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BIOGRAPHISCHES JAHRBUCH
* ♦ ♦ * ♦ UND • • * * *
DEUTSCHER NEKROLOG
VERLAG VON GEORG REIMER, BERLIN
®^»»®^€^i&<- 1899- '^^^^$^€€€-^
^•V/. ^C'^^i^Äar/ze
BIOGRAPHISCHES JAHRBUCH
UND
DEUTSCHER NEKROLOG
III. BAND.
BIOGRAPHISCHES JAHRBUCH
UND
DEUTSCHER NEKROLOG
UNTER STÄNDIGER MITWIRKUNG
VON
F. V. BEZOLD, ALOIS BRANDL, AUGUST FOURNIER, ADOLF FREY, HEINRICH
FRIEDJUNG, LUDWIG GEIGER, KARL GLOSSY, SIGMUND GÜNTHER,
EUGEN GUGLIA, OTTOKAR LORENZ, JACOB MINOR, FRIEDRICH RATZEL,
PAUL SCHLENTHER, ERICH SCHMIDT, ANTON E. SCHÖNBACH U. A.
HERAUSGEGEBEN
VON
ANTON BEITELHEIM.
III. BAND
MIT DEN BILDNISSEN VON THEODOR FONTANE UND CONRAD FERDINAND MEYER
IN HELIOGRAVÜRE.
BERLIN.
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER.
1900.
1 f
Vorrede.
Bismarck und Kalnoky finden in diesem Jahrgang unseres Deut-
schen Nekrologes berufene Biographen in Alexander Meyer und Hein-
rich Friedjung. Fontane und Conrad Ferdinand Meyer erscheinen
von Paul Schienther und Adolf Frey gewürdigt. Ferdinand Cohn
und S. Stricker werden von Professor Mez und Hofrath E. Albert
charakterisirt. Dem Andenken von Ebers wird Professor Eduard
Meyer gerecht. Das Referat für die Rechtsgelehrten hat in dankens-
werthester Weise Professor A. Teichmann in Basel übernommen.
Kaiserin Elisabeth 's Lebenslauf zeichnet Professor Eduard Wert-
heimer. Seinem Vorgänger an der Münchener Universität, Riehl,
widmet Unterstaatssecretär Professor G. v. Mayr den Nachruf.
War es dem Verlag und dem Herausgeber, Dank diesem Entgegen-
kommen neuer und der altbewährten Mitarbeiter, beschieden, den Text
des dritten Bandes auf der Höhe der vorangehenden Bände zu halten,
so waren sie nicht weniger bestrebt, die Verheissungen des ursprüng-
lichen Programms in Betreff sorgsam aus erster Hand geschöpfter
Todtenlisten einzulösen. Unserem treuen Nothhelfer, dem Münchener
Bibliothekar Herrn Dr. Georg Wolff, blieb es vorbehalten, durch-
wegs genau geprüfte Angaben , sowohl über die in besonderen
Artikeln behandelten, als über die bisher in unserem Nekrolog nicht
erwähnten, in den Jahren 1896 — 1898 geschiedenen Deutschen von Be-
deutung zu sammeln und übersichtlich zu ordnen. Er hat sich nicht
allein mit der Aufspürung aller irgendwie erreichbaren gedruckten Quellen
VI Vorrede.
begnügt: er hat sich in allen Fällen mit besonderen Fragebogen
— meist erfolgreich — an die Familien und sonst berufene Gewährs-
männer mit der Bitte um zuverlässige Daten gewendet. Das Ergebniss
dieser langwierigen und, wie wir hoffen, für die deutsche Biographie nicht
verlorenen Bemühungen liegt heute zunächst in der Todtenliste für das
Jahr 1896 vor. Leider war es trotz allen Zuwartens nicht möglich, dem
Wunsch der Verlagshandlung gemäss, das Manuscript der Todtenlisten
von 1897 und 1898 noch fiir diesen Band druckreif vom Bearbeiter zu
erhalten. Die Todtenlisten für 1897 und 1898 sammt einem Gesammt-
Register über alle in diesem Triennium genannten Namen wird desshalb
erst Band IV bringen. Die weit gediehenen Vorarbeiten für die Todten-
liste von 1899 hat mittlerweile Herr Bibliothekar Dr. C. Huffnagl in
Wien besorgt; auch diese Letztere hoffen wir im kommenden Jahrgang
veröffentlichen zu dürfen.
Und damit schicken wir Band III in die Welt mit dem Wunsche,
er möge gleicher Förderung und gleicher Theilnahme bei allen Sach-
kundigen begegnen, wie seine Vorgänger. In der »Wolke von Zeugen«,
die bisher Nutzen und Nothwendigkeit unseres Unternehmens in unver-
gänglichen Worten bekräftigten, mag nach Herder und Conrad
Ferdinand Meyer heute Ludwig Uhland die Stimme erheben:
»Auch das Gemüth fühlt sich in die Zeiten vor uns hingezogen. Während
wir in der Gegenwart für die Zukunft arbeiten, sinken wir mit jedem Augen-
blick selbst in die Vergangenheit hinab ; und indem wir selbst wünschen, im
Gedächtniss kommender Geschlechter fortzuleben, vernehmen wir auch die
Mahnung der Hingegangenen, ihrer nicht zu vergessen. Jeder Erdentag stellt
uns in den Gegenschein von Vergangenheit und Zukunft; bald sehen wir
die westlichen Berge von der Morgensonne beleuchtet, bald die östlichen
von der Abendsonne. Das ältere Geschlecht, das wir zu Grabe tragen, an
das sich rückwärts unsere frühesten Erinnerungen knüpfen, ist uns doch wieder
vorangeeilt in die Zukunft und unser liebendes Angedenken kann sich bald
dem Abschiede, bald dem Wiedersehen zuwenden. Wollen wir einmal nicht
vereinzelt stehen, fühlen wir uns durch ein heiliges Band der gesammten
Menschheit verbunden, warum sollte dieses nicht auch die Geschlechter um-
schlingen, welche vor uns gelebt haben?«
Wien, 8. Januar igcx).
Anton Bettelheim.
Inhalt«
Seite.
Vorrede V-VI
Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1898 1—380
Ergänzungen und Nachträge zum »Deutschen Nekrolog von
1896 und 1897« 381 — 414
I. Alphabetisches Namenverzeichniss zum Deutschen Nekrolog
vom I. Januar bis 31. December 1898 415
II. Alphabetisches Namenverzeichniss der Ergänzungen und
Nachträge zum Deutschen Nekrolog von 1896 und 1897 420
Todtenliste 1896 i*— 170*
Vadng von Gsog KeÜBtr ,B(
DEUTSCHER NEKROLOG
VOM I. JANUAR BIS 3i. DECEMBER
i898.
Homo liber de nulla re minus, quam
de morte cogitat et ejus sapientia non
mortis, sed vitae meditatio est.
Spinoza. Ethices pars IV. Propos.
LXVII.
Biogr. Jahrb. a. Dentscher Nekrolog. 3. Bd.
Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1898.
Bismarck, Otto Eduard Leopold^ Fürst von, * i. April 18 15 auf dem
Gute Schönhausen, Kreis Jerichow in der Altmark, f 30. Juli 1898 in Friedrichs-
ruh im Sachsen walde.
Gründer des Deutschen Reichs, durch ein Menschenalter in der Politik
Europas dominirender Staatsmann. Seine officiellen Titel waren: Kanzler
des Deutschen Reiches, Preussischer Ministerpräsident. Seit dem Jahre 1890
hatte er diesen Titeln ein »ausser Dienst« beizusetzen; seitdem wachsen ihm
die neuen Titel zu: »Herzog von Lauenburg, Generaloberst der Kavallerie«.
Sein Geschlecht und dessen Ansässigkeit in der Altmark, einem Theile
der späteren Kurmark Brandenburg, ist bis zum Jahre 1270 hinauf zu verfolgen.
Der Name der Familie ist wahrscheinlich von dem Städtchen Bismark abzu-
leiten, das sich lange in dem Besitz der Familie befunden hat, und diese Stadt
wiederum leitet ihren Namen von dem Plüsschen Biese ab, die sich in die
Aland, einen kleinen Nebenfluss der Elbe ergiesst. Das Geschlecht hat in
mehreren Linien geblüht und dem preussischen, wie andern deutschen Staaten
tüchtige Beamte und Offiziere geliefert.
Der Vater des Reichskanzlers hiess Karl Wilhelm Ferdinand, war am
13. November 1771 geboren, hatte die militärische Laufbahn ergriffen und als
Rittmeister seinen Abschied genommen, um auf seinen Gütern zu leben. Er
gehörte einem Typus an, den man in märkischen Adelsfamilien zuweilen findet;
von grosser Seelengüte schloss er sich doch gegen die Aussenwelt und gegen
öffentliche Interessen mit einem gewissen Eigensinn ab, um sich das Leben
in seinem Hause ganz nach seinen Launen einzurichten. Schalkhaft rühmte
der Sohn ihm nach, er sei klüger als Kaiser Karl V. gewesen, denn er habe
es dahin gebracht, dass alle Uhren in seinem Hause zu gleicher Zeit zum
Schlagen ausholten.
Er hatte eine bürgerliche Dame geheirathet, Luise Wilhelmine Mencken,
Tochter eines Kabinetsrathes, der unter Friedrich Wilhelm IIL als ein hervor-
ragend liberaler Beamter galt und im Jahre 1801 starb. Im Jahre 1806
heirathete die im Jahre 1790 geborene Tochter den Rittmeister von Bismarck,
dem sie vier Kinder gebar, von denen der Reichskanzler das jüngste war.
I*
4. Fürst Bismarck.
Sie scheint eine feine und kluge Frau gewesen zu sein. Ihrem älteren
Sohne Bernhard, der dem Vater körperlich und seelisch glich, wünschte sie
einen Landrathsposten ; dem jüngeren Otto dagegen eine Laufbahn als Diplomat.
Sie hat somit das Ingenium ihrer Kinder früh erkannt. Otto von Bismarck
war der Ansicht, dass seine Mutter zwar sich über seine Erfolge gefreut haben
würde, wenn sie sie erlebt hätte, aber mit seiner Politik würde sie bei ihrer
liberalen Richtung nicht einverstanden gewesen sein. Der Vater starb im
Jahre 1845, ^^^ Mutter schon 1839. Beide haben die ersten Schritte ihres
Sohnes in die öffentliche Thätigkeit nicht erlebt.
Mit sechs Jahren wurde Otto von Bismarck in die Plamann'sche Erziehungs-
anstalt zu Berlin gegeben, einen Ausläufer Basedow-Campe'scher Pädagogik.
Vom Jahre 1827 ab durchlief er bis zum Jahre 1832 das Gymnasium, zuerst
das Graue Kloster, dann das Friedrich- Wilhelms-Gymnasium in Berlin. Er
hat also in dem verhältnissmässig frühen Alter von siebzehn Jahren das Zeug-
niss der Reife erlangt. Was von Urtheilen über seine Schulzeit an die Oeifent-
lichkeit gelangt ist, betont aber stärker seine gute Führung als seine Begabung.
Er selbst hat sich in späteren Jahren mit der Erziehung, die er erhalten,
unzufrieden gezeigt; sie habe ihn zu Zweifeln an der Monarchie und Religion
verleitet. Wie sein späteres Leben zeigt, sind diese Zweifel nidht sehr tief
gedrungen. Glaubhaft ist indessen, dass ihm die Einheit Deutschlands schon
früh als ein zu erringendes Ideal gezeigt worden ist. Dünkel auf seine aristo-
kratische Abstammung hat ihm früh wie spät fem gelegen; das Selbst-
ständigkeitsgefühl einer Familie, die seit Jahrhunderten auf ihrem eigenen
Besitzthum lebt, war dagegen stark in ihm ausgebildet. Einem gewissen Mass
von Pressfreiheit war er von jeher nicht abgeneigt. Auch wünschte er das
absolute Regiment des Königs durch ständischen Beirath beschränkt.
Ostern 1832 bezog er die Universität Göttingen, studirte hier drei
Semester und drei spätere Semester in Berlin. Anfänglich stand er mit
burschenschaftlichen Kreisen in Verbindung, fühlte sich aber bald durch sie
abgestossen; er warf ihnen Formlosigkeit in den gesellschaftlichen Sitten und
Phrasenthum vor; dagegen trat er als Corpsbursch in die »Hannovera et ein.
Hier führte er das übliche Burschenleben, betheiligte sich an Kommersen und
Paukereien und vermied den Kollegienbesuch sorgfältig. Die Duelle, an denen
er betheiligt war, liefen ausnahmslos glücklich für ihn ab. Von der Sitte
anderer Corpsstudenten wich er darin ab, dass er zwar sein Fachstudium,
die Jurisprudenz, vollständig vernachlässigte, aber doch die häusliche Leetüre
und darin besonders das Studium der Geschichte pflegte.
Nach beendigtem Triennium musste ihm zunächst die Thätigkeit eines
Einpaukers diejenigen Kenntnisse verschaffen, die zur Ablegung des Examens
erforderlich waren. Im Monat Juni 1835 konnte das erste Examen bestanden
werden. Nach der damjils bestehenden Dienstordnung wurde man durch
Ablegung dieses Examens Auskultator und musste nun Jahr und Tag bei
einem Gerichtshofe arbeiten. Bismarck wählte diis Berliner Stadtgericht, und
die wenigen Erinnerungen, die er an diese Thätigkeit zurückgelassen hat,
bezeugen, dass ihn zu diesem Dienstzweige kein innerer Trieb hinzog, dass
er aber für alle Schwächen, die sich in seinem Betriebe zeigen, namentlich
die persönlichen Schwächen seiner Vorgesetzten, ein lebhaftes Auge hatte.
Im Jahre 1836 bestand er ein zweites Examen und hicss nun Referen-
darius. Er hatte nun die Wahl, noch länger bei einem Gerichtshofe zu arbei-
ten, oder zur Verwaltung überzugehen. Er wählte das Letztere, hatte aber
Fürst Bismarck. c
den Wunsch, später in die diplomatische Laufbahn überzugehen. Der Minister
Ancillon, mit dem er darüber sprach, bezeichnete ihm als den gangbarsten
Weg den, dass er zunächst in den hergebrachten Gleisen bleibe, bis er das
dritte Examen abgelegt habe, Assessor geworden sei, dann solle er in die
Zollverwaltung eintreten und durch die Handelspolitik den Weg zur eigent-
lichen Diplomatie suchen. In der Erwartung, dass bei einem rheinischen
Kollegium eine Abkürzung seiner Laufbahn gelingen werde, trat er bei der
Regierung von Aachen ein, Hess sich aber schon im folgenden Jahre nach
Potsdam versetzen. In seinen dienstlichen Beziehungen zeigte er sich weder
als ein Streber noch als ein Lernbegieriger, wohl aber als ein scharfer Kritiker.
Er zeigte eine Missachtung der Bureaukratie , die er später selbst als über-
trieben bedauerte, glaubte überall die Forderungen des praktischen Lebens
durch Zöpfe und Perrücken verkannt zu sehen und erledigte die ihm auf-
getragenen Arbeiten mit Unmuth. So war ihm im Jahre 1839 ^^^ Aufforde-
rung seines Vaters willkommen, den Staatsdienst zu quittiren und sich der Pflege
der Familiengüter zu widmen, die deren sehr bedürftig geworden waren.
Mit Lust hatte er sich dagegen der Ableistung der Militärpflicht gewidmet,
der er von Ostern 1838 bis eben dahin 1839 zuerst bei den Garde-Jägern in
Potsdam und dann beim zweiten JägerbaCaillon in Greifswald genügte. Am
12. October 1841 wurde er zum Secondelieutenant ernannt.
Als er seinen Abschied als Regierungsreferendarius erhalten hatte, war
menschlicher Erwartung nach die Aussicht für immer abgeschnitten, dass
er in den öffentlichen Dienst zurückkehren würde. Einen anderen Weg als
durch die Stufenleiter der Aemter und Berufungen gab es damals zum öffent-
lichen Leben noch nicht. Er würde ein Landedelmann werden, wie sein
Vater gewesen war, würde in dieser Stellung seine Befriedigung finden und
mit einem Gemisch von Gleichgültigkeit und Spott dem Leben der amtlichen
Welt zuschauen.
Aus seinem Leben in den nächsten Jahren sind dann folgende Punkte
hervorzuheben. Er vertritt gelegentlich seinen Bruder in den Landraths-
geschäften zu Naugard. In seinen Mussestunden politisirt er gern und findet
einen gleichgesinnten Genossen in seinem Freund Blankenburg (Zimmerhausen).
Ihre Gespräche gelten aber nicht der inneren Politik, sondern dem, was sich
draussen, fern in der Türkei, oder in Spanien zuträgt. Mancherlei Nachrichten
deuten darauf, dass es ein unerforschtes Jahr in seinem Leben giebt, in dem
eine unglückliche Liebe ihn den gewöhnlichen Ordnungen des Lebens ent-
zogen hat, und dass als Niederschlag derselben ihm eine tiefe Melancholie
zurückblieb. Indessen das, wenn es überhaupt wahr ist, ging vorüber. Nach
dem am 22. November 1845 erfolgten Tode seines Vaters übernahm er Schön-
hausen zur selbstständigen Bewirthschaftung, und Hess sich im Herbst des
folgenden Jahres das Amt eines Deichhauptmannes zu Jerichow für das rechte
Eibufer übertragen. Es war ein Ehrenamt, aber er legte grossen Werth dar-
auf, es zu verwalten, weil er fürchtete, dass die Bureaukratie hier viel Scha-
den stiften könne. Womit Faust sein Leben beschloss, damit fing Bismarck
seine öffentliche Wirksamkeit an ! Eben so unregelmässig wie die Reihe seiner
Aemter begann er die lange Reihe seiner Orden, mit der Rettungsmedaille,
die er erhielt, weil er seinen Diener aus dem Wasser gezogen hatte. Er
pflegte mit Laune zu erzählen, dass er ihn zuerst habe halb todt würgen müssen,
um den Widerstand zu besiegen, den er thöricht seiner Rettung entgegen
setzte.
5 Fürst Bismarck.
Am I. April 1847 wurde der erste Vereinigte Landtag Preussens eröffnet.
Eine Reihe von liberalen Abgeordneten erwarb sich schnellen und ausgedehnten
Ruhm. Unter den Vertretern der conservativen Anschauungen waren nur
zwei, die genannt wurden, ein Herr von Thadden-Triglaflf, ein Vertreter über-
trieben patrimonialer Anschauungen im Sinne Hallers, und B. Dieser hatte
dem Landtage nicht von Anfang an angehört, sondern war erst am 11. Mai
als Vertreter eines erkrankten Herrn von Brauchitsch einberufen worden.
Eine der ersten Reden, die B. hielt, rief einen gewaltigen Sturm hervor, den
B. bestand, indem er ein Zeitungsblatt aus der Tasche holte und las, bis
Ruhe eingetreten war. Er hatte bestritten, dass die Erhebung des Volkes
im Jahre 18 13 auf den Drang nach politischer Freiheit zurück zu fuhren sei,
und sah die Veranlassung nur in dem Wunsch, die auswärtige Knechtschaft
abzuwehren. So anfechtbar diese Ansicht geschichtlich auch sein mag, sie
legte Zeugniss ab von dem Grundzuge seines Charakters, der sich später tausend-
mal bewähren sollte, der Neigung, sich durch keine Dogmen und keine Phrasen
bestechen zu lassen, sondern stets mit eigenen Augen zu prüfen.
Am 28. Juli 1847 schloss B. das eheliche Bündniss mit Johanna von
Puttkamer auf Reinfeld in Pommern, deren Eltern lange gezögert hatten, ihre
Tochter dem wilden Junker anzuvertrauen. Es war ein consortium omnis
vitae, humani et divini juris communicatio. Das junge Paar machte eine
Hochzeitsreise und traf in Venedig mit dem König Friedrich Wilhelm IV. zu-
sammen, dessen Aufmerksamkeit die Thätigkeit B.'s auf dem Landtage auf sich
gezogen hatte, und der nun Veranlassung nahm, ihm sein Wohlwollen zu bezeugen.
Die Ereignisse des 18. März 1848 trieben ihn nach Berlin. Er war
überrascht und erbittert über die Rathlosigkeit und die Unthätigkeit, die sich
in den herrschenden Kreisen zeigte, und machte Pläne, altmärkische Bauern
zu bewaffnen und nach Berlin zu fahren, um den König zu befreien. Durch
einen Ergebenheitsbrief, den er in den ersten Tagen an den König richtete,
gewann er dessen Herz für immer; bei einem späteren persönlichen Zusammen-
treffen gab er seinem Missmuth über des Königs Unthätigkeit so nachdrücklich
zu erkennen, dass die Königin Elisabeth erschrocken dazwischen trat. Aut
dem zweiten Vereinigten Landtag, der am 2. April zusammen trat, gehörte
B. zu den Wenigen, welche ihre Unzufriedenheit über die durch den 18. März
geschaffenen politischen Veränderungen zu deutlichem Ausdruck brachten und
gegen die Dankadresse an den König stimmten.
Im Jahre 1849 wurde B. zum Mitgliede der zweiten Kammer und nach
ihrer Auflösung wieder gewählt. Ebenso war er 1850 Mitglied und Schrift-
führer des Unionsparlaments in Erfurt. Stets zeigte er sich als einen
Vorkämpfer der conservativen Partei; er rechtfertigte die Ablehnung
der Kaiserkrone, er rechtfertigte den Gang nach Olmütz, wenn auch
hauptsächlich aus dem Grunde, dass Preussen kein schlagfertiges Heer
zur Hand gehabt hatte, und wahrscheinlich empfand er schon damals
das Verlangen, dass einst der Tag der Vergeltung kommen möge. In dieser
ganzen Zeit war er mit dem König in vielfacher persönlicher Berührung
geblieben, und in diesem hatte sich die Ueberzeugung festgesetzt, dass
er sich in B. einen Gehülfen seiner persönlichen Politik erziehen könne,
wie er ihn bisher stets vergebens gesucht habe. Er beschloss, ihn in die
politische Laufbahn hinüber zu ziehen, und B. erklärte sich dazu mit den
Worten bereit, dass, wenn der König diesen Muth habe, er ihm gewiss nicht
fehlen werde.
Fürst Bismarck. 7
B. wurde am 8. Mai 185 1 zum Geheimen Legationsrath beim Bundestage
in Frankfurt a. M. und am 15. Juli desselben Jahres zum Bundestagsgesandten
ernannt. Die drei Monate sollten dazu dienen, dass der bisherige Gesandte
von Rochow seinen Nachfolger in die Geschäfte einführen solle. Herr von
Rochow that indessen nichts, um dieser Erwartung zu genügen, und B. trat
völlig unvorbereitet in eine ihm fremde Laufbahn ein.
B. hat in späteren Jahren diese Frankfurter Zeit als seine unentbehrlichen
Lehrjahre bezeichnet, ohne welche er das schwierige Geschäft der auswärtigen
Politik niemals erlernt haben würde. Heinrich von Sybel dagegen ist der
Ansicht, dass B. die auswärtige Politik in Frankfurt eben so wenig gelernt
habe, wie der Fisch das Schwimmen lernt, und der langjährige Amanuensis
B.'s, Abeken, hat beklagt, dass gewisse handwerksmässige Fertigkeiten des
Diplomaten von B. nie erlernt worden seien. Jedenfalls zeigten schon die
ersten Berichte, die er von dort erstattete, seinem vorgesetzten Minister, dass
das Amt in die Hände eines Mannes gefallen sei, der durch Genialität voll-
ständig das ersetzt, was ihm an schulmässiger Vorbildung fehlt.
Sein leitender Gedanke war, darauf hinzuarbeiten, dass die Machtstellung
Preussens gestärkt werde, welche durch die Geschicklichkeit der österreichischen
Politik und die Ungeschicklichkeit seiner eigenen Diplomaten geschwächt
worden war. Oesterreich sollte nicht ferner die am Bunde vorherrschende
Macht, sondern Preussen ihm vollständig gleichgestellt sein. Mit grossem
Nachdruck wusste er es dahin zu bringen, dass seine sociale Stellung hier
gleich derjenigen des Präsidialgesandten gehalten wurde. Es ereignete sich
die Anekdote von der »paritätischen Cigarre«, welche Georg von Vincke
Anlass zu Spöttereien bot, die zu einem unblutigen Duell führten (25. März 1852).
Was in seinen Kräften stand, um Oesterreich dazu zu vermögen, den
Anspruch Preussens auf Behandlung als einer gleichberechtigten Macht an-
zuerkennen, hat er gewiss nicht unterlassen. Aber früh scheint sich bei ihm
die Ueberzeugung ausgebildet zu haben, dass diese Bemühungen vergeblich
bleiben würden. In einem Berichte vom 26. April 1856, einem der denk-
würdigsten Schriftstücke aus seiner Feder, dem unter den Eingeweihten der
Name des »Prachtberichts« beigelegt wurde, bereitete er darauf vor, dass eine
kriegerische Auseinandersetzung mit Oesterreich früher oder später nothwendig
werden würde.
Während seiner Frankfurter Zeit wurde B. übrigens nicht ausschliesslich
mit Bundestagsangelegenheiten beschäftigt. Im Jahre 1852 wurde ihm eine
ausserordentliche Mission in Vertretung des erkrankten Gesandten nach Wien
übertragen, die sich auf den Abschluss eines Handelsvertrags bezog und zu
erheblichen Ergebnissen nicht führte. Im April 1857 hatte er in Paris zu
verhandeln, um aus Anlass der Neufchäteler Angelegenheit einen Durchzug
preussischer Truppen durch Frankreich nach der Schweiz zu ermöglichen.
Auch dies blieb vergeblich.
Mehrfach war an B. die Versuchung herangetreten, ein Portefeuille zu
übernehmen, gewöhnlich das des Auswärtigen, einmal das der Finanzen, und
in der diplomatischen Welt hatte man sich allgemein an den Gedanken ge-
wöhnt, ihn auf dem Ministerstuhl zu sehen. B. entzog sich indessen diesen
Anforderungen; er wusste, dass er berufen werden würde, die Ideen Friedrich
Wilhelms IV. durchzuführen, und das war eine Aufgabe, die er bei dem un-
praktischen Sinne des Königs für undurchführbar hielt.
g Fürst Bismarck.
Vielfach wurde sein Rath in Aiispruch genommen; manche diplomatische
Note, die von Berlin aus versandt wurde, war von ihm entworfen worden.
In der Zeit vor dem Krimkriege und während desselben gab er sich grosse
Mühe, Preussen von jeder Betheiligung davon zurück zu halten. Preussen,
das war sein Gedanke, darf sich für die Interessen Anderer nur dann in das
Zeug legen, wenn es dafür den entsprechenden Entgelt erhalte, und diesen
werde es nur erhalten, wenn es sich aufsuchen lasse, nicht aber wenn es
unaufgefordert sich in fremde Händel einmischt. Er war mit den mehrfachen
Schwankungen, welche die Regierung gezeigt hatte, nicht einverstanden und
noch weniger damit, dass, nachdem der Krieg beendigt war, sich Preussen
ängstlich darum bemühte, zu den Friedensverhandlungen in Paris zugelassen
zu werden.
Nach dem Tode Friedrich Wilhelms IV. berief das Ministerium der
Regentschaft B. von Frankfurt ab und ernannte ihn am 29. Januar 1859 zum
Gesandten in Petersburg. B. hat diesen Wechsel unlieb empfunden, Theils
weil er glaubte, auf dem Posten in Frankfurt durch seine Erfahrungen beson-
ders viel nützen zu können, Theils weil er von Petersburg aus gar keinen Ein-
fluss üben konnte.
Während der durch den italienischen Krieg herbeigeführten Krisis kam
er kaum in die Lage, seine Ansichten äussern und einen Rath geben zu
können. Auch hier schien ihm die PoHtik, welche Preussen befolgte, eine
zu unruhige, zu wenig von dem Bewusstsein getragene, dass Preussen sich
aufsuchen lassen müsse, ehe es seine Dienste gewähre.
Am 22. Mai 1862 wurde B., nachdem er bei Gelegenheit der Krönung
König Wilhelms zur Excellenz ernannt worden war, von Petersburg abberufen
und zum Gesandten in Paris ernannt. Diese Stellung hat er einige Monate
bekleidet und während dieses Zeitraumes Theils in Paris, Theils im Bade Biarritz
mit dem Kaiser Napoleon folgenreiche Gespräche gehabt.
Inzwischen hatte sich die Lage in Berlin von Grund aus verändert. Das
altliberale Ministerium Hohenzollern-Auerswald , das der König Wilhelm bei
Uebemahme der Regentschaft gebildet, war zusammengebrochen. Die Militär-
vorlage, welche der Regent und spätere König Wilhelm für unerlässlich hielt,
war abgelehnt. Ein heftiger Conflikt zwischen Regierung und Abgeordneten-
haus war ausgebrochen.
Der Kriegsminister, General von Roon, aus früherer Zeit her ein Freund
B.'s, war der Träger der Militär vorläge. Ein Mann von conservativen Gesinn-
ungen, war er in das liberale Ministerium eingetreten und hatte es gesprengt.
Bei den Nachfolgern der liberalen Minister hatte er keine hinreichende Unter-
stützung gefunden. Er hatte schon seit längerer Zeit dem Könige angetragen,.
B. zum Minister zu ernennen, und am 22. September 1862 gab der König
dieser Bitte nach Ueberwindung schwerer Bedenken nach; am 8. October
folgte die definitive Ernennung zum Ministerpräsidenten und Minister der aus-
wärtigen Angelegenheiten.
Was B.Friedrich Wilhelm dem Vierten abgelehnt hatte, dessen Minister zu wer-
den, sagte er Wilhelm I. zu. Friedrich Wilhelm war ein Mann von grossem Ge-
dankenreich thum, aber von geringer Beharrlichkeit gewesen ; W^ilhelm war für
neue Gedanken schwer zu gewinnen, aber an dem einmal für recht Erkannten hielt
er beharrlich fest. B. durfte hoffen, König Wilhelm für seine Pläne zu
gewinnen, was bei Friedrich Wilhelm, der von der ausschliesslichen Richtigkeit
seiner eigenen Pläne überzeugt war, unmöglich gewesen wäre. Zunächst fand
Fürst Bismarck. o
B. seinen König in einer sehr entmuthigten Stimmung; er trug sich mit
Rücktrittsgedanken, die Militärvorlage aufzugeben war ihm unmöglich und sie
durch einen Verfassungsbruch durchsetzen wollte er nicht. Um den König
von seinen Verzichtgedanken zu heilen, musste B. ein doppeltes versprechen,
die Militärvorlage ohne Abänderung durchzusetzen, und eine Verletzung der
Verfassung zu vermeiden. B. gab dieses Versprechen; freilich ging er von
der Ansicht aus, die zu theilen er den König vermochte, dass ein budgetloses
Regiment keine Verletzung der Verfassung, sondern nur ein Ding sei, das in
der Verfassung nicht geschrieben sei. Auch so konnte B. sein Versprechen
nur abgeben, wenn er im Stillen darauf rechnete, die inneren Schwierigkeiten
durch einen ausländischen Krieg zu überwinden; Stoff zu einem solchen lag
allerdings stets reichlich in der Luft.
Ein Jahr verging, in welchem B.'s Bestreben, sich zum Herrn der Lage
aufzuwerfen, fast keinen Erfolg aufzuweisen hatte. Ein Abgeordnetenhaus
wurde aufgelöst; ein noch oppositioneller gefärbtes trat an seine Stelle. Am
I. Juni 1863 wurde in Abwesenheit des Landtages eine Verordnung zur
Knebelung der Presse oktroyirt; nach dem Zusammentritt des Landtages
musste sie wieder aufgehoben werden. Das Abgeordnetenhaus beharrte auf
seinem Standpunkte, eine Regierung ohne Budget für verfassungswidrig zu
erklären, und hatte die öffentliche Meinung hinter sich.
Zu den vorhandenen Differenzpunkten trat noch ein neuer hinzu. Aus
Anlass der polnischen Erhebung, die im Jahre 1863 stattfand, wurde mit
Russland eine Convention, die Alvensleben'sche Convention, abgeschlossen zu
gemeinsamer Unterdrückung des Aufstandes. Diese Convention erregte den
heftigsten Unmuth der liberalen Parteien, die ;5tets polenfreundlich und
russenfeindlich gewesen waren, während B. in dem Abschluss dieser Convention
ein Mittel sah, nicht allein freundliche Gesinnungen Seitens Russlands zu er-
werben, sondern noch der Gefahr einer russisch-polnischen Verbrüderung vor-
zubeugen. Der Erfolg hat ihm Recht gegeben; Russland hat seine Dankbar-
keit für den Abschluss dieser Convention durch Thaten an den Tag gelegt.
Auf der anderen Seite fehlte es an freundlichen Berührungspunkten zwischen
Regierung und Landtag nicht vollständig. Durch den Abschluss des deutsch-franzö-
sischen Handelsvertrages war eine Krisis über den Zollverein hereingebrochen.
Die Mittelstaaten, mit Ausnahme Sachsens, weigerten sich, diesen Handels-
vertrag anzunehmen. B. hatte das von seinen Vorgängern ihm überkommene
Werk mit voller Ueberzeugung aufgenommen. Ihn leiteten dabei jedoch nicht
wirthschaftliche Erwägungen, sondern das Bestreben, eine Annähenmg zwischen
Oesterreich und den Mittelstaaten zu verhüten.
Oesterreich suchte aber nicht allein in Zoll fragen nach einem Anschluss
an Deutschland; es machte auch den Versuch, dem Verlangen der öffent-
lichen Meinung nach einer Reform der deutschen Bundesverfassung zu ge-
nügen. Zunächst hatte es den Antrag gestellt, dem Bundesrathe eine Ver-
sammlung von Delegirten der einzelnen Volksvertretungen beizugesellen;
Preussen stimmte dagegen, indem es ausführte, dass nur eine nach Massgabe
der Bevölkerungszahlen aus unmittelbarer Wahl hervorgehende Vertretung den
Wünschen des Volkes genügen könne. Dann überraschte Kaiser Franz Joseph
den König Wilhelm dadurch, dass er ihm am 2. August 1863 in Gastein
persönlich eine Einladung zu einem Fürstencongress überbrachte, der am 15.
desselben Monats in Frankfurt abgehalten wurde, und auf welchem ein von
Oesterreich ausgearbeitetes Reformprojekt zur Vorlage gebracht werden sollte.
lO Fürst Bisroarck.
B. widerrieth dem Könige, dessen Herz geneigt war, der Einladung zu folgen,
die Annahme in der entschiedensten Weise. Er setzte auseinander, dass die
Form der Einladung eine für Preussen verletzende gewesen sei, dass es unzweck-
mässig sei, in einer Versammlung von Fürsten einen Plan durchzuberathen,
der nicht in Ministerconferenzen vorberathen sei. Er war tief überzeugt, dass
der österreichische Antrag ein leerer Schein sei, der zu einem Ergebnisse nicht
führen würde. Der Fürsten tag trat in der That am 15. August zusammen;
König Johann von Sachsen wurde ersucht, sich persönlich nach Baden-Baden
zu begeben, wo König Wilhelm weilte, um ihn noch einmal persönlich ein-
zuladen. B. musste, um König Wilhelm bei seinem ablehnenden Standpunkte
zu erhalten, mit einem Entlassungsgesuch drohen, und als er endlich des Sieges
sicher war, w^ar er in einen so hohen Grad von Aufregung verfallen, dass er
einiges Geschirr zerschlug, um das geistige Gleichgewicht wieder herzustellen.
Bei diesem Widerstände gegen die österreichischen Hegemoniegelüste hatte
er den Beistand der liberalen Kammer eben so unbedingt, wie bei dem Be-
streben auf Erhaltung der Handelsverträge. Für ihn war das Bestreben leitend
gewesen, jedem Ereignisse vorzubeugen, durch welches das Ansehen Oester-
reichs und dessen Einfluss auf die übrigen deutschen Staaten gehoben werden
könne.
Kurhessen gegenüber that B. Schritte, um den Kurfürsten zur Herstellung
geordneter Rechtszustände zu veranlassen. In dieser Beziehung hat eine am
24. November 1862 durch einen Feldjägerlieutenant tiberbrachte Note eine
historische Berühmtheit erlangt.
Und endlich war es die Schleswig-Holstein' sehe Frage, in welcher das
Haus und das Volk auf' B. Hoffnungen setzte. Am 30. März 1863 hatte
König Friedrich VII. von Dänemark ein Patent erlassen, welches dem eider-
dänischen Gedanken entsprach. Schleswig sollte dem dänischen Gesammt-
staat einverleibt, Holstein von ihm abgesondert werden und eine besondere
Verfassung haben. Nach Form und Inhalt enthielt dieses Patent ohne
Zweifel einen schweren Rechtsbruch. Preussen und Oesterreich erhoben da-
gegen am 17. April Protest. Der Bundestag erliess eine Aufforderung an die
dänische Regierung, dieses Patent zurückzunehmen. Indessen in Kopenhagen
war das blinde Selbstvertrauen auf den höchsten Grad gestiegen. Am 13. No-
vember nahm der dänische Reichstag das Einverleibungsgesetz an und am
18. November erhielt es die königliche Unterschrift.
Indessen nicht die Unterschrift desselben Königs, auf dessen Befehl es
eingebracht worden war. Friedrich VII. war am 15. November gestorben
und Christian VIII. war ihm gefolgt. Das war ein Ereigniss von der höchsten
Wichtigkeit für B. Jetzt stand nicht mehr die Verfassung Schleswig-Holsteins
in Frage, sondern die Thronfolge in diesen Ländern, denn das im Jahre 1852
durch das beklagenswerthe Londoner Protokoll geschaffene Thronfolgerecht
sah er durch den dänischen Verfassungsbruch als hinfällig geworden an.
Für B., der jetzt im neunund vierzigsten Lebensjahre stand, begann nun-
mehr die Zeit des Handelns, auf die er sich dreizehn Jahre lang im diplo-
matischen Dienst vorbereitet hatte. Die jetzt folgenden Jahre bis zur Auf-
richtung des Norddeutschen Bundes, bilden den schwierigsten und ruhmvollsten
Theil seines Lebens. Von dem Schlachttage von Sadowa ab, hatte er einen
mächtigen Bundesgenossen in dem Hinweis auf den von ihm errungenen Er-
folg; bis dahin stand er allein.
Fürst Bismarck. 1 1
Das Ziel, welches er im Auge hatte, war, für den preussischen Staat aus
den bevorstehenden Verwicklungen die möglichst hohen Vortheile zu ge>\innen.
Die Gedankenform, dass Preussen den Beruf habe, für Deutschland thätig zu
sem, und dass es moralische Eroberungen in Deutschland machen müsse, wies
er ganz und gar zurück. Nach seiner Anschauung waren alle Misserfolge, die
Preussen in den letzten Zeiten davon getragen, darauf zurückzuführen, dass
die preussische Politik für Interessen eingetreten, die nicht die ihrigen gewesen
seien. Die eigene Macht zu erhalten und zu kräftigen, schien ihm die natür-
liche Aufgabe jedes Staates, und er hatte nie das Vertrauen verloren, dass
Preussen dazu im Stande sein würde, sobald es sich auf seine Aufgabe
besänne.
Voraussetzung dafür, möglichst weit gesteckte Ziele zu erreichen, schien
ihm, sich niemals vorzeitig zu seinen letzten Zielen zu bekennen. Er be-
kannte sich stets nur zu dem Ziele, von dem es ihm unzweifelhaft erschien,
dass er es werde erreichen können. Fehlerhaft erschien es ihm, sich zu einem
Bestreben zu bekennen, das mit der Gefahr verknüpft war, zu scheitern;
ebenso fehlerhaft aber, die Erklärung abzugeben, dass man mit einem ge-
wissen Erfolge zufrieden sein werde, so lange die Hoffnung bestehe, einen
noch grösseren Erfolg zu erreichen. Wiederholt kehrt bei ihm die Erklärung
wieder, dass es ein Vortheil für den Diplomaten sei, die Dinge dilatorisch
betreiben zu können.
Unermessliche Schwierigkeiten standen ihm entgegen. Das Ziel, die
preussische Macht zu stärken, konnte naturgemäss von keinem anderen Staate
getheilt werden. Man kann mit Sicherheit sagen, dass jeder Staat, der vor-
ausgesehen hätte, welches der letzte Erfolg der B. 'sehen Politik sein würde,
den ersten Schritten dieser Politik den entschiedensten Widerstand entgegen-
gesetzt haben würde.
Aber auch in seiner nächsten Nähe entbehrte B. jeder Förderung für
seine einstweilen noch schwierigen Pläne. König Wilhelm stand im Greisen-
alter und hatte nie von Kriegsruhm und Eroberung geträumt. Am Erhalten
und nicht am Mehren war ihm gelegen. Der Gedanke an Gebietserwerbungen
lag ihm fem ; der Gedanke, mit Oesterreich in Zerwürfnisse zu gerathen, wäre
ihm unerträglich gewesen. König Wilhelm sah in der Nähe sehr scharf, aber
sein Blick trug nicht in die Ferne. Das galt im bildlichen Sinne noch mehr
als im leiblichen. B. war nun stets bemüht, dem Könige den nächsten
Schritt als den unvermeidlichen, als den durch die Klugheit und womöglich
auch durch die Ehre gebotenen darzustellen und seine Aufmerksamkeit von
den Schritten, welche sich an diesen nächsten knüpfen müssten, möglichst
abzulenken. In dieser Weise hat er sechsundzwanzig Jahre lang den König für
seine Politik gewonnen.
In dem Kreise der conservativen Partei konnte B. auf Anhänger für seine
Politik, wie er sie vorhatte, nicht rechnen. Diese Partei bejubelte in B. den
Mann, welcher der liberalen Opposition mit rücksichtsloser Schärfe entgegen-
trat, und die Militärvorlage durchsetzen würde, aber das Programm der Partei
war auf den legitimistischen Gedanken, der Gebietserweiterungen geradezu
ausschloss, und auf Erhaltung des Einverständnisses mit Oesterreich gerichtet.
Der Gegensatz zwischen B. und der Hofpartei war ein sehr starker. Die
Folge war, dass B. jetzt ein dringendes Interesse daran hatte, sich die P'eind-
schaft der liberalen Partei zu erhalten. Nur die Ueberzeugung, dass B. der
einzige Mann sei, der die Fähigkeit besässe, der inneren Schwierigkeiten Herr
12 Fürst Bismarck.
zu werden, konnte die conservative Partei zu dem Wunsche veranlassen, ihn
im Amte zu erhalten.
Die liberale Partei sah in ihm einen offenen Feind; sie erblickte in
seinem Kampfe für die Militärvorlage eine Vergewaltigung, in seinem budget-
losen Regiment einen Verfassungsbruch. Wenn auch einzelne zu ihm all-
mählich das Zutrauen gewannen, dass er Schleswig-Holstein befreien und eine
Reform der Bundesverfassung versuchen werde, so herrschte doch die Ueber-
zeugung vor, dass sich diese Ziele auf dem Wege des Rechtes und Friedens
besser erreichen Hessen, als auf dem Wege von Blut und Eisen, den B. bei
seinem Eintritt in das Ministerium offen angedeutet hatte.
Der Streit bewegte sich aber nicht allein um die Ziele, sondern auch um
die Frage, ob B. die Kraft habe, das Ziel zu erreichen. Für eine grosse An-
zahl von Personen war B. noch der Junker, dessen ultrareaktionäre Haltung
in den Jahren 1847 und 1848 Gespött hervorgerufen hatte. Andere, die sehr
wohl wussten, dass sich im Laufe der Jahre ein Wechsel der Ansichten voll-
zogen hatte, und die den geistreichen Mann in ihm sehr wohl erkannten,
zweifelten doch, ob sich zu der Fülle von Geist und Kenntniss auch das
Mass der Besonnenheit gesellt habe, das erforderlich sei, um grosse Pläne
durchzuführen. Man erinnerte sich, wie Preussen seit 1848 mehrfach Anläufe
zu einer Grossmachtspolitik genommen habe und dann stets zurückgewichen
sei, und man fürchtete einen ähnlichen Verlauf. Es kam hinzu, dass in
manchen Kreisen das Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit der Armee und
die Tüchtigkeit ihrer Führer fehlte. Der einzige General von bekanntem
Namen war damals der achtzigjährige Wrangel, der Niemandem imponirte.
Die liberale Partei war der Ansicht, dass durch den Tod Friedrichs VIL
der Herzog Friedrich von Schleswig- Holstein -Sonderburg- Augustenburg der
rechtmässige Souverän der vereinigten Herzogthümer Holstein und Schleswig
geworden sei, und dass die Anerkennung dieses Rechts durch die deutschen
Mächte genügen würde, um diese Länder ohne Einspruch einer Grossmacht
für Deutschland zurückzugewinnen. Die Mittelstaaten Hessen sich von dieser
Strömung beherrschen. Im preussischen Abgeordnetenhause wurde schon am
18. December ein Antrag in diesem Sinne gestellt und angenommen.
Dem gegenüber verabredete B. mit Oesterreich eine andere Politik. Die
Integrität Dänemarks sollte vor der Hand nicht angetastet, sondern Dänemark
nur aufgefordert werden, die Novemberverfassung zurückzuziehen. Bei dem
Bund wurde ein Antrag eingebracht, der den Zweck hatte, den Bund auf die-
selbe Politik festzunageln, wurde aber von dem Bund abgelehnt. Diese Ab-
lehnung gab den willkommenen Anlass, zu erklären, dass Preussen und Oester-
reich fortan die Wahrung der Rechte des deutschen Bundes in die eigene
Hand nehmen würden.
B. hatte ein Doppeltes erreicht. Einerseits hielt er eine Einmischung des
Auslandes fern, indem er seine nächsten Forderungen auf solche Punkte be-
schränkte, deren Gerechtigkeit von den Grossmächten selbst nicht bestritten
werden konnte, und indem er die Einigkeit der beiden deutschen Gross-
mächte vor der Welt darlegte. Andererseits führte er den Beweis, wie ohn-
mächtig die Politik der deutschen Mittelstaaten selbst in solchen Fällen ist,
wo sie die öffentliche Meinung für sich haben.
Dänemark lehnte die Forderungen der beiden deutschen Grossmächte
ab; es kam zum Kriege, zu schönen Erfolgen der österreichischen Truppen,
zum glänzenden Siege der preussischen Waffen bei Düppel und Alsen, zum
Fürst Bismarck.
13
Präliminarfrieden vom i. August und zum definitiven Frieden vom 30. Oc-
tober 1864, durch welchen die Herzogthümer Holstein, Schleswig und Lauen-
burg an Preussen und Oesterreich abgetreten wurden.
Der Erfolg dieses Krieges hatte nicht die Wirkung, das Verhältniss der
preussischen Regierung zum Landtage zu verbessern. Am 22. Januar 1864
war die Forderung einer Kriegsanleihe mit grosser Majorität abgelehnt worden.
B. hatte indessen ein drohendes Wort wahr machen können, das er früher
gesprochen: »W^enn wir für nöthig halten, Krieg zu führen, so werden wir
es thun, mit oder ohne Ihre Erlaubniss«. Die Kriegskosten waren zum
grossen Theil aus dem Staatsschatz entnommen, und das Abgeordnetenhaus
ven\^eigerte auch, hierzu die nachträgliche Genehmigung auszusprechen.
Der budgetlose Zustand blieb aufrecht erhalten; über die Militärorgani-
sation kam eine Verständigung nicht zu Stande. Dass über das endgültige
Schicksal der Herzogthümer eine Verständigung nicht erzielt war, wurde von
der liberalen Partei dem Ministerium geradezu als ein Beweis seiner Unfähig-
keit vorgehalten. Es kam zu heftigen Scenen, am 3. Juni 1865 Hess B. den
Abgeordneten Virchow zum Zweikampf fordern, doch wurde die Forderung
abgelehnt. Das Abgeordnetenhaus erklärte in einer Adresse an den König,
es habe kein Mittel zur Verständigung mehr mit diesem Ministerium. Und
das Ministerium selbst hielt sich von den Sitzungen des Abgeordnetenhauses
zeitweise fern, weil es sich durch das Verhalten des Präsidenten verletzt fühlte.
Der Ausgang des dänischen Krieges hatte entschieden, dass die Herzog-
thümer von Dänemark losgerissen werden sollten; was endgültig mit ihnen
werden solle, blieb vor der Hand unentschieden. Preussen und Oesterreich,
die provisorisch eine gemeinsame Verwaltung führten, mussten sich darüber
verständigen. Es gehört zu den grössten Erfolgen B.'s, dass er die öster-
reichische Regierung vermochte, diesen Gesellschaftsvertrag einzugehen, ohne
sich eine Sicherheit darüber zu verschaffen, wie er einst liquidirt werden solle.
Die Frage, ob die Ansprüche des Herzogs von Augustenburg anerkannt
werden sollten, trat nun ernstlich an Preussen heran. Das kronprinzliche
Paar befürwortete es; der König schien zuzustimmen. B. zeigte sich nicht
abgeneigt. Doch verlangte er, dass Preussen zur Verstärkung seiner Wehr-
fähigkeit gewisse Zugeständnisse gemacht würden. Der Prinz wiederum zeigte
sich zu solchen Zugeständnissen geneigt, aber über ihr Mass wurde man
nicht einig.
Fast gleichzeitig mit dem Abschluss des deutsch-dänischen Friedens trug
sich in Oesterreich ein Ministerwechsel zu, der für die weitere Entwicklung
verhängnissvoll wurde. Seit der Zeit des Fürsten Schwarzenberg hatten alle
österreichischen Minister und Minister des Auswärtigen mehr oder weniger
das Bestreben gehabt, die Stellung Preussens im Bunde herabzudrücken und
zu diesem Zwecke sich auf die Mittelstaaten zu stützen. Seit dem Jahre 1859
war der Graf von Rechberg im Amte, der von dieser traditionellen Politik
abwich und dem Gedanken entgegenkam, ein paritätisches Verhältniss
zwischen Preussen und Oesterreich herzustellen. Im vollsten Einverständnisse
mit ihm hatte B. ein Jahr lang die dänische Politik getrieben. Rechberg
stellte nun das Verlangen, dass Preussen vertragsmässig die Verpflichtung
übernehme, wie es das schon zwölf Jahre früher gethan hatte, nach Ablauf
einer gewissen Zeit mit Oesterreich über eine vollständige Zolleinigung zu
unterhandeln. B. war dazu bereit, indessen Delbrück, der in der Stellung
^nes Ministerialdirektors die preussische Zollpolitik leitete, widersprach dem
I A Fürst Bismarck.
und verstand es, die verantwortlichen Ressortminister Graf Itzenplitz und
Bodelschwingh zu gewinnen. Es wurde die Entscheidung des Königs an-
gerufen und noch war B.'s Einfluss nicht mächtig genug geworden, dass er diese
Entscheidung in seinem Sinne hätte lenken können. In Folge dessen war
Rechberg's Stellung in Wien unhaltbar geworden, und er wurde durch den
Grafen Mensdorff ersetzt, einen Mann, der häufig Klarheit und Festigkeit ver-
missen Hess und nicht im Stande war, sich gewisser Nebenströmungen zu er-
wehren, die sich in der österreichischen Regierung geltend machten. Damit
war in Oesterreich eine preussenfeindliche Richtung zur Herrschaft gelangt,
und der Ausbruch eines Krieges zwischen beiden Mächten war nur noch eine
Frage der Zeit.
In Wien trat man allen Ansprüchen Preussens entgegen und nur um
ihnen wirksam entgegentreten zu können, nahm man sich der Rechte des
Augustenburgers an, obwohl diese Rechte der österreichischen Regierung sehr
gleichgültig waren und nur als Mittel dienten, auf Preussen einen Druck aus-
zuüben.
Für B. lag die Nothwendigkeit vor, den Kampf noch Jahr und Tag
hinauszuschieben. Er war genöthigt. Beweise seiner äussersten Versöhnlichkeit
und Friedensliebe zu liefern, ehe er den König Wilhelm zum Kriege be-
stimmen konnte. Er war genöthigt, mancherlei Vorkehrungen zu treffen, da-
mit keine der übrigen Grossmächte sich verderblich in den Kampf einmischte
und insbesondere sich der Neutralität Napoleons zu versichern.
Die Geschichte der Zeit vom Tode Friedrichs VII. bis zum Ausbruche des
österreichisch-deutschen Krieges fiillt bei Sybel zwei starke Bände, und sie ist
nicht kürzer zu erzählen, wenn man die einzelnen Fäden biossiegen will. Das
Wesentliche ist, dass B. die Fähigkeit hatte, sich jederzeit in die Sinnesweise
der Männer, die ihm gegenübergestanden hatten, hineinzudenken und genau
im Voraus zu wissen, was sie auf einen, ihnen gemachten Vorschlag antworten
würden; er war im Stande, Vorschläge zu machen, deren Annahme ihm üehr
unangenehm gewesen wäre, mit dem sicheren Bewusstsein, dass sie abgelehnt
werden würden.
Hier kann nur der Vertrag von Gastein vom 14. August 1865 hervor-
gehoben werden, durch welchen das Condominat Oesterreichs und Preussens
über Holstein und Schleswig dahin umgestaltet wurde, dass Oesterreich das
Herzogthum Holstein und Preussen das Herzogthum Schleswig zu verwalten
hatte. Das kleine Herzogthum Lauenburg wurde der preussischen Krone
übertragen. Es war der erste Landerwerb, der dem Könige Wilhelm zufiel,
und darum von grosser Wichtigkeit, weil er ihn dem Gedanken an andere
Annexionen zugänglicher machte.
Der Abschluss dieses Vertrages konnte die schwüle Stimmung zwischen
den beiden Staaten nicht beseitigen. Der geschaffene Zustand konnte auf die
Dauer nicht Bestand haben. Es war unwahrscheinlich, dass man ohne Krieg
zu einem anderen Zustande würde übergehen können. Von beiden Seiten
wurde gerüstet; wochenlang stand man einander in einem Zustande gegenüber,
in welchem der Ausbruch des Krieges in jedem Augenblicke zu erwarten war.
Wechselseitig schob man einander die Schuld zu, die Rüstungen veranlasst
zu haben. Es wurden Verabredungen zur Abrüstung getroffen. Inzwischen
bemühte sich aber B. mit Italien, das mit Oesterreich wegen der venetianischen
Rüstungen noch abzurechnen hatte, zu einem Schutz- und Trutzbündnisse zu
gelangen, und der Abschluss dieses Bündnisses gelang in einer für Preussen
Fürst Bismarck.
15
sehr günstigen Form. Drei Monate lang blieb Italien an der preussischen
Politik gefesselt, so dass es von dieser abhing, ob es zum Kriege kommen
solle. Die italienischen Rüstungen machten es nun Oesterreich unmöglich,
zu derjenigen Abrüstung zu schreiten, zu welcher es Preussen gegenüber
bereit gewesen sein würde.
Ein friedlicher Ausgleich zwischen Oesterreich und Preussen wäre noch
möglich gewesen, wenn Preussen für die Ueberlassung Schleswig-Holsteins
sich zu Gebietsabtretungen in Schlesien entschlossen hätte. Davon wollte B.
Nichts wissen. Er richtete seine Kraft darauf, den Krieg zu. einem für die
Auffassung seines Königs unvermeidlichen zu machen und dabei doch die
Lage so zu gestalten, dass Oesterreich als der angreifende Theil erschien.
Dazu war es für B. nöthig, der Schleswig-Holstein'schen Complication
noch eine solche auf dem Gebiete des Bundesrechts hinzuzufügen. Am
Bundestag stellte er einen Antrag auf Bundesreform, der ungetähr den Ge-
danken entsprach, welche er bei Gelegenheit des Frankfurter Fürstentages
Oesterreich entgegengehalten hatte. Der Antrag wurde an einen Ausschuss
verwiesen.
Während B. mit einem Werke beschäftigt war, das eine gewaltige Um-
gestaltung in Europa zur Folge haben sollte, wurde auf ihn von einem jungen
Mann, Namens Cohn, dem Sohne eines eifrigen Demokraten, am 7. Mai 1866
ein Mordanfall mit dem Revolver gemacht. Fünf Schüsse fehlten das Ziel;
er entwaffnete den Mörder, der sich im Gefängnisse das Leben nahm.
Noch immer war mit dem Abgeordnetenhause eine Verständigung nicht
herbeigeführt; am 9. Mai 1866 erfolgte von Neuem seine Auflösung.
Der lang vorausgesehene Krieg tritt endlich in folgender Reihenfolge von
Ereignissen ein. Am i. Juni giebt Oesterreich am Bundestage eine Erklärung
über die Lage der Herzogthümerfrage ab und stellt dabei dem Bunde die
Entscheidung anheim. Preussen protestirt dagegen, weil durch den Gasteiner
Vertrag und eine frühere geheime Convention verabredet war, dass die beiden
Grossmächte allein entscheiden sollten. Preussen hielt den Gasteiner Vertrag
für gebrochen und sich für berechtigt, zur Ausübung des Condominats in
Holstein wieder einzurücken. Oesterreich lässt zwar Holstein von seinen
Truppen unter Protest räumen, erklärt aber nunmehr seinerseits, dass Preussen
den Gasteiner Vertrag gebrochen habe. Es beantragt die Mobilmachung aller
Bundesarmeecorps mit Ausnahme des Preussischen. Der Bundestag nimmt
diesen Antrag mit knapper Mehrheit an und nun erklärt Preussen den Bundes-
vertrag für erloschen.
An sämmtliche deutsche Staaten hatte B. dringende Aufforderungen ge-
richtet, bei dem sich vorbereitenden Kriege zwischen Preussen und Oesterreich
neutral zu bleiben. Bei den vier Königreichen, beiden Hessen, Baden und
Nassau blieb diese Aufforderung ohne Erfolg. Der Krieg richtete sich daher
auch gegen diese.
Der Krieg war von kurzem Verlauf; vom 26. Juni bis 3. Juli wurde das
österreichische Heer in mehreren Schlachten, zuletzt nachdrücklich bei König-
grätz, geschlagen. Die hannoversche Armee wurde zur Capitulation gezwungen.
Die übrigen Truppen der Kleinstaaten wichen überall nach wenig erheblichen
Gefechten vor den preussischen Truppen zurück. Am 22. Juli waren die
Dinge soweit gediehen, dass die Friedensverhandlungen beginnen konnten.
Während Preussen solche Erfolge erzielte, hatte sein Bundesgenosse schlechte
l6 Fürst Bismarck.
Erfahrungen gemacht. Italien war zu Lande und zur See gegen Oesterreich
unterlegen, das in dieser Weise seine Waffenehre rettete.
Der Ausgang des Krieges hatte in der ganzen Welt Erstaunen erregt.
Meist hatte man Oesterreich für stärker gehalten und Niemand hatte geglaubt,
dass Preussen so stark sei. Am grössten war das Erstaunen in Frankreich
und am meisten mit unangenehmen Empfindungen durchsetzt. Napoleon hatte
den Ausbruch des Krieges nicht ungern gesehen und ihn vielleicht gefördert.
Er hatte mit Bestimmtheit darauf gerechnet, Preussen aus dem Kriege ge-
schwächt hervorgehen zu sehen und ihm dann gegen grössere oder geringere
Landcompensationen sein Wohlwollen zu gewähren. Jetzt war der Kaiser sehr
eilig damit, seine Friedensvermittelung anzubieten, und eine Grenze zu be-
zeichnen, über die hinaus Frankreich preussischen Erfolg nicht ertragen würde,
ohne sich einzumischen.
Was Oesterreich anbetrifft, so verstand sich eine Forderung von selbst,
ohne die fiir Preussen ein Friede nicht denkbar war. Oesterreich musste für
immer aus dem deutschen Bunde, oder dem, was an seine Stelle treten sollte,
ausscheiden. Oesterreichs deutsche Rolle war ausgespielt; die Hegemonie ging
auf Preussen über. Damit aber wollte sich B. begnügen. Mit so grosser
Entschiedenheit er den Kampf gegen Oesterreich aufgenommen hatte, so ent-
schieden drängte sich ihm jetzt der Gedanke auf, dass in Zukunft Preussen
Oesterreichs Freundschaft brauchen werde, und dass man nicht den Keim zu
ewigen Rachegedanken ausstreuen dürfe. König Wilhelm dagegen wollte er-
hebliche Theile von Oesterreich annektiren, und da hierfür Oesterreichs Bereit-
willigkeit nicht vorhanden war, den Krieg fortsetzen. Er nannte den Frieden,
den ihm sein Minister aufzwingen wollte, einen schmählichen. Nach der auf-
geregten Zeit der Kriegsvorbereitungen und des Krieges war dieser 24. Juli
der aufgeregteste Tag in B.'s ganzem Leben, und wenn ich oben den Zeit-
raum vom Tode des Königs von Dänemark bis zum Frieden mit Oesterreich
als den ruhmvollsten Theil in B.'s Leben bezeichnet habe, so war dieser
24. Juli der ruhmvollste Tag. Es gelang ihm, durch Vermittlung des Kron-
prinzen den König für seine Ansichten zu gewinnen.
Die Staaten nördlich vom Main sollten zu einem Norddeutschen Bunde
zusammengefasst werden; diesen Bund auf die südlichen Staaten auszudehnen
war unmöglich gewesen, ohne zu einem Kriege mit Frankreich zu gelangen,
den B. vor der Hand vermieden zu sehen wünschte. Die bestehenden
Dynastieen zu schonen, hatte B. gewünscht. Statt derjenigen norddeutschen
Fürsten, die an dem Kriege theilgenommen hatten (Hannover, Kurhessen,
Nassau, Meiningen), sollten ihre Thronfolger eintreten. Theils der Eigensinn
dieser Fürsten, Theils der Wunsch König Wilhelms, der sich im Laufe der
Zeit mit dem Wunsch erfüllt hatte, sein Land zu vergrössern, führten denn
doch zu der Annexion von Hannover, Hessen, Nassau und der Stadt Frank-
furt. Dass Schleswig-Holstein an Preussen fiel und vom Augustenburger nicht
mehr die Rede war, wurde als selbstverständlich betrachtet.
König Wilhelm hatte den Wunsch gehabt, Ansbach und Bayreuth für
Preussen zurückzugewinnen, aber B. widersetzte sich aus demselben Grunde,
aus welchem er einer Gebietsschmälerung Oesterreichs widerrieth.
Am 4. August kehrte B. nach Berlin zurück. Dort harrte seiner eine
Ueberraschung. Am 5. übersandte ihm der französische Botschafter Benedetti
den Entwurf eines Vertrages, dem zu P'olge Mainz und einige andere deutsche,
sowie belgische (iebietstheile an Frankreich abgetreten werden sollten. Am
Fürst Bismarck.
17
6. August lehnte B. diesen Vorschlag mit aller Schärfe ab. Er hätte es eher
auf einen sofortigen Krieg mit Frankreich ankommen lassen, als den geringsten
Bruchtheil deutschen Landes abgetreten. Die früh geoflfenbarte Begehrlichkeit
Frankreichs hatte nun aber den guten Erfolg, dass die süddeutschen Staaten,
die ausserhalb des norddeutschen Bundes bleiben mussten, mit Preussen
Militärconventionen und Bündnissverträge abschlössen, die einstweilen geheim
gehalten wurden. Der definitive Frieden mit Oesterreich, zu Prag ab-
geschlossen, datirt vom 23. August; mit den übrigen Staaten kamen die
Friedensinstrumente bis zum 21. September zu Stande.
Der kurze Feldzug hatte die Stellung B.'s von Grund aus verändert.
Die Welt sah in ihm von jetzt ab wenigstens den befähigten, zum grossen
Theil schon den genialen Staatsmann. Aus der liberalen Partei heraus bildete
sich eine Partei, deren Programm inhaltlich darauf hinauskam, seine Politik
zu unterstützen; ebenso sonderte sich ein Theil der conservativen Partei ab,
der die alten Parteidogmen verwarf und sich zu dem Gedanken an die
Einigung Deutschlands unter preussischer Führung freudig bekannte. Dem
Könige, der ihn am 16. September 1865 in den Grafenstand erhoben hatte,
und der zuweilen zweifelnd seinen Rath befolgt hatte, war das Vertrauen zu
ihm gewachsen. Die Kabinette der übrigen Grossmächte fanden sich in den
Gedanken, dass Preussen, dass Deutschland unter diesem Minister eine hervor-
ragende Stellung im Rathe der Nationen einzunehmen berechtigt sei.
War in der jetzt abgelaufenen Periode der leitende Gedanke B.*s der
gewesen, für Preussen eine erhebliche Machtstärkung zu erlangen, durch
freundliches Abkommen mit Oesterreich, wenn es sein konnte, durch Krieg
mit ihm, wenn es sein musste, so trat jetzt der Gedanke in den Vordergrund,
dass man sich rüsten müsse auf den unabwendlichen Vertheidigungskrieg
gegen Frankreich, denn dass Frankreich die Verletzung, die sein Prestige er-
litten, als eine mit den Waffen zu rächende Kränkung empfinden würde, war
ihm unzweifelhaft. Dass in einem solchen Kriege Deutschland keinen Bundes-
genossen haben werde, war ihm klar, eher erwartete er, dass eine andere
Macht aus Hass oder Neid sich mit dem Feinde Deutschlands verbinden
werde.
Unter diesen Umständen kam ihm Alles darauf an, dem inneren Zwie-
spalt ein gründliches Ende zu bereiten. Er entschloss sich daher, den Libe-
ralen weit entgegenzukommen, in der Ueberzeugung, dass er die Machtstellung
des Königs in jedem Augenblicke wieder würde herstellen können. So wurde
denn der Verfassungsconflict dadurch beigelegt, dass das Ministerium für das
budgetlose Regiment der letzten Jahre Indemnität nachsuchte und erhielt.
Die Genehmigung der Militärreorganisation verstand sich nun von selbst. Am
5. December bewilligte das Abgeordnetenhaus für B. eine Dotation von
400 000 Thalem, die zum Ankauf des Gutes Varzin in Pommern verv^xndet
wurde.
Am 24. Februar 1867 trat der constituirende Reichstag des Norddeutschen
Bundes zusammen. Der Verfassungsentwurf, welchen B. vorgelegt hatte, be-
ruhte auf dem Gedanken des allgemeinen und gleichen Wahlrechts, aus
welchem der Reichstag selbst hervorgegangen war.
Die Berathung dieses Entwurfs zog sich bis zum 16. April hin. Den
vielen Abänderungsvorschlägen gegenüber zeigte sich B. sehr nachgiebig.
Insbesondere willigte er darein, dass die Competenz des Reichs erheblich aus-
gedehnt wurde, während der von ihm vorgelegte Entwurf die Competenz der
Biogr. Jahrb. n. Dentscber Nekrolog. 3. Bd. 2
l8 Fürst Bismarck.
Einzelstaaten möglichst geschont hatte; ebenso gestand er eine Reihe von
Abänderungen zu, welche der Verfassung einen liberalen Charakter auf-
drückten. Nur in zwei Punkten blieb er unnachgiebig. Er lehnte ab, dass
die Reichstagsabgeordneten Diäten erhielten, und er beharrte darauf, dass die
Friedenspräsenzstärke des Bundes für eine Reihe von Jahren gesichert blieb.
Noch während der constituirende Reichstag tagte, ereignete sich ein auf-
regender Zwischenfall auf dem Gebiete der auswärtigen Politik, Kaiser
Napoleon, der mit seinen Ansprüchen auf Landabtretungen seitens des
deutschen Reichs gescheitert war, hatte versucht, sich dadurch einen Erfolg
zu schaffen, dass er mit dem Könige der Niederlande über die Abtretung
des Grossherzogthums Luxemburg verhandelte. Sobald B. dies erfuhr, gab
er zu verstehen, dass er einen solchen Handel nicht dulden würde, und als
in der französischen Deputirtenkammer Drohungen gegen Preussen ausgestossen
wurden, antwortete er darauf mit der Veröffentlichung der bisher geheim ge-
haltenen Trutz- und Schutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten.
Die Sache schien sich zum Kriege zuzuspitzen, aber B., obwohl er von
der Unvermeidlichkeit dieses Krieges überzeugt war, bemühte sich dennoch,
seinen Ausbruch auf einen späteren Zeitraum zu verschieben. Er erklärte der
niederländischen Regierung, dass er zwar die Abtretung Luxemburgs an Frank-
reich als einen Kriegsfall betrachten würde, dass er aber bereit sei, auf einer
europäischen Conferenz über die Erhaltung des Friedens auf der Grundlage
zu verhandeln, dass Luxemburg neutralisirt und die Festung geschleift werde.
Auf dieser Grundlage kam am ii. Mai auf der Londoner Conferenz ein Ab-
kommen zu Stande.
Am i6. April war die Verfassung des Norddeutschen Bundes vom Reichs-
tage angenommen worden. Sie unterlag noch der Bestätigung durch die
Parlamente der Einzel Staaten, die in Preussen ohne erhebliche Mühe, in allen
übrigen Staaten als selbstverständlich erreicht wurde, und trat am i. Juli in
Kraft. Die süddeutschen Staaten blieben dadurch an den Norddeutschen
Bund gefesselt, dass die Zoll Vereins vertrage erneuert wurden und der Bund
wurde dadurch noch fester, dass fiir die Berathung von Zollangelegenheiten
der Reichstag sich zu einem Zollparlament erweiterte.
Als Beamter des deutschen Bundes erhielt B. den Titel »Kanzler des
Norddeutschen Bundes« und unter dem Titel eines Präsidenten des Reichs-
kanzleramts machte er^ Rudolf Delbrück zu seinem vornehmsten Gehülfen.
Diese Wahl war ein erhebliches Zugeständniss an die liberale Partei.
Wenigstens in wirthschaftlichen Fragen stand Delbrück ganz entschieden auf
liberalem Boden und in rein politischen Fragen war er noch niemals hervor-
getreten.
Dieses Zugeständniss an die liberale Partei war freilich eine Nothwendig-
keit, denn es galt, die durch die Reichsverfassung geschaffene Möglichkeit,
die wirthschaftliche Einheit auf gesetzlichem Wege herbeizuführen, in Thaten
umzusetzen, und dieser Aufgabe war sicher kein Conservativer und kaum
Jemand ausser Delbrück gewachsen. Ohne sichtbares Eingreifen B.'s kamen
Reichsgesetze über Heimathsrecht und Freizügigkeit, über den Gewerbe-
betrieb, über gegenseitige Rechtshülfe und andere zu Stande.
Allen Anregungen, auf eine Vereinigung der süddeutschen Staaten mit
dem Norddeutschen Bunde hinzuarbeiten, widerstand B. mit Entschiedenheit,
aber denjenigen Particularisten, welche mit dem Widerstände des Auslandes
Fürst Bismarck. lo
gegen eine solche Vereinigung drohten, hielt er entgegen, dass die Furcht
kein Echo in deutschen Herzen findet. (i8. Mai 1868.)
Im Mai 1868 zogen die feindseligen Agitationen des entthronten Königs
Georg von Hannover die Aufmerksamkeit B.'s auf sich. Er Hess dessen Ver-
mögen, soweit es sich in preussischen Händen befand, mit Beschlag belegen,
nachdem er noch kurz zuvor nicht ohne Mühe sich vom Landtage die Er-
mächtigung ausbedungen hatte, dieses Vermögen in sehr freigebiger Be-
messung dem König Georg zurückzugewähren. Die Zinsen dieses Vermögens
Hess er sich zu völlig discretionärer Benutzung zur Verfügung stellen und
dieser Weifenfonds oder Reptilienfonds hat später zu unzähligen Reclamationen
im Abgeordnetenhause Veranlassung gegeben.
Es nahte nun die Zeit, in welcher der längst vorhergesehene Krieg mit
Frankreich nicht länger hinausgeschoben werden konnte. Frankreich hatte
mit Oesterreich und mit Italien Verhandlungen angeknüpft, um ein Bündniss
herbeizuführen. Der Umstand, dass Prinz Leopold von Hohenzollern als
Candidat für den spanischen Königsthron aufgestellt war, wurde von Frank-
reich benutzt, um Vorstellungen bei dem Könige von Preussen zu erheben,
die höchstens der spanischen Regierung gegenüber am Platze gewesen wären.
König Wilhelm, der sich zu Ems im Bade aufhielt und des Beirathes seines
Ministers entbehrte, wurde von dem französischen Botschafter Benedetti, der
ihm dorthin gefolgt war, mit Vorstellungen belästigt und gab ihm nicht eine
so entschiedene Antwort, wie B. es für zweckmässig gehalten hätte.
Am 13. Juli setzte König Wilhelm telegraphisch B. von dem letzten
Gespräch in Kenntniss, das er an demselben Tage mit Benedetti gepflogen
hatte, und nach dessen Beendigung er ihm »Nichts mehr zu sagen habe«.
Auf Grund dieser Depesche Hess B. der Oeffentlichkeit einen Bericht zugehen,
der an den Mittheilungen des Königs leichte Auslassungen und Veränderungen
hervorgerufen hatte. Das war die berühmte Emser Depesche.
Es ist kein Zweifel, dass die Fassung dieser Depesche, welche die öffent-
liche Meinung in Frankreich im hohen Grade erregte, der Anlass zu dem
unmittelbaren Ausbruch des Krieges war. Es ist kein Zweifel, dass B. diesen
Erfolg vorhergesehen und gewollt hat. Es ist endlich richtig, dass die De-
pesche, die an die Oeffentlichkeit gelangte, sich nicht mit den vertraulichen
Mittheilungen des Königs an B. deckte. Trotzdem ist es eine Thorheit, zu
behaupten, dass B. durch die »Fälschung« der Emser Depesche den Krieg
hervorgerufen habe. •
Die Depesche, welche B. durch die Welt versandte, lautet:
»Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Prinzen von
Hohenzollern der kaiserlich- französischen Regierung von der spanischen
amtlich mitgetheilt worden sind, hat der französische Botschafter in
Ems an Se. Maj. den König noch die Forderung gestellt, dass er
nach Paris telegraphire, dass Se. Maj. der König sich für alle Zu-
kunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn
die Hohenzollern auf ihre Candidatur zurückkommen sollten.
Se. Maj. hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter noch
einmal zu empfangen und demselben durch den Adjutanten vom
Dienst sagen lassen, dass Se. Maj. dem Botschafter nichts weiter mit-
zutheilen habe.«
Diese Depesche enthält schlechthin kein unwahres Wort. Sie enthält
auch keine Beleidigung Frankreichs, sondern nur die Mittheilung, dass
2*
20 Fürst Bismarck.
Preussen eine beleidigende Zumuthung Frankreichs gebührend zurückgewiesen
hat. Eine Depesche, die ein Monarch vertraulich seinem Rathgeber zusendet,
hat dieser nicht die Verpflichtung, öffentlich bekannt zu machen. Dass diese
Depesche die Kriegsraserei in Frankreich entfesselte, ist nur dadurch zu er-
klären, dass Frankreich längst kriegslustig war und nur nach einem Anlass
suchte, den Krieg zu erklären.
Die Wirkung der Depesche war die, dass Frankreich ausser Stande war,
vor dem Ausbruch des Krieges seine kriegerischen und seine diplomatischen
Rüstungen fortzusetzen, sondern sich sofort zum Kampf stellen musste. Und
die weitere Folge war die, dass Frankreich sofort bei Beginn des Krieges
entscheidende Schlappen erlitt, die seine Hoffnungen auf Bundesgenossenschaft
vernichteten.
Im Reichstage, der alsbald zusammenberufen wurde, konnte B. mittheilen,
dass die französische Kriegserklärung die erste schriftliche Mittheilung, das
erste Actenstück gewesen sei, das ihm in dieser Angelegenheit von franzö-
sischer Seite zugegangen, der einleuchtendste Beweis, dass Frankreich sich
von den Voraussetzungen entfernt hatte, die nach völkerrechtlichen An-
schauungen zu einem Kriege Veranlassung geben können.
Nicht B. hat den Krieg verschuldet, aber er hat die Dinge so gelenkt,
dass dieser unvermeidliche Krieg in dem Augenblicke zum Ausbruch kam,
wo es für Deutschland am vortheilha-ftesten war.
Die Thronrede, mit welcher der Reichstag einberufen wurde, der die
zur Kriegsführung nöthigen Mittel bewilligen sollte, verfasste B. selbst; keine
andere Feder hatte ihm genugthun können.
Wiederum begleitete er den König in das Feldlager, zum Missvergnügen
der militärischen Kreise, mit denen er einst in Böhmen mancherlei Meinungs-
verschiedenheiten gehabt, die denn auch diesmal nicht ganz ausblieben.
Nothwendig war indessen seine Anwesenheit, um mit dem König in steter
Fühlung zu bleiben, um in jedem Augenblicke unverzüglich die geeigneten
Massregeln ergreifen zu können. Mehrfach hatte er seine diplomatische Kunst
aufzuwenden, um Einmischungen des Auslandes fernzuhalten.
Die Schlacht bei Sedan entschied den deutschen Sieg. Nach ihr hatte
B. in Frenois die Unterhaltung mit dem Kaiser Napoleon, bei der ihm nach
seiner eigenen Aeusserung zu Muthe war, wie einem Mädchen, das zum
ersten Balle geht, die aber politisch resultatlos verlief. Das Ziel, das nach
einem so grossen Erfolge gestellt werden musste, war die Wiedererwerbung
des Elsass.
Gleichzeitig beginnt aber jetzt die Action, die dazu führt, den Nord-
deutschen Bund zum Deutschen Reiche zu erweitern, Süddeutschland einzu-
beziehen, den Kaisertitel wieder herzustellen. Ein Schreiben B.'s an den
König Ludwig von Bayern veranlasst diesen, die Initiative zu ergreifen, um
dieses Ziel herbeizufuhren. Wiederum ist B. darauf bedacht, den beiden süd-
deutschen Königen weitgehende Zugeständnisse zu machen, um das Hauptziel
zu erreichen.
Mit Thiers und Jules Favre waren langwierige, zuweilen abgebrochene
Verhandlungen über W^affenstillstand und Präliminarfrieden zu führen, die B.'s
Geduld häufig auf eine harte Probe stellten. Die Einnahme Strassburgs, der
Festung Metz, die Erschöpfung der Pariser Lebensmittel mussten erfolgen,
ehe der Widerstand der Franzosen gebrochen war.
Fürst Bismarck. 21
Schliesslich vollziehen sich zwei grosse Ereignisse fast gleichzeitig; am
18. Januar 1871 wird in dem ä toutes les gloires de la France gewidmeten
Schlosse zu Versailles der deutsche Kaiser proclamirt und am 28. Januar der
Waffenstillstand unterzeichnet, der, nachdem noch der blutige Kampf bei
Beifort stattgefunden, am 26. Februar zum Präliminarfrieden und am
10. Mai zum Frieden von Frankfurt führt.
Wie einst am Tage von Nikolsburg schmollte auch am Tage von Ver-
sailles König Wilhelm mit seinem Kanzler und verweigerte ihm Gruss und
Handschlag. Er war jetzt unzufrieden, dass er sich nur »deutscher Kaiser«,
und nicht Kaiser von Deutschland nennen durfte.
Indessen das Verhältniss stellte sich bald wieder her. Am 21. März
wurde B. in den erblichen Fürstenstand erhoben und im Juni wurde ihm ein
grosser Landbesitz im Sachsenwalde, Friedrichsruh, als Dotation übereignet.
Es war der dritte und letzte Krieg, aus dem B. zurückkehrte. Er selbst
bekannte, dass er der Urheber dieser Kriege sei, die Verantwortung iiir sie
tragen müsse und wolle. Fortan hat er jederzeit redlich für den Frieden
gearbeitet. Diese stürmische Zeit der Kriege hat selbstverständlich tiefe
Spuren in seinem Körper und Geist hinterlassen. Als er das Amt des
Ministerpräsidenten antrat, war er eine schlanke, elegante Figur, der man den
Diplomaten anzumerken glaubte. Nach Beendigung des französischen Krieges
war im Wesentlichen die Erscheinung fertig, welche in der Geschichte fort-
lebt. Wie er immer ausschliesslicher dazu überging, im Amt und in der
OefFentlichkeit sich in seiner militärischen Kleidung zu zeigen, so deutete
auch sein Aeusseres auf den Offizier, und unter allen Auszeichnungen, die ihm
in reichem Masse zu Theil wurden, waren ihm wohl diejenigen die liebsten,
die ihn auf der militärischen Stufenleiter erhöhten.
Während der Zeit, wo er am schwersten zu kämpfen gehabt hatte, hatte
er Gleichmuth und Humor zur Schau getragen. Er sammelte Spottbilder und
Spottschriften, die gegen ihn erschienen, mit sichtbarem Behagen. In der
Discussion brauchte er häufig den Ton der schärfsten Ironie, aber ohne ihn
durch Heftigkeit zu steigern. Er war sicher, dass Alle, die zur Zeit an seinem
Beruf zweifelten, von diesem Zweifel zurückkommen würden. Jetzt, wo seine
Grösse anerkannt war, wurde das anders. Die Gründe dafiir sind durchaus
in seinem Körperzustand zu suchen. Die übermenschlichen Anstrengungen,
die geistigen Kämpfe, denen er seit acht Jahren ausgesetzt gewesen war,
hatten auf sein Nervensystem stark eingewirkt. Wie furchtbar die Aufregung
gewesen, die ihn ergriff, als in Baden-Baden König Wilhelm sich anschickte,
den Fürstentag in Frankfurt zu besuchen, und als es sich in Nikolsburg um
die Fortsetzung eines Krieges handelte, die man für unheilvoll hielt, hat man
erst spät, vollständig erst aus seinen hinterlassenen Erinnerungen ersehen.
Er hatte das seiner Zeit ertragen müssen. Jetzt aber, nach seinen grossen
Erfolgen, glaubte er auf Vertrauen, auf unbedingte Heeresfolge Anspruch
machen zu dürfen. Er wurde empfindlicher gegen Widerspruch; er gewöhnte
sich, Angriffe in der Presse mit Strafanträgen zu beantworten.
Die Menschenverachtung, die im Laufe der Zeit immer deutlicher hervor-
trat, begann schon jetzt, sich zu zeigen. Die Neigung, Jeden zu zermalmen,
der sich seinen Plänen entgegenstellte, die Unmöglichkeit, sich in die Seele
eines Gegners hinein zu versetzen, und seinen Gründen Anerkennung und
Achtung zu bezeigen, nahm immer schärfere Formen an. Dazu gesellte sich
ein Misstrauen, welches ihn häufig veranlasste, dort, w^o lediglich ein auf ab-
2 2 Fürst Bismarck.
weichende Ansichten gegründeter Widerstand vorlag, ein gegen ihn gerichtetes
Complott zu sehen.
Nach Aufrichtung des deutschen Reiches wurde für B. die wichtigste
Aufgabe, gegen welche alle übrigen zeitweise zurücktraten, die Ordnung des
Verhältnisses zur Kurie und zur katholischen Geistlichkeit. Die ultramontane
Partei hatte naturgemäss das Aufblühen des protestantischen Preussen und
das Zurückweichen des katholischen Oesterreich mit grossem Bedauern ge-
sehen. Sie wurde naturgemäss der Hort eines jeden particularistischen Wider-
standes gegen B.'s Politik. Insbesondere Hess sie den Polen ihr Wohlwollen
zu Gute kommen. Es fugte sich, dass derjenige Ultramontane, der durch sein
Talent berufen war, allmählich zum Führer der Partei aufzusteigen, Windt-
horst, ein ehemaliger hannoverscher Minister, der Vertrauensmann des Königs
Georg, mit einem Worte ein Weife war. Weifische und polnische Be-
strebungen aber hielt B. für besonders gefährlich.
Dass das vaticanische Concil im Jahre 1870 das Dogma von der Un-
fehlbarkeit des Papstes annahm, hatte B. für eine innere Angelegenheit der
katholischen Kirche angesehen und den Anregungen widerstanden, sich pro-
testirend in die Angelegenheit zu mischen. Als derjenige Tag, an welchem
der Keim zu dem Ereignisse gelegt wurde, dem man den Namen des Cultur-
kampfes beigelegt hat, ist wohl der 30. März 1871 anzusehen. Der Reichs-
tag hatte in einer an den Kaiser beschlossenen Adresse den Satz aufgenommen,
die Tage der Einmischung in das innere Leben anderer Völker möchten
unter keinem Vorwande und in keiner Form wiederkehren. Die ultramontane
Partei, jetzt Centrum genannt, widersprach diesem Satze; sie wollte sich den
Weg offen halten, vom deutschen Reiche Schritte zur Wiedereinsetzung des
Papstes in seine weltliche Herrschaft zu verlangen. Der erste Conflict brach
dadurch aus, dass ein katholischer Gymnasiallehrer, der sich weigerte, das
Unfehlbarkeitsdogma anzuerkennen, mit dem grossen Bann belegt wurde, und
dass der Minister ihn nun in seiner staatlichen Stellung als Schulrath schützte,
als der Clerus dessen Entfernung verlangte. Die erste Kampfmassregel,
welche der Staat am 8. Juli 1871 verhängte, war die, dass die aus Katho-
liken bestehende besondere Abtheilung des Cultusministeriums aufgehoben
wurde, welche die äusseren Angelegenheiten der katholischen Kirche be-
arbeitete, und dass in Zukunft die Angelegenheiten beider Kirchen gemein-
sam in derselben Abtheilung bearbeitet wurden. Diese katholische Abtheilung
war keine alte preussische Einrichtung, sondern erst im Jahre 1841 durch
Friedrich Wilhelm IV. geschaffen worden und in ihrer Aufhebung konnte eine
gegen die katholische Kirche gerichtete Rechtsverletzung nicht erblickt werden.
Die ultramontane Partei führte indessen über diese Massregel heftige Be-
schwerde, behauptete, die Katholiken würden in ungerechter Weise benach-
theiligt, und B. erwiderte darauf, dass er in der Bildung des Centrums unter
Windthorsts Führung eine Mobilmachung der Katholiken gegen den Staat er-
blickt habe.
Die zweite Massregel, welche B. anordnete, war der Erlass eines Schul-
aufsich tsgesetzes, welches den Grundsatz zur Durchführung brachte, dass
Jedermann, der in der Schulaufsicht thätig ist, nur im Namen des Staates
handelt und vom Staate zu berufen ist. Dieses Gesetz wird von B. selbst
mit Lebhaftigkeit vertheidigt, der darauf hinwies, dass geistliche Schul-
inspectoren in der Provinz Posen der Ausbreitung der deutschen Sprache
Schwierigkeiten in den Weg gelegt hatten. Da indessen die conservative
Fürst Bismarck.
23
Partei diesem Gesetze feindselig gegenüberstand, konnte der politisch und
kirchlich hochconservative Minister von Mühler, der sich allerdings dazu be-
quemt hatte, das Gesetz vorzulegen, nicht für den geeigneten Mann erachtet
werden, es durchzuführen. Er wurde am 22. Januar 1872 durch den kirch-
lich liberalen, politisch gemässigten Falk ersetzt, dem B. von da ab die
Kirchenpolitik im Wesentlichen zu selbstständiger Bearbeitung überliess. Er
selbst vertrat in wiederholten Reden in sämmtlichen politischen Körper-
schaften die Forderung, dass die Kirche sich den Staatsgesetzen unterw'erfe,
und versicherte, dass »wir nicht nach Canossa gehen werden«, betheiligte sich
aber nicht an der Einzelberathung der von Falk eingebrachten Maigesetze.
Immerhin galt er als der Träger des zwischen Staat und Kirche aus-
gebrochenen Kampfes; am 13. Mai 1874 führte ein katholischer Böttcher-
geselle, namens Kullmann, in Kissingen einen Mordanschlag auf ihn aus und
verwundete ihn leicht an der Hand. Bei seiner Vernehmung rechtfertigte
er sein Unternehmen mit dem Hinweis auf seine Angehörigkeit zu dem
Centrum und auf die feindselige Stimmung, die zwischen diesem und dem
Fürsten bestehe. Dies veranlasste B. zu dem herben Vorwurf, dass dieser
Mann an den Rockschössen des Centrums hänge.
Von den Ministern, welche B. in der Zeit des Conflicts zur Seite ge-
standen hatten, hatte Graf Friedrich Eulenburg, der Minister des Innern den
Wunsch, jetzt, nachdem der Conflict beendigt war, durch gesetzgeberische
Reformen sich einen guten Namen zu schaffen und brachte den Entwurf
einer Kreisordnung ein, den er denn auch, nachdem im Herrenhause ein
Pairsschub erfolgt war, zur Annahme brachte. B. war nicht mit dem Herzen
bei der Sache, Hess ihn indessen gewähren.
Im Reichstage krönte Delbrück die von ihm begonnene wirthschaftliche
Gesetzgebung dadurch, dass er das Bank- und das Münzgesetz zur Annahme
brachte.
Während so Falk, Eulenburg, Delbrück gesetzgeberisch vorgingen, war
die Theilnahme B.'s an den inneren Angelegenheiten so schwach geworden,
dass er am 21. December 1872 von dem Amte des Ministerpräsidenten zurück-
trat, das seinem Freunde, dem Kriegsminister von Roon übertragen wurde.
Das Amt eines Ministers der auswärtigen Angelegenheiten behielt er bei, und
als Roon am 9. December 1873 sich aus dem Dienste ganz zurückzog,
wurde B. wieder Ministerpräsident. Die auswärtigen Angelegenheiten nahmen
indessen fortgesetzt seine angestrengteste Aufmerksamkeit in Anspruch. Es
war ihm gelungen, zu Oesterreich wieder freundliche Beziehungen herzustellen,
nachdem Beust aufgehört hatte, Minister zu sein. Im September 1872 fand
in Berlin die Zusammenkunft der Kaiser von Oesterreich und von Russland
mit dem deutschen Kaiser statt und das freundschaftliche Verhältniss der drei
Kaiser hat dann einige Jahre lang die europäische Politik beherrscht.
Die Vorgänge in Frankreich mussten mit besonderer Aufmerksamkeit be-
obachtet werden. Seit Thiers gestürzt und durch Mac Mahon ersetzt war,
musste mit der Möglichkeit eines monarchischen Staatsstreiches in Frankreich
gerechnet werden. Der deutsche Botschafter in Paris, Graf Harry Arnim,
der sich für eine dem Fürsten B. ebenbürtige Kraft hielt, war einer solchen
Wendung der Dinge zugeneigt, während B. von der Ansicht ausging, dass die
Erhaltung der Republik im deutschen Interesse liege; da Arnim fortdauernd
Versuche machte, die Politik seines Vorgesetzten zu kreuzen, wurde er von
seinem Posten abberufen. Als sich herausstellte, dass er einige Actenstücke,
24 Fürst Bismarck.
die er für sein persönliches Eigenthum hielt und die B. als Staatseigenthum
in Anspruch nahm, nicht zur Registratur abgeliefert hatte, wurde gegen ihn
Anklage wegen Vergehen im Amte erhoben und er zu einer Gefangnissstrafe
verurtheilt. Arnim vertheidigte sich durch einen Brochurenkrieg, und da er
hier Staatsgeheimnisse verrathen haben sollte, wurde gegen ihn Anklage wegen
Landesverraths erhoben, und er, der krank und flüchtig w^ar, in contumaciam,
d. h. lediglich auf die Anklage hin und ohne Beweisaufnahme, zu längerer
Zuchthausstrafe verurtheilt. Er ist bald im Auslande gestorben. Heute be-
steht kein Zweifel mehr darüber, und es ist durch B.'s eigenes Zugeständniss
belegt, dass zwar Graf Arnim sich verfehlt hat, dass aber die gegen ihn
unternommenen Schritte über das rechte Mass hinausgegangen sind.
Inzwischen hatte sich bei einem Theile der conservativen Partei ein sehr
erheblicher Groll gegen B. angesammelt. Selbst Roon hatte die Gründe nie
verstanden, die B. bestimmt hatten, sich mit der nationalliberalen Partei
freundlich zu stellen, und hegte längst den Wunsch, die conservative Fahne
ofifen aufzuziehen. Einige Conservative nahmen Anstoss an dem Schul-
aufsich tsgesetz, andere an der Kreisordnung des Grafen Eulenburg, andere
an den wirthschaftlichen Gesetzen Delbrücks, viele an allen drei Punkten zu-
gleich. Die Freunde und Vettern des Grafen Arnim ärgerten sich über die
Verfolgung, die gegen diesen stattgefunden hatte. Aus solchen Stimmungen
ging (ganz abgesehen von unerhörten Verdächtigungen in Winkelblättem)
eine Reihe von Schmähartikeln hervor, die die Kreuzzeitung veröffent-
lichte, und die in vorsichtigen Wendungen gegen B. den Vorwurf erhoben,
dass er im Verein mit dem Finanzminister Camphausen und dem Banquier
Bleichröder sich an Ereignissen betheiligt hätte, in denen eine starke Cor-
ruption zu Tage getreten war. B. wurde in heftigen Zorn gegen die Kreuz-
zeitung und die Deklarantenpartei versetzt, aber diejenigen, welche ihn an-
gegriffen hatten, ahnten nicht, dass B. in dieser Zeit schon mit dem Ge-
danken beschäftigt sei, wie er die Bahnen verlassen könne, auf denen er
bisher gemeinsam mit den Liberalen gewandelt sei.
Am 25. April 1876 wurde die Welt durch die Nachricht überrascht, der
Präsident des Reichskanzleramts Delbrück habe seine Entlassung nachgesucht
und erhalten. Gesundheitsrücksichten wurden als Gründe dieses Schritts an-
gegeben und Fürst B. versicherte selbst, keine anderen Gründe zu kennen.
Indessen zeigte der weitere Verlauf den >vahren Zusammenhang. B. hatte
wirthschaftspolitische Pläne gefasst, die sich mit Delbrücks Ueberzeugungen
durchaus nicht vertrugen. Dieser wollte weder seine Ueberzeugungen ver-
leugnen, noch den aussichtslosen Versuch unternehmen, dem Fürsten B. ent-
gegenzutreten und zog vor, aus der politischen Laufbahn abzutreten.
B. war längst im Stillen unzufrieden mit allem, was auf dem Gebiete
der inneren Politik geschehen war; er war nur noch nicht mit sich einig ge-
worden, was er an dessen Stelle setzen solle. Er war unzufrieden mit der
Verwaltungsreform des Grafen Eulenburg. Dieser musste im Jahre 1877 vom
Platze weichen, und als darauf dessen Vetter, Graf Botho Eulenburg, dessen
Werk mit einigen Modificarionen fortsetzte, musste auch dieser das Feld
räumen, nachdem er in einem sehr dramatischen Auftritt im Herrenhause
durch einen Rath B.'s desavouirt war.
Er war unzufrieden mit der Haltung Falks, theils weil dieser mit dem
Bestreben, den Clerus zur Unterwerfung zu bringen, keinen Erfolg gehabt
Fürst Bismarck.
25
hatte, theils auch, weil es zu Falks System gehört hatte, die Civilehe einzu-
führen, die für B. nicht angenehm war.
Vor allen Dingen war er aber gründlich unzufrieden mit Delbrück. Er
sah in der wirthschaftlichen Freiheit, welche allen Schöpfungen Delbrücks
zu Grunde lag, eine Schwächung der Staatsgewalt, und er wollte die Staats-
gewalt kräftig, thätig haben, wollte dass der Staat, das Reich dazu beitrage,
die Menschen glücklich zu machen, und dass diese nicht auf die eigne Kraft
angewiesen würden.
Der erste Gedanke, in welchem sich seine wirthschaftliche Richtung
äusserte, die hinfort an Stelle der Delbrück 'sehen Wirthschaftspolitik trat,
war der, sämmtliche Eisenbahnen für das Reich zu erwerben. Die unver-
meidlichen Misstände, die im Eisenbahnwesen hervorgetreten waren, veran-
lassten ihn, dem System der Privatbahnen Vorwürfe zu machen und die
Hoffnung zu nähren, dass das Reich die Eisenbahnen in einer Weise ver-
walten könne, welche jeden Grund zur Unzufriedenheit beseitigt. Indessen
stiess er hier auf Widerstand der Mittelstaaten, welche sich ihre Eisenbahnen
nicht nehmen lassen wollten. Und als er sich darauf beschränkte, Gesetz-
entwürfe aufzustellen, welche dem Reiche eine erweiterte Aufsichtsgewalt
über die Eisenbahnen verleihen wollten, stellten sich dieselben Schwierig-
keiten ein.
Die Jahre 1876 und 1877 flössen ziemlich ereignisslos dahin; die Reichs-
politik war auf einen todten Strang gerathen. Die parlamentarischen Sessionen
würden fast ganz ereignisslos vorübergegangen sein, wenn nicht eine längst vor-
bereitete Reform zur Reife gekommen wäre, bei welcher der politische Gegen-
satz einigermassen zurücktrat. Es war eine gemeinsame Gerichtsverfassung
für Deutschland nebst Civilprocessordnung, Strafprocessordnung und Concurs-
ordnung ausgearbeitet worden, die in der Herbstsession 1876 des Reichstages
angenommen wurde. Einige Beschlüsse, die auf Andrängen der liberalen Partei
gefasst waren, mussten auf B.'s entschiedenen Widerspruch wieder zurück-
genommen werden.
Im Landtage war ein wichtiger Gesetzentwurf, den Graf Eulenburg zur
Ergänzung der Verwaltungsreform eingebracht hatte, liegen geblieben.
B. machte nun den Versuch, die Politik wieder fruchtbarer zu gestalten
dadurch, dass er den Führer der Mehrheit in der Volksvertretung, Rudolf
von Bennigsen, den Chef der nationalliberalen Partei, näher an sich fesseln
und in das Ministerium ziehen wollte. Er hatte ihn Weihnachten 1877 zu
sich nach Varzin eingeladen und conferirte dort mit ihm. Bennigsen beharrte
darauf, nicht allein in das Ministerium einzutreten, sondern verlangte, dass
zwei andere Nationalliberale, Stauffenberg und Forckenbeck, gleichfalls er-
nannt würden. An dieser Vorfrage scheiterte die Verständigung. Wenn auch
B. die Verhandlungen mit Bennigsen nicht abbrach, so berichtete er doch dem
Kaiser, dass sie ergebnisslos geblieben seien.
Die Frage, ob eine Grundlage für die materielle Verständigung zwischen
B. und den Nationalliberalen gefunden werden könne, scheint in Varzin noch
gar nicht zur Erörterung gekommen zu sein. Als einige Wochen später
Fürst B. im Reichstage erklärte, das Tabaksmonopol sei sein Ideal, musste
Bennigsen erkennen, dass es ihm wohl unmöglich gewesen sein würde, an B.'s
Seite zu wirken.
Eine Vorlage auf Erhöhung der Tabaksteuer, welche der Finanzminister
Camphausen gemacht hatte, um den Ideen B.'s entgegenzukommen, genügte
2 0 Fürst Bismarck.
weder dessen Ansprüchen, noch fand sie den Beifall der liberalen Partei und
führte zum Rücktritte Camphausens, des einzigen Ministers, dessen Gedanken-
kreis mit dem der liberalen Partei noch Berührungspunkte hatte. So war die
herrschende Verwirrung noch mehr gesteigert, zumal B. in der nächsten Zeit
für Camphausen keinen passenden Ersatz finden konnte und sich zweimal in
der Auswahl eines Finanzministers stark vergriff.
Jetzt traten nun fast gleichzeitig zwei Ereignisse ein, welche dem
Fürsten B. erleichterten, einen vollständigen Umschwung in seiner Politik vor-
zubereiten, der Tod Pius IX und die beiden Mordangriffe gegen Kaiser
Wilhelm. Pius IX starb am 6. Februar 1878. Er hatte sich stets bemüht,
dem Kampfe zwischen Staat und Kirche die möglichste Schärfe zu geben.
Seine Charaktereigenthümlichkeiten hätten jedem Versuche zu einem Aus-
gleich, zur Versöhnung, im Wege gestanden. Mit seinem Nachfolger konnte
man wenigstens den Versuch anstellen, durch gegenseitige fortschreitende
Nachgiebigkeit zu einem Ausgleich zu gelangen, bei welchem der Anschein
vermieden wurde, als hätte ein Theil sich dem anderen bedingungslos unter-
worfen. Solche Versuche wurden in vorsichtiger, tastender Weise angestellt,
ohne schnell zu einem Resultat zu fuhren.
Am II. Mai 1878 schoss ein verkommener Bursche, namens Hoedel, in
Berlin auf den Kaiser Wilhelm, ohne ihn zu verletzen. B., der sich in
Friedrichsruh befand, telegraphirte von dort her, es sollten Massregeln gegen
die Socialdemokratie getroffen werden. Ein Zusammenhang zwischen Hoedel
und der socialdemokratischen Partei war freilich nicht festzustellen. Hoedel
selbst hatte sich als Anarchist bekannt, hatte aber doch auch mit Conven-
tikeln, die einen christlich-socialen Charakter zur Schau trugen, in Verbindung
gestanden. Andererseits war freilich nicht zu verkennen, dass die social-
demokratische Presse eine masslose Sprache führte, die auf unklare Köpfe
eine sehr schädliche Wirkung ausüben musste.
Schon nach einigen Tagen wurde ein Gesetzentwurf im Reichstage ein-
gebracht, der der Regierung discretionäre Befugnisse gegen social demokratische
Presse und Vereine gab. Der Reichstag lehnte ihn ab, hauptsächlich aus
dem Grunde, weil dieser Gesetzentwurf übereilt ausgearbeit war und viele
Schwächen aufwies. Am 2. Juni 1878 erfolgte ein zweiter Mordangriff auf
Kaiser Wilhelm, der zu einer schweren Verwundung führte, die das Leben
des Kaisers lange Zeit in^ Gefahr schweben Hess. Bei dem Urheber dieses
Angriffes, namens Nobiling, war ein Zusammenhang mit der socialdemokra-
tischen Partei noch weniger nachzuweisen, als bei Hoedel; er war ein miss-
rathener Sohn aus guter Familie, dem der Versuch missglückt war, sich eine
Existenz zu schaffen.
B. wartete nun nicht ab, ob der Reichstag unter den veränderten Um-
ständen bereit sein würde, einen neuen Entwurf zu einem Socialistengesetz
anzunehmen, sondern empfahl auf die erste Nachricht von diesem erneuerten
Mordanfall hin, den Reichstag aufzulösen und drang mit diesem Vorschlage
durch.
Ganz unzweifelhaft war es seine Absicht, eine vollständig veränderte Zu-
sammensetzung des Reichstages herbeizuführen. Seit zehn Jahren war das
Verhältniss so gewesen, dass die nationalliberale Partei stets das Zünglein an
der Wage in der Hand hielt. Sie konnte mit den Conservativen zusammen eine
Mehrheit gegen die Fortschrittspartei oder mit der Fortschrittspartei eine
Mehrheit gegen die Conservativen bilden. Das Centrum, welches sich stets
Fürst Bismarck. 27
in der Opposition befand, konnte doch dieser die Mehrheit nicht verschaffen.
Nun hatte freilich die nationalliberale Partei sich in allen wichtigen Punkten
dem nachdrücklich ausgesprochenen Wunsche des Fürsten stets getügt, aber
oft erst nach harten Kämpfen, »zwischen der zweiten und dritten Lesung«.
Und dieses Verhältniss hatte ihn endlich ungeduldig gemacht; er ersehnte
sich die Möglichkeit, eine Mehrheit auch ohne die Nationalliberalen zu haben.
Dazu konnte ihm das Centrum verhelfen, wenn er ihm einerseits in kirchen-
politischer Beziehung entgegenkam, und andererseits auf nicht kirchlichem
Gebiete Vorschläge machte, fiir welche er bei den Mitgliedern des Centrums
grössere Geneigtheit erhoffen durfte, als bei den Nationalliberalen.
Die Neuwahlen vom 30. Juli 1878 vernichteten die ausschlaggebende
Stellung der National liberalen im Reichstage; im folgenden Jahre ging sie
auch im Abgeordnetenhause zu Grunde, ohne jemals wieder hergestellt zu
w^erden.
Der neugewählte Reichstag nahm das von der Regierung ihm vorgelegte
Gesetz, betreffend die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokratie,
an und wurde alsdann entlassen.
Inzwischen waren nun die neuen politischen und wirthschaftspolitischen
Ansichten des Fürsten B., mit denen er sich Jahre lang im Stillen getragen
hatte, gereift und fanden ihren concentrir testen Ausdruck in einem Schreiben
an den Bundesrath vom 15. December 1878, dem sogenannten Weihnachtsbrief.
Der Gesichtspunkt, der für ihn in der ersten Linie stand, war die Ver-
mehrung der Mittel des Reiches. Zu einem grossen Theile wurden die Be-
dürfnisse des Reichs durch Matrikularbeiträge aufgebracht, die von den ein-
zelnen Staaten eingezogen wurden. Das sollte aufhören; das Rei6h sollte
seine Mittel selbst aufbringen. Es sollte sie aber nicht in knappem Masse
aufbringen, sondern sie sollten ihm so reichlich zufliessen, dass, falls Bedürf-
nisse geltend gemacht wurden, triumphirend darauf hingewiesen werden
konnte, das Geld sei da. Die Stärke der Regierung gegenüber dem Parla-
ment beruht darin, dass die Geldbewilligungsmacht des Parlaments nie fühl-
bar ^"ird.
Das nächste Mittel, um dem Reich erhöhte Einnahmen zu verschaffen,
war die Erhöhung der Zölle, also die Preisgebung des Freihandelssystems,
die Rückkehr zum Schutzzoll, mit der Massgabe, dass auch die landwirth-
schaftlichen Erzeugnisse der Zollpfiicht unterliegen.
Ursprünglich hatte B. einen Plan in Reden angedeutet und in Zeitungs-
artikeln durch Lothar Bucher genauer ausfuhren lassen, nach welchem ein
ganz neues System der Zölle in das Leben gerufen werden sollte. Alle
Waaren ohne Ausnahme sollten zollpflichtig sein; alle sollten einem Werth-
zoU von der gleichen procentualen Höhe unterliegen. Doch er liess diesen
Gedanken sehr bald fallen und Herr von Varnbüler, der frühere württem-
bergische Minister und Preussenfeind, erhielt den Auftrag, einen neuen Zoll-
tarif auszuarbeiten, und erfüllte diesen Auftrag zwar zu B.'s Zufriedenheit,
aber doch nach dem Schema, das in Deutschland von jeher üblich ge-
w^esen war.
Um die freudige Mitarbeit des Centrums für diesen Zolltarif zu gewinnen,
war es nothwendig, dass Falk von seinem Amte zurücktrat und einem Minister
Platz machte, der durch seine Antecedentien nicht verhindert war, die kirchen-
politischen Gesetze, die in den letzten Jahren erlassen waren, rückgängig zu
machen. Die Verhandlungen, die inzwischen durch verschiedene Cardinäle
28 Fürst Bismarck.
mit der römischen Curie gepflogen waren, Hessen erkennen, dass es möglich
sein würde, mit dem Papst Leo zu einer Verständigung zu gelangen.
Falks Stellung dem Kaiser gegenüber war schon seit langer Zeit eine
so schwierige geworden, dass es sich fiir ihn von selbst verstand, seinen Ab-
schied einzureichen, sobald er empfand, dass er damit dem Fürsten B. ge-
fällig sei.
So wurde denn im Juli 1879 ^^^ neue Zolltarif berathen und an-
genommen. Windthorst fungirte als Referent; der zweite Führer des Centrums,
Freiherr von Franckenstein, brachte einen Antrag ein, der gewisse »constitu-
tionelle und föderalistische Garantieen« forderte und von der Regierung gern
genehmigt wurde. Forckenbeck räumte den Präsidentenstuhl des Reichstages,
der seither nie wieder mit einem Liberalen besetzt wurde. Das Präsidium
ging in conservative Hände über, um später dem Centrum zuzufallen. So
gründlich hatten sich alle Verhältnisse geändert.
"Während auf dem Gebiete der inneren Politik sich dieser wichtige Um-
schwung vollzog, waren auch auf dem Gebiete der auswärtigen Politik be-
deutende Dinge vorgegangen. Auf dem Balkan war es zum Kriege zwischen
Russland und der Türkei gekommen ; nach manchen Wechselfällen war Russ-
land siegreich geblieben und versuchte nun der Türkei Friedensbedingungen
zu diktiren, welche in England Anstoss erregten. B. zeigte sich als »ehrlicher
Makler <., um den Frieden aufrecht zu erhalten, gab Anlass, dass der Berliner
Congress vom 13. Juni bis 13. Juli 1878 zusammentrat und präsidirte diesem.
Das Ergebniss dieses Congresses gereichte dem russischen Kanzler Gortschakoft
zur höchsten Unzufriedenheit und er gab dem Fürsten B. Schuld, dass dieser
die rus^schen Forderungen zu Falle gebracht habe. Wenige Jahre vorher
hatte Gortschakoff bereits der preussischen Politik dadurch geschadet, dass
er in völlig unbegründeter Weise die Nachricht verbreitete, lediglich sein
Einschreiten habe es verhütet, dass Deutschland Frankreich mit einem
kriegerischen Einfall überrascht habe. B. selbst bezeichnet das Verhalten
GortschakofFs als ein unehrliches, aus Eitelkeit und Neid entspringendes.
Immerhin trug dasselbe dazu bei, das Verhältniss zwischen Russland und
Deutschland, das B. stets zu pflegen versucht hatte, zu trüben. Und als im
Jahre 1879 ^^ar Alexander an den Kaiser Wilhelm Schreiben gerichtet hatte,
aus denen versteckte Kriegsdrohungen für einen gewissen Fall herausgelesen
werden konnte, suchte B. nahen Anschluss an Oesterreich und fand dabei
das willigste Entgegenkommen des Grafen Andrassy. Er begab sich selbst
nach Wien und schloss dort einen Allianzvertrag ab, der in ganz Deutschland
mit Jubel aufgenommen wurde, zu welchem er aber die Unterschrift des
Kaisers Wilhelm erst erlangen konnte, nachdem er die Kabinetsfrage ge-
stellt hatte.
In den nun folgenden Jahren wurde der Friede zwischen dem Staate
und der katholischen Kirche allmählich hergestellt. Es ergingen zu diesem
Zwecke nach einander fünf kirchenpolitische Gesetze. Erst in den Jahren
1886 und 1887 griß" B. persönlich in den Kampf ein, um auszuführen, dass
kein staatliches Hoheitsrecht preisgegeben worden sei.
An wirthschaftspolitischen Debatten betheiligte sich B. fortan häufiger,
als früher der Fall gewesen war, stets in dem Sinne, dass er die Richtung,
die unter Delbrück verfolgt worden war, als eine verkehrte bezeichnete. Um
seinen Bestrebungen grösseren Nachdruck zu geben, übernahm er am 15. Sep-
tember 1880 das Portefeuille für Handel und Gewerbe zu seinen übrigen
Fürst Bismarck. 20
Aemtern. Die Schutzzölle wurden wiederholt verschärft, mit dem Versuche
ein umfangreiches Monopol einzuführen, scheiterte B. indessen zweimal. Im
Jahre 1882 lehnte der Reichstag mit 276 gegen 43 Stimmen das Tabaks-
monopol und im Jahre 1886 das Spiritusmonopol ab. Die Gewerbefreiheit
wurde im Einzelnen durch eine grosse Anzahl von Novellen zur Gewerbe-
ordnung beschränkt; in privaten Aeusserungen zeigte sich B. den Wünschen
der entschiedensten Zünftler zuweilen günstig, ohne indessen je eine bestimmte
Verpflichtung zu übernehmen.
Gleichzeitig mit seinem ersten Eintreten für den Erlass eines Socialisten-
gesetzes hatte B. auch angekündigt, den berechtigten Forderungen der Ar-
beiter müsse Abhülfe zu Theil werden. Man konnte gespannt sein, in welcher
Weise er dieses Wort einlösen werde. Zur Zeit des Verfassungsconflicts hatte
er Lassalle freundschaftlich empfangen und seine Agitation wohl auch in der
Hofl&iung begünstigt, dass sie der Fortschrittspartei Abbruch thun würde.
Er hatte im Jahre 1864 für unzufriedene Arbeiter in Schlesien gegen ihren
Arbeitsgeber mit der Begründung Partei genommen, dass die Könige von
Preussen nicht nur Könige der Reichen, sondern auch Könige der Armen seien.
Jetzt nun, wo es darauf ankam, ein bestimmtes socialpolitisches Programm
zu formuliren, nahm er in dasselbe die Errichtung von Hülfskassen für die
Arbeiter in Fällen der Krankheit, der Verunglückung, Altersschwäche oder
Arbeitsunfähigkeit in das Auge. Mit so grossem Eifer er dieses Ziel verfolgte,
so ablehnend verhielt er sich gegen fast alle anderen Vorschläge, die im
Interesse der Arbeiter vorgebracht wurden.
Er war kein Freund der Fabrikgesetze; den Fabrikinspektor sah er in
seinen eigenen Fabriken ungern. Beschränkungen der Frauen-, Kinder-, Nacht-,
und Sonntagsarbeit standen schon in der Gewerbeordnung. Ausdehnungen
dieser Beschränkungen waren ihm unerwünscht und in den drei letzten Jahren
seiner Amtsthätigkeit Hess er einen Gesetzentwurf, der von allen Parteien des
Hauses gebilligt wurde, dreimal an seinem Veto scheitern. Derartige Be-
schränkungen erregten, wie er behauptete, nur Unzufriedenheit. Viel näher
lag ihm der Gedanke, dass man den Arbeitern am besten helfen könne, wenn
man den Arbeitgebern so wirksam hülfe, dass sie im Stande seien, reichlich
Arbeitsgelegenheit und Lohn zu gewähren.
Den Plan aber, Hülfskassen zu gründen, verfolgte er mit grosser Beharr-
lichkeit. Im Jahre 1881 wurde ein Gesetzentwurf über die Versicherung von
Arbeitern gegen Unfälle schnell ausgearbeitet und durch den Reichstag ge-
trieben. Nachdem er vom Reichstage angenommen war, hatte B. selbst Be-
denken gegen die Zweckmässigkeit in der vorgelegten Form und die Ver-
kündigung unterblieb. In der Thronrede vom 17. November 1881 wurde
aber die Aufgabe für die nächsten Jahre dahin formulirt, das gewerbliche
Krankenwesen gleichmässig zu regeln, die Arbeiter gegen Betriebsunfälle zu
versichern -und denen, welche durch Invalidität und Alter erwerbsunfähig
werden, höhere Fürsorge zu Theil werden zu lassen. Das Krankenkassen-
versicherungsgesetz kam am 15. Juni 1883, das Unfallversicherungsgesetz am
6. Juli 1884, das Alters- und Invaliditätsgesetz am 22. Juni 1889 zu Stande.
Der hervorragende Volkswirth Schmoll er nennt die Urheberschaft dieser Ge-
setze die unsterbliche That im Leben B.'s. Eine Einstimmigkeit des Urtheils
in dieser Beziehung ist bisher noch nicht erzielt.
Zu einem vollen und schnellen Erfolge brachte es ein anderes wirth-
schaftliches Unternehmen B.'s. Sein Plan, vom Reiche aus auf eine neue
30
Fürst Bismarck.
Gestaltung des Eisenbahnwesens zu wirken, war gescheitert. Schnell ent-
schlossen setzte B. ein anderes Project an die Stelle. Er wollte die preussi-
schen Privatbahnen für den Staat en^'erben. Hauptgesichtspunkt war dabei
der, dass die Festsetzung der Tarife in die Hände des Staats fiele, der dabei
die Wünsche der einzelnen Klassen von Producenten und Consumenten nach
seinem Ermessen berücksichtigen könne. Die preussische Bureaukratie setzte,
in Aufrechterhaltung alter Traditionen, diesem Plane nachher sehr lang einen
stillen, aber zähen Widerstand entgegen, bis es B. gelang, am 31. März 1878
in Maybach einen Minister des Eisenbahnwesens zu finden, der den Willen,
die Fähigkeit und die Energie hatte, auf die Gedanken B.'s einzugehen, und
der denn auch in erstaunlich kurzer Zeit die Verstaatlichung der Eisenbahnen
durchführte.
Im Jahre 1881 betrieb B. plötzlich den Anschluss der Hansestädte
Hamburg und Bremen, die ein verfassungsmässiges Recht auf eine Freihafen-
stellung hatten, an den Zollverein. Er bedrohte Hamburg damit, die Elbe
zu sperren, die nicht zu seinem Gebiete gehöre und zwang es so schnell zur
Nachgiebigkeit. Dann aber Hess er beiden Städten reichlich Mittel von
Reichswegen bev^dlligen, die ihnen den Uebergang in die neuen Verhältnisse
erleichterten.
Vom Jahre 1884 wurde die Colonialpolitik in die Pläne des Fürsten B.
aufgenommen. Schon im Jahre 1880 hatte er eine Vorlage gemacht, um
dem Reiche eine Garantie zu Gunsten einer in Samoa arbeitenden Handels-
gesellschaft aufzuerlegen. Diese Vorlage hatte noch mit colonialen Plänen
nicht das Geringste zu thun; es war keine territoriale Erwerbung, keine
deutsche Schutzherrschaft in das Auge gefasst. Es handelte sich lediglich
um die Aufrechterhaltung einiger geschichtlicher Unternehmungen, die übrigens
über Wasser gehalten wurden, obwohl ihnen die Reichsunterstützung versagt
wurde. Aber es konnte nicht ausbleiben, dass das pro und contra einer
Colonialpolitik gelegentlich erörtert wurde. Der Reichstag verwarf diese
Vorlage.
Inzwischen bereitete sich eine lebhafte litterarische Bewegung für die
Erwerbung von Colonieen durch Deutschland vor. Einige hanseatische Kauf-
leute, die an der afrikanischen Westküste in Gegenden, die noch von keinem
anderen Culturstaate in Besitz genommen worden waren, Niederlassungen be-
gründet hatten, verlangten den Schutz des deutschen Reiches.
B. erklärte, dass er für Colonien und Colonialpolitik keineswegs be-
geistert sei, dass er indessen kein Recht zu haben glaube, seinen Schutz
deutschen Reichsangehörigen zu versagen. Er entwickelte seine Ansichten
dahin, dass es in erster Linie die Aufgabe der Kaufleute, der »Königlichen
Kaufleute« sei, die Colonien zu verwalten, und dass der Staat nur seinen
Schutz zu spenden habe. Thatsächlich kommen aber die für die Colonien
getroffenert Einrichtungen darauf hinaus, dass eine Verwaltung nach ziemlich
bureaukratischem Schema eingerichtet wird. Was Kamerun, Togo und Süd-
westafrika anbelangt, so ist es richtig, dass der Kaufmann sich dort früher
ansässig gemacht hatte, als der Beamte. Dagegen wird man in der Annahme
nicht fehl gehen, dass Deutsch-Ostafrika und Neu-Guinea auf eine directe An-
regung B.'s hin besiedelt worden sind.
Im Anschluss an die Colonialpolitik kam eine Einrichtung zu Stande, der
zufolge Postdampfer nach Afrika, Ostasien und Australien eine Unterstützung
aus Reichsmitteln erhielten. Auch die Karolineninseln sollten theilweise als
Fürst Bismarck. ^l
deutsche Colonien in Besitz genommen werden ; das führte indessen zu einem
entrüsteten Proteste Spaniens, welches ältere Rechte an den Karolinen zu
besitzen vermeinte. B. hatte nicht die Absicht, es zu einem ernsthaften Kon-
flikte mit Spanien kommen zu lassen. Er schlug vor, den Papst als Schieds-
richter in dieser Frage anzunehmen, in der sicheren, durch den Erfolg be-
stätigten Aussicht, dass dessen Spruch zu Ungunsten Deutschlands fallen würde.
Die letzte Gruppe von Gesetzen, zu denen Bismarck die Initiative ergriff,
waren die Polengesetze im Jahre 1886. Seit seinem ersten politischen Auf-
treten hatte B. stets an der Ueberzeugung festgehalten, dass alle unlauteren
Ansprüche der Polen mit grosser Strenge unterdrückt werden müssten. Er
machte den Vorschlag, dass hundert Millionen Mark verwendet werden sollten,
um polnische Güter anzukaufen und sie mit deutschen Bauern zu besiedeln.
Er drang auch mit diesem Vorschlage durch; es schlössen sich einige andere
Cresetze an, betreffend Einrichtung von deutschen Fortbildungsschulen in der
Provinz Posen und Aehnliches.
Am I. April 1885 hatte B. seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert und
ungewöhnliche Ehrungen seitens des Kaisers, der Fürsten und aus der Mitte
des Volkes erhalten. Aus einer Sammlung, die veranstaltet worden war, wurde
Schönhausen, das alte Stammgut der B. 'sehen Familie, das nach dem Tode
des Vaters hatte veräussert werden müssen, wieder angekauft und dem Fürsten
tibergeben. Eine Summe von 1 74 Million Mark wurde ihm zur Verwendung
für gemeinnützige Zwecke überreicht, und er begründete damit eine Stiftung
zur Unterstützung von Kandidaten des höheren Lehrfachs. Die zweite Hälfte
des Jahres 1886 brachte über Europa mancherlei Unruhen. Deutschland
konnte denselben ohne grössere Besorgnisse entgegen sehen. Das Verhältniss
zu Oesterreich war unverändert ein inniges geblieben; im Jahre 1883 hatte
sich Italien angeschlossen und so war der Dreibund zu Stande gekommen.
Der italienische Ministerpräsident Crispi hatte sich als eine besondere Stütze
dieses Dreibundes gezeigt und seiner Verehrung und Freundschaft fiir B. da-
durch Ausdruck gegeben, dass er ihm wiederholt in Friedrichsruhe Besuche
abstattete. Trotzdem blieb B. in jeder Weise bemüht, ein gutes Verhältniss
zu Russland aufrecht zu erhalten. Wie es mit den russenfreundlichen Schritten
und Gesinnungen B.'s, auf die er selbst wiederholt nachdrücklich hingewiesen
hat, zu vereinigen ist, dass er der Reichsbank untersagte, russische Papiere
zu lombardiren, ist bisher nicht aufgeklärt. Jedenfalls zeigte sich seine gute
Gesinnung für Russland im hellsten Lichte, als am 20. August 1886 der Fürst
Alexander von Bulgarien vertrieben und zum Rücktritt veranlasst wurde. Die
officiöse Presse stellte sich nicht allein sachlich auf die Seite der Gegner des
Bulgarenfürsten, sondern wollte ihm auch keine menschliche Theilnahme zu-
billigen.
Ein anderes Ereigniss, welches in das Jahr 1886 fällt, ist die Uebemahme
des französischen Kriegsministeriums durch den General Boulanger, der kaum
ein Geheimniss daraus machte, dass er auf einen Krieg mit Deutschland hinarbeite.
Dem Reichstage wurde bei seinem Zusammentritt im Spätherbst eine Vorlage
gemacht, durch welche eine erhebliche Vermehrung der Friedenspräsenzstärke
für einen siebenjährigen Zeitraum gefordert wurde. Der Reichstag war bereit,
>jeden Mann und jeden Groschen« auf die Zeit von drei Jahren zu bewilligen.
B. erklärte indessen, an der Forderung für sieben Jahre müsse festgehalten
werden, damit der Wille des Reichstages nicht über den Willen des Kaisers
gesetzt werde. Da der Reichstag dabei blieb, das Septennat abzulehnen, wurde
32
Fürst Bismarck.
er aufgelöst. Für die Neuwahlen schlössen Conservative und Nationalliberale
ein Kartell mit einander ab, welches die Folge hatte, dass sie zusammen eine
Mehrheit bildeten, gegen welche das Centrum nicht aufkommen konnte.
Auf den Ausfall der Wahlen hatte die w^eit verbreitete Besorgniss mit
eingewirkt, dass es zu einem kriegerischen Zusammenstosse mit Frankreich
kommen w^erde. Nach dem Ausfall der Wahlen zerstreuten sich die Besorg-
nisse sehr schnell. Der Umstand, dass ein französischer Polizeibeamter, der
sich in landesverräthische Umtriebe gegen Deutschland eingelassen hatte,
auf deutschem Boden verhaftet wurde, hätte wohl einen Conflict herbei-
führen können, wenn nicht B. ihm den völkerrechtlichen Satz hätte zu Gute
kommen lassen, dass ein Beamter unter Umständen auf dem Boden des
Nachbarstaates die Wohlthat des freien Geleits geniesst.
Noch blieb als ein beklemmender Umstand die Thatsache zurück, dass
der w^ortkarge menschenscheue Czar Alexander ein heftiges Misstrauen gegen
Deutschland zur Schau trug. Bei einer persönlichen Zusammenkunft in Berlin
gelang es B. indessen, dieses Misstrauen zu zerstreuen, indem er den Beweis
führte, dass der Czar durch gefälschte Depeschen über die Haltung der deut-
schen Politik getäuscht sei.
In der darauf folgenden Session wurde ein Gesetz vorgelegt, welches die
Wehrpflicht ausdehnte und B. rechtfertigte es am 6. Februar 1888 in einer
Rede, die vielleicht die bedeutendste ist, die er je gehalten hat. In einem
historischen Rückblicke auf vierzig Jahre setzte er auseinander, dass Kriegs-
gefahr eigentlich in jedem Augenblicke vorhanden ist, dass aber diese Gefahr
in den meisten Fällen überwunden werden kann. Nicht die augenblickliche
Gefahr, sondern die allgemeine Lage Europas dränge dazu, den Schatz von
Wehrkraft, der im Volke liegt, nutzbar zu machen. »Wir Deutschen furchten
Gott und sonst Niemand«.
Am 9. März starb Kaiser Wilhelm, 91 Jahre alt; ihm folgte Kaiser
Friedrich, 56 Jahre alt, als schon ein dem Tode verfallener Mann. Er litt
am Kehlkopfkrebs; ein Luftröhrenschnitt hatte ihm die Möglichkeit gegeben,
Athem zu holen, aber ihn der tönenden Stimme beraubt. Er weilte an der
Küste des mittelländischen Meeres, machte sich aber sofort durch tiefen Schnee
auf die Reise, um seiner Monarchenpflicht zu genügen.
Kaiser Friedrich hatte sich in jungen Jahren wiederholt in scharfem
Gegensatz zu B. befunden; er hatte die octroyirten Pressverordnungen von
1863 hart getadelt; er hatte sich dem Kriege mit Oesterreich widersetzt.
Andererseits hatte er sich auch B. wiederholt hülfreich erwiesen. Er hatte
bei Nikolsburg zwischen dem Kaiser und B. vermittelt. Inzwischen hatte er
sich wohl längst an den Gedanken gewöhnt, nach dem Tode seines Vaters
B. als Berather beizubehalten. Und seit seiner schweren Erkrankung konnte
ihm nicht wohl ein anderer Gedanke aufkommen. Auch die Gemahlin des
Kaisers, ehemals Prinzessin Victoria, hatte wohl einst als Gegnerin B.'s ge-
golten, aber auch sie hatte längst ihren Frieden mit ihm gemacht.
Die erste Begegnung zwischen dem neuen Kaiserpaare und dem Kanzler
hatte sich unter den freundlichsten Aspecten vollzogen. Sehr bald aber wusste
ein Theil der Presse von Conflicten zu berichten. Kaiserin Friedrich soll die
Absicht gehabt haben, ihre zweite Tochter mit dem entthronten Fürsten von
Bulgarien zu vermählen; B. soll Gegenvorstellungen gemacht und durch Ein-
reichung eines Abschiedsgesuchs unterstützt haben. Dass das Heirathsproject
bestanden hat, wird richtig sein, wenn es auch nie in amtlicher Weise be-
Fürst Bismarck.
33
städgt worden ist. Aber höchst wahrscheinlich war dieses Project schon auf-
gegeben, als die erste Kunde davon in die Oeffentlichkeit gelangte, so dass
der Anlass zu der heftigen Pressfehde, die sich entwickelte, nicht aufgeklärt
ist. Am 15. Juni beendete der Tod die Dulderlauf bahn Kaiser Friedrichs,
und B. hatte fortan dem dritten Kaiser als Minister und Reichskanzler zu
dienen.
Hier ist es nun angemessen, den Strom der geschichtlichen Mittheilungen
durch einen Blick auf B.'s Privatverhältnisse zu unterbrechen.
Aus B.'s Ehe waren drei Kinder hervorgegangen. Das älteste war eine
Tochter Marie, die, nachdem ihr ein Bräutigam gestorben, den Grafen Rantzau
heirathete. Dann folgten zwei Söhne, Herbert, der Erbe des Fürstentitels,
und Wilhelm. Beide hätten den französischen Krieg mitgemacht, bei Mars
la Tour im heftigen Feuer gestanden und Herbert war schon verwundet worden.
Beide waren dann in den Verwaltungsdienst eingetreten und waren schnell
befördert worden. Graf Herbert war mit 37 Jahren zum Staatssecretär des
auswärtigen Amtes ernannt worden, und Kaiser Friedrich hatte ihm den
Ministertitel und Sitz im Staatsministerium verliehen. Graf Wilhelm war zur
Zeit noch Landrath, aber zu baldiger Beförderung vorgemerkt. Er hatte sich
im Jahre 1885 mit der Schwestertochter seines Vaters, Sibylle von Arnim,
verheirathet.
Schon seit dem Jahre 1866 gab der Gesundheitszustands B.*s zu Besorg-
nissen Veranlassung. Noch als er im Jahre 1862 das Amt als Ministerpräsident
übernahm, erschien er als ein kerngesundes Menschenkind, dem man nach-
sagte, dass er jeder Anstrengung, auf der Jagd und bei der Tafel, gewachsen
sei. Die Anstrengungen der nächsten Jahre rüttelten stark an seinem Nerven-
system. Er hatte Sorgen und Verantwortlichkeit getragen, wie selten ein
Mensch und hatte dabei Niemanden, dem er sich ganz anvertrauen konnte.
Einen Theil seiner Pläne hielt er stets vor Jedem verborgen. Nun kam nach
dem entscheidendsten Erfolg, den er im Leben je errungen, zu Nikolsburg
die schon erwähnte Meinungsverschiedenheit mit König Wilhelm, die ihn in
solche Verzweiflung setzte, dass ihm Selbstmordgedanken nicht fern blieben.
Auch an körperlichen Anstrengungen fehlte es ihm in den Feldlagern in Böhmen
und Frankreich nicht. Körperlich äusserte sich sein Leiden hauptsächlich in
drei Formen, als Gesichtsschmerz, als Ischias und als sehr schmerzhafte Venen-
entzündung am Bein. Verhältnissmässig früh musste er darum auf das sonst
leidenschaftlich betriebene Vergnügen der Jagd verzichten.
Zu diesen körperlichen Leiden gesellte sich Schlaflosigkeit, die ihn zwang,
die Nacht in Tag zu verwandeln und seinen Mitarbeitern dasselbe Opfer
aufzuerlegen. Dass sich unter diesen Umständen eine starke Reizbarkeit bei
ihm entwickelte, die ihn zu harten Aeusserungen gegen Andersdenkende ver-
anlasste, ist erklärUch.
Dass die Behandlung der Leiden, denen er unterworfen war, wesentlich
eine diätetische sein musste, liegt auch fiir den Laien auf der Hand. Es ist
anzunehmen, dass es ihm an zutreffendem Rath nie gefehlt hat. Allein bei
diätetischen Vorschriften kommt es nicht allein darauf an, dass sie gegeben,
.sondern auch darauf, dass sie befolgt werden. Und daran fehlte es.
Am 16. Juni 1883 begab sich B. aus Anlass eines Magenkatarrhs in die
Behandlung des Dr. Ernst Schwenninger, der dem Grafen Wilhelm B. schön
erhebliche Dienste geleistet hatte, und hielt nun bis an sein Lebensende an
diesem Arzte fest, aller Einwendungen ungeachtet, die gegen dessen Persönlich-
BiogT. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. -2
34
Fürst Bismarck.
keit erhoben wurden. Die Kunst des Dr. Schwenninger bestand* wohl wesentlich
darin, dass er verstand, sich einen grossen Einfluss auf den Willen dieses
sonst so eigenwiUigen Mannes zu verschaffen, und seine Lebensweise bis in
das Kleine hinein zu beaufsichtigen und zu regeln. Jedenfalls ist es ihm nicht
allein gelungen, das Leben seines Patienten schmerzfreier zu gestalten, sondern
auch wohl es erheblich über dasjenige Mass hinaus zu verlängern, das
ihm sonst beschieden gewesen wäre. Sehr häufig hat B. das Bad Kissingen
besucht, auch nachdem dort der Mordanfall gegen ihn verübt war. Er lebte
dort als Gast des Königs Ludwig und seines Nachfolgers; hier wurde ihm
auch die erste Bildsäule, wenngleich aus schlechtem Metall, errichtet.
Kaiser Wilhelm II. war aufgewachsen in Bewunderung des Fürsten B.
und in Liebe zu ihm. Er hatte schon als Knabe ihn als den Mann kennen
gelernt, dem Preussen und die Dynastie HohenzoUern so Vieles zu danken
hatten. Wenn Kaiser Wilhelm I. sich nur mühsam zu den politischen Zielen
seines Rathgebers hatte belehren lassen und doch auf sein Abschiedsgesuch
einst das monumentale Wort »Niemals« geschrieben hatte; wenn Kaiser Fried-
rich als Kronprinz mit dem Einsatz seiner ganzen Stellung mit der Opposition
gegen die B.'sche Politik gemeinsame Sache gemacht hatte, und sich doch
später zu dem Entschlüsse bekehrt hatte, sich von diesem Rathgeber nicht
zu trennen, so war zu erwarten, dass der 29jährige Kaiser den 73jährigen
Kanzler bis zum Schlüsse seines Lebens gewähren lassen würde.
Niemand hat gegen diese Schlussfolgerung so früh Zweifel erhoben, als
B. selbst. Schon von dem jungen Prinzen hatte er vorher gesagt, er würde
einst sein eigener Kanzler sein; von dem jungen Kaiser äusserte er, es sei
nicht möglich, dass irgend Jemand, auch er selbst nicht, ihm imponire.
Anfänglich allerdings ging Alles vortrefflich. Ein Zwischenfall trug dazu
bei, ihn dem Kaiser noch näher zu rücken. Ein Professor Geffcken, ein klein-
staatlicher Diplomat aus der grossdeutschen Schule, hatte Gelegenheit gehabt,
einige Tagebuchblätter des Kaisers Friedrich abschriftlich in seinen Besitz zu
bringen, und hatte sie unbefugter Weise veröffentlicht.
Diese Tagebuchblätter spiegelten Stimmungen aus vergangenen Zeiten
wieder, die für die Gegenwart bedeutungslos waren; ihre Veröffentlichung
war unbequem; man kann zugeben, dass sie unzeitig war. B. kritisirte in
einem an den Kaiser gerichteten, für die Oeffentlichkeit bestimmten Bericht
den Inhalt dieser Tagebücher; er bediente sich, um diese Kritik bitterer ge-
stalten zu können, des Vorwandes, dass er ihre Echtheit bezweifelte. Er
liess Geffcken, wie einst den Grafen Arnim, wegen Landesverraths verfolgen,
konnte aber nur durchsetzen, dass er einige Monate in Untersuchungshaft
genommen, aber nicht, dass er verurtheilt wurde.
Sehr bald aber änderte sich der Zustand. Kaiser Wilhelm I. hatte es
für seine Regentenpflicht gehalten, sich die besten Rathgeber zu wählen, die
er finden konnte, ihren Rath einzuholen, ihn zu prüfen und zuweilen sehr
eindringlich zu prüfen. Selten unterliess er es, ihrem Rathe zu folgen; nie-
mals setzte er gegen ihren Rath seine eigenen Pläne durch. Kaiser Wilhelm IL
aber wollte eigene Initiative zeigen. Eine erste Verstimmung zeigte sich am
II. October 1889, als B. dem Kaiser, der mit seiner Zustimmung einen Be-
such in Petersburg beim Czaren abgestattet hatte, abrieth, diesen Besuch zu
wiederholen. Am 16. October reiste B. nach Friedrichsruh , und in den
folgenden Monaten beschäftigten den Kaiser mancherlei Pläne, über die er
mit seinem Minister zu berathschlagen wünschte. B. versäumte es, nach Berlin
Fürst Bismarck.
35
zurückzukehren, um eine Verständigung zu versuchen. Als am 24. Januar B.
nach Berlin zurückkehrte, fand er eine Lage vor, die er nicht mehr zu be-
herrschen vermochte.
Aus Anlass eines grossen Strikes der westphälischen Bergarbeiter, der im
Jahre 1889 stattgefunden hatte, hatte der Kaiser Interesse für die sociale
Frage gefasst. Er wollte eine internationale Conferenz einberufen, um den
Arbeiterschutz zu erwecken. B. widersetzte sich dem Plane, getreu seinen
alten Anschauungen, und trat zunächst von dem Amte als Handelsminister
zurück. Die kaiserlichen Erlasse, welche seine Einladung enthielten, wurden
ohne seine Gegenzeichnung vollzogen. Den letzten Anstoss zu der unaus-
bleiblich gewordenen Katastrophe gab es, dass B. am 14. März den Abgeord-
neten Windthorst auf dessen Wunsch zu einer Unterredung empfing, und der
Kaiser die Forderung geltend machte, derartige Unterredungen sollten nur
mit seiner Genehmigung stattfinden. Am 17. März Hess der Kaiser B. zwei-
mal auffordern, sein Abschiedsgesuch einzureichen, und am 18. März gab B.
dieser Aufforderung statt. Am 20. März erhielt er die nachgesuchte Ent-
lassung unter Verleihung eines Titels als Herzog von Lauenburg und Er-
nennung zum General-Obersten der Cavallerie mit dem Range eines General-
Feldmarschalls. Diese letztere Auszeichnung nahm Bismarck an. Den Titel
eines Herzogs von Lauenburg hat er nie gefuhrt; er ist erloschen, da er nicht
erblich verliehen wurde. Die amtliche Thätigkeit des Fürsten Bismarck hatte
ihr Ende erreicht. Der Eindruck des Ereignisses war ein anderer in Volks-
kreisen, als in parlamentarischen Kreisen. Als er am 29. März Berlin verliess,
begleiteten ihn stürmische Dankeshuldigungen des Volkes. Eine Anzahl von
Gemeinden ernannte ihn zum Ehrenbürger. Zahlreiche Adressen gingen ihm
zu; namentlich an seiner Geburtstagsfeier am i. April. Sein Sohn, Graf
Herbert, nahm mit ihm zugleich den Abschied. Die übrigen Minister blieben
auf ihrem Posten. Erst nach Verlauf einiger Zeit zogen sich der landwirth-
schaftliche Minister von Lucius, der Finanzminister von Scholz und der
Eisenbahnminister von Maybach zurück.
In parlamentarischen Kreisen nahm man den Rücktritt B.'s als eine un-
vermeidlich gewordene Nothwendigkeit hin. Selbst die conservative Fraktion
schloss sich von dieser Empfindung nicht aus. B. hatte sein 75stes Lebens-
jahr beendet. Es wäre sehr verkehrt, zu sagen, das sich Zeichen von Alters-
schwäche an ihm gezeigt hätten. Aber eine andere Folge des Alters war
nicht ausgeblieben; eine gewisse Verhärtung in vorgefassten Anschauungen, ein
vermindertes Vermögen, sich in Stimmungen und Anschauungen anderer Men-
schen hineinzudenken. Schon seit mehreren Jahren hatte man aus den Kreisen
seiner Gegner mehrfach die Aeusserung fallen hören: »ELs gelingt Nichts mehr«.
Seine Entiassung hat er als ein sehr bitteres Leid empfunden. Er war
seit Jahrzehnten gewöhnt, nach Aussen hin energisch zu wirken und fortan
war ihm jede Wirksamkeit unmöglich gemacht. Rath in einzelnen Fragen zu
ertheilen, den die neue Regierung als willkommen entgegen genommen haben
würde, lehnte er entschieden ab. Nach seiner Anschauung konnte er die
Verantwortlichkeit für die Ertheilung eines Rathes nur übernehmen, wenn er
zugleich die Art und Weise überwachte, wie dieser Rath ausgeführt wurde.
Mit grosser Bitterkeit und Ungerechtigkeit äusserte er sich über den
Grafen Caprivi, seinen Nachfolger, den Minister von Boetticher, der Jahre
lang sein treuster Mitarbeiter gewesen war, und den Freiherm von Marschall,
der das Staatssecretariat der auswärtigen Angelegenheiten übernahm ; den letz-
3*
j6 FUrst Bismarck.
teren Beiden machte er den unbegründeten Vor\\'urf, dass sie daran ge-
arbeitet hätten, ihn aus dem Amte zu verdrängen.
Sehr schwer empfand er es, dass die Führer der conservativen Partei
in den nächsten Monaten ihn nicht aufsuchten und ihm Gelegenheit gaben,
sich gegen ihn auszusprechen. Dafür empfing er willig die Correspondenten
amerikanischer, russischer, französischer Zeitungen und erging sich gegen sie
in Angriffen gegen den neuen Curs und die Leitung der auswärtigen Politik.
Am 23. Mai richtete Graf Caprivi an die Gesandtschaften einen Erlass, in
welchem es hiess, der Kaiser unterscheide zwischen dem Fürsten Bismarck
früher und jetzt und wollte es vermieden sehen, dass der deutschen Nation
das Bild ihres grössten Staatsmannes getrübt würde.
Mit besonderer Bitterkeit äusserte er sich in mancherlei Unterredungen
über die Politik der Handelsverträge, die vom Grafen Caprivi begonnen wurde.
Das gab Veranlassung, dass ihn die Agrarier des neunzehnten hannoverschen
Wahlkreises am 30. April 1891 zum Reichstagsabgeordneten wählten. Er
hatte sich zur Annahme der Wahl bereit erklärt, soll auch die Absicht gehabt
haben, im Reichstage zu erscheinen, hat aber von Ausführung dieser Absicht,
vielleicht auf ärztlichen Rath, Abstand genommen. Auch im Herrenhause
ist er niemals wieder erschienen, wie er sagte, weil der Aufenthalt in Berliner
Gasthöfen ihm lästig sei. Dagegen hat er sich öfter an den Verhandlungen
des lauenburgischen Kreistages in Ratzeburg betheiligt.
Am 4. Mai 1892 verlobte sich sein ältester Sohn Graf Herbert mit der
Gräfin Margarethe Hoyos aus einer ungarischen Adelsfamilie. Es war f\ir den
Fürsten B. eine besondere hohe Freude, da er aus mancherlei Anzeichen die
Befürchtung eingesogen hatte, sein Sohn würde im ehelosen Stande verbleiben.
Am 21. Juli fand in Wien die Hochzeit statt, zu welcher sich Fürst B. mit
seiner Gemahlin eingefunden hatte. Reichskanzler Graf Caprivi richtete ' an
den Wiener Botschafter Prinzen Reuss einen Erlass, worin zunächst der An-
nahme entgegen getreten wurde, als habe eine Annäherung des Fürsten B.
an den Kaiser stattgefunden; hierzu fehlte die unentbehrliche Voraussetzung,
dass der frühere Reichskanzler den ersten Schritt thue. Aber selbst wenn
eine solche Annäherung stattfinden würde, Niemand das Recht habe, an-
zunehmen, dass Fürst B. wieder auf die Leitung der Geschäfte irgend welchen
Einfluss gewonnen hätte. Der Botschafter sowohl wie das Botschaftspersonal
möchten einer etwaigen Einladung zur Hochzeit ausweichen, bei etwaiger An-
näherung des Fürsten B. aber sich auf die conventioneilen Formen beschränken.
Von diesen Weisungen mögen auch dem österreichischen Minister des Aus-
wärtigen in geeigneter Weise Mittheilung gemacht werden.
Die Wirkung dieses Erlasses bestand hauptsächlich darin, dass Kaiser
Franz Joseph es unterliess, den Fürsten zu emi)fangen. Der Botschafter Prinz
Reuss Hess sich, als B. bei ihm vorfuhr, als krank entschuldigen; seine Ge-
mahlin, eine geborene Prinzessin von Weimar, machte dagegen der F'ürstin B.
einenBesuch. Die officiellen Kreise Wiens unterliessen die gebotenen Höflichkeits-
bezeugungen nicht. Die Hochzeit vollzog sich ohne jedes Zeichen der Theil-
nahme von Seiten des Kaisers oder der officiellen Welt.
Die Wirkung dieser Erlasse war nicht diejenige, welche man er^'artet
hatte. Die Reise des Fürsten B., welche ihn auf dem Hinwege über Dresden,
auf dem Rückwege über München, Augsburg, Kissingen, Jena und Berlin
führte, gestaltete .sich zu einem Triumphzuge. Dass alle diejenigen, welche
die Handebvertragspolitik der Regierung bekämpften, in B. einen Vorkämpfer
Fürst Bismarck.
37
sahen und sich an den Huldigungen für ihn lebhaft betheiligten, versteht sich
von selbst. Aber noch viele von denen, welche die augenblickliche politische
Stellung des Fürsten nicht theilten, empfanden diese Kundgebungen, die sie
als Uriasbrief bezeichneten, schmerzlich, und missbilligten es noch mehr,
dass der Reichsanzeiger am 7. Juli die Erlasse vom 23. Mai 1890 und 9. Juni
1892 veröffentlichte. Eine Anzahl von Fackelzügen, Deputationen, öffentlichen
Festlichkeiten, Kundgebungen an allen Stationen, durch die B. fuhr, bekundeten
die grosse Verehrung, die B. genoss. Bei einigen Unterredungen, die er ge-
währte, und Ansprachen, die er öffentlich hielt, unterliess er nicht, die Mass-
regeln der Regierung und vermeintliche Unfähigkeit ihrer Vertreter scharf zu
tadeln. Das officiöse Berliner Blatt, die Norddeutsche Allgemeine Zeitung,
brachte heftige Artikel gegen ihn, und die Hamburger Nachrichten, die in-
zwischen das Sprachrohr des Fürsten geworden waren, brachten eben so
heftige Erwiderungen.
Als im Laufe des folgenden Jahres B. von Neuem Kissingen besuchte,
wurde er wiederum durch Huldigungen von Deputationen und von verschiedenen
Theilen des Reiches beehrt.
Von nun an unterblieben von Berlin aus alle Arten von Kundgebungen,
die als persönliche Angriffe hätten gedacht werden können. Man beschränkte
sich darauf, seine Angriffe unter möglichster Vermeidung der Nennung seines
Namens sachlich abzuwehren. Als im September der Fürst an einer Lungen-
entzündung schwer erkrankte, bot ihm der Kaiser eines seiner mitteldeutschen
Schlösser an, doch wurde dieses Anerbieten höflich abgelehnt.
Am 22. Januar 1894 sandte der Kaiser seinen Flügeladjutanten zur Be-
grüssung des Fürsten nach Friedrichsruh und Hess ihm eine Flasche Rhein-
wein überbringen, was beiläufig gesagt, eine alte übliche Form der Bezeugimg
des Wohlwollens Seitens der Hohenzollern war. B. erschien am 26. Januar
in Berlin, um dem Kaiser zu danken, wurde im Schlosse aufgenommen und
zum Chef des Kürassirregiments Seydlitz ernannt. Der Kaiser stattete ihm
am 19. Februar einen Gegenbesuch in Friedrichsruh ab. Ein solcher kaiser-
licher Besuch wurde noch mehrfach wiederholt. Nachdem Caprivi entlassen
war und Fürst Hohenlohe das Amt des Reichskanzlers übernommen hatte,
statteten auch Mitglieder der Regierung ihm Besuche ab.
Alle diese äusseren Formen änderten an dem Verhältnisse Nichts. B.
fuhr fort, in Gesprächen, die der Oeffentlichkeit mitgetheilt wurden, und in
Zeitungsartikeln, die er durch die Hamburger Nachrichten veröffentlichen Hess,
die Politik der Regierung heftig anzugreifen; die Regierung enthielt sich,
darauf in verletzenden Formen zu erwidern, aber auf den Gang der Politik
vermochte der Fürst keinen Einfluss zu gewinnen.
Am I. April 1895 vollendete Fürst B. sein achtzigstes Lebensjahr, und
das gab Anlass zu den höchsten Ehrenbezeugungen. Getrübt war der Tag
dadurch, dass einige Monate vorher B. seine Lebensgefährtin am 27. November
1894 verloren hatte. Der Kaiser erschien persönlich, überbrachte einen gol-
denen Pallasch als Ehrengabe und brachte unter dem Salut von Kanonen-
schüssen einen Toast aus. Zahllos waren die Deputationen, die durch eine
Reihe von Wochen empfangen wurden. Zwei Körperschaften schlössen sich
aus der Reihe der Glückwünschenden aus, die Stadtverordneten von Berlin
und der deutsche Reichstag, der mit 163 gegen 146 Stimmen eine Beglück-
wünschung B.'s ablehnte. Das Centrum, die freisinnige Volkspartei (von der
sich zuvor eine freisinnige Vereinigung abgetrennt hatte), und die Social-
^g Fürst Bismarck.
democraten bildeten den Stamm der Mehrheit. Dies gab die Veranlassung
dazu, dass der conservative Reichstagspräsident von Levetzow sein Amt nieder-
legte; das Reichstagspräsidium, das von 1867 bis 1879 ^^^ National liberalen,
von da ab bis 1895 die Conservativen geführt hatten, ging in die Hände des
Centrums über. Der Reichstag machte seine Unterlassung einigermassen da-
durch gut, dass bei der 25 jährigen Erinnerungsfeier seiner Entstehung am
21. März 1896 Fürst Hohenlohe auf den Fürsten B., als den eigentlichen
SchafFer des Reiches, einen Trinkspruch ausbrachte. Schon vorher hatten die
Erinnerungsfeiem an den Tag von Sedan, an den Tag der Kaiserproclamation
in Versailles ihm zahlreiche Ehrenbezeugungen gebracht. Als weitere Erinnerungs-
feiem folgten das 25jährige Gedächtniss an den Abschluss des Frankfurter
Friedens, der hundertjährige Geburtstag des Kaisers Wilhelm I. und das sechzig-
jährige Militärjubiläum des Fürsten B. Der Kaiser versäumte nicht, zu gratuliren
und Gnadenbeweise zu ertheilen, und Fürst B. dankte.
Noch einmal kam es zu einem ernsten Conflicte. Am 24. October 1896
machten die Hamburger Nachrichten Mittheilung von einem geheimen russisch-
deutschen Neutralitätsvertrage, den B. zur Zeit seiner Amtsführung abgeschlossen
hatte, der sechs Jahre in Gültigkeit gewesen war, im Jahre 1890 ablief, den
Russland auf drei Jahre zu verlängern sich bereit erklärt hatte, und den
Graf Caprivi zu verlängern abgelehnt hatte. Anscheinend waren die Meinungs-
verschiedenheiten über die Verlängerung dieses Vertrages ein mitwirkender
Grund zu der Verabschiedung des Fürsten B. gewesen. Offenbar handelte
es sich hier um ein schwer wiegendes Staatsgeheimniss. Die Existenz dieses
Vertrages war selbst vor der österreichischen Regierung, mit welcher Deutsch-
land in den innigsten Beziehungen lebte, geheim gehalten worden, und Fürst
B. hielt sich jetzt für berechtigt, denselben öffentlich bekannt zu machen.
Das musste um so mehr befremden, als während seiner Amtsftihrung Fürst
B. über die Pflicht der Amtsverschwiegenheit die strengsten Ansichten ge-
äussert und bethätigt hatte. Der Reichsanzeiger brachte einige Artikel, die
eine scharfe Missbilligung enthielten. Da indessen sich herausstellte, dass das
gute Verhältniss zu Oesterreich durch diese Enthüllung nicht getrübt wurde,
so wurde der Sache weitere Folge nicht gegeben.
Am 28. Juli 1898 erkrankte Fürst B. und starb am 30. desselben Monats
an einer Lungenlähmung. Nach einer später vom Dr. Schwenninger gegebenen
Aufklärung war zu seinen übrigen Leiden der Brand der Alten getreten.
Ihn überlebten seine drei Kinder und mehrere Enkel und Enkelinnen.
Am 25. September 1897 war seinem ältesten Sohne Herbert ein Sohn Otto,
ihm ein Stammhalter geboren. Zuvor waren zwei Töchter diesem Sohne
geschenkt worden, (»raf Wilhelm B. befand sich in der Stellung eines Ober-
präsidenten von Ostpreussen, der Schwiegersohn Graf Rantzau war aus dem
Staatsdienste auf seinen Wunsch ausgeschieden und durch den Excellenztitel
ausgezeichnet worden.
Der Kaiser beklagte in einem Telegramm an den nunmehrigen Fürsten
Herbert B. den Verlust von Deutschlands grossem Sohne und reiste alsbald
mit der Kaiserin selbst nach Friedrichsruh, fand aber den Sarg schon vernietet.
In einem weiteren öffentlichen Erlass pries der Kaiser den Hingeschie-
denen als den Meister der Staatskunst, den furchtlosen Kämpfer im Kriege
wie im Frieden, den hingehendsten Sohn seines Vaterlandes, den treuesten
seines Kaisers und Königs und legte im Namen der Nation das Gelübde ab,
das, was er, der grosse Kanzler unter dem Kaiser Wilhelm dem Grossen
Fürst Bismarck.
39
geschaffen hat, zu erhalten und auszubauen, und wenn es Noth thut, mit
Gut und Blut zu vertheidigen.
Die zahllosen Ehrenbezeugungen, die dem Todten zu Theil wurden, auf-
zufuhren, ist hier eben so wenig Raum, als es möglich war, der Ehrenbezeu-
gungen Erwähnung zu thun, die dem liebenden zu Theil geworden sind.
Alle Orden, über welche der preussische Staat verfügt, den Orden pour le
mdrite flir Wissenschaft und Kunst nicht ausgeschlossen, Orden deutscher
Fürsten, Orden auswärtiger Potentaten bis zum Fürsten Menelik von Aethiopien
hin, Ehrenbürgerbriefe zahlreicher Städte, Ehrendoctordiplome sämmtlicher
P'acul täten, Ehrenmitgliedschaften von Academien und anderen Körperschaften
sind ihm zu Theil geworden; an vielen Orten sind ihm Standbilder errichtet
und werden noch errichtet werden.
Seinem Wunsche gemäss ist er im Sachsenwalde in einer besonders ge-
bauten Kapelle beigesetzt; als Inschrift hat er die Worte bestimmt: Fürst
Bismarck, ein treuer Diener Kaiser Wilhelms I.
In Schönhausen hat sein Sohn ein Museum begründen lassen, in welchem
die Erinnerungszeichen an ihn aufbewahrt werden.
Das Material, welches für seine Lebensgeschichte vorliegt, war schon
zur Zeit, als er aus dem Amte schied, ein unübersehbares und mehrt sich noch
täglich in überraschender Weise. Homer, Dante, Shakespeare und Goethe,
Luther, Friedrich den Grossen und Napoleon ausgenommen, mag es keinen
Mann geben, über den so viel gedruckt worden ist. Freilich giebt es viel
Material, das noch verborgen in den Archiven liegt, und von dem die Auf-
klärung über manche Punkte zu erwarten ist. Eine Lebensgeschichte B.*s zu
schreiben, würde Bände füllen; sie kann nicht anders gedacht werden, denn
als eine Geschichte des Zeitalters, in dem er thätig war. Hier konnte Nichts
als ein knapper Auszug aus dem ungeheuren Material gegeben werden.
Derjenige Charakterzug, der am meisten in die Augen lallt, war, dass
er zu jeder Zeit seines Lebens einen einzigen Gesichtspunkt hatte, dem er
alle anderen unterordnete. W^as ihm gestern das Wichtigste gewesen war,
konnte er heute als unwichtig betrachten, wenn ihm inzwischen etwas Anderes
als wichtiger erschien. Jahre lang hatte er den Kampf gegen den Liberalismus
als seine Lebensaufgabe betrachtet, und er schloss seinen Frieden mit dem
Liberalismus, als es ihm nützlich erschien, um das deutsche Reich fester zu
begründen. Jahre lang hatte er den Kampf gegen die Hierarchie für noth-
wendig erachtet, um das deutsche Reich zu beschirmen, und er schloss seinen
F'rieden mit der ultramontanen Partei, als es ihm noth wendig erschien, um
dem deutschen Reiche eine neue Gestalt zu geben. Irren wir nicht, so ist
alles dies nur eine weitläufige Umschreibung für den Begriff der Energie.
Unbeugsam in der Verfolgung seiner Ziele standen ihm stets alle Mittel
zu Gebote, um seine Ziele zu erreichen. Die ver>\ickeltsten Verhältnisse lagen
jeder Zeit und anschaulich vor seinen Augen. Er wusste Kräfte, die sich
ihm lange feindlich entgegen gestellt hatten, in seinen Dienst zu zwingen.
Von ihm gilt das Wort:
Auch manche Geister, die mit ihm gerungen,
Die sein Verdienst unwillig anerkannt,
Sie fühlen sich von seiner Kraft durchdrungen,
In seinem Kreise willig festgebannt.
Er wusste mit einem Blicke zu übersehen, wie ein Schritt, der für den Augen-
blick grosse Vortheile zu gewähren schien, für die Zukunft grosse Nachtheile
40
Fürst Bismarck.
im Gefolge haben musste; er wusste aus einer Lage, die sich anscheinend zu
seinem Nachtheil gestaltet hatte, Nutzen zu ziehen. " Er las in der Seele seiner
Gegner, wie der seiner Freunde. Er wusste von seinen Plänen so viel zu ent-
hüllen, als ihm nützlich war, um Anhänger dafür zu gewinnen, und so viel
zu verbergen, als ihm eine vorzeitige Enthüllung Hindernisse bereitet haben
würde.
Er war ein Meister der Rede, nach Luther und Goethe der grösste
sprachschöpferische Genius, den die deutsche Nation hervorgebracht hatte,
und dabei verachtete er die Redekunst, soweit sie nicht dazu diente, prak-
tische Zwecke zu erreichen ; es blieb ihm unbegreiflich, dass Jemand sprechen
konnte, nur um zu zeigen, dass er Recht hatte, wenn er nicht die Aussicht
hatte, durch sein Sprechen etwas zu erreichen. Er verachtete die öffentliche
Meinung, wenn sie sich ihm entgegenstellte, und war doch ein Meister in
der Kunst, die öffentliche Meinung zu bearbeiten, wenn er sie sich dienstbar
machen konnte. Er war der grösste Journalist, den die Welt gesehen hat,
aber er hielt es für zweckmässiger, diese seine Kunst der Welt zu verhehlen,
als sie von ihr bewundem zu lassen.
Er war ein Meister in der Kunst, nicht zu wissen und nicht zu hören,
was ihn in der Verfolgung seiner Pläne störte.
Er bekannte, dass ihm die Fähigkeit, fremde Verdienste zu ehren, nur
in bescheidenem Masse verliehen sei. Aber er selbst machte keinen Anspruch
darauf, seine Verdienste in Worten anerkannt zu sehen; die Anerkennung,
die er beanspruchte, bestand darin, dass man sich ihm fügte. Er wollte
wirken, und nicht gelten oder gar scheinen. Er verstand die Menschen für
seine Zwecke zu benutzen, und sie fallen zu lassen, sobald sie ihm nicht
mehr dienen konnten. Das Verhältniss zu seiner Frau und zu seinen Kindern
zeigt, wie tiefer und reiner Empfindungen er fähig war. Die Gabe, Menschen
zu gewinnen, stand ihm in hohem Grade zu Gebote. Erfahrungen, wie sie
keinem Menschen von seiner Machtstellung erspart bleiben, fiihrten ihn freilich
dahin, tiefe Menschen Verachtung zu hegen und gelegentlich an den Tag
zu legen.
Er wollte thätig sein, die Welt ändern, nicht nach unverrückbaren Ide-
alen, sondern so, dass er die Folgen seiner Handlungen sah. Er hat kaum
jemals ein Wort gesprochen, an das er sich für alle Zeiten hätte binden
mögen. Er hat kaum jemals ein Gesetz vorgeschlagen, bei dem er nicht
ausgesprochen oder im Stillen den Zusatz machte, dass man es schnell wieder
ändern könne, wenn die Verhältnisse sich änderten.
Kirchengesetze, socialpoli tische Gesetze, Steuergesetze sollten für den
Augenblick gelten, in dem er sie schuf. Lieber als alle Gesetze waren ihm
discretionäre Vollmachten, die ihm gestatteten, in jedem Augenblicke zu
thun, was er für gut und nützlich hielt.
Er war ein treuer Diener des Kaisers und der Monarchie; er war es,
weil er empfand, dass die Monarchie in Deutschland eine lebendige Kraft
war, auf die man sich verlassen könne. Et war ein deutscher Patriot, weil
er empfand, dass das Deutsch thum eine Macht sei, die in der menschlichen
Geschichte noch zu grossen Dingen berufen sei. Er war ein guter Christ,
weil er, wie er sich einst ausgedrückt hat, in dem Christenthum den Felsen
sah, an dem das Narrenschiff der Zeit scheitern müsse. Dogmatischen Erörte-
rungen aber entzog er sich.
FUrst Bismarck.
41
Er ist der Schöpfer des deutschen Reiches. Den Gedanken, ein deutsches
Reich aufzurichten, haben Andere vor ihm gehabt, verkündet und dafür ge-
litten. Diesen Gedanken erfunden hat er nicht. Aber er hat die unüber-
windlich erscheinenden Hindernisse beseitigt, die sich der Aufrichtung des
deutschen Reiches entgegen stellten. Um diese Hindernisse zu überwinden,
])edurfte es eines Mannes von seiner Art, und in seiner Eigenart ist er mit
keiner anderen historischen Persönlichkeit zu vergleichen. Dass er einen
Kaiser Wilhelm fand, der ihn an die richtige Stelle stellte, und einen Moltke,
der ihn unterstützte, war ein Glück für ihn; noch grösser aber das Glück
für diese Männer, dass sie einen B. fanden, der ihnen Raum schaffte, sich
zu entfalten.
Er hat Gewaltiges geleistet und dem deutschen Volke das Staatswesen
geschaffen, nach welchem es ein Jahrhundert vergeblich gerungen, und hat
den Zoll der Verehrung und Bewunderung, der ihm zu Theil geworden,
ehrlich verdient. Allein er war ein Mensch, und hat auch menschlich
geirrt. Zu scheiden, was an ihm gross und was fehlerhaft war, ist heute noch
Niemand berufen. Die Auseinandersetzung darüber wird vielleicht nach Jahr-
hunderten noch nicht beendigt sein. Aber das lässt sich voraus sehen, dass
im Laufe der Zeit das edle Metall, das in ihm war, immer heller strahlen
und die Schlacke immer mehr vergessen werden wird.
Die Litteratur, die sich an seinen Namen knüpft, aufzuzählen und zu beurtheilen,
würde einen Raum erfordern, der grösser ist, als hier einer ganzen Biographie zugestanden
werden kann. Nur das Wichtigste kann Erwähnung finden.
In der Zeit seiner Müsse hat er zwei Bände »Gedanken und Erinnerungen«
geschrieben, die alsbald gedruckt worden sind. Ein dritter Band, der sein Verhältniss
zum jetzigen Kaiser würdigt, wird vielleicht der Oeffentlichkcit noch lange vorenthalten
werden. Als geschichtliche Quelle bedarf das Werk strenger Kritik; als Beitrag zur Kennt-
niss seines Geistes gehört es der Weltlitteratur an.
Die Reden, die er im Parlament gehalten hat, sind mehrfach gesammelt und ge-
druckt worden; handlich liegen sie vor in der zwölf Bände umfassenden Reclam'schcn
Sammlung.
Im Jahre 1867, als dann sein Ruhm begründet war, erschienen zwei Werke von Wichtig-
keit: Hesekiels »Buch vom Grafen Bismarck« (in den späteren Auflagen vom Fürsten
Bismarck) ist von einem kleinen Geiste geschrieben, aber es enthält aus Familien-Mitthei-
lungen unschätzbares Material über die Jugendjahre. Ludwig Bambergers »Herr
von Bismarck«, ursprünglich in französischer Sprache geschrieben, dann in deutscher Uebcr-
Setzung in Bambergers gesammelte Schriften aufgenommen, liefert das erste Charakter-
bild, dessen wunderbare Richtigkeit durch die Geschichte der folgenden Zeit bestätigt
wurde. Posch ingers »Preussen im Bundestage« tbeilt in vier Bänden die Staatsschriften
mit, die B. in der Zeit von 18 51 bis 1859 geschrieben, ein merkwürdiges Beispiel früher
Oefihung der Archive. Zur Ergänzung muss aber hinzugezogen werden »B.'s Briefe
an Genera] Leopold von Gerlach«, in denen die ausseramtlichen Gedanken des Schreibers
aus derselben Zeit enthalten sind. Was Poschinger später noch an Materialien veröffent-
licht hat, kann übergangen werden. Ludwig Hahns »Fürst Bismarck, Sein politisches
Leben und Wirken in Thatsachen und des Fürsten eigene Kundgebungen« enthielt in fünf
Bänden Reden und Aktenstücke aus der Zeit von B.'s ministerieller Wirksamkeit, mit er-
gänzenden Anmerkungen. Moritz Busch hat in »Fürst Bismarck und seine Leute«,
»Unser Reichskanzler«, »Bismarck« some secret pagcs ofhis history aus täglichem
Zusammensein, mit grosser Indiscrction, aber ohne Zweifel in zuverlässiger Weise, Aeusse-
ningen und Vorgänge mitgetheilt. Von dem englischen Werk existirt ein deutsche Aus-
gabe, die neben jenem selbstständige Bedeutung hat. Discreter und sehr ausprechend sind
Christoph von Tiedemanns »persönliche Erinnerungen an den P'ürsten Bismarck«.
Heinrich von Sybels »Die Begründung des deutschen Reiches durch Wilhelm I.«
hat B. zum eigentlichen Haupthelden, und entspricht den Anforderungen an hohe Geschichts-
schreibung, bedarf aber auf Grund ermittelter Thatsachen einer Revision. Zum grossen
Theil ist sie gegeben in Friedjungs »Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland«.
4 2 Fürst Bismarck. Meyer.
Ludwig Bambergers »Bismarck Posthumus« Übt an den Gedanken und Erinnerungen
eine zutreffende Kritik. Schmoller, Lenz nnd Marcks haben vereinigt glänzende
Charakteristiken herausgegeben, die jeder von den Dreien zuvor einzeln veröffentlicht hatte,
unter dem Titel: »Zu Bismarcks Gedächtniss«, von warmer Begeisterung getragen, aber
ohne unhistoriscbe Schönfärberei. Horst Kohl »Denkwürdige Tage aus dem lieben des
Fürsten Bismarck« ist ein fleissiges und übersichtliches Registerwerk, zum Nachschlagen
unentbehrlich.
Derselbe Schriftsteller giebt seit dem Jahre 1894 ein »Bismarck- Jahrbuch« heraus,
in welchem neu vcröfientlichtes Material zum Abdruck kommt.
Alexander Meyer.
Meyer, Conrad Ferdinand, Dichter, ♦ ii.October 1825 im sogenannten
Stampfenbach zu Unterstrass-Zürich, f 28. November 1898 in Kilchberg bei
Zürich.
Die Familie des Dichters, der keinen Sohn hinterliess, reicht in der Stadt
Zürich hinauf bis zu dem aus dem Städtchen Eglisau eingewanderten Hans
Meyer, der sich 161 4 in Zürich niederliess, wo seine Nachkommen bald zu
einem beträchtlichen bürgerlichen Wohlstand gelangten, eine politische Rolle
aber erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts zu spielen begannen. Der Oberst
und Rathsherr Johann Jacob Meyer, der in Folge der politischen Wirren nach
dem Siege der Franzosen vorübergehend die Heimath hatte meiden müssen,
vertheidigte die Stadt im Jahre 1802 siegreich gegen die helvetischen Truppen;
er ist der Grossvater des Dichters, ein aufrechter, hochverdienter Mann, und
erwarb sich als Oberamtmann von Grüningen später während der schweren
Nothjahre die Anhänglichkeit des Volkes. Der jüngste der vier Söhne, die
ihm von neun Kindern geblieben waren, Ferdinand, der Vater des Dichters,
war von zarter Gesundheit und kurzer Lebensdauer (1799 — 1841). Seine
strenge Gewissenhaftigkeit, seine angeborenen P'ähigkeiten für Verwaltung und
Organisation, seine juristischen Kenntnisse machten ihn zu einem musterhaften
und von seinen Mitbürgern hochgeschätzten Staatsbeamten; wenige Jahre
Staatsschreiber, wurde er 1825 Regierun gsrath und sah sich bald mit Aemtern
und Aufgaben überhäuft; seine privaten Studien und Bestrebungen machten
ihn zum tüchtigen Historiker, der, seinem bewunderten Vorbilde Ranke mit
Erfolg nachstrebend, mehrere Partien aus der Zeit der Gegenreformation
glücklich behandelte; seine Frau, Betsy Ulrich, die begabte und gemüthstiefe
Tochter des um das Taubstummenwesen verdienten Oberrichters Johann
Conrad Ulrich, die er 1824 heimführte, erscheint als eine der feinsten und
anziehendsten Frauengestalten, die Zürich jemals hervorgebracht hat, von leb-
haften litterarischen und philanthropischen Interessen, fromm und überaus
wohlthätig, nicht ohne Anflüge von Melancholie, sodass sie zu sagen pflegte;
»ich habe einen heiteren Geist, aber ein trauriges Herz«. Betsy Meyer
schenkte ihrem Gatten zwei Kinder, Conrad und die sechs Jahre jüngere
Tochter Betsy. Ohne seinen Lehrern besonders aufzufallen, aber immerhin
ein sehr begabtes, feines, sensibles Kind, durchlief Conrad die Schulen seiner
Vaterstadt, das untere und das obere Gymnasium bis an die Schwelle der
obersten Klasse und begab sich dann auf den Wunsch der Mutter nach Lau-
sanne, wo er an dem Freunde des inzwischen gestorbenen Vaters, dem Histo-
riker Louis Vulliemin, einen Berather fand, der sich seiner hingebend und
verständnissvoll annahm. Nach Zürich zurückgekehrt, begann er auf den Rath
J. K. Bluntschlis juridische Studien ins Auge zu fassen. Bald aber zog er
sich aus den Hörsälen und allmählich auch von den Menschen zurück. Eine
Meyer. 43
lange Jahre dauernde Zeit ziemlich planloser, aber eifrig betriebener und nicht
unfruchtbar gebliebener historischer Studien, ausgedehnter Leetüre und schwer-
lastender, unreifer poetischer Pläne begann damit, eine Einsamkeit, ein Ringen,
das Niemand ahnte, Niemand verstand, ausser der hochbegabten Schwester,
die ihm bis zur Verheirathung Freundin, Genossin, Beratherin und lange
Jahre die einzige Wissende seiner Pläne und poetischen Arbeiten war. Das
langsam und schwer sich entfaltende poetische Talent bedrängte ihn mehr,
als es ihn beglückte, und vorübergehend tauchte der Plan auf, sich der
Malerei zuzuwenden. Diese Unsicherheit, die engen heimischen Verhältnisse,
die Fragen und Rathschläge derer, »die etwas geworden waren«, wurden ihm
unerträglich und erzeugten in dem Reizbaren einen nervösen Zustand, der es
gerathen scheinen Hess, dass er sich für einige Wochen in die Heilanstalt Prefargier
begab (1852). Als geheilt entlassen, blieb er in der französischen Schweiz,
um so mehr, als auch die Hoffnungen der geliebten Mutter auf eine beruf-
liche Ausbildung dahin wiesen: sein Ziel ging zunächst auf eine gründliche
Kenntniss der französischen Sprache und historische Studien. Vulliemin ver-
anlasste ihn, Augustin Thierrys »R^cits des temps m^rovingiens« zu tiber-
tragen, und er führte die umfängliche Arbeit (über fünfhundert Druckseiten)
genau und fleissig durch. Sie erschien 1855 ohne den Namen des Ueber-
setzers unter dem Titel: »Erzählungen aus den merovingischen Zeiten«. Die
Uebersetzung einer kleineren historischen Arbeit Guizots folgte bald. Aber
irgend eine Aussicht auf eine eigentliche Berufsthätigkeit zeigte sich nicht,
und auch die poetische Production, nach der die ganze Sehnsucht des bald
Dreissigj ährigen ging, wollte ihm nicht gedeihen, so sehr der Aufenthalt in
der französischen Schweiz seine geschichtlichen und litterarischen Kenntnisse
vermehrt, seine Einsicht in das Wesen der Poesie gesteigert hatte. Nach etwa
anderthalb Jahren (Juni 1852 bis Ende December 1853) kehrte er wieder
nach Zürich zurück. Auch hier blieb seine Lage die gleiche und kam bei
allem innern Gewinn über litterarische und praktische Anläufe — er gedachte
Mommsen's römische Geschichte ins Französische zu übersetzen, er gab, mehr
der Richtung der mütterlichen Wünsche als dem eigenen Drang folgend, zwei
unbemittelten Schülern Privatunterricht — nicht hinaus. Karg, wie früher,
blieb auch jetzt sein Verkehr nach Aussen; hie und da ein Besuch, eine Ein-
ladung, einsame Spaziergänge und noch mehr einsame Kahnfahrten auf dem
See, der auch dem rüstigen Schwimmer ungezählte Stunden der Erholung
und Erfrischung gewährte. Dann führten Krankheit und Tod eine Aenderung
herbei. Zu Beginn des Jahres 1856 erkrankte »der Herr«, der langjährige,
etwas geistesschwache Pflegling des Meyer'schen Hauses, Antonin Mallet, der
Sprössling einer befreundeten Genfer Familie, und lag monatelang angestrengter
Pflege bedürftig; Frau Betsy Meyer, die sie ihm mit aller Selbstaufopferung
erwies, kam dabei selbst zu Schaden und erlag ihren physischen und seelischen
Leiden im September 1856 zu Prefargier. Es war ein furchtbarer Schlag für
die Geschwister; Conrad suchte Erholung von dem tiefen Leid um die Nie-
vergessene, die in seinen »Gedichten« fortlebt, durch einen Aufenthalt in
Paris ; er trat ihn abermals mit dem Plane an, ein Brodstudium, das juridische,
zu ergreifen, nachdem die Hoflhung, einen Lehrstuhl für französische Sprache
und Litteratur am eidgenössischen Polytechnikum in Zürich zu erlangen, sich
als trügerisch erwiesen hatte. Zwei Jahre wollte er sich für Paris und seinen
speciellen Zweck gönnen ; aber es wurden nur etwa vier Monate daraus, dann
zwangen ihn die Sommerhitze (1857) und ernstliches Unwohlsein — Paris
44 Meyer.
war damals choleragetährlich — zur Rückkehr. Zur Jurisprudenz, die niemals
seine Neigung gewesen war, hatte er nun freilich kaum einen Anlauf ge-
nommen; aber er brachte aus der unvergleichlichen Kunststadt die reichsten
Anregungen nach Hause, und gewaltig regten sich die poetischen Geister.
Sie wiesen nach Italien, in das Land, das den Dichter in ihm eigentlich ge-
löst hat, obwohl es ihn nicht endgültig von der Seelenlast zu befreien ver-
mochte, aus Pflichtgefühl eine gelehrte oder sonstige bürgerliche Berufsarbeit
versehen zu sollen. Das Jahr 1857 füllte noch ein Erholungsaufentlialt in Engel-
berg und in den Octobertagen eine Reise nach München.
Im März 1858 unternahm M. mit der treuen Schwester die erste italie-
nische Reise über Genf nach Marseille und zu Schiff nach Civitavecchia; sie
kamen in den Ostertagen in Rom an. Fast jede Seite seiner Gedichte ver-
räth, was dieser Aufenthalt, was hauptsächlich Rom für den Dichter geworden
ist. Nachdem sie mit dem alten Freund ihrer Familie, dem durch die poli-
tischen Kämpfe seines Vaterlandes bekannt gewordenen Baron Bettino Ricasoli
noch einige interessante toscanische Tage verlebt hatten, kehrten die Ge-
schwister über Genua, Turin, den Comersee, den Gotthard und Vier^'ald-
städtersee in die Heimath zurück. Wie im Vorjahr ging M. dann noch ins
Engelberger Thal.
In Zürich führte das Geschwisterpaar so ziemlich dasselbe eingezogene,
einsame Leben, wie früher; näher trat ihnen von den Freunden nach dem
Tode der Mutter besonders Mathilde Escher, deren Lebensbild M. gezeichnet
hat. Aufenthalte in den Bergen und im Welschland, angestrengte Studien
und Uebersetzerarbeit füllten die Tage. Einmal trug sich M. mit dem Ge-
danken, seinen bleibenden Wohnsitz in Graubünden aufzuschlagen, das ihm
durch Sommeraufenthalte und Wanderungen lieb wurde, und wohin ihn immer
wieder die räthselhafte Gestalt des Georg Jenatsch lockte. Aber die Freunde
redeten ihm dieses Vorhaben aus.
Jahrelang war dem Dichter kein grösseres poetisches Manuscript gediehen ;
in den ersten sechziger Jahren aber versuchte er nach langem Zögern vor
die deutsche Lesewelt zu gelangen, indem er die inzwischen angewachsene
Sammlung seiner Gedichte unter dem Pseudonym »Ulrich Meister« auf Be-
treiben der Schwester einem deutschen Verleger anbot; noch wollte er, halb
aus Scheu, halb um einer Verwechslung mit dem Zürcher Dichter Conrad
Meyer auszuweichen, mit seinem Namen nicht hervortreten. Die Sammlung
wurde zurückgewiesen, und erst im Jahre 1864, als M. beinahe das vierzigste
Lebensjahr erreicht hatte, gelang der erste Schritt in die Oeffentlichkeit ; es
waren die »Zwanzig Balladen von einem Schweizer«, die, noch immer anonym,
wenigstens im nächsten Kreis einen Erfolg, ja eine förmliche Auferstehung
fiir den Verfasser bedeuteten und seinen Muth und sein Selbstvertrauen hoben.
Das kam auch der Arbeit am »Jenatsch<^ zu gut, den der Dichter in
seiner Seeeinsamkeit unter die Feder nahm und immer und immer wieder
umwendete. Schon 1866 folgte er in den Graubündner Bergen wochenlang
den Fährten seines Jenatsch. Eine schöne Ernte von Gedichten fiel so neben-
her dabei ab. Ausflüge und Fahrten, die sich bis ins Veltlin erstreckten,
verlängerten die schöne und an poetischem Gut so ergiebige Sommerfrische
dieses Jahres; im folgenden Sommer hielten sich die Geschwister hauptsächlich
in Silva Plana und Thusis längere Zeit auf; von Thusis aus durchstreifte M.
das Domleschg mit seinen Jenatschstätten Riedberg, Scharans, Katzis und in
nächster Nähe fand er das Lokal, das er später in der Richterin verwertliete,
Meyer. 45
die Burg Hohenrhätiqg und die Viamala. Der Aufenthalt dehnte sich diesmal
in den Herbst hinein aus, da in Zürich die Cholera hauste.
Bald darauf verliessen die Geschwister die Stadt überhaupt, um sich
nicht wieder dauernd in ihr anzusiedeln. Sie bezogen den sogenannten »See-
hof« in Küsnach, der dem Dichter ein auf die geliebte blaue Seefluth
schauendes Arbeitszimmer und einen Garten gewährte, welchen die "Wellen
bespülten; später bewohnte er ein gleichnamiges Heim, den »Seehof« zu
Meilen.
Zwei Güter schenkte das stille Seegelände von Küsnach dem Dichter:
mit dem Zauber der Fluth und ihrer wechselnden Beleuchtungen die Einsam-
keit und vor Allem aber einen Freund, der ihm bieten konnte, was ihm ausser
der geliebten treuen Schwester kein Mensch geboten hatte: Rath, Fördenmg,
Ermuthigung. Das fand der werdende und oft verzweifelnde Dichter bei
Fran^ois Wille und dessen Gattin Eliza Wille, geb. Sloman. Hier traten
Conrad und Betsy in einen gesellschaftlichen Kreis, der auf dem schönen
Gute Mariafeld in Meilen unter dem originellen, hochgebildeten Hausherrn
und der geistvollen, auch schriftstellerisch begabten Frau Alles umschloss,
was Zürich damals dauernd oder vorübergehend an hervorragenden Menschen
barg: hier, bei W^ille, erschienen Gottfried Keller, Gottfried Semper, Gottfried
Kinkel, Ettmüller, Köchly, Benndorf, der Graf Plater und seine Gemahlin, die
frühere Schauspielerin Caroline Bauer; Franz Liszt durfte der Hausherr seinen
Duzfreund nennen, und welche grossherzige Gastfreundschaft Richard Wagner
hier fand, ist bekannt. Vor Frangois und Eliza Wille breitete M. zunächst
ein neues Bändchen Gedichte aus, das 1869 bei Hermann Hassel in Leipzig
herauskam, das erste Werk, das seinen um den Vornamen des Vaters be-
reicherten Namen in die Welt trug: »Romanzen und Bilder von Conrad
Ferdinand Meyer«. Die kleine Sammlung enthielt schon eine ganze Anzahl
Stücke in nahezu der Vollendung, in welcher sie später in die »Gedichte«
aufgenommen wurden; aber so werthvoll sie war, sie ging in dem Getöse des
deutsch-französischen Krieges völlig unter.
Ein anderer, ^stärkerer Klang wurde, als die Waffen eben vertosten, ge-
hört: der »Hütten«. Er hat den Namen M.'s mit der weltgeschichtlichen
Wandlung der deutschen Dinge für immer verknüpft; er hat dem Dichter die
lang und heiss ersehnte Gloriole des Ruhmes aufleuchten lassen. Unter seinen
Balladen befand sich eine, die den sterbenden Hütten zeigte. Sie gab den
Anstoss zu dem grösseren Werke, über dessen Entstehen und Werden er selbst
in der »Deutschen Dichtung« (1891) berichtet hat: wie sich das deutsche
Element in ihm über das französische erhob, wie sich die Ballade zum histo-
rischen und heroischen Idyll ausweitete, welchen Antheil die Persönlichkeit
Willes an dem Werk hatte, das er und seine Gattin Stück für Stück mit
innigster Theilnahme entstehen sahen und das der Dichter ihnen zueignete.
Vier Elemente verliehen der Schöpfung die Stärke und Färbung: die an-
ziehende Gestalt des Ritters; der ausgeprägte deutsche Sinn, den, wie M.
selbst bekannte, der deutsch-französische Krieg in ihm auflodern Hess, nach-
dem er lange starken Einflüssen der französischen Litteratur unterworfen ge-
wesen; der landschaftliche Zauber des von ihm in allen Stimmungen be-
lauschten Sees und seiner Gelände, und endlich die in den Schicksalen und
Aeusserungen des Helden mitklingenden persönlichen Erlebnisse und Empfin-
dungen des Dichtere. Dieser kam eben aus den grünen Bündner Bergen
zurück, als ihn ein erstes Echo des »Hütten« erreichte: es war eine ein-
46 Meyer.
gehende Besprechung von Johannes Scherr; ein ganzer Cfior anderer Stimmen
folgte.
Noch im gleichen Herbst (1871) brach der Dichter mit der Schwester
wieder nach Italien auf: die Reise ging über Verona nach Venedig. Dort
brachten die Beiden den Winter zu, zwischen eifriger Arbeit und begeistertem
Kunstgenuss und gegen das Frühjahr mit dem Wille' sehen Ehepaar vereint.
Ueber Bologna, Turin, Genf, I^ausanne, wo sie Vulliemin sahen, kehrten sie
dann in den Seehof nach Küsnach zurück, den sie unlang nachher mit dem
zu Meilen vertauschten.
In den Aufenthalt zu Venedig tällt die abschliessende Arbeit an »Engel-
berg«, das auf den »Hütten« folgte, wie eine idyllische Klage nach der
heroischen, weniger geschlossen in der Handlung, aber von einem wunder-
samen Reiz der landschaftlichen Schilderung, sodass der Dichter mit Recht
von seinem Werklein sagen konnte, es sei die Seele des Gebirgsthales, die
hier Gestalt genommen habe. Trotz der unausgeglichenen Elemente des
Legendarischen und des Realistischen gewinnt es immer wieder durch die
Kette seiner einzelnen Schönheiten,
Unter der schwarzschattenden Kastanie im Garten des Meilener Seehofes
entstand dann die Niederschrift des »Jenatsch«. Aber vor den Abschluss des
Romans drängte sich ein alter Plan, »das Amulet«, das der Dichter 1872/73
der Schwester in die Feder diktirte; es gedieh zu einem Cabinetstücke histo-
rischer Erzählungskunst und bot ausser der Grösse des Stoffes und der Linien
schon alle Vorzüge seiner grossen späteren Novellen. In den Jahren 1873
und 1874, während das »Amulet« in die Welt zog, ging die Arbeit am
»Jenatsch« weiter, endlich im Sommer 1874 schloss er ihn zu Chiamutt am
Oberalppass ab. Die erste Drucklegung des Werkes ging freilich ohne grosse
Wirkung vorüber — es war in eine wenig verbreitete Zeitschrift, »Die Litte-
ratur«, gerathen, wo es nicht recht sichtbar wurde. Und die Buchausgabe
verzögerte zuletzt ein wichtiges Lebensereigniss, Verlobung und Hochzeit mit
I^uise Ziegler, der Tochter des aus dem Schweizerischen Sonderbundskrieg rühmlich
bekannten Obersten Ziegler; sie fand im October 1875 statt. Ein an poetischen
Eindrücken reicher Aufenthalt im Süden, hauptsächlich auf Corsica, hielt die
Glücklichen beinah ein halbes Jahr von der Heimath fern, bis sie das eigene
Heim, zuerst im sogenannten Wangensbach bei Küsnach, dann in Kilchberg
bezogen, wo der Dichter bis zu seinem Lebensende in dem prachtvoll ge-
legenen, auf die Seefluth herabblickenden Gut hauste, das sich das Paar 1877
gekauft und ausgebaut hatte.
Ende 1876 erschien der »Jenatsch« in Buchform und brach sich erst
zögernd, dann aber mit einem Ruck Bahn; der Zahl der Auflagen nach zu
schliessen, ist er das beliebteste der M.' sehen Werke geblieben, was sich wohl
daraus erklärt, dass er noch nicht die ganze Strenge und Knappheit des
späteren Stiles zeigt, sondern mit dem reicheren Beiwerk einen behaglicheren,
epischen Gang aufweist, wie ihn ein grösserer Leserkreis vorzieht. Jenatsch
war die erste unter den grossen historischen Gestalten M.'s, welche die
Schicksalswendung eines ganzen Volkes tragen und damit im Zusammen-
hange dem psychologischen Eindringen Räthsel und Geheimnisse entgegen-
stellen. Solche Gestalten — Jenatsch, der Heilige, Pescara — haben die
Phantasie des Dichters vor allen mächtig angeregt. Den Jenatsch hob er
durch den glühenden Patriotismus, den er ihm verlieh, über die Sphäre des
blossen politischen Intriguenspiels weit hinaus und brachte in sein Schicksal
Meyer. ^j
und seinen tragischen Untergang die Elemente der Grösse, denen er die
stärksten poetischen Wirkungen fortan dankte.
Denn nun beginnt, während das äussere Leben ziemlich gleichmässig
verläuft und Reisen, Besuche, Familienereignisse wenig tiefe Abschnitte ein-
kerben, die Zeit der grossen Ernte für den Dichter, zwölf fruchtbare Schaffens-
jahre, von der Uebersiedelung nach Kilchberg, wo ihm im Jahre 1879 ^^"^
Tochter geboren wurde, bis zu seiner Erkrankung (1879 — 189^)5 ^s war die
hohe Zeit seines Lebenswerkes, welche die angestrengteste, alle Kräfte bis
zur Erschöpfung anspannende Arbeit und eine ungemessene Fülle von Schaffens-
glück in sich schloss. Schon die Jahreswende 1876/7^ traf ihn über der
Arbeit am »Heiligen«, neben dem andere Pläne und Vorwürfe herliefen,
darunter der lustige »Schuss von der Kanzel«, der im »Zürcher Taschenbuch«
zuerst gedruckt wurde und alte halbverschollene Sagen vom Zürchersee ver-
band, belebte und ausgestaltete, »Plautus im Nonnenkloster«, der wie ein
Renaissancegegenstück zu der fröhlichen Seeidylle erscheint, als Facetie des
Paggio gedacht, unübertrefflich durch die Verdeutiichung der verschiedenen
Haltung, die das germanische und das romanische Gemüth zu den Fragen der
Reformation und des Gewissens überhaupt einnimmt. Indessen war der
»Heilige« publicirt, nach dem »Jenatsch« die erste der monumentalen histo-
rischen Erzählungen. Hier trat er zum ersten Mal in den Ideenkreis des Mittel-
alters ein, zum ersten Mal bediente er sich der Technik der Rahmenerzählung;
gleich bewundernswürdig erschien die Vertiefung der problematischen Natur des
Heiligen und die plastische Herausarbeitung der historischen Verhältnisse und
Figuren. Ein wahrer Sturm der Anerkennung brach los, und unter den
Ehrungen, die dem Dichter zufielen, befand sich auch der Doctorhut der
Zürcher Hochschule.
Zwischen dem »Heiligen« und der nächsten grossen historischen Er-
zählung liegen vier kleinere Novellen, kleiner dem Stoff, dem Motiv nach
und kleiner an Umfang, nicht an Kunst: ausserdem »Schuss von der Kanzel«
und dem »Plautus« die zwei Pendants, die eine muthstrahlende Mädchen-
stim und ein unendlich rührendes Knabenantlitz zeigen, »der Page Lcubel-
fing« und »das Leiden eines Knaben«, besonders die letztere ein auserwähltes
Kleinod der psychologischen Schilderung und des überaus fein behandelten
historischen Milieus, eine ergreifende Kindergeschichte, der man aus dem
weiten Gebiet der deutschen Litteratur nur noch etwa Gottfried Kellers Ge-
schichte vom armen Meretlein zur Seite stellen kann.
Dann schenkte der Dichter der Welt sein grösstes und vollendetstes
Werk: »Die Hochzeit des Mönchs«; hier löste er drei künstlerische Probleme
gleich meisterhaft: er entwarf ein grossartiges Bild Dantes, er entwickelte die
Technik der Novelle und behandelte das erschütternde Problem des ent-
kutteten Mönchs, der in den Aufgaben und den Leidenschaften, in die er
geworfen wird, rettungslos zusammenbricht; vor Allem aber hat er hier zuerst
der Handlung jene straffe, auf wenige grosse Scenen concentrirte Schürzung
gegeben, die er nachher nicht mehr verliess: er hat den Stoff, obwohl er ihn
noch in eine Rahmenerzählung einschloss — zum letztenmal — als Drama
concipirt.
In »Plautus im Nonnenkloster« findet sich das episodisch verwendete
Bild der für den Giftmord des (xatten büssenden, in der Klosterkapelle dar-
gestellten allemannischen Herzogin: der Keim der »Richterin«, mit der er
seine Bewunderer 1885 überraschte. Er hatte zuerst die Absicht gehabt, die
48 Meyer.
Handlung auf dem modernen Corsica, das ihm seit seiner Hochzeitsreise lieb
geworden war, oder aber in der Engelsburg zur Zeit der Renaissance spielen
zu lassen; es zeigt seine durchdringende künstlerische Ueberlegung, dass er
sich entschloss, sie nach Graubünden und in die Zeit Karls des Grossen zu
verlegen, um die fast über Menschenmass hinauswachsende Grösse seiner
Figuren nicht durch bestimmte, scharf umrissene und durch die Geschichte
hellbeleuchtete Verhältnisse einschränken zu müssen; die Freiheit, die er sich
dadurch errang, die Grösse und Einfachheit der Linien gerade in dieser
Schöpfung wirkt mit der Gewalt und dem Phantasiezauber der alten Heldensage.
Ein geheimer Faden spann sich von der »Richterin« zum nächsten Werke,
zur »Versuchung des Pescara« : zwei gewaltige Herrscherfiguren, dort ein Weib,
hier ein Mann, verbergen mit fast übermenschlicher Selbstbeherrschung ein
schicksalsvolles, ein verderbliches Geheimniss: die Richterin ein Jugendver-
brechen, das in ihrem Innern nach Sühne verlangt, die sie aus freien Stücken
mit ihrem Leben auslöst; der Feldherr Karls V. eine tötliche Körperwunde,
die sein Schicksal und das seines zerrissenen Landes zugleich ist. Die grossen
Contraste der Personen, der Nationalitäten, die tragische Ironie der Verhält-
nisse, der dramatische Gang, Alles ist hier in die höchsten Masse getrieben
und die gewaltigste, erschütterndste Wirkung erreicht, nicht zum wenigsten
dadurch, dass über dem rasenden Lauf der Verhängnisse der rührende Schimmer
einer schmerzlichen Resignation schwebt.
Schon nach der Vollendung des »Pescara« suchte den Dichter ein längeres
Leiden heim, das unbedingten Stillstand der Arbeit gebot: Zustände quälten
ihn, die nicht ausser Zusammenhang mit Ermüdung und Ueberarbeitung
standen. Aber noch einmal siegte seine Energie, und er breitete mit unge-
schwächten Kräften ein neues wnmderbares Renaissancebild aus, in dessen
Mitte die männerberückende Lucrezia Borgia stand. Es war ein Stoff, der
bei allen Entsetzlichkeiten hervorragende dichterische Qualitäten an sich trug:
die Grösse und Macht der italienischen Renaissance, verlockende, räthselhafte
psychologische Probleme, besonders das merkwürdige der Lucrezia selbst, die
als das vollendete weibliche Gegenbild des »Heiligen« am Ende seines Schaffens
steht, wie jener am Anfang. Was der Dichter an wunderbar empfundenen
Einzelheiten in dieses in mancher Beziehung unerreichte Werk hineingearbeitet
hat, lässt sich hier kaum andeuten: überraschend ist vor Allem der Uebergang
von dem ersten in den zweiten Theil und die fast ermattete, stille Lösung
der Gräuel, die einen tragischen Untergang erwarten Hessen, wie ihn freilich
auch die Geschichte nicht bot. Ob man recht thut, hier ein Ueberwiegen
des ethischen und persönlichen Bedürfnisses nach einer ruhigen Auslösung
über die künstlerischen Erfordernisse zu constatiren, mag hier ununtersucht
bleiben: Thatsache ist, dass das Entsetzen über die Gräuel seiner »Angela
Borgia« in die beginnende Krankheit des Dichters hinübergespielt hat. Denn
er brachte das Werk noch gerade unter Dach.
Anfänglich schien es sich nur um eine geistige Ermüdung zu handeln,
herbeigeführt durch die strenge Arbeit an der »Angela Borgia«. Aber dieser
Trost des Dichters und seiner Angehörigen hielt nicht lange vor. Schlimmere
Symptome traten hinzu und Hessen den Aerzten die Ueberführung in eine
Heilanstalt geboten erscheinen; von Juli 1892 bis zum September 1893 fand
der Dichter in der grossen kantonalen Heil- und Pflegeanstalt Königsfelden
bei Brugg Zuflucht und sorgfältige ärztliche Behandlung und gelangte zu einem
solchen Grad der Genesung, dass er von nun an bei den Seinen in Kilchberg
Meyer. 4q
weilen konnte. Unter ihrer zärtlichen Pflege hob sich sein Befinden mit den
Jahren dermassen, dass er Femerstehenden beinahe als ein Geheilter erscheinen
mochte. Aber es blieb ihm verwehrt, im Ernste an die Ausführung eines
seiner grossen Entwürfe zu denken.
Unter diesen Entwürfen stand obenan der Conflikt zwischen dem Hohen-
staufen Friedrich II. und seinem Kanzler Petrus de Vinea. Mindestens eben-
solang beschäftigte ihn die Gestalt des letzten Grafen von Toggenburg, über
dessen Erbe in der Mitte des 15. Jahrhunderts der blutige schweizerische
Bürgerkrieg entbrannte. Lange auch bildete er an dem Charakter und den
Schicksalen des Comthurs Schmid, der in einer Ballade und im »Hütten«
auftaucht; auch eine lustige Klosteraufhebung erwog er, ebenso eine Dar-
stellung der Liebesschicksale Petrarcas und der Frau Laura; indessen sah er
von dem zuletzt genannten Vorhaben ab, da, wie er meinte, ein Dichter doch
nicht der richtige Held für eine Novelle sei. Ueberraschend scheint, dass
er auch einen ganz modernen Stoff ins Auge fasste, ein Eheproblem.
Manche Verehrer und Kenner der Meyerschen Muse stellen seine Lyrik
noch über seine Erzählungen; Gottfried Keller gehört zu diesem Trüpplein.
Eine seltene Gunst des Schicksals wurde ihm zu Theil: ihm blieb die lyrische
Kraft so lange treu, als die epische, in Jahren, in denen sie sonst abzunehmen
oder aufzuhören pflegt: zu seinen schönsten lyrischen Gaben gehören die
zwischen »Pescara« und »Angela Borgia« entstandenen Gedichte, also zu einer
Zeit, da er den Siebzigen schon sehr nahe rückte. In seinen rein lyrischen
Schöpfungen, so reich und gross ihr Schatz ist, findet sich beinahe nichts,
das blosses Spiel der Phantasie, blosse Construction der Erfindung wäre;
sondern sie tragen in ungewöhnlichem Masse den Stempel des eigenen Er-
lebnisses und Schicksals und zeichnen sich überdies aus durch eine solche
Tiefe und Feinheit der Empfindung, durch einen solchen Adel der Gesinnung,
durch eine solche Plastik und Reinheit der Linie und durch soviel Klang-
schönheit, dass sie, die Liebesgedichte zumal, ein unvergängliches Besitzthum
der deutschen Litteratur bleiben werden.
Es war in seinem siebenundfünfzigsten Lebensjahre (1882), als M. seine
Gedichte in die letzte, in späteren Auflagen um eine kleinere Anzahl Stücke
bereicherte Sammlung zusammenlegte. Vieles davon war neu und erst in
seinen fünfziger Jahren entsprossen; ein beträchtlicher Theil dagegen bestand
aus Stücken der beiden früheren Sammlungen, der »Balladen« und der
»Romanzen und Bilder«; sie waren in einer Weise umgeformt und umge-
schmolzen worden, wie nur er umzugiessen pflegte.
Seine künstlerische Entwicklung und sein Schicksal hingen an einem
erstaunlich späten Sichselbstfinden, einem äusserst langsamen Reifen ; das schloss
ein rastloses Fortschreiten und Vorwärtsdrängen, wie es Goethe an Schiller
bewunderte, nicht aus. Hand in Hand mit der äussersten technischen Sorg-
falt ging die hohe, sozusagen ethische Schätzung der Kunst und hielt ihn ab,
etwas aus der Werkstatt zu geben und vor die Oeflfentlichkeit zu bringen,
dem er nicht das Aeusserste seiner Kräfte und seines Könnens zugewendet
hatte. Das dichterische Schaffen war für ihn eine priesterliche Handlung; er
sagte einmal zu mir: »Wenn Macchiavell sich ans Schreiben begab, so legte
er seine Feiertagskleider an; mir ist es oft, wenn ich mich an meinen Schreib-
tisch setze, als ob ich die Schwelle eines Tempels überschreite«, und: »Die
Kunst ist eigentlich das Einzige, was uns über die Trivialitäten dieses Lebens
hinweghebt«. Damit hing es zusammen, dass ihn eigentlich nur das grosse
Blogr, Jahrb. n. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. ^
CO Meyer.
Tragische beglückte: als ihn ein Freund zu dem heiteren »Schuss von der
Kanzel« beglückwünschte, lehnte er das Lob halbwegs ab und bekannte, dass
ihm wesentlich nur bei der ernsten Muse wohl sei. Es beunruhigte ihn, dass
er im »Thomas a Becket« bezüglich der ethischen Fragen anscheinend nicht
Partei genommen habe: in der »Versuchung des Pescara« wollte er ihre
Macht und Bedeutung mit »Tubenstössen« betonen.
Zur Arbeit bot er alle seine Kräfte auf, und sie wurde ihm nicht leicht.
Schwer und mühsam rückten gewöhnlich seine Schöpfungen vor, und selbst
die Entwürfe seiner Meisterjahre veränderten sich in der Regel so gründlich,
dass kein Stein auf dem andern blieb. Die Beispiele hierfür Hessen sich
häufen: es geschah, dass er bei Neuauflagen einzelne Nummern des »Hütten«
bis zu zehnmalen überging; das ergreifende Gedicht »Ein Pilgrim«, das in
der vierten Auflage als »Epilog« erscheint, Hess er Jahre vorher in einer
Fassung drucken, die den Zauber der endgültigen Gestaltung noch kaum
ahnen Hess; von der »Richterin« wusste er selbst kaum mehr zu sagen, wie
viele Wandlungen sie durchgemacht hatte. Ueber die Sprödheit der
historischen Stoffe klagte er häufig; aber er Hess nicht ab und mühte sich
immer wieder, sie aus der Trivialität des bloss Historischen heraus und in
das Reich der Poesie zu rücken, er kämpfe mit seinem Stoff, wie Jacob mit
dem Engel, sagte er einmal: »Ich ringe mit Dir und lasse Dich nicht, Du
segnest mich denn!«
Es hing mit dieser Schwere und Gewissenhaftigkeit zusammen, dass er,
obwohl er sich Zeit seines Lebens darnach sehnte, nicht zum Drama gelangen
konnte; der epischen Technik fühlte er sich sicher, der dramatischen nicht,
und — er hatte, wie er im Hinblick auf seine Jahre wohl sagte, »nicht mehr
viel weisses Papier zu beschreiben«. Das beunruhigte ihn. Aber es sind
wohl wenige seiner grösseren Arbeiten, die er nicht zu dramatisiren beabsich-
tigt hatte: den Jenatsch, noch bevor er mit der Erzählung zu Ende war.
Besonders beschäftigten ihn die deutschen Kaiser Heinrich IV. und V. als
Helden einer Tragödie oder eines TragÖdiencyclus Jahre lang. Als er die
»Angela Borgia« abschloss, dachte er sogar einmal daran — er hätte es wohl
nicht ernstlich unternommen — den nächsten Stoff dramatisch und episch
nebeneinander zu behandeln.
Die künstlerische Arbeit, mochte sie ihn auch manchmal bis zur Er-
schöpfung anspannen, empfand er als das eigentliche Glück seines Lebens;
ein Künstlerernst eignete ihm, der wohl nicht angehalten hätte, wäre er nicht
mit der genialen Fruchtbarkeit des geborenen grossen Dichters gepaart
gewesen, einer Fruchtbarkeit, die ihm erlaubte, nach der grossen Schöpfung
des »Jenatsch« in einem Jahrzehnt den »HeiHgen«, »Die Hochzeit des Mönchs«,
»Die Richterin«, »Pescara«, daneben vier kleinere Novellen und einen Band
Gedichte der Welt zu schenken.
Das Grosse war ihm ein eigentliches Naturbedürfniss : daher zog es ihn
so sehr nach der Renaissance, daher spielt Michel Angelo in seinen Gedichten
eine so hervorragende Rolle; daher machte er es sich zur Aufgabe, den Stil
der grossen Tragödie in die Novelle einzuführen. Alles Kleinliche, Unbedeutende,
GewöhnHche an Menschen und Dingen war ihm zuwider, und von seinen
Jünglingsjahren bis ins Mannesalter hinein empfand er eigentlich die Wirklich-
keit als etwas Feindliches, als etwas, das seine hohen Ideale verletzte.
Sein Urtheil in künstlerischen Dingen war ein strenges, denn er legte
die höchsten Massstäbe an; Laune oder Stimmung sprachen nicht mit, er hat
Meyer. Hinschius. c i
immer Alles aufs Sorgfältigste überdacht, geprüft und wieder geprüft, bis er
mit sich selbst vollständig im Klaren war. Auch die völlige Klarheit war
ihm ein unabweisbares Bedürfniss, vielleicht mehr ein errungenes, erworbenes;
denn durch lange Jugendjahre hindurch litt er daran, dass sie ihm versagt
blieb. Wie oft hörte ich ihn sagen: »Man muss seinen Stoff klar durch-
denken!«
Er, den in jungen Jahren der starke Idealismus der eigenen Natur die
Menschen scheuen und wohl sehr oft schwer verstehen liess, er wurde mit
dem vorrückenden Lebensalter ein seltener Menschenkenner. Und diese
Menschenkenntniss erwarb er, wie er an seinem väterlichen Freunde Vulliemin
rühmte, unschuldig. Er war gerecht; da er die Menschen zu verstehen suchte,
lag ihm richterliches Wesen fern, und er redete bedeutenden Naturen gerne
das Wort. Seine Feinheit und Liebenswürdigkeit, die angeborene Vornehmheit
seiner Natur Hessen ihn sozusagen Keinen abweisen; aber er wusste dabei seine
Reserve inne zu halten. Verleumdungen, Geschwätz und Zuträgereien fanden
bei ihm keinen Boden ; er pflegte zu sagen, er habe manchen bösen Funken,
der ihm zugeweht worden sei, ausgetreten. Das hing auch mit seinen reli-
giösen Ueberzeugungen zusammen, denn er war ein aufrichtig frommer Christ
und ein entschiedener Protestant. Er errang sich »in Harmesnächten« eine
gewisse Gelassenheit dem Kommenden gegenüber, und obwohl ihn die ver-
loren gegangenen Jahre schmerzten und die Missstände und Ungerechtigkeit
der Welt oft wie ein persönliches Leid quälten, so getröstete er sich doch
im Innersten der Ueberzeugung, dass zuletzt »etwas wie Gerechtigkeit webe
und wirke«.
Es war sein Schicksal, dass er in Folge einer aussergewöhnlich späten
Entwicklung auf reifes Können, auf Ruhm und Erfolg harren musste, lange
Jahre hindurch. Als ihn aber das Glück der Künstlerschaft endlich »warm
mit unbekannter Fülle« überströmte, blieb er sich treu in seinem Streben
nach der höchsten Kunst: er ist als ein Vollendeter geschieden.
Bibliographie: Anton Reitler, Conrad Ferdinand Meyer, 2. Aufl., 1885: darin
S. II eine autobiographische Skizze Meyers. Conrad Ferdinand Meyer: »Mein
Erstling »Huttens letzte Tage« (Deutsche Dichtung, IX. Bd., 1891). Lina Frey, C. F.
Meyers Gedichte und Novellen (»Deutsche Rundschau« und 1892 sep.). Hans Trog,
C. F. Meyer, sechs Vorträge, Basel 1897. K. E. Franz os, C. F. Meyer, Berlin 1899.
Adolf Frey, C. F. Meyer. Ein Lebensbild (unter der Presse); zahlreiche Aufsätze und
Recensionen von Andern und mir lasse ich hier unberücksichtigt, da sie kein oder wenig
biographisches Material bieten.
Ikonographie: Die bekannte Radirung von Carl St au ff er -Bern ist in den Punkten
nicht ganz richtig, giebt aber den Ausdruck des Gesichtes gut wieder; von der Hand
Wilhelm FUesslis existirt eine gute Rothstiftzeichnung aus dem Winter 1891/92; alle
übrigen Bilder (Holzschnitte und dergl.) haben insofern nur einen beschränkten Werth, als
sie lediglich nach Photographien hergestellt sind, die übrigens den Dichter fast ausnahmslos
vorzüglich trafen; die meisten — so auch das Urbild der Heliogravüre unseres Bandes —
stammen aus dem vortrefflichen Atelier von R. Ganz, Zürich. Ein Oelgemälde von
W. Ftiessli blieb unvollendet.
Adolf Frey.
Hinschius, Franz Karl Paul, Kirchenrechtslehrer, * 25. Dezember 1835
zu Berlin, f 13. Dezember 1898 daselbst nach längerem schweren Leiden.
Nach eigener Aufzeichnung (vgl. F. v. Schulte, die Gesch. d. Quellen u.
Liter, d. Canon. Rechts, II. u. III. Theil, Stuttg. 1880, S. 240) studirte er
auf der Berliner und der Heidelberger Universität 1852 — 55 die Rechts-
4*
5«
Hinschius.
Wissenschaft, promovirte in Berlin am lo. Februar 1855 zum Doktor beider
Rechte, trat in die Gerichtspraxis ein, wurde 1859 Assessor, in gleichem
Jahre Privatdozent in Berlin, war 1863 — 65 ausserordentlicher Professor der
Rechte in Halle, 1865 — 68 in Berlin, 1868 — 72 in Kiel ordentlicher Professor,
seit 1872 wieder in Berlin. 1872 — 76 arbeitete er im Kultusministerium
unter Minister Falk mit an der Ausarbeitung der Kirchengeselze dieser Jahre
und wurde 1884 zum Geh. Justizrath befördert. Von grossem Einfluss auf
seine wissenschaftliche Richtung war einerseits sein hoch erfahrener Vater, der
Rechtsanwalt und Notar, spätere Geh. Justizrath Dr. Franz H., f 4. Dez. 1877,
der ihn in die Praxis des preussLschen Rechts einzufiihren geeignet war, an-
dererseits der Kirchenrechtslehrer Aemilius Ludwig Richter, der sein
Interesse für kirchenrechtliche Studien weckte. Nach Herausgabe einer ersten
Schrift »Das landesherrliche Patronatrecht gegenüber der katholischen Kirche«,
Berl. 1856, bereiste er 1860/61 studienhalber Italien, Spanien, Frankreich,
Grossbritannien, Holland und Belgien. Als Frucht dieser Reisen veröffent-
lichte er die erste und bis jetzt einzige kritische Ausgabe der »Decretales
Pseudo-Isidorianae et capitula Angilramni«, Lips. 1863, die in ihrer treff-
lichen Einleitung über Ursprung, Zeit und Zweck der Fälschung sich ver-
breitete. Inzwischen waren »Beiträge zur Lehre von der Eidesdelation mit
besonderer Rücksicht auf das canonische Recht«, Berl. 1860, erschienen.
Als scharfer Gegner des Ultramontanismus erwies sich H. in Kommentirung
der Kirchengesetze: »Die preuss. Kirchengesetze des J. 1873«, Berl. 1873;
»Die preuss. Kirchengesetze der Jahre 1874 und 1875 nebst dem Reichsge-
setze vom 4. Mai 1874«, Berl. 1875; »Das preuss. Kirchengesetz vom
14. Juli 1880 nebst den Gesetzen vom 7. Juni 1876 und 13. Februar 1878«,
Berl. Lpz. 1881; »Das preuss. Kirchengesetz betr. Abänderungen der kirchen-
politischen Gesetze vom 21. Mai 1886«, Berl. Lpz. 1886; »Das preuss.
Kirchengesetz betr. Abänd. d. kirchenpolit. Gesetze vom 29. April 1887«,
Berl. Lpz. 1887. In der zuletzt genannten Schrift setzte sich der Verfasser
mit Dr. F. Heiners Gegenschrift »Wo stehen wir jetzt?«, Dessau 1886, ausein-
ander, nachdem er schon früher in den Schriften »Die Stellung der deutschen
Staatsregierungen gegenüber den Beschlüssen des vatikanischen Concils«,
Berl. 187 1, »Die päpstliche Unfehlbarkeit und das vatikanische Concil«,
Kiel 1871 und »Die Orden und Kongregationen der kath. Kirche in Preussen«,
Berl. 1874 seine Anschauungen entwickelt hatte. Später that er dies wieder
in den kirchenrechtlichen Beiträgen zu von Holtzendorffs Rechtsencyclo-
pädie und zum Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart von
Marquardsen (Freib. 1883 und 1887). Das preussische Kirchenrecht be-
handelte er in »Die evangelische Landeskirche in Preussen und die Einver-
leibung der neuen Provinzen«, Berl. 1867; »Das preussische Gesetz über die
Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschliessung vom
9. März 1874«, Berl. 1874; »Das Preussische Kirchenrecht im Gebiete des
Allg. Landrechts« (Abdr. von Theil II Tit. 1 1 aus der 8. Aufl. des Kommen-
tars zum Allg. L.-R. von Koch), Berl. 1884, wie er auch Richters Bei-
träge z. Preuss. Kirchenrecht 1865 herausgegeben hatte. Es schloss sich an
»Das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe-
schliessung vom 6. Februar 1875«, Berl. 1875, 3. Aufi. 1890. — Sein Lebens-
werk war die Abfassung eines nach den Grundsätzen der historisch-kritischen
Methode juristisch gefassten Lehrbuches des Kirchenrechts der Katholiken
und Protestanten in Deutschland. Er verliess hierin das von seinem Lehrer
Hinschius. Stricker.
53
Richter überlieferte System und beabsichtigte eine Anordnung des Stoffes
in drei Hauptabschnitten: i) Hierarchie und Leitung der Kirche durch die-
selbe, 2) Rechtsverhältnisse der Kirchenglieder, 3) Stellung der katholischen
Kirche im Staate. Von diesem grossartigen, wenn wohl nicht zweckmässig
angelegten Werke erschienen B. I Berl. 1869, • Bd. II 1878, Bd. III 1883,
Bd. IV 1888, Bd. V 1895, Bd. VI Abth. I 1897. Man wird zugeben können,
dass hier für die künstlerische Gestaltung des Stoffes nicht genug gethan ist
und mag sich vielleicht an vielen zu Monographien ausgewachsenen Materien
(Bischofswahlen, Patronatrecht, Synoden, Strafrecht und Strafverfahren) stossen,
auch bedauern, dass trotz riesiger Arbeit noch nicht einmal der erste Haupt-
abschnitt des ursprünglichen Planes erledigt ist, indem speziell leider das
kirchliche Vermögensrecht unbehandelt blieb — dennoch wird man bei Ein-
gehen in die Einzelheiten die seltene Gelehrsamkeit, die staunenswerthe
Gründlichkeit, den tiefen kritischen Blick und die meisterliche Beherrschung
des ungeheueren Materials bewundern müssen. Auch ist der nie ver-
leugnete Gerechtigkeitssinn, der selbst vor unliebsamen, dem Gegner zugut-
kommenden Resultaten nicht zurückschreckt, besonders anerkennenswerth. —
Auch als Lehrer für die Fächer des Kirchenrechts, des Civilprozesses und des
Preussischen Civilrechts hat H. Treffliches geleistet. Seinen aus den ver-
schiedensten Ländern zusammenströmenden Schülern bewies er stets opfer-
williges Interesse. Scharf in seinem Urtheil, war er voll offener Anerkennung
wirklich guter Leistungen und gern bei den Arbeiten unterstützend. Als
juristischer Berather war er hochgeschätzt und den gewandtesten Praktikern
gewachsen. Diesen praktischen Scharfsinn hatte er im Verkehr mit seinem
Vater ausgebildet, mit dem er 1862 — 66 die Preuss. Anwaltszeitung heraus-
gab. — Als Parlamentarier war er an gesetzgeberischen Arbeiten, obwohl
für Politik weniger sich interessirend (vgl. z. B. seinen Aufsatz über die
Camorra und die Camorristen in den »Grenzboten« Bd. XV) lange betheiligt.
Er vertrat als nationalliberaler Abgeordneter im Reichstage den Kreis Flens-
burg-Apenrade 1872 — 78 und 1880/81, seit 1889 die Universität Berlin im
preuss. Herrenhause. Er war längere Zeit stellvertretender Vorsitzender des
litterarischen und Mitglied des gewerblichen Sachverständigenvereins, widmete
sich mit grosser Sachkunde den Verwaltungsgeschäften der Universität, war
auch Mitglied des Universitätsgerichts. Mit der eigenen Ueberzeugung hielt
er nie zurück, ohne durch Rücksicht auf Gunst oder Ungunst irgend welcher
Kreise sich beirren zu lassen. In seiner Rektoratsrede (1889) sprach er über
Svarez, den Schöpfer des preuss. Landrechts und den Entwurf eines bürgerl.
G.-B. f. d. deutsche Reich, Berl. 1889 (auch in den Preuss. Jahrbb. Bd. 65).
Von Statur klein, aber lebhaft, mit scharfem, klugen Blick, fesselte er alle,
die in intimere Beziehungen zu ihm traten.
Emil Friedberg in der Deutschen Ztsch. f. Kirchen recht Bd. 9 (1899); Ulrich
Stutz in der Sonntags - Beilage der Basler Allg. Schweizer Zeitung Nr. 52 vom 25. De-
zember 1898; lUustrirte Leipziger Zeitung 1898 II 896/7 mit Bild; Beilage zur Allg. Zei-
tung Nr. 283 vom 14. Dezember 1898 S. 7; Tidsskrift for Retsvidenskab 1899 p. 92—94;
De Gubernatis, dictionnaire international des ecrivains du jour, Florence 1888 — 91
p. 1187; Deutsche Juristen-Zeitung 1899 S. 14/15 (E. Seckel); Kukula, Allg. deutscher
Hochschalen- Almanach, Wien 1888 S. 339.
A. Teichmann.
Stricker, Salomon, Universitäts-Professor der allgemeinen und experi-
mentellen Pathologie in Wien, * in Waag-Neustadtl am i. Januar 1834,
54
Stricker.
f 2. Ai^ril 1898 in Wien, studirte die Medicin in Wien, war Secundararzt des
allgemeinen Krankenhauses daselbst, habilitirte sich für Entwickelungsgeschichte,
wurde dann Assistent an der Lehrkanzel für Physiologie (unter Brücke), hierauf
Adjunct an der Klinik Oppolzer, wurde am 18. Februar 1868 zum ausser-
ordentlichen Professor der Ekperimentalpathologie und am i. März 1873 zum
Ordinarius der allgemeinen und experimentellen Pathologie ernannt, welche
Lehrkanzel er bis zu seinem Tode versah. Für diese Lehrkanzel, die an
deutschen Universitäten nicht besteht, aber an den österreichischen creirt
wurde, und nun hie und da in nichtdeutschen Landen eingeführt wird, baute
S. das Fach aus. Wie nicht sobald ein Anderer dazu vorbereitet (Histolog,
Physiolog, Kliniker nach dem Gange seiner Entwickelung) wollte S. methodisch
das weiter ausbauen, was Rokitansky mit der Begründung der pathologischen
Anatomie begonnen: der practischen Medicin als einer ausübenden Kunst
sollte ein System von Wissenschaften gegenüberstehen, aus denen die Heil-
kunde das volle Verständniss ihres Objectes und in weiterem Ausgreifen auch
Regeln ihres Handelns zu gewinnen hätte. Rokitansky hat in der patho-
logischen Anatomie den fundamentalen morphologischen Bau ausgeführt und
die pathologische Histologie vertiefte seitdem diese Richtung durch die
mikroskopische Untersuchungsmethode; die pathologische Chemie machte sich
an die Lösung der auftauchenden chemischen Probleme; die Experimental-
pathologie sollte alle jene Fragen lösen, die sich weder aus dem morpho-
logischen noch aus dem chemischen Studium, noch aus der Beobachtung am
Krankenbette heraus beantworten lassen, sondern den Versuch am Thiere
(ev. Menschen) nothwendig machen; eine in gleichem Sinne concipirte Ex-
perimental therapie hätte dann den Kreis der theoretischen Disciplinen ge-
schlossen, welche im Vereine mit der klinischen Beobachtung (und Statistik,
Geographie und Geschichte der Krankheiten etc.) Alles umfasst hätte, um
eine Theorie der Krankheiten und Anhaltspunkte für ihre Behandlung zu
liefern. Ein besonderes Kapitel der Pathologie wäre dann die »Allgemeine
Pathologie« gewesen, eine Theorie der Krankheitsformen, eine Kritik der all-
gemeinen pathologischen Begriffe. Im Einverständnisse mit Rokitansky, der
in S. einen bahnbrechenden Mann erkannte und ihm sein Vertrauen schenkte,
wurde dieser Arbeitplan für die österreichischen Facultäten durchgesprochen.
In der ersten Hälfte seiner Amtswirksamkeit lebte S. mehr dem Ausbau der
allgemeinen, in der zweiten mehr der Ausgestaltung der Experimentalpatho-
logie. Die Grenze zwischen diesen zwei Phasen seiner wissenschaftlichen und
beschränkten Thätigkeit war nicht durch ein äusseres Moment bedingt, sondern
durch ein bemerkenswerthes inneres. Die durch Koch begründete und in so
vielen Richtungen auch noch persönlich ausgebaute Bacteriologie hatte einen
Umschwung in der Pathologie hervorgebracht, den man wirklich epochal
nennen darf. Die pathologische Anatomie Rokitanskys und die Cellular-
pathologie Virchows konnte S. in ihren theoretischen Resultaten noch voll-
kommen beherrschen ; ja die Cellularpathologie bereicherte S. noch mit eigenen,
höchst werthvoUen Funden und Methoden. Aber die Bacteriologie kam in
einem Zeitpunkte auf, in welchem S. nicht mehr in der Lage war, so mitzu-
wirken, dass er Hervorragendes hätte leisten können; nach einigen Versuchen
auch auf diesem Gebiete mitzusprechen, gab er die Hoffnung auf, in die neue,
ausserordentlich fruchtbare und zahllose jüngere Arbeiter lockende Richtung
irgendwie bestimmend einzugreifen. Die Methoden waren ganz neu und
so lohnend sich die Aussichten für jeden halbwegs begabten Mitarbeiter
Stricker.
5S
herausstellten, für S. war die Zeit um, sich in die ganz überraschende neu-
artige Richtung einzuleben. Er verwendete nun seine ganze Energie und
seine ganze Zeit dazu, die Experimentalpathologie zu fördern, besser
gesagt, das physiologische und das pathologische Experiment. Und
hierin brachte er es zu einer nicht ganz neidlos anerkannten Bedeutung.
Während früher C. Ludwig an dem einstigen Josefinum eine Experimental-
schule ersten Ranges geschaffen hatte für die Physiologie, wurde das
S.'sche Laboratorium zu einer gleich hohen Pflegestätte des Experimentes
für die Pathologie; dass daneben viel Physiologisches erledigt wurde, geht
aus der Natur der Sache hervor; man könnte demnach von S. als einen be-
deutenden Vertreter der Experimentalmedicin sprechen, umsomehr als in seiner
Schule auch experimentelle Toxicologie und Pharmacologie von einzelnen
jüngeren Arbeitern sehr methodisch betrieben wurde. So war das S.'sche
Institut dem Programm gemäss eine Stätte, wo auf dem Wege des Versuches
alle jene Fragen behandelt werden konnten, welche die practische Medicin
iiufwerfen oder ausnutzen konnte; im räumlichen Verbände des allgemeinen
Krankenhauses stehend, war sie mit der pathologischen Anatomie unter Kundrat
und der medicinischen Chemie unter E. Ludwig ein wichtiges Glied jenes
Systems theoretischer Wissenschaften, welches den klinischen Fächern gegen-
überstand, um von ihnen Fragen zu erhalten und ihnen Antwort zu geben,
ihnen Fragen zu stellen und ihre Antworten weiter zu bearbeiten. Dass sich
nun an die Glieder dieses Systems noch die Bacteriologie und Hygiene an-
schliesst, ist nur eine Erweiterung des Programmes und zwar eine der an-
sehnlichsten und — fast möchte man sagen — am wenigsten erwarteten.
Darum aber blieben die früheren Glieder des Systems in ihrer alten Geltung.
So wenig als die pathologische Anatomie oder die Chemie überflüssig ge-
worden sind, so wenig ist die Experimentalmedicin entbehrlich; im Vorder-
grunde des Interesses steht dermalen die aetiologische, vor Allem also die
bacteriologische Forschung, aber die alten Geleise können nicht abgeschafft
werden, weil auch noch neue gelegt worden sind. Das waren wohl die Er-
wägungen, welche S. bestimmten, alle ihm noch zu Gebote stehende Kraft
der Experimentalmedicin zu widmen. Selbst ein Meister des Versuches, ein
ebenso kritischer, wie auch aufspürender Kopf, suchte er nun noch in zwei
Richtungen zu wirken. Einmal auf den engeren Kreis der jüngeren Forscher,
die sich um ihn gruppirten und in dieser Beziehung war er, wie sich v. Wagner
treffend ausdrückte, ein Lehrer der Lehrer, er erzog eine grosse Zahl von
selbstständig forschenden Schülern auch auf dem Gebiete des Experimentes,
er machte Schule in eminentem Maasse. Das andere Mal auf den weiteren
Kreis der Studenten, die ihn hörten, und da wurde er nicht müde, seine
I>emonstrirkunst, das Schulexperiment in einer Weise zu entwickeln, dass die
Experimentalmedicin keinen gleichen Lehrer, keine gleich entwickelten Lehr-
methoden auf der Welt hatte. (Daran verschlägt nichts der Umstand, dass
die S.'sche Methode des Schulexperiments von der akademischen Jugend in
den letzten Jahren nicht nur nicht entsprechend gewürdigt, sondern zu Zeiten
auch stark verkannt und entwürdigt wurde.) Die von S. in der angedeuteten
Weise entwickelte Schöpfung ist für die Zukunft nicht voll gesichert. Das
Verhältniss der allgemeinen Pathologie zur Experimentalmedicin kann erst in
der Zukunft genauer geklärt werden, und hier wird offenbar die Entwickelung
der aetiologischen Forschung bestimmend wirken; die Bacteriologie vor Allem
\^ird die Richtung der allgemeinen Pathologie und Therapie wesenthch be-
56
Stricker.
einflussen; die Experimentalmeclicin wird aber stets das alte Bedürfniss
bleiben.
In seinen ersten Jahren war S. Histolog und auch auf diesem Gebiete
war er eine ganz hervorragende Kraft. Er blieb einer der ersten Histologen
sein ganzes Leben lang. Eben diese seine Bedeutung unterstützte sein Wirken
in der allgemeinen Pathologie und machte ihn zu einer hervorragenden Indi-
vidualität in jener Zeit, wo er die Experimentirkunst nicht zur Hauptaufgabe
seiner Thätigkeit machte. Man muss dabei noch hinzufügen, dass er nicht
nur ein hervorragender Histologe, sondern auch ein Fachmann auf dem Ge-
biete der Entwickelungsgeschichte war. Und dann begreift man diese eigen-
thümliche Individualität, welche Histologie, Entwickelungsgeschichte und Phy-
siologie nach ihren Methoden beherrschte und diese Vielseitigkeit auf patho-
logische Probleme anzuwenden verstand. Er wurde Experimentalhistolog, wie
ihn Spina treffend genannt. »Das war das Instrument, auf dem S. spielte.«
Er fing an, das lebende Gewebe, nicht das todte Präparat, mikroskopisch zu
verfolgen. Und hier thaten sich vor ihm die grundlegenden Probleme der
Zelle und des Zellkernes, der Proliferation der Zellen, der intercellularen Substan-
zen, der Capillaren und der Diapedesis auf. In weiterer Folge tauchten die
Probleme der Entzündung, der Secretion und Resorption auf. Und auf allen
diesen Gebieten ging S. originelle Wege, überraschte mit neuen Funden und
neuen Aufdeckungen von Beziehungen, die allen Jenen in die Quere
kamen, welche eben nur das Eine oder das Andere der herkömmlichen Schul-
gebiete kannten. Gerade diese Thätigkeit S.'s kann als sein Blühen bezeichnet
werden. Noch werden viele Jahre vergehen und immer wird man auf S.'s
Beobachtungen und Bemerkungen zurückkommen; sein Geist wird noch öfters
citirt werden. Man sah es ja vor wenigen Jahren in der Frage der Inter-
cellularsubstanzen. Noch lange wird er in diesen Fragen mitreden, wenn
viele seiner Gegner verstummt sein werden.
Eine ungewöhnlich stärkere Natur, machte er sich selbstverständlich Viele
zu Gegnern. Und da wurde gegen ihn eine ewig banale, aber doch ärger-
liche Methode angewendet; man suchte ihn dafür todt zu schweigen. In
dieser Beziehung verfuhr man von vielen Seiten so consequent, dass hier ein
Beispiel vorliegt, wie die Kastenpsychologie auch noch in unserer Zeit be-
merk enswerth inferiore Erscheinungen aufweist, deren Nachwirkungen erst
nach Jahren vollkommen verschwinden werden.
Gerade die histologischen Arbeiten waren es, welche in S. die Ueber-
zeugung festigten, dass in den histologischen Wissenschaften manche fundamen-
tale Anschauung bei eingehender Prüfung sich nicht ganz stichhältig erweise,
und dass neue Methoden Thatsachen aufdecken, welche eine Verschiebung
der Fundamente bewirken. Diese Ueberzeugung leitete S. dazu, auf allen
Gebieten, die er betrat, die grundlegenden Anschauungen auf ihre Festigkeit
zu prüfen. Da er viele Gebiete betrat, so kam er selten aus den Zweifeln
heraus, und es war ein eigenthümlicher Zug in ihm, dass er nicht ruhte, bis
er endlich glaubte, einen unbedingt festen Boden unter sich zu haben. So
betrat er das Gebiet der Electricitätslehre, der Philosophie, und suchte überall
bis zu den Wurzeln der Lehre vorzudringen. Ein einzelner Mann kann bei
diesem Beginnen manche Enttäuschung erfahren, indem er übersieht, dass
die Geschichte des Faches das bereits erledigt hat, was er zu prüfen unter-
nimmt, und dass Andere bei dieser Prüfung schon tiefer eingedrungen waren.
Immerhin hat S. diese Excurse auf entlegene Gebiete mit dem tiefsten Ernste
Stricker. t*r
unternommen und hie und da Gedankenreichthum und originelle Auffassung
bekundet.
Das Meritorische der S.'schen Leistungen zu erfassen, dazu gehört aller-
dings eine eingehende fachliche Vorbildung und desshalb möge die Aufzählung
hier unterbleiben. Es möge nur ein Spruch ihren Werth andeuten: »Schon
die Entdeckung der Contractilität der Capillaren, der Diapedesis und der
Umwandlung von Grund'substanz in Wanderzellen sind Thaten eines wahrhaften
Genies in seinen glücklichsten Stunden, sie sichern S. unvergänglichen Ruhm«.
Der Spruch rührt von A. Spina, Professor der allgemeinen und experimen-
tellen Pathologie an der czechischen Universität in Prag her, und wenn man von
dem dankbaren Tone absieht und dagegen en^'ägt, dass es ein sehr mass-
gebender Fachmann ist, der da mitspricht, so kann man sich kaum dem Ein-
druck verschliessen, dass S.'s Leistungen zu den ungewöhnlicheren gehören.
An dem Tage, wo S. das 25jährige Jubiläum seines Ordinariats feierte,
tiberreichten ihm seine Schüler und Freunde eine kleine Festschrift, welche
S.'s Leistungen nach jeder Richtung bespricht und ein sehr gelungenes Bild-
niss enthält. Es wird dort angegeben, dass von den engeren Schülern 45 als
Professoren, 1 7 als Docenten an medicinischen Facultäten des Inlandes, aber
auch in Deutschland, Frankreich, England, Italien, Russland, Norwegen und
Amerika wirken. Die Schrift enthält auch ein genaues Verzeichniss aller Ar-
beiten, die von S. und aus S.'s Institut von seinen Schülern veröffentlicht
wurden. Es sind 392 Arbeiten. Von S.'s eigenen grösseren Pubhcationen
seien angeführt: Handbuch der Lehre von den Geweben der Menschen und
derThiere. Unter Mitwirkung herausgegeben. Leipzig, Engelmann 1 871 — 1873. —
Vorlesungen über allgemeine und experimentelle Pathologie, Wien, Braumüller
1877 — 1883. — Studien über das Bewusstsein, Wien, Braumüller 1879. —
Studien über die Sprachvorstellungen, Wien, Braumüller 1880. — Studien
über die Bewegungs Vorstellungen , Wien, Braumüller 1882. — Studien über
die Association der Vorstellungen, Wien, Braumüller 1883. — Neuroelectrische
Studien, Wien, Braumüller 1883. — Physiologie des Rechts, Wien, Töplitz
und Deuticke 1884. — Allgemeine Pathologie der Infectionskrankheiten, Wien,
A. Holder 1886. — Ueber die wahren Ursachen. Eine Studie. Wien, A. Holder
1887. — Ueber strömende Electricität. Eine Studie. Leipzig und Wien,
F, Deuticke 1892, 1894. — Studien zur Cholerafrage, Leipzig und Wien,
F. Deuticke 1893. —
Nebstdem: Studien aus dem Institute für experimentelle Pathologie in
Wien aus dem Jahre 1869, Wien, Braumüller 1870. — Mittheilungen aus
dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie der Wiener Uni-
versität, Wien, A. Holder 1886. — Arbeiten aus dem Institute für allgemeine
und experimentelle Pathologie der Wiener Universität, Wien, A. Holder 1890. —
Skizzen aus der Lehranstalt fiir experimentelle Pathologie in Wien, A. Holder
1892. Fragmente aus dem Gebiete der experimentellen Pathologie, i. Heft,
Wien und Leipzig, F. Deuticke 1894. —
Zahlreiche Abhandlungen in den Schriften der k. k. Academie der Wissen-
schaften in Wien, deren correspondirendes Mitglied, und ebenfalls zahlreiche
Abhandlungen in den Jahrbüchern der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien,
deren Redacteur S. durch mehr als ein Decennium war, wie auch in mehreren
der Wiener medicinischen Wochenschriften. Auch einige Feuilletons in der
N. Fr. Presse.
Für S.'s Art des wissenschaftlichen Streites zeugen mehrere Titel von
rg Stricker. SchuUerus.
Streitschriften: Offener Brief an Herrn Professor Axel Key in Stockholm.
(Wiener med. Jahrb. 1873.) — Das Zuckungsgesetz. Eine Anklageschrift gegen
Herrn Professor v. Fleischl (Wiener med. Blätter 1882), Nachtrag z. A. gegen
Prof. V. Fleischl (eb. 1882). — Offener Brief an den Herrn Hofrath Prof. Dr.
Ernst V. Brücke, Wien, C. Fromme 26. März 1885. — Offener Brief an den
Herausgeber des Archivs für Physiologie, Prof. Dr. E. du Bois-Reymond in
Berlin, Wien, C. Fromme 30. April 1885. — Aus den Niederungen der
Wissenschaft, Wien, Gistel & C. December 1892. — Von Stufe zu Stufe,
Wiener klin. Wochenschrift 1897. —
S. hat nie eine Auszeichnung erhalten, und lehnte im Voraus jede ab;
er nahm auch keine academische Würde an; er hatte sich in den letzten
Jahren von jedem gesellschaftlichen Verkehr zurückgezogen, während er früher
mit einigen hervorragenden Künstlern und Gelehrten freundschaftlichen Verkehr
gepflegt hatte. Kinderlos starb er nach längerer Krankheit (Insufficienz der
Aortaklappen) in Wien (Döbling), wo er begraben liegt. Seine von ihm selbst
verfasste (jrabesinschrift besagt, ungern sei er vom Leben geschieden, aber süss
sei es, von der Arbeit zu träumen. Er war thatsächlich einer der rastlosesten
Arbeiter.
Prof, E. Albert.
Schullerus, Fritz, Maler, * 22. Juni 1866 in Fogarasch in Siebenbürgen,
f 22. December 1898. Die Kunst hat in früheren Zeiten auch unter den
Sachsen in Siebenbürgen eine freundliche Pflege gefunden. Noch jetzt kann
der Wanderer an den prächtigen Goldschmiedearbeiten sich erfreuen, die
nicht nur im Brukenthalischen Museum in Hermannstadt zu sehen sind,
sondern auch im Besitz zahlreicher sächsischer Kirchen sich befinden.
Neben der Goldschmiedekunst blühte zu Zeiten auch die Malerei. Das
schöne Bild der Kreuzigung in der Hermannstädter Pfarrkirche aus dem
Jahr 1445 ^^" Magister Johannes aus Rosenau hat nicht nur einen kunst-
geschichtlichen Werth. In den schweren Zeiten der Türkenkriege ging die
Kunst natürlich rückwärts und unserm Jahrhundert ist es vorbehalten ge-
wesen, nicht nur das Interesse für die Kunst in weiteren Kreisen zu erwecken,
sondern vor Allem auch inmitten des sächsischen Volkes selbst Künstler zu
erwecken, die nach dieser Richtung hin bildend auf die Volksgenossen zu
wirken berufen sind. Es hängt gewiss mit dem Doppelzug der jüngsten Ent-
wickelung des sächsischen Volkes zusammen, dass in der Gegenwart, auch
diese Bethätigung des Lebens in ihm erwacht, einmal mit dem Zusammen-
hang seines Geisteslebens mit der deutschen Cultur überhaupt, dann ins-
besonders mit der bewussten Arbeit an der Vertiefung und Läuterung
ebenso des nationalen als des religiösen Lebens. Solche Gedanken ruft das
leider so kurze Leben und Wirken Seh. 's wach. Beide Elemente haben den
Knaben umgeben, da er auf dem Pfarrhof in Schönberg aufwuchs, wo sein
Vater Pfarrer war. Letzterer, ein ungewöhnlich gemüthstiefer geistreicher Mann,
der selbst zeichnete und malte, Mutter und Geschwister gehoben durch einen
Zug, der den Staub des Tages durch den Blick zur Höhe überwindet, — das
war die Luft, in der der Junge aufwuchs, dessen liebster Wunsch schon früh
war, einmal Maler zu werden. Er besuchte das Hermannstädter Gymna-
sium 1881 — 1885, wo die Brukenthalische Bildergallerie mannigfache An-
regung bot, ging dann, um das Diplom für die Anstellung als Zeichenlehrer
zu erwerben, nach Pest 1885 — 1889 und wandte sich von dort nach München,
Schullerus. Riecke.
59
wo er die Malerakademie zwei Jahre besuchte. Nachdem er zwei Jahre
Zeichenlehrer in Bistritz gewesen war, ging er wieder nach München, um
ganz der Kunst zu leben. Er hatte nämlich den Auftrag erhalten, für den
Schässburger Comitatssaal ein grosses Bild zu malen: die Union der ständi-
schen Nationen auf dem Landtag in Schässburg 1506, ein Gemälde, das er
in der That ausführte, und das unser erstes heimisches historisches Bild ist,
an dem künstlerische Auffassung und lebensvolle Charakteristik erkennbar
sind. Aber der junge Maler lebte mehr in der Gegenwart als in der Ver-
gangenheit. Das sächsische Leben, wie es ist, in seinen religiösen und
nationalen Aeusserungen, zog ihn an. Und da wurden die Bilder des sächsi-
schen Dorfes, die seine Seele aus den Knabenjahren bewahrte, ihm Grundlage
zum künstlerischen Schaffen. So entstand das »Abendmahl in einer sächsi-
schen Kirche«, so durchaus eine Verkörperung des eigenartigen Volkslebens,
dass Niemand es ohne Rührung sehen kann. Der Entwurf für die »Beisetzleiche«
ist gleichfalls dem Dorfleben entnommen. Das Honterusjubiläum gab ihm
Veranlassung, das Bild zu schaffen, in dem nun die nationalen und religiösen
Momente zusammenfliessen : wie die Hundertmannschaft in Kronstadt auf
des Honterus Reformationsbüchlein den Eid ablegt. Historisch treu, voll
Leben und Bewegung bezeichnet es einen Höhepunkt aus der sächsischen Ver-
gangenheit. Auch als Porträtmaler hat Seh. Tüchtiges geleistet. Aber seine
Hauptkraft lag augenscheinlich in der Darstellung sächsischen evangelischen
Lebens. So gehört er zu den Männern, die mitgewogen werden müssen,
wenn Bildungs- und Entwickelungsgang des letzten Menschenalters inmitten
des sächsischen Volkes beurteilt werden will. Er schien berufen, die Eigenart
seines Volkes auch in der Malerei festzuhalten und jene selbst dadurch in
reinere Höhe zu heben.
Fr. Teutsch.
Riecke, Karl Victor von, * 27. Mai 1830 in Stuttgart, f 9. März 1898
ebenda. Mit dem Tode des Königlich württembergischen Staatsministers Dr.
von Riecke fand ein hochbedeutsames, reiches und gesegnetes Leben seinen
viel zu frühen Abschluss. — Einer alten, vor 200 Jahren aus Mecklenburg ein-
gewanderten Familie entstammend, war R. als Sohn des damaligen Rechts-
consulenten Dr. jur. Riecke geboren, verbrachte, da der Vater inzwischen als
Universitätsamtmann nach Tübingen versetzt war, dort seine ersten Schuljahre,
durchlief, nach der Berufung des Vaters zur Königl. Hofdomänenkammer, das
Stuttgarter Gymnasium und machte dann, wie damals bei den Anwärtern für
den höheren, namentlich den Finanzverwaltungsdienst noch sehr gebräuchlich,
zunächst ein Praktikantenjahr auf dem Cameralamte zu Heilbronn durch. —
Ein einjähriger Aufenthalt auf der landwirthschaftlichen Akademie Hohenheim
(1848/49) ging dem Besuche der heimischen Hochschule (Herbst 1849 bis
1852) vorauf, wo er die Rechte und Cameralwissenschaften einschl. der
(iewerbeökonomie, Maschinenlehre und Technologie studierte. Nach glänzender
Ablegung der beiden höheren Finanzdienstprüfungen im Herbste 1852 bezw.
1853 trat er als zunächst provisorischer Cameralamtsbuchhalter in Heilbronn in
den Finanzdienst, dem er dann nahebei 45 Jahre lang in unentwegter, erfolg-
reicher Thätigkeit angehören sollte. Zuerst nebenamtlich auf dem Hauptzoll-
amte zu Heilbronn mitbeschäftigt, Hess er sich, um sich endgültig dem Zoll-
dienste zu widmen, später (1857) den Hauptzollämtern Heilbronn und nachher
Friedrichshafen als Assistent zutheilen. Zur weiteren Vorbereitung für seine
6o Riecke.
neue Laufbahn trat er im Herbste 1854 zunächst eine fünfmonatige wissen-
schaftliche Urlaubsreise durch Sachsen, Norddeutschland, Belgien und Frank-
reich an, um Land und Leute kennen zu lernen. Im Jahre 1857 lernen wir ihn
zuerst schriftstellerisch in einem Aufsatze »Ueber die Arbeiterwohnungen in
Heilbronn« kennen. Im Jahre 1858 wurde R. zum Finanzministerium ab-
geordnet, wo er schnell vom Secretär (November 1858) zum Assessor (Septem-
ber 1859) und Finanzrath (August 1861) aufrückte, um im September 1864
zum wirklichen Finanzrath ernannt zu werden. Zuerst aushilfsweise, 1859 mit
dem selbständigen Referate für Zoll- und Handels-, Geld- und Münzwesen be-
traut, ward er bald berufen, bei den wichtigsten Fragen nicht nur der Zoll-
und Finanz Verwaltung, sondern des deutschen Zollvereins und der deutschen
Einheit mitzuwirken. Klaren Auges blickte er in jener Zollvereins-Konfliktszeit
zu Anfang der sechziger Jahre, wo der deutsch -französische Handelsvertrag
die Gemüther erregte, in die Zukunft und war an erster Stelle mitthätig bei
den Vorbereitungen des dann von ihm mitabgeschlossenen letzten Zollvereins-
vertrages vom 16. Mai 1865. Aus damaliger Zeit stammt sein von wissenschaft-
licher Durchdringung des Stoffes zeugender, weitsichtiger Aufsatz »Die Tarif-
reform im Zollverein« (Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft, Band XIX,
Seite 319 ff.), dem sich eine von R. bei den württembergischen Industriellen
persönlich unternommene »Enquete über die Lage der Industrie und den
Einfluss der Tarifverhältnisse« unmittelbar anschloss. Nach Errichtung des
Norddeutschen Bundes und dem Abschlüsse der Schutz- und Trutzbündnisse
mit den süddeutschen Staaten erhielt der Zollverein durch den von R. mit-
unterzeichneten Vertrag vom 8. Juli 1867 eine neue staatsrechtliche Grund-
lage. Noch im gleichen Jahre zum Oberfinanzrath befördert, rückte er schon
nach Jahresfrist zum wirklichen Oberfinanzrath auf und wurde im Januar 1 868
als württembergischer Bevollmächtigter in den Bundeszollrath entsandt. Eine in-
zwischen erfolgte Einigung mit Baden wegen Beseitigung der lästigen Wasser-
zölle auf den bezüglichen Wasserstrassen u. s. w. sowie der Abschluss eines
Handelsvertrages zwischen dem Zollvereine und der Schweiz waren gleichfalls
wesentlich sein Werk, nicht minder der so wichtige Eintritt Württembergs in
den Norddeutschen Bund. Im neubegründeten Deutschen Reiche betheiligte
sich R. als württembergischer Bevollmächtigter noch iV, Jahre an den
Arbeiten des Bundesrathes.
Neben seiner sonstigen Berufsthätigkeit ward R. schon 1863 i"^ Neben-
amte zum ordentlichen Mitgliede des württembergischen statistisch-topographi-
schen Bureaus berufen und wohnte als solches der Mehrzahl der Versammlungen
des internationalen statistischen Kongresses bei, wie er denn auch mit der
internationalen Statistik durch seine 1886 erfolgte Ernennung zum Ehrenmit-
gliede des 1885 an Stelle des Kongresses getretenen internationalen statisti-
schen Instituts dauernd verbunden wurde. Von 1873 ab leitete er das Bureau
nach wie vor nebenamtlich, behielt nach seiner Ernennung zum Director des-
selben (1877) aber nur das Ministerialreferat über Statistik bei. Hohe An-
forderungen an sich selbst stellend, Hess er sich vorwiegend die Pflege der
Verwaltungsstatistik angelegen sein, während sein Amtsvorgänger (G. von Rümelin)
hauptsächlich die Bevölkerungsstatistik ausbaute. Zahlreiche Arbeiten des
Verstorbenen geben davon Zeugniss. Wir erwähnen nur seinen Vortrag »Die
Aufgaben des topogr.-statistischen Bureaus« (Württemberg. Jahrbücher, Jahrg.
1872), seine »Beiträge zur allgemeinen Statistik«, aus denen später das
»Statistische Handbuch« erwuchs, die »Statistik der Universität Tübingen«,
Riecke. 6 1
welche er mit Hartmann herausgab, und seine, mit Camerer bearbeiteten
»directen Steuern vom Ertrag und Einkommen in Württemberg« (Jahrg. 1877,
III und 1879, I a. a. O.) sowie seinen Aufsatz »Verfassung und Landstände«
(ebenda). Die Zeitschrift des Bureaus und die württembergischen Jahrbücher
wurden von ihm erweitert und die »Württembergischen Vierteljahrshefte für
Landgeschichte« neu gegründet, welche von 1878 ab als Beihefte zu den
Jahrbüchern erschienen, 1892 aber an die »Historische Kommission« über-
gingen. Auf Grund seiner wissenschaftlichen schriftstellerischen Leistungen
ernannte die Tübinger staatswissenschaftliche Facultät den Verstorbenen 1876
zum Ehrendoctor. Auch das Kartenwesen hatte sich seiner thatkräftigen
und verständnissvollen Förderung zu erfreuen. Endlich führte er die dritte
»Beschreibung des Königreichs Württemberg« (1882/86) durch, dessen
von ihm bearbeiteter Theil (II *, der Staat) 1887 in zweiter vermehrter
Auflage unter selbständigem Titel erschien. Aus dieser gesammten, seine
historische und staatsrechtliche Begabung erweisenden Thätigkeit wurde
er im November 1880 durch seine Ernennung zum Director des Steuer-
koHegiums abberufen. Auch hier bewährte er sich glänzend, seine schrift-
stellerische Thätigkeit fortsetzend, so dass er schon nach wenig über
fiinf Jahren in den obersten Rath der Krone, den »Geheimen Rath«, im
März 1886 zunächst als ausserordentliches, noch in demselben Jahre aber,
bei Ernennung zum Wirklichen Staatsrathe, als ordendiches Mitglied be-
rufen wurde.
Neben seinen jeweiligen Hauptämtern lagen R. auch noch umfassende
parlamentarische Pflichten ob. Unter dem 24. October 1872 wurde er Mit-
glied der Kammer der Standesherren und gehörte dieser hohen Körperschaft
fast 19 Jahre lang an; 1874 wurde er landesherrliches Mitglied der Evan-
gelischen Landessynode zu deren IL, später auch deren III. und IV. Tagung;
schon 1876 zum Synodalausschusse berufen, wurde er 1878 zum Präsidenten
der Synode erwählt, unvergesslich Allen durch die umsichtige, massvolle und
doch entschiedene Führung der Geschäfte. Im October 1891 übertrug König
Wilhelm IL dem Dr. von R. an Stelle des Staatsministers Dr. v. Renner die
Leitung des Finanzdepartements, die er bis zu seinem Tode behielt, segens-
reich wirkend in der württembergischen Finanzreform frage, die er nahe dem
Abschluss brachte, sowie in der Ordnung des Staatshaushalts, die er gleich-
falls nach Möglichkeit förderte.
Schon im Jahre 1896 bedenklich an einer Verkalkung der Arterien er-
krankt, raffte er sich, um sein ernstlich gefährdetes Werk nicht liegen zu
lassen, immer wieder auf, bis er im Januar des laufenden Jahres einen
Erholungsurlaub antreten musste, der ihn zum Krankenbette und auf das
Sterbelager führte.
Eine nahebei vierzig Jahre währende schriftstellerische Thätigkeit, der
wir nur z. Th. oben näher getreten sind, beendete R. mit einer als Manuskript
gedruckten, am 15. November 1896 abgeschlossenen pietätvollen Erinnerungs-
schrift »Meine Eltern, ihre Geschwister und ihre Freunde«, eine Arbeit, welche
uns einen Einblick in das innere Wesen des Verfassers bietet, der alles Ein-
zelne auf das Ganze bezog, für den das Besondere nur als Glied des grossen
Ganzen Recht und Pflicht des Daseins hatte, und der wiederum im Einzelnen
Gesetz und Geist des Ganzen fand. Im Jahre 1861 mit Theophanie Haug,
der Tochter des bekannten Tübinger Geschichtsforschers, verheirathet, führte
er eine geistig reiche und beglückende, aber kinderlose Ehe.
62 Riecke. Born.
Die höchsten Ehrungen wurden ihm zu Theil, und die »Schwäbische
Kronik« durfte ihm mit Recht in ihrer No. 124 vom i. Juni 1898 nach-
rufen: Er war ein seltener Mann: »ich durfte nimmer Seinesgleichen sehen«.
E. Blenck.
Born, Stephan, Redacteur und Professor, * 28. Dec. 1824 in Lissa,
f 4. Mai 1898 in Basel. B. hat selber in einem in seinem Todesjahre (bei
G. H. Meyer in Leipzig) erschienenen Buche »Erinnerungen eines Achtund-
vierzigers«, das auch mit seinem Bildniss geschmückt ist, seine vielbewegten
Jugendjahre erzählt. Der in Lissa (preuss. Provinz Posen) Geborene kam
schon in jimgen Jahren nach Berlin, um als Schriftsetzer sein Brod zu ver-
dienen; seinem Wissenstrieb bot die Universität, an der er einige Vorlesungen
hörte, Nahrung; zugleich behielt er seine Augen offen für die politischen
Vorgänge. Er kam mit den hauptsächlichsten Wortführern der Bewegung,
die dann 1848 acut wurde, in persönliche Berührung und gerieth so in das
revolutionäre Fahrwasser hinein. Das blieb so, als er von Berlin nach Paris
und Brüssel kam. Männer wie Friedrich P^ngels und Karl Marx erhalten
aus eigener Bekanntschaft heraus in dem genannten Buche B.'s ihre Charak-
teristik. Nach den Märztagen 1848 kehrte B. nach Berlin zurück, und nun
widmete er sich mit Eifer der Sache der arbeitenden Klassen, deren Eintritt
in die politische Welt B. als das eigentliche Merkmal des Jahres 1848 be-
zeichnet. Er wurde Redacteur einer diese Interessen verfechtenden Zeitung
und einer Zeitschrift, die er recht eigentlich mit seiner eigenen Feder ali-
mentirt hat. Als Redner trat er in Versammlungen auf; die Organisation
eines Buchdruckerausstandes war sein Werk; er wurde dann auch einer der
Präsidenten des ersten deutschen Arbeiter-Congresses in Berlin und nahm als
Delegirter Theil an den Verhandlungen der Centralcommission für die deut-
schen Arbeiter in Leipzig, Die Barrikadentage in Dresden, Mai 1849, ^^^
B. als Kämpfender und als einer der Leiter des Strassenkampfes mitgemacht.
Die Folgen dieser Theilnahme an der Revolutionsbewegung Hessen denn auch
für B. nicht auf sich warten: er musste flüchten und wandte sich, wie da-
mals so viele und so bedeutende Achtundvierziger, nach der Schweiz, um hier
ein Asyl zu suchen. In Murten Hess er sich nieder, erwarb dort eine Buch-
druckerei, kam aber auf keinen grünen Zweig, da nach seinem eigenen Ge-
ständniss der praktische Sinn bei ihm mit dem idealen nicht Schritt hielt.
B. nahm dann vorübergehend Aufenthalt in Bern und Zürich, an welch letz-
terem Orte er zwei Jahre am Küsnacher Seminar als Lehrer wirkte. 1857
trat er in die Redaction des »National Suisse« in La Chaux-de-Fonds ein,
kurze Zeit war er hierauf als Lehrer in Schaffhausen thätig, und schliesslich
erhielt er 1860 eine Professur für deutsche Sprache und Litteratur an der
Neuenburger Industrieschule; später rückte er auch zum Professor an der
Neuenburger Academie vor. Bis 1878 blieb er in dieser Stellung, die er
sodann mit der eines Auslandsredacteurs der »Basler Nachrichten« in Basel
vertauschte. Damit hatte B.'s Wanderleben sein Ziel erreicht; in der Rhein-
stadt, die ihm recht eigentlich zu einer zweiten Heimath wurde, ist er ge-
storben. Ein Herzschlag machte seinem Leben ein Ende.
Neben seiner Thätigkeit als Redacteur, die er mit vielem Geist und ge-
wandter, feiner Feder ausübte, widmete sich B. auch der Basler Universität.
1878 habilitirte er sich, schon im folgenden Jahr wurde ihm der Titel eines
Extraordinarius verliehen und auch die Ernennung zum Ehrendoctor blieb
Born. Hertslet. 63
nicht aus. B. trug an zwei Wochenstunden in öffentlichen Vorlesungen über
Shakespeare, Goethe, Schiller und die deutschen Romantiker vor. Seinen
Collegien verlieh er den Hauptreiz durch die Vorlesung von Stellen aus den
Dichterwerken; er verstand sich trefflich auf diese Kunst; daher vor Allem
auch der zahlreiche Besuch, dessen sich seine Stunden erfreuten. Wissen-
schaftliche Originalforschung bot er seinen Hörern kaum; dagegen war alles
getragen von warmer, schöner Begeisterung fiir das poetisch Werthvolle. Auch
seine Vorträge vor gemischtem Hörerkreise trugen diesen Charakter, sie waren,
wie alles was B. schrieb, sorgfältig und elegant stilisirt und fesselten durch
den geistvoll pointirten Vortrag. Die meisten dieser Vorträge sind im Druck
erschienen, wir nennen die über H. Heine, Lord Byron, Nie. Lenau, H. 2^chokke,
Andr^ Chdnier, Beaumarchais; sie finden sich veröffentlicht in der Sammlung
»Oeffentiicher Vorträge, gehalten in der Schweiz« (bei Benno Schwabe in
Basel). Für die Heine-Ausgabe in der Cotta'schen Weltlitteratur schrieb B. die
Einleitung. Sein langer Aufenthalt im französischen Sprachgebiet der Schweiz
verschaffte B. eine genaue Kenntniss der französischen Sprache; er machte
sie nutzbar in einer Anzahl ganz vorzüglicher Uebersetzungen. So verdanken
wir B. die Uebertragungen von^Daudets kleinen Erzählungen, die unter dem
Titel »Provengalische Geschichten« und »Montagsgeschichten« von B. heraus-
gegeben wurden; desselben Schriftstellers »Tartarin in den Alpen« und
»Dreissig Jahre in Paris« fanden durch B. eine gewandte Verdeutschung; von
weiteren Uebertragungen seien die von Renans »Souvenirs de jeunesse et d'en-
fance« und des bekannten Buches des P. Didon »lieber die Deutschen« ge-
nannt. Die Erinnerungen J. D. H. Temmes fanden 1883 in B. ihren Heraus-
geber; das Vorwort B. 's ist von 1882 datirt. Von den dichterischen Arbeiten
des phantasiebegabten Mannes ist nicht sehr vieles an die Oeffentlichkeit ge-
treten; am Ende seines Lebens ward ihm noch die Freude bescheert, ein
Opemlibretto »Kudrun« von dem bekannten Componisten Hans Huber in
Basel in Musik gesetzt zu sehen; die Aufführung des Werkes im Basler Stadt-
theaters war ein Freudentag seines Alters.
In der Oeffentlichkeit trat B. wenig hervor; er war auch kein freisinniger
Parteimann im gewöhnlichen Sinne des Wortes; in der Beurtheilung der
deutschen Politik stand er freilich stets im antibismarckischen Lager; Bismarck
stets bekämpft zu haben, hat er selbst einmal ausdrücklich betont. Durch
sein feines Wesen und seine persönliche Liebenswürdigkeit hatte sich B. in
Basel viele Sympathieen erworben, die sich auch in seiner Berufung in die
Kunstcommission, in eine Schulinspektion u. s. w. kundgab; auch das Ehren-
bürgerrecht wurde ihm verliehen. Die grosse Pflichttreue in seinem Beruf,
sein chevalereskes, jeder gehässigen Polemik abholdes Wesen machten B. zu
einem hochangesehenen Gliede der schweizerischen Journalistik; sein 70. Ge-
burtstag wurde denn auch von den Männern der Presse in ehrenvollster Weise
begangen; aber auch Regierung und Universität in Basel unterliessen es nicht,
dem viel verdienten Manne ihre Gratulation darzubringen.
H. Trog.
Hertslet, W. L., Schriftsteller, ♦21. November 1839 in Memel, f 2. Mai
1898 zu Friedenau bei Berlin. Ueber seine Jugend, seinen Bildungsgang und
Lebenslauf wussten selbst die wenigen, in den Blättern nach seinem Tode
erschienenen Nekrologe nichts zu sagen. Es wird eben das stille, ereignisslose
und beschauliche Leben und Schaffen eines deutschen Schriftstellers gewesen
64 Hertslet.
sein, der zeitlebens auf keinen grünen Zweig gekommen ist, obwohl das, was er
uns hinterlassen, seinen Namen — aber auch nur diesen ohne jeden aben-
teuerlichen Lebensaufputz — auf die Nachwelt bringen wird. Er muss ein
universales Wissen, einen ungeheuren Fleiss und eine ganz ungewöhnliche
Belesenheit besessen haben, und es ist ganz begreiflich, dass Name und Per-
sönlichkeit des Verfassers der drei Bücher, die wir von ihm haben, ganz und
gar hinter diesen zurückgetreten sind, denn sie sind alle drei von der Art,
dass sie — wie es bei brauchbaren Nachschlagewerken meist geht — mehr be-
nützt, auch ausgenützt und gelesen, als nach Verdienst gerühmt werden. — Sie
haben — es ist beschämend für unser deutsches Schriftthum — dem Autor
zeitlebens zwar die reiche Anerkennung der dankbaren Kenner, aber keine
Reich thümer eingetragen. — Das erste seiner Bücher, der jetzt in vierter, neu
bearbeiteter Auflage (1895) vorliegende »Treppenwitz der Weltgeschichte«
erschien zum ersten Mal 1882 in dem bekannten Büchmann -Verlage von
Haude & Spener (F. Weidling) und machte H.'s Namen bekannt. Damals
etwa 150 Seiten stark, ist es inzwischen auf 469 Seiten angeschwollen —
ein merkwürdiges Buch. Etwas ungeordnet, enthält es eine überraschende
Fülle des interessantesten historischen und anekdotischen Materials und reiche
psychologische Hinweise auf den Geist der OefTentlichkeit und das Volks-
bewusstsein. H. hat das bis dahin nur im Französischen vorhandene Wort
»esprü dCescaliei^iü trefflich ins Deutsche umgeprägt und bei uns eingebürgert,
ganz ähnlich wie Büchmänn das Homerische Wort für seine »Geflügelten
Worte« in Anspruch genommen hat. Dabei verbreitet sich H. aber in seinem,
in einem höchst persönlichen Stil verfassten Buche über sämmtliche alte und
neue Litteraturen aller Culturvölker. Die »Nationalzeitung« hat sein Buch
passend characterisirt in den Worten: »H. geht von der durch Büchmann
gemachten Beobachtung aus, dass es ein untrügliches Kennzeichen eines all-
gemein gewordenen Citates sei, wenn eine Veränderung seiner ursprünglichen
Form eintritt. In derselben Weise sind die meisten der bekannten historischen
grossen Paradewörter — Stichwörter sagt H. unrichtiger Weise — unwahr,
unhistorisch, fable convenue. »Der Geschichte fällt« — so erklärt er den
esprit d'escalier sehr hübsch — »geradeso wie dem von der Audienz die
Treppe herunterkommenden Bittsteller, ein pikantes, gerade passendes Wort
fast immer erst hinterdrein ein. Nur wird es ihr leichter als dem Bittsteller,
das Versäumte nachträglich in das Protokoll eintragen zu lassen, was sie
denn auch thut.« Nach der etwas gewagten Prämisse »die Geschichte ist
unpoetisch« führt H. in seinem Buch eine Reihe von geschichtlichen Per-
sönlichkeiten vor, um die gähnende Kluft zwischen der Wahrheit der Ge-
schichte und dem idealisirenden Nebel der Dichtung zu kennzeichnen. Fein-
fühlig kommt er dann auf einen zweiten leitenden Grundsatz, dass nämlich
die Geschichte auch nicht malerisch sei. Auch die volksetymologischen Be-
zeichnungen von Orten, Strassen, Bildwerken, Symbolen, Sitten, Sprüchen
u. s. w. zieht der Verfasser geschickt in das Gebiet seiner Betrachtungen und
erklärenden Richtigstellungen, wie z. B. den heiligen Christophorus (der den
Christus trägt, ursprünglich bildlich genommen), bei dem die bekannte Sage
erst aus der Erklärung des Namens entstanden ist, dann Bezeichnungen wie
»Mäusethurm« (eigentlich Mauththurm), Pilatus-Berg (richtiger mons pileatus,
der Berg mit einem Hut, einer Nebel- oder Wolkenkappe), zu dem dann eine
phantastische Sage von Pontius Pilatus erfunden wurde. Des ersten Napo-
leon bekannte romantische Darstellungen im Bilde, seine eigenen Bulletins,
Hertslet 6j
seine grossen »mots« u. A. m. werden von H. mit kritischer Schärfe ge-
mustert und auf Grund guter geschichtlicher Detail-Kenntnisse zu ihrem
wahren Mass zurückgeführt.« — Mit seinem »Treppenwitz« wird H.*s Name
viel sicherer verbunden bleiben als mit seinem zweiten Buche, das sich an
ein weit kleineres, an das Publikum der Schopenhauer -Forscher und Ver-
ehrer wendet: es ist das 1890 im Verlage von F. A. Brockhaus erschienene
»Schopenhauer-Register, ein Hülfsbuch zur schnellen Auffindung aller
Stellen, betreffend Gegenstände, Personen, Begriffe, sowie der Citate, Ver-
gleiche und Unterscheidungen, welche in Arthur Schopenhauer's Werken,
ferner in seinem Nachlasse und in seinen Briefen enthalten sind«. Ein
Werk ungeheuren Sammelfieisses, wie wir es leider kaum für einen andern
Philosophen, Gelehrten oder Dichter besitzen. Wessen er nur habhaft
werden konnte, hat er für dieses sein Lieblingsbuch benützt. Die neue
Grisebach'sche Schopenhauer-Ausgabe war damals noch nicht erschienen, noch
auch die neuesten Brief-Publicationen , aber bei den gewissenhaften Angaben
der Seitenzahlen in den alten Frauenstädt'schen Ausgaben ist das Register
auch für jene brauchbar. Für ziemlich viele Citate, die Schopenhauer bringt,
gelang es H. Anfangs nicht, ihre Herkunft nachzuweisen. Er hat später
— im Feuilleton der ^> Frankfurter Zeitung« vom 24. December 1892 —
eine Nachlese gehalten und die Sorge der letzten Wochen galt noch den
Vorarbeiten für eine später in Aussicht genommene zweite Auflage. Er sollte
sie nicht mehr erleben. Als der Schreiber dieser Zeilen in seinem Hand-
exemplar dieses ihm unentbehrlich gewordenen Buches etliche von H. über-
sehene Stellen in Schopenhauer'schen Briefen eingetragen und H. davon er-
fahren hatte, ruhte dieser nicht, bis er ihm das Exemplar zur Ergänzung über-
liess, wofür er sich dann ebenso liebenswürdig als aufopfernd durch die
handschriftliche Eintragung aller der von ihm gefundenen Ergänzungen re-
vanchirte, so dass ich nun gewissermaassen im Besitze dieser zweiten Auf-
lage bin, die vielleicht nie erscheinen wird, und die noch herauszubringen,
wie H. mir wenige Monate vor seinem Tode schrieb, sein »lebhaftester Wunsch«
gewesen, da sie »unendlich besser sein wird«. — Ganz vereinzelt, scheint es,
ist ein Flugblatt geblieben, das bei Trowitzsch & Sohn in Berlin gedruckt,
mir im Januar 1898 von ihm zugesandt worden und — ein Beweis für H.'s
Vielseitigkeit — ein rein mathematisches Problem mit Ausblicken auf Kants
Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft«, auf Schopenhauers
'Tafel der Praedicabilia der Zeit, des Raumes und der Materie«, sowie auf
Zöllners »Natur der Kometen« behandelt: die »Spiegelungen zwischen Arith-
metik und Geometrie«. Aber noch nicht genug: das dritte der Bücher H.'s
bewegt sich wieder auf einem anderen Arbeitsfelde, und es ist charakteristisch,
dass sich auch die Fachleute dieses Gebietes mit höchster Anerkennung über
H. und seine nimmermüde, scheinbar ganz wieder nur in dieser einen Arbeit
aufgehende Thätigkeit äussern. Es ist dies: »Salings Börsen -Papiere
vSalings Börsen -Jahrbuch). Ein Handbuch für Bankiers und Kapitalisten.
Bearbeitet von W. L. Hertslet (Berlin, Haude u. Spener'sche Buchhandlung)«.
In dem Vorwort zu dem Jahrgang 1897/98 spricht H. den einen Wunsch
aus — >nicht meinetwegen, denn für mich käme dessen Erfüllung doch zu
spät (er hatte leider damit Recht), sondern des allgemeinen Besten wegen
— nämlich, dass dem Gesetz gegen den unlautern Wettbewerb noch ein
Paragraph hinzugefügt werde zum Schutze nur zusammengetragener Schriften,
wie der »Saling« eine ist und nothwendiger Weise sein muss«. Bitter klagt
Biogr. Jahrb. n. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. c
66 Hertslet. von Proskowetz.
H. Ȇber das Ausstrecken gieriger Krallen solcher, die selbst nichts schaffen
können, nach den Früchten meines jahrelangen Fleisses« und über die Ver-
leumdungen des von ihm im 25. Jahrgang herausgegebenen »Saling& durch
schmutzige Wettbewerber. Dieser Jubelband sollte sein letzter sein. Den
Jahrgang x 898/99, den H. noch vorbereitet hatte, musste ein Anderer
vollenden. Die Verlagshandlung aber stellte dem alten Mitarbeiter in ihrem
Vorwort ein ebenso schönes wie gerechtes Zeugniss aus , wenn sie schreibt :
»Mit nie rastender Sorgfalt und Treue, mit hingebendem Fleisse und eiserner
Ausdauer hat H. seines freiwillig übernommenen Amtes in selbstlosester Weise
im Interesse der deutschen Bank- und Börsenwelt und des deutschen Capita-
listenpublikums gewaltet; ihm hat er seine Zeit und seine beste Lebenskraft
geopfert. Von lauterstem Charakter, unbestechHch und unbeeinflussbar, war
er unzugänglich ftir alle Versuchungen, wie sie an den Herausgeber eines
solchen Unternehmens nur zu häufig herantreten; nie hat er seinen scharfen
Blick für das Schlechte und Unredliche sich trüben, nie seine scharfe Feder
von andern Erwägungen, als denen der Treue und Ehrlichkeit führen lassen.
Blank, wie er den Schild des Buches von Saling vor fünfundzwanzig Jahren
übernahm, hat er ihn bei seinem Tode zurückgelassen und manch gefähr-
licher Feind ist im Laufe der Jahre seinen Streichen erlegen. Oft hob H.
hervor, dass es die allererste Pflicht eines derartigen Nachschlagewerkes wäre,
gegen notorischen Schwindel derbe vorzugehen. Mit Stolz konnte er noch
in der Vorrede zum vorigen Jahrgang sagen, dass durch seine Thätigkeit viel
Unheil verhütet und manche grossen und kleineren Capitalien vor der Ueber-
leitung in unreine Taschen bewahrt worden seien.« Mitten nun in den Vor-
bereitungen zum neuen »Saling« und daneben emsig fiir sein »Schopenhauer-
Register« sammelnd ist H. im Alter von 58 Jahren plötzlich einem Gehirn-
schlag erlegen. Andere werden nach ihm kommen und seine Unternehmen,
hoffentlich in seinem Geiste, fortsetzen, denn kein Mensch ist unersetzlich,
aber die ausserordentliche Universalität dieses stillen Geistesarbeiters wird
doch in seinen wenigen, aber gediegenen Büchern fortzeugend nur Gutes ge-
bären, und desshalb sei ihm auch in diesen Blättern ein bescheidener Platz
gewidmet.
Alfred Freiherr v. Mensi.
Proskowetz, Max Ritter von, Dr. jur., k. u. k. österr.-ungar. Consul in
Chicago, * 4. Novb. 185 1 zu Kwassitz, Mähren, f 19. Septemb. 1898 zu
Fort Wayne, Indiana, Ver.-St., — der zweite Sohn des Grossindustriellen und
Nestors des österr. Abgeordnetenhauses, Emanuel R. v. Proskowetz. — Als
Knabe verletzte er sich durch einen Sturz die linke Kniescheibe; um das
kranke Bein gesund zu machen, bedurfte es vieljähriger Curen und der ganzen
Aufopferung seiner in jeder Hinsicht um ihn verdienten Mutter. Erst im
Alter von 18 Jahren hatte er den freien Gebrauch des Beines wiedererlangt,
ohne welchen es ihm nicht möglich gewesen wäre, sich den zum Theile
grossen Anstrengungen, die seine vielen Reisen erforderten, auszusetzen. —
Die durch sein Leiden erzwungene Ruhe legte wohl den Grund zu einer
schon in jüngeren Jahren erworbenen ernsten Anschauung der Welt und des
Menschenlebens, sowie zu umfassenden und gründlichen Sprachkenntnissen —
er beherrschte neben seiner Muttersprache das Französische und Englische
vollkommen, sprach und schrieb auch italienisch, böhmisch, russisch und
spanisch — und zu seltener Belesenheit in den Litteraturen aller Culturvölker.
von Proskowetr. 67
Er verfügte über ein ausgezeichnetes Gedächtniss, brachte es zu nicht un-
bedeutender Fertigkeit im Zeichnen und Malen und war durch einen liebens-
würdigen Charakter ausgezeichnet. Im J. 1869 absolvirte er das Wiener
Schottengymnasium, besuchte die Wiener Universität, um die Rechte zu
Studiren, betrieb aber daneben fleissig Culturgeschichte, Litteratur und Malerei.
1874 zum Doctor der Rechte promovirt, arbeitete er im folgenden Jahre in
der Canzlei des Wiener Advocaten Dr. Dollenz. Einen Winter über lernte
er als Volontär auf der Muster-Domäne des Grafen Bellegarde in Gross-
Herrlitz in österr. Schlesien die Praxis der Landwirthschaft und landwirth-
schaftlichen Brennerei kennen, besuchte dann (1875/6) die landwirthschaftliche
Hochschule in Wien und vollendete, nachdem er den Gedanken, sich dem Staats-
dienste in der diplomatischen Laufbahn zu widmen, der ihn schon damals
lebhaft beschäftigte, wieder aufgegeben hatte, seine theoretischen landwirth-
schaftlichen Studien auf der Hochschule zu Halle a. S. Der Altmeister der
Landwirthschaft, Prof. Dr. Julius Kühn, der P. stets ein wahrer Freund blieb,
hat mit seinem milden Wesen und seinem umfassenden Wissen bestimmenden
Einfluss auf P.'s Character genommen. Der Verkehr mit vielen bedeutenden
Männern, u. a. den Proflf. Volkmann, Gräfe, Dümler, v. Nathusius, der Besuch
intensiv und verschiedenartig geführter Landwirthschafts- und Industriebetriebe,
der Aufschwung des jungen deutschen Reiches, all das wirkte erhebend und
aneifemd auf ihn ein, so dass der 2jährige Aufenthalt in Halle als die glück-
lichste Epoche seines Lebens anzusehen ist.
Es begann nun eine neue Epoche grosser und seinen Anschauungskreis
in fruchtbarster Weise erweiternder Reisen: 1878 bereiste er mit seinem
Bruder, dem bekannten Landwirth und Industriellen Emanuel v. P., Belgien,
die Niederlande, Grossbritannien, die pyrenäische Halbinsel, Frankreich,
Algier und Italien; eine Frucht dieser Reise sind die von beiden Brüdern
veröffentlichten »Land wir thschaftlichen Reisebriefe«. Eine zweite Reise,
die ihn nach Aegypten (bis Wadi Haifa), Palästina, Syrien, KJeinasien und
Griechenland führte, veranlasste ihn zur Herausgabe eines die Land- und
Volkswirthschaft, wie die Statistik dieser Länder behandelnden Buches:
»Streifzüge eines Landwirths (1881)« und der »Landwirtschaftlichen
Reisebriefe aus dem Orient (1881)«. Der Gedanke zu dieser anmuthigen Be-
handlung des Stoffes rührt von de Gourcy her. — Nachdem er England zum
zweiten Male besucht hatte, trat er 1888 seine grosse Reise durch Russland, den
Kaukasus, Transkaspien bis Merw, Samarkand und Meschhed an, auf welcher
er, der erste Oesterreicher, die neuerbaute transkaspische Militärbahn benützte.
Dieser Reise verdankt sein grösseres Werk »Vom Newastrand nach
Samarkand« seine Entstehung (Wien 1889). Es zeichnet sich durch scharfe
Beobachtung und sicheres Urtheil über wirthschaftliche, Industrie- und
Handelsverhältnisse aus und ist mit zahlreichen eigenhändigen Zeichnungen,
Naturaufnahmen des Verfassers, geschmückt. — Wir finden darin den mäch-
tigen wir thschaftlichen Aufschwung Russlands und das zielbewusste Vorgehen
seiner Staatsverwaltung in den neugewonnenen asiatischen Ländern in einer
damals noch überraschenden Weise gewürdigt. Zu diesem Werk schrieb der
Orientreisende Vamb^ry das würdige Vorwort. Als I890 in Wien der inter-
nationale land- und forstwirthschaftliche Congress tagte, konnte
nicht leicht ein besserer als P. als Sekretär des Congresses thätig sein; ihm
widmete er den deutsch und französisch erschienenen »Führer durch die
Land- und Forstwirthschaft Oesterreichs«; auch erschienen damals
s*
68 von Proskowetz.
die Monographien über Wischau und Schöllschitz, zwei von den Congressmit-
gliedern besuchte Musterwirtschaften.
Im Jahre 1894 trat P. mit seinem jüngeren Bruder Felix eine Weltreise
an, die durch Canada, die Vereinigten Staaten, Neu-Süd- Wales, Queensland,
dann Java, Birma und Vorder-Indien führte. — Hiermit schloss die Reihe
seiner Studienreisen ab. — Er folgte 1896 einem an ihn ergangenen Rufe
und trat in das Ministerium des Aeusseren ein, um im österreichischen
Consularwesen Verwendung zu finden; trotz der kurzen Zeit, die ihm hier
bis zu seinem frühen Tode gegönnt war, sollte er sich hier, wie ein ihm in
der amtlichen Wiener Zeitung gewidmeter Nachruf hervorhebt, durch seine
rastlose Schaffensfreudigkeit und reiche Productivität in diesem Dienste als
eine Kraft ersten Ranges, welcher eine glänzende Laufbahn vorbehalten
schien, erweisen, — Zunächst wurde er, um den formalen Geschäftsgang
kennen zu lernen, dem k. u, k. Generalconsulate in Smyma zugetheilt, schon
am 26. März 1897 in Folge seiner aussergewöhnlichen Eignung zum k. u. k.
Consul ernannt und zur Dienstleistung in New- York dirigirt, wo er vom
7. August bis 9. September das Technische des amerikanischen Dienstes
kennen lernte, und noch im September 1897 mit der Führung des
Consulates in Chicago, welches bald darauf zum Generalconsulat er-
hoben wurde, betraut. — Nach einjähriger, an Mühen und Anerkennung
reicher Arbeit trat er eine Urlaubsreise nach Europa an, auf welcher er
seinen Tod finden sollte. Auf der Fahrt von Chicago nach New-York stürzte
er in Fort Wayne von der Plattform seines Waggons uud erlag kurz darauf
den schweren Verletzungen im Hospital. Welche Beliebtheit er sich in
Chicago in der kurzen Zeit seiner Amtsführung erworben hatte, zeigte die
rege Betheiligung an der ergreifenden Leichenfeier; der Leichnam wurde
von seinem Bruder Felix v. P. nach Europa gebracht und in dem mährischen
Heimathsorte P.'s bestattet. P. war seit 1891 corresp. Mitglied der Geograph.
Gesellsch. in Wien, ferner war er Mitglied der Royal Geographical Society in
London, der Royal Agricultural Society ebendort, und vieler anderer Gesell-
schaften und Vereine. Ein Gedanke, welchen er durch lange Jahre verfocht,
und welcher in jüngster Zeit in Deutschland Verwirklichung fand, ist die
Einführung landwirthschaftlicher Attaches der diplomatischen Vertretungen.
Ein dauerndes Verdienst hat sich P. auch durch die Gründung des
österreichischen Vereins gegen Trunksucht erworben. Angeregt durch seinen
Vater, welcher die Schädigung des mährischen Landvolkes durch den zu-
nehmenden Branntwein verbrauch zu beobachten reichlich Gelegenheit hatte,
und durch die im Jahre 1883 erfolgte Gründung des deutschen Vereins gegen
den Missbrauch geistiger Getränke, unternahm es P. in den Jahren 1883 und
1884, in den weiten Kreisen, mit welchen er in gesellschaftlichem und ge-
schäftlichem Verkehr stand, Mitglieder für einen in Oesterreich zu bildenden
Verein zu werben, welchem die Bekämpfung der Trunksucht zum Zwecke
gesetzt werden sollte. — In überraschend kurzer Zeit gelang es ihm, nicht
nur Geldbeträge zu sammeln, welche die Gründung des Vereins und die Her-
ausgabe von Druckschriften möglich machten, sondern auch durch Zeitungs-
artikel für diese in Oesterreich noch gar nicht beachtete socialpolitische An-
gelegenheit weitere Kreise zu interessiren. Im April 1884 wurde der Verein,
dessen Satzungen er im Vereine mit dem späteren Geschäftsführer des Vereins,
Dr. Daum, verfasst hatte, constituirt. — Für die Mittheilungen, die derselbe
zuerst in unregelmässigen Zeitabschnitten, seit 1890 aber monatlich (in Ver-
von Proskowetz. von Erb. 69
bindung mit den sächsischen Bezirksvereinen gegen den Missbrauch geistiger
Getränke) erscheinen lässt, schrieb er eine grosse Zahl von Aufsätzen; theils
statistische Mittheilungen, insbesondere über die mährischen Verhältnisse und
über Russland und Amerika, theils auf eigene Beobachtung gegründete
Schilderungen socialer Verhältnisse; unter diesen ist besonders »Alkoholismus
im Salon« (in Nr. 8 vom Jahre 1892) bemerkenswerth, P. war Präsident
dieses Vereines, welcher sich allmählich eine geachtete Stellung und Ansehen
bei den Behörden und autonomen Körperschaften erwarb, und dessen An-
regungen und Gutachten über verschiedene, mit der Bekämpfung der Trunk-
sucht zusammenhängenden Fragen von bleibendem Werthe sind, und bemühte
sich, soweit es seine Anwesenheit im Vaterlande gestattete, mit grossem Eifer
im Interesse dieser so wichtigen Alkoholfrage. Er vertrat den Verein auf dem
internationalen Congresse in Zürich 1887 und wurde als Vertreter Oester-
reichs in das internationale Comitö gegen die Demoralisation der Naturvölker
durch den Branntweinhandel gewählt; für den internationalen Congress gegen
den Alkoholismus in Basel (1896), und für den Congress in Chicago lieferte
er Arbeiten über den Stand der Alkoholfrage in Oesterreich und über die
Aufgaben des Staates gegenüber dem Alkoholismus.
»Ein Ritt ins heilige Land« (1881); Von Usunada nach Samarkand (1889); Tristan
da Cincha (1891); Neues Über das militärische Russland (1891); Ein Ausflug zum Kudial
Batura (1896). — Alt-Krakau (1896); Die Trockenlegung des Kopaisees (1881); In Meschhed
(1S89); Neue Nachrichten über die Colonie Süd -Australiens (1890); Die Urbarmachung
der Dünen in Sud-Holland; Vom australischen Horizont (1895); Das Landschaftliche im
Bilde Karlsbads etc. etc.
Quellen: Nachruf in der Wiener Ztg. vom 21. Sept. 1898. — Familien- und Freundes-
Mittheilungen.
— a —
Erb Ferdinand, Freiherr von Rudtorffer, k. und k. wirkl. Geh. Rath
und k. k. Sections-Chef in Pension. Grosskreuz des Franz Josephs-Ordens,
Eiserne Krone II. Kl., Ritter des Leopold-Ordens, Ritter des preussischen
Kronen-Ordens* I. Kl., Commandeur des italienischen Kronen-Ordens, Gross-
kreuz des serbischen Takowo-Ordens, Grosskreuz des rumänischen Kronen-
ordens, Ehrenbürger von Wien, etc., * Wien am 23. November 1833, f da-
selbst am 19. März 1898.
E. war der Sohn des Hofrathes von E., des Kanzleidirectors des Erz-
herzogs Franz Karl und späteren Directors des Hof- und Staatsarchivs. Noch
nicht zwanzig Jahre alt trat er in den Staatsdienst. Eine kaiserliche Ent-
schliessung vom 9. Juli 1853 gestattete, dass er als Rechtshörer schon nach
dem vollendeten sechsten Semester als absolvirt betrachtet werden dürfe.
Zunächst (27. October 1853) trat E. als Conceptspractikant bei der nieder-
österreichischen Statthalterei ein, wurde dann nach kaum 2 '/^ monatlicher
Thätigkeit der Bezirkshauptmannschaft in Klostemeuburg zugewiesen, im
September 1854 zur Dienstleistung bei der k. k. Statthalterei nach Ofen ver-
setzt, bald darauf zum provisorischen Statthai terei-Concipisten ernannt, und
wenige Tage später der Civilsection des Militär- und Civil-Gouvemements in
Ofen zugetheilt. Dieser rasche Wechsel in seiner Amts Wirksamkeit hielt auch
weiterhin an. Mitte October 1855 wurde er provisorischer Comitatscommissär
ni. Kl. für das Kaschauer Verwaltungsgebiet, am Ende desselben Monates
der k- k. Saröser Comitatsbehörde in Eperies zugetheilt und im September
des folgenden Jahres definitiv in die Klasse der Comitatscommissäre ein-
70
von Erb.
getheilt. Das Jahr 1857 brachte für E.'s Leben und Wirken die entschei-
dende Wendung. Am 10. August wurde er zur Dienstleistung im Ministerium
des Innern (unter Schmerling) einberufen, woselbst er bis zum Jahre 1870
verblieb. Während dieser Zeit war er fast durchgehends im Präsidialbureau
des jeweiligen Ministers thätig. Hier wurde er im Juli 1859 zum Ministerial-
concipisten und im Juni 1864 zum Ministerialsecretär ernannt. In der Folge-
zeit war er zweimal — März 1868 bis Mai 1869 und December 1869 bis
März 1870 — bei Belassung in der sonstigen Verwendung Schriftführer im
Herrenhause des österreichischen Reichsrathes. Ende Februar 1870 verliess er
das Ministerium des Innern, nachdem er schon vorher (im Januar 1869) zum
Sectionsrathe ernannt worden war, und übernahm als Ministerialrath die Press-
leitung im Ministerrathspräsidium. Er wurde jedoch schon im Beginne des
April desselben Jahres in das Ministerium des Innern zurück versetzt und
verblieb in dieser Stellung unter dem Ministerium Hohenwart bis zum Ende
des Jahres 1871. Im December wurde er abermals zum Pressleiter und mit
kaiserlicher EntSchliessung im Mai 1872 zum Vorstande des Departements
für Pressangelegenheiten im Ministerrathspräsidium ernannt. In dieser Stellung
blieb E. während der ganzen Regierungsdauer des Ministeriums Auersperg
und war des Ministerpräsidenten rechte Hand. Nach dem Rücktritte Auers-
pergs nahm er einen längeren Urlaub, den einzigen, den er w^ährend seiner
ganzen Dienstzeit genoss. Seit Juli 1879 gehörte er wieder dem Ministerium
des Innern an. Als Graf TaafTe die Regien\ng übernahm, schien es, als ob
er den bewährten Rathgeber seiner Vorgänger bei Seite setzen wollte. Allein
bald überzeugte sich der Minister, dass E. thatsächlich ein unentbehrlicher
Mitarbeiter geworden war. Er schenkte ihm denn auch sein vollstes Ver-
trauen und stand auch in intimerem persönlichen Verkehr mit ihm. Von
diesem Zeitpunkte an war E. nahezu ausschliesslich mit Agenden administra-
tiver Natur beschäftigt. Zunächst blieb er auf seinem Posten als Ministerial-
rath, dann (Juli 1882) wurde ihm Titel und Charakter eines Sectionschefs
verliehen; im August 1885 erfolgte seine Ernennung zum wirklichen Sectionschef.
Schon im Jahre 1887 wurde E. in den erblichen Freiherrnstand erhoben;
nachträglich wurde ihm noch dasPrädicat» von Rudtorffer« verliehen, der Familien-
name seiner Gattin Alexandrine, der Tochter des k. k. Hauptmannes Eduard
Ritter von Rudtorffer, mit welcher er sich im Jahre 1863 vermählt hatte.
In seinem Gesuche um die Prädicatsverleihung stellte E. die »ergebenste und
dringendste Bitte«, dass seinen Nachkommen, welche um die Bewilligung zur
Ablegung des Familiennamens «Erb« einschreiten sollten, diese Bitte
unter keinerlei Umständen gewährt werden möge. Er war auf diesen Namen
nicht minder stolz wie auf seinen Wappenspruch : »Integritate et adsiduitate«.
— Die Geheimraths würde wurde ihm im Januar 1893 verliehen.
Auch unter den folgenden österreichischen Ministern war E.'s Stellung
eine starke und gesicherte. Den grössten Einfluss hatte er unter Bacquehem.
Seit Taaffe war er der eigentliche Leiter des Ministeriums des Innern in allen
administrativen Angelegenheiten. Von den politischen Fragen hielt er sich
jedoch stets und grundsätzlich fern.
Mit dem Ministerium Badeni kam die Entlassung E.'s. Die Geschichte
derselben reicht in das Jahr 1894 zurück und nahm einen, man könnte fast
sagen, romantischen Verlauf. Ueber die Gründe derselben schreibt die
>' Montags-Revue« in Nummer 12 vom 21. März 1898: »Im Jahre 1893 brach
in Russland die Cholera aus und drang über die Grenze nach Galizien. Sie
von Erb. yi
erlosch im Winter, um jedoch im Jahre 1894 daselbst wieder mit verstärkter
Gewalt aufzulodern, namentlich im östlichen Theile des Landes. Die dort
garnisonirenden Regimenter litten sehr und mussten dislocirt werden, die vor-
bereiteten grossen Kavallerie-Manöver wurden sistirt. In demselben Jahre fand
aber in Lemberg die Landesausstellung in Verbindung mit der Kosciuszko-
Feier statt, die nach Wunsch des Statthalters möglichst glanzvoll verlaufen
sollte, zumal für den Spätsommer der Besuch des Kaisers in Aussicht stand.
Die anfänglich genauen und detaillirten amtlichen Bulletins über die Cholera
wurden immer unklarer, dann hörten sie im Lande selbst ganz auf und nur
die > Wiener Abendpost« brachte kärgliche Mittheilungen. Das Militärärar,
so lebhaft interessirt, N^oirde unruhig, der Referent im Sanitätsdepartement,
Hofrath Dr. von Kusy, begab sich persönlich nach Galizien, um ein genaues
Bild der Situation zu gewinnen, wobei es ihm passirte, dass der ihn geleitende
Landes-Sanitätsreferent auf dem Bahnhofe in Lemberg wieder umkehren musste,
weil in der Hauptstadt selbst die Cholera ausgebrochen war. Die oberste
Sanitätsbehörde im Ministerium des Innern mit ihrem Chef, dem Sectionschef
Freiherm von E. war in steter Unruhe über das vom Statthalter anbefohlene
Vertuschungssystem, denn ihm oblag die Wahrung der Gesundheit der Monar-
chie und seines eigenen, europäischen Ansehens, vor Allem aber musste man
eben wegen der geplanten Kaiserreise alle mögliche Vorsicht üben. Vielleicht
erinnern sich unsere Leser noch, wie wir damals publicistisch eingriffen und
geradezu unverschämte Insulten der officiösen »Presse«, die nichts als von
Lemberg an das Ministerium eingeschickte Lügen und Ableugnungen waren,
abzuwehren hatten. Dem Ministerium des Innern wurde die Sorge endlich
allzugross und Freiherr von E. sandte ein geharnischtes Telegramm an den
Statthalter Dr. Grafen Casimir Badeni, mit dem Auftrage, der vorgesetzten
Behörde die volle Wahrheit zu sagen. Der allmächtige Graf, in seinem Lande
der Pascha, gerieth ausser sich und schickte eine von Eigenliebe schäumende
Antwort. Als der Kaiser in Begleitung des damaligen Ministers des Innern,
Marquis Bacquehem, nach Lemberg kam, forderte der Statthalter seine Ent-
lassung in Form eines Aut-aut. Er oder Baron E. Als der Minister nach
Wien zurückkehrte, kam die Angelegenheit zwischen ihm und seinem Sections-
chef zur Sprache, Baron E. reichte sein Pensionirungsgesuch ein. Aber Mar-
quis Bacquehem war nicht der Mann, der seine beste Arbeitskraft so leicht ent-
behren konnte, insbesondere auch, weil der geplante Ersatz nicht eintraf. Graf
Badeni, dem indessen seine Macht doch besser gefallen und sogar die Aussicht
auf sein Ministerpräsidium eröffnet worden sein mochte, blieb Statthalter und
das Pensionsgesuch des Baron E. in der Lade des Ministers des Innern liegen,
während der Restzeit . der Coalition , unter dem kurzathmigen Ministerium
Kielmansegg und auch unter dem Grafen Badeni. Baron E. wollte es aus leicht
erklärlichen Gründen nicht zurückziehen, er klebte nicht an seinem Amte.
Die Beziehungen zwischen dem Grafen Badeni und seinem ersten Sections-
chef gestalteten sich anscheinend auffallend freundlich, so freundlich, dass
Baron E. schon an die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens glaubte
und sich mit Verstärktem Eifer seiner aufreibenden Arbeit hingab. Plötzlich
fuhr der Blitz nieder. Eines Tages trat Graf Badeni bei seinem Sectionschef
ein, hielt ihm das ein Jahr alte Pensionsgesuch unter die Augen und theilte
ihm mit, dass es angenommen sei ... . So fiel Baron E. So nahm Graf
Badeni seine Revanche.«
Aus seiner gewohnten regelmässigen und anstrengenden Arbeit heraus-
*j2 von Erb.
gerissen, fand E. keinen gleichwerthigen Ersatz für dieselbe. Die aufreibende
Arbeit war ihm Bedürfniss geworden. Er stürzte sich in das politische Leben
und wurde von der social politischen Partei als Candidat für das Reichsraths-
mandat im zweiten Wiener Gemeindebezirke Leopoldstadt aufgestellt. In Folge
der Aussichtslosigkeit seiner Wahl, vielleicht auch aus anderen Gründen, zog
er jedoch seine Bewerbung zurück. Nicht lange genoss Baron E. seinen Ruhe-
stand. Seit seiner Pensionirung nahm seine körperliche und geistige Kraft
ab. »Nicht dass er pensionirt wurde, brach ihn; er war ja schon sechzig
Jahre alt, hatte seine Kinder versorgt und lebte in sehr guten Vermögens-
verhältnissen, sondern die Art, wie er fiel, zerwühlte ihn, den Mann von einem
Riesengeiste, vom klarsten Verstände, von stählernem Leib und unzerstörbarer
Gesundheit.« — »Eine Genugthuung hatte er doch«, schrieb die »Montags-
Revue«, »er sah den Grafen Badeni so fallen, wie wir Alle es gesehen.« Eine
Genugthuung filr kleinliche Menschen!
Anfangs März 1 898 erkrankte E. an heftiger Bronchitis ; eine acute Lungen-
entzündung trat hinzu, und in den Morgenstunden des 19. März schied er
aus dem Leben. E. war ein echt Österreichischer Bureaukrat im besten Sinne
des Wortes. Seine, besondere Vertrautheit mit den so verschiedenartigen öster-
reichischen Landesverhältnissen, seine umfassende Gesetzes- und Personal-
kenntniss befähigten ihn in hervorragender Weise für seine Stellung, nicht
minder auch seine Sprachenkenntnisse. Er beherrschte mehr oder weniger
alle in der Monarchie gebräuchlichen Idiome, neben der deutschen, franzö-
sischen und russischen auch die ungarische, italienische, czechische, polnische,
ruthenische, slovakische, croatische, serbische und rumänische Sprache.
Unter und seit dem Ministerium Taaffe leitete E. die österreichischen Volks-
zählungen. Seine Hauptthätigkeit jedoch entfaltete er auf dem Gebiete des
Sanitäts- und Veterinärwesens, welches er vom Grund auf reorganisirte. Grosses
Verdienst erwarb er sich um das Zustandekommen der Sanitätsconventionen
von Venedig und Dresden. Unterstützt von dem Fachreferenten, Ministerial-
rath Sperk, traf er einschneidende Massnahmen zur rationellen Bekämpfung
der Lungenseuche, unbekümmert um alle Zweifel und Einwendungen; der
Erfolg rechtfertigte ihn in glänzender Weise. Er nahm auch die Fragen des
Marktwesens und der Approvisionirung auf, um deren gedeihliche Entwickelung
anzubahnen.
Auch schriftstellerisch war E. thätig. Seine Brochüre über das Volks-
zählungswesen enthält bemerk enswerthe Rathschläge. Seine beiden letzten
Arbeiten erschienen in der »Montags-Revue«: »Kaiserjubiläum und W^ahl-
reform. Vom vorletzten Oesterreicher«.
Als Mensch war E. von nicht besonders wohlwollender Natur; seine
Weltanschauung und tiefe Menschenkenntniss haben ihm wohl einen etwas
pessimistischen Zug verliehen. Er verband damit jedoch ein starres Festhalten
an seinen bewährten Grundsätzen, nahm aber auch die Erfahrungen Anderer
bei der Durchführung seiner Pläne auf. Die unbedingte Gerechtigkeit gegen
Jedermann leitete ihn.
Persönliche Mittheilungen. — Montags-Revue 21. März 1898. — Wiener Abend-
post 19. März 1898. — Wiener Abendblatt 19. März 1898. — Approvisionierungszeitung
21. März 1898. — Viehverkehrszeitung 21. März 1898. — Thierärztliches Centralblatt
20. März 1898 u. A. m. — Porträt im Besitze der Familie. — Curriculum vitae und
Adelsbriefe sammt Wappen im Adels-Archive des k. k. Ministeriums des Innern in Wien.
Dr. Carl Huffnagl.
Hendel. Prinzessin Katherine. y^
Hendel, Otto, Buchhändler, * 14. September 1820 in Halle a. S., f da-
selbst 13. December 1898. H. entstammte einer alten, seit Anfang des
18. Jahrhunderts als Buchdrucker und Verlagsbuchhändler in Halle ansässigen
Familie. — Das nach dem Tode seines Vaters mit 17 Jahren übernommene
und wenig prosperirende Geschäft wusste er durch unermüdliche Thätigkeit
und vorwiegend autodidaktisches Wissen allmählich zu heben, hauptsächlich
durch Verbindung mit der Universität, für die er fast alles druckte. Den
kleinen Verlag erweiterte er, Neuauflagen bearbeitete er selbst, schrieb auch
ein Handbuch der Oelmalerei, die er selbst betrieb. Nachdem er zwei Jahre
eine conservative Zeitung gedruckt hatte, gründete er 1867 den »Boten für
für das Saalthal«, aus dem dann später die »Saale-Zeitung« hervorging. Noch
1894 schuf er ausserdem den weitverbreiten »Halleschen Centralanzeiger«.
Sein Hauptuntemehmen aber war die bereits gegen 1300 Nummern um-
fassende »Bibliothek der Gesammtlitteratur des In- und Auslandes«. Im pri-
vaten und geschäftlichen Leben zeichneten H. spartanische Einfachheit, ener-
gisches, arbeitsfreudiges, dabei in jeder Hinsicht humanes Wesen aus. Wenige
Monate, nachdem er seine Schöpfungen anderen Händen käufUch überlassen
hatte, wurde er vom Tode hinweggeraffl.
Börsenblatt f. d. dt. BuchhdL 1898 Nr. 294 (mit Nachruf aus d. Saalezeitung), Hand-
schriftliche Notizen v. Dr. Justus Hendel. H. £ Hissen.
Prinzessin Katherine Friederike Charlotte von Württemberg, * Stutt-
gart 24. August 1821, f Stuttgart 6. December 1898. Das älteste Kind
König Wilhelms I. von Württemberg aus dessen dritter Ehe mit der Herzogin
Pauline von Württemberg, genoss sie unter der treuen Obhut ihrer Mutter
eine sorgsame Erziehung und vermählte sich am 20. November 1845 mit
ihrem Vetter, dem Prinzen Friedrich von Württemberg. Im sogenannten
Prinzenbau am Schillerplatz in Stuttgart verbrachte die Prinzessin fortan ihr
Dasein, nahe der Königlichen Residenz, näher noch dem Wittwenpalast ihrer
Mutter, mit der sie stets die innigste Herzens- und Lebensgemeinschaft hielt,
deren Sommeraufenthalte sie theilte, deren Reisebegleiterin sie war. Am
25. Februar 1848 gab sie einem Sohne das Leben, der auf den Namen
seines königlichen Grossvaters getauft ward: dem jetzt regierenden König
Wilhelm IL von Württemberg. Der Gemahl der Prinzessin, Prinz Friedrich,
war ein tüchtiger Officier, der 1865 zum General der Cavallerie emporstieg
und bei der Neuorganisation der württembergischen Armee zum Korps-
commandeur ernannt wurde. Bald nach dieser Beförderung stürzte auf einer
Jagdfahrt sein W^agen um, ein Glassplitter des Fensters verursachte eine
leichte Verletzung im Gesicht, die, anfangs wenig beachtet, den Grund zu
den langwierigen Leiden gelegt haben soll, denen seine kräftige Natur am
9. Mai 1870 erlag. Die Gattin hatte ihm die liebevollste Pflege gewidmet.
Am 10. März 1873 wurde ihr auch die theuere Mutter durch den Tod ent-
rissen. Immer stiller gestaltete sich nun ihr Leben, das fast ganz in der Sorge
für den einzigen Sohn und dessen Familie aufging. Im Sommer pflegte sie
für einige Monate die Residenz zu verlassen, um an den Ufern des Boden-
sees in dem von ihrer Mutter ererbten Landhaus Seefeld bei Rorschach Hof
zu halten. Das letzte frohe Ereigniss ihres Lebens war die Vermählung ihres
einzigen Enkelkindes, der Prinzessin Pauline von Württemberg, mit dem Erb-
prinzen zu Wied. Ende November 1898 erkrankte Prinzessin Katherine in
Folge Erkältung an Bronchitis, die bald eine bedrohliche Wendung nahm.
74
Prinzessin Katherine.
Im Laufe des 5. December stellten sich Herzschwächen ein, und in der fol-
genden Nacht entschlummerte die hohe Kranke um 27, Uhr sanft. Ihre
Schwiegertochter, die Königin Charlotte von Württemberg, hatte ihr bis zum
letzten Athemzuge die sorgsamste Pflege angedeihen lassen. Drei Tage vor-
her war ihre allein noch übrig gebliebene Schwester, die Prinzessin Auguste
von Sachsen-Weimar in Stuttgart, heimgegangen, und sie hatte deren Ab-
scheiden noch mit tiefem Schmerz erfahren. Die Leiche der Prinzessin Ka-
therine wurde am 9. December von Stuttgart nach Ludwigsburg übergeführt
und in der dortigen Familiengruft an der Seite des Prinzen Friedrich und der
Königin Pauline beigesetzt.
Prinzessin Katherine erfreute sich nicht nur als Mutter des Königs,
sondern auch als eine Frau von edlen Charaktereigenschaften und Wohlthäterin
der Armen allgemeiner Hochachtung im ganzen Lande, obgleich sie bei mehr
zurückhaltendem Wesen die Gabe, sich in den Vordergrund zu stellen und
auf diese Weise oberflächliche Popularität zu erhaschen, nicht besass. Unn
so innigere Gefühle der Verehrung und Liebe weckte sie bei Allen, die ihr
näher treten durften. Sie hat ihr Glück zeitlebens im trauten Familienleben
gesucht und gefunden, hat mit den Ihrigen irdisches Leid und Freud redlich
getheih. Hierin hatte sie ganz dieselben Neigungen wie ihre Mutter, ihr
Engel, wie sie zu sagen pflegte. Ueberhaupt schwebte ihr diese edle Frau,
an deren Andenken sie mit rührender Pietät hing, in allen Stücken als Vor-
bild vor Augen. Nach dem Beispiel der Königin Pauline war sie eine
fromme Christin, eine strenggläubige Protestantin von Jugend auf. Als Be-
schützerin zahlreicher Wohlthätigkeits-Anstalten und Vereine trat sie in die
Fusstapfen jener. Doch entsprach es mehr noch ihrem Geschmack, im Stillen
Gutes zu wirken und die Thränen der Armen zu trocknen. Sie umfasste das
ganze Württemberger Land und Volk mit warmer Liebe. Ein stark aus-
geprägtes dynastisches Gefühl eignete ihr. Sie hielt etwas auf ihre fürstliche
Würde und wahrte die alten Traditionen ihres Standes auch in Handhabung
der Etiquette, die für sie nicht bloss äussere, sondern auch innere Bedeutung
besass. Nicht minder hoch stand ihr die weibliche Würde. Sie strebte nie-
mals über die Sphäre der Frau hinaus und vermied, auch nachdem ihr Sohn
den Thron bestiegen hatte, mit feinem Takt Alles, was als Beeinflussung ge-
deutet werden konnte. Es gab w'ohl Leute, die ihren Geist darum unter-
schätzten, weil ihr die Lust am Intriguenspiel völlig fern lag. Ehrlichkeit
und Wahrhaftigkeit stellte sie über jede andere Rücksicht. Bei aller Herzens-
güte hatte sie viel Charakter. Entschieden in ihren Sympathien und Anti-
pathien, hielt sie an den Ansichten, die sich bei ihr gebildet hatten, mit
Zähigkeit fest. Sie brachte es nicht über sich, ihre Gesinnungen zu verbergen,
und zog sich durch ihre Oflenheit in Hofkreisen manche Feindschaft zu.
Sie wusste eben Nichts von Menschenfurcht. Und wem sie einmal ihre Liebe
geschenkt, ihre Huld zugewandt hatte, der konnte sich versichert halten, dass
dies für alle Zeiten gelte, konnte auch auf die thatsächlichen Beweise ihres
Wohlwollens, ihrer Anhänglichkeit zählen. So darf man ohne Uebertreibung
sagen, dass in ihrem schlichten und vornehmen Wesen der alte Wahlspruch
ihres Hauses »Furchtlos und treu!" seine Verkörperung gefunden hat.
Schwäbische Kronik vom 6. — 10. December 1898, Staats -Anzeiger für Württemberg
vom 6. December 1898, (Stuttgarter) Neues Tagblatt vom selben Tag (Unterhaltungs-
beilage, mit Bild), Blätter für das Armenwesen 1898 No. 52, Schwabenland 1898 No. 24
(mit Bild), Daheim 1899 No. 14 (Beilage). Rudolf KraUSS.
Curti.
75
Curti, Franz, Componist, * i6. November 1854 in Cassel, f 6. Februar
1898 in Dresden. Seine Jugendzeit verlebte C. in seiner schweizerischen
Heimath, der schön gelegenen St. Gallischen »Rosenstadt«, Rapperswyl am
Ufer des Ztirchersees, wo sein Vater, der spätere Hofopernsänger Anton C.
den Knaben bei dessen Onkel, dem musikbegeisterten Sanitätsrath Alexander C.
unterbrachte. Den festen Grund zu seiner musikalischen Ausbildung legten
die Musikdirectoren Karl Attenhofer, der allbekannte Männerchor-
Componist, und G. Surläuly, die den von Kindheit an mit Leib und Seele der
Kunst der Töne Ergebenen im Klavier- und Geigenspiel unterrichteten, aber
auch seine schöne Stimme entdeckten und so erfolgreich cultivirten, dass
Franz C. Vorsänger in Schule und Kirche wurde und sogar vielfache Ver-
wendung als Solist in Concerten fand. Zu Freiburg, im Uechtland, machte
C. das Gymnasium durch und nahm daneben Orgelstunden bei dem treff-
lichen Virtuosen auf diesem Instrument Prof. Voigt. Nach dem 1871 er-
folgten Tod des Rapperswyler Onkels bezogen Franzens Eltern das Heim
des Verstorbenen, während er selbst nach St. Gallen tibersiedelte, um hier
seine Gymnasialstudien zu vollenden. Anfänglich gedachte er Augenarzt zu
werden, gewann indess als Hospitant im Operationszimmer des berühmten
Zahnarztes Dr. Locher grössere Neigung für diesen Zweig medicinischer
Thätigkeit und lernte durch den Genannten, der eifriges Mitglied des Comitds
für das St. Gallen- Stadt theater war, auch die Bühne näher kennen. Nach-
dem ihm ein längerer Aufenhalt in San Remo Genesung von einem Lungen-
leiden gebracht, bezog C. die Universität Berlin und studirte daselbst haupt-
sächlich Anatomie. Die Absicht, sich nach Amerika zu begeben und dort
in der zahnärztlichen Kunst zu vervollkommnen, vereitelte ein neuer Krank-
heitsanfall, der ihn zwang, in Hävre das Schiff zu verlassen. Von hier kam
er nach Paris und an die Universität nach Genf, wo er seine Berufsstudien
abschloss. Nach wohlbestandenem Staatsexamen Hess sich der junge Zahn-
arzt in Dresden nieder, wohin inzwischen die Eltern ihren Wohnsitz verlegt
hatten. Hier trat C.'s Vorliebe für die Musik immer mehr hervor, so dass
sein ferneres Leben den eigenartigsten Dualismus zeigt. Ein Vokal-Quartett
»Wenn ich war der Mondenschein«, das während seiner ersten Dresdener
Zeit als Op. 2 erschien, gefiel so sehr, dass der Autor sich an Edmund
Kretschmer, den Componisten der »Folkunger« wandte, um sein Theorie-
schüler zu werden. Mit Feuereifer studirte er unter dem Genannten Har-
monielehre und Kontrapunkt, und schrieb zugleich eine Reihe von Quartetten
und Liedern, welch' letztere sein Freund, der berühmte Tenor Emil Götze,
überall mit glänzendem Erfolg sang. Bald schlössen sich kleinere und
grössere Männerchöre an, wie Op. 8 »Zwiefacher Frühling«, dessen Vortrag
der Bochumer »Eintracht« beim Gesangswettstreit zu Essen 1885 als I. Preis
die goldene Kaisermedaille eintrug. Anfangs der 80 er Jahre hatte C. seinen
eigenen Hausstand gegründet, indem er sich mit Frl. Eugenie von Bötticher
vermählte und in der trefflichen Gattin das höchste Glück seines Lebens fand.
Eine Freundin derselben, Frl. Marg. Wittich, schrieb ihm nach einer
Schweizersage den Text zu dem Tonwerk »die Gletscherjungfrau« und
lieferte dem Componisten auch das Libretto zu seiner ersten Oper »Hertha«,
die am 9. Jan. 1887 zu Coburg ihre Premiere erlebte und einen so grossen
Beifall errang, dass der kunstsinnige Herzog Ernst, dem das Werk gewidmet
ist, den Tondichter durch Verleihung der goldenen Verdienstmedaille für
Kunst und Wissenschaft auszeichnete. Inzwischen hatte C. seine Kenntnisse
^6 Curti. Lempertz.
in der Compositionstechnik bei dem Dresdener Theoretiker Schulz-Beuthen
vervollkommnet, und verschiedene neue Schöpfungen waren die Frucht dieser
Studien, so eine noch nicht publicirte Symphonie und die reizvolle Musik zu
Schillers »Semele.« Die Oper »Reinhardt von Ufenau«, die 1889 über die
Bühne des Zürcher Stadttheaters ging, scheiterte an dem mangelhaften Text,
während ihre Melodik und Instrumentation volle Anerkennung fanden. i8qo
schrieb C. eine stimmungsvolle Musik zu Wolfgang Kirchbachs Bühnen-
märchen »Die letzten Menschen«, und zu Holger Drachmanns »Schwan-
fried«, deren Hauptstücke der Autor später zu einer beliebten Orchestersuite
vereinigte. Die folgenden Jahre zeigten eine Anzahl Männerchor-Composi-
tionen, so den Chor »Im Sturm», die beiden Schweizerlieder »St. Jakob« und
»S' ist net lang«, die zwei »Männerchöre im Volkston« Op. 37, und vor
Allem das dramatische Tonwerk »Die Schlacht« für Männerstimmen und
Orchester, worin die poetischen Bilder, die das Schiller' sehe Gedicht ent-
rollt, eine höchst charakteristische Darstellung gefunden haben. Dies gilt
übrigens auch von den in C.'s letztem Lebensjahr entstandenen Preischören
»Hoch empor« und »Den Todten vom Iltis«, deren Aufführung durch den
Dresdener Lehrer-Gesangverein Anfangs 1898 das Publikum begeisterte.
Eine sehr gute Aufnahme fand Curti's dramatischer Einakter »Erlöst«, der
Frühjahr 1895 im Mannheimer Hoftheater aus der Taufe gehoben wurde,
und einen noch glücklicheren Wurf that der Autor mit dem anmuthigen
Capriccio »Lilitsee« (Text von Wolfg. Kirchbach), das 1896 in Mannheim,
Frankfurt, Dresden etc. aufgeführt wurde und sich seitdem auch die Opern-
Bühnen der Neuen Welt .erobert hat. Wie C. seiner geliebten Heimath
schon in der 1892 entstandenen Orchestersuite »die Schweiz« eine sinnige
künstlerische Huldigung dargebracht hatte, so sollte sein letztes und be-
deutendstes Bühnenwerk dem Vaterlande geweiht sein, wir meinen das »Rösli
vom Säntis«, das der Componist ausdrücklich als »Schweizer -Oper« be-
zeichnet hat und zu dem er sich selbst in edler Sprache den Text schrieb.
Obwohl es sich um Empfindungen subjectiver Natur, um das Schicksal der
Hirtentochter Rösli und ihres Verlobten, des armen Bauernburschen Franz
handelt, geht ein hochdramatischer und ausgeprägt idealistischer Zug durch
die ganze Oper. Die Erstaufführung des Werkes im Zürcher Stadttheater
vom II. Februar 1898 gestaltete sich zu einer wehmüthigen aber zugleich
auch erhebenden Erinnerungsfeier für den Componisten, den eine Rippenfell-
entzündung 5 Tage vorher dahingerafft hatte. »Als Künstler und Mensch,
schrieb des Heimgegangenen Freund, der Musikkritiker Friedrich Brandes im
»Dresdener Anzeiger«, — war F. C. Aristokrat. Seiner vornehmen Gesinnung
widerstrebte es, siqh irgendwie vorzudrängen. Wer ihm aber näher treten
durfte, der hing mit inniger Liebe an diesem Manne mit dem sonnigen
Gemüth, aus dem das Genie die Bescheidenheit nie hat verdrängen können..
A. Niggli.
Lempertz, Heinrich Kaspar Joseph, Buchhändler und Antiquar (Buch-
und Kunsthandlung J. M. Heberle\ Bibliograj)h und Sammler, * am 2. October
181 6 in Köln a. Rh., f daselbst am 7. Februar 1898. Vierzehnjährig trat
L. , nachdem er einige (rymnasialklassen besucht hatte, im Herbst des Jahres
1830 in die von J. M. Heberle 1802 in Köln gegründete Druckerei ein, mit
welcher Antiquariat und Auctions-Anstalt verbunden war. Sein Lehrherr wurde
sein väterlicher Freund und von ihm übernahm L. nach dem Tode desselben
Lempertz. 7 y
(gestorben 8. März 1840), zunächst gemeinsam mit dessen Schwiegersohn
Wilhelm Osterwald, die Firma. Am 19. März 1842 verheirathete sich L. mit
Emilie Friederike Heussner und wurde bald darauf alleiniger Leiter des
Cieschäfts. 1845 gründete er das heute noch bestehende Lem]>ertz'sche Anti-
quariat in Bonn als Filiale, welches er 1854 seinem Bruder Mathias überliess.
Auch in Brüssel errichtete er 1849 ^^^ Zweiggeschäft, welches aber nicht
lange bestanden hat. Grosse Bücher-Auctionen und vortrefflich ausgearbeitete
Cataloge verschafften L, bald einen geachteten Namen unter den Antiquaren.
Auf dem Kunstmarkte hat er durch seine bedeutenden Kunst-Auctionen
geradezu bahnbrechend gewirkt und den Weltruf der Firma Heberle begründet,
den dieselbe sich bis heute zu erhalten gewusst hat. Der Leiter des grossen
Kunst- und Bücher-Antiquariats wurde ein Kenner, zugleich auch ein Sammler
ersten Ranges. Die Sammlungen, welche L. in seinem langen, arbeitsamen
Leben zusammengebracht hat, umfassen fast alle Gebiete der Künste und
Wissenschaften, und werden in ihrer Eigenart von einem Privatmanne wohl
kaum jemals wieder erreicht werden. Laut testamentarischer Bestimmung
kommen dieselben unter den Hammer, ausführliche Cataloge über die einzelnen
Gruppen ermöglichen aber der Nachwelt, sich wenigstens einen Ueberblick
über die hervorragende Sammelthätigkeit L.'s zu verschaffen. — Der viel be-
schäftigte Antiquar hat auch noch Zeit und Müsse zu litterarischer Thätigkeit
gefunden. Schon in jungen Jahren veröffentlichte L. in den drei ersten Bei-
blättern der Kölnischen Zeitung vom Jahre 1836 eine Abhandlung »lieber
die erste, zu Köln gedruckte deutsche Bibel«. Practische Versuche, die er
in der Xylographie machte, führten zwei Jahre später bei Gelegenheit der
Kunstausstellung des Gewerbevereins zur Herausgabe der »Bibliographischen
und xylographischen Versuche«, Heft i, welches auf dem Umschlage auch
den Titel führt: »Sechs Blätter Insignien berühmter Druckereien des ersten
typographischen Jahrhunderts ... in Holz nachgebildet und nebst anderen
Beiträgen zur Geschichte der Typographie und Xylographie, herausgegeben
von Heinrich Lempertz«. Im folgenden Jahre erschien eine neue, durch die
schon erwähnte Abhandlung über die Kölner Bilderbibel vermehrte Auflage
unter dem Titel : »Beiträge zur älteren Geschichte der Buchdruck- und
Holzschneidekunst«. Das angekündigte zweite Heft ist nicht erschienen. L.'s
bedeutendstes Werk sind »Bilderhefte zur Geschichte des Buchhandels und
der mit demselben verwandten Künste und Gewerbe« (1853 — 1865). Sie
bilden eine illustrirte Geschichte des Buchdrucks und Buchhandels und um-
fassen 65 Tafeln mit 280 Abbildungen in Kupferstich, Lithographie, Farben-
druck und Holzschnitt. Der kurze beigegebene Text ist mit grosser Sorgfalt
und Genauigkeit bearbeitet. Im Jahre 1891 erschien unter dem Titel:
»Beiträge zur Geschichte des Leinenpapiers« eine Mappe mit Wasserzeichen-
proben. Dieser Festgabe für den historischen Verein für den Niederrhein Hess
L. bei Gelegenheit der Jahresversammlung des Hansischen Geschichtsvereins
in Köln 1894 eine andere ähnliche folgen: »Geschichte, Papierstudien, Wasser-
zeichen«. — Auch der L.'sche Verlag war bedeutend. Er enthält die zahl-
reichen Arbeiten von Anton Fahne, die zum Theil in theuren Prachtausgaben
erschienen sind, femer die Werke von E. F. von Mering, Bianco, Merlo, und
zahlreichen anderen, vornehmlich rheinischen und kölnischen Gelehrten. Im
Jahre 1872 hat sich L. vom Geschäfte zurückgezogen. Er war Ehrenmitglied
des historischen Vereins für den Niederrhein, des Centralvereins für das ge-
sammte deutsche Buchgewerbe und des Ex -libris -Vereins. Von Friedrich
^8 Lempertz, Bühlcr Georg.
Wilhelm IV. erhielt er im Jahre 1850 mit einem »seine Bestrebungen, durch
Schriften ernsteren Inhalts dem so verderblichen Missbrauch der Presse ent-
gegenzuwirken« anerkennenden Schreiben die grosse goldene Medaille für
Kunst und Wissenschaft, und vom Fürsten Anton von Hohenzollem wurde
ihm die goldene Verdienstmedaille (bene merenti) verliehen.
Chrysostomus, Super psalxno quinquagesimo liber prirnus. Nacbbildang der ersten
Kölner Ausgabe des Ulrich Zell vom Jahre MCCCCLXVI. Herausgegeben von der Stadt-
bibliothek in Köln. Köln 1896. (H. Lempertz gewidmet.) — Kölnische Zeitung vom
II. Februar 1898. — Heinrich Lempertz. Ein Lebensbild von G. Hölscher. Sonder-Abdr.
aus dem Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1898 Nr. 57/58. — Die Lempertz'schen
Sammlungen: Kölner Tageblatt vom 26. November 1898.
Otto Zaretzky.
Bühler , Johann Georg, Universitäts-Professor der altindischen Philologie
und Alterthumskunde in Wien, * 19. Juh 1837 zu Borstel bei Nienburg a. d. \V.
in Hannover, f 8. April 1898, bei einer von Lindau aus unternommenen
Kahnfahrt im Bodensee verunglückt. — B. war (wie Professor Kaegi mit
Recht bemerkt hat) nicht nur »ein hervorragender Sanskritist«, »er war viel-
mehr seit Jahren der unbestrittene Leiter der indischen Philologie, derjenige
Gelehrte, der zur Zeit als Mittelpunkt aller ihr gewidmeten Forschungen
dastand.« »Wenn irgend einer, so kann B. zu den Unersetzlichen gerechnet
werden«, schrieb Albrecht Weber, der Nestor der deutschen Indologen. —
B. besuchte das Gymnasium zu Hannover, wo er durch die Philologen
H. L. Ahrens und Raphael Kühner vielfach angeregt wurde. Ostern 1855
bezog er die Universität Göttingen, um klassische Philologie und orientalische
Alterthumswissenschaft zu studiren. Zu seinen Lehrern zählten Hermann Sauppe,
Ernst Curtius, Heinrich Ewald und insbesondere Theodor Benfey. Die ersten
Arbeiten B.'s bewegten sich noch auf dem Gebiete dieses Lehrers und Meisters,
der Sprachvergleichung und der vedischen Mythologie. Sie erschienen in der
von Benfey herausgegebenen Zeitschrift »Orient und Occident« (1862 und
1864), so ein Aufsatz über den Gott Parjanya, ein Artikel über öeoc u. A.
Doch bald regte sich in ihm die Begeisterung für die Sanskritforschung als
eine unabhängige Wissenschaft. Um Anknüpfungspunkte für Indien zu finden,
ging er, nachdem er 1858 zu Göttingen promovirt hatte, im Jahre 1859 nach
England. Drei Jahre verbrachte er in England mit Studien an den Bibliotheken
zu Oxford und London, trat zum ersten Male in Beziehungen zu Professor
Max Müller, mit welchem er bis an sein Lebensende eng befreundet blieb,
und verkehrte auch viel mit dem genialen, allzu früh verstorbenen Sanskritisten
Theodor Goldstücker. Eine Zeit lang bekleidete er die Stelle eines Bibliothekars
an der königlichen Bibliothek zu Windsor. Er kehrte dann zu kurzem Aufenthalt
nach Göttingen zurück, wo er eine Zeit lang an der Bibliothek angestellt
war, bis sich ihm die langersehnte Aussicht auf einen Posten in Indien zu
bieten schien. Er ging sofort ab, um — in Bombay angelangt, zu finden,
dass die angebliche Stelle gar nicht frei war. Glücklicherweise brauchte man
damals fortwährend pAiropäer für das Unterrichtswesen. Sir Alexander Grant,
der Vorsteher des Elphinstone College in Bombay, setzte es bald durch, dass
B. als Professor der orientalischen Sprachen an dem College angestellt
wurde. Im Februar 1863 begann seine ausserordentlich fruchtbare Thätigkeit
an dieser Anstalt. Unermüdlich arbeitete er nun daran, die Eingeborenen
mit europäischen Methoden und europäischer Wissenschaft vertraut zu machen,
Bühler Georg. yn
verkannte aber nie den hohen Werth, welchen das von Jahrhundert zu Jahr-
hundert vererbte traditionelle Wissen der eingeborenen Gelehrten für den
Fortschritt des Sanskritstudiums sowohl in Europa als in Indien haben könne.
Sein Streben war es, das Gute der klassischen europäischen Erziehung mit
dem Guten der traditionellen indischen Lehrmethode zu vereinigen. Im
Verein mit Kielhorn gab B. seit 1866 die »Bombay Sanskrit Series«
heraus — eine Serie von ausgezeichneten Textausgaben, welche, obwohl
zunächst für indische Hochschulen bestimmt, für das Studium des Sankrit in
Europa von der grössten Wichtigkeit geworden ist. B. selbst betheiligte sich
an der Herausgabe von Texten in dieser Serie durch vorzügliche Ausgaben
des Pantschatantra und anderer wichtiger Texte.
Auch in seiner Eigenschaft als Inspektor für das Erziehungswesen
(>^Educational Inspector«) in der nördUchen Abtheilung der Bombay Presidency
hat sich B. (seit 1869) um das Erziehungswesen in Indien ausserordentlich
verdient gemacht. Er hatte in dieser Eigenschaft Hunderte von Schulen zu
verwalten, zu examiniren und Berichte über das Schulwesen, über Prüfungs-
resultate u. s. w. an die Regierung zu senden. Viele dieser Berichte sind
in den »Reports of the Department of Public Instruction in the Bombay
Presidency« abgedruckt, und sie legen davon Zeugniss ab, mit welchem Feuer-
eifer sich B. die Hebung des Schulwesens in dem ihm anvertrauten Gebiet
(von ca. 55 000 engl. Quadratmeilen) angelegen sein liess.
Im Jahre 1866 begannen die grossen und wichtigen Reisen B.'s zur
Durchforschung der indischen Bibliotheken, und Jahre lang war nun B. in
dieser Richtung mit ausserordentlichem Erfolg thätig. So hatte man vor B.
nur die nothdürftigste Kenntniss von der hochwichtigen Litteratur der
Dschainas. Die Durchforschung der »Schatzhäuser der Göttin der Rede«
(wie die Dschainas ihre Bibliotheken nennen) ist von B. erst angebahnt und
energisch fortgeführt worden. Die im Jahre 1874 von B. durchforschte
Bibliothek von Dschesalmir war die erste Dschaina- Bibliothek, die einem
Europäer zur Durchsuchung geöffnet wurde. Diesem Umstände ist es zu
danken, dass wir jetzt über die Geschichte und das religiöse System dieser
Secte, über die man bis dahin nur die spärlichsten Nachrichten besass,
ziemlich eingehend unterrichtet sind.
Die Resultate dieser unermüdlichen Thätigkeit B.'s sind in zahlreichen
officiellen Berichten an die Regierung und Katalogen von Handschriften
niedergelegt, so namentlich in dem 1871 — 73 erschienenen »Catalogue of
Sanskrit MSS. contained in the private libraries of Gujarät, Käthiäväd,
Kachchh, Sind and Khändes«. Ihren Höhepunkt aber erreichten alle diese
Forschungen in dem berühmten Bericht B.'s über seine Reisen in Kaschmir,
Radschputana und Zentralindien. (»Detailed Report of a Tour in Search of
Sanskrit Manuscripts in Kasmir, Rajputäna and Central India«, Bombay 1877.)
Dieser Reisebericht enthält die Ankündigung von einer Unmasse neuge-
fundener Schriften aus allen Litteraturk reisen, von denen man bisher nur die
Namen gekannt, und viele, von denen man nicht einmal die Namen wusste.
B. war indessen nicht nur ein glücklicher Finder und eifriger Sammler von
Handschriften, sondern auch der Eifrigsten einer in der Verwerthung seiner
Funde. Nie verlor er das eine grosse Ziel aus den Augen, das Dunkel der
altindischen Geschichte zu erhellen und das Chaos der altindischen Litteratur-
geschichte zu entwirren.
Mit der sogenannten »inneren Chronologie«, die auf Vergleichung des
8o Bühler Georg.
Inhalts der verschiedenen Litteraturwerke gegründet ist und auf diese Weise-
eine Art chronologische Folge der Werke festzustellen sucht, wobei doch
allzuviel auf subjectives Ermessen ankommt, konnte sich Bühler nie zufrieden
geben. Es lag in seiner durchaus praktisch angelegten Natur, dass er ein
gesichertes Datum einem Band voll Spekulationen vorzog. Woher waren
aber diese Daten zu gewinnen? Wenn nicht aus Werken der Litteratur, so
doch aus Monumenten von Stein und Metall. Dies hatte B. bald erkannt
und mit dem ihm eigenen Enthusiasmus warf er sich auf die Erforschung,
Entzifferung, Erklärung und historisch-geographische Verwerthung von In-
schriften. Diesen Forschungen, deren Resultate in zahlreichen Abhandlungen
des »Indian Antiquary«, der »Epigraphia Indica« und anderer orientalischer
Zeitschriften niedergelegt sind, verdanken wir wichtige Zeitbestimmungen über
hervorragende indische Schriftsteller und Litteraturwerke, und sie gestatten
uns auch einen Einblick in die Geschichte von ganzen Litteraturgattungen
und Religionssystemen. In seiner epochemachenden Abhandlung über »die
indischen Inschriften und das Alter der indischen Kunstpoesie« (^Sitzungs-^
berichte der Wiener Akademie, 1890) hat B. an einem Beispiele gezeigt,
welche reichen Aufschlüsse sich über die Geschichte der klassischen Sanskrit-
litteratur aus den Inschriften gewinnen lassen.
Aber nicht nur auf dem Gebiete der classischen Sanskritiitteratur haben
die epigraphischen Untersuchungen B.'s zu neuen und wichtigen Resultaten
geführt, sondern auch auf dem der indischen Religionsgeschichte. Ihm gelang;
es, durch unwiderlegliche inschriftliche Zeugnisse den Nachweis zu liefem,^
dass die Secte der Dschainas eine vom Buddhismus unabhängige, mit dem-
selben gleichzeitige Secte war, und dass beide Secten in derselben Gegend
von Indien entstanden sind. Die Ergebnisse von B.'s Untersuchungen, welche
in einer Reihe von Artikeln »On the authenticity of the Jaina tradition« (in
der »Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes«, 1887 — 90) nieder-
gelegt sind, wurden durch weitere Untersuchungen Jacobis und Leumanns voll-
auf bestätigt. In seiner bedeutenden Abhandlung »Ueber das Leben des Jaina-
Mönchs Hemachandra« (Denkschriften der Wiener Akademie, 1889) hat uns
B. das Leben eines berühmten Dschaina-Mönchs geschildert, der in den welt-
lichen Wissenschaften, besonders als Grammatiker und Lexicograph, eine ausser-
ordentliche Thätigkeit entfaltete. Schon vorher hatte er in seinem in der
feierlichen Sitzung der k. Akademie der Wissenschaften zu Wien (am
26. Mai 1887) gehaltenen Vortrag »Ueber die indische Secte der Jaina« eine
lichtvolle und populäre Darstellung der Dschaina-Religion und der historischen
Bedeutung der Dschaina-Secte gegeben.
Aber diese grundlegenden und bahnbrechenden Untersuchungen, zu
welchen B. die Erforschung der Inschriften führte, fielen doch nur sozusagen
nebenbei ab. Sein Hauptaugenmerk war immer auf die politische Geschichte
gerichtet. Zahlreiche epigraphische und historische Untersuchungen (im
»Indian Antiquary«, in der »Epigraphia Indica«, in der »Wiener Zeitschrift
für die Kunde des Morgenlandes«, in der »Zeitschrift der deutschen morgen-
ländischen Gesellschaft«, in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie und
in einzelnen Bänden des »Archaeological Survey of India«) legen davon Zeug-
niss ab. Namentlich hat er sich um die Erforschung und Erklärung der
berühmten Inschriften des Königs Asoka die grössten Verdienste er-
worben.
Nicht minder wichtig als die Inschriften waren ihm die spärlichen, aber
Bühler Georg. gl
um so werthvolleren historischen Werke der Inder, sowie die Berichte der
chinesischen und arabischen Reisenden über Indien. Ihm verdanken wir die
Entdeckung und Herausgabe der von dem Dschaina Bilhana verfassten Chronik
Vikramänkadevatscharita, sowie wichtige Untersuchungen über die Chronik
der Könige von Kaschmir (Räjatarangini) und über Alberünis Indica.
Seine genaue Bekanntschaft und langjährige Beschäftigung mit Hand-
schriften und Inschriften machten B. zu einer Autorität ersten Ranges für alle
Fragen der Paläographie, und wir verdanken ihm gerade in letzterer Zeit
lAachtige Beiträge zur Geschichte der indischen Schrift. Vor drei Jahren er-
schien seine Abhandlung »On the Origin of the Indian Brahma Alphabet«
(Indian Studies Nr. III, Sitzungsberichte der Wiener Akademie 1895), von
welcher unmittelbar nach seinem Tode eine zweite, noch von ihm selbst um-
gearbeitete Auflage erschienen ist, und vor zwei Jahren erschien das grund-
legende Werk »Indische Paläographie«.
So giebt es kaum ein Gebiet der indischen Philologie und Alterthums-
forschung, auf dem B. nicht neue Wege gewiesen, auf das er nicht neues
und unerwartetes Licht geworfen — und viele Gebiete sind überhaupt von
ihm zum ersten Mal für die Wissenschaft erschlossen worden. Wenngleich er
sich mehr mit der classischen Litteratur als mit dem Veda beschäftigte, so
interessirte er sich doch lebhaft für alle vedischen Fragen. Für den Athar-
vaveda und den Yadschurveda verdanken wir B. wichtige handschriftliche
Funde. Vor Allem aber interessirte ihn — und hierin zeigt er sich wieder
als Historiker — die Geschichte der vedischen Schulen, und er gab nie die
Hoffnung auf, dass sich mit Hülfe der Inschriften auch über die Entstehung und
das Alter des Veda Licht gewinnen lassen werde. Diese Fragen erörterte B. öfters
im Zusammenhang mit seinen bahnbrechenden Forschungen über die indische
Rechtslitteratur. Schon im Jahre 1 867 schrieb er die bedeutende Einleitung »Sources
of the Hindu Law«, welche einen Ueberblick über die gesammte indische Rechts-
litteratur enthält, zu dem von Sir Raymond West herausgegebenen »Digest
of the Hindu Law of Inheritance, Partition and Adoption« (im Jahre 1884
in dritter Auflage erschienen). Bald darauf (1868 und 1871) erschien die
Ausgabe eines der ältesten indischen Gesetzbücher, die »Aphorisms on the
Sacred Laws of the Hindus, by Apastamba« (1892 bis 1894 in zweiter Auf-
lage), das erste Werk der Art, welches kritisch herausgegeben wurde. Für
die von Max Müller herausgegebenen »Sacred Books of the East» übersetzte
er die ältesten und wichtigsten Gesetzbücher, zunächst in den 1879 ^"^ '^^^
erschienenen Bänden »The Sacred Laws of the Aryas« (Band II und XIV
der Serie; von Band II erschien 1897 die zweite Auflage). Die Ueber-
setzungen sind zumeist nach von B. selbst entdeckten Handschriften gemacht,
die Texte wurden erst später herausgegeben. Die Einleitungen zu diesen
beiden Bänden enthalten wichtige Untersuchungen über das Alter der über-
setzten Werke und ihr Verhältniss zu einander. Im Jahre 1886 lieferte B.
für dieselbe Serie eine Uebersetzung von Manus Gesetzbuch, dem populärsten
aller indischen Gesetzbücher. Diesem Band, der sich nicht mit der Uebersetzung
des Werkes begnügt, sondern auch reichliche Auszüge aus den zahlreichen
Commentaren enthält, nebst Appendices, welche das Verhältniss Manus zu
der ganzen übrigen Rechtslitteratur beleuchten, geht eine 138 Seiten starke
Einleitung voraus, welche auch viele andere Gebiete der indischen Litteratur
einbezieht, u. A. die epische Litteratur der Inder, das chronologische und
litterarische Räthsel des Mahäbhärata. Auch hier wollte er von der »inneren
BiogT. Jahrb. u. DeuUcher Nekrolog. 3. Bd. 5
82 Bühler Georg.
Kritik« Nichts wissen, sondern suchte emsig nach inschriftlichen und littera-
rischen Zeugnissen, aus welchen sich irgendwelche sichere Daten für die
Geschichte des Epos gewinnen Hessen. In den »Contributions to the History
of the Mahäbärata«, die er zusammen mit Kirste (in den Sitzungsberichten
der Wiener Akademie 1892) veröffentlichte, hat er in einer bahnbrechenden
Untersuchung gezeigt, dass auch in dieses Dunkelste aller Probleme der
indischen Litteratur durch Vergleichung der Inschriften und durch Unter-
suchungen von verwandten und einigermassen datirten Litteraturgebieten Licht
gebracht werden könne.
B.'s Finder- und Forschergltick war nicht blosser Zufall. Edle Begeiste-
rung für seine Wissenschaft war die Triebfeder, die ihn nach immer neuen
Schätzen suchen Hess. Ferner hatte er sich eine gründliche Kenntniss der
Sprachen angeeignet, in denen er sich mit den eingeborenen Gelehrten
zwanglos unterhalten konnte. Ueberdies verstand er es wie Wenige durch
tactvolle Rücksicht auf die religiösen Vorurtheile der Eingeborenen deren
Liebe und Freundschaft zu gewinnen. So zählte er unter den gelehrten
Brahmanen sowohl wie unter den Dschaina -Mönchen Freunde, die ihm
herzlich zugethan waren. Nie wurde er müde, die ihm von den Pandits er-
wiesenen Dienste rühmend anzuerkennen. Persönlicher Contact und reger
Gedankenaustausch mit den eingeborenen Pandits schienen ihm überhaupt
für das Gedeihen der Wissenschaft unerlässHch. Im Hinblick auf seine in-
dischen Freunde schrieb er auch noch in Europa die meisten seiner Arbeiten
in englischer Sprache.
Im Jahre 1880 musste B. aus Gesundheitsrücksichten Indien verlassen,
und bald darauf (188 1) wurde er als Professor der indischen Philologie
und Alterthumskunde nach Wien berufen. Und von da an datirt seine
ausserordentlich erfolgreiche Lehrthätigkeit in Europa. Es gelang ihm, durch
eine neue praktische Methode (welche in seinem 1883 erschienenen »Leit-
faden für den Elementarkursus des Sanskrit« allgemein bekannt ge-
worden ist) das Studium des Sanskrit verhältnissmässig leicht zu machen.
Als Professor an der Universität war er auch eifrig bemüht, Wien zu
einem Centrum für orientalische Studien zu machen. In diesem Sinne be-
theiligte er sich im Verein mit seinen Collegen an der Herausgabe einer
»litterarisch-kritischen Beilage« zu der vom orientalischen Museum in Wien
herausgegebenen »Monatsschrift für den Orient« (1884 — 86), in welcher er
manche wichtige Recensionen erscheinen Hess. Ebenso regen Antheil nahm
er an der Begründung der »Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgen-
landes«, in deren Bänden (seit 1887) zahlreiche Abhandlungen B.'s erschienen.
Als wirkliches Mitglied der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien hat
B. nicht nur die Sitzungsberichte und Denkschriften der Akademie um zahl-
reiche wichtige Beiträge zur Indologie bereichert, sondern auch die Akademie
zur Förderung und Unterstützung der Sanskritstudien bei mehr als einer Ge-
legenheit bewogen, so erst in den letzten Jahren zur Herausgabe der wich-
tigen »Quellen werke der altindischen Lexikographie«.
Als Vertreter der Wiener Universität fehlte er auf keinem Orientalisten-
congress, und nicht zum Wenigsten seinem Einfluss ist es zu danken, dass
die verschiedenen an die indische Regierung gerichteten Resolutionen, welche
von der »Indischen Sektion« der Orientalistencongresse ausgingen und so
viel zur Förderung der archäologischen und epigraphischen Forschungen in
Indien beigetragen haben, auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Seinem Ein-
Bühler Georg. 83
fluss und seinem energischen Auftreten ist es zuzuschreiben, dass Regierungen,
Akademien und gelehrte Gesellschaften die Mittel dazu hergaben, Aus-
grabungen zu veranstalten, die zu wichtigen archäologischen und epigraphi-
schen Entdeckungen führten, dass die Veröffentlichung mancher kostspieliger
Drucke ermöglicht wurde, ja dass mehr als eine neue Lehrkanzel für Indo-
logie an deutschen und österreichischen Universitäten gegründet wurde.
Dabei war er aber auch immer und jederzeit bereit, zu rathen und zu helfen.
Nicht nur seinen ihm näherstehenden Freunden und Schülern war er ein
uneigennütziger Berather und Helfer — kein Sanskritist wandte sich vergebens
an ihn, und ich kenne Viele, die sich B.'s Schüler nennen, die nie ein
Collegium bei ihm gehört. Wer einen Text herausgeben wollte, wandte sich
an B., um Handschriften zu bekommen. Wer über irgendeinen Punkt Auf-
schluss haben wollte, wandte sich — es schien dies das Natürlichste — an B.
Diese Führerrolle sollte ganz besonders in dem Werke zur Geltung
kommen, welches ihn in den letzten Jahren beschäftigte, in dem von ihm
herausgegebenen »Grundriss der indo-arischen Philologie und Alterthumskunde«.
Gegen 30 Gelehrte aus Deutschland, Oesterreich, England, Holland, Indien
und Amerika hatten sich um ihn geschaart, um nach dem von ihm ent
worfenen Plan die verschiedenen Zweige der Indologie in systematischen
Darstellungen zu behandeln und so zum ersten Mal einen Gesammtüberblick
über unser Wissen von Indien zu geben. Die schwierigsten Gegenstände
hatte B. sich selbst zur Bearbeitung vorbehalten. Nur einen aber der von
ihm versprochenen Beiträge zu diesem grossen Werk sollte ihm vergönnt sein,
vollendet zu sehen, die schon erwähnte »Indische Paläographie«. Er wollte
auch zusammen mit J. Jolly und Sir R. West die Staats- und Privatalter-
thümer behandeln und hätte gewiss hier seine umfassende Kenntniss des
modern -indischen Lebens zur Geltung gebracht. Zusammen mit Dr. Stein
wollte er die Geographie Indiens darstellen, mit der er durch seine sich über
fast alle Theile Indiens erstreckenden Reisen so vertraut war. Vor Allem
aber sollte hier endlich der Plan, der Jahre lang in seinem Kopfe gereift
w^ar, die Geschichte Indiens zu schreiben, zur Erfüllung kommen. Er wollte
den Abschnitt über die Geschichtsquellen, die litterarischen und die inschrift-
lichen, und die »politische Geschichte bis zur mohammedanischen Eroberung«
schreiben. Unermesslich und unersetzlich ist der Verlust, den die Wissen-
schaft dadurch erlitten hat, dass diese Arbeiten unvollendet geblieben.
Glücklicher Weise ist die Fortsetzung des »Grundrisses« wenigstens ge-
sichert, nachdem Professor Kielhom (in Göttingen) die Leitung desselben
übernommen hat.
W'as B. in so hervorragender Weise befähigte, ein Unternehmen wie
den Grundriss zu leiten, war der Umstand, dass er einer der wenigen »uni-
versellen Indologen« (um einen Ausdruck von B. selbst zu gebrauchen) war,
die wir noch besitzen. So sehr B. die Specialisirung als nothwendig erkannte,
so übersah er doch nie die Gefahr, die in allzugrosser Specialisirung liegt,
und er warnte seine Schüler oft vor allzu grosser Beschränkung auf ein
Specialgebiet. Er vergass nie und liebte es, darauf hinzuweisen, wie die
einzelnen Zweige der Indologie und die einzelnen Perioden der indischen
Kulturentwicklung aufs Innigste zusammenhängen. Aber auch den Zusammen-
hang zwischen den verschiedenen Völkern des Orients und den verschiedenen
Zweigen der orientalischen Wissenschaften verlor B. nie aus den Augen. Und
wenn er sich auch in seinen Schriften möglichst auf das Gebiet beschränkte,
6*
84 Bühler Georg, von Liezen-Mayer.
in dem er wie kein Anderer zu Hause war, so reichte sein Blick doch weit
über die Grenzen Indiens hinaus, und di^ Geschichte von Indiens Kultur
und Litteratur war ihm immer nur ein Act in dem grossen Drama der
Menschheitsgeschichte, —
An äusserer Anerkennung fehlte es B. nicht. Um der Verdienste willen,
die er sich im anglo- indischen Regierungsdienste erworben, wurde ihm der
Titel eines »Companion of the order of the Indian Empire« (C. I. E.) ver-
liehen ; er war ferner Comthur des Franz- Josef-Ordens, Ritter des preussischen
Kronenordens III. Kl.; wirkliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften in Wien, Ehren -Jur. Dr. (D. C. L.) der Universität Edin-
burgh etc. etc.
Quellen. Dem Vorstehenden liegt ein unmittelbar nach B.'s Tode geschriebener
längerer Artikel, der in der Beilage zur »Allgemeinen Zeitung« Nr. 113 und 114 vom
21. und 23. Mai 1898 erschienen ist, zu Grunde, dessen Benützung die Redaktion freund-
lichst gestattet hat. Nekrologe erschienen ferner von Prof. A. Kaegi in der »Neuen
Zürcher Zeitung« (April 1898), Prof, C. B endall im »Athenaeum«, 23. April 1898,
Bibliothekar C. H. Tawney in »Luzac's Oriental List«, April 1898, pp. 96—98, und von
Prof. F. Max Müller im »Journal of the Royal Asiatic Society« (July, 1898, pp. 695 — 707).
Eine demnächst erscheinende Nummer (»BUhler Memorial number«) der in Bombay er-
scheinenden Zeitschrift »Indian Antiquary« ist ganz dem Andenken B.'s gewidmet und
enthält Beiträge von verschiedenen Gelehrten. Eine ausführliche Biographie B.'s von
Prof. J. Jolly soll im »Grundriss der indo-arischen Philologie und Alterthumskunde« er-
scheinen.
M. Winternitz.
Liezen-Mayer^ Alexander von, Historienmaler, * 24. Januar 1839 ^^
Raab in Ungarn, f 19. Februar 1898 zu München; bethätigte frühe eine
Neigung für Waffen, Soldaten und Pferde, ohne jedoch bis zu seinem elften
Jahre eine Vorliebe für das Zeichnen zu äussern. Dann aber begann gleich
die Kundgabe seines Talents, welches vorerst ein Zimmer- und Decorations-
maler cultivirte, bis ein Oheim des Knaben rechtzeitig eingriff und denselben
1855 nach Wien auf die Academie brachte, wo C. Meier, der vielseitige
Carl von Blaas (181 5 — 94) und der gewandte Joh. Nep. Peter Geiger (1805
bis 80) als die ersten Lehrer den Sinn zum historischen Gebiete weckten
und nährten. Aber schon nach anderthalbjähriger Schulung wagte sich L.-M.
nach München, wo der Unterricht systematisch begann: er zeichnete bei
J. G. Hiltensperger (1806 — 1890) nach der Antike, erhielt die erste Anregung
zur Farbe in der Malschule des Prof. Herrn. Anschütz (1802 — 1880), um dann
1862 durch Pilotys (1826 — 86) coloristischer Begabung in das rechte Fahr-
Wasser zu treiben. L.-M. machte sich durch sein erstes grosses Historienbild
(Königin Maria von Ungarn mit ihrer Mutter Elisabeth am Grabe Ludwig des
Grossen 1385) sowohl in München, wie insbesondere in seiner Heimath sehr
vortheilhaft bekannt. Die virtuose Befähigung Pilotys, jedes Thema als
Farben-Experiment zu denken und zum möglichst dramatisch-wirksamen Aus-
druck zu bringen, machte sich L.-M. alsbald zu eigen und damit die ganze
Licht- und Schattenseite dieser zu theatralischen Effecten neigenden Schule.
Dazu wählte er seine Stoffe mit Vorliebe aus der Geschichte seines Vater-
landes, wobei edle und schöne Frauengestalten eine besondere Rolle spielen.
Dazwischen malte L.-M. viele Portraits, darunter das Bildniss seiner Mutter,
seines gleichstrebenden treuen Freundes und Landsmannes, des damals schon
hohe Achtung geniessenden Malers Alexander von Wagner (geb. 16. April
1838, seit 1866 Academie-Professor in München), des damaligen Bischofs Simon
von Lietzen-Mayer. 85
von Raab, nachmals Cardinal und Fürstprimas von Ungarn, welcher immerdar
unsem Künstler als Mäcen förderte, auch ein als »Demaskirt« vielgerühmtes
Damenportrait. Im Jahre 1865 errang L.-M. gelegentlich einer academischen
Skizzen-Concurrenz den ersten Preis mit einer »Heiligsprechung der Land-
gräfin Elisabeth von Thüringen«, ein Oelbild in sorgfältiger Durchbildung
(im Besitz des Mr. W. H. Maxwels Blews in Birmingham). Kurz vorher hatte
er mit Alex. Wagner ein grosses, mehr decorativ behandeltes, die »Heimkehr
von der Jagd« darstellendes Tableau für den Speisesaal eines russischen
Fürsten vollendet. Darauf folgte mit klug berechneter Technik in origineller
Composition ein Vorhang zum Volkstheater am Gärtner-Platz. Den grössten
Beifall erhielt 1867 das insbesondere durch die virtuose Durchführung der
Stoffe ausgezeichnete Bild, wie »Maria Theresia im Garten zu Schönbrunn«
das Kind einer armen kranken Frau an ihre Brust legt und stillt — eine
Scene, welche durch Hanfstängls Photographie und A. Schul theiss' eflfect-
vollen Stich die weiteste Verbreitung fand. Erst jetzt (1867) verliess der
Künsder die Schule Pilotys, welchem er in unverbrüchlicher Hochachtung
und Freundschaft zugethan blieb; er hatte sich als Maler glänzend bethätigt
und konnte nun daran denken, sich als Illustrator der bedeutendsten
Lieblingsdichter zu bethätigen. So entstanden, in Sepia sorgsam zur photo-
graphischen Reproduction ausgetönt, die ersten Scenen zu Goethes »Faust«,
welche das Interesse des damals noch in Amerika ansässigen Verlegers Th.
W. Stroefer erregten, welcher nun eigens nach Deutschland übersiedelte, um
die Ausführung des grossen Unternehmens zu leiten. Der erste Theil des
»Faust« wurde durch einen Cyclus von 50 Bildern illustrirt, die zuerst durch
Photographie, dann in effectvollen Suchen (von J. Bankel, J. F. Deininger,
Goldberg, Ludy, Forberg) und durch Rudolf Seitz mit Initialen und Orna-
menten in Holzschnitt geschmückt, ein Prachtwerk bildeten, welches allmäh-
lich in dreierlei, auch verschiedenartigen Ausgaben erschien und den Namen
des Künstlers in die weitesten Kreise trug. (Die Illustration des zweiten
Theiles übernahm nicht zum Besten des einheitlichen Ganzen Maximilian
Klinger). Daran reihten sich in gleicher Ausstattung das »Lied von der
Glocke« und weitere Scenen zu Schillers »Maria Stuart« — aus dem Jahre
1873 stammt auch das grosse Oelbild mit der das Todesurtheil unterzeichnen-
den Königin Elisabeth — zu Shakespeares »Cymbeline«, zu den Romanen von
G. Frey tag und Scheffels »Ekkehard«. Bei dem Letzteren gelang ihm weniger
den specifischen Charakter des frühen Mittelalters zu erreichen — auch das
»Barmherzigkeit« betitelte Oelbild (wie die heilige Elisabeth mit ihrem Her-
melinmantel eine arme Frau bekleidet) kommt über ein, der ganzen Schule
eigenes theatralisches Costüm-Pathos nicht hinaus, woran auch die Compositon
mit dem Fussfall der »Philippine Welser« vor Kaiser Ferdinand leidet. Im
Jahre 1870 ward L.-M. nach Wien berufen, das Portrait des Kaiser Franz
Joseph zu malen (auch 1897 erfolgte eine gleiche Einladung, doch machte
die Krankheit des Künstlers die Annahme unmöglich); daran schlössen sich
viele weitere Bestellungen auf Bildnisse, die den Maler fast zwei Jahre in
Oesterreich-Ungam festhielten. Zu seinen späteren Zeichnungen auf diesem
Gebiete zählen auch das Portrait des als geistreichen Zeichners und Dichters
so wohlbekannten Grafen Franz von Pocci. Im Jahre 1872 ehelichte L.-M.
eine schöne Amerikanerin; von Glück und Anerkennung getragen, nahm sein
Schaffen neuen Aufschwung. Zahlreiche Schüler und Schülerinnen fanden
sich ein; er wurde der verehrte und umschwärmte Mittelpunkt einer origi-
g5 von Litzen-Mayer. Ebers.
nellen und gewählten Maleracademie, deren nicht selten den höchsten Lebens-
stellungen angehörige Mitglieder mit der grössten Begeisterung an ihrem
Lehrer hingen und im edelsten Wetteifer Alles daran setzten, ihm
Ehre zu bereiten. Seine eigenen Arbeiten litten nicht unter seiner Lehrer-
thätigkeit, seine Productionskraft schien zu wachsen. L.-M. malte vier
»Märchen«, viele anziehende Genrebilder, wie die auch durch Stiche ver-
breiteten »Erste Liebe« (Mädchen mit einem Kätzchen), »Treue Freundschaft«
(Knabe mit seinem Hunde), die sich »Vor dem Spiegel« putzende Dorf-
schöne, ein »Plauderstündchen«, »Die goldene Zeit der ersten Liebe«, ausser-
dem auch etliche religiöse Bilder, darunter eine »Flucht nach Aegypten«
(1887). Natürlich erfolgten verschiedene Ehrentitel und Auszeichnungen, 1880
eine Berufung als Director nach der neu organisirten Kunstakademie in Stutt-
gart, woselbst L.-M. jedoch nur drei Jahre verweilte, um nach München
zurückzukehren, wo seiner eine Bestallung als Professor und erfreuliche Wirk-
samkeit an der Königlichen Akademie wartete, so dass er verschiedene andere
Anträge z. B. die Berufung vom ungarischen Ministerium als Nachfolger
Pulszkis in Budapest (1896) ablehnen konnte. Dafür entschädigten ihn grosse
Aufträge fiir historische Darstellungen z. B. die »Erhebung des Martin Cor-
vinus zum König« eine Arbeit, welche auf der Exposition zu Pest mit em-
phatischer Anerkennung begrüsst wurde, für Kaiser Wilhelm 11. die Pracht-
lieferung eines Vorhanges für das Theater zu Hannover 1897), wofür der
hohe Maecen den Künstler durch eine besondere Auszeichnung beehrte,
welche ihn jedoch erst kurze Zeit vor dem Tode überraschte. Seine zahl-
reichen Freunde hielten ihn hoch und werth. Krauskopf radirte sein inter-
essantes Portrait, Fülop Laszlo malte dasselbe in Oel. — L.-M. war ein
edler, liebenswürdiger Character und ein begeisterter Pfleger der Kunst.
Vgl. Wurzbach Biogr. Lexicon 1866. XV, 299, Schorers Familienblatt x88i
Nr. 16. Berggruen: Die Graphischen Künste 1886 IX, 37 ff. Pecht, Gesch. der Mtin-
chener Kunst 1888 S. 253. Nekrolog in 51 Allg. Ztg. 21. Febr. 1898. Kunst f. Alle,
I. April 1898. Kunst unserer Zeit, IX. Jahrg. 4. Heft. S. 95 ff. u. ebendas. X. Jahrg.
3. Heft. S. 33 — 56 (von G. H. Horst) mit Portrait u, 15 Reproductionen.
Hyac. Holland.
Ebers, Georg, Professor der Aegyptologie an der Universität Leipzig,
* I. März 1837 zu Berlin, f 7. August 1898 zu Tutzing bei München.
Georg Ebers' Vorfahren gehörten zu den zahlreichen jüdischen Familien
Berlins, welche schon am Ausgang des vorigen Jahrhunderts zu Ansehen und
bedeutendem Wohlstand gelangt waren. Innerlich und äusserlich war die
Familie früh über die Enge der ererbten Traditionen hinausgewachsen.
Wie sie das Christenthum angenommen und sich mit preussischen und
sächsischen Adelsgeschlechtern verschwägert hatte, so stand ihr Haus, wie
das der Mendelssohn's, der Hitzig's, der Beer's uud so mancher anderer, in-
mitten des regen litterarischen und künstlerischen Lebens, das sich seit der
Erhebung Preussens aus der Katastrophe der napoleonischen Zeit in Berlin
entwickelte. Mit Hegel, Schleiermacher, A. v. Humboldt, Rauch führte der
gesellige Verkehr und zumal die Whistpartie die Eltern vielfach zusammen.
Den Vater, Leiter eines Bankgeschäftes und einer Porzellanfabrik, hat
Georg nie gesehen; vierzehn Tage vor der Geburt des Knaben war er ge-
storben. Er hatte schon in sehr jungen Jahren eine schöne Holländerin, die
Perle von Rotterdam, wie sie beim Abschied von der Heimath der Bürger-
Ebers. 87
meister nannte, heimgeführt, die auch in Berlin bald alle Herzen gewann.
Ihr fiel jetzt die Erziehung der fünf Kinder zu. Oft genug hat der Sohn
mit warmen Worten ausgesprochen, wieviel er ihr verdankt: eine Jugend voll
Leben und Anregung im Innern wie von Aussen, eine gesunde und wahre
geistige und sittliche Erziehung, und einen festen Halt auch in den schwersten
Lebenslagen, Er selbst hat uns im Jahre 1392 eine lebendige und fesselnde
Schilderung gegeben (»die Geschichte meines Lebens vom Kind bis zum
Mann«) von der frohen Kinderzeit in der Lenndstrasse, wo die Mutter mit
Jakob und Wilhelm Grimm unter demselben Dach wohnte, von den Schul-
jahren in Keilhau, der von Fröbel in den Bergen Thüringens (unweit
Rudolstadt) gegründeten Erziehungsanstalt, der Ebers 1848 kurz nach den
Märztagen überwiesen wurde, von der Gymnasialzeit in Cottbus — denn die
Schule in Keilhau reichte nur bis zur Secunda. Manches Abenteuer und
manchen wilden Streich weiss er zu berichten; denn mit seinem regen, jedem
Eindruck sich willig hingebenden Geist und seinem kräftig entwickelten und in
allen gymnastischen Künsten geschulten Körper war er wie geschaffen, mit
vollen Zügen zu geniessen, was immer das Leben bieten mochte. Aber wo
es sein musste, bewährte er sich als eine ganze, ebenso wahre wie muthige
Natur, bei Händeln mit den Kameraden nicht minder wie bei ernsteren
Conflicten in der Schule; und als es galt, bei einer Feuersbrunst ein paar
erstickende Mädchen zu retten, war er der erste, der sich durch Qualm und
stürzende Balken den Weg zu ihnen bahnte. Dabei fehlte es nicht an ernster
Arbeit. Der Grund zu einer tüchtigen klassischen Bildung war in Keilhau
gelegt, vor Allem durch Langethal, den E. den geliebtesten und einflussreichsten
seiner Lehrer nennt, der, obwohl erblindet, die Knaben wie kein Anderer zu
fesseln und zu begeistern verstand. Später hat die strenge Zucht des zur
Reform des Gymnasiums nach Cottbus gesandten Direktors Tzschirner gegen
die mancherlei geselligen Versuchungen ein heilsames Gegengewicht gebildet.
Auch der poetische Trieb begann sich zu regen und fand seine Befriedigung
in dramatischen Versuchen und in Gedichten für die Schulfeste — dadurch
gewann er die Bekanntschaft des Fürsten Pückler, der seine dichterische
Begabung wohl erkannte und seine zukünftigen Erfolge voraussagte — ; noch
eifriger aber sass er Jahre lang an einem grossen »Weltgedicht«, das das
Entstehen des kosmischen und menschlichen Lebens darstellen und alle
Welträthsel lösen sollte.
Im Herbste 1856 bestand E. das Maturitätsexamen zu Quedlinburg,
wo er das letzte Primanerhalbjahr verbracht hatte, weil er in Folge eines an
sich harmlosen aber falsch gedeuteten Ausflugs mit einer jungen Schau-
spielerin Cottbus hatte verlassen müssen. Wie so viele, hatte auch er sich
ohne innere Neigung, ja ohne ernsthafte Prüfung der Frage, welchen Lebens-
beruf er ergreifen solle, für das Studium der Jurisprudenz entschieden. So war
es natürlich, dass das erste Semester in Göttingen ganz dem flotten Leben im
Corps gewidmet war und die FachcoUegia kaum besucht wurden; dagegen
zogen ihn die Vorlesungen Lotzes und des Kunsthistorikers Unger lebhaft
an. Mit pliilosophischen Fragen hat E. sich damals im Verkehr und im Selbst-
studium eifrig beschäftigt. Unger aber verdankt er eine Anregung, die für
sein ganzes Leben entscheidend wurde : die Besprechung der ägyptischen Kunst
und der Entzifferung der Hieroglyphenschrift durch Champollion fesselte ihn
so, dass er sich sofort die wichtigsten Bücher besorgte und in seinen
Mussestunden ein Studium- begann, das ihn nicht wieder freigeben sollte.
88 Ebers.
Doch die Hauptzeit des Wintersemesters war durchaus den vielseitigen
Vergnügungen gewidmet, welche das Corpsleben und daneben ein reger
Familienverkehr bot, der dem gut empfohlenen, alle Herzen gewinnenden
jungen Studenten nirgends fehlte. Auch Ausflüge waren nicht selten, und
daneben wurde eifrig getanzt. Sein starker Körper schien allen körperlichen
und geistigen Anstrengungen gewachsen. Da geschah es, dass ihm bei einem
studentischen Feste, bei dem eifrig getrunken und getanzt wurde, der Ueberrock
vertauscht ward und er dadurch um seinen Hausschlüssel kam. Erhitzt
kehrte er heim, aber er musste in leichter Ballkleidung in der kalten Winter-
nacht lange warten, bis ihm die Hausthür geöffnet wurde. Die Folge war
nicht nur ein heftiger Blutsturz, sondern der Ausbruch eines schweren Rücken-
markleidens, das an Intensität fortwährend zunahm und sich mit einer
qualvollen Ischias verband. Er musste zur Mutter zurückkehren. Das so
fröhlich begonnene Studentenleben war jäh und für immer abgebrochen, ja
bald nahm das Leiden eine so bedrohliche Gestalt an, dass lange Zeit das
Schlimmste zu befürchten schien. Jede Bewegung im Bette wurde aufs Strengste
untersagt, und dabei quälten ihn ununterbrochen die heftigsten Schmerzen
namentHch in dem gelähmten linken Bein, und waren die angewandten
energischen Heilmittel kaum weniger schmerzhaft als das Leiden selbst. Endlich
gelang es der liebevollen Behandlung des grossen Nervenpathologen H. M. Rom-
berg, die durch die unverwüstliche Natur des Kranken und seine ausserordentliche
Selbstbeherrschung, so'me durch die sorgende Pflege der Mutter unterstützt
wurde, eine Wendung zum Bessern herbeizufuhren. Bis er, dank der Heilkraft des
in jedem Sommer aufgesuchten Wildbades, den vollen Gebrauch seiner Glieder
wiedergewann, vergingen freilich noch Jahre ; aber der Kranke war doch dem ihm
unentbehrlichen Verkehr mit Menschen wiedergegeben, und, was noch wichtiger
war, er konnte beginnen wieder zu arbeiten. Seit ihn der Ernst des Lebens
so furchtbar gepackt hatte, stand sein Entschluss fest. Seine alten Manuskripte
wanderten ins Feuer, er war entschlossen, sich ganz der Wissenschaft zu widmen,
die es schon im Trubel des Göttinger Semesters ihm angethan hatte. Er
war so gestellt, dass es für ihn kein Hindemiss bildete, dass die Aegyptologie,
nach Champollions Ausspruch, »ein schönes Mädchen ohne Mitgift« ist.
Jakob Grimm führte ihm den Lehrer zu, der vor Allen anderen Champollions
Werk fortgesetzt und mächtig gefördert hatte und damals noch fast allein
in Deutschland die Aegyptologie wissenschaftlich vertrat, Richard Lepsius;
und der grosse Gelehrte hat es nicht verschmäht, allwöchentlich den lern-
eifrigen Schüler an seinem Krankenlager aufzusuchen und zu unterrichten.
Zugleich wirkte er mit Nachdruck und gutem Erfolg darauf hin, dass der
angehende Aegyptologe die Gefahren des Special istenthums mied, durch
eifrige philologische und archäologische Studien eine breite Grundlage gewann,
und sich auch in die Elemente des Sanskrit und der semitischen Sprachen
hineinarbeitete.
Im Winter 1 860/61, nach drei schweren Krankheitsjahren, war die Ge-
nesung soweit fortgeschritten, dass er in Berlin die Vorlesungen^ die Bibliothek,
und vor Allem das unvergleichliche, von Lepsius geschaffene ägyptische
Museum besuchen konnte. So konnte er neben Lepsius auch H. Brugsch
hören, der damals noch Privatdocent war, aber bereits eins seiner hervor-
ragendsten Werke, die für die Geschichte der Aegyptologie Epoche machenden
»geographischen Inschriften«, geschaffen hatte. Die beiden Forscher standen
dam^ds auf sehr gespanntem Fusse, wie denn ihr Naturell und gerade die Vorzüge
Ebers.
89
der Begabung eines Jeden ein innerliches Zusammengehen völlig unmöglich
machten. Lepsius war ein klarer Kopf, ein streng methodischer, ruhig über-
legender Gelehrter, der Schritt für Schritt vom Sicheren zum Unbekannten
vorzudringen suchte, dessen Bedeutung vor Allem darin bestand, dass er
Zucht und Ordnung in die nach ChampoUions frühem Tode (1832) vielfach
verwilderte Aegyptologie gebracht und dem Dilettantismus die Wege gewiesen
hatte. Brugsch dagegen war eine geniale Persönlichkeit, welche intuitiv
gerade das Dunkelste und Schwierigste zu erfassen suchte und oft genug
mit geradezu wunderbarer Divination erfasst hat, durchaus impulsiv und
sprunghaft in Allem, was er angriff, und daher trotz seiner erstaunlichen Arbeits-
kraft und der ungeheuren Sammlungen, welche er- anlegte, zu streng
methodischer Arbeit wenig geeignet. Dabei haftete, wie es bei solchen
Naturen unvermeidlich ist, an seinem wissenschaftlichen wie an seinem Privat-
leben mancherlei Bedenkliches. Das war dem correcten Lepsius ebenso zu-
wider, wie ihm seine kühnen Combinationen und die überraschenden Resultate,
die er gewann, unheimlich waren. Er hatte sich fast nur mit den in-
schriftlichen Texten beschäftigt, und mit begreiflicher Scheu von dem schwer
zu lesenden handschriftlichen Nachlass der Aegypter, den zahlreichen, in
hieratischer Cursive geschriebenen Papyrusrollen, ferngehalten, während Brugsch
(wie in Frankreich de Rougd und Chabas, in England Goodwin u. A.) auch
diese zu durchforschen begonnen hatte und in Folge dessen weit tiefer in das
Verständniss der ägyptischen Sprache eingedrungen war, als der ältere
Meister. So war es für E. von unschätzbarem Gewinn, dass er von Beiden
lernen konnte.
Von anderen Docenten hat vor Allem Böckh auf E. gewirkt. Im
Jahre 1862 war er soweit gekommen, dass er mit einer Dissertation über
Memnon und die Memnonssage promoviren konnte. In den nächsten Jahren
konnte er zur Vollendung seiner Ausbildung wissenschaftliche Reisen unter-
nehmen, die ihn in alle Culturländer Europas führten und mit den in ihren
Museen aufgespeicherten Schätzen des ägyptischen Alterthums vertraut machten
sowie die Bekanntschaft der meisten Fachgenossen verschafften.
Inzwischen war, wie die Genesung fortschritt, auch der poetische Trieb
von Neuem erwacht. E. musste, was er trieb, nicht nur mit dem Verstände,
sondern auch mit der Phantasie erfassen; was ihn innerlich beschäftigte,
gestaltete sich ihm zu plastischen und lebensvollen Bildern. So erstanden
ihm auch die alten Aegypter aus ihren Särgen und aus den steifen Statuen
und Reliefs der Tempel und Gräber zu lebendigen Menschen von Fleisch
und Blut und warmer Empfindung. So ernsthaft er entschlossen war, sich
^anz der Wissenschaft zu widmen, so wenig vermochte er der Versuchung zu
widerstehen, in den Pausen, die die Arbeit ihm liess, die Gestalten festzu-
halten und aufs Papier zu bannen. Die Geschichte des Unterganges des
Pharaonenreichs, das in jäher Katastrophe dem Angriff des jugendfrischen
Perservolkes erliegt, die sagenhafte Erzählung Herodots von der ägyptischen
Königstochter Nitetis, die König Amasis dem persischen Freier Kambyses als
seine eigene Tochter zum Weibe gsp, während sie doch das Kind seines von
ihm gestürzten Vorgängers Hophra war, bot den äusseren Rahmen; der Stoff
war um so reizvoller, weil er die Möglichkeit gewährte, alle die verschiedenen
Nationen und Culturen der damaligen Welt, Aegypter und Babylonier, Juden
und Kleinasiaten, Perser und Griechen, lebendig vorzuführen im Ringen um
eine welthistorische Entscheidung. So ist in den Jahren 1861 bis 63 E.'s
90
Ebers.
erster Roman entstanden. Der ernste Lehrer freilich machte ein sehr bedenk-
liches Gesicht, als der Schüler ihm sein Unterfangen beichtete; aber als er
das Manuscript gelesen hatte, da hat Lepsius ihm seine unumwundene An-
erkennung ausgesprochen. Ihn fesselte ebenso sehr die reiche, in der Durch-
arbeitung hervortretende und in den Anmerkungen niedergelegte Gelehrsam-
keit, wie die hervorragende poetische Gestaltung. Er gab den mit Recht
befolgten Rath, bei einer nochmaligen Ueberarbeitung das griechische Element
noch stärker hervortreten zu lassen, als bisher geschehen war, da ein zu
starkes Dominiren des spröden und monotonen Aegypterthums ermüdend
wirken würde. Im Jahre 1864 ist dann die »ägyptische Königstochter« er-
schienen im Verlage Hallbergers, mit dem E. bereits in Wildbad eine Freund-
schaft fürs Leben geschlossen hatte.
E. konnte sich jetzt als völlig gesund betrachten; seine Lemzeit war
beendet, er durfte daran denken, selbst als Lehrer aufzutreten. Im Sommer
1865 hat er sich in Jena mit einer Dissertation über die sechsundzwanzigste
Dynastie, das Königshaus, dem die Pharaonen seines Romans entstammten,
habilitirt. Unmittelbar vorher hatte er die Lebensgelährtin gewonnen, die
ihm fortan in allen Wechselfällen und Prüfungen als die vertraute Genossin
zur Seite stehen sollte, der jede Faser seines Innern sich in voller Hingabe
erschloss, Antonie Lösevitz, die Tochter des Bürgermeisters Beck aus Riga.
Sie brachte ihm aus erster Ehe zwei kleine Töchter ins Haus ; sechs Kinder, von
denen drei Söhne und zwei Töchter am Leben blieben, sind der Ehe entsprungen.
In Jena hat E. mit steigendem Erfolge über ägyptische Sprache und
Litteratur, Denkmäler und Geschichte gelesen; im Jahre 1869 wurde er zum
ausserordentlichen Professor ernannt. Im Jahre vorher war das erste seiner
grösseren wissenschaftlichen Werke erschienen, der erste (und einzige) Band
von »Aegypten und die Bücher Mose's«. Der Verfasser hatte sich die
dankenswerthe Aufgabe gestellt, die zahlreichen Angaben über Aegypten,
weiche das alte Testament und zunächst die Genesis enthält, aus den ägyp-
tischen Denkmälern eingehend zu erläutern. Das Werk hat rasch allgemeine
Anerkennung gefunden, denn es bot mehr, als der Titel besagt: eine auf
gründlicher Forschung beruhende Einführung in die verschiedensten Seiten
des ägyptischen Alterthums überhaupt , welche zahlreiche Ergebnisse der
jungen, damals noch mehr angestaunten, oft auch in ihrer Zuverlässigkeit
bezweifelten, als wirklich bekannten Wissenschaft zum ersten Male dem grösseren
wissenschaftlichen Publicum zugänglich machte.
Im Winter 1869/70 konnte er das Land seiner Studien, von dem er in
seiner Königstochter bereits eine so lebendige Schilderung gegeben hatte,
zum ersten Male betreten. Besonderes Interesse wandte er den Landschaften
zu, welche der biblische Bericht als Schauplatz des Aufenthaltes und des
Auszuges der Israehten nennt: er hat das östliche Delta und die Strasse zum
Sinai durchwandert. Daraus ist sein Werk »Durch Gosen zum Sinai« (1872,
2. Aufl. 1881) hervorgegangen, welches an der Hand des Reiseberichtes die
geschichtlichen und namentlich die topographischen Fragen eingehend erörtert.
Besonders lebhaft trat er für die Ansicht von Lepsius ein, der biblische Sinai
sei nicht der Mosesberg, den die Mönche jetzt dafür ausgeben, sondern der
majestätische Serbai. Diese Untersuchungen führten den Verfasser zugleich zu
einem eingehenden Studium der frühchristlichen Litteratur und einer Versenkung
in das Treiben der Anachoreten des Sinai — daraus ist später sein Roman
Homo sum erwachsen.
Ebers.
91
Inzwischen hatte E. einen Ruf als ausserordentlicher Professor nach
Leipzig erhalten. Im Herbst 1870 konnte er sein neues Amt antreten, das ihm
einen bedeutend erweiterten Wirkungskreis bot: Leipzig war damals der
Mittelpunkt der orientalischen Studien in Deutschland und genoss weit über
dessen Grenzen hinaus auf diesem Gebiete das höchste Ansehen. Zu E. aber
zog nicht nur der Ruf des Forschers, sondern auch der Name, den er als
Dichter gewonnen hatte, und wer seine Vorlesungen einmal besucht hatte,
den fesselte dauernd die lebendige Art seines Vortrages, der rege und be-
geisternde Forschungseifer, der in jedem Worte hervortrat, und nicht minder
die liebenswürdige und aufopfernde Art, mit der er sich eines Jeden annahm,
der ihm näher trat. Zu den allgemeinen, meist zweistündigen Vorlesungen
über Geschichte, Denkmäler, Sitten und Gebräuche der Aegypter fanden sich
in der Regel über hundert Hörer aus allen Facultäten; daneben aber fehlte
es nie an solchen, welche sich unter seiner Leitung eine eindringendere Kennt-
niss der ägyptischen Sprache und Litteratur erwerben wollten, sei es, dass sie
sich ganz diesem Fache zu widmen gedachten, sei es, dass sie wenigstens
ein selbständiges Urtheil gewinnen und in den Stand gesetzt werden wollten,
den Fortschritten der Wissenschaft theilnehmend und prüfend als Philologen,
Historiker, Theologen zu folgen. Seinem Beruf lebte er mit ganzerHingebung,
und er war zum akademischen Lehrer geschaffen, wie wenige. Gerade dass
er nicht sowohl etwas Fertiges und Abgeschlossenes gab, sondern den Schüler
in das lebendige Fortschreiten der jungen, allmählich erst zu fester Gestaltung
sich auswachsenden Wissenschaft einführte, dass er selbst ununterbrochen
lernte, während und indem er lehrte, gab seinem Unterricht einen ungemeinen
Reiz und erleichterte dem Anfänger das Einleben in die zahlreichen Probleme,
die hier noch der Lösung harrten. E. ist der erste Aegyptologe gewesen,
der die Aufopferungsfähigkeit und vor Allem den Muth — denn der gehörte
damals noch dazu — besass, nicht nur die Anfangsgründe der Aegyptologie
zu lehren, sondern mit seinen Schülern die schwierigsten Texte durchzuarbeiten,
bei denen nur zu oft bekannt werden musste, dass ein vollständiges, allseitig
gesichertes Verständniss noch nicht erreicht sei. Damit waren der unter
seiner Leitung heranwachsenden Generation zugleich die wichtigsten Aufgaben
gestellt, an denen sie ihre Kräfte versuchen mochte. So ist E. — da
Lepsius sich auf diese Dinge nie eingelassen hatte und Brugsch in seinem
unstäten Leben nie dauernd an einer Universität wirkte — der erste und
lange Zeit der einzige Lehrer der Aegyptologie in Deutschland gewesen, bis
die bedeutendsten seiner Schüler, vor Allem Adolf Erman in Berlin, ihm
gleichberechtigt zur Seite traten. Und dabei war E. von einer wahrhaft be-
wunderungswürdigen Freiheit und Uneigennützigkeit des wissenschaftlichen
Geistes auf einem Gebiete, wo bei anderen nur zu oft Eifersüchteleien und
persönliche Interessen sich geltend gemacht hatten. Immer war er bereit,
die Leistungen eines Fachgenossen unumwunden anzuerkennen — in zahl-
reichen Recensionen, namentlich im Litterarischen Centralblatt, hat er dem
Ausdruck gegeben — , neidlos acceptirte er jeden Fortschritt der Wissenschaft
auch da, wo er über ihm lieb gewordene Anschauungen hinwegging und ihn
zwang, umzulernen, ja gerade in solchen Fällen war er der erste, der den
Ruhm der neuen Entdeckung verkündete. Wieder und wieder hat er seine
grammatische Vorlesung von Grund aus umgearbeitet. Diese Elasticität des
Geistes, dieses freudige Fortleben mit der Wissenschaft hat er sich bis ans
Ende bewahrt, auch als schweres Leiden ihm die thätige Mitwirkung vielfach
92
Ebers.
beschränkte. Ein solcher Mann musste das Vertrauen aller Fachgenossen und
im höchsten Grade das seiner Schüler gewinnen. Und dabei gab er ihnen
Allen nicht nur von seinem reichen Wissen, sondern öffnete ihnen auch einen
Platz in seinem Herzen. Einem Jeden, der sich an ihn wandte, war er ein
treuer Freund und Berather in allen Nöthen, nicht nur der Wissenschaft,
sondern auch des Lebens; wie viele, denen er in den schwersten
Tagen mit Rath und* That beigestanden hat , die ihm allein es ver-
danken, dass die Wogen sich geebnet haben, die sie schon zu verschlingen
drohten! — Den Dank, den sie ihm in so reichem Masse schuldeten, haben
seine Schüler und Enkelschüler ihm in einer Festschrift zu seinem sechzigsten
Geburtstag (Aegyptiaca 1897) auch vor der Oeffentlichkeit abzustatten gestrebt.
Die Lehrthätigkeit in Leipzig wurde gleich im Winter 1872/3 durch eine
zweite Reise nach Aegypten unterbrochen, die der Vorbereitung eines Bädeker-
schen Reisehandbuches für Aegypten dienen sollte. Als Begleiter nahm er
den jungen Aegyptologen Ludwig Stern mit, der sich seitdem durch hervor-
ragende Arbeiten einen hochgeachteten Namen unter den Fachgenossen ge-
wonnen hat. Diese Reise führte zu zwei Funden von höchster Bedeutung.
In Theben entdeckte E. das Grab des Feldhauptmanns Amenemheb, das
einen der wichtigsten Texte aus der Zeit Thutmosis' III. (um 1500 v. Chr.)
enthält, den E. sofort herausgab und später eingehend und vortrefflich com-
mentirte. Noch wichtiger war, dass es ihm gelang, eine der grössten und
wichtigsten Papyrushandschriften, die auf uns gekommen sind, das im J. 1554
V. Chr. geschriebene medicinische Handbuch, das jetzt E.*s Namen trägt, für
die Leipziger Universitätsbibliothek zu erwerben. So gab es nach der Rück-
kehr vollauf zu thun. Den Papyrus Ebers hat er im J. 1875 ^^ einer grossen
lithographirten Ausgabe im Verlag von W. Engelmann mustergültig publicirt, mit
ausführlicher Einleitung und Inhaltsübersicht. Uebersetzung und Commentar
sollten folgen, weitere wissenschaftliche Pläne schlössen sich daran an. Auch
die äussere Anerkennung fehlte nicht: am 29. Mai 1875 '^'urde er zum
ordentlichen Professor ernannt, schon vorher war er Mitglied der sächsischen
Gesellschaft der Wissenschaften geworden.
Inzwischen hatte die »ägyptische Königstochter« ihren Weg durch die Welt
gemacht, zuerst mit langsamem, dann aber mit um so grösserem und dauer-
hafterem Erfolge. Nach vier Jahren, 1868, war die zweite Auflage erschienen,
bald folgten weitere und daneben Uebersetzungen in fremde Sprachen. Ein
solcher Erfolg hätte wohl locken können, und oft genug waren E., nament-
lich in Aegypten und in der Wüste, neue poetische Conceptionen vor die
Seele getreten und hatten sich zu lebendigen Gestalten und Scenen verdichtet.
Aber er wies die Versuchung von sich; er wollte fortan nur Gelehrter sein
und seinen grossen Aufgaben seine ganze Fähigkeit und Kraft uneingeschränkt
widmen.
Da meldete sich Anfang März 1876 das alte, seit mehr als einem Jahr-
zehnt scheinbar überwundene Leiden aufs Neue; und diesmal hat es den
Mann, der so kerngesund und kräftig schien, nicht wieder losgelassen. Bald
konnte er sich selbst der Erkenntniss nicht mehr verschliessen, dass er die
volle Gesundheit nicht wieder erlangen würde. Aber E. war nicht der Mann,
den auch das schwerste und hartnäckigste Leiden je hätte besiegen können.
Waren zahlreiche alte Pläne zu Grabe getragen, so fand er dafür um so
reicheren Ersatz. Wenn er lange Wochen ans Bett gefesselt war, wenn ihm
auch in bessern Stunden die Lähmung des einen Beines, die Schwäche des
Ebers.
93
Rückenmarks und die langen Badereisen im Frühjahr und Sommer eine an-
gestrengte und andauernde ^wissenschaftliche Arbeit unmöglich machten, so
war sein Geist frisch und seine Phantasie rege wie immer, und die Wissens-
schätze, die er gewonnen hatte, standen ihm jederzeit zur freien Verfügung.
So kehrte er zur Dichtung zurück. Gleich in dem ersten schweren Leidens-
jahre schrieb er den dreibändigen Roman »Uarda«, und diesmal auch äusser-
lich mit sofortigem durchschlagendem Erfolge, wie er bis dahin in Deutsch-
land kaum seinesgleichen gehabt hatte. Schon im ersten Jahre wurden fünf
starke Auflagen vergriffen, und Jahr für Jahr folgten neue. Von da an war
die zukünftige Gestaltung seines Lebens entschieden. Fast jedes Jahr hat
fortan einen neuen Roman aus seiner Feder gebracht — im Ganzen nach der
Uarda noch fünfzehn, dazu im Anschluss an ein Gemälde seines Freundes
Alma Tadema das Idyll »eine Frage«, ferner den in Stanzen gedichteten
»Wüstentraum« ElifSn, die »drei Märchen für Jung und Alt«, das Märchen
»die Unersetzlichen«, die schon erwähnte »Geschichte meines Lebens«, und
zum Abschluss aus seinem Nachlasse die dramatische Erzählung »das
Wanderbuch«.
Von E.'s Romanen spielen die ersten fünf in Aegypten und auf der be-
nachbarten Sinai-Halbinsel. Uarda führt uns den Höhepunkt der ägyptischen
Geschichte unter Ramses II. lebendig vor Augen, die Königstochter schildert den
Untergang des alten Pharaonenreichs, »die Schwestern« (1879) ^^^ Ptolemaeer-
zeit, »der Kaiser« (1880) die römische Herrschaft auf ihrer Höhe unter Hadrian,
als schon das junge Christen thum einen bedeutenden Einfluss auf Empfinden
und Leben des Volkes zu gewinnen begann; »Homo sum« (1877) endlich zeigt das
innere Leben des Christenthums in der Zeit, als es eben unter Constantin
zur herrschenden Religion geworden ist, in dem Treiben der Einsiedler am
Sinai. Damit schien die Reihe geschlossen; »der Kaiser«, so meinte er in
der Vorrede, würde der letzte seiner Romane sein, dem er das alte
Aegypten zum Schauplatz anweise. Und in der That wandte er sich zunächst
anderen Stoffen zu. Aber bald zog es ihn aufs Neue unwiderstehlich zu dem
Lande seiner Liebe. Den Gedanken freilich, bis in die Pyramidenzeit, zu den
Anlangen der ägyptischen Geschichte, hinaufzusteigen, wies er ab, so lebendig
dieselbe in zahlreichen Monumenten uns entgegentritt; dazu, so meinte er, seien
diese Gestalten uns do\:h zu fernstehend, zu gespenstisch. Auch fehlte hier
jede Berührung mit einer anderen, lebensfrischeren Cultur, die ein Gegen-
bild hätte liefern können. Aber um so mächtiger reizte ihn der Ausgang
der ägyptischen Geschichte, die ptolemäische und römische Zeit, die in
Arachne (1897, unter dem zweiten Ptolemäus), Kleopatra (1893, der Ge-
liebten des Antonius), Elif(§n (1887, unter Hadrian), Per aspera (1891, mit
der düsteren Gestalt Caracallas als Mittelpunkt) behandelt sind. Daran
schliesst sich in Serapis (i 884) der letzte Schlag, den das siegreiche Christen-
thum gegen das Heidenthum führt, die Zerstörung des grossen Serapisheil ig-
thums von Alexandria 392 n. Chr., und in der Nilbraut (1886) der Sieg des
Islams über das christliche Aegypten. In frühere Zeiten greift nur der Roman
»Josua« (1889) zurück. — Die übrigen Romane behandeln sämmtlich Episoden
aus der Uebergangsepoche vom Mittelalter zur Neuzeit, und versetzen uns
theils in die Niederlande, die Heimath der Mutter, zur Zeit des Be-
freiungskampfes, so »Die Frau Bürgemeisterin« (1881; behandelt die Be-
lagerung von Antwerpen 1574), Barbara Blomberg (die Mutter Don Juan
d'Austria's, 1896), und theilweise wenigstens der unter Philipp 11. spielende
94
Ebers.
Roman »ein Wort« (1882); theils auf deutschen Boden, vor Allem nach
Nürnberg, so »Im Schmiedefeuer« (1894, unter Rudolf von Habsburg), »Die
Gred« (1888, im fünfzehnten Jahrhundert), »Im blauen Hecht« (1895, Anfang
des sechszehnten Jahrhunderts) und der Eingang von »Ein Wort«. Neben
dem Streben, vergangenen Zeiten und Cuituren und die Fragen, die sie bewegt
haben, anschaulich zu gestalten, sind es vor Allem zwei Probleme, die in
diesen Romanen immer aufs Neue angeschlagen werden, nicht selten innig
mit einander verschlungen: einmal das religiöse Problem, das Werden und
Wachsen der Religion, der Kampf der neuen Religion mit der alten, das
Verhältniss der Religion zu dem einzelnen Menschen und seinen Idealen, so-
dann aber das Problem des Künstlerlebens. Von Jugend auf, seit er als
Kind in Drakes Werkstatt verkehrte, hatte er ein nahes Verhältniss zur bil-
denden Kunst gewonnen, und immer aufs Neue hat er, in Aegypten wie in
der Renaissancezeit, das Werden und Wachsen des Künstlers, seine Befreiung
aus den Fesseln einer die freie Bewegung erstickenden Tradition zu zeichnen
versucht.
Alle diese Dichtungen sind im Bade und auf den Reisen im Sommer und
Herbst geschrieben worden. Die übrige Zeit dagegen blieb nach wie vor
der Wissenschaft und der Lehrthätigkeit gewidmet. Denn wenn er auch
wieder zum Poeten geworden war, ein Gelehrter und ein Lehrer wollte er
doch bleiben. Freilich bereitete ihm gerade hier die Krankheit die schwersten
Hindernisse. Auch wenn die Schmerzen nachli essen und zeitweilig ganz auf-
hörten, wenn er sich auf den Stock gestützt im Zimmer bewegen konnte, so war
ihm doch eine Benutzung der Museen, und was noch weit schlimmer war,
die Benutzung eines grossen Theils der ägyptologischen Werke versagt, trotz
der ausgezeichneten Bibliothek, die er sich erworben hatte, und in der aus
der Fachlitteratur wohl kein einziges Buch fehlte. Denn zahlreiche dieser
Werke, und gerade die wichtigsten von Allen, waren Folianten grössten
Formats, und mit ihnen zu hantiren, ja sie auch nur nachzuschlagen, war
für ihn zur Unmöglichkeit geworden. So hat er zwar die wissenschaftliche
Arbeit seines Fachs nach wie vor mit regstem Eifer verfolgt und sich zu
eigen gemacht, sie auch besprochen, und bis an sein Ende nicht selten mit
einzelnen Aufsätzen, namentlich in der »Zeitschrift für ägyptische Sprache und
Alterthumskunde« und in Referaten für ein grösseres Publikum in sie ein-
gegriffen; aber eine führende Mitarbeit war ihm nur in beschränktem Umfange
möglich. Auch sein »Aegypten und die Bücher Moses« hat er nicht fort-
gesetzt, es auch abgelehnt, eine neue Auflage zu bearbeiten, wenngleich ihn
der Stoff immer aufs Neue reizte und sich schliesslich 1889 ^^ ^^^ Roman
»Josua« verdichtete. Aber E. empfand, dass es bei den gewaltigen Fort-
schritten der alttestamentlichen Wissenschaft nicht mehr möglich war, den
verwickelten Fragen der höheren Kritik in der Weise aus dem Wege zu
gehen, wie er es in der ersten Auflage gethan hatte und thun durfte. Apo-
logetische Tendenzen hatten ihm immer ganz fern gelegen — er stand in
seinen wissenschaftlichen Ueberzeugungen und in seiner Betrachtung der Re-
ligionsgeschichte allerdings auf dem Boden des Christenthums, aber durchaus
nicht auf dem einer buchstabengläubigen Orthodoxie. So war es ihm,
wie er mir 1886 schrieb, »klar geworden, dass ich nicht mehr der naive
Commentator des vorliegenden Textes sein dürfe, sondern gehalten sei, ganz
andere kritische Massstäbe als früher anzulegen«, und dafür seine »spärliche
Arbeitszeit^, auf lange hinaus festzulegen, fehlte ihm die Neigung. Aber
Ebers.
95
wenigstens Commentar und Uebersetzung seines Papyrus hoffte E. fertig
stellen zu können, und mehrere Vorarbeiten dazu hat er auch veröffent-
licht; das Werk zum Abschluss zu bringen, ist ihm nicht mehr vergönnt ge-
wesen.
Aber auch hier wusste E. sich Ersatz zu schaffen. Wenn er in seinen
Romanen das Land seiner Studien in poetischer Verklärung schilderte, so
sollte es daneben dem Leser in seiner gegenwärtigen Gestalt lebendig vor
Augen geführt werden — nicht nur die Fülle der Monumente des Alterthums,
sondern nicht minder die grossen Schöpfungen der islamischen Zeit und vor
Allem das Leben und Treiben des heutigen Volkes in all seinen Schichten,
wie es sich dem Auge des Forschers wie des Künstlers darstellt. Die Auf-
gabe war um so lohnender, weil nur zu rasch auch in Aegypten die nivelli-
rende Cultur des Abendlandes hereinbricht und unerbitterlich Altes und
Neues verschlingt, neben vielem Morschem und Verfallenem auch Vieles, was
dauernd weiter zu bestehen verdiente und noch mehr, was alle Zeit das
Interesse nicht nur der Gelehrten, sondern der ganzen gebildeten Welt in
Anspruch nehmen wird. So verband sich E. mit einer grossen Schaar von
Künstlern zur Schöpfung eines grossen Prachtwerkes. Sein Name, seine
Verbindungen und noch mehr sein tiefdringendes Kunstverständniss und der
fesselnde Zauber seiner Persönlichkeit gewannen zahlreiche der hervorragendsten
Künstler für das Unternehmen; unter den Mitarbeitern erscheinen Namen
wie Gustav Richter, Hans Makart, Wilhelm Gentz, Ferdinand Keller, Carl
Werner, Leopold Carl Müller, Rudolf Huber und zahlreiche Andere ; die künst-
lerische Leitung übernahm Adolf Gnauth. »Aegypten in Bild und Wort«, er-
schienen 1878 — 1880, ist das Vorbild zahlreicher Prachtwerke geworden, von
denen keines ihm gleichkommen dürfte. Eines derselben hat E. selbst bald darauf
in Verbindung mit Hermann Guthe geliefert, »Palästina in Bild und Wort«
(1882 — 84), die freie Bearbeitung einer englischen Vorlage, zu der E. vor
Allem die Beschreibung der Sinaihalbinsel beisteuerte. — Den Text seines
Prachtwerkes hat E. später als »Cicerone durch das alte und neue Aegypten«
{1884) weiteren Kreisen bequem zugänglich gemacht. Dagegen ist sein Reise-
handbuch für Aegypten in Folge mancher äusserer Störungen nicht zum Ab-
schluss gelangt. Doch liegt den älteren, seit 1877 erschienenen Auflagen des
Bädekerschen Handbuchs in weitem Umfange ein E.'sches Manuskript zu
Grunde, bis die fortschreitende Umgestaltung des Landes und die zahlreichen
neuen Entdeckungen eine vollständige Umarbeitung nöthig machten, die 1897
G. Steindorff vorzüglich ausgeführt hat.
Von anderen wissenschaftlichen Arbeiten ist ausser Abhandlungen über
die Grafschen Mumienporträts und über die koptische Kunst vor Allem noch
das eingehende und warm geschriebene Denkmal zu nennen, das er nach
Lepsius' Tode seinem Lehrer setzte (Richard Lepsius, ein Lebensbild, 1885),
zugleich eine fesselnde Biographie und ein werth voller Beitrag zur Geschichte
der W^issenschaft. Gewissermassen eine Ergänzung bildet der Nekrolog auf
Gustav Seyffarth (1796— -1885), ^^" erbitterten Gegner Champollions, der eine
bessere Methode der Lesung der Hieroglyphen gefunden zu haben glaubte,
an der er neben anderen seltsamen Schrullen mit zäher Hartnäckigkeit fest-
hielt. Die Abhandlung (in der Zeitschrift der deutschen morgenl. Gesellschaft,
Bd. 41, 1887) ist um so anziehender, da E. dem Gegner, der ihn selbst auf
das Schärfste angegriffen hatte, in unparteiischer Weise gerecht zu werden
und ihm womöglich inmitten all seiner abenteuerlichen und verschrobenen
q6 Ebers.
Ideen doch noch einige für die Entwicklung der Wissenschaft förderliche Ge-
danken zu retten sucht.
Neben dieser umfassenden Thätigkeit hat E., so lange sein Befinden es
irgend zuliess, seine Lehrthätigkeit fortgesetzt. Freilich grössere Vorlesungen
in der Universität hat er nie wieder halten können ; aber in seiner Studirstube,
um seinen Krankenstuhl, ja nicht selten um sein Bett, versammelte er noch
ein Jahrzehnt lang den engeren Kreis der Studenten, welche in die Aegypto-
logie tiefer eindringen wollten. Freilich brachten heftigere Krankheitsanfälle
und die unentbehrlichen Erholungs- und Badereisen vielfache Unterbrechungen^
und bald zeigte es sich, dass das schlechte Klima von Leipzig seiner Gesund-
heit so unzuträglich war, wie möglich. So hatte er schon den Winter 1879/80
in Nizza zugebracht und im Sommer mehrfach Urlaub genommen. Schliess-
lich Hess er sich 1887 den Urlaub auf zwei Jahre verlängern, und allmählich
rang sich ihm die schwere Erkenntniss durch, dass er nach Leipzig nicht
wieder zurück dürfe. Im Herbst 1889 kam er um seinen Abschied ein. Es
war für ihn vielleicht der schwerste Schlag, dass er der Lehrthätigkeit,
der er so viele Freude verdankte und in der er so Hervorragendes ge-
leistet hatte, für alle Zeit entsagen musste. Fortan hat er die Winter in
München, die Sommer in Tutzing verlebt, wo er schon im Jahre 1882 eine
freundliche Villa in herrlichster Lage am Stamberger See erworben hatte.
In München hat ihn im Jahre 1895 die Akademie der Wissenschaften in
ihren Kreis aufgenommen.
Zweiundzwanzig Jahre lang ist E. ein schwerkranker Mann gewesen.
Die Geschichte seiner Krankheit im Einzelnen zu erzählen, ist nicht dieses
Ortes, so interessant sie den Medicinem sein mag, deren düstere Voraussagen
sie glücklicherweise zwei Jahrzehnte lang immer auf's Neue widerlegt hat.
Mit dem Hauptleiden, einer langsam fortschreitenden Erkrankung der Rücken-
markshäute, war eine hochgradige Ischias verbunden, die periodisch zu den
heftigsten Schmerzan fällen führte. Schliesslich wurden die Anlälle so häufig und
die Qualen so arg, dass ein operativer Eingriff nothwendig wurde. Durch die vom
Obermedicinalrath Burckhardt in Stuttgart 1886 ausgeführte blutige Nervendeh-
nung, eine Zerrung des blossgelegten Nervenstranges, wurde die Kraft der Ischias
gebrochen; seitdem nahm sie allmählich mehr und mehr an Heftigkeit ab.
Für das Hauptleiden allerdings gab es nur Linderung, aber keine Heilung.
Wenn der Verlauf der Krankheit zeigt, welch gewaltige Widerstandskraft,,
welche Fülle von gesundem Leben trotz alledem in E.'s Körper wohnte, so
gilt das in noch höherem Maasse von seinen geistigen Eigenschaften. Er
war eine durch und durch gesunde Natur, von geradezu unverwüstlicher
Lebensfrische und Lebenskraft. Das Leiden, das über ihn verhängt war, be-
trachtete er als eine Schickung, in die er sich fügen musste ; aber nie hat
es ihn auch nur für einen Moment missmuthig oder unzufrieden gemacht,
oder gar ihm die tiefe und reine Heiterkeit der Seele getrübt. Wohl sprach
er mit Bedauern von dem, was ihm fortan versagt war; aber nur um so fester
hielt er, was ihm geblieben. Und wie verstand er, das Leben zu gemessen,
den Moment voll auszukosten! Nichts lag ihm femer und war seinem ganzen
Wesen fremder, ja unfasslicher, als die blasirte Art des Genussmenschen, der
sich gegen fremdes Leiden abstumpft und nur die eigenen Bedürfnisse kennt;
mit innigster Theilnahme durchlebte er mit Jedem, der ihm näher stand,
Freude wie Schmerz. Aber wie er das eigene Leiden, auch wenn ihn der
qualvollste Anfall packte, im nächsten Moment abzustreifen, ja fast zu ver-
Ebers.
97
gessen vennochte, so hat er tiberall das Böse und Widrige getragen, das Gute
und Schöne ergriffen und ausgestaltet. In seiner Lebenshaltung blieb er
einfach und anspruchslos, trotz des durch den Ertrag seiner Werke sich fort-
dauernd mehrenden Wohlstandes; aber jeden geistigen Genuss, jede Bereiche-
rung seines Wissens und seiner Anschauung ergriff er und hielt er fest. Bis
in sein letztes Jahr ist er gern und viel gereist, trotz aller Beschwerden, ja
in einzelnen besonders günstigen Momenten hat er noch in Leipzig
oder Wiesbaden das Theater oder in Berlin das durch Erman umgestaltete
und bedeutend erweiterte ägyptische Museum besuchen können. Vor Allem
aber war es der Verkehr mit den Menschen, der ihm zum tiefsten Lebens-
bedürfniss geworden war; und magnetisch wusste er sie anzuziehen und fest-
zuhalten: die Vormittage hielt er sich frei, aber Nachmittags wurde sein
Zimmer nicht leer von Besuchern, bis die sorgende Gattin einschreiten und
zum Aufbruch mahnen musste. Jeder erschloss sich ihm, weil er sich ihm
liingab, weil er mit Keinem, der üim irgend etwas bot, in Berührung treten
konnte, ohne ihn in warmen und herzlichen Beziehungen an sich zu knüpfen.
So stand er, wo er auch weilte, ununterbrochen in einem weiten Freundes-
kreis, in den kaum je eine Trübung gefallen ist. Er war ein Meister lebendiger
und anregender Conversation, niemals gesucht, aber immer den Besuchern
viel gebend, weil er immer sich selbst ganz und ungeschminkt gab; jede
Unterhaltung mit ihm war ein hoher geistiger Genuss. Mit den abwesenden
Freunden unterhielt er die regste Correspondenz, und seine Briefe waren
fesselnd und inhaltreich wie seine Gespräche, weil er schrieb, wie er im nie
stockenden Gespräch die Unterhaltung führte. Den Mittelpunkt seiner Welt
aber bildete der Kreis der Familie, der sich, wie die Kinder heranwuchsen,
durch die hinzutretenden Schwiegersöhne und Schwiegertöchter rasch
und glücklich erweiterte. Schwere Schicksalschläge sind ihm auch hier
nicht ganz erspart geblieben; aber ein glücklicheres und harmonischeres
Famüienleben könnte Niemand ersinnen als das des E.' sehen Hauses. So hat
er das Leben geniessen können wie wenig andere Menschen. Aber wenn ihm
das Schicksal viel gewährt hat und sein Loos trotz aller Leiden beneidens-
werth erscheinen könnte, so ist das Hauptverdienst sein eigenes: er selbst hat
sich das Leben so reich und so freudenvoll gestaltet. Ungetrübt und uner-
schüttert erhielt er sich bis zum letzten Athemzug den Glauben an die
Ideale, die sein Innerstes bewegten, den Glauben an das Gute, das in
jedem Menschen lebt und trotz reicher Fülle und arger Auswüchse, die
es zu ersticken drohen, zum Durchbruch kommen kann und muss, und vor
Allem den Glauben an die Allmacht der Liebe.
Das ist der Gesichtspunkt, unter dem auch seine Dichtwerke betrachtet
werden müssen. Seine Romane wollen zugleich Cultur- und Zeitbilder sein
und Schilderungen des unter den verschiedensten Erscheinungsformen und zu den
verschiedensten Zeiten in seinem Kern, in den Empfindungen und Leidenschaften,
die es bewegen, gleichartigen Menschenlebens. Unter dem ersten Gesichtspunkt
haben sie allgemeine Anerkennung nicht nur in Deutschland gefunden; unter
dem zweiten sind sie, trotz des gewaltigen äusseren Erfolgs, nicht selten auch
auf entschiedenen Widerspruch gestossen. Namentlich hat man ihm zum
Vorwurf gemacht, er trage, zumal in seinen Liebesscenen, in das Alterthum
moderne Empfindungen hinein über die Grenzen hinaus, die dem Dichter ge-
stattet sind; seine Gestalten seien moderne Menschen in antikem Gewände.
Nicht ohne Geschick hat sich E. dagegen namentlich in der Vorrede zur
Btogr. J«hrb. u. DeaUcber Nekrolog. 3. Bd. *j
gS Ebers.
zweiten Auflage der Königstochter vertheidigt; mit vollem Recht konnte er
darauf verweisen, dass die Grund triebe und die beherrschenden Empfindungen
im menschlichen Leben immer dieselben geblieben sind trotz der verschie-
denen Gewandung, dass auch im Alterthum uns viele Zeugnisse nicht nur
von glühender Liebesleidenschaft, sondern auch von inniger Gattenliebe be-
richten. Wenn ich mich nicht täusche, trifft Einwand und Vertheidigung
nicht ganz den Kern der Frage. E. hatte den Ernst des Lebens kennen
gelernt, er hatte erfahren, dass Leben Leiden ist, und er ist allezeit bestrebt
gewesen, dem wie in seiner eigenen Lebensführung so in seinen Dichtungen
Rechnung zu tragen. Aber so weit er von einem naiven Optimismus, von
der Meinung, dass Alles gut sei, entfernt ist, noch femer lag ihm als Mensch
wie als Dichter der Pessimismus und die Weltflucht. Vielmehr ist der
Grundzug seines Wesens überall ein sehr energischer Wille zum Leben, eine
freudige Bejahung der Welt. Am Ergreifendsten und Packendsten tritt das
wohl in Homo sum hervor, wo er sich bemüht, die Entsagung des Mönchs,
die Ertödtung des Fleisches zu erfassen und fiir seine Helden als Ideal fest-
zuhalten. Aber nur um so energischer lässt er hier immer aufs neue den
natürlichen Trieb zum Leben und zum Genuss hervorbrechen und die Helden
straucheln und fallen, gerade wenn sie glauben ihr Ziel erreicht zu haben.
Ihr Ideal ist nicht das Seine; er bekennt, dass wir Menschen sind und sein
müssen und sollen, dass wir das Leben nicht fliehen, sondern uns ihm hin-
geben, aber es sittlich und geistig durchdringen und erheben sollen:
in der praktischen Thätigkeit des seine Aufgaben erfüllenden Menschen, des
Mannes und des Weibes, und in der Alles durchdringenden Liebe liegt sein
Ideal. Was er hier lehrt, was in ganz anderer Ausfuhrung das Lebensbild
»ein Wort« verkündet, das aus den Wirren eines wilden Lebens den Helden
vom »Glück« zur »Kunst«, von dieser zum »Ruhm« und weiter zur »Macht«
führt, bis er in der »Liebe« die Erlösung findet — das giebt die Grund-
stimmung auch in den anderen Romanen. Darauf beruht der idealistische
Zug, der durch alle seine Werke hindurch geht: er umfasste die Menschen
mit liebendem Herzen und musste sie demgemäss schildern. Aber im
Bereich der Dichtung hat auch die Phantasie ein Recht zu walten; sie darf
die menschlichen Verhältnisse idealisiren und, trotz aller Anerkennung der
realen und der finsteren Mächte, hinausheben in eine höhere Region. So
kommt ein starkes romantisches Element in all seine Schöpfungen. Ihm ge-
hören die Scenen an, gegen die der Widerspruch in erster Linie sich ge-
richtet hat. Nicht um antik oder modern handelt es sich: dass ein Pentaur
und gar ein Nebsecht Gedanken äussern, die auf ägyptischem Boden niemals
erwachsen sind, dass ein in den Banden der Priesterschaft von Philae aufge-
wachsener junger Bildhauer, wie Hör in »ElifiSn«, unmöglich ein Kunstwerk
schaffen konnte, das den höchsten Leistungen griechischer Künstier eben-
bürtig an die Seite tritt, dass in Caracallas Zeit thatsächlich die Kunst schon
in vollster Decadence stand, und zahlreiche ähnliche Abweichungen von der
historischen Wahrheit ertragen wir willig, weil in ihnen eine höhere Lebens-
wahrheit zum Ausdruck kommt. Aber die Liebe des persischen Prinzen
Bartja zu dem griechischen Mädchen Sappho, der ägyptischen Prinzessin Bent-
anat zu dem rebellischen Priester Pentaur, des vornehmen Römers Scipio
zu der Tempel dienerin Klea und die Ehe, welche sie schliessen, gehören so
wenig wie etwa die Umwandlung des schwäbischen Schmiedesohns Ulrich
(in »ein Wort«) zugleich in einen erfolgreichen Heerführer und einen vor-
Ebers, v. Kaltenbom-Stacbau.
^9
trefflichen Maler der irdischen Welt an, sondern der Wunderwelt der Phan-
tasie, die, um ein höchstes Ideal in die Farben der Wirklichkeit zu kleiden,
sich über die engen Schranken hinwegsetzt, an die das menschliche Leben
gebunden ist. Man mag streiten, wie weit das in einem historischen Roman
zulässig ist; dass der Dichter Tausende von Lesern dadurch gewonnen hat,
ist zweifellos. Nicht der am Wenigsten glänzende Beweis dieses Erfolgs war,
dass sich elf hervorragende Künstler zusammenfanden, um die Glanzscenen
seiner ersten acht Dichtungen durch die prächtigen Bilder der »Ebers-Gallerie«
zu illustriren. —
Symptome des Fortschreitens der Krankheit hatten sich wiederholt ge-
zeigt, namentlich in Lähmungserscheinungen der linken Seite. Aber der Geist
war frisch und schaffensfreudig wie immer, die Körperkraft noch ungebrochen.
Eifrig war er für das grosse Unternehmen einer Sammlung des gesammten
Wortschatzes der ägyptischen Denkmäler und Schriftwerke thätig, welches
unter Leitung der deutschen Akademien in Angriff genommen ist; auch
kleinere wissenschaftliche Aufsätze hat er noch im Frühjahr 1898 geschrieben.
Da trat im Juni die Krisis ein: die Krankheit hatte das Herz ergriffen. Es
folgten Tage schwersten Leidens, die nur dadurch gemildert wurden, dass er
vielfach in traumhafte Zustände versank. Dann hob sich das Bewusstsein
noch einmal, die Schwäche nahm ab, die Seinen konnten leise Hoffnung
schöpfen. Es war das letzte Aufflackern seiner Lebenskraft. Seinem Wunsche
gemäss wurde am 3. August die Trauung der jüngsten Tochter stül vollzogen.
Dann nahm er von allen den Seinen ergreifenden Abschied. Am 4. August
versank er in einen ruhigen Schlaf, aus dem er nur noch für kurze Momente
erwachte, am Nachmittag des 7. August 1898 ist er sanft entschlafen.
Fftmilien-Mittheilungen uod eigene ErinneruDgen. Das Buch von R. Gosche (1884)
behandelt nur die bis dahin erschienenen Romane E.'s; biographisch ist es ohne Belang. —
Gemalt ist Ebers von Lepsius und in späteren Jahren von Franz von Lenbach; eine
Marmorbüste hat Joseph Kopf geschaffen. Alle drei Werke befinden sich im Besitz der
Familie. Ein Bronceabguss der Kopf sehen Büste ist am Grabdenkmal auf dem nördlichen
Friedhof in München angebracht. Das Lenbach'sch Bildniss ist in »Ueber Land und
Meer«, Jahrgang 39 No. 22, reproducirt.
Eduard Meyer.
V. Kaltenbom-Stachau, Hans Karl Georg, Kgl. Preussischer General
der Infanterie z. D., ä la suite des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regi-
ments No. I, ♦ am 23. März 1836 in Merseburg, f am 15. Februar 1898 in
Braunschweig in Folge von Blinddarmentzündung und Herzschlag. — K. erhielt
seine erste Bildung auf dem Magdeburger Domgymnasium. Dann folgte der
Besuch der Kadettenhäuser Bensberg und Berlin. 18 Jahr alt — am
29. April 1854 — trat er bereits als Seconde-Lieutenant in das Magde-
burgische Inf. Rgt. No. 27 ein. Immer bemüht, sich weiter zu bilden,
machte er das Examen zur Allgemeinen Kriegsschule (jetzt Kriegsakademie),
welche er von 1857 — 1860 mit gutem Erfolge besuchte. 1861 zum Premier-
lieutenant befördert, wird er in das 4. Magdeburgische Inf. Regt. No. 67
versetzt und bis 1863 zur topographischen Abtheilung des Grossen General-
stabs commandirt. Während des Krieges 1864 fungirte er von Mai bis De-
cember als militärisches Mitglied der Eisenbahnlinien-Commission in Altona
und nahm Theil an der Eroberung der Insel Alsen. Dann wurde er als
Generalstabsofficier zum Generalcommando des VI. Armeecorps conunandirt
und im April 1865 als Hauptmann definitiv in den Generalstab des
7*
lOO V- Kaltenbom-Stachau.
VI. Armeecorps versetzt. Als solcher machte er den Krieg gegen Oesterreich
mit, in dem er sich den Kronenorden IV. Klasse mit Schwertern erwarb.
Vom September 1866 bis November 1868 gehörte er dem Generalstabe der
II. Infanterie-Division an, wurde dann dem 5. Thüringischen Inf. Rgt. No. 94
(Grossherzog von Weimar) zugetheilt und 1869 in den Grossen Generalstab
versetzt und dem Generalstab des VII. Armeecorps zugetheilt. Am
10. Mai 1870 wurde er, noch nicht 34 Jahre alt, zum Major befördert. Im
Kriege gegen Frankreich 1870/71 nahm er an folgenden Schlachten und Be-
lagerungen Theil: Spichern, Colombey-Nouilly, Bois de Vaux, Gravelotte,
Belagerung von Metz und Diedenhofen, Schlachten bei Marnay und Pon-
tarlier. Für seine ausgezeichneten Dienste und seine Tapferkeit erhielt er
das Eiserne Kreuz I. Klasse. 1874 erfolgte seine Versetzune in das Grenadier-
Regiment König Friedrich Wilhelm IV. (i. pommersches) Wo. 2, 1875 seine
Ernennung zum Oberstlieutenant, am 18. April 1878 zum Oberst; im Mai 1878
wurde er dann Commandeur des 5. Westphälischen Inf. Rgts. No. 53. Am
20. September 1881 wurde er zum Commandeur des Kaiser Alexander Garde-
Grenadier-Regiments No. I ernannt. Als solcher wohnte er im April 1883
den Krönungsfeierlichkeiten des russischen Kaisers in Moskau bei und nahm
später an einer Uebungsreise des Grossen Generalstabes Theil. 1884 zum
C^neralmajor befördert, wurde er Chef des Generalstabes des Gardecorps,
Mitglied der Ober - Militär -Studiencommission der Kriegsakademie. Am
24. November 1885 wurde er Commandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade,
im Januar 1888 mit der Führung der 3. Infanterie-Division beauftragt, erhielt
er am 7. Juni 1888 die Führung der 2. Garde-Infanterie-Division und wurde
am 4. August 1888 Generallieutenant und Commandeur der 2. Garde-Infanterie-
Division. Bis zum Jahre 1890 nur militärischen Kreisen als tüchtiger, kennt-
nissreicher Officier bekannt, sollte er in diesem Jahre auch weiteren, nament-
lich politischen Kreisen näher treten. Im Herbst 1890 demissionirte der
General von Verdy du Vernois als Kriegsminister, da er den Reichstag für
seine weitgreifenden Armee-Reorganisations-Pläne nicht zu gewinnen verstand
und sich auch mit seinen Ideen in Gegensatz zu den leitenden militärischen
Kreisen setzte. Sein Nachfolger wurde am 4. October 1890 Generallieutenant
von K., dem die Aufgabe zufiel, die Ideen des Reichskanzlers von Caprivi
betreffs Einführung der zweijährigen Dienstzeit bei den Fusstruppen praktisch
auszuarbeiten. Zugleich wurde er auch Vorsitzender des Ausschusses für das
Landheer und die Festungen und Chef der Direction des grossen Militär-
Waisenhauses in Potsdam. Noch im Jahre 1890 legte er als Kriegsminister
dem Reichstage das Militärgesetz betreffs der Erhöhung der Präsenzstärke
unter Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Fusstruppen vor, welches
im Reichstag heftige und erregte Debatten hervorrief. Namentlich vermochten
sich weite Kreise mit der Einrichtung der 4. Halbbataillone bei den Regi-
mentern nicht zu befreunden, welche als Bedingung für die Einführung der
zweijährigen Dienstzeit gefordert wurden. In den erregten Debatten zeigte
sich der Kriegsminister als ein streng sachlicher Redner, dem es allerdings
an der glänzenden und bestechenden Redegabe seines Vorgängers mangelte,
sodass die Hauptvertretung des Gesetzes im Reichstage dem Reichskanzler
V. Caprivi zufiel. Dennoch wurde das Gesetz abgelehnt und der Reichstag
aufgelöst. In dem neuen Reichstage wurde dann das Gesetz mit einem
Compromissantrage des Abgeordneten Freiherm v. Huene (Centrum) am
13. JuH 1891 angenommen. Am 2. September 1892 wurde v. K. zum
I
V. Kaltenborn-Stachau. Dahn. lOi
General der Infanterie ernannt und am 17. October 1892 auf sein Ansuchen
unter Verleihung des Grosskreuzes des Rothen Adler-Ordens mit Eichenlaub
und Krone zur Disposition gestellt. 1897 erhielt er noch die Brillanten zum
Grosskreuz. Seine letzten Lebensjahre verlebte er in Braunschweig.
O. Elster.
Dahn, Ludwig, kgl. Hofschauspieler zu München, * am 12. März 1843,
f 20. October 1898. Er war ein Sohn des berühmten Künstlerpaares
Friedrich Dahn und Constanze, geb. Legaye und hatte als solcher schon eine
gewisse Anwartschaft auf Theaterblut. In der That erregte schon der acht-
zehnjährige Jüngling die Aufmerksamkeit Dingelstedts, der ihn nach Weimar
brachte und sich auch persönlich seiner annahm. Er soll dort zum Liebling
des Publicums geworden sein. Am i. Januar 1861 wurde D. für das zweite
Liebhaberfach an die Münchener Hofbühne engagirt, und 1865 zog ihn
Herr von Hülsen an das Berliner kgl. Schauspielhaus. Er trat dort u. a. als
Schiller in Laube's »Karlsschülern«, als Bugslaff in Paul Heyse's »Hans Lange«,
als Mortimer und Gringoire auf. Von Dingelstedt, Laube, Putlitz wurde der
Brakenburg im Egmont als seine beste Rolle bezeichnet. Leider und nicht
zu seinem Heile verliess D. Berlin nach mehrjährigem Aufenthalt und folgte
einem Rufe an das kaiserl. Deutsche Hof-Theater in St. Petersburg. Dort,
mitten in der Vollkraft seines künstlerischen Schaffens, befiel ihn eine tückische
Halskrankheit, deren Folgen er zeitlebens "nicht überwunden hat. Die hervor-
ragende Stellung, die er als erster Held und Liebhaber einnahm, war für
immer verloren, Kraft und Mark der Stimme dahin, das Organ blieb spröde
und gehorchte selbst der schönsten Intention nicht mehr. So kam D. nach
München zurück, so nahm ihn am 15. Februar 1878 die heimatliche Bühne
als »gesetzten Liebhaber« auf, nur so hat ihn die gegenwärtige Generation
gekannt, als eine halbe Utility, eine repräsentative Aushilfsperson, denn D.
hatte eine gute Figur und ein classisches Profil. Es gehörte gewiss viel Selbst-
überwindung für den einst gefeierten Künstler dazu, neidlos die Erfolge Anderer
zu sehen und sich mit unbedeutenden Aufgaben zufrieden zu geben ; D. scheint
sie besessen zu haben, denn er wurde als guter Kamerad geschätzt. Er hat
den Brakenburg nie mehr spielen dürfen und ist doch im anderen Sinne der
Brakenburg der Münchener Hofbtihne geblieben. Ein langes, schmerzvolles
I-eiden nahm ihn von den Brettern weg, und es war nicht einmal nöthig, sich
nach einem Ersatz fllr ihn umzusehen. Er hinterliess eine Wittwe und einen
Sohn, dem er den Taufnamen seines Bruders, des Dichters Felix D., gegeben
hatte, und der sich in jungen Jahren der Oper zugewendet hat. — »Ich
wünsche, dass mein lieber Ludwig einmal bei mir im Grabe liegen soll!« —
waren die letzten Worte der berühmten Constanze Dahn. Als Ludwig D. vor-
zeitig an ihre Seite gebettet wurde, sprach sein Freund und Vorgesetzter,
Intendant v. Possart, am offenen Grabe u. A. die kennzeichnenden Worte:
»Es ist der Träger eines stolzen Namens, dem wir die Gruft seiner grossen
Mutter öffnen, es ist der Sprössling eines Künstlergeschlechts, welches in
ruhmvollem Wirken dem königlichen Schauspiel ein halbes Jahrhundert hin-
durch weittragenden Glanz und erhöhte Bedeutung lieh. Zwar die zwingende
Genialität der geistsprühenden Mutter war dem Dahingeschiedenen nicht ge-
geben, auch nicht die herrlichen äusseren Mittel seines vielbewunderten Vaters,
dessen markige Kraft und souveräne Noblesse uns alten Münchenem noch
heute unvergesslich sind; allein ein Erbe seiner Eltern hat er voll und ganz
I02 Dahn. von Fitting. Baron,
angetreten: die hohe Begeisterung für seine Kunst und eine wandellose Pflicht-
erfüllung. Durchdrungen von der Heiligkeit seines Berufes trat der Dahin-
geschiedene auch flUr die kleinste Aufgabe mit Ernst und Eifer ein, und selbst
da, wo er in zweiter Linie stehen musste, bewies er durch neidlose Unter-
ordnung und unversiegbaren Fleiss, dass echtes Ktinstlerblut in seinen Adern
rollte.« D. hinterlässt kein grosses Andenken, aber ein liebenswürdiges, das
manchem grossen Namen fehlt.
Alfred Freiherr v. Mensi.
Fitting, Jakob, Ritter von, Oberlandesgerichtspräsident zu Zweibrücken,
* 21. Januar 1831 zu Tiefenthal im pfälzischen Bezirksamt Frankenthal als
Sohn eines Gutsbesitzers, f 5. Mai 1898 zu Zweibrücken. Er widmete sich
seit 1848 der juristischen Laufbahn auf den Universitäten Heidelberg, München
und Würzburg, bestand das Staatsexamen mit sehr gutem Erfolge und wurde
1855 in Kaiserslautem funktionirender Staatsprokurator-Substitut, 1860 Bezirks-
gerichtsassessor in Franken thal, i862Staatsprocurator-Substitut in Kaiserslautem,
1866 Bezirksrichter, 1871 erster Staatsanwalt daselbst, 1875 Rath am Appel-
lationsgericht in Zweibrücken, 1878 Rath am Handelsappellationsgericht allda,
1879 Oberstaatsanwalt am königl. Oberlandesgericht, 1890 Senatspräsident,
endlich 30. April 1896 an die Spitze der pfälzischen Justizverwaltung be-
fördert und 10. Oktober 1897 zum lebenslänglichen Reichsrath ernannt.
Eine Berufung ins Ministerium lehnte er ab. Durch Liebenswürdigkeit und
Bescheidenheit des Wesens, wie durch Milde des Urtheils ausgezeichnet, ver-
einte er juristischen Scharfblick mit Gründlichkeit und Bedachtsamkeit, sodass
er in hohem Masse zur Mitwirkung bei gesetzgeberischen und organisatorischen
Arbeiten befähigt war. Er bewies dies durch eine in den weitesten Kreisen
hochgeschätzte Thätigkeit bei Neuordnung der Verhältnisse nach Einführung
der Reichsjustizgesetze, namentlich auf dem Gebiete des Hypotheken- und
Gefängniss Wesens. Als in kurzer Frist Ueberleitungs- und Ausftihrungsbe-
stimmungen aus Anlass der bevorstehenden Einführung des bürgerlichen Ge-
setzbuches speciell für die Pfalz zu treffen waren, war er unermüdlich hiefür
thätig, wobei er sich als trefflichen Kenner des geltenden wie des kommenden
Rechts erwies. In den Gesetzgebungsausschuss der Kammer der Reichsräthe
berufen, betheiligte er sich bis zum letzten Augenblick an diesen weitschich-
tigen Arbeiten. Schriftstellerisch hatte er sich durch Herausgabe eines werth-
vollen Kommentars über das Personenstandsgesetz vom 6. Februar 1875
(1876, Zweibrücken, Verlag von Aug. Kranzbühler, 2. Aufl. 1878) hervorge-
than. Mitten in der Arbeit noch zu später Stunde begriffen, wurde er durch
den Tod dahingerafft.
Nach gef. Mitth. der »Zeitbilder, zugleich Illustr. Ztsch. f. d. Fremden- und Touristen-
verkehr in der Pfalz, 7. Jahrg. Nr. 24 vom 12. Juni 1898 mit BUd< durch Herrn Ober-
sekretSr Merck in Zweibrttcken. — Vgl. Krit. Vierteljahresschrift Bd. 2Z S. 443/4 und
H. V. Sicherer, Reicbs-Gesetz über d. Beurk. d. Personenstandes und die Eheschliessung
V. 6. Febr. 1875, Erl. 1878 p. XV.
A. Teichmann.
Baron, Julius, Universitätsprofessor der Rechte, ♦ i. Januar 1834 zu
Festenberg in Schlesien, f 7. Juni 1898 zu Bonn. Er besuchte 1845 — 5^
die Gymnasien in Oels und St. Maria Magdalena zu Breslau, studirte die
Rechtswissenschaft in Breslau und Berlin, promovirte 14. Juni 1855 zu Berlin
Baron.
103
zum Doctor beider Rechte, wurde 1859 Assessor und habilitirte sich 4. April
1860 in der juristischen Facultät der Universität Berlin. Theoretisch und
practisch in seinem Fache thätig, wurde er theils beim Stadtgericht daselbst,
theils im Justizministerium beschäftigt, hier namentlich bei Arbeiten für die
Civilprocessordnung, bis er 1866 seine Entlassung nahm, um sich ganz der
academischen Laufbahn zu widmen. ^Er wurde 1869 ausserordentlicher Pro-
fessor und ging Ostern 1880 als ordentlicher Professor der Rechte nach
Greifswald. Seine schriftstellerische Thätigkeit war dem preussischen und
römischen Rechte zugewandt. Er schrieb »Abhandlungen aus dem preussi-
schen Recht«, Berl. 1860; »Die Gesammtrechtsverhältnisse im römischen Recht«,
Marb. 1864; »Das Heirathen in alten und neuen Gesetzen«, Berl. 1874;
»Abhandlungen aus dem römischen Civilprocess«, Berl. 1881 — 87, 3 Bände;
»Geschichte des römischen Rechts I. Institutionen und Civilprocess«, Berl.
1884 und namentlich sein für akademische Kreise bestimmtes, sehr beifällig
aufgenommenes Werk über »Pandecten«, i. Aufl. Leipz. 1872, 9. Aufl. 1896.
Der Richtung der Kathedersocialisten zugethan, veröffentlichte er in diesem
Sinne »Angriffe auf das Erbrecht« (Deutsche Zeit- und Streitfragen, Heft 85)
Berl. 1877; »Zur Fortbildung des Haftpflichtgesetzes« (Schriften d. Vereins
f. Socialpolitik, Heft 19); »lieber Erbschaftssteuern« (Hildebrand's Jahrbb. f.
Nat.-Oekon. Bd. 26), Jena 1888. Er folgte 1883 einem Rufe an die Uni-
versität Bern, 1888 einem weiteren an die Friedrich- Wilhelms-Universität in
Bonn, der er bis zu seinem Tode als trefflicher Heranbilder junger Juristen
angehört hat. In den letzten Jahren wandte er seine Thätigkeit dem deutschen
bürgerlichen Gesetzbuche zu, dessen Kenntniss er auch in Vorträgen für weitere
Kreise zu verbreiten bestrebt war. Er behandelte das »Erbrecht des Ent-
wurfs« im Arch. f. d. civil. Praxis Bd. 75, »das römische Vermögensrecht
und die sociale Aufgabe« in den Jahrbb. f. Nat.-Oekon. u. Statistik, N. F.
Bd. 19, »Die Börsenenquete« im Archiv f. bürgert. Recht Bd. 9. Bei der
Universitätsfeier in Bologna überreichte er seine interessante Arbeit »Franz
Hotmans Antitribonian« als Bemer Festschrift, Bern 1888. Noch seien er-
wähnt »Gutachten in Streitsachen der Tunnelbauunternehmung Favre«, Bern
1885; »Gutachten betr. die Ansprüche aus dem Mönchensteiner Eisenbahn-
unglück vom 14. Juni 1891«, Bern 1892; ein Beitrag zur Festschrift der
Berliner Jurist. Facultät für Heffter, Berl. 1873; »Peregrinenrecht und jus
gentium« Lpz. 1892 (zu Jherings Jubiläum); viele Aufsätze in juristischen
und andern Zeitschriften, zuletzt in der Deutschen Juristen-Zeitung 1898,
S. 49 — 51 (Diebstahl von Electricität?). — B. war den mannigfachsten Inter-
essen zugänglich; namentlich liebte er Musik und die Freuden der Gesellig-
keit, suchte aber sonst seine Wege abseits der Allgemeinheit. Wo immer er
konnte, linderte er in grösster Wohlthätigkeit fremde Noth und bekundete
seine streng beobachteten Anschauungen als Vegetarianer durch testamen-
tarische Einsetzung der Stadtgemeinde Berlin (oder Breslau oder Festenberg)
zur Universalerbin seines bedeutenden Vermögens behufs Gründung eines
seinen Namen tragenden vegetarianischen Kinderhauses, welche Vergabung
von der Berliner Stadtverordnetenversammlung abgelehnt, dagegen von der-
jenigen der Stadt Breslau angenommen wurde (vgl. Deutsche Juristen-Zeitung
1899 S« 105/6, 215; Grenzboten 1899 ^^ 55)« Seine juristische Bibliothek
vermachte er der Universität Bern.
Vgl. Leipziger Illustrirte Zeitung 1898 11 25 (mit Bild); Beilage der Allgemeinen
Zeitung Nr. 129 vom ii. Juni 1898 S. 8; Zeitschrift der Savigny-Stiftung, Roman, Abth. VI
I04 Baron, v. Teicfamann-Logischen. Huber.
1885 S. 278/9 (Schollmeyer); Archivio giuridico VIII 604— 606; Kukala, Allg. deutscher
Hochschulen -Almanach, Wien 1888 S. 21; Tidsskrift for Retsvidenskab 1898 p. 518. —
Drucksachen (Referate) zu den Sitzungen der Breslauer Stadtverordneten -Versammlung,
Nr. 168 vom J. 1899 S. 64 — loi.
A. Teichmann.
V. Teichmann-Logischen, Kgl. Pr^ussischer Generallieutnant z. D., * am
12. April 1829 zu Kreisau, Kreis Militsch, f am 18. Januar 1898 in
Berlin. Ein wissenschaftlich und technisch hochgebildeter Officier, hat sich
V. T. sehr um die Entwickelung des Artillerie-Wesens verdient gemacht.
Seine Ausbildung erhielt er in dem Kadettencorps, das er am 22. April 1847
verliess, um als aggregirter Seconde-Lieutenant der damaligen 8. Artillerie-
Brigade zugetheilt zu werden. 1847 — 1849 folgte der Besuch der vereinigten
Artillerie- und Ingenieur-Schule, nach deren Absolvirung er im October 1849
mit Patent vom 15. September 1847 ^^^ etatsmässigen Artillerie-OffFcier
ernannt wurde. 1851 bis 1852 war er Lehrer und Erzieher der Prinzen
Hermann und Alexander zur Lippe.
Im Jahre 1853 ward T. Mitglied der Artillerie-Revision-Commission in
Deutz, 1854 zur Geschützgiesserei ebenda commandirt, dann Erzieher am
Kadettenhaus in Berlin, von 1855 bis 57 Directionsofficier und Lehrer an
der Vereinigten Art.- und Ingenieurschule und vier Jahr lang Lehrer des
Prinzen von Schwarzburg-Sondershausen. Im Mai 1858 Premierlieutenant,
am I. Oct. 1860 Hauptmann, ward er im August 1861 Chef der i. See-
Artillerie-Compagnie und im April 1865 Compagniechef im Festungs-Artillerie-
Rgt. No. 6. In den Jahren 1866 bis 1868 war er Mitglied der Artillerie-
Prüfungscommission, indem er ä la suite des Feldartillerie-Rgts. No, 9 gestellt
wurde. Im April 1868 ward er auf 47, Monate nach England zur Bei-
wohnung von Schiessversuchen commandirt, wo er seine artilleristischen
Kenntnisse sehr erweiterte. Im November 1868 ward T. Batteriechef im
Feldartillerie-Rgt. No. 8 und führte während des deutsch - französischen
Krieges 1870/71 die Colonnen-Abtheilung des Regiments. Am 24. Juni 1871
zum Major beifördert, wurde er im October desselben Jahres Commandeur
des Fuss-Art.-Rgts. No. 4, 22. März 1877 Oberstlieutenant, 16. Sept. 1881
Oberst und 1884 Commandeur der i. Fuss-Art.-Brigade. Im November 1887
ward er zum Mitglied der Studien-Commission für Kriegsschulen und der
Prüfungscommission für Hauptleute und Premierlieutenants der Artillerie
ernannt unter Beförderung zum Generalmajor (15. i. 1887). Er ward Inspecteur
der I. Fuss-Art.-Inspection, Mitglied der 2. Abtheilung des General-Art.-
Comitt^s und der Ober-Mil.-Studiencommission. Am 17. Juni 1889 zum
Generallieutenant befördert, ward er am 15. Juli 1890 auf sein Ansuchen zur
Disposition gestellt.
Am 22. April 1897 feierte v. T. sein fünfzigjähriges Militärdienst- Jubi-
läum. Unter anderen Ehrenzeichen besass er den Stern zum Rothen Adler-
Orden 2. Kl. mit Eichenlaub und das Eiserne Kreuz 2. Kl. v. T. war Ehren-
ritter des Johanniterordens. O. Elster.
Huber, Alfons, Professor der allgemeinen und österreichischen Geschichte
an der Universität in Wien, * am 14. Oct. 1834 in Fügen, f 23. Nov. 1898
in Wien. — H. war der Sohn eines kleinen Bauern auf dem Schlitterer Berg
im Zillerthal. Im bäuerlichen Leben wuchs er heran, hütete als junger Bube
Huber.
loS
die Ziegen und besuchte die weitentlegene Dorfschule. Beim Pfarrer, wo er
über Mittag bleiben durfte, entdeckte er die alte gute Weltgeschichte von
Annegarn, und sie hat in ihm die erste Liebe zur Geschichte erweckt.
Der talentirte Knabe kam mit 13 Jahren an das Gymnasium in Hall. Als
armer Student, der sich von den ersten Klassen an schon mit Stundengeben
sein Brod verdiente, hat er mit bestem Erfolg das Gymnasium in den Jahren
1847 ^is 1855 (die letzten zwei Klassen in Innsbruck) durchgemacht, gerade
in der Zeit, als die österreichischen Mittelschulen ihre gründliche Neu-
organisirung erfuhren. Und als er die Universität in Innsbruck bezog, konnte
er bereits auch die ersten Früchte der Universitätsreformen geniessen. Neben
gar manchem Halbfertigen, das begreiflicherweise beim schnellen Umschwung
der Unterrichtsverhältnisse seit 1849 ^^ spüren war, hatte doch im Ganzen
für unsere Universitäten eine Zeit neuen, frisch erblühenden Lebens begonnen.
Es darf das nicht vergessen werden gegenüber dem dumpfen Drucke, der die
politische Athmosphäre der fünfziger Jahre in Oesterreich mehr und mehr
erfüllte. Der centralisirende Absolutismus jener Zeit hatte doch das Gute,
dass ihn ein bedeutender und energischer Mann wie Graf Leo Thun zu einer
mächtigen Entfaltung geistiger Kräfte des Reiches benutzen- konnte. Die
politischen Eindrücke der fünfziger Jahre und ihres Polizeiregimes hat übrigens
H. niemals vergessen. Nicht selten erzählte er später charakteristische Epi-
soden aus jener Zeit, um vor den voreiligen Wünschen nach Rückkehr zum
Absolutismus zu warnen, die bei den tristen Erfolgen unseres neueren
Parlamentarismus nicht selten laut werden. Jene Eindrücke machten H.
zum politisch liberalen Mann, der, zwar festhaltend an seiner positiven reli-
giösen Ueberzeugung, sich doch den Tendenzen der politischen Parteien der
Clericalen oder Conservativen gegenüber immer ablehnend verhielt. Als seine
Berufung nach Wien im Zuge war, erschien eines Tags in einer Wiener
Zeitung dieser letztgenannten Richtung ein Artikel, der H.'s Geschichte
Oesterreichs als einseitig und parteiisch hinstellte und besonders auch darauf
hinwies, dass sie in Gotha, im Gotha der Kleindeutschen, erscheine! Nichts
war ehrenvoller für H.'s gerechte Sache, als dass gegen diesen Angriff ein
Franziskaner sich erhob und im »Tiroler Boten« das Werk seines Lehrers
vertheidigte.
Für den jungen Historiker war es von günstigster Fügung, dass er an
der Universität in Julius Ficker einen menschlich wie wissenschaftlich geradezu
idealen Lehrer fand. Um den jungen, bald berühmten Professor scharten
sich seit Mitte der fünfziger Jahre eine Reihe tüchtiger Schüler. Sie lernten
bei Ficker kritische Exactheit, sie lernten mit Urkunden umgehen, während
man sonst dazumal allenthalben fast ausschliesslich sich mit den »Scriptores«
beschäftigte; sie lernten reine Sachlichkeit, strenge Unbefangenheit der
Forschung. Ficker lenkte seine Schüler gern auf das Feld der Territorial-
geschichte, das damals wie heute noch dankbare Stoffe darbot. Auch H.
empfing die ersten Anregungen nach dieser Richtung, doch waren es Pro-
bleme, deren Bedeutung weit über engere Grenzen hinausreichte, und die
bereits die mannigfachsten Erörterungen erfahren hatten. Es waren die
Arbeiten: »Ueber die Entstehungszeit der österreichischen Freiheitsbriefe«
(Sitzungsb. d. Wiener Ak ad. 1860) und »Die W^aldstädte Uri, Schwyz, Unter-
waiden bis zur festen Begründung ihrer Eidgenossenschaft« (Innsbruck 1861).
Die erstere bezeichnet den Abschluss der Frage, die zweite war eine
w*illkommene Präcisirung der bisherigen Forschung, beide Schriften zeigen
lo6 Huber.
schon die Vorzüge von H.'s Leistungen: Scharfsinn, Unbefangenheit,
Klarheit.
Inzwischen hatte sich H. 1859 an der Universität Innsbruck für Ge-
schichte habilitirt. Im Jahre 1863 war er bereits für eine Professur in
Lemberg in Aussicht genommen, als durch den Uebertritt Fickers an die
juristische Facultät ihm ein Platz im Heimathland geschaffen wurde und er
die Lehrkanzel für allgemeine Geschichte in Innsbruck als ordentlicher Pro-
fessor erhielt. Dieses selbe Jahr ward auch für seine wissenschaftliche
Thätigkeit von langhin wirkender Bedeutung. Damals feierte man in Tirol
das Fest der 500jährigen Vereinigung des Landes mit Oesterreich. H. spendete
als werth volle Festgabe eine gediegene »Geschichte der Vereinigung Tirols
mit Oesterreich« (Innsbruck 1864), welche diese wechselreiche, tief in die
deutsche Geschichte eingreifende Reihe von Ereignissen in geradezu ab-
schliessender Weise geschildert hat. In engstem Zusammenhang damit schrieb
er dann die »Geschichte Herzog Rudolfs IV. von Oesterreich« (Innsbruck
1865), welche die feste Grundlage für alle weiteren Forschungen über diesen
merkwürdigen Fürsten ward und bleiben wird. In den Jahren 1864 bis
1868 war H. mit Durig, Ladurner, Schönherr und J. V. Zingerle Heraus-
geber des »Archivs für Geschichte und Alterthumskunde Tirols« und hat
im I. und 3. Bande desselben Verzeichnisse der über Geschichte Tirols von
1858 bis 1868 erschienenen Schriften geliefert. Um dieselbe Zeit bearbeitete
er auch für die »Oesterreichische Geschichte für das Volk« das Bändchen
über die ersten Habsburger (1866).
Auf die Geschichte des 14. Jahrhunderts, welche H. so in seinen ersten
Werken erfolgreich gepflegt hatte, wurde er noch intensiver hingeführt
durch die Aufgaben, die ihm aus dem wissenschaftlichen Nachlass Joh. Fr.
Böhmers erwuchsen. Böhmer, der Schöpfer der deutschen Kaiserregesten,
war 1863 gestorben; Ficker übernahm die Hauptsorge filr den Nachlass.
Böhmer hatte selber noch in grossmüthiger Weise H. die Mittel zu Reisen nach
München und Wien verschafft, welche die Herausgabe der »Geschichte der
Vereinigung Tirols« ermöglichten. Nunmehr nahm H. die Vollendung des
schon von Böhmer vorbereiteten 4. Bandes der »Fontes rerum Germanicarum«
auf sich. Er erschien 1868 und enthält eine Reihe der wichtigsten Quellen
des 14. Jahrhunderts. Eine weit grössere Aufgabe aber war die Bearbeitung
der Regesten Kaiser Karls IV. (1346 — 1378), welche H. die folgenden Jahre
hindurch beschäftigte. Mit seiner rastlosen Arbeitskraft vollendete er das
gewaltige Werk binnen verhältnissmässig kurzer Zeit; die Regesten Karls IV.
erschienen von 1874 bis 1877. Die eingehende Einleitung bot einen wich-
tigen Beitrag zur Kaiserdiplomatik des späteren Mittelalters, die Regesten
sind die sorgfältig gearbeitete kritische Grundlage fUr diese ganze Periode
deutscher Geschichte. H. hat späterhin aus neu gefundenem Material noch
ein Ergänzungsheft zu den Regesten Karls IV. herausgegeben (1889). Zu
diesen bedeutenden Leistungen gesellten sich noch wertvolle kleinere
Arbeiten über österreichische Münzgeschichte des 13. und 14. Jahrhunderts
(Archiv f. Oest. Gesch. 187 1), über Rudolf von Habsburg vor seiner Thron-
besteigung (Almanach der Akad. 1873), ü^^'* ^^^ Politik Kaiser Josefs II.
(Rectoratsrede, Innsbruck 1877), Aufsätze in der Wiener Abendpost über
Wallenstein-Litteratur und über die französischen Revolutionskriege. Dazu
zahlreiche Recensionen, die meist im Litterar. Central blatt erschienen. H. war
unbestritten schon einer der tüchtigsten Historiker speciell auf dem Gebiete
Huber.
107
der österreichischen Geschichte geworden. Die Akademie der Wissenschaften
in Wien hatte ihn 1867 zum correspondirenden, 1872 zum wirklichen, die
ba)rrische Akademie 1878 zum auswärtigen Mitglied gewählt, die gelehrten
Gesellschaften in Prag und Brunn zum Ehrenmitglied.
H. hatte inzwischen seit dem Abgang des alten, vormärzlichen Glax (1870)
die Professur für österreichische Geschichte in Innsbruck übernommen, was
ja seiner Studienrichtung aufs beste entsprach. Und nun trat auch die grosse
Aufgabe an ihn heran, welche erst ganz und gar das ihm eigenthümliche
Können herausforderte. Eben war er mit Trientiner Bischofsurkunden be-
schäftigt, die ihm Durig zur Publica tion überlassen hatte, als er Ende der
siebziger Jahre die Aufforderung Giesebrechts erhielt, für die Sammlung der
europäischen Staatengeschichten die Geschichte Oesterreichs zu übernehmen.
Büdingers ausgezeichnete österreichische Geschichte ist nur bis ins 11. Jahr-
hundert geführt. Dann waren gerade in den siebziger Jahren zwei Werke
erschienen: das von F. M. Mayer, verdienstlich durch die besondere Berück-
sichtigung der Culturentwicklung, und die Geschichte Oesterreichs von
F. v. Krones, lebhaft geschrieben, die einzige ausfuhrliche und zu Ende
gefiihrte Darstellung. Aber keines dieser beiden Werke wollte eine aus den
Quellen herausgearbeitete und doch zusammenfassende Darstellung sein. Das
hat H. sich als Ziel gesteckt und das hat er in den fünf Bänden seiner
»Geschichte Oesterreichs«, die von 1885 bis 1896 erschienen und bis 1648
führen, in meisterhafter Weise erreicht. In einer langen Reihe von Ab-
handlungen hat er seinem grossen Werke stets aufs Neue werthvolle kritische
Detail Untersuchungen vorausgeschickt, (in den Mittheilungen d. Instituts f.
Ost. Geschichtsforschung Bd. i, 2, 4, 6 und Ergänzungsbd. 4 und im Archiv
f. Ost. Geschichte Bd. 63, 65, 66, 68, 72, 75, 82, 85), welche an zahlreichen
Punkten der österreichischen Geschichte von der ältesten Zeit bis ins
17. Jahrhundert Klarheit schafften. Sie zeigen, wie überaus gründlich und
selbständig H. allüberall in dem weiten Gebiete gearbeitet hat. Die Abhand-
lungen über die Entstehung der weltlichen Territorien von Brixen und Trient,
über die älteste Verfassung Krains, über die österreichische Reimchronik,
über die financiellen Verhältnisse Oesterreichs unter Ferdinand I. und nament-
lich die Studien über ungarische Geschichte vom 11. bis zum 16. Jahrhundert
werden dauernden Werth behalten. Wie aber nun H. den ganzen Ungeheuern
Stoff an Quellen und Litteratur beherrscht, zusammengefasst und zu seiner
Geschichte Oesterreichs verarbeitet hat, ist bewundemswerth. Hier zeigt sich
mehr als Scharfsinn und Kritik. Das ist das Werk einer starken Geisteskraft.
Wenn H.'s Geschichte wegen der einfachen Schlichtheit ihrer Darstellung ab
und zu etwas von oben herab angesehen wurde, so mögen geistreiche Leute
bedenken, dass die energische Durchdringung, klare Erfassung des Wesent-
lichen und die durchsichtige Darstellung eines so gewaltigen und verwickelten
Stoffes doch wohl auch des Geistes bedarf. H. ist, um anderwärts gebrauchte
Worte zu wiederholen, kein feuriger Darsteller, wie er auch kein lebhafter Vor-
tragender war, er schreibt nicht glänzend, nicht hinreissend, nicht Pathos
und Raisonnement darf man bei ihm suchen, wohl aber unübertreffliche
Klarheit in der Disposition des schwierigen Stoffes, scharfe, sicher treffende
Kritik, einfach schlichte, durchsichtige Erzählung. Nirgends nebensächliches,
hemmendes Beiwerk, überall das Wesendiche und Entscheidende, überall ein
reifes Urtheil und unwandelbare Gerechtigkeit. Hat H. den inneren Verhält-
nissen der Staaten und Völker, dem Zustand der Cultur eine im Verlauf des
lo8 Huber.
Werkes eigentlich immer geringer werdende Beachtung geschenkt, so müssen
wir es doch als ein wahres Glück bezeichnen, dass er mit seiner Meisterhand
vor Allem einmal den sicheren Grund, den vertrauenswürdigen Führer in der
äusseren Geschichte Oesterreichs und seiner Dynastie geschaffen hat. Die
Darstellung der Geschichte Oesterreichs ist an sich schon schwierig durch
die ganz eigenartige Entstehung der Monarchie; sie wird noch schwieriger
durch die Vielsprachigkeit der Länder, ihrer historischen Quellen und neueren
Litteratur. H. hat eigens ungarisch gelernt, und Ungarn mag ihm dankbar sein
für diese Mühe. Denn er hat erst für viele Partien der ungarischen Geschichte
des Mittelalters die wahrhaft kritische Grundlegung, für das i6. und 17. Jahr-
hundert geradezu die erste zusammenfassende, unparteiische und zugängliche
Geschichte Ungarns geschaffen. Die äussere Anerkennung dafür ward H.
durch die Wahl zum auswärtigen Mitglied der ungarischen Akademie
und durch die seltene Ehre, dass sein Werk in das Magyarische über-
setzt wird.
Wir haben etwas vorgegriffen. Die beiden ersten Bände der Geschichte
Oesterreichs erschienen 1885, der dritte 1888. Dazwischen lag die Berufung
H.'s an die Universität Wien im Jahre 1887 als Nachfolger von Ottokar
Lorenz. Nicht ganz leichten Herzens verliess er die engere Heimath, die
Stätte langjährigen Wirkens, den Kreis alter Freunde, den er allabendlich
in der rauchigen Ecke beim »Breinössl«, im »Noricum«, treffen konnte. Er
hatte in Innsbruck ein überaus glückliches Familienleben gegründet und sich
im Professorenviertel in Wilten ein freundliches Haus gebaut. Sehr ungern
sah man ihn in Innsbruck scheiden. Ein grosser Abschiedscomraers im Juli
1887, den die Universität ihm gab, brachte die Gefühle allgemeinster Ver-
ehrung zu beredtem Ausdruck. Eine Säule der Universität nannte ihn ein
Redner jenes Abends. Und das war H. nicht bloss in wissenschaftlicher
Beziehung. Er besass scharfes Urtheil auch in praktischen Dingen; bei ver-
wickelten Berathungen und Debatten wusste er mit wenigen klaren Worten
den Ausschlag zu geben. Zwei Mal war er Rector der Innsbruck er Uni-
versität, das Museum Ferdinandeum wählte ihn 1881 zum Vorstand, und er
hat in einer schwierigen Uebergangszeit, als der Neubau des Hauses und die
Neuordnung der Sammlungen durchgeführt wurde, das Institut mit Umsicht
geleitet. Aber dies Ansehen und Vertrauen ist ihm auch in seinem grösseren
Wirkungskreis in Wien sehr bald zu Theil geworden. Die neuen Collegen
an der Universität und in der Akademie wussten H. in kurzer Zeit zu schätzen.
Sie ehrten ihn durch die ausser der Reihe erfolgte Wahl zum Decan (1896),
durch die Wahl zum Secretär der historisch -philosophischen Klasse (1891),
dann zum Generalsecretär der Akademie (1893). Freunde und Schüler
feierten im November 1893 sein 30 jähriges Professorenjubiläum. Ende 1895
wurde er ordentliches Mitglied des neu errichteten Archivrathes, 1897 nach
dem Tode Ameths Vorsitzender der neuen Commission für Herausgabe von
Quellen zur neueren Geschichte Oesterreichs. Sein Ansehen wuchs weit über
Oesterreichs Grenzen hinaus und manifestirte sich in vielfachen wissenschaft-
lichen Ehrungen; in besonderer Weise, als ihm 1893 der erste deutsche
Historikertag in München den Vorsitz übertrug. Es ist beschämend, sagen
zu müssen, dass dieser Mann, der wahrhaftig für sein Vaterland genug ge-
leistet, keine andere äussere Auszeichnung in seinem Leben erhalten hat, als
einen verspäteten Hofrathstitel (1897).
Trotz der mannigfachen Ansprüche, welche die neue Stellung, alle diese
Huber.
109
Ehren und Würden mit sich brachten, verfolgte H. auch in Wien seine
wissenschaftlichen Arbeiten mit rastloser Kraft. Ja, man darf sagen, dass er
gerade in diesen Jahren seine ganze bewundernswerthe Leistungsfähigkeit ent-
faltet hat. Von 1888 bis 1896 erschienen der 3., 4. und 5. Band der Ge-
schichte Oesterreichs und die zahlreichen aus den Vorarbeiten herausge-
wachsenen Abhandlungen. Daneben veröffentlichte H. zur Feier des 50 jäh-
rigen Bestandes der k. Akademie der Wissenschaften im Jahre 1897 deren
Geschichte, welche einen interessanten Ausschnitt aus Oesterreichs geistigem
Leben im letzten halben Jahrhundert darstellt. Im Jahre 1898 war H. noch
thätig als Obmann des Redactionscomitds fiir die zum 50jährigen Regierungs-
jubiläum des Kaisers von der Universität Wie» dargebrachte Geschichte der-
selben von 1848 bis 1898.
Und neben all dem hat nun H. gerade in diesen letzten Jahren noch
Zeit gefunden, um ein bestimmtes Gebiet österreichischer Geschichte be-
sonders zu pflegen, die österreichische Verfassungs- und Verwaltungsge-
schichte. Schon in einer akademischen Rede vom Jahre 1883 hatte er die
Umrisse der österreichischen Verwaltungsorganisation bis zum Ende des
18. Jahrhunderts gezogen. Auch in der Geschichte Oesterreichs hatte er
dieser Seite eine rege Aufmerksamkeit zugewendet. Die Einführung der
österreichischen Reichsgeschichte als eigenes Fach in den juristischen Studien-
gang im Jahre 1893 gab ihm nun den Anlass, sich speciell diesem Gebiete
zuzuwenden. Denn es gab nun wohl auf einmal ein officielles Fach der
österreichischen Reichsgeschichte, aber keine zusammenhängende, übersicht-
liche Bearbeitung derselben. H. hat nun als der erste den ganzen, bisher
nur da und dort angerührten Stoff in der »Oesterreichischen Reichsgeschichte«
(Wien 1895) zusaramengefasst. Niemand kann von einem ersten Wurf Voll-
kommenheit verlangen. Aber durch die Fülle des verlässlich zurechtgelegten
Stoffes, durch die eingehende Behandlung auch Böhmens und Ungarns ist H.'s
Werk ein unentbehrliches Buch geworden. Schon stellte sich eine zweite
Auflage als nothwendig heraus, und H. war mit derselben beschäftigt, als ihn
der Tod ereilte. Zugleich vollendete er noch ein anderes in dieser Richtung
bedeutsames Werk. Er hatte durch Vermäch tniss den Nachlass des im Jahre
1865 verstorbenen Appellationsgerichtsrathes Ignaz Beidtel zur Publicirung
überkommen. Aus diesen weitläufigen Schriften schälte er nun eine »Ge-
schichte der österreichischen Staatsverwaltung 1740 — 1848« (Innsbruck, 2 Bände
1896 u. 1898) heraus, welcher er eine auf den Memoiren Beidtels beruhende
Biographie desselben voranstellte. Ignaz Beidtel war fast 50 Jahre im Staats-
dienst gewesen und hatte sich, von Hause aus ein selbstständiger Kopf, ein
oft eigenartiges, immer beachtenswerthes Urtheil über Oesterreichs innere
Verhältnisse gebildet. All das ist in dem Werke niedergelegt, welches man
darum, wie H. sagt, eine Geschichte des Geistes der österreichischen Staats-
verwaltung nennen könnte.
So ist es denn eine erstaunliche Fülle von Arbeit und Leistung, die
dieses Forscherleben umschliesst. Von seiner ersten Abhandlung bis zum
allerletzten Aufsatz zeigen alle Arbeiten H.'s dieselbe Gediegenheit. Keine
von ihnen enthält blendende Resultate, aber eine jede bedeutet einen sicheren
Schritt vorwärts. Wie im Leben, wie in seinen Vorlesungen und Uebungen
war H. auch in seinen Schriften ein abgesagter Feind der Phrase. Aber
was er darum vielleicht an augenblicklicher Anziehungskraft vermissen liess,
das ersetzte mit nachhaltiger Wirkung seine erprobte Zuverlässigkeit und
HO Huber. Knies.
Klarheit. Kein Anderer hat wie H. die Erkenntniss österreichischer Geschichte
so vielseitig und so gründlich im Einzelnen gefördert und kein Andrer hat ein
so vortrefflich zusammenfassendes Bild der Staatsgeschichte gegeben wie er.
Darin besteht H.'s Bedeutung.
Nur eine harmonische und durch und durch gesunde Natur vermochte
diese Fülle von Arbeit zu leisten. H.'s kräftige, mehr untersetzte Gestalt,
sein sicherer Gang, sein klares braunes, ruhig und doch scharf blickendes
Auge, Alles vereinigte sich, um schon äusserlich den Eindruck des in sich
Gefesteten hervorzurufen. Er hatte nie eine ernstliche Krankheit durchzu-
machen. Es war daher erschreckend, als er im Jänner 1897 von einem
schweren Ohnmachts- und Schinrächeanfall betroffen wurde. Allein er erholte
sich anscheinend so vollkommen, dass Familie und Freunde sich beruhigten.
Gerade im letzten Jahre fühlte er sich wieder so recht frisch und wohl.
Mit voller Kraft wollte er an die Fortsetzung seiner österreichischen Ge-
schichte gehen, von der er durch alle die andern Arbeiten und Pflichten
vielfach abgehalten worden war. Da riss jäh und viel zu früh das Geschick
den unermüdlichen Mann mitten aus der reichsten Wirksamkeit. Am 23. No-
vember, Mittags um i Uhr, wurde er auf dem Wege von der Universität
nach Hause von einem Gehirnschlag getroffen. Nach wenigen Secunden war
er verschieden. •
Ein österreichischer Historiker. Wiener Zeitung vom 29. Nov. 1893 Nr. 273. —
Nekrologe in N. Tiroler Stimmen vom 29. Nov. 1898 Nr. 272 von H(im), in der Wiener
Zeitung vom 24. Dec. 1898 von Dr. G. L., in der (Mttnchener) Allgem. Zeitung vom
4. Jan. 1899 Beilage Nr. 3 von Osw. Redlich, in den Mittheilungen d. Instituts f. Ost.
Geschichtsforschung (1899) 20, 189— 191 von E. M(ühlbacher), in der Histor. Vierteljahrs-
schrift (1899) 2, 294 — 296 von A. Dopsch. — Eigene Erinnerungen.
Oswald Redlich.
Knies, Karl Gustav Adolf, * 29.März 1821 zu Marburg, f am 3. August 1898
zu Heidelberg im 77. Lebensjahre, der bekannte, schon im November 1896
todtgesagte Professor der Staatswissenschaften und ehemalige Director des
badischen Oberschulraths, ein Mann, der schon früh als akademischer Lehrer auch
der Theorie der Statistik näher trat. K. besuchte die Gymnasien in Marburg
und zu Fulda, lag von 1841 bis 1845 ^^ ^^^ Universität Marburg dem Studium
der Staats- und Rechtswissenschaften ob, promovirte und habilitirte sich
1846 als Privatdocent fiir Geschichte und Staatswissenschaften. Im Jahre
1849 ward er an die polytechnische Schule zu Kassel berufen und übernahm,
nachdem er unter dem Ministerium Hassenpflug seines Amtes verlustig ge-
gangen, 1852 eine Lehrerstelle an der Kantonschule zu Schaffhausen, von
wo er auf Grund seiner hervorragenden Staats wissenschaftlichen und stati-
stischen Arbeiten 1855 als ordentlicher Professor der Kameralwissenschaften
nach Freiburg i. B. berufen wurde. Hier verfasste er, kurz vor Abschluss
des badischen Konkordates, das »Promemoria der protestantischen Professoren
an der badischen Landesuniversität Freiburg«, bekleidete von 1862 bis 1865
die Direktorstelle des neuen badischen Oberschulrathes für Mittel- und Volks-
schulen, bearbeitete das Specialgesetz über die nicht confessionellen Aufsichts-
behörden für die badischen Volksschulen vom 29. Juli 1864 und vertrat
dasselbe auch als ausserordentliches Mitglied des Ministeriums des Innern
vor den badischen Landständen, denen er seit 1861 als Mitglied der vierten
Kammer angehörte. Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung über die
Ausführung des Gesetzes veranlassten seinen Rücktritt, worauf er 1865 die
Knies. 1 1 1
ihm angetragene Professur der Staatswissenschaften an der Ruprecht-Karls-
Universität übernahm. Später war er wiederholt Mitglied und 1882 auch
Vicepräsident der I. Kammer. Die juristische Fakultät zu Tübingen ernannte
ihn 1877 beim einhundertjährigen Universitätsjubiläum zum Ehrendoktor.
Am I. April 1896 trat er in den wohlverdienten Ruhestand.
K. war ein Hauptvertreter der historischen Schule, dessen tiefe geschichts-
philosophische Auffassung der Volkswirthschaft Ad. Wagner (S. »Staats-
wissenschaftl. Wörterbuch von Bluntschli und Brater«, Band X, S. 455. — )
rühmt und dessen Critik S. Cohn der Herrmann'schen Logik (S. S. Cohn,
»Grundriss der Nationalöconomie« (Stuttgart 1855), S. 2090*.) weit voran-
stellt. Auf dem Gebiete der Statistik trat er 1850 mit seiner, in Kassel er-
schienenen, epochemachenden Arbeit »Die Statistik als selbstständige Wissen-
schaft« u. s. w. (das Werk ist nach dem vollen Titel bestimmt »Zur Lösung
des Wirrsals in der Theorie und Praxis dieser Wissenschaft. Zugleich ein
Beitrag zu einer kritischen Geschichte der Statistik seit Achenwall«) hervor,
in welcher er, auf dem Boden der politischen Arithmetik, als Grundlage für
die statistischen Operationen bei Ausschluss der Wortsprache nur die zahlen-
mässig genau feststehende Thatsache zulässt. Die Statistik hat sich nach K.
nicht auf die Gegenwart zu beschränken ; keine Rücksicht auf Staatliches oder
Politisches soll ihren Stoff bestimmen, sondern nur die unerlässliche Bedingung
der genauen Zahlenangabe. Der für die alte historische Schule wesentliche
Begriff des Dauernden und Zuständlichen ist K. daher für die Statistik be-
deutungslos, welche ihm eine zahlenmässig verbürgte Detailkenntniss ver-
mitteln und ihn als neue greifbare Vertreterin der vollen Wahrheit der Dinge,
auf deren Grundlage allein ein sicheres Heil für die Leiden und Besserung
der Erscheinungen des öffentlichen Lebens zu erwarten steht, zu einer Phy-
siologie der Gesellschaft führen soll. Die nur auf diesem Wege und mit
diesen Mitteln mögliche Erkenntniss des gesetzlichen Organismus jener Er-
scheinungen ist die letzte Aufgabe der Statistik als einer ganz selbstständigen
und eigenthümlichen Wissenschaft, welche auch über eine besondere Methode
verfügt.
K. fordert in seinem Buche mit Entschiedenheit eine Trennung der ver-
schiedenartigen Dinge, welche unter dem Namen »Statistik« zusammengefasst
werden. Nach ihm haben sich unter diesem Namen zwei Gruppen oder
Richtungen nebeneinander ausgebildet, die Nichts mit einander gemein haben
als eben den Namen; diese Gruppen müssten in zwei Disciplinen geschieden
werden. K. sprach damit die Leichenrede der Achen wall- Seh lÖzer*schen
Schule; den theoretischen Statistikern die Augen geöffnet zu haben, war sein
grosses Verdienst.
Von den zahlreichen selbstständigen staatswissenschaftlichen Schriften des
Verstorbenen heben wir hier noch hervor: »Die politische Oeconomie vom
Standpunkte der geschichtlichen Methode«, Braunschweig 1853, in zweiter
Auflage ebenda 1883 u. d. T. »Die politische Oeconomie vom geschicht-
lichen Standpunkte« u. s. w. erschienen. — »Die Eisenbahnen und ihre
Wirkungen«, Braunschweig 1853. — »Der Telegraph als Verkehrsmittel. Mit
Erörterungen über den Nachrichtenverkehr überhaupt«, Tübingen 1857. —
»Die Dienstleistung der Soldaten und die Mängel der Conscriptionspraxis.
Eine volkswirthschafüich-financielle Erörterung«, Freiburg i. Br. 1860. — »Zur
Lehre vom volkswirthschafdichen Güterverkehr«, Freiburg i. B. 1862. — »Finanz-
politische Erörterungen», Heidelberg 187 1. — »Weltgeld und Weltmünzen«,
112 Knies. Hartmann Hans.
Berlin 1874. — Sein Hauptwerk ist: »Geld und Credit«, Abtheilung I und 11 in
zwei Bänden, Berlin 1873 — ^^79» ^i^ zweite Auflage der I. Abtheilung »Das
Geld« erschien ebenda 1885. — Im Auftrage der badischen historischen
Commissi on gab K. ferner das zweibändige Werk »Carl Friedrich's von
Baden brieflicher Verkehr mit Mirabeau und Dupont«, Heidelberg 1892,
heraus.
Ausserdem veröffentlichte er eine grosse Menge von staatswissenschaftiichen
Arbeiten in Sammelwerken und Zeitschriften, so in den Jahrgängen 1848 bis
1855 von Brockhaus' Gegenwart (über »den deutschen Bund bis 1830 bezw.
bis zur Auflösung des Bundestages«, über »die Statistik auf ihrer jetzigen
Entwickelungsstufe« (Band VII (1855), S- ^5^ — ^^f ^^"^ ^^^^ eingehende Be-
leuchtung, bei welcher er seinen früheren Standpunkt unverändert festhält),
über »das Eisenbahnwesen« und das heutige »Bank- und Creditwesen«, in
der Germania (Heidelberg), in der allgemeinen Monatsschrift für Wissenschaft
und Litteratur (Braunschweig), in den Preussischen Jahrbüchern (Berlin), in
der Protestantischen Monatsschrift (Gotha), in Unserer Zeit, in der Tübinger
Zeitschrift für Staatsw. und in der Züricher wissenschaftlichen Monatsschrift.
K. lebte in langer glücklicher Ehe; er hinterliess ausser seiner Gattin
einen Sohn, der Augenarzt und a. o. Professor in Freiburg i. B. ist. Wir
haben in dem Verstorbenen einen Mann verloren, der mit hohem Idealismus
bei gewaltiger Arbeitskraft ein umfassendes Wissen verband und als Lehrer
der Nationalöconomie und Statistik Bedeutendes leistete.
E. Blenck.
Hartmann, Hans, Maler, * 24. Februar 1845 ^^ Berlin, f 8. Juni 1898
im Bade Nauheim. Sein Vater, Dr. Wilhelm Hartroann, Professor am Ber-
linischen Gymnasium zum Grauen Kloster, der selbst ein geschickter Zeichner
und Kunstfreund war, hatte in seinem ältesten Sohne schon früh die Liebe
zur Malerei angeregt, wie er auch trotz beschränkter Mittel eine kleine
Sammlung guter Bilder zusammengebracht hatte. Trotzdem der Sohn als
Secundaner an Gelenkrheumatismus und Herzbeutelentzündung schwer er-
krankte, gelang es ihm dennoch Ostern 1864 das Zeugniss der Reife am Grauen
Kloster zu erhalten. Er hörte als Student einige Vorlesungen über Kunstge-
schichte und Aesthetik, trat aber zugleich in das Atelier des Landschafts-
und Marinemalers Eschke ein. Behufs Erlangung sicherer Einnahmen schloss
er sich bald als Decorationsmaler den Königlichen Theatern an, wo er
mehrere Jahre hindurch unter Lechner arbeitete. Gleichzeitig wurde er
des Abends von dem ihm befreundeten Christian Willberg in anregendster
Weise unterrichtet. Früher schon hatte er auch drei Monate bei Heinrich
Stövesandt in seinem architektonischen Zeichenunterricht gründliche perspec-
tivische Studien gemacht. — Im Jahre 1869 trat er als artistischer Hilfs-
arbeiter in das photographische Atelier der Firma Löscher und Petsch ein,
deren Mitinhaber er nach dem baldigen Ausscheiden Petschs wurde. Hier
suchte er im Verein mit Löscher bei klarer Erkenntniss der Schranken der
Photographie sie auf ihrem eigenen Gebiete zu möglichst künstlerischer Voll-
kommenheit zu bringen, und jede freie Stunde verwandte er auf das Studium
der Alten, auf das Zeichnen nach Köpfen, anatomischen Präparaten und
anderen für seine Zwecke nützlichen Gegenständen. Die Firma gelangte bald
zu hohem Ansehen, und die Inhaber hatten die Genugthuung, ihre Arbeiten
mehrfach prämiirt, und was ihnen besonders werthvoU war, von vielen Kunst-
Hartmann Hans. Hartmann Helene.
113
lern anerkannt zu sehen. Aber im Stillen sehnte sich H. nach rein künst-
lerischer Thätigkeit zurück, und so schied er 1888 aus der Firma Löscher
und Petsch aus, um sich wieder ganz der Kunst, und im Besonderen der
Architekturmalerei zu widmen. Mit grösstem Ernste ging er zu Werke und
besuchte jetzt noch fünf Jahre die akademische Hochschule, um sich unter
Brachts Leitung in der Landschafts- und Architekturmalerei zu vervollkommnen.
Nach Beendigung dieser abermaligen Ausbildungszeit kehrte er zur Deco-
rationsmalerei zurück und gründete mit Heinrich Härder in Steglitz ein
grosses Atelier, aus dem in den letzten Jahren seines Wirkens viele bedeutende
Decorationen für die Königlichen Theater und die Urania hervorgingen. In
den weitesten Kreisen fand unter ihren Decorationsmalereien das grosse Bild
vom alten Berliner Schloss und Dom auf der Berliner Gewerbeausstellung
von 1896 (in der Abtheilung Alt-Berlin) besondere Anerkennung. Von
seinen zahlreichen Oelbildern befinden sich einige auch in öffentlichen Samm-
lungen, so zwei im Museum in Altenburg. Das grosse Prachtwerk: Zur
Jubelfeier der Königl. Akad. Hochschule für bildende Künste 1696 — 1896,
zeigt auf S. 256 die Abbildung seines Oelbildes der Moritzburg in Halle
a. S. — H. war in den Kreisen seiner Freunde und Kunstgenossen be-
liebt und angesehen wegen seines ernsten Strebens, seiner Biederkeit und
Treue und seines sprudelnden, harmlos behaglichen Witzes, der nie ver-
letzte. Bei vielen künstlerisch belebten Festen hat er durch Bild und
Wort die Fröhlichkeit der Feststimmung erst auf ihren Gipfel gebracht,
trotzdem er schon seit Jahren herzkrank war und oft genug sich erst in der
Hingabe an die Freunde die Macht des Gemütes über den widerstrebenden
Körper erkämpfen musste. Im Jahre 1876 hatte er sich mit der ältesten
Tochter des Professors am Grauen Kloster Rudolf Franz verheirathet, die
jetzt mit drei Kindern seinen zu frühen Tod betrauert. Seine mehr als halb-
jährige qualvolle Todeskrankheit hat er mit bewundernswürdiger Geduld er-
tragen und auch sonst sind ihm schwere Prüfungen in der Familie nicht er-
spart geblieben. Aber doch lebt im Andenken seiner Freunde sein Bild als
das eines immer strebenden, lebensfrohen und frischer Lust sich gern hin-
gebenden Mannes fort.
Fritz Jonas.
Hartmann, Helene, Hofschauspielerin am Burgtheater, * Mannheim 14. Sep-
tember 1844, t Wien 12. März 1898. Als Sechzehnjährige betrat Helene
Schneeberger zum ersten Male die Bühne ihrer Vaterstadt, an der sie vier
Jahre bHeb; Maurice berief sie 1864 an das Hamburger Thaliatheater; 1865
lud sie Laube zu einem Gastspiel an das Burgtheater; sie kam und siegte
als Lorle in »Dorf und Stadt«, »Aline« in »Fesseln«, Jeanne in »Lady Tartuffe..;
sofort engagirt, begann sie Juli 1867 ihre Thätigkeit am Burgtheater; 1868
vermählte sie sich mit dem ausgezeichneten Mitglied des Burgtheaters Ernst
Hartmann. In Mädchen-, Frauen-, Mutter-Rollen, von Anfang bis zu Ende
ihrer Laufbahn, war sie (wie der Nachruf in der Münchener Allgemeinen
Zeitung sagte) »das Wunderwesen, dessen Name täglich und stündlich in allen
Schauspielhäusern aller Länder eitel genannt wird: eine Naive oder richtiger
die Naive, die Naturwüchsige«. Immer wieder wurde sie mit Bernhard Bau-
meister in Eine Reihe gestellt: deutsche Art, deutsches Gemüth verkörperten
die Beiden mit unübertroffener Kraft und Wahrhaftigkeit. Ihr Lorle ist nach
Speidels Zeugniss typisch geworden. Ihre Margarethe in Ifflands »Hagestolzen«
Biogr. Jabrb. u. Deutscber Nekrolog. 3. Bd. 3
114
Hartman n Helene.
erschien Minor im Vergleich mit der Leistung der Raabe in derselben Rolle
wie ein deutsches Dorfkind in echtem niederländischen Stil neben einer aus
der französischen Schule stammenden Bauernmaskerade. Ihre Franziska in
»Minna von Barnhelm« war Baumeisters "Wachtmeister ebenbürtig: sie gehört
»zu den unsterblichen Leistungen, auf denen der Ruhm des alten Burg-
theaters beruht, und mit Recht ist sie in dieser Rolle in die Bildergalerie
des Burgtheaters aufgenommen worden (Minor).« »Entztickend im ersten
Jahrzehnt ihrer Burgtheater-Laufbahn als Puck, Franziska, Dörte in »Hans
Lange«, in Doczi'schen romantischen Komödien und als Margarethe in IfFlands
»Hagestolzen« hat sie die Erinnerung an diese Frtihzeit niemals getrübt.
Vorzeitig gab sie ihre besten jugendlichen Rollen, ja das ganze Rollenfach
der Backfische ab. Aus der besten munteren Liebhaberin wurde die erste
Charakterspielerin des Deutschen Theaters, eine komische Alte, die der
Haizinger ebenbürtig war und zugleich eine bürgerliche Heldenmutter, die
über Töne gebot und in Regionen reichte, die der Haizinger unbekannt und
unerreichbar geblieben waren« : als Bärbel, als Frau Piepenbrinck so köstlich,
wie zuvor als Lorle und Adelheid von Runeck; im neueren deutschen Drama
als Mutter Vockerat in Hauptmanns »Einsame Menschen«, als Diakonissin in
»Hannele«, als Frau Hergentheim in Sudermanns »Schmetterlingsschlacht« so
überzeugend, wie im französischen Conversationsstück, z. B. der Komödie
»Nur Mutter« von Najac. Mit am Grössten in den kleinsteh Episoden: so
zumal als Frau Dr. Stockmann in Ibsens »Volksfeind«. Reichste Zukunft,
schönste Entwicklung lag vor der Einzigen, als sie — unmittelbar vor der
ersten Aufführung eines Wiener Schauspiels »Neigung« von David, dessen
Hauptcharakter sie tragen sollte — von Herzkrämpfen heimgesucht und weg-
gerafft wurde. Schwere Schicksale hatten die aufopfernde Mutter getroffen:
ihr bildschöner, grundguter Sohn wurde von langjährigem, qualvollem Siech-
thum erfasst, das ihre hingehendste Pflege nur zu lindern, nicht zu bannen
vermochte. Diesen Verlust hat sie niemals verschmerzt, obwohl ihre beiden
Töchter, Baronin von Ferstel vnd Frau Max v. Gutmann, in Beweisen der
Liebe für die verehrungswürdige und allverehrte Frau wetteiferten. Als
Mädchen, Gattin, Mutter und Grossmutter genoss sie bei aller Welt besonderes
Ansehen. Ihr alter und ihr neuer Landesherr, der Grossherzog von Baden
und Kaiser Franz Joseph, begnügten sich nicht damit, sie mit Orden auszu-
zeichnen; sie bezeugten dem lauteren Wesen, der ungewöhnlichen Frau,
ungewöhnlichen persönlichen Antheil. Der Kaiser von Oesterreich Hess ihr
nach dem Tode ihres Sohnes sein Beileid aussprechen und überraschte sie
eines Tages durch die Uebersendung seines Bildes im Silberrahmen mit der
eigenhändigen Widmung: ^>Der trefflichen Künstlerin Frau Hartmann — Franz
Joseph.« In Kunst und Leben wirkte sie wohlthuend durch echte Weiblich-
keit, gleich empfänglich für Lebensemst und Lebensfreude, voll Mutterwitz
und Laune, tiefer, reiner Empfindung so fähig und mächtig, wie saftigen
Humors; dauernden Andenkens werth und sicher in der alten und neuen
Heimath, in ihrer Häuslichkeit und in der Geschichte der deutschen Schau-
spielerkunst.
Laube: Das Burgtheater. — Decamerone vom Burgtheater. — Wilbrandt: Neue
Gedichte. Aus dem Burgtheater. — J. Minor: Sonntagsbeilage zur Vossischen Zeitung
Nr. 167, 10. April 1898; ihr Repertoire soll nach Minors Angaben 180 Rollen umfasst
haben. — Ludwig Speidel: Neue freie Presse 13. März 1898. — Max Kalbeck: Neues
Wiener Tagblatt vom 13. März 1898. — Ludwig Hevesi: Fremdenblatt vom 13. März
1898 und »Wiener Todtentanz« (Stuttgart, Bonz, 1899). — Alexander v. Weilen: Montags*
Hartmann Helene. Egler. 1 1 c
Revue vom 14. März 1898. — Anton Bettelheim: MUnchener AUg. Ztg. (wiederholt:
Acta diurna, Wien, Hartleben, 1899). — Leichenfeier (mit den Reden von Paul Schlenther
und Sonnenthal) in den Wiener Zeitungen vom 15. März 1898. — Bilder in der Gallerie
des Burgtheaters und im Familienbesitz: das letzte Porträt von Leopold Horovitz.
Anton Bettelheim.
Egler, Ludwig, Seifensieder, Redacteur, Dichter und Schriftsteller,
* 24. August 1828 zu Hechingen, f 2. August 1898 zu Hechingen. E. war
der Sohn des Seifensieders Karl E., dessen Grossvater Gottfried im 18. Jahr-
hundert aus der deutschen Schweiz nach Hechingen einwanderte. Ludwig
E. musste das Gewerbe des Vaters ergreifen, wiewohl er mit viel grösserer
Freude sich den Studien gewidmet hätte. Das Jahr 1850 führte ihn als
Gesellen auf die Wanderschaft durch Württemberg, den Rhein hinab bis
nach Westfalen, dann nach Hannover, Braunschweig, Berlin. Ueber Sachsen
und Thüringen kehrte er in seine schwäbische Heimath zurück. Seine Reise
war aber keinesweges die gewöhnliche Walze wandernder Handwerksburschen.
Der Seifensiedergeselle, der da mit dem Felleisen auf dem Rücken durch
deutsche Lande zog, reiste, um den starken Drang nach geistiger Nahrung,
das unbewusste Sehnen nach dem Schönen in Natur und Kunst, die heiss-
erstrebte Bereicherung seines Wissens zu befriedigen. Seine Aufzeichnungen
aus jener Zeit legen Zeugniss hierfür ab. Mit dem Jahre 1854 musste er
das Geschäft seines Vaters übernehmen. Für die geistigen Bedürfnisse des
eifrig an seiner Bildung arbeitenden jungen Seifensiedermeisters genügte ihm
sein prosaisches Handwerk nicht. Wo er nur Etwas erhaschen konnte,- das
ihn zu belehren vermochte über sein geliebtes Heimathland, da ruhte er
nicht, bis es in seinem Besitze war und er es gelesen hatte, gleichviel welches
Gebiet des Wissens es behandelte. E. war von ernster, grübelnder, aber
nicht kopfhängerischer Art. Vor Allem fühlte er in sich den Drang, seine
Empfindungen, seine Beobachtungen, seine Studien in dichterische Formen
zu bringen. Hören wir ihn selbst:
Wia om d* Versle kommet.
Miar sitzt's so warm im Heaza drinn
S'thuat wunderbarlich treiba;
Gedanke kummt miar in Sinn
Ka' saga kaum und schreiba.
Au wechslet's oft — bald ischt es trUab
ßald hell, wia Summermorga,
'S ischt, wie wenn oas a schtille Liab
Im Heaza hält verborga.
Im Jahre 1855 erschien sein erstes Gedicht, und hatte es vorher in
seinem Innern geknospt, getrieben, so begann es nun auch zu blühen.
Geistige Beschäftigung ward ihm zur Nothwendigkeit, und war er der Arbeit
seines Handwerkes ledig, dann sass er über den Büchern oder sammelte
geistige Schätze im Volke. Als erste grössere Frucht seines still emsigen
Strebens erschien 1861: »Aus der Vorzeit Hohenzollerns«, eine Sammlung
von Sagen und Legenden in dichterischer Form und kulturgeschichtliche
Erzählungen. Diese Arbeit erwarb ihm viele Freunde in Gelehrtenkreisen:
Anton Birlinger, Michael Bück (der meines Erachtens vieles Aehnliche mit
Ludwig E. hatte), Graf StiUfried u. a. m. Der Briefwechsel mit solchen
Männern, der Besuch von Gelehrten, die Zuwendung ihrer Bücher, das bildete
8*
1 1 6 Egler.
sein Glück, seinen Stolz. Schon vorher, 1857, war sein eigentliches Erstlings-
werk erschienen : »Sonnettenkranz zur Erinnerung an die Fürstin Eugenie von
Hohenzollern-Hechingen«, worin er der Dankbarkeit und Verehrung für diese
durch ihre Herzenseigenschaften hervorragende Frau Ausdruck gab. Ausser
vielen dichterischen Versuchen und kleineren Gelegenheitsgedichten schrieb
er: »Führer durch Hechingen und die Burg«, 1862; »Kurort Imnau und Stadt
Haigerloch, 1864; »Schwefelbad Sebastiansweiler und Umgebung«, 1886.
Höher als diese Sachen steht als ein Product emsigen Fleisses, guter Anord-
nung und verständiger Sichtung seine »Chronik der Stadt Hechingen«, 1887;
eine Arbeit von bleibendem Werthe, wenn ihr auch die kritische Sonde des
geschulten Historikers mangelt. Für E.'s gewissenhaftes Ringen nach Ver-
vollkommnung seines Könnens und Wissens spricht die Wiederauf läge und
Umarbeitung seines: »Aus der Vorzeit Hohenzollerns«, die 1895 als »Mytho-
logie, Sage und (beschichte der Hohenzollern'schen Lande« erschien, nachdem
er 1881 schon: »Aus 'm Zolleriändle« , Gedichte in schwäbischer Mundart
herausgegeben hatte. Auch auf einem anderen Gebiete war er schriftstelle-
risch thätig, als Redacteur der »Hohenzollern'schen Blätter«. Er musste
hierbei erfahren, dass »ein politisch Lied, ein hässlich Lied« sei, und es
wurde für ihn, den Mann mit dem empfindlichen, sensitiven Gemüthe, das
viel mehr zum sinnigen Versenken in die Wunder der Natur und zum
Studium der Volksseele veranlagt war, als zum Rufer im Streite der politi-
schen Kämpfe, besser gewesen sein, wenn er von dieser ihn sicher nicht be-
friedigenden Thätigkeit fern geblieben wäre.
Es war Anfang der 80er Jahre, als ich E. persönlich kennen lernte.
Die Art dieses Mannes war keine gewöhnliche. Er fesselte mich sofort, und
recht charakteristisch war, dass er mich zunächst in seine sehr dunkle Schatz-
kammer führte und mir alle seine litterarischen Schätze zeigte und dann
mich mit seiner gesammten Familie in und ausser dem Hause bekannt
machte, an der er mit warmer Liebe hing. Seine Erscheinung war selbst-
bewusst, aber durchaus nicht hochmüthig. Von ernstem, gemessenem Be-
nehmen, schien er kaum lächeln zu können. Er besass ein merkwürdiges,
fesselndes Auge, voll Tiefe und versteckter, innerer Wärme. Wie leuchtete
es auf, wenn er seine vorgenannten Schätze zeigte: Briefe und Werke be-
deutender Männer, die ihm nahe getreten in Folge seiner dichterischen
Arbeiten. Und wenn wir dann durch die Umgegend von Hechingen streiften
auf den Spuren vor- und früh geschichtlicher Erinnerungen oder wir den im
Laufe der Jahrhunderte entstandenen Kunst- und Baudenkmälern nachgingen,
er als Führer, dann strahlte sein Auge, und mit fast beschämender Bescheiden-
heit forschte er nach Belehrung, wiewohl ihm das selbstbewusste Gefühl des
Autodidakten nicht fehlte. Aeussere Anerkennungen von fiirstlichen Gönnern
und Vertrauensstellen im Dienste der Stadt und des Landes haben E. nicht
gefehlt. Aber ich glaube, dass er das höchste Glück empfand, wenn ihm
wieder eine geistige Arbeit gelungen, wenn sich aus seinem Innern hervor-
gerungen, was da geglüht und nach Werden gerufen, wie er es in dem oben
angezogenen Gedichte, dessen zwei letzten Strophen noch Raum finden
mögen, andeutet:
Ma möcht's nau saga jederma
Sei Glück, sei Innras, zeiga;
Doch will ma's thoa und kummt's druf a,
So thuat ma lieber schweiga.
Egler. Gsell-Fels. 117
Nur hie oder do, am reachtan Oat
Und au zua gwissa Schtunda,
Do kama's saga, findt ma d'Woat
Zu dem, was 's Heaz empfunda.
Do ischt es grad, als ob ses Gemüat
Uflaisa wöt in Reima,
Es ischt, wie wenn's im FrUaling blüat
Und schprossa tbuat und keima.
Schön reiht ses anander a,
Was aus'ro Heaza klunga;
So geit's halt no a Liadle na
Wia des, wo grad i gsunga.
Schwäbischer Merkur, 2. August 1898. Tübinger Chronik, 2. August 1898. Frank-
furter Zeitung. Hohenzol lern 'sehe Volkszeitung 4. August. Hobenzollern'sche Blätter
3. August Schwarzwälder Bote 2. Aug. Blätter des Schwäbischen Albvereins. A. Holder
im Schwabenland, No. 17, 1898 mit dem Bilde Egler's. Derselbe in Alemannia, 1898,
Heft II.
Karl Theodor Zingeler.
Gsell-Fels, Johann Theodor, Dr. med., philos. und theol., Kunst-
und Reiseschriftsteller, * 14. März 18 18 zu St. Gallen, f 12. October 1898
zu München. Derselbe stammte aus der seit vielen Jahrhunderten im Canton
St. Gallen angesessenen Familie Gsell, welche schon 15 16 das Schweizer
Bürgerrecht erlangt hat. Seine Eltern waren der Kunstmaler Jacob
Laurenz Gsell und dessen Ehegattin Susanna Martha von Schobinger. Dieser
Ehe waren drei Söhne entsprossen : Job. Gaspard, später Kunstmaler zu Paris,
Jacob Laurenz und unser Johann Theodor. Die drei Brüder erhielten ihren
ersten Unterricht im TobIer*schen Institute zu St. Gallen; die dortselbst von
Stähelin mit feuriger Beredsamkeit gehaltenen Religions-Vorträge ergriffen
auch ihre jugendlichen Herzen so gewaltig, dass sie den Entschluss fassten,
dermaleinst Geistliche zu werden. Sodann kam Johannes Theodor an das
Gymnasium von St. Gallen, nach weiteren drei Jahren an das von Laquai
und Scheittin geleitete Collegium humanitatis, das später zu einem höheren
Gymnasium umgebildet wurde. Nachdem seine Eltern in die Erfüllung seines
Wunsches, den geistlichen Beruf zu erwählen, eingewilligt, bezog er die Uni-
versität Basel, oblag hier, während 5 Semester, den philologischen und theo-
logischen Studien, gewann bei Lösung einer philosophischen Preisaufgabe den
obersten Preis, und setzte dann auf der Universität Berlin, insbesondere im
Seminar Strauss, in jenem von Theremin, dann bei Schelling seine akade-
mischen Studien fort. Schon hatte er seine erste Predigt gehalten, da bewog
ihn ein Kehlkopfleiden zur Aufgabe des theologischen Berufes; er widmete
sich nunmehr dem Studium der Kunstgeschichte, unternahm dann eine Fuss-
reise durch ganz Italien und oblag von 1845 — 1848 zu Paris auch natur-
wissenschaftlichen Studien. 1848 in seine Vaterstadt zurückgekehrt, erhielt
er dortselbst das Amt eines Staatsarchivars, welches er bis 1852 bekleidete.
1850 verehelichte er sich mit der Tochter des Regierungspräsidenten von
St. Gallen, Luise von Fels, deren Familie aus Val d'Aosta in Piemont stammte
und 1595 der damaligen adeligen Genossenschaft des Notveststeins einverleibt
worden war. Nach seiner Verehelichung nahm er den Doppelnamen »(jsell-
Fels« an und erhielt durch Regierungsbeschluss die Genehmigung, dass diesen,
durch seine Werke berühmten Doppelnamen in erblicher Weise auch seine
Il8 Gsell-Fels.
Nachkommen führen dürfen. 1852 zog er nach Würzburg, dann nach Wien
und Berlin, um sich dem Studium der Medizin zu widmen, erlangte, wie in
der Philosophie und Theologie, so auch in der Medicin den Doctorhut und
oblag dann zu Nizza, Rom, Pisa und Zürich als ein besonders in der grossen
Welt vielgesuchter Arzt der ärztlichen Praxis und las in Pisa und Zürich als
Privatdocent. 1870 Hess er sich in Basel nieder, ward zum Grossrath ge-
wählt und las an der dortigen Universität über Kunstgeschichte. 1880 siedelte
er ganz nach München über, übernahm die Präsidentenstelle beim Aufsichts-
rathe der Jod-Quellen Toelz-Krankenheil, lebte aber fortan nur mehr der
Schriftstellerei, während er den ärztlichen Beruf nur vorübergehend in den
Sommern 1887 — 1895 als Badearzt in der Schweiz ausübte. In München
verlor er (i. J. 1887) seine Gattin durch den Tod. Ihrem Ehebunde waren
drei Kinder entsprossen, zwei Söhne: Wilhelm Jacob und Dr. Victor Theodor,
welche beide seit 20 und 10 Jahren in Buenos Ayres in Südamerika ansässig
und verheirathet sind, und eine Tochter, Ida, welche dem Verstorbenen eine
treue , liebevolle Stütze geworden, bis der Tod ihn aus seinem Schaffens- und
erfolgreichen Leben abberufen. Sein Hingang hat nicht bloss in seinem
Heimathlande Schweiz und in seiner neuen Heimath München, wo er sich
grosser Beliebtheit erfreute, sondern allüberall, selbst über dem Ocean schmerz-
liches Bedauern hervorgerufen, und das mit Recht; denn was G.-F. während
des 30 jährigen Zeitraums von 1868 — 1898 als Schriftsteller geleistet, das sichert
ihm einen dauernden Namen. Belangreich war schon sein erstes grosses
Werk über Italien, zu dem er durch gründliche Kenntniss des Landes, seiner
Geschichte und Kunstschätze in aussergewöhnlicher Weise berufen und be-
fähigt war. Meyer's Bibliographisches Institut zu Leipzig war es, welches
seine Werke: Oberitalien, — Mittelitalien, — Rom und die Campagna, —
Unteritalien und Sicilien, — die Riviera mit Nordafrika und Südfrankreich
herausgegeben hatte, während die illustrirten Prachtwerke »Venedig« und
die »Schweiz« bei Bruckmann (Vater) erschienen waren. Caesar Schmidt
in Zürich edirte »die klimatischen Curorte der Schweiz und jener von
Deutschland«, sowie ein kleines Prachtwerk über die Schweiz. Im Ver-
lag von Bruckmann jun. zu München Hess er seine »100 Ausflüge von
München«, — »das Bayerische Hochland«, — der »Bodensee«, — »Dresden^,
»München«, — »Graz«, — »Nordtyrol«, — »Steiermark« — und noch
kurz vor seinem Ableben sein letztes Werk »Tyrol, Vorarlberg und Allgäu«
erscheinen. Für die ausserordentliche Verbreitung und Beliebtheit seiner
Werke spricht die Thatsache, dass eine grosse Zahl derselben ein halb-
dutzend Auflagen erlebt hat. Bis an sein Lebensende hatte er sich
seine geradezu ausserordentliche Arbeitskraft und Schaffensfreudigkeit be-
wahrt; hatte doch erst im Jahre 1896 der damals Sechsundsiebenzig-
jährige noch eine beschwerliche Bereisung von Tunis und Algier u. s. w.
ausgeführt.
Quellen: Familiennachrichten aus dem St. Galler Bürgerbuch, Familienpapieren u.
Privatmittheilungen. Nekrologe brachten u. a. »Die Schweiz« illustr. Zeitschrift in Zürich,
»Die Gartenlaube«, die »Deutsche Rundschau f. Geographie u. Statistik«, die »Münchner
Neuesten Nachrichten«, »Die Post« (Berlin), der »Figaro« (Paris), »la Tribüne de Geneve«,
»rindcpendance beige« (Bruxelles), »Stambul« (Constantinopel), »AdeveruU (Bukarest),
»British Medical Journal« (London), »Deutsche La-Plata-Zeitung« (Buenos- Ayres) u. a. m.
Sein sehr gelungenes Bildniss befindet sich in der Volksausgabc des Prachtwerkes über
die Schweiz.
München. Ernst von Destouches.
Benz.
119
Benz, Severin, Historien- und Landschaftmaler, * 14. März 1834 zu
Marbach (St. Gallen), f 2. November 1898 in München. Nach dem Vorgang
eines älteren Bruders ergriff B. die Kunstschlosserei, besuchte zur weiteren
Ausbildung 1853 die Polytechnische Schule in München, wo seine längst ge-
fühlte Begabung zur Malerei neue Nahrung fand. Kurze Zeit weilte B. in der
Malschule von Prof. Anschütz, 1857 trat er zu Piloty über; hier erreichte sein
Farbensinn die erwünschte Förderung. Schon 1860 brachte er ein grosses
Oelbild »Christus als Gärtner« in den Kunstverein; dem überaus günstig auf-
genommenen Erstlingswerke folgten bald weitere, religiöse Darstellungen: eine
»Madonna«, ein »hl. Joseph« (fiir Kochel) und eine »Auferstehung Christi«
(1861, nachmals 1863 in grossem Format wiederholt), welche von H. Merz
durch Stahlstich vervielfältigt wurde (vgl. Na gl er Monogrammisten 1861 IV,
II 08 Nro. 3962), Weitere Bilder (»Kommet Alle zu mir, die ihr mühselig
und beladen« 1866, eine »Kreuzabnahme« 1867 und ein Altarblatt mit den
»Heiligen drei Königen«) begründeten seinen guten Namen als gewiegter
Techniker und Componist. Schon früher hatte Benz mit einigen Genrestücken
seine coloristische Begabung bewiesen, darunter ein »Mutterglück« und zwei
im tiefen Röhricht auf ihre Beute lauernden »Banditen« (1862). Als tüchtiger
Frescomaler bewährte er sich 1865 im National-Museum (»Max Emanuel be-
lagert 1691 Carmagnola in Piemont«), auch assistirte er seinem Lehrer Piloty
bei den leider schon zerstörten Fresken auf der Westseite des sog. Athenaeums.
Mit der ihm eigenen Vielseitigkeit versuchte sich B. mit gleich günstigem
Erfolge im Gebiete der Landschaft und des Porträts. In seiner Heimath
malte B. eine stattliche Reihe von Bildnissen, aber auch ganze Serien von
anziehenden landschaftlichen Studien, Erinnerungen an seine Sommerfrischen
in der Schweiz, am Inn und an der Salzach. Ein sonniger »Tag an der Elm«
erschien als grosses Oelbild 1884 im Kunstverein. Eine treffliche Landschaft
leuchtete aus dem anziehenden Bild mit der »Flucht nach Aegypten« (1879
und 1883). Zwischendurch erfolgte wieder eine »Kreuzigung« für Waller-
stadt, eine »Kreuzabnahme« mit wohlberechneten Farben eflfecten (gestochen
von J. Burger), eine »Samariterin am Brunnen« u. dgl. Im fortwährenden
Wechsel seiner Stoffe hielt sich der Maler frisch, obwohl eine zeitweise auf-
tretende Kränklichkeit den Fleiss des Künstlers lähmte, welcher in einer
liebevollen, behaglichen Häuslichkeit vollen Ersatz und Pflege fand für die
seine unverwüstlich scheinende Constitution allmählich doch untergrabenden
Anfälle von Asthma, wozu sich auch ein beängstigendes Augenleiden gesellte.
Die Gegenwart und Nachwelt wird seinem über die engere Heimath hinaus-
reichenden Namen eine freundliche Erinnerung bewahren. B. war eine echte,
anspruchslose Künstlernatur, welche an sich die strengsten Anforderungen
stellte und die Leistungen aller ehrlich mitstrebenden Kollegen in gerechter
Würdigung gerne anerkannte. Am 12. März 1899 erschienen 60 Bilder
architektonischer Skizzen, Landschaften und Interieurs aus seinem Nachlass im
Münchener Kunstverein, darunter auch das ernste Selbstporträt des Künstlers,
mehrere sehr ausgeführte Studienköpfe und ein früher nicht bekannt ge-
wordenes, eine »Obstverkäuferin« in ländlicher Umgebung behandelndes, 1884
gemaltes in Form und Farbe etwas hart gehaltenes Genrebild.
Vgl. Julius Meyer, Allgcm. Künstier-Lcxikon 1885, III. 565. Pacht, Gesch. der
Mttnchener Kunst im XIX. Jahrb. 1888. S. 260. No. 306 »Allgemeine Zeitung« 4. No-
vember 1898. Kunstvereinsbericht 1898. S. 71.
Hyac. Holland.
j 20 Linsenixiann.
Linsenmann, Franz Xaver (von), Dr. theöl., Bischof von Rottenburg,
* 28. November 1835 ^^ Rottweil, f 21. September 1898 zu Lauterbach
bei Schramberg. Er erhielt im Gymnasium seiner Vaterstadt seine Vorbildung
und im Tübinger Wilhelmsstifte seine theologische Ausbildung, wurde des
Fakultätspreises für würdig erachtet, den er jedoch im Loose mit seinem
Kursgenossen und intimen Freunde Reiser verlor, empfing am 10. August 1859
die Priesterweihe und versah einige Zeit die Stelle eines Vicars zu Obern-
dorf am Neckar. Am 29. October 1861 erhielt er die Ernennung zum
Repetenten am Wilhelmsstifte. Während der 6 folgenden Tübinger Jahre
warf er sich namentlich auf die Dogmatik. Am 11. April 1867 wurde er
zum ausserordentlichen Professor der Moraltheologie, am 18. Mai desselben
Jahres zum Licentiaten der Theologie befördert. Ehe er sein akademisches
Lehramt antrat, unternahm er mit Reiser eine längere wissenschaftliche Reise,
um die bedeutenderen theologischen Lehranstalten Deutschlands und Oester-
reichs kennen zu lernen. Verhandlungen wegen einer Berufung an die
Bonner Universität im Jahre 1871 zerschlugen sich. Am 11. Juni 1872
rückte er in Tübingen zum ordentlichen Professor für Moral- und Pastoral-
theologie vor, nachdem er am 25. Februar zum Dr. theol. promovirt worden
war. 1887/8 bekleidete er das Rectorat der Universität. Er bewährte sich
nicht bloss als einen Gelehrten von gediegenem Wissen, sondern auch als
einen Lehrer von grosser pädagogischer Geschicklichkeit. Als solcher trat er
zu seinen Schülern auch in persönliche Beziehungen und übte so auf die
Ausbildung des württembergischen Clerus starken Einfluss aus. Am 29. Sep-
tember 1889 wurde er zum Domcapitular von Rottenburg gewählt. Seit 1895
Vertreter des Domkapitels in der Abgeordnetenkammer, schloss er sich der
Centrumspartei, die sich im württembergischen Landtage später, als anderswo,
organisirt hatte, an. Auf kirchenpolitischem Gebiete die Anschauungen der
gegenwärtigen katholischen Hierarchie fest vertretend, zeigte er sich dabei
als einen Mann von ernstem, loyalem Charakter, der jede verletzende Polemik
und Verschärfung der confessionellen Gegensätze vorsichtig vermied. So
wurde seine Wahl zum Nachfolger Reisers auf den Rottenburger Bischofestuhl
am 20. Juli 1898 auch von den Evangelischen Württembergs günstig auf-
genommen. Doch starb er noch vor der Konsecration, kurz nachdem die
päpstliche Bestätigung eingetroffen war. Eine Krankheit, die schon im April
1898 aufgetreten, aber glücklich vorübergegangen war, stellte sich in Folge
der Aufregungen und Anstrengungen der Bischofswahl von Neuem ein. Es
war eine latente Brustfellentzündung, die das Herz ergriff. Er begab sich
zur Erholung in den Schwarzwald -Luftkurort Lauterbach. Durch eine Ope-
ration wurde das Wasser abgezapft, das sich um das Herz angesammelt hatte.
Scheinbar auf dem W^ege der Besserung, ordnete der Bischof auf den
22. September die Uebersiedelung nach Rottenburg an. Doch am Vormittag
des 21. stellte sich Athemnoth von Neuem ein, und um 12 Uhr Mittags ver-
schied er. Er wurde am 26. in der Gruft der Rottenburger Sülchenkirche
neben seinen Vorgängern beigesetzt, obgleich er noch nicht feierlich von
der Diöcese Besitz ergriffen hatte. — Als Gelehrter zählte L. zu der
jüngeren Generation der sogenannten Tübinger Schule, die das Recht freier
wissenschaftlicher Forschung mit der Pflicht strenger Orthodoxie möglichst zu
vereinigen bestrebt ist. Er veröffentlichte folgende selbstständige Schriften:
I. Michael Bajus und die Grundlegung des Jansenismus. Eine dogmen-
geschichtliche Monographie (Tübingen, 1867). 2. Der ethische Character der
Linsenmann. v. Sandberger. Bruckmann. I2i
Lehre Meister Eckhards (Tübinger Programm, 1873). 3. Worte der Erinne-
rung an Moritz von Aberle, Doctor und Professor der Theologie (Tübingen,
1875). 4. Conrad Summenhart. Ein Culturbiid aus den Anlangen der
Universität Tübingen. Festschrift bei der 4. Säcularfeier der Gründung dieser
Universität (Tübingen, 1877). 5. Lehrbuch der Moraltheologie (Freiburg, 1878).
6. Die sittlichen Grundlagen der akademischen Freiheit. Rectoratsrede zur
Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Königs (Tübingen, 1888).
7. Denkschrift über die Frage der Männerorden (Stuttgart, 1892). Ausserdem
schrieb er seit 1865 viele Recensionen und Aufsätze für die von den katho-
lischen Tübinger Professoren herausgegebene Theologische Quartalsohrift,
arbeitete am Bonner Litteraturblatt und anderen Zeitschriften, an Kirchen-
lexika, an der Allgemeinen Deutschen Biographie mit. An der Vollendung
einer begonnenen Biographie Bischofs Hefele von Rottenburg hinderte ihn
der Tod.
St. J. Neher, Personal-Catalog der seit 1813 ordinirten und in der Seelsorge ver-
wendeten Geistlichen des Bisthums Rottenburg, 3. Auflage (Schw. Gmünd, 1894) S. 149 f.,
Deutsches Volksblatt vom 22.-27. September 1898, Nr. 214 — 218, Schwäbische Kronik
vom 21. September 1898 (Abendblatt) No. 220, Staats-Anzeiger für Württemberg vom
22. September 1898 No. 220, A. Koch in Theologische Quartalschrift 81. Jahrg. (1899)
s. 375—396.
R. Krauss.
V. Sandberger, Carl Ludwig Fridolin, Geheimrath, ord. Professor der
Mineralogie und Geologie an der Universität Wtirzburg, * 22. November 1826
zu Dillenburg in Nassau, f 11. April 1898 zu Würzburg. S. absolvirte das
Gymnasium in Weilburg, wo sein Vater seit 1826 Gymnasiallehrer war;
studirte dann in Bonn, Heidelberg, Giessen und Marburg und promovirte
1846 unter Liebig in Giessen. Von 1849 ^^^ ^^55 ^^^ ^^ Director des
naturhistorischen Museums zu Wiesbaden, 1855 bis 1863 Professor der Mine-
ralogie und Geologie in Karlsruhe, 1863 bis 1896 in Würzburg. Seine Haupt-
werke beziehen sich auf die Erforschung des rheinischen Schiefergebirges, von
welchem er einige mit seinem Bruder Guido S. zusammen veröflfentlichte.
Namentlich mögen erwähnt werden:
»Uebersicht der geologischen Verhältnisse des Herzogthums Nassau. 1847. — I^'c Ver-
steinerungen des rheinischen Schichtensystems in Nassau (gemeinschaftlich mit Guido S.
verfasst), 1850 — 1856. — Untersuchungen über das Mainzer Tertiärbecken und dessen
Stellung im geologischen Systeme 1853. — Die Conchylien des Mainzer Tertiärbeckens
1863. — Die Land- und SUsswasser-Conchylien der Vorwelt« 1870—1875. — »Unter-
suchungen über Erzgängec 1882 — 1885. — Eine auslührliche Lebensbeschreibung Sand-
bergers, mit dem Bildniss desselben, ist von J. Beckencarap in den Sitzungsberichten der
Phys.-med. Gesellschaft zu Würzburg (Jahrg. 1898, S. 80—120) veröffentlicht worden.
Dieselbe ist auch separat von der Stahel'schen Verlags-Anstalt zu Würzburg zu beziehen.
Sie giebt als Anhang ein chronologisches Verzeichniss der Publicationen S.'s; es werden
darin aufgezählt 7 selbstständige, grössere Werke und 327 in verschiedenen Zeitschriften
erschienene Arbeiten.
J. Beckencamp.
Bruckmann, Friedrich, Buch- und Kunsthändler, * 4. Juni 1814 zu Deutz
bei Köln, f 17. März 1898 zu Arco in Südtirol. B. wandte als Sohn wohl-
habender Eltern sein Interesse schon frühzeitig der Kunst zu und halte Ge-
legenheit, grössere Reisen zu unternehmen. Zu S^vres bei Paris erlernte er
12 2 Bruckraann.
die Bemalung und Glasur des Porzellans und betrieb diese dann in einer
mit seinem älteren Bruder an seinem Heimathsort errichteten eigenen Werk-
stätte. Deren Zerstörung durch Feuer veranlasste ihn, sich in Frankfurt a. M.
der Herstellung künstlerischer Broncen zu widmen. Leider hatte dieser Be-
trieb keinen erspriesslichen Erfolg, und B. versuchte, nach weiterem mehr-
jährigen Wanderleben, dem er u. A. die einflussreiche Bekanntschaft mit
hervorragenden Männern, wie Gottfried Semper, zu danken hatte, sein Glück
mit dem Buch- und Kunstverlag. Seine 1858 in Frankfurt gegründete Ver-
lagshandlung führte die Firma: »Verlag für Kunst und Wissenschaft«. Die
damaligen Verhältnisse nöthigten B., sich als Mittelsperson des gelernten Buch-
händlers E. Suchsland zu bedienen. Zu seinen ersten Verlagswerken gehörten u. a.
Daniels Handbuch der Geographie, Werke von O. Roquette und G. Sempers
»Stil«. Später wandte er sich fast ausschliesslich dem Kunstverlag zu, und
wurde so der erste und bedeutendste Vertreter eines in seiner Art neuen
Industriezweiges in Deutschland. Seine 1859 in München angeknüpfte nach-
haltige Freundschaft mit Wilhelm von Kaulbach gab die Anregung zur
Schaffung der 21 grossen Cartons zu Goethes Frauengestalten, die Bruck-
mann 1860 mit Hülfe Josef Alberts in photographischen Nachbildungen in
der damals unerhörten Grösse von 68 : 46 cm herstellen Hess und verlegte.
Diese Goethe-Gallerie fand im Auslande kaum geringere Bewunderung, als in
Deutschland. Die einzelnen Kunstblätter sind in verschiedenen Formaten und
Ausgaben in mehr als einer Million Exemplaren verbreitet. Von Mandel,
Raab, Stang, Fr. Weber wurden sie in Kupfer gestochen. 1861 siedelte B.
nach Stuttgart, wo er u. a. Verleger der »Süddeutschen Zeitung« wurde,
1863 nach München über, nachdem er schon vorher auch Blätter von Peter
V. Cornelius und Moritz von Schwind verlegt hatte. Durch Lindenschmitt
Hess er unter dem Titel »Ruhmeshallen« weitverbreitete Porträttableaux
zeichnen. Später folgte »B.'s Porträt-Collection« und das »Allg. histor.
Porträtwerk«. Der Goethe-Gallerie schloss sich eine Schiller-Gallerie und
viele Bilder-Cyclen zu Werken unserer Classiker an. Hauptzierden des Ver-
lages wurden femer die herrlichen Farbendruck -Ausgaben der Preller' sehen
Odyssee-Landschaften und der Rottmann'schen Italienischen Landschaften,
das »Werk Adolf Menzels«, das »Böcklin-Werk « und manches andere
Prachtwerk, wie die von Heinrich von Brunn herausgegebenen »Denk-
mäler griechischer und römischer Sculptur« und ähnliche von Wilhelm
Bode u. a. herausgegebene Werke, die B.'s besondere Verdienste um die
archäologisch -kunsthistorische Wissenschaft bekunden. In den siebenziger
Jahren war B.'s auch durch glückliches Familienleben gesegnetes gastfreies
Haus der Sammelplatz der künstlerischen und wissenschaftlichen Haupt-
grössen Münchens. — Schon 1864 hatte B. ein eigenes photographisches
Atelier errichtet, 1875 ^^^ ^^^ Engländer W. Woodbury das Verfahren des
Woodbury-Drucks erworben, später wandte er sich dem practischeren Licht-
druck zu, für dessen Verfahren er eins der ersten Institute der Welt schuf;
Im Jahre 1883 wurde die Bruckmann'sche Verlagshandlung zwar in eine
Privat -Actiengesellschaft umgewandelt, doch blieb B. als Vorsitzender des
Aufsichtsrathes bis an sein Ende eine der einflussreichsten und mass-
gebendsten Persönlichkeiten seiner Schöpfung.
Vgl. Börsenblatt f. d. dt. Buchhandel 1898, No. 65. Dasselbe No. 68 (A. Van-
selow). Beilage zur Allg. Zeitung No. 64 v. 21. März (Dr. P. Arndt).
H. EUissen.
. Koeppen. Hebler. 123
Koeppen, Karl Friedrieh Albert, Universitätsprofessor der Rechte,
* 17. December 1822 zu Goldberg in Mecklenburg-Schwerin, f 12. Mai 1898
in Lichtenthai bei Baden-Baden. Er erhielt seine erste Schulbildung auf dem
Gymnasium in Lübeck, dann in Wismar und Schwerin, studirte seit 1842 in
Berlin die Rechtswissenschaft und trat 1 847 in den preussischen Justizdienst,
widmete sich aber bald, aus ihm ausgetreten, seit 1849 der akademischen
Laufbahn. Am 11. Mai 1850 promovirte er in Berlin zum Doctor beider
Rechte und habilitirte sich 1853 mit der Schrift »De vi quam retro exerceat
aditio hereditatis« in Jena als Privatdocent, wurde Michaeli 1856 ausser-
ordentlicher Professor daselbst, folgte im Herbst 1857 einem Rufe als ordent-
licher Professor des römischen Rechts nach Marburg, ging 1865 nach Würz-
burg und 1872 an die neu errichtete Universität Strassburg, der er bis Ostern
1895 angehörte. Gesundheitshalber zog er sich nach Lichtenthai bei Baden-
Baden zurück, wo ihn der Tod ereilte. — Seine Studien galten namentlich
dem römischen Erbrecht. Neben seiner Inaugural-Dissertation »De natura
hereditatis nondum aditae«, Berlin 1850, veröffentlichte er »Die Erbschaft.
Eine civilistische Abhandlung«, Berlin 1856; »System des heutigen römischen
Erbrechts«, Jena 1864; »Der obligatorische Vertrag unter Abwesenden«,
Jena 1871; »Der Fruchterwerb des bonae fidei possessor«, Jena 1872 (Fest-
schrift flir K. G. von Wächter), sowie namentlich »Lehrbuch des heutigen
römischen Erbrechts.<, Würzb. 1886 — 95.
Vgl. Dr. Joh. Günther, Lebensskizzen der Professoren der Universität Jena seit 1558,
Jena 1858 S. iio; Beilage zur Allg. Ztg. No. 109 vom 16. Mai 1898 S. 8; Kritische
Vierteljahresschrift Bd. 39 S. 103—129 (Baron); Da? Stiftungsfest der kaiserl. Wilhelms-
Universität Strassburg am i. Mai 1895, Strassb. 1895 S. 8; Kukula, allg. deutscher
Hochschulen- Almanach, Wien 1888 S. 448.
A. Teichmann.
Hehler^ Rudolf Albrecht Carl, Universitätsprofessor der Philosophie
in Bern, * 18. December 1821 in Bern, f 4. September 1898 in Bern.
H. stammte aus einer seit 1578 in Bern eingebürgerten Familie. Sein
Vater, Charles H., war von Beruf Notar, aber in wirthschaftlichen Dingen
nicht eben geschickt, träumerisch, beschäftigte sich gerne mit Astronomie,
redete von Büchern, die andern gleichgültig waren, machte auch Gedichte.
Während er dann in Paris eine neue Wirksamkeit suchte, stand der
Knabe in Bern unter der Obhut zweier Tanten, deren eine eigenthüm-
lich begabt war und griechisch lernte. Und als die beiden Damen na<^h
Kornthal (Württemberg) übersiedelten, wurde der Knabe mitgenommen und
trat hier sechsjährig in die berühmte Erziehungsanstalt. Nachdem er aber
einmal hieher in's Ausland gelangt war, schien es besser, ihn auch hier
das Gymnasium besuchen zu lassen; er genoss den Unterricht vortreflf-
lichei Lehrer am G)rmnasium zu Stuttgart. Daher rührt nun gewiss sein
Verständniss für alles deutsche Wesen, für deutsche Gemüthsart, deutsche
Bildung, flir die geschichtliche Entwicklung Deutschlands. Den Schweizer
und den Bemer Bürger vergass er nicht, und wenn er auch im späteren
Leben lieber hochdeutsch sprach, so beherrschte er doch, soviel wir
merkten, das gute Berndeutsch mit wünschenswerthester Vollkommenheit.
Aber er sprach auch in Bern lieber hochdeutsch, und bis an sein Ende war
der schwäbische Merkur sein lieber täglicher Berichterstatter. Nur gab er
nicht zu, dass in den grossen Jahren Bismarcks nur aus dieser zu lall igen An-
wesenheit in Deutschland und nicht aus vernünftigen Gründen seine Theil-
124
Hehler.
nähme hervorgegangen sei. Aber die Erziehung in Kornthal suchte auch
den religiösen Sinn zu befestigen. Er dachte, nach dem Wunsch seiner
Verwandten, das Studium der Theologie daran zu schliessen. Für ein Semester
nach Bern zurückgekehrt, stand er vor der Frage, Lehrer oder Theologe zu
werden. Er entschied sich für das Letztere. »Wenn Herr Pfarrer sagt —
so begründet er diesen Entschluss — ich werde mich gewiss in spätem
Jahren nach einer Pfarrstelle sehnen, so ist es i. ungewiss, ob ich spätere
Jahre erlebe, 2. ungewiss, ob diese Sehnsucht wirklich kommt, 3. wäre, wenn
sie kommt, dieselbe vielleicht ohne allzu grosse Mühe zu befriedigen.« Aber
in Bern könnte er nur theologische Vorlesungen hören; »ich werde also vom
nächsten Herbste an wieder eine deutsche Universität besuchen, wahrschein-
lich eine norddeutsche.« Er ging nach Berlin, um nun die weiten Gebiete
der Philosophie in voller Freiheit zu durchwandern und zu erforschen. Aber
er kehrte nach Bern zurück und verliess die Universität, ohne seine Studien
förmlich abgeschlossen zu haben, ohne sich einer Prüfung unterzogen und
sich den Grad eines Doctors verschafft zu haben. Man mag das für eine
Aeusserlichkeit ansehen; aber doch zeigt sich auch darin die angeborene
Schüchternheit. Sein Ziel war zwar eine Professur der Philosophie; aber da
er nun genöthigt war, »ausser seinen Studien auch für seinen Unterhalt zu
sorgen, entschloss er sich zum »Schreiberleben« und wurde am 20. März 1844
»vom Berner Regierungsrath auf den Antrag des Erziehungsdepartements
(d. h. von Schultheiss Neuhaus) zum zweiten Secretär des Letzteren ernannt.«
Er begann bereits am 21. sein neues »Geschäft«, muthig und gewissenhaft
»mit Leetüre der betreffenden Gesetze!« Die geschichtlichen Tagesereignisse
beschäftigten ihn lebhaft bis in sein Alter; aber er schwamm nicht mit im
reissenden grossen Strome. »Feind (so schrieb er) des bernischen Brutal-
Radicalismus von 1846, aber voll Sympathie mit den meisten europäischen
Freiheitsbewegungen — . Dies ist in kürzesten Worten die beste Bezeichnung
meiner politischen Denkart.« Die Hauptsache aber waren ihm seine Studien.
»Mein eigentliches geistiges Interesse nun«, so schreibt er seiner Pflegemutter,
»machen Gegenstände aus, welche nach meiner Ansicht ebenso wohl religiöse
als philosophische zu nennen sind, Gott, Welt, Mensch, Erziehung des Menschen
durch Gott d. h. Geschichte u. s. w. Nach meiner (und vieler Andern)
Ansicht ist die wahre Weltweisheit zugleich Gottesweisheit, die Philosophie
zugleich Theologie.« Man wird nun erstaunt sein, in seinen Schriften im
Allgemeinen diese religiöse Richtung nicht zu finden; aber auch nichts ihr
Entgegengesetztes, und das Gespräch (um 1861 entstanden) »Lessing und
Neumann« in den »philosophischen Aufsätzen« 1869 S. 91 enthält eigenthüm-
liche antireformerische Gedanken; seine nächsten Bekannten bezeugen auch
(laut der Parentation) , er habe »nie geduldet, dass in seiner Gegenwart
anders als ernst über religiöse Fragen gesprochen werde.«
Im Jahre 1850 erschien sein erstes Werkchen: »Spinozas Lehre vom
Verhältniss der Substanz zu ihren Bestimmtheiten dargestellt von C. H — r.«
Nur mit einer Andeutung seines Namens wagte er also vor die Oeffentlichkeit
zu treten. Aber Kuno Fischer sah in der Abhandlung die Arbeit »eines mit
Spinozismus vertrauten und diese Lehre kritisch penetrirenden Kopfes«,
entwickelte ausführlich seine abweichenden Ansichten, erklärte sich aber »in
den Hauptpunkten einverstanden.« »Leibnitz (so lautet in zierlichem Witz,
der ihm immer zu Gebote stand, der letzte Satz der Schrift) Leibnitz ist der
rückwärts gelesene Spinoza.« Aber neben den Aufgaben der Philosophie
Hebler. 1 2 c
zog ihn die Poesieforschung an, vor Allem die Erforschung und Deutung
Shakespeares. Seine Shakespeare-Studien, so schrieb Dr. J. V. Widmann
in einem Nekrolog des »Bemer Bund«, »gehören zum Feinsten und Besten,
was seit Göthe bis auf Georg Brandes jemals zur psychologischen Erkenntniss
und zur ästhetischen Würdigung der Dramen des grossen Briten geschrieben
wurde.« Die erste Probe derselben war 1854 das Büchlein »Shakespeares
Kaufmann von Venedig. Ein Versuch über die sogenannte Idee dieser
Komödie. Von R. A. C. Hebler.« Die Idee besteht für ihn in der Lehre,
dass Schein und Wesen, wie in allen Dingen, so auch in Bezug auf den
persönlichen Werth einander entgegengesetzt sind. Ein tüchtiger Mensch
ist, wer sich nicht besser darzustellen sucht und braucht, als er ist.« Aber
er giebt zu, dass damit nur die abstracte Idee ausgesprochen sei; die wirk-
liche Idee sei diese allgemeine Idee zusammen mit ihrer Individualisirung
u. s. w. Und in der vorausgehenden Deutung der Auftretenden freut uns be-
sonders diejenige Shylocks als einer »komischen Person«, im Gegensatz zu
der unserer Schauspieler, welche aus ihm eine tragische Partie machen.
»Von der Grossartigkeit .eines tragischen Bösewichts keine Spur. Man er-
leichtert sich überhaupt das Verständniss Shylocks, wenn man sich ihn als eine
Art Bestie vorstellt, die in blinder Wuth anrennt und mit Schaden abfährt.«
Sehr richtig; aber welcher Schauspieler wagt es, ihn so als Gegenstand des
Hohns darzustellen? H. sah gerade 1854 in Bern den Neger Ira Aldridge
als Othello und als Shylock, und er musste in einer längeren Aufzeichnung
auch von diesem berühmten Darsteller sagen: »Die Grundauflfassung schien
mir aber verfehlt; er hob viel zu sehr die Parialage und die edeln Elemente
in Shylock hervor.« Die Schrift H.'s wurde von einheimischen Kennern
mit Beifall besprochen. Auch im Ausland erwarb sich der Verfasser neue
Freunde; Karl Rosenkranz in Königsberg und Friedrich Vischer bezeugten
freudige Zustimmung. Nur Einer in Frankfurt a/M. schien nicht ganz be-
friedigt und erbaut zu sein. »Mit dem Wunsch (heisst es in seinem Briefe),
dass Ihre ästhetischen Bestrebungen allmälig noch höheren Aufschwung nehmen
und Sie selbst einen höheren Standpunkt gewinnen mögen, bin ich hoch-
achtungsvoll Ihr ergebener Diener Arthur Schopenhauer.« Diese Kund-
gebungen eines ernsten wissenschaftlichen Strebens bewirkten, dass ihn
die philosophische Fakultät der Erziehungsdirection für die Erlaubniss, an
der Universität Vorlesungen zu halten, empfahl, ohne eine vorherige Doctor-
prüfung zu verlangen. »Ich würde mich zu einer solchen auch kaum haben
entschliessen können, da ich schon damals nicht mehr in dem Alter stand,
wo man den zu einer solchen Unternehmung gehörenden Muth hat.« »Am
21. November 1854 Abends 67, — 7V2 niein erstes Colleg. Ich kam mir
ungefähr vor, wie Einer, der eine sehr ernsthafte Rede hält an Leute, von
denen er nicht weiss, ob sie seine Sprache verstehen. — Ueberdiess war ich
befangen, hielt mich fast ganz an mein Heft, von dem ich mich nur selten,
in einzelnen Bemerkungen, entfernte (wie bei einer ängstiichen Küstenfahrt).«
Aber erst Winter 1856/57 findet sich sein Name im Lectionskatalog — man
wollte zuerst noch eine Probe sehen — mit »Geschichte der griechischen
Philosophie«. Und diesem Gegenstand folgen dann bis Sommer 1891: Die
Philosophie Kants, seit Kant, Lotzes Allgemeine Geschichte der Philo-
sophie, Logik, Erkenntnisslehre, Psychologie, Religionsphilosophie, Ethik,
Willensfreiheit, in philosophischen Uebungen Plato, Aristoteles, Cartesius,
|f.ant — und in seiner andern Richtung: über Shakespeare, ästhetische Er-
126 Hebler.
klärung Shakespearescher Dramen, Lessing als Philosoph und Dramatiker,
Goethes Faust, Aesthetik.
1858 — vielleicht im Zusammenhang mit einem neuen Sieg der Radi-
calen, 2. Mai 1858, und mit der Wahl eines neuen Regierungsraths — trat
er von der Stelle eines Secretarius zurück, um sich jetzt bloss als Privat-
docent und schriftstellerisch zu bethätigen. Er gab 1861 »I.essingstudien«
heraus, in deren letztem Stück: »Lessings Gedanken über Nationalität und
Staat«, wo bestritten wird, dass Lessing Republikaner gewesen sei, auch
wieder seine Heiterkeit und sein Witz aufs Anmuthigste zu Worte kommen,
und die einem Fachgenossen im Ausland als Ganzes »schon desshalb aus-
nehmend zusagten, weil sie keine Zeile enthielten, die überflüssig sei«. Und
19. Mai 1862 zum hundertsten Geburtstag Fichtes hielt er einen öffent-
lichen Vortrag und besprach dessen »Grundsätze über Wesen und Bestim-
mung des Gelehrten«. 1863 wurde er a. o. Professor; zugleich wurde
ihm der Doctortitel honoris causa ertheilt mit Wyss, Franck, Mendel und
dem grossen Berner Mathematiker Ludwig Schläfli. Er war damals College
von M. Lazarus, der mit Ris die ordentliche Professur inne hatte, und
eng befreundet mit Hermann Usener und Ludwig Tobler. Die Ferien
führten ihn (Herbst 1874) nach Italien bis Rom, nach München, Tirol, natür-
lich aber je und je in die Schweizerberge; es ziemt sich wohl, dass der
Schweizer seine Berge kennt, und er kannte ihre Namen gut und Weg und
Steg, wanderte gern, bestieg mit Usener den Titlis und umkreiste in fröh-
licher Wanderung mit Ludwig Tobler die Blümlisalp; in Prosa und Poesie
wurde die Erinnerung an diese schönen Tage von beiden Freunden festge-
halten. W. Fetscherin, Lehrer an der Kantonsschule, Prof. Ludwig Hirzel,
Prof. med. Langhans, Prof. Alfred Stern, Hermann Löhnert, in der Feme Pfr.
Rector Herold in Chur und Pfr. Dr. Kitt in Bergamo, wenige Andere hatten
das Glück aus seinem wohlgeordneten, sehr zuverlässigen Wissen Nutzen zu
ziehen und sein freundliches Wesen und seinen köstlichen feinen Witz zu ge-
niessen. Und die Familie von Dr. Leo Weber-Perty, Bundesrichter, war
für ihn ein zweites Heim.
1864, vermehrt 1874, erschienen nun als Fortsetzung und Vollendung
des 1854 Begonnenen, seine »Aufsätze über Shakespeare«. Es belustigte
H., dass sein Name auch im grossen griechisch- deutschen Wörterbuch von
Passow vorkommt, und er schrieb sich die Stelle heraus. »Passow s. v.
[lo-yrXsü'nQ^ (»der mit dem Hebel Hebende und Bewegende«) übersetzt die
aristophanischen Worte xatvwv iirmv xivt^ttjc xal jioyXsüXT^;: neuer Wörter
Beweger und Hebler.« Wir meinen zwar, dass Hamlet nicht zu tadeln ist,
wenn er vor der Ermordung eines Betenden zurückschrickt, und glauben
mehr an wirklichen als an bloss vorgegebenen Wahnsinn; wir haben aber
schon erwähnt, mit welcher Ehrerbietung die Kritik diese Aufsätze behandelt;
also möchte der Verf. gerade in diesem Werke ein ^^Hebler« gewesen sein,
nicht von Wörtern, sondern von neuen Ansichten über Shakespeare, vor
Allem über dessen seltsam geheimnissvollen Hamlet. Jedenfalls trägt aber
zur Freude des Lesers auch der nie schwülstige, sondern je und je scherzende,
immer natürliche Ton bei, der Rosenkranz und Vischer schon in dem Ver-
such über den Kaufmann von Venedig anzog. In einem Aufsatz der Zeit-
schrift »Im neuen Reich« 1875 führte er seine Ansichten im Gegensatz zu
Werder noch weiter aus.
Die nächsten Schriften gehörten wieder dem philosophischen Gebiet an:
I Hehler. 12 7
!
1868 (in zweiter Auflage 1874) »Die Philosophie gegenüber dem Leben und
den Einzelwissenschaften« und 1869 die »philosophischen Aufsätze«; nur
deren anziehender letzter »Jeanne d'Arc bei Shakespeare, Voltaire und Schiller«
behandelte eine ästhetische Frage. Zwei eingehende Briefe F. Ueberwegs
in Königsberg bekundeten die aufmerksame Theilnahme, welche Nr. V
»Kantiana« in Fachkreisen erregte.
Aber wir würden gar zu unvollständig über den verehrten Mann be-
richten, wenn wir nicht erwähnten, mit welcher Freude er nun 1870 die
Siege Deutschlands und in den folgenden Jahren die in dem Sinne der »Ele-
mente einer philosophischen Freiheitslehre« S. 122 wahrhaft republikanische
Staatskunst des grossen Reichskanzlers verfolgte. Die politisirenden Gespräche
auf gemächlichen Wanderungen Abends oder Nachmittags vor der Stadt ge-
hören zu des Ref. liebsten Erinnerungen.
Erst 1872, 50 jährig, »auf Anlass ihm von Seiten ausw^ärtiger Universitäten
gemachter und von ihm abgelehnter Anerbietungen«, wurde er ordentlicher Pro-
fessor. 1877 verfasste er die »Lessingiana« als Beilage des Glückwunsches,
den die Bemer Universität Tübingen zum 400jährigen Feste darbrachte. Er
war in Würtemberg als Kind, als Knabe nnd als Jüngling Schüler und
Tübinger Student gewesen ; er liebte das gemüthvolle und tüchtige Schwaben-
land, die Heimath D. F. Sti'auss', Ed. Zellers, Fr. Vischers, und er Hess
sich nichts entgehen von Erinnerungen und Beiträgen, welche das Lebens-
bild der Dichter Uhland, Kemer, Mörike vervollständigten; immer wieder
verweilte er im Gespräch bei ihnen; seine Schrift war also eine Art Threp-
teria, ein persönlicher Dank, und gerne übernahm er es, auch als Abge-
ordneter dem Feste beizuwohnen, und freute sich, mit Vischer, Rümelin,
Sigwart wissenschaftliche und freundschaftliche Worte zu tauschen.
Erst 1878 finden wir im Lectionscatalog von ihm »Lehre der Willens-
freiheit« angekündigt. Wie die Süsswasserquellen im Meer drang jetzt eine
Frage, die schon den Knaben geängstigt hatte, durch die Gedanken aller
der Jahre hindurch und verlangte eine Lösung. Anfang 1887 waren die
»Elemente« fertig, und Sigwart und Usener wünschten freudig zur Vollen-
dung Glück; Usener vermittelte einen Verleger, und noch in demselben
Jahre erschienen sie bei Reimer in Berlin: »Elemente einer philosophischen
Freiheitslehre«. Deterministische Freiheit ist sein Bekenntniss, nicht Deter-
minismus, nicht Indeterminismus, aber deterministische Freiheit; nur dass er
sich lieber Determinist nennt, als Indeterminist. Und Fr. Jodl sah in H.'s
Schrift den erfreulichen Beweis, dass endlich die allein natürliche und wissen-
schaftlich brauchbare Ansicht, nämlich ein (richtig verstandener) Determi-
nismus wieder zum Durchbruch zu kommen beginne.
Mit diesem Buche schloss H.'s Schriftstellerei ab, und er hatte nun wohl
gesagt, was er auf Erden sagen sollte. Auch seine Thätigkeit an einer Uni-
versität klang allmälig aus, und 1891, 7ojährig geworden, Hess er sich in den
Ruhestand versetzen. Aber noch etliche Jahre edler Müsse bei leidlicher
Gesundheit waren ihm beschieden. Taines, Sybels, Treitschkes Werke be-
schäftigten und erfreuten ihn. Dann starb 1896 sein Freund Ludwig Tobler
in Zürich, und die Familie, mit der allein er später verkehrte, zog weg. Er
war sehr einsam; aber er ertrug die Einsamkeit mit wunderbarer Selbstge-
nügsamkeit und Heiterkeit, und man verliess ihn nie, ohne einen reizenden
Scherz und einen treffenden Gedanken mitzunehmen.
Aber auch sein äusserliches Leben rundete sich seltsam ab. Umgeben
128 Hebler. Müller.
und liebevoll gepflegt von Familie Dr. Weber, starb er in dem Hause, wo
er seine ersten Jahre zugebracht hatte, den 4. September 1898, 7 6 jährig.
Er ruht auf dem Bremgartenfriedhof bei Bern. Aber er lebt in unserem
Andenken als ein Lehrer echter deutscher Geistesbildung.
Werke: Spinozas Lehre vom Verhältniss der Substanz zu ihren Bestimmtheiten
dargestellt von C. H — r. Bern, Verlag von Jenni Vater 1850. — Shakespeares Kaufmann
von Venedig. Ein Versuch über die sogenannte Idee dieser Komödie. Von R. A. C
Hebler. Bern, Verlag von Huber 1854, — Lessing-Studien. Von C. Hebler, Privatdocent
der Philosophie an der Hochschule Bern. Bern, Verlag von Huber (Körber) 1862. —
Zum hundertsten Geburtstag Fichtes. Seine Grundsätze über Wesen und Bestimmung
des Gelehrten. Von Privatdocent Hebler. Abdruck aus dem »Schweizerischen Museum«.
Bern, Haller'sche Buchdruckerei 1862. — Aufsätze über Shakespeare von C. Hebler, Pro-
fessor an der Universität Bern 1864. Zweite, beträchtlich vermehrte Ausgabe 1874.
Verlag der J. Dalp'schen Buchhandlung. — Die Philosophie gegenüber dem Leben und
den Einzelwissenschaften, in den Vorträgen von Virchow und Holtzendorif, Berlin 1868,
2. Auflage 1874. — Philosophische Aufsätze von C. Hebler. Leipzig, Fues* Verlag 1869.
— Lessingiana, Berner Universitätsschrift 1877. — Elemente einer philosophischen Frei-
heitslehre. Berlin, Reimer 1887. — Kleine Aufzeichnungen. Beilage der AUg. Schweizer
Zeitung 1899, Nr. 22 fF. — Ein Besuch bei Arthur Schopenhauer. Deutsche Rundschau
August 1899.
Nekrologe: Neue Züricher Zeitung 6. Sept. 1898. Bund 7. Sept. 1898.
Bern. Karl Frey.
Müller, Carl Otto, Universitätsprofessor der Rechte, * 12. Mai 18 19 zu
Wittenberg als Sohn eines Architekten, f 13. 'Dezember 1898 zu Leipzig. Er
studirte auf den Universitäten Leipzig und Halle die Rechtswissenschaft, ha-
bilitirte sich 1843 mit der Schrift »De plagio« in Halle, siedelte 1850 nach
Greifswald über, kehrte aber schon 185 1 nach Leipzig zurück und wurde 1859
Ordinarius des römischen Rechts, 1869 Ordinarius des sächsischen Rechts daselbst.
Er besass in hohem Masse die Fähigkeit, seinen Zuhörern, denen sein Herz ge-
hörte, selbst trockene juristische Fragen anschaulich und interessant zu
machen. Während fast 47 Jahren hat er mit reichem Erfolge seinem Lieb-
lingsberufe, der akademischen Lehrthätigkeit, obgelegen. Von konservativer
Richtung und Neigung, erstrebte er Entwicklung auf der Basis des Vor-
handenen und war gleich tüchtig als Praktiker, als Gelehrter und als Lehrer.
Ein treffliches Werk ist sein leider nicht weiter bearbeitetes, sehr bald ver-
griffenes »Lehrbuch der Institutionen des römischen Rechts«, Leipzig 1854 bis
1858, dem sich später »Das sächsische Privatrecht, in seinen Grundzügen
systematisch dargestellt«, Abth. I Leipzig 1892, Abth. II 1895 anreihte. Von
früheren Arbeiten seien genannt »De auctorum et ministrorum criminis diffe-
rentia«, Halle 1842; »Ueber die Verbrechen gegen die materielle Integrität
der Eisenbahnen«, Leipzig 1846; »Die Lehre des römischen Rechts von der
evictio«, Halle 185 1; »De falsa demonstratione heredis institutioni vel legato
adjecta comment. I et II, Lips. 1861 und 1865. — Ein besonders enges
Verhältnis knüpft^ ihn an die akademischen Gesangvereine; er war 37 Jahre
lamg Ehrenvorsteher des »Arion« und andererseits Ehrenmitglied des »Paulus«,
gehörte auch fast 50 Jahre der Loge »Minerva« an, deren Saal mit seinem
Bild geschmückt werden soll, sowie endlich seit 1859 zuerst als ausserordent-
licher Beisitzer, seit 1863 als Rath dem Appellationsgericht an. Im Jahre
1892 feierte er sein 50 jähriges Doktorjubiläum, wobei ihm von der juristischen
Fakultät eine Festschrift mit Arbeiten von Windscheid und Kuntze tiber-
reicht wurde. Geehrt wurde er durch Verleihung des Geheimrathtitels und
Müller. Bennecke. Fürst. I2q
die Auszeichnung als Comthur 2. Kl. des Verdienstordens, sowie andere
Orden. Bis zuletzt erfreute er sich einer wunderbaren geistigen Frische und
Spannkraft.
Vgl. erste Beilage zur Leipziger Zeitung Nr. 289 vom I4. Dezember 1898 S. 4888,
erste Beilage Nr. 291 vom 16. Dezember 1898 S. 4935. — Beilage zimi Leipziger Tage-
blatt und Anzeiger Nr. 637 vom 16. Dezember 1898 S. 9519. — Dr. theol. Wilhelm Haan,
Sächsisches Schriftsteller-Lexicon, Leipzig 1875 S. 224/5. — Deutsche Juristen-Zeitung III
(1899) S. 15/16. — Kukula, Allgemeiner deutscher Hochschulen-Almanach, Wien 1888
S. 597.
A. Teichmann.
Bennecke. Hans, Universitätsprofessor des Straf rechts in Breslau,
* 24. April 1859 als Sohn eines Domänenpächters in Kloster Mansfeld (Prov.
Sachsen), f 4. April 1898 in Nervi. Er studirte in Leipzig, Kiel und Halle
die Rechte, bestand 1881 in Naumburg die Referendariatsprüfung, promovirte
29. März 1882 zum Doctor juris, arbeitete am Amtsgericht in Braunfels bei
Wetzlar, dann am Landgericht in Neuwied, habilitirte sich in Marburg mit
der Schrift »Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch in ihrer historisch-dog-
matischen Entwicklung!. Abth.«, Marburg 1884 als Privatdocent, wurde 1887
Ordinarius in Giessen und 1890 nach Breslau berufen. Ein Vorkämpfer der
v. Lisztschen Richtung auf dem Katheder wie im geschriebenen Wort, war
er ein thätiges Mitglied der Internationalen kriminalistischen Vereinigung und
Mitherausgeber der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft von
V. Liszt, sehr anregend als Universitätslehrer. Sein Hauptwerk ist das für
akademische Kreise bestimmte »Lehrbuch des deutschen Reichs-Strafprozess-
rechts«, Breslau 1888 — 95. Weitere werthvolle Arbeiten sind die Schriften:
»Zur Geschichte des deutschen Strafprozesses«, Marburg 1886 und »Be-
merkung zur Kriminalstatistik des Grossherzogthums Hessen«, eine Giessener
Festschrift (auch in Bd. X der Zeitschrift von v. Liszt) 1889, sowie die »Fälle
aus dem Strafprozessrecht zum akademischen Gebrauch« (mit E. Beling),
Jena 1895. Unter dem Pseudonym Dr. Johannes Neckeben veröffentlichte
er einen gefängnisswissenschaftlichen Zukunftstraum »Ein Vorblick auf das
Jahr 2000 oder ein Tag in einer Strafanstalt des 21. Jahrhunderts«, Breslau
1891. Mit mehreren Kollegen begründete er eine »Sammlung strafrechtlicher
Abhandlungen«, Breslau, seit 1893 ff.
Vgl. Nekrolog von E. Beling in Bd. XVIII der Zeitschrift von v. Liszt; Tidsskrift
for Retsvidenskab 1898 p. 519; Kukula, Allgemeiner deutscher Hochschulen- Almanach,
Wien 1 888, S. 44.
A. Teichmann.
Fürst, Alexander, Arzt, der zuerst in Ostpreussen die Lepra entdeckte
und zu den Ersten gehörte, die daselbst die granulöse Augenentzündung be-
kämpften, * am 15. April 1844 in Braunsberg, f am 25 Mai 1898 in Berlin.
Er stammte aus einer in Ostpreussen verbreiteten jüdischen Familie. Nach-
dem er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt die Schulbildung erlangt hatte,
studirte er in Königsberg Medizin, bestand dann als 2 3 jähriger in Berlin die
Doktor- und Staatsprüfung, wirkte als Assistent an der maison de santt^
in Schöneberg bei Berlin, in derselben Eigenschaft an der Augenheilanstalt
des Dr. Schneller in Danzig. 1869 wurde er Arzt in Memel, das Jahr darauf
machte er den Feldzug in Frankreich als Arzt mit. Nach Beendigung des
Krieges blieb er in Memel, wo er durch sein reiches Wissen, sowie durch
BiogT. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. 9
I^o Fürst. Meves.
seltene Menschenfreundlichkeit allgemeiner Achtung genoss. Er gehörte
auch zu den Begründern eines kleinen Krankenhauses in Memel. Sein Ruf
als Augenarzt drang weit über die Grenzen der Stadt: selbst aus dem Innern
Russlands kamen Hilfesuchende zu ihm. Dabei fand er noch zu wissenschaft-
lichen Arbeiten Zeit, unter denen besonders die über die oben genannten
Krankheiten hervorzuheben sind. Wenn heute die preussische Regierung
ihrer Ausbreitung geeignete Massregeln entgegenstellt, so ist das im Wesent-
lichen sein Verdienst. Die sich in neuester Zeit mit jenen Krankheiten
beschäftigten, erhieltpn die Auszeichnungren, nach denen Dr. Fürst nie begierig
war. 1884 siedelte er nach Berlin über; als Gewerksarzt hat er tausenden
von Arbeitern und Arbeiterinnen im Norden Berlins mit unermüdlicher,
selbstloser Hingebung seine ganze Kraft geweiht. 'Materiell sicher gestellt,
war er nicht auf Vermehrung seines . Vermögens bedacht, sondern auf Befrie-
digung seines tiefen Bedürfnisses, mit seiner Kunst zu helfen ohne Ansehen
der Person, des Standes, des Glaubens. Seine wissenschaftliche Thätigkeit
ruhte auch nicht in Berlin: werthvolle Aufsätze lieferte er u. A. auch für die
Zeitschrift des Augenarztes Prof. Hirschberg.
F. war ein ausgezeichneter Arzt, ein Mann von umfassender Büdung,
ein liebenswerther Mensch. So scharf und kritisch sein Geist war, im persön-
lichen Verkehr war er gegen Jeden ohne Schärfe und Herbigkeit. Besonders
den Armen, vom Glück Ausgestossenen war er, und nicht bloss als Arzt, ein
helfender Tröster zu jeder Zeit. Er verstand sie, er kannte ihre Bedürfnisse
und verkehrte mit ihnen wie mit seinesgleichen ohne jede Spur von Ueber-
legenheit und Ansprüchen, daher achteten und liebten sie ihn aufrichtig. Die
Heiterkeit und Frische seines Wesens beruhten auf einem selbstlosen, gütigen
Herzen und der arbeitsfrohen Pflichttreue. Auch die schwersten Prüfungen
des Lebens konnten seine innere Harmonie nicht dauernd stören. Er über-
wand die Uebel des Lebens durch wahrhaft philosophischen Humor, Klagen
hat daher wohl keiner von ihm gehört, am wenigsten über eigene Leiden.
So sehr war er gewohnt an Andere zu denken, dass jer selbst in der letzten
schweren Krankheit, die sich schon auf seiner Reise zum Aerztekongress in
Moskau Herbst 1897 drohend anmeldete — er litt an Carcinom im Unter-
leib — von sich wie von einer fremden Person reden konnte, dass er noch
am Todestage über das bevorstehende Ende Bemerkungen diktirte. Er war
ein Volksarzt im besten Sinne des Wortes. So nannte ihn mit Recht die
»Medizinische Reform«. »F.«, heisst es dort, »war unser Gegner« — er
trat gegen die freie Arztwahl auf — »aber einen wackereren Kollegen, einen
gewissenhafteren Arzt als ihn haben wir nicht gekannt. Ehre seinem An-
denken!«
Medizinische Reform Nr. 23. 1898. — Deutsche med. Wochenschrift. Vereins-
Beilage Nr. 17. 1898.
Daniel Jacoby.
Meves, Oskar, Reichsgerich tsrath, * 8. Februar 1828 zu Sorau in der
Niederlausitz als Sohn des dortigen Land- und Stadtgerichtsdirector Gustav M.,
f 3. October 1898 zu Berlin. Er bezog nach Besuch der Schule zu Pforta 1848
die Universität Berlin und widmete sich unter ungünstigen Verhältnissen mit
eisernem Fleisse dem juristischen Studium, trat im Appellationsgerichts-Bezirk
Frankfurt a. O. in den Justizdienst, erhielt 1857 in Heilsberg eine Richter-
stelle, 1860 die des Staatsanwalts, dann in Löbau und später in Naugard
Meves. v. Cuny. l^I
und Anklam. 1873 ging er nach Tilsit, im Früjahr 1874 als Appellations-
gerichtsrath nach Insterburg. Bei der Justizorganisation kam er i. Oktober
1879 an das Oberlandesgericht in Posen, i. Januar 1883 an den IV. Strafsenat
des Reichsgerichts in Leipzig. Dieser neue Wirkungskreis sagte ihm ganz
besonders zu. Bei sehr grosser Arbeitslast lebte er mit grösstem Pflichteifer
seinem Amte und war hocherfreut, als bei der Einweihung des neuen Reichs-
gerichtsgebäudes die juristische Fakultät der Universität Leipzig ihn 1895 zum
Ehrendoktor ernannte. Ein schmerzliches Magenleiden zwang ihn zu Ende
1896 um Versetzung in den Ruhestand einzukommen, die ihm auch unter
Verleihung des Roten Adlerordens IL Klasse gewährt wurde, worauf er am
I. April 1897 nach Berlin sich zurückzog. Dort erlag er unsäglichen, mit
Geduld ertragenen Leiden. Neben seiner amtlichen Wirksamkeit entfaltete er
eine ausgedehnte litterarische Thätigkeit. Er gab treffliche Ausgaben von
Reichsgesetzen heraus in der von Ernst Bezold besorgten »Sammlung der
Gesetzgebung des deutschen Reiches mit Erläuterungen« (Theil III Bd. I
Heft 2 [Markenschutz], Heft 3 [Wechselstempelsteuer], Heft 4 [Postwesen],
Heft 5 [KauffarteischifFe] ; Bd. II Heft i — 4 [Strafgesetznovelle vom 26. Febr.
1876], Heft 6 [Gewerbeordnung], auch »Das Gewerbe im Umherziehen nach
der Bundes-und preuss. Landes-Gesetzgebung« , Berl. 1872, sowie »das Straf-
verfahren nach der deutschen Strafprozess-Ordnung vom i. Febr. 1877«,
Berl. 1879 ^" 3 Auflagen; »Schutz der Waarenbezeichnungen nach dem Gesetz
vom 12. Mai 1894« Berl. 1894 und eine Ausgabe der Concurs- Ordnung
(in Schmidts Lehrb. d. preuss. Rechts), Breslau 1881. In v. Holtzen-
dorffs Handbuch d. deutschen Strafprocessrechts bearbeitete er in Bd. II
(1879) die besonderen Arten des Verfahrens und die Strafvollstreckung. Im
J. 1887 übernahm er die Leitung des Goltdammerschen Archivs für Straf-
recht, wobei er die von ihm ausgewählten Reichsgerichts-Entscheidungen öfters
mit eingehenden Anmerkungen versah. Dem deutschen bürgerlichen Gesetz-
buche widmete er in Bd. 46 (1898) zwei Erörterungen. Von Aufsätzen in
Zeitschriften seien genannt »Gerichtssaal« XXIV (thätige Reue), XXVI (Eisen-
bahnwesen), XXVII (Religion), XXIX (Amtsdelicte) und »Archiv für Strafrechtc
Bd. XXXVII (Anstifter), XXXVIII (§264 StPO), XXXIX (Pressgesetz und
Vertheidigung).
Nach dem Nekrolog in Bd. 46 (1898) des > Archivs für Strafrecht«. — Vgl. »Gerichts-
saal« Bd. 28, S. 397, 559; »Ztsch. von t. LiszU VIII 403, XI 287.
A. Teichmann.
Cuny, Ludwig von, Jurist und Parlamentarier, aus einer von einge-
wanderten Hugenotten stammenden Familie, * 14. Juni 1833 zu Düsseldorf als
Sohn des Regierungspräsidenten C. in Aachen, f 20. Juli 1898 zu Berlin. Er
studierte 1850 — 53 in Bonn und Berlin die Rechte, trat 1853 in den Staats-
dienst, war 1858 — 70 Assessor in Cleve, Cöln und Bonn, wurde nach der
Uebergabe von Strassburg vom Dezember 1870 bis Oktober Vorsitzender des
Kriegsgerichts für Elsass-Lothringen daselbst, dann Rath am Appellationsgericht
in Colmar, schied 1873 2i"s, um sich der akademischen Laufbahn zu widmen,
wurde 19. Januar 1875 ausserordentlicher Professor an der juristischen Fakultät
in Berlin, 1883 Mitglied der preussischen Justizprüfungskommission, 1889
ordentlicher Honorarprofessor. Sehr ausgedehnt war seine parlamentarische
Thätigkeit. Er vertrat seit 1873 den Kreis Solingen-Lennep-Remscheid im
Abgeordnetenhause, 1873 — 81 im Reichstage den Kreis Dessau-Zerbst, seit
1^2 V. Cuny. Braunmüller.
1884 Kreuznach-Simmern. Er war eines der hervorragendsten und befähigsten
Mitgheder der nationalliberalen Partei, ein Mann von sehr ausgedehntem
und höchst exaktem Wissen, in seiner financiell unabhängigen Stellung einer
der fleissigsten und unermüdlichsten Arbeiter, eines der geschäftsgewandtesten
Mitglieder parlamentarischer Commissionen, zugleich während der Zeit des
Culturkampfes einer der heftigsten Gegner der Katholiken und des Centrums,
doch bei vornehmer Gesinnung ehrlich bemüht, den Gegnern entgegen-
zukonmien. So unterstützte er namentlich die Bestrebungen einiger Ab-
geordneten behufs Erlangung der Erlaubniss konfessioneller Kirchhöfe für die
Rheinprovinz und einige andere preussische Landestheile. Weitere treffliche
Dienste leistete er als Mitglied der preuss. Hauptstaatsschulden- Verwaltung und
machte sich um das Zustandekommen des deutschen bürgerlichen Gesetz-
buches in der mit der zweiten Lesung betrauten Commission verdient. Für
gemeinnützige Werke hatte er stets offene Hand, besonders auch auf dem
Gebiete des Colonialwesens. — Für den XXI. deutsch. Juristentag begutachtete
er die Stellung des Entwurfs betr. der Testamentsvollstrecker (Bd. I 43 — 54).
Ein Legat von 300000 Mark für die Universität wurde landesherrlich be-
stätigt.
Vgl. »lllustrirte Leipziger Zeitung« 1898 II. mit Bild; »Centralblatt für Rechtswissen-
schaft« Bd. X S. 97 (Heinsheimer) ; >Kölnische Volkszeitung« N. 646 vom 28. Juli 1898;
Schulthess, Europ. Geschichtskalender für 1898, München 1899, S. 5, 140; Deutsche
Juristen-Zeitung 1899, S. 169/170 (letzte Arbeit über reichsgesetzlicbe Regelung des Prü-
fungswesen), u. 324 (nekrol. Notiz).
A. Teichmann.
Braunmüller, Benedict, Dr., Historiker, * 12. März 1825 zu Rotz (Ober-
pfalz), f 12. Juni 1898 zu München, absolvirte mit Auszeichnung das Gymnasium zu
Regensburg 1845, machte seine philosophischen Studien amLyceum zu Regensburg
und an der Universität München, wo besonders die Vorträge von Döllinger,
Constantin Höfler, Ernst von Lasaulx u. A. seine spätere historische Richtung
anbahnten; widmete sich 1848 der Theologie, wurde 1850 zu Regensburg
Priester, trat in die Seelsorge zu Böhmischbruck und 1852 in das Benedictiner-
stift zu Metten, wo er als Studienlehrer an der Lateinschule, Präfect am
bischöflichen Knabenseminar (1855) und Lector der Theologie, dann auch im
Kloster Lambach in Oesterreich und bei S. Bonifaz in München, verwendet
wurde. Nachdem B. abermals als Professor an der Oberklasse des Gym-
nasiums, als Pfarr- Vikar zu Neuhausen und Director des bischöflichen
Knabenseminars sich bewährt hatte, wurde er nach dem Ableben des Abtes
Utto 1884 einstimmig als Abt des Benedictinerstiftes Metten erwählt. Sein
vielseitiges, ganz autodidaktisch gebildetes Wissen legte er in zahlreichen, hier
nur theil weise genannten Abhandlungen und Schriften nieder. 1855: Beiträge
zur Geschichte der Bildung in den drei ersten christlichen Jahrhunderten.
1856: Bildungszustand der Klöster des IV. und V. Jahrhunderts. 1870: Ueber
liturgischen Gesang im Verhältniss zum Volkslied. 1871: Kleine Chorallehre mit
Beispielen. 1872 — 75: Beiträge zur Geschichte des östlichen Donaugaues.
I) Der Natternberg; Beschreibung und älteste Geschichte. II. Die Domvögte
von Regensburg. III) Die lobsamen Grafen von Bozen. IV) Die bescholtenen
Grafen von Natternberg. 1873: Ueber Römerstrassen in Rhätien und die
Castra Petrensia. 1876: Abt Hermann von Niederaltach. 1877: Sossau,
seine Kirche und Wallfahrt. 1879: Geschichtliche Nachrichten über die hl.
Braunmüller. Le Feubure. Rossbach Adolf. 133
Hostien in der Grabkirche zu Deggendorf. 1880 und 1881: Namhafte Bayern
im Kleide des hl. Benedikt. 1882: Beiträge zur Geschichte von Prüfening.
1883: Reihenfolge der Aebte von S. Emmeran zu Regensburg. Wichrammi
monachi S. Galli, Opusculum de computo. 1884: Monumenta Windbergensia
(Traditiones) und in vielen kleineren Aufsätzen.
Hyac. Holland.
Le Feubure, Ferdinand, Porzellanmaler, * 21. September 1815 zu München,
f 19. December 1898. Als der Sohn eines königlichen Rechnungs-Kommissärs,
war derselbe erst zum Studium bestimmt, erhielt aber von seinem Bruder
•Carl Friedrich die Anregung zur »Kunst und den ersten Unterricht, bezog
1832 die Akademie, um sich unter Heinrich von Hess zum Historienmaler
zu bilden, trat dann aber nach dem Vorgange seines, als Porzellanmaler
damals schon geschätzten Bruders, zu dieser ihm sehr zusagenden Technik
über und erhielt in der neuorganisirten königlichen Porzellan-Manufactur als
Künstler bleibende Stellung. Seine Arbeiten zeichneten sich aus durch grosse
Delicatesse bei markiger und kräftiger Durchbildung. Für König Ludwig I.
schuf er ein Tafel-Service mit Copien nach den Glyptothek-Fresken des Cor-
nelius (nun in der kgl. Silberkammer); für den Kronprinz Maximilian malte
L. ein Service mit Bildern nach Schnorrs Nibelungen. Für die in der neuen
Pinakothek befindliche Sammlung von Porzellan-Gemälden (in Plattenform)
copirte unser Künstler drei Pferdebilder nach Philipp Wouwerman, einige
Thierstücke nach Snyders und eine Landschaft (mit der Staffage von Hagars
Verstossung) nach Claude Lorrain, welche Carl Friedrich Heinzmann (1795,
t 1846) begonnen hatte. Auch als Glasmaler leistete L. gute Dienste. Für
König Ludwig IL fertigte er gleichfalls ein Service mit Ansichten von fran-
zösischen Gärten, Fontainen und Schlössern. Im Januar 1899 erschien im
Münchener Kunstverein eine aus 50 Aquarellen bestehende Collection land-
schaftlicher Darstellungen, meist mit Motiven aus dem bayerischen Gebirge
oder der Umgegend von München, alle aus der früheren Zeit des Malers,
sehr sorgfältig und subtil, ganz im Style der früheren feierlichen Porzellan-
malerei ausgeführt. Eine andere Sammlung von Handzeichnungen, Skizzen
und altbayerischen Trachtenbildem zeigte bald darauf der Kunstverein zu
Augsburg.
Vgl. Seubert, Lexikon 1878. II, 426. — Nr. 354 ^>Allgem. Ztg.« vom 22. Decbr.
1898. Bericht des »Münchener Kunstverein« für 1898. S. 74.
Hyac. Holland.
Rossbach, Christian Adolf, Buchhändler, * 26. December 1822 zu
Mühltroff im Voigtland, f 6. Januar 1898 in Leipzig. R. trat nach dem
Besuch der Leipziger Handelsschule, als Schwiegersohn von B. G. Teubner,
bereits 1845 ^^^ Mitarbeiter in dessen berühmtes, 18 11 gegründetes, Buch-
druckerei und Verlagsbuchhandlung umfassendes Geschäft ein, insbesondere
wurde er geschäftsführender Theilhaber des 1832 in Dresden gegründeten
Zweiggeschäftes, das neben vielen anderen Arbeiten auch den Druck des
officiellen »Dresdner Journals« besorgte. Am i. October 1853 wurde er
(bis 1854 neben seinem Schwager Eduard Koch) Theilhaber sämmtlicher
Geschäfte in Leipzig, während Albin Ackermann, ein anderer Schwiegersohn
Teubners, die Leitung des Dresdener Geschäfts übernahm. Nach Teubners
1856 erfolgtem Tode gingen die Geschäfte in Leipzig und Dresden an diese
i^^, Rossbach Adolf. Liebeskind. Alvary.
beiden Schwiegersöhne über. Weitere Theilhaber wurden 1875 Arthur Ross-
bach (t 1882), 1882 Alfred Ackermann und 1893 ein Enkel Adolf R.'s,
Dr. Alfred Gieseke; ausserdem war 1872 — 93 Theilhaber der Ehrendoctor
August Schmitt. Adolf R. war nicht nur für das Wachsen und Gedeihen der
eignen Geschäfte thätig, sondern auch in weiteren Kreisen eine vielseitig
wirkende und angesehene Persönlichkeit. — So war er Vorsitzender im Auf-
sichtsrathe der Leipziger Bank und Schatzmeister des von ihm mitbegründeten
Leipziger Rennklubs. Seine vielfachen Verdienste wurden u. A. durch die
Verleihung hoher sächsischer und russischer Orden geehrt.
Vgl. »Deutscher Buch- und Steindrucker« 1898. S.399 (m. Portr.), »Börsenblatt f.d.
dtsch. Buchhandel« 1898. Nr. 6 und 7. Zahlreiche Nachrufe in politischen u. a. Zeitungen«
H. Ellissen.
Liebeskind, Felix, Buchhändler, * 14. Januar 1837 ^^ Leipzig, f 17. März
1898 daselbst, wurde zuerst von Privatlehrem unterrichtet, besuchte dann die
Teichmannsche Schule in Leipzig und erlernte 1851 — 54 bei Himmer
(Riegersche Buchhandlung) in Augsburg, mit dessen Familie er lebenslänglich
in freundschaftlicher Verbindung blieb, den Buchhandel. Er war femer u. A.
als Gehtilfe thätig bei Masson & Co. in Paris (1855 — 56) und bei L.W.Seidel
in Wien (1857 — 59). 1863 trat er dauernd in die schon 1794 von seinem
Grossvater gegründete angesehene Commissions- und Verlagsbuchhandlung
A. G. Liebeskind in Leipzig ein, deren Theilhaber er 1865 wurde, und die
er nach dem Tode seines Vaters am 15. October 1870 allein übernahm.
Zunächst sein Aufenthalt in Bayern hatte L. zu einem eifrigen Alpinisten und
dadurch zum Verleger gediegener alpiner Werke gemacht. Dies wieder führte
seine Befreundung mit dem Dichter Rudolf Baumbach herbei. Wie sehr er,
bei allem eigenen Werthe der Dichtungen, durch reizende Ausstattung zur
Verbreitung von dessen, auch J. Lohmeyers, Heinrich Seidels, Maximilian
Schmidts, Trojans u. a. Schriften beigetragen hat, ist dem Buchhändler besser
bekannt als dem Laien. Auch über das eigene Geschäft hinaus machte sich
L. in beruflichen, künstlerischen und humanen Interessen vielfach verdient.
1884 gab er die Initiative zu dem prachtvollen Jubiläumskatalog der Oster-
mess- Ausstellung des damals 50 Jahre bestehenden Börsenvereins der Deutschen
Buchhändler. Als Alpinist lieferte er werthvolle Beiträge zu in- und aus-
ländischen Reiseschriften. An mancherlei Anerkennungen für seine Verdienste
fehlte es ihm nicht. Die Verlagsbuchhandlung ging nach seinem Tode an die
J. G. Cotta'sche Buchhandlung in Stuttgart, das Commissionsgeschäft an
Carl Cnobloch in Leipzig über.
Vgl. »Börsenblatt f. d. dt. Buchhandel« 1898. Nr. 63. Pfau, Biogr, Lex. d. D,
Buchhdlr. 1890. Persönliche Mittheilungen von F. L. Liebeskind-Platzmann.
H. Ellissen.
Alvary (Achenbach) Max, Kammersänger, * 1857 zu Düsseldorf, f 7. No-
vember 1898 in Grosstabarz (Thüringen). A. war der Sohn des bekannten
Malers Andreas Achenbach. Das elterliche Haus war eine Heimstätte der
Kunst, und so prägte sich künstlerisches Empfinden früh in die Seele des fiir
alles Schöne sehr empfänglichen Knaben und blieb darin haften, obschon er
sehr jung der Jesuitenschule zu Paris als Zögling übergeben wurde. Der
kleine Maximilian zeichnete sich schon damals durch eine so wunderbare
Stimme aus, dass er in den grossen Messen mitsang. Später besuchte er ein
AI Vary, 135
als vorzüglich bekanntes Colleg in der Nähe Londons, und aus diesem Um-
stand erklärt sich, dass ihm die französische wie die englische Sprache ge-
läufig wurden wie die Muttersprache. A. drängte es,- ein Künstler wie sein
Vater zu werden, oder doch wenigstens ein künstlerisches Studium, wie
das der Architektur, zu treiben, obwohl er sich am liebsten dem Gesang ge-
widmet hätte. Sein Vater hatte aber 'andere Pläne mit ihm : ein Vetter von
ihm, der in Moskau eine Weltfirma besass, sollte den Sohn in die Geheim-
nisse des Kaufmannsstandes einweihen — doch dies war ganz gegen die Nei-
gungen des jungen A. und mit Widerstreben fügte er sich darein, bis er mit
seiner schon damals stark entwickelten Energie es durchsetzte, sich einem ihm
zusagenden Beruf widmen zu können. Bald sehen wir ihn in Aachen, wo er
sich architectonischen Studien hingiebt, und wo seine Leistungen zu so schönen
Hoffnungen berechtigen, dass sein Vater eine höhere Ausbildung in Mailand
bei Mengoni, dem berühmten Erbauer der Galleria Vittorio Emanuele, für
ihn wünscht. Nichts konnte A. erwünschter sein. Lebte doch Lamperti,
der grosse Meister des Gesangs, in Mailand, und bei ihm hoffte er seine
Stimme ausbilden lassen zu können. Lamperti fand das Material des jungen
Mannes vorzüglich und rieth ihm, sich als Concertsänger auszubilden, was
er auch that, indem er nach und nach seine Baustudien einstellte und sich
während seines zweijährigen Aufenthaltes ganz der Ausbildung seiner Stimme
hingab. Von Mailand aus begab sich A. nach Frankfurt a. M. zu Meister
Julius Stockhausen, bei dem er den Oratoriengesang, das Studium der alten
Meister pflegte und sich nur mit Bach, Händel, Mozart, Haydn u. s. w. be-
schäftigte. Inzwischen hatte der Kunstjünger bei einem Aufenthalt im elter-
lichen Hause ein ganz junges, kaum 15 jähriges Mädchen aus dem Riesenge-
birge kennen gelernt, das seine Eltern früh verloren hatte und mit dem
Grossvater nach Düsseldorf gekommen war. Die Herzen der jungen Leute
flogen sich zu, sie verlobten sich, aber ihrer Verbindung standen von beiden
Familien die grössten Hindemisse im Wege. Zwei Jahre warteten die Lie-
benden, schliesslich heiratheten sie sich gegen den Willen der Verwandten.
Nun galt es, für den eigenen Herd zu sorgen. Ohne Jemands Wissen studirte
A. binnen acht Tagen für sich allein den Stradella, fuhr nach Weimar, stellte
sich dem Intendanten, Frhrn. v. Loen, unter dem Namen Anders vor und
bat um ein Gastspiel. Es ward gewährt — aber schon nach dem ersten
Probesingen vor der Aufführung erhielt er ein mehrjähriges Engagement für
das Hoftheater. Nun begann eine herrliche Zeit für A., Jahre des naiven,
ungetrübten Glücks, denn hier ward der Grundstein für seine Laufbahn ge-
legt und an den Vorbildern, die mit ihm wirkten: Milde, Scheidemantel,
Fichtner- Spohr, entfaltete sich auch sein Können. Besonders werth aber
machte ihm jene Zeit die Gunst des Grossherzogs von Sachsen -Weimar,
der ihm persönliches Interesse, Auszeichnung und fürstliche Gunst bewies.
Schweren Herzens nur trennte er sich von der lieben Stätte, aber seine Natur
drängte ihn zu grösserem Wirkungskreis und er folgte einem Engagement des
alten Damrosch an das Metropolitan-Theater unter Leitung von Anton Seidl
nach New- York, wo er in ein Ensemble eintrat, das aus den ersten Kunst-
grössen gebildet war: Albert Niemann, Marianne Brandt, Lilly Lehmann und
dem Dresdner Bassisten Emil Fischer. In den ersten zwei Jahren theilte sich
A. in das Rollenfach mit Niemann, dem er die heroischen Parthien überlassen
musste, während er die lyrischen sang. Erst später trat er als Wagner-
Sänger auf. Aber mit den Erfolgen wuchs auch A.'s Selbstkritik. Er erwog.
136 Alva^)^
dass er nur in Deutschland, wo Wagners Geist einzig und voll lebendig ist,
ernsthafte Proben seiner Künstlerschaft ablegen könne, und so entschloss er
sich denn Amerika zu verlassen und in die alte deutsche Heimath zu-
rückzukehren. Der Abschied drüben gestaltete sich zu einem wahren
Triumph für ihn und doch stand, er einige Wochen danach zagend und
herzklopfend auf der Bühne des Münchener Hoftheaters; wie einem An-
fänger war ihm zu Muthe, als er zum ersten Male als Wagner- Sänger
vor das Münchener Publikum treten sollte. Nun trat er sehr erfolgreich
fast in allen Wagner-Opern auf, und die Münchener Tage prägten sich ihm
als eine der schönsten Lebenserinnerungen für alle Zeit ins Gedächtniss.
Freilich den masslosen Enthusiasmus, den die Amerikaner und besonders die
Amerikanerinnen mit A. trieben, konnte er im kälteren Deutschland nicht er-
warten und nicht finden. Englisch-amerikanische Blätter brachten das Kunst-
stück zustande, spaltenlange Artikel über den Kuss zu bringen, mit dem A.
als Siegfried Brünnhilde aus dem Zauberschlafe erweckt, und Amerikanerinnen
der besten Familien bildeten nach den New-Yorker Vorstellungen vor dem
Theater Spalier, um einen Blick oder Händedruck des Sängers zu erhaschen
— des Sängers, von dem alle Welt wusste, dass er mit seiner Frau Thekla
eine äusserst glückliche Ehe führe, und dass ihm zu Hause ein Dutzend
Kinder — eine Schaar wahrer Liebesgötter — erblühe. Auch Andreas
Achenbach, dem zu Liebe der Sohn einen Theaternamen angenommen hatte,
söhnte sich mit ihm später aus, als er sich nach einer Aufführung von Glucks
Iphigenie, in der der Sohn den Pylades gesungen hatte, von dessen ernst-
hafter Künstlerschaft überzeugt hatte. Pollini, dem es niemals auf das Geld
ankam, wenn es sich darum handelte, einen »Star« für sein Hamburger
Theater zu ergattern, bot ihm fabelhafte Gagen, nützte ihn aber auch nach
Kräften aus. A. führte in seinem Heim in Hamburg und auf seiner glänzenden
Besitzung zu Grosstabarz in Thüringen einen wahrhaft fürstlichen Haushalt.
Auf einem der zahllosen Gastspiele im Dienste Pollini's, am Stadttheater zu
Mannheim, traf ihn das Unglück, in einer Probe zu »Siegfried«, da er nicht
verständigt worden, dass Fafners Höhle dort nur imitirt wird, durch den
cachirten Boden derselben zu stürzen. Durch diesen Fall mag er sich das
schwere Darmleiden, an dem er nach manchen nutzlosen Operationen starb,
entweder zugezogen oder es mindestens beschleunigt haben. Ein desshalb
gegen die Mannheimer Intendanz von ihm geführter Entschädigungsprocess
schloss nach seinem Tode mit einem für seine Hinterbliebenen, für die er
übrigens fast ahnungsvoll reichlich gesorgt hatte, günstigen Vergleich. — So
endete vor der Zeit eine Künstlerlaufbahn, die glänzend und kurz war wie
selten eine. Gleich einem Meteor kam und verschwand A., der reich begabte
Künstler, ein edler, liebenswürdiger Mensch, dem es heiliger Ernst war mit
seiner Kunst und dem alles Komödiantenhafte meilenfern lag. Nur eine be-
deutende künstlerische Erscheinung wie die Alvary's konnte solche Be-
geisterung und solchen — Widerspruch wecken; denn sein Ruhm ist ihm
nicht unbestritten geblieben. Aber selbst wer die eigenthümliche Gesangs-
weise A.'s nicht goutierte, Hess sich willig von der genialen Darstellung seiner
Wagnerschen Heldengestalten, eines Siegfried, eines Tannhäuser gefangen
nehmen. Der Wagnersche Siegfried war seine Lieblingsgestalt. Wenn er
mit dem Bären in der ersten Scene des »Siegfried« jugendfroh auf die Bühne
stürmte, glaubte man den jugendlichen Recken, wie ihn Wagner geträumt,
wirklich vor sich zu sehen. Minder gut lagen ihm nichtwagnersche Rollen,
Alvary. Streccius. Lang.
137
die er in späterer Zeit auch weniger pflegte; doch erinnern wir uns dankbar
seines meisterhaften »Josephs in Aegypten«. Am 27. September 1894
haben wir ihn, als Siegfried, zum letztenmal gesehen. A.'s Stern erblich so
schnell wie er seinen höchsten Glanz erreicht hatte. In den letzten Jahren
hörte man nur mehr von seiner Krankheit und dem Prozess. Der kurze
Künstlertraum war ausgeträumt; vielleicht wäre er minder glanzvoll gewesen,
wenn er hätte länger dauern können. In der Geschichte der Oper, ins-
besondere aber in der des Wagnerschen Musik-Dramas, darf A.'s Name nicht
ungenannt bleiben, wenn auch sein rasch vorübergehendes Debüt in Neu-
Bayreuth in Folge von Differenzen, die auch Andern heute dort beschieden
sind, für die Lebens- und Entwicklungsgeschichte des Künstlers selbst ohne
Bedeutung geblieben ist.
In unserer Skizzirung derselben sind wir unserem (im Feuilleton der »Allgemeinen
Zeitung« vom 8. Nov. 1898, Abendblatt) erschienenen Nachruf und einer früher in dem-
selben Blatte (No. 247 vom 6. Sept. 1893) enthaltenen liebevollen Schilderung der ersten
KUnstlerjahre und der thüringschen Besitzung Alvarys durch Olga Arendt, als den aus-
führlichsten und authentischesten Darstellungen, die bis jetzt über A. vorliegen, in der
Hauptsache gefolgt.
Alfred Freiherr v. Mensi.
Streccius, Johannes, Kgl. Preussischer Generallieutenant z. D., ♦ 5. März
1831 in Stendal, f 26. Januar 1898 in Cassel, Militärschriftsteller, übersetzte
namentlich militärische und historische Schriften aus dem Russischen. Seine
Ausbildung erhielt er in dem Cadettencorps, das er am 28. April 1849
verliess, um als Seconde- Lieutenant in das Inf.-Regt. No. 17 einzutreten.
1855 wurde er Erzieher im Cadettenhause zu Berlin, 1857 Premier-Lieutenant,
1859 Hauptmann 3. Klasse, December 1860 Compagnie-Chef. Im März 1861
ä la suite des Regts. gestellt, ward er zum grossen Militär- Waisenhause in
Potsdam commandirt. Am 16. März 1869 zum Major befördert, ward er
Commandeur des Cadettenhauses zu Braunsberg, im Mai desselben Jahres je-
doch bereits Director der Kriegsschule in Cassel, unter Stellung ä la suite
des Generalstabes der Armee. Als bei Ausbruch des deutsch-französischen
Kriegs die Kriegsschule aufgelöst wurde, ward St. während der Dauer des
Krieges Generalstabsofficier bei dem Generalgouvernement im Bereiche des
7., 8. und II. Armeecorps und tibernahm im August 187 1 wieder das
Directorium der Kriegsschule in Cassel. 1874 zum Oberstlieutenant befördert,
erhielt er im Januar I875 ein Bataillon im 4. Thüringischen Infanterie Regt.
No. 72 und ward am 12. Dec. 1876 Commandeur des 2. Hessischen Inf.-
Reg. No. 76. Am 22. März 1877 Oberst und am 15. Mai 1883 General-
major erhielt er das Commando der 59. Infanterie-Brigade und ward am
16. April 1887 Commandant von Karlsruhe. Noch in demselben Jahre
erhielt er den Charakter als Generallieutenant, am 19. Sept. 1888 das
Patent seiner Charge unter Versetzung als Commandant nach Rastatt.
Am 18. April 1891 ward er zur Disposition gestellt. St., der den Rothen
Adler Orden 2. Kl. und den Kronen Orden 2. Kl. mit Schwertern am Ringe
besass, war ein wissenschaftlich ausserordentlich gebildeter Offtcier und bei
allen seinen Untergebenen geschätzer und beliebter Vorgesetzer.
O. Elster.
Lang, Paul, Dichter, * 9. September
bergischen Oberamt Crailsheim),
1846 zu Wildenstein (im württem-
19. März 1898 zu Urach. Sein äusseres
138 Lang.
Leben ist in keinem Stück aus dem gewöhnlichen Geleise des württem-
bergischen Theologen gewichen. Ein Pfarrerssohn, kam er mit fünf Jahren
nach Asch (Oberamt Blaubeuren), wohin sein Vater versetzt worden war, und
verbrachte die Knabenzeit in dieser reizvollen, an poetisch-romantischen An-
regungen reichen Gegend. Seit dem 11. Jahre besuchte er die Lateinschulen
in Münsingen und Lauffen am Neckar. Nach erstandenem Landexamen be-
zog er 1860 das Seminar Schönthal und 1864 behufs Studiums der Theo-
logie das Tübinger Stift. Nach Beendigung der Universitätsjahre war er drei
Jahre lang Vicar in Eningen bei Reutlingen und Ulm, seit 1871 Stiftsrepetent
in Tübingen, während welcher Zeit er zugleich an der Universität Vor-
lesungen über Platonische Philosophie hielt. 1872/73 unternahm er eine
wissenschaftliche Reise nach Südrussland, wo sein älterer Bruder Hermann
damals Pfarrer war, Herbst 1873 erhielt er seine erste definitive Anstellung
als Diaconus in Leonberg. Er vermählte sich jetzt mit Selma Macken. 1878
wurde er zum Pfarrer in Maulbronn, 1883 zum zweiten Stadtpfarrer in Lud-
wigsburg, 1889 zum Decan in Urach befördert. Hier wurde er im besten
Mannesalter seiner zahlreichen Familie durch einen raschen Tod entrissen.
Nicht als Theologe hat sich L. ein Anrecht auf Nachruhm erworben,
obwohl er auch hier seinen Mann gestellt und seine Pflichten redlich erfüllt
hat, vielmehr als Dichter, insbesondere als Erzähler. Er veröffentlichte in
Buchform nachstehende Novellen oder Novellensammlungen: i) Gärung und
Klärung. Ein Stück aus Schillers Leben. (Neue Volks-Bibliothek.) Stuttgart,
bei Levy & Müller, o. J. (1878). 2) Auf schwäbischem Boden. Vier Er-
zählungen. Stuttgart, bei Adolf Bonz & Comp., 1881. (Inhalt: a. Heimo.
Eine Geschichte aus dem Zehntiande. 282. b. Regiswindis. Eine Heiligen-
geschichte aus der Karolingerzeit. 837. c. An der Wiege eines Philosophen.
1775. d. Der Vicar von Enzweihingen. 1798. Eine zweite durchgesehene
Auflage erschien 1898. Einzeln wurde daraus 1886 Regiswindis gedruckt,
von Theodor Schmidt illustrirt. 3) Kirschenblüthe. Erzählung. Stuttgart, bei
Bonz, 1882. 4) Die Kastellanin und ihre Tochter. Erzählung. Stuttgart, bei
Bonz, 1882. 5) Rusenschloss. Eine Geschichte aus dem 15. Jahrhundert.
Stuttgart, bei Bonz, 1882. 6) Im Nonnenämtlein. Eine Geschichte aus dem
15. Jahrhundert. Stuttgart, bei Bonz, 1883. 7) Der Bildhauer von Kos. Eine
Geschichte aus dem Alterthum. Stuttgart, bei Bonz, 1884. 8) Mechthildis
von Hohenburg. Eine Geschichte aus der Hohenstaufenzeit. Stuttgart, bei
Bonz, 1884. 9) Bündner und Schwaben. Eine Geschichte aus Schillers
Jugendzeit. Stuttgart, bei Bonz, 1886. 10) Aus schwäbischen Gauen. Zwei
Erzählungen aus Schwabens Vergangenheit von Dr. R. Weitbrecht und Paul
Lang. Stuttgart, bei Emil Hänselmann (Süddeutsches Verlagsinstitut), o. J.
(1887). Darin von L. (aufS. iii — 316): Durch Sturm und Wetter. Lebens-
schicksale eines Zeitgenossen Friedrich von Schillers. 11) Maulbronner Ge-
schichtenbuch. Stuttgart, bei Bonz, 1887. (Inhalt: a. Angelus pacis. 1433.
b. Gerhard von Enzberg. 151 8. c. Der Türkenknabe. 1688. d. Der Kloster-
schlüssel. 1800.) 12) Neue Erzählungen. Stuttgart, bei Bonz, 1892. (Inhalt:
a. Vier Säcke. 1492. b. Das Grab Mose's. 1640. c. In zwölfter Stunde. 1733.
d. Wieder gut. 1758. e. Künstlers Ostern. 1771.) 13) Wilder Uilaub. Eine
Erzählung aus alter Zeit. Heilbronn, bei Max Kielmann, 1897 (zuerst in
Velhagen & Klasing's Monatsheften 1894/95. Heft 8, S. 122 ff".).
Wenn man von dem Bildhauer von Kos absieht, so hat L. alle seine
Stoffe der Geschichte seiner schwäbischen Heimath entnommen. Und zwar
Lang. 13g
durchmisst er sie in allen ihren Theilen von den Tagen der römisch-germa-
nischen Grenzkämpfe, der Heimo und Wilder Urlaub zugehören, bis zur Ge-
genwart, die durch eine artige, an die Muse der Wildermuth gemahnende
Dorfgeschichte »Kirschenblüthe« vertreten ist. Dazwischen verweilt er bei den
Epochen der Karolinger, der Staufer, der Erfindungen und Entdeckungen,
des Humanismus und der Reformation, des dreissigjährigen Krieges. Besondere
Vorhebe zeigt er für das Zeitalter Schillers. In den verschiedensten Er-
zählungen lässt er den grossen schwäbischen Dichter auf den verschiedensten
Altersstufen theils als Helden, theils als Nebenfigur auftreten. Seine Ge-
schichten aus älterer Zeit spielen sich häufig hinter Klostermauern ab. Ueber-
haupt bevorzugt er das kulturhistorische Element vor dem rein historischen.
Man kann femer in L.'s gesammter Novellistik die Spuren seines eigenen
Daseins verfolgen. Die Erinnerungen an die Blaubeurener Gegend, die er
als Knabe durchstreift hatte, bescheerten ihm das Rusenschloss. Als Lauffener
Lateinschüler tummelte er sich häufig um die hoch über dem Neckar ge-
legene Regiswindiskapelle, und die davon empfangenen Eindrücke haben ihn
später zu der Heiligengeschichte Regiswandis, einer seiner besten Gaben, an-
geregt. Schellings Philosophenwiege, der er eine kleine Erzählung gewidmet
hat, stand unter dem Dache des Leonberger Pfarrhauses, das er selbst fünf
Jahre lang bewohnte. Das poetische Ergebniss seiner Maulbronner Amtszeit
war das Maulbronner Geschichtenbuch. Auf seinen Wanderungen in Urachs
prächtiger Umgebung stieg in ihm der Gedanke zu seinem Wilden Urlaub
auf. Ueberall war es ihm eine Lust, den Erinnerungen vergangener Ge-
schlechter nachzugehen. Auf diese Weise fusst seine ganze Erzählungskunst
auf dem festen Boden der Wirklichkeit, obwohl er in durchaus idealistischer
Weise stilisirt und sich vom Naturalismus völlig fern gehalten hat. Seine
kulturhistorischen Bilder sind mit sicherer Hand und sauberem Griffel ent-
worfen, verrathen stets den gebildeten Mann, der mit den Geschichtsepochen,
die er gerade schildert, wohl vertraut ist. Am meisten gefällt er da, wo er
kleinere episodische Ausschnitte aus der Geschichte giebt. Grosse zeitbe-
wegende Conflicte hat er nicht sonderlich tief zu fassen vermocht; so ist im
Bildhauer von Kos der Kampf zwischen Heidenthum und Christenthum nur
ganz oberflächlich berührt. Gern spinnt L. seine Fäden von Schwaben aus
nach fernen Ländern und Zonen hinüber und bringt dadurch Bewegung und
Abwechslung in seine Handlungen. Ueber üppige Phantasie gebietet er nicht.
Doch reicht seine Erfindungsgabe immerhin für die Zwecke aus, die er an-
strebt. Denn nicht um starke Wirkungen, um Spannung und Aufregung, um
Entwicklung mächtiger Leidenschaften oder auch nur um Entfaltung psycho-
logischer Künste ist es ihm zu thun. Er bescheidet sich damit, anspruchslose
Leser in anspruchsloser Weise anzuregen, zu erfrischen, zu erheitern. Be-
dächtig entwirft er seine Erzählungen, planmässig führt er sie aus, ohne Hast
und Ueberstürzung, mit offenbarem Behagen und liebevollem Eindringen in
die Details. Er ist in der Technik des Romans bewandert, doch erscheint nicht
alles bei ihm gleichmässig durchgebildet, manches von vornherein zu skizzen-
haft angelegt. Seinen interessantesten Stoff hat er nicht völlig bewältigt: die
Geschichte des Vicars von Enzweihingen, eines Tübinger Stiftiers, der 1798 in
die französisch-republikanische Propaganda hineingezogen wird und so um
sein Amt und um seine Braut kommt. L.'s Darstellungsmittel sind eben nicht
glänzend, aber durchaus solid; er schreibt einen volksthümlich kräftigen, sorg-
sain ausgefeilten Stil. Manches hat einen moralisirenden Beigeschmack. Doch
l^o Lang. Feldhüter.
hält seinen belehrenden Tendenzen ein harmlos freundlicher Humor das Gegen-
gewicht. L.'s Erzählungen spiegeln in ihrer Gesammtheit das Bild eines
gemüthvoll veranlagten und durchaus wohlwollenden Menschen wider. Seine
ganze Poesie trägt den Stempel des Gesunden, Tüchtigen, Gediegenen; das
Herz zu bezwingen, hinzureissen, zu begeistern vermag sie freilich nicht.
Einiges bleibt sogar an geistigem Gehalt unter dem Durchschnitt, macht
einen dürftigen, ja ärmlichen Eindruck. Trotzdem sind L.'s sittlich reine
Novellen für die reifere Jugend, für das deutsche Haus willkommene Gaben,
die weiterer Verbreitung wohl werth wären.
L. hat auch von der Knabenzeit an Verse gemacht und eine Anzalil
seiner Erzeugnisse in Zeitungen, Zeitschriften, Sammelwerken niedergelegt.
Doch hat er niemals eine Buchausgabe seiner Gedichte veranstaltet, so dass
auf ein zusammenfassendes Urtheil über den Lyriker verzichtet werden muss.
Er neigte mehr zur Beschauung und Betrachtung, als zum unmittelbaren Ge-
fühlsausdruck. Das Lyrisch-Epische war sein Element. Dann wieder verfasste
er launige Stimmungsbildchen, theilweise im Dialect. Auch in Zeitfragen
erhob er manchmal die Stimme, seinem patriotischen Empfinden, insbesondere
seiner Bismarck- Verehrung beredte Worte leihend. Aus seinem Nachlasse
wurden poetische »Sonntagssprüche« veröffentlicht. Auch zu Lebzeiten ist er
wiederholt als christlicher Erbauungs-Schriftsteller hervorgetreten, so mit »Merk-
versen zu Luthers Werden und Wirken«, mit der Schrift »Mein Glaube. Eine
Gabe zur Erinnerung an die Konfirmation« u. s. w. Endlich ist L. als Kritiker,
namentlich von Büchern aus dem Bereiche der schönen Litteratur, für ver-
schiedene Journale, den Schwäbischen Merkur, die Blätter für litterarische
Unterhaltung u. s. w. thätig gewesen.
»Schwäbische Kronik« vom 23. März 1898 (Mittagsblatt), »Schwabenland« 1898. Nr. 9
(mit Bild), Richard Weitbrecht in »Kirchlicher Anzeiger für Württemberg« 1898, Nr. 14,
S. 116 f., Rudolf Assmus (»Paul Lang als £rzählerc<) in »Die Grenzboten« 1898, Nr. 46,
S. 352 — 357, Franz Brummer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neun-
zehnten Jahrhunderts (4. Ausgabe), II. S. 374.
R. Krauss.
Feldhüter, Ferdinand, Landschaftmaler, * 7. April 1842 zu München,
f 9. December 1898 ebendaselbst. Zum Decorationsmaler bestimmt, bahnte
er sich mit der den Autodidakten eigenen Energie den Weg zur Kunst; er
wählte nach dem Vorgange des gewandten Julius Lange (181 7, f 1878") die
idyllische Landschaft und sammelte seine Stoffe aus der Gebirgswelt Altbayems,
Tyrols, der Schweiz und Oberitaliens. F. liebte die Wiedergabe eines heiteren
Morgens, eines sonnigen Nachmittags; entsprechend seinem fröhlichen Sinne
erschien ihm die Natur immer in heiterer, verklärter Stimmung; Abendbilder,
Nachtscenen oder Regentage und Stürme wurden sorgsam vermieden. Seine
Schöpfungen trugen den Stempel seines jovialen Temperaments, womit er in
jeder Gesellschaft als Sänger, Dichter, Erzähler und Humorist excellirte.
Unter seinen zahlreichen, von den Kunstvereinen gern erworbenen Bildern
erinnern wir nur an einen »Walchen-« (1877) und ^^Vierwaldstätter-See«.
(1881); eine »Gebirgsschlucht« (1884) und eine Parthie »Bei InzelU und
»Mauthhäusel« ; den »Hohen Göll bei Berchtesgaden« brachte ein Holzschnitt
in »Vom Fels zum Meer« XL Jahrg. 26. Heft und »Die Kuhflucht in Ober-
bayern« No. 49 »Ueber Land und Meer« 74. B. 1895. Einen »Hallstätter-
See« erwarb 1898 der Münchener Kunstverein; daselbst erschien auch im
Feldhüter, .v. Hagn. 141
Januar 1899 ein trefflicher Blick auf den Lago Maggiore«. F. erlag einem
Herzleiden. Eine reiche Ausstellung von sehr anziehenden fertigen Bildern,
von Skizzen und Studien, erfolgte aus des Künstlers Nachlass im Kunstverein
Anfangs Mai 1899.
Vgl. Kunstvereinsbericht f. 1898. S. 72.
Hyac. Holland.
Hagn, Ludwig von, Genremaler, ♦ 23. November 18 19 zu München,
•h 15. Januar 1898 daselbst. Ein jüngerer Bruder der ihrer Zeit so berühmten
Heroine Charlotte von Hagn (1809 — 91), erhielt, erst zum Militärdienst be-
stimmt, seine Erziehung im Cadettencorps zu München, kam nach Berlin und
daselbst durch die Bekanntschaft mit dem Marinemaler Wilhelm Krause
(1803, f 1864) zur Kunst; besuchte die Münchener Akademie und zählte
alsbald zu den jungen Malern, die unter Albert Zimmermann (1809, t 1888)
und dessen Brüdern zu Eberfing und Fölling landschaftliche Studien nach
der Natur betrieben. Zur weiteren, insbesondere koloristischen, Ausbildung
wendete sich H. nach Antwerpen, schulte sich hier unter Gustav Baron von
Wappers und Eugenius Frans de Block, ging dann über Brüssel nach Berlin
(1851), wo ihn Menzels Vorbild und die Interieurstudien in den Schlössern
Potsdam und Sanssouci zum Rococogenre leiteten. Nach längerem
Aufenthalt zu Paris (1853 — 1855) kehrte H. nach München zurück, wo
er »unter den Sittenbildmal em der erste, eigentliche Colorist der Schule wurde
und besonders die Rococozeit in die Mode brachte« (Pecht). Dazu gehören
ein «Antiquar« (1861) und ein »Alchymist«, das »letzte Kleinod der Witt^^e«,
ein »Conversationsstück« (vergl. Eggers: Deutsches Kunstblatt 1856. VII, 391).
Freilich entstanden nebenbei auch andere Bilder mit den landläufigen Scenen,
wie »Eindringliche Ermahnungen« (gegen Vogelnest-Raub; vgl. Julius Grosse
in Nr. 27 »Neue Münchener Ztg.« 1857), »Inneres einer Bauemhütte« (vgl.
Julius Grosse in Nr. 128 »Neue Münchener Ztg.«, 29. Mai 1858). Weitere
Förderung erhielt seine Kunst durch mehrfache Reisen nach Oberitalien und
durch einen längeren Aufenthalt zu Rom und Florenz (1863 — 1865). Nun
folgten seine bedeutendsten Leistungen: »Eine im Park versammelte Gesell-
schaft unterhält sich mit Musik« (Neue Pinakothek), der »Vorlesende Dichter«,
die meisterhafte, mehrfach wiederholte »Römische Bibliothek« (radirt von
W. Unger, in Lützow's Zeitschrift 1870, V. 122), die »Feier des Gründonnerstag
in einer italienischen Basilika« (als Holzschnitt in Nr. 29 »UeberLand und Meer«
1886, 56. Bd. S. 633), das »Cavalier-Duell«, die »Fahrenden Musikanten«, viele
Interieur- und Gartenscenen im Styl des vorigen Saeculums, darunter auch
ein »Münchener Sommervergnügen im XVIII. Jahrh.« mit kegelnden Herren,
die »Contraste« (Bettelleute vor einem Schlosse), die Darstellung der »Fron-
leichnams-Procession in München 1760« (im Besitz des Stadt-Magistrats. Vgl.
Lützow's Zeitschrift 1884. XIX, 352 und »Gartenlaube« 1885 S. 356. 57)
und »Kirchen-Interieur« (ein Geistlicher zeigt zwei fremden Eminenzen ein
kunstvolles Sakramentenhäuschen, 1883). H's. Bilder können als wahre
culturhistorische Novellen gelten, welche in anziehender, leichtverständlicher
Weise durch ihre liebevolle Ausführung, in feiner Farbe und Form den
Beschauer gewinnen und fesseln. Dazu gehören auch die »Partie aus
dem Garten Colonna in Rom« und eine »Italienische Parkscene« (Galerie
Schack), die »Audienz im Vatican« (1881) und »Tintorett in der Scuola di
S.' Rocco«. Der Künstler erfreute sich nach einer harten Jugend bald
IJ.2 ▼• Hagn, Audorf.
einer glücklichen Unabhängigkeit, die ihm auch ein stilles, nur Wenigen
bekanntes Mäcenatenthum ermöglichte. Sein Portrait malte Franz von
Lenbach 1867.
Vgl. »MUnchener Propyläen« 1869. K. 27 S. 625 — 28 (Regnet). Graf Schack >Meiiie
Gemäldesammlung« 1881 S. 173. Berggruen »Die Graphischen Künste« 1883. V. Jahrg^.
Pecht »Gesch. der Münchener Künste« 1888 S. 248. Nekrolog im Morgenblatt 18 »All-
gemeine Zeitung« 19. Januar 1898 (abgedruckt im Rechenscbafts-Bericht des Münch.
Kunstvercins 1898 S. 68 und Kunst für Alle« 15. Febr. 1898 S. 160).
Hyac. Holland.
Audorf, Jakob, socialistischer Schriftsteller und Dichter, * i . August 1835
zu Hamburg, f 20. Juni 1898 ebenda. Er war der Sohn eines Haartuchwebers
— ein ausgestorbenes Kleingewerbe — des »alten« Jakob A., der in den
Anfängen der deutschen Socialdemokratie, ja schon in der radikal-demokra-
tischen Bewegung von 1848/49, bereits stark kommunistisch angehaucht, eine
hervorragende Rolle gespielt hat. Der Vater, Sendling der deutschen revo-
lutionären Demokratie bei deren Emigranten in London und in der »freien
Hansestadt« Märtyrer seiner Ueberzeugung, hatte die letztere dem Sohne ein-
geimpft, als dieser, schon eifriges Mitglied des heimathsstädtischen Arbeiter-
Bildungsvereins gewesen, nach fünfjähriger Lehre in einer Schlosser- und
Mechaniker-Werkstätte im Herbste 1857 als Junggeselle mit drei Thalem in der
Tasche auf die Wanderschaft ging. Sie führte ihn in die, den deutschen Hand-
werksburschen laut Legitimation verbotene Schweiz, wo er in den blühenden
deutschen Arbeitervereinen, den Pädagogien der entstehenden Socialdemo-
kratie, bald zu leitender Stellung kam und 1858 Präsident desjenigen zu
Winterthur wurde. Als solcher besuchte er 1859 Zürich zu Schillers Jahr-
hundertfeier, wo er den grossen Freiheitssänger in zündender Rede erhob
und Georg Herwegh, sowie den nachherigen Bismarckschwärmer Hans Blum,
Roberts Sohn, als Gesinnungsfreunde kennen lernte und letzteren unter-
stützte. A. , in Mussestunden Autodidakt in der französischen Sprache,
wanderte 1861 über Mülhausen i. E. nach Paris (wo er ebenfalls dem
»deutschen Arbeitervereine« angehörte), dann nach London. 1863 kehrte
er in die Heimath zurück, wo eben sein Vater als einer der ersten Lassalle
Bahn brach. Der junge A. wurde nach Leipzig zur Konstituirung des
»Allgemeinen deutschen Arbeitervereins« delegirt und sogleich mit in dessen
Vorstand berufen, auch zu seinem Bevollmächtigten in Hamburg. Bis zu-
letzt hat A. den LassaJleschen Standpunkt mit dessen nationaler, d. h. ge-
meindeutscher Farbe vertreten, beiderseits sowohl gegenüber der exaltirten
Internationale als nach 1866 dem sächsischen und süddeutschen Partikularis-
mus. Die Agitation Lassalles weckte in ihm die Poetenader. »Unter dem
gewaltigen Eindruck dieser Bewegung schuf er sein gewaltiges Lied, die
deutsche Arbeiter -Marseillaise. Unter den Klängen dieses Liedes hat das
deutsche Proletariat die Kämpfe aufgenommen mit allen den Mächten, die
ihm entgegenstanden«, rief ihm sein Parteigenosse Frohme ins Grab nach.
Diese Strophen, einfach, aber packend, erwuchsen ihm anlässlich der Todten-
feier Lassalles 1864. A. besass seiner Natur nach Überhaupt mehr eine
sensible Poetenader als politisch-diplomatische Talente. Letztere nutzte er
rasch ab. Während der Kinderkrankheit der Partei 1864/65 hielt er treu an
der Lassalleschen Organisation und dem Präsidenten Bemh. Becker: dies
bekundet seine lange Erklärung im »Socialdemokrat« vom 7. Juli 1865 und
Audorf. Bielz.
143
das Auftreten bei der Centralfeier am 22. Mai zu Frankfurt a. M., wo er den
Delegirten vorsass. Die inneren Streitereien der nächsten Jahre vergällten
ihm mit seinem Idealismus die energische Theilnahme, und so wandte er
sich 1868 nach Russland. Erst nach der 1875 ^^^ ^^^ Gothaer Kongress
stattgehabten Union der zwiespältigen Parteigenossen kehrte A., auf eine, von
August Geib angeregte Einladung hin, nach Hamburg zurück, wo er in die
Redaktion des eben gegründeten »Hamburg- AI tonaer Volksblatts« eintrat.
Aber nachdem er bei der Reichstagsstichwahl 1877 in Lennep-Mettmann mit
5527 Stimmen gegen den Nationalliberalen, den Historiker H. Sybel unterlag,
begab er sich wieder nach Russland. 1881 wurde er, in Hamburg kaum ange-
langt, auf Grund des »kleinen Belagerungszustandes« ausgewiesen, ging nach
Moskau, fand aber jetzt bei der dortigen deutschen Colonie eine kühle Aufnahme.
Für eine deutsche Fabrik (wohl in Lodz) bereiste er das Riesenreich bis nach
Sibirien. 1887 gestattete der Senat Hamburgs, durch den Moskauer deutschen
Konsul veranlasst, A. 's Heimkehr, und im April 1888 trat er in die Redaktion
des dritten der einander ablösenden Partei-Organe, des »Hamburger Echo«,
ein. Ungeachtet längeren Siechens, während dessen seine ihm erst in reiferen
Jahren angetraute Gattin Anastasia Djakow, die stets Südrussin und so seiner
Gedankenwelt ziemlich fern blieb, liebevollste Pflegerin und Trösterin war,
hat er dies Amt mit Eifer und Hingabe geführt und ist durch seine regel-
mässigen Wochenplaudereien allein schon als wirkungsvoller Journalist be-
kannt geworden. Publicist im höheren Sinne muss er aber wegen seiner
socialdemokratischen I-»ieder und Gedichte heissen. Die politischen Dich-
tungen seiner jüngeren Jahre, auf das Heidelberger Schloss (»Unsere
Schmach, die klebt an den Ruinen«), vor Römer und Paulskirche in Frank-
furt u. s. w., sind noch strenger national; später äussert er sich theils
satirisch-ironisch (»Die Petroleure«, ein vielgesungenes Pamphlet), theils ge-
legenheitlich, und da verkündet er schon 1864: »Das freie Wahlrecht ist
das Zeichen, in dem wir siegen.« In vielen Wander- und Liebeslied em
trifft er mit glücklicher Empfindsamkeit volksmässige Klänge und steht
da ästhetisch über den einschneidenden socialistischen Streit- und Fest-
gesängen.
Eine Auswahl Gedichte 1893 in »Deutsche Arbeiter-Dichtung« (Stuttgart), die meisten
vorher einzeln in Zeitungen u. s. w. , auch von Mund zu Mund verbreitet. Bei vorstehen-
dem Nekrolog lagen ausser den Nummern des »Hamburger Echo« vom 21. bis 23. Juni
1898, die ich nebst Notizen grossentheils dessen Redakteur G. Stengele (plant eine Samm-
lang der Gedichte A. s.) verdanke, die pietätvolle Lebens- und Charakterskizze aus der
Feder des Reichstagsabgeordneten Ignaz Auer für den »Neuer -Welt -Kalender« 1899 im
Bürstenabzug vor. Ueber die Dichtungen gut orientirende Notiz in der Berliner »Vossi-
schen Zeitung« 1898 No. 289, 3. Beilage. Vgl. E. Kreowskis Artikel »Deutsche Arbeiter-
dichtung«, i. d. «Gegenwart« XLVII Nr. 15 (angeschlossen an obige Anthologie), beson-
ders S. 231; Schweichel i. d. »Neuen Zeit« IX 2, 624; F. Mehring, Gesch. d. dtsch. Sozial-
demokratie II 543.
Ludwig Fränkel.
Bielz, Albert Eduard, * 4. Februar 1827 in Hermannstadt, f ebenda
26. Mai 1898, siebenbürgisch- sächsischer Naturforscher. Das Haus stammt
aus Birthälm, einem Marktflecken im Siebenbtirger Sachsenland, der drei-
hundert Jahre lang der Sitz der evangelischen Bischöfe war. Der Vater
Mich. B. war zuerst Prediger dort, dann Pfarrer in Neudorf, doch legte er
182 1 die Stelle nieder und übersiedelte nach Hermannstadt, der Erziehung
144 Bielz.
der Kinder wegen und errichtete dort eine lithographische Anstalt. Im
Suchen nach geeigneten Steinen erwachte das wissenschaftliche Interesse, das
sich vor allem im Sammeln und im Briefwechsel mit auswärtigen und
heimischen Gelehrten kundgab, und so wurde er mit dem Kreis, der sich
um ihn gebildet hatte, 1849 einer der Hauptbegrtinder des siebenbürgischen
Vereins für Naturwissenschaften in Hermannstadt. Der Geist des väterlichen
Hauses übte nachweisbaren Einfluss auf den Sohn, der frühe schon gleiches
Interesse am Sammeln heimischer Naturprodukte fand. Kaum 15 Jahre alt,
durchstreifte er mit den Freunden des Vaters halb Siebenbürgen, und es
wuchs die Neigung für die naturgeschichtlichen Studien in ihm auf. Nachdem
er 1846 das Hermannstädter Gymnasium absolvirt und die juristische Facultät
ebenda besucht hatte, trat er 1848 bei der Communal -Forstverwaltung in
Hermannstadt ein, dann bei Eintritt der Revolution in die kaiserliche Armee.
Der nach Steinen und Pflanzen, Schnecken und Käfern suchende Lieutenant
war eine auffallende Erscheinung im Kreis der Kriegskameraden. Nach
Wiederherstellung des Friedens trat B. wieder zum Civildienst über, wurde
Finanzsecretär, 1869 Mitglied des statistischen Landesbureaus in Pest, wo er
hervorragenden Antheil an der Volkszählung 1870 nahm. Vom Amt des
I. Ministerial-Secretärs, das er 1871 erhalten hatte, wurde er Schulinspector
für das Sachsenland, dann des Hermannstädter Comitats; eine Erblindung,
die zuletzt beide Augen ergriff, zwang ihn, in Ruhestand zu treten (1878).
Gerade diese Zeit aber hat er in einer geradezu wunderbaren Weise zu
wissenschaftlichen Arbeiten ausgenützt. Es ist ein Zeichen für sein aufmerk-
sames Beobachten und Sehen, für die sichere Herrschaft in seinem Wissens-
gebiet, dass er im Stande war, weiter zu arbeiten. Er kannte sich nicht
nur in seiner Bibliothek wie ein Sehender aus, selbst Holz spalten konnte er
und sich Feuer anmachen.
Seine wissenschaftliche Arbeit umfasst sein ganzes Leben und das ganze
Gebiet der heimischen Naturwissenschaft. Er war vor allem ein bedeutender
Sammler nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten. In ausgebreitetem Brief-
und Tauschverkehr mit zahllosen Gelehrten des In- und Auslandes gelang
es ihm, nicht nur die eigenen Sammlungen auszudehnen, sondern auch im
Ausland Interesse für die heimische Naturwissenschaft zu erwecken. Die
Conchyliologie stand im Vordergrund seiner Sammelthätigkeit. Grosse Samm-
lungen verkaufte er an öffentliche Institute, eine Käfersammlung sammt der
dazu gehörigen Bibliothek an den naturv\'issenschaftlichen Verein in Hermann-
stadt, vollständige Sammlungen der Land- und Süsswasser-Mollusken an das
Nationalmuseum in Pest, an die geologische Reichsanstalt u. s. f. Ebenso
interessirten ihn die Wirbelthiere, die Klasse der Fische hat er mit einzelnen
neuen Species bereichert. Auf dem Gebiet der Fauna war er nicht bloss
Sammler, sondern auch Forscher: Zeuge dessen die Arbeiten über all die
genannten Gebiete. Dazu eine staun enswerthe Kenntniss aller anderen Ge-
biete: Pflanzen und Thiere kannte er gründlich und war immer in der
Lage, immer bereit. Freunden und Genossen beizustehen. Im Jahre 1854
veröffentlichte er die erste geognostische Karte Siebenbürgens. Als die
geologische Reichsanstalt in Wien 1859 ^"^ 1860 die Uebersichts-Aufnahme
Siebenbürgens unternahm, da war neben Hauer, Stäche, Richthofen und Schur
vor Allem B. dabei thätig, und seine Verdienste wurden von allen Betheiligten
offen anerkannt. Die Hauer-Stache'sche Geologie Siebenbürgens verdankt seiner
Mitwirkung viel. Die umfassende Kenntniss des Landes — durch fortwährende
Bielz. Schultze.
145
Bereisungen vermehrt, darunter ihm selbst besonders werthvoll die amtliche
Begehung der Grenzgebirge — befähigte ihn vor Allem für zusammenfassende
Darstellungen des Landes. So erschien 1856 eine kurzgefasste Erd-
beschreibung von Siebenbürgen für den Schulgebrauch, 1857 sein Handbuch
der Landeskunde Siebenbürgens, ein Buch, das seine Stellung in der sieben-
bürgischen Wissenschaft für immer hat, ebenso das 188 1 erschienene (2. Aufl. 1885)
Reisehandbuch für Siebenbürgen. Neben diesen grossen Arbeiten laufen eine
Menge Einzel arb eiten , die sich über das ganze naturwissenschaftliche Gebiet
erstrecken: Mineralogie und Geologie, Botanik und Zoologie, — die Wissen-
schaft zählt etliche 70 auf, das Zeichen rastlosen Fleisses und ungebrochenen
Forschertriebs. Die Arbeiten des naturwissenschaftlichen Vereins in Hermann-
stadt sind im letzten Menschenalter um ihn gruppirt gewesen, es gab keine,
an der er nicht mehr oder weniger Antheil gehabt hätte: in den Sammlungen,
den Publikationen, dem Museumsbau des Vereins begegnet man seinen
Spuren. Er bildete den Mittelpunkt der heimischen naturwissenschaftlichen
Forschung, seit 1874 war er Vorstand des naturwissenschaftlichen Vereins,
seit der Gründung des Karpathenvereins (1880) Vorstand-Stellvertreter, seit
1854 Ausschussmitglied des Vereins f. sieb. Landeskunde u. s. f. Aber auch
für die ausländische Wissenschaft war er ein Mittelpunkt alles dessen, was die
naturkundliche Erforschung Siebenbürgens betraf: Die Herausgabe der Käfer-
fauna Siebenbürgens durch Seidlitz (1891) geht wesentlich auf seine An-
regung zurück und ist unter seiner Mitwirkung zu Stande gekommen. So
repräsentirt er ein wesentliches Stück sächsischer Culturarbeit der Gegen-
wart. Dass deutsche Forschung in Siebenbürgen auf dem Gebiete der Natur-
geschichte in der ersten Reihe steht, ist mit auch sein Verdienst. B. war
in glücklichster Ehe mit Josephine Bergleiter vermählt. Schwere Schicksals-
schläge der letzten Jahre, Krankheit und Tod im engeren Familienkreis,
trug er wie das eigene Leiden heldenmüthig.
Quellen: Trausch: Schriftstellerlexicon II. S. 133. Vor Allem Dr. Josef Capcsius:
E. A. Bielz in den Verhandlungen und Mittheilungen des siebenb. Vereins f. Naturwissen-
schaften. Hermannstadt, 1899. Als Anhang ein Verzeichniss der von £. A. B. veröffent-
lichten litterarischen Arbeiten. p Tentsrh
Schultze, Theodor, Oberpräsidialrath a. D., * 22. Juni 1824 zu Oldenburg
in Holstein, f 6. April 1898 zu Potsdam. Als Knabe frühreif, • las er schon
zu 12 Jahren fliessend Homer und Horaz. Durch einen Hauslehrer — frei-
sinniger Theologe — von Hörn vorgebildet, bezog er später das Gymnasium
zu Lübeck, welches er im Frühjahr 1842 verliess. Schultze hatte besondere
Begabung fiir Mathematik, studirte jedoch auf dringenden Wunsch seines
Vaters Jura in Kiel, wo er Burschenschafter war, und in Berlin. In Kiel be-
stand er sein Examen und zwar so glänzend, dass die Universität an seinen
Vater einen reitenden Boten zur Beglückwünschung sandte. 1848 trat er als
Auscultant am Schleswigschen Landesgerichte ein; 1856 wurde er Chef des
dritten Departements, 1857 Etatsrath und 1863 Rath der holsteinischen Re-
gierung. Nach der Besetzung der Herzogtümer durch Preussen blieb er pro-
visorisch in der Verwaltung beschäftigt, wurde aber aus preussischen Diensten
entlassen, weil er am i. Juli 1864 zum König Christian IX. von Dänemark
gegangen war, um sich seines Eides persönlich von diesem entbinden zu
lassen. Darauf ging S. nach Oldenburg, wo er Geheimer Hofrath wurde;
dort verfasste er in Gemeinschaft mit Professor Pemice (der allein als Ver-
Biogr. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. I O
146 Schul tze.
fasser genannt ist) das Buch: »Kritische Erörterungen zur Schleswig-Hol-
steinischen Successionsfrage, mit besonderer Rücksicht auf die Schriften des
Herrn von Warnstedt.« Cassel 1866. Verlag von Theodor Fischer. Auf
Grund dieser Schrift bezahlte Preussen dem oldenburgischen Hause eine
Million Thaler zur Abfindung. Bald darauf verliess S. Oldenburg, trat aufs
Neue in die preussische Verwaltung ein und wurde 1866 Regierungsrath in
Kiel. 1868 wurde er nach Potsdam versetzt. 1874 bemühte sich Bismarck,
ihn für sein Ministerium zu gewinnen, jedoch lehnte S. ab. 1881 wurde er
Oberpräsidialrath und Hess sich 1888 wegen andauernder Kränklichkeit pen-
sioniren. In den letzten 10 Jahren lebte er ganz seiner litterarischen Thätigkeit.
S. war in Bezug auf Charaktereigenschaften, durchdringenden Intellect
und bedeutendes Wissen gleich hervorragend. Sein Arbeitsgebiet umfasste
— von seiner Berufs-Thätigkeit abgesehen — vor Allem Philosophie, Alter-
thumswissenschaft, besonders Indologie, Mathematik und Physik. Im letzten
Jahrzehnt seines Lebens wandte er sich mehr und mehr der indischen Welt-
anschauung zu; er ist als einer der Ersten von denen zu betrachten, welche,
an Schopenhauer anknüpfend, die Weltanschauung des Abendlandes durch
Verbreitung der Philosophie- und Religionssysteme Indiens zu regeneriren
versuchen. Persönlich hat er auf dem Standpunkt eines geläuterten Buddhis-
mus gestanden; vom Christenthum hat er sich schon früh abgewandt. S. hat
zeitlebens sehr zurückgezogen gelebt und ausser seiner Familie sind es nur
ganz Wenige gewesen, die ihm nahe standen.
Seine Publikationen umfassen folgenden Werke:
1. Eine Uebersetzung des buddhistischen Werkes Dhammapada, unter
dem Titel: Das Dhammapada. Eine Verssammlung, welche zu den kano-
nischen Büchern der Buddhisten gehört. Aus der englischen Uebersetzung
von Professor F. Max Müller in Oxford, Sacred books of the East Vol. X,
metrisch ins Deutsche übertragen. Mit Erläuterungen. Leipzig, Otto Schulze,
II Querstrasse, 1885. (S. hat sich nur unter dem Vorwort als Verfasser ge-
nannt). Jetzt im Verlag von Willi. Friedrich in Leipzig.
2. Berichtigungen zu Dr. Franz Mischeis deutscher Uebersetzung von
Anquetil Duperron's Oupnek'hat. Aus einem hinterlassen en Manuscript des
Verfassers. Dresden, Commissions-Verlag und Druck von E. Heinrich, 1887.
3. Vedanta und Buddhismus als Fermente für eine künftige Regeneration
des religiösen Bewusstseins innerhalb des europäischen Culturkreises von
Th. Schultze. Oberpräsidialrath a. D. Leipzig, Verlag von Wilhelm Friedrich.
(Dieses Buch war zuerst in 2 Bändchen unter den Titeln: »Das Christenthum
Christi und die Religion der Liebe; ein Votum in Sachen der Zukunfts-
religion« und »Das Rollende Rad des Lebens und der feste Ruhestand« im
Jahre 1891 erschienen).
4. Buddhas Leben und Wirken. Nach der chinesischen Bearbeitung
von A^vagoshas Buddha-Carita und deren Uebersetzung in das Englische
durch Samuel Beal in deutsche Verse übertragen von Th. Schultze, Ober-
präsidialrath a. D. Leipzig. Druck und Verlag von PhiHpp Reclam jun.
5. Ueber den menschlichen Verstand. Eine Abhandlung von John Locke.
Aus dem Englischen übersetzt von Th. Schultze, Oberpräsidialrath a. D.
2 Bde. Leipzig. Druck und Verlag von Philipp Reclam jun. 1898.
Eine Biographie Theodor Schultze's aus der Feder des Unterzeichneten erschien in
Fr. Frommanns Verlag (E. Häuft) in Stuttgart unter dem Titel: »Ein deutscher Buddhistc.
Dr. x\rthur Pfungst.
Herzog. Fein. I ^*j
Herzog, Heinrich, Lehrer und Jugendschriftsteller, * 23. Januar 1822 in
Reckingen (Bezirk Zurzach, Canton Aargau), f den 7. Januar 1898 in Aarau.
Als Sohn eines wohlhabenden Bauern, dem er nach Beendigung seiner Schul-
zeit in der heimathlichen Gemeindeschule bei der Bestellung der Landwirth-
schaft behülflich war, brachte es H. durch fleissiges Selbststudium dahin,
dass erj 1841 in das unter der Leitung Augustin Kellers stehende Lehrer-
seminar in Lenzburg eintreten konnte, dem er bis zum Jahre 1844 an-
gehörte. Am 6. Januar 1845 übernahm er die Führung der Gemeinde-
schule in Gebensdorf (Bezirk Baden), von wo er 185 1 an die Aarauer
Gemeindeschule gewählt wurde. Unablässig bemüht, sein im Seminar
erworbenes Wissen zu erweitem und zu vertiefen, legte er auch die Prüfung
eines Lehrers der Bezirksschule ab, als welcher er von 1860 bis 1866 an der
Bezirksschule in Aarau amtete. Nach der im letztgenannten Jahre erfolgten
Reorganisation dieser Schule trat er wieder in seine frühere Stellung an der
Gemeindeschule zurück, in der er (später als Oberlehrer) bis zum Herbste
1895 mit trefflichem Erfolge wirkte. Fast 45 Jahre hindurch ist er den
Schulen Aaraus treu geblieben, und in welchem Geiste er als Lehrer und als
Erzieher, Strenge mit Milde paarend, hier seines Amtes gewaltet hatte, zeigte
sich deutlich an der erhebenden Feier seines Lehrerjubiläums am 6. Januar
1895. Nur ein ganz kurzes Otium cum dignitate war dem unermüdlichen
Jugendbildner vergönnt, der Zeit seines Lebens bestrebt war, die reichen Er-
fahrungen, die er in seiner Schule und in unverdrossenem Selbststudium ge-
sammelt, auch einem weitern Kreise zugänglich zu machen. Seine reiche
und fruchtbare schriftstellerische Thätigkeit, deren Erstlingsfrüchte sein Lehrer
Augustin Keller mit einem Vorworte begleitet hatte, galt in erster Linie der
schweizerischen Jugend, die ihm gleichzeitig fiir die ein volles Vierteljahrhundert
hindurch im Vereine mit Otto Sutermeister geleitete Redaction der mit vielen
Beiträgen aus seiner Feder bereicherten »Schweizerischen Jugendblätter« zu
fortdauerndem Danke verpflichtet ist. Lange Zeit (und die zehn letzten Jahre
als Präsident) gehörte er der Jugendschriftenkommission des schweizerischen
Lehrervereins an, welche von Zeit zu Zeit ein zuverlässiges Verzeichniss wirk-
lich empfehlenswerther Schriften für die Jugend herausgiebt, das für Eltern
und Erzieher ein gleich willkommener Führer durch die massenhafte Litteratur
geworden ist. Aber nicht nur der schweizerischen Jugend, sondern auch dem
schweizerischen Volke, dem er gesunde und nahrhafte geistige Speise vor-
setzte, wird der Schriftsteller Herzog in bestem Andenken bleiben.
Quellen: R(emigius) S(auerläDder) in: Ulustr. Jugendblätter, Jahrgg. 25, Seite 266
bis 268 (8. Aarau, 1897). — (Rudolf Hunziker in) Aargauer Schulblatt, Neue Folge, Jahrgg.
17, pag. 14 — 15 (4. Aarau, 1898). — (Hans Kaeslin in der) Schweiz. Lehrerzeitung, Jahrgg.
45» P^S' 303 — 304 (4. Zürich 1898). — Eidgenössischer National -Kalender auf d. Jahr
1899, pag. 54 — 56 (4. Aarau, 1898).
Hans Herzog.
Fein, Emil Wilhelm, Elektrotechniker, * Ludwigsburg (in Württemberg),
16. Januar 1842, f Stuttgart, 6. October 1898. Von seinem Vater, einem
frühe pensionirten Präceptor, gründlich unterrichtet, bildete er sich in einer
feinmechanischen "Werkstätte und in einer Maschinenfabrik zu seinem Berufe
practisch heran. Da die Vermögenslage der Familie den Besuch einer tech-
nischen Hochschule nicht gestattete, war er in verschiedenen mathematisch-
mechanischen und elektrotechnischen Instituten thätig, zu Berlin, Karlsruhe,
Göttingen, abermals Berlin, London. 1867 errichtete er in Karlsruhe eine
10*
I ^.8 Fein. Schulin.
Werkstätte zur Herstellung von physikalischen, namentlich elektrotechnischen
Apparaten. Im Juli 1869 vermählte er sich mit Anna Regina Stückle aus
Leutkirch, die ihm im Laufe der Jahre vier Söhne schenkte. 1870 verlegte
er sein Geschäft nach Stuttgart und begründete die noch bestehende Firma
»C. & E. Fein«, die sich die Herstellung von physikalischen Instrumenten^
elektromedicinischen Apparaten, elektrischen Uhren, Telephonapparaten, Feuer-
meldeeinrichtungen u. s. w. zur Aufgabe setzte. Besondere Verdienste en\'arb
sich F. um die Einführung des Telephons. Schon Ende 1877 ^^^ ®' ^^^
einem eigenen Apparat in handlicher Form hervor, dessen Anordnung später
allgemein angenommen wurde. In den folgenden Jahren Hess er hauptsäch-
lich Dynamomaschinen und Elektromotoren für die verschiedensten industriellen
Zwecke anfertigen. Auch an der Einführung des elektrischen Lichts in Stutt-
gart war er in hervorragender Weise betheiligt. Seine Constructionen, die er
1888 in dem illustrirten Buche »Elektrische Apparate, Maschinen und Ein-
richtungen« (Stuttgart, bei Julius Hoflfmann) veröflfentlichte, bewährten sich in
der Praxis vorzüglich, wie auch alle Apparate und Maschinen, die aus seiner
Werkstätte hervorgingen, gediegen ausgeführt waren. F. nahm an vielen
deutschen und ausserdeutschen Ausstellungen Antheil. Die Frankfurter Aus-
stellung des Jahres 1891 trug ihm als Anerkennung seiner Wirksamkeit von
Seiten seines Landesherrn die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft
ein. Auch wurde durch F. ein grosser Nachwuchs für den elektrotechnischen
Beruf tüchtig herangebildet.
Schwäbische Kronik vom 10. October 1898 (Mittagsblatt), Nr. 236.
R. Krauss.
Schulin, Johann, Friedrich, Paul, Universitätsprofessor des Römischen
Rechts, * 4. August 1843 ^^s ältester Sohn des Senators Dr. jur. et phil.
Philipp Schulin und dessen Ehefrau Caroline geb. Erb zu Frankfurt am
Main, -f 31. März 1898 in Dornach bei Basel. Er erhielt seine erste Bildung
durch Privatunterricht und durch seinen der Erziehung die treueste Sorgfalt
widmenden Vater, dann auf dem Gymnasium, wo er sich durch besondere
Begabung und grossen Fleiss vor seinen Mitschülern auszeichnete. Schon
mit 17 Jahren zum Abgang auf die Universität reif, verblieb er doch auf
Wunsch des Vaters noch ein Jahr auf dem Gymnasium, besuchte darauf die
Universitäten Heidelberg, Tübingen, Berlin und Marburg, an welchen letzten
Ort sich die Eltern wegen angegriffener Gesundheit des Vaters (f 10. Juni 1874)
zurückzogen. Nach glänzend bestandenem Doctorexamen (29. Mai 1869)
habilitirte er sich mit der Schrift »De rebus sub resolutiva in diem addictionis
vel commissoria lege venditis«, Marb. 1869 in Marburg als Docent des
römischen Rechts, wurde 12. Mai 1874 ausserordentlicher Professor und
folgte Michaeli 1874 einem Rufe als ordentlicher Professor des römischen
Rechts nach Basel, wo er sich mit seiner Familie bald einlebte. Schon 1876
trat er daneben als Richter in das Appellationsgericht, dem er bis 1891,
dann wieder 1893 —95 angehörte und bekleidete 1878 das Rectorat der
Universität. An ihn ergehende Berufungen nach Rostock, Greifswald und
Kiel lehnte er ab und wurde von der Acad^mie de l^gislation de Toulouse
1881 zum Mitgliede ernannt. 1888 nahm er als einer der Abgesandten der
Universität am Universitätsjubiläum zu Bologna theil. 1892 erhielt er den
Ehrenbürgerbrief der Stadt Basel, 6. Nov. 1896 den Ehrendoctortitel der
philosophischen Fakultät der Universität Basel. Seine Studien waren haupt-
Schu}in. Pressel. I^n
sächlich dem römischen und später besonders dem griechischen Rechte, wie
noch älteren Perioden gewidmet. Sein höchstes Streben ging dahin, immer
mehr und mehr dem von den grossen römischen Juristen aufgestellten Muster-
bilde eines echten und wahren »jurisconsultus« zu entsprechen. Leider
wurde in den letzten Jahren seine emsige Thätigkeit öfters durch Kränklich-
keit gestört. Da ein schleichendes Herzleiden sich stetig verschlimmerte, sah
er sich genöthigt, 1895 aus dem Appellationsgerichte und Ostern 1896 aus
seiner akademischen Stellung auszuscheiden und ruhigen Landaufenthalt in
Dornach bei Basel aufzusuchen. Hier erlag er langen, schweren, mit mann-
hafter Geduld ertragenen Leiden. Seiner ihn treu pflegenden Familie war er
ein steter, ihr verbleibender Segen geworden, seinen Freunden eine kräftige
Stütze, dem Gemeinwesen ein nützlicher Bürger. — Von seinen Schriften
seien zuerst genannt: »Ueber einige Anwendungsfälle der Publiciana in rem
actio<s Marb. 1873 (seinem Vater als treuem Lehrer seiner Jugend gewidmet) ;
»Ueber Resolutivbedingungen und Endtermine«, Marb. 1875; ^^^ Pandectarum
titulum de origine juris commentatio«, Basil. 1876 (für K. Witte); »Zur Lehre
vom Erfüllungsort und vom Gerichtsstand der Obligationen nach römischem
Recht«, Basel 1879 (Festschrift für den Schweiz. Juristenverein); »Drei
akademische Vorträge rechtswissenschaftlichen Inhalts« Basel 1881; »Das
griechische Testament verglichen mit dem römischen« Basel 1882 (Rectorats-
programm); »Ueber den Irrthum nach schweizerischem Obligationsrecht«
(Zeitschrift f. Schweiz. Recht Bd. 31, N. F. Bd. 9). Sein Hauptwerk bildet
das durch viele sprachwissenschaftliche Ausführungen und interessante Ver-
gleiche mit dem griechischen Recht hervorragende »Lehrbuch der Geschichte
des Römischen Rechts« Stuttg. 1889 (Andreas Heusler gewidmet zum 2 5 jähr.
Professorjubüäum 1888, in das Russische übersetzt von Schtschukin, Moskau
1893). Die Ausarbeitung eines grösseren Werkes über griechisches Recht
wurde durch Krankheit gehindert.
Vgl. »Allgemeine Schweizer Zeitung« No. 78 vom 2. April 1898; »Basler Nachrichten«
No. 90 vom 2. April 1898, No. 91 vom 3. April 1898; Zur Erinnerung an Prof. Dr. Fried-
rich Schulin. Burhdruckerei Wackernagel, Basel 1898; Beilage zur Allgem. Ztg. No. 77
vom 6. April 1898 S. 8; Nouv. Revue histor. XV. (1891) 126 — 128; Tidsskrift for Rets-
videnskab 1891 p. 361; 1898 p. 518; Revue de droit international et de legislation com-
paree vol. XXX 1898 p.%520; Kritische Vierteljahresschrift XVI 251 (Brinz), 466; XVII
622; XVni 175—198 (Holder); 526 ff.; 618; XIX 625; N. F. Bd. XV (1892) 161 — 171
(Kipp); Grünhuts Zeitschrift XI 233 — 244 (Tewes) XVIII 452/3; Zeitschrift von v. Liszt
X 461; Der Gerichtssaal Bd. 42 S. 319; Zeitschrift der Savigny-Stiftung, Rom. Abth. III
(1882) S. 238 — 240 (Pemice); De Gubernatis, dictionnaire international des ecrivains du
jour, Flor. 1888 — 91 p. 1755; Kukula, bibliogr. Jahrbuch der deutschen Hochschulen,
Innsbr. 1892 S. 840. — Ueber seinen Vater vgl. R. Jung in der Allg. Dtsch. Biographie
Bd. 34 S. 743.
A. Teichmann.
Pressel, Paul, Theologe, Politiker und Dichter, * 16. Juni 1824 in Tü-
bingen, f 4. April 1898 daselbst. Sein Vater war der Tübinger Dekan
Johann Gottfried P. Als mitderer unter 5 Brüdern, die alle durch die Pforte
des sogenannten Landexamens in das Paradies der Seminarerziehung und des
Theologiestudiums eingezogen sind, besuchte unser P. von 1838 bis 1842 das
niedere Seminar Urach und von 1842 bis 1846 das Tübinger Stift. Als
Student gehörte er mit Leib und Seele der Königsgesellschaft an, einer Stifts-
verbindung, die burschenschaftlichen Ideen huldigte, und schwärmte für
deutsche Einheit und Freiheit. Obgleich er seine theologischen Studien nicht
ICO Pressel,
sehr gründlich genommen hatte, verhalf ihm seine glückliche Begabung doch
noch zu einem erfolgreichen Examen. Er trieb dann noch ein Jahr lang in
Tübingen Germanistik und hielt sich ein halbes Jahr in Paris auf. Während
der Bewegung des Jahres 1848, die P. unberührt Hess, war er Pfarrvicar in
Alfdorf (württ. Oberamt Welzheim). Nachdem er kurze Zeit die Stelle eines
Hofmeisters in einem adeligen Hause versehen hatte, wurde er Stadtvicar in
Reutlingen und Vorstand der dortigen höheren Töchterschule. Bald siedelte
er als Stadtvicar nach Stuttgart über. Hier dichtete er, der schon früher
der Muse mannigfach gehuldigt hatte, das 1860 (Leipzig, Verlag von
Wilhelm Engelmann) im Druck erschienene erzählende Gedicht aus dem Re-
formationszeitalter »Franz von Sickingen«. Nur langsam kommt das Epos in
Fluss, hat aber dadurch den Vorzug der Steigerung und erreicht gegen Schluss
mit der Belagerung und Eroberung der Burg Landstuhl und dem Tode
Sickingens eine ansehnliche Höhe. Dieser wird zum tragischen Helden: alles,
was er erstrebt hat, bricht zusammen, selbst von den Reformatoren, deren
Absichten sein keckes Dreinschlagen durchkreuzt, wird er aufgegeben. Die
Erfindungsgabe des Dichters ist nicht üppig, seine Gestaltungskraft nicht
hervorragend, aber er schlägt einen schlichten, treuherzigen Ton an, und
warme Liebe zum deutschen Vaterlande, zur evangelischen Sache spricht aus
seinen Versen. Nach dem Muster der Uhlandschen Eberhardrhapsodien ist
die Nibelungenstrophe verwendet. Uhland ist überhaupt das unverkennbare
Vorbild Presseis. »Franz von Sickingen« ist seine einzige selbständige
poetische Schöpfung geblieben. Dagegen trat er wiederholt als Volksschrift-
steller hervor. Schon in jungen Jahren hatte er sich an einem Familienblatte
»Die Spinnstube« betheiligt und einen »Kalender für Alle in Stadt und Land«
(1852 f.) herausgegeben. Als 5. Band von Klaibers Evangelischer Volksbiblio-
thek behandelte er ferner die geistliche Dichtung von Luther bis Klopstock
(Stuttgart, 1863), eine geschickte Compilation, und verfasste Jubelschriften aul
Calvin (Elberfeld, 1864) und »Christoph, Herzog zu Württemberg« (in der
Steinkopfschen Deutschen Jugend- und Volksbibliothek Nr. 19, Stuttgart, 1868).
— 1860 wurde P. zum Helfer in Brackenheim ernannt und vermählte sich
nunmehr mit Elisabeth Wellin aus Bremen. Die Politik verfolgte er mit dem
grössten Interesse. Er zeigte sich dabei durchaus als- Realpolitiker. Ganz
von den Ideen Paul Pfizers eingenommen, gehörte er zu den wenigen
Württembergern, die es damals schon entschieden mit Preussen und Bismarck
hielten. Nachdem er 1866 als Helfer nach Geislingen versetzt worden war,
half er diesen Bezirk zu einer Hochburg des nationalen Gedankens um-
gestalten, ohne sich um die Ungnade des grossdeutsch gesinnten Cultus-
ministers zu kümmern. In Geislingen war P. zugleich Schulinspektor und er-
warb sich als solcher die Sympathien des Lehrerstandes. 1869 wurde er zur
ersten Landessynode gewählt. 1870/71 bemühte er sich eifrig um die
Krankenpflege, was ihm den Olgaorden eintrug. 1871 rückte er zum Dekan in
Neuenstadt am Kocher (an der Linde) vor, 1872 wurde ihm zugleich das dortige
Schulinspectorat übertragen. Seine politische Thätigkeit setzte er fort, Hess
sich aber nie bestimmen, sich um ein Abgeordnetenmandat zu bewerben.
1874 kam er in die zweite Landessynode und wurde Mitglied des Synodal-
ausschusses. Er erwarb sich in dieser Stellung bedeutenden Einfluss und be-
währte sich hauptsächlich als Meister in der Kunst, klug zu vermitteln und
praktischen Gesichtspunkten zum Siege zu verhelfen. In Neuenstadt wirkte
er an der Organisation des auf seine Anregung von dem wohlthätigen Ehe-
Prcssel. Cabisius. ^ e j
paare Mörike begründeten bekannten Frauenstiftes mit. 1876 kam er als
erster Mtinsterpfarrer und Decan nach Ulm. Hier machte er sich um die
Restauration des Münsters, hauptsächlich um den Ausbau des Hauptthurmes
verdient. 1879 vertrat er Ulm in der 3. Landessynode und wurde wiederum
in den Ausschuss berufen. 1884 erhielt er zugleich das Ulmer Schulinspectorat.
Ein Schlaganfall setzte im Jahre 1887 seiner Thätigkeit ein Ziel. 1888 Hess
er sich pensioniren und erhielt bei dieser Gelegenheit den württembergischen
Kronorden.. Er lebte nun im Hause seines Schwiegersohnes, Landgerichts-
rathes Schumann, des Gatten seines einzigen Kindes Frieda, in Ellwangen;
seine Frau hatte er schon in Neuenstadt verloren. Nach Schumanns Tod
zog er mit der Tochter und deren Kindern nach Esslingen, dann nach Tü-
bingen, wo er im eigenen freundlichen Hause mit Garten am Oesterberg
seine Tage beschloss. Ein gebrochener Mann, vom Gedächtnis verlassen,
führte er eine stille, zurückgezogene Existenz. Anfangs war er noch einiger-
massen litterarisch beschäftigt, aber bald reichten ihm die Kräfte auch hie-
fiir nicht mehr aus. P. hat deutliche Spuren seines Wirkens in der evange-
lischen Kirche Württembergs zurückgelassen.
»Kirchlicher Anzeiger für Württemberg« 1898, Nr. 16 S. 132— 134, »Schwäbische Kronik«
vom 14. April 1898 (Mittagsblatt) Nr. 85 und sonstige Zeitungsnotizen, Franz Brummer,
Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts. 4. Ausgabe
III, S. 249.
R. Krauss.
Cabisius, Julius, Cellist, ♦ Halle a. S., 15. October 1841, f Stuttgart,
3. April 1898. Er verbrachte seine Jugend in Bremen und wurde von seinem
Vater, der gleichfalls ein trefflicher Cellist war, in die Anfangsgründe seines
Instruments eingeweiht. Seine weitere musikalische Ausbildung erhielt er am
Prager Conservatorium, wo er zu den hoffnungsvollsten Schülern Julius
Goltermanns gehörte. Nach Vollendung seiner Studien wurde er alsbald
durch Kapellmeister Max Seifriz als erster Cellist in die Kapelle des kunst-
liebenden Fürsten von Hohenzollern-Hechingen zu Löwenberg in Schlesien
berufen. Hier hatte er reiche Gelegenheit zum Solospiel und componirte
auch verschiedene Solostücke für sein Instrument. Als die Kapelle 1864 auf-
gelöst wurde, siedelte C. zunächst nach Meiningen als Mitglied der dortigen
Hofkapelle über und trat am i. September 1865 ^^^ Hofmusikus in den Ver-
band des Hoftheater-Orchesters in Stuttgart. Hier fand er seine bleibende
Heimath. 1876 nach Krumbholz' Tode rückte er zum ersten Violoncellisten
vor, wurde noch im selben Jahre Kammermusiker und später Kammervirtuos.
Er entfaltete eine ausgedehnte Wirksamkeit. Ausser seiner Thätigkeit im
Theaterorchester und in den Abonnementskonzerten betheiligte er sich an
den Kammersoireen des Singerschen Quartetts, des Prucknerschen Trios,
ausserdem an einem Quartettvereine, der sich hauptsächlich ausserhalb Stutt-
gart hören Hess. In früheren Jahren besuchte er auch als willkommener
Concertgast viele andere Musikstädte. Seitdem er als Lehrer des Violoncell-
sp>iels am Stuttgarter Conservatorium für Musik wirkte, schränkte er seine
Gastreisen sehr ein. Seine Berufung dorthin war 1877 erfolgt; 1889 wurden
seine Verdienste durch Verleihung des Professorstitels gewürdigt. C. besass
grosses Lehrgeschick und durfte sich der Achtung und Anhänglichkeit seiner
zahbreichen Schüler in hohem Grade erfreuen. Durch natürliche Anlagen und
rastlosen Fleiss hatte er sich zu einem der tüchtigsten Vertreter seines Faches
15«
Cabisius. Kober-Gobat.
emporgeschwungen. Er verfügte, wie ein Kenner urtheilt, über ein »gediege-
nes, technisch ebenso vollendetes wie fein musikalisches Spiel, das sich
gleichmässig durch Weichheit, Seele und hinreissenden Gesang auszeichnete.«
Dabei unterstützte ihn ein vortreffliches Gedächtniss, so dass er die grössten
Concerte und Solostücke ohne Noten wiederzugeben vermochte. Auch als
Mensch war der mit kräftigem Humor ausgestattete Künstler allgemein beliebt.
Das traurige Schicksal, das ihn in verhältnissmässig jungen Jahren ereilte,
begegnete desshalb in weiten Kreisen herzlicher Theilnahme. Ein fortschrei-
tendes Augenleiden hatte ihm nämlich schon lange die Ausübung seines Be-
rufes erschwert. Am i. September 1890 hatte er das fünfundzwanzig jährige
Jubiläum seiner Thätigkeit in der Stuttgarter Hofkapelle gefeiert. Nach
Jahresfrist trat er in den Ruhestand. Am 17. März 1893 nahm er in einem
Concerte vom Stuttgarter Publikum Abschied und verzog nach Bremen, wo
noch Verwandte von ihm lebten. Doch schon im Frühjahr 1894 verlegte er
seinen Wohnsitz nach Tübingen, um sich in Behandlung des ihm befreundeten
Augenarztes Professor Nagel zu begeben. Jetzt stellte sich aber auch ein
Leiden am Knie ein, und Professor Bruns musste das linke Bein amputiren.
Mit Geduld und Gemüthsruhe trug er sein schweres Missgeschick, von Gattin
und Töchtern treu verpflegt und im Umgang mit den Seinigen Trost findend.
Herbst 1895 siedelte er wieder ganz nach Stuttgart über. Er schien herge-
stellt zu sein und unternahm mit einem künstlichen Beine glückliche Gehver-
suche. Aber im November 1897 warf ihn die tückische Krankheit von
neuem aufs Schmerzenslager, von dem er sich diesmal nicht wieder er-
heben sollte.
»Neue Musikzeitung«, XIX. Jahrgang (1898), Nr. 9, S. 108 f., »Schwäbische Kronikc,
vom 4. April 1898 (Abendblatt), Nr. 78, (Stuttgarter) Neues Tagblatt vom 4. April 1898.
R. Krauss.
Kober-Gobat, Paul, Buchhändler, * 30. Juli 1842 als Sohn des Pfarrers
K. in Oethlingen, Württemberg, f 22. October 1898 auf dem Meere vor
Alexandria, besuchte vom zehnten Jahre ab die Lateinschule in Kirchheim,
dann in Esslingen und in Herrenberg, bestand von 1856 bis 1860 eine kauf-
männische Lehre in dem Manufacturwaarengeschäft Winter in Gingen a. d.
Brenz und trat, nachdem er 1861 in der Anstalt Glay bei Montbdiard mit
der französischen Sprache sich vertraut gemacht, als Gehilfe in die angesehene,
18 16 gegründete Buchhandlung seines Grossonkels C. F. Spittler in Basel
ein. 1863 — 67 war ihm ein Posten in dem Zweiggeschäfte C. F. Spittler & Co.
in Jerusalem anvertraut. Nach einem Aufenthalt in England nach Basel
zurückgekehrt, übernahm er 1869, nach Spittlers Tod, mit Fräulein S. Spittler
und J. L. Jaeger die Buchhandlung C. F. Spittler und vermählte sich mit
einer Tochter des Bischofs Gobat in Jerusalem. Wesentlich unter K.'s
geschäftstüchtiger und thatkräftiger Leitung gelangte die damals unter dem
Namen »Zum Fälkli« bekannte Buchhandlung zu hoher Blüte. Im Verlag
pflegte er besonders populäre Theologie, Volks- und Jugendschriften, sowie
biblische Bilder und Wandsprüche in Farbendruck. Seine Thätigkeit auf
letzterem Gebiete wird als bahnbrechend bezeichnet und fand bei Glaubens-
genossen vielen Beifall. Weit über das eigene Geschäft hinaus, bethätigte er
sein frommes Gemüth in regem Mitwirken an christlichen Anstalten aller
Art. So leitete er, um nur eins von vielem zu erwähnen, mit besonderem
Eifer die Industrie (Buchdruckerei und Buchbinderei) der Pilgermission
Kobcr-Gobat. Meissner. Haeberlin.
153
St. Chrischona bei Basel. Mit Gesinnungsgenossen gründete er 1886 den
Verein von Verlegern christlicher Litteratur. Auch sonst aber war ihm die
Verbreitung guter Litteratur mehr Herzens- als Geschäftssache. Nach dem
Tode seines alten Genossen Jaeger, 1897, wurde K. Alleininhaber des Ge-
schäfts. — Einer Aufforderung in Jerusalem, das ihm s. Z. zur zweiten
Heimat geworden war, an der Einweihung der Erlöserkirche th eilzunehmen,
hatte er nicht widerstehen können. Jäh aber ereilte ihn an Bord der
»Midnightsun« kurz vor der Landung in Alexandria ein von seinen vielen
Freunden tief beklagtes Ende.
Zur Erinnerung an Paul Kober-Gobat. Gedächtnissfeier in Basel am i. Nov. 1898.
(Mit Portr. u. Nachrufen in Prosa und Versen). — »Börsenblatt f. d. dt Buchhdl.« 1898.
Nr. 248, 251. — Handschriftliche Biographie von Kresting.
H. Ellissen.
Meissner, Carl, Buchhändler, * 12. April 1836 in Marien werder, als
Sohn des Offiziers M., f 20. März 1898 in Elbing, bestand in den fünfziger
Jahren seine Lehrzeit in der Plahnschen Buchhandlung in Berlin, war einige
Jahre als Gehülfe der Schulbuchhandlung in Braunschweig beschäftigt und
w^urde 1859 Geschäftsführer der Neumann-Hartmannschen Buchhandlung in
Elbing. Nachdem er kurze Zeit mit Edwin Schloemp zusammen Inhaber
dieses Geschäftes gewesen, gründete er 1863 eine eigene Buchhandlung. Von
1867 — 71 gab er das nationalliberale »Elbinger Volksblatt« heraus. Als Mit-
arbeiter standen ihm u. A. Max v. Forckenbeck und Fr. Kreyssig zur Seite.
Seit 1874 gehörte er als hervorragendes Mitglied der Stadtverordneten-Ver-
sammlung an, deren stellvertretender Vorsitzender er später wurde, und als
deren sachkundigster und bester Redner er bezeichnet wird. Grosse Ver-
dienste erwarb sich M. als Vorstandsmitglied des Gewerbevereines. — M.
war auch langjähriger Vorsitzender des Kreisvereines ost- und westpreussischer
Buchhändler und gehörte (1890 — 96) als einflussreiches Mitglied verschie-
denen Ausschüssen des Börsen Vereins der deutschen Buchhändler an. Seine
auf den Zusammenschluss des gesammten Sortiments zu einem organisirten
Bunde gerichteten Bestrebungen scheiterten leider an zu grosser Theilnahm
losigkeit.
Vgl. »Börsenblatt f. den dt. Buchhdl.« 1898 Nr. 66 und 75 (mit Nachrufen der »Alt-
preussischen« und der »Elbinger Zeitung« v. 21. März 1S98).
H. Ellissen.
«
Haeberlin, Carl Franz WolflF Jeröme, Universitätsprofessor der Rechte,
* 4. September 18 13 als Sohn des Forstmeisters Franz Ludwig H. auf Jagd-
schloss Bracht bei Marburg im Kgr. Westfalen, f 28. Februar 1898 zu
Greifswald. Er studirte die Rechtswissenschaft 1832 — 36 in Bonn und
Berlin, wurde 12. September 1837 i" Berlin Dr. jur., habilitirte sich dort
15. Juni 1839 ^ öffentliches Recht und deutsche Rechtsgeschichte, ging
Ostern 1852 als ausserordentlicher Professor nach Greifswald, wo er
21. Mai 1862 zum ordentlichen Professor befördert wurde. 1857 — 1876
lehrte er zugleich Landwirthschaftsrecht an der Akademie Eldena, wurde
1886 zum Geh. Justizrath ernannt und feierte 1887 sein fünfzigjähriges, 1897
sein sechzigjähriges Doktorjubiläum. Seine Lehrthätigkeit umfasste die Fächer
des Strafrechts, des Staats- und Verwaltungsrechts und der deutschen Rechts-
geschichte. Sein Hauptinteresse war dem Strafrecht zugewandt. So be-
154
Haeberlin. Tomaschek.
handelte er in seiner Promotionsschrift »Juris criminalis ex speculis Saxonico
et Suevico adumbratio«, Hai. 1837 (auch Lips. 1838) einen wichtigen Ab-
schnitt der mittelalterlichen Strafrechtsgeschichte und lieferte in dem
umfassenden Werke »Grundsätze des Criminalrechtes nach den deutschen
Strafgesetzbüchern«, Bd. I — IV, Lpz. 1845 — 49 ^^^^ werthvolle Vorarbeit zur
einheitlichen deutschen Strafgesetzgebung, ebenso in einer »Sammlung der
neuen deutschen Strafprocessordnungen«, Greifsw. 1852 — 53. Vorher hatte
er eine »Systematische Bearbeitung der in Meichelbecks Historia Frisingensis
enthaltenen Urkundensammlung I. Theil: Rechtsgeschichte«, Berl. 1842 heraus-
gegeben, während er später ein »Lehrbuch des Landwirthschaftsrechtes nebst
einer encyklopädischen Einleitung in dasselbe« Lpz. 1859 veröflfentlichte.
Werthvolle Aufsätze sind die »Ueber dolus generalis« (Goltdammers Archiv
Bd. 11) und »Ueber Rechtswahn imd Wahnverbrechen« (ebenda Bd. 13),
sowie »Ueber den Versuch« (Gerichtssaal Bd. 16 und 24) und »Ueber den
Irrthum im Strafrecht« (ebenda Beilage zu Bd. 17) und Bemerkungen zu dem
österr. Entwurf eines Strafgesetzes« (^ebenda Bd. 24). Mannigfache Berück-
sichtigung fanden seine »Kritische Bemerkungen zu dem Entwurf eines Straf-
gesetzbuches für den norddeutschen Bund«, Erl. 1869. Bis in sein höchstes
Alter war er von unermüdlicher Lehrfreudigkeit] und äusserster Pflicht-
treue. Zum Jubiläum im Jahre 1897 wurde er durch Verleihung des
Kronenordens 2. Kl. ausgezeichnet. Wiederholte Schlaganlälle zogen den Tod
nach sich.
Nach der »Chronik der KOnigl. Universität Greifswald für das Jahr 1897/98. Heraus-
gegeben vom zeitigen Prorector Prof. Dr. Jakob Weismann«, Greifswald. Druck von
F. W. Kunike 1898 S. 4 — 6; vgl. Marquardsen in der »Krit. Ztschr. f. d. ges. Rechts-
wissensch.« I 102; v. Schwarze im »Gerichtssaal« Bd. 22 S. 179 ff.; De Gubernatis,
dictionnaire international des ecrivains du jour, Flor. 1888 — 91 p. 2001; »Die Kgl. Friedrich-
Wilhelms-Universität Berlin in ihrem Person albestan de seit ihrer Einrichtung Michaelis iSio
bis Michaelis 1885, Berlin 1885 S. 13, 19; Kukula, bibliogr. Jahrbuch der deutschen
Hochschulen, Innsbruck 1892 S. 302.
A. Teichmann.
Tomaschek, Johann Adolf Edler von Strato wa, Universitätsprofessor
der Rechte, * 16. Mai 1822 zu Iglau, als ältester von fünf, sämmtlich wissen-
schaftlich hervorragenden, Söhnen des Gymnasiallehrers Johannes T. f 1849
im Ruhestand in Iglau), f 9. Januar 1898 zu Wien. Die Familie T. fuhrt
ihren Ursprung zurück auf einen sagenhaften »Kleinen Thomas« (tschechisch
T.), einen der zwölf Apostel oder Heerführer, welche die Schaaren von
Prokopius dem Jüngeren in den hussitischen Kriegen befehligten, und nach
der Pacificierung des Landes geköpft wurden; dieser soll bereits den Namen
«de Stratowa» geführt haben. Aufzeichnungen in deutscher Sprache bezeugen,
dass die Familie seit Karl VI. und Maria Theresia viele Glieder des deutschen
Beamtenstandes in der Umgebung von Iglau, Meseritsch, Budwitz, Neustadt
und Saar aufwies. Nach Vollendung der juridischen Studien erhielt er eine
Stelle als Beamter beim Magistrat der Stadt Olmütz, widmete sich bei seiner
Liebe zu den Wissenschaften, die ihn wie seine Brüder erfüllte, dem Lehr-
fache und wurde 1847 zum Gymnasial-Professor in seiner Vaterstadt ernannt.
1848 ging er als Abgeordneter der deutschen Stadt Iglau in das Parlament
zu Frankfurt, wo er die Richtung Schmerlings auf Seiten des Reichsver-
wesers Erzherzogs Johann vertrat. Zeit seines Lebens war er gemässigt
freisinnig, .soweit es seine Stellung zuliess, in religiösen Fragen ziemlich
Tomaschek.
155
konsen-ativ, da er auch der Kirche Actionsfreiheit zusprach. Er schwärmte für
einen organischen Ausbau der Zünfte und Gilden, doch mit modernen
Neuerungen im Geiste der Zeit. Offenbar führte ihn das Studium mittel-
alterlicher Rechtsquellen zu dieser Vorliebe für den gewerblichen Mittelstand
und das Bürgertum. Noch als Lehrer der klassischen Philologie und der Ma-
thematik am Iglauer Gymnasium beschäftigte er sich mit rechtshistorischen
Forschungen im dortigen Staatsarchiv und wurde 1857 in das geheime Haus-,
Hof- und Staatsarchiv in Wien berufen. 1860 habilitirte er sich als Privat-
docent für deutsches Recht an der Universität daselbst, wo er 1861 zum
ausserordentiichen, 187 1 zum ordentlichen Professor der österr. Rechts-
geschichte und Rechtsalterthümer mit Lehrverpflichtung für juristische Ency-
klopädie und Methodologie ernannt wurde. 1880 wurde ihm auch eine
Lehrkanzel für deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte und deutsches Privat-
recht übertragen. Den bestehenden Gesetzen nach trat er 1893 in den Ruhe-
stand, bei welcher Gelegenheit er in den Adelsstand mit dem Prädikate
»von Stratowa« erhoben wurde. Die Untersuchungen Rösslers über die
Form und Verbreitung des deutschen Rechts in den böhmischen Ländern
weiterführend, behandelte er in seinem ersten Werk »Deutsches Recht in
Oesterreich im 13. Jahrhundert. Auf Grundlage des Stadtrechts von Iglau«
Wien 1859. Es folgten »Ueber zwei ältere Rechtsgutachten der Wiener
Universität«, Wien 1860; »Ueber die ältere Rechtsentwickelung der Stadt
und des Bisthums Trient«, Wien 1860; »Recht und Verfassung der Mark-
grafschaft Mähren und seine Schöffensprüche aus dem XIIL bis XVI. Jahr-
hundert« Innsbr. 1868; »Das Heimfallsrecht« , Wien 1882 (mit Unterstützung
der kaiserlichen Akademie); »Das alte Bergrecht von Iglau und seine berg-
rechtlichen Schöffensprüche«, Innsbr. 1897. Im J. 1876 erschien im 83. Bande
der »Sitzungsberichte« seine Abhandlung über »die beiden Handfesten König
Rudolfs I. für die Stadt Wien vom 24. Juni 1278 und ihre Bedeutung für
die Geschichte des österreichischen Städtewesens«, worin er die von
O. Lorenz angefochtene Echtheit nachwies. Einer Aufforderung der Stadt
Wien folgend, gab er »die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien« in 2 Bänden
1877 — 79 heraus, einen Bestandtheil der im Auftrage des Gemeinderats ver-
öffentlichten Geschichts-Quellen der Stadt Wien, denen er eine. sehr werth-
voUe Einleitung über die Entwicklung des Stadtrechts und der Stadtverfassung
vorausschickte. Noch andere Arbeiten sind in den Schriften der Akademie,
die ihn 1867 zu ihrem correspondierenden Mitgliede wählte, enthalten, so
7' die ältesten Statuten der Stadt und des Bisthums Trient in deutscher Sprache«
(Archiv, 26. Band); »Ueber eine in Oesterreich in der ersten Hälfte des
14. Jahrh. geschriebene Summa legum incerti auctoris und ihr Quellen-
verhältniss zu dem Stadtrechte von Wiener-Neustadt und dem Werböczyschen
Tripartitum« (Sitzungsberichte, 105. Band). Die deutsche Rechtsgeschichte
behandelt die Schrift »Die höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und
Reiches im 15. Jahrhundert« (Sitzungsberichte, 49. Band). — Zu seinen
Freunden gehörten namentiich Wattenbach, O. Lorenz, Chlumetzky,
Schmerling, zuletzt Maassen. Völlig zurückgezogen lebte er, gegen Aus-
zeichnungen kühl, einzig seiner Forschung und seiner Familie.
Nach gütigen Mittheilungen des Bruders, Herrn Prof. Wilhelm Tomaschek in
Wien. — Almanach der kaiserl. Akademie für 1898 S. 293 — 95; Geschichte d. Wiener
UniTcrsität von 1848 bis 1898, Wien 1898 S. 142, 151; v. Wurzbachs ßiogr. Lexikon
d. Kaiserthums Oesterreich Bd. 46 S. 45—47; Beilage zur »Allgem. Zeitung« No. 7 vom
II. Januar 1898 S. 8; W. E. Wahlberg, Ges. klein. Schriften Bd. II Wien 1877 S. 62:
ie6 Tomaschek. Grasberger.
ZarDckes Liter. Centralblatt 1869 S. 546; 1879 S. 1254; Kakula, bibliogr. Jahrbuch der
deutschen Hochschulen, Innsbruck 1892 S. 932. — Ein hübsches Motto von ihm im (auto-
graphischen) »Parlaments- Albumcc Frankfurt a. M. 1849, S. 73.
A. Teichmann.
Grasberger, Hans, Schriftsteller, * 2. Mai 1836 zu Obdach in Steiermark,
f II. December 1898 zu Wien. Sohn eines Weissgärbers, kam er 1849 mit
seinem engsten Landsmanne Rudolf Falb an das Benedictinerstift Lambrecht ;
nach vierjährigem Aufenthalt im KJoster, fand er in Klagenfurt Aufnahme in
der siebenten Lateinschule ; nach der mit Auszeichnung bestandenen Maturitäts-
prüfung kam er 1855 nach Wien. An der Universität trieb er bei Arndts,
Phillips, Unger, Glaser etc. Jura; tüchtig, doch ohne Herzensdrang; Ostern
(1859) betheiligte er sich an der österreichischen Pilgerfahrt nach Jerusalem.
In demselben Jahre erschienen auch seine ersten Gedichte in dem von Wiener
Studenten herausgegebenen »Album zur Schillerfeier«. Als Publicist war er
bis zum Jahre 1864 beim »Volksfreund« thätig; 1867 trat er mit dem Dichter
Carl Beck eine Fahrt nach Italien an. Bald nachher ging er als Correspondent
mehrerer deutscher Blätter nach Rom; 1870 that er sich als Concils-Bericht-
erstatter der »Presse« hervor, in deren Verband er 1873 als Kunst-Referent
und Feuilleton-Redacteur nach Wien berufen wurde. 1883 verliess er das ge-
nannte regierungsfreundliche Blatt, »da ihm die nationale Bedrängniss nicht gleich-
giltig bleiben konnte«, und war fortan als Mitarbeiter der »Deutschen Zeitung c.
und Kunst-Referent der »Wiener Zeitung« thätig. — Als Poet war G. 1869
mit der Sammlung »Singen und Sagen«, 1873 mit den »Sonetten aus dem
Orient ^< und dem »Carneval der Liebe« hervorgetreten; als Uebersetzer ver-
deutschte er die Rime di Michelangelo (1872). — Zu seiner eigenen
Ueberraschung entdeckte er bei einem Ferien-Ausflug in die heimathlichen
Berge, veriiältnissmässig spät, einen Dialektdichter in sich: die drei
Bände »Zan Mitnehm« 1880, »Nix für unguet« 1884, »Plodersam, Geistli'n-
g'schicht'n« 1885 bleiben voraussichtlich sein dauerhaftestes litterarisches
Denkmal. — Eine Reihe hochdeutscher Novellen »Aus der ewigen Stadt<<
(1887), Allegorien »Allerlei Deutsames« (1888), »Neues Novellenbuch (1894)«,
^>Maria Buch, eine Wallfahrtsgeschichte« 1895, »Maler und Modell« 1895,
sowie seine letzten Gedichte »Licht und Liebe«, »Triptychon« etc. werden
mit den mundartlichen und einer Auswahl von hochdeutschen Versen in vier
von Georg Heinrich Meyer verlegten, von Rosegger bevorworteten Bänden
seiner gesammelten Werke erscheinen. — Eine Frucht seiner kunstgeschicht-
lichen Studien ist die Schrift: »Die Gemäldesammlung im kunsthistorischen
Hofmuseum«. — Für das Kronprinzen werk »Oesterreich in Wort und Bild<.
hat G. eine meisterhafte Abhandlung beigesteuert über die Dialekte und
Dialektdichter der Steiermark. — Eine seiner letzten und gehaltvollsten Gaben
war sein Nekrolog Heinrich No^'s im II. Bd. unseres Jahrbuches. — So reich
sein Wissen, so reich sein Wirken war: reicher noch war sein Wesen. »Wer
im Bereiche seiner Persönlichkeit stand« , so heisst es in einem Nachruf
Roseggers, »der konnte nicht abirren, der wurde so recht kunstfroh und
schaffensfreudig. Aber nicht bloss, so weit die Kunst reicht, war er dem
Heimathlande treu, er liebte es bedingungslos. Wenn er die Rednerbühne
bestieg, um Werke und Erfolge des (von ihm mitbegründeten) Steirervereins
in W^ien zu verkünden, um bei Betheiligungen armer Steirerkinder zu diesen
zu sprechen; da musste man sein vor Begeisterung glühendes Auge sehen.
Grasbergcr. Vogel. I q y
dieses liebe Auge, das gleichsam ein Fluidum von Freude ausstrahlte«. Ehr-
liche, ehrlich verdiente Auszeichnungen zu seinem 60. Geburtstage (die Stadt
Wien beglückwünschte G. ; Rosegger charakterisirte den Mann und sein Schaffen
in der »Gartenlaube«) nahm er tiefbewegt und tiefbescheiden auf: »Du hast
Weltruhm«, so schrieb er Rosegger in seinem Dankbrief, »ich bin ein dürf-
tiges Spanlicht. Du könntest die Poesie neu erfunden haben — ich schreibe
mehr aus der allgemeinen Bildung heraus.« Liebe und Treue, die er den
Freunden und Landleuten zeitlebens bewälirt, ist ihm über das Grab hinaus
redlich vergolten worden. Die ersten Dichter, Künstler und Kenner Deutsch-
österreichs haben dafür gesorgt, dass auf dem Mödlinger Friedhof ein würdiges
Denkmal des viel zu früh Geschiedenen sich erheben wird.
Mein Lebensgang. Von Hans Grasberger. (Roseggers »Heirogarten« XV. Jahrg.
Heft 8). — Ein deutschösterreichischer Dichter. Von Peter Rosegger. Wie ich meine
Mundart entdeckte von Hans Grasberger. (»Die Gartenlaube« 1896. No. 34). — Briefe
▼on Hans Grasberger an Rosegger (Heimgarten, März 1899). — Ferdinand Kürnberger:
Litterarische Herzenssachen 1877; S. 128 ff. Le Rime di Michelangelo Buonarotti. Nach-
dichtungen von Hans Grasberger. — Nekrologe: Beilage zur »MUnchener Allgemeinen
Zeitung« 13. Dec. 1898 (von Anton Bettelheim). — »Neue Freie Presse« No. 12339, 1898
(von Karl v. Thaler). — »Neues Wiener Tagblatt«, December 1898 (von Z. K. Lecher). —
»Grazer Tagespost« vom 13. April 1899: Hans Grasberger und die Steirer von Rosegger. —
Verzeichniss seiner Schriften in Kürschners Litteratur-Kalender 1898. — Gesammelte
Werke (4 Bände) in Vorbereitung bei Georg Heinrich Meyer. — Vorzügliche Bildnisse des
edlen Charakterkopfes danken wir Blaas und dem Plastiker Schwartz; gute Lichtdrucke
in den Ausgaben seiner Schriften (bei Liebeskind und Meyer).
Anton Bettelheim.
Vogel, Wilhelm Hermann, ordentlicher Professor an der Technischen
Hochschule zu Charlottenburg, * 1834, f 17. December 1898 zu Berlin, war
seit 1860 Assistent bei G. Rose am mineralogischen Museum zu Berlin; auf
die Photographie wurde er durch die Aufgabe geführt, Meteordtinnschliffe
authentisch abzubilden. Seine photographischen Forschungen auf dem Ge-
biet des Pigmentdruckes, vor allen Dingen aber seine Entdeckung der
optischen Sensibilisatoren, ferner seine Thätigkeit auf dem Gebiet der photo-
graphischen Aesthetik sichern ihm einen ersten Platz unter den photographischen
Forschem. V. gab seit 1864 das seinerzeit bedeutendste deutsche photo-
graphische Journal »Die photographischen Mittheilungen« heraus, welches
noch heute existirt. Seine Veröffentlichungen über Kohledruck, sein Lehr-
buch der Photographie sind sehr verbreitet und mehrfach aufgelegt. Ein Lehr-
stuhl fiir Photographie wurde ihm an der damaligen Gewerb eacademie zu
Berlin errichtet, später siedelte er als Professor an die technische Hochschule
zu Charlottenburg über, seit 1876 hatte er auch den Lehrstuhl für Spectral-
analyse daselbst inne und dehnte später seine Thätigkeit seit 1887 auch auf
die Vorlesungen über Farbenlehre, Beleuchtungswesen etc. aus. V. war Ehren-
mitglied vieler wissenschaftlicher Vereine, u. A. der Königl. Photographischen
Gesellschaft zu Grossbritanien. Er ist Gründer des Photographischen Vereins
zu Berlin (1863), femer war er auf vielen Ausstellungen und Weltausstellungen
als Juror auch im Auftrag des Staates thätig. Zweimal besuchte er aus
diesem Anlass Amerika, 1871 und 1883. Durch eine grosse Anzahl von
einzelnen Abhandlungen auf dem Gebiet der Photographie, Spectralana-
lyse und Farbenlehre hat er sich fernerhin weit bekannt gemacht und auch
eine rührige Thätigkeit im Interesse der Berufsphotographie entwickelt. Er
war ein Mann von grossen Geisteskräften, besonderer Originalität und von
jrg Vogel. V. Alvensleben. Ubbelohde.
lebhaftem impulvisen Temperament. Sein Hauptwerk, die Entdeckung der
optischen Sensibilisatoren, bedeutet einen der wichtigsten Fortschritte in der
Photographie. In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte er sich
wesentlich mit dem Problem der Photographie in natürlichen Farben, dem
er eine wichtige Lösungsform in Gestalt des auf wissenschaftlicher Basis ver-
vollkommneten Dreifarbendruckes gab.
A. Miethe.
V. Alvensleben, Alkmar, Kgl. preussischer Generallieutenant, Commandant
von Breslau, * am i6. November 1841, f 10. November 1898 in Naumburg,
entstammend dem alten altmärkischen Adelsgeschlecht, welches noch jetzt in
der Altmark und in der Provinz Sachsen blüht und grösseren Grundbesitz
inne hat. Frühzeitig trat er in das Cadettencorps, das er am 17. Mai 1859
verliess, um als charakterisirter Portep^efähnrich in das Garde-Jäger-Bataillon
zu Potsdam einzutreten. Am i. Juli 1860 wurde er zum Seconde-Lieutenant
befördert, machte den Krieg von 1866 in Böhmen mit und bekleidete vom
November 1866 bis October 1870 die Stelle des Bataillonsadjutanten. In-
zwischen zum Premierlieutenant befördert, führte er im deutsch-französischen
Kriege eine Compagnie und wurde am i. April 187 1 zum Hauptmann und
Compagniechef ernannt. 1881 wurde er unter Beförderung zum überzähligen
Major in das 4. Garde-Regiment z.F. versetzt, um im October 1884 Commandeur
des Magdeburgischen Jägerbataillons No. 4 zu werden. 1888 avancirte
er zum Oberstlieutenant; am 20. November 1890 ward er zum Commandeur
des Grenadier-Regiments Prinz Carl von Preussen (2. Brandenburgisches)
No. 12 und zum Oberst ernannt. Generalmajor vom 14. Mai 1894, ward er
Commandeur der 2. Garde-Inf.-Brigade und 1896 Commandant von Breslau.
Als solcher erhielt er am 27. Januar 1898 den Character als Generallieutenant.
Ein schweres Leiden befiel ihn, das ihn im Alter von 58 Jahren hinweg-
raflfte. v. A. besass ausser anderen Ehrenzeichen den Rothen Adlerorden
II. Klasse mit Eichenlaub und Schwertern am Ringe und das Eiserne
Kreuz II. Klasse. O. Elster.
Ubbelohde, August, Universitätsprofessor des Römischen Rechts, ♦18. No-
vember 1833 zu Hannover als vierter Sohn des am 5. December 1849 ^^^'
storbenen Ober-Finanzrathes U. daselbst, f 30. September 1898 zu Marburg.
Er empfing in seinem allen geistigen Interessen offenen elterlichen Hause und
auf dem Lyceum seiner Vaterstadt eine treffliche Ausbildung. Schon früh
wurde er von einem Knieleiden befallen, das eine Operation nöthig machte
und erfuhr später bei einem Eisenbahnunfall das weitere Unglück, dass das
steif gebliebene Knie eine Quetschung erlitt, was eine dauernde Schädigung
nach sich zog. In jenen ernsten Tagen widmete er sich mit angestrengtestem
Fleisse bildender Leetüre und erhielt hiebei durch seinen auch philosophisch
hochgebildeten Vater die beste Förderung. Die Erfahrungen der Leidenszeit
dürften den Grund zu seiner Gründlichkeit und Zähigkeit in der Arbeit, wie
auch zur Hinneigung zu scharfer Kritik und einiger Empfindlichkeit gelegt
haben. Nach einer allseitig ausgenutzten Studienzeit und einer kurzen
Thätigkeit als Auditor in Lüneburg habilitirte er sich 1857 in Göttingen
für römisches Recht, wurde 1862 daselbst ausserordentlicher Professor, 1865
ordentlicher Professor in Marburg, welcher Universität er bis an sein Lebens-
ende treu blieb, in den letzten Jahren als Senior der akademischen Lehrer-
Ubbelohde. Merseburger. i c o
Schaft. Er erlebte die Einverleibung des KurfÜrstenthums Hessen in Preussen
und konnte bei der Neuordnung der Universitätsverhältnisse gute Dienste
leisten, ebenso wie er im Nebenamte für das aufblühende Communalwesen
der Stadt Marburg Jahre lang mit Hingebung und Erfolg thätig war. Mehr
als ein Jahrzehnt hat er die Universität im Herrenhaus vertreten und dabei
mit den Vertretern der Städte zusammengehalten, auch speciell der Land-
wirthschaft grosses Interesse dargebracht. Politisch war er ein eifriges Mitglied
der nationalliberalen Partei, in kirchlicher Beziehung regsames Mitglied des
Presbyteriums der reformirten Gemeinde. Seiner Ehe mit der Tochter des
Göttinger Rechsgelehrten und späteren Kunsthistorikers Fr. W. Unger (f 22.
Dec. 1876, vgl. AUg. deutsche Biographie Bd. 39, 289 — 291) entspross ein
Sohn, der als Maler durch Schaffensfreudigkeit und Erfolg die letzten Lebens-
jahre des Vaters verschönte. Er wurde 1886 zum Geh. Justizrath ernannt
und erhielt 1891 den Rothen Adlerorden 3. Klasse. Für Schönheit und
Geist, Phantasie und Witz empfänglich, war er doch wesentiich eine ruhige,
nüchtern abwägende Natur, gütig und hilfreich, begeistert von seinem Lehr-
fach und von ernster Arbeit, gewissenhaft im Kleinen und Grossen, voll
Vaterlandsliebe und unerschütterlichem Gottvertrauen. Seine wissenschaftliche
Thätigkeit war sehr ausgedehnt. Es seien genannt die Schriften »Ueber den
Satz: ipso jure compensatur« . Gott. 1858; »Die Lehre von den untheilbaren
Obligationen«, Hannover 1862; »Ueber das im Kgr. Hannover geltende
Recht der Entwässerung und Bewässerung«, Hannover 1862; Ueber die
rechtlichen Grundsätze des Viehhandels« (Abdr. a. d. Joum. f. Landwirthsch.),
Gott. 1865; »Erbrechtliche Competenzfragen«, I. Abth., Marb. 1868; »Zur
Geschichte der benannten Realcontracte auf Rückgabe derselben Species«,
Marb. 1870: »Ueber Recht und Billigkeit« (Heft 16 d. Samml. gemeinverst.
wiss. Vorträge v. R. Virchow und Fr. v. Holtzendorff, N. F., zweite Serie),
Hamb. 1887). Besonders werthvoll ist seine Fortsetzung des Pandekten-
commentars von Glück für die Bücher 43/44: »Die Interdicte«, 5 Theile,
Erlangen 1889 — 96, sowie die Herausgabe von Hartmanns »Ordo judiciorum«,
Gott. 1886, endlich die Schriften »Ueber das Verhältniss der bonorum ven-
ditio zum ordo judiciorum«, Marb. 1890 (für Wetzell) und »Ueber die Be-
rechnung des tempus utile der honorarischen Temporalklagen«, Marb. 1891.
Nach gef. Notizen des Herrn Prof. Dr. theol. W. Bornemann in Basel. — Vgl. De
Gubernatis, dictionnaire international des ecrivains du jour, Flor. 1888 — 91 p. 1857;
Kukula, allg. deutscher Hochschulen- Almanach, Wien 1888, S. 874; Krit. Vierteljahres-
schrift, Bd. 35, S. 358—395 (Hellmann): Zeitschrift der Savigny-Stiftung, Rom. Abth. XIII
384 — 387 (Biermann); Deutsche Juristen-Zeitung 1898 S. 431; Tidsskrifi for Retsvidenskab
1898 p. 518. — Ueber den Vater vgl. »Zum Andenken an den Oberfinanzrath Ubbe-
lohde«, Hannover 1850 und F. Frensdorff in der Allg. Dtsch. Biographie Bd. 39« S. X16/7.
A. Teichmann.
Merseburger, Otto, Maler und Buchhändler, * 18. December 1822 in
Leipzig, f 14. November daselbst, widmete sich ursprünglich dem Künstler-
beruf und besuchte die Akademien zu Düsseldorf und Dresden. Durch zahl-
reiche und sehr geschätzte Portraits — er fertigte deren als selbstständiger
Maler und später in Mussestunden mehrere Tausende an — hat M. sich einen
Namen gemacht. Sein Eintritt in die 1835 ^^^ K- ^^' Meusel in Weissen-
fels gegründete und von seinem Bruder, Carl Merseburger in Leipzig, er-
worbene Verlagshandlung, deren Chef O. M. in den letzten Jahren war,
geschah in Folge privater Verhältnisse. Der Verlag umfasst vorwiegend sehr
x6o Merseburger. Blihler Christian.
verbreitete Schulbücher und Musikalien. — Als eifriger Sammler brachte M.
u. A. eine zuletzt ii ooo Stücke umfassende sehr werthvolle Sammlung
sächsischer Münzen zusammen, die er 1894 durch Zschiesche & Köder in
Leipzig verkaufen Hess.
(Näheres über den ausführlichen Katalog der Münzensammlung s. »Nachrichten a. d.
dt. Buchhdl.« 1894 Nr. 18). Vgl. »Börsenblatt f. d. dt. Buchhdl.« 1898 Nr. 266 und Ver-
lagskatalog von Carl Merseburger 1849 — 89 (m. Portr. v. O. M.).
H. Ellissen.
Bühler, Christian, * 29. December 1825 in Bern, f in Bern am 3. Fe-
bruar 1898. »Ein grosser heraldischer Künstler, einer der allerhervorragendsten
Jünger der edeln Heroldskunst, ein wahrer Künstler« ist B. in den heraldischen
Zeitschriften genannt worden. Zwar eine kunstakademische Anleitung und
Erziehung erhielt er nicht; er musste 1846 von München nach einem kurzen
Aufenthalt wegen Krankheit wieder heimkehren ; aber schon als Kind schaute
er mit Bewunderung auf die Equipagen aus aller Herren Ländern, die in dem
benachbarten ersten Gasthof Berns anhielten. Sodann war sein erster Meister
der Flachmaler Rohr, der dort eine Sammlung von »alten Ornamentstücken, Kunst-
blättern, Copien von guten Glasgemälden« besass. Bedeutende Sammler und
Besteller zwangen dann den Künstler in späteren Jahren zu immer grösserer
Vollendung. Besonders aber wirkte der Sinn für Wappenmalerei, der seit
alten Zeiten in Bern die Strassen mit den "Wappen der Familien, mit den
Wappen und Abzeichen der Zünfte und überall mit dem Wappen thier der
Stadt so fröhlich schmückte, in B. nach.
Die beste Schule Hess ihm seit 1850 der tüchtige Glasmaler und Heraldiker
Dr. Ludwig Stantz angedeihen. Mit ihm malte B. 1853 die Costüme zu dem
historischen Festzug, und Stantz gab B. auch Gelegenheit, in der Ausführung
der von ihm entworfenen kalligraphischen und heraldischen zwölf Wandtafeln
im Speisesaal des Schlosses des Grafen Friedrich von Pourtal^s zu Oberhofen
sein eigentliches Meisterstück zu liefern; man denkt unwillkürlich an die
Kronen und alle die Einzelheiten auf den Bildern Jan van Eycks.
Im Jahre 1854 erhielt B. eine sehr bescheidene öffentliche Anstellung als
Conservator des Kunstmuseums.
Die Arbeit in Oberhofen führte ihm neue Bestellungen zu, zunächst von
Seiten der Familie Pourtal^s. Dann fingen die Zünfte an, ihm Aufträge zu
Titelblättern der Zunftbücher, zu Wappen, Fahnen, Bechern zu geben. Ihnen
folgten viele andere Berner Bürger, patricische und gutbürgerliche. Er
sah in seinem Beruf eine von Gott ihm zugetheilte Aufgabe. Seine Freunde
mussten den Menschen in ihm noch mehr achten, als den Künstler; auf den
Vorwurf, dass er zu peinlich in jeder Arbeit sei, erwiderte er in vollem Ernst:
»Wenn er einmal Gott mit seinen Werken müsse Rechenschaft ablegen, und die-
selben wären nicht recht?« So arbeitete der Mann in seiner Klause, die nach hinten
auf ein allzu häusliches Höfchen schaute, zwei Treppen hoch am Komhaus-
platz, vom Morgen bis zum Abend, in grösster Zurückgezogenheit und Ein-
fachheit, ohne sich jemals grössere Geselligkeit zu gönnen, mit einer Andacht,
fast wie ein Fiesole.
1864 beginnt diese festlich geschmückte Reihe; aber auch die Zeichnung
zu einer Banknote wurde in diesem Jahr von ihm verlangt, später Zeichnungen,
zu Gold- und Silbermünzen; er habe sich nicht zu gut erachtet, Zeichnungen
zu den Abzeichen der Käppi zu liefern.
Bühler Christian. i6i
In das Ende der sechziger Jahre fallt dann die Entstehung der Sammlung
(berühmten und traurigen Andenkens) des Stadtraths F. Btirki, »eines Schatzes
von Glasgemälden aus dem 14. bis 18. Jahrhundert und von Handrissen alter
Meister zu Glasgemälden, ausschliesslich schweizerischen Ursprungs, einzig in
der Schweiz«. (A. Grenser). Der Sammler nahm den Künstler auf mehreren
Reisen ins Ausland mit.
Im Jahre 1870 Hess sich Hauptmann Klose von Karlsruhe in Thun nieder;
er sah die Wandtafeln in Oberhofen; einen ähnlichen Schmuck wünschte er
für seinen Saal, und so begann ein sehr fruchtbarer und thätiger Verkehr mit
diesem Kunstfreund. 1875 erschien nun als Gast Kloses dessen Jugendfreund,
J. V. Scheffel. B. wurde nach Thun gebeten, und so knüpfte sich eine Ver-
bindung des Heraldikers mit dem Dichter, von der mehrere herzliche Briefe,
Geschenke zu Weihnachten (die Bergpsalmen, die Landschaftsstudien von 1852,
kunstgeschichtliche Prachtwerke) und wohl acht grosse und kleine Arbeiten B.'s
Zeugniss ablegen. Am 28. März 1876 dankt ihm der Dichter für die »schöne
heraldische Composition«, die B. ihm zum 50. Geburtstag zu widmen die
Güte gehabt habe. »Die Correctheit der P'ormen und die harmonische Farben-
gebung hat allgemeine Anerkennung gefunden.« Scheffel bittet ihn zugleich, da er
in den erblichen Adelstaiid erhoben worden sei, ein gleiches Blatt — aber mit der
endgiltigen Aufnahme des neuen Wappens (Taube im Schild und Pegasus als
Helmzier), sowie des inzwischen erhaltenen Ehrenbürgerrechts von Radolfzell
— als Familiendocument für alle Zukunft zu entwerfen. 1878 und 1879 ent-
standen die Entwürfe zu zwei Glasgemälden: das Trauwappen v. Scheflfel-
V. Malsen und »unten im Kneipzimmer der Mettnau der sei. Radolf mit dem
Wappen von Radolfzell. 1884 noch die grosse friesartige im Styl des 15. Jahr-
hunderts ornamentirte Schrifttafel des heil. Wolfgang in dem Saal des ersten
Stockes.« (Aufzeichnung Ch. B.) Besonders das letzte Werk freute wieder
den Sänger des Mittelalters: »Die Sorgfalt der Detailausführung und die
monumentale Haltung des Ganzen wirken zusammen ; das weisse Benedictiner-
habit hat etwas Lichtes, Verklärendes. Empfangen Sie, verehrter. Meister,
meinen herzlichen Dank für das schöne Werk, mit welchem Sie sich, wie dem
heil. Wolfgang einen bleibendes Andenken auf der Mettnau gesichert haben.«
Dazwischen gab es 1881 ein schönes Geschenk für das fursdiche Brautpaar,
den Kronprinzen v. Schweden und Victoria von Baden, herzustellen, ein
Doppelwappen der Verlobten; v. Seh. schrieb darüber 2. Mai 1881: »Das
prächtige Allianzwappen habe ich in einfacher, aber sehr eleganter Mappe
letzten Sonnabend 30. April überreicht, und sowohl die Braut Prinzessin Vic-
toria als der Grossherzog, sprachen ihre Freude und Anerkennung aus.«
Schon im Januar 1881 hatte er zum zweiten Mal aufgefordert: »Ich wünsche,
dass Sie im nächsten Sommer sich ' auf Mettnau überzeugen, wie die Berner
Glasgemälde zu den Stuben, Vertäfelungen und zur Abendsonne stimmen.«
Der Einladung folgend, brachte B. im September 1881 acht Tage am Unter-
see zu; aber er konnte auch hier dem hoch verehrten Wirthe wieder einen
Dienst leisten, indem er schnell in ein Album ein Gastgeschenk für Gross-
herzogin und Tochter, die am Tage der Abreise B.'s zum Besuch auf der
Mettnau erwartet wurden, das grossherzogliche Wappen malte. »Alles vortreff-
lich gegangen (schrieb v. Seh. am Tage nachher), vom besten Wetter be-
günstigt. Album hat grosse Ueberraschung bereitet . . ich danke nochmals
herzlich für Ihre Mühe.«
1878 entschloss sich B., »dem Drängen eines Freundes nachgebend«,
Biogr. Jahrb. n. Deutseber Nekrolog. 3. Bd. II
102 Bühler Christian.
eines seiner Wappen auf die Heraldische Ausstellung nach Wien zu
senden. Im Fachbericht schien nirgends seiner gedacht zu sein, bis am
Ende zu lesen stand: »Das Beste haben wir uns für zuletzt aufgehoben.
Wir meinen das durch meisterhaft schöne Composition und tadellose Aus-
führung von jedermann — Laien wie Fachleuten — bewunderte WattenwyFsche
Wappen von dem Schweizer Maler Herrn Christian Bühler.« Scheffel schrieb :
»Nehmen Sie auch von mir einen freundlichen Glückwunsch entgegen für das
Ehrendiplom von Wien, das mich übrigens nicht überraschte, denn an feinem
heraldischen Stylgefühl und Wissen, verbunden mit vollkommen sicherer tech-
nischer Ausfuhrung werden sie wenig Wettbewerber in Alteuropa finden.«
Das war nun einmal ein grosser Erfolg, in seinem 52. Jahre. Leider ver-
hinderte derselbe nicht, dass B. 1880 seine Stelle als Inspector des Kunst-
museums in Bern verlor. Auch sonst gab es Rosen und Passionsblumen, wie
er sich einmal malend ausdrückte, in seinem Leben. 1881 wurde er von der
heraldischen Akademie zu Pisa zum correspondirenden Mitglied ernannt, und
1882 auf der heraldischen Ausstellung in Berlin mit dem ersten Preis aus-
gezeichnet.
Unterdessen ging die Arbeit für Bemer Behörden, Gesellschafter\, Bürger
unermüdlich fort. Der Bundesrath bat ihn um die Anfertigung von kostbaren
Glückwunsch- und Anerkennungsschreiben für Schiess, Kern, B. Studer,
G. Keller 1889; letzteres lag in einer Mappe, die von B. mit einer prächtigen
Aufschrift geschmückt war. Aber der Empfanger habe es etwas gleichgültig
und brummig bei Seite gelegt. Hoch im Norden bestellte der Senat von
Lübeck die Zeichnung eines Glasgemäldes mit dem Doppeladler, für die
Kriegsstube des Rathhauses.
Das Bundesfest und die Berner Gründungsfeier 1891 machten auch an
B. ihre Ansprüche, und jetzt wurde ihm auch in der Heimath eine öffentliche
Anerkennung zu Theil: er wurde mit Prof. Blösch, Dr. Karl Munzinger, Pfr.
Weber Ehrenbürger Berns und Zunftgenosse der Zunft zu Obergerwem.
Den Sommer 1897 brachte er mit lieben Freunden einige Wochen an
der Lenk zu; dann kehrte er nach Bern zurück, wo er mit zwei Schwestern,
von denen Fräulein Kathrine sich durch die Herstellung des Niederländer
Teppichs, eine Arbeit von zwanzig Jahren, als Stickerin wohlverdient gemacht
hat, in brüderlicher Liebe gemeinsam wohnte und jede Pflege fand, soweit
grosse Anspruchslosigkeit sie gestattete. Und er arbeitete wieder fleissig
weiter. Dennoch war er auf den Tod vorbereitet. Kurz vor seinem Ende
schrieb er: »Wartet einer auf das Oeflfnen der Thore der Ewigkeit — so
achtet er sich nicht mehr der irdischen Zeit.« Grosse Schwäche nöthigte ihn
endlich, sich zu Bett zu legen, nicht eine schwere Krankheit. Die guten
Schwestern dachten gar nicht, dass ihnen das Schlimmste bevorstehe, als er
sagte: »Lasst mich jetzt schlafen« und für immer sanft entschlief, axn
3. Februar 1898.
Er hatte sich einmal bei Graveur Franz Homberg, der, wie alle seine
Freunde, seine Kunst ebenso hoch verehrte, wie die Bescheidenheit und Rein-
heit seines Herzens, ein Stahlsiegel machen lassen, keinen ritterlichen Schmuck,
nur ein B mit der Umschrift: nüt über die edel kunst. Man hat das
Siegel mit diesen schönen und wahren Worten in Erz an seinen Grabstein
geheftet.
»Adler«, Jahrgang V 1878, S. 24 ff. von Alfred Grenser. — Graveur-Zeitung 1SS4,
Nr. I von F. Warnecke. — Adressbuch für Freunde der Wappenkunde, 1884, von A. Grenser,
Bühler Christian. Baedeker. Schütze. 163
I, 20. — V. Eberstein. Handbuch für den deutschen Adel, 1891, Abtheil. I, S. 172. —
Oberländer Volksblatt, 5. Febr. 1898. — Bund, 6. Febr. 1898 von F. Homberg. — Neue
Züricher Zeitung, 6. Febr. 1898 von Dr. Walthard. — Sonett von E. Lauterburg, Bund,
12. Febr. 1898.
W. F. V. Mülinen in den Archives heraldiques 1898.
Alex. Frhr. v. Dachenhausen in den »Herald. Mittheilungen« des Vereins »Zum Klee-
blatt« in Hannover, Jahrgang 1898, Nr. 4, 5 und 6. Der Verf. giebt ein sehr dankens-
werthes Verzeichniss der Arbeiten B.'s. Wir fügen noch folgende bei:
1877 Titelblatt für Graveur Homberg — 1878 Wappen Haaf — 1879 Titel der Fest-
Schrift zur Eröffnung des Kunstmuseums in Bern — 1879 ff. Einbanddecken zu Sänger aus
Helvetiens Gauen, der letzte Zähringer, Cäsarentraum von Ernst Heller — 1881 TeUer für
B. Haller, »Basilisk u. Berner Mutz Sind vereint zu Schutz und Trutz« — x888 Wappen
Hofer-Neukomm — 1890 Wappen Baumann, Ott-Schön, Hirzel auf Holz für die Gesell-
schaft der Böcke in Zürich — 1891 Berner Gründungsfeier-Medaille — 1895 Haussegen
für M. v. M. — Titel eines Albums in Pension Schönberg bei Thun. —
Eine Arbeit über seine Technik von seinem Schüler Rudolf Münger soll noch in den
Archives heraldiques und eine Biographie von Robert v. Diesbach in den Berner Biographien
erscheinen.
Porträt Bühlers in Oel, von Albert Anker-Ins, nach dem Tode nach einer Photographie
und aus der Erinnerung geroalt, im Berner Kunstmuseum. Von Graveur Homberg ist eine
BUhler-Medaille beabsichtigt.
Bern. Karl Frey.
Baedeker, JuHus, Buchhändler, * 21. August 1821, f 22. November 1898
in Essen. J. B. war der jüngste von sechs Söhnen des Begründers der Firma
G. D. Baedeker in Essen. Seine Lehrzeit bestand er bei seinem Bruder
Karl B. in Coblenz. Bereits 1844 übernahm er mit seinem Bruder Eduard
das elterliche Geschäft, das Buchhandlung, Buchverlag und Buchdruckerei um-
fasste und später durch technisch verwandte Geschäftszweige erweitert wurde.
Seine Hauptthätigkeit widmete er u. A. der Pflege eines vorwiegend päda-
gogischen Verlags, dem Autoren wie Krummacher, Diesterweg, Kellner, Koppe,
Spiess, Erk und Greef angehören, in dem auch zuerst (1854) Wilhelms Com-
position der »Wacht am Rhein« erschien. Auf J. B.'s Anregung erschienen
die »Gesammten Naturwissenschaften«, der »Berg- und Hütten-Kalender«, der
»Ingenieur-Kalender« u. s. w. Nicht minder eifrig widmete er sich der Re-
daction der bereits 1738 gegründeten »Essener Zeitung«, zu welchem Titel
das Blatt 1860 zurückkehrte, nachdem es lange Jahre hindurch unter dem
Titel ^> Allgemeine politische Nachrichten« erschienen war. Nach Verschmelzung
mit der »Westfälischen Zeitung« in Dortmund, nahm die »Essener Zeitung«
1883 den Titel »Rheinisch-Westfälische Zeitung« an. B. führte die Redaction
in liberalem Sinne bis 1884, den zu hohem Ansehen gelangten Buchverlag,
nachdem schon 1879 sein Bruder Eduard gestorben war, bis 1894 fort. Erst
dann schied er aus der Firma ganz aus, sein arbeits- und segensreiches Leben
im glücklichen Familienleben beschliessend.
Vgl. Börsenblatt f. d. dt. Buchh. 1898, Nr. 276 (mit etwas verkürztem Nachruf aus
der »Rheinisch-Westfälischen Zeitung«).
H. Ellissen.
Schütze, Wilhelm, Genremaler, * 1840 zu Kaufbeuren, f 31. Mai 1898
zu München. Anfangs Lithograph, kam Seh. nach München, auf die Akademie
zu Alexander von Wagner und machte sich alsbald einen geachteten Namen.
Mit Vorliebe wählte Seh. Darstellungen aus der Kinderwelt, wobei er Genre,
Thierstticke und Landschaft in gleicher Wechselwirkung vereinte. In seinen
II*
l54 Schütze. Ruprecht. Marold.
Kinderscenen ftihlt man das Vorbild von Ludwig Richter und Oscar Fletsch.
Damit verband er aber auch eine sehr scharf beobachtende, durchweg von
heiterem Humor angehauchte Darstellung der Thierwelt, insbesondere der
Katzen, wobei er unwillkürlich an Henriette Ronner gemahnt. Die meisten
seiner immer gesuchten kleinen Oelbilder wurden durch Photographie und
Holzschnitt vervieltältigt und durch zahlreiche Clich^s verbreitet. Der treff-
liche Künstler schied nach langem, mit Erblindung verbundenem Leiden.
Vgl. Pecht Gesch der Münchener Kunst 1888, S. 350. Abendblatt 150 »AUgem.
Ztg.c 2. Juni 1898.
Hyac. Holland.
Ruprecht, Carl Joh. Fr. Wilh., Buchhändler, ♦ 13. Sept. 1821 in Göttingen,
f 8. Januar 1898 in Berlin, trat nach gründlicher wissenschaftiicher und fach-
männischer Vorbildung, 1848 als Theilhaber in das berühmte väterliche Ge-
schäft, die 1735 gegründete Buchhandlung von Vandenhoeck & Ruprecht in
Göttingen ein, deren Alleinbesitzer er nach dem Tode seines Vaters, 1861,
wurde. Das schon vorher unter der selbstständigen Firma Akademische
Buchhandlung von V. & R. betriebene Sortiment ging 1874 käuflich in
andere Hände über. R. widmete sich nach wie vor mit regstem Eifer dem
durch viele berühmte Autoren und gediegene Werke, besonders aus den Ge-
bieten der Theologie, Philologie, Pharmacie, Bibliographie u. s. w. aus-
gezeichneten Verlage. Ein besonderes Verdienst erwarb sich R. u. A. durch
die Schaffung und theilweise eigene Bearbeitung fachwissenschaftlicher perio-
discher Weltkataloge in systematischer Anordnung (1847 ff-)- I" ^^^ Jahren
1853 — 61 redigirte er das » Unterhai tungs- und Anzeigeblatt für Göttingen €.
Vielseitig war sein Mitwirken bei communalen und buchhändlerischen An-
gelegenheiten, wie er . besonders auch zeitweilig an der Leitung des Börsen-
vereins betheiligt war. Das Geschäft ging in den Besitz seiner schon 1888
eingetretenen Söhne, Dr. Wilhelm und Gustav Ruprecht, über.
Vgl. »Börsenblatt f. d. dt. Buchhdl.c 1885 Nr. 38 u. 248 (H. Ellissen), 1898 Nr. 7
u. 15 u. Pfau, Biogr. Lex. d. dt. Buchhdls, 1890.
H. Ellissen.
Marold Ludek M., Maler und Zeichner, ♦ 7. August 1863 zu Prag,
f 30. November 1898 daselbst, lieferte frühzeitig Illustrationen zum »Svötozor«,
besuchte 1881 die dortige Academie, 1882 die Schule von Gysis und Löfftz
in München, wo er die ersten Aufträge (Holzschnittzeichnungen zu Hack-
länders kleineren humoristischen Erzählungen) erhielt und damit das seiner
Natur am meisten zusagende Gebiet betrat. Alsbald folgten weitere Be-
stellungen für Buchhändler und Zeitungsverleger. So finden wir seinen Namen
unter einer Scene »Vor der alten Residenz in München während der Auf-
bahrung König Ludwig II.« Damals scheint M. schon in Beziehungen zu
der berühmten Firma »Braun & Schneider« getreten zu sein. In Prag bildete
er sich weiter 1887 — 88 bei Max Pimer und machte durch seine Oelbilder
viel Aufsehen, insbesondere durch den »Eiermarkt in Prag« (angekauft für
die Gallerie des Rudolfinums 1888) — ein Werk, womit der Künstler seine
Eigenart schon völlig bekundete. »Das Concept (denn Composition kann man
nicht gut sagen, es ist ja ein Ausschnitt aus der Wirklichkeit) sehr pikant,
die Zeichnung virtuos, die Figuren, Prager Typen, scharf charakterisirt und
lebendig gezeichnet, Luft und Farbengebung wahr und kühl, kurz die ganze
Marold. Keitzel. 165
Stimmung treffend, frisch und köstlich wiedergegeben.« Das Bild mag als ein
wahres Programm fiir die Vorzüge des Künsders gelten, der mit einem
Stipendium nach Paris gesendet wurde, um sich in Gallands Atelier als
Lehrer iur die Kunstgewerbeschule auszubilden. M., welcher längst schon
in Jean Beraud sein Ideal gefunden hatte, ging in Paris seine eigenen
Wege, er erhielt neue Anregung von allen Seiten, machte sich in kurzer
Zeit als Illustrator bekannt, gewann einen guten Namen, wurde von
Verlegern gesucht. Er lieferte regelmässige artistische Beiträge zu Zeit-
schriften, wie »Illustration«, zu »Figaro« u. dgl., auch eine französische
Edition von Goethes »Werther« erhielt durch M. künstlerischen Schmuck.
Seine eigentliche Domaine aber wurde das sog. »Salongenre«. In ununter-
brochener, immer neuer Folge schuf er Scenen aus den aristokratischen
Salons der modernen Haute-Volde, mit ihren unentbehrlichen, wechselbunten
Moden, mit ihrem Trick und Sport; er schilderte das zu allen Zeiten immer
gleiche blasirte Treiben der stets neu nachwachsenden goldenen Jüngelchen;
die Allüren des geldbehäbigen Bankerthums; den fascinirenden Chic der
Demi-monde mit dem ganzen ohrbetäubenden Hautgout des leichtbeweglichen
Pariser Treibens: dieses echte Herzblut der bestrickenden, ewig jungen Seine-
stadt rollte durth M.'s Schöpfungen, und zwar dargestellt in einer ihm wie
angeboren geläufigen, einzig adäquaten, virtuosen und doch so grundsoliden
Technik von Guasch, Aquarell und Stift. Mit öfter wechselndem Aufenthalt
zwischen Paris, München und Prag entstanden diese farbigen Zeichnungen,
welche dem Künstler volle Sympathie und Bewunderung er^'arben, welche
durch das Panorama »Die Schlacht bei Lipany« noch gesteigert wurde. M.
erhielt die goldene Medaille auf der Berliner Ausstellung; in München wurden
drei seiner Aquarelle auf Staatskosten für das kgl. Kupferstich -Cabinet an-
gekauft. Einen Schatz von fünfzig köstlichen Blättern erwarb die Verlags-
buchhandlung Braun & Schneider, welche (Januar 1899) im Münchener Kunst-
verein zur Ausstellung kamen; einige davon wurden in den »Fliegenden Blättern«
und die ganze Collection als »Marold -Album« 1899 bei Braun & Schneider
in Holzschnitt reproducirt; ein eminentes Blatt »Krankenbesuch« (ein alter
Arzt am Krankenlager einer jugendlichen Sängerin) findet sich als Helio-
gravüre in Hanfstängl »Die Kunst unserer Zeit« (München 1899, III. Heft).
M.'s Kunst »ging nicht in die Tiefe, aber sie bewegt sich an der Oberfläche
mit soviel Sicherheit und Grazie, in so weiser Selbstbeschränkung, dass Nie-
mand ihm den Vorwurf der Oberflächlichkeit machen wird.«
Vgl. Fr. V. Bötticher, Malerwerkc, 1895, I- 940- MUUer-Singer's Künstler-Lexikon
1897, III. 114. »Kunst für Alle« 8. Hft XIV. B. vom 15. Januar 1899. S. 122 (mit Portr.).
F. Popp »Bayer. Kurier« 21. Januar 1899.
Hyac. Holland.
Reitzely Robert. Redacteur in Detroit im Staate Michigan, Vereinigte
Staaten von Nordamerika, * 27. Januar 1849 ^^ Schopf heim in Baden,
t 31. März 1898 in Detroit. Seinen ersten Unterricht erhielt er von seinem
Vater, der Schullehrer in seinem Geburtsort war. Dann war er der Reihe
nach auf den Gymnasien zu Karlsruhe, Mannheim und Konstanz; endlich
auf der Universität Heidelberg, um protestantische Theologie zu studiren. Er gab
jedoch das theologische Studium bald auf und widmete sich der Litteratur
und Philosophie. Ohne formellen Abschluss seiner Universitätszeit durch ein
Examen wanderte er im Jahre 187 1 nach Amerika aus. Er kostete die Leiden
i66 Reitzel.
eines mittellosen Einwanderers ohne Beruf wacker aus und führte zumeist in
New- York und Baltimore ein ruheloses, ungeregeltes Leben. In Baltimore
arbeitete er eine Zeit lang in einer Tabakfabrik. In Washington gelang es
ihm, sich eine angemessenere Stellung zu erwerben. Er legte vor der dortigen
deutsch-reformirten Synode das vorgeschriebene theologische Amtsexamen ab
und wurde zum Prediger ordinirt. Er erhielt ein Predigtamt in der Bundes-
hauptstadt, dem er eine Zeit lang vorstand, bis seine freieren Anschauungen
einen Bruch mit der orthodoxen Kirchenbehörde herbeiführten. Seine liebens-
würdige, beredte und magnetische Persönlichkeit vermochte es jedoch, dass
fast seine ganze Gemeinde sich auf seine Seite stellte und mit ihm eine freie
Gemeinde gründete, was durch die fast autonome Stellung der einzelnen kirch-
lichen Gemeinden Amerikas wesentlich erleichtert wurde. Als freireligiöser
Wanderredner besuchte er seit 1874 alle grösseren Städte des Landes, und
überhaupt alle Orte, wo sich eine in den Traditionen des 48 er Liberalismus
lebende, eingewanderte deutsche Bevölkerung befand. Hier unter den durch
die politischen Wirren der deutschen Revolution nach Amerika verschlagenen
Deutschen fand er einen günstigen Boden für die Verbreitung Feuerbachischer
und radical-politischer Ideen. Allerorten fand er die freundlichste Aufnahme
bei den politisch oder religiös radicalen Elementen desDeutsch-Amerikanerthums.
Zum nicht geringen Theile wurde der Umschwung in seinen Anschauungen
durch seine Bekanntschaft mit Karl Heinzen beschleunigt. 1876 kam er zum
ersten Male nach Detroit und hielt im Hause des Sozialen Turnvereins daselbst
Sonntagsvorträge, und Ende der 70 er Jahre siedelte er ganz dahin über. Von
hier aus bereiste er die mittleren und westlichen Staaten, überall in den
deutschen Freidenker- und Turnvereinen Vorträge über religionsphilosophische
und späterhin immer mehr auch über litterarische Fragen haltend. 1884
gründete er mit Hülfe seiner Freunde eine litterarische Wochenschrift, der er
den Namen »Der arme Teufel« gab. Der Erfolg dieser ganz eigenartigen
Zeitschrift ermöglichte es ihm, sich ganz und gar seinem Blatte zu widmen,
dessen Inhalt er im Wesentlichen allein verfasste. »Der arme Teufel« wurde
das geistige Bindemittel vieler Hunderte überallhin verstreuter freigeistiger
deutscher Männer und Frauen. Dies Blatt redigirte er ununterbrochen bis
an sein Lebensende. Ein reicher Detroiter Brauer, Robert Lieber, aus Süd-
deutschland stammend, gab ihm die Mittel, um 1889 eine längere Reise nach
seiner Heimath und nach der Schweiz zu machen, wo er mit einer Reihe
jüngstdeutscher Dichter radicaler Tendenz (Henckell, Mackay, M. v. Stern,
Oskar Panizza u. A.) intimere Bekanntschaft machte. 1893 wurde er von
einem Rückenmarksleiden befallen, das sich 1894 so sehr verschlimmerte,
dass ihm die Beine lahm wurden und er bis zu seinem Tode ans Bett ge-
fesselt blieb. Der Tod erfolgte unter grossen Qualen, die von R. mit helden-
hafter Standhaftigkeit ertragen wurden, an Rückenmarksschwindsucht, kurz
vor Mitternacht des 31. März. Die Leiche wurde am 2. April darauf zu
Detroit verbrannt. Es überlebte ihn seine Wittwe, Anna geb. Martin, aus
Washington, mit der er seit 1872 verheirathet war, und von seinen 8 Kindern,
2 Töchter und ein Sohn.
Mit ihm ist eine in mancher Hinsicht typische und doch auch >^ieder
ganz eigenth um liehe Gestalt deutschamerikanischen Lebens dahingegangen.
Durch Tradition (seine heiss geliebte, früh verstorbene Mutter sympathisirte
stark mit den badischen Revolutionären von 1848) und persönliche Anlage
für die Freiheit Nordamerikas gleichsam prädestinirt, hat er Zeit seines Lebens
Reitzel. Waldow, l5y
durch Wort und That die Freiheit des Individuums nach allen Richtungen
zu fördern gesucht. Auf religiösem Gebiete hat er dogmatischen Zwang und
Intoleranz bekämpft, doch nie die wahrhaft religiösen Gefühle beleidigt oder
verletzt. Keiner politischen und socialen Partei angehörig, ist er mit freudigem
Eifer für die Befreiung der modernen Lohnarbeiter aus unwürdiger, mach t-
und rechtloser Stellung eingetreten. Für das Recht der Frau auf Individualität
und grössere Selbstständigkeit brach er manche Lanze, wie er überhaupt für
natürlichere, weniger heuchlerisch-moralische Beziehungen zwischen den beiden
Geschlechtem plädirte. Als Mittel zur Propaganda seiner Bestrebungen diente
ihm das gesprochene Wort und seit Gründung des »Armen Teufels« noch
mehr seine journalistische Thätigkeit.
R. ist auch öfter mit Gedichten hervorgetreten. Aber seine eigentliche
Kraft lag auf dem Gebiete einer blendenden, gehaltvollen Prosa. Mit Recht
konnte er von sich sagen, dass er der deutschen Sprache in Amerika einen
kleinen Tempel errichtet, dass er unter Handelsbotokuden, Zeitungskaffern und
-mir und mich« Biedermännern die Sprache Lessings, Goethes und Schillers
geredet habe. In feinsinnigen Essays vermittelte er den Deutschamerikanern
die intime Kenntniss seiner litterarischen Lieblinge: die Klassiker, G. Keller,
Heine, Scheffel, Anzengruber, Storm, von Nichtdeutschen namentlich die Ameri-
kaner Emerson, Thoreau, Wm. Curtis, Walt Whitman, den Franzosen Claude
Tillier, und von der jungen Dichtergeneration die radicalen Tendenzpoeten
sowie Friedrich Nietzsche. Ein hoch entwickeltes Naturgefühl und eine leiden-
schaftliche Liebe zu seiner alemannischen Heimath, seinem Volke, war ihm
eigen. Dies äusserte sich auch in seiner Vorliebe für die Dialectpoesie, Reuter,
Rosegger u. A.
Eine ausgewählte Sammlung von R.*s Essays, Gedichten, Skizzen und Aufsätzen be-
reitet der jetzige Redacteur des »Armen Teufels«, Dr. Martin Drescher in Detroit, vor.
Sie wird R. R. auch in Deutschland bekannt machen.
»Der arme Teufel« 1884— 1898; die »Gesellschaft«, Jahrgang 1898, Aufsatz von Wil-
helm Spohr; »Der Sozialist« (Berlin). VIII. Jahrg., Nr. 19 (»Robert Reitzel-Nummer«, hat
auch ein Bildniss); »Liberty« (Herausgeber Benjamin Tucker) New-York, 15. April X898.
Ein Bild findet sich in Nr. 697 des »Armen Teufels«.
Karl Detlev Jessen.
Waldow, Alexander, Buchdrucker und Verlagsbuchhändler, * 5. Februar
1834 zu Stolp in Pommern, f 8. October 1898, Sohn wohlhabender Eltern,
beendete seine Schulzeit in Dresden und widmete sich der Buchdruckerei,
die er bei Meinhold & Söhne und Liepsch & Reichhardt in Dresden er-
lernte. Später war er, besonders als Accidenzsetzer, in bedeutenden Druckereien
in Dessau, wieder in Dresden und in Leipzig beschäftigt. 1857 übernahm
er die Leitung der J. D. Sauerländer' sehen Buchdruckerei in Frankfurt a. M.
Nach Leipzig zurückgekehrt, gründete er am i. Juli 1860 eine eigene Buch-
und Kunstdruckerei, mit der er bald eine Verlagsbuchhandlung für typographische
Litteratur und eine Buchdruck -Utensilienhandlung verband. Mit einer »Taschen-
Agenda für Buchdrucker« (1862) eröffnete er seine verdienstliche fachschrift-
stellerische Thätigkeit und führte sie unablässig fort in dem 1864 gegründeten
^Archiv für Buchdruckerkunst«. Andere, zumeist aus seiner Feder hervor-
gegangene Werke sind die »Lehre vom Accidenzsatz«, die »Anleitung zum
Farbendruck auf der Buchdruck presse«, das »Grosse Lehrbuch der Buch-
druckerkunst«, das »Lehrbuch für Schriftsetzer«, »Die Buchdruckerkunst in
i68 Waldow. Dodge. Volkening.
ihrem technischen Betriebe« und die umfassende illustrirte »Encyclopädie
der graphischen Künste«.
Vgl. »Zeitschrift f. Deutschlands Buchdruckerc 1898, Nr. 41 (Nekrolog v, H. Schwarz,
m. Portr.), »Archiv f. Buchdnickerkunst« 1898, H. 11 (m. Portr.), »Börsenblatt f. d. dtsch.
Buchhdl.« 1898, Nr. 236 und Pfau, K. F., Biogr. Lex. d. dtsch. Buchhdls. Lpzg. 1890
(m. Portr.).
H. Eliissen.
Dodge, Emest, Landschaftsmaler und Radirer, * 26. August 1863 zu
Boston, f 21. August 1898 zu Mitterndorf bei Dachau; kam 1892 nach
München, besuchte nur kurze Zeit die Akademie, bildete sich dann aber, wie
sein jüngerer Kunst- und Gesinnungsgenosse und Landsmann Sion Longly
Wenban (vgl. unser Jahrbuch 1898 S. 216 ff.) in eigensinniger, autodidaktischer
Zurückgezogenheit und entbehrungsvoller Entsagung. »Er war ein Träumer
und Sinner, dem die Stimmungen und Farben des Dachauer Moores, die
stillen Wasserspiegel im Abendlichte, zitterndes Birkenlaub am Wiesenrain,
graues Rohr im Herbstwinde zu lyrischen Stücken wurden.« Aber seine un-
gelenke Hand blieb hart und rauh und vermochte, auf beirathende Hülfe
verzichtend, die in ihm lebende Poesie nicht zum Ausdruck zu bringen. Im
Ringen um die Formgebung erkalteten seine Gedanken und Gefühle. Es blieb
ihm etwas Unbeholfenes; Schönheit war ihm versagt: so erging sich sein
Geist in absurden Experimenten und Reproductionen. Die schlichten Blumen
der Haide und des Waldes gestaltete er zu willkürlichen, dürftigen Orna-
menten, die er in der Münchener »Jugend« spärlich zu Markte trug. Da
ihm nichts genügte, brachte er wenig zur Reife. Auf der Ausstellung der
Münchener Secession erschien 1898 (Nr. 237) ein unschöner »Mädchenkopf<:
als Aquarell. Das Ungewohnte und Seltsame Hess das Publikum begreiflich
kalt. Er tastete so lange an seinen Productionen, als hätte er selbst keine
Freude daran. So kostete er der »Sorgen und Mühen« genug und fand doch
noch Zeit, draussen im Moor den Leidenden in allerlei Gebrest Rath und
Hilfe zu bringen. Er liebte die »bayerische Haide«, er fuhr sein selbst-
gebautes Malerzelt an sonnigen wie an rauhen Tagen hinaus über schmale
Wege und braunen Moorgrund und manche Nacht lag er träumend unter
freiem Himmel.« Der anfangs November 1898 im Kunstverein ausgestellte
Nachlass des Künstiers, welcher zeitlebens dem Publikum so sorgsam aus
dem Wege ging, fand kaum die verdiente Theilnahme. D. war ein herzens-
guter, liebenswürdiger Mensch; um seinen Verlust trauern Weib und Kind
und viele Freunde,
Vgl. Nr. 395 »Neueste Nachrichten« vom 28. August u. Nr. 507 ebendas. vom 3. No-
vember 1898. Fr. Popp in Nr. 311 »Bayer. Kurier« 11. November 1898.
Hyac. Holland.
Volkening, August Heinrich, Buchhändler, * 16. Juli 1834 als der
vierte Sohn des Goldschmieds und Landwirths V. zu Minden in Westfalen,
f 13. Juni 1898 in Leipzig, besuchte die Bürgerschule und das Gymnasium
in Minden, kam dann in eine kaufmännische Lehre und hatte Gehilfen-
stellungen in Rinteln, Bremen und Herford inne. An letzterem Ort war mit
dem Geschäft eine Buchhandlung verbunden, was bestimmend für V.'s
späteren Lebensberuf wurde. Zu seiner weiteren Ausbildung arbeitete er in
einem Leipziger Commissionsgeschäfte , dann in einer Buchhandlung in
Volkening. Fränkel. Märtens. 169
Aschersleben, wo er zugleich mit dem Buchdruckwesen sich gründlich ver-
traut machte, sodass er das damals geforderte Examen in Magdeburg be-
stehen konnte. Im October 1861 gründete er eine Buchhandlung in Minden.
Durch seine Verbindung mit bedeutenden Schulmännern, wie Jütting,
L. W. Seyffarth und W. Fricke, wurde er bald auch zu Verlagsuntemehmungen
angeregt. Durch Erweiterung des Verlags wurde V. 1871 zur Abtretung des
Sortiments und Uebersiedelung nach Leipzig, dann auch zur Gründung eines
Commissionsgeschäftes und einer Buchdruckerei veranlasst. Ein gleichzeitig
eintretender Theilhaber, Berthold Siegismund, schied bereits 1873 wieder aus.
Viele und grosse Verlagsunternehmungen danken den siebenziger und späteren
Jahren ihre Entstehung, so eine Biographische, eine Pädagogische Bibliothek
(die Klassiker der Pädagogik in gediegenen Ausgaben) ausserordentlich ver-
breitetete Schüler- und Lehrerkalender (seit einigen Jahren Verlag von
Ed. Volkening, Lpz.), Anthologien, speciell für den Buchhandel wichtige
Bibliographien, pädagogische Zeitschriften u. s. w. Wie V. vorwiegend der
Schöpfer dieser Unternehmungen war, so legte er auch bei der Ausarbeitung
vielfach selbst Hand mit an. Gewöhnt bis tief in die Nacht zu arbeiten,
ist er solcher Ueberanstrengung leider allzufrüh erlegen.
Vgl. »Scbttler-Kalender f. 1899c (m.Portr.) u. »Börsenblatt f. d. dt. Buchh. 1898« Nr. 135.
H. Ellissen.
Fränkel, Ferdinand, Schriftsteller, * 16. November 181 5 zu München,
t 15. Mai 1898, erst Buchbinder, dann Schauspieler und dramatischer Dichter,
machte sich durch seine vielversprechenden, nach dem Vorbilde von Raimund
und Nestroy verfassten Volksschauspiele einen Namen; dazu gehören »Der
Goldsee« (Originalzauberposse), »Der Schwärzer und sein Dirndl« (Charakter-
bild aus dem bayer. Hochland), »Adelheid, die Soldatenbraut« (auch »Die
Beterin an der Mariensäule«, Schauspiel), »Fürst und Volk« (Lebensbild),
München 1852 in 4 Bändchen. Dann warf sich F. auf die kleine Journalistik,
schrieb für Tagesblätter, begründete selbst ähnliche Unternehmungen, wie die
nach Wiener Mustern gehaltene und illustrirte »Stadtfraubase« (1862 fF.) und
die spätere «Hofbräuhaus-Zeitung«, etablirte eine Buchdruckerei, bethätigte
sich an allerlei Unternehmungen und Projekten, verfasste viele Flugblätter,
Brochuren, auch weitere Dramen, Possen und eine Menge »Gelegenheits-
Gedichte«.
Hyac. Holland.
MärtenSy Hermann, Eduard, Kgl. Baurat, * 16. August 1823 zu Halber-
stadt, f 3. November 1898 zu Bonn, Sohn des Halberstädter Superintendenten
Märtens, studirte an der Berliner Akademie Baufach, war in den verschieden-
sten Städten Preussens amtlich thätig, eine Zeit lang in den 50er Jahren Docent
an der landwirthschaftlichen Akademie in Poppeisdorf bei Bonn, später in
Cöln Gamisonbaumeister (er baute dort den Glaspalast des Floragartens)
und zuletzt amtlich in Aachen angestellt. 1870 zog er sich ins Privatleben
nach Bonn zurück, wo er noch die Synagoge erbaute, im übrigen lebte er
vorherrschend seiner litterarischen Thätigkeit. An der Entwickelung der auf-
blühenden Stadt Bonn nahm er stets regen, thätigen Antheil, politisch und
religiös war er ein entschiedener Verfechter des liberalen protestantischen
Gedankens. Sein litterarisches Bestreberi war darauf gerichtet, die Ergebnisse
der Helmholtzschen Untersuchungen über physiologische Optik für die bildende
lyo
Märtens. Bonde.
Kunst nutzbar zu machen. Er folgerte aus der Arbeit dieses grossen Phy-
sikers, dass, wie das Auge in seiner Thätigkeit an streng mathematisch
formulirbare Gesetze gebunden sei, so auch der Künstler, dessen Werke
durch das Auge dem Menschen zum Bewusstsein gebracht werden, ganz be-
stimmte Gesetze seiner Thätigkeit zu Grunde legen müsse. Ohne im mindesten
zu leugnen, dass das wahre Genie in vielen Fällen unbewusst solchen Ge-
setzen folge, betonte er doch entschieden, dass damit diese Gesetze nicht
entbehrlich würden und bemühte sich in seinem »Optischen Maassstab« oder
*Die Theorie und Praxis des ästhetischen Sehens in den bildenden Künsten«
(I. Auflage, Bonn, Fr. Cohen, 1877; II. gänzl. umgearbeitete, Beriin, Wasmuth
1884), die Gesetze des Näheren zu entwickeln und auf die Praxis anzuwenden.
Vor Allem wendete er seine Aufmerksamkeit den Grössenverhältnissen antiker,
mittelalterlicher und moderner Sculpturen und Bauwerke zu, die er in Be-
ziehung zu ihrer landschaftlichen und sonstigen Umgebung kritisch studirte.
Um auch dem Laien und dem Kunsthandwerker seine Theorien verständlich
zu machen, verfasste M. im J. 1881 zwei kleinere Brochuren, gewissermaassen
Auszüge seines grösseren Werkes und Anwendungen auf einzelne Fälle des
praktischen Lebens: i) Zwei Elementarpunkte der Kunstbetrachtung und
Kunstübung, Bonn, Fr. Cohen, 1881. 2) Ueber Deutlichkeit und Harmonie
der Druckschriften mit ihren pflanzlichen und figürlichen Ornamenten, Bonn,
Fr. Cohen, 1881. Im Jahre 1885 folgte dann die »Skizze zu einer prakt.
Aesthetik der Baukunst und der ihr dienenden Schwester-Künste in einem
neuen System zusammengestellt«, Berlin, Wasmuth, 1885, ein Werk, das im
J. 1887 in II. Auflage als »Praktische Aesthetik der Baukunst und der ge-
werblichen Künste« als Compendium bearbeitet bei Fr. Cohen, Bonn, her-
auskam. In einer kleineren Arbeit »Ueber die Grössenmaasse und über den
Stil des in Berlin am Lustgarten zu erbauenden Domes« (als Manuskr. gedr.),
nahm M. zu dieser Frage Stellung, um im Jahre 1890 sein »Optisches Maass
für den Städtebau« (Bonn, Fr. Cohen) folgen zu lassen. Den Abschluss seiner
Thätigkeit bildete das illustrirte Prachtwerk: »Die deutschen Bildsäulendenk-
male des XIX. Jahrhunderts. (Stuttgart. Jul. Hoffmann 1892.)
Nekrologe veröffentlicht in der »Bonner Zeitungc VII, Jahrg. Nr. 265 vom 8. Nov.
1898 und der »Vossischen Zeitungc 1898 Nr. 533 (13. November).
Bünde, Oskar, Buchhändler etc., * 17. Nov. 1825 als Sohn des Oberförsters
B. in Zschemichen bei Altenburg, f 15. Juli 1898 in Altenburg, erlernte den
Buchhandel bei K. F. Koehler in Leipzig, in dessen Geschäft er dann noch bis
1845 als Gehilfe thätig war. Weitere Gehilfenstellungen hatte B. in Prag,
Zürich, Pest und >\ieder bei K. F. Koehler inne. Von Ende 1852 bis 1856
war er Geschäftsführer bei Friedrich Brandstetter in Leipzig. In diesem Jahre
erwarb er die 1850 gegründete J. H. Jacob'sche Buchhandlung in Altenburg,
1860 auch den Verlag der 1847 gegründeten »Altenburger Zeitung«. Seit
1861 wurde das Geschäft unter der Firma »Oskar Bonde« fortgeführt, all-
mählich auch durch den Verlag gediegener und weitverbreiteter Lehrbücher
und anderer Werke, von denen nur H. Kluges in vielen Auflagen erschienene
und in mehrere Sprachen übersetzte »Geschichte der deutschen Litteratur^:
erwähnt sei, erweitert. Eine 1872 gegründete eigene Buchdruckerei übernahm
bald auch Druckaufträge vieler ausNyärtiger Verlagsfirmen und gewann 1886
den ersten Preis der Altenburger Landesausstellung. Das Personal der Druckerei
Bonde. Halbreiter.
171
besteht aus 70, das Gesammtpersonal der Firma aus 90 Personen. Von
äusseren Anerkennungen, die B. zu Theil wurden, möge nur erwähnt sein,
dass er 1862 zum Sachsen -Altenburgischen Hofbuchhändler, 1890 zum
Commissionsrath ernannt wurde. Auch sein humanitäres und gemeinnützig
buchhändlerisches Wirken wurde entsprechend gewürdigt. Jahrelang war er
u. A. Vorstandsmitglied des Buchhändler- Verbandes für Sachsen und Sachsen-
Altenburg. Als Gelegenheitsschriftsteller trat B. u. A. auf mit »Erinnerungen
eines Lehrlings aus der K. F, Koehler' sehen Schule«, sowie mit einer Reihe
bes. in der » AI tenburger Zeitung«, veröffentlichter Gedichte, Reisefahrten, Um-
schauen und humoristischen Wochenplaudereien.
Vgl. Börsenblatt f. d. dt. Buchh. 1898, Nr. 180 (Nekrolog v. Franz Volger).
H. Ellissen.
Halbreiter, Adolf, Bildhauer und Ciseleur, * 13. Mai 1839 ^^ Rosen-
heim, f 28. Juni 1898 zu München. Sein Vater war der als Arzt damals zu
Rosenheim practicirende Dr. Michael H., welcher in Folge seines unruhigen
Wandertriebes ein gut Stück Welt gesehen und für seine im Sanitätsfach bei
der Belagerung von Sebastopol den Russen geleisteten Dienste die silberne
Kriegsmedaille und den Stanislausorden erhalten hatte. H, lernte zuerst bei
seinem Oheim, dem durch seine Fresken in der kgl. Residenz zu Athen und
durch seine Reisen nach Constantinopel, Kleinasien, Palästina, Aegypten und
Italien wohlbekannten Historienmaler Ulrich H., welcher als Inhaber der da-
mals frisch aufblühenden Firma Sanctjohanser seinen Neffen bei dessen so
frühzeitig hervorbrechender Begabung zum Silber- und Goldschmied ausbildete.
Hier machte sich der äusserst strebsame junge Mann mit dem ganzen Umfang
der Technik bekannt und bewies damals schon seine feinfiihhge Vorliebe für
Emaille in Verbindung von Perlen- und Edelsteinfassung, dann besuchte er die
unter der Direction des geistvollen Hermann Dyck (* 1812 fi874) florirende
Kunstgewerbeschule und arbeitete ausserdem als Bildhauer an der Akademie
im Wetteifer mit Fritz von Miller, Anton Hess, Lorenz Gedon u. A. Nach
solcher Vorbereitung ging H. nach Paris und arbeitete vier Jahre lang in den
besten Ateliers als Ciseleur. Zurückgekehrt gründete er in München eine
eigene Werkstätte für kunstgewerbliche Metallarbeiten, aus welcher bald die
treffhchsten Erzeugnisse, Brochen, Nädelchen, Tafelzier, Poeale aller Art,
Lüsterweibchen, Schatzkästchen, darunter auch ein vielbewunderter Braut-
schmuck (1875) hervorgingen. Infolge dieser Leistungen erhielt H. 1878 einen
Ruf als Professor und Leiter der Modellir- und Ciseleurabtheilung an die
Kunstgewerbeschule in Dresden; König Ludwig II. wünschte, dass eine so
befähigte Kraft für Bayern erhalten bleibe, ertheilte ihm Titel und Rang eines
kgl. Professors und fesselte den Künstler durch eigene Aufträge. Dazu ge-
hörte beispielsweise der herrliche Tafelaufsatz, welchen König Ludwig II. der
Universität Würzburg zur dritten Saecularfeier stiftete. (Abbildung in der
Zeitschrift des Kunstgewerbe- Vereins zu München 1886, Tafel i und 2 und
in Pechts Geschichte der Münchener Kunst 1888, S. 473). Obwohl H.
sonst mehr auf den ornamentalen als den figürlichen Theil Gewicht legte, so
waren hier die in Silber gegossenen Figuren der Alma-Julia mit den vier
Facultäten vortrefflich gearbeitet. Für Riedinger in Augsburg fertigte H. nach
Hauberrissers Zeichnung in stilvoller, reichster Gothik einen gewaltigen Kron-
leuchter mit 24 Armen und 120 Flammen (1880). Andere Arbeiten waren
ein Halsgehänge (Abbildung in der Zeitschrift des Kunstgewerbevereins 1880,
1^2 Halbreiter. Werner.
Taf. i6), ein schmiedeeiserner Lüster (nach Rudolf Seitz, ebendas. 1881
Taf. 37), ein Lüster für Gas für Herrn J. C. Schön in Worms (nach G. Seidl,
das Figürliche von Gramer, ebendas. 1882, Taf. 5), ein Becher aus einer
Cocosnuss, ein anderer aus einer Muschel, ein Pocal im Stile der Früh-
renaissance als Ehrengabe des Prinzen Ludwig von Baiern zum deutschen
Bundesschiessen (1881). Femer zwei Poeale als Ehrengeschenk einer Kegel-
geselischaft in Form eines Kegels (nach Rud. Seitz, ebendas. 1882, Taf. 13)
und in Gestalt einer Kugel (nach Barth und Gedon, ebendas. Taf. 14), ein
Lüsterweibchen mit Hirschgeweih und einer Syringen-spiel enden Meerfei (nach
L. Herterich, ebendas. Taf. 24), im Auftrage des Kaisers von Oesterreich der
Schmuck- und Ordensschrein fiir Prinz Leopold von Baiem (1882), für den
Prinzregenten Luitpold die Prachtgruppe mit dem im Jagdhabit neben seinem
aufgezäumten Ross vor dem Hirsche knieenden St. Hubertus (Abb. ebendas.
1883, Taf. 25), alles mit bewunderungswürdiger Sicherheit in weichen Formen,
die den Meissel und das Material ganz vergessen lassen. Ebendaselbst finden
sich die Abbildungen von silbernen Leuchtern (1883, Taf. 30 für Prinz Leo-
pold), die Diplomdecke zur Adresse für den hochverdienten Erzgiesser Fer-
dinand von Miller (1884, Taf. 12), ein getriebener Lüsterarm mit Verzierungen
von ausgeschliffenem Crystall (1885, Taf. 25), ein Kronleuchter für electrische
Glühlichter (1889, Taf. 4), ein Tafelaufsatz aus oxydirtem Silber mit Lapisla-
zuli und Crystallglas (1889, Taf. 13) u. s. w., ganz originelle Schöpfungen,
welche das Können des erfindungsreichen Künstlers im ehrendsten Sinne in
die Welt trugen. Die weitere Ausführung seiner Pläne und Projecte lähmte
ein bösartiger Gelenkrheumatismus, welcher nach langem Leiden den Künstler
seinem glücklichen Familienleben und seinen zahlreichen Freunden durch einen
allzufrühen Tod entriss. Stets neidlos, offenherzig, edel und wahr, hatte er
keinen Feind.
Vgl. Das Geistige Deutschland (1898), S. 264. No. 185 Allgem. Ztg. 7. VII, 1898.
Kunstvereinsbericht f. 1898, S. 70.
Hyac. Holland.
Werner, Karl, Landesschulinspector, *5. Mai 1828 in Wien, f 26. März
1898 in Meran. Er war ein Sohn des ehemaligen Schullehrers und späteren
Wiener Magistratsbeamten Johann W. und seiner Frau Josepha, geb. Conrad,
besuchte die Schulen seiner Vaterstadt, 1884 die sogenannte »Philosophie«
und bezog 1846 die juridische Fakultät in Wien. Im Jahre 1848 nahm er
wegen seiner körperlichen Kleinheit an der akademischen Legion nur als
Mitglied der Adjutantur Theil und begab sich im Herbste dieses Jahres zur
Fortsetzung seiner Studien nach Graz, kehrte aber schon im Winter 1849
wieder nach "Wien zurück und legte im Jahre 1850 in Olmütz das erste
juridische Rigorosum ab. Eine tiefe Neigung zu Rosine Heller in Iglau,
wohin er mit seinem Studiengenossen und Freunde Vincenz Heller zum
Ferienbesuch gekommen war, weckte den sehnsüchtige Wunsch, bald ein
eigenes Heim zu gründen. Das bestärkte ihn in seinem Entschlüsse, das ohne
Vorliebe gewählte juridische Studium aufzugeben und sich dem Gymnasial-
lehramte zu widmen, das gerade damals der Reform unterzogen wurde. Sein
Interesse für die Litteratur war früh rege geworden und hatte ihn zu eigener
Bethätigung angeregt. Er verfasste Novellen und Gedichte, kritische und
journalistische Aufsätze und lebte im Kreise mehrerer angehender Schriftsteller,
die sich zur sogenannten »Glaserei« vereinigten; im Hause des späteren
Werner. ly^
Justizministers Julius Glaser versammelten sich ausser Werner die beiden
Brüder Angelo und Emil Kuh, der Componist Carl Debrois van Bruyk und
einige andere zu litterarischen Abenden. Die meisten waren Verehrer Friedrich
Hebbels und traten begeistert fiir seine Werke durch ihre Schriften ein.
W. wurde mit Hebbel genauer bekannt, da er ihm als Feuilletonredakteur
der Wiener Reichszeitung einen Aufsatz über Erzherzog Johann einschickte,
der auch erschien. Hebbel schätzte die Darstellungsgabe des jungen Wieners
sehr hoch und beurtheilte sie desshalb besonders günstig, weil er sie frei von
den ihm unleidlichen Unarten der Wiener Schreibweise fand. Für Hebbels
»Rubin« suchte W. in einer Reihe von Aufsätzen der Wiener Zeitung
Stimmung zu machen. Ein Beitrag zu Kolatscheks Monatsschrift hatte zur
Folge, dass Kolatschek einen Contrakt mit ihm schloss, der ihn gegen ein
glänzendes Honorar zu regelmässigen Berichten aus Wien verpflichtete.
So war Aussicht vorhanden, dass sich W. eine Schriftstellerexistenz be-
gründe, doch sein Wunsch, die Braut bald heimzuführen, veranlasste ihn,
sich um die gesicherte Stellung eines Mittelschullehrers zu bewerben. So kam
er als supplirender Lehrer ans Obergymnasium in Olmütz und lehrte dort
Deutsch, Geographie und Geschichte. Die Situation war keinesfalls leicht,
denn die Umwandlung der ehemaligen »Philosophie« in die zwei letzten
G3nnnasialklassen erregte die betroffenen jungen Leute, die nun statt der
»Herren« Studenten weiter Schüler bleiben mussten. W. hatte doppelte
Schwierigkeiten, da ihm von der Natur eine imponirende Gestalt versagt
worden war, und er noch sehr jung aussah. Einer seiner damaligen Schüler,
der jetzige Oberlandesgerichtspräsident Eduard Senft in Brunn, erzählte mir,
dass die Klasse geglaubt hatte, mit W. rasch fertig zu werden, dass er
ihr aber durch seine Ruhe, sein Wissen und seinen Tact imponirte und bald
ihr Liebling wurde. Natürlich machte das neue Amt viel zu schaffen und
gestattete litterarisches Arbeiten nur wenig. W. kehrte noch einmal nach
Wien zurück, um bei A. Jäger im historischen Seminar zu arbeiten und seine
Lehramtsprüfung (1853) abzulegen. Hierauf wurde er zum Gymnasiallehrer
in Iglau ernannt, heirathete im November 1853 und begründete dadurch eine
Ehe, die nahezu 40 Jahre glücklich währte.
In Iglau entfaltete nun W. eine sehr rege Thätigkeit. Als Lehrer
gehörte er zu den beliebtesten Professoren und förderte, wie es in einem
Programme des G3annasiums heisst, durch seine pädagogische Umsicht, wissen-
schaftliche Gründlichkeit und erfolgreiche Entschiedenheit Ansehen und Ruf
des Iglauer Gymnasiums. An dem geselligen Leben der Stadt nahm er leb-
haften Antheil und suchte durch öffentliche Vorträge, durch Veranstaltung
von »Academien«, durch Förderung des Vereinslebens eine tiefere Geselligkeit
anzubahnen. Er zählte zu den Gründern des Iglauer Männerturnvereins und
trug dazu bei, dass auch die Schüler des Gymnasiums Turnunterricht genossen.
Er war auch Lehrer des Französischen am Gymnasium und trat oft mit Ein-
setzung seiner Stellung für Fortschritt und Liberalismus ein, so dass ihm
seine Mitbürger sogar das Abgeordnetenmandat antrugen; er nahm es jedoch
nicht an, sondern verhalf Dr. Eduard Sturm zur Wahl, was dieser immer
dankbar hervorhob. Auch in wissenschaftlicher Hinsicht trug er zum Ruhm
seiner neuen Heimath bei: über den Meistergesang in Iglau, über die Ge-
werbsverhältnisse im 15. Jahrhundert, über die Verbreitung des Humanismus
in Mähren schrieb er Zeitschriften- und Programmaufsätze, indem er durchaus
auf die Quellen und Archivalien zurückging. 1856 ernannte ihn desshalb der
174
Werner.
mährische Landesausschuss zum Landesarchivs-Correspondenten. Für seine
»Urkundliche Geschichte der Iglauer Tuchmacherzunft (Leipzig 1861) erhielt
er den Preis der fürstl. Jablonowskischen Gesellschaft in Leipzig und wurde
er zum correspondirenden Mitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der
Wissenschaften in Görlitz ernannt. Dieses preisgekrönte Werk schilderte mit
Ausbeutung der von W. gesammelten Urkunden die Schicksale der in
Iglau massgebenden Tuchmacherzunft von ihren Anfängen bis zu ihrem Auf-
hören, verwerthete durchgehend die politischen Verhältnisse und die ähnlichen
Erscheinungen in anderen Industrieorten zur Erklärung der Thatsachen und
gelangte dadurch zu einer Darstellung der inneren Veränderungen, nicht bloss
der äusseren Ereignisse. Ein Stück Wirthschaftsgeschichte, damit aber zu-
gleich das hauptsächlichste Geschick der Iglauer Stadtgeschichte wurde
entfaltet, und es wurde nur bedauert, dass W. nicht, wie er es so leicht
hätte thun können, ein Urkundenbuch der Iglauer Tuchmacherzunft anschloss.
Im Jahre 1861 begann W. eine Geschichte des Iglauer Gymnasiums zu
schreiben, zu der er mit der Unterstützung des Unterrichtsministeriums eine
wissenschaftliche Reise nach Sachsen unternahm; das Werk fand sich im
Nachlasse des Verfassers handschriftlich vor, nur ein Theil wurde in den Mit-
theilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte ver-
öffentlicht. Im Jahre 1863 publicirte er in der populären Sammlung
»Oesterreichische Geschichte für das Volk« die Geschichte des Kaisers Franz IL
bis 1803.
Nach nahezu fiinfzehnj ähriger Wirksamkeit schied er 1868 von Iglau,
weil er ans deutsche Obergymnasium nach Brunn als Professor versetzt
worden war. Auch hier erwarb er sich rasch allgemeine Beliebtheit und
habilitirte sich an der technischen Hochschule durch eine Probevorlesung
für allgemeine Welt- und österreichische Geschichte, zudem war er in der
Redaktion des »Mährischen Correspondenten« thätig, den er gelegentlich
während der Ferien schon selbständig geleitet hatte. Schon nach fünf
Monaten wurde W. zum Director des Obergymnasiums in Znaim ernannt.
In dieser Stadt legte er bald nach seinem Eintreffen dem Gemeinderathe den
Plan zu einer Mädchenfortbildungsschule vor und hatte die Freude, seine
Vorschläge angenommen und die Anstalt unter seiner Leitung entstehen und
gedeihen zu sehen. Durch einen zum Besten des Wiener Schiller-Denkmals
gehaltenen Vortrag über »Charles Sealsfield und den politischen Roman«, der
auch im Druck erschien, lenkte er die Aufmerksamkeit auf diesen Sohn der
Znaimer Gegend und weckte das Interesse, das anhielt, auch in weiteren
Kreisen. Bei der Einführung der neuen Volksschulgesetze wurde W. vom
Znaimer Gemeinderath einstimmig zum provisorischen Bezirksschulinspector
gewählt, und als solcher vom Ministerium bestätigt. Im Jahre 1 869 ernannte
ihn der Kaiser zum Landesschulinspector für die deutschen Volksschulen
Böhmens, wo unter heissen nationalen und religiösen Kämpfen die Volks-
schulreform durchgeführt werden musste. Aufreibende drei Jahre blieb W^.
in dieser Stellung, bald auf den Inspectionsreisen und bei den Maturitäts-
prüfungen der Lehrerbildungsanstalten durchs ganze Kronland gefuhrt, bald
mit erdrückender Bureauarbeit und endlosen Landesschulratsitzungen in Prag
überbürdet. Seine grösseren wissenschaftlichen Arbeiten blieben liegen, er
verfasste nur eine kleine Heimathskunde von Böhmen für Volksschulen und
redigirte die »Litterarische Beilage« zu den »Mittheilungen des Vereins für
Geschichte der Deutschen in Böhmen«, dessen Mitglied er von der Gründung
Werner, v. Riess.
175
gewesen war. Auf die Dauer hätte W.s Gesundheit den Mühen und Kämpfen,
Intriguen und Anfeindungen in Prag nicht Stand halten können, deshalb bat er
um seine Versetzung und kam 1872 nach Salzburg als Landesschulinspector und
administrativer Referent des Landesschulraths. Hier wirkte er bis zum Abschlüsse
seiner Dienstzeit zum Segen des Volksschulwesens, nahm sich fördernd der
gewerblichen Schulen an, war Director der Prüfungskommission für Volks-
und Bürgerschulen und Vorsitzender der Commission, die der Grossherzog
Ferdinand IV. von Toscana für die Prüfungen der Prinzen des grossherzoglichen
Hauses eingesetzt hatte. Allmählich begann er auch wieder litterarisch zu
produciren und veröffentlichte in einer Reihe von Zeitschriften und Zeitungen
kritische Aufsätze in grosser Zahl. Im Jahre 1889 wurde er auf seinen Wunsch
in den bleibenden Ruhestand versetzt und zog 1893 nach dem Tode seiner
Gattin nach Wien, wo er bis zu seinem Ende geistig ganz frisch und fast
jugendlich lebhaft als Schriftsteller wirkte und mit unverholenem Grimm dem
Umschwünge der politischen Verhältnisse in Oesterreich folgte. Am wichtigsten
sind seine zahlreichen Beiträge zur Erkenntniss und Kritik Hebbels. Bei einer
Erholungsreise nach Meran erlag W. einem Schlaganfall und wurde am
29. März unter allgemeiner Theilnahme der Lehrerschaft in Salzburg zur Erde
bestattet. »Er war ein Kämpfer für die gute Sache«, diese Worte aus einem
erst nach seinem Tode erschienenen Aufsatz über die Gymnasial reform, kann
man auch auf Karl Werner anwenden.
Vgl. Wurzbach Biogr. Lexicon. — Emil Kuh, Hebbelbiographie. — F. Bamberg,
Hebbels Briefe mit Freunden und Zeitgenossen II. Bd. — Handschriftliche Quellen.
Lemberg. Richard Maria Werner.
Riess, Richard (von), Dr. phil., Domcapitular, geographischer, Schriftsteller,
* Schw. Gmünd 19. März 1823, f Rottenburg 6. October 1898. In Tübingen
zum katholischen Theologen herangebildet, 1845 für Lösung der Preisaufgabe
der Speyerschen Stiftung öffentlich belobt, 1846 ordinirt, versah er seit 1849
das Amt eines Repetenten in Ehingen a. d. D., war von 1850 bis 1856
Lehrer der Mathematik und Geographie am Lichtensteinschen Erziehungs-
institute Neutrauchburg (im württ. Oberamt Wangen) und trat dann in den
württembergischen Kirchendienst ein, zunächst als Kaplan ei verweser in Ratzen-
riedt (Oberamt Wangen), als Pfarrverweser in Merazhofen (Oberamt Leutkirch)
und Ochsenhausen (Ob6ramt Biberach). Am i. October 1858 erhielt er seine
Ernennung zum Pfarrer von Unterboihingen (Oberamt Nürtingen). Gleich-
zeitig wurde ihm das Schulinspectorat für den Stuttgarter Bezirk übertragen,
das er bis zu seinem Eintritt in das Domcapitel beibehielt. Am 2. August
1864 rückte er zum Stadtpfarrer von Ludwigsburg und zugleich zum ausser-
ordentlichen Mitgliede des katholischen Kirchenrathes in Schulsachen mit dem
Titel eines Oberschulraths vor. Am 27. October 1879 wurde er an Stelle des
verstorbenen Domcapitulars von Scharpff in das Rottenburger Domcapitel ge-
wählt und am 30. November desselben Jahres installirt. Von 1886 bis 1895
sass er als Vertreter des Domcapitels in der württembergischen Abgeordneten-
kammer, wo er wiederholt die Rechte seiner Kirche, namentlich in Bezug
auf die Schule, nachdrücklich zu betonen Gelegenheit hatte. In seiner letzten
Lebenszeit war er von Leiden des Alters heimgesucht, die schliesslich in
Wassersucht übergingen. — Als wissenschaftliches Specialfach pflegte er die
biblische Geographie und Cartographie, worin er eine anerkannte Autorität
1^6 V. Riess. Beaulieu-Marconnay.
war. Er verfasste: i) Karte von Palästina nach den zuverlässigsten Quellen
mit besonderer Berücksichtigung des Lebens Christi, von K. A. Emmerich
entworfen (Regensburg, 1861). 2) Die Länder der Heiligen Schrift. Histo-
risch-geographischer Bilder-Atlas. Nach den neuesten und besten Quellen
dargestellt in 7 Karten (Freiburg, 1864). 3) Biblische Geographie. Voll-
ständiges biblisch-geographisches Verzeichniss als Wegweiser zum erläuternden
Verständniss der Heiligen Schrift (als Beigabe zu Nr. 2). 4) Wandkarte von
Palästina (1889, 2. Ausgabe 1892). Ausserdem lieferte er Beiträge zur
(Tübinger) Theologischen Quartalschrift und anderen katholischen Fachzeit-
schriften. Auch der württembergischen Geschichte und Alterthumskunde
widmete R. rege Theilnahme. Er war langjähriger Vorstand des Sülchgauer
Alterthumsvereins und Mitglied der 1891 ins Leben gerufenen Württem-
bergischen Kommission für Landesgeschichte. Von Seiten des Königs wurde
seine vielfache verdienstliche Wirksamkeit durch Verleihung hoher Orden,^
namentlich das mit dem Personaladel verbundenen Ehrenkreuzes des Kron-
ordens und des Comthurkreuzes 2. Klasse des Friedrichsordens, belohnt.
St. J. Neher, Personal-Katalog der seit 181 3 ordinirten und in der Seelsorge ver-
wendeten Geistlichen des Bisthums Rottenburg, 3. Auflage (Schw. Gmünd 1894) S. 105 f. ^
Deutsches Volksblatt vom 7. und 11. October 1898 Nr. 226 und 229 (wiederholt im Staats-
Anzeiger für Württemberg vom 8. October 1898 Nr. 233), Schwäbische Kronik vom
7. October 1898 (Miltagsblatt).
R. Krauss.
Beaulieu-Marconnay^ Eugen, Carl, Theodor, Levin, Freiherr von»
* 16. Februar 181 5 zu Nizza, f 23. August 1898 zu Oldenburg, war der Sohn
des Grossherzoglichen Ministers und Obermundschenks von Beaulieu-Marconnay,
wurde wegen Kränklichkeit in den Kinderjahren von Hauslehrern unterrichtet,
und besuchte dann die Gymnasien in Oldenburg und Rinteln und dieUniverrsitäten
Göttingen und Berlin. 1837 ward er als Amtsauditor in Eutin angestellt, war
1842 bis 1844 Landgerichtsassessor in Ovelgönne, dann in Jever und kam
1845 in gleicher Eigenschaft nach Oldenburg. Nachdem er 1853 Obergerichts-
assessor, 1858 Oberappellationsgerichtsrath und 1874 Oberappellationsgerichts-
Vicepräsident geworden war, ward er 1877 Präsident dieses Gerichtes und
war seit 1879 Präsident des Oberlandesgerichts. Seit 1878 war er auch
Präsident des Oberschulkollegiums und von 1878 bis 1896 Vorstand der
Commission für die Angelegenheiten der Grossherzoglichen öffentlichen
Bibliothek. Er verfasste: »Das bäuerliche Grunderbrecht. Oldenburg 1870«,,
Das »Grundbuchrecht des Herzogthums Oldenburg. 1876c, und das »Parti-
kularrecht des Herzogthums Oldenburg (einschl. des Fürsten thums Birken-
feld) in V. Holtzendorffs Rechtsencyklopädie. 1884 erhielt er das
Prädicat »Excellenz« und trat 1892 in den Ruhestand. S. K. H. der
Grossherzog hatte seine hohen Verdienste auch durch die Verleihung des
Grosskreuzes des Haus- und Verdienstordens mit der goldenen Krone an-
erkannt. Seit 1845 war von B. mit Isidore geb. von Schletter aus
Leipzig vermählt und erfreute sich mit ihr des Heranwachsens eines Sohnes
und zweier Töchter. 1884 traf ihn der schwere Schlag, diesen trefflichen
Sohn, der zuletzt Amtsrichter in Norden und Reichstagsabgeordneter war, zu
verlieren. Der tiefe Schmerz konnte aber seine elastische Natur nicht brechen.
Er kämpfte ihn durch und blieb bis an sein Ende, das ihn von mancherlei
körperlichen Leiden erlöste, voll geistiger Frische und Theilnahme. Wie er
schon in seinen Jugendjahren sich an den Werken der Classiker begeistert
Beaulieu-MarcoDnay. Angerer. I y y
hatte, so wusste er sich die Begeisterung für alles Schöne in der Litteratur
und Kunst zu bewahren und seine freudige Anerkennung neuer Schöpfungen
sprach er immer offen und unbefangen aus. Eine sonnige Heiterkeit und Frische
lag über seinem ganzen Wesen, durch die er auch seine Umgebung zu er-
heitern undzu erfrischen wusste. So gehörte er zu demkleinen Kreise von Freunden,
die sich seit 1852 jeden Donnerstag bei dem kranken Dichter Julius Moscn
versammelten und ihn durch (besprach und Vorlesen unterhielten. Besonders
lebhaftes Interesse brachte er an der Musik und dem Theater entgegen, doch
empfand er die innigste Freude wohl immer wieder an den Werken (loethes,
Schillers und Shakespeares und gedachte bis in das hohe Alter hinein noch
gern der persönlichen Erinnerungen an Goethe, die ihm seine Tante, Julie
von Beaulieu geb. von Egloffstein, Goethes Liebling, übermittelt hatte.
Dr. R. Mosen.
Angerer, Eduard, Erzbischof, Weihbischof und Generalvicar der Erz-
diöcese Wien, * 6. December 181 6 in der Vorstadt Leopoldstadt zu Wien,
f 22. August i8g8 ebenda. A. war der Sohn einer armen, aber geachteten
Bürgerfamilie. Sein Vater, ein Schuhmacher, hatte sieben Kinder zu ernähren.
Nachdem Eduard, von kleiner, schwächlicher Constitution, aber voll regen
Geistes, seine Gymnasialstudien und den theologischen Cursus an der Wiener
Universität mit Auszeichnung zurückgelegt hatte, wurde er am 24. Juli 1841
zum Priester geweiht (seine geliebte Mutter war sechs Wochen vor seiner
Priesterweihe gestorben) und war zunächst zwei Jahre als Cooperator an der
Pfarre Brunn am Gebirge bei Wien thätig. ¥Af Monate nach seiner Primiz
starb auch sein Vater und dem jungen Priester oblag bei seinem geringen
Einkommen die schwere Aufgabe, für seine jüngeren Geschwister zu sorgen.
Fürsterzbischof Milde, welcher die Talente dieses jungen Priesters kennen
lernte, ernannte ihn im Jahre 1843 zu seinem Ceremoniär und später zum
Secretär und Consistorialrath. In dieser Stellung blieb er auch unter Mildes
Nachfolger, Fürsterzbischof Othmar Ritter von Rauscher, den er anlässlich der
Concordatsverhandlungen zweimal nach Rom begleitete, wo er bei denselben
das Amt eines Schriftführers versah. Nach dem Abschlüsse des Concordats
wurde er vom Kaiser mit dem Orden der Eisernen Krone IIL Kl. ausge-
zeichnet und vom Papste unter die geheimen päpstlichen Kämmerer einge-
reiht. Als in Folge des Concordates das geistliche Ehegericht wiederhergestellt
wurde, ernannte Cardinal Rauscher seinen Secretär zugleich zum Ehcgerichts-
rathe und im Jahre 1857 zum Ehrendomherrn zu St. Stephan. Papst Pius IX.
ernannte A. im Jahre 1859 zum Hausprälaten. Im Jahre 1862 zum Dom-
herrn ernannt, rückte er im Capitel im Jahre 1867 zur Domcantorei und
1871 zur Domdechantei vor.
Erzbischof Kutschker, der Nachfolger des Cardinais Rauscher, ernannte
den Domdechant A. im Jahre 1876 zum Generalvicar und Weihbischof der
Wiener Erzdiöcese, welches wichtige und schwierige Amt er durch 22 Jahre
unter drei Erzbischöfen bis zu seinem Tode verwaltete. Im Consistorium
vom 26. Juni 1876 zum Titular-Bischof von AlaHa präconisirt, erhielt er im
folgenden Jahre von der Wiener Universität das Ehrendiplom eines Doctors der
Theologie und wurde im Jahre 1878 zum päpstlichen Thronassistenten und römi-
schen Grafen ernannt. Nachdem unter seiner Intervention das fürs terzbischöf-
liche Knabenseminar von Wien nach Oberhollabrunn verlegt worden war, ehrte
ihn die dortige Gemeinde im Jahre 1882 durch die Verleihung des Ehren-
Bio^. Jahrb. a. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. 1 2
lyS Angercr.
bürgerrechtes. Nach dem Tode des Cardinais Ftirsterzbischofes Dr. Kutschker
wählte das Metropolitan-Capitel A. einstimmig zum Capitularvicar. Für die
während der Sedisvacanz geleisteten grossen Verdienste erhielt er im Jahre
1881 das Commandeurkreuz des österr. Leopoldordens und im Jahre 1884
die Würde eines wirklichen Geheimen Rathes. Nach dem Ableben des
Cardinal Ganglbauer w^urde A. neuerdings zum Capitularvicar gewählt, nach
der Besetzung des erzbischöflichen Stuhles zum Dompropsten ernannt, von
Sr. Majestät mit dem Grosskreuze des Kaiser-Franz-Josefs-Ordens ausgezeichnet
und vom Papste Leo XIIL zum Titularbischofe von Selimbria erhoben, eine
Auszeichnung, die sonst selten einem Weihbischofe zu Theil wird.
Ueberdies versah A. auch noch andere Aemter. Als Dompropst war er
Kanzler der theologischen Facultät der Wiener Universität und Dechant von
Kiemberg (Diöcese St. Polten), ferner Präses des f. e. Consistoriums und des
Diöcesangerichtes, Centraldirector der Leopoldinenstiftung, und seit 1881 Curator
des f. e. Knabenseminars. Schon am ELnde der achtziger Jahre trat bei ihm
eine ernstliche Schwächung der Augen ein, welche auch durch zwei Staar-
operationen in den Jahren 1890 und 1891 nicht ganz behoben wurde. Nichts-
destoweniger waltete er unverdrossen und mit seltener Pflichttreue seines
Amtes, so dass er bis spät in die Nacht hinein die Acten erledigte. Am
24. Juli 1891 feierte er im Stefansdome seine goldene Jubelmesse, bei deren
Anlass er durch ein von Ischl am 23. Juli datirtes Handschreiben des Kaisers
ausgezeichnet wurde. Am 7. August 1898 wohnte er noch Vormittags einer
von seinem Ceremoniär in der Hauskapelle celebrirten Messe bei, musste
aber Nachmittags wegen zunehmender Schwäche zu Bette gebracht werden.
Nachdem er noch mit den Sterbesacramenten versehen worden war, den
ai)ostoli sehen Segen des heiligen Vaters mit innigstem Danke entgegenge-
nommen sowie einen Besuch des Cardinais Gruscha erhalten hatte, entschlief
er Abends '/^lo Uhr, umgeben von dem Ordinariatssecretär Dr. Pfluger und
seinem Secretär Msgr. Friedrich. Am 25. August fand das feierliche Leichen-
begängniss statt, an welchem ausser dem Metropolitancapitel an 200 Geist-
liche aus dem Weltclerus und dem Ordensstande nebst einer grossen Menge
Volkes sich betheiligten. Cardinal Fürsterzlischof Dr. Gruscha hielt das
feierliche Requiem. Der Leichnam wurde hierauf auf dem Heiligenstädter
Friedhof in einer Gruft beigesetzt, vom Prälat Domcustos Dr. Horny unter
Assistenz von drei Domcapitularen und der f. e. Curgeistlichkeit nochmals
eingesegnet. Seine Verwandten liessen über der Gruft desselben ein schönes
(irabmonument errichten.
Mit Erzbischof A. hat ein an Erfahrungen und unermüdlicher Arbeit
reiches Leben seinen Abschluss gefunden. Selbst während seiner kurzen Krank-
heit, durch welche der Körper zwar gebrochen wurde, indessen der Geist eine
staunenswerthe Lebhaftigkeit bewahrt hatte, erledigte er noch die Acten bis
kurz vor seinem Tode. Ausser den zahllosen Cieschäften eines Generalvicars
der so grossen Wiener Erzdiöcese, unterzog er sich ebenso mit freudiger Be-
reitwilligkeit den mannigfiichen bischöflichen Functionen im Stephansdome
und ausser demselben. Hunderten von Clerikern spendete er die heiligen
Weihen, und Hunderttausenden die heilige Firmung; denn während der
Pfingstoctave allein firmte er alljährlich 12 bis 15000 Kinder und Erwachsene.
Bei allen feierlichen Anlässen in und ausser dem Stephansdome vollzog er
die kirchlichen Handlungen mit grosser Würde und erfreute sich, selbst
musikalisch veranlagt, eines klangvollen Organs. Seitdem er mit der bischöf-
Angerer, Schmid, ly^
liehen Würde bekleidet war, nahm er in den meisten Frauenklöstern Wiens
die Einkleidung und Professablegung der Candidatinnen vor, wobei er stets
nach Form und Inhalt vollendete, ergreifende Ansprachen hielt. Als General-
\icar suchte er mit den Staatsbehörden, ohne dem kirchlichen Prinzipe etwas
zu vergeben, in P'rieden und Harmonie zu leben, ^^ie er überhaupt im Ver-
kehr mit Jedermann von gewinnender Freundlichkeit war, und jeder Liebes-
dienst, den er erweisen konnte, ihm eine Herzensfreude bereitete. Gegen
Arme, die sich oft, besonders an Freitagen, an seiner Thüre einfanden, hatte
er stets eine offene Hand, so wie auch die vielen Vereine und Wohlthätig-
keitsanstalten an ihm einen Förderer und Gönner verloren. — Das Wiener
Diözesanblatt (1898, Nr. 16) hebt in einem kurzen Nachrufe die Pflichttreue
und die gewissenhatte unermüdliche Arbeit des Generalvicars A. hervor. — Von
seinem bescheidenen Vermögen bestimmte er testamentarisch 100 fl. zur Ver-
theilung an die Armen der Pfarre St. Stephan, 1000 fl. zu einer Messenstiftung,
30000 fl. zu der Milde-Stiftung für arme Seelsorger und Schullehrer der Wiener
Erzdiöcese, Legate für seine Bediensteten, und einen Brillanten ring, welchen
Erzbischof Milde vom Kaiser Franz L erhalten und bei seinem Tode seinem
Secretär übergeben hatte, zu einer Monstranz.
Sein Leben war eine Kette von Arbeiten und Mühen zum Besten der
Erzdiöcese, wesshalb auch diese ihrem langjährigen Generalvicar ein dankbares
Andenken bewahren wird.
Wien. Dr. Zschokke.
Schmidy Ludwig Carl, Dr., Historiker * Vaihingen a. d. Enz in Württem-
berg 17. Januar 181 1, f Tübingen 2. April 1898. Er widmete sich realistischen
Studien, wurde Hofmeister im Hause des Kriegsministers von Hügel zu Stutt-
gart und gehörte dann nahezu 4 Jahrzehnte lang als Reallehrer, zuletzt titu-
lirter Professor der Tübinger Realanstalt an. ¥jT hatte als Lehrer, wie einer
seiner Collegen an seinem Grabe bezeugte, etwas Bestimmtes, Abgegrenztes,
fast Militärisches. Er zeigte auch für turnerische Angelegenheiten lebhaftes
Interesse und war Gründer und langjähriger Commandant der Tübinger
Jugendwehr. Ueberhaupt nahm er am öffentlichen Leben Antheil. 1874 Hess
er sich in den Ruhestand versetzen und zog sich nun mehr und mehr in die
Stille seiner Studirstube zurück. Am 15. April 1893 konnte er das Fest seiner
fünfzigjährigen Doctorwürde begehen. Sich geistiger Rüstigkeit erfreuend,
blieb der Greis an der Arbeit, bis ihm ein sanfter, schmerzloser Tod die
Feder aus der Hand nahm. Länger als ein halbes Jahrhundert vertiefte er
sich in Forschungen über die Geschichte und Kulturgeschichte des schwäbischen
Mittelalters. 1843 doctorirte er mit einer kritisch-historischen Untersuchung
über die älteste Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen. 1853 folgte über
diesen Gegenstand ein ausführliches, von Uhland freundlich anerkanntes Werk :
»Geschichte der Pfalzgrafen von Tübingen, nach meist ungedruckten Quellen,
nebst Urkundenbuch«. Sowohl dieses Buch als die 1862 erschienene »Cie-
schichte der Grafen von Zollern-Hohenberg und ihrer Grafschaft nach meist
ungedruckten Quellen« mit einem dazu gehörigen »Monumenta Hohenbergica«
betitelten Urkundenbuche sind noch heute unentbehrliche Hilfsmittel für alle,
die sich mit der Geschichte dieser Häuser und dieser Gegenden befassen.
Schmids wissenschaftliche Hauptleistung war »Die älteste Geschichte des er-
lauchten Gesamthauses der Königlichen und Fürstlichen Hohenzollern bis
zur Erwerbung der Burggrafscliaft Nürnberg« (3 Theile, 1884/88). Im dritten
12*
j 3o Scbmid. Schmitz.
Bande wurde der Beweis erbracht, dass die Könige von Preussen wirkliche
Hohenzollern seien und nicht von den fränkischen Grafen von Abenberg ab-
stammen, wie andere Cielehrte behauptet hatten. Schmids Ansicht blieb
nicht unangefochten, aber er wusste sie in mehreren weiteren Schriften gegen
seine Widersacher glücklich zu vertheidigen. Ausserdem lieferte er nament-
lich noch folgende Beiträge zur zollernschen Geschichte: »Belagerung, Zer-
störung und Wiederaufbau der Burg Hohenzollern im fünfzehnten Jahr-
hundert« (1867), »Der heilige Meinrad in der Ahnenreihe des erlauchten
Hauses Hohenzollern« (1874), »Das Schloss Alt-Rotenburg oder die Weiler-
burg von Einst und Jetzt. Kultur- historische Zeit- und Landschafts-
bilder aus Schwaben« (1877), »Die Heimat der Hohenzollern. Land und
Leute derselben in den ältesten Zeiten« (1889), »Die Grafen von Hohenberg
zoUerischen Stammes und das Minnesänger-Denkmal auf der Weilerburg«
(1891). Andere Arbeiten Seh. 's bezogen sich auf andere Abschnitte der
mittelalterlichen Geschichte, so »Der Kampf um das Reich zwischen dem
römischen König Adolf von Nassau und Herzog Albrecht von Oestreich«
(1858), »Die Geschichte der Herzoge von Teck, der Grafen von Achalm
und Urach, von Calw, Vaihingen und Löwenstein in gedrängten Abrissen
dargestellt« (1865), »Die Wahl des Grafen Adolf von Nassau zum römischen
König 1292« (1870). Als Culturhistoriker beschäftigte er sich insbesondere
mit den Minnesängern. So stellte er 1874 eine kritisch-historische Unter-
suchung über »Des Minnesängers Hartmann von Aue Stand, Heimath und
Geschlecht« an. 1879 veröffentlichte er einen stark ins Romanhafte schillernden
Cyklus von culturhistorischen Bildern aus dem 13. Jahrhundert »Graf Albert
von Hohenberg, Rotenburg und Haigerloch vom Hohenzollern-Stamme. Der
Sänger und Held«. 1877 Hess er sogar eine kulturhistorische Novelle als
Manuscript drucken: »Des Pfalzgrafen Götz von Tübingen nächtlicher Besuch
im Kloster Bebenhausen 1280«. Ohne zu den grossen Meistern historischer
Auffassungs- und Darstellungskunst zu zählen oder auch nur überall geläuterten
Geschmack zu bewähren, hat sich Schmid doch als Special forscher unleug-
bare Verdienste erworben, die ihm ein bleibendes Plätzchen in der deutschen
Geschichtswissenschaft sichern. Das Haus Hohenzollern hat sich ihm gegen-
über nicht undankbar bewiesen. Kaiser Wilhelm L und hauptsächlich die
Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen zeichneten ihn mannigfach aus. Er
versäumte niemals, seine sieben Orden und sonstigen Ehren den ohnehin allzu
weitschweifigen Titeln seiner Werke anzuhängen.
Zerstreute Zeitungsnotizen, namentlich in der »Tübinger Chronik« vom 5. und 7. April
1898 und in der »Schwäbischen Kronik« vom 4. und 6. April 1898 (je Abendblatt).
R. Krauss.
Schmitz, Wilhelm, Philologe, * 2. August 1828 im Dorf lein Kalkum, das
im Landkreise Düsseldorf liegt, f zu Köln, 17. Juni 1898, Sohn eines Elementar-
lehrers, erhielt seine Vorbildung auf dem katholischen Gymnasium an Mar-
zellen zu Köln, das er im Herbste 1849 verliess, um sich in Bonn vornehm-
lich philologischen und geschichtlichen Studien zu widmen. Dort schloss er
sich bald an Friedrich Ritschi an. Mit der Dissertation »Quaestiones orthoe-
picae Latinae« 1853 erwarb er den philosophischen Doctorgrad und unterrichtete
darauf zu seiner praktischen Ausbildung theils am Gymnasium zu Bonn, theils
an der gleichartigen Anstalt zu Düsseldorf. Im Herbste 1855 wurde er dem
Gymnasium zu Coblenz und zu Ostern 1856 dem Gymnasium zu Düren
Scbmitz. l8i
behufs commissarischer Beschäftigung zugewiesen. Der letztgenannten An-
stalt gehörte er dann auch nach seiner im Herbste 1856 erfolgten definitiven
Anstellung bis zum Herbste 1860 als ordentlicher, darauf als Oberlehrer
an. In gleicher Eigenschaft seit Herbst 1865 an das katholische Gymnasium
an Marzellen in Köln versetzt, wurde ihm vom i. October 1868
ab das Rectorat des damals ebendaselbst neu eröffneten katholischen Pro-
gymnasiums und bei der im Herbste 1871 stattfindenden Erweiterung dieser
Anstalt zum vollberechtigten Gymnasium die Direction des nunmehrigen
Kaiser Wilhelm-Gymnasiums übertragen. Die ersten Studien von Seh. waren
orthoepischer und orthographischer Art. 1863 wurde seine erste tachy-
graphische Untersuchung bekannt. Ritschi hatte Seh. schon während seiner
Studienzeit auf das über Gebühr vernachlässigte Studium der Tironischen
Noten und ihrer Litteratur aufmerksam gemacht. Am 15. Juli 1862 schrieb
ihm sein Lehrer: »Sehen Sie sich doch einmal im Gruter, nach den In-
dices und Corrigenda, die »Notae Tironis ac Senecae« an, nicht auf die
Notae, sondern auf ihre Erklärungen.« Damit kam der Stein ins Rollen.
Der erste Aufsatz von Seh. über die altrömische Stenographie hatte den
in zwiefacher Beziehung interessanten Titel: „Zu den sog. »Notae Tironis
ac Senecae«". Umfangreicher ist schon der zweite Aufsatz »Tironiana« in
den »Symbola philologorum Bonnensium in honorem Ritschelii collecta
(Leipzig 1864)«. Hier bespricht Seh. den Codex Cassellanus. Für den »Pan-
stenographikon« lieferte Seh. im Jahre 1869 einen Beitrag, »De Romanorum
tachygraphia« betitelt. Bald darauf erschien von ihm eine eingehende
Würdigung von Oscar Lehmanns »Quaestiones de Notis Tironis et Senecae«
(Leipzig 1869). Die Jahre 1870 und 187 1 brachten Untersuchungen über
^>die Strassburger Handschrift der Tironischen Noten«. Durch den Brand
der Strassburger Bibliothek (1870), war auch den Flammen der platzenden
Granaten ein Notencodex zum Opfer gefallen. Jetzt machte Seh. der Gelehrten-
welt die Mittheilung, dass er den Text des genannten Codex in Folge einer
in den Tagen vom 4. bis 8. September 1869 vorgenommenen Collation nach
dem Gruterschen Druck gerettet hätte. Untersuchungen über »die Lei-
dener Handschriften der Tironischen Noten« und über »die Pariser Hand
Schriften der Tironischen Noten schlössen sich in den folgenden Jahren der
Publication über den Strassburger Notencodex an. Ausser diesen Aufsätzen
befindet sich dann im »Rheinischen Museum« noch eine grössere Anzahl
kleinerer Untersuchungen zur Erklärung und Emendation der tironischen
Noten. In den Jahren 1863 — 1877 erschienen 30 solcher Artikel. Alle die
bis jetzt besprochenen Abhandlungen waren in verschiedenen Zeitschriften
zerstreut. Wiederum war es Friedrich Ritschi, der Seh. schrieb: »Mir ist
dieser Tage der Gedanke gekommen, dass Sie doch sehr gut thäten, wenn
Sie ihre bisher gedruckten Beiträge zur lateinischen Sprach- und Litteratur-
kunde sammelten. Sie thäten damit, wie ich glaube, unseren Studien einen
recht namhaften Gefallen . . .« Wenige Jahre später war Ritschis Wunsch
erfüllt in dem Bande »Beiträge zur lateinischen Sprach- und Litteraturkunde
(Leipzig, 1877)«. ^^^ nächsten Erzeugnisse seiner Feder waren »Studien zur
lateinischen Stenographie,« deren erster Theil Madrider, deren zweiter Berner
Noten behandelte. Weiteren Kreisen wurden seine Untersuchungen besonders
durch zwei populäre Vorträge »Ueber tironische Notenu bekannt. Von nun
ab mehren sich seine Aufsätze in überaus schneller Weise. Den »Studien zur
lateinischen Tachygraphic« folgten die als selbstständiges Werk erscheinenden
l82 Schmitz. Montemczzo.
>^Monumenta tachygraphica codicis Parisiensis latini 2718«. Dann durchmusterte
er die Handschriften der Kölner Dombibliothek. Er fand hier 13 Handschriften
mit tironischen Noten. Auf die Existenz derselben hatte bereits Wilhelm Watten-
bach hingewiesen. Zum Andenken an Gabelsberger, »den Kenner tironischer
Noten«, veranstaltete Seh. zu dessen Säcularfeier eine Ausgabe der regula cano-
nicorum Chrodegangs von Metz (742 bis 766) nach einer Leidener Hand-
schrift. 1893 erschien das Hauptwerk von Seh., die »Commentarii notarum
Tironianaruni« . Das Buch ist die Frucht eines ganzen Menschenlebens.
Palaeographen und Philologen, Geschichtsforscher und Litteraturhistoriker,
Stenographen und Grammatiker spendeten dem Werke uneingeschränktes
Lob. Neben seinen Leistungen auf dem Gebiete der lateinischen Tachygraphie
hat Seh. noch manche andere wissenschaftliche Arbeit von W^erth geliefert. In
den Programmen des Kaiser Wilhelm-Gymnasiums von 1878, 1879, 1882 und
1883 hat er »Mittheilungen aus den Akten der Universität Cöln« veröffentlicht,
denen eine Untersuchung über den »Bauernkrieg und die mit demselben zusam-
menhängenden stadtkölnischen Unruhen« auf Grund eines Berichtes des Decans
an der Kölner Universität, Wilhelm von Zons, aus dem Jahre 1525 folgte.
Als Schlussergebniss dieser fiir die Genealogie wichtigen Vorarbeiten erschien
im Jahre 1892 die in Gemeinschaft mit Dr. Keussen herausgegebene Matrikel
der Universität Coeln (1389 — 1559)«
Als Lehrer hat Seh. der Anstalt, der er siebenundzwanzig Jahre vorstand,
das (lepräge seiner eigenen, energischen, eigenartigen Persönlichkeit auf-
gedrückt. Als Grundsatz seines pädagogischen Bekenntnisses hat er in einer
Abschiedsrede die Forderung aufgestellt: ohne Schablone, aber nicht ohne
Princi]) die Jugend zu erziehen, als Princip habe aber zu gelten Gottesfurcht,
Königstreue und Vaterlandsliebe, Sittlichkeit und ernstes wissenschaftliches
Streben.
Nach dem Gedenkblatt von Cur! Dewischcit (S.-A. aus dem »Archiv für Steno-
graphie«, 1S98), Berlin, H. Schumann, 1898. Ebenda ein Bild von Seh.
Montemezzo, Antonio, Thier- und Landschaftsmaler, * 11. December 1841
zu S. Paolo di Piane bei Treviso, f 11. September 1898 zu München, war
der Sohn eines Apothekers, besuchte zuerst die Volksschule in seiner Heimath,
dann in Venedig die Academie, wo er drei Diplome und ein Stipendium zu
einer Studienreise errang. Im Jahre 1870 ging M. nach Wien und Hess sich
1871 bleibend zu München nieder, wo sein künstlerisches Talent in Beob-
achtung des Thun und Treibens unserer Hausthiere zur vollen Blüthe gelangte.
Insbesondere liebte er, Hühner und Gänse in lebendiger Weise und in glänzen-
der Farbengebung darzustellen. Aber auch die sonnige Landschaft gelang es
ihm wiederzugeben oder die regenfeuchten W'olken über den frühlingsfrohen
Isarauen. Eine »Dorfparthie mit Staffage« erschien 1875 zuerst im Kunst-
vcrcin, welcher in der Folge beinahe alljährlich seine meist in kleinem Format
gehaltenen, sehr ansprechenden Thierstücke erwarb, darunter eine »Junge
Pflegerin. (Henne mit ausgebrüteten Entlein), die in verschiedenen Dar-
stellungen wiederholte »Ciänsehirtin« (1876), und »Dachauerin« (1885),
eine vGänseheerde« (1886), ein Pferdemarkt« (1889), »Grasende
Kühe^^ (1896), reizende, geschäftige ^> Hühner« (1897) und ein »Hahnen-
kampf«. Während er im Juli 1898 an seinem letzten Bildchen »Heu-
ernte^ arbeitete, fiel ihm plötzlich vor der Staffelei der Pinsel aus der Hand
— das erste Zeichen einer rasch weitergreifenden, auch das Sprachvermögen
Montemezzo. v. Sager. igj
raubenden Lähmung; so erschien der Tod als eine Erlösung. Seine durch
heiteren Humor, packende Individualisirung und blühendes Colorit immer an-
sprechenden Bilder bekundeten ihre Vorzüge in Photographie und Holzschnitt,
in letzterer Reproduction erschienen z. B. eine »Entenjagd« (No. 2674 ^>IllustT.
Ztg.«, I.pz., 29. September 1894), »Wildenten« (Reclam's »Universum« 1898.
XIV. Jahrg. i. Heft), »Glückliche Reise!« (winkt ein Gänsehirt einem vorbei-
sausenden Eisenbahnzug, in No. i, »lllustr. Welt« 1897). Sein Name wird
lange noch in guter Erinnerung bleiben. Nachträglich erschien (März 1899)
ein hübscher »Geschirrmarkt« im Kunstverein.
Vgl. Bericht des Münchener Kunstverein für 1898. S. 71.
Hyac. Holland.
Sager, Michael von, 'bayerischer Oberbaurath, Ingenieur, ein Pionier der
deutschen Technik, * 13. September 1825 zu Holzhäusel bei Gaindorf
(Bezirksamt Vilsbiburg in Niederbayern), f 6. Januar 1898 zu München. Die
Lebensgeschichte dieses merkwürdigen Mannes ist ein neuer Beleg für die
anerkannte Thatsache, dass nicht allein Albions Millionäre und die amerika-
nischen Dollar-Nabobs, sondern auch die grössten Erfinder und industriellen
Arbeitgeber sich von unten herauf emporgearbeitet, mit nichts angefangen und
nur durch Fleiss und Genie es vorwärts gebracht haben. S. war der Sohn
eines Schmiedegesellen in einem weltentlegenen Flecken; zwei Kreuzer, welche
er als Ministrant beim Messedienst einmal geschenkt erhielt, bildeten seine
erste Baarschaft. Er besuchte die Volksschule in Frontenhausen und trat
dann zu Landshut bei einem Tuchscheerer in die Lehre mit der bescheidenen
Hoffnung, einmal ein kleiner Handwerksmeister zu werden. In der kurzen
Freizeit befasste er sich mit der lateinischen Grammatik unter der Beihülfe
eines Gymnasiasten und zwar mit solcher Lernbegierde, dass S. in einem
Jahre an der Lateinschule die nöthigen Zeugnisse errang, um in die Gewerbe-
schule einzutreten. Von da führte der Weg an die Polytechnische Schule
nach München (1850). Es gab aber genug zu kämpfen mit den widerstrebend-
sten Verhältnissen. Beim Tode des Vaters war ihm ein kleines Anwesen zu-
gefallen, welches S. zu Geld machte; um die Mittel zu verlängern, befliss er
sich der härtesten Entbehrungen und behalf sich durch Ertheilung von Privat-
unterricht. Der Kampf ums Dasein war hart und schwer. Aber die Kraft
der Jugend und das brennende Verlangen nach Bildung stählte seine Energie;
so wurde S. im strengsten Sinne des Wortes der »seif made man«. Bald
gewann er durch seine Fassungsgabe und die grossen, überraschenden An-
lagen und den leuchtenden Fleiss die Aufmerksamkeit des damaligen Rectors
H. Alexander und seiner Lehrer, darunter auch E. von Bauernfeind. Nach-
dem S. die theoretischen Vorbedingungen zum Eintritt in den Staatsdienst er-
füllt hatte, begann er seine Thätigkeit als Practicant beim Strassen- und Fluss-
bauamt Weilheim, machte nach zwei Jahren mit Auszeichnung das Staatsexamen
zu München (1858), bethätigte sich aber nicht im Staatsdienst, sondern als
Hülfs-Ingenieur der Privatgesellschaft zum Bau der Bayerischen Ostbahn. Hier
erregte sein praktischer Blick und unermüdlicher Fleiss, insbesondere aber
seine trotz der solidesten Ausführung auffällige Oekonomie, alsbald die Auf-
merksamkeit der massgebenden Persönlichkeiten; in Folge davon wurden ihm
als Sections-Ingenieur rasch grössere Arbeiten anvertraut und seine Leistungen
in Wernberg und Eger durch entsprechende Remunerationen belohnt. Da in
Eger das damalige Bauprogramm der Ostbahn endete, sah sich S. vor die
l84 ^- Sager.
Wahl gestellt, entweder in den Betriebsdienst der Ostbahn überzutreten oder
sich zum Eintritt bei der k. b. obersten Baubehörde zu melden. Obwohl
er kurz vorher einen eigenen Hausstand begründet hatte, wollte er sich zu
keinem T^ienstverhältniss entschliessen, verzichtete also auf seine wohlerworbenen
Rechte zu einer Anstellung im Staatsdienste und begann als freier Mann auf
eigene Faust seine Bahn zu verfolgen. Mit seinen Ersparnissen kaufte er in
günstiger Lage einige Bauplätze in München , errichtete etliche höchst
praktisch eingerichte, grosse Privathäuser und wartete ruhig auf weitere
(ielegenheit, seine bisherigen Erfahrungen selbstständig auszunützen und zu ver-
wcrthen. Bei seiner Gewissenhaftigkeit als Bauführer hatte er die Leistungen
seiner Arbeiter und Accordanten mit dem ihm eigenen Scharfblick beobachtet
und dadurch eine ausserordentlich praktische Technik gew^onnen, so dass er
bei höchster Solidität viele Arbeiten in Regie und Kleinaccord zu wesentlich
niederen Preisen im Interesse der Ostbahn durchzuführen verstand, als die
darauf reflectirenden Accordanten veranschlagten. Während er seiner Gesell-
schaft sehr erhebliche Ersparnisse machte, hatte er sich zum eigenen, selb-
ständigen Unternehmer ausgebildet. Der Bau der Staatsbahnstrecke München-
in golstadt-Treuchtlingen bot die erste günstige (Gelegenheit als Mindest-
nehmer in der Nähe von Ingolstadt ein Bauloos zu erstehen, womit auch die
Ausführung eines Vorwerkes verbunden war, welches in der Umgebung dieser
Festung durch die Kriegsereignisse des Jahres 1866 möglichst rasch hergestellt
werden sollte, deren Vollendung jedoch in Folge des kurzen Verlaufes
dieses Krieges bald wieder sistirt wurde. So konnte S. mit voller Kraft
zu seinen Bahnl)au-Arl)eiten zurückkehren. Inzwischen war der Grossindustrielle
und Reichsrath Dr. Theodor von Cramer-Klett auf S. aufmerksam geworden und
l)0t ihm Credit an, wodurch er in Stand gesetzt wurde, die Ausführung der Bau-
loose in der Nähe von Eichstätt zu erstehen, w' eiche die Anschaffung von sehr um-
fangreichen und kostspieligen Werkzeugen benöthigten. Nach Lösung dieser
Verpflichtungen hatte S. soviel erreicht, dass sein gewaltiges Inventar verdient
war und sein nächstes Augenmerk desshalb darauf gerichtet sein musste, zur
weiteren Ausnützung desselben neue, entsprechende Arbeit zu bekommen.
Da nun damals in Oesterreich eine lebhafte Thätigkeit im Eisenbahnbau be-
gann und dort die Vergebung von ganzen Linien im Pauschalaccord allgemein
üblich war, mussten diese Verhältnisse unseren S. lebhaft interessiren, um so
mehr, als dort sich Gelegenheit bot, um auch als Ingenieur bei den Unter-
suchungen in den Detailprojectirungen und Ausführungen zur Geltung zu ge-
langen. >^Es glückte ihm (1868) durch die Uebernahme der Linie Neumarkt-
Ried-Braiuiau (^61 Kilometer), den nächsten Schritt über die Grenze zu thun
und seine Thätigkeit in Oesterreich mit einem grösseren Bahnbau zu be-
ginnen.« Doch schon im folgenden Jahre (1869) »betheiligte sich die in
Oesterreich noch kaum bekannte Firma (S. hatte sich inzwischen mit zwei
ehemaligen CoUegen von der bayer. Ostbahn associirt) an der Concurrenz der
Pusterthal-Bahn »Lienz-Franzensfeste'<, einer sehr schwierigen Gebirgsstrecke
von 107 Kilometern, deren Voranschlag ohne Grundeinlösung, Schienen und
Hochhau von Seite der Priv. Oesterr. Südbahn mit mehr als 11 Millionen
(nilden erhoben worden war. Die Offerten der ausser S. mitconcurrirenden
(iencralbau-LTntcrnehmungcn waren sämmtlich höher als der Voranschlag der
Südbahn, dagegen unterbot das Oft'ert S. dieselben um fast 2 Millionen
Guklcn, so dass sich zu Gunsten der Südbahn gegenüber dem Aufgebot der
Mitroncurrenten Sagers Offerte um nahezu 3 Millionen billiger stellte. Dieses
V. Sager. 185
auffallende Ergebniss musste, da S. noch unbekannt war, bei der Südbahn
begründetes Bedenken erregen und zur äussersten Vorsicht in der Entscheidung
mahnen, denn dieselbe hatte ja schon viele schwierige Gebirgss trecken gebaut
und wusste, was diese sie gekostet hatten; es w^r also das Misstrauen diesen
unsolid niedrig erscheinenden Offerten gegenüber nicht unbegründet; doch
lauteten die financiellen Erkundigungen über die Firma so günstig und S. be-
harrte so entschieden auf seinem Offert, dass man, wenn auch mit unverhohlener
Besorgniss, sich entschloss, ihm diesen bedeutenden Bau zur Ausführung zu
übertragen.« »Als S. dann (wie ein Augenzeuge berichtet) mit seinen Vor-
bereitungen zum Bau begann und die Aufsichtsorgane der Südbahn staunend
die ungeheuren Massen von bestem Werkzeug, Hülfsschienen, Rollwagen,
Maschinen u. dgl. ins herrliche Pusterthal kommen sahen, da ahnten sie wohl,
dass S. sich seiner gewaltigen Aufgabe voll bewaisst sein müsse, allein ob sich
trotzdem seine rastlose Mühe und unbeugsame Energie auch für ihn lohnen
könne, darüber erlaubten sie sich noch einstweilen ihre eigenen Zweifel.
Doch als sich das Pusterthal mit dichten Arbeiterschaaren belebt hatte und
überall ein emsig Schaffen begann, da gewahrten die Ingenieure der Südbahn
viel Praktisches und Neues, ihre Besorgniss wuch einem gerechten Erstaunen,
die Leistungen eilten gewaltig den Erwartungen voraus und als dann gar noch
die Objecte besser ausgeführt wairden, als sie nach den Bedingnissen verlangt
werden konnten, musste man sich zum Bekenntniss herbeilassen, dass diese
Unternehmung in Leistung und Solidität alles Erwarten und Verlangen weit
überboten habe.« Fünf Tunnels von 946 m Länge und 371 Brücken und
Durchlässe mit 1330 m Lichtweite, fast 4 Mill. cbm Erdbewegung und gross-
artige Schutzbauten gegen Wasserangriffe und Rutschungen w^aren nothwendig,
und dennoch gelang es, die Bahnstrecke 14 Monate vor dem Termine dem
Betrieb zu übergeben und dadurch um so \iel früher für Oesterreich eine
directe, eminent strategisch wichtige Bahnverbindung mit Tyrol zu vollenden.
Die Südbahn hatte aber noch dazu durch eine Verlegung der Trace im Drau-
thal bei Mittenwald, welche durch S. bei der Detailtracirung gewählt und von
der Südbahn acceptirt worden war, eine weitere Million an Baukosten erspart,
wodurch sich die Offertsumme S. um diese reducirte und sich auf 8 Millionen
bei der Abrechnung stellte, während die anderen Generalbauunternehmer
I 2 Millionen verlangt hatten. Diese phänomenale Leitung S's. war jedenfalls
die beste Empfehlung. Nun folgte alsbald eine stattliche Reihe von anderen
Aufträgen. Der Bau einer 31 km betragenden Linie bei Wien und einer
108 km langen Linie in Nordböhmen gegen Breslau füllte die Jahre 1873
bis 1875 aus, worauf die verkehrspolitische wichtige und technisch bedeutende
194 km lange Linie Temesvar-Orsova in Angriff genommen und bis Frühjahr
1878 vollendet wurde. Wieder waren es grosse Schutzbauten, viele Brücken
und vier Tunnels, die in verhältnissmässig kurzer Zeit bewältigt werden mussten,
vor Allem aber bereitete grosse Schwierigkeiten der 8q8 m lange Ratkonya-
Tunnel, der wegen seines Wasserreichthums und des blähenden Tegels in der
Tunnelbaukunde Berühmtheit erlangte. Forderte schon bei der Linie Temesvar-
Orsova die Unterbringung und Verpflegung der von epidemischer Krankheit
heimgesuchten Arbeiter, welche S. mit humaner Sorgfalt behandelte, grosse
Opfer, so wurde in dieser Beziehung und in Hinsicht auf Beischaffung von
Cicräthen und Materialien Alles übertroffen beim Bau der Schmalspurbahn
Forod-Serajewo, die 1878 die Durchführung der Occupation von Bosnien
unterstützen sollte. Ein unkultivirtes, im Aufstand befindliches Land, die
l86 V- Sager.
militärischen Operationen und eine gewaltige, das Savethal auf 15 km Breite
bedeckende Ueberschwemmung erschwerten den Fortschritt der Arbeit ausser-
ordentlich. Und dennoch wurde die Bahn vom September 1878 bis 9. Juni
1879 von Brod bis Zenica auf 190 km betriebsfähig hergestellt. Dieser ausser-
ordentlichen technischen Leistung folgten nach einer kurzen Pause in der
Bauthätigkeit, die aber durch Projectirungsarbeiten in Bosnien und der Herze-
gowina ausgefüllt wurde, von 1882 bis 1888 der Bau verschiedener, zu-
sammen 365 km langer Eisenbahnlinien in Mähren und längs der mährisch-
ungarischen Grenze, die, obwohl von einem mehr normalen Charakter, doch
auch sehr bedeutende Objecte, insbesondere Viaducte umfassten. Die Ge-
sammtheit der von S. in Oesterreich-Ungarn ausgeführten Bahnlinien ergiebt
eine Länge von 1050 km mit 151 Stationen, 140 Brücken und 11 Tunnels von
3123m Länge. Die Erd- und Kiesbewegung betrug 19.5 Mill. cbm und die
Gesammt-Abrechnungssumme 55 Millionen Gulden.
Ein Anderer hätte sich wohl nach solchen unermesslichen Aufregungen,
Anstrengungen, Mühen und Erfolgen zur Ruhe gesetzt. Auch ihm war das Glück
nicht frei von Sorgen und Leiden genaht. Der Tod seiner Frau — auf ihren
Namen taufte er später sein Schiff »Charlotte« im Kaiser-Wilhelm-Canal — fiel
schwer in die Wagschaale seines Lebens. Seinen zu einer wahren Muster-
schule eingerichteten Landsitz zu Wessobrunn verlassend, trat S., trotz seiner
vorgeschrittenen Jahre, an das seine volle Thatkraft herausfordernde Problem
beim Bau des Kaiser-Wilhelm-Canals — ein Project, welches schon 162g
kein geringerer als Albrecht von Waldstein und mit ihm der Kriegsbaumeister
Alexander Marchese de Borri geplant und damals auf die Summe von acht
Millionen Mark (500,000 Reichsthaler) angeschlagen hatte. Das ihm voll-
kommen neue Gebiet reizte unseren S. durch seine nationale Bedeutung
zum Wettbewerb. Um Zeugniss abzulegen, was deutsche Einigkeit vermag,
blieb er als Bayer nicht zurück. Als sich der einfache Mann zu Berlin
um die Ausführung des VL Looses am Nord- Ostsee -Canal bei Grünen-
thal bewarb — es w^ar gerade die schwierigste Stelle, wo es galt, ganze
Anhöhen abzugraben und eine riesige Brücke über die Wasserbreite zu
schlagen — da gab man ihm zu bedenken: es gelte nicht bloss wohlfeile
mündliche Versicherungen zu ertheilen, sondern auch Caution zu leisten. Da
griff der unscheinbare Unbekannte in die Brusttasche und präsentirte einen
gerade verfügbaren, auf eine Million lautenden Check mit der Frage: ob das
vorläufig genüge? Dadurch wohl etwas betreten, nahmen die Herren von
der Commission mit der Hälfte vorlieb. Und nun ging S. mit dem Eifer
eines Jünglings daran, eine ungeheuere, auf kurze Strecken zusammengedrängte
P>darbeit zu verwirklichen. Er begann mit der Errichtung einer Post- und
Telegraphenstation, mit Wohnstätten und Herbergen für die Tausende von
Arbeitern aus allen deutschen (iauen, namentlich aus Ostpreussen, aber auch
aus Polen, Russland, Italien; es entstand ein ganzes Dorf mit mehreren Gast-
höfen, aber auch mit einem Capellenbau und einem Pfarrer. Zuerst erfolgte
die Fundamentirung der 4 Thürme, welche die Widerlager bilden zu der
einhundert und sechszig Meter überspannenden Riesenbrücke; das dazu nöthige
Eisenwerk mit einmalhundertdreissigtausend Centnern lieferte die Fabrik Cramer-
Klett von Nürnberg, die Bautjuadem das Fichtelgebirge. Daneben galt es
(He ganz aussergewöhnlichen Canalarbeiten zu bewältigen. Es waren hier
auf 12 km Länge eine der Insel Helgoland entsprechende Masse von 14 Mill.
cbm Erde auszuheben und grösstentheils in Ablagerungen, zum Theil in zwei
V. Sager. 187
bis zu 25 m hohe Eisenhahndämme zu erbringen. Daran arbeiteten gleich-
zeitig 8 Trockenbagger, 3 Nassbagger, 16 Lokomotiven, 600 Transportwagen
von 3 cbm Inhalt auf 30 km Eisenbahn geleis und 3 grosse Pumpenanlagen
— ein Material und Werkzeug, welches auf drei Millionen Mark Werth sich
bezifferte. Es gab bei der fast unübersehbaren Fülle von Arbeit genug Auf-
regungen und schlaflose Nächte, kein Wunder, dass über S. ein schlagähnlicher
Zustand hereinbrach, der durch Billroths Kunst zwar wieder gehoben wurde,
aber doch die Folge hatte, dass S.'s grosse Erfahrung den Arbeitsdispositionen
eine Zeit lang entzogen w^ar und dass, da später noch durch Naturereignisse
einige unvorhergesehene Schwierigkeiten hereinbrachen, der Lohn der Arbeit
schliesslich nicht so ganz ihren Mühen und Sorgen entsprach. Das Riesen-
werk selbst hatte darunter freilich nicht gelitten, S. brachte es rechtzeitig
nach sechsjähriger Arbeit vollständig und richtig zur Vollendung. Daniit
verband S. eine feinfühlige Huldigung für den Kanzler, welcher die Gründung
des Deutschen Reiches vollbrachte, indem der Bauherr zur P'eier des vollendeten
achtzigsten Geburtstages Bismarcks den Durchstich des letzten Erddammes
vornahm und so die Vermählung der Nordsee mit der Ostsee einleitete, ein
Ereignis, welches sofort telegraphisch dem Manne zuflog, welcher den (ilanz
der alten Kaiserkrone wieder erhoben und das Reich geeint hatte. Bei der
Eröffnungsfahrt machte S. mit allerhöchster Erlaubniss den Schluss, auf seinem
eigens erbauten Dampfer »Chcarlotte«, mit seinem Generalstab von Technikern
und Ingenieuren ebenso begrüsst und bejubelt von den Uferanwohnern wie
die Weltpotentaten mit ihren stolzen Orlogs. — Auch jetzt noch gönnte er
sich keine Ruhe, sondern war schon wieder bei der Lösung eines neuen
Projects in der österreichischen Kaiserstadt in voller Thätigkeit. Die schwierige
Aufgabe der Regulirung und Einwölbung des Wienflusses war dem
Siebenzigjährigen wieder auf dessen Mindestgebot zugefallen, der sein Pensum
ebenso ehrenvoll löste und kein anderes Vergnügen kannte, als Mühe und
Arbeit. Zuletzt trug er sich noch mit Plänen, dem Ludwigs-Donau-Main-
Canal durch Nivellirung mehr Wasser zuzuführen. — Was S. als Techniker aus-
zeichnete, war sein eminenter Blick für Arbeitsein theilung. Stets fand er, was
nicht Jeder sieht, das Naheliegende und Einfache; die rechtzeitige Beschaffung
aller Materialien und Geräthe, die Inangriffnahme der einzelnen Theile in
solcher Reihenfolge, dass niemals der Nachfolgende durch den Vorhergehenden
aufgehalten wurde, die Auswahl und Vertheilung der Hülfskräfte auf die für
sie geeigneten Stellen, das war bei allen Bauten sein eigenes Werk und stützte
sich auf eine, keine Stunde des Tages und der Nacht scheuende Beobachtung
des Arbeits-Fortganges. Als Geschäftsmann verfügte S. über eine mit der
Wahrnehmung der eigenen Interessen wohl vereinbare, unerschütterliche Red-
lichkeit. Die Güte, ja selbst die Schönheit seiner Bauten stand ihm höher
als der eigene Gewinn; nie Hess er das Ziel aus den Augen, die rechtzeitige
Vollendung des begonnenen Werkes herbeizuführen.« »Als Mensch war S.
von der grössten Anspruchslosigkeit für sich selbst und von einer unerschöpf-
lichen Güte gegen Andere, die Nothwendigkeit und Gewohnheit zu befehlen,
hatte seinGemüth nicht verhärtet. In seinen Ingenieuren, Aufsehern und Arbeitern
erblickte er nie blosse Maschinen, er betrachtete sie, wenn auch auf ver-
schiedenen Stufen, als Mitarbeiter. Als er den T^ohn seiner Thätigkeit in
reichlichem Maasse gefunden hatte, suchte er stets nach neuer Arbeit, weniger
um des eigenen Gewinnes oder der eigenen Arbeitsgewohnheit willen, als um
jenen minder Bevorzugten ferneren Verdienst bieten zu können imd in dem
l88 V. Sager. Keiter. Fussenecker.
tief innerlichen Gefühle, dass seine Thätigkeit nicht eine flüchtige und vorüber-
rauschende sei, sondern der fortschreitenden Entwickelung der ganzen Mensch-
heit zugute komme.« Ausser vielen schönen Zinshäusern hatte S. auch das
frühere Klostergut Wessobrunn erworben, wo er eine Musterökonomie etablirte
und sich Ruhe gönnen wollte. In Erinnerung an seine schwere Jugendzeit
bewährte der biedere Mann immer eine offene Hand. In Wessobrunn ver-
sorgte er seinen Stiefvater, verpfründete seine Altersgenossen, schenkte der
(icmeinde ein prächtiges Krankenhaus und errichtete, um die Dorfbewohner
von fremdem Kapital unabhängig zu machen, eine Sparkasse. Für Titel,
Würden und Auszeichungen besass S. kein Verständniss ; er war kein Streber
und Glücksjäger. Der Kaiser von Oesterreich hatte ihn geadelt; er machte
keinen Gebrauch davon. In seinem Drange nach wahrer Bildung verkehrte
er mit (Jelehrten, Fachgenossen und Künstlern. Hingerissen von der grandiosen
Schönheit Bosniens berief er die Landschaftsmaler Emil Kirchner und Karl Ebert,
um diese gewaltige Natur durch ihre Bilder zur weiteren Kenntniss zu bringen.
An Caspar von Zumbusch ertheilte er den Auftrag, seiner verstorbenen Gattin
ein Denkmal auf dem südlichen Campo Santo zu München zu setzen. Zum-
busch modellirte gelegentlich auch die Büste S's.; weitere Bildnisse desselben
sind uns nicht bekannt geworden. Ein Sohn, Heinrich S., trat als Ingenieur
in die Fusstapfen des Vaters.
Vgl. Prof. Dr. Sepp im Morgenblatt 204 »Allgemeine Ztg.« 25. Juli 1895, No. 94
des Augsburger »Sammler« 6. August 1895 und No. 8 »Augsburger Postzeitung« 12. Januar
1S98 (Ein bayrischer Lesscps). No. 59 »Unterhaltungs-Blatt« zur »Agsbr. Postztg.« 23. Juli
1895 (mit Portr.). Oberingenieur Heinrich Müller in No. 254 »Allgem. Ztg.« 13. Sept.
1895 ^^^ Richard Reverdy's Nsichruf im »MUnchener Architekten- u. Ingenieur-Verein«,
abgedruckt im Morgenblatt 26 »Allgem. Ztg.« 27. Januar 1898.
Hyac. Holland.
Keiter, Heinrich, Literarhistoriker und Publicist, * 17. Juni 1853 zu
Paderborn, f 30. August 1898 zu Regensburg, wurde mit guter elementarer
Vorbildung bei einem Buchhändler zu Paderborn in die Lehre gegeben, bildete
sich mit eisernem Fleisse und ungewöhnlichem Talente zum Schriftsteller,
lieferte Beiträge für R. v. Gottschall's »Blätter ftir litterar. Unterhaltung« und
dessen Revue »Unsere Zeit«, und wagte sich, als Buchhandlungsgehülfe bei
Fcrd. Schöningh, zuerst mit einer »Theorie des Romans« (1876) in die
Oeffentlichkeit. Als Geschäftsführer und Mitredacteur am »Westfälischen
Merkur« 1884 nach Münster berufen, übernahm er 1889 die Redaction des
»Deutschen Hausschatz« (Regensburg bei Pustet). Ausser vielen kleineren
Volkscrzählungen veröffentlichte K. biographische Studien, Brochuren etc.
K. begründete auch den in fünf Jahrgängen laufenden »Katholischen Literatur-
kalender« (1891 — 97).
Vgl. Kürschner, deutscher Lit.-Kalender 1898. Nekrologe von Hüls kam p in
Nr. 439. »Westfälischer Merkur«, 4. September 1898 und in Nr. 693 des »Litcrar.
Hand weiser« 1898, S. 384 ff. — »Deutscher Hausschatz« 1898, 18. Hft. — Nr. 278
»Augsburger Postzeitung« vom 10. December 1898.
Hyac. Holland.
Fussenecker, Joh. Georg, Dr., Schriftsteller, ♦ 17. November 181 4 zu
Nürnberg, f 29. Mai 1898 in Augsburg. F. redigirte das »Regensburger
Volksblattvc, dann zu Augsburg 1858 — 1874 die im Katholischen Clerus da-
mals vielverbreitete Fachzeitung »Sion«, wobei ihm seine theologisch wie
Fussenecker. Dahn-Fries. Waagen. xgo
juridisch durchgebildeten historischen Kenntnisse gut zu Statten kamen. Er
veröffentlichte eine grosse Reihe von Artikeln und Arbeiten kirchen- und
socialpolitischen, volkswirthschaftlichen, moralphilosophischen und i)ädagogi-
schen Inhalts. Daneben erschienen eigene Abhandlungen, z. B. »Zur Wieder-
geburt des volkswirthschaftlichen Lebens für Freunde wie Gegner der (ie-
werbefreiheit« (1861). Auch entstanden »Gedichte« (1841), ein grösseres
Kpos »Das entschleierte Leben« (1874) und die Dramen »Lottospieler«
(1850), »Mädchen von Esslingen« (1852) und »Der Rentmeister« (1874.)
Vgl. s. Biographie in Nr. 265 »Augsburger Postzeitung« vom 16. November 1894
u. s. Portr. in Nr. 96 »Unterhaltungsblatt zur Augsb. Postztg.« vom 27. November 1894.
Hyac. Holland.
Dahn-Fries, Sophie, Malerin, * 13. April 1835 zu München, f daselbst
23. Januar 1898, Gattin des Dichters, Geheimen Justizraths und Universitäts-
professors Dr. Felix Dahn. Ausgestattet mit einem hervorragenden Talent
fiir Gesang, Musik und Malerei, widmete sie sich nach vollendeter Erziehung
ihres einzigen Sohnes ganz der Kunst und cultivirte mit schönem Erfolg das
Gebiet der Landschafts- und Blumenmalerei. Im Jahre 1887 trat sie mit
zwei, »Erntezeit« und »Waldinneres« benannten, Bildern in die Oeffentlichkeit,
auch mit kleinen, wohl arrangirten Stillleben und Blumenstücken. Insbe-
sondere wendete sie ihre Obsorge auf die seit 1868 durch Frau Staatsrath
von Weber in München entstandene »Kunstschule für Mädchen« und förderte
diese rasch aufblühende Anstalt, welche jetzt ein schönes Haus, ein wahres
> Künstlerinnen-Heim« mit prächtigen Ateliers besitzt. Sie veranstaltete nicht
nur die fröhlichen Vereinsabende, sondern auch die Ausstellungen von Arbeiten
der Schülerinnen, insbesondere bei den zweckmässigen und gedeihlichen
^Weihnachtsmärkten«, sie förderte jederzeit die gemeinsamen Interessen (Vor-
schussfond, Krankenversicherung) und widmete den Interessen dieser Anstalt
ihre ganze Arbeitskraft. Als 1886 eine financielle Krisis drohte, trat sie mit
opfenÄ'illiger Zuversicht mit ihrem Credit in die Bresche und rettete das junge
Unternehmen. Mit feinem Takte wusste sie jene falsche Emancipation, welche
nur zu häufig eine gefährliche Klippe der Frauenfrage bildet, ferne zu halten.
Vgl. Nr. 57 »Neueste Nachrichten« 5. Februar 1898.
Hyac. Holland.
t
Waagen, Adalbert, Landschaftsmaler, * 30. März 1834 zu München,
15. April 1898 zu Berchtesgaden. Die Familie Waagen stammt aus
Hamburg und hatte sich schon früher mit der Kunst befasst. Der Gross-
vater Fr. Ludwig Heinrich war ein Maler (vgl. Wolfgang Menzel, Denk-
würdigkeiten, 1877, S. 38), ebenso der Vater Carl (* 1800"); dieser erwarb
in allen Gebieten der neueren Fresko- und Oeltechnik, auch als Lithograph
schöne Kenntnisse, malte vielerlei Bilder und bethätigte sich im Wetteifer
und Verkehr mit Ludwig Tieck, M. Rellstab, H. Steffen als Dichter und
Schriftsteller; nach mannigfachen Studienreisen in Breslau, Wien und Italien
heirathete er zu München die berühmte Sängerin Nanette Schechner (* 1806,
f 1860, vgl. W. Chezy, Erinnerungen 1863, III, 5if.; Grandauer, Chronik
des Hof- und Nat.-Theaters, 1878), und schied am 26. November 1873 als
kgl. preuss. Geheimer Hofrath aus dem Leben (vgl. Raczynsky, Geschichte
der neueren Kunst, 1840, II, 446; Nagler, Künstler-Lexikon, XXI, 28; Ham-
burger Künstler-Lexikon, 1854, S. 279). Sein Bruder, Dr. Gustav Friedrich
190 Waagen,
(* 1794 zu Hamburg), errang als Gelehrter, Kritiker und Kunstschrtftsteller
einen ausgezeichneten Namen; er starb 13. Juli 1868 auf einer Kunstreise zu
Kopenhagen. Adalbert W. erhielt zu München eine vorzügliche Erziehung
und Bildung, besuchte das Gymnasium, wendete sich aber mit eminenter
Begabung, erst unter der Anleitung des Aquarellisten Fritz Zeiss, dann 1850
bei Albert Zimmermann, zur Landschaft und folgte seinem hochverehrten
Meister 1858 nach Mailand. Als die Kriegsereignisse des folgenden Jahres
diese junge Akademie vernichteten, schmückte W. für den damaligen Erb-
prinzen (jeorg von Sachsen-Meiningen einen Saal der am Comersee erbauten
Villa Carlotta mit idealen Landschaften. Nach seiner Rückkehr etablirte
W. (1860) zu München im Hause seines Freundes Karl Miliner (1825 — 1895)
ein Atelier für Landschaftsmaler und unternahm mit seinen zahlreichen
Schülern nicht allein regelmässige Ausflüge nach den Bergen Altbayerns und
Tyrols, sondern auch eine längere, über Cöln, nach Antwerpen und Brüssel
ausgedehnte Studienreise. Hierbei machte sich der Künstler auch mit der
breiteren realistischen Richtung nach Möglichkeit vertraut; es kostete ihm
viele Mühe, aus dem Rahmen der bisherigen Bestrebungen herauszutreten,
um mit objectiver Freiheit die Natur anzuschauen und die Schönheit der-
selben in Farbe, Stimmung und Wahrheit wiederzugeben. Doch verliess ihn
nie seine echt dichterische Empfindung, welche mit feinfühligem Takt seine
Schöpfungen vor Ausschreitung und Verirrung bewahrte. Die Gunst des
Publicums lohnte, sein Name gewann guten Klang und die Bestellungen
häuften sich. Damals trat W. auch in den Mittelpunkt der fröhlichen
Künsdergesellschaft »Jung- München«, welche durch sinnreiche Maienspiele
und Faschingsfeste dem früheren, altgewordenen Regiment den Vorrang ab-
lief. Nächst dem unermüdlichen Otto Stöger, dem stets opferwilligen Theodor
Pixis und dem begabten Komponisten Georg Kremplsetzer (1826 — 1871)
stellte W. mit August Spiess, Fritz Lossow, Christian Jank und vielen
Anderen seine geselligen Fähigkeiten als Sänger und Acteur zur Verfügung.
Im Jahre [868 heirathete W. und übersiedelte dann im folgenden Jahre nach
Berchtesgaden , wo jeder Blick und Schritt von seiner unmittelbar vor dem
Watzmann liegenden Villa neue Ueberraschung und köstliche Ausbeute ge-
währte. Hier, im glücklichen Schaffen, wozu zahlreiche Aufträge aus England,
Amerika und Russland eintrafen, schilderte W. nicht nur die Schönheit seiner
neuen Heimath, sondern verarbeitete auch die Ausbeute, welche der Künstler,
um sich zu jungen und frisch zu erhalten, auf oftmaligen Fahrten durch ganz
Italien, aus den Donauländern und dem Schwarzwald zusammentrug. Sein
unermüdlicher Wandertrieb sammelte ein köstliches Material, welches reichlich
für eine doppelte Lebenszeit ausgereicht hätte. — Bisweilen gestaltete er
dann mit diesen sorgfältig zu selbstständigen Bildern ausgeführten Skizzen
eine eigene Ausstellung, so z. B. im August 1879 mit einer wahren Gallerie
von anderthalbhundert »Erinnerungen aus dem Berchtesgadener Land*.
Längere Zeit beschäftigte ihn auch das Project König Ludwigs IL, nach dem
Vorgang von Preller's Odyssee -Bildern einen Cyclus von »Nibelungen-Land-
schaften« zu entwerfen, wozu Reisen nach dem hohen Norden, an den Rhein,
die Donau und nach Ungarn in Aussicht standen. Auch hegte der König
die herrliche Idee, im unteren Schlossgang zu Schwanstein die noch von
keinem Maler behandelte grossartige epische Dichtung Gudrun in einem
T^^ m langen Fries durch Th. Pixis ausmalen zu lassen. W. entwarf einige
Kühlen-Cartons, aber die Krankheit und der Tod des hohen Mäcen vereitelte
Waagen. Weber. ' jox
dieses schöne Beginnen. Arges Missgeschick bedrohte zeitweise seine Thätig-
kcit: ein bösartiger Vipernbiss, dessen Folgen sich jahrelang bemerklich
machten; in Mailand wurde W. 1859 von dem Dolchstoss eines deutsch-
wüthigen Italianissimo nur durch die Geistesgegenwart und Riesenkraft des
Tyroler Bildhauers Gottfried Flora gerettet; ein herziges Mädchen cntriss
1877 der Tod den trostlosen Eltern; zu Genua kam W. in unliebsamen
l)olizeilichen Gewahrsam wegen Ausgabe eines falschen Papiergeldes, welches
ein Veroneser Bankier bei Flüssigmachung eines Wechsels dem ahnungs-
losen Künsder escamolirte; glücklicherweise wusste sich W. genau aus-
zuweisen über den Tag und die Stunde der Zahlung, über die Firma und
l^crson des Kassirers, dessen Conterfey er mit photographischer Treue aus
dem Gedächtniss zeichnete, wodurch der Betrüger in die Hände der Nemesis
fiel und der inz>\ischen in schwerer Haft eingekerkerte Maler die Freiheit
erhielt. Hierbei und bei seiner späteren Erkrankung kam ihm zu Statten,
dass er die italienische Sprache meisterlich zu handhaben verstand. Auf der
Rückkehr aus Sicilien lauerte in einem calabresischen Neste die Cholera auf
den ganz vereinsamten und hülflosen Maler und brachte ihn nahezu an den
Rand des Grabes. Bald darauf streifte zu München unseren Vielgeprüften
ein rieht unbedenklicher Schlaganfall. Der Winter 1881 schuf neue, schwere,
fast arbeitsunfähig machende Nerven- und Augenleiden; die letzteren im Laufe
der nächsten Jahre wiederkehrend, drohten mit Erblindung. Der Ausspruch
des griechischen Tragöden »nur flüchtige Zeit wandeln wir frei vom Leide«
bewährte sich an dem vielgeprüften Dulder, der nur durch seine wunderbare
Energie und Liebe zur Kunst sich immer wieder siegreich emporrang, bis
seine im Kampf um das Leben gestählte Natur endlich einem krebsartigen
Uebel unterlag. Vielfache Anerkennung und Auszeichnungen (Titel eines
kgl. Professors u. s. w.) waren ihm zu Theil geworden; Berchtesgaden hatte
ihm in Anbetracht seiner, auch als Feuerwehr-Commandant, um die Gemeinde
erworbenen Verdienste das Ehrenbürgerrecht zuerkannt. — Eine aus
180 Nummern bestehende Ausstellung von W.'s Landschaften (im November
1898 im Münchener Kunstverein) fand überraschenden Anklang und in kurzer
Zeit bereitwillige Käufer; ein grosses, historisch componirtes Oelbild wurde
auf Staatskosten für die Neue Pinakothek erworben. — Brüder des Malers
sind der k. b. Generalleut. Gustav Ritter v. W. und der k. k. Oberbergrath
Dr. Wilhelm W., Professor der Paläontologie an der Universität zu Wien.
Eine Schwester stirb als Freifrau von Tautphöus 1882 zu München.
Vgl. Abendblatt 108 »Allgem. Zeitg.«, 20. April 1898. »Kunstvereins- Bericht«f für
1898, S. 68.
Hyac. Holland.
Weber, Heinrich^ Dr., Historiker, * 21. Juni 1834 zu Euerdorf an der
fränkischen Saale (Unterfranken), f 18. Januar 1898 zu Bamberg; studirte zu
Bamberg und Würzburg, erhielt 1857 die Priesterweihe, pastorirte in Euer-
dorf, Ansbach und Würzburg, wurde daselbst 1866 Religionslehrer und (xe-
schichtsprofessor am k. Gymnasium, 1871 Professor der Geschichte am
Lyceum zu Bamberg. Durch zahlreiche, meist die Geschichte der Stadt
Bamberg oder des Frankenlandes behandelnde Publicationen erwarb W. als
(belehrter einen geachteten Namen. Die Universität Würzburg ehrte ihn
durch Verleihung des Doctortitels honoris causa. Von ihm erschienen 1872:
:^Die sog. Gebetbücher des Kaisers Heinrich II. und seiner Gemahlin Kune-
IQ2 Weber. Hagen.
gundis« ; 1878: Geschichte des Collegiatstiftes zum hl. Stephan in Bamberg;
1880 und 1882 die umfangreiche, hochverdienstliche Geschichte der gelehrten
Schulen im Hochstift Bamberg von 1007 — 1803, in zwei Bänden. 1880:
Das Freiherrl. von Aufsesssche Studien -Seminar in Bamberg. 1883: Die
St. Georgenbrüder am alten Domstift Bamberg. Geschichte des Chri.sten-
lehr-Unterrichts und des Katechismus im Bisthum Bamberg zur Zeit des
alten Hochstifts. 1884: Bamberger Beichtbücher aus dem XV. Jahrhundert.
Bamberger Weinbuch. Vierzehnheiligen in Franken thal. Da.s alte Franzis-
canerkloster zu Bamberg. Die ehem. Benedictiner-Propstei St. Getreu in
Bamberg. 1885: P. Marquard von Rotenhan. Alt-Bamberg, ein Reise- und
Sittenbild aus dem Anfang deh XVII. Jahrhunderts. 1886: Die Verehrung
der hl. 14 Nothhelfer. Bamberg im dreissigjährigen Kriege. 1887: Ein Ost-
fränkisches Namenbuch. Die Altenburg bei Bamberg. Die »Sündenwagc^
zu Wilsnack. 1889: Johann Gottfried von Aschhausen, Fürstbischof von
Bamberg und Würzburg. 1891: Die Trappistenmission in Südamerika. Die
Martinskirche zu Bamberg. Der Name >'Bamberg« eine historisch etymolo-
gische Studie. 1892: Die Kaiseridee des Mittelalters. 1893: Der Kirchen-
gesang im Fürstbisthum Bamberg. 1894: Bunte Bilder aus dem alten Zunft-
leben. 1895: Die Klostcrsuppe, ein Beitrag zur socialen Frage. Die Diöcese
Bamberg in der Geschichte ihrer administrativen Organisation und ihrer
Patronats verhäl tnisse .
Vgl. Hülskamp, Lit. Handweiser No. 271 (1880), 320 (1882), 357(1884), 463(1888),
540 (1891). »Ilistor. Pol. Blätter« 86, 479 ff. H. Keiter: Littcratur - Kalender 1897.
Kürschner 1898.
Hyac. Holland.
Hagen, Hermann, Philologe, * 31. Mai 1844 i" Heidelberg, f 20. Sept.
1898 in Bern. Der Tod hat in der letzten Zeit unter den Vertretern der
klassischen Philologie auf deutschen Kathedern reiche Ernte gehalten. Ferd.
Dümmler, Erw. Rohde, Otto Ribbeck, Aug. Rossbach und H. sind in nicht
voll zwei Jahren einer fruchtreichen akademischen Wirksamkeit und einer
rastlosen Forschungsarbeit entrissen worden. In ihrer die Kunde vom klassi-
schen Alterthum nach den verschiedensten Richtungen hin fördernden Viel-
seitigkeit ist die Thätigkeit dieser Männer recht ein Bild des deutschen Be-
triebes der klassischen Philologie. Der wissenschaftlichen Biographie aber
stellt sie ein besonders reizvolles Problem, insofern diese die Fäden aufzu-
decken hat, welche die eigenartigen Leistungen eines jeden mit seinen be-
sonderen Lebcnsschicksalen und den auf ihn einwirkenden individuellen Im-
pulsen verknüpfen. Bei H. ist diese Aufgabe verhäl tnissmässig leicht. Einer
einfachen Lebensgestaltung entspricht hier eine bei allem Reichthum doch
durchaus einheitlich gerichtete w'issenschaftliche Production, die ihrem wesent-
lichen Inhalte nach in H.'s dauerndem Aufenthalte in Bern und seiner Be-
schäftigung mit der Berner Handschriftensammlung begründet ist. —
H. war nicht Berner von Geburt. Als Sohn des Geschichtsprofessors
Karl H. verlebte er seine Kinderjahre und erste Schulzeit in seiner Heimath-
stadt Heidelberg. Infolge seiner politischen Stellungnahme wurde der Vater
seines Amtes entsetzt und nahm 1855 ^'"^^ Berufung nach Bern an. Hier
spielte sich, von einigen in Heidelberg und Bonn verbrachten akademischen
Studiensemestern abgesehen, das ganze weitere Leben auch des Sohnes ab.
1865 habilitirte er sich als Privatdocent an der Berner Universität, 1866
Hagen. IQ3
nahm er neben dieser Stellung noch die eines Lehrers der alten Sprachen
am dortigen Gymnasium an. Das Jahr 1873 brachte ihm eine ausserordent-
liche, 1878 eine ordentliche Professur für klassische Philologie. Damit war
H. in der Lage, seine Stellung am Gymnasium aufzugeben und seine Lehr-
thätigkeit fortan ausschliesslich der Universität zu widmen. Verhandlungen,
die ihn nach Erlangen und Petersburg führen sollten, zerschlugen sich, und
so blieb H. bis zu seinem Tode der Berner Hochschule erhalten.
Wohl noch in die Bemer Studienzeit zurück gehen die ersten Anregungen
zu H.'s fruchtbringender Beschäftigung mit den handschriftlichen Schätzen der
Berner Stadtbibliothek. H. sass damals zu Füssen Usener's, der selbst den
Bemer Handschriften die Gegenstände mehrerer Publikationen entnahm. Ihm
ist denn auch die erste grössere Arbeit H.'s auf diesem Gebiete gewidmet,
die auf directe Anregung Fleckeisen's unternommene Ausgabe der Berner
Scholien zu Vergils Bucolica und Georgica (Leipzig 1867), nach einer isolirt
stehenden Erstlingsarbeit über den xenophon tischen (nach H. pseudoxenophon-
tischen) Agesilaos (Bern 1865) die erste grössere Veröffentlichung H.'s über-
haupt. Vom Beginn seiner akademischen Wirksamkeit an verwandte H.
zehn Jahre hindurch einen grossen Thcil seiner Mussezeit auf die genaue
Durchmusterung der Berner Codices zum Zwecke der Abfassung eines neuen
Handschriftenkatalogs, der zu Bern 1875 erschien. Sein Hauptinteresse galt
dabei den gerade in dieser Sammlung zahlreich und in wichtigen Exemi)laren
vertretenen Arbeiten zur lateinischen Grammatik. In dieser Richtung bewegte
sich 'auch der grösste Theil der im Zusammenhange mit seiner Thätigkeit für
den Katalog stehenden sonstigen PubHcationen H.'s. Mit der erwähnten
Scholien ausgäbe verknüpft sich seine Betheiligung an der Thilos und seinen
Namen tragenden grossen Serviusausgabe (Leipzig 1881 ff.), für welche H.
ursprünglich die Recension der Serviusscholien zu Vergils Bucolica und
Georgica übernahm. Später wurde bei einer aus äusseren Gründen erfolgten
Aenderung des Planes sein Antheil anders abgegrenzt. Das Erscheinen des-
selben sollte H. nicht mehr erleben. Das Jahr 1870 brachte als
Supplement der Keil'schen Grammatici latini die umfangreichen Anecdota
Helvetica, zu welchen neben den Berner Handschriften auch die zu Zürich
und Einsiedeln das Material lieferten, ein Werk, welches zunächst für die
Geschichte der grammatischen Studien des früheren Mittelalters, dann aber
auch fiir die Erforschung der antiken lateinischen Grammatik von Bedeutung
ist, insofern in den mittelalterlichen Tractaten fiir uns verlorene grammatische
Schriften des Alterthums verwerthet sind. Das weitschichtige einschlägige
Material der drei Bibliotheken ist in der Einleitung aufs gewissenhafteste
gesichtet, das Werthvolle aus der grossen Masse des Werthloseh ausgesondert
und durch fortlaufende Inhaltsangaben und Auszüge eine Uebersicht über
diese ganze Litteratur geschaffen, die es dem Benutzer ermöglicht, sich rasch
zurechtzufinden. Wichtigere Inedita in kritischer Bearbeitung bilden den Kern
des Werkes. Die Durchsicht der Handschriften in Einsiedeln führte zu der
hübschen Entdeckung zweier bis dahin unbekannter bukolischer Gedichte der
Neronischen Zeit (Philol. 28 [1869] S. 338 ff.). Weit reicher war die Aus-
beute an mittelalterlichen Gedichten, welche die Bibliotheken zu Bern, Genf
und Einsiedeln lieferten. Interessantere Stücke daraus bietet die Sammlung
Carmina medii aevi maximam partem inedita ... edid. Herm. Hagenus, Bernae
1877. Zur Mittheilung weiterer Früchte dieser Bibliothekstudien boten neben
den philologischen Zeitschriften Programme der Berner Universität Gelegen-
Biogr. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. j?
194 Hagen.
heit. Aus der Zahl dieser Arbeiten mögen hier Erwähnung finden die Ab-
handlungen über eine Berner lateinische Oribasiostibersetzung, die durch
zahlreiche vulgärlateinische Formen ein besonderes Interesse bietet (1875),
über die Placidusglossen einer Bemer Handschrift (1879) und über die Tironi-
schen Noten des cod^ Bern. 109 (1880), letztere Arbeit ein schätzenswerther
Beitrag zur Kenntniss der römischen Stenographie. Die Reihe dieser Publi-
cationen über Berner Handschriften reicht bis in das Jahr vor Hagens Tode
herab : zu der damals unter Leitung von de Vries veranstalteten photographi-
schen Reproduction des cod. Bern. ^6^^ der ältesten erhaltenen Horazhand-
Schrift (saec. VIII), schrieb H. die Einleitung. Anzuschliessen ist hier endlich
ein zunächst den Zwecken des akademischen Unterrichts dienendes, Gradus
ad criticen betiteltes Werk (Leipzig 1879), insofern hier für Uebungen in der
sogenannten niederen Kritik Musterbeispiele aus Glossensammlungen, an
welchen gerade die Bemer Handschriftenbibliothek besonders reich ist, zu-
sammengestellt sind.
Bewegten sich die bisher genannten Arbeiten ihrem Gegenstande nach
in Alterthum und Mittelalter, so wurde H. durch die gleichen handschrift-
lichen Studien auch ins 16. und 17. Jahrhundert geführt. Die Anfertigung
des neuen Kataloges lenkte die Aufmerksamkeit seines Verfassers auch auf
die Schicksale der Sammlung und die Person ihrer Begründer, Peter Daniel
und Jacob Bongars. Auch hier bot die Bibliothek in Gestalt ausgedehnten
Briefwechsels noch werthvolles unbenutztes Material. Die sorgtältig gearbeiteten
Biographien beider Männer erschienen zuerst in Berner Programmen (die
Daniels in der Festschrift der Universität 1873, ^^^ ^^n Bongars im Pro-
gramme der Kantonsschule 1874) und wurden später mit anderen Arbeiten
des Verfassers zu einem besonderen Bande vereinigt (Zur Gesch. d. Philol. u.
z. röm. Litter., Berlin 1879). Wohl schon durch die Vorarbeiten für diese
Biographien wurde H. auf anderweitige, zu Bern im Original bewahrte Briefe
aus annähernd gleicher Zeit aufmerksam und so in den Stand gesetzt, der
Heidelberger Universität mit der zur Feier ihres ftinfhundertjährigen Bestehens
im Auftrage der Berner Hochschule überreichten Festschrift »Briefe von Heidel-
berger Professoren und Studenten verfasst vor dreihundert Jahren« eine für
die Geschichte der Ruperto-Carola und für die (»eistesgeschichte der damaligen
Zeit überhaupt wichtige Gabe darzubieten.
Die mehrjährige Beschäftigung mit schwierigen lateinischen Sprachdoku-
menten mochte H. reizen, seine dadurch erworbene kritische Schulung auch
in den Dienst der Epigraphik zu stellen. Sein Wohnort Bern führte ihn
dabei auf die leichter erreichbaren Inschriften der Schweiz. Zunächst be-
theiligte er sich im »Anz. f. schweizer. Alterth.« u. a. a. O. an den Verhand-
lungen über die vielbesprochenen Amsoldinger Inschriften. Aber sein Plan
ging weiter. Seit Mommsens Sammlung hatte .sich das Inschriftenmaterial
der Schweiz durch Neufunde beträchtlich vermehrt, manche Steine hatten
ihren AufsteHungsort geändert, und so fasste H. eine neue Sylloge inscriptionum
Latinarum Helveticarum ins Auge, als deren Vorläuferin eine Sammlung der
Inschriften von Aventicum und Umgegend im Universitätsprogramm 1878
erschienen ist. — - Neben H.'s eigenen Arbeiten verdienen auch seine Be-
sprechungen fremder Leistungen auf seinem Specialgebiete und den Nachbar-
gebieten eine Erwähnung. In den Bursian'schen Jahresberichten behandelte
er für einen Zeitraum die Litteratur zu Gellius (Bd. 2 S. 1408 ff.) und zu
den lateinischen Grammatikern (ebenda S. 141 7 flf., Bd. 3 S. 709 ff., Bd. 6
Hagen. I^g
S. 336 ff.). Vor Allem aber gehören hierher seine zahlreichen Recensionen im
»Litterarischen Centralbl.« (unter H. H.), dem er etwa ein Jahr vor seinem
Tode den siebzigsten Beitrag zugehen Hess.
Bei diesen für Fachkreise bestimmten litterarischen Arbeiten blieb H.
nicht stehen. Er suchte geeignete Gegenstände seines engeren und weiteren
Feldes in gemeinverständlicher Darstellung auch einem grösseren Publikum
nahe zu bringen. Die meisten der hier in Frage kommenden Aufsätze sind
aus Vorträgen hervorgegangen, welche in Bern in einem weiteren Kreise ge-
halten wurden, so die Arbeiten über Aventicum (in den »Alpenrosen« 1876),
über den Roman vom König ApoUonius von Tyrus in seinen verschiedenen
Bearbeitungen (Berhn 1878), über litterarische Fälschungen (Hamburg 1889),
über Wesen und Bedeutung der Homerfrage (Hamburg 1889), ^^^^^ antike
Gesundheitspflege (Hamburg 1892), über die Lebensweisheit des Euripides
(Bern 1897). Daran schliessen sich die weiteren populären Aufsätze »Klassi-
sches« (über falsche Schreibung antiker Wörter [Alpenrosen 1883]), »Aus
Handschriften« (ebenda 1885) u. A. An grössere Kreise der Gebildeten
wenden sich ferner auch die im Druck erschienene Rectoratsrede über »die
Richtungen der klassischen Philologie seit Fr. A. Wolf« (Bemer Intelligenzbl.
1895), die beiden die Geschichte der bernischen Universität und die bernische
Gelehrtengeschichte berührenden Arbeiten: Flores semiseculares Bernenses,
eine Erinnerungsschrift an das Universitätsjubiläum (1884) und die Biographie
des Historikers Karl Hagen (Samml. bern. Biogr. 3. Bd. S. 275 ff.) u. A.
Zur richtigen Würdigung dieser für ein früh abgeschlossenes Gelehrten-
leben reichen Production ist zu bedenken, dass dieselbe nicht nur auf einer
längeren Strecke neben der doppelten practischen Wirksamkeit des Universi-
täts- und des Gymnasiallehrers einherging, sondern dass sie auch je länger
desto mehr einem durch dauernde Krankheit geschwächten Organismus abge-
rungen werden musste. Der eiserne Fleiss, mit dem H. schon in frühen
Jahren ohne Rücksicht auf seine Gesundheit nach wissenschaftlichen Erfolgen
strebte, hatte ein schweres Nervenleiden, wenn auch nicht hervorgerufen, so
doch jedenfalls verschlimmert. Es lag eine bittere Tragik darin, wie im
Kampfe mit diesem Leiden H.'s unter so glänzenden Auspicien der Wissen-
schaft geweihte Schaffenskraft mehr und mehr aufgezehrt wurde. Aber auch
in diesen Leidensjahren hielt ihn der Idealismus aufrecht, der den Grundzug
seines Wesens bildete. H. war eine von den Gelehrtennaturen, die in der
Beschäftigung mit dem Gegenstande ihrer Forschung völlig aufgehen und in
der idealen Welt ihrer geistigen Bethätigung einen Ersatz dafür finden, dass
sie in dem realen Leben stets nur Fremdlinge bleiben.
Diese Eigenart prägte sich auch in H.'s Lehrthätigkeit aus. Auch hier
wirkte er vor Allem durch die völlige Hingabe an seinen Gegenstand. Was
er leistete, leistete er auch hier mehr als Gelehrter, denn als Lehrer im
engeren Sinne des Wortes. Auch reifere Gymnasialschüler pflegen für ein
solches Wirken empfänglich zu sein, und so erzählt denn mancher, der im
bemischen Gymnasium H. zum Lehrer hatte, wie seine Begeisterung für die
Alten die Schüler mitriss und sie selbst an der von ihm stark betonten
Grammatik Geschmack gewinnen Hess. Viel mehr noch passte diese Art auf
die Universität. Hier hat H., solange er im Zenith seiner Schaffenskraft und
Schaffensfreudigkeit stand, höchst anregend gewirkt. Später verlor er unter
der Einwirkung seiner Krankheit mehr und mehr an Fühlung mit seinem
Auditorium. Aber immer ging von ihm jene ethische Wirkung aus, wie sie
13*
Ig6 Hagen, v. Reiser.
eine in strenger Selbstzucht gereifte, mit aller Hingabe die Wahrheit suchende
Persönlichkeit ausüben muss. So wird sein Andenken in den Kreisen
derer fortleben, die als Schüler zu ihm in persönliche Beziehung getreten
sind. Noch weniger aber wird er im Bereiche seiner Wissenschaft vergessen
werden. Wer immer mit der Geschichte der lateinischen Grammatik sich
befasst, kann an seinen Arbeiten nicht vorübergehen, und die Gelehrten von
Nah und Fern, die sich an der Hand seines Katalogs in dem Schatze der
bernischen Handschriftensammlung zurechtgefunden haben, werden H. als
hocherfahrenen Wegweiser dankbar und mit Ehren nennen.
Weitere Nekrologe sind an folgenden Orten erschienen: Intelligenzbl. (der Stadt
Stadt Bern) 1898 Nr. 224 (anonym), Schweiz, pädag. Zeitschr. 9 (1899) S. 112 — 114
(K. Praechter).
Bern. Karl Praechter.
Reiser, Wilhelm (von), Dr. phil. et theol., 4. Bischof von Rottenburg,
* 13. Mai 1835 2^ Egesheim (im württ. Oberamt Spaichingen), f n. Mai 1898
zu Ellwangen. Sein Vater war Schul theiss in Egesheim. Er besuchte das
Rottweiler Gymnasium und Convict und studirte seit 1854 im Tübinger
Wilhelmsstifte Theologie. 1857 hatte er mit seinem Studiengenossen und
künftigen Nachfolger auf dem Bischofssitz, Linsenmann, um den wissenschaft-
lichen Preis der katholisch-theologischen Fakultät zu losen, wobei er gewann.
Herbst 1858 trat er in das Rottenburger Priesterseminar ein und empfing am
10. August 1859 die Priesterweihe durch Bischof Lipp. Hierauf wurde er
Vicar in Spaichingen, seit October 1861 Repetent am Tübinger Wilhelms-
stifte, welche Stellung er bis Mai 1867 inne hatte. Dann nahm er einen
längeren Urlaub, den er zu einer wissenschaftlichen Reise in Gemeinschaft
mit Linsenmann benutzte. Am 17. August desselben Jahres machte ihn die
Tübinger Fakultät zum Licentiaten der Theologie. Acht Tage vorher war
er zum Präfecten des neu gegründeten Martinihauses in Rottenburg ernannt
worden, eines Knabenseminars für Untergymnasiasten, dessen Entwicklung
Reiser in glückliche Bahnen lenkte. Am 30. April 1869 wurde er provi-
sorischer, am 4. Januar 1870 definitiver Director des Wilhelmsstiftes in Tü-
bingen, daneben Stadti)farrer, seit December 1875 Garnisonspfarrer daselbst.
In schwieriger Zeit füllte er den Posten eines Convictsvorstandes trefflich aus
und erwarb sich bei den ihm untergebenen Studenten viele Sympathieen.
Er war nicht nur ein geschickter Pädagoge, sondern auch ein tüchtiger
Gelehrter. Sein Wissen umspannte das gesammte Gebiet der Theologie, mit
Vorliebe pflegte er das Fach der Kirchengeschichte und der kirchlichen
Kunst. Doch beschränkte sich seine litterarische Thätigkeit auf eine im Jahr-
gang 1866 der (Tübinger) Theologischen Quartalschrift erschienene Studie
»Praxeas und Kallistus< , kleinere Beiträge und Recensionen für dieselbe, das
Bonner Litteraturblatt und andere Zeitschriften. Trotzdem genoss er in ganz
Deutschland wissenschaftliches Ansehen. Herbst 1876 erhielt er einen Rui
an die Akademie Münster in Westfalen, den er ablehnte. Beim Tübinger
Universitätsjubiläum des Jahres 1877 creirte ihn die katholisch-theologische
Fakultät zum Ehrendoctor. Auch sonst hat er im Verlaufe seines Lebens
hohe Orden und andere Ehrenzeichen nicht entbehren müssen. — Am
29. März 1879 '^'urde er in das Rottenburger Domcapitel berufen und am
25. Mai als Domcapitular installirt. Bis November 1879 versah er zugleich
das Amt eines Stadtdecans, Dom- und Stadtpfarrers in Rottenburg, Juli 1881
V. Reiser. Hepke. loy
fiel ihm die Vorstandschaft des Curatoriums des Martinihauses zu. Von 1880
bis 1886 vertrat er das Domcapitel in der Abgeordnetenkammer, eine nicht
allzu schwierige Aufgabe, da in Württemberg kirchenpolitischer Friede
herrschte. Im Domcapitel selbst hatte er hauptsächlich das Referat über die
Bildungs- und Erziehungsanstalten des Clerus, wofür ihn seine Vergangenheit
besonders befähigte. Am 31. August 1886 wurde R. durch apostolisches
Breve unter königlicher Zustimmung Coadjutor Bischofs Hefele cum jure
succedendi und Titularbischof von Enos (in Thrakien), am 4. October 1886
(ieneralvicar; am 14. November desselben Jahres wurde er zum Weihbischof
consecrirt und am 17. März 1887 als solcher präconisirt. Somit war er nach
Hefeies Tod am 5. Juni 1893 ohne Weiteres Bischof von Rottenburg, über-
nahm sofort die Leitung der Diöcese und liess sich am 11. Juli inthronisiren.
Fast noch mehr als sein Vorgänger handelte er in seiner Amtsführung nach
versöhnlichen Grundsätzen. Er bemühte sich, jede Verschärfung der con-
fessionellen Gegensätze zu hindern und die guten Beziehungen zwischen Staat
und katholischer Kirche aufrecht zu erhalten. Dabei wusste er aber doch
die Interessen seiner Diöcese nach allen Seiten hin energisch zu wahren.
Er genoss allgemeine Achtung im ganzen Lande. — Auf einer Firmungsreise
im Mai 1898 wurde R. zu Wasseralfingen von einem Unwohlsein befallen.
Er setzte dennoch seine Reise nach Ellwangen fort. Hier stellten sich Magen-
blutungen ein, und er hauchte am 11. Mai 8'/^ Uhr Abends im dortigen
Stadtpfarrhaus seine Seele aus. Die Leiche wurde nach Rottenburg überführt
und hier am 16. Mai mit dem üblichen Pompe beigesetzt.
St. J. Neher, Personal-Katalog der seit 181 3 ordinirten und in der Scelsorge ver-
wendeten Geistlichen des Bisthums Rottenburg, 3. Auflage (Schw. Gmünd, 1894) S. 150,
»Deutsches Volksblatt« vom 12. — 21. Mai 1898 Nr. 106 — 113, Nekrologe in der >^Schwäbischen
Kronik« vom 12. Mai 1898 (Mittagsblatt), im »Staats- Anzeiger für Württemberg« und >> Neuen
Tagblatt« vom selben Tag.
R. Krauss.
Hepke, Robert, Geheimer Legationsrath z. D., * 9. Januar 1820
Posen, f 21. December 1898 Berlin. Nachdem er 1839 — 42 sich in Berlin
philologischen Studien und namentlich auch der vergleichenden Sprach-
forschung gewidmet hatte, kehrte er nach Posen zurück, wo er zunächst als
Hülfslehrer, dann als Oberlehrer am Mariengymnasium angestellt wurde. In
die national-polnische Bewegung, welche die Verhältnisse des Grossherzog-
thums Posen erschütterte und die Verbindung mit dem neuen Deutschen
Reiche in Frage stellte, trat der junge Oberlehrer in preussisch-conservativem
Sinne energisch ein, und wurde in Folge dessen als Deputirter der Stadt
Posen zum Deutschen Parlament nach Frankfurt entsandt, wo er für die Er-
haltung Posens beim Reiche wirkte. Hier wurde Joseph von Radowitz auf
ihn aufmerksam, er nahm ihn in das auswärtige Ministerium, wo H. bereits
1852 zum Legationsrath, dann später zum Wirklichen und zum Geheimen
Legationsrath ernannt wurde. Hier bearbeitete H. in erster Linie die öster-
reichischen Angelegenheiten; nach 25 Jahren angestrengter Berufsthätigkeit
wurde er im Sommer 1874 zur Disposition gestellt. Seine Kenntniss der
Verhältnisse der Oesterreichischen Monarchie fand einen willkommenen Bundes-
genossen in dem Deutschen Schulverein, zu dessen Gründung er bereits am
28. Juni 188 1 seinen Glückwunsch sandte, und von dem er den grössten Er-
folg erhoffte, wenn — was thatsächlich eintrat — »dem ersten nationalen
Handeln auf diesem Gebiete die Nachfolge der wissenschaftlichen Welt zu
log Hepke. v. LrCibbrand.
Theil werde«. — Am 23. October 1882 in die Hauptleitung gewählt, über-
nahm er bereits in der nächstfolgenden Sitzung zusammen mit Wattenbach
die Ausarbeitung einer »nichtigen Denkschrift. Bei allen Massnahmen, welche
in den folgenden Jahren zum Schutze des Deutschen Schulwesens in Ungarn
und Siebenbürgen vom Schulverein unternommen wurden, wirkte H. mit.
»Das Deutschthum im Auslande,« Januar 1899.
Leibbrand, Carl (von), Brückenbaumeister, * Ludwigsburg (in Württem-
berg) n. November 1839, t Stuttgart 14. März 1898. Sein Vater war In-
haber eines bekannten Officier-Ausstattungsgeschäfts in Ludwigsburg. Auf der
dortigen Realschule vorgebildet, bereitete er sich von 1855 — 60 auf dem
Stuttgarter Polytechnicum zum Ingenieur und Architecten aus. 1860 erstand
er die erste, 1865 die zweite Staatsprüfung im Baufache mit ausgezeichnetem
Erfolg. In der Zwischenzeit war er beim Eisenbahnbau in Heilbronn und
Hall beschäftigt und versah die Stelle eines Assistenten für Strassen-, Brücken-,
Eisenbahn- und Wasserbau am Polytechnicum in Stuttgart. Im Herbst 1864
führte ihn eine wissenschaftliche Reise nach Belgien und Holland, 1867 be-
suchte er Paris und London, wie er auch später nicht selten fremde Städte
und Länder im Interesse des einheimischen Bauwesens bereiste. 1866 trat
er vom Eisenbahnbau zur Strassen- und Wasserbauverwaltung über und er-
hielt am 19. April 1866 das Amt eines Strassenbauinspectors zu Oberndorf.
Jahrs darauf gründete er sich einen eigenen Hausstand mit Amalie Brandacker,
der Tochter des Herausgebers des »Schwarzwälder Boten« in Obemdorf.
April 1875 wurde L. Strassen- und Wasserbauinspector in Stuttgart, De-
cember 1875 Baurath bei der Ministerialabtheilung für den Strassen- und
Wasserbau, 1882 titulirter, December 1888 wirklicher Oberbaurath, Juni 1891
Vorstand der genannten Ministerialabtheüung. Im September 1893 verlieh
ihm der König bei Gelegenheit der Vollendung der König-Carl-Brücke bei
Cannstatt den Titel und Rang eines Präsidenten. L. hat fiir das einheimische
Bauwesen in vielfacher Hinsicht Erspri esslich es geleistet. Namentlich hat er
die Unterhaltung der Staatsstrassen durch Einführung des Dampfwalzenbetriebs
verbessert. Sein eigenthümliches Verdienst liegt jedoch auf dem Gebiete des
Brückenbaus. Durch ein besonderes, in den Culturstaaten allgemein an-
erkanntes und weit verbreitetes Verfahren gelang es ihm, Steinbrücken mit
demselben Kostenaufwand wie eiserne zu bauen, deren Unterhaltung weit
grössere Sorgfalt und Mühe erfordert. Ferner benutzte er zuerst Beton für
Brücken von beträchdicher Spannweite. Als Muster für dieses System galt
die 1893 vollendete Donaubrücke bei Munderkingen mit 50 m Spannweite.
Ingenieure aus aller Herren Ländern stellten sich ein, um das Werk zu be-
sichtigen und zu Studiren, und dem Erfinder des neuen Verfahrens wurde
im December 1895 der Telford-Preis der Institution of Civil Engineers zu
Theil. Eine Anzahl weiterer Brückenbauten in den verschiedensten Ciegenden
des württem])ergischen Landes zeugen von seiner Kunst, deren Wesen in
einer glücklichen Verbindung von kühner Eigenart und besonnener Gründ-
lichkeit bestand. P> wirkte auch bei vielen Concurrenzen für Brückenbauten
als Preisrichter mit. Auch als Schriftsteller trat er mit grösseren Abhand-
lungen in Fachzeitschriften auf den Plan. Seine praktische Thätigkeit in der
sonstigen Architectur beschränkte sich auf einige Gebäude im Schwarzwald-
städtchen Schramberg. Am Vereinswesen nahm L. regen Anteil. Er war
langjähriges Ausschussmitglied des württembergischen Vereins ftir Baukunde,
V. Leibbrand. AmmermUller.
199
Von 1876 — 1894 vertrat er das Oberamt Oberndorf in der württembergischen
Abgeordnetenkammer, wo er sich der sogenannten Landespartei (Regierungs-
partei) anschloss und durch Redegewandtheit wie verbindliches Wesen Ein-
fluss gewann. Er hatte viele Jahre das Referat für die Eisenbahnen und
das staatliche Bauwesen überhaupt. An äusseren Ehren fehlte es ihm nicht.
Hohe Orden, darunter das mit dem Personaladel verbundene Ehrenkreuz des
württembergischen Kronordens, fielen ihm zu, viele Gemeinden des Landes,
um die er sich in seiner amtlichen Eigenschaft Verdienste erworben hatte,
ernannten ihn zu ihrem Ehrenbürger. — Im Mai 1897 erkrankte L., eine
Badecur im Wildbad brachte nicht die erhoffte Besserung. Seit August 1897
war er fast 7 Monate an das Schmerzenslager gefesselt. Der ärztliche Be-
fund lautete auf leukämieähnliche Erkrankung mit Verhärtung des Knochen-
marks. Dem Entschlummerten wurden die seinem Ansehen entsprechenden
Begräbnissehren zu Theil. Er hinterliess eine Wittwe mit 6 Kindern.
»Schwäbische Kronik« vom 14., 16. und 22. März 1898 (je Mittagsblatt), (Stutt-
garter) »Neues Tagblatt« vom 15. Mhrz 1898, »Staats-Anzeiger für Württemberg« vom
14. März 1898, »Ueber Land und Meer« 80. Bd. (1898) Nr. 27 (mit Bild). »Wiener Abend-
post« 1898, Nr. 62.
R. Krauss.
Ammennüller, Friedrich, Dr., Nationalökonom und Politiker, * 6. No-
vember 1809 im damals württembergischen, jetzt badischen Städtchen Stockach,
f Stuttgart, 2. August 1898. Er verbrachte seine Jugend in Tübingen, wohin
sein Vater als Universitätscameralverwalter versetzt wurde, und studirte dort
Naturwissenschaften und Medicin. Nachdem er 1832 Dr. med. geworden
war, ging er ganz zu den Naturwissenschaften über, da er sich von diesen,
zumal der Chemie, stark angezogen fühlte. 1835 erhielt er die Stelle eines
Lehrers an der Gewerbeschule in Schaffhausen und verheirathete sich mit
Marie Reuchlin. 1838 — 52 wirkte er als Oberreallehrer in Reutlingen. Hier
gehörte er zu den Leitern der liberalen Bewegung, wurde unter der Reaction
gemassregelt und zur Strafe 1852 nach Isny versetzt. Er nahm sofort seine
Entlassung aus dem Schuldienste, wandte sich nach Stuttgart und war hier
10 Jahre lang in der grossen Siegleschen Farbwaarenfabrik thätig. Von 1855
bis 1897 sass er im Verwaltungsrath der Allgemeinen Rentenanstalt. A., der
schon in ReutHngen Vorstand des dortigen Gewerbevereins gewesen war,
spielte bald im gewerblichen Leben der Residenz eine hervorragende Rolle.
Er war lange Zeit einer der Vormänner, zeitweise Ausschussmitglied und
Vorstand des Stuttgarter Gewerbe Vereins, viele Jahre Präsident der Wander-
versammlung der württembergischen Gewerbevereine, einer der 24 Beiräthe
der 1848 begründeten Centralstelle für Gewerbe und Handel. Mit tüchtigen
Kenntnissen auf diesem Gebiet ausgerüstet, förderte er mannigfach die ein-
heimische Industrie, trat für Befreiung der Gewerbe von Zunftwesen und ähn-
lichem Zopf ein, hing jedoch, gleich seinem Freunde und Gesinnungsgenossen
Moritz Mohl, den schutzzöllnerischen Ideen Friedrich Lists an. Auch als
Tagesschriftsteller in nationalökonomischen und gewerblichen Fragen trat A.
auf. 1855 — 57 und 1860 — 62 sass er im Bürgerausschuss, 1865 — 71 im
Gemeinderath der Hauptstadt. In der zweiten sogenannten verfassungsbe-
rathenden Landesversammlung des Jahres 1850 vertrat er das Oberamt Urach.
1862 — 70 gehörte er der Kammer als Abgeordneter von Heidenheim an und
nützte durch Fleiss und Kenntnisse ihr, namentlich ihrer volkswirthschaftlichen
200 Ammerraüller. Taschenberg.
Kommission. Auch in Eisenbahnbaufragen sprach er gerne mit. Obgleich
er sich eine Zeit hing an den Einheitsbestrebungen betheiHgt hatte, schloss
er sich doch bei der Trennung der württembergischen Liberalen den Gross-
deutschen und folglich den Demokraten an. 1868 — 70 war er Mitglied des
Zollparlaments in Berlin für den 15. württembergischen Wahlkreis (Reutlingen-
Tübingen), und gesellte sich der süddeutschen Fraction zu. 1877 wurde er
nochmals von Oehringen in die Abgeordnetenkammer entsandt; seine Wahl
wurde jedoch für ungiltig erklärt, und bei der Nachwahl fiel er durch. A.
erfreute sich bis in das höchste Alter einer seltenen geistigen und körper-
lichen Frische; erst in den letzten Monaten seines Lebens zerfielen seine
Kräfte rasch. Der freundliche imd human gesinnte Mann genoss in Stuttgart
viele Sympathien. Er hinterliess keine Nachkommenschaft.
Zeitungsnekrologe in der »Schwäbischen Kronik« vom 3. Augus 11898 (Mittags- und
Abendblatt), »Frankfurter Zeitung« 1898 Xr. 213 (Abendblatt) u. s. w.
R. Krauss.
Taschenberg, Ernst Ludwig, Universitätsprofessor für Flntomologie in
Halle a/S., * 10. Januar 1818 in Naumburg a/S., f 19. Januar 1898 in Halle a/S.
Als der Sohn eines Privatlehrers, der in Naumburg eine Schule für die Töchter
besserer Stände unterhielt, erwarb er sich die Gymnasialbildung in der Landes-
schule Pforte und studirte Mathematik und Naturwissenschaften in Berlin und
Leipzig. Als Hilfslehrer an den Francke'schen Stiftungen in Halle fand er
Gelegenheit, 1845 "^^^ ^^^^^ zoologischen Museum der Universität, dessen
entomologische Abtheilung durch Burmeisters Thätigkeit einen hohen Auf-
schwung genommen hatte, in Beziehung zu treten. Nach zwei Jahren ver-
liess er Halle und war erst in Seesen an der Jakobson'schen Schule als
erster Lehrer und dann in Zahna als Rector thätig. 1855 kehrte er indess
zurück und wurde endgiltig als Inspector am Museum angestellt. In die
Lehrerzeit fallen einige botanische Veröffentlichungen. Die eigentliche,
äusserst fruchtbringende Lebensaufgabe beginnt mit seiner Custodenstellung,
die er mit grösster Gewissenhaftigkeit bis zu seinem Tode ausgefüllt hat.
Die Pfiichtstunden des Vormittags waren ausnahmslos dem Dienste der Samm-
lung gewidmet. Der Nachmittag wurde, so oft es ging, namentlich, solange
ihn sein Sohn Gtto zu begleiten Zeit hatte, zu Excursionen verwendet, zu
biologischen Beobachtungen und eifrigem Sammeln, wobei die grösste Sonnen-
hitze nicht störte. Erst in späteren Jahren wurden sie eingestellt und durch
kürzere Spaziergänge mit der Frau oder durch den Aufenthalt in den Räumen
der Loge ersetzt. Das Leben floss regelmässig dahin in bescheidenen Bahnen,
soweit es das Aeussere anlangt. Nur zweimal führten Reisen in die
Ferne nach der Schweiz und Tyrol, sonst wurden die Ferien mit der Familie
im Harz oder Thüringer Walde verbracht. Eine gleichmässig ausgezeichnete
(Gesundheit, welche ihn bis zuletzt im Vollbesitz seiner körperlichen
Kräfte erhielt, so dass er noch wenige Wochen vor seinem Tode die
schwierigsten Bestimmungen mit der Lupe ausführen konnte, sowie über-
haupt Ebenmass und Ruhe in seinem Wesen bildeten die Grundlage für seine
ununterbrochene officielle Arbeit und für eine sehr bedeutsame litterarische
Thätigkeit. Sie erstreckte sich auf die verschiedensten Zweige der Ento-
mologie, vorwiegend auf die Insecten der Heimath; sie war theils populär,
theils rein wissenschaftlich, theils practisch. Von der ersteren sind »die
Bilder aus dem Insectenleben« und »die Insecten« in Brehms Thierleben die
Taschenberg. 20I
bekanntesten Friichte; die zweite pflegte fast alle Kerbthierordnungen, mit
Vorliebe aber die Hymenopteren ; die dritte knüpfte an eine Preisarbeit über
die schädlichen Insecten an, welche vom preussischen Ministerium aus-
geschrieben war (1856). Sie steigerte sich allmählich zu einer sehr umfang-
reichen und nachhaltigen Wirksamkeit, die ebensowohl in massenhaften,
grösseren und kleineren Publicationen, als in einer regen Correspondenz mit
land- und forstwirthschaftHchen, pomo- und oenologischen Kreisen ihren
Ausdruck fand und von dieser Seite auch manche verdiente Anerkennung
einbrachte; denn T.'s freundliches Wohlwollen war stets zu eingehendem
Rathe bereit. Hierher gehört auch seine Thätigkeit als Reblaus-Commissar
für die Provinz Sachsen. Dazu kommt noch seine Lehrthätigkeit seit 187 1,
wo er zum ausserordentlichen Professor ernannt wurde. Er konnte sie bis
zur 25 jährigen Jubelfeier fortführen. Seine Vorlesungen erstreckten sich bald
auf die allgemeine Entomologie, bald auf die Biologie, meist mit Rücksicht
auf die landwirthschaftliche Praxis, bald auf einzelne Ordnungen, bald wurden
Bestimmungsübungen und Excursionen dazu genommen.
So war das Leben T.'s nach aussen arm an sensationellen Ereignissen,
aber in seiner Thätigkeit gesund, folgerecht und harmonisch abgerundet.
Von den Schriften, die sich durchweg durch Zuverlässigkeit auszeichnen,
kann aus Raummangel nur eine Anzahl angeführt werden:
Entomologie f. Gärtner u. Gartenfreunde, od. Naturgeschichte d. dem Gartenbau
schädlichen Insecten, Würmer u. s. w., sowie ihrer natürlichen Feinde, nebst Angabe d.
gegen erstere anzuwendenden Schutzmittel. M. 123 liolzschn. Leipzig, 1871, gr. 8 (VI
586 S.).
Dasselbe ins Russische übersetzt.
Forstwirthschaftliche Insectenkunde od. Naturgeschichte d. d. deutschen Forsten
schädl. Insecten, Angabe der Gegenmittel nebst Hinweis auf die wichtigsten WaldbeschUtzer
unt. d. Thicren. M. vielen (eingedr.) Holzschn. Leipzig, Kummer, 1875. ß^- 8 (VI, 548 S.).
Practische Insectenkunde od. Naturgeschichte aller derjenigen Insecten, m. welch.
wir in Deutschland nach d. bisherigen Erfahrungen in nähere Berührung kommen können.
Nebst Angabe d. Bekämpfungsmittel gegen die schädlichen unter ihnen, i — 5. ThI. Bremen,
Heinsius, 1879—80. gr. 8.
Was da kriecht und fliegt! Bilder aus d. Inscctenleben m. besonderer Berück-
sichtigung ihrer Verwandlungsgeschichte. Berlin, 1861, 8. (VII, 632 S. m. Holzschn.) —
2. neu bearb. Auflage m. 85 Holzschn. (10 Lfgn.) Berlin, Wiegandt, Hempel u. Parcy,
1878. gr. 8 (VIII, 656 S.).
Die d. Hopfen schädl. Insecten, in: Festschr. gewidmet d. Besuchern d. internat.
Ausstellung v. Hopfen etc. z. Nürnberg. 1877. p. 99—113.
Ueber Insectenschwärme od. Insectenzüge, in: Zeitschr. f. d. ges. Naturw. 53. Bd.
(3. F. 6. Bd.) 1880. p. 903 — 905.
Das Ungeziefer d. landwirthschaftl. Culturgewächse. M. 36 Abbildgn. (in eingedr.
Holzschn.) BerHn und Leipzig, H. Voigt, 1874. 8. (VII, 230 S.).
Die d. W^ein- u. Obstbau schädl. Insecten. Wirthschaftl. Ergänzungsblätter in:
Verhandl. d. naturhistor. Ver. d. preuss. Rheinl. u. Westf. 29. Jhg. (3 F. 9. Jhg.) 1872.
p. 147-234.
Taschenberg u. Ed. Lucas, Schutz d. Obstbäume u. deren Früchte gegen feindliche
Thiere u. gegen Krankheiten. 2 Bde. Stuttgart, Ulmer, 1879. gr. 8.
Insecten in Brehm's Thierleben.
Schlüssel zur Bestimmung der bisher in Deutschland aufgefundenen Gattungen und
Arten der Mordwespen (Sphex L.). (Mit i Taf.) in: Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Halle.
Bd. 12. 1858. p. 57 — 122.
Schlüssel zur Bestimmung unserer heimischen Blatt- und Holzwespen-Gattungen und
Verzeichniss der bisher in der Umgegend v. Halle aufgefundenen Arten. X. Bd. 1857.
p. 113 — 118.
Heimische Gallen und ihre Erzeuger, in: Jahresber. d. Gartenbau-Ver. zu Halle a/S.
Illustr. Garten-Ztg. (Lebl.) 1877, p. 234—236; 252—255.
202 Taschenberg. v. Zimmermann.
Ueber Spinner und Weber unter, d. Gliederthieren in: Zeitsclir. f. d. ges. Naturw.
40. Bd. 1872. p. 500.
Chilenische Insecten, besonders Käfer, ebd. 38. Bd. 1871. p. 38—42.
Orthopterologische Studien aus d. hinterlassenen Papieren d. Oberlehrers Carl VVanckel
zu Dresden in ebd. 38. Bd. 1871. p. i — 28.
Das sog. Befallen der Obststämme. (Blattläuse) in: Zeitschr. d. landw. Centralver.
d. Prov. Sachsen. 27. Bd. 1870. p. 84—87. — Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. 35. Bd.
(N. F. I. Bd.) 1870. p. 95—96.
Neue Beobachtungen üb. d. Reblaus. (M. Abbild, im Text) in: Natur (Müller.)
(N. F. 3. Bd. 1877. p. 269—279).
Wandtafeln zur Darstellung d. Reblaus u. d. Blutlaus f. Schule u. Haus. Chromlith.
gr. Fol. M. erklär. Texte. Stuttgart, 1878. gr. 8. (29 S.).
Ueber die sog. Giftfliegen in: Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. 53. Bd. 1880 p. 197
bis 199.
Die Spargelbohrfliegc, Platyporea (Musca) poeciloptera Schrank, Low, Schiner. in:
Schles. landw. Ztg. 7. Jhg. 1866. p. 153.
Zwitter v. Acberontia Atropos in: Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. 22. Bd. 1863. p.*
520—521.
Erfahrungen bei d. Aufzucht d. Bombyx Cynthia-Raupen. ebd. 24. Bd. 1864. p. 372.
Der »Traubenwurm« (Cochylis ambiguella), seine Naturgesch. u. Bekämpfung in:
Anm. d. Oenologie. i. Bd. Hft. 2/3. 1870. p. 198 — 203.
Tödtet d. Sauerwurm 1 in: Weinbau IV. Jahrg. 1878. p. 355. — Fränkischer Wein-
bau. 1879. p. 93— 96. — Rheingauer Weinbl. 3. Jhg. 1879. Beil. zu Nr. 11.
Traubenwickler (Cochylis ambiguella) u. Springwurmwickler in: Rheingauer Weinbl.
3. Jhg. 1879. P- 129— 131. — Weinlaubc. ii. Jhg. 1879. p. 330 — 332.
Zur Vertilgung d. Sauerwurms durch Abreiben d. Reben in: Weinbau V. Jhg. 1879.
p. 141 — 142.
Zur Vertilgung d. Sauerwurms an d. Mosel u. in Rheinbayern ebd. V Jhg. 1879. p.
10 — II.
Die Vögel als Sauerwurmvertilger in: Oester. ung. Wein- und Agricult.-Ztg. 10 Jhg.
1879. p. 85. — Weinbau V Jahrg. 1879. p. 30.
Biologische Notizen über einige zum Theil neue Hymenopteren aus Port Natal in:
Ztschr. f. d. ges. Naturwiss. 39. Bd. 1872. p. i — 20.
Einige neue südeuropäische H}inenopteren. ebd. 38. Bd. 187 1. p. 30. 5 — 311.
Die Hymenopteren Deutschlands nach ihren Gattungen und theilweise nach ihren
Arten als Wegweiser f. angehende Hymenopterologen u. gleichzeitig als Verzeichniss d.
Hallischen Hymenopterenfauna analytisch zusammengestellt. Leipzig, Kummer, 1866. gr.
8. (VI, 277 S.).
Hymenopterologischer Sammelbericht in: Berlin. Ent. Zeitschr. 5 Bd. 1861. p. 194
bis 197.
Einige neue tropische, namentlich südamerikanische Cryptiden in: Ztschr. f. d. ges.
Naturwiss. 48. Bd. 1876. p. 61 — 104.
Die Schlupfwespenfamilie Cryptides mit besonderer Berücksichtigung der deutschen
Arten, ebd. 25. Bd. 1865. p. i — 142.
Die Schlupfwespenfamilie Pimplariae der deutschen Fauna, mit besonderer Rücksicht
auf die Umgegend von Halle in: ebd. 21. Bd. 1863. P* 245 — 305.
Ueber den Nestbau einiger Wespen in: ebd. Bd. 1873. Correspb. p. 565.
Neue Käfer aus Columbien u. Ecuador in: ebd. 35. Bd. 1870. p. 177—199.
Ueber den Linsenkäfer, Bruchus lentis in: ebd. 47. Bd. 1876. p. 294—295.
Die grünen Rüsselkäfer Ratzeburgs in: Deutsch. Forst- und Jagdkalender III. 2.
1875. p. 32—42.
Coloradobillcn. Kjöbenhavn. 1878.
Ein gutes Bildniss T.'s Leipziger Illustrirte Zeitung No. 2849. S. 132.
H. Simroth.
Zimmermann, Robert von, ordentlicher Universitätsprofessor der Philosophie
in Wien, * am 2. November 1824 zu Prag, f am 31. August 1898 daselbst.
Z. entstammte einer Familie, die, früher zu Ruhla in Thüringen heimisch, mit
dem Grossvater des Philosophen nach Oesterreich einwanderte und zuerst in
¥• Zirnmermann. 20^
lilcinercn böhmischen Orten, dann in Prag ihren Wohnsitz nahm. Ein
Oheim Roberts, ein zweiter Sohn des erstem in Oesterreich naturalisirten und
zum Katholicismus übergetretenen Z., Karl, that sich als Maler hervor, während
der Vater des Philosophen, Johann August, 1793 zu Bilin geboren, als Schul-
mann und als Dichter, besonders als Schöpfer geistlicher Lieder, ausgezeichnet,
durch seinen Freund und Lehrer Bolzano, den berühmten Logiker und
Mathematiker in Prag, auch zu philosophischen Studien angeregt wurde.
Dieses ganze Geistesleben der früheren Generation, die Familientradition,
wenn man so sagen darf, muss man in Rücksicht ziehen, um die geistige
Individualität Robert Z.'s voll zu begreifen. Den Mittelschulunterricht in
Prag empfing er unter der Leitung seines Vaters, der zu den angesehen-
sten Schulmännern Oesterreichs zählte, im Auftrage des Ministers Grafen
Kolowrat einen Plan zur Reform der österreichischen Gymnasien ausarbeitete,
wiederholt mit Exner, Bonitz u. A. an den diesbezüglichen Wiener Conferenzen
der sog. »Studien-Hofcommission« Theil nahm und später sich hauptsächlich
nur desshalb von der Schulmanns-Thätigkeit zurückzog, weil ihm die völlige
Ersetzung des Classen- durch das Fachlehrersystem pädagogisch bedenklich
schien. Wahrscheinlich ist der junge Robert schon durch diesen mit Bolzano
so befreundeten und überdies philosophisch schriftstellernden Vater auf die
Philosophie hingeführt worden; indessen hätte es der väterlichen Lenkung
kaum bedurft: waren doch in Prag Bolzano selbst und Exner, dem der
Herbartianismus die Jahrzehnte lang währende Präponderanz in Oesterreich
dankte, seine Lehrer, und hieraus im Vereine mit den P'amilienanregungen
ergiebt sich wohl unmittelbar jene Doppelneigung, welche auch für die äussere
Gestaltung seines künftigen Lebens bestimmend werden, sich namentlich in
dem Wechsel der Berufswahl bedeutsam ausprägen sollte. Denn dass ein
Schüler Bolzano's sich zunächst der Mathematik und strengen mathematischen
Naturwissenschaft zuwandte, dass es ihn trieb, seine in Prag begonnenen
Universitätsstudien in Wien unter dem Chemiker Schrötter, dem Physiker
Ettingshausen und dem Astronomen Littrow fortzusetzen, und dass er, nach-
dem er in Wien am 26. Mai 1846 zum Doctor der Philosophie promovirt
worden war, im März des folgenden Jahres eine Stelle als Assistent an der
Wiener Sternwarte annahm, ist gewiss nicht verwunderlich; noch selbstver-
ständlicher aber erscheint es, dass in einem von der Natur mit ingenium
philosophicum ausgestatteten Jünglinge, dessen Geist so früh schon die Ein-
wirkung von Philosophen und Liebhabern der Philosophie erfahren hatte, das
Interesse an den höchsten und allgemeinsten Fragen lebendig blieb. So war
denn Z. fast um dieselbe Zeit, da seine Thätigkeit an der Sternwarte begann,
schon mit einer Uebersetzung von Leibnitz' »Monadologie«, an die er eine
Abhandlung ȟber Leibnitz' und Herbarts Theorien des wirklichen Ge-
schehens« schloss, hervorgetreten; im selben Jahre, 1847, nahm er an der
Philosophen- Versammlung theil, welche zu Gotha unter dem Protectorate des
Herzogs von Sachsen-Coburg abgehalten wurde, und der letzte Tag des
nächsten Jahres brachte ihm für seine »Comparatio monadologiae
Leibnitzii et Herbar tii« den Preis der königlich-dänischen Academie der
Wissenschaften in Kopenhagen ein, so dass nach Veröffentlichung einer
deutschen Uebersetzung dieser preisgekrönten Schrift seiner Habilitation im
März 1849 ^^s Privatdocent für Philosophie an der Wiener Universität nichts
im Wege stehen konnte. Nun ging es in seiner academischen Carri^re mit
raschen Schritten vorwärts. Er wnirde Professor, nachdem er kaum erst die
204
V. Zimmermann.
venia legendi erlangt hatte. Noch in das Jahr 1849 nämlich tällt seine
Ernennung zum Extraordinarius für Philosophie in Olmütz und drei Jahre
darauf (1852) vertauschte er diese ausserordentliche Olmützer Lehrkanzel mit
der ordentlichen in Prag, die er 9 Jahre inne hatte, um endlich 1870 an die
Wiener Universität berufen zu werden. Hier wirkte er fortan mehr als 3'/^
Decennien; hier beschloss er auch seine academische Thätigkeit: als er sein
70. Jahr erreicht hatte und daher nach den Bestimmungen des österreichischen
(Gesetzes in den Ruhestand treten sollte, wurde ihm noch ein auf 3 Semester
verlängertes Ehrenjahr bewilligt, infolgedessen er erst zum Schlüsse des
Sommersemesters 1896 von seinem Lehrstuhle Abschied nahm. Inzwischen
aber war ihm eine Fülle äusserer Ehrungen zu Theil geworden. 1866 er-
folgte seine Berufung als Mitglied des damals creirten Unterrichtsrathes.
1870 verlieh ihm der Kaiser den Regierungsraths-, 1874 den Hofrathstitel ;
1889 wurde er durch das Ritterkreuz des Leopold-Ordens und am 7. Mai 1896
anlässlich seiner bevorstehenden Pensionirung durch Erhebung in den Adel-
stand ausgezeichnet. Die königlich-böhmische Gesellschaft der Wissenschaften
zu Prag wählte ihn 1854, die kaiserliche Academie der Wissenschaften in
Wien 1869 zu ihrem Mitgliede.
Dieser officiellen Anerkennung scheint das Maass der allgemeinen
Sympathien, deren er sich erfreute, entsprochen zu haben. Die Liebens-
würdigkeit seines Wesens musste ihm die Herzen Aller gewinnen, die mit
ihm in persönliche Berührung kamen, lieber seinen Collegen, den seither
längst verstorbenen Herbartianer Nahlowsky in Graz, wurde einmal geäussert,
er sei selber die Verkörperung jener »Idee des Wohlwollens« gewesen, welche
er in seinen Vorlesungen über »practische Philosophie« zu entwickeln pflegte.
Der Ausspruch passt auch auf Z. In einem der Nekrologe heisst es: es habe
»niemals einen angenehmeren Prüfer gegeben als ihn, nicht etwa, dass er gar so
wenig gefordert hätte. Aber er wusste dem Candidaten das Gefühl der Sicher-
heit und des Wissens einzuflössen. War Einer gar zu verzagt, an dessen Kennt-
nisse er dennoch zu glauben Grund hatte, so lautete die erste Frage etwa:
,Also, Herr Doctor, was können Sie mir sagen . , .?* da musste wohl jede
natürliche Befangenheit weichen«. »Umgang mit der Jugend<., heisst es an
einer anderen Stelle dieses Nachrufes, >^war ihm Bedürfniss. Er konnte bei
weitverzweigten Verbindungen helfen, half gerne und Vielen. Ein Wort der
F^muthigung mindestens fand jedes Streben bei ihm«. Unter diesen Um-
ständen erscheint es fast seltsam, dass er nicht eigentlich Schule gemacht hat,
dass er ausser Stande war, den Herbartianismus fortzupflanzen und ihm
weiterhin die lange behauptete Herrschaft auf den österreichischen Universitäten
zu sichern, die schon viele Jahre vor Z.'s Tode F>anz Brentano an sich riss.
Vielleicht trug ausser tieferen psychologischen Gründen, welche in der
formalen Eigenart gerade der Brentanoschen Richtung liegen, an der merk-
wäirdigen Thatsache ein wenig Z.'s Vortrag Schuld, der nach dem Zeug-
nisse ehemaliger Hörer wohl rhetorisch schön und formvollendet war, dem
aber jener frische, ursprüngliche, gleichsam naive Zug gefehlt zu haben
scheint, welcher die Studenten mehr gefangen nimmt und hinreisst als
sorgtältig gewählte Bilder oder kunstvoll abgezirkelte Perioden. Auch die Art,
jede Vorlesung mit einer Recapitulation des in der letzten Stunde Aus-
einandergesestzten zu beginnen, mochte vielleicht dem ungeduldig vorwärts-
drängenden Sinne der Jugend nicht zusagen. Und überhaupt war in Z.'s
ganzer Persönlichkeit etwas Bedächtiges, Gemessenes, vorsichtig zurückhaltendes,
V. Zimmermann.
205
das einer tiefergreifenden Wirkung auf die studentischen Kreise möglicher
Weise entgegen stand.
Hat aber auch Z. keinen philosophischen Nachwuchs herangezogen, so
war sein Einfluss auf das allgemeine geistige Leben Wiens und Oesterreichs
um so grösser. Er stand vielfach im Mittelpunkte dieses Lebens. Z. als
Theoretiker der Aesthetik hat vornehmlich litterarisch und unpersönlich, auf
weitere Entfernung gewirkt; dem practischen Aesthetiker aber crschloss sich
an Ort und Stelle reiche Gelegenheit für nutzbringende Arbeit. Als Kunst-
und Litterarkritiker erfreute er sich des höchsten Ansehens. Grillparzer
fand sich durch den Aufsatz »Von Ayrenhoff bis Grillparzer«, welcher später
in die Sammlung »Studien und Kritiken« aufgenommen worden, »sehr
befriedigt« und zwar nach den Worten des grossen Dichters nicht bloss
deshalb, weil es »immer angenehm« sei, »von gescheiten Leuten« »ge-
lobt« zu werden, sondern auch, weil er mit dem Philosophen »beinahe in
Allem« einer Meinung war; Hebbel gestand, wie Laurenz Müllners schöne
Ciedenkrede in der Grillparzer-Gesellschaft mittheilt, dem ästhetischen Kritiker
ein tiefes Verständniss seiner, d. h. der Hebbel'schen Dichternatur zu und
Hamerling erklärte nach derselben Quelle die von Z. herrührende Kritik des
»König von Sion« »für die wissenschaftlich tiefste und historisch eingehendste,
die dem Werke geworden^'. Und so hat Z. noch viele andere, zumal öster-
reichische Werke voll der feinsten EmpfängHchkeit für die Eigenart und die
Vorzüge eines Jeden analysirt. Mit nicht minder offenem Auge und warm-
fühlendem Sinn trat er den Malern gegenüber. »Dass«, sagt Müllner in
seinem ausgezeichneten Vortrage, »die antikisirende Linienführung eines
Carstens und Rahl stark auf Z. gewirkt, lässt sich bei seinem ästhetischen
Standpunkt leicht einsehen, aber die volle Unbefangenheit seines Urtheils
tritt in seinen nicht minder warmen Aeusserungen über Overbeck und Führich
zu Tage. In gleicher Weise«, fährt Müllner fort, »verrathen gelegentliche
parenthetische Bemerkungen über die Musik Richard Wagners, dass er über
die von Herbart hergeleitete und namentlich von der Gleichsetzung des
musikalisch Schönen mit den musikalischen Formen auch zu thetisch be-
strittenen Reizen der Musik einen Weg zu finden vermochte«.
Wen könnte es nach alledem in Erstaunen setzen, dass Z. nicht nur
seit 1878 in der Ministerial-Commission für Verleihung von Künstler-
stipendien sass, sondern 1884 auch Curator der Schwestem-Fröhlich-Stiftung
und Mitglied des Grillparzer-Preisgerichtes wurde? Gerade in der letzteren
Eigenschaft erwarb er sich die grössten Verdienste um Würdigung junger,
neuerungslustiger und aus den gewohnten Bahnen herausstrebender Talente.
Dass er für Gerhart Hauptmann's »Hannele« den Grillparzer-Preis durch-
setzte, kennzeichnet wohl am besten seine Vorurtheilslosigkeit und die bis
ins Greisenalter ihm treubleihende Jugendfrische des Geistes und Gemüths.
Aber fast ebenso sehr als durch seine Entscheidungen als Preisrichter ist durch
das, was er, ein meisterhafter Uebersetzer und zahlreicher Sprachen kundig,
von zeitgenössischer Poesie anderer Völker der Uebertragung ins Deutsche
für werth hielt, sein modernes Fühlen bezeugt worden: er hat uns Gedichte
von Ada Negri, die »Sclavenlieder« von Svatopluk Czech vermittelt und hie-
mit allein schon jenes thöricht-einseitige Urtheil, welches in ihm nur den
»Hofrath« sehen wollte, Lügen gestraft. Seine Gerechtigkeit gegen die
»Moderne« hinderte indess glücklicherweise nicht seinen klaren Blick und sein
tiefes Gefühl dafür, wie sehr uns die Pflege des Classischen in Kunst und
2o6 ^' Zimmermann.
Litteratur noth thun. Die Schöpfung der »Grillparzer-Gesellschaft« war sein
Werk; im Jahre 1890, rief er sie, von dem jüngeren Fachgenossen Dr. Emil
Reich unterstützt, ins Leben; er war ihr erster Vorstand, und er wurde
immer wieder an die Spitze dieser Gesellschaft berufen, mit deren Gründung er
zugleich seiner Begeisterung für die Dichtkunst und seinem warmen patriotischen
Empfinden ein schönes Denkmal setzte. War es doch seine ausgesprochene
Intention, in ihr »eine Heimstätte und einen Mittelpunkt für alle Bestrebungen
zur Förderung, Verbreitung und Würdigung der poetischen Hervorbringungen
Deutsch-Oesterreichs zu schaffen!«
Das beste Bild von Z.'s Vielseitigkeit erhält man durch eine Umschau
in der Menge seiner Publicationen. Der Belletrist tritt da gegenüber dem
Gelehrten in den Hintergrund ; aber doch wären auch Z.'s poetische Schöpfungen
allein zahlreich und werthvoll genug, um zu verhindern, dass sein Name
gänzlich der Vergessenheit anheim fiele. Der Siebzehnjährige bereits hatte
in Zeitschriften wie »Ost und West« Gedichte drucken lassen, welchen dann
die Novelle: »Eine alte Wiener Geschichte« und andere Erzählungen folgten,
und die heisse, politisch-bewegte Atmosphäre der 40er Jahre war der Ent-
faltung der dichterischen Anlagen des jungen Mannes so günstig, dass er
schon im Alter von 21 Jahren (1845) ^'^^ Sammlung politischer Gedichte
herausgeben konnte. Man muss bedauern, dass Z., hier überstreng gegen
sich selbst, seine poetischen Frühproducte aus dem Buchhandel zurückzog.
Denn ein prächtiges Gedicht aus dem Jahre 1848, das fünfzig Jahre später
eine österreichische Zeitung wieder veröffentlichte, zeigt, wie begabt Z.,
welcher auch der Wiener academischen Legion angehörte, auf dem Felde der
politischen Lyrik war. Ob sein Epos »König Wenzel und Susanna« (1849^
auf gleicher Höhe mit seinen Zeitgedichten stand, ist nicht einmal zu er-
rathen, da auch dieses Werk von dem rigorosen Selbstkritik er dem Buchhandel
entzogen wurde.
Von Z.'s gelehrten Arbeiten betrifft eine grosse Anzahl die Geschichte
der Philosophie. Zunächst ist es die Leibnitz-Forschung, die durch viele
vortreffliche Schriften Z.'s, selbstständige Werke sowohl als Abhandlungen,
gefördert erscheint. Hierher gehört ausser seiner ersten grösseren, von
Feuchtersieben mit warmem Lobe begrüssten philosophischen Schrift »Leib-
nitz' Monadologie. Deutsch mit einer Abhandlung über Leibnitz* und Herbarts
Theorien des wirklichen Geschehens« (Wien 1847), noch die Uebersetzung
der von der Kopenhagener Akademie veranlassten Preisschrift »Leibnitz und
Herbart. Eine Vergleichung ihrer Monadologien« (Wien 1849), ferner »Das
Rechtsprincip bei Leibnitz« (Wien 1852), ^Leibnitz' Verhältniss zur Be-
gründung einer kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien« (Sitz.-Ber.
d. k. böhm. Ges. d. W. 20. Nov. 1854), die in den Schriften der Wiener
kaiserl. Akademie der Wissenschaften publicirten Abhandlungen: »Der Cardinal
Nicolaus Cusanus als Vorläufer Leibnitz'« (1852), »Ueber Leibnitz' Conceptua-
lismus« (1854) und »Leibnitz und Lessing« (1855); die Ergänzung zu dieser
letzteren Arbeit »Ueber seine« (Z.'s) »Abhandlung: Leibnitz und Lessing«.
(S.-B. d. k. böhm. Ges. d. W. 31. Dec. 1855); der Essay »Leibnitz und die
Gründung der Akademie der Wissenschaften« (S.-B. d. Ak. d. W.) und endlich
die Akademieschrift »Leibnitz bei Spino'za« (1890). Spinoza allein sind ge*
widmet die Abhandlungen »Ueber einige logische Fehler der spinozistischen
Ethik. I, n.« (Schriften der W. kais. Ak. d. W. 1850-51) und der Aufsatz
»Spinozas Sterbehaus«. Mit Lessing beschäftigten sich überdies noch die
V. Zimmermann.
207
Studien »Lessing und die neuesten Ausleger der Aristotelischen Katharsis«
(S.-B. d. k. b. G. d. W. 3. Dec. 1860 u. 4. März 1861), »Lessings Lemnius«
(Beil. z. Wien. Ztg.) und »Gottsched und Lessing« (S.-B. d. k. Ak. d. W.).
Von vornherein lässt sich erwarten, dass eine besonders grosse Zahl von
Schriften Herbart gewidmet ist, so; »Zwei Briefe Herbarts« (1872), «Uebe den
Einfluss der Tonlehre auf Herbarts Philosophie« (1873), «Ueber Trendelen-
burgs Einwürfe gegen Herbarts praktische Ideen« (1873) und »Perioden in
Herbarts philosophischem Geistesgang« (1876), der Artikel der Wiener
»Deutschen Zeitung« »Zu Herbarts hundertjährigem Geburtstag« (1876) und
die selbstständige Veröffentlichung »Ungedruckte Briefe von und an Herbart.
Aus dessen Nachlass herausgegeben« (Wien 1876). An der Kant- und Hume-
Litteratur betheiligt sich Z. durch die Akademie-Abhandlungen »Ueber Kants
mathematisches Vorurtheil und dessen Folgen« (1871), »Ueber Kants Wider-
legung des Idealismus von Berkeley« (1871), »Kant und die positive Philo-
sophie« (1874), »Lambert, der Vorgänger Kants. Ein Beitrag zur Vor-
geschichte der Kritik der reinen Vernunft« (1878), »Kant und der Spiritismus«
(1879), »Ueber Humes Stellung zu Berkeley und Kant« (1883), »Ueber
Humes empirische Begründung der Moral« (1884), »Kant und Comte in ihrem
Verhältniss zur Metaphysik« (1885); durch die Essays »Ein neuer Anti-Kant«
(Litter. Beilage zur »Wiener Zeitung«), »der Jude Kants (Salomon Maimon)«
(«Deutsche Revue« 1878), »Kant in England« (Ebenda 1882), »Eine neue
Wendung des Neokantianismus« (Ebenda 1884) und schliesslich durch das
Vorwort zur Neuauflage der »Kritik der reinen Vernunft« in Meyers Volks-
büchern (1890). Aber auch den speculativen Philosophen, seinen Wider-
sachern auf dem Gebiete der Aesthetik, schenkt er seine Aufmerksamkeit, vor
Allem Schelling und Schleiermacher, welche ihm durch ihre Vorliebe für
ästhetische Studien und ihre ganze sozusagen ästhetische Geisteshaltung näher
gebracht sind. Vgl. die »Darstellung und Kritik der Schleiermacherschen
Aesthetik« (S.-B. d. k. böhm. G. d. W. 2. März 1857) und die 1875 ^" ^^^
Akademieschriften erschienene, als »Ein Nachtrag zu seiner« (Z.'s) »Geschichte
der Aesthetik« bezeichnete Abhandlung, »Ueber Schellings Kunstphilosophie«
nebst der Recension »Ueber Dilthey's Leben Schleiermachers« (»W. Fr. Pr.«)
und den Aufsätzen »Ueber Schellings Weltalter« (S.-B. d. Ak. d. W.) und
»Schelling und seine Frau« (»Oesterr. Wochenschr. f. Kunst u. Litteratur«).
Dass er an Schopenhauer nicht gleichgültig vorüberging, wie seine Vorrede
zu der Singerschen deutschen Uebersetzung von Foucher de Careils »Hegel
et Schopenhauer« und ein allgemeinerer, neben Schopenhauer insbesondere
auch Hartmann behandelnder Aufsatz »Die philosophische Litteratur der
Gegenwart! (»Oest, Wochenschr. f. K. u. L.«) beweisen, ist ebenso verständ-
lich, als da.ss der österreichische Philosoph Denkern seines Vaterlandes be-
sondere Theilnahme entgegenbrachte, dass er nicht nur dem Gedächtnisse
seines Lehrers Bolzano die Akademieabhandlung »Ueber den wissenschaftlichen
Charakter und die philosophische Bedeutung Bernhard Bolzanos« (1849)
widmete, so wie er (1852) fiir die Würzburger »Allgemeine akademische
Monatsschrift« einen Nekrolog seines anderen Lehrers Franz Exner verfasste,
sondern auch in der Beilage zur »Wiener Zeitung« »Ueber Schenachs Meta-
physik« berichtete und sowohl in diesem nämlichen Organ, als in der »Presse«
Gesammtbilder von Leben und Lehre des Wiener Philosophen Anton Günther
entwarf. Die Entwicklung des philosophischen Geistes in Oesterreich verfolgte
er überhaupt mit besonderem Eifer. Er schrieb schon vor 1848 über »Philo-
2o8 V» Zimmermann.
Sophie in Oesterreich« (Schmidls »Oest. Blätter«), dann »Ueber die Stellung
der Philosophie in der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften« (»Frankls
Sonntagsblätter«), führte in ^er »Oest.-ung. Revue« »Philosophie und Philo-
sophen in Oesterreich« vor, erstattete »Ueber ein bisher unbekanntes rechts-
philosophisches Manuscript eines österreichischen Verfassers« Bericht in den
Schriften der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (1854) beleuchtete
»Die Anlange der mathematischen Psychologie in Wien« (Oest. Wochenschr.
f. K. u. L.), hielt 1886 seine Rectoratsrede »Ueber den Antheil Wiens an
der deutschen Philosophie« und schilderte noch kurz vor seinem Tode,
1898, die Schicksale der akademischen Vertretung der Philosophie in Wien
während des letzten halben Jahrhunderts. Auch den jeweiligen Stand ganzer
philosophischer Disciplinen und die mannigfachen Tendenzen, welche in den-
selben nach Geltung ringen, zu kennzeichnen, war ihm ein gem geübtes
Geschäft, dem er theils in der Beilage zur »Wiener Zeitung«, theils in den
Ergänzungsheften zu »Meyers Conversationslexikon«, für dessen 3. u. 4. Auf-
lage er sämmdiche philosophischen und ästhetischen Artikel neubearbeitete,
theils in Lützows »Zeitschrift für bildende Kunst« nachging, in dem ersteren
Blatte »Die ethischen Richtungen der Gegenwart« und »Die psychologischen
Richtungen der Gegenwart«, in den Ergänzungsheften, welche 1884 seinen
Aufsatz »Philosophische Schulen der Gegenwart« brachten, ausserdem »Die
ästhetischen Richtungen der Gegenwart« (1880) und »Die logischen Richtungen
der Gegenwart« (1882), in der Lützowschen Zeitschrift gleichfalls »Die
Aesthetik der Gegenwart« darstellend. Daneben aber liefen philosophie-
geschichtliche Arbeiten isolirten Charakters einher. So schrieb er »Ueber
die Lehre des Pherekydes von Syros« (Zeitschrift fiir Philosophie und philo-
sophische Kritik, 1854), so stellte er sich mit einem Festartikel »Zum Fichte-
Jubiläum« ein, wurde »Schiller als Denker« (Vortrag, veröffentlicht in den
Schriften d. k. böhm. G. d. W. 1859), »Bernoulli als Logiker« (Schriften d.
Ak. d. W. 1885) und »Diderot als Pädagog« (Deutsche Revue, 1880) von
ihm gewürdigt.
Einen verhältnissmässig schmalen Raum nehmen die allgemein philo-
sophischen, weder ästhetischen noch philosophiegeschichtlichen Schriften ein.
Die »Philosophische Propädeutik. Prolegomena. Logik. Empirische Psycho-
logie. Zur Einleitung in die Philosophie« (Wien 1852, 2. Aufl. 1860, 3. Aufl.
1867) erlebte zwar mehrere Auflagen und wurde ins Czechische, Polnische,
Ungarische, Holländische und Italienische übersetzt; allein sie hat doch nicht
einmal als Schulbuch in Oesterreich neben den viel lieber benützten Büchern
von Lindner und Drbal sich zu behaupten vermocht, geschweige denn als
Facharbeit, als wissenschaftliche Darstellung der Logik und Psychologie vom
Herbartschen Standpunkte, den berühmten Werken der Herbartianer Drobisch
und Volkmann den Rang abgelaufen. Auch die Antrittsvorlesungen in Prag
und Wien »Was erwarten wir von der Philosophie« (1852) und »Philosophie
und Erfahrung« (1861), deren zweite wegen der Verurtheilung des speculativen
Unwesens und der Vertheidigung der Empirie sogar bei Louis Büchner Bei-
fall fand, sind trotz dieser theilweisen Begegnung mit populären Zeitströmungen
>\issenschaftlich einflusslos geblieben und selbst dem letzten, systematisch-zu-
sammenfassenden Werke Z.'s, der »Anthroposophie. Entwurf eines Systems
idealer Weltanschauung auf realistischer Grundlage« (Wien 1882) kann man
einen grösseren oder gar durchschlagenden Erfolg nicht nachrühmen. Unleugbar
ist es ein interessantes, geistreiches Buch, das nach verschiedenen Richtungen
V. Zimniermann.
209
die Neugierde reizt und zu lehrreichen Vergleichungen anregt. Wenn der
Titel im Zusammenhange mit dem Fehlen jedes eigentlich supernaturalistischen
Hintergrundes im Weltbilde fast unvermeidlich den Gedanken an die »Anthro-
pologie« d. h. an den Positivismus Feuerbachs weckt, so erscheinen gewisse
Ideen, wie der kühne Versuch einer Auflösung aller psychischen Qualitäten
in Quantitätsunterschiede, recht eigentlich aus dem Geiste Herbarts heraus-
geboren. Jedoch eben die Herbart-Treue ist ungeachtet der Wendung nach
dem Positivismus hin viel zu gross geblieben, die ethischen »Ideen« sind viel
zu unverändert angenommen und die ästhetischen, welche Z., ohne sich um
den inzwischen durch Fechner gemachten Fortschritt zu kümmern, gerade so,
wie sie in seinem Hauptwerke entwickelt worden waren, hinzufügte, viel zu
ängstlich nach dem Muster der ersteren gebildet, als dass der gleichsam
fossile Eindruck des Ganzen durch jene Zugeständnisse an den modernen
philosophischen Geist hätte verwischt werden können. Kurz, diese Schriften-
gruppe scheint nach Umfang und Bedeutung am wenigsten hervorragend und
nur nebenher verdient es Erwähnung, dass Z., der zur Geschichte der Rechts-
philosophie ausser der schon angeführten Publication die Abhandlung »lieber
ein rechtsphilosophisches Manuscript: Com. de Hoditz libellus de hominis
convenientia« (S.-B. d. k. böhm. G. d. W. 12. Febr. 1855) beisteuerte, auch
»lieber die Bedeutung der Rechtsphilosophie für das Rechtsstudium« (S.-B.
d. k. böhm. G. d. W. 30. März 1857) seine Meinung zum Ausdrucke gebracht
hat. Das lebhafte Interesse freilich verschloss er keiner der philosophischen
Zeit- und Streitfragen; er besprach in einer Artikelserie der »Wiener Zeitung«
die »naturwissenschaftliche Methode in der Philosophie« und er bot in Hallers
»Prager Vierteljahrsschrift für praktische Heilkunde« »Ueber medicinische
Psychologie von Lotze und medicinische Logik von Oesterlen« ein kritisches
Referat; er durfte so mit Recht von sich sagen, dass ihn, wenn sich gleich
seine Veröffentlichungen vorzugsweise auf bestimmten Gebieten bewegten,
darum doch auch alle übrigen Partieen des grossen Gesammtfaches, welches
er als akademischer Lehrer vertrat, allezeit gefesselt und beschäftigt haben.
Weitaus die wichtigsten Arbeiten Z.'s sind die in die Aesthetik ein-
schlagenden. Schon in den 50 er Jahren erschienen das Buch »Ueber das
Tragische und die Tragödie« (Wien 1856) und die Essays »Die speculative
Aesthetik und die Kritik« (»Wiener Zeitung« 1854), »Ueber die von
A. Zeising aufgestellte neue Proportionslehre des menschlichen Köq>ers«
(S..B. d. k. böhm. G. d. W. 28. Januar 1856) und »Eine neue Eintheilung
der Künste vom Standpunkte reiner Form« (S.-B. d. k. böhm. G. d. W.
31. Mai 1858). Ebenfalls noch in den 50 er Jahren machte er sich daran,
eine grosse, aus einem historisch-kritischen und einem systematischen Theil
bestehende Gesammtdarstellung der Aesthetik in Herbartschem Geiste zu
liefern, wobei er sich allerdings auf eine bedeutende Vorarbeit stützen konnte.
Zwei Herbartianer hatten schon vor ihm allgemeinere ästhetische Werke ver-
fasst: Bobrik und Griepenkerl. Nun finden sich gewisse inhaltliche Grund-
gedanken, welche dann von Z. weiter ausgebildet wurden, unstreitig auch bei
Bobrik. Aber das, was Z. Bobrik allenfalls hätte entlehnen können, erscheint
geringfügig und unwesentlich gegenüber dem, was er Griepenkerl ohne Frage
wirklich entnommen hat. Denn nicht nur das ganze methodische Princip, die
(iesetze des Schönen in Form von sog. »Ideen« darzulegen, welche die Be-
dingungen der Wohlgefälligkeit eines Verhältnisses ebenso aus dem eigentlich
ästhetischen Gebiete vorstellen, wie durch Herbarts ethische Ideen diese
Biogr. Jahrb. n, DenUcher Nekrolog. 3. Bd. I a
210 V« Zimmermann.
selben Bedingungen in der specifisch moralischen Sphäre ausgedrückt werden,
stammt von Griepenkerl; der Letztere, dessen »Lehrbuch der Aesthetik« 1827,
7 Jahre vor Bobrik's »freien Vorträgen über Aesthetik« erschien, hat viel-
mehr auch schon fast alle die einzelnen Ideen, welche bei Z. vorkommen,
aufgestellt, nur in etwas anderer Ordnung und theilweise mit anderen Be-
zeichnungen. Indess eine der ästhetischen Ideen d. h. der unmittelbar wohl-
gefälligen und somit schönheitbegründenden Relationen verkannte er und zwar
gerade die für die Kunstästhetik wichtige, bedeutungsvollste; von »Nach-
bildung« hielt er wenig, »die charakteristische Darstellung« schien ihm »nur
eine Bedingung der Aeusserungen des Geschmacksurtheils, aber kein Be-
stimmungsgrund für dasselbe, folglich auch kein ästhetisches Element« und
hier unterlag er, wiewohl er durch Aufstellung der »Idee der Wahrheit<v
mit sich selbst in einen nur mühsam zu verhüllenden Widerspruch gerieth,
offenbar dem verhängnissvollen Einflüsse des Meisters Herbart, welcher es
nicht glauben mochte, dass eine Nachahmung jemals höheren Reiz sollte ent-
halten können, als ihrem Urbilde eigen ist. Wenn nun Z. durch Begründung
der »Idee des Charakteristischen« seine Vorgänger so weit überholte und
deren Irrthum mit so glänzendem Scharfsinn richtig stellte, so dankte er dies
grossen theils vielleicht auch dem Umstände, dass er seine eigene systematische
Arbeit erst begann, nachdem alle die geschichtlich hervorgetretenen Versuche
zur Bewältigung des Problems des Schönen von ihm dem sorgfältigsten
Studium und der eindringendsten Kritik unterzogen worden waren. 1858 gab
er die Summe dieser historischen Vorstudien in gerundeter, stylistisch
vollendeter Darstellung als ersten Band seiner Aesthetik heraus: »Aesthetik.
Erster, historisch-kritischer Theil: Geschichte der Aesthetik als philosophischer
Wissenschaft«. (Wien, 1858). Dieses Buch, mehr als 800 Seiten stark, ist
nicht nur an und für sich ein Meisterwerk, unentbehrlich für Jeden, welcher
die Geschichte der Aesthetik kennen lernen oder gar auf diesem Gebiete ar-
beiten will; es stellt sich in dem angegebenen Sinne auch als die Voraus-
setzung der selbstständigen Unternehmung Z.'s dar, welche 7 Jahre später
unter dem Titel: »Aesthetik. Zweiter, systematischer Theil: allgemeine
Aesthetik als Form Wissenschaft« (Wien, 1865) vollendet wurde. Wer nämlich
die Unterscheidung der relativen von der absoluten Schönheit und die Begriflfs-
bestimmung der ersteren bei Hutcheson so meisterhaft in historischer Dar-
stellung hervorgehoben hatte, wie Z., dem konnte das Ungenügende der
Herbart -Grünentharschen Auffassungsart natürlich nicht entgehen. Aber die
Bedeutung der Aesthetik Z.'s gegenüber derjenigen Griepenkerls liegt nicht
bloss in der Verkündung des Princips des Charakteristischen, wie gross auch
die Wichtigkeit dieses Fortschritts gewesen sein möge, sondern vor allem
darin, dass sie zum richtigen Zeitpunkt kam. Der erste Versuch einen syste-
matisch durchgeführten Formästhetik musste, obschon er sich in den grund-
legenden Conceptionen nur sehr wenig von dem späteren, erfolgreichen unter-
schied, unbeachtet bleiben und in der von Jahr zu Jahr höher anschwellenden
Flut philosophischer Hervorbringungen bis eben zur Wiederaufnahme durch Z.
sj)urlos versinken, weil damals die Alleinherrschaft des Fichte-Schelling-Hegel-
schcn Idealismus keine andere Denkweise aufkommen Hess; seine Erneuerung
von Seiten Z.'s erwies sich dagegen als nützliches Ferment der philosophisch-
ästhetischen Bewegung, da nun jene Alleinherrschaft in allen übrigen Bereichen
schon gestürzt und somit für eine neue Theorie der Boden bereitet war. Ks
ist ein ähnliches Verhältniss wie dasjenige zwischen Lamarck und Darwin,
▼. Zimmermann. 211
wenn man nur auf das diesen Beiden gemeinsame Descendenzprincip Rück-
sicht nimmt und den Gegensatz der Selectionslehre zur Lehre von der Ge-
brauchs- und Nichtgebrauchs Wirkung ignorirt, der freilich weit grösser erscheint
als der Unterschied der Z. 'sehen und der Griepenkerlschen Aesthetik. Im
Uebrigen aber muss Z.'s Philosophie des Schönen wirklich vor Allem als ein
brauchbares Ferment gelten, dem auch heute die anregende und zu weiteren
Untersuchungen spornende Kraft nicht abhanden gekommen. Ihr Haupt-
verdienst machte die seinerzeit so nöthig gewesene Opposition gegen jene
speculative Aesthetik aus, die Dank Vischer, Schasler etc. noch immer blühte,
als der Verfall der »speculativen« Geistes in allen anderen Sphären längst
offenkundig geworden war; sie wirkte insofern epochemachend durch Fort-
schaflfung des die gesunde Entwicklung Hindernden, während sie in positiver
Richtung von Lotze^ Fechner und einigen modernen Engländern übertroflfen
wurde und selbst ihre grösste positive Leistung, die Formulirung der »Idee«
d. h. des Princips des Charakteristischen, keineswegs als abschliessend zu be-
trachten, sondern noch mit einzelnen sehr in die Augen springenden Fehlern
behaftet ist.
Als höchst werthvolle Ausführungen zum besseren Verständnisse der
wahren philosophisch -ästhetischen Grundabsichten der Herbartschen Schule
überhaupt und Z.'s insbesondere sind die theils kurz vor, theils bald nach
dem zweiten Bande der Aesthetik veröffentlichten Abhandlungen »zur Reform
der Aesthetik als exacter Wissenschaft« (Zeitschrift für exacte Philosophie,
1863) »Zur Abwehr« (Ebenda, 1868) und »Ueber Lotzes Kritik der forma-
listischen Aesthetik« (Zeitschrft. f. d. österr. Gymnasien, 1868) anzusehen,
die in den »Studien und Kritiken« wieder abgedruckt wurden. Gewisse letzte
Motive der ästhetischen Conceptionen des Formalismus treten hier klarer und
schärfer als selbst in dem Hauptwerke hervor; auch Missverständnissen des von
Z. vertretenen Standpunkts wird hier bestimmter als anderswo begegnet, so
namentlich der durch die häufigen objectivistischen Wendungen der Schule
so nahegelegten Ansicht, als wolle diese das Gefühl als unerlässliche Grund-
lage jedes ästhetischen Werthurtheils in Abrede stellen. Aber auch in anderen
der vielen ästhetischen Aufsätze Z.'s und seiner oft überaus gründlichen und
ausführlichen Recensionen ästhetischer Werke wird auf die Principienfragen
eingegangen, und führt schon der Gegenstand von diesen Fragen allzu weit
ab, so bietet der Philosoph dafür doch eine Fülle sonstiger Belehrung. Von
solchen Essais und Kritiken seien noch genannt die Academieschrift : »Glaube
und Geschichte im Lichte des Dramas. Ein Beitrag zur Philosophie des
Dramas« (1877), die Aufsätze in der Beilage: zur Wiener Zeitung: »Ueber
ästhetische Proportionslehre«, »Ueber Hanslicks Schrift vom Musikalisch-
Schönen«, »Ueber Ambros', Grenzen der Musik und Poesie«, »Hamlet und
Vischer«, die Artikel »Aesthetik« und »das Musikalisch-Schöne« in den Er-
gänzungsblättern zu 12. Aufl. des Meyerschen Conv.-Lexikons und die in den
> Philosophischen Monatsheften« (1873) publicirte Studie: »Ueber R. Vischers
optisches Fonngefiihl«. Auch diese Aufsätze sind theilweise in den »Studien
und Kritiken« enthalten.
Ungemein mannigfaltig und ausgedehnt ist jener Zweig der litterarischen
Thätigkeit Z.'s, welcher die angewandte Aesthetik im Sinne der Kunst- und
Litteraturkritik und die kritischen Anzeigen belletristischer Bücher umfasst. In
einer Reihe österreichischer und reichsdeutscher Zeitschriften recensirte Z. von
den 40er Jahren dieses Jahrhunderts an neue litterarische Erscheinungen und seit
14*
212 V. Zimmermann. Erzherzog T^eopold.
1 840 lieferte er die Jahresberichte über die deutsche Litteratur für das Londoner
»Athenaeum«. Nicht weniger emsig verfolgte er die Entwicklung der bildenden
Künste. Als Kunstausstellungsreferent für zwei Tagesblätter: »'Bohemia« (1854
bis 1860) und »Presse« (1863, 1864) und an anderen Orten besprach er viele
Schöpfungen moderner Maler und überdies bezeugen das Werk: »Die Tempel
von Pästum« (Prag, 1858) und die Abhandlung »Beschreibung und Auslegung
der Statue Laokoons« (S. B. d. königl. böhm. G. d. W. 10. Nov. 1856) die
Vielseitigkeit seiner Kunstinteressen. Aber neben der Kunstkritik findet sich
unter Z's. Arbeiten auch die Kritik dieser Kritik, neben der Betrachtung von
Kunstwerken auch die von Werken der Kunstwissenschaft vertreten. Die
Lützowsche Zeitschrift brachte ausser vielen derartigen Recensionen die Ab-
handlungen »Winckelmann« und »Ueber Lützows Geschichte der Academie
der bildenden Künste«, während in der »Deutschen Rundschau« Z. sich
»Ueber Werders Hamlet-Vorlesungen«, »Ueber Bernays' jungen Goethe« (1876)
und »Ueber Grimms Goethevorlesungen« (1877) verbreitete.
Zahlreiche Schriften endlich haben es mit Fragen der Didaktik oder mit
der Universitätsgeschichte zu thun, so die Olmützer Antrittsvorlesung: »Ueber
die Stellung der philosophischen Facultät« (1850), die Aufsätze: »Ueber geist-
liche Gymnasien», »Ueber den Auszug der Deutschen von der Prager Uni-
versität«, »zur Säcularfeier der Wiener Universität« (sämmtlich in d. »N. fr.
Presse«), »Ueber philosophische Propädeutik«, »Zeitschr. f. österr. Gymnasien«
(185 1), »Ueber die Instruction zum Unterricht in der philosophischen Propä-
deutik« (Ebenda 1854) und jene anlässlich des Kaiserjubiläums verfasste
Uebersicht über die Jahre 1848 — 1898 an der Wiener Universität, deren schon
oben gedacht wurde. Eine andere Jubiläums-Arbeit ist die Skizze: »Wissen-
schaft und Litteratur 1848 — 1888«, die Z. zur Festschrift des Wiener Gemeinde-
rathes beitrug.
Quellen: Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 60. Theil.
1891, und die im Texte angeführten Nekrologe: Laurenz MUllner, »Zu Robert Zimmer-
manns Gedächtnisse, Neue freie Presse, 10. November 1898 und Notker Labeo, »Robert
Zimmermann«, Neue Revue: die Wage, No. 37, 10. Sept. 1898, ferner der anonym er-
schienene Nachruf »Robert v. Zimmermann«, Beilage zur allgemeinen Zeitung, Jahrgang
1898, Heft 40, No. 224, 4. Octob. 1898. Von schroff gegnerischem Standpunkte hat sich
Vischer im 6. Heft der »Kritischen Gänge«, 1873 (Neue Folge, 2. Band) über Z.'s
Aesthetik ausgelassen; eine objcctive Würdigung der wissenschaftlichen Leistungen Z.'s, Kenn-
zeichnung seiner Stellung zu gewissen Grundfragen der Aesthetik und Beleuchtung der
Fortschritte, welche ihm die Philosophie des Schönen dankt, hat der Verf. dieser Biographie
versucht: »Robert Zimmermann«, Wiener Zeitung, 28. und 29. Mai 1896 und »Kritische
Studien zur Aesthetik der Gegenwart« (Leipzig und Wien, 1897). Porträts brachten die
»Neue illustrirte Zeitung« (No. 15, .6. Januar 1884*), Wiener »Extrablatt« und »Morgenpost«^
(14. Octob. 1886).
Hugo Spitzer.
Leopold, Erzherzog von Oesterreich, * 6. Juni 1823 zu Mailand,
f 24. Mai 1898 auf Schloss Hörnstein, der älteste Sohn des Erzherzogs
Rainer und der Prinzessin Maria Elisabeth, Tochter des Herzogs Carl
Emanuel Ferdinand von Savoyen-Carignan, erhielt eine vortreffliche, (ieist
und Herz bildende Erziehung. Schon in der Kindheit ernst und sinnend,
kannte er keine grösseren Vergnügungen, als militärische Uebungen, zu denen
später ernste Studien traten, die sich mit Vorliebe den technischen Wissen-
schaften zuwendeten. Im Jahre 1835 ^-""^ Oberstinhaber des Infanterie-Regi-
ments Nr. 53 ernannt, wurde er zehn Jahre später dem Husaren-Regimcnte
Erzherzog Leopold. 213
Nr. 5 zugetheilt, um unter der Leitung des damaligen Oberstlieutenants
Meszdros, des nachmaligen ersten ungarischen Kriegsministers, in den Reiter-
dienst eingeführt zu werden. Am 14. September 1846 wurde Erzherzog L.
zum Generalmajor ernannt und auf seinem besonderen Wunsch dem Genie-
haupt-Amte zugetheilt. Bei Santa Lucia empfing der Erzherzog unter den
Augen Radetzkys die Feuertaufe, besondere Verdienste aber erwarb er sich
im Jahre 1849, ^^^ es galt, das Fort Malghera, den wichtigsten Offensivpunkt
des Feindes zu bezwingen. Die technischen Schwierigkeiten bei der Be-
lagerung des Platzes waren ungeheuer, ein vierzehntägiger Regen verhinderte
die Eröffnung von Tranchtien, zudem hatte der Feind mit Hilfe von Schleusen
den Wasserspiegel der Canäle gehoben und das vorliegende Terrain künstlich
überschwemmt. Vom Thurme von Mestre aus leitete der Erzherzog die Be-
wegungen der Genietruppen, liess Durchstiche machen und Dämme bauen,
am 24. Mai konnten endlich alle Batterien in Wirksamkeit treten und drei
Tage später war das Fort von den Oesterreichern erobert. Nach dem Feld-
zuge zum Feldmarschall-Lieutenant ernannt, wirkte P>zherzog L. im Jahre 1850
bei der Pacification Schleswig-Holsteins mit und fungirte 1854 als Divisionär
bei dem damals in Galizien aufgestellten Armee-Corps. Das Jahr 1855 führte
den Erzherzog wieder zu seiner Lieblingswaffe zurück, indem er am 24. No-
vember zum General-Genie-Director ernannt wurde und die Leitung der ge-
sammten Geniewaffe übernahm. Die Friedensjahre vor und nach dem Feld-
zuge benutzte der Erzherzog zur Erprobung und Nutzbarmachung militär-
technischer Erfindungen. Die ersten Versuche im Minen- Sceminen- und
Torpedo wesen sind auf seine Anregung zurückzuführen. Ein von einem
österreichischen Genieofficier eingerichteter electrischer Feldzündapparat
wurde unter des Erzherzogs unmittelbarer Einflussnahme bei der Genietrui)pe
eingeführt; ihm dankt auch die neu eingeführte wichtige Feldtelegraph ie ihre
auf der Höhe der Zeit stehende Organisation und durch eine lange Reihe
von practischen Versuchen wurden der Einführung des Dynamits die Wege
geebnet und dessen practische Anwendung in Oesterreich dadurch ermöglicht.
Theoretisch sorgte der Erzherzog für eine erweiterte wissenschaftliche Aus-
bildung der Genieofficiere, für Erhöhung der Lerndauer an der Geniefach-
schule, Einführung von Instnictionsreisen von Frequentanten etc. Der Stadt
Wien leistete der Erzherzog wesentliche Dienste durch Ausarbeitung der
Stollen der neuen Wasserleitung durch die Genietruppe. In Anerkennung
dieser hervorragenden Verdienste verlieh der Kaiser dem Erzherzoge, der
gelegentlich der Reorganisation der Geniewaffe (1860) zum General-Genie-
Jnspector ernannt worden war, im Jahre 1862 das Grosskreuz des St. Stephans-
Ordens und übertrug ihm 1865 auch die Geschäfte eines Marine-Truppen-
und Flotten-Inspectors. In dieser Stellung legte der Erzherzog besonderes
Gewicht auf die kriegstüchtige Ausbildung des Marinepersonals und bekundete
dabei klaren Blick für die Aufgaben der Flotte, so dass er wesentlich zur
Schaffung der Bedingungen beitrug, welche der k. u. k. Marine während des
Seekrieges von 1866 eine von glänzendem Siege gekrönte Offensive ermög-
lichten. Die Thätigkeit des Erzherzogs als Commandant des 8. Armee-Cori)s
der Nord- Armee, wird in der einschlägigen Litteratur nicht günstig beurtheilt;
doch wird wohl ein abschliessendes Urtheil hierüber, sowie über die Be-
ziehungen des Erzherzogs zu seinen Unterführern einerseits und zu Benedek
andererseits, der Zukunft vorbehalten bleiben müssen.
Am 16. Januar 1867 wurde Erzherzog L. zum General der Cavallerie
214 Erzherzog Leopold, v. Schönfeld.
ernannt, doch war es ihm nicht lange mehr beschieden, im activen Dienste
zu bleiben. Nach einem Schlaganfalle im Jahre 1868 erbat und erhielt er
seine Entlassung und zog sich in das Privatleben zurück. So lange es sein
Gesundheitszustand gestattete, oblag er noch mit Vorliebe dem edlen Waid-
werke, die letzten Lebensjahre aber verbrachte er, durch wiederholte Schlag-
anfälle fast gelähmt, an den Lehnstuhl gefesselt auf seinem Schlosse Hörn-
stein, das er zu einem wahren Wunderwerke gestaltet hatte. Immer mehr
langsamer, aber stetig fortschreitender Paralyse verfallen, starb unvermälnlt,
einsam und fast vergessen von der Mitwelt dieser einst so thatkräftige Prinz,
dessen Name mit der österreichischen Militärtechnik immerdar ehrenvoll ver-
knüpft bleiben wird.
Haus Habsburg-Lothringen. Herausgeg. v. G. Grtinhut. »Die Reichswehr«, Abend-
blatt, Nr. 1541 Yom 24. Mai 1898. »Armeeblatt« Nr. 21 vom 25. Mai 1898. »Wiener
Abendpost«, Nr. 117 vom 24. Mai 1898.
Oscar Criste.
Schönfeld, Anton Freiherr von, k. und k. Feldzeugmeister, * in Prag am
3. Juli 1827, f in Wien am 7. Januar 1898, entstammte einer in Böhmen und
Niederösterreich ansässigen, im Jahre 1594 von Kaiser Rudolph II. in den
Reichsritterstand erhobenen Familie und erhielt seine erste militärische Aus-
bildung während der Jahre 1838 — 1846 in der Theresianischen Militär-Akademie,
die er mit Vorzug absolvirte. Als Lieutenant in das Inf. Regiment No. 42
eingetheilt, kam Seh. im Feldzuge des Jahres 1848, nachdem er vorher an
den Gefechten am Stilfser Joche theilgenommen und auch bei dessen pro-
visorischer Befestigung thätig gewesen in die Operationskanzlei unter FZM.
Freih. v. Hess. Noch in demselben Jahr zum Oberlieutenant befördert, war
Seh. bei Beginn des Feldzuges 1849 ^^ Italien Generalstabsofficier der Avant-
garde-Brigade des 2. Corps und zeichnete sich besonders bei Mortara und
Novara hervorragend aus, wurde aber auch durch eine Bersaglierekugel , die
ihm Kinnlade und Zahnkiefer zerschmetterte, schwer verwundet. Nach seiner
Genesung wurde Seh. wieder in den Generalquartiermeisterstab des 5. Armee-
Corps, Mailand, eingetheilt und bildete bald dessen vorzüglichste Arbeitskraft.
Im November 1850 zum Hauptmann befördert, im Frühjahr 1856 als Mappeur
in die Walachei entsendet, kehrte er nach Jahresfrist wieder in das alte
Dienstverhältniss zurück und wurde am 21. April 1859 aussertourlich Major
im Inf. Regimente No. 33, bei welchem er den Feldzug in Italien mitmachte,
ohne jedoch in ein Gefecht zu kommen. Nachdem Seh. wieder 2 Jahre dem
Generalstabe zugetheilt gewesen, am 7. März 1862 zum Oberstlieutenant be-
fördert worden war und als Generalstabschef beim 7. Corps in Italien fungirt
hatte, erfolgte seine Berufung in die Centralkanzlei des Kriegs-Ministeriunis,
wo er das Referat über die deutschen Bundesangelegenheiten und später,
1863, auch sieben Monate die Leitung der Centralkanzlei übernahm. Im
December jenes Jahres dem Erzherzog Wilhelm bei Inspicirung des 7. bayerischen
Bundescorps zugetheilt, ward ihm in den ersten Tagen des Jahres 1864 die
wichtige Aufgabe, den Aufmarsch der österreichischen Truppen an der Eider
vorzubereiten. Nachdem er hiezu drei Wochen angestrengter Thätigkeit in
Berlin zugebracht, erhielt er die Bestimmung als k. k. Militärbevollmächtigter
beim preussischen Obercommando der alliirten Truppen, wohnte in dieser
Eigenschaft dem Treffen bei Oeversee, sowie allen grösseren Actionen des
preussischen Corps bei und wurde im Sommer des nämlichen Jahres nach
V. Schönfeld. 215
Wien berufen, um den beginnenden Friedensverhandlungen mit Dänemark bei-
zuwohnen.
Im Januar 1865 wurde Seh. aussertourlich zum Obersten befördert und
wirkte ein Jahr lang als Commandant des Inf. Regiments No. 6^, dann kam
er als Militärbevollmächtigter zum 8. deutschen Bundescorps, um nach dem
Feldzuge das Infanterie-Regiment No. 47, bei Ausbruch des Aufstandes in
Süddalmatien 1869 aber eine Gebirgsbrigade zu commandiren. Als er im
Frühjahr 1870 Budua verliess, um das Commando der 1. Inf. Brigade der
31. Truppen-Division zu übernehmen, ernannte ihn jene Stadt zum Ehren-
bürger »für entwickelte heldenmüthige Tapferkeit und menschenfreundliche
Gefühle«. Am 29. October 1870 zum General-Major befördert und in dem-
selben Jahr in den Freiherrstand erhoben, wurde Seh. am i. November 1875
Feldmarschalllieutenant, nachdem er 1874 an dem in Brüssel tagenden
Congresse über das Völkerrecht im Kriege theilgenommen und seit Juni 1875
schon das Commando der 5. Inf. Truppen-Division in Olmütz geführt.
Nach dem unerwarteten Tod des Feldzeugmeisters John wurde Seh. an seiner Stelle
zum Chef des Generalstabs ernannt (4. Juni 1876) und ihm die Würde eines
Wirklichen Geheimen Rathes verliehen. Die Lösung der bosnischen Frage
rückte zu dieser Zeit heran, der russisch-türkische Krieg erheischte gespannte
Aufmerksamkeit und eine P'ülle anderer interner Arbeiten erwartete ihn hier;
aber er wusste sie während seiner fünfjährigen Thätigkeit in dieser Stellung
mit emsiger Hand, mit Beharrlichkeit und klarer Einsicht zu bewältigen. Die
Folgeübel einer überstandenen schweren Krankheit, die drückende Sorge um
den kaum in das Heer eingetretenen, unheilbarem Siechtum verfallenen Sohn,
aber auch andere Umstände, veranlassten Seh., um Enthebung von seiner
Stellung zu bitten. Nachdem er im September 1881 als Chef einer
österreichisch-ungarischen Mission an den Manövern des 10. und 11. Corps
der französischen Armee theilgenommen hatte, wurde Seh. Ende November
jenes Jahres Commandant der 7 . Inf. Truppen-Division und Militärcommandant
in Triest, ein Jahr später Militär-Commandant in Hermannstadt, Inhaber des
neuerrichteten Inf. Regiments No. 82 und am i. Januar 1883 Commandant
des XII. Corps (Siebenbürgen). Nach Enthebung des Feldzeugmeisters Freih.
V.Kuhn von seiner Stellung als Commandant des 3. Corps, commandirenderGeneral
und Landwehr-Commandant in Graz, wurde Seh. im Jahre 1888 sein Nach-
folger, um wenige Monate später, am 13. September 1889 das Commando
des 2. Corps in Wien zu übernehmen. Fünf Jahre bekleidete er diesen
Posten, dann wurde er, am 14. September 1894, zur Disposition des General-
Inspectors des Heeres, Erzherzog Albrecht, gestellt und am 19. März 1895 ^""^
General-Truppen-Inspector ernannt, in welcher Stellung ihn der Tod nach
kaum achttägigem Krankenlager ereilte.
Seh. war eine bedeutende und hervorragende Individualität, welche überall
Spuren ihres Wirkens oder fnichtbare Anregungen zu förderlicher Thätigkeit
zurückgelassen hat, und die glänzende Carri^re, welche sich dem jungen,
eleganten Officiere schon w^ährend desKrieges gegen Sardinien eröffnete, entsj^rach
in ihrer fortschreitenden Entwickelung durchaus den Leistungen, nicht dem
Glück allein. Schon in dem jugendlichen Alter von 21 Jahren in Radetzkys
Hauptquartier mit Arbeiten betraut, die weit über die enge Sphäre eines
Sabal ternofficiers hinausreichten, trug er dazu bei, den Generalquartirmeister-
stab unter der genialen Leitung des Fzm. Hess zu jener Elitetruppe zu
machen, in welcher Radetzkys Geist und Ueberlieferungen das Gemeingut
2i6 V. Schönfeld. Ebner Adalbert.
Aller waren. Durch und durch Soldat, in der eisernen Schule der alten
»kaiserlichen Armee« erzogen und aufgewachsen, mit ihr um so inniger ver-
bunden, je mehr häusliches Leid zeitweilig schwer «auf ihn drückte, verschluss
er sich den Ideen und Forderungen der neuen Zeit nie und gerade er war
einer derjenigen, welche aus der alten Armee die neue schufen und diese
neue Armee mit dem belebenden Hauche selbstständiger Ideen zu erfüllen, den
Glauben und die Hoffnung auf eine grosse Zukunft zu stärken vermochte.
»Die Kriegswissenschaft war ihm in Fleisch und Blut übergegangen« so
schrieb ein militärisches Blatt treffend über ihn »er war ein Weiser, ein
Gelehrter, ohne damit zu prunken, ohne an seinem Wissen mühevoll zu
tragen und im entscheidenden Augenblick die Bürde zu verlieren. Kr spendete
mit Eleganz aus dem reichen Borne seiner Wissenschaft, er war ja ein Crösus
an Talent, eine grosse That hätte vielleicht bewiesen, dass dieses Talent
Genie bedeutete. Auf dem Manöverfelde ahnte man es, da sprühte sein
glänzender, schöpferischer Geist Funken, da zauberte er das Bild meister-
hafter Operationen mit genialer Sicherheit auf den Plan«. Seine besondere
Sorgfalt widmete er stets, mit in die Zukunft gerichtetem Blick, der Jugend
des Heeres, und jederzeit hatte er, der von eiserner Strenge zu sein wusste,
ein gutes, ermunterndes Wort für den, den er als strebsam erkannt, und selbst
als er die höchste im P'rieden zu erreichende Stufe der militärischen Hierarchie
erklommen, scheute er die Mühe nicht, in freundlichen Zuschriften von
eigener Hand niederen, jungen Officieren, auch wenn sie seinem eigenen
dienstlichen Commando nicht unterstanden, Worte der Anerkennung und
Aufmunterung zu spenden. Von bezwingender Liebenswürdigkeit im per-
sönlichen Verkehr, als geistvoller Causeur, der über eine universelle Bildung
verfügte, geradezu bestrickend, beherrschte er meisterhaft das Wort, wenn er
erheben, entflammen wollte.
Als Mensch gut, vornehm denkend, für alles Schöne und Edle
empfänglich; als Soldat hervorragend tapfer und ritterlich, das vielverzweigte
Gebiet der Kriegswissenschaften mit überlegenem Geist umfassend: so schwebt
sein Bild Allen vor Augen, die ihn gekannt!
Oskar Criste.
Ebner, Adalbert, Professor der Patristik und I>iturgik am bischöflichen
Lyceum und Domvicar in Eichstätt, * i6. Dezember 1861 zu Straubing,
f 25. Februar 1898 zu Eichstätt. Nach Absolvirung des Gymnasiums seiner
Vaterstadt wendete sich E. dem Studium der Theologie am kgl. I^yceum in
Regensburg zu. Zum Priester geweiht, widmete er sich kurze Zeit der Seel-
sorge und wurde dann als Chorvikar an das Kanonicatsstift der »dten
Kapelle« zu Regensburg berufen (1887). Ein längerer Urlaub ermöglichte
ihm den Besuch der Universität München, an welcher er sich 1889 den
theologischen Doktorgrad erwarb. Unterstützt durch ein bayerisches Staats-
stipendium unternahm er zwei littcrarische Reisen nach Italien. An seinem
Stifte machte er sich verdient durch die Catalogisirung der Stiftischen Biblio-
thek, unter deren handschriftlichen Beständen er »eine zweite Handschrift des
Registrum auctorum von Hugo von Trimberg« (Hist. Jahrb. d. Görres-Gesell-
schaft XI, 283 — 290) entdeckte. Zugleich ordnete er das Stiftsarchiv mit
seinen zahlreichen (ungefähr 2500) Urkunden. 1892 siedelte er nach Eich-
stätt über und trat in jene Stellungen ein, die er bis zu seinem Tode inne-
hatte. Trotz einer von Jugend auf schwankenden Gesundheit entfaltete E.
Ebner Adalbcrt. Graf v. d. Schulenburg. 217
auf dem Gebiete der archäologischen und kirchengeschichtlichen Forschung
eine sehr erfolgreiche Thätigkeit. (Seine sämmtl. Aufsätze und Schriften bis
zum Jahre 1894 siehe in »Personalstatistik und Biographie des bischöflichen
Lyceums Eichstätt« von F. S. Romstöck, Ingolstadt 1894, S. 118 — 120.)
^Die ältesten Denkmale des Christenthums in Regensburg« (Archäol. F^hren-
gabe zu De Rossis 70. Geburtstag, Rom 1892), »Propst J. G. Seidenbusch,
und die Einführung der Kongregation d. hl. Phil. Neri in Bayern u. Oester-
reich« Cöln 1891, die werthvoUen Parerga seiner Studien auf den italieni-
schen Reisen, so: »Der liber vitae und die Nekrologien von Remiemont in
der Bibliotheca Angelica zu Rom« (Neues Archiv XIX, 47 ff.), »Historisches
aus liturgischen Handschriften Italiens« (Hist. Jahrb. d. Görres-Ges. XIII,
748 ff.), »Handschriftliche Studien über das Praeconium i)aschale« (Kirchen-
musikal. Jahrb. v. Haberl 1893, 73 ff.), seine Beiträge zu Mehlers hist. F'est-
schrift zum Wolfgangs-Jubiläum, Regensburg 1894, 116 ff., 163 ff., 182 ff.,
liefern einen Beweis seiner vielseitigen und gründlichen Arbeit. FL.'s eigent-
liche Domaine war die Geschichte der Liturgie. Bereits seine Dissertation:
»Die klösterl. Gebetsverbrüderungen bis zum Ausgange des karoling. Zeit-
alters« (Regensburg 1890) lenkte in dieses Gebiet ein. Später gab er den
ersten Halbband von Thalhofers »Handbuch der Liturgik« in zweiter Auflage
heraus (1894). Im Jahre 1896 erschien sein Hauptwerk: »Quellen und
Forschungen zur Geschichte und Kunstgeschichte des Missale Romanum im
Mittelalter. Iter Italicum. Mit einem Titelbilde und 30 Abbildungen im
Texte« (Freiburg, Herder), eine Beschreibung und Würdigung der bedeutend-
sten Sacramentar- und Missal handschriften Italiens. Der letzte Aufsatz, welchen
er schrieb, nämlich: »Ueber die gegenwärtigen Aufgaben und Ziele der
liturgisch-historischen Forschung« (Compte rendu du 4. congr^s scientif.
Internat, des catholiques, F>ibourg 1898) gewährt uns einen Einblick in die
grossen Pläne, welche ihn noch in seinen letzten I.ebenstagen beseelten, die
Inangriffnahme eines Codex liturgicus ecclesiae cath. latinae. Bis zum Ende
unermüdlich thätig, erlag der bescheidene, durch eine seltene Liebenswürdigkeit
ausgezeichnete Gelehrte einem Lungenleiden, das seit Jahren an seiner Lebens-
kraft gezehrt hatte.
Vgl. Ad. Ebner, Biograph. Skizze zum ersten Jahrestage seines Todes von einem
Freunde i. d. Beil. z. »Augsb. Postzeitung« 1899, Nr. 14 u. 15.
Dr. J. A. Endres.
Schulenburg, Hans Daniel Grafv. d., k. u. k. P>ldzeugmeister, * am
24. Juni 1834 in Hohenliebenthal in Pr. Schlesien, f als Commandant des
II. Corps und commandirender General in Lemberg am 2. Mai 1898. Seh.
diente vom Jahre 1853 bis 1858 in der k. preuss. Armee, trat dann als
Cadett in das kais. Heer und machte als Lieutenant das Treffen bei Monte-
bello und die Schlacht bei Solferino mit. Als Hauptmann im Generalstabe
erfocht sich Seh. bei Custoza das Militär-Verdienstkreuz und wurde nach viel-
seitigen erfolgreichen Verwendungen im Truppendienste und beim General-
stabe, Generalstabschef beim 4. Armee-Corps, in welcher Eigenschaft er an
den Gefechten bei Samac, Brcka und auf der Maljevica-Planina Theil nahm
und für seine hervorragenden I>eistungen das Ritterkreuz des Leopoldsordens
erhielt. Im October 1879 ^"^ Obersten und Reserve-Commandanten, 1882
zum Regiments-Commandanten ernannt, erwarb sich Seh. für seine umsichts-
volle Führung während der Streifungen und Expeditionen in der Herzegowina
2i8 Graf V. d. Schulenburg. Sprinzl. v. Montluisant.
die Allerhöchste Anerkennung. Im Jalire 1884 übernahm Seh. das Commando
einer Brigade, fünf Jahre später die Führung der 33. In f. -Truppen-D ivision ;
im Octobcr 1890 wurde er zum Feldmarschalllieutenant ernannt, im Jahre 1893
durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone zweiter Klasse ausgezeich-
net. Im Februar 1895 erfolgte seine Ernennung zum Kommandanten des
1 1 . Corps und commandirenden General in Lemberg, in welcher Stellung der
verdiente General einem Gehirnschlag erlag.
Die »Vedette«, Nr. 108, vom 8. Mai 1898. Criste.
Sprinzl, Josef, Professor Dr., Kanonikus, * Linz 9. März 1839, t Prag
8. November 1898, promovirte in Wien, war dann Professor der Theologie
in Linz, hierauf in Salzburg und wurde 1882 an die theologische Facultät
der deutschen Universität nach Prag berufen. Im Jahre 1891 erhielt er
eine Domherrenstelle im Prager Collegiatkapitel Allerheiligen, im Jahre
1897 den Titel eines Regierungsrathes. S. hat sich vielfach litterarisch be-
thätigt. Es erschienen von ihm eine Fundamcntaltheologie, ein Compen-
dium der Dogmatik, ein Werk über die Lehre der Apostolischen Väter,
welches auch ins Ungarische übersetzt wurde, u. A. m. Das Vertrauen seiner
Collegen genoss er in vollem Masse; er wurde wiederholt zu akademischen
Würden berufen und stand im Jahre 1890 als Rector an der S]>itze der
deutschen Universität in Prag. Ein biederer und fester Character, fühlte er
sich unter allen Verhältnissen als deutscher Mann und stand allezeit treu zu
seinem Volke.
Rechenschaftsbericht der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst
und Litteratur in Böhmen.
Montluisant, Bruno, Freiherr von, k. u. k. Generalmajor des Ruhe-
standes * 181 5 in Enzersdorf am Gebirge, f 1898 in Graz. M. war der
Sohn eines Officiers und wurde bereits in jungen Jahren für den militärischen
Beruf bestimmt. Seine erste Erziehung erhielt er im Regimen ts-Knaben-
erziehungshause des 49. Infanterie-Regiments, das er am 16. December 1832
als Regimentscadet mit der Eintheilung im 12. Infanterie-Regimente verliess.
Bis zum Jahre 1848 diente er als Unterlieutenant, später als Oberlieutenant
im Tyroler-Kaiser- Jäger- Regimente und machte mit diesem den Feldzug
48/49 gegen Piemont mit; er kämpfte während der genannten Jahre in allen
grösseren Gefechten, so bei Pastrengo am 28., 29. und 30. April, bei Curta-
tone am 29. Mai, bei Vicenza am 10. Juni, ferner in den Schlachten bei Sona,
Somacampagna und Custoza am 23. — 25. Juli. Bald nach dem kurzen Feld-
zuge des Jahres 49 wurde M. zum Hauptmann und sechs Jahre später zum
Major befördert. Auch das Jahr 1859 verbrachte er im Verbände der
Kaiser- Jäger auf dem Kriegsschauplatze; bei Magenta und Solferino kämpfte
er mit schönen Erfolgen. Als der Feldzug im Jahre 1866 ausbrach, war M.
Oberst. In der Natur der Dinge lag es, dass die Tyroler Kaiser-Jäger, in
deren Verband sich M. auch jetzt noch befand, und dem er bis zu seinem
Rücktritt vom activen Dienste angehörte, bei jener Armee-Gruppe verwendet
wurden, die unter Commando des damaligen G. M. Freiherm von Kuhn zur
Vertheidigung Tyrols gegen die aus dem Mailändischen und Venetianischen
eindringenden italienischen Freischaaren und Reguläre bestimmt waren. Im
Verbände dieser Armee-Gruppe commandirte M. während der Vertheidigung
Tyrols eine Brigade, deren Stärke 2600 Mann und 12 Geschütze betrug.
An der Spitze dieser Truppen fiel dem Oberst M. in der zweiten Julihälfte
V. Montluisant.
219
die Aufgabe zu, im Verein mit anderen Truppen des Generals Kuhn die im
Ledrothale vordringenden Schaaren Garibaldis zurückzuwerfen. Der strate-
gische Grundgedanke dieser an der Westgrenze Tyrols einzuleitenden Kämpfe
gipfelte in der Absicht Kuhns, zuerst die Freischaaren Garibaldis aus dem
Felde zu schlagen, um sich dann, ohne eine fortwährende Störung aller
weiteren militärischen Massnahmen befürchten zu müssen, gegen die reguläre
Division Medici, die durch das Val Sugana gegen Trient vorrückte, mit ver-
einten Kräften wenden zu können. In der Durchführung der zur Erreichung
der genannten Absicht nothwendigen Operationen gegen Garibaldi erwies
sich M. als besonders geschickt und tüchtig. Der ihm ertheilte Befehl
lautete: Am 20. Juli hat die Colonne Oberst M. aus Judicarien aufzu-
brechen, am Abend dieses Tages am Passo Vichea zu lagern und am 21.
in Verbindung mit den Truppen der Nachbarcolonne Major Graf Grünne
gegen das Ledrothai und zwar mit der Hauptkraft gegen das Fort Ampola
vorzugehen. Die siegreiche Durchführung dieses Auftrages hätte schon an
sich Zeugniss von der militärischen Befähigung M.'s gegeben; noch mehr war
dies aber der Fall, als es sich am 20. Abends herausstellte, dass das Fort
AmpoLi bereits in Händen des Feindes sei, somit die Verhältnisse, unter
denen Kuhn am Tage vorher den Befehl erlassen hatte, sich wesendich ge-
ändert hatten. Dazu kam noch die unangenehme Ueberraschung, dass
der Feind viel stärker war, als man Anfangs vermuthete, und dass mit Rück-
sicht auf die schwierigen Verhältnisse bei den Nachbarcolonnen die von Riva,
aus in das Ledrothai vorzugehen hatte, auf eine Unterstützung, deren Möglich-
keit Kuhn noch am 19. Juli angenommen, nicht gerechnet werden konnte.
Trotz dieser zu seinen Ungunsten veränderten Verhältnisse zauderte jedoch
M. keinen Augenblick in der Durchführung des erhaltenen Auftrages. Ein
voller Erfolg krönte das muthige, mit vieler Umsicht, Geschick und zäher
Tapferkeit geleitete Unternehmen. Im Laufe des 21. wurde nach einem um
4 Uhr früh angetretenen, sehr anstrengenden Marsche von den aus den
Truppen M.'s gebildeten zwei Colonnen unter Major Grünne und v. Krynicki
zuerst der vom Feinde besetzte Ort Locca und bald darauf das von der
feindlichen Uebermacht zäh vertheidigte Bececa erobert, iioo Gefangene,
sowie ein heilsamer, noch lange nachwirkender Schrecken bei den Freischaaren
war der Erfolg des unter schwierigen Verhältnissen, wie sie nur das Gebirge
bietet, aus eigener Initiative des Obersten M. geführten Kampfes. Leider
musste von einer totalen Ausnutzung des Sieges bei Bececa in Anbetracht
der bei Tirano und Ampola concentrirten feindlichen Uebermacht von 12
bis 15 000 Mann abgesehen werden. Oberst M. trat noch am 21. den Rück-
zug nach dem Monte Vichea an. Grösser noch, als der locale Erfolg dieser
Waffenthat war der strategische. Was Kuhn sich von einem kurzen energischen
Schlage gegen die Freischaaren versprochen hatte, traf ein: er konnte un-
belästigt von ihnen seine Streitkräfte bei Trient versammeln und der Division
Medici, die aus dem Val Sugana debouchirte, entgegentreten. Die musterhafte
Haltung M.'s wurde durch Verleihung des höchsten militärischen Ordens, des
Maria-Theresien-Kreuzes, anerkannt. Bald darauf, im Jahre 1870 zog sich M.
nach 40 jähriger Dienstzeit vom activen Dienste zurück. Bei dieser Gelegen-
heit wurde dem damals noch in der Oberstencharge stehenden der General-
majors-Charakter zuerkannt.
Quellen: Lukes, Militär. Maria-Theresien-Orden.
Wollanka.
2 20 V. Stransky. v. Lindner. v. Gustas. v. Oesterreich. v. Maywald. v. Pokomy.
Stransky, Carl v., k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant, * am 3. September
1837 zu Neustadtl in Krain, f am 29. August 1898 in Wien, erwarb sich
durch seine erfolgreichen Leistungen im Truppendienste sowohl, als auch in
seiner Verwendung als Lehrer das Ritterkreuz des Leopoldordens, des Ordens
der eisernen Krone dritter Klasse und das Militärverdienstkreuz.
Swoboda, die Theresianische Akademie zu Wiener Neustadt und ihre Zöglinge.
Die »Vedettet-, Nr. 125, vom 4. September 1898.
Criste.
Lindner, Carl Ritter v., k. u. k. Contre-Admiral , * im Jahre 1830 in
Brunn, f am 28. September 1898 in Graz, trat 1849 ^" ^^^ Kriegs-Marine,
erwarb sich bereits wenige Monate si)äter die silberne Tapferkeits-Medaille
I. Kl., focht hervorragend tapfer in dem Feldzuge gegen Dänemark und
nahm 1866 als Stabs-Adjutant an Tegetthoffs Seite auf der Commandobrücke
des »Ferdinand Max« an der Schlacht bei Lissa Theil. Nach mannigfacher
Verwendung zu Wasser und zu Land trat L. am i. Juli 1883 "^ ^^^
Ruhestand.
Die »Vedette«, Nr. 131, vom 16. October 1898. Criste.
Gustas, Leopold Edler v., k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant, * am 14. Juni
1840, f am 26. Juli 1898 in Aussee, war in verschiedenen Verwendungen beim
Generalstabe thätig, wurde im October 1886 Brigadier, im November 1891
Feldmarschall-Lieutenant und Divisionär.
Swoboda, die Theresianische Akademie zu Wiener-Neustadt und ihre Zöglinge.
Die »Vedettc«, Nr. 120, vom 31. Juli 1898.
Criste.
Oesterreich, Franz Ritter v., k. u. k. Generalmajor, * am 24. Dccember
1830 zu Braunschweig, f am 2. Januar 1898 zu Perchtoldsdorf in N.-Oest.,
trat nach Absolvirung der Ingenieur-Akademie 1851 als Lieutenant in die
Armee und war bis zu seinem im Mai 1885 erfolgten Uebertritt in den
Ruhestand besonders als Lehrer und Bildner hervorragend thätig.
Die »Vedette«, Nr. 92, vom 16. }anuar 1898, ^, .
v«' 1 1 s d e.
Maywald, Carl Ritter v., k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant, ♦ am i2.r)e-
cember 181 4 zu Neu-Bccse im Banat, f am 19. Februar 1898 im Schlosse
Heltyhof bei Krems. Im Mineurcorps am i. September 1840 zum Lieute-
nant befördert, zeichnete sich M. als Major in der Schlacht bei Magenta,
1866 als Geniedirector in Josephstadt besonders aus, war dann durch drei
Jahre Sectionschef im Kriegs-Ministerium und trat 1 880 als Truppen-Divisionär
in den Ruhestand.
Die »Vedette«, Nr. 98, vom 27. Februar 1898. Criste.
Pokorny, Alois Ritter v., k. u. k. Viceadmiral, * 1826 zu Neuhaus in
Böhmen, f am 24. Februar 1898 in Wien. Hervorragend thätig als Professor
am Marine-Collegium, sj)äter auch Commandant der Marine-Akademie, nahm
P. besonderen Antheil an den organisatorischen Schöpfungen der k. u. k.
Kriegs-Marine.
Die »Vedette«, Nr. 99, vom 6. März 1898. Criste.
V. Friedel. v. Nenwirth. v. Handel-Mazzetti. Haas. v. Baumgarten. 2 2 1
Friedel, Johann Ritter v., k. u. k. Generalmajor, * am 6. Januar 181 6
zu Sanok in Galizien, f am 18. September 1898 in Wien, erwarb sich in
den Feldzügen in Ungarn 1848 — 49 das Militärverdienstkreuz und kam im
November 1849 in die Militärkanzlei des Kaisers, woselbst er, hauptsächlich
seines geradezu phänomenalen Gedächtnisses und seines gewandten Stiles
wegen durch achtzehn Jahre überaus schätzenswerthe Dienste leistete, welche
der Kaiser durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone 3. Kl. und des
Ritterkreuzes des Leopoldordens lohnte.
Die »Vedette«, No. 128, vom 25. September 189S.
Criste.
Nenwirth, Theodor Edler v. Neufels, k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant,
* am 8. April 1830 in Chrudim, f am 13. October 1898 in Pössnitz bei
Marburg, kämpfte mit Auszeichnung in Italien 1849 und 1866 in Böhmen
und erwarb sich grosse Verdienste anlässlich der Reorganisation der k. k.
Landwehr.
Die »Vcdette«, Nr. 134, vom 6. November 1898.
Criste.
Handel-Mazzetti, Eduard Freiherr v., k. u. k. Feldzeugmeister, * am
26. Januar 1838, f am 25. Juli 1898 in Völs (Bezirk Bozen). Im Jahre 1854
als Lieutenant in das Heer eingetreten, machte H. die Feldzüge der Jahre
1859, 1864 und 1866 mit Auszeichnung mit, wurde dann im GeneralsCabs-
dienste vielfach verwendet, übernahm als Oberst die Leitung des Directions-
bureaus des Generalstabes, wurde 1884 Generalmajor und Brigadier, 1889 Feld-
marschalllieutenant und Divisionär und 1892 unter Verleihung des Ritterkreuzes
des Leopoldordens Stadt-Commandant von Wien. H. starb als Präsident des
obersten Militärgerichtshofes.
Die »Reichswehr« vom 26. September 1898.
Criste.
Haas, Stephan, k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant, * im Jahre 181 9 in
Vinkovce, f am 27. Januar 1898 in Agram, trat am 5. Mai 1835 ^^^ Cadett
in das Heer, nahm mit Auszeichnung Theil an den Feldzügen 1848/49, dann
1866 in Italien und wurde am i. November 1876 Oberst und Regiments-
Commandant. Anlässlich seines 50jährigen Dienstjubiläums erhielt H. am
30. April 1881 den Orden der eisernen Krone, wurde im September des-
selben Jahres Brigadier und am i. Mai 1882 zum Generalmajor befördert.
Für seine hervorragenden Leistungen in Dalmatien, Bosnien und der Herze-
gowina erhielt er das Ritterkreuz des Leopoldordens mit der Kriegsdecoration
und anlässlich seines Uebertrittes in den Ruhestand, am i. August 1886, den
Feldmarschalllieutenant-Charakter.
Die »Vedette«. Nr. 96, vom 13. Februar 1898.
Criste.
Baumgarten, Maximilian v., k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant, * 26. Febr.
1820 in Mähr.-Neustadt, f 26. März 1898 in Wien. Nach Absolvirung der
Theresianischen Akademie trat B. am 2. September 1839 in das Heer, nahm
1846 an den Operationen zur Bewältigung des polnischen Aufstandes, 1848/49
an den Feldzügen in Italien und Ungarn Antheil, en^'arb sich bei
222 V. Baumgarten. Vautier.
Solferino als Major das Militärverdienstkreuz und focht 1864 als Oberstlieute-
nant gegen Dänemark. Für seine hervorragenden Leistungen in der Schlacht
bei Königgrätz mit dem Orden der eisernen Krone ausgezeichnet, wurde B. 187 1
Brigadier, 1873 Generalmajor, 1878 Divisionär und Feldmarschalllieutenant. Im
August 1879 ^^^^ ^r wegen Schwächung des Sehvermögens in den Ruhestand.
Swoboda, die Theresianische Militär-Akademie zu Wiener-Neustadt und ihre Zöglinge.
Die »Vedette«, Nr. 103, vom 3. April 1898. Criste.
Vautier, Benjamin, Maler, * 24. April 1829 in Morges am Genfer
See, als Sohn eines Pfarramtscandidaten , f 25. April 1898 zu Düssel-
dorf. Die phantasievolle Mutter scheint in dem Sohn die Frohnatur und
Lust zum Fabuliren geweckt zu haben. Er verlebt die Jugendzeit in No-
ville (Rhonethal) und besucht dann das Gymnasium in Lausanne. Der
Vater wünscht, dass er Pfarrer wird, w^illigt dann aber, widerstrebend,
darein, dass der Sohn 1847 nach Genf geht, wo er bei Ht^bert zeichnen
lernt, dann aber sich zwei Jahre lang als Emailmaler durchschlagen muss.
Dann erneutes Studium bei dem Historienmaler Lugardon und bei Alfred
van Muyden; ersterer ein Schüler von Gros und Ingres; 1850 Uebersied-
lung nach Düsseldorf, wo der 2 1 jährige in Rudolf Jordan seinen eigent-
lichen Lehrer findet. 1853 Reise in die Schweiz, Bekanntschaft mit dem
Landschaftsmaler Carl Girardet, auf dessen Anregung hin V. einen Sommer
lang Studien nach der Natur macht. Tiefere Bedeutung gewinnt Ludwig Knaus
für V., mit dem er 1856 nach Paris, allerdings nur auf sechs Monate, geht*
Das hier entstandene Bild »In der Kirche« erzielt 1858 auf der Münchener
Ausstellung den ersten durchschlagenden Erfolg, nachdem er schon 1857 im
Haag mit der silbernen Medaille ausgezeichnet worden w^ar. Ein Ausflug
nach Herrischried im Hauensteiner Land wird insofern entscheidend, als V.
seitdem Land und Leute des Schwarzwaldes fast ausschliesslich für seine
Motive verwendet; seine Abstammung erklärt das Verständniss und die Vor-
liebe für Menschen und Sitten des Oberrheins und der Schweiz. Die in den
sechziger Jahren entstandenen Illustrationen zu Immermanns Oberhof dagegen
werden aus den Eindrücken bestritten, die er unter dem westphälischen
Bauernvolk macht. Wilhelm Lübke schreibt darüber: »Seit Jahren wurde
V. uns von Zeit zu Zeit durch Genrebilder bemerkenswerth, welche ihren
Stoff meistens den einfachen Kreisen des ländlichen Lebens und der Kinder-
welt entlehnen, aber mit so tief eindringendem Blick und mit so feiner
Seelcnkunde solche Charaktere behandeln, wie wir nur ausnahmsweise es
sonst antreffen«. Andere Illustrationen im Flemmingschen »Boten« 1866,
zu Auerbachs »Baarfüssele« und zu »Hermann und Dorothea«, beide 1869;
im Anschluss an die letzte Arbeit entsteht sein »Toast auf die Braut« 1870
(Hamburg, Kunsthalle). Schon 1868 war »Die erste Tanzstunde« (Berlin,
National gallerie) und das sensationelle Bild »Eine Verhaftung« gemalt worden.
Die Mehrzahl der bis 1870 entstandenen Bilder schildert das Bauernleben,
aber nicht in seinen alltäglichen Zuständen, nicht bei der Arbeit im Feld
oder Ernteglück, sondern in den besonderen Gelegenheiten froher und trauriger
Feste. Als Humorist und wohlwollender Menschenfreund, mit der herzlichen
Freude am frischen Leben dieser gesunden Menschen in glücklichen Thälern,
nimmt er an diesen Festen theil, die sich meist um den Pfarrer des Dorfes
gruppircn, dessen Tliätigkeit dem Pfarrersohn ja besonders bekannt sein
musste. Ein ganzer Cyklus dörflicher Sittengeschichte, der in den siebziger
Vjyutier. Kronast. 223
Jahren entstand, schildert dann Lust und Leid des alamannischen Bauern
von der Wiege bis zum Grabe. Er bevorzugt auch hier die lichten Stunden
im Leben dieser Menschen, wenn er auch das tragische Verhängniss, das
über den Einzelnen über Nacht hereinbrechen kann, in Bildern wie dem
»Schuldenbauer« und der »Verhaftung« ergreifend geschildert hat. Die acht-
ziger Jahre bevorzugen dann die komischen Stoffe, deren Held der Künstler
nicht selten selber war, wenn er uns vom »entflohenen« und »willigen
Modell« erzählt; hierher gehören auch »der galante Professor«, »der Taschen-
spieler« u. A. Liebesscenen hat V. so gut wie gar nicht gemalt; das Empfind-
same, wie das Leidenschaftliche entsprechen seiner Natur nur wenig. Gerne
porträtirt er dagegen hie und da eine einzelne Dorfschöne, die er in blanker
Sonntagstoilette oder als einfache Genrefigur darstellt. Im Allgemeinen aber
interessirt sich V. weniger für die einzelne Gestalt, als für ihr Verhältniss
zur Umgebung und Situation. Der poetische Gedanke seiner Bilder ergreift
in der Regel mehr als die Kraft der künstlerischen Darstellung. Die I^iebens-
würdigkeit seiner Natur schreckte vor der unmittelbaren Wiedergabe der
Wirklichkeit, leider auch im formalen Sinne, zurück. An der grossen Licht-
bewegung, die von Paris ausgehend, die deutsche Kunst seit fast 30 Jahren
beschäftigt, hat V. ebensowenig theilgenommen, wie an dem Bestreben, durch
die plastische Betonung der Einzelform, die künstlerische Sprache bedeutender
zu gestalten. »Der zarte Schönheitssinn eines vornehmen, feinfühligen und
liebenswürdigen Naturells äusserte sich in seiner ganzen Frische indessen erst
in den zahlreichen Kreidestudien, die, selbst der Familie des Künstlers un-
bekannt, nach dem Tode zum Vorschein kamen. Sie übertreffen alles, was
man von diesem gefeierten Meister bisher gekannt hat.«
V.'s Bilder waren bis vor Kurzem sehr begehrt. Fast jede grössere
Gallerie moderner Bilder besitzt ein Stück von ihm (Berlin, Breslau, Düssel-
dorf, Hamburg, Karlsruhe, Königsberg). Ein Selbstbildniss vom Jahre 1888
besitzt Herr Regierungs-Rath von Wätjen.
Littcratur: Der obenerwähnte Aufsatz von W. Lübke in d. »Zeitschr. f. bild. Kunst« ;
Pccht in verschiedenen Schriften, Adolf Rosenberg (»KUnstlermonographien«, herausgeg.
von n. Knackfuss XXIII); endlich der Catalog zu der Ausstellung, die die Nationalgallerie
in Berlin December 1898 veranstaltet hat, die einen Ueberblick übes das gesammte
Schaffen des Meisters durch 19 Oelbilder, 18 Oelskizzen, 19 Oelstudien und 163 Zeich-
nungen gab.
Paul Schubring.
Kronast, Joseph, päpstlicher Hausprälat, infulirter Dompropst des Metro-
politankapitels München, * den i. November 1827 zu Sölhuben (Oberbayern),
t den 2. December 1898 zu München. Aus einfachen Verhältnissen erwach-
sen, zeigte K. während seiner Studienjahre an der Universität München (i 846
bis 49) regen wissenschaftlichen Eifer. Durch seine schwächliche Constitution
nicht selten behindert, nahm er im Lehramt und in der Seelsorge verschie-
dene Stellungen ein, bis er im Jahre 1866 Mitglied des Metropolitankapitels
in München wurde. Mit voller Hingebung widmete er sich den Obliegen-
heiten seines Amtes, die rauhe Aussenseite, die er gewöhnlich zeigte, um-
schloss, wie viele seiner Handlungen beweisen, ein warmfiihlendes Herz. Im
Jahre 1890 erhielt K. die erste Stelle im Münchener Domkapitel, die Dignität
des Dompropstes; gleichzeitig ward er vom Papste zum Doctor der Theologie
promovirt; in dem nämlichen Jahre ward er vom Erzbischof Antonius von
Thoma zum General vicar der Erzdiöcese München-Freising ernannt, ein Amt,
224
Kronast. Gundlacli. Reiser, v. Machek. v. Hermann. MoUik. Furtner.
das er bis zum Tode des Erzbischofs (1897) behielt. In den letzten Jahren
seines Lebens hatte K., der im Jahre 1897 durch die Verleihung des Ritter-
kreuzes des Verdienstordens der bayerischen Krone in den persönlichen Adels-
stand erhoben wurde, schwer mit Krankheit zu kämpfen; mit grosser Stand-
haftigkeit trug er sein überaus schmerzhaftes Leiden.
S. Amtsblatt für die Erzdiöcese München und Freising. Jahrg. 1899. Beilage Nr. 3.
Dr. H. M. Gietl.
Gundlach, Georg, Dr. theol., Domcapitular in Passau, * 12. Mai 1848
zu München, f den 28. October 1898 zu Passau, von 1884 — 1892 Director
des Clericalseminars in Freising. S. Schematismus der Geistlichkeit des Bis-
thums Passau für das Jahr 1899 S. 179 — 183. Dr. H. M. Gietl.
Reiser, Job. B., Domcapitular zu Passau, * 27. Juni 1828 zu Ingolstadt,
f 10. December 1898 zu Passau, verdienter Canisius-Forscher. S. Schematismus
der GeistHchkeit des Bisthums Passau für das Jahr 1899 ^- '^7 — ^9^-
Dr. H. M. Gietl.
Machek, Ernst Ritter v., k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant, ♦ im Jahre
1829 in Venedig, f 29. October 1898 in Graz, erwarb sich bei Magenta und
Solferino die Allerhöchste Anerkennung, bei Custoza das Militär verdienst-
kreuz, war als Generalmajor Sectionschef im Reichs-Kriegsministerium und wurde
am I. November 1882 unter Verleihung des Leopoldordens Feldmarschall-
Lieutenant und Divisionär.
Die »Vedette«, Nr. 134, vom 6. November 1898. Criste.
Hermann, Joseph Edler v., k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant, * im Jahre
1836 zu Graz, f am 15. Juni 1898 in Stein bei Laibach. H. erhielt seine
erste militärische Ausbildung in der Artillerie-Akademie, machte als Lieute-
nant den Feldzug 1859 in Italien mit und erfocht sich 1866 in Böhmen das
Militärverdienstkreuz. Nach diesem Feldzuge erfolgte seine Zutheilung zur
7. Abtheilung des Reichs-Kriegsministeriums, deren Vorstand er als Oberst-
lieutcnant im Jahre 1884 wurde. Im October 1890 zum Sectionschef im
Reichs-Kriegsministerium ernannt, wirkte er als solcher,- im November 1894
zum Feldmarschall ernannt, bis zu seiner Uebersetzung in den Ruhestand,
am I. November 1895.
Die »Vedette«, Nr. 115, vom 26. Juni 1898. Criste.
Mollik, Heinrich, k. u. k. Feldmarschall-Lieutenant, * am 4. Juli 1838 zu
Mähr. -Weisskirchen, f als Artillerie-Director beim 14. Corps-Commando am
26. Juli 1898 zu Hochfilzen in Tyrol. M. war sowohl im Truppendienste,
als auch in seiner Verwendung im technischen und administrativen Militär-
Comitt§, dann als Lehrer am höheren Artillerie-Curse und im Stabsoffizier-
Curse hervorragend thätig.
Die »Vedette«, Nr. 121, vom 7. August 1898. Criste.
Furtner, Ernest, Dr. theol., päpstlicher Hausprälat und Domkapitular in
München, ♦ den 27. Januar 1832 zu Teisenham bei Endorf (Oberbayern\
f den 3. November 1898 zu München. Nachdem F. die Gymnasialstudien
zu Freising vollendet hatte, bezog er die Universität München, an der er drei
Jahre lang 1851/52 — 1853/54 Vorlesungen aus der Philosophie und der
Theologie hörte. An dem gelehrten Generalvicar der Erzdiöcese München,
Furtner. Batsch. ±2<
Dr. Windischmann, fand F. einen erfahrenen Förderer seiner Studien. Nach-
dem F. noch zwei Jahre im Clericalseminar zu Freising zugebracht hatte,
empfing er am 15. Juni 1856 die Priesterweihe ; kurz darauf wurde er, um den
Studien fernerhin zu obliegen, an das Seminar berufen, dessen Schüler er
bisher gewesen war. Im Jahre 1860 erlangte F. die theologische Doctor-
würde, im darauffolgenden Jahre ward er zum Professor des Kirchenrechts
und der Kirchengeschichte am k. Lyceum in Freising ernannt. Nur drei Jahre
lang nahm F. diese Stelle ein. Nach dem Willen des damaligen Erzbischofs
von München Gregor von Scherr übernahm F. im Herbste des Jahres 1864
die Leitung des Clericalseminars in Freising. Achtzehn Jahre lang versah
F. das Amt eines Directors des Seminars; die Verpflichtungen der Stelle
waren mannigfacher Art; F. musste Vorlesungen über Pastoraltheologie und
Pädagogik halten, die sittliche Ausbildung der Zöglinge des Seminars über-
wachen, in der Seelsorge vielfach thätig sein. Zu all diesen Lasten kam
noch die mühselige Vermögensverwaltung eines grossen Hauses. Ein Amt,
das nach so verschiedenen, ja entgegengesetzten Seiten in Anspruch nimmt,
lässt wenig Befriedigung im eigenen Herzen aufkommen; nichtsdestoweniger
suchte F. mit voller Hingebung den Obliegenheiten seiner Stellung gerecht
zu werden; in der Liebe, die ihm die Zöglinge des Seminars entgegen-
brachten, fand er Trost für das Harte, das seine Stellung hatte. Eine
ruhigere Thätigkeit war ihm beschieden, als er im Jahre 1882 vom Dom-
kapitel zu München zum Mitgliede gewählt wurde; allerdings nahmen ihn
auch jetzt die Amtsgeschäfte so in Anspruch, das wenig freie Zeit übrig
blieb. Nach dem Tode des Erzbischofs Antonius von Thoma (1897) ward
F. zum Capitularvicar gewählt; unter dem Nachfolger des Erzbischofs wurde
er Generalvicar der Erzdiöcese München-Freising. Von kräftiger Constitution
hatte F. jahrelang ohne Nachtheil die Mühen seiner amdichen Thätigkeit
ertragen ; seit einigen Jahren fühlte er sich geschwächt, eine kleine Verletzung
am Fusse, die eine Entzündung hervorrief, nahm bald eine gefährliche Wen-
dung; der Kranke blieb geistig frisch, doch die körperliche Schwäche steigerte
sich in deutlicher Weise; am 3. November 1898 entschlief er ruhig. Wohl
hatte F. in seiner Doctordissertation : Das Verhältniss der Bischofsweihe zum
hl. Sacramente des Ordo (München 1861) mit Umsicht und Geschick ein
dogmen geschichtliches Thema behandelt; die Stellungen aber, die er später
bekleidete, nahmen ihn sehr in Anspruch, so fand er keine Müsse zu grösseren
schriftstellerischen Arbeiten; er musste sich begnügen, sein Wissen im Dienste
seines Amtes zu verwenden. In der Bescheidenheit, die ihm eigen war und
die ihn auch den Rath anderer gerne suchen Hess, ertrug F. dies leicht; er
war umsomehr bestrebt, den sittlichen Menschen in sich auszubilden und zu
vollenden.
S. Amtsblatt für die Erzdiöcese München und Freising. Jahrg. 1899. Beilage Nr. i.
Dr. H. M. Gietl.
Batsch, Carl Ferdinand, Kaiserlich deutscher Viceadmiral, * 10. Januar
1831 zu Eisenach, f am 22. November 1898 zu Weimar. In der Geschichte
der Entstehung und Entwicklung der preussisch-deutschen Flotte nimmt B. eine
hervorragende Stelle ein: er hat ihr in den ersten 35 Jahren ihres Bestehens
als activer Seeofficier angehört und nach seinem Ausscheiden sowohl durch
bedeutende fachmännische, wie historische Schriften in ihrem Interesse eine
hervorragende Thätigkeit entfaltet. B. stammte aus einer binnenländischen
Biogr. Jahrb. a. Deatachtr Mtkrolog. 3. Bd. X 5
'2 26 Batsch.
Gelehrten-Familie. Sein Grdssvater war Professor der Medicin und Botanik
an der Universität Jena und gehörte zu dem engeren Kreise Goethes, der in
seinen botanischen Studien vielfach zu dem bescheidenen, tüchtigen Gelehrten
in Beziehung gestanden hat. B.'s Name kehrt häufig in seinen Aufzeichnungen
und Briefen aus den letzten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts wie-
der. Er starb 1802 im 43. Lebensjahre. Der Vater des Admirals, anfänglich
Officier in Grossherzoglich Weimarischen Diensten, wandte sich der Technik
zu. Sein Werk: »Hydrotechnische Wanderungen in Bayern, Baden, Frank-
reich und Holland in dem Jahre 1821« (Weimar 1822) war Veranlassung,
dass er später als Director der Kommission für Chaussee- und Wasserbau in
Weimarischen Staatsdienst trat. Bei Erbauung der Thüringischen Eisenbahn
ward er Bevollmächtigter dieser Regierung in der Direction zu Erfurt. Sein
Sohn Carl Ferdinand besuchte die Gymnasien in Eisenach und Erfurt,
verliess die letztere Anstalt aber bereits als Secundaner im Alter von fünf-
zehn Jahren, um sich der seemännischen Laufbahn in der Hamburger Han-
delsmarine zu widmen. Seine erste Reise — nach Ostindien — stellte seine
Befähigung nach der moralischen und physischen Seite gleich auf eine schwere
Probe ; das Schiff litt Havarie und konnte drei Monate lang nur durch Pumpen
über Wasser gehalten werden. Nach der Rückkehr im Jahre 1848 trat er am
I . October desselben Jahres in die preussische Marine, zu der damals in sehr
bescheidenen Verhältnissen der Grund gelegt ward, als Matrose IL Kl. ein. Der
Siebzehnjährige ward zunächst auf einige Zeit zu weiterer Ausbildung auf ein
amerikanisches Kriegsschiff entsendet, nach elf Monaten jedoch bereits zurück-
berufen (20. Nov. 1849), zum Seecadetten i. Kl. ernannt und bald mit dem
Commando eines Kanonenbootes betraut. Bei einer Besichtigung desselben
durch den Prinzen Adalbert von Preussen erregte sein entschlossenes und
mannhaftes Verhalten die Aufmerksamkeit des Prinzen 4. September 1852
Leutnant zur See IL Kl. Als Wachofficier an Bord der Corvette Danzig,
mit welcher der Prinz am 7. August 1856 die recht blutig verlaufene Exj)e-
dition von Tres Forcas gegen die Beni Zulefa-Kabylen an der marokka-
nischen Küste, unternahm, nahm er an dieser Thcil und bewährte auch hier
seine kaltblütige Besonnenheit. Der Prinz berief den tüchtigen Officier in
seinen Stab. Von jenem Zeitpunkte an datiren die nahen, niemals getrübten
Beziehungen B.'s zu dem Schöpfer der preussisch-deutschen Marine: er hat
diesem in seinem Werke: »Admiral Prinz Adalbert von Preussen — ein
Lebensbild« (Berlin 1890) ein würdiges Denkmal gesetzt. Dieses auf Grund
der Akten und aus eigener Mitwirkung am Organisationswerk gewonnenen
intimen Kenntniss der Personen und Vorgänge geschriebene Buch ist ein
werthvoller Beitrag zur Entstehung der Geschichte der preussischen Flotte
überhaupt, in der der Verfasser sich nicht nur als ein kenntnissreicher und
tüchtiger Seemann erweist, sondern auch als trefflicher Character durch die
Unbefangenheit seines Urtheils und die selbstlose Bescheidenheit, mit der er
die eigene Person durchaus in den Hintergrund stellt. Als Lieutenant zur
See I. Kl. (27. Nov. 1856) zur englischen Marine commandirt, in der er
fast zwei Jahre Dienst that, ward er 1864 (25. April) Corvettenkapitän
und nahm an Bord der »Grille«, auf der sich der Oberbefehlshaber, Prinz
Adalbert, befand, an den Kämpfen gegen die dänischen Kriegsschiffe Theil,
die, wenn sie auch eine grössere Bedeutung wegen der Schwäche der
preussischen Streitkräfte zur See nicht haben konnten, doch die Tüchtig-
keit der Mannschaften und Officiere bezeugten. Nach einer längeren
Batsch.
Ä27
Überseeischen Fahrt als' Commandant des Cadettenschiffes »Niobe« ward
er 1867 zum Chef des Stabes beim Obercommando der Marine, (1870
(25. Jan.) zum Kapitän zur See ernannt. Die Berufung in diese Stelle war
ein besonderer Beweis des Vertrauens, das der Prinz in ihn setzte: er ward
der Theilnehmer an der rastlosen, mühe- und sorgenvollen Arbeit des Prinzen,
der, wie B. schreibt, oftmals schwer geprüft ward im Kampf gegen alle Arten
von Ungunst der Verhältnisse und Widerwärtigkeiten. Denn war es nur mühsam.
Schritt fiir Schritt, seit 1848 gelungen, dem Verständniss für die Bedeutung
und Nothwendigkeit einer starken Machtstellung Preussens auch zur See in
den massgebenden Kreisen Raum zu schaffen, so fehlte es auch nach 1864 und
1866 nicht an solchen, die die militärische Aufgabe Preussens trotz der Neuge-
staltung der politischen Verhältnisse nur in der Kräftigung der Landarmee sahen.
Dazu kamen in Folge von Mängeln in der Organisation mancherlei Hemm-
nisse und Weitläufigkeiten, so dass »Reibungen« nicht ausblieben. In späteren
historischen und fachmännischen Aufsätzen, die in seinem Werke: »Nautische
Rückblicke« (Berlin 1892) gesammelt vorliegen, hat B. Manches über diese
Verhältnisse unbefangen berichtet. In dieser Stellung als Chef des Stabes
beim Oberkommando der Marine verblieb er auch während des Krieges gegen
Frankreich und trat erst im nächsten Jahre in den Flottendienst wieder ein.
Eine 22monatige Fahrt in den westindischen Gewässern gab ihm u. A. Ge-
legenheit, energisch und erfolgreich deutschen Reichsangehörigen gegen Haiti
zu ihrem Rechte zu verhelfen. Im Jahre 1873 übernahm er abermals die Ge-
schäfte des Stabschefs, die jetzt mit der Admiralität, nicht mehr mit dem Ober-
commando in organischem Zusammenhang standen, doch trat er zwei Jahre
später wieder in den unmittelbaren Flottendienst, befehligte, zum Contre-
Admiral ernannt (18. Jan. 1875), in den Jahren 1876 — 78 das Panzer-Uebungs-
geschwader und leitete die Expedition nach Saloniki im Jahre 1876, wo er
Genugthuung von der türkischen Regierung für die Ermordung des deutschen
Consuls mit grosser Energie durchsetzte. Im Frühjahr 1878 ward er zum
Stationschef in Wilhelmshaven ernannt. Als das Uebungsgesch wader wieder
unter seinem Befehl die Fahrt antrat, ereignete sich der Zusammenstoss
zwischen dem Panzer »Grosser Kurfürst« und dem Panzer »König Wilhelm«,
der den Untergang des Ersteren herbeiführte. B. ward in Folge dessen vor
ein Kriegsgericht gestellt. Sein Verhalten nach der Katastrophe war in
höchstem Maasse anerkennenswerth gewesen: sein Flaggschiflf »König Wilhelm«
war nicht minder schwer verletzt als der »Grosse Kurftirst«, aber das be-
stimmte und umsichtige Eingreifen B.'s ermöglichte nicht nur eine Be-
theiligung seines Schiffes bei der Rettung von Mannschaften des »Grossen
Kurfürsten«, sondern auch die glückliche Ueberführung des »Wilhelm« in den
Hafen von Portsmouth. Aber hatte er auch als Geschwaderchef das Richtige
gethan? Es wurde gegen ihn die Anklage erhoben, dass nicht auf die er-
forderliche Distancirung der auf der Fahrt befindlichen Schiffe geachtet wor-
den sei. Das Kriegsgericht sprach den Admiral frei. Kaiser Wilhelm I.
glaubte indessen das Urtheil nicht sanctioniren zu können, sondern überwies
die Sache einem zweiten Kriegsgericht, das im Juli 1879 zusammentrat. B.
ward zu einer sechsmonatlichen Festungshaft verurtheilt, die er in Magdeburg
antrat. Nach 14 Tagen jedoch erfolgte bereits seine Begnadigung durch
den Kaiser, der ihn am 3. Febr. 1880 unter Beförderung zum Viceadmiral
zum Director der Admiralität ernannte. Im Jahre 1881 erfolgte seine Be-
rufung zum Chef der Ostseestation in Kiel. Als nach dem Rücktritte des
15*
2 28 Batsch.
Generals von Stosch von dem Posten des Marineministers General von Caprivi
zu dessen Nachfolger ernannt ward, erbat B. seine Entlassung, die ihm unter
Stellung ä la suite des Seeofficierkorps am 21. Juli 1883 gewährt ward. Es
sind sicher nicht persönliche Gründe gewesen, die den verdienten Mann ver-
anlassten, aus dem activen Dienst zu scheiden, sondern die sachlich wohl
begründete Ueberzeugung, dass die volle Selbstständigkeit der Marine, für die
B. stets eingetreten war, auch dadurch bezeugt werden müsse, dass ein aus
ihrer Mitte hervorgegangener, mit ihren Bedürfnissen wohl vertrauter Mann
an ihrer Spitze stehen müsse.
Die Bedeutung des Admirals B. für die Entwicklung der deutschen See-
kraft wird sich erst später im Einzelnen feststellen lassen, wenn das akten-
mässige Material vorliegt. In seinen eigenen zahlreichen Schriften findet sich
nicht viel darüber. Mit der nämlichen Bescheidenheit, die oben in Bezug
auf die Biographie des Prinzen Adalbert gerühmt werden durfte, ist er auch
sonst bestrebt, seinen Antheil an dieser Entwickelung hinter der allgemeinen
sachlichen Darstellung zurücktreten zu lassen. Für die Beurtheilung der Ver-
hältnisse und Vorgänge im Allgemeinen bringt seine bereits erwähnte Samm-
lung von Aufsätzen »Nautische Rückblicke« werthvolle Beiträge. B. bewährt
sich in diesen Ausführungen als ein ebenso einsichtsvoller und kenntnissreicher
Fachmann wie als ernster und unbefangener Kritiker, der mit unerschütterUcher
Wahrheitsliebe seiner Anschauung Ausdruck giebt, stets nur erfüllt von der
Sache, der er dienen will, und frei von allen persönlichen Sympathien und
Antipathien. In seinem Buch »Deutsch-Seegras« (Berlin 1892) zeigt er im
ersten Abschnitt: Seemacht und Flottenfrage, die Bedeutung und die Noth-
wendigkeit einer starken Seemacht für eine kraftvolle nationale Politik; der
zweite Abschnitt giebt dann den Beweis dafür gewissermassen im Negativ
durch die Geschichte der »ersten deutschen Flotte«, jener Schöpfung der
48er Vorgänge, die ihr unrühmliches Ende in der Auction fand, eine Tragödie,
die in innigster Beziehung stand zu den kläglichen politischen Verhältnissen
des damaligen Deutschlands. »Was für die Einheit des Reiches die politische
Zerrissenheit war, das ist für eine Seegeltung (d. h. für Macht und Einfluss
zur See) die mangelnde Einheit und noch mehr die Ungewohnheit an über-
seeische Macht und überseeische Politik« sagt B. einmal (»Deutsch-Seegras«
Seite 25). Er hat mit dieser Ungewohnheit anfänglich in der preussischcn
Generalität viel zu thun gehabt, aber auch in den politischen Kreisen des
Volks hat sich diese in starkem Maasse gezeigt und zeigt sich noch heute
vielfach, auch bedingt durch mangelndes Verständniss für diese Dinge.
»Kommt im Reichstag die Flotte auf die Tagesordnung, dann kann ein er-
heblicher Theil der Volksboten sich eines Gefühls der Beängstigung nicht
erwehren« heisst es sehr treffend ebendort. Scheint es jetzt in diesen Be-
ziehungen besser zu werden, so hat jedenfalls B. sich durch seine Schriften
ein grosses Verdienst daran erworben. Unermüdlich ist er bestrebt gewesen,
für das Verständniss des inhaltvollen und treffenden Wortes des Prinzen
Adalbert, das er seiner Biographie vorgesetzt hat, zu arbeiten: »Für ein
wachsendes Volk kein Wohlstand ohne Ausbreitung, keine Ausbreitung ohne
überseeische Politik und keine überseeische Politik ohne Flotte.« Auch zwei
andere grosse Arbeiten von ihm dienen mittelbar demselben Gedanken: fiir
das Werk »Heer und Marine der Grossmächte (Berlin 1898) gab er die Dar-
stellung der russischen und der französischen Flotte und das bedeutende Werk
des amerikanischen Kapitäns Mahan »Einfluss der Seemacht auf die Ge-
Batsch.
229
schichte« fand wenigstens zum grössten Theil in ihm den berufensten Ueber-
setzer (BerJin 1898). Noch auf seinem schweren Schmerzenslager war er
unablässig mit dieser Arbeit beschäftigt. Erst der Tod nahm ihm die Feder
aus der Hand und hinderte ihn auch an der Vollendung einer »Geschichte der
deutschen Kriegsmarine,« die nur bis zum Jahre 1856 geflihrt ist. Für seine
schriftstellerischen Arbeiten auf dem Gebiete des Flottenwesens und der Ge-
schichte derselben ward ihm am 5. Mai 1898 der Kronenorden i. Kl. ver-
liehen. Der Blick des Seemanns schärft sich auf den überseeischen Fahrten
und im Verkehr mit den fremden Völkern ganz ungemein für das, was dem
eigenen Volke Noth thut, für die grossen Fragen der Wirthschafts- und Ver-
kehrspolitik. B., ein ebenso warmherziger Patriot, wie scharfer, kühler und
unbefangener Beobachter, verfolgte mit dem lebhaftesten Interesse diese Pro-
bleme. Verschiedene Abhandlungen über Seeverkehr und Schiflffahrtsfragen,
ebenfalls in den »Nautischen Rückblicken« gesammelt, bezeugen seine Ein-
sicht auch in diesen Dingen. Ganz besonders fesselte seine Aufmerksamkeit
die Erbauung der Transsibirischen Bahn und die Maassnahmen, die Deutsch-
land namentlich durch Entwickelung der Wasserwege zwischen Berlin und
Stettin ergreifen müsse, um von der grossen Verschiebung der Verkehrsver-
hältnisse zwischen der westlichen und östlichen Hemisphäre, die durch jene
Bahn bedingt werde, Vortheil zu ziehen. Unter dem Titel »Nordeibisch-
Dänisches« hat die »Marine-Rundschau« noch im Jahre 1898 eine Folge von
Artikeln aus seiner Feder gebracht.
Ein kurzer Nachruf in jenem Blatt characterisirt knapp und treffend den
ganzen Mann: »Wer ihn gesehen, wie er auf der Commandobrücke stand,
von Kopf zu Fuss ein Gentleman und Seemann, wer ihn gehört in seiner
knappen Ausdrucksweise; wer ihn gekannt, der wird sich seiner erinnern als
eines Mannes von kaltem Blut, von Kühnheit, Energie, Unerschrockenheit,
Erfahrung und Belesenheit, von gewaltiger Arbeitskraft, strenger Selbst-
beherrschung und Originalität, als eines Mannes ohne Furcht und Tadel.«
Schlicht und bescheiden in seinem Wesen, aber von echter Vomehmheit
der Gesinnung, und jener ernsten Zurückhaltung, die so oft am Seemann sich
zeigt, erschloss er denen, die zu ihm in nähere Beziehungen traten, eine un-
gewöhnliche Fülle des Wissens und eine seltene geistige Kraft, die den Ver-
kehr mit ihm äusserst anregend gestalteten, anregend in erster Linie für das
Seeofficiercorps selbst. Denn eine Persönlichkeit, wie die seinige, musste auf
die Officiere der Marine, die zur grossen Mehrzahl nicht nur unter seinem
Commando gestanden, sondern vielfach ihre seemännische Ausbildung von
ihm empfangen haben, einen grossen Einfluss ausüben und jene »fördernde
Kraft« bethätigen, die nach dem Zeugniss Kaiser Wilhelms II. in seinem
Beileidstelegramm an die Wittwe, »von seinen Schülern in der Marine fort-
getragen werden wird.« Zu diesen Schülern durfte er auch den Prinzen
Heinrich von Preussen rechnen, der 1881 bereits zu B. in dienstliche Be-
ziehungen trat und in dauernder Verbindung mit ihm geblieben ist. Ein
letzter Sonnenblick war B., der damals bereits seit Jahr und Tag an einem
schweren und äusserst schmerzhaften Leiden erkrankt war, der Abschieds-
besuch, den ihm der Prinz im December 1897 vor der Ausfahrt nach
Kiautschou abstattete.
Seit 1873 mit Fräulein Faltin, einer Deutsch-Russin, vermählt, fand der
unermüdlich thätige Mann in seinem Familienleben, dessen Glück freilich
durch den Tod einer eben erwachsenen Tochter getrübt ward, Erholung und
230
Batscb. Benz. Berberich. Lorenz. Schmieder. Walli.
Kräftigung für seine Arbeiten. Von zwei Söhnen hat der Ael teste die Lauf-
des Vaters gewählt und ist in die Marine eingetreten.
Dr. A. Mirus: Zur Erinnerung an den Kaiserlichen Viceadmiral C. F. Batsch.
Weimar 1899. Als Manuscript gedruckt. Marine-Rundschau. IX. Jahrg. Die Jahres-
zahlen seiner Beförderungen nach gütiger Mittheilung des Kais. Reichs-Marine-Amts.
P. von Bojanowski.
Benz, Joseph, Katholischer Stadtpfarrer in Karlsruhe (Baden)* 16. März 1825
in Konstanz, f 30. November 1898 in Karlsruhe. Am 10. August 1848 zum
Priester geweiht, war B. Pfarrer an verschiedenen kleineren Orten des badischen
Oberlandes, bis er i. J. 1872 die Stadtpfarrei zu Karlsruhe erhielt. Er gehörte,
als einer der wenigen der jüngeren Generation des badischen Klerus, noch der
Wessenbergischen Richtung an und hielt sich von jeder Betheiligung am
politischen Leben fern. Als Wohlthäter der Armen war B. besonders hoch-
geschätzt. Im Jahre 1898 konnte er sein 50 jähriges Priesterjubiläum feiern.
Berberich, Lorenz, Katholischer Pfarrer, ♦ zu Hainstadt in Baden
II. August 1814, f 3. April 1898 in Rothenberg. 1840 ordinirt, war B. an
verschiedenen kleinen Orten des badischen Unterlandes als Vicar und Pfarr-
verweser, kurze Zeit auch als Lehrer am Paedagogium in Tauberbischofsheim
thätig. Von 1848 an war B. 22 Jahre lang Pfarrer in Waldstetten, von 1870
bis zu seinem Ableben Pfarrer in Rothenberg. Ein würdiger, frommer, be-
scheidener Priester, seinen Pfarrkindern ein Berather und Helfer in allen
Lagen des Lebens, in seinen Mussestunden ein eifriger Musiker und stets
bestrebt, seinen Schülern zur Erwerbung einiger musikalischen Kenntnisse be-
hilflich zu sein.
Lorenz, Johann Georg, Kathol. Pfarrer, * zu Bruchsal i. Januar 1832,
f 19. November 1898 in Neusatz. 1850 zum Priester geweiht, erhielt L.
nach mehrjähriger Wirksamkeit an verschiedenen Orten Badens im Jahre 1867
die Pfarrei Neusatz, wo er, trotz schwacher Gesundheit, eine sehr ausgedehnte
Thätigkeit als Seelsorger bis zu seinem Ableben entwickelte. Grosse Ver-
breitung in 9 Auflagen von zusammen 220000 Exemplaren fand sein »kleines
Gebet- und Gesangbuch«.
Schmieder, Conrad, Historienmaler, * am 12. November 1859 zu Uebel-
bach bei Wolfach im badischen Kinzigthale, f 5. Juli 1898 zu Mannheim. Er
zeigte schon in der Volksschule Lust und Anlage zum Zeichnen, die er zuerst
in der Kunstgewerbeschule, dann in der Kunstakademie zu Karlsruhe aus-
bildete. Er wandte sich der kirchlichen Kunst zu und leistete bald sehr
Anerkennenswerthes auf diesem Gebiete, insbesondere auch durch Entwürfe
von Cartons zu Glasgemälden. Eben waren ihm von kirchlicher Seite die
Ausführung des Bilderschmuckes der neu erweiterten Barockkirche zu Maisch
bei Wiesloch und von der Regierung die Ergänzung der grossen Treppenhaus-
bilder des Mannheimer Schlosses übertragen worden, als ihn ein Unglücksfall-
(Sturz vom Gerüste in Mannheim) am 5. Juli 1898 plötzlich der Kunst entriss,
die von ihm unzweifelhaft noch bedeutende Leistungen erwarten durfte.
Walli, Anton, Grossh. Badischer Geheimer Rath, * am 8. November 181 6 zu
Rastatt, f 8. Januar 1898 in Karlsruhe, studierte auf den Hochschulen Heidelberg
Walli. Lindau. 2^1
und Freiburg die Rechtswissenschaft und trat, nachdem er die Staatsprüfung mit
der Note »vorzüglich befähigt« bestanden hatte, Ende 1838 in den Staats-
dienst, zunächst bei den Aemtern Rastatt und Rheinbischofsheim auf dem
damals noch ungetrennten Gebiete von Justiz und Verwaltung thätig. Von
1842 bis 1849 hatte W. als Rechtsanwalt in Boxberg und Gerlachsheim ge-
wirkt, dann trat er wieder in den Staatsdienst und wurde 184Q Assessor,
1851 Amtmann beim Bezirksamte Buchen. 1852 wurde W. als Assessor an
das Hofgericht Bruchsal berufen, 1854 zum Ministerialassessor, 1855 ^^"^
Ministerialrath beim Finanzministerium ernannt. 1866 wurde er in gleicher
Eigenschaft zum Justizministerium versetzt und 1874 durch Verleihung des
Titels und Ranges eines Geheimen Rathes ausgezeichnet, 1881 trat er in den
Ruhestand. In seinem langjährigen amtlichen Wirken zeichnete W. sich durch
einen in den Pflichten seines Berufes völlig aufgehenden Fleiss, durch nie
erlahmende Arbeitskraft, durch ein gründliches Wissen und dessen gewissen-
hafte Anwendung rühmlich aus. Der reichen Erfahrung, die er sich in der
Ausübung seiner amtlichen Thätigkeit erwarb, stand eine strenge Rechtlichkeit
zur Seite. Das Vertrauen des 41. Wahlkreises (Wertheim) entsandte W. im
Jahre 1859 in die zweite Kammer, welcher er bis 1860 angehörte. Bei den
Verhandlungen über das Concordat gesellte W. sich aus rechtlichen und
politischen Erwägungen, zu dessen Gegnern. Diese Stellungnahme hatte
indess keinen Einfluss auf sein persönliches Verhältniss zu der katholischen
Kirche, welcher er als überzeugter Gläubiger bis an sein Lebensende
angehörte.
Vgl. »Karlsruher Zeitung« 1898, No. 13.
F. V. Weech.
LindaUy Jakob, Kaufmann und Abgeordneter der badischen Zweiten
Kammer, * 10. Mai 1833 in Heidelberg, f daselbst am 15. August 1898.
Der Einfluss frommer katholischer Eltern war für seine streng kirchliche
Richtung massgebend, welche sich zuerst im Jahre 1864 in der Oeffentlichkeit
äusserte, als er gegen die Schulgesetzgebung der badischen Regierung eine
lebhafte Agitation zu organisiren unternahm. Ein von ihm verfasstes Flug-
blatt hatte zur Folge, dass bei den Wahlen zum Ortsschulrath, der auf Grund
des neuen Gesetzes einzusetzenden Localschulbehörde, in Heidelberg nur
264 Katholiken an der Wahlurne erschienen. Sein nächstes politisches
Unternehmen war die Gründung des sogenannten »wandernden Casinos«,
Volksversammlungen, die an verschiedenen Orten des Grossherzogthums zu-
sammentraten, um durch Resolutionen, durch Adressen und Abordnungen an
den Grossherzog die Missstimmung zum Ausdruck zu bringen, welche in den
streng katholischen Kreisen gegen die liberale Schulgesetzgebung herrschte.
Diese Versammlungen riefen begreiflicher Weise den Widerspruch der Anhänger
der Schulgesetzgebung und der gesammten liberalen Richtung in der badischen
Gesetzgebung und Verwaltung hervor, und den »wandernden Casinos« traten
da und dort, am heftigsten wohl in Mannheim am 23. Februar 1865, sehr
energische und von Gewaltthätigkeiteri der Volksmassen begleitete Proteste
entgegen. Die Ruhestörungen, zu denen es an mehreren Orten kam, ver-
anlassten die badische Regierung, die Casinos zu verbieten. Durch dieses
Auftreten war L. in weiteren Kreisen bekannt geworden und wurde 1867 als
erster und einzigerAbgeordneterder als »katholische Volkspartei ^ in die politischen
Bewegungen eingreifenden streng kirchlichen Katholiken Badens in die zweite
232
Lindau. Bechert.
Kammer gewählt, wo ihm 1869 Baumstark, Bissing, Lender und Rosshirt als
Parteigenossen zur Seite traten und mit ihm vereint die liberale Regierung
und Kammermehrheit bekämpften. 187 1 entsagte L. vorübergehend der
Wirksamkeit in der badischen Kammer, um 1875 noch einmal ein Mandat
anzunehmen. 1868 hatte er dem Zollparlament angehört als Vertreter des Wahl-
bezirks Achern, der ihn 1 891 auch in den deutschen Reichstag wählte. In Heidel-
berg war er einer der Gründer des »Pfälzer Boten«, eines der streitbarsten
Centrumsblätter. Ein Conflict mit den Heidelberger Altkatholiken, wobei L.
aus der diesen von der Regierung eingeräumten Heiliggeistkirche die der
Marianischen Sodalität gehörende Orgel entfernen Hess und an eine benach-
barte römisch-katholische Kirche verkaufte, führte ihn im Frühling 1875 ^^^
die Schranken der Mannheimer Strafkammer, die ihn zu einer Gefängnisstrafe
von 2 Monaten verurtheilte. Seine eifrige Thätigkeit für die Sache des
Centrums beeinträchtigte nicht seine Wirksamkeit in der Leitung des von
seinem Vater ererbten kaufmännischen Geschäftes, in die er sich mit seinem
Bruder theilte, bis 1890 zunehmende Kränklichkeit ihn zwang, sich aus dem
Geschäftsleben zurückzuziehen.
Vgl. »Sterne und Blumen«, Jahrgang 1893, No. 38.
F. V. Weech.
Bechert, Emil, Grossh. badischer T^andescommissär, * zu Mosbach am
9. JuH 1843, f zu Karlsruhe am 6. August 1898. Ein sehr begabter und
fleissiger Schüler, absolvirte B. schon mit 16 Jahren das Lyceum, studirte
die Rechtswissenschaften auf den Universitäten Heidelberg, Berlin und Frei-
burg und bestand mit 20 Jahren die erste, mit 22 Jahren die zweite Staats-
prüfung. Alsbald widmete er sich dem Dienste der inneren Verwaltung,
zu dem Befähigung und Neigung ihn besonders hinzogen. Nach mehrjähriger
Thätigkeit als Polizeibeamter in Pforzheim, wurde er 1869 nach Karlsruhe
versetzt, wo die Verwaltung des Landbezirkes des dortigen grossen Bezirks-
amtes ihm Gelegenheit gab, sich mit den wirthschaftlichen Fragen eingehend
bekannt zu machen und auf dem Gebiete des Landeskultun^^esens , wie des
damals nur erst allmählich sich Bahn brechenden genossenschaftlichen Wirkens
eine anregende und fördernde amtliche und (in den landwirthschaftlichen
Versammlungen und Besprechungen) ausseramtliche Thätigkeit zu entfalten.
Das Vertrauen, das er sich in dem Bezirke erwarb, fand seinen Ausdruck in
der Wahl zum Abgeordneten der zweiten Kammer, welcher er von 1875 ^^^^
1878 angehörte. Während er diese amtliche Stellung einnahm, wurde B. im
September 1870 durch den Generalgouverneur des Elsasses zur Verwaltung
der Kreisdirectionen Erstein und später Schlettstadt berufen, wo er sich
durch Gerechtigkeit, Wohlwollen und Tact das Vertrauen der Eingesessenen
und die Anerkennung der Regierung erwarb , welche durch Verleihung des
Eisernen Kreuzes ihren Ausdruck fand. — Im April 1874, erst 31 Jahre alt,
wurde B. als Rath in das Ministerium des Innern berufen, dem er von da
an 24 Jahre lang angehörte. Die Wirksamkeit, die er in dieser Stellung auf
den verschiedenen Gebieten der Polizei in sachlicher und personeller Be-
ziehung entfaltete, sowie seine Fürsorge für die öffentliche Gesundheitspflege in
ihren mannigfachen Erscheinungen sichern ihm in der Geschichte der
badischen Verwaltung ein bleibendes ehrenvolles Andenken. Noch ansehnlich
enÄ^eitert wurde sein Wirkungskreis durch die Ernennung zum Landes-
commissär für die Kreise Karlsruhe und Baden. Für den nicht immer ganz
Bechert. GrUbl. 233
leichten Verkehr mit den verschiedenen Organen der Selbstverwaltung war
seine Individualität in ganz besonderer Weise geeignet, und auf diesem Boden
zeigte sich am deutlichsten der Erfolg seiner Begabung, in der sich lebhafte
Initiative, eine stark ausgeprägte Betonung der beamtlichen Autorität, mit
grosser Leutseligkeit und gefälligem Entgegenkommen gegenüber berechtigten
Ansprüchen sowie der feine Takt, der ihn zum Vermittler scheinbar wider-
strebender Meinungen und Interessen besonders geeignet machte, zu einer ebenso
angesehenen als beliebten Persönlichkeit verbanden. Den übergrossen Anforde-
rungen seiner amtlichen Thätigkeit konnte er nicht die genügende körper.
liehe Widerstandskraft entgegensetzen und dem Leben des erst 55 Jahre alten
ausgezeichneten Beamten und trefflichen Menschen machte ein Schlaganfall zu
früh ein von den näher Befreundeten und von der grossen Zahl mit B, in
dienstlichen Beziehungen Stehenden schmerzlich beklagtes Ende.
Vgl. »Karlsruher Zeitung« 1898, No. 339. F, V. Weech.
Grübl, Raimund, Bürgermeister der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien,
* Wien 12. August 1847, t daselbst 12. Mai 1898. Der Sohn eines flirstlich
Liiichtensteinschen Beamten, erwarb nach Vollendung der juridischen Studien
an der Wiener Universität den Doctorgrad und widmete sich hierauf der
Advocatie. Im Jahre 1880 wurde er zum ersten Male vom 2. Wahlkörper
des III. Gemeindebezirkes in den Gemeinderath entsendet, dem er als treuer
Anhänger der liberalen Partei bis zu den, wenige Wochen vor seinem Tode
stattgehabten Neuwahlen angehörte. Am 13. October 1892 zum Vicebürger-
meister gewählt und am 14. März 1894 zum Amte des Bürgermeisters von
Wien berufen, fungirte er in dieser Eigenschaft bis zum 14. Mai 1895, ^"
welchem Tage er in Folge des für die liberale Partei ungünstigen Ausganges
der Wahlen in dem 2. Wahlkörper seine Würde freiwillig zurücklegte, worauf
schon nach wenigen Wochen die Auflösung des Gemeinderathes erfolgte. In
den Jahren 1884— 1890 war G. auch Vertreter des III. Wiener Gemeinde-
bezirkes im Niederösterreichischen Landtage und von 1895 bis zu seinem
Tode Mitglied des Reichsgerichtes.
Vom Beginne seines Wirkens als Gemeinderath an stellte es sich G. zur
Aufgabe, eine gedeihliche Lösung der für die Stadt so wichtigen Verzehrungs-
steuerfrage herbeizuführen. Mit unermüdlichem Eifer widmete er als Referent
dieser Frage die vollste Aufmerksamkeit und eingehende Studien. Aber erst
nach jahrelangem Bemühen, als die Vorarbeiten zur Vereinigung der Vororte
mit W4en in Angriff genommen wurden, gewannen seine Ideen und Vor-
schläge hervorragenden Einfluss auf die Feststellung der Principien fiir das
neue Verzehrungssteuergesetz.
Die mannigfaltigsten und schwierigsten wirthschaftlichen wie administra-
tiven Fragen, welche gelegentlich der Vereinigung der Vororte Wiens mit der
Hauptstadt sich ergaben, fanden bei ihm als einem der thätigsten Mitglieder
der Commission verständnissvolle Auffassung und ein überlegenes, stets zu-
treffendes Urtheil. Als Referent über die neue Stadterweiterung im Gemeinde-
rath bekundete G. bei Lösung dieser schwierigen Aufgabe neuerlich seine
eingehenden Kenntnisse der Verwaltung, wofür ihn der Kaiser durch Ver-
leihung des Franz-Josef-Ordens auszeichnete.
Besonders erspriesslich war G.'s Wirken auf dem Gebiete des Unterrichts-
wesens. Stets bestrebt, die Bürgerschule als höhere Volkslehranstalt zu
fördern, war sein Augenmerk auf die Erhaltung eines arbeitstüchtigen und
234
GrUbL
arbeitsfreudigen Lehrpersonales gerichtet und als Vertreter des niederöster-
reichischen Landtages im Landesschulrathe hatte er wiederholt Gelegenheit,
seine eminent schul- und lehrerfreundliche Gesinnung zu bethätigen.
Als Bürgermeister vertiefte er sich in alle die zahlreichen Aufgaben des
grossen Gemeindewesen mit peinlicher Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit.
Unter seiner wirksamen Förderung machte die durch die Einverleibung der
Vororte um so dringender gewordene Erweiterung der Kaiser Franz Josefs-
Hochquellenleitung wesentliche Fortschritte. Die unter seinem Amtsvorgänger
Dr. Prix eingeleitete grosse Action der Wiener Verkehrsanlagen und die
damit im Zusammenhange stehenden öffentlichen Bauten, insbesondere die
Wienfluss-Einwölbung und die Herstellung der Sammelkanäle längs des Wien-
flusses und des Donaukanales nahmen unter seinem Regime energischen Fort-
gang, die Errichtung electrischer Bahnen in Wien wurde durch Anregung
eines den Bedürfnissen der Grossstadt angepassten neuen Gesetzes über Klein-
und I^ocalbahnen vorbereitet, der Schaffung eines Generalregulirungsplanes
für Wien durch Errichtung eines eigenen Bureaus für diesen Zweck die Wege
geebnet. Für die mit Rücksicht auf den Ablauf des Vertrages mit der eng-
lischen Gasgesellschaft nothwendige Entscheidung des Gemeinderathes über
die künftige Lösung der Gasfrage wurde durch die in geschickter und glück-
licher Weise unternommene Schätzung der Gaswerke die Grundlage geschaffen.
Auf dem Gebiete des Approvisionirungswesens, der Strassensäuberung und
der Armenpflege wurden unter seiner Initiative Reformen angebahnt.
Im Februar 1895 ^^^^ ^^ Wien der von G. als Bürgermeister einberufene
Oesterreichische Städtetag statt, an dessen Berathungen Vertreter sämmtlicher
österreichischer Landeshauptstädte mit Ausnahme von Prag theilnahmen, um
über die Frage der Reform des Heimathsgesetzes, der Vergütung der Kosten
des übertragenen Wirkungskreises und der Wirkung der im Gesetzentwurfe
vorliegenden Steuerreform auf die städtischen Finanzen Berathung zu pflegen
und sich über ein gemeinsames Vorgehen im Interesse der Landeshauptstädte
zu einigen. Der städtische Beamtenstand erfuhr durch Schaffung eines neuen
Pensionsnormales eine erfreuliche Förderung. Die Beilegung eines in der da-
maligen regen Bau-Epoche für die Stadt sehr gefährlichen Strikes, des Strikes
der Ziegelarbeiter, ist anerkanntermassen wesentlich auf das persönliche Ein-
greifen G.'s zurückzuführen. Ueberhaupt machten ihn sein angeborenes
mildes Wesen, sein Character, sein gesellschaftlicher Tact und sein conciliantes
und vornehmes Gehaben, besonders geeignet, als Vermittler aufzutreten, wo
schroffe Parteigegensätze zu einem leidenschaftlichen und erbitterten Kampfe
führten, ohne dass er selbst je seinen Grundsätzen und Anschauungen untreu
geworden oder vor dem impetuösen Angriff der Gegner wankend geworden
wäre. Als Vorsitzender des Gemeinderathes wuisste er den Ton der Ver-
handlungen zu einem der Würde der Stadt angemessenen zu gestalten und
durch strenge Objectivität auch die Achtung der Oppositionspartei zu ge-
winnen. Trotz der schweren Berufspflichten, die seine Kräfte bis zur Uebcr-
spannung in Angriff nahmen, unterhielt G. einen lebhaften Verkehr mit allen
Kreisen der Wiener Bevölkerung. Ungemein mildthätig gegen Arme und für
Jedermann mit wohlwollendem Rath bereit, war sein Heim im Rathhause
zum Mittelpunkt wienerischer Geselligkeit geworden, wo Staatsmänner, Ge-
lehrte, Künstler und hervorragende Bürger sich gerne einfanden und da so
manche Stunde angenehmen Zeitvertreibes genossen.
Unerschütterlich treu der fortschrittlichen Partei seiner Vaterstadt dienend^
Grünbaum. 23 ^
hielt er es für seine Pflicht, auch nach seiner Resignation als Bürgermeister
im Gemeinderathe als treuer Mitkämpfer für Recht und Freiheit auszuharren.
Leider nur für kurze Zeit, denn zum tiefen Schmerz seiner Freunde raffte ihn
gar bald eine tückische Krankheit dahin.
G., dessen Gattin (geb. Beyfuss) ihm schon 1890 nach kurzer glücklicher
Ehe entrissen worden war, hinterliess zwei unmündige Kinder.
Ein Bild G.'s gemalt von dessen Schwager Beyfuss, in Familienbesitz. Maler Alberti
hat nach G.'s Tod nach einer Photographie ein Porträt vollendet, das G. als Bürgermeister
mit der Kette darstellt. Dr. Ludwig Vogler.
Grünbaum, Max (eigentlich Maier), Orientalist, * 12. August 181 7 zu
Seligenstadt, f 11. I)ec. 1898 in München. Er studirte unter misslichen Ver-
hältnissen Philologie und Philosophie in Giessen (bei M. Carri^re) und Bonn.
Seit Ende der dreissiger Jahre fristete er sein Dasein als Hauslehrer bei wohl-
habenden Glaubensgenossen, in Ungarn, Amsterdam, London, 1857 in Wien,
bis er endlich 1858 Superintendent eines jüdischen Waisenhauses in New- York
wurde. Dass er dadurch äusserer Sorge ledig und in den Stand gesetzt
ward, sein aufgespeichertes ausgedehntes und gründliches Wissen litterarisch
zu verarbeiten, sah der bescheidene Mann als gnädigste Fügung des Schicksals
an. Mit seiner dort gewonnenen Gattin und einer für den Anspruchlosen
genügenden Pension übersiedelte er 1870 nach München, wo er in Müsse
seine Studien mit Hilfe der eigenen Büchersammlung und der einschlägigen
Schätze der dortigen Staatsbibliothek weiter- und zu- Ende führen wollte.
Letztere besuchte er bis anfangs der Neunzigerjahre fast täglich und publicirte
aus ihren Handschriften werth volle Belege seines Specialgebietes. Seit 1892
ans Zimmer gefesselt, pflegte er lebendig mit Kopf und Feder wie im Ver-
kehre mit verehrenden Freunden seine gelehrten Pläne und frische Geisteskraft,
bis zum Tode durch Altersschwäche. Seine in jahrelanger Sorgfalt ge-
sammelte interessante Bibliothek, die sein ganzes Wissensgebiet umspannte
und besonders durch alte hebräische Drucke werth voll war, hat er dem
Münchener Verein für jüdische Litteratur und Geschichte vermacht. G.*s er-
staunliche, weit ausgebreitete Gelehrsamkeit erstreckte sich zwar haupt-
sächlich auf orientalische Sprach- und Sagenkunde, jedoch beherrschte er
auch die modernen Hauptidiome in Wort und Schrift. Er forschte nach
zwei Seiten hin: in neuhebräischer und arabischer Sagenkunde, anderntheils
in der jüdisch -europäischen Mischlitteratur (vgl. seinen Vortrag »Misch-
sprachen und Sprachmischungen«, 1885 in der Virchow-Holtzendorflf'schon
Vorträge -Sammlung Nr. 473). Auf ersterem Felde ward er eine Autorität;
fast alle seine vielen bezüglichen Abhandlungen erschienen seit 1862 in der
>Ztschr. d. Dtschn. morgenländisch. Gesellschaft«, als erste grössere in deren
Bd. 31 die »Beiträge zur vergleichenden Mythologie aus der Haggada«
(1877) woran sich in Bd. 39 — 44 und in anderen Fachorganen eine Reihe
verwandter schloss, sowie die selbständig zusammenfassenden »Neuen Bei-
träge zur semitischen Sagenkunde« (1893); reichhaltige Fundgruben für die
nachbiblisch- talmudische, auch die biblisch-mohamedanische Legende, der
vergleichenden Religionswissenschaft trefflich dienstbar, zum Theil stoffüber-
laden und darum etwas schwerfällig, durchgängig sicher stilisirt theilweise in an-
muthiger Feuilletonschreibart; »sie erinnert oft an die Ludwig Bamberger's, mit
dem G. bis an sein Lebensende eine enge Freundschaft verband« (Perles). Ein
specieller Fachgenosse, Hommel, urtheilt: »ausser dem weiten talmudischen
Gebiete war er besonders auch im Samaritanischen, Syrischen und Arabischen
236 Grünbaum. Krebs.
zu Hause, obwohl ihm auch andere Zweige der Alterthumskunde nicht ferne
lagen«. G.'s zweites Arbeitsgebiet, später von ihm betreten, fiihrte zu einer
»Jüdisch-deutschen Chrestomathie. Zugleich als Beitrag zur Kunde der hebrä-
ischen Litteratur« (1882), woneben fernere Auszüge mit Hinweisen für weitere
Kreise in der kürzeren Anthologie »Die jüdisch-deutsche Litteratur in Deutsch-
land, Polen und Amerika« (1894) traten, und zu einer »Jüdisch-spanischen
Chrestomathie.« Mit Unterstützung der Zunz - Stiftung in Berlin (1896),
beide nach hebräisch geschriebenen Texten. Letztgenanntes Werk bot auch
der Romanistik Materialien dar, deren sie sich erst ganz neuerdings be-
mächtigt (vgl. z. B. Jos. Oestreicher's Programm, Beiträge z. Gesch. d.
jüd.-französ. Sprache u. Lit. im Mittelalter, Czemowitz 1896). Hingegen
verdient, abgesehen von ihren werth vollen Textabdrücken, die dickleibige
»Jüdisch -deutsche Chrestomathie« (nebst genanntem, S. IV f. verheissenen
Ergänzungsbändchen von 1894, das aber nur ein Sonderabdruck aus: Winter
und Wünsche, Die jüdische Litteratur seit Abschluss des Canons, III S. 531 ff.,
ist) nicht voll das ihr meist ausgesprochene Lob. G. hat erstlich nur
jüdisch-deutsche Uebersetzungen hebräischer Schriften oder directe Be-
arbeitungen solcher und wesendich bloss aus Manuscripten der Münchener
Kgl. Hof- u. St.-B. dargeboten, sodann aber weiss er in der Geschichte des
jüdisch-deutschen Schriftthums, noch mehr aber in dessen Jargon selbst ungleich
Bescheid: die beiden Specialistcn F. Rosenberg (lieber eine Sammig. dtschr.
Volks- u. Gesellschaftslieder in hebr. Lettern, Berliner Diss. 1888, S. 7, Ztschr.
f. d. Gesch. d. Juden i. Dtschl. II 234) und viel stärker Leo Wiener (The
history of yiddish literature in the 19. Century, 1899, S. IX, g u. 13)
stellen das fest; R. Köhler's Referat Anzgr. f. dtