 0,13079 | 0,13050 0,12550 | 0,12070 | 0,11738
2,5906 3,6739
Tabelle XI.
Vergleich zwischen der Chloridbestimmung im Blut nach
5 Rogée-Fritsch und у. Hößlin.
ы Datum | Bezeichnung Ez v nend Bemerkungen
ı| w.ı7 | Eiweiß-Nacı- | 1,61 RK
IV. 17
3
4
5
6
7 Der v. Hößlin-
Wert stimmt mit
Oppler überein.
8 Mit einer guten aus-
probierten Lösung
von Ferrum oxyd.
9 |13. XII. 18| Eiweißkochsalz- do.
lösung enthalt.
0,5003°/, NaCl
10 Aseites do.
11 Menschliches do.
Plasma
Biochemische Zeitschrift Band 9. 14
196 M. Richter-Quittner:
Aus allen diesen Versuchen geht wohl mit Sicherheit her-
vor, daß die Bestimmungsmethode von Rogée-Fritsch sehr große
Fehlerquėllen birgt. Die im Handel befindlichen Lösungen des hy-
drolytischen Eisens sind qualitativ und quantitativ ŝehr verschieden
(derartige Versuche sind noch nicht abgeschlossen); es erscheint
mir immerħin möglich, daß man zufällig eine ziemlich brauch-
bare Lösung in die Hand bekommt. Ich halte es auch nicht
für ausgeschlossen, daß man durch einige Kunstgriffe sich
bessere Lösungen des kolloidalen Eisens herstellen kann, doch
scheinen mir diese Bemühungen zwecklos, da wir ja über gute
Verfahren der Chloridbestimmung verfügen. Vergleichswerte
mit den beiden Methoden von Rogee-Fritsch und von
v. Hößlin befinden sich in Tabelle XI. Die Rogee-Fritsch-
Werte sind ausnahmslos niedriger.
Tabelle XII.
Bestimmung der freien Chloride nach verschiedenen Methoden.
PC Б
Datum Bezeichnung ER 5
oz РА
ё р `
21. Х1. 18 Pferdeplasma 0,3274 | 0,3670 | 0,4091
0,3270 | 0,3670 | 0,4090
13. XII. 18 Ascites 0,4738 | 0,5192 | 0,5109
0,4730 | 0,5190 | 0,5100
13. XII. 18 Eiweißlösung, 0,4726 | 0,4907 | 0,4997
enthaltend 0,4720 | 0,4900 | 0,4998
0,5003°/, NaCl
16. XII. 18 Menschliches 0,4444 | 0,4972 | 0,5103 |.
Plasma 0,4444 | 0,4970 | 0,5100
18. XU. 18 Ochsenplasma 0,4204 | 0,4400 | 0,4416 0,4400
0,4200 | 0,4400 | 0,4416 0,4400
20. XII. 18 Katzenplasma 0,3721 | 0,3800 | 0,8809
0,3721 | 0,3800 | 0,3809
21. II. 19 Pleuritisches 0,3876 | 0,4292 | 0,4200
Exsudat 0,3876 | 0,4291 | 0,4200
27.1. 19 ‚Ödemflüssigkeit 0,6019 | 0,5974 0,5839
0,6019 | 0,5970 0,5800
10. IH. 19 Menschliches 0,5102 | 0,5090 | 0,5092
Plasma 0,5109 | 0,5090 | 0,5091
4. III. 19 Ascites 0,4439 | 0,4624 | 0,4599 | 0,4598
0,4439 | 0,4621 | 0,4598 | 0,4597
24. III. 19 Ascites 0,4462 | 0,4800 | 0,4702 | 0,4709
0,4462 | 0,4800 | 0,4709 | 0,4702
Chemische Blutanalyse. І. 197
Sehr zu empfehlen ist die Methode von Oppler, bei der
in der Kälte mit 4°/, Metaphosphorsäure enteiweißt wird. Die
von mir modifizierte Methylalkoholenteiweißung gibt auch gute
Resultate. Ich gebe in Tabelle XII eine Übersicht über die
verschiedenen Methoden.
4. Bestimmung des Reststickstoffes.
Unter Reststickstoff des Blutes versteht man den nicht
koagulablen Stickstoff, die Summe aller N-haltigen Bestandteile
des Blutes mit Ausnahme der Eiweißkörper. Ob man die Al-
bumosen und Peptone dem Rest-N zurechnen soll-oder nicht,
ist noch nicht entschieden. Ich will auf die Frage hier nicht
eingehen, da Albumosen und Peptone meist nur spurenweise
im Blute vorhanden sind. Von allen Blutanalysen ist die Rest-
stickstoffbestimmung sicher die schwierigste. Die wichtigsten
Faktoren des Rest-N sind Harnstoff, Harnsäure, Aminosäuren,
Kreatinin und Ammoniak. Dies sind der Hauptsache nach gut
krystallisierende Verbindungen, die der Adsorption sehr stark
unterliegen.‘ Wir dürfen daher weder mit Schwermetallsalzen,
noch mit kolloidalen Metallen enteiweißen, da diese alle Elek-
trolyte sehr stark adsorbieren. Bei allen anderen Enteiweißungs-
mitteln ist es aber nur sehr schwer zu vermeiden, daß nicht
Spuren von Eiweiß der Fällung entgehen. Ich halte von
136 Fällungsmitteln, die ich in der Literatur gefunden habe,
nur zwei für brauchbar, und zwar die Enteiweißung mit Tri-
chloressigsäure nach Greenwald und die Essigsäuremethode;
alle anderen geben teils zu hohe, teils zu niedrige Werte. Auch
diese beiden Methoden können den Anforderungen nicht ganz
entsprechen, da das Eiweiß als Kolloid immer mehr oder
weniger stark adsorbierend wirken muß und es anderseits un-
endlich schwierig ist, ein Kolloid quantitativ bis auf die letzten
Spuren auszuflocken. Deswegen würde ich mich auf eine Rest-
stickstoffbestimmung, auch wenn die Kontrollanalysen noch so
gut stimmen, nie verlassen. Will man sichere Werte erhalten,
so muß man den Reststickstoff nach zwei zuverlässigen Me-
thoden bestimmen. Die bequemste Methode der Reststickstoff-
bestimmung ist meiner Ansicht nach die Dialyse, die sehr ein-
fach ist und nur 2 bis 3 ccm Plasma erfordert.
Wenn man bedenkt, was für große diagnostische und pro-
$ 14*
198 M. Richter-Quittner:
gnostische Bedeutung den Reststickstoffbestimmungen in der
Klinik und Therapie der Nephritiden zugeschrieben wird, so
wird mir gewiß jedermann recht geben, wenn ich behaupte, daß
man gerade hier angesichts der großen technischen Schwierig-
keiten mit größter Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit arbeiten
muß. Ich habe in Tabelle XIII Reststickstoffbestimmungen bei
Gesunden nach den Literaturangaben zusammengestellt, um zu
zeigen, daß die verschiedenen Autoren verschiedene Werte bei
Normalen finden.
Tabelle XIII.
Reststickstoffbestimmungen bei Gesunden nach Literaturangaben.
Jahr Rest-N
Autor
1899 | Sohöndorff 50 mg
in 100 eem Blut
41 bis 60 mg in
100 com Serum
1911 | Hohlweg
Methodik
Enteiweißung mit Phosphorwol-
framsäure, N nach Kjeldahl.
Hitzekoagulation unter Zusatz
von CH,COOH, М№аН,ООН und
NaCl, N nach Kjeldahl.
1913 Philipp 32 mg in Enteiweißung mit der 4fachen
100 ccm Serum | Menge Phosphorwolframsäure.
1905 | v. Rzent- 22,6 bis 66 mg | Hitzekoagulation mit CH,COOH
kowski |in 100ccm Blut) und NaCl.
1913 O. Folin |22,0 bis 26,0 mg | Enteiweißung mit Methylalkohol
in 100 cem Blut| und Chlorzink.
1915 Wolf 25 bis 28 mg |keine Angabe
in 100 ccm Blut
4916 | Ivar Bang | 15 bis 32 mg | Enteiweißung -mit Phosphormo-
in 100 ccm Blut
oder Serum
20 bis 40 mg in
100 сот Serum
1916
Schenk
lybdänsäure mikro- und makro-
analytisch.
Methode Folin mit Methylalko-
hol und Chloride.
1917 Taylor 25 bis 28 mg |keine Angabe
in 100 cem Blut
1917 Hulton 25 bis 28 mg dto.
in 100 ccm Blut
1918 Feigl 20 bis 30 mg | Mikromethode von Bang.
in 100 eem Blut
1918 Gettler 30 bis 45 mg | Enteiweißung nach Schenk.
in 100 eem Blut
oder Serum
1918 | Volhard 30 mg Methode Folin.
in 100 com Blut
1919 Brun 24 bis 35 mg in | Methode Schenk.
100 сет Serum
13
14
Chemische Blutanalyse. 1.
199
CH,COOH
60,54
60,50
54,67
54,69
83,31
83,27
200,09
200,00
72,50
73,46
105,62
105,60
198,96
198,94
45,60
45,51
139,80
139,80
19,07
19,08
25,29
2,29
55,82
55,71
15,74
15,69
15,98
Tabelle XIV.
Bestimmung des Reststickstoffes nach verschiedenen Enteiweißungs-
methoden.
ER? DH Р v
Ha |1Sso о 55 |
3 52,383 ТЕ:
85 32223232 23 | 34
2 Se H A
25. X. Pferdeplasma 74,00 | 74,38 75,48 | 76,29
18 74,10 | 74,29 75,40 | 76,30
11. XI. Ochsenplasma 43,71 | 43,56 | 45,20 | 55,72 | 60,38 | 69,74
18 43,70 43,50 45,20 | 55,00 | 60,38 | 69,98
18. XI.|Plasma v.| Diabetes 48,37 | 50,22 | 54,92
18 IK. Winter) mellitus 48,37 | 50,29 | 54,99
18. XI. Pferdeplasma 69,84 | 70,00 | 70,54 | 79,43 88,27 | 89,94
18 69,80 | 70,00 | 70,56 | 79,40 | 83,19 | 89,90
22. Х1.| Johann |Nephritis |197,54 198,31 |199,04 |199,91 |200,07 |210,47
18 Popp |Hyperton.|197,50 1198,30 |199,04 |199,90 1200,08 1210,40
deme
22. ХІ. Pferdeplasma 65,47 | 65,51 | 69,84 | 72,43 | 73,50 | 76,54
18 65,40 | 65,59 | 69,80 | 72,40 | 73,46 | 76,59
27. XI. Pferdeplasma 73,99 | 70,29 | 94,38 |100,62 |103,29
18 73,90 | 70,20 | 94,29 |100,60 |103,20
11.XIL| Julie Grippe |185,74 189,72 (190,89 194,67 1240,38
18 Веһоё 185,70 189,70 |190,40 |194,60 1240,20
13.XIL. Ascites von 12,54 | 11,32 | 21,00 19,79
18 Franciska Sekyra | 12,50 | 11,30 | 21,14 19,82
18.ХП. Ochsenplasma 32,84 | 32,79 | 44,71 | 45,41 | 45,44 | 49,38
18 32,89 | 32,71 | 44,70 | 45,49 | 45,40 | 49,41
16.XIL.| Knessek | Erythrä- 16,39 | 20,20 | 19,74 | 20,74
18 mie 16,30 | 20,31 | 19,71 | 20,69
Eiweiß 132,47 1129,45 |137,48 138,00 139,84 [150,39
Harnstoff- 132,40 |129,40 [187,40 1128,10 |139,80 1150,38
lösung
(140,00 mg)
21.XL. Katzenplasma 17,29 | 17,34 | 18,14 | 18,29 | 19,08 | 20,48
18 17,00 | 17,30 | 18,10 | 18,20 | 19,01 | 20,41
8.1.19 Hundeplasma 24,38 | 24,09 | 24,10 | 25,08 [25,56 | 26,09
24,39 | 24,14 | 24,00 | 25,09 | 25,59 | 26,08
8.1.19 Ochsenplasma 55,39 | 55,97
(arteriell) 55,28 | 55,98
18. II. Pleuritisches 15,72
19 Punktat 15,79
20. П. Ödemflüssigkeit 15,90
19 15,79
15,90
200 M. Richter-Quittner:
Tabelle XIV (Fortsetzung).
D U D Ф
ka ka d
я 8 59, „© 85
Ра 82585838 i
Nr. Pech: Dialyse
SE |0 2al 0:9 E
Би |а 0 R- E S
о Ag m ©
Pleuritisches
Exsudat
Ochsenplasma
arteriell
Tabelle XIV gibt eine Übersicht über die verschiedenen Me-
thoden. Es zeigt sich, daß die Enteiweißung mit Sublimat
nach Schenk, mit Ferrum oxydatum dialysatum, Phosphor-
molybdän und Metaphosphorsäure zu niedrige Werte ergibt,
während die Enteiweißung mit Trichloressigsäure, die Essig-
säuremethode und das Dialysierverfahren sehr gut überein-
stimmen. Dieselben Resultate zeigen Tabellen XV und XVL
\
Tabelle XV.
Bestimmung des Rest-N in serösen Körperflüssigheiten.
Datum| Name
Ascites
18 Sek.
5.11. | Therese Ascites 93,54 45,79 45,68 45,72
19 Gabri 93,54 45,78 45,39 | 45,70
18.П. | Josefine | Pleuritis | Exsudat 15,74 15,82 15,72
19 Smol. 15,69 15,76 15,79
20. II. | Mathilde Ödem 91,06 15,98 15,82 15,90
19 Schmi. 91,06 15,90 15,83 15,79
21. П. |] Therese | Pleuritis | Exsudat 22,94 22,74 | 21,07
19 Eb. 22,85 22,68 21,08
5. III. 18,94 18,91 17,38
19 18,90 18,99 17,30
Chemische Blutanalyse. I. 201
Tabelle XVI.
Rest-N-Bestimmungen bei verschiedenen Erkrankungen.
"Alten Vollblut Plasma Serum
CH,COOH] Dialyse |CH,COOH]/Dialyse|CH,COOH]| Dialyse
Datum Name | Diagnose
14. UI Josefa Grippe 240,00 |289,48 | 248,74 | 248,71
18 Door 240,09 |239,40 | 248,70 | 248,76
8.П. | Leopold | Abge- 23,74 36,92 | 36,52
19 Schim | klungene 23,70 36,85 | 36,50
Grippe
10.1. | Anna |Nephritis 117,29 | 117,20 | 135,98 | 135,00
19 Haud. acuta 117,20 | 117,20 | 135,92 | 135,00
12. IL. | Rosa Fr. | Nephritis 75,02 130,74 | 130,67
19 75,31 130,62 | 130,72
18. II. | Mathilde | Normal 15,09 | 15,82 | 27,95 | 27,94
19 Schm. 15,80 | 27,98 | 27,69
29. III.|Emilie Pf.| Nephritis 53,92 100,56 |100,59 | 100,00 | 100,54
19 53,91 100,52 [100,41 | 100,21 | 100,27
Die Stickstoffbestimmungen wurden entweder nach Kjel-
dahl oder nach Pregl ausgeführt. Beide Methoden sind iden-
tisch. Die Resultate dieser Versuche werde ich in der nächsten
Mitteilung bringen. Kurz erwähnen möchte ich noch den merk-
würdigen Befund vieler Autoren, daß der Rest-N-Gehalt des
Serums und des Gesamtblutes nahezu gleich ist, woraus folgen
würde, daß die Blutkörperchen ebensoviel Rest-N enthalten wie
das Plasma. Wir können aber diese Angaben nicht bestätigen,
wie aus Tabelle XVI hervorgeht. W. Falta hat an anderer
Stelle ausführlich über die Verteilung von Chloriden, Zucker,
Rest-N auf Blutkörperchen und Plasma berichtet.
5. Einfluß der gerinnungshemmenden Mittel.
Zum Schlusse seien mir noch einige Bemerkungen über
den Einfluß der gerinnungshemmenden Mittel auf die einzelnen
Blutbestandteile gestattet. Wir können das Blut durch folgende
Mittel ungerinnbar machen:
1. Indem wir das Blut mit Hirudin auffangen.
2. Durch Zusatz einiger kalkfällender Salze, wie Natrium-
fluorid, Natriumoxalat, Ammonoxalat, Natriumcitrat usw.
3. Durch Defibrinieren.
Vom biologischen Standpunkt aus ist es nicht gleichgültig,
auf welche Weise man das Blut ungerinnbar macht, da sich
202 M. Richter-Quittner:
insbesondere das Natriumfluorid und Oxalat als starke Zellgifte
erwiesen haben, die die Blutkörperchen schädigen. Alle Salze
bringen die Blutkörperchen zum Schrumpfen, so daß man bei
Hämatokritbestimmungen zu niedrige Werte erhält, wie folgende
Versuche zeigen.
Tabelle XVII.
Blutkörperchenvolumen.
Ohne Vorlage|3°/, Na-Oxalat|1°/, Na-Oxalat| Hirudin
% 9 9 `
Normal
Kriegsödem
Diabetes mellitus
Als ideales Mittel hat sich Hirudin!) erwiesen, das in der
Mehrzahl der Fälle zur Anwendung kam (0,02 bis 0,5 g auf
100 ccm). Vom Defibrinieren des Blutes durch Schlagen haben
wir abgesehen, da es von vornherein wahrscheinlich war, daß
die Blutkörperchen durch das Schlagen geschädigt werden. Vom
chemischen Standpunkt erscheinen die verschiedenen, die Ge-
rinnung hemmenden Mittel ziemlich indifferent, wie Tabelle ХУШ
zeigt.
Tabelle XVIIL
Einfluß der gerinnungshemmenden Mittel auf die Bestimmung von
Chloriden und Rest-N-Bestimmungen im Ochsenplasma 21. XII. 18.
Chloride Best
Ferrum
oxydatum| Oppler I&oranyi 001,000 |н,соон
0,03 g Hirudin | 0,4723 45,98
auf 100 ccm Blut | 0,4728 45,90
3 р Natriumoxalat | 0,4691 45,79
auf 100 осш Blut | 0,4690 45,74
1 g Natriumoxalat | 0,4699
auf 100 eem Blut 0,4699
1 g NaF 0,4692
auf 100 ocm Blut | 0,4690
2,5 g Ammoncitrat | 0,4700
0,4706
Ze Natriumcitrat | 0,4704
0,4700
1) Das Hirudin wurde uns von der Firma E. Sachsse in Leipzig in
liebenswürdiger Wesie zur Verfügung gestellt.
Chemische ‚Blutanalyse. І. 203
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cohol and certain other Reagents. Journ. of Physiol. 30, 25, 1904.
Beitrag zur Kenntnis der Hämagglutinine und
Hämolysine.
Von
Anna Vécsei.
(Aus dem hygienischen Institut der Universität in Budapest.)
(Eingegangen am 15. April 1919.)
Die Isolierung und Reinigung der Immunkörper wurde
schon vor längerer Zeit versucht. Е. Pick!) teilte im Jahre 1902
seine Versuche mit, die sich auf die Isolierung der Typhus-
und Cholera-Immunagglutinine bezogen. Er fand die Agglutinine
größtenteils in dem im Serum hergestellten Pseudoglobulin-
niederschlag, und er reinigte diesen Niederschlag durch wieder-
holte Auflösung und Ausfällung mit Ammonsulfat und Alkohol.
Durch dieses Verfahren erhielt er eine relativ eiweißarme
Lösung, die ungefähr !/, der ursprünglichen Agglutininmenge
des Serums enthielt. Diese Lösung enthielt aber. noch koagu-
lables Eiweiß und gab Biuret- und Millonsche Reaktion. Ver-
suchte er aber die Eiweißkörper ganz zu eliminieren, so schwand
auch die agglutinierende Wirksamkeit der Lösung.
Hahn und Trommsdorf?) versuchten das Agglutinin aus aggluti-
nierten Typhus- und Cholerabakterien durch Digestion mit Serum
verschiedener Tierspezies, sowie durch verdünnte Säuren und Laugen
zu extrahieren. Mit der letztgenannten Methode erhielten sie auch
schwach agglutinierende Lösungen.
Die Hämagglutinine zu isolieren versuchten zuerst Landsteiner
und Jagiö°). Sie isolierten die Agglutinine aus den agglutinierten Blut-
körperchen durch Digestion mit physiologischer Kochsalzlösung bei
einer Wärme von 45°C. Durch diese Methode gewonnene Lösung ent-
`1) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 1, 1902.
з) Münch. med. Wochenschr. 1900.
3) Münch. med. Wochenschr. 1913, Heft 18.
206 A. Vécsei:
hielt auch Eiweiß, das sie von den Agglutininen zu trennen nicht ver-
mochten.
Liebermann und Fenyvessy!) extrahierten die Immunkörper
aus den agglutinierten Blutkörperchen mit verdünnter Salzsäure und
haben sie auch in trockenem Zustand gewonnen. Ihre Lösung hatte
eine sehr gute agglutinierende und hämolytische Wirkung, und es konnte
darin kein Eiweiß mehr nachgewiesen werden. Da also diese Methode
offenbar zu den relativ reinsten Produkten führt, habe ich sie zu meinen
Versuchen verwendet, deren Ziel es war, einerseits die Frage, ob die in
Rede stehenden Immunkörper Eiweißkörper sind, definitiv zu ent-
scheiden, andererseits über ihre Eigenschaften und chemische Zusammen-
setzung neue Daten beizubringen, soweit dies bei der Schwierigkeit,
genügendes Material zu beschaffen, möglich war.
Der Gang meiner Versuche war folgender:
Kaninchen wurden gegen Schweineblutkörperchen immuni-
siert, und zwar wurden von 25°/, Schweineblutkörperchen-
emulsion 4 ccm und nach 4 Tagen 5 cem in die Ohrvenen
der Tiere injiziert. 6 Tage nach der zweiten Injektion — als
die Agglutinationswirkung der Sera der Tiere den Wert 1:800,
die hämatolytische Wirkung den Wert 1:1250 erreichte —
wurde jeden zweiten Tag Blut aus den Ohrvenen der Tiere
entnommen und die Sera gesammelt. So habe ich von 7 Ka-
ninchen 350 ccm Immunserum gewonnen, die ich in mehreren
Fraktionen verarbeitete.
Die Isolierung der Immunkörper habe ich, wie schon ge-
sagt, nach dem Verfahren von Liebermann und Fenyvessy
folgendermaßen vorgenommen: Das inaktivierte Serum wurde
mit der doppelten Menge 5°/,ige Blutkörperchenemulsion ver-
sehen und 1 Stunde lang im Brutschrank gehalten. Die ag-
glutinierte Masse wurde zentrifugiert und mit physiologischer
Kochsalzlösung 3mal gewaschen. Hierauf wurden die Agglu-
tinine mit 2/, oo Salzsäure extrahiert?) und die Blutkörperchen
aus der salzsäurigen Lösung abzentrifugiert. Die Lösung wurde
mit ”/ oo- Natronlauge neutralisiert und der entständene Nieder-
schlag abzentrifugiert, die Lösung mit Salzsäure angesäuert und
mit Äther ausgeschüttelt, zentrifugiert, der Äther von der
saueren Lösung abgegossen und die Lösung mit Lauge neutra-
1) Centralbl. f. Bakt. 47, Heft 2.
D Damit die Auflösung der Blutkörper vermieden werde, wurden
sämtliche Reagenzien mit physiologischer Kochsalzlösung bereitet.
Hämagglutinine und Hämolysine. 207
lisiert. War die Lösung in diesem Stadium nicht ganz farblos,
so wurde die Ausschüttelung mit Äther wiederholt und der
Äther nachher verdampft.
Sodann wurde die Lösung gegen destilliertes Wasser so
lange dialysiert, bis darin mit Silbernitrat kein Chlor mehr
nachgewiesen werden konnte. Nachher wurde die Lösung ein-
getrocknet und die gewonnenen Trockensubstanzen gesammelt.
Die bearbeiteten 350 cem Immunsera haben 0,1639 р Trocken-
substanz ergeben.
Die chemische Untersuchung der Trockensubstanz hat
folgendes ergeben: sie ist in destilliertem Wasser schwer lös-
lich, (kaum !/, [23°/,] löst sich) hingegen ziemlich leicht in
physiologischer Kochsalzlösung, die mehr als ®/, (88°/,) löst,
sowie in konzentrierter Essigsäure und Salpetersäure und in
heißer verdünnter Natronlauge. In Äther und Alkohol ist sie
unlöslich. Die Reaktion der Trockensubstanz ist sauer, auf
feuchte Lackmusstreifen gebracht, rötet sie diese. Die wäßrige
und kochsalzhaltige Lösung verhält sich jedoch gegen die Lack-
musstreifen neutral.
Der Aschengehalt ist groß. 15,6 mg verbrannt geben
4,6 mg Asche, was 29,48°/, entspricht. Die Reaktion der
Asche ist bei der Untersuchung mit feuchten Lackmus-
streifen entschieden alkalisch. Die Asche löst sich in Wasser
nur teilweise, aber leicht in verdünnten Säuren.
Um etwa vorhandenen locker gebundenen Schwefel
nachzuweisen, habe ich 4,8 mg Substanz mit Kalilauge gekocht
und auf eine Silberplatte getröpfelt. Die Silberplatte ist nicht
schwarz geworden. Auch beim Erhitzen mit einer Bleilösung
war keine Schwärzung zu beobachten. Mit 3 mg Globulin habe
ich Kontrollproben vorgenommen, die ein positives Resultat
ergaben. Die Substanz enthält also keinen locker gebundenen
bleischwärzenden Schwefel.
Zum Nachweis des in Form von Sulfaten gebundenen
Schwefels habe ich das Material mit 1 Teil Salpeter und
2 Teilen Soda zusammengeschmolzen. In der Lösung der
Schmelze war Schwefelsäure nachzuweisen, mehr als in einer
Kontrollprobe mit der gleichen Menge Serumglobulin. Die
Sulfate sind jedoch im Material nicht nur in organischer Bin-
dung vorhanden, sondern sind auch ohne Aufschließen in den
208 A. Veosei:
(mit physiologischer NaCl-Lösung) bereiteten Lösungen mit
Chlorbarium nachweisbar.
Zur Bestimmung der Phosphorsäure habe ich 10,6 mg
Trockensubstanz eingeäschert. Die Asche wurde in Salpeter-
säure aufgelöst und mit Ammoniummolybdatlösung vermengt.
Es konnten so Spuren von Phosphorsäure nachgewiesen werden.
Zum Nachweis des Eisens habe ich 15,6 mg Trocken-
substanz verbrannt, die Asche in Salzsäure gelöst und einige
Tropfen Rhodankaliumlösung hinzugegeben, wodurcheineschwach
rötliche Färbung entstand.
Die quantitative Bestimmung des Eisens habe ich colori-
metrisch in der Weise ausgeführt, daß ich in eine Eprouvette,
die dieselben Mengen Salzsäure und Rhodankalium enthielt,
tropfenweise eine Eisenchloridlösung, die in jedem Kubikzenti-
meter 0,1 mg Eisen enthielt, so lange tröpfelte, bis ich eine
der mit der Asche gewonnenen Reaktion entsprechende Färbung
bekam. Auf diese Weise könnte ich 0,015 mg Eisen nach-
weisen. Dies entspricht auf das Gewicht der Asche gerechnet
0,32°/, und auf die ursprüngliche Trockensubstanz gerechnet
0,96 TL, |
Außer Eisen konnte keine andere Base als Natrium
nachgewiesen werden. Die Untersuchung auf Calcium und
Magnesium ergab ein negatives Resultat.
Zum Nachweis des Stickstoffs habe ich 4,8 mg Trocken-
substanz mit Natronkalk verrieben und erhitzt. Ein feuchter
roter Lackmusstreifen wurde stark blau. Die quantitative Be-
stimmung geschah nach Kjeldahl. Vorher habe ich 2 Kon-
trollproben mit je 10 mg Serumglobulin ausgeführt, und nur
als es sicher war, daß das Resultat auch bei Anwendung so
kleiner Mengen Materials genau wird, machte ich zwei Paral-
lelbestimmungen mit је 10 mg der Trockensubstanz. Das
Resultat ergab 1,058 mg Stickstoff in 10 mg Trockensubstanz.
Dies entspricht auf aschenfreies Material berechnet 14,69°/, N.
Da trotz des gegenteiligen Befundes von Liebermann
und Fenyvessy manche Autoren daran festzuhalten scheinen,
daß die in Rede stehenden Immunkörper eiweißartiger Natur
„find, war ев von Wichtigkeit, zu entscheiden, ob die nach der
Methode von Liebermann und Fenyvessy mit Salzsäure
Hämagglutinine und Hämolysine. 209
extrahierte und auf die oben geschilderte Weise gereinigte
wirksame Trockensubstanz tatsächlich eiweißfrei ist oder nicht.
Zu diesem Zwecke habe ich die üblichen Eiweißreaktionen
mit gewogenen Mengen Trockensubstanz ausgeführt und zur
Kontrolle mit ebensoviel oder kleineren Mengen Serumglobu-
lins, welche kleine Mengen Serumglobulin mit den angewendeten
Reagenzien immer ein positives Resultat ergaben. Ich habe die
folgenden Eiweißreaktionen vorgenommen:
Mit 9,2 mg Trockensubstanz die Biuretreaktion
» 54n ” » Millonsche Reaktion
» 9,6» ” » Xanthoprotein-Reaktion
» 48 » D » Adamkiewiczsche »
Sämtliche Reaktionen ergaben ein negatives Resultat.
Außer diesen habe ich noch Eiweißreaktionen in der kochsalz-
haltigen Lösung des Materials vorgenommen, welche Lösung in
jedem Kubikzentimeter 3,4 mg Trockensubstanz enthielt. Die
darin vorgenommene Sulfosalicylsäure- und Xanthoprotein-Re-
aktionen ergaben wieder ein völlig negatives Resultat.
Alle diese Reaktionen, sowie die Abwesenheit von
bleischwärzendem Schwefel beweisen, daß das auf
diese Weise isolierte Material kein Eiweißkörper ist.
Zur Entscheidung dessen, ob das die oben geschilderten
chemischen Eigenschaften besitzende Material die Immunkörper
tatsächlich enthält, habe ich Agglutinations- und hämolytische
Proben angestellt. Ich habe eine Lösung (in physiologischer
NaCl-Lösung) hergestellt, die in jedem Kubikzentimeter 3,07 mg
Trockensubstanz enthielt. 1 ccm dieser Lösung wurde mit
5 Tropfen 10°/,iger Schweineblutkörperchenemulsion vermengt.
Agglutination konnte prompt beobachtet werden, und
nach 2stündigem Aufenthalt im Brutschrank war die Agglu-
tination stark. Dieses Verfahren hatte aber die Agglutinin-
menge der Lösung noch nicht erschöpft, denn nach Zentrifu-
gieren der agglutinierten Mengen gab ich zu der Lösung wieder
5 Tropfen Blutkörperchenemulsion und erhielt abermals und
auch sofort bemerkliche und nach 2stündigem Aufenthalt
im Brutschrank stark gewordene Agglutination. Dieser
Agglutinationsversuch wurde 2mal mit aus verschiedenen Teilen
der Trockensubstanz entnommenen Proben wiederholt, immer
mit demselben Resultat.
210 A. Vécsei: Hämagglutinine und Hämolysine.
Bei der hämolytischen Probe wurde 1 ccm Lösung mit
5 Tropfen 10°], Schweineblutkörperchenemulsion und als Komple-
ment mit 1 Tropfen 6fach verdünntem frischen Meerschwein-
chenserum vermengt und 3 Stunden lang im Brutschrank ge-
halten. Die Hämolyse war zwar bemerkbar, aber ge-
ring. Das soll vielleicht bedeuten, daß die hämolytischen
Immunkörper empfindlicher sind als die Agglutinine und unter
dem langwierigen Reinigungsprozeß größtenteils zugrunde gehen.
Aus den hier mitgeteilten Versuchen geht hervor,
daß es mir gelang, nach der Methode von Liebermann
und Fenyvessy aus den Seris gegen Schweineblut-
körperchen immunisierter Kaninchen die entsprechen-
den Immunkörper zu isolieren, und die chemischen
Untersuchungen zeigten, daß diese — auch nach der
Isolierung wirksame — Immunkörper in Überein-
stimmung mit den Angaben von Liebermann und
Fenyvessy keine Eiweißkörper sind, da sie weder
bleischwärzenden Schwefel enthalten, noch die be-
kannten empfindlichen Eiweißreaktionen geben. Ihr
Stickstoffgehalt steht aber demjenigen der Eiweiß-
körper nahe.
Bezüglich des großen Aschengehalts des Materials und
über seine Bedeutung wäre es verfrüht, sich zu äußern. Es
ist möglich, daß es nur einfache Verunreinigung ist und daß
man bei Verarbeitung größerer Mengen Materials und häufiger
Reinigung zu ascheärmeren Produkten gelangen könnte. Ebenso
kann vielleicht der Eisen- und Phosphorsäuregehalt aus den
Blutkörperchen herrühren, von denen die Substanz abgespaltet
wurde.
Über Resistenz der roten Blutkörperchen bei Stick-
stoffdefizit und bei Inanition.
Von
D. Acél.
(Aus dem hygienischen Institut der Universität in Budapest.)
(Eingegangen am 15. April 1919.)
Physiologische Versuche an Menschen und Tieren haben
es längst erwiesen, daß das Nahrungseiweiß nur bis zu einer
bestimmten Grenze durch sonstige Nährstoffe ersetzt werden
kann, d. h. daß zur Erhaltung des Lebens ein bestimmtes Mi-
nimum an Eiweißnahrung unbedingt erforderlich ist. Wenn
auch die Werte, die von den verschiedenen Autoren für den
minimalen Eiweißbedarf des Menschen ermittelt worden sind,
sehr weit voneinander abweichen, so wird doch allgemein an-
genommen, daß eine weitere Verminderung der Eiweißzufuhr
zu Schädigungen des Organismus führen muß. Es wäre daher
für das Studium der Frage sehr wichtig, wenn wir über ein
empfindliches und sicheres Zeichen verfügen würden, das
die infolge von Eiweißmangel eintretenden Schädigungen des
Organismus erkennen lassen würde.
Es ist bekannt, daß der Organismus auf verschieden-
artige Schädigungen mit bestimmten Reaktionen antwortet. An
diesen Reaktionen müssen sich natürlich gewisse zellige Ele-
mente beteiligen. Es wäre somit naheliegend, anzunehmen, daß
die roten Blutkörperchen ebenfalls gewisse Veränderungen er-
fahren, wenn die notwendigen Bausteine des Körpers, also in
erster Reihe die Eiweißkörper, in ungenügender Menge zuge-
führt werden, um so mehr, da es ja durch verschiedene Versuche
und klinische. Verfahren bekannt ist, daß die Erythrocyten
Biochemische Zeitschrift Band 95. 15
212 ` D Aol:
auf verschiedene Schädigungen des Organismus recht empfind-
lich reagieren.
Es war daher von Interesse, nachzuforschen, ob zwischen
Eiweißmangel einerseits und zwischen dem Verhalten der roten
Blutkörperchen anderseits Beziehungen existieren, und wenn ja,
ob diese geeignet sind, aus dem Verhalten der Erythrocyten
auf die Bedeutung des Eiweißhungers für den Gesamtorga-
nismus bestimmte Schlüsse zu ziehen.
Es hat schon Chittenden!) bei seinen Versuchen über das Eiweiß-
minimum die Zahl der Erythrocyten und den Hämoglobingehalt des
Blutes verfolgt, ohne jedoch zu bestimmten Schlüssen zu gelangen.
Albertoni und Rossi?) haben in Menschenversuchen eine Zu-
nahme des Hämoglobingehaltes gefunden, wenn die Versuchspersonen
nach einer minimalen Zufuhr von Pflanzeneiweiß einen Zusatz von
Fleisch oder Eiern erhalten haben. Wir möchten aber schon hier be-
merken, daß es kaum angeht, in diesen Fällen die Hämoglobinzunahme
auf die Vermehrung der Eiweißnahrung zurückzuführen.
Aus diesen sowie aus den weiter unten zu besprechenden
Versuchen geht nur so viel hervor, daß weder die Blutkörperchen-
zahl, noch der Hämoglobingehalt des Blutes ein Indicator der
durch Änderungen der Eiweißzufuhr im Organismus hervor- ~
gerufenen Schädigungen abgeben können.
- Es ist neuerdings wiederholt gezeigt worden, daß die Re-
sistenz der Blutkörperchen gegen verschiedene Einwirkungen
bei gewissen Erkrankungen Änderungen erfährt, die für die
betreffende Krankheit charakteristisch sein kann. Es war daher
mehr Erfolg zu erwarten, wenn der" Einfluß des Eiweißhungers
an der Resistenz der Erythrocyten geprüft wird.
Wir haben in unseren Untersuchungen die Resistenz der
roten Blutkörperchen mit dem von Liebermann?) angegebenen
Verfahren bestimmt. Bezüglich der Einzelheiten dieser Me-
thode sei auf die Originalmitteilung verwiesen und an dieser
Stelle nur so viel erwähnt, als es zur Klarheit der nachstehenden
Bemerkungen notwendig ist.
Mit der Liebermannschen Methode wird jener Anteil
der roten Blutkörperchen angegeben, der bei einer bestimmten
2) Chittenden, zit. Oppenheimer, Handb. d. Biochemie 4,
I. Teil, 790.
2?) Albertoni und Rossi, ebenda.
DL von Liebermann, Deutsche med. Wochenschr. 1912, 462.
П
Resistenz der roten Blutkörperchen bei N-Defizit und Inanition. 213
Konzentration und Menge einer Kochsalzlösung bei einer be-
stimmten Versuchszeit in Lösung geht. Das Resultat wird
durch einen Quotienten (RQ — Resistenzquotient) ausgedrückt,
der das Verhältnis der resistenten (nicht aufgelösten) Blut-
körperchen zu den nicht resistenten (aufgelösten) für eine be-
stimmte Kochsalzkonzentration angibt. Heißt es z. В. КОо 5 = 1,
so bedeutet das, daß in einer 0,5°/,igen Kochsalzlösung die
Zahl der resistenten und nicht resistenten Blutkörperchen die
gleiche war, was einer Resistenz von 50°/, entspricht. RQo,s
== оо bedeutet, daß in einer 0,5°/,igen Kochsalzlösung sämt-
liche Erytrocythen ungelöst bleiben, während BO, =0 voll-
ständige Hämolyse zum Ausdruck bringt (im ersteren Falle ist
die Resistenz 100°/,, im letzteren 0°/,).
Die Versuche, über die hier zunächst berichtet werden
soll, sind an Hunden, die späteren an Mäusen und Meer-
schweinchen ausgeführt worden.
Versuch 1.
Hund von 6250 g Gewicht. Der Versuch dauerte 76 Tage; während
dieser Zeit wurde sowohl Nahrungsstickstoff, als auch der mit Kot und
Harn ausgeschiedene Stickstoff täglioh bestimmt. Der Versuch beginnt
mit einer Periode von N. plus und geht allmählich in Perioden von
Stickstoffverlust über. Das entzogene Eiweiß wurde mit Kohlenhydrat
und Fett ersetzt, so daß die Energiezufuhr stets die gleiche war. Die
Blutkörperchenresistenz wurde für 0,5 sowie für 0,45°/,ige Kochsalz-
lösung bestimmt.
In diesem Versuche ließen sich bestimmte regelmäßige Beziehungen
zwischen dem Verhalten des N-Stoffwechsels und der Resistenz der
roten Blutkörperchen nicht nachweisen, weshalb wir sowohl hier als bei
einem zweiten Versuch auf die Mitteilung der Versuchsdaten verzichten
und nur so viel bemerken, daß es bei dem zweiten Versuch anfangs den
Anschein hatte, als wenn bei N-Minus eine gewisse Besistenzerhöhung
stattgefunden hätte, dieselbe verschwand aber in der nächsten Periode.
Versuch 3.
Ein dritter Hund wurde mit dem Zwecke eingestellt, den zweiten
Versuch zu wiederholen. Ein Zufall verhinderte aber diesen Plan und
leitete die Untersuchungen in andere Bahnen.
15*
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214
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Resistenz der roten Blutkörperchen bei N-Defizit und Inanition. 215
Wie aus der Tabelle I ersichtlich, hat das Tier vom 25. 6.
ab nur die Hälfte oder ein Drittel, bzw. einen noch geringeren
Teil der gereichten Nahrung aufgenommen. Infolgedessen ge-
riet es nicht nur in Stickstoff-, sondern auch in Caloriendefizit.
Nun sehen wir in der Rubrik RQo4 (die Werte RQos sind
durchweg unbrauchbar), daß die Resistenz der Blutkörperchen
bei Stickstoff- und gleichzeitigem Energiedefizit eine deutliche
Steigerung erfährt. Solange die Energiezufuhr eine genügende
war, erwiesen sich in einer 0,45 °/,igen Kochsalzlösung 37,59/,,
bzw. 41,179), der Erythrocyten als resistent, während bei un-
genügender Energiezufuhr, die Resistenz von 2 Fällen ab-
gesehen, zwischen 55,5 und 83,3°/, schwankt. Die folgende
Periode mit positiver Bilanz konnte nicht weiter fortgesetzt
werden infolge eines Darmkatarrhs des Tieres, der am 5. Tage
zum Vorschein kam. Infolgedessen lassen sich diese Daten
nicht verwerten.
In diesem Versuche ist auch der Hämoglobingehalt des
Blutes bestimmt worden, und zwar mit dem Sahlischen На-
mometer. Die Schwankungen, die hier beobachtet wurden,
sind nicht sehr erheblich und lassen keine Beziehungen zu
den Stoffwechseländerungen erkennen. Wir können somit die
oben erwähnten Beobachtungen von Chittenden, daß Ver-
minderung der Eiweißzufuhr keinen Einfluß auf den Hämo-
globingehalt hat, bestätigen.
Der Einfluß einer calorisch ungenügenden Nah-
rung auf die Resistenz der Erythrocyten, der sich
in einer Erhöhung derselben kundgibt, war in dem
obigen Versuch so auffallend, daß es uns notwendig
schien, diese Verhältnisse durch weitere direkte Ver-
suche aufzuklären. In diesen kam es uns also darauf an,
den Einfluß der Nahrungsentziehung möglichst deut-
lich zur Geltung kommen zu lassen. Daher haben wir
die Tiere nach einer Periode von normaler Ernährung einige
Zeit hungern lassen. Wir haben die Versuche zunächst an
weißen Mäusen ausgeführt. In den Vorversuchen wurde zu-
nächst die für die Resistenzbestimmung geeignete Kochsalz-
konzentration ermittelt. Diese wurde 0,55°/, gefunden. Vor
dem eigentlichen Versuche wurde bei demselben Tier die Re-
sistenz wiederholt bestimmt. Die hierzu nötige geringe Blut-
216 D. Acél:
menge wurde aus dem Schwanz genommen. Es wurden zu-
nächst zwei Mäuse herangezogen. Sie erhielten vom zweiten
Tage an keine Nahrung, hingegen Wasser in beliebiger Menge.
Die Resultate sind in der Tabelle II zusammengestellt.
Tabelle II.
| Weiße Maus Мг. 1 | Weiße Maus Nr. 2
Anmerkung
. 9. ж =
9 Hungert von nach-
2 mittag 6 Uhr an
SR 1,38 57,98
17. 9. 20, en
Nahe | Nahe
18. 9. e ee
19. 9. 100 [Exit nachm.|Exit vm. 5 у}
4 Uhr 10 Uhr
Die beiden Tiere sind nach 4 Tagen des Hungerns ein-
gegangen. Während dieser Zeit verlor die Maus 1, 30°/,, die
Maus 2, 33°/, ihres Gewichtes. In beiden Fällen ist die Zu-
nahme der Erythrocytenresistenz sehr deutlich. Sie beginnt
bereits 24 Stunden nach der Entziehung der Nahrung und
steigt weiter an. So erwiesen sich bei der Maus 1 zur Zeit
der normalen Ernährung 46, bzw. 37°/,, am 4. Hungertage
aber 100%, der Erythrocyten als resistent. Ganz ähnlich
verhielt sich die Maus 2, die 6 Stunden vor der 1. Maus ver-
endete.
Es hat sich also die an dem letzten Hundeversuch ge-
machte Beobachtung, d. h. die Erhöhung der Erythrocyten-
resistenz bei Nahrungsentziehung durch diese beiden Mäuse-
versuche bestätigen lassen. Es war nur noch ein Kontroll-
versuch notwendig, um den evtl. Einfluß der wiederholten
Blutentnahme auf die Resistenz der Blutkörperchen bewerten
zu können. Es wurden zu diesem Zwecke 2 Mäuse ein-
gestellt, die eine bei normaler Ernährung, die andere ohne
Nahrung, und es wurden beiden von Zeit zu Zeit möglichst;
gleiche Blutmengen entnommen. Das Resultat dieser Versuche
ist aus Tabelle III ersichtlich,
Resistenz der roten Blutkörperchen bei N-Defizit und Inanition. 217
Tabelle IIL
| Hungernde Maus | Kontrollmaus
66,0
2,0 | 66,0 Hungert von mittag
12 Uhr an 64,28
22. 9. 71,42 60,78
22. 9.
nachm. 80,0 57,08
155 Uhr
22. 9.
abends 83,3 66,0
8 Uhr
23. 9 А d
> Nahe | Exit vormittags
vorm. 62,96
10 Uhr 100 10, Uhr
In diesem Versuch weist das hungernde Tier dieselbe
Resistenzerhöhung auf (von 66°/, auf nahezu 100°/,), die wir
in Tabelle II gesehen haben, während das Kontrolltier ganz
unbedeutende Schwankungen zeigt (von 57 bis 66°/,) Somit
spielt die Blutentnahme bei der beobachteten erhöhten Blut-
körperchenresistenz keine Rolle. Sie ist vielmehr lediglich auf
die Karenz zurückzuführen. Zu bemerken ist übrigens, daß
die eigentliche Versuchsmaus nur 2 Tage gehungert und etwa
22°/, ihres Gewichtes verloren hat.
Es wurde sodann ein Hungerversuch an einem Meer-
schweinchen und ein entsprechender Kontrollversuch bei nor-
maler Nahrung ausgeführt. Die Erythrocytenresistenz wurde
für eine 0,4°/ ‚ige Kochsalzlösung bestimmt. Gleichzeitig wurde
auch der Hämoglobingehalt nach der Sahlischen Methode
festgestellt. |
Wir ersehen also aus der Tabelle IV, daß die Resistenz der
Meerschweinchen-Erythrocyten bei dem eigentlichen Versuchs-
tier zur Zeit der normalen Ernährung (in den ersten 5 Ver-
suchstagen) nur unbedeutende Schwankungen zeigt (von 16,6
bis 22,1°/,). In den ersten beiden Tagen der Hungerperiode
sinkt zunächst die Resistenz, um vom 3. Tage an stetig
zuzunehmen bis zu 41,86°/,. Es ist somit die Zahl der re-
218 D. Acél:
Tabelle IV.
| Hungerndes Meerschweinchen | Kontrollmeerschweinchen
g Hb. Hb.
3 (nach Anmerkung (nach
A Sahli) Sahli)
29.9 02 |16,6 | 128
30.9. | 460 | 0,285 | 2271 | 126 495 |033 | 2481 | 131
2.10.| 465 |02 |166 | 123 435 |038 | 27.53 | 129
4.10.| 470 |023 |187 | 122 448 |022 | 18.03 | 133
6.10.| 470 |02 |166 | 128 a i o SS 450 |0,18 | 15,25 | 130
7.10.| 435 [|016 |13,7 | 139 445 |018 |15,25| 130
8.10.| 400 |014 |12.28 | 133 450 |0,125 | 11,1 | 129
9.10.| 375 |0.32 |2424 | 138 450 |02 |166 | 127
Sehr hinfällig.
41,86 | 140 { Starker Haarausfall
41,17 | 160 desgl.
41,17 | 165 Exit vorm. 11 Uhr
470 | 0,18 | 15,25 | 130
460 | 0,3 23,07 | 125
460 | 0,14 | 12,2 124
sistenten Blutkörperchen auf das Doppelte gestiegen. Während
dieser Zeit hat das Tier 32°/, seines Gewichtes verloren.
Beim Kontrolltier, das also normal ernährt wurde und
dem von Zeit zu Zeit die gleichen Blutmengen entnommen
wurden, schwankt die Resistenz ohne bestimmte Regelmäßig-
'keit zwischen 11,1°/, und 27,59/,.
Bei dem Kontrolltier ist der Hämoglobingehalt des Blutes
annähernd konstant. Beim Hungertier sehen wir. eine fort-
schreitende Zunahme des Hämoglobingehaltes bis zum Tode,
doch möchten wir diesen Befund einfach auf die durch Wasser-
verlust bedingte Konzentration des Blutes zurückführen.
Es ist uns somit auch an Meerschweinchen gelungen, die
im letzten Hundeversuch sowie in den Mäuseversuchen beob-
achtete Steigerung der Erythrocytenresistenz durch Nahrungs-
entziehung zu konstatieren.
Zusammenfassung.
Überblicken wir die mitgeteilten Versuche, so sehen wir
zunächst aus den beiden ersten Hundeversuchen, daß eine
ungenügende Stickstoffzufuhr (negative Stickstoffbilanz) keinen
merkbaren und gesetzmäßigen Einfluß auf die Resistenz der
Erythrocyten ausübt. Aus den Versuchen Nr. 1, 2 und 3
Resistenz der roten Blutkörperchen bei N-Defizit und Inanition. 219
geht aber hervor, daß eine calorisch ungenügende Ernährung
bzw. vollständige Nahrungsentziehung eine sehr deutliche Wir-
kung auf die roten Blutkörperchen hat, die sich bei allen von
uns untersuchten Tierarten (Hund, Maus, Meerschweinchen) in
demselben Sinne äußert. Wir möchten daher die Resultate
unserer Untersuchungen wie folgt zusammenfassen:
1. Eine ungenügende Stickstoffzufuhr allein bei ange-
messener, calorisch genügender Nahrung hat auf die Resistenz
der Erythrocyten keinen, wenigstens keinen durch die von uns
angewendete Methode nachweisbaren Einfluß.
2..Bei calorisch ungenügender Ernährung bzw. bei fort-
gesetztem Hungern nimmt die Resistenz der Blutkörperchen
deutlich zu.
Beitrag zur Lehre von der Blutgerinnung.
Von
Karl Schilling.
(Aus dem Laboratorium der medizinischen Klinik zu Freiburg i. Br.)
(Eingegangen am 19. April 1919.)
Der Verlauf und Vorgang der Blutgerinnung hat von jeher
das regste Interesse der Biologen auf sich gezogen. Viele ex-
perimentelle Untersuchungen wurden zur Ergründung der Ur-
sache und des Ablaufes derselben angestellt; darunter die aus-
führlichen und grundlegenden Arbeiten von Loeb, Conradi,
Morawitz u. a.
Hierdurch wurde unzweideutig festgelegt, daß durch den
Gehalt, die Bildung und die Zusetzung bestimmter Substanzen
die Gerinnungsfähigkeit des Blutes beschleunigt, herabgesetzt
oder völlig aufgehoben werden kann. Als solche kommen in
Frage: die Kalksalze, die Kinase, sowie eine größere Anzahl
anorganischer und organischer Stoffe.
Weiterhin haben in eingehenden Mitteilungen Stuber und Heim
gezeigt, daß die beschleunigende Wirkung der Organextrakte auf die
Blutgerinnung als eine Folge ihres Lipase- und Fettgehaltes aufzufassen
ist. Ihre mit Pferdeoxalatplasma und am lebenden Tiere durchgeführten
Versuche fanden in einer weiteren Arbeit von Stuber und Partsch,
die den Gerinnungsvorgang an mit Petroläther entfettetem Plasma prüften,
eine weitere Stütze und bestätigten so die Angaben von. Bordet-Delange
und Zak, nach denen entfettetes Plasma sein Gerinnungsvermögen ver-
Неге und durch Zusatz lipoidartiger Substanzen dasselbe wiedergewinnt.
Stuber sieht in dem Fettsäureradikal die eigentliche Ursache der Ge-
rinnungsbeschleunigung.
Eine „Studien zur Chemie und Physiologie der Blutgerin-
nung, III“ betitelte Abhandlung von Herzfeld und Klinger,
nach der entgegen den Ausführungen von Stuber und Heim
den höheren Fettsäuren ein spezifischer Einfluß auf die Blut-
K. Schilling: Blutgerinnung. 221
gerinnung abgesprochen wird, und die Lipoide als keineswegs
unerläßlich für die Gerinnung bezeichnet werden, veranlaßte
mich auf Anregung von Stuber ihre Arbeiten und die von
Herzfeld und Klinger, soweit sie Organe und Organextrakte
anlangten, nochmals einer eingehenden Prüfung zu unter-
ziehen.
Ähnliohe Untersuchungen wurden von Yamada mit acetonextra-
hiertem Knochenmark und den dabei erhaltenen Aocetonlipoiden ange-
stellt. Doch kam genannter Autor zu negativen Ergebnissen. Nun muß
aber gegen die Arbeit Yamadas ein Einwand erhoben werden. Die
Wahl des Extraktionsmittels ist für eine quantitative Fettextraktion
keineswegs gleichgültig. Es sei in dieser Hinsicht nur auf die Arbeiten
von Erlandsen, Kumagawa-Suto und Ivar Bang verwiesen.
Yamada selbst weist auch in seiner Arbeit darauf hin, daß er nur aus
Mangel an Petroläther Aceton zur Extraktion verwandt habe. Aceton
steht aber bezüglich seines Fettextraktionsvermögens gegen den Petrol-
äther weit zurück, so daß auf diese Weise zubereitete Organe keineswegs
als fettfrei angesehen werden können. Außerdem reicht auch die Prozedur
des einfachen Schüttelns nicht aus, um eine ausgiebige Extraktion zu
erzielen. Die in Yamadas Versuchen aufgetretene Gerinnungsbeschleu-
nigung nach Zusatz der „entfetteten“ Organe dürfte dementsprechend
duroh die ungenügende Extraktion zu erklären sein.
Im folgenden wird der 1. Teil der Versuche in extenso
wiedergegeben.
Methodik.
1. Zubereitung der frischen Organextrakte.
Die frischen Organe Leber, Lunge, Herz, Niere, Neben-
nieren, Hoden, Thymus und Milz wurden von Kaninchen, Hypo-
physe vom Pferd, Pankreas vom Rind und Schilddrüse vom
Hammel gewonnen. Kaninchen wurden nach Freilegung der
Halsgefäße in Äthernarkose verbluten lassen. Durch die Vena
jugularis wurde mit physiologischer Kochsalzlösung (ca. 1!/, 1)
bis zum Herzstillstand nachgespült, um die Organe möglichst
blutfrei zu erhalten. Die Organe wurden dann nach Befreiung
vom Bindegewebe und anhaftenden Fett stark zerkleinert, eine
entsprechende Menge Wasser zugesetzt und ca..1 Stunde auf
der Schüttelmaschine geschüttelt. Nachdem sich die festen
Bestandteile beim Stehen zu Boden gesetzt haben, wird der
darüber stehende Extrakt abgegossen und zu den in folgendem
wiedergegebenen Versuchen verwandt.
222 K. Schilling:
2. Zubereitung der getrockneten und extrahierten
Organe.
Da uns nur in beschränktem Maße Petroläther und Alkohol
zur Verfügung standen, wurden nur 4 Organe: Leber, Lunge,
Herz und Niere zur Extraktion verwandt. Die Organe wurden
vom Kaninchen in der oben genannten Weise entnommen; gut
zerkleinert und durch ein feines Drahtsieb gequetscht. Dann
nach Angabe von Wiechowski auf paraffinierten Glasplatten
in dünner Schicht ausgestrichen und im Exsiccator unter Luft-
durchleitung getrocknet. Es ist wichtig, daß das Trocknen in
möglichst kurzer Zeit geschieht, da sich die Organe rasch ver-
ändern und, wie eigene Versuche gezeigt haben, zu ganz falschen
Resultaten führen. Die eingetrocknete Masse, die sich von den
Platten glatt ablöst, wird in der Reibschale möglichst fein
pulverisiert und ein Teil davon im Soxhlet-Apparat 6 Tage
mit Petroläther und 3 Tage mit 92°/,igem Alkohol extrahiert.
Der fettreiche Organrückstand wird bis zum Verschwinden der
Alkoholdämpfe getrocknet und in destilliertem Wasser auf-
genommen. Der zweite, nicht entfettete Teil wird direkt in
destilliertes Wasser aufgeschwemmt. Alle die Aufschwemmungen
(Emulsionen), die extrahierten und nicht extrahierten, werden
in 1°/,iger Lösung hergestellt, einige Zeit kräftig geschüttelt
und bis zum Absitzen der ungelösten Bestandteile stehen ge-
lassen (ca. 2 Stunden. Zu den Versuchen wurden dann die
beinahe klaren Emulsionen verwandt.
3. Zubereitung der Fettrückstände.
Die Fettrückstände — in Petroläther und Alkohol —
wurden bis zu einem kleinen Restrückstand eingedampft; letz-
terer in angewärmtem absoluten Alkohol aufgenommen und in
20 ccm mäßig stark erwärmtes destilliertes Wasser tropfenweise
unter starkem Umschütteln eingegossen, damit möglichst homo-
gene Emulsionen entstanden. Auf dem Wasserbade wurde dann
dieses Gemisch so lange eingedampft, bis keine Spur des Petrol-
äthers und Alkohols mehr nachzuweisen war. Das mitverdampfte
Wasser wurde wieder auf 20 ccm ergänzt. Bei späteren Ver-
suchen wurde außer absolutem Alkohol noch in gleichen Mengen
Aceton zugegeben, um klarere Emulsionen zu erhalten. Die
Resultate waren genau dieselben.
Blutgerinnung. 223
4. Plasma.
a) Zu allen Versuchen wurde 2°/,„iges Pferdeoxalatplasma
verwandt, das aus der Arterie direkt in Natr. oxalat.-Lösung
aufgefangen wurde und den Vorteil hat, daß sich schon nach
kurzer Zeit die zelligen Elemente sedimentiert haben.
b) Ein Teil des Plasmas wurde 36 Stunden im Embden-
Lindeschen Apparat mit Petroläther extrahiert. Der Petrol-
äther wurde dann durch Luftdurchleiten entfernt und das
Plasma möglichst bald zu den Gerinnungsversuchen verwandt.
5. Reagensgläschen.
Da die Gerinnungszeit von der Beschaffenheit des Glases
und auch der Weite des Röhrchens beeinflußt wird, wurde mit
möglichst gleichweiten, vollkommen entfetteten und getrockneten
Reagensgläschen experimentiert.
6. Gerinnungszeit und Intensität.
In allen. Tabellen ist die Gerinnungszeit in Minuten, die
Gerinnungsintensität für klumpig +, als unvollständig geronnen
als ++ und vollständig geronnen als +++ angegeben. Bei voll-
ständiger Gerinnung erstarrt die Masse, ist gelatinös und haftet
beim Umdrehen des Glases fest an diesem an. Веі unvoll-
ständig löst sich die gelatinöse Masse noch vom Glase ab, und
bei klumpig geht die Masse vom flockigen in den gelatinösen
Zustand über.
7. Versuchsanordnung.
Es wurde zu allen Versuchen 2 ccm Pferdeoxalatplasma
verwandt und in entsprechenden Mengen frische Organextrakte,
Organemulsionen und Fettrückstände zugesetzt und diese Ge-
mische 1/, Stunde im Brutschrank bei 37° erwärmt. Dann
wurden 3 Tropfen einer 5°/,igen Calciumchloridlösung zu-
gesetzt, rasch umgeschüttelt und der Gerinnungsvorgang be-
. obachtet.
8. Von den zahlreichen Versuchen, die immer wieder das
gleiche Resultat ergaben, wurde jedesmal nur einer als Beispiel
angeführt.
224 К. Schilling:
Versuche,
1. Versuche mit nativem Pferdeoxalatplasma
und frischen Organextrakten.
In einer Reihe von Reagensgläschen werden је 2 com Plasma und
je 2, 3, 5, 10, 20 und 30 Tropfen der verschiedenen Organextrakte ein-
gefüllt. Als Kontrollen werden entsprechende Mengen einer 1°/,igen
Tierkohleaufschwemmung‘ und destilliertes Wasser beigefügt. Nach
1j stündiger Erwärmung der Gemische im Brutschrank bei 37° werden
је 3 Tropfen der 5°/,igen Caloiumchloridlösung zugesetzt, und dann
wird durch vorsichtiges Neigen der Reagensgläschen geprüft, in welchen
es nur bis zum Klumpigwerden, in welchen es bis zur unvollständigen
und vollständigen Gerinnung gekommen war; endlich in welchen das
Plasma ganz flüssig geblieben ist. Die Versuche ergaben folgendes.
Tabelle L
1 Leber — | — |10
2 Lunge —| 2 3
3 Herz — |9 |11
4 ‚_ Niere —| 4 6
5 Nebenniere 6 7 8
6 Thymus —| 3 4
7 Hoden —| 3 81],
8 Milz 21 | 24 | 27
9 Нурорһуве == Ya
10 Schilddrüse —|— 2
11 Pankreas — | — 1
12 Tierkohle 20 | 24 | 27
13 HO 21 | 24 | 27
Tabelle II.
Frische Organextrakte 3 Tropfen Lie + [++ ++
1| 2 Leber 8 — |— | 104,
2| 2 Lunge 3 — |— 21,
3 2 Herz 8 — |7 8
4| 2 Niere 3 — 44 4 51/2
5 2 Nebenniere 8 — | 5 8
6 2 8 —|— 91,
7 2 3 —|— CNA
8 2 8 14 |18
9 2 3 —|— KÉ
10 2 Schilddrüse 3 —|— 2
11 2 Pankreas 3 — |— 1
12 2 Tierkuhle 3 — |14 16
13 2 HO 8 — |15 |20
Blutgerinnung. 225
Tabelle III.
Leber
Lunge
Herz
Niere
Nebenniere
Thymus
Hoden
Milz
Hypophyse
Schilddrüse
Pankreas
Tierkohle
DO
Tabelle IV.
O на нч Ф бо сл ©
VER RN
Leber
Lunge
Herz
Niere
Nebenniere
Thymus
Hoden
Milz
Hypophyse
Schilddrüse
Pankreas
Tierkohle
H,0
Tabelle V.
ke о
SET]
Со Со Со Со co co oo co ca co oo СО ФО
111% 111111
з=
E
D
Steige
CaCl,-
Lösung + |+ +
Tropfen
PO
М
©
ә
=
4
=
ww
Tierkohle
HO
сз со со ко со в К В К 0 0 0 В
Со оо Со фо ОФ Со СО СО co СЭ ОО СО СО
226 K. Schilling:
Tabelle VI.
Fine, DO
Nr. Deg Frische Organextrakte 30 Tropfen et + | ++ 144+
Tropfen
Leber
Lunge
Herz
Niere
Nebenniere
Thymus
Hoden
Milz
Hypophyse
Schilddrüse
Pankreas
Tierkohle
H,0
-
=,
>
FELL”
ы
5
>
=
re
=
w
[ч
м
=,
ә
пк ко ко по го ВО КО 0 О М
Со 09 Со Фо ФО ОО ОО СО ФО ОЭ СЮ oo ОО
Resultat: Aus den Versuchen geht hervor, daß vor allen
Dingen Lunge, Niere, Thymus, Hoden, Hypophyse, Schilddrüse
und Pankreas eine stark beschleunigende Gerinnung hervor-
riefen. Doch gleichen sich die Unterschiede der Beschleunigung
mehr aus — mit Ausnahme der Milz —, wenn die Extrakte
in größeren Mengen beigegeben werden. Eines sei noch er-
wähnt: Der Wasserzusatz zu den einzelnen Organen erfolgte,
soweit ев möglich war, dem Organgewicht entsprechend, nur
beim Pankreas wurde mehr Organmasse verwandt, was vielleicht
eine gewisse Beschleunigung der Gerinnung zur Folge hatte.
2. Versuche mit extrahiertem Pferdeoxalatplasma
und frischen Organextrakten.
In derselben Weise wie in den vorigen Tabellen wurden zum
Plasma, daß 36 Stunden mit Petroläther extrahiert war, die Organ-
extrakte zugesetzt.
Tabelle VII.
Plas- 59/,іве
Nr. es Frische Organextrakte 2 Tropfen gg + | ++ +++
ccm Tropfen
1] 2 Leber were
2 2 Lunge 8. |10| — | —
3 2 Herz 3 – | – | –
4 2 Niere 3 – | – | —-
5 2 Nebenniere 3 — |-| —
6 2 Thymus 3 107) — | —
7 2 Hoden 3 — | |
8 2 Milz 3 —| —– | —
9 2 Hypophyse 3 -|I|-|—
10 2 Schilddrüse 3 – | – | –
п 2 Pankreas 3 | -| —
12 2 Tierkohle 3 — | —– | —–
13 2 HO 3 —– | – | —
Blutgerinnung. 227
Tabelle VIII.
Plas-
5°/,ige
Nr. on Frische Organextrakte 3 Tropfen Geh +++
ccm Tropfen
1 2 Leber 3 -| —– —
2 2 Lunge 3 5| —| —
3 2; Herz b | -| —
4 2 Niere 3 – | | —
5 2 Nebenniere 3 – | – | —
6 2 Thymus 3 5| =| —
7 2 Hoden 3 – | – | —
8 2 Milz 3 -| —-| —
9 2 Hypophyse 3 | —-| —
10 2 Schilddrüse 3 25 | 60 | 107
11 2 Pankreas 3 —| —– | —
12 2 Tierkohle 3 – | – | —
13 2 H,0 3 —|—|—
Tabelle IX.
Plas- 50h ige
Nr.| monge] Frische Organextrakte 5 Tropfen | C20- +++
-| menge rische Örganextrakte ropfen Lösung ++
ccm Tropfen
ıl 2 Leber С 7 Вее So
gek a Lunge 3 16 | 36 | \56
3| 2 Herz 3 58 | — | —
4 2 Niere 3 21 | 49| —
5 2 Nebenniere 3 —|—|—
6 2 Thymus 3 16 | 34 | 56
7 2 Hoden 8 16 | 37 | 59
8 2 Milz 8 —|—|—
9 2 Нурорһузе 8 109 | — | —
10 2 Schilddrüse 3 7 9| 21
11 2 Pankreas 3 | -| —
12 2 Tierkohle 3 ——|—
15| 2 H,O SS en р
Tabelle X.
Plas- 5 ige
Nr. Erec Frische Organextrakte 10 Tropfen eo ++ +++
ccm Tropfen
Leber
Lunge
Herz
Niere
Nebenniere
Thymus
Hoden
Milz
Hypophyse
Schilddrüse
Pankreas
Tierkohle
H,O
Biochemische Zeitschrift Band 95.
SONS л фо 0
гого со со Ко го ОО КО О ср 0 К К
| | | рю! е @‹ф! &!
11 ое ll
Фо фо фо co co ФО co oo ФО ФО ФО СО os
ke
Ed
228 К. Schilling:
Tabelle XI.
d
Frische Organextrakte 20 Tropfen ee + + | ++
Leber
Lunge
Herz
Niere
Nebenniere
Thymus
Hoden
Milz
Hypophyse
Schilddrüse
Pankreas‘
Tierkohle
HO
Tabelle XII.
СО ao Фо Фо Фо Фо Со Оо CI Фо ОО co oo
ЛЕЗ
арте ж
5%; ige
CaCl,-
Lösung
Tropfen
Frische Organextrakte 30 Tropfen + ++ +++
Leber
Lunge
Herz
Niere
Nebenniere
Thymus
Hoden
Milz
Hypophyse
Schilddrüse
Pankreas
Tierkohle
н,0 |
Resultat: Das entfettete Plasma ergibt beim Zusatz von
kleinen Mengen der Organextrakte keine Gerinnung. Erst bei
Mengen von 5 Tropfen und mehr tritt eine Gerinnung ein,
und da sind es vor allem wieder Lunge, Niere, Thymus, Hoden,
Hypophyse und Schilddrüse. Die Kontrollen waren nach meb-
reren Stunden noch vollkommen flüssig. Da erst größere Mengen
einen Einfluß auf die Gerinnung ausüben, liegt die Vermutung
nahe, daß eben die dem Plasma entzogenen ätherlöslichen Pro-
dukte — Fette und Lipoide — wieder ausgeglichen werden müssen.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß bei der Entfettung des
Plasmas äußerst sorgfältig zu verfahren ist. Vor allen Dingen sollte es
nicht — wie es in den Arbeiten von Herzfeld und Klinger beschrieben
wird — ausgeschüttelt werden. Auch darf im Embden-Lindeschen Ex-
[| 12111111 ЕЯ
DDDDDDDDDDDDD
фо фо Фо Фо о aa Со ФО CO фо СО СО СО
KLSFKREUEL рө!
Blutgerinnung. 229
traktionsapparat während des Extrahierens der Petroläther nicht direkt
auf das Plasma gegossen, sondern muß stets in der Abflußflasche nach-
gefüllt werden, denn bei jeder starken und vor allen Dingen plötzlich
mechanischen Einwirkung, wie z. B. Schütteln oder Aufgießen des
Petroläthers direkt auf das Plasma, fällt gewöhnlich eine gallertartige,
mucinähnliche Masse in großen Mengen aus, und das so veränderte
Plasma ergibt bei derselben Versuchsanordnung durchaus abweichende,
unrichtige Resultate. Wir vermuten, daß auf die Nichtbeachtung dieser
Fehlerquelle die vielfach abweichenden Versuchsergebnisse einzelner
Autoren zurückzuführen sind.
Aus was diese gallertartigen mucinähnlichen Massen bestehen,
konnten wir bisher nicht genauer feststellen. Zum Teil handelt es sich
jedenfalls um wasserlösliche Salze; es ist jedoch nicht unwahrscheinlich,
daß auch Veränderungen der Eiweißstoffe dabei mitspielen.
3. Versuche mit nativem Pferdeoxalatplasma
und Organemulsionen.
Die folgenden Versuche wurden mit den getrockneten, zerriebenen
und dann in H,O aufgenommenen Organen gemacht, und zwar sind zum
besseren Vergleich die nicht extrahierten und die mit Petroläther und
Alkohol extrahierten Organe (Emulsionen) nebeneinandergestellt.
Tabelle XIII.
Organemulsion 2 Tropfen
1 Leber 6 16
2 Lunge 3 5
8 Herz 8 23
4 Niere 3 5
5 Leber (extr. m. Petroläther u. Alkohol) 9 57
6 Lunge do. 12 63
7 Herz do. 6 3
8 Niere 8 47
9 81/3] 81
10 H,O 22 62
Tabelle XIV.
Plas-
Nr. Se Organemulsion 3 Tropfen
1 2 Leber 3 14
2 2 Lunge 3 2
3 2 Herz 3 17
4 2 Niere 8 3
5 2 | Leber(extr.m.Petroläther u. Alkohol) 3 30
6 2 |Lunge do. 3 40
7 2 Herz do. 3 29
8 2 [Niere do. 3 27
9 2 Tierkohle 3 EN
10 2 HO 3 41
1
о
+
230 K. Schilling:
Tabelle XV.
Nr. Organemulsion 5 Tropfen
1 Leber — | — | 88
2 Lunge | —-| 4
3 Herz — | — | 36
4 Niere — | — | Ph
5 Leber (extr.m. Petroläther u. Alkohol) — | — | 84
6 Lunge do. — | — | 62
7 Herz do. — | — | 40
8 Niere do. — | — | 84
9 Tierkohle — | — | 26
10 HO — | — | 40
Tabelle ХУІ.
Organemulsion 10 Tropfen
1 2 Leber 3 _ 25
2 2 Lunge 3 — 3
3 2 Herz 3 — 26
4 2 Niere 3 — 1%]
5 2 | Leber(extr.m.Petrolätheru. Alkohol 3 — 88
6 2 | Lunge do. 3 — 891),
7 2 (fen do. 3 — 25
8 2 [Niere do. 3 — 28
9 2 Tierkohle 3 — 21
10 2 H,O 8 _ 26
Resultat: Die nur getrockneten Organe ergaben eine
deutliche Gerinnungsbeschleunigung gegenüber den extrahier-
ten, die erst in derselben Zeit oder später als die beigefügten
Kontrollen eine Gerinnung herbeiführten. Unter den Organen
sind es auch hier wieder Lunge und Niere, die die Beschleu-
nigung am deutlichsten zeigen.
Tabelle ХУП.
Plas- о d
Nr. Ge? ep Organemulsion 2 Tropfen Lösung + |++ +++
ccm Tropfen
1 2 Leber 3 180
2| 2 Lunge 3 —
3] 2 Herz 3 —
41 2 » Niere 3 180
5| 2 |Leber(extr.m. Petrolätheru. Alkohol] 3 —
6j 2 3 —
7| 2 3 —
81 2 3 —
9] 2 3 ар
10| 2 3 —
Blutgerinnung. 231
Tabelle XVII.
Organemulsion 3 Tropfen 5 + |++ +++
1 Leber —
2 Lunge 20 | 180
3 Herz — —
4 Niere 20 | 35
5 Leber (extr. m.Petrolätheru. Alkohol) — | —
6 Lunge do. 36 | —
7 Herz do. — —
8 Niere do. 180 | —
9 Tierkohle 29 | —
10 HO — | —
Ki
Tabelle XIX.
Organemulsion 5 Tropfen $ + {++ +++
Leber
Lunge
Herz
Niere
Leber (extr.m.Petrolätheru.Alkohol)
do.
do.
Tierkohle
HO
D o o a a o OO к нч
ко ко ко ео КО во К К В В
LIS ISSIT]
—
co фо ©2 Фо О CH
Tabelle ХХ.
Organemulsion 10 Tropfen ösung| + | ++ +++
Leber
Lunge
Herz
Niere
Leber(extr.m. Petroläther u.Alkohol)
do.
do.
Tierkohle
BA
© ео со-з CC ь со во ч
со ко ко сого о О о DD
со Со СО Со СО ОЭ СО СО Оо Со
III I I I8118
E
232 K. Schilling:
Tabelle XXI.
Leber
Lunge
Herz
2 3
2 3
2 3
2 Niere 3
2 |Leber(extr.m.Petrolätheru. Alkohol) 3
2 |Lunge do. 3
2 - [Herz do. 3
2 [Niere do. 3
2 Tierkohle 3
2 HO 3
Ф Фоо N Фо сл о к н
ЕЕРЕЕ:
Г
Tabelle XXIL
Organemulsion 30 Tropfen д + |++ [+++
Leber
Lunge
Herz
Niere
Leber (extr. m.Petrolätheru.Alkohol)
Lunge do.
Herz do.
Niere do.
Tierkohle
HO
© ес со 1 о бл TL
DIBEDDDDDDDD
wm фо фо co оо со oo
БЕ ЕЕЕ
—
In den Tabellen XVII bis XXII wurden dieselben Versuche mit
dem gleichen Pferdeoxalatplasma, nachdem es 5 Tage im Eisschrank
gestanden hat, wiederholt. Dabei ergaben sich erheblich längere Zeiten,
bis die Gerinnung auftrat. Zu den Versuchen ist es deshalb dringend
notwendig, daß zu Vergleichszwecken stets gleich altes, am besten aber
ganz frisches Plasma zur Verwendung kommt, wie das ja auch schon
von verschiedenen Autoren betont wurde.
4. Versuche mit extrahiertem Pferdeoxalatplasma
und Organemulsionen:
In derselben Versuchsanordnung wie unter Ziffer 3 wurden die
Emulsionen dem extrahierten Pferdeoxalatplasma zugesetzt. Da die
kleineren Mengen von 2 bis 5 Tropfen ohne jeden Einfluß auf den Ge-
rinnungsablauf waren, sind die Tabellen nicht mit angeführt worden.
|
Blutgerinnung. 288
Tabelle XXIII.
та»
d enge Organemulsion 10 Tropfen
1 2 Leber Il | —
2 2 Lunge ee
3 2 Herz E E
4 2 Niere 22 |57 | —
5 2 [Leber (extr. ш. Petroläther u. Alkohol) – | – | —
6 2 [опре do. Ss let ИРЕР
7 2 |Herz do. Ss se 28
8 2 [Niere do. — I | —
9 2 Tierkohle — |- | —
10 2 H,O 2
Tabelle XXIV.
Plas- 50/,ige
ma- o 5 Ch-
Nr. menge rganemulsion 20 Tropfen Lösung + |+ +H
ccm Tropfen
1 2 Leber 3 —
2 2 Lunge 3 —
3 2 Herz 3 —
4 2 Niere 3 15
5| 2 [Leber (extr.m.Petrolätheru. Alkohol)| 3 _
6 2 [апре do. 3 _
7 2 [Herz do. 3 —
8 2 [Niere do. 3 —
9 2 Tierkohle 3 _
10 2 H,O 3 _
Tabelle XXV.
Organemulsion 30 Tropfen
Leber
Lunge
Herz
Niere
Leber (extr. m. EDER: Alkohol)
IIIIIloal®8o
III I I 12188
III II II IS
Tierkohle
HO
Ф Фор -1 о олњ ELE
DDDDDDDDDD
фо фо œo со co co Со oo oo oo
—
234 K. Schilling:
Resultat: Wirksam sind nur die Emulsionen der nicht
extrahierten Organe: Lunge, Niere und Leber und diese nur
in größeren Mengen von 10 bis 30 Tropfen. Die extrahierten
Organe ergaben genau wie die Kontrollen von Tierkohle und
Wasser überhaupt keine Gerinnung.
5. Versuche mit nativem Pferdeoxalatplasma!) und
den Organ-Fettrückständen.
Um auch hier Vergleichswerte zu erhalten, wurden die
in Petroläther und Alkohol enthaltenen Fettrückstände neben-
einander gestellt. Vor den Versuchen wurde ihre Reaktion
auf Lackmuspapier geprüft: Dabei ergab sich, daß die in
Petroläther gelösten Rückstände nach der Aufnahme in Wasser
durchweg neutrale, die in Alkohol wenig sauer reagierten. Es
ist dies um so wichtiger, da bei längerem Stehen (1 bis 2 Tage)
alle Rückstände stark saueren Charakter annehmen und da-
durch gerinnungsverzögernd wirken. Schon von Stuber und
Heim wurde ja auf diesen Punkt besonders hingewiesen.
Tabelle XXVI.
Plas- |: 59/1де
Я СаС1,-
Nr. Ge Fettextrakte 2 Tropfen ës + +++
ccm Tropfen
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 41 | 47 | 152
2 2 Lunge do. 3 — | 35 | '50
3 2 Herz do. 3 — | — | 27
4 2 Niere do. 3 — | 27 35
5 2 Leber (Alkohol-Extrakt) 3 35 | 50 | 112
6 2 Lunge do. 3 41 | 84 | 112
7 2 Herz do. 3 35 | 41 50
8 2 Niere do. 3 — | 40 | 50
9 2 Tierkohle 3 31 | 35 | 50
10 2 HO 3 41 |108 | —
1) Dieselben Versuche am Petrolätherplasma konnten noch nicht
abgeschlossen werden, da der Bezug von Petroläther zur Zeit aus nahe-
liegenden Gründen große Verzögerung erleidet. Diese Versuche werden
in einer späteren Publikation nachgeholt werden.
Blutgerinnung. 235
Tabelle XXVII.
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt)
2 2 Lunge do.
8 2 Berz do.
4 2 Niere do.
5 2 Leber (Alkohol-Extrakt)
6 2 Lunge do.
7 2 Herz do.
8 2 Niere do.
9 2 Tierkohle
10 2 HO
Tabelle XXVIIL
Fettextrakte 5 Tropfen
1| 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 26
2 2 Lunge do. 3 39
3 2 Herz 3 38
4 2 3 26
5 2 Leber (Alkohol- Extrakt) 3 30
6 2 Lunge 3 47
7 2 Herz 0. 3 26
8 2 Niere do. H 67
9 2 Tierkohle 3 58
10 2 H,O 3 —
Tabelle XXIX.
Fettextrakte 10 Tropfen Саб. + |+ | +++
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3
2 2 Lunge do. 3
3 2 Herz do. 3 25 | 33
4 2 Niere do. 3 16 | 18
5 2 Leber (Alkohol- -Extrakt) 3 29 | 33
6 2 Lunge do. 3 24 | 27
7 2 Herz do. 3 14 | 15
8 2 Niere do. 3 22 | 25
9 2 Tierkohle 3 25 | 88
10 2 HO 3 38 | —
236 К. Schilling:
Tabelle XXX.
Fettextrakte 20 Tropfen D +++ | +++
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 — | 10 | 10
2 2 Lunge do. 8 —| —| 12
3 2 Herz do. 3 — | — | 10
4 2 Niere do. 8 — | 12 | 15
5j 2 Leber (Alkohol-Extrakt) 3 18 | 20 | 21
6 2 Lunge do. 3 —| — | 10
7 2 Herz do. 3 —|—|17
8 2 Niere do. 8 7 8 | 10
9 2 Tierkohle 3 12 | 14 | 15
10 2 H,O 3 21 | 23 | 24
Tabelle XXXI.
Un nn Se En ег ea rn na Zw E
5°/,ige
Get, -
Fettextrakte 30 Tropfen Lösung| + | ++ |++H+
f Tropfen
7| 9
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 11
2 2 Lunge do. 3 20
3 2 Herz do. 8 16
4 2 Niere do. 3 10
5 2 Leber (Alkohol- -Extrakt) 3 13
6 2 Lunge do. 3 9
7 2 Herz do. 3 11
8 2 Niere do. 3 9
9 2 Tierkohle 3 19
10 2 H,O 3 32
Tabelle XXXII.
Fettextrakte 2 Tropfen
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 — |5 | 22
2 2 Lunge do. 3 — | 5 16
H 2 Herz do. 3 — |7 16
4| 2 Niere do. 3 — |1 21
5| 2 Leber (Alkohol-Extrakt) з |—|9 |27
6| 2 Lunge do. 3 — | 9 | 26
7 2 Herz do. 3 — | 4| 19
8| 2 Niere do. 3 — | Dill 21
al 2 Tierkohle 3 —| 9 | 29
10| 2 H,0 3 — |18 | 817
Blutgerinnung. 237
Tabelle XXXIII.
Fettextrakte 3 Tropfen
1 Leber (ао Кашын) —
2 Lunge o. —
3 Herz ar — | 11| 25
4 Niere do. — | 11| 25
5 Leber (Alkohol- -Extrakt) — |184, 29
6 Lunge do. — |13, 30
7 Herz do. — | 18 | 26
8 Niere do. — | 10| 28
9 Tierkohle — | 11| 28
10 H,O — | 18 | 32
Tabelle XXXIV.
Fettextrakte 5 Tropfen
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 — |7 |19
2 2 Lunge do. 3 — | 61/,| 19
3 2 Herz Cie 3 — | Bis | 181/2
4| 2 Niere 3 — | Bill 25
5 2 Leber (Alkohol Extrakt) 3 —| 7 14
6 2 Lunge do. 3 — | 6 25
7 2 Herz do. 8 — | 6 |181.
8 2 Niere do. 3 — | 5 14
9 2 Tierkohle 3 — | 6 24
10| 2 HO 3 — |8 32
Tabelle XXXV.
Plas- 5h ige
Nr. sat Fettextrakte 10 Tropfen а, + | ++ | +++
ccm Tropfen
1 2 Leber (Petroläther-Extrakt) 3 —
2 2 Lunge do. 3 —
3 2 Herz do. 8 —
4 2 Niere do. 3 —
5| 2 Leber (Alkohol- -Extrakt) 3 _
6 2 Lunge do. 3 —
1 2 Herz do. 3 —
8 2 Niere do. 3 —
9 2 Tierkohle 3 —
10 2 H,O 3 —
238 K. Schilling: Blutgerinnung.
Resultat: Die Rückstände enthielten, da sie immer nur
in kleinen Mengen frisch zubereitet zur Verwendung kamen,
äußerst geringe Quantitäten von Fett und Lipoiden. Trotzdem
ergaben sie beim Zusatz von 10 und mehr Tropfen eine deut-
liche Gerinnungsbeschleunigung, und zwar ging diese parallel
der Länge der Extraktion. In den Tabellen XXXII bis XXXV
wurden die Organe vergleichshalber etwa doppelt solange mit
Petroläther extrahiert.
Zusammenfassung.
Diese Versuche zeigten also in vollkommener Überein-
stimmung mit den Arbeiten von Stuber und seinen Mit-
arbeitern eine deutliche Gerinnungsbeschleunigung durch Organ-
extrakte entsprechend deren Fettgehalt, wobei es einerlei ist,
ob man die Organextrakte als solche oder deren extrahierte
Fette allein zusetzt.
Extrakte von vollkommen entfettetem Organ haben gar
keinen Einfluß mehr auf den Ablauf des Gerinnungsprozesses.
Entfettetes und dadurch seines Gerinnungsvermögens beraubtes
Plasma erhält durch Zusatz fettreicher Organextrakte diese
Eigenschaft wieder vollkommen, während dieselben Organ-
extrakte nach völliger Entfettung wirkungslos sind.
In welcher Weise sowohl in quantitativer als auch in
qualitativer Hinsicht die in Frage stehenden Organfette be-
züglich ihrer gerinnungsbeschleunigenden Wirkung einzuschätzen
sind, und welche Rolle dem lipolytischen Ferment dabei zu-
fällt, soll in einer späteren Mitteilung besprochen werden.
Literatur.
Morawitz, Deutsches Arch. f. klin. Med. 79, 1904; Beiträge z.
chem. Physiol. u. Pathol. 5.
Loeb, dortselbst weitere Versuche über Blutgerinnung.
Stuber und Heim, diese Zeitschr. 77, I und II, 1916.
Stuber und Partsch, dortselbst III.
Zak, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 70, 1912; 74, 1913,
Herzfeld und Klinger, diese Zeitschr. 82, 1917.
Yamada, diese Zeitschr. 87, 1918.
Wiechowski, diese Zeitschr. 81, 1917.
Zur pathogenetischen Bedeutung der Ölsäure
bei Anämien.
Von
H. Beumer.
(Aus der Akademischen Kinderklinik in Düsseldorf.)
(Eingegangen am 26. April 1919.)
Die experimentellen Grundlagen der Theorie, daß die Öl-
säure das die Bothriocephalusanämie erzeugende perniziöse
Blutgift darstellt, finden sich in den Arbeiten von Faust und
Tallquist!).
Die Ölsäuretheorie war gewissermaßen ein Endergebnis des Studiums
der Bothriocephalusanämien. Erst in jüngster Zeit wurde diese Frage
durch Seyderhelm?®) in neue Bahnen gelenkt, wobei allerdings nicht
zu vergessen ist, daß schon 1898 Schaumann und Tallquist?) auf
dem richtigen, aber nicht scharf als solchen erkannten Weg waren, in-
dem sie durch Injektion wäßriger Extrakte von Bothriocephalus bei
einem Hunde das typische Bild einer perniziösen Anämie erzeugen
konnten. Die Aufmerksamkeit wurde jedoch durch Faust und Tall-
quist nach einer anderen Richtung gelenkt, als sie 1907 aus getrock-
neter Bothriocephalussubstanz ein als Cholesterinölsäureester erkanntes
Lipoid isolierten und dieses zum schädigenden Prinzip des breiten Band-
wurms proklamierten. Durch Erzeugung chronischer Ölsäurevergiftung
bei Hunden und Kaninchen suchten sie ihre Hypothese zu erhärten.
Eine durch 7 Monate fortgesetzte Verfütterung von Ölsäure an einem
Terrier hatte nach starken als regenerative Anstrengungen der Erythro-
роёве gedeuteten Schwankungen schließlich eine erhebliche Anämie des
Tieres zur Folge. Bei Kaninchen verursachte die subcutane Injektion
1) Faust und Tallquist, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 57.
Faust, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 58.
з) Seyderhelm, Arch. f. klin. Med. 126.
3) Schaumann und Tallquist, Deutsche med. Wochenschr.
1898, 20.
240 Н. Beumer:
von ölsaurem Natrium rapiden Hämoglobinsturz mit raschem tödlichen
Ausgang. Ein ähnliches, stark hämolytisch wirksames Lipoid konnten
Berger und Tsuchiya!) aus der Darmschleimhaut eines an Biermer-
scher Anämie Verstorbenen extrahieren. Somit schien die Möglichkeit
gegeben, die in ihren Erscheinungsformen ähnlichen schweren Anämien
verschiedenster Ätiologie-, Bothriocephalus-, Biermer-, Carcinomanämien
[Grafe und Römer?)] auf eine einheitliche pathogenetische Grundlage
mit der Ölsäure als gemeinsamer Noxe zu stellen. Das Bild der chroni-
schen Ölsäurevergiftung am Hunde wurde von Flury und Schmincke’)
weiterhin studiert und in bezug auf das dabei beobachtete Verhalten
der Erythrocyten eingehend charakterisiert. Als Resultat einer 16 Monate
lang fortgesetzten Verfütterung von täglich 10 g Ölsäure an einen 7,5 kg
schweren Hund fanden diese Autoren einen kurzdauernden beträchtlichen
Sturz der roten Blutkörperchen mit langsamer, aber vollständiger Repa-
ration, die mit einer charakteristischen, im Sinne einer Schutzmaßregel
gedeuteten Veränderung der Erythrocyten in biologischer und chemi-
scher Beziehung in Zusammenhang gebracht wurde. Die Blutkörperchen
zeigten nämlich eine spezifische Resistenzerhöhung "gegen Ölsäure, als
deren chemisches Korrelat das Vorhandensein überwiegender Mengen von
Cholesterinestern festgestellt wurde.
Der kritischen Besprechung dieser Ergebnisse Flurys und
Schminckes und ihrer Deutung schicke ich die Befunde
einer eigenen an zwei Hunden durchgeführten Ölsäurefütterung
voraus‘). Ich ging dabei von dem Gedanken aus, daß, wenn
der Ölsäure wirklich eine erhebliche schädigende Wirkung im
Sinne eines Blutgiftes innewohnt, diese in ganz besonderer
Weise bei jungen wachsenden Tieren in Erscheinung treten
mußte; denn es ist bekannt, daß gerade das jugendliche Blut
leichter auf alimentäre Einflüsse reagiert, ihnen weniger Wider-
stand entgegensetzt und mehr zu einem .Rückschlag ins Em-
bryonale als reaktiver Wirkung auf gesetzte Schädigungen
neigt. Außerdem richtete ich meine Aufmerksamkeit auf et-
waige störende Wirkungen der Ölsäure auf Wachstum und
Knochenbildung, da in dieser Beziehung den Fettsäuren bei
der Entwicklung der Säuglinge eine besondere, aber noch nicht
sicher nachgewiesene Bedeutung beigemessen wird (Czerny).
1) Berger und Tsuchiya, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 96.
2) Grafe und Römer, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 96.
3) Flury und Schmincke, Arch. f. experim. Pathol. u. Phar-
makol. 64.
4) Diese Versuche wurden Anfang 1914 in der Universitäts-Kinder -
klinik in Halle gemacht.
/
Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 241
Zu meinen Versuchen dienten 3 junge Hunde im Alter
von 3 Wochen vom gleichen Wurf. z
Der eine erhielt täglich, der andere mit Abständen 20 bis 30 g
Ölsäure durch Magensonde. Der 3. Hund diente zur Kontrolle. Im Be-
ginn zeigten die Hunde infolge starken Widerwillens und Ekels ver-
minderte Freßlust, zeitweilig Durchfälle und etwas struppiges Fell. Später
wurde die Sondenfütterung anstandslos vertragen. Nach 4 Monaten
mußten die Versuche wegen Kriegsausbruches abgebrochen werden. In-
folgedessen fehlen die Sektions- und Organbefunde; jedoch wird dadurch
die Beurteilung der Ölsäurewirkung auf das Blut, wie später erörtert
werden soll, nicht entwertet. Die folgende Tabelle zeigt zahlenmäßig
das Verhalten des Blutes und Körpergewichtes des Kontrollhundes und
des „Ölhundes“ I bei täglicher Ölsäurezufuhr.
Blut-
rperchen
Gewicht Hämoglobin kö
Bemerkungen
25. III. 14| 3250
1. IV. Beginn von täglich.
20 g Ölsäure
10. IV. Blutbild о. B.
20. IV. Blutbild о. B.
7.V.
1. VI.
4. VII.
25. VII. 7200 [Ат 20. 7. Blutentnahme
von 50 ccm
Zu Beginn des Versuches war eine mäßige Abnahme des Körper-
gewichts mit Verminderung des Hämoglobins und der Zahl der roten
Blutkörperchen eingetreten. Nach dem Eindruck, den die Tiere sonst
machten, waren aber diese Erscheinungen weniger auf eine spezifische
Schädigung durch Ölsäure, als auf den widerlichen Geschmack des Prä-
parates zurückzuführen, der zu geringerer Nahrungsaufnahme veranlaßte.
Irgendwelche Zeichen von einer hämolytischen Wirkung der Ölsäure
ließen sich weder im Serum noch im Blutbild nachweisen. Der Ölhund I
erhielt im Vergleich zu dem doppelt so schweren Versuchshund Flurys
und Schminckes und den Versuchshunden Fausts die vierfache Menge
an Ölsäure. Trotzdem war das Tier nach eingetretener Gewöhnung
stets munter. Sichtbare rachitische Veränderungen bildeten sich nicht
aus, die Körpergewichtszunahme war befriedigend.
Es haben also beim Hunde selbst große, längere Zeit ge-
gebene Ölsäuremengen nach einer kurzen durch Appetitmangel
242 H. Beumer:
und Durchfälle verursachten Entwicklungshemmung keinen wahr-
nehmbaren Einfluß auf Knochenbau und allgemeines Wachstum
gezeitigt. Die Übertragung dieses Versuchsergebnisses auf die
menschliche, vor allem kindliche Pathologie kann natürlich nur
mit größter Reserve versucht werden. Es wird aber dadurch
doch immerhin die Möglichkeit einer Schädigung durch höhere
Fettsäuren, die unter natürlichen Bedingungen nur in bedeutend
geringeren Quantitäten bei Anomalien des Fettstoffwechsels im
Organismus auftreten könnten, zum mindesten sehr in Frage
gestellt.
An dem Blut meiner Hunde wurden zu verschiedenen Zeiten Re-
sistenzbestimmungen gegen Ölsäure und Saponin angestellt. Die Saponin-
resistenz der Ölhunde-Erythrocyten war niemals, verglichen mit Normal-
erythrocyten, verändert. Zwei Resistenzbestimmungen, von denen eine
an das Ende der viermonatigen Ölsäurefütterung fällt, sind in den beiden
folgenden Tabellen dargestellt.
Resistenzbestimmung gegen Natrium oleinicum
am 8. VI. 14.
0,25 ccm 5°/,ige Blutkörperchenaufschwemmung +3 com Natr. oleat.
Kochsalzlösung.
+ = deutliche Hämolyse, Ö I= Ölhund I,
Sp = Spur Ö II= Ölhund II,
fk = fast komplette Hämolyse, K = Kontrollhund,
k = komplette Hämolyse.
Hämo-| 1: 1000| 1:2000 | 1: 4000 | 1: 6000 | 1: 8000 |1: 10000] ı : 12000] 1 : 14000|1:20000
lyse I __ 5 = — = МЕЧА 4
2010111010 61/6 ӧӧ оо о0о оо,
І Кт пп АНЕ ДЕ KlılmKlı olx ЧЕ
K
+
k |k рр! +|Sp| 0 |Sp| 0
k
o
Ku
FS +
PS +
к
©
+
тт
+ |fk |fk |Sp
+ + [ЕЕ
ккк
fk| + | + | #|3рзр +
8
d
Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 243
Hämolyse mit Ölsäure-Emulsion
am 20. VII. 14.
0,25 com 59], gewaschener Blutkörperchen.
2,0 ccm Ölsäure-Emulsion in NaCl-Verdünnungen 1:1000, 1:2000 usw. -
Aus diesen Tabellen ist ersichtlich, daß sich eine nennens-
werte Resistenzerhöhung der Erythrocyten Am Laufe der Öl-
säurefütterung nicht herausgebildet hat.
Einen weiteren Beweis gegen die hämolytische Wirksam-
keit der Ölsäure im Blut ergab die folgende Versuchsanord-
nung.
Von beiden Ölhunden wurde 8 Stunden nach einer reichlichen Öl-
säuremahlzeit (40 р), also zu einem Zeitpunkt, da erwartungsgemäß
größere Mengen Ölsäure im Blut zirkulieren mußten, Serum entnommen,
mit gewaschenen normalen Hundeblutkörperchen vermischt und 12Stunden
im Brutschrank digeriert. Das daraufhin abzentrifugierte Serum zeigte
keine Spur Hämolyse. Um die Ölsäurewirkung aufzuheben, bedarf es
also keiner erst zu erwerbenden Ölsäurefestigkeit der Erythrocyten.
Eine große Bedeutung bei den Versuchen Flurys und
Schminckes ist der Feststellung von großen Mengen Cholesterin-
ester in den Blutkörperchen beizulegen. Die Blutkörperchen
meines Ölhundes I wurden daraufhin am 20. VII. 14 nach der
Windausschen Methode untersucht.
7 g gewaschene und getrocknete Blutkörperchen wurden mit Al-
kohol und Äther erschöpfend extrahiert, das Extrakt geteilt und in
einer Hälfte a das freie, in der zweiten b nach Verseifung das Gesamt-
cholesterin bestimmt.
Extrakthälfte a ergab 0,0570 Dig. Chol. == 0,396°/, freies Cholesterin,
n b „ 0,0558 „ » = 0,387°/, Gesamtoholesterin.
Somit war in den Blutkörperchen des Ölhundes I das
Cholesterin nur in freier Form enthalten, und zwar entsprechen
die gefundenen Werte denen normaler Hundeerythrocyten. Nach
Hoppe-Seylers alten Untersuchungen beträgt der Cholesterin-
Biochemische Zeitschrift Band 95. 17
244 H. Beumer:
gehalt der Hundeblutkörperchen 0,36%, nach den jüngeren
Feststellungen Thaysens 0,47°/,, Flury und Schmincke
fanden bei ihrem Hunde 0,307 Cholesterin aus Estern.
Nach Mitteilung dieser Resultate gehe ich zur Erörterung
der „Ölsäurevergiftung“ über, wie sie sich in ihrer Wirkung
nach den vorliegenden Arbeiten darstellt. Beim Hunde Flurys
und Schminckes trat schon in der Vorversuchsperiode vom
24. bis 30. XII. eine als Gefangenschaftsanämie erklärte Ver-
minderung der Blutkörperchen um 1,2 Millionen ein. Am 1. XII.
begann die Ölsäurefütterung und schon am 9, XII. erreichte
die Blutkörperchenzahl ihren niedrigsten Stand mit einer Ab-
nahme von 2,1 Millionen. Zwischen 1. und 9. XII. werden
keine Zahlen angegeben. Es ist nicht ersichtlich, ob der durch
Gefangenschaftsanämie erfolgte Blutkörperchensturz mit dem
1. XII. seinen Abschluß erreicht hatte und das weitere schnelle
Absinken der Blutkörperchen allein der Ölsäurewirkung zu-
geschrieben werden kann. Diese Frage spielt aber nicht eine
so wesentliche Rolle wie vielmehr der Umstand, daß schon
nach 9 Ölsäuretagen die Zahl der Blutkörperchen und des
Hämoglobins Wieder beständig steigt und am 30. XII. den
alten Stand erreicht, der durch weitere 15 Monate fortgesetzte
Ölsäurezufuhr nicht mehr ungünstig beeinflußt wird. Der
durch die Ölsäure gesetzte Schaden wäre also höchstens ein
akuter. Eine chronische Ölsäurevergiftung ohne Erscheinungen
ist nicht vorstellbar. Betrachtet man daher mit Flury und
Schmincke die an den Erythrocyten gefundenen Verände-
rungen von Resistenzerhöhung und chemischer Abartung als
Abwehrmaßregeln des Organismus, so muß man annehmen,
daß diese Waffen bereit waren zu dem Zeitpunkt, als der
Körper begann, sich mit Erfolg der Ölsäurewirkung zu er-
wehren. Das wäre also schon nach der ersten Woche der Öl-
säureüberschwemmung. Dagegen zeigen meine Versuche, daß
der Körper auch ohne Resistenzerhöhung seiner Blutkörper-
chen mit noch größeren Mengen Ölsäure fertig wird. Die ver-
mehrte Widerstandsfähigkeit der Erythrocyten, zu deren Aus-
bildung zugegebenermaßen der Zeitfaktor eine Rolle spielen
mag, kann daher nicht ein unentbehrliches Mittel im Kampf
gegen die Ölsäure sein, wenn man nach den vorliegenden Er-
gebnissen nicht überhaupt den Gedanken aufgeben will, die
Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 245
Ölsäure als ein für den Organismus besonders schädliches
Nahrungs- und Blutgift zu betrachten.
Am weitaus interessantesten sind die chemischen Verände-
rungen, die Flury und Schmincke an den Blutkörperchen
ihres Hundes gefunden zu haben glauben, jedoch erscheinen
gerade diese am wenigsten sicher fundiert. Die Autoren
schreiben, daß sie erst nach mehrfacher energischer Verseifung
größere Mengen Cholesterin aus dem Blutkörperchenextrakt
gewinnen konnten und folgern daraus sowie aus der gefunde-
nen Jodzahl das Vorkommen von Cholesterinestern der Palmitin-
und Ölsäure. Es fragt sich, ob diese Kriterien genügen. Die
Cholesterinester wurden nicht selbst dargestellt und als solche
identifiziert. Wir haben inzwischen durch Windaus im Digi-
tonin ein zuverlässiges Mittel gewonnen, die Anwesenheit selbst
kleiner Mengen von Cholesterinestern einwandfrei nachzuweisen.
Mit dieser Methode enthielten bei meinem Ölhund I die Blut-
körperchen keine Spur von gebundenem Cholesterin. Auch in
früheren Versuchen bei Übertragung der Ölsäuretheorie auf die
menschliche Pathologie konnten Bürger und ich!) in den
Blutkörperchen bei perniziöser Anämie keine Cholesterinester
feststellen. Man muß sich fragen, ob eine überwiegende Menge
von Cholesterinestern mit den Funktionen der Lipoidhülle der
Blutkörperchen überhaupt in Einklang gebracht werden kann,
vor allem aber, ob eine solche spezifische Resistenzerhöhung
gegen Ölsäure infolge Anwesenheit von Cholesterin denkbar
ist, ohne von einer starken Resistenzverminderung gegenüber
Saponinen begleitet zu sein. Die einseitige Spezifität der Re-
sistenz wird aber von Flury und Schmincke besonders be-
tont. Wir wissen, daß der Resistenzgrad der Blutkörperchen
gegen Saponine von ihrem Cholesteringehalt direkt abhängig
ist. Bei Saponininjektionen geht die Zunahme der Saponin-
resistenz mit einer Vermehrung des freien Cholesterins in den
Blutkörperchen parallel [Wacker und Hueck?)]. Die hämo-
lytische Wirkung der Saponine wird durch freies Cholesterin
gehemmt, nicht aber durch Cholesterinester. Die Vorstellung
einer aus Cholesterinestern bestehenden Lipoidmembran mit
1) Beumer und Bürger, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. 18.
2) Wacker und Hueck, Arch. f. experim. Pathol. u. Therap. 74.
17*
246 H. Beumer:
unveränderter Resistenz gegen Saponine würde also erheblichen
Schwierigkeiten begegnen. Ich glaube daher, daß angesichts
der anfechtbaren Annahme von Cholesterinestern, für die von
Flury und Schmincke gefundene Resistenzsteigerung gegen
Ölsäure eine andere Deutung gesucht werden muß.
Die von Faust und Tallquist als eigentliches Bothrio-
cephalusgift angenommenen Cholesterinölsäureester als solche
besitzen keine hämolytischen Fähigkeiten. - Serumfreie, mit
einer Cholesterinölsäureester-Emulsion geschüttelte Blutkörper-
chen werden selbst nach 24stündigem Stehen im Brutschrank
nicht hämolysiert, was zugleich gegen das Vorkommen einer
Cholesterase in den Erythrocyten spricht, da eine Spaltung
selbst geringer Mengen der Cholesterinester Hämolyse hervor-
rufen müßte.
. Bei subeutaner Einverleibung von 16 g Cholesterinölsäure-
ester in einer kürzeren Periode bei einem Kaninchen fand sich
ein größerer Teil des Injizierten noch unresorbiert im Unter-
hautzellgewebe, ein Teil in Form gelber Tröpfchen. noch un-
gespalten im Mesenterialfett. Die Resistenzprüfung ergab gegen
Saponin keine, gegen Ölsäure eine ganz geringe Verschiebung.
Hämolyse d e 1 1 1 . 1 1
nach "DT | 10000 | 30000 | 40000 | 60000 | 80000
1 Stunde | Cholesterin- k 0
24 Stunden | kaninchen k Sp
1 Stunde Normal- k fk fk 0 0
24 Stunden | kaninchen k k fk fk Sp
Hämolyse | Ölsäure- 1 1 1 1 1
nach Emulsion | 2000 | 4000 | 5000 | 8000 | 10000
1 Stunde | Cholesterin- k k Sp 0 0
24 Stunden | kaninchen k k k fk +
1 Stunde Normal- k k k Sp Sp
24 Stunden | kaninchen k k k k k
Von klinischer Seite wurden sofort erhebliche Bedenken
gegen die Richtigkeit der Ölsäuretheorie der perniziösen Anämie
erhoben. Mit Recht wurde hervorgehoben, daß es Faust und
seinen Schülern niemals gelungen ist, durch noch so lange fort-
Bedeutung der Ölsäure bei Anämien. 247
gesetzte Ölsäurefütterungen das wirkliche Bild einer perniziösen
Anämie hervorzurufen. . Die erzeugten Anämien haben das
Charakteristische geringgradiger sekundärer Blutveränderungen
mit mäßig herabgesetzten Blutkörperchenzahlen und verminder-
tem Hämoglobinindex. Wenn Faust daher angibt, einwand-
frei festgestellt zu haben, daß die Ölsäure das hämolytisch
wirksame Gift des breiten Bandwurms ist und per op ver-
füttert im Organismus die gleiche hämolytische Wirkung ent-
faltet wie im Reagensglase, so geben dieser Schlußfolgerung
die vorliegenden Ergebnisse keine Beweiskraft. Vielmehr liegen
die Verhältnisse im Serum ganz anders wie im Reagensglase.
Die Schutzkraft des Serums ist eine ganz evidente, wie wir
sie in ähnlicher Weise bei den schweren Formen von Reten-
tionsikterus sehen, bei dem trotz Überschwemmung des Blutes
mit (im Reagensglas) stark hämolytisch wirksamen Gallen-
säuren fast nie eine Hämolyse beobachtet wird. Die Entgif -
tung der verfütterten Ölsäure ist auf verschiedenen Wegen
denkbar. Möglich ist ihre Bindung an Cholesterin zu Chole-
sterinestern; jedoch stieg bei meinen Versuchen die Menge der
Cholesteriüester im Blutserum selbst nach Verfütterung großer
Ölsäuremengen (150 сот) nicht erheblich an. Auch führte eine
24-Bebrütung einer Mischung von Blut und Ölsäure im Brut-
schrank nicht zur Bildung von Cholesterinestern. Die Entgif-
tung erfolgt daher wahrscheinlich durch Bildung von Glycerin-
estern. Nach Faust Копћбеп nach Ölsäurefütterung beträcht-
liche Mengen Ölsäure aus dem Chylus mittels einer Ductus
thoracicus-Fistel gewonnen werden. Nach den jüngsten Arbeiten
von Bang!) aber wird die Hauptmenge der Fettsäure der
Leber durch die Pfortader zugeführt. Auch normalerweise
kommen in der Leber größere Mengen freier Fettsäuren vor.
Die Annahme erscheint daher berechtigt, daß der Angriff der
Ölsäure schon durch die synthetischen Kräfte des Darmepithels,
im übrigen aber durch das Serum und die Leber abgeschlagen
wird, bevor er die Blutkörperchen überhaupt erreicht. Auch
von Faust wurden Zeichen einer am Serum sichtbaren hämo-
lytischen Wirkung nicht beobachtet. Diese treten allerdings
bei intravenöser Zufuhr von Ölsäure bzw. ölsaurem Natrium
1) Bang, diese Zeitschr. 91.
248 H. Beumer: Bedeutung der Ölsäure bei Anämien.
auf, deren Einverleibung in die Zirkulation mit dem Leben
der Tiere unvereinbar ist (Munk, Jastrowitz!), eigene Ver-
suche. Nach Munks Ansicht starben die Tiere dabei an
plötzlichem Herztod.
Es bliebe noch die Möglichkeit eines pathologischen endo-
genen Fettabbaues, bei dem freiwerdende Ölsäure hämolytische
Wirkungen auslösen könnte. Eine solche Möglichkeit bei
ätiologisch ungeklärten Anämien des Kindesalters deutet
v. Pfaundler?) kurz an. Jedoch fehlen dafür vollends die
Beweise, wie wohl auch diese hypothetische Erwägung nur unter
dem Eindruck der Ölsäuretheorie Fausts entstanden ist. Das
gleiche gilt für die von Kleinschmidt?) in das Bereich der
Möglichkeit gezogene schädigende Wirkung der Ölsäure bei den
alimentären Formen der Säuglingsanämien. Welche Mengen
von Ölsäure der wachsende Organismus ohne erhebliche Schädi-
gung seines Blutes und Wachstums vertragen kann, geht aus
den beschriebenen Versuchen an jungen Hunden hervor.
Es muß daher abgelehnt werden, der Ölsäure eine patho-
genetische Bedeutung für die perniziösen Anämien einzuräumen.
Ebensowenig kann eine charakteristische, im Laufe der Öl-
säurefütterung erworbene relative Ölsäurefestigkeit der Erythro-
cyten mit partieller Abartung der Lipoide durch Substitution
des freien Cholesterins durch Cholesterinester bestätigt und
ihrer Deutung als Abwehrmaßnahme des Körpers gegen die
hämolytische Wirkung der Ölsäure beigestimmt werden.
1) Jastrowitz, Zeitschr. f. klin. Med. 1914.
*) у. Pfaundler, Feers Lehrb. d. Kinderheilkunde.
3) Kleinschmidt, Jahrb. f. Kinderheilk. 83.
Über Wirkung und Entgiftung eingeatmeter Blausäure.
Von
Ferdinand Flury und Wolfgang Heubner.
(Aus der Pharmakologischen Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für
physikalische Chemie und Elektrochemie, Berlin-Dahlem.)
(Eingegangen am 30 April 1919.)
Vor kurzem haben Teichmann und Nagel!) über Versuche
an Mäusen berichtet, durch die sie die seit 1895 bekannte Tat-
sache bestätigen, daß Natriumthiosulfat prophylaktisch gegen
Blausäurevergiftung wirksam ist. Sie haben weiter die Fest-
stellung von Schankies?) bestätigt, daß im Durchschnitt die
Erholungszeit vergifteter Tiere etwas kürzer ist, wenn ihnen
nach Aufenthalt in einer Blausäureatmosphäre Thiosulfat in-
jiziert wird, d. h. bei nicht tödlich vergifteten Tieren macht
sich die bekannte entgiftende Wirkung des Thiosulfats auch bei
nachträglicher Zufuhr ein wenig geltend. Teichmann und
Nagel haben nicht erweisen können, daß tödlich vergiftete
Tiere nach Einatmung von Blausäure durch nachträgliche Zu-
fuhr von Thiosulfat gerettet werden können. Dies verdient wegen
der praktischen Bedeutung der Frage mit aller Schärfe hervor-
gehoben zu werden, um so mehr, als die Autoren in ihren Schluß-
folgerungen zu dem Resultat kommen, daß durch „therapeu-
tische Behandlung Vergifteter“ die Unglücksfälle bei Blausäure-
vergasungen, wie sie jetzt zum Zwecke der Schädlingsbekämpfung
in großem Umfang stattfinden, verringert werden könnten.
Nach unserer Ansicht muß aber die Errettung vom Tode das
1) Diese Zeitschr. 98, 312, 1919.
з) Beitäge zur experimentellen Therapie der Blausäurevergiftung.
Inaug.-Diss. Königsberg 1918.
250 Е. Flury und W. Heubner:
erste Ziel einer gegen Unglücksfälle gerichteten Maßregel sein,
während ein etwas schnellerer Verlauf einer im allgemeinen
von selbst rasch fortschreitenden Erholung nur geringe Bedeutung
haben kann.
Über die Rettung tödlich vergifteter Tiere nach Blau-
säureeinatmung durch Thiosulfat haben wir bereits vor längerer
Zeit Versuche an Katzen angestellt und zwar mit intravenöser
Injektion; wir sind damals zu dem Resultat gekommen, daß
eine sichere Wirkung nicht festzustellen ist und in praxi bei
akuter Vergiftung keine Rolle spielen kann, denn bei den Grenz-
dosen ist es nie mit Bestimmtheit vorauszusagen, ob das Tier
ohne Thiosulfat sterben würde, und bei sicher tödlichen Dosen
verläuft die Vergiftung so rasch, daß die Behandlung immer
zu spät kommt — selbst im Laboratorium, wo alles zur In-
jektion bereit steht, geschweige denn im Ernstfalle. Das außer-
ordentlich rasche Tempo der Vergiftung, worin die Einatmung
des Giftes die anderen Applikationen noch wesentlich übertrifft,
scheint uns also eine Thiosulfatbehandlung ganz aussichtslos zu
machen. Soviel über die Heilversuche. Der prophylaktischen
Methode — Einspritzung von Thiosulfat bei den mit Blausäure-
vergasungen beschäftigten Personen vor der Arbeit — stehen
wir ebenfalls aus praktischen Gründen sehr skeptisch gegen-
über. Deswegen haben wir auch seinerzeit weitere Versuche
abgebrochen.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir aber noch auf eine
bei unseren Arbeiten mit Blausäure gemachte Beobachtung hin-
weisen. Systematische Versuche mit verschieden hohen Kon-
zentrationen bei verschiedener Einatmungszeit haben uns gezeigt,
daß nicht alle Vergiftungen in dem oben erwähnten raschen
Tempo verlaufen. Es gibt eine Vergiftungsform durch Ein-
atmung, die eine besondere Stellung einnimmt, die übrigens
auch von Teichmann und Nagel nicht berücksichtigt worden
ist. Sie kommt nur zustande, wenn ganz bestimmte Konzen-
trationen des Blausäuredampfes längere Zeit eingeatmet werden.
Für Katzen liegen diese Konzentrationen um 0,10 mg pro Liter
Luft herum. Sie können mehrere Viertelstunden lang ohne töd-
lichen Erfolg eingeatmet werden, bewirken dabei aber eine
schwere Vergiftung, deren Höhepunkt nach 5 bis 15 Minuten
erreicht wird, um dann, ähnlich wie etwa bei der Narkose,
Entgiftung eingestmeter НОМ. 251
stationär zu bleiben: Bewußtlosigkeit, langsame, krampfhaft ver-
tiefte Atmung, ab und zu leichte Krämpfe. Bringt man solche
Tiere nach längerer Zeit wieder in reine Luft, so bessert sich
regelmäßig die Atmung. Trotzdem kann es geschehen, daß
eine völlige Erholung ausbleibt und der Tod noch nachträg-
lich, unter Umständen erst nach mehreren Stunden eintritt.
Dabei ist uns der charakteristische Befund aufgefallen, daß in
der Leiche hellrotes Blut angetroffen wird; die Lähmung der
Oxydationsfermente kann also die Blausäureatmung erheb-
lich überdauern, während die Störung der Atmung sich rasch
erholt.
Diese Beobachtung scheint uns auch in theoretischer Beziehung von
großem Interesse. Denn sie ist schwer vereinbar mit der Auffassung
von Geppert!), nach der auch die zentralen Symptome der Blausäure-
vergiftung hauptsächlich Folge der gestörten Oxydation sein sollen?).
Bei dem genannten Vergiftungstypus kommt es also trotz
ständig erneuter Giftzufuhr nicht zur Lähmung des Atem-
zentrums, weil sich hier offenbar ein Gleichgewichtszustand
einstellt, bei dem fortwährend Blausäure durch Ausscheidung
oder Zerstörung oder sonstwie unschädlich gemacht und eine
bestimmte Konzentration des Giftes an den empfindlichen
Elementen der nervösen Zentren nicht überschritten wird. In
dieser Beziehung läßt also die Blausäure eine gewisse Analogie
mit der Wirkungsweise der flüchtigen Inhalationsnarkotica der
Fettreihe erkennen. Daß die Tiere in diesem Zustand ein Viel-
faches der bei höherer Konzentration schnell tödlich wirkenden
absoluten Dosis einatmen, verdient besondere Beachtung. Es
ergibt sich daraus nämlich, daß eine strikte tödliche Dosis
für eingeatmete Blausäure nicht aufgestellt werden
kann; ihre Giftigkeit ist innerhalb weiter Grenzen abhängig
von der eingeatmeten Konzentration.
Noch ein weiterer Punkt möge hier erwähnt werden. Die
Vergiftung durch sehr schwache Konzentrationen hat aus-
gesprochen reversiblen Charakter. Wenn man Tiere mit
Konzentrationen, die etwa 0,2 bis 0,4 mg Blausäure im Liter
1) Über das Wesen der Blausäurevergiftung. Berlin 1889.
2) Vgl. W. Ewald, Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Med. 38, 335, 1907. —
v. Tappeiner, Lehrb. d. Arzneimittellehre. 11. Aufl. 1916, 251.
252 F. Flury und W. Heubner:
Luft enthalten, bis zum Eintritt von Atemstillstand und völliger
Bewußtlosigkeit vergiftet und dann zur Vermeidung des Herz-
stillstandes sofort wieder in frische Luft bringt,. kommt die
Atmung bald wieder spontan oder nach einigen Thoraxkom-
pressionen in Gang, und die Tiere erholen sich in der Regel
wieder vollständig. Während dieser Erholungsperiode treten
nun, wie wir besonders häufig bei Katzen gesehen haben, die
anfänglichen Vergiftungssymptome, aber in umgekehrter Reihen-
folge, wieder auf. Es kommt wieder zu Krämpfen, Atem-
beschleunigung, Erregungszuständen, motorischen Störungen,
Ataxie usw. Diese Form der Vergiftung dürfte sich gut zum
Studium und zur anschaulichen Darstellung reversibler Ver-
giftungsprozesse eignen.
Auf Versuche über die Behandlung der „stationären“ Blau-
säurevergiftung mit Thiosulfat haben wir verzichtet. Denn
für sie gilt erst recht, daß der spontane Verlauf niemals sicher
vorauszusehen ist, sondern von Individuum zu Individuum
schwankt. Von zwei gleichzeitig unter scheinbar absolut gleichen
Bedingungen vergifteten Tieren kann das eine auch nach lang-
dauernder Vergiftung noch eine ziemlich rasche Erholung zeigen,
während das andere in der beschriebenen Weise nachträglich
zugrunde geht. Ob es sich bei solchen bedrohten Fällen darum
handelt, die Blausäure möglichst rasch chemisch zu entgiften,
oder nicht vielmehr darum, die — vielleicht auch im Herz-
muskel? — irreparabel geschädigte Fermenttätigkeit wieder in
Gang zu bringen, möchten wir dahingestellt sein lassen. Immer-
hin wollen wir nicht mit Bestimmtheit behaupten, daß bei so
gearteten Fällen von Blausäurevergiftung am Menschen nicht
auch einmal Thiosulfat nützlich sein könnte. Die besten Be-
handlungsmethoden der Blausäurevergiftung nach Einatmung
sind jedoch immer noch die Zufuhr von Sauerstoff und
die künstliche Atmung, von der wir auch in Tierversuchen
häufig überraschende Erfolge selbst bei schwersten Vergiftungen
sahen.
Die sichere Dosierung gasförmiger Blausäure ist nicht
leicht. Wir haben z. T. mit Strömungskammern unter gleich-
zeitiger Analyse der Kammerluft, 2. Т. mit großen, gut ge-
dichteten Kammern (von 1 bis 12 cbm) gearbeitet, in denen
abgemessene Mengen reiner, wasserfreier Blausäure zerstäubt
Entgiftung eingestmeter HCN. 253
wurden. Hierbei wurden die verwendeten Konzentrationen so
weit wie möglich fortlaufend durch chemische Analysen kon-
trolliert. Leider sind die meisten in der Literatur enthaltenen
Untersuchungen über die Wirkung von Gasen, auch die von
Teichmann und Nagel, ohne chemische Kontrolle der bei
den Versuchen wirklich vorhandenen Gaskonzentrationen durch-
geführt worden. Dadurch wird die Unsicherheit der Dosierung,
die bei toxikologischen Gasversuchen aus zahlreichen Gründen
stets vorhanden, z. T. kaum vermeidbar ist, besonders groß
und die Reproduktion solcher Versuche fast unmöglich.
Als Analysenmethode haben wir uns eines von Professor
H. Wieland-München im hiesigen Institut ausgearbeiteten
Verfahrens bedient, das auf der Absorption von Blausäure
durch Jodlösung beruht und bequem, sicher und schnell zu
arbeiten gestattet. Die blausäurehaltige Luft wird durch eine
kleine Waschflasche mit Jodlösung, die mit etwas Stärke und
Bicarbonatlösung versetzt ist, geleitet; das Ende der Reaktion
wird durch die Entfärbung der Jodlösung erkannt. Die Wasch-
flasche hat ein capillares Einleitungsrohr mit einem auf dieses
aufgesetzten Dreiweghahn, dessen eine Öffnung mit: dem Zu-
leitungsrohr aus dem Gasraum in Verbindung gebracht wird,
während die andere Öffnung in ein kurzes offenes Glasrohr
mündet, das zum Durchspülen des Apparates mit dem Blau-
säureluftgemisch vor Beginn der Absorption verwendet: wird.
Zuerst saugt man so lange Gas aus dem Versuchsraum, bis das
Zuleitungsrohr völlig damit gefüllt ist, dann stellt man den
Dreiweghahn um und saugt das zu analysierende Luftgemisch
durch die Waschflasche mit Jodlösung. Man läßt zweckmäßig
so lange Wasser aus einer mit der Waschflasche verbundenen
graduierten Pipette ausfließen, bis die Jodlösung entfärbt ist.
Als Maß der durchströmenden Blausäureluftmischung benutzt
man die aus der Pipette ausfließende Wassermenge. Bei Blau-
säurekonzentrationen von 0,1 bis 0,5°/, genügen 10 ccm R/, 000”
Jodlösung, 1 com 1°/,ige Natriumbicarbonatlösung und 10 Trop-
fen 0,5°/,iger Stärkelösung. Der Blausäuregehalt der Luft in
mg pro Liter ist dann gleich dem Verhältnis 135: verbrauchtes
Gasvolumen in ccm.
(HON + 23 = JON + нә; 1J EN 1з»).
254 F. Flury und W. Heubner:
Bei sehr geringen Konzentrationen legt man entsprechend
weniger Jodlösung vor, natürlich müssen auch größere Mengen
Luft durchgesaugt werden. Bei einem Gehalt von 0,01 mg Blau-
säure im Liter Luft (etwa 0,001 Volumprozent) muß man bei-
spielsweise bei Vorlegung von Leem ”/iooo Jodlösung für die
Analyse 1 350 ccm der blausäurehaltigen Luft entnehmen.
Unsere Zahlenwerte stimmen mit denen von K. B. Leh-
mann und seinen Schülern Wagschal!) und Ahlmann?) gut
überein. Akut tödlich für Katzen sind Konzentrationen über
0,35 mg pro.Liter Luft; Atemstillstand binnen 2 Minuten, Herz-
stillstand binnen 10 Minuten. Mit sinkender Konzentration
treten die ersten Erscheinungen später ein, die Vergiftungszeit
wächst; bei 0,12 mg erfolgt erst nach :/, Stunde Atemstillstand.
Die Erholung nach untertödlicher Vergiftung ist deutlich lang-
samer als bei gleichstarker aber rascherer Vergiftung (durch
höhere Dosen). Offenbar wird die Schädigung der Ferment-
tätigkeit mit zunehmender Wirkungsdauer schwerer reparabel.
Dauernd ertragen werden Konzentrationen unterhalb 0,06 mg
pro Liter; doch rufen sie bei vielen Individuen noch Vergiftungs-
symptome hervor.
Hierfür können folgende Versuche als Beleg dienen. Eine Katze
wurde in einem Gasraum von !/, cbm Fassungsvermögen, der mit einer
konstanten, chemisch analysierten Blausäureatmosphäre von 0,062 mg
im Liter Luft durchströmt wurde, eine Stunde lang gehalten. Nach
6 Minuten ganz geringe Atemvertiefung, die nach 15 Minuten deutlicher
wurde. Nach 45 Minuten Andeutungen von Ataxie, geringfügiges Taumeln.
Sonst blieb das Tier symptomlos, erkrankte auch nicht nach dem
Versuch.
Eine zweite Katze blieb unter den gleichen Verhältnissen zunächst
30 Minuten lang symptomlos, nach 40 Minuten traten Erbrechen, leichte
Krämpfe, vertiefte Atmung ein. Nach 43 Minuten Beginn schwerer
Lähmungserscheinungen (Bewußtlosigkeit, Krämpfe, Seitenlage); das Tier
blieb noch 37 Minuten bewußtlos, konstant schwer atmend, in der
giftigen Atmosphäre. In frischer Luft rasche Erholung, nach 10 Minuten
schon spontane Bewegungen.
Erst bei 0,04 mg sahen wir Vergiftungserscheinungen völlig
1) Quantitative Studien über die Giftigkeit der Blausäuredämpfe.
Inaug.-Diss. Würzburg, 1903.
2?) Weitere Untersuchungen über die Giftigkeit der Blausäure. Inaug.-
Diss. Würzburg, 1905.
Entgiftung eingeatmeter HCN. 255
ausbleiben. Lehmann, der seine Dosen in Vol.-Prozent Blau-
säuredampf angibt, bezeichnet 0,03 bis 0,04°/,, als dauernd
unwirksam, 0,05 bis 0,06°/,, als vergiftend, und bei mehrstün-
diger Wirkungsdauer als meistens tödlich; dies entspricht etwa
0,04 bis 0,05 mg (unwirksam) und 0,06 bis 0,07 mg als töd-
licher Grenze. Die Übereinstimmung dieser Zahlen mit den
unseren kann nicht besser seint).
Die Giftigkeit der Blausäure für den Menschen bei Ein-
atmung dürfen wir unbedenklich als die gleiche wie für den
Hund und die Katze ansehen; zu dieser Auffassung berechtigen
uns Erfahrungen mit Affen.
Bei einem von uns angestellten Versuch wurden unter den gleichen
Versuchsbedingungen im gleichen Raum gleichzeitig ein mittelgroßer
malaiischer Makak (Cynomolgus fascicularis), ein Hund (Fox) und eine
Katze in einer Gaskammer von 12 cbm Rauminhalt einer Blausäure-
atmosphäre von 0,14 mg pro Liter Luft ausgesetzt. Sobald der Affe
und der Hund völlig gelähmt und bewußtlos waren, wurden sie in
frische Luft zurückgebracht, die Katze verblieb noch 7 Minuten lang
bewußtlos, aber gleichmäßig atmend in der Blausäureatmosphäre.
Das Ergebnis war wie folgt:
Erste Anzei-
chen der Ver-
giftung
Erholung nach
Versuchsbeginn
Tier-
ar allgemeiner
Lähmung
von Lähmungs-
erscheinungen
nach 19 Minuten
verbesserte At-
mung, nach 21
Minuten wieder
spontane Be-
wegungen
nach 12 Minuten
Krämpfe, ver-
tiefte Atmung,
Seitenlage
nach 4 Minuten
Gähnen Anzei-
chen von Nau-
sea, nach 6 Mi-
nuten Erbre-
chen
Husten
nach 8 Minuten
sinkt das Tier
taumelnd insich
zusammen
nach 9 Minuten | nach 10 Minuten | Reflexe kehren
nach 3 Minuten
Nausea, Wür-| Ataxie und |Krämpfe,schwe-| nach 20 Minu-
gen, nach 5 Mi- Taumeln re Atmung, Sei-| ten wieder
nuten Er- ; tenlage
brechen
Katze |nach 3 Minuten | nach 6 Minuten | nach 6 bis 7 | nach 28 Minu-
Würgen, nach | Dyspnoe und Minuten ten Beginn
5 Minuten Er-| Seitenlage spontaner Be-
brechen wegungen
‚ 1) Vgl. dazu die Bemerkungen von Schankies auf 8.17 seiner
Dissertation (Anmerkung), der die Angaben von Lehmann ‚mißver-
standen hat.
256 F. Flury und.W. Heubner: Entgiftung eingeatmeter HCN.
Alle 3 Tiere erholten sich vollkommen. `
Auch ein weiterer analoger Versuch mit einer anderen Affenart
(grüne Meerkatze, Cercopithecus sabaeus) zeigte ähnliche gute Überein-
stimmung bezüglich des Eintritts und der Art дег Vergiftungssymptome
bei Hund und Katze.
Danach steht der Affe, wie übrigens auch der Hund, in
seiner Empfindlichkeit der Katze sehr nahe und entfernt sich
von dem widerstandsfähigeren Kaninchen und erst recht von
den kleineren Nagern.
Bemerkung.
Von
M. Biedermann-Jena.
Gegen die von J. Wohlgemuth im 3. und 4. Heft von Bd. 94
der „Biochem. Zeitschr.“ geübte Kritik an meinen Versuchen
erhebe ich Widerspruch und verweise auf meine in kurzem in
der „Fermentforschung“ erscheinende ausführliche Behandlung
dieses Gegenstandes.
Druckfehlerberichtigung.
Zu der Arbeit Salkowski: Bemerkungen zu der Arbeit von
Hans Aron „Über den Nährwert“.
In Band 94, Seite 209, Zeile 11 von unten
lies statt: „vom 13. V bis 5. IX...“
„von 13 bzw. 5, 5, 9 Tagen... .“
Über die Lichtabsorption neutraler Lösungen von Oxy-
hämoglobin.
Von
Paul Häri.
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.)
(Eingegangen am 9. April 1919.)
Da spektroskopische und spektrophotometrische Unter-
suchungen des Blutes nur an ganz klaren Lösungen vorgenommen
werden können, ist es üblich geworden, die Verdünnung des
Blutes mit einer 0,1°/ igen Lösung von kohlensaurem Natrium
vorzunehmen. Da auch krystallisiertes Oxyhämoglobin sich
bei Zusatz von kohlensaurem Natrium weit besser als im
destillierten Wasser löst, wurde auch die große Mehrzahl der
Beobachtungen an Oxyhämoglobin an soda-alkalischen Lösungen
desselben ausgeführt.
Nun ist es von vornherein nicht auszuschließen, daß sich
die Lichtabsorption des Oxyhämoglobins in soda-alkalischen
Lösungen anders als in einer wirklich reinen Lösung in destil-
liertem Wasser verhält; in der Tat hat Torup!) angegeben,
daß der Zusatz von kohlensaurem Natrium zu einer Ver-
schiebung der Stelle der stärksten Absorption führt.
Ich habe zur Klärung dieser Frage nachfolgende Unter-
suchungen vorgenommen.
Aus einer ersten Reihe von Beobachtungen, deren Daten
in den nachfolgenden Tabellen I und II zusammengestellt
sind, ergab sich zunächst eine weitgehende Übereinstimmung
1) Zitiert bei Bohr, Über den spezifischen Sauerstoffgehalt des
Blutes. Skandinav. Arch. f. Physiol. 8, 107.
Biochemische Zeitschrift Band 95. 18
258 - P. Häri:
zwischen neutralen und soda-alkalischen Lösungen. [Eine große
Reihe von Beobachtungen an letzteren sind in meiner jüngst
erschienenen Arbeit publiziert'!).] Diese Übereinstimmung be-
stand im folgenden:
a) Der Quotient der Extinktionskoeffizienten — gemessen
annähernd genau an den zwei von Hüfner seinerzeit vorge-
schlagenen Stellen des Spektrums, und zwar am zweiten Streifen
von Grün bei 541,6 — 533,1 ци und im Zwischenraum zwischen
beiden Streifen, bei 565,8 — 555,9 uu — betrug an 5 neutralen
Lösungen (Tabelle I) im Mittelwert annähernd dasselbe, näm-
lich 1,62, wie seinerzeit von mir an soda-alkalischen Lösungen
gefunden wurde, nämlich etwas über 1,60. In einer Reihe
weiter unten mitzuteilender Versuche ist die Übereinstimmung
eine noch bessere.
Tabelle 1.
Extinktionskoeffizient
Untersuchte (a)
Lö in Grün im Zwischenraum
‚sung bei 541,6 — 533,1 un | bei 565,8 — 555,9 uu (b)
@) | H
Hundeblut 25 |
Lösung l.... 0,920 | 0,560 1,64
Hundehämoglobin 28 0,923 0,583 1,58
Pferdehämoglobin 36 1,004 0,613 1,64
Pferdehämoglobin 37
Lösungl .... 0,740 0,459 1,61
Pferdehämoglobin 38
Lösung 6. ... 1,520 фм: 0,985 1,68
Mittelwert... . . — — 1,62
b) An soda-alkalischen Lösungen wurde seinerzeit gefunden,
daß dieselben während des Stehens, sogar in der Kälte, an
Stärke der Lichtabsorption einbüßen. Dasselbe ist, wie aus
Tabelle II hervorgeht, auch an neutralen Lösungen der Fall.
c) In einer weiteren Reihe von Versuchen wurden die
spezifischen, auf eine Konzentration von 0,1%, bezogenen
Extinktionskoeffizienten an den beiden genannten Stellen des
Spektrums bestimmt, und zwar sowohl in soda-alkalischer, wie
auch in rein wäßriger neutraler Lösung des Blutes resp. des
1) Beiträge zur Lichtabsorption des Oxyhämoglobins. Diese Zeit-
schr. 82, 229, 1917.
Liehtabsorption neutraler Lösungen von Oxyhämoglobin. 259
Tabelle П.
Spektralausschnitt | Extinktionskoeffizienten
a- in Grün nach Fertigstell.der Lösung
Untersuchte Lösung |bei 511,6 — 533,1 zu z
b-imZwischenraum] sofort | später
bei 565,8 — 555,9 ua | untersucht |
| untersucht
Hundeblut 28 Br. ars гй 0,730 0.715,
Lösung 1 По Se | 0:935 29
z ër ICH, e А а 0,92: ‚9331.
Mumdohāmogiotin в d 1 18 | DS
Pferdehämoglobin 57 |а........ 0,740 | 0,7181,
Lösung 1 АЖ ыла ал» rss .| 0,459 0,4637)
Pferdehämoglobin 38 BR tan 1,521 1,241 Lu
Lösung 6 \ {тө эк, бе йды ТА 0,935 0,7929
Pferdehämoglobin 39 |а«........ 0,816 0,742 \»,
Lösung 5 UV ECKER 0,500 0,4529
Blutfarbstoffes. Die weitaus größte Zahl dieser Untersuchungen
wurde mit dem in meiner bereits zitierten ersten Mitteilung‘)
verwendeten alten Königschen Spektrophotometer, eine geringe
Anzahl mit dem nach Martens und Grünbaum modifizierten
Apparat ausgeführt, den ich in meiner zweiten Mitteilung”) be-
schrieben habe.
Die Ergebnisse dieser Versuche sind in nachfolgender
Tabelle III zusammengestellt.
Von den in Tabelle III zusammengestellten Versuchen
sind die letzten drei (Nr. 8 bis 10) von den vorangehenden,
(Nr. 1 bis 7), die sich wesentlich anders verhalten, auch räum-
lich abgetrennt. Zunächst sollen die Versuche 1 bis 7 be-
sprochen werden.
An der überwiegenden Zahl dieser sieben Lösungen fielen
Че an der neutralen Lösung abgelesenen Exstinktionskoeffizienten
etwas geringer aus als an der soda-alkalischen Lösung, und
zwar waren sie im Mittelwert aller Fälle am zweiten Absorptions-
streifen von Grün um 1,8°/, geringer, im Zwischenraum zwischen
beiden Streifen um 1,4°/, geringer.
1) und 2 Über Nacht im Eisschrank.
5) 24 Stunden im Eisschrank.
+) 3 Wochen im Eisschrank.
" 4 Tage im Eisschrank.
бу б.
7) Diese Zeitschr., dieses Heft, 5/6.
18*
260 P. Häri:
Tabelle III.
Extinktionskoeffizient
|
|
|
|
|
© SE
8 BZ im Zwischenraum (a)
g со in Grün zwischen beiden =
S 25 | bei 541,6— 533,1 uu . „Streifen (b)
d CH: bei 565.8 — 555,9 uu
Е, Ek З
2 | Untersuchte Lösung Ө g i egal ON НЕЗ
З e 8 neutral neutral |
ы ke = ^1 а т |5 |
Ф х 9 = | г Ki ~ | © #
К + > S Gi kl ECH
E а х3 | $ SCHEI
E E 538| 3 | 2 835128
z E S |з |j Séi
ЕЁ $ |
Hundeblut 23
Lösung 1а (alkal.)
„ 2 (neutr.)
Hundeblut 28
0,17
0,085
Pferdehämoglobin 39
Lösung 2 (alkal.)
» 5 (neutr.)
Pferdehämoglobin 40
Lösung 3 (alkal.)
„ 4 (neutr.)
Hundehämoglobin 56
Lösung 2a (alkal.)
n 2 (neutr.)
Pferdehämoglobin 58
Lösung 2a (alkal.)
„ 20 (neutr.)
Pferdehämoglobin 58
Lösung 3a (alkal.)
» ЗЫ (neutr.)
Mittelwerte . ^. . . — 1,4 |1,60/1,60
Hundeblut 26
Lösung 1 (alkal.)
» 2 (neutr.)
0,515| — 1,0
0,188] — 4,1
6°)
| .
0,735| + 5,4 0,422 0419 + 13,5]1,65/1,53
9 | Pferdeblut 29
Lösung 1 (alkal.)
e КА, 0469| + вл 020270300 + 16,1J1,041,56
10°) | Pferdehämoglobin 38 | |
Lösung 4 (alkal.) | 0,168 | E
„ 2 (neutr) | 0.059 10,850 0,765|— 10,8 [0,534:0,473| — 11, 1,5911,62
1) In den so bezeichneten Versuchen, in denen die alkalische und
neutrale Lösung nicht von derselben Konzentration waren, wurden die
Extinktionskoeffizienten auf dieselbe Konzentration bezogen.
2) Diese Versuche wurden mit dem nach Martens und Grün-
baum modifizierten Königschen Apparat ausgeführt (alle übrigen mit
dem alten Königschen), und zwar an den um ein Geringes abweichenden
Spektralstellen 541,4 — 533,7 und 565,6 — 556,1 ди.
Lichtabsorption neutraler Lösungen von Oxyhämoglobin. 261
In den drei von den übrigen abgetrennten Versuchen
8 bis 10 der Tabelle III sind die Unterschiede zwischen den
neutralen und alkalischen Lösungen weit größer, und zwar
fiel in zwei Versuchen der Extinktionskoeffizient in der neu-
tralen Lösung größer, in einem der Versuche kleiner aus. Es
heißt sicher den Tatsachen keinen Zwang anzutun, wenn ich
die Ergebnisse der Versuche 8 bis 10 außer Rechnung lasse,
denn es hatte sich in diesen Versuchen um relativ sehr stark
verdünnte Farbstoffllösungen gehandelt, an denen die mittels
des alten Königschen Spektrophotometers erhaltenen Ergebnisse
recht unsicher sind!) Diese Unsicherheit äußert sich in den
Versuchen 8 bis 10 auch in der bedeutenden Divergenz der an
den neutralen einerseits und soda-alkalischen Lösungen anderer-
seits aus den Extinktionskoeffizienten berechneten Quotienten,
die in den Versuchen 1 bis 7 weit besser übereinstimmen. (Siehe
die beiden letzten Stäbe der Tabelle III.)
Ich stehe demnach nicht an, mich bloß an die Ergebnisse
der Versuche 1 bis 7 zu halten, aus denen, wie erwähnt, her-
vorgeht, daß die Extinktionskoeffizienten der neutralen Lösungen
im Durchschnitt aller Versuche um 1,8 resp. 1,4°/, geringer
ausfielen als an den soda-alkalischen Lösungen. Nun ergibt
sich noch die Frage, ob wir angesichts dieses geringen Unter-
schiedes von weniger als 2°/,, der den in derartigen Beobach-
tungen zulässigen Versuchsfehler keinesfalls überschreitet, das
Recht haben, zu folgern, daß die Lichtabsorption neutraler
Lösungen von Hämoglobin schwächer sei als die der soda-
alkalischen Lösung derselben Konzentration?
Ich glaube, daß diese Frage bejaht werden darf, und zwar
aus folgenden Gründen: 1. Weil bloß in 3 von 14 Beobach-
tungen ein umgekehrtes Verhalten — nämlich stärkere Licht-
absorption der neutralen Lösung — zu beobachten war.
2. Weil dasselbe, was im vorangehenden für zwei Spektral-
ausschnitte bewiesen wurde, auch für die benachbarten Spektral-
bezirke gilt. In nachstehender Tabelle IV sind die an zwei
1) Die an noch stärker verdünnten Lösungen ausgeführten Versuche
5, 6 und 7 rangieren nicht hierher, da sie mittels des neuen, modifizierten
Königschen Apparates untersucht wurden, an dem — abgesehen von
den prinzipiellen Vorteilen — durch Verwendung einer diekeren Flüssig-
keitsschicht (längere Röhren) diese Fehlerquelle wegfällt.
262 P. Hári:
neutralen Lösungen von Oxyhämoglobin abgelesenen spezifischen
(auf 0,10, Hämoglobinkonzentration berechneten) Extinktions-
koeffizienten eingetragen und mit dem Mittelwert der Extinktions-
koefiizienten verglichen, die von mir an einer größeren Anzahl
soda-alkalischer Lösungen an den betreffenden Spektralstellen
ausgeführt und seinerzeit mitgeteilt wurden.
Tabelle IV.
Spezifische Ex- | Durchschnittliche
tinktions- | von mir früher ge-
7 S 8 зек 1 ie S е
ee Өй pektralpereioh koeffizienten | fundene Extink-
SENDE der neutralen |tionskoeffizienten
ин Lösung an alkal. Lösungen
Pier ein 40 j) 583 8— 578,2 0,725 0.702
KEE \ 580,3—570,5 0,841 0,832
571,4 — 561,2 0,609 0,617
569.5 — 559,4 0,573 0,580
Р" А 567,6 — 557,6 0,527 0,554
SE RE ege, 0,520 0,536
ENDE 564,9 — 554,9 0,512 0,52%
563,9 — 554,0 0,511 0,515
| 569,1 — 552,0 0,518 0,522
EE 0,694 0,683
| | 546,4— 587,6 0,810 0,847
& абд 544,8 — 536,1 0,821 0,850
Aierdeh imoplobin 20 || - 548.2 584,6 0,821 0.845
Е 540.0 — 531,6 0,791 0,805
538,4 — 530,1 0,769 0.771
An 15 diesbezüglich untersuchten — im weiteren Bereich
des zweiten Streifens und des Zwischenraums zwischen beiden
Streifen gelegenen — Stellen des Spektrums sind es wieder
nur drei, an denen die Lichtabsorption der neutralen Lösung
stärker ausfiel, an allen übrigen Stellen war sie geringer. Es
kann sich nach alledem nur um eine Veränderung handeln.
die von der Anwesenheit des kohlensauren Alkalis verursacht
ist, eine Veränderung, die, wie ich im nachfolgenden ausführen
will, dem Methämoglobingehalt der wenn auch frischen und
sofort nach ihrer Bereitung untersuchten Oxyhämoglobinlösung
zugeschrieben werden muß.
Es betragen nämlich die spezifischen (auf eine Konzen-
tration von 0,1°/, berechneten) Extinktionskoeffizienten
Liehtabsorption neutraler Lösungen von Oxyhämoglobin. 263
bei bei
541,6 — 588,1 uu 565,8 — 555,9 un
für Oxyhämoglobin (soda-alkalisch) . 0,841 0,523
Methämoglobin!) (soda-alkalisch) 0,576 0,470
Methämoglobin!) (neutral) . . 0,356 0,215
Da die Extinktionskoeffizienten des Methämoglobins — ob
in neutraler oder in soda-alkalischer Lösung befindlich — wesent-
lich geringer sind als die des Oxyhämoglobins, müssen die
Extinktionskoeffizienten einer Lösung von Oxyhämoglobin, die
Methämoglobin enthält — wie längst bekannt — an beiden
Spektralstellen heruntergedrückt werden.. Da ferner die Ex-
tinktionskoeffizienten der neutralen Methämoglobinlösung an
den genannten Spektralstellen noch um ein Bedeutendes ge-
ringer sind als die einer soda-alkalischen Methämoglobinlösung.
werden die Extinktionskoeffizienten einer durch Methämoglobin
verunreinigten Lösung von Oxyhämoglobin nicht gleich stark
herabgedrückt werden, ob die Lösung eine soda-alkalische oder
eine rein wäßrige ist; vielmehr wird der Abfall in der neutralen
Lösung bedeutender sein.
Es läßt sich sehr leicht berechnen, daß es der Beimischung
einer nur geringen Menge von Methämoglobin bedarf, die sich
auf nicht mehr als einige Prozente des anwesenden Oxyhämo-
globins belaufen muß, um die von mir gefundene schwächere
Lichtabsorption der neutralen Lösung zu verursachen. (Aller-
dings ergibt diese Berechnung auch, daß die Verringerung im
Zwischenraume stärker als am zweiten Streifen sein müßte, was
in meinen Versuchen nicht der Fall war.)
Ein weiterer Beweis für die Anwesenheit geringer Mengen
von Methämoglobin in den von mir seinerzeit und jetzt unter-
suchten Lösungen des vermeintlich reinen Oxyhämoglobins er-
gibt sich aus folgender Betrachtung.
Durch eine neutrale Lösung von Methämoglobin wird, wie
bekannt, und wie in\der bereits angekündigten späteren Ab-
handlung noch ausführlich gezeigt werden soll, das Licht vom
roten Spektralende angefangen bis etwa zur Wellenlänge 617 pu
weit stärker absorbiert als durch eine soda-alkalische Lösung
von Methämoglobin. Es verhalten sich daher die neutralen und
1) Siehe eine demnächst mitzuteilende Arbeit in dieser Zeitschrift.
264 P Нап:
soda-alkalischen Lösungen von Methämoglobin in diesen Spektral-
gebieten entgegengesetzt, als in dem oben behandelten Gebiet
(dem des zweiten Streifens und des Zwischenraums). Ist dem aber
so, so muß die Lichtabsorption derselben neutralen Lösungen
vom Oxyhämoglobin, die im Gebiete der Streifen schwächer
als der soda-alkalischen ausfiel, am roten Ende — eben infolge
ihres Methämoglobingehaltes — stärker als die der soda-alka-
lischen sein.
Daß dies in der Tat der Fall ist, geht aus den Daten
der nachfolgenden Tabelle V hervor.
Aus den Werten der soda-alkalischen Oxyhämoglobin-
lösungen, die großenteils bereits in meiner zitierten ersten
Arbeit mitgeteilt waren, konnte bei ihrer leidlichen Überein-
stimmung ein Mittelwert gezogen werden; nicht so an den ver-
schiedenen neutralen Lösungen, deren entsprechende Werte
stark divergieren. Immerhin geht aus dem Vergleich der mit-
geteilten Daten hervor, daß die Lichtabsorption neutraler
1) Diese Zahlen bedeuten die Wellenlängen der Strahlen, die die
Mitte des Spektralausschnittes eingenommen haben.
Tabelle V.
Spezifische Extinktionskoeffizienten >< 10*
Soda-alkalische Lösungen neutrale Lösungen
c=0,088 Y,le=1,47%/,\€ BER ojoje = 1,10% lc = DEN c= 2,95%,le =1,90°/, с = 8,83 7 с =0,03°%/,
Кй | Baa 486 SA SE 25. KP SS | „Ж. Sa
52м 52м 55 ш озм) 52м |Кш®| 85% EE ЗЕМ | 55
ою кою | ою BE | 50 9.01 дос бою А 2:5 ао =
ЕН | Bd | Sri ЕН | 5m Sm ая Er ЕН Ek
EH i @ EI © E) == CT E? 8 кё
а | EI | ZS ` а Si E 2 0 Ж ЖЕЕ а | &
52,8 | 520| 545 | вва 212 LS | авгур
3,9 1 — = _ 64,5 | 592| 323 | — | 191 er
54,6 67,8 | 743 76,8 75,3 | 70,0] 366 482 216 | —
71,9 — | — | 8,7 97,7 | 83,4 — — | 242 —
92,7 | — — | 847 — 88,7 — тә аа 316
119,0 112,0 | 115,0 | 108,0 | 117,0 |116,0] 401° 540 | 257 =
(EE e ege E 150,0 1150,0] — = 284 SE
191,0 151,0 | 166,0 | 155,0 — |166,0] 401 534 — —
268,0 | — | = | 211,0 | 212,0 |2450] — — | 82 | =
296,0 | 242,0 | 252,0 | 236,0 | — 256,0 442 588 | —
— | — | = | — — | — — — — 510
429,0 | 357,0 | 331,0 | 334,0 | 314,0 1353,0] 519 | 649 Ze Sab
Lichtabsorption neutraler Lösungen уоп Oxyhämoglobin. 265
Lösungen von vermeintlich reinem Oxyhämoglobin am roten
Ende des Spektrums — eben infolge ihres Methämoglobin-
gehalts — größer ist als die der soda-alkalischen Lösung.
(Warum in meinen Versuchen die Lichtabsorption noch über
die Stelle von 617 ци violettwärts stärker war als die der
soda-alkalischen, kann ich mir vorläufig nicht erklären.)
Die Ergebnisse obiger Versuche kann ich wie folgt zu-
sammenfassen:
1. Die Lichtabsorption neutraler Lösungen von
Blut oder von Oxyhämoglobin unterscheidet sich nur
sehr wenig von der der soda-alkalischen Lösungen.
2. Der Unterschied ist der Beimischung geringer
Mengen von Methämoglobin zuzuschreiben.
Ist das Absorptionsverhältnis (Vierordt) ein von der Art
des verwendeten Apparats (Spektrophotometer) unab-
hängiger, charakteristischer Wert?
Von
Paul Hári.
(Aus dem Physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.)
(Eingegangen am 9. April 1919.)
In einer vorangehenden Arbeit!) über die Lichtabsorption
des Oxyhämoglobins habe ich bezüglich der an einer und der-
selben Farbstoffllösung mittels verschiedener Apparate zu er-
wartenden Werte folgendes ausgeführt?):
„Es ist von verschiedenen Autoren mehr oder minder stark
betont worden, daß die für das Absorptionsverhältnis erhaltenen
Werte auch von der Art des verwendeten Spektrophotometers
abhängen. So behauptet Gallerani?) direkt, daß das Ab-
sorptionsverhältnis für jeden Apparat eigens bestimmt werden
muß; sogar Butterfield sagt‘), daß... ,A nicht notwendig
den gleichen Wert bei jedem Apparat zu haben braucht‘. Würde
sich das bewahrheiten, so würde die Spektrophotometrie prinzipiell
und auch methodisch recht wenig Vertrauen verdienen.“
1) Beiträge zur Lichtabsorption des Oxyhämoglobins. Diese Zeitschr.
82, 229, 1917.
”) S. 261.
з) G. Gallerani, Sur la nature et les variantes du rapport d'ab-
orption spectrophotometrique de l’oxyh&moglobine ete. Arch. ital. de
biologie 37, 20, 1902.
4) Е. E. Butterfield, Über die Lichtextinktion, das Gasbindungs-
vermögen und den Eisengehalt des menschlichen Blutfarbstofis in nor-
malen und krankhaften Zuständen. Zeitschr. f. physiol. Chem. 62, 192.
. P. Нагі: Isi das Absorptionsverhältn. ein vom Apparat unabh. Wert? 207
Daß diese Befürchtung unbegründet ist, soll im nach-
stehenden gezeigt werden.
Noch während der Kriegsdauer bin ich in den Besitz
eines nach Martens und Grünbaum!) verbesserten König
schen Spektrophotometers gelangt und habe an mehreren blut-
und Hämoglobinlösungen vergleichende Untersuchungen mittels
des alten (in der ersten Mitteilung benutzten) und des neuen
Königschen Apparates (große Beleuchtungsvorrichtung) aus-
geführt. А
Diesem Versuchen ging selbstverständlich eine genaue
Justierung und eine möglichst genaue Eichung des neuen
Apparates voran; letztere wurde, da der Apparat auch zu
Untersuchungen in verschiedenen Spektralreihen benutzt werden
sollte, an möglichst vielen Stellen mittels Funken- resp. Flammen-
spektren vorgenommen.
Tabelle 1.
Skala Skala
` Orien- | Orien- Orien-
yui | tierungs- uu | tierungs- un | tierungs-
| | Skala
РЬ 438,7 2735 | Cd 5086 | 3811 | Pb 560,8 49295
Са 4413 | 2793 | Cu 510,6 | 3831 | Sn 579,9. 4432
He 472 | 2904 | Cu 5153 | 3888 | He 587,6 ` 4482
Mg 448,1 2923 | Mg 517,5 | 3908 | Na 589,3 | 4493
Sr 460,8 3150 | Ag 520,9 | 3941 | TI 5949 4530
Са 467,8 3267 | Cu 521,8 | 3950 | Sr 6055 4593
He 471,3 3320 | Cd 533,8 | 4067 | Zn 6103 4620
Zu 4722 | 3335 | TI 535,1 | 4079 | Sb 613,0 | 4635
Cd 480,0 | 3450 | TI 5373 | 4098 | Zn 636,4 | 4755
Zn, 481,1 3464 | Са 5379 um | Са 643,8 | 4791
|
486,6 3534 | Hg 546,1 | 4176 | Sn 6453 4797
Не 492,1 | 3613 | Ag 5466 | 4179 | Н 6563, 4846
Zn 4925 | 3617 | Sb 556,9 | 4263 | He 667,8 | 4894
Не 5016 | 3728 | Sn 5576 | 4269 |
Die Wellenlängen wurden auf die Ordinaten, — die Werte
der Örientierungsskala auf die Abszissenachse aufgetragen und
die resultierenden meist dicht benachbarten Punkte zu einer
Kurve vereinigt.
1) F. F. Martens, Über eine Neukonstruktion des Königschen
Spektrophotometers. Verhdl. d. Deutsch. physikal. Ges. 1, 1899. —
F. F. Martens und F. Grünbaum, Über eine Neukonstruktion des
Königschen Spektrophotometers. Annal. d. Physik, 4. Folge, 12, 1905.
268 ‚ P. Häri:
Zum Überfluß habe ich noch einige von Martens und
Grünbaum angegebene Probebestimmungen an Lösungen von
doppelt-chromsaurem Kalium bekannter Konzentration bei Thal-
liumfunken als Lichtquelle (4 = 535,1 ии) vorgenommen.
Da es mir mangels einer entsprechenden Einrichtung nicht
glückte, das Licht für die Dauer eines Versuches in ganz gleich-
mäßiger Intensität zu erhalten, mußte ich die teilweile sehr
bedeutenden Unterschiede zwischen den Einzelbestimmungen
wohl oder übel hinnehmen. Die sehr annehmbare Übereinstim-
mung der Mittelwerte, die nur um —1, resp. + 2°/, vom
Martens und Grünbaumschen abweichen, liefern jedoch eine
Gewähr für die Exaktheit der Justierung und Kalibrierung.
Tabelle П.
E E Extinktions-K.oeffizient
Nr. | der Lösung
nach Martens |
üf und Grünbaum | von mir gefunden
1. 0,01396 0,199 | og
2. 0.01396 0.129 0.136 | Mittelwert 0,128
3. 0.01396 0,199 0.127
4. 0,01698 0,157 | 0165
5, 0.01698 0,157 0,159 | ү.
6. 0.01698 0,157 | 0155 | Mittelwert 0,160
d 0.01698 0157 | 018
Den Okularspalt habe ich so eingestellt, daß seine Breite
möglichst genau der in der ersten Mitteilung am alten Apparat
verwendeten Okularspaltbreite entspreche. Angesichts des Um-
standes, daß, wie an dem alten, so auch am neuen, von Schmidt
und Haensch gelieferten Apparat, an dem Okularspalt Keine
Meßtrommel angebracht ist, bereitete dies gewisse Schwierig-
keiten und hatte die allerdings sehr geringe Abweichung zur
Folge, daß die Spaltbreite
am alten Apparat 541,6 bis 533,1 resp. 565,8 bis 555,9 ии
» neuen » 541,4 » 533,7 » 565,6 » 556,1 »
betragen hatte. ў
Der Eintrittspalt wurde genau wie am alten Apparat auf
0,1 mm eingestellt.
Als Lichtquelle wurde Gasglühlicht verwendet.
Beschreibung der Versuche. In einer ersten Reihe
Ist das Absorptionsverh. ein vom Apparat unabh. Wert? 269
von Versuchen wurde der Extinktionskoeffizient an soda-alka-
lischen Blut- resp. Hämoglobinlösungen an den beiden genannten
Stellen, an denen ich auch mit dem alten Apparat gearbeitet
hatte, bestimmt. In nachfolgender Tabelle III sind die betrefien-
den Daten zusammengestellt.
Tabelle II.
Nr.
- be
6020100. Së Së ER "Wée
Extinktionskoeffizienten
+ = . |inZwischenräumen
in Grün bei | zwischen beiden N
б ` Streifen bei
Untersuchte Lösung 541,4-533,7 ци аи «Ж >
(4) (B)
sofort!) später?) sofort später | sofort | später
Pferdeblutkörperchen Nr 46 0,498 | — | 0,3141] — |1584
EEE Nr. 47 0,685 — 0,487 — |1,569
Nr. 48 — | 0,341 — [1609| —
Hundehämoglobin Nr. 49;
Lösung. us a. ae а — | 0,292 — 1,590 | —
Pferdehämoglobin Nr. 50; |
Lösung? ..... е — 0,248 — 1,596 —
Hundehämoglobin Nr. 51; |
Lösung 1 .. А — | 0,324 — | 1,607 | —
Pferdeblut Nr. 52;
Lösung 2a 0,640 — 0,403 1,588
Pferdeblut Nr. 53; "Lösung 3 0,251 | — | 0,160 — 11,572
Pferdeblut Nr. 54. 0,447 — | 0,289 — 115%
Hundeblut Nr. 55; Lösung 2 0,869 — | 0,550 — 1,574
Hundehämoglobin Nr. 55;
Lösung‘ la, a. э e — 0,424 — 1,599 —
Dasselbe; Lösung 2а . . . — 0,250 — 1,588 _
Pferdehämoglobin Nr. 58;
Lösung: ew e е era — | 0,232 — | 1,595 | —
Dasselbe; Lösung 2b . . . — 0,240 — 1,612 —
Dasselbe; Lösung ЗЬ . .. — 0,238 — 1,561 —
Mittelwerte: | 1,595 | 1,572
In meiner ersten Mitteilung habe ich an einer größeren
Reihe von Versuchen den Erweis erbracht, daß der Quotient
der Absorptionsverhältnisse (A im Zwischenraum : A am zweiten
Streifen) resp. der diesem Quotienten gleiche Ausdruck Extink-
tionskoeffizient am zweiten Streifen : Extinktionskoeffizient im
Zwischenraum den konstanten Wert von etwas über 1,60 be-
1) „Sofort“ soll heißen: sofort nach Bereitung der Lösung untersucht.
з) „Später“ soll heißen: mehrere bis 24 Stunden nach Bereitung
der Lösung untersucht.
270 P. Häri:
sitzt, sofern wirklich an frischen, sofort nach ihrer Bereitung
untersuchten Lösungen gearbeitet wird; hingegen erhält man
die von Hüfner gefundene etwas niedrigere Zahl von etwa 1,58,
wenn man die soda-alkalische Lösung nicht „sofort“, sondern
„später“ innerhalb der ersten 24 Stunden nach ihrer Bereitung
untersucht.
Dasselbe war in den hier untersuchten, in Tabelle III zu-
sammengestellten Versuchen der Fall: an den sofort unter-
suchten Lösungen betrug der Wert des Quotienten (Extinktions-
koeffizient in Grün : Extinktionskoeffizient im Zwischenraum)
1,595, an den später untersuchten 1,572, also annähernd genau
dasselbe, was am alten Apparate erhalten wurde.
In einer anderen Reihe von Versuchen wurde festzustellen
gesucht, ob die Extinktionskoeffizienten an einer und derselben
Farbstofflösung einmal mit dem neuen, einmal mit dem alten
Apparat bestimmt, den gleichen oder aber einen verschiedenen
Wert aufweisen. Die vergleichenden Ablesungen wurden teils
an soda-alkalischen Blutlösungen, teils an Lösungen von Oxy-
hämoglobin resp. einmal am Methämoglobin angestellt; wobei
es hier natürlich nicht darauf ankam, ob die Lösung frisch war
oder bereits einige Tage gestanden hatte.
Die Ergebnisse dieser Ablesungen sind in Tabelle IV zu-
sammengestellt.
Tabelle IV.
Extinktionskoeffizienten
¡im Zwischenraum zwischen
Nr. Untersuchte Lösung am 2. Streifen (in Grün) | beiden Streifen
i
Per alter Apparat'neuer Apparat
bei 5418—5584 | bei 541,1—533,7 hei 805.8--535.9 | bei 5656—5561
1: Pferdeblutkörperchen- | |
lösung Nr. 46... 0,482 0,498 | 0,804 0,314
2. | Pferdehämoglobin Nr. 47 0,703 0,685 | 0,460 | 0,437
3. | Pferdemethämoglobin |
Nr. 50; Lösung 5 4 0,555 0,561 0,460 | 0,454
4. | Hundehämoglobin Nr. 51 i |
Lösung 1; ш... e 0,581 0,521 | 0,326 0,324
5. | Pferdeblutlösung Nr. 54 0,450 0,447 | 0,296 0,289
Die Ablesungen mit dem neuen Apparat fielen größer (-|-)
resp. kleiner (—) aus:
Ist das Absorptionsverh. ein vom Apparat unåbh. Wert? 271
in Versuch in Grün im Zwischenraum
1 +3,39, +3,29,
2 — 2,6 » — 5,0 »
3 4-1,0 ә — 1,8 »
4 —21n - 0,6 ~
5 — 0.7 » + 2,4 »
Mittelwerte: —1,0°/, — 1,39,
Diese beinahe vollständige Übereinstimmung zwischen den
beiden abweichend konstruierten Apparaten läßt folgern, daß die
für das Absorptionsverhältnis erhaltenen Zahlen als für
den betreffenden Spektralausschnitt eindeutig charak-
teristische, absolute Werte anzusehen sind, die von
der Art des benutzten Apparats unabhängig sind, so-
fern nur diese Apparate richtig konstruiert und genau justiert
resp. kalibriert sind und bei derselben Okular- und Eintritts-
breite abgelesen wird.
Untersuchungen über die Wärmetönung von Enzym-
reaktionen.
V. Mitteilung.
Über die Wärmetönung der Organautolyse.
D
Von
Klara Kornfeld und Heinrich Lax.
(Aus dem physiologisch-chemischen Institut der Universität Budapest.)
(Eingegangen am 9. April 1919.)
In einer Reihe vorangehender Mitteilungen!) wurde er-
mittelt, daß die Trypsinverdauung des Eiweißes ohne nach-
weisbare Wärmetönung, hingegen die Salzsäurepepsinverdauung
des Eiweißes exothermal verläuft. Es war daher von Interesse,
zu erfahren, wie sich diesbezüglich die Autolyse, die nament-
lich an der Leber den Gegenstand vielfacher Untersuchungen
abgab, verhält.
In diesen Versuchen haben wir dieselbe Methodik ver-
wendet, die in den erwähnten Mitteilungen ausführlich be-
schrieben wurde; sie sei weiter unten kurz geschildert. Das
Prinzip dieser Methodik besteht darin, daß der Energiegehalt
des fraglichen Gemisches (hier des Leberbreies) in einer Portion
ohne vorangehende Autolyse bestimmt und mit dem Energie-
1) Franz Tangl, Untersuchungerfüber die Wärmetönung von Enzym-
reaktionen. Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 1. — Roland v. Lengyel,
Einige Versuche über Wärmetönung der Pepsinverdauung des Eiweißes.
Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 7. — Paul Häri, Über die Wärme-
tönung der Trypsinverdauung des Eiweißes. Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 11.
— Derselbe, Über die Wärmetönung der Pepsinverdauung des Ei-
weißes. Arch. f.d. ges. Physiol. 121, 459, 1908.
K. Kornfeld und H. Lax: Wärmetönung der Organautolyse. 273
gehalt einer zweiten Portion verglichen wird, die vorher der
Autolyse überlassen war.
Wenn es sich dann erweist, daß der Energiegehalt in dem
ohne — und nach erfolgter Autolyse untersuchten Brei gleich
groß ist, dann ist die Wärmetönung der Autolyse gleich Null;
ist der Energiegehalt des autolysierten Breies kleiner, resp.
größer als der des nicht autolysierten, so ist eben der auto-
lytische Zerfall ein exo- resp. endothermaler Vorgang.
Durch vergleichende Bestimmung des N- resp. auch des
Trockensubstanzgehaltes war auch Aufschluß einerseits über
einen etwaigen N-Verlust, andererseits über den Umfang der
die Autolyse eventuell begleitenden Hydrolyse zu erwarten.
Versuchsmethodik.
„Ganz frisch dem Tiere entnommene Leber wurde zunächst
von den zuführenden Gefäßen aus mit 1'/, bis 21 destillierten
Wassers blutleer gespült, sodann in der Fleischmühle zerkleinert.
durch ein engmaschiges Sieb gedrückt; der "einkörnige Brei
wurde zu den weiteren Versuchen verwendet. Ein Teil dieses
Breies wurde sofort eingedampft und im lufttrockenen Rück-
stand die entsprechenden Bestimmungen vorgenommen. Ein
anderer Teil des Breies wurde nach Salkowskis') Vorschrift
mit dem 10fachen Volumen Chloroformwassers versetzt, in größere,
mit eingeschliffenen Glasstöpseln versehene Erlenmeyersche Kol-
ben gefüllt und im Thermostaten der Autolyse bei 37 bis 40°
überlassen. Bei der nachgewiesenen Verzögerung der Autolyse
durch mitanwesendes Chloroform wäre es erwünscht gewesen.
bloß aseptisch, ohne jedweden Zusatz eines Antisepticums vor-
zugehen; doch zwangen uns die dabei sich ergebenden tech-
nischen Schwierigkeiten hiervon abzuschen.
Über den Fortgang der Autolyse haben wir uns in einigen
eigens zu diesem Zwecke aufgestellten Kontrollversuchen über-
zeugt, und zwar so, daß wir einzelne Portionen des mit Chloro-
formwasser beschickten Breies warmstellten (in einem Thermo-
staten), einige andere Portionen kaltstellten (im Eisschrank)
und nach einiger Zeit je eine warm- resp. kaltgehaltene Portion
vergleichsweise auf koaguliertes Eiweiß untersuchten. Die Ab-
1) Salkowski, Bemerkungen über Autolyse und Konservierung.
Zeitschr. f. physiol. Chem. 63, 136, 1909.
Biochemische Zeitschrift Band 95, 14
274 K. Kornfeld und H. Lax:
=
nahme desselben konnte als Maß der fortschreitenden auto-
lytischen Zersetzung gelten. So betrug 2. В. in einer Versuchs-
reihe nach 18tägiger Versuchsdauer $
| | der коер йыш nicht koagulable N
°%
їп EES раат Lebeibrei 0, 52 0, uo
іп dem warmgehaltenen » 0, 14 0, 41
Auch haben wir uns von Zeit zu Zeit durch Impfen auf Араг
davon überzeugt, daß ein Zersetzen durch Bakterien in der
Autolysenflüssigkeit nicht stattfand.
Sowohl in dem frischen Leberbrei als auch in dem —
ohne vorangehende Autolyse oder nach erfolgter Autolyse am
Wasserbad eingedampften Leberbrei — wurde der Gehalt an
Trockensubstanz, an Stickstoff und an chemischer Energie be-
stimmt.
Die Trockensubstanzbestimmung erfolgte in kleinen Wäge-
gläschen mit eingeschliffenen Glasstöpseln; die N-Bestimmung
nach Kjeldahl mit metallischem Hg als Katalysator; die Be-
stimmung der chemischen Energie in einer modifizierten Berthe-
lot-Mahlerschen Bombe. Zu jeder Bestimmung dienten 2 bis
3 Parallelanalysen, im Falle schlechter Übereinstimmung deren
auch mehr. Die Bestimmungen am eingedampften Leberbrei
wurden folgendermaßen vorgenommen: der zu untersuchende
Brei wurde in große, vorher auf 0,01 g genau gewogene Porzellan-
schalen gegossen und am Wasserbad eingedampft, wieder genau
abgewogen, jedoch erst nachdem die Schale offen — bloß vor
Staub geschützt — 24 Stunden lang im Zimmer gestanden hatte.
Auf diese Weise erhielten wir eine lufttrockene Substanz von
bekanntem Gewicht, von der nicht zu befürchten war, daß sie
während der nachfolgenden Manipulationen (wie Auskratzen aus
der Schale, Zerreiben zu einem feinen und gleichmäßigen Pulver,
Abwägen in kleine Portionen zu den Analysen) Wasser anziehe
oder verlöre.
Soferne von der oben beschriebenen Methodik Abweichungen
stattfanden, soll dies an den betrefienden Stellen vermerkt werden.
Beschreibung der Versuche.
Versuchsreihe I. Die frischen, zwei eben getöteten Hunden
entnommenen Lebern wurden nach der beschriebenen Methodik behaneldt,
‚ Wärmetönung der Organautolyse. 275
jedoch mit dem Unterschied, daß hier die Bestimmungen am frischen
Leberbrei wegfielen und nur an dem ohne und nach erfolgter Autolyse
eingedampften Leberbrei vorgenommen wurden. In Versuch 1 und 2
betrug die Autolysendauer 2 Wochen, in Versuch 3 und 4 4 Wochen.
Die Analysenbelege und Ergebnisse dieser Versuchsreihe sind aus
nachfolgenden Tabellen zu ersehen:
Tabelle L
Analyse des zu den Autolyseversuchen verwendeten Leberbreies _
feucht | nach dem Eindampfen
RAR ké N-Gehalt | Energiegehalt
Trockengehalt der Trockensubstanz | pro 1 g Trockensubstanz
E ee EE ee с.
we | 14,43 | 6594
Tabelle II.
Zur Autolyse aufgestellter Leberbrei
| г der Autol Aë See
sl. ее ane Tab T) nach erfolgter Autolyse (bestimmt)
= y
Е EIN | Lal ZE n [|!Ш as |N in der | Energiegehalt
5|е|8& 925258 883 25 | Trocken- | der Trocken-
= еј БЕ [2% 532 862 52 substanz
5 |,2| 7&|Н® ина Suz E EE
= [> EK pro 1g |1. ganzen
kg-Cal g-Cal | kg-Cal
7| ? ? | 6611 | 34,21
8 [10230,52 | 6408 | 33,20
8 |15,3710,60 | 6671 | 25,90
0, ? ? | 6676 | 38,07
g
38,58 | 6,02 | 85,96 [5,1
| 36,03 | 5,95 | 87,07 15,1
| 3 38,93 14,13 0,59 3,8
2,7
27,26 | 4,62 | 84,03
4 156,86 |6.04| 0.87
39,82 | 6,85 | 83,24 |5,
Tabelle III.
Unterschied zwischen dem ohne Autolyse und nach ı erfolgter Autolyse
_eingedampften Leberbrei (berechnet aus Tabelle П)
2,13 Im Тгоокеп- А
S E Е u| substanzgehalt Im N-Gehalt Im Energiegehalt
GEI Б Е- —— H- las =
je) e 1%): I 6% [em] a
1 | — 0,68 | — 11,6 ? ? — 4,37 | — 11-18
I 2 | — 0,28 | — 52 | — 0,27 | — 34,2 — 2,83 — 7,8
s | —025 | — 61 | +001 | +°17 | —1386 | — 49
4 | —0.34 i — 56 ? ? =i | = 44
Das wesentlichste Ergebnis dieser Versuche ist ein relativ bedeuten-
der, 4,4 bis 11,39%, betragender Energieverlust des autolysierten Leber-
breies in allen 4 Versuchen, welcher Verlust weit größer ist, als es den
zulässigen und unvermeidlichen Versuchsfehlern entspricht. Aus diesem
19*
Е
276 K. Kornfeld und H. Lax:
Verlust auf eine positive Wärmetönung des Autolysenvorganges zu schließen,
haben wir jedoch um so weniger das Recht, da ja demselben ein beinahe
gleicher, 5,6 bis 11,6 °/, betragender Verlust an 'Trockensubstanz — offen-
bar an flüchtigen Bestandteilen — gegenübersteht. Durch diesen Sub-
stanzverlust ist der Verlust an chemischer Energie genügend begründet,
wenn man annimmt — was hier zunächst gestattet sein soll —, daß die
in 1 g enthaltene Energiemenge der verlorenen (verflüchtigten) Bestand-
teile dem der übrigen Trockensubstanz gleich sei. Welcher Natur die
durch Verfüchtigung verlorenen Bestandteile resp. Zersetzungsprodukte
sind, geht bereits aus den Untersuchungen von Magnus-Levy?) hervor,
der gefunden hat, daß sich während der Autolyse nebst nichtflüchtigen
Stoffen auch flüchtige Säuren,:wie Kohlensäure, Essig-, Milch-, Bernstein-
säure usw. bilden. Es ist also als sehr plausibel anzunehmen, daß die
genannten, chemische Energie enthaltenden Zersetzungsprodukte sich
teilweise bereits während der Autolyse, besonders leicht und ausgiebig
jedoch während der der Energiebestimmung vorausgehenden Eindampfung
ich verflüchtigen und so den besprochenen Ausfall an Energiegehalt
bewirken. — Über den N-Verlust des Leberbreies resp. über den N-Gehalt
der verflüchtigten Substanzen sollten uns eigentlich die ebenfalls in
Tabelle ПІ zusammengestellten Daten Aufschluß geben. Leider sind
aber dieselben durch eine Häufung von Fehlanalysen und Unstimmig-
keiten zu diesem Aufschluß nicht geeignet.
Versuchsreihe II und III. Das Entweichen flüchtiger Bestand-
teile resp. dadurch bedingter Verlust an Trockensubstanz in Versuchs-
reihe I, der eine etwaige davon unabhängige Veränderung im Energie-
gehalt des eingedampften Leberbreies verdecken konnte, war durch die
ange Dauer (24 Stunden) des Eindampfungsprozesses sehr gefördert
Aus diesem Grunde haben wir in den nun zu besprechenden Versuchs-
reihen II und III das Eindampfen durch Steigerung der Eindampfungs-
temperatur auf 90 bis 95° (in Versuchsreihe I betrug sie 80 bis 90°)
wesentlich, auf etwa 12 Stunden, abgekürzt.
Ein weiterer Mangå der Versuchsreihe I bestand darin, daß aus
den dort beschriebenen Versuchen nicht zu ersehen war, ob die Ver-
dampfung allein, also unabhängig von dem Autolysenvorgang, zu einer
Veränderung im Trockensubstanz- und N-Gehalt führte. Auch diesem
Mangel wurde in den Versuchsreihen II und III abzuhelfen gesucht, und
zwar dadurch, daß einerseits die N-Bestimmungen auch am frischen
Leberbrei ausgeführt wurden, wo also jedweder Verlust ausgeschlossen
war, andererseits der Trockensubstanzgehalt des frischen Leberbreies an
ganz geringen Mengen desselben bestimmt wurde, die sehr rasch ein-
trockneten, wodurch ein etwaiger Verlust auf ein Minimum reduziert
wurde.
1) Magnus-Levy, Über die Säurebildung bei der Autolyse der
Leber. Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathol. 2, 261, 1903.
Wärmetönung der ÖOrganautolyse.
277
Die Ergebnisse dieser beiden Versuchsreihen sind aus nach-
folgenden Tabellen IV
bis VI zu ersehen.
Tabelle IV.
feucht (A)
nach dem Eindampfen (B)
2 e EEE жаН ест
Ё Trocken- : Trocken- N in der Energiegehalt
= gehalt Nitrogen gehalt Trocken- {pro 1g Trocken-
3 substanz substanz
. u
Ф “к^ а р Е Ў =
ER KS g = е а | | е u i g | 2-Са.
ul 5 [265,104 8165, 77| 2,79 7,39 ||70,26[92,55|65,03|10,97| 7,14 | 5748
6 | 266,11 |24.81,66.0212,73 7,42 170,75[91,93165,04[10,78 7,01 | 5748
II 9] 40,28 |25,992110,16] 2,25 0,91 10,7395 ,11)10, 20] 9,12 0,93 | 54601 Mittelwert
10 | 34,29]25,22! 8,65] 2,25 | 0,77 || 9,23]95,48| 8,81 8,93) 0,79 | 54357 5447
Tabelle У.
Zur Analyse aufgestellter Leberbrei Е
vor г der Autalyse [C] nach erfolgter Autolyse eingedampft [р]
£ | n | (berechnet aus Tabelle IV) (bestimmt)
= ls Л man
Ф '
| e дак jäsa], uul] lufttrocken | & 8 | Еп halt 4.
а 5125 533 28758 - | E 5 | 2) in der | | Trockensubstanz
s|2|1 82, 2% a8 52€? \Trok-;ı 5% | #rocken- ____ =
2 Ё о 2 52 "3218385 ken- 22 substanz pro im
с |y |н» дат Sr Е 8 a
> |> ч gehalt == a ganzen
g g | g | kg-! al g WÉI D un | g wi | kg-Cal
ml 7421,66 30,18 | 3,39 173,50 || 33,88 | 85,89 129,10 11,82 3,29 | 5958 | 173,38
- | 8] 99,98 | 24,80 | 2,78 142,55 || 25,68 : 89,13 EE 87 11,79 1 2,69 , 5943 | 136,03
ПЦ 11 | 38,29. 9,66. 0,86 52,62 |] 10,39, 93,53 | 9,720) 8,39 | 0,82 | | 5326 | 51,70
12| 5067 1278 1.14 69,61 || 13,66 | 92,85 112.68 850 | 1.08 ' 5340 | 67.73
Tabelle VI.
Unterschied zwischen Е
І 2 Jf | ohn ‚se
frischem und ohne Amo frischem und nach erfolgter GE
Ge eingedampftem Lebe si Autolyse eingedampftem lyse eingedampf-
E 5 rei; im letzteren me Ar , Leberbrei; im letzteren mehr = = erg
8 | oder we a ( 2 (+) ode r ZE (—) h| mehr (+) oder
— 5 ( — с weniger (—
Ki 5 N S жар) © en `
= |Р |— il Fe SC Z FT 9%
S ‚2 | im Trocken- im 2 im | im $| im Energie-
> gehalt N-Gehalt Trockengehalt N-Gehalt gehalt
18 1% D GC 0-96 g | % kg-Cal | o
п] 5]-0,9- 1,1j— 0,25! 3,4l] 7[- 1,08 3,6 101012,9} 7| — 0,12 1-01
6|— 0.98 — 1,5 — o41|— 590 80,98 |—3,7 |— 0,09 — E — 6,52 |— 46
ПЦ 9 0,04 35 0,4! 0,0% 2+ 2.111114 0,06(2))+ 0,5(2)'— 0,04/— 4,51] 11 0,92 |— 1,7
10 0. 16.4 1,8-0, 02. 2,5112 |— 0,10 -0,8 — 0,06! — 5,312 1,88 |— 2,7
278 K. Kornfeld und H. Lax:
Ehe wir darangehen, aus den Ergebnissen der Tabelle VI
Schlüsse auf die Reaktionswärme des Autolysenvorganges zu
ziehen, sollen zunächst die Veränderungen besprochen werden,
die im Leberbrei durch das Eindampfen allein (ohne vor-
angehende Autolyse) verursacht wurden (Versuche 5, 6, 9 und
10 in Tabelle VI).
Der Trockensubstanzgehalt zeigt in beiden Versuchen (5
und 6) der Versuchsreihe II eine deutliche Abnahme, die jeden-
falls größer ist als dem zulässigen Versuchsfehler entspricht;
dies spricht dafür, daß der Verlust an flüchtigen Bestandteilen
größer ist als der etwaige aus der Hydrolyse entstehende Zu-
wachs. Der gleichzeitige nicht unbedeutende N-Verlust zeugi
dafür, daß sich auch unter den verflüchtigten Produkten N-
haltige in relativ bedeutender Menge befunden hatten.
Anders gestalteten sich diese Verhältnisse in Versuchs-
reihe III, in deren beiden Versuchen (9 und 10) eine geringe
Zunahme der Trockensubstanz statthatte, aus der geschlossen
werden könnte, daß hier der Verlust an verflüchtigten Sub-
stanzen durch die Hydrolyse maskiert bzw. überkompensiert
wurde. (Eine der Hydrolyse entsprechende intramolekulare
Wasseraufnahme könnte ja mit der während des Eindampfens
des Leberbreies erfolgenden Koagulation der Eiweißkörper ein-
hergehen.) Diese Annahme verliert jedoch jede Berechtigung,
wenn man die im N-Gehalt eingetretene Veränderung in Be-
tracht zieht. Dieser zeigt nämlich ebenfalls eine geringe Zu-
nahme, woraus nun gefolgert werden kann, daß hier ein ge-
meinsamer Analysenfehler (beim Abwägen des feuchten oder
eingedampften Leberbreies) vorliegt, der einerseits die noch
immerhin mögliche Zunahme der Trockensubstanz, andrerseits
jedoch die ganz unmögliche Zunahme des N-Gehaltes ergab.
Bei diesem Stand der Dinge können wir uns bezüglich
dieser Frage bloß an die mehr einwandfreien Versuche 5 und
6 der Versuchsreihe II halten, aus denen hervorgeht, daß das
Eindampfen des Leberbreies allein schon ein Ent-
weichen N-haltiger Substanzen und einen dadurch be-
dingten Verlust an Trockensubstanz verursacht.
In dem nach erfolgter Autolyse eingedampften Leberbrei
weist die Trockensubstanz der beiden Versuche (7 und 8) der
Versuchsreihe II eine ziemlich einheitliche Abnahme auf, die
Wärmetönung der Organautolyse. 279
den durch einfaches Eindampfen (ohne vorangehende Auto-
lyse) bedingten Verlust übertrifft.
Es geht hieraus die oben gestreifte, bereits bekannte Tat-
sache hervor, daß sich während der Autolyse flüchtige Sub-
stanzen bilden, die während des nachfolgenden Eindampfens
verloren gehen. Der Umstand, daß der N-Verlust hierbei
nicht größer ist als beim einfachen Eindampfen, dürfte viel-
leicht so gedeutet werden, daß die während der Autolyse ent-
stehenden flüchtigen Verbindungen stickstofffrei sind.
Der vorangehend für die Versuche 9 und 10 der Versuchs-
reihe III vermutete Analysenfehler macht seine störende
Wirkung auch in den Versuchen 11 und 12 geltend, denn die
geringe Zunahme der Trockensubstanz im Versuch 11, sowie
die im Vergleich mit Versuch 10 (ohne vorangehende Auto-
lyse) geringere Abnahme der Trockensubstanz in Versuch 12
sind folgerichtiger dem erwähnten Analysenfehler als einer
intramolekularen Wasseraufnahme zuzuschreiben. Es ergibt sich
demnach, daß während der Autolyse eine weitere Menge
flüchtiger, diesmal wahrscheinlich N-freier Verbin-
dungen entsteht, die während des Eindampfens des auto-
lysierten Organbreies ebenfalls verloren gehen.
Nun können wir darangehen, die Ergebnisse der Energie-
bestimmungen zu besprechen. Es liegt in der Art dieser Bestim-
mungen — sie wurden jedesmal bloß an dem eingetrockneten
Brei vorgenommen —, daß ein Vergleich zwischen dem Energie-
gehalt des frischen und autolysierten Breies nicht möglich war,
bloß ein solcher zwischen den ohne vorangehende Autolyse
und nach erfolgter Autolyse erhaltenen Eindampfungsrückstän-
den. Dadurch kam es, daß ein Energieverlust, der etwa von
dem einfachen — von der Autolyse unabhängigen — Eindampfen
herrührt, nicht ermittelt werden konnte.
Der Verlust, den der autolysierte Leberbrei während der
Autolyse und der nachfolgenden Eindampfung erlitten hat,
beträgt nach Abzug des auf das Eindampfen allein entfallen-
den Anteils, also für die Autolyse allein, im Durchschnitt aus
allen vier Versuchen der Versuchsreihen II und III gegen
END
Es ist dies ein ähnlicher Verlust, wie ihn, wenigstens in
den besser gelungenen Versuchen 5 und 6 der Versuchsreihe II,
280 К. Kornfeld und H Lax: Wärmetönung der Organautolyse.
die Trockensubstanz und der N-Gehalt erlitten haben, nämlich
3,6 bzw. 3,1°/,. |
Die Schlüsse, die aus den oben beschriebenen drei Ver-
suchsreihen gezogen werden können. lauten wie folgt:
1. Während der Autolyse findet unter den ge-
nannten Versuchsbedingungen eine geringe, jedoch
sicher nachweisbare Verringerung des Energiegehalts
des autolysierten Leberbreies statt.
«2. Da eine ähnlich große Verringerung auch im
Tröckensubstanzgehalt nachzuweisen ist, durch die
der Energieverlust hinreichend erklärt werden kann,
darf mit großer Wahrscheinlichkeit gefolgert werden,
daß die Wärmetönung des Autolysenvorganges gleich
Null ist.
3. Eine mit der Autolyse einhergehende Hydro-
lyse war unter den genannten Versuchsbedingungen
nicht nachzuweisen. —
Diese Arbeit wurde auf Anregung und unter Leitung des
Prof. P. F ári ausgeführt.
Biochemische Bildung von Aminoäthylalkohol aus Serin.
Von
F. F. Nord.
(Aus der chemischen Abteilung des Kaiser Wilhelm-Instituts für
experimentelle Therapie, Berlin-Dahlem.)
(Eingegangen am 13. April 1912.)
Den Aminoäthylalkohol, der zuerst durch die synthetischen
Darstellungen von 8. Gabriel!) und L. Knorr’) bekannt ge-
worden und jüngst durch S. Fränkel und M. Cornelius?) einer
genauen Untersuchung unterzogen ist, hat man später auch in der
Natur aufgefunden, und zwar als Bestandteil bestimmter Phos-
phatide vom Charakter des Lecithins. С. Thudichum‘) hat als
erster darauf hingewiesen, daß bei der Hydrolyse des Gehirn-
phosphatides Kephalin das Oxyäthylamin auftritt. Seine große
Verbreitung zeigte jedoch erst G. Trier’); er stellte die Substanz
" aus pflanzlichen und tierischen Phosphatiden dar, in denen sie
ganz oder teilweise das schon seit langem als Bestandteil des Leci-
thins bekannte Cholin ersetzt. Durch die Befunde von W. Koch‘)
und Н. Cousin‘), S. Fränkel und Е. Neubauer°) sowie
S. Fränkel und L. Dimitz?) scheinen zwar die Angaben über das
ausschließliche Auftreten des Aminoäthylalkohols als basisches
1) S. Gabriel, Ber. 21, 566, 2664, 1883.
2) L. Knorr, Ber. 30, 910, 1897.
3) S. Fränkel und M. Cornelius, Ber. 51, 1654, 1918.
4) G. Thudichum, „Die chemische Konstitution des Gehirns des
Menschen und der Tiere“, Tübingen 1901.
5) G. Trier, Zeitschr. f. physiol. Chem. 73, 385, 1911; 76, 497,
1911/12.
DW Koch, Zeitschr. f. physiol. Chem. 36, 134, 1902.
7) Н. Cousin, Journ. Pharm. et Chim. 23, 225, 1906; 24, 101, 1906;
25, 177, 1907,
%) 8. Fränkel und E. Neubauer, diese Zeitschr. 21, 321, 1909.
9%) 8. Fränkel und L. Dimitz, diese Zeitschr. 21, 343, 1909.
282 F. F. Nord:
Spaltungsprodukt der Phosphatide eingeschränkt, doch haben
andere Autoren wie A. Baumann!) und H. Thierfelder”)
das natürliche Vorkommen des Oxyäthylamins, das auch neuer-
dings mit dem Trivialnamen Colamin bezeichnet wird, er-
wiesen.
Über die Bildungsweise des Cholins in der Natur haben
E. Winterstein und G. Trier?) Hypothesen aufgestellt. Sie
gingen von der Annahme aus, daß durch Kondensation von
Formaldehyd zunächst Glykolaldehyd entstehe, der darauf durch
Aminierung Aminoacetaldehyd liefere und von dem alsdann
zwei Moleküle nach der Canizzarroschen Reaktion in Glyko-
koll und Aminoäthylalkohol übergehen können. Die Autoren
zogen auch die Möglichkeit in Betracht, daß bereits der Glykol-
aldehyd die Canizzarrosche Reaktion erleide und dabei
Äthylenglykol und Glykolsäure ergebe, während nachträgliche
Aminierung ebenfalls zum Oxyäthylamin führt. Solange aller-
dings die Canizzarrosche Reaktion bei Körpern von der
Empfindlichkeit des Glykolaldehyds oder des Aminoacetaldehyds
nicht tatsächlich verwirklicht ist, wird man jedoch auch andere
Bildungsweisen des Aminoäthylalkohols ins Auge fassen dürfen.
Denn die Reagenzien, welche die Canizzarrosche Reaktion ein-
leiten. in erster Linie die Alkalien, bringen ganz andere Ver-
änderungen an den beiden in Betracht kommenden labilen
Aldehyden hervor. Der Glykolaldehyd wird durch starkes
Alkali zerstört, durch verdünntes in Tetrose *), Pentose®) und
Hexose®) umgewandelt; der Aminoacetaldehyd wird durch
konzentrierte Lauge unter Ammoniakentwicklung zersetzt, durch
verdünnte zu einem Polymeren des Aminoacetaldehyds konden-
siert”). Dagegen hat sich gezeigt, daß der Aminoacetaldehyd
mit besonderer Leichtigkeit aus dem Glykokoll®) entstehen kann,
1) A. Baumann, diese Zeitschr. 54, 30, 1913.
2?) H. Thierfelder, Zeitschr. f. physiol. Chem. 96, 296, 1915/16.
3) E. Winterstein und G. Trier, „Die Alkaloide“, S. 311.
+) E. Fischer und Landsteiner, Ber. 25, 2549, 1892.
5) С. Neuberg, diese Zeitschr. 12, 337, 1908.
6) Fenton und Jackson, Chem. News 80, 177, 1899.
7) C. Neuberg und E. Kansky, diese Zeitschr. 20, 455, 1909.
в) C. Neuberg, Ber. 41, 956, 1908. — E. Fischer, Ber. 41. 1019,
Biochemische Bildung von Aminoäthylalkohol aus Serin. 283
und die weitere Reduktion des Aminoacetaldehyds zum Amino-
äthylalkohol ist ein Vorgang, dessen Verwirklichung nach den
zahlreichen Erfahrungen in der Zuckergruppe durchaus im Be-
reiche der Möglichkeit liegt. Aber auch die direkte Herleitung
des Oxyäthylamins aus einem Eiweißspaltungsprodukte, dem
Serin, scheint denkbar. Das Serin kommt in der Natur nicht
nur in Molekülverbänden der Proteine vor, sondern ist als ein
Stoffwechselprodukt auch in freiem Zustande, z. В. im Schweiß ?).
beobachtet worden.
Das Oxyäthylamin ist nun das zum Serin gehörige Amin.
Auf rein chemischem wie auf biologischem Wege sind schon
mehrfach Eiweißspaltungsprodukte in die entsprechenden und
daher als proteinogene Amine bezeichneten Basen übergeführt
worden. Während dieser Vorgang bei den aromatischen und
heterozyklischen Aminosäuren sowie bei den Diaminosäuren
verhältnismäßig leicht vonstatten geht, scheint seine Verwirk-
lichung bei den einfachen aliphatischen Aminosäuren mit grö-
Beren Schwierigkeiten verknüpft zu sein. Hier ist die Reaktion
bisher nur bei einer einzigen Aminosäure geglückt, und zwar
bei der «-Aminoisovaleriansäure;gsie geht nach den Feststel-
lungen von Neuberg und Karczag?) in Isobutylamin über.
Bei allen übrigen aliphatischen «-Aminosäuren ist die bioche-
mische Decarboxylierung bisher noch nicht ausgeführt, doch
kann es angesichts des oft beobachteten Auftretens der ent-
sprechenden einfachen Amine unter den Produkten der Fäulnis
keinem Zweifel unterliegen, daß sie auch hier möglich sein muß.
Der Versuch mit Serin hatte unter Einhaltung bestimmter
Bedingungen einen vollen Erfolg. Die Umwandlung der Amino-
säuren bei der Fäulnis erfolgt im wesentlichen nach zwei Rich-
tungen. Einmal entstehen durch Desaminierung Säuren, anderer-
seits durch Decarboxylierung Amine. Den Abbau zu Säuren
hat W. Brasch?) bei der gewöhnlichen Fäulnis des Serins fest-
gestellt; er fand Ameisensäure und Propionsäure. Anders aber
verläuft die Reaktion, wenn man unter anaeroben Bedingungen
arbeitet: man gelangt dann zu dem entsprechenden basischen
Spaltungsprodukt. Die Bedeutung des Luftabschlusses für die
1) G. Embden und Tachau, diese Zeitschr. 28, 230, 1910.
2) C. Neuberg und L. Karczag, diese Zeitschr. 18, 435, 1909,
3) W. Brasch, diese Zeitschr. 22, 403, 1909.
26+ Е. F. Nord:
Entstehung der Fäulnisbasen hat früher A. Ellingert) erkannt
und betont. Unter den Verhältnissen, die nachstehend im ein-
zelnen angeführt sind, gelingt die Überführung des Serins in
Oxyäthylamin. Die Isolierung geschah mittels der für diesen
Zweck von L. Knorr (1. с.) empfohlenen Pikrolonsäure in der
von H. Thierfelder und О. Schulze?) angegebenen Weise.
Da jedoch das Pikrolonat des Oxyäthylamins und freie Pikro-
lonsäure zufällig eine prozentisch wenig abweichende Zusammen-
setzung”) aufweisen, so wurde die leicht ausführbare Umwandlung
des Pikrolonats in die Chlorgold-Doppelverbindung vorgenommen.
Experimenteller Teil.
Zur Herstellung der Fäulnisflüssigkeit nach E. Salkowski
wurden 5 р feingehacktes, schieres Rindfleisch mit 50 cem lau-
warmem Leitungswasser und 1 ccm einer halbgesättigten Soda-
lösung versetzt und 1 Tag im Brutschrank bei 37° stehen
gelassen. 10 ccm dieser Faulflüssigkeit wurden nunmehr zu
einer Lösung von 10 g Serin in 1000 cem Leitungswasser hin-
zugefügt, welches an Nährsalzen 0,1 g Magnesiumsulfat, 0,5 g Am-
monsulfat, 0,1 g Dikaliumphosphat sowie etwas Soda enthielt.
und mit flüssigem Paraffinöl dick überschichtet.
` Das Gemisch blieb sich 10 Tage im Brutschrank überlassen;
es reagierte dann neutral. Behufs Gewinnung des basischen
Reaktionsproduktes wurde die Paraffinschicht im Scheidetrichter
abgetrennt, einmal mit wenig Wasser gewaschen und die ab-
gelassene Flüssigkeit mit verdünnter Salzsäure schwach kongo-
sauer gemacht, aufgekocht und nach dem Filtrieren bei 35°
eingeengt.
Der halbfeste Rückstand wurde mit 10 g frisch gelöschtem
Ätzkalk zu einem dicken, trockenen Brei verrührt. Da deut-
lich dabei Ammoniak frei wurde — die Desaminierung konnte
nicht vollständig unterdrückt werden —, so wurde das Gemisch
24 Stunden über Schwefelsäure in einem nicht evakuierten
Exsiccator aufbewahrt. Zwecks Isolierung der Base wurde
dann das Kalkpulver quantitativ in eine Soxhlethülse gebracht
1) A. Ellinger, Ber. 31, 3183, 1898.
2) H. Thierfelder und О. Schulze, Zeitschr. f. physiol. Chem.
96. 296,71915/16.
5) Oxäthylamin-Pikrolonat: С 44,28°%/,, Н 4,65%/,, N 21,54%.
' Pikrolonsäure: С 45,45°/, Н 3,08%,, N 21,219/,.
Biochemische Bildung von Aminoäthylalkohol aus Serin. 285
und mit 280 cem Äther ausgezogen, wobei die extrahierte Base
durch die unter Beigabe von etwas Alkohol gelösten 2 g Pi-
krolonsäure sofort gebunden wurde. Die Extraktion war nach
30 Stunden beendet.
Der im Kolben allmählich entstandene Niederschlag, das
Pikrolonat des Oxyäthylamins, wurde abgesaugt, zunächt mit
alkoholhaltigem, dann mit reinem Äther gewaschen und in vacuo
getrocknet. — Die Rohausbeute betrug 2,8 g Substanz, die nach
zweimaligem Umkrystallisieren aus absolutem Alkohol 2,4 g
reines Salz vom Schmelzpunkt 210° lieferten.
0,1603 g Substanz gaben 0,2570 g CO, 0,0661 g H,O.
C,0H;N,0,.C,H,.NO. Berechnet: С 44,28°/,, Н 4,65°/,;
gefunden: С 43,7290, Н 4,579/,.
Zwecks Überführung in die Chlorgoldverbindung wurden
1,63 g Pikrolonat (= 0,3 g Base) in möglichst wenig heißem
Wasser geJöst und die noch leicht getrübe Lösung in der Hitze
mit 2,2 сет Salzsäure (D = 1,19) versetzt und über Nacht im Eis-
schrank stehen gelassen. Nach Abfiltrieren der gut ausgefallenen
Pikrolonsäure wurde die Lösung des Chlorhydrates einmal mit
Essigester ausgeschüttelt und auf dem Wasserbade eingeengt.
Die Flüssigkeit gab in Gegenwart von Calciumcarbonat
eine typische Violettfärbung mit Triketonhydrindenhydrat!). —
Die eingeengte Flüssigkeit wurde mit überschüssiger Goldchlorid-
lösung (2р AuCl, in 25 cem Wasser) versetzt, abermals ein-
geengt und die erstarrende Lösung über frisch geglühtem Cal-
ciumoxyd eingetrocknet. Das Rohsalz wurde mit absolutem
Alkolıol angefeuchtet, zweimal mit Alkoholäther (3:1 bzw. 1:6)
gewaschen, abgesaugt, im Vakuumexsiccator getrocknet und
schließlich aus wenig Wasser umkrystallisiert. Das Salz schmolz
nach dem Trocknen bei 105° bei 185 bis 186°. Ausbeute 1,5 g.
C,H.NO.HAuC],. Berechnet: Au 49,10°/,; gefunden: Au 48,96°/,.
Durch die Überführung in die beiden von Knorr als
charakteristische Derivate des Aminoäthylalkohols beschriebenen
Salze ist die biochemische Entstehung des Oxyäthylamins aus
Serin sichergestellt. Die Decarboxylierung mit Hilfe von Bak-
terien ist somit auch bei einer Oxyaminosäure bewerkstelligt.
1) C. Neuberg, diese Zeitschr. 56, 500, 1913.
Der Eisengehalt der Öle, Fette, Wachsarten, Harze,
Gummiharze, Gummiarten; sowie einige Analysen
über den Gehalt an Kieselsäure und Tonerde.
Von
M. Gonnermann.
(Aus dem Institut für Pharmakologie der Universität Rostock.)
(Eingegangen am 21. April 1919.) ei
In den Berichten der Deutsch. Chem. Ges. 41, 910 bis 915
21./3. veröffentlicht W. Glikin über den Eisengehalt der Fette,
Lipoide und Wachsarten. Ein Referat über diese Arbeit be-
findet sich im Chem. Centralbl. 79, 1908, I, 1564, dem ich die
Angaben entnehme:
„In dem Fett des Knochenmarkes verschiedener Menschen und
Tiere ist Eisen in nachweisbaren Mengen enthalten; die Art der Eisen-
verbindung unterscheidet sich wesentlich von den Nucleoalbuminen und
Eisenalbuminaten, da sie in Alkohol, Chloroform, Äther löslich sind.
In einer Tabelle sind die Resultate zusammengestellt, und daraus ergibt
sich, daß das Knochenmark junger Tiere einen höheren Gehalt zeigt
als das älterer, so 2. B. beim neugeborenen Ferkel 1,159%,, 6 Wochen
alten 0.202, . bei 8 Wochen alten 0,15°/,, bei älteren Schweinen im
Durchschnitt 0,03°,. Beim Hund fällt in gleicher Weise der Eisen-
gehalt des Knochenmarkes mit dem Wachstum der Tiere in folgender
Abstufung ab: 4,859/, (?), 0,44°/,, 0,32°/, und 0,05°,. Hieraus ergibt
sich, daß der Eisengehalt des Knochenmarks mit dem Wachstum der
Tiere und Menschen rapid abnimmt und zwar in gleichem Verhältnis
wie der Lecithingehalt und analog dem Eisengehalt der Leber, der bei
neugeborenen Tieren etwa 10 mal größer ist als bei ausgewachsenen.
Auch in pflanzlichen Fetten: Kakaobutter, in verschiedenen Ölen und
Wachsarten findet sich Eisen. Durch Ausschütteln mit salzsaurem kalten
Wasser läßt sich das Eisen nicht entfernen, so daß man zu der An-
nahme geführt wird, daß ein festgebundenes Fettmolekül vorliegt. Le-
cithin und Cholesterin, die ständigen Begleiter der Fette, enthalten Eisen.
M.Gonnermann: Fe-Gehaltd.Öle,Fette,Wachse,Harzeu.Gummiarten. 287
Verfasser reinigte Lecithin Merck in methylalkoholischer Lösung
mit Tierkohle, engte die Lösung ein und fällte durch Aceton, wobei
eine fast farblose Masse erhalten wurde, die 0,173°/,, 0,3889%, und
0,181°/, Eisen enthielt. Er nimmt als stöchiometrisches Verhältnis
zwischen Lecithin und Eisen an, daß eine Kuppelung zwischen 1 Atom
Fisen und 3 oder mehr Molekülen Lecithin stattfindet.“
Bei meinen neuen Versuchen, die auf Anregung Koberts
erfolgten, um die Eisenfrage der Fette nochmals zu be-
arbeiten, wurde auf die Aschenprozente des Eisens in dem
verschiedenartigen Material besonders Rücksicht genommen,
und zwar kam natürlich nur dasjenige in Betracht, was unter
gegenwärtigen Verhältnissen zu erlangen war. Die anschließenden
Drogen stammen aus der Sammlung des Institutes.
Die Vorproben mit gelbem und rotem Pferdemark
wurden mit Äthylalkohol verrieben, öfter durch heißes Wasser
erwärmt, die Nacht über stehen gelassen, dann filtriert und
der Alkohol verdampft. Den Rückstand verrieb ich mit wenig
Aceton; hierbei ballte sich in beiden Proben, im roten Mark
mehr, eine dunkle Masse zusammen; der Aceton wurde klar
abgegossen und verdampft, der Rückstand unter Zugabe von
etwas Ammoniumsulfid versetzt; keine Schwarzfärbung, also
frei von Eisen. Die ausgeschiedenen Massen wurden mit
salzsaurem Wasser verrieben, gelinde erwärmt, die Säure klar
abgegossen, mit Ammoniak neutralisiert, Schwefelammonium
zugefügt: gleichfalls ohne Schwarzfärbung — also Eisen
nicht in Lösung gegangen. Nunmehr wurden die Massen mit
Salpetersäure erwärmt, oxydiert, mit Ammoniak die Flüssig-
keit abgestumpft, Schwefelammonium zugefügt: ebenfalls keine
Eisenreaktion. b
In dieser minimalen Menge vom angewandten Material
war also eine Abspaltung des Eisens nicht zu erreichen, so
daß, wenn das Eisen an Lecithin gebunden, dasselbe sehr fest
verankert ist.
Die Versuche wurden auf folgende Weise mit Pferde-
mark ausgeführt. Das rote Mark ließ sich im Mörser zu
einer ganz glatten, salbenartigen Masse verreiben, während das
gelbe Mark konstanter war und mit der Schere zu kleinen
Stücken zerschnitten werden mußte. Um das anhängende Blut
zu entfernen, weil bereits selbst eisenhaltig, wurde das zer-
kleinerte Mark mit destilliertem Wasser, das die Blutkörperchen
288 M. Gonnermann:
leicht löst, mehrmals ausgespült, die Nacht noch unter Wasser
stehen gelassen, dann durch ein Sieb gegossen, nach Möglich-
keit vom Wasser abgeschleudert und auf dem Dampfapparat
nachgetrocknet. Beide Markproben wurden in Porzellantiegeln
in kleinen Partien bei ganz kleiner Flamme auf Drahtnetz
mit Asbestbelag zunächst erwärmt, bis sich ein deutliches
Spratzen und Verbrennungsdämpfe entwickelten. Hierauf kamen
die Tiegel auf offene kleine Flamme, bis sich die entwickelten
Dämpfe entzünden ließen. Dieser letzte Verbrennungsakt voll-
zog sich ziemlich schnell und hinterließ zunächst eine leicht
zerreibliche kohlige Asche.
I. Aus dem roten Mark, das 15,0 g betrug, wurden 0,162 g
—1,08°/, dieser Asche erhalten; der geringen Menge wegen
wurde sie sofort in demselben Tiegel, nachdem die am Rande
befindliche Kohle vollständig durch Glühen verflüchtigt war.
nochmals unter Zugabe von etwas Salpetersäure erhitzt, ge-
glüht, nach dem Erkalten durch Salzsäure und wenig Salpeter-
säure in der Wärme behandelt, um das Eisen in Lösung zu
erhalten; diese mit heißem Wasser verdünnt und einige Tropfen
davon mit Blutlaugensalz geprüft: es entstand eine tiefblaue
Färbung, die die Gegenwart von Eisen im roten Mark be-
wies. Es ist jedoch nicht zu vergessen, daß in dem roten
Mark viel Blutfarbstoff enthalten und dieser selbst eisenhaltig
ist, und zwar enthält die Blutasche 5,6°/, Eisen, die von dem
gefundenen Eisen der Markasche abgezogen werden muß. so
daß für den Eisengehalt des im Mark enthaltenen Lecithins
sich ein gewisses Mehr ergeben wird.
Die verdünnte saipetersaure Lösung wurde nun erwärmt
mit Ammoniak gefällt, das ausgeschiedene Eisenhydroxyd auf
gewogenem Filter ausgewaschen und bei 110° völlig ausge-
trocknet. Es resultierten 0,035 g Fe,O,. die 0,0267 g Eisen
entsprechen, und ergaben hiervon
0,178°/, für Mark,
16,358°/, für Asche
im roten Mark nach Abzug von 31 mg Prozent für den Ge-
halt an Eisen des Lecithins.
II. Das gelbe Mark wog 85,0 g, lieferte 0,486 g kohle-
freie Asche = 0,578 9/,; diese wurde durch Säuren in der
Wärme gelöst und das Eisen durch Ammoniak heiß ausgefällt.
Fe-Gehalt der Öle, Fette, Wachse, Harze und Gummiarten. 289
Hierbei entstand jedoch ein sich schnell ausscheidender weißer
Niederschlag, der nach der Prüfung sich als phosphorsäure-
haltig ergab. Er wurde daher wieder in Salpetersäure gelöst
und die Phosphorsäure durch Ammonmolybdat vollständig aus-
gefällt, im Filtrat wieder das Eisen durch Ammoniak gefällt.
Bei der Berechnung ergaben sich
0,142°/, für Mark,
2,882°/, für Asche.
Wenn nun in den verschiedenen Fettarten sich festge-
bundenes Eisen findet, so wäre es doch wohl möglich, das
Eisen chemisch künstlich einzuverleiben, und habe auch
ich demgemäß Versuche angestellt. Das Resultat war ein
günstiges; ich erhielt eine beim weiteren Verdünnen, z. B.
mit dem farblosen Paraffinöl, völlig klare Lösung von einem
Eisenoleat in Lecithin; verseifte ich dasselbe durch Ammoniak,
verdünnte mit Wasser, erwärmte etwas und setzte Schwefel-
ammonium hinzu, entstand eine tiefschwarze Mischung,
Schwefeleisen enthaltend. Es ist also auch chemisch nach-
gewiesen, daß das Eisen in dem Lecithin als gelöstes Oleat
enthalten war.
Das gelbe Mark enthielt durch das gründliche Auswaschen
kein Blut mehr und sind die gefundenen Werte für Eisen
einwandfrei.
III. Gesamtlipoide aus Pferdehirn (Dr. Witte). Es
wurden 13,330 g verascht und nach Beseitigung der Phosphor-
säure weiter verfahren, wie bei dem gelben Mark ausführlich
angegeben ist. An Reinasche wurden 1,006 g erhalten, die
für Lipoide 7,472°/, betrug. Eisen war nicht vorhanden,
es erschien daher sehr wichtig, auch das Pferdegehirn auf
Eisen zu untersuchen.
IV. Lecithin aus Pferdegehirn (Dr. Witte). Die Me-
thode war dieselbe; es fand sich in 1,60°/, Asche
Eisen 0,121°/, für Lecithin,
7,706°/, für Asche.
Es wurden noch untersucht
V. Pferdehirn,
VI. Rogenlecithin (Dr. Witte), deren Resultate sich in
der Tabelle befinden. Es folgten nunmehr die Untersuchungen
von Wachs- und Fettarten, Ölen, denen sich die von Harzen,
Biochemische Zeitschrift Band 9. 20
290 M. Gonnermann:
Gummiharzen und Gummi anschließen, wie aus der Tabelle
ersichtlich ist.
ы
А Untersuchungs-
3 Material
d
1
Nebennieren
140,0 g
Desgl. H
170,0 g
Leichenblut
Kriebelmücke H
Simulium reptans
Canthariden
Lytta vericatoria
Pemphigus H
vulgaris
Menschlich
э
Auswärts
Apotheke
Hautklinik
Seegras
Zostera marina Ostsee
}
Stechapfel-
blätter Drogen-
Datura Strem- | handlung
monium
9 Bilsenkraut H
Hyoscyamus niger
10 | Tollkirsche- |
blätter ”
Atropa Belladonna
11 | Gerstesamen Instituts-
Hordeum vulgare sammlung
12 geschält D
13 Blattspinat Rubner
14 | Spinat (überhaupt) »
15 Grünkohl ”
16 Kohlrüben ”
17 Wirsing Ы
18 | Pfifferlinge |
Cantharellus Käuflich
cibarius
19 Steinpilz \ = >=
Boletus edulis Ј
20 |Maulbeerblätter 3,00 | 17,06
e Morus nigra
21 | a Morus alba 3,945 | 25,62
22 | Renntierflechte \ | Pharmakolg. 917 Säi
Cladonia rangiferin: Sammlung ?
23 Carragheen \ 9,60 —
Fucus crispus 7 d ?
24 | Isländisch Moos
8,07 | —
Cetraria islandica i
Fe-Gehalt der Öle, Fette, Wachse, Harze und Gummiarten. 291
Nachweis des Eisens.
I. Fette.
a ER SS Eisen °/, in
А | Untersuchungs- | Entstammt | $ S „ = S 2 lo
3 Material von 33 E а $ Trock.- Acte
A а 8 476 | Subst.
Knochenmark, ү | Pferd, Ober-
|
1,08 0,178 | 16,358
rot schenkelkn. | 150 ©
2 Desgl., gelb D 85,0 [:5 | 0,572 | 0,140 2,882
3 Gehirn Pferd 30,0 1,315 | 0,360 8,355
4 | Lipoide (Witte) |Pferdegehirn| 13,331 | 7,472 frei
5 | Lecithin (Witte) » 12,250 | 1,600 | 0,121 | 1,100
6 Desgl. Rogen 13,560 | 4,846 | 0,256 4,051
7 Desgl.,
älteres Präparat } H 12,830 | 4,131 | 0,113 4,181
8 | Wachs, gelbes Instituts-
Apis mellifica } Sammlung 250 0048: 1010 0,292
9 ier lc
Rhus succedanea
10 Carnauba- |
25,0 0,096 | 0,0086 | 0,010
Wachs
Capernicia cerifera
11 КаКаоб1
Theobroma Cacao
12 Walrsat }
Cetaceum
13 Kokosöl
Cocos nucifera
14 Pferdefett
Equus caballus
25,0 0,153 | 0,0748 | 3,252
e , |In Reaktion vorh.,
25,0 0,096 nicht wägbar
25,0 0,032 ”
25,0 0,028 D
H Fleischerei | 45,0 0,111 | 0,020 | 0,180
15 |. Palmöl Henkel, 30.0 0.034 Nur durch Reak-
Elaeis gujanensis Düsseldorf ? Р tion nachweisbar
16 раа кета. } ы 30,0 0,040 A
aeis gujanensis
17 Mowrahöl » 30,0 | 0,100 D
18 |Wollfett, rohes |
Adom аде H » 30,0 1,470 | 0,0472 | 3,187
х Nur durch Reak-
19 | Desgl., reines D 30,0 0,014 tion nachweisbar
20 | Wollfett für
veterinären А 80,0 0,802 | 0,0233 | 2,834
Gebrauch
21 Wollfett Vorhanden,
neutrales } Henkel 80,0 0,109 nicht wägbar
Homo sapiens
23 Oeseppus |
(frisch) 70,0 0,128 =й 0,120
n
(Dr. Ihle)
30,0 0,106 | 0,030 | 0,300
Wollfettpräparat
20*
292 M. Gonnermann:
Ehe ich die Tabelle über den Eisengehalt der oben an-
geführten Wachsarten usw. folgen lasse, sollen noch einige
Untersuchungen Platz finden, die während des Druckes meiner
Veröffentlichung über „Die quantitative Ausscheidung der
Kieselsäure im menschlichen Harn“!) ausgeführt worden
sind, die zum Teil den Gehalt an Kieselsäure, zum Teil an
Tonerde betreffen.
Die Harze sind weiche oder feste Ausscheidungsprodukte
der Pflanzen, die als solche zum Teil bereits in denselben ent-
stehen, zumeist jedoch erst beim Austreten an der Luft aus
den Balsamen sich abscheiden. Diese Balsame sind Lösungen
der Harze in ätherischen Ölen, und beim Verdunsten derselben
bleiben die Harze zurück.
Bereits sind die Harze zum Teil aus Verbindungen des
im Steinkohlenteer befindlichen Kumaron und Inden künst-
lich dargestellt worden, indem diese Stoffe eine große Neigung
haben, sich zu Kumaron- und Indenharz zu polymerisieren;
sie finden viel Anwendung in der Lackindustrie?). Nach eng-
lischem Patent werden organische Oxysäuren, 2. В. Weinsäure.
mit Formaldehydlösungen unter Zusatz von Phenol in mit Blei
ausgefütterten Gefäßen erwärmt und dann gekocht. Es er-
scheinen auf der Oberfläche harzartige Massen, die durch heißes
Wasser gewaschen werden.
Dr. Goldschmidt stellt blauen Siegellack von einem Harz
her, das aus Formaldehyd, Methyldiphenylamin und Salzsäure
erhalten wird. Kopalersatz erhält man, wenn Monoäthyl-
anilin, überschüssiges Formaldehyd und Salzsäure in der Kälte
aufeinander wirken und längere Zeit stehen läßt; es wird dann
das gebildete Harz durch Natronlauge gefällt. —
Fossile Harze sind Bernstein, Asphalt und Ozokerit.
Bei der Untersuchung auf Eisen wird die kohlefreie Asche
mit Salzsäure unter Zugabe von Salpetersäure ausgekocht, das
Filtrat durch Ammoniak gefällt, das ausgewaschene Eisen-
hydroxyd bei 110° getrocknet und aus dem Gewicht nach
der Gleichung 160:120—?:x das x als Eisen berechnet. Ebenso
verlaufen die Untersuchungen der Gummiharze und Gummi-
arten.
1) Diese Zeitschr. 1919.
2) Vgl. Chem.-Zeitg. 23/24, 93, 1918; 28, 109.
Fe-Gehalt der Öle, Fette, Wachse, Harze und Gummiarten. 293
П. Harze.
н 4 N 5° pe А o :
А | Untersuchungs- | Entstammt | 2 S AR: E аы
3 Material von SS © a% | Trock.- Ае
vd et: А76 | Subst.
1 Вер20ё, А z
Sumatra Resina (| ez | 30,0 | 1% | олз | 1143
Вептоё Е
2 | Benzo&, Siam D 30,0 0,70 0,057 0,820
3 | Benzoö Colo-
phon А
Colophonium | 35,0 3,904 | 0,857 2,921
Benzoes
4 Dammar rn | Vorh., nur durch
Resina Dammara ý 30,0 | 0,070 [Reakt nachweisb.
5 | Drachenblut
Sanguis Draconis D 30,0 1,455 | 0,193 1,315
canariensis
6 Elemi ` > Vorh., nur durch
Resina Elemi } x 35,0 | 8,148 [Reakt nachweisb.
7 | Kopal, ostind., |
Reine Copal H » 35,0 | 0,018 | 0,0086 | 0,172
8 | Fichtenharz Vorhanden, doch
eg ef ` ИШЕ 85,0 | 0,040 | nicht wägbar
9 | Guajacharz |
` | Resina Guajavi } n 35,0 | 0,291 | 0,071 | 0,230
10 Mastix d |
Resina Mastiche J n 35,0 0,194 | 0,023 0,118
1 Sandarac,
marokkan. » 35,0 | 0,109 | 0,044 | 0,408
Resina Sandaraca
12 Bernstein
kene dee } | з 35,0 | 0,057 | 0,090 | 0,450
III. Gummiharze.
Die Gummiharze sind bekanntlich innigste Gemische
von Harz und Gummi, die beim Verreiben mit Wasser eine
Harzemulsion geben ähnlich den Öl- und Samenemulsionen.
Hierbei wird der Gummi entweder gänzlich gelöst — Arabin —
wie das arabische Gummi, oder, wie bei dem Traganth, nur in
eine schleimige Substanz — Bassorin — übergeführt, wodurch
das feinverteilte Harz in der Mischung schwebend erhalten
bleibt. Die Gummiharze — oder Schleimharze — sind Be-
standteile der Milchsäfte, die, aus den verwundeten Pflanzen
fließend, erhärten — sie werden zu Balsamen; zum Teil ent-
halten sie ätherische wie auch fette Öle.
294 М. Gonnermanh:
ПІ, Gummiharze.,
Ag SÉ Eisen °
Untersuchungs- Entstammt | $ S „| = 5 д al
Material von 8 2 5 s #4 | Trock.- ГРА
ZS [93 | Subst.
m
Ammoniak 2
Gi. res. Ammonia- en 0,591 | 13,600
cum in massis Ы
«Asa foedita
Gi. res. Asae D 0,554 7,854
foeditae in massis
Euphorbium
Gi. res. Euphorb. n 1,650 1.480
Marokko
Galbanum =
Gi. res. Galbanum g 1,860 | 29,07
Gutti Vorhanden,doch
Gi. гез. Gott Siam > nicht wägbar
Gi Мун Б н Vorhanden,doch
" Arabi ST nicht wägbar
Weihrauch
Gi. res. Olibanum n 0,023 | 0,118
Ostafrika
Gi. res. Scammo- D 2,00 | 13,133
Scammonium |
nium Aleppo
!
IV. Gummiarten.
Die Gummiarten finden sich in den Säften der betreffenden
Pflanzen gelöst, sind in Gruppen dünnwandiger Zellen ein-
geschlossen, die sich häufig zu Gummikanälen erweitern. Wäh-
rend der heißesten Jahreszeit der Tropen quillt durch Bersten
der Rinde der Inhalt hervor, verliert an der Luft seinen Wasser-
gehalt und erhärtet zu festen Massen. Auch sammeln die Ein-
geborenen durch gemachte lange Einschnitte zu bestimmten
Zeiten an Ästen und Zweigen, besonders der Akazien, den
reichlich austretenden Gummi.
Vertreter sind nur
Gummi arabicum = Gi. Mimosae.:
Gummi Senegal.
Gummi Traganth.
Die beiden ersten enthalten das im Wasser lösliche Arabin,
im Traganth befindet sich das im Wasser nur quellende Bas-
sorin zu einem gallertartigen, halbdurchsichtigen Schleim.
Fe-Gehalt der Öle, Fette, Wachse, Harze und Gummiarten. 295
\
IV. Gummiarten.
2 SR |°# | Eisen op i
Z | Untersuchungs- | Entstammt | @ A „Le 3 3 n °/, in
g Material von 5.2 E g$ | Trock.-| де
= CS 2 El Subst.
Instituts- 35,0 9,131 Vorhanden, je-
bicum Gemisch Sammlung doch nicht wägbar
1 | Gummi arabi-
Arabien
Frei von Eisen, selbst
2 Senegal 35.0 6.315 [nach längerem Stehen
i ы , 7 bewirkte Blutlaugen-
Gummi ) salz keine Bläuung
3 та } e 35,0 | 1,680 | 0,026 | 1,882
Aus den vielen Untersuchungen der verschiedenartigsten
Materialien ergibt sich, daß mit Ausnahme von 2 — die
Lipoide aus Pferdegehirn, sowie der Senegal-Gummi —, die
sich als frei von Eisen erwiesen, der Gehalt dieses Elementes
in der Asche, den ich als wertvolles Resultat betrachte, von
nicht wägbaren Mengen bis 29,7°/, aufstieg. Es gehört also
das Eisen in den Ausscheidungen der Pflanzenzellsäfte zu
den konstanten Bestandteilen, wie in den Säften und Or-
ganen des menschlichen und tierischen Körpers.
Über quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon von
Battelli und Stern‘).
Von
Hans Einbeck.
(Aus der chemischen Abteilung des pathologischen Instituts der Uni-
versität Berlin nnd dem physiologischen Institut der Universität Genf.)
(Eingegangen am 21. April 1919.)
Die im Anschlusse an die Auffindung von Fumarsäure im
Extrakte von frischem Fleische?) durchgeführte qualitative
Aufarbeitung eines Oxydationsversuches von Bernsteinsäure
mittels Muskelbreis nach Battelli und Stern hatte ein Ge-
misch von Fumarsäure und Bernsteinsäure geliefert. Dieser
Befund, der allerdings mit den nach den Angaben von Bat-
telli und Stern verbrauchten Sauerstoffmengen®) im Wider-
spruche stand, hatte mich zu der Annahme veranlaßt, daß die
Fumarsäure das einzige Reaktionsprodukt der Einwirkung des
Succinicoxydons auf Bernsteinsäure sei. Ich hatte seinerzeit
quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon in Aussicht ge-
nommen, um den Übergang von Bernsteinsäure zu Fumar-
säure zu studieren. Die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit der
Herr Professor Dr. F. Battelli und Fräulein Prof. Dr. L Stern
mir die Erfahrungen und die Apparatur des Genfer physiologischen
Instituts zur Verfügung stellten, wofür ich ihnen auch hier meinen
verbindlichsten Dank aussprechen möchte, versetzte mich in die
angenehme Lage, diese Versuche im Frühjahr 1914 in Genf
durchführen zu können. Es zeigte sich hierbei, um das gleich
1) Diese Zeitschr. 52, 226, 1913.
D Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 301, 1914.
®) Diese Zeitschr. 30, 176, 1910.
H. Einbeck: Quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon. 297
vorwegzunehmen, daß der vorstehend erwähnte Befund von
Bernsteinsäure neben Fumarsäure zweifellos durch die un-
genügende Durchführung des damaligen Oxydationsprozesses!)
verursacht war und infolgedessen zur Beurteilung des Reaktions-
verlaufes nicht mehr herangezogen werden kann.
Um die chemischen Vorgänge bei der Einwirkung von
ausgewaschenem Muskelbrei auf Bernsteinsäure bei Gegenwart
von Sauerstoff aufzuklären, erschien es mir hauptsächlich er-
forderlich, festzustellen, wie sich das Verhältnis zwischen der
angewendeten Bernsteinsäuremenge und dem verbrauchten
Sauerstoff gestaltet, wenn bei den Versuchen, die bis zur Er-
schöpfung durchgeführt werden müssen, bei gleichbleibender
Muskelbreimenge der Gehalt an zugefügter Bernsteinsäure va-
riiert wird. Es wurden deshalb 4 Versuche gleichzeitig mit
steigenden Bernsteinsäuremengen (0,0, 1,1, 2,2, 3,3 g) als Na-
triumsalz angesetzt und der absorbierte Sauerstoff gemessen.
Beschaffenheit und Menge des Muskelbreis sowie Konzentrations-
verhältnisse waren hierbei die bisher in Genf üblichen‘).
Die ersten 4 Versuche lieferten eindeutige Resultate. Ich
hielt es jedoch für wünschenswert, durch eine zweite Versuchs-
reihe die ersten Befunde zu kontrollieren. Ich benutzte die
Gelegenheit, um die Versuchsbedingungen sowohl hinsichtlich
der Beschaffenheit und Menge des angewendeten Muskelbreis,
als auch der Konzentrationsverhältnisse abzuändern.
Nachstehende Tabelle zeigt die in beiden Versuchsreihen
verbrauchten Sauerstoffimengen:
Angewendete Bernsteinsäure ng. 00 1,1 2,2 3,3
Absorbierter Sauerstoff in ccm
(bei 40° und 730mm) . . .IO 140 264 395
по 139 260 389
Es zeigt sich also, daß der Sauerstoffverbrauch in beiden
Reihen proportional der zugesetzten Bernsteinsäuremenge an-
steigt.
Reduziert man die gefundenen Sauerstoffzahlen auf 09 und
760 mm, so erhält man im Durchschnitt aus beiden Reihen
die Werte
107 сот 201 ccm 300 Gem
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 304, 1914.
D Diese Zeitschr. 30, 177, 1910.
298 H. Einbeck:
Berechnet man andererseits die Mengen Sauerstoff, die,
auf 1 Mol C,H,O, 1 Atom 0 gerechnet, 1,1, 2,2 und 3,3 р Bern-
steinsäure entsprechen, so erhält man die Zahlen
104 ccm 208 ccm 313 ccm
Aus dem Vergleich der wirklich verbrauchten und der
berechneten Sauerstoffmengen ergibt sich, daß in allen Fällen
innerhalb gewisser Fehlergrenzen auf 1 Mol Bernsteinsäure
1 Atom Sauerstoff aufgenommen worden ist. Dieser Befund
entspricht den Angaben von Battelli und Stern!').
Wie bereits oben erwähnt, unterschieden sich die Reihen
I und II hinsichtlich der Qualität und Quantität des ange-
wandten Muskelbreis und ebenso hinsichtlich der Konzen-
trationsverhältnisse.
In Reihe I kamen je 90 g, in Reihe П je 50р Muskel-
brei zur Verwendung. Muskelbrei I wurde 5 Stunden nach der
Schlachtung und nach 5maligem Auswaschen mit Wasser ver-
braucht, Muskelbrei II dagegen wurde gleich nach der Schlach-
tung 10mal mit Wasser gewaschen, 24 Stunden bei 0° auf-
bewahrt und dann zum Versuch verwendet. Außerdem waren
die Flüssigkeitsmengen, in denen gearbeitet wurde, in der
Reihe I größer als in Reihe II, mithin die Konzentration des
bernsteinsauren Natriums in I kleiner als in II.
Durch diese Verschiedenheiten in den Versuchsbedingungen
wurden, wie nachstehende Tabelle zeigt, erheblich nur die zur
Vollendung der Oxydation benötigten Zeiten beeinflußt.
Versuch 2 3 4
Reihe I . . . . Minuten 60 90 120
Reihe Il. . . . » 60 120 180
Diese Differenzen erscheinen mir aber für die Aufklärung
der rein chemischen Verhältnisse unwesentlich.
Zur Aufarbeitung des Oxydationsgemisches wurde das-
selbe nach vorsichtiger Ansäuerung mit Essigsäure 15 Minuten
in das siedende Wasserbad eingesetzt, wodurch ausreichende
Koagulation erzielt werden konnte. Nach kurzer Abkühlung
wurde durch Watte filtriert, mit siedendem Wasser nach-
gewaschen und das Filtrat nebst Waschwässern auf dem
Wasserbade eingedampft. Der ziemlich erhebliche Rückstand
1) Diese Zeitschr. 30, 178, 1910.
Quantitative Versuche mit dem Succinicoxydon. 299
wurde mit Wasser ausgekocht. Nach dem Filtrieren durch ein
dichtes Filter wurde wiederum eingedampft und so ein teig-
artiger Rückstand erhalten, der allerdings immer noch einen
erheblichen wasserunlöslichen Anteil enthielt.
Zur Aufarbeitung im Extraktionsapparate wurde entweder
der gesamte Rückstand in 10°/,iger Schwefelsäure suspendiert
oder aber ` das wäßrige Filtrat desselben mit so viel Schwefel-
säure versetzt, daß eine 10°/ ‚ige Lösung entstand. Ein wesent-
licher Unterschied in der Ausbeute konnte bei den ver-
schiedenen Methoden nicht beobachtet werden. Bei der Ex-
traktion mit alkoholfreiem Äther zeigte es sich, daß ein Teil der
freigewordenen Säuren schon innerhalb der ersten Stunden in
den Äther überging (Extraktion I), ein anderer Teil dagegen
wurde deutlich schwerer vom Äther aufgenommen, so daß die
Extraktion bis zu 24 Stunden ausgedehnt wurde (Extraktion П).
Die Ätherextrakte wurden nach Zugabe von etwas Wasser vor-
sichtig abgedampft und nach Entfernung von etwas ausge-
schiedenem Fett.zur Trockne gebracht. Nach längerem Stehen
im Vakuumexsiccator über Schwefelsäure, wobei die Rückstände
teilweise krystallinisch erstarrten, wurde gewogen. Die so er-
haltenen Rohsäuren löste ich in ca. 20 Teilen Wasser und ver-
setzte mit einem Überschuß von festem Silbernitrat. Aus
der sauren Lösung fiel sofort bei allen aus ersten Extrak-
tionen stammenden Rückständen fumarsaures Silber!) aus, das
nach 24 Stunden abfiltriert, säurefrei gewaschen und, mit
Schwefelwasserstoff zersetzt, aufgearbeitet wurde. Die aus den
zweiten Extraktionen stammenden Rückstände enthielten nur
spurenweise Fumarsäure.
Die gefundenen Fumarsäuremengen (s. Tabelle) schwanken,
auf die angewendeten Bernsteinsäuremengen berechnet, zwischen
22,5 und 30,0°/,. Die Identifizierung der gewonnenen Fumar-
säure erfolgte durch den sehr charakteristischen Schmelzpunkt,
Fumarsäure 280 bis 285°, (Bernsteinsäure 185°), Mischschmelz-
punkt und Analysen.
Die Filtrate des fumarsauren Silbers lieferten beim Neu-
tralisieren mit Ammoniak erhebliche Niederschläge. Dieselben
wurden abfiltriert, säurefrei gewaschen und mit Schwefelwasser-
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 305, 1914.
300 H. Einbeck:
stoff zersetzt. Nach dem Eindampfen hinterblieb ein gelber
sirupöser Rückstand, der im Vakuumexsiccator allmählich er-
starrte. Infolge der verhältnismäßig geringen zur Verfügung
stehenden Mengen und der beobachteten leichten Zerfließlichkeit
der Rohsäuren gelang es nicht, die vorliegende Säure krystal-
linisch zu gewinnen. Die Rückstände wurden deshalb in Wasser
aufgenommen, mit Chlorcaleiumlösung versetzt und die Lösung
mit Ammoniak neutralisiert. Eine direkte Fällung erfolgte nicht,
auch beim Kochen entstanden nur geringfügige Niederschläge.
Auf Zusatz von 1!/, Teilen Alkohols zur siedenden Lösung da-
gegen fielen sofort dichte Niederschläge, die nach 24stündigem
Stehen im Eisschrank abgesaugt wurden. Die so erhaltenen
Caleiumsalze zeigten sich schwer löslich in kaltem wie siedendem
Wasser. Die zahlreichen Analysenzahlen der nicht umkrystalli-
sierten Calciumsalze stimmen gut überein und zeigen, daß ein
Calciumsalz der Äpfelsäure mit 1 Mol Krystallwasser vorliegt.
Zur Orientierung über die Mengen der isolierten Äpfel-
säure habe ich in der Haupttabelle unter Äpfelsäure zunächst
die Mengen der Rohsäuren und bei Versuch 2 Nr.4 die aus den
gewonnenen Calciumsalzen berechnete Äpfelsäuremenge == 54,2%,
aufgeführt.
Die von mir früher ausgesprochene Ansicht, daß die Fumar-
säure das Hauptreaktionsprodukt’ der Einwirkung von Suceinic-
oxydon auf Bernsteinsäure sei!), schien damit widerlegt zu sein,
zumal nach der Angabe von Battelli und Stern die Fumar-
säure durch das Succinicoxydon nicht oxydiert werden soll?).
Ich hielt es aber doch für wesentlich, diese Angabe, die
sich nur auf die Beobachtung stützt, daB ein Gemisch von
ausgewaschenem Muskelbrei und fumarsaurem Natrium in
wäßriger Lösung aus einer Sauerstoffatmosphäre keinen Sauer-
stoff absorbiert, daraufhin zu prüfen, ob die Fumarsäure aus dem
Reaktionsgemisch unverändert zurückgewonnen werden kann.
Zu diesem Zwecke wurden 2,5 р fumarsaures Natrium
= 1,5 g Fumarsäure, gelöst in 300 ccm Wasser mit 75 g gut
ausgewaschenem Muskelbrei unter Durchleitung von Sauerstoff
und Turbinieren 2 Stunden auf 40° erwärmt (Versuch 4). Die
1) Zeitschr. f. physiol. Chem. 90, 308, 1914.
D Diese Zeitschr. 31, 489, 503/4, 1911.
Quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon. 301
Aufarbeitung des Versuches lieferte nur 25,69%, Fumarsäure
unverändert zurück. Aus dem Filtrat des fumarsauren Silbers
wurde ebenso wie bei den Bernsteinsäureversuchen ein Calcium-
malat 4 1 Mol Krystallwasser erhalten.
Auf diesen Befund hin war Fräulein Prof. Stern in Genf
so liebenswürdig, dort einen Versuch mit Fumarsäure genau
entsprechend den von mir mit Bernsteinsäure angestellten
durchzuführen. Nach ihrem Bericht (vom 3. Juli 1914) wurden
2 mal 60 р Muskelbrei + 3 g fumarsaurem Natrium in wäßriger
Lösung in einer Sauerstoffatmosphäre 2 Stunden bei 40° ge-
schüttelt. Sauerstoffabsorption konnte nicht wahrgenommen
werden (Versuch 5). Die Aufarbeitung lieferte 37°/, Fumar-
säure unverändert zurück, die Filtrate vom fumarsauren Silber
ergeben gleichfalls Caleiummalat 4 1 Mol Krystallwasser. Die
Ausbeute an Äpfelsäure, berechnet aus dem erhaltenen Calcium-
salz, betrug 45,9°/,.
Aus den Ergebnissen der Versuche 4 und 5 ersieht man, daß
unter der Einwirkung des Muskelbreis eine Wasseranlagerung an
die Doppelbindung der Fumarsäure stattfindet. Diese Reaktion,
die zur Bildung von optisch-inaktiver Äpfelsäure führt, ist bereits
lange bekannt. Wie Skraup') gezeigt hat, genügt das Erhitzen
mit Wasser auf 180°, um Fumarsäure teilweise in racemische
Äpfelsäure überzuführen. Es ist also anzunehmen, daß der aus-
gewaschene Muskelbrei neben dem Succinicoxydon eine Substanz
enthält, die die Wasseranlagerung an die Kohlenstofidoppel-
bindung der Fumarsäure typisch-katalytisch beschleunigt.
Was die Oxydationswirkung des Muskelbreis der Bernstein-
säure gegenüber betrifft, so scheint diese Reaktion einstweilen
einzigartig dazustehen. Zunächst glaubte ich allerdings, eine
gewisse Übereinstimmung zwischen der Einwirkung des Suceinic-
oxydons auf Bernsteinsäure, die zu Fumarsäure und Äpfelsäure
führt, und den Oxydationsvorgängen im Organismus, die Butter-
säure in ß-Oxybuttersäure®) und Phenylpropionsäure in ein
Gemisch von ß-Oxyphenylpropionsäure und Phenylacrylsäure®)
überführen, annehmen zu dürfen. Es schien mir durchaus
1) Monatsh. f. Chem. 12, 113, 1891.
3) L. Blum, Münch. med. Wochenschr. 57, 683, 1909.
з) H. D. Dakin, Journ. of Biolog. Chem. 4, 419; 6, 203, 1909.
302 H. Einbeck:
nicht unwahrscheinlich zu sein, daß Muskelbrei bei Gegenwart
von Sauerstoff auch die Oxydation von Buttersäure und Phenyl-
propionsäure herbeiführen könnte. » Fräulein Professor L. Stern
war во liebenswürdig, derartige Versuche anzustellen, wofür ich
auch hier verbindlichst danken möchte. Die Resultate waren `
aber nach Privatmitteilungen von Fräulein Professor Stern
sämtlich negativ. Die Gegenwart von Muskelbrei brachte nur
Bernsteinsäure mit Sauerstoff in Reaktion. Der Beweis dafür,
daß das Ausbleiben einer Oxydationserscheinung nicht durch
eine schädigende Wirkung von Buttersäure und Phenylpropion-
säure auf das Succinicoxydon bedingt ist, wurde dadurch er-
bracht, daß Bernsteinsäure bei Gegenwart beider Säuren lebhaft
Sauerstoff absorbiert. Dieser Befund zeigt, daß die Wirkungs-
weise des Muskelbrei& nicht durch eine einfache Aktivierung
des Sauerstofis erklärt werden kann.
Ich möchte allerdings nicht unterlassen, hier auf die Be-
obachtungen verschiedener Forscher hinzuweisen, die zeigen,
daß die Wasserstoffe der beiden Methylengruppen der Bern-
steinsäure durch eine gewisse Beweglichkeit ausgezeichnet sind.
Neben der Bildung des Suceinilobernsteinsäureesters!) und der
verschiedenen Kondensationsprodukte des Bernsteinsäureesters
mit Ketonen?) möchte ich besonders die Darstellung der Di-
benzalbernsteinsäure durch die Kondensation von Benzaldehyd
mit Bernsteinstäurediäthylester bei Gegenwart von Natrium-
äthylat®) hervorheben.
Merkwürdigerweise zeigt im Gegensatze zu diesen Beob-
achtungen die Bernsteinsäure im allgemeinen eine ungewöhn-
liche Widerstandsfähigkeit gegen direkte Oxydationsmittel. So
kann nach den verschiedensten Angaben Bernsteinsäure aus
konzentrierter Salpetersäure umkrystallisiert werden‘). Kalium-
permanganat greift sie in saurer Lösung nicht anë). Auch
gegen Wasserstoffsuperoxyd in neutraler Lösung ist Bernstein-
säure beständig im Gegensatz zu Äpfelsäure, die in Oxalessig-
1) Herrmann, Lieb. Ann. 211, 306, 1882.
2) Н. Stobbe, Lieb. Ann. 308, 67, 1899; 321, 83, 1902.
з) Н. Stobbe und Ph. Naoüm, Ber. 87, 2240, 1904.
*) С. Neuberg, diese Zeitschr. 67, 71, 1914.
5) J. Seemann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 44, 229, 1905.
Quantitative Versuche mit dem Suceinicoxydon. 303
.säure übergeführt wird!), und Buttersäure?) und Phenylpropion-
säure®), die beide leicht als Ammoniumsalze oxydativ abgebaut
werden. Als besonders charakteristisch möchte ich hier anführen,
daß Dakin nach der Einwirkung von Wasserstofisuperoxyd
auf glutaminsaures Ammoniak 47°/, Bernsteinsäure aus dem
Reaktionsgemisch isolieren konnte‘). Allerdings hat Neuberg
kürzlich gezeigt, daß beim Kochen der freien Bernsteinsäure
mit 2°/,iger Wasserstofisuperoxydlösung bei Gegenwart von
Ferrosulfat eine andere Reaktion eintritt). Es entsteht dabei
unter Spaltung des Moleküls Acetaldehyd.
Vergleicht man mit diesen Beweisen für die außerordent-
liche Beständigkeit der Bernsteinsäure gegen Oxydationsmittel
die Leichtigkeit, mit der ausgewaschener Muskelbrei die Ein-
wirkung von Sauerstoff auf Bernsteinsäure herbeiführt, so wird
man im Gegensatz zu der Ansicht von E. Herzfeld und
R. Klinger‘), die im Absatz 3 der Zusammenfassung ihrer
2 |, в Rohsäuren | Fumarsäure | Äpfelsäure
5| оз |2 N a | 8 KS ge "Lé
NEN 5-1 879 Ek sl £ | © кав! o KP н Ё
51 2|=| 5259 5Е| 3 E К osal 5 |528| %8
3| 8/2 55 lss 8 | 8 е 591 3 |828 ©:
g| |3| 2% | 55| 5 j g Зай 2 соз 2%
| s| £ 58 |5 Б я IR 529 5 1% S аа
>р Ar: SI S ei soal E а 528 &
© = = E 20 u EK 2 3
g g |cem/Min| g | g g ч яд g g ak
(ried o о 601- 1-1-1 - [|= |=
112 |90) 11 |140! 60] 9 | |
1 | 3 | 90; 2,2 | 264 | 90 | 2,379 | 0,417 | 0,652 | 30,0 11,800 | — | —
1.4 | 90) 3,3 | 395 | 120 | 2,873 7) 0,805 | 24,8 | 2,081] — | —
211150 0, ү 0 60 | 0,004 | — — | — u — —
2/2150 11 |139| 60 [0:761 | 0,418 | 0,264 | 24,4 = j
2 | 3 |50] 2,2 |260 | 120 | 2,420 | 0,373 | 0,487 | 22,5 | 2,156| — | —
214 | 50) 3,3 | 389 | 180 | 3,406 | 0,836 | 0,830 | 25,6 — | 2,025 | 54,2
4 1— |75] 15 | — | 120 | 0,870 | 0,670 | 0,384 | 25,6 == — —
Fumar
| | säure | | |
5 |—[120| 3,9 | — |120 | 3,510 | мем | 1,052 | 270 | — |9,066| 45,9
| guung | |gewogen |
säure | | |
1) H. J. H. Fenton und H. O. Jones, Proc. Chem. Soc. 15, 224. 1901.
2) H. D. Dakin, Journ. of Biolog. Chem. 4, 776, 1908.
з) H. D. Dakin, Journ. of Biolog. Chem. 4, 419, 1908.
4) H. D. Dakin, Journ. of Biolog. Chem. 5, 409, 1909.
5) C. Neuberg, diese Zeitschr. 67, 71, 1914.
6) Diese Zeitschr. 93, 352, 1919.
7) Verloren gegangen.
304
H. Einbeck:
Arbeit: „Zur Biochemie der Oxydationen“ schreiben: „Die in
den lebenden Organismen ablaufenden Oxydationen werden auf
die Gegenwart aktiven O, und leicht oxydabler, niederer Stoff-
wechselprodukte zurückgeführt; die Annahme besonderer Oxy-
dationsfermente ist entbehrlich“, zu der Überzeugung gebracht,
daß
in diesem Falle zunächst das Vorhandensein eines streng
spezifischen Oxydationsfermentes bewiesen zu sein scheint.
Analysen’).
Fumarsäure.
I. Substanz aus Versuch 1 Nr. 3.
4,163 mg Substanz gaben 6,44 mg СО, und 1,25 mg H,O,
3,930 » n л 6,05 » СО, » 1,28 » H,O.
I. Substanz aus Versuch 2 Nr. 2, 3 und 4 vereinigt.
0,1805 g Substanz gaben 0,2736 g CO, und 0,0567 g H,O.
Berechnet für С,Н,О, = 116. С = 41,37°],,
Н = 3,499.
42,19°/,, 41,999. H = 41,349,
Gefunden: =
= 3,35%, 3,64 H ss 3,51%,
С
н
Äpfelsaures Calcium.
A. Substanz aus Versuch 2 Nr. 2.
4,570 mg Substanz gaben 4,32 mg CO, und 1,46 mg H,O,
0,2345 g » » 0,071 6 СаО.
В. Substanz aus Versuch 2 Nr. 3.
0,1895 g Substanz gaben 0,1763 g CO, und 0,0522 g H,O.
“С. Substanz aus Versuch 2 Nr. 4.
5,838 mg Substanz gaben 5,48 mg CO, und 1,77 mg H,O.
D. Substanz aus Versuch 4.
5,580 mg Substanz gaben 5,155 mg CO, und 1,77 mg H,O,
0,1870g ž » » 0,056 g СаО.
E. Substanz aus Versuch 5 Extraktion I.
4,970 mg Substanz gaben 4,67 mg СО, und 1,53 mg H,O,
0,2415 g D » 0,0727 g CaO.
F. Substanz aus Versuch 5 Extraktion II.
0,2486 g Substanz gaben 0,0738 g CaO.
Graz.
1) Die Mikroanalysen verdanke ich wieder Herrn Dr. Hans Lieb,
Quantitative Versuche mit dem Succinicoxydon. 305
Berechnet für С,Н,О,Са - Н,О = 190. C= 25,23°/,,
H= 8,169,
Са = 21,159/,.
Gefunden:
С А==25,78°/„ B= 25,37%), C= 25,60%, D= 25,20°/,,
E = 25,6290,
H A= 3,57°/„ B= 308%, C= 8,89%, D= 3,54%,
E= 344°/,
Са А = 21,64°|,, ` D=21,41°/,
E = 21,529, F= 21,22°],.
Zusammenfassung.
Die vorstehend beschriebenen Versuche wurden in der
Hauptsache im Sommer 1914 ausgeführt; die Veröffentlichung
derselben verzögerte sich bis jetzt infolge des Ausbruches des .
Krieges.
Ich glaube durch meine Versuche mit Bernsteinsäure und
Fumarsäure nachgewiesen zu haben, daß bei der Einwirkung
von Muskelbrei bei Gegenwart von Sauerstoff auf Bernstein-
säure zwei ganz getrennte Vorgänge zu unterscheiden sind:
Zunächst die Eliminierung von zwei Wasserstoffatomen
unter Bildung von Fumarsäure. Diese Reaktion erfolgt quan-
titativ. Die Menge des verbrauchten Sauerstoffs ist proportional
dem Gehalt des Reaktionsgemisches an Bernsteinsäure. Die
zur vollständigen Oxydation benötigten Zeiten .scheinen der
gleichen Abhängigkeit zu unterliegen.
Sodann die Wasseranlagerung an die Doppelbindung der
Fumarsäure, wobei optisch-inaktive Äpfelsäure entsteht. Diese
Reaktion verläuft nicht quantitativ, sondern führt scheinbar
zu einem Gleichgewichtszustande, denn bei den bisher ange-
stellten Versuchen blieben stets ca. 25°/, der Fumarsäure un-
verändert.
Die Versuche, die Wirkungsweise des Suceinicoxydons auf-
zuklären, sollen fortgesetzt werden.
Biochemische Zeitschrift Band 95 21
Über die Wasserlöslichkeit des Camphers.
Von
H. Leo und E. Rimbach.
(Aus dem pharmakologischen und dem chemischen Institut der
Universität Bonn.)
(Eingegangen am 2. Mai 1919.)
Im Zusammenhange mit den Studien!) des einen von
uns über die therapeutische Verwendung wäßriger Campher-
lösungen erschien es angezeigt, den Gehalt der gesättigten
wäßrigen Lösung von Campher von neuem zu ermitteln. Die
Angaben der Literatur hierüber sind schwankend. Für die
Konzentration C (g Campher in 100 ccm) finden sich die Werte
0,077 [Flückiger?)], 0,0833 [Hager°) und Е. Schmidt*)] und
0,100 [Husemann?°)] ohne Bekanntgabe der Art ihrer Fest-
stellung. Die von uns hierfür s. Z. vorläufig erhaltene®) Zahl
C= 0,204 liegt wesentlich höher. Wir haben die Frage aber
noch etwas weiter verfolgt und bringen nachstehend eine kurze
Übersicht unserer endgültigen Ergebnisse.
Die Bestimmung der gelösten Camphermenge erfolgte
polarimetrisch und zwar nach zwei Verfahren; weiter dann
auch noch auf chemischem Wege.
1) Leo, Deutsche med. Wochenschr. 13, 1913, Münchener med.
Wochenschr. 43, 1913 und Deutsche med. Wochenschr. 11, 1918.
2) Flückiger, Pharmazeutische Chemie 1879, 356.
3) Hager, Handb. d. pharm. Praxis (B. Fischer u. С. Hart-
wich) 1, 579.
1) E. Schmidt, Lehrb. d. pharm. Chem. 2, 1389, 1911.
5 Husemann, Handb. d. gesamten Arzneimittellehre 1883, 942.
©) Deutsche med. Wochenschr. 18, 1913.
Н. Leo und Е. Rimbach: Wasserlöslichkeit des Camphers.. 307
A. Polarimetrisches Verfahren.
1. Differenzmethode.
Als Lösungsmittel diente mit Rücksicht auf den besonderen
Zweck nicht reines Wasser, sondern Ringerlösung. Eine im
Wägegläschen genau abgewogene Menge feingepulverten Cam-
phers wurde in ein Liter der Flüssigkeit gebracht und bei mitt-
lerer Temperatur im Schüttelapparat 24 Stunden lang ge-
schüttelt, also bis zum als sicher anzunehmenden Eintritt des
Sättigungsgleichgewichts. Es wurde dann rasch abfiltriert, zur
Entfernung des Salzes mit etwa 5 ccm Wasser kurz gewaschen
und das Wasser mittels der Saugpumpe tunlichst entfernt.
Den Gesamtfilterrückstand löste man mit 95°/, Alkohol quan-
titativ zum Volum 50 ccm. Die Drehung der alkoholischen
Lösung ergab die ungelöste Camphermenge, ihr Abzug von der
in den Schüttelapparat eingebrachten lieferte die Menge des
in die wäßrige Lösung Übergegangenen. ~
O 1 7
5, а= © = Gehalt d.wäß-
© Ж З rigen Lösung
2 атт g Campher
aj SP in Jin 100
nee T k 1 Literjcem=C
1 |Ringerlösung mittel} 6,530
2 |Ringerlösung n | 6,390 8,69414,347| 2,043
3 |Ringerlsg.m.2°/,Alk.| » |7,870| 9,108 |10,973/5,486 2,384 | 0,238
4 |Ringerlsg.m.5°/,Alk.| » | 9,286 0,270
Aus Lösung 1 und 2 ergibt sich übereinstimmend C— 0,204
als Sättigungskonzentration des Camphers in Ringerlösung;
Alkoholzusatz bringt eine zu erwartende Steigerung, einiger-
maßen proportional der Alkoholmenge.
Zu den polarimetrischen Messungen diente ein großer Lippich-
scher Halbschattenapparat, dessen Nonien 0,019 lieferten. Jedes х ist
das Mittel einer Serie und bleibt mit seinem wahrscheinlichen Fehler
unter + 0,01%. Die Temperatur der Lösungen wurde durch Wasserbad-
röhre auf 20°-+0,1 konstant gehalten. Zur Ermittelung der Konzen-
tration der alkoholischen Lösung aus ihrer Drehung sei folgendes be-
merkt. Die spezifische Drehung [х] des Camphers wird zunächst von
der Stärke des Alkohols beeinflußt. Eine Lösung von 6,166 g des be-
nutzten Camphers in 95°/, Alkohol lieferte 02° im 4-dm-Rohr = 10,092
21*
308 H. Leo und E. Rimbach:
und daraus Joel" = 40,92. Für die gleiche Konzentration fand Landolt!)
in absolutem Alkohol [&] — 42,71, Hesse?) in 80°/, Alkohol, tm; 39,25.
Unser Wert paßt sich also gut ein. Weiter aber hängt die spezifische
Drehung des Camphers von der relativen Menge des Lösungsmittels ab.
Für diese Abhängigkeit gibt Landolt’) auf Grund seiner Versuche mit
absolutem Alkohol die Interpolationsformel:
(off = 41,982 + 0,11824 С (1)
Diese Formel mußte für 95°/, Alkohol umgeändert werden. Dies ge-
schah auf Grund unserer angeführten Bestimmung der spezifischen Dre-
hung in 95°/, Alkohol, unter gleichzeitiger Annahme, daß wohl die Dre-
hung selbst mit der Alkoholstärke sich ändert, nicht aber, innerhalb
der in Betracht kommenden Grenzen, der Wert d [œ] /d С, der in obiger
Formel in der zweiten Konstanten sich darstellt. So erhielt man die für
959%, Alkohol geltende Formel:
[010 = 40,20 + 0,11824 C, (2)
aus der dann die in Spalte 5 der Tafel angeführten С mittels Näherungs-
rechnung sich ableiten.
Trotz der, wohl mehr zufälligen, völligen Übereinstimmung
der beiden Bestimmungen 1 und 2 ist ihr Ergebnis als zu
hoch anzusehen, als eine obere Grenze für den tatsächlichen
Wert. Beim Abfiltrieren und Absaugen des ungelösten Camphers
tritt infolge seines nicht unerheblichen Dampfdruckes Verlust
ein; die Werte für C in Spalte 5 werden dadurch zu niedrig
und die Differenz in Spalte 7 zu hoch. Wir griffen deshalb
noch zur unmittelbaren Bestimmung.
2. Direktes Verfahren.
Von vier gesonderten, in oben beschriebener Weise mit
Ringerlösung hergestellten gesättigten Campherlösungen wurden
je 300,ccm mit kleinen Mengen Benzol sukzessive ausge-
schüttelt und die einzelnen Ausschüttelungen vereinigt bis
zum Volum 60 ccm. Diese benzolischen Campherlösungen er-
gaben folgende Drehungswinkel. '
_ Campher-
|; & „Б ap Konzentration g Campher
|2289] р С
В ZS Sc, 5 für Rohrlängele in 100 em Ben- осе Bén-
Z t = 2 dm ber. nach (8) Wasser
1 | mittlere 0,604 0,7453 0,4472
2 | mittlere 0,667° 0,8213 0,4928
3 37,50 0,561 0,6922 0,4153
4 37,50 0,5769 0,7094 0,4256
Сау Landolt, Liebigs Ann. 189, 333.
2) Hesse, Liebigs Ann. 176, 119.
з) Landolt, Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 21, 204, 1888.
Wasserlöslichkeit des Camphers. 309
Für die Anordnung der Drehungsmessungen und ihre Fehlergrenzen
gilt das unter 1 Gesagte. Die spezifische Drehung des Camphers in Ben-
zol ist von mehreren Seiten!) untersuch und durch Interpolations-
formeln festgelegt, die untereinander übereinstimmende Werte liefern.
Wir benutzten zur obigen Rechnung die Formel von Förster:
20° (79,4688 ` — 0,01747 EE (8)
weil sie in bequemer Weise die Konzentration als unmittelbare Funktion
des Drehungswinkels darstellt.
Auch diesen Mittelwerten haftet ein, wenn auch kleiner,
doch konstanter Fehler an. Trotz der großen Löslichkeit in
Benzol gegenüber Wasser wird beim Ausschütteln ein aller-
dings sehr geringfügiger Rest des Camphers in der wäßrigen
Flüssigkeit verbleiben und sich der Bestimmung entziehen.
Der Mittelwert aus den Bestimmungen 1 und 2 stellt also
eine untere Grenze für den gesuchten wirklichen Wert dar.
Eine einfache Mittelbildung aus den Resultaten der beiden
Verfahren würde dem Umstand nicht genügend Rechnung
tragen, daß der Fehler der ersten Methode unbestreitbar größer
ist als der der zweiten. Wir legen deshalb dem Ergebnis der
ersten Methode nur das halbe Gewicht bei, gegenüber dem
der zweiten und erhalten so aus den Drehungsmessungen
den Endwert:
2 2. 7
ORT — 0,173
£ 3
als den wahrscheinlichsten Wert der Sättigungskonzentration
des Camphers in Ringerlösung bei mittlerer Temperatur.
Aus den Bestimmungen 3 und 4 ergibt sich, daß mit
steigender Temperatur die Löslichkeit des Camphers sinkt,
ein Verhalten, wie es auf Grund qualitativer Beobachtungen
der eine von uns (L.) bereits früher?) festgestellt hat.
B. Chemisches Verfahren.
Anschließend an die beschriebenen Versuche arbeitete
Herr Dr. Tischner, Chemiker im wissenschaftlichen Labora-
torium der Firma E. Merck in Darmstadt, ein Verfahren aus,
1) Landolt, Liebigs Ann. 189, 334, 1877; Förster, Ber. d. Deutsch.
chem. Ges. 23, 2984, 1890; Rimbach, Zeitschr. f. physikal. Chem. 9.
698, 1892.
2) H. Leo, Deutsche med. Wochenschr. 13, 1913.
310 H. Leo und E. Rimbach:
das die Bestimmung der Sättigungskonzentration des Camphers
in wäßriger Lösung auf chemischem Wege gestattet. Herr
Dr. Tischner ist leider auf dem Felde der Ehre gefallen.
Seinen uns zugegangenen Mitteilungen entnehmen wir das
Nachstehende über die Methode und ihre Leistungen.
Untersuchungsverfahren.
„Zunächst zeigte sich, daß bei dem geringen Gehalt der
wäßrigen Campherlösung die üblichen Reagenzien auf Campher
sämtlich versagen bis auf Permanganat. Nun ist zwar bekannt.
daß überschüssiges alkalisches Permanganat auf Campher nicht
einheitlich wirkt: die zunächst entstehende Camphersäure wird
zum Teil weiter oxydiert, auch bleibt ein wenig Campher un-
angegriffen. Aber es fand sich, daß unter gleichen Ver-
suchsbedingungen (Konzentration, Temperatur, Zeit) die
Oxydation stets gleichweit vorschreitet, so daß man
also mit Hilfe einer Vergleichslösung von bekanntem Gehalt
den Gehalt einer unbekannten Campherlösung durch Titration
mit Permanganat ermitteln kann.
1,500 g reinster, resublimierter Campher wurde durch etwa fünf-
stündiges Schütteln bei Zimmertemperatur in etwa 990 com Wasser ge-
löst und die Lösung auf 1000 ccm aufgefüllt. Die ganz schwach opake
Flüssigkeit klärt sich beim Filtrieren durch eine „Kerze“ vollständig.
Von dieser Lösung werden genau 10 сот abpipettiert, 10 ccm 6 bis 7°/,ige
Natronlauge und genau 25 ccm 0,1 n-KMnO, zugefügt. Ganz ebenso wird
mit der zu untersuchenden Campherlösung verfahren; beide Flüssigkeiten
erhitzt man dann auf demselben Dampfbad unter Rückflußkühlung.
Nach genau einer Stunde wird der Dampf abgestellt und die Kühler
werden ausgespült. Die auf Handwärme abgekühlte Flüssigkeit versetzt
man mit 30 cem 10°/,iger Schwefelsäure und genau 25 ccm 0.1 n-Ferro-
ammonsulfat. Nachdem unter Schütteln der Manganniederschlag klar
gelöst ist, wird mit Permanganat auf schwach rosa Färbung zurück-
titriert. Die Versuche werden mehrfach ausgeführt und die Mittelwerte
gezogen.
Bei strengem Innehalten der ausgemittelten Versuchs-
bedingungen verbrauchte eine Standardlösung von 0,150 g
Campher in 100ccm im Mittel 7,9 ccm 0,1 р-КМпО,. Die
größte beobachtete Abweichung betrug 0,4 com = 0,0008 g
Campher. Verbraucht die Standardlösung X, die zu untersuchende
Y eem KMnO,, so hat die letztere also einen Gehalt von
Ү!Х. 0,150 g Campher in 100 ccm.
Wasserlöslichkeit des Camphers. 811
Voraussetzung bei der Titration ist, daß die Konzentration der zu
untersuchenden Flüssigkeit nicht allzuweit von 0,150 abweicht. Beträgt
sie weniger als 0,100, so erhält man nur dann scharfe Werte, wenn man
den Überschuß von KMnO, usw. entsprechend verringert. Bei einem
Gehalt von 0,05 р auf 100 сот z. В. wurden mit 10 ccm Permanganat
und 4 ccm Lauge richtige Zahlen erzielt.
Löslichkeitsbestimmungen. Die untersuchten Lö-
sungen stellte man (mit Ausnahme des Standards) aus dem
Camphor. гай. des Arzneibuchs dar. Weil dieser sich nicht so
gut pulvern läßt als das frisch sublimierte Präparat, mußte er
mit ganz wenig Wasser in einer Reibschale verrieben und
durch etwa 20maliges Nachspülen quantitativ in das Schüttel-
gefäß übergeführt werden. Die Temperatur war 14 bis 17°.
Hierbei gingen 0,5 g; 1,0g; 1,5g pro Liter schon innerhalb einiger
Stunden völlig in Lösung, und die Titration der erhaltenen Lösungen
ergab die richtigen Werte. 1,6 g brauchten etwa 30 Stunden und 2,0 g
wurden auch nach 96stündigem Schütteln nicht restlos gelöst. Bereits
hieraus kann man schließen, daß die Sättigungskonzentration zwischen
0,16 und 0,20 liegen muß, wahrscheinlich näher dem ersteren Wert.
Eine Anzahl bei mittlerer Temperatur gesättigter Lösungen,
erhalten durch 4tägiges Schütteln, ergab bei der Titration als
Sättigungskonzentration:
C==0,167 g in 100 ccm.
Aus der klaren, bei gewöhnlicher Temperatur gesättigten
wäßrigen Lösung waren nach 2stündigem Schütteln bei 39°
Campherkriställchen abgeschieden; Schütteln über Nacht bei 15°
brachte sie wieder in Lösung. Bei neuerlichem Erwärmen
fielen sie wieder aus usf. Dies bestätigt die oben erwähnte
Feststellung, daB die Löslichkeit mit steigender Temperatur
sinkt. In einem Einzelversuch fand sich die Konzentration
der Lösung bei 39° zu 0,160, also etwas über 4°/, des
Wertes geringer als bei Zimmertemperatur.“
Zusammenfassung.
1. Die Löslichkeit des Camphers bei gewöhnlicher Теш-
peratur in Ringerlösung wurde auf polarimetrischem Wege,
nach verschiedenen Verfahren, im Mittel gefunden zu 0,173g
in 100ccm Lösung=1:577. In reinem Wasser ergab sie
sich, auf chemischem Wege, bei mittlerer Temperatur zu
0,167 g іп 100 ccm Lösung=1:598.
312 H. Leo und E. Rimbach: Wasserlöslichkeit des Camphers.
Der Unterschied beider Werte fällt z. T. in die Fehler-
grenzen; der Salzgehalt der Ringerlösung ist also von nur ge-
ringfügigem Einfluß.
2. Der Löslichkeitswert des Camphers in Wasser liegt
wesentlich höher, fast doppelt so hoch, wie bis dahin allgemein
angenommen wurde.
3. Mit steigender Temperatur sinkt die Löslichkeit. Die
Auflösung des Camphers in Wasser ist also, nach den Sätzen
der Thermodynamik, ein exothermer, unter Wärmeentwick-
lung sich vollziehender Vorgang.
Über die Photosynthese des Formaldehyds und des
Zuckers.
Von
Р. R. Kögel. S
(Eingegangen am 2. Mai 1919.)
Die Kohlensäureassimilation in der Pflanze wird bekannt-
lich durch folgende Formelgleichungen dargestellt:
6C0,-—+6H,0—=C,H „0, + 60,.
Nimmt man Formaldehyd als Übergangsstoff an, so gilt
für die Zwischengleichung
6 CO, -+ 6 H,O = 6 НСОН —+60,.
Formaldehyd
Die Bildung der in der Pflanze nachgewiesenen Stärke aus
Formaldehyd oder Zucker bringt man summarisch in folgender
Weise zum Ausdruck:
6 HCOH — H,0 = С,Н, 0,
Formaldehyd Stärke
С,Н,.0, ka H,O == C,H, ,0, $
ucker Stärke
Die Hypothese der Bildung des Formaldehyds als erstes,
zunächst nicht faßbares Produkt der Kohlensäureassimilation
in der Pflanze wurde einst durch v. Bayer aufgestellt‘. Wenn
nun im Laufe der Zeit — während annähernd 50 Jahren —
manche Beobachtungen bekannt wurden, die diese Annahme
stützen, so war es bisher doch nicht möglich, Formaldehyd als
photochemisches Assimilationsprodukt in der Pflanze sicher
nachzuweisen. Diese Tatsache spricht jedoch keineswegs gegen
die v. Bayersche Annahme, da der Aldehyd bereits in seiner
1) Die gegenwärtigen Verhältnisse ermöglichen es mir nicht, die
Orginalabhandlung von у. Bayer u. а. nachzusehen.
314 P. R. Kögel:
Entstehungsform oder noch unmittelbar vorher zur Zucker-
synthese verwendet werden kann, wofür wir theoretische Gründe
alsbald kennen lernen werden.
Die Herstellung des Formaldehyds bzw. Zuckers aus СО n
und HO, ist chemisch ohne Lichtwirkung auf verschiedene
Weise verwirklicht worden. Die photochemische Synthese des
Formaldehyds wurde von D Berthelot und Gaudechon')
durch Bestrahlung von Kohlendioxyd in Gegenwart von Wasser-
stoff durchgeführt. Offenbar kann man diese Synthese nicht
ohne weiteres der biologischen gleichstellen, da die Bedingungen
sehr verschieden sind. Damit überhaupt irgendeine Photo-
synthese des Formaldehyds bzw. des Zuckers in die biologische
Versuchsordnung eingereiht werden kann, muß die Bildung
der Zwischenprodukte bestimmt, d. h. photochemisch begründet
werden. Dies soll im folgenden geschehen.
Eine systematische Prüfung bisher bekannter photoche-
mischer Reaktionen über Enol-Ketoumlagerungen ließ mich
diese Umwandlung als eine sehr häufig stattfindende erkennen.
Für unsere Zwecke wähle ich ein Beispiel, das den Vorgang
klar zum Ausdruck bringt.
Benzil С,Н, .СО.СО.О,Н, liefert am Licht unter Wasser-
stoffaufnahme Benzil-Benzoin, wie einst Klinger?) festgestellt
und Ciamician und Silber?) bestätigt haben.
3C,H, а С.Н, + H, = SOA,
-CO - CO- C,H, -С,Н, CO - CH(OH)CH,
Benzil- nzoin
Das Licht vollführt eine doppelte Aufgabe, die Bildung
des Benzoins und seine Anlagerung an Benzil.
Der erste Vorgang, der für uns von Bedeutung ist, soll auf
folgende Weise dargestellt werden:
C,H, -C= 0 C,H, C — OH C,H, C= О
+H, | zap
C,H, C=0 C,H,-C—OH ` GH, OHIO)
Benzil Stilbendiol nzoin
Der Übergang des Stilbendiols in Benzoin entspricht der
Enol-Ketoumlagerung. Die Bildung des Zwischenproduktes,
1) Compt. rend. 150, 1690, 1910.
2) Ber. d Deutsch. chem. Ges. 19, 1864, 1886.
з) Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 35, III, 3594.
Photosynthese des Formaldehyds und Zuokers. 315
des Stilbendiols, wurde von Thiele durch die Fassung ent-
sprechender Acetatderivate bestimmt.
Dieser bei aromatischen Verbindungen festgestellte Vor-
gang würde auf aliphatischem Gebiete in folgender Weise zur
Photosynthese des Formaldehyds führen. Zwei Moleküle Kohlen-
säure (CO,) bilden ein einfaches Polymeres. Die freien Valenzen
befähigen es dazu. Die Photopolymerisation ist ein weitver-“
breiteter bekannter Vorgang. An die Sauerstoflatome lagert
sich — wie beim Benzil — Wasserstoff an, was die freien
Valenzen naturgemäß vermitteln').
0=Ct=0 HO — C — OH
Lëtz | PO
0= C0 HO — C — OH
со, „ Tetraoxyäthylen
Bei dem Übergang der Enol- in die symmetrische Keto-
verbindung müßten sich die Valenzen kreuzen, wodurch eine
Teilung des Moleküls unter Abspaltung von Sauerstoff eintritt.
Dadurch entsteht Formaldehyd HCOH. Zugleich ist das Kern-
gerüst für Zucker gegeben.
H H
OH — C — OH OH —C— 0 H.COH
OH — C— OH . О — Сон H-COH
H
Enolform Ketoform Formaldehyd
d OH H
H.C-OH 90—С—0 -
OH-C-H HO—C-H
н.б.он H—C—
H.Ċ.OH H—C—OH
CH,OH
Traubenzucker Traubenzucker
(Gewöhnliche Formel) (Äthylenoxyd-Formel)
1) Die gleiche Anlagerung des Wasserstoffes durch Licht findet man
auch bei der Bildung des Hydrochinons und ChinhydronsC,H,0,-C,H,(OH),
aus Chinon und bei anderen photochemischen Reaktionen. Ber. d. Deutsch.
chem. Ges. 35, ПІ, 3594 ff.
e
316 P. R. Kögel: Photosynthese des Formaldehyds und Zuckers.
Die Verbindung zweier Moleküle Formaldehyd und zwar
auch hier im Sinne der photochemischen Benzoinbildung, führt
am Licht zu den Endgruppen'!) СОН.СН,ОН:
H
2 3 HCOH CH,-OH
a | >
sf < OHCH CHO
H
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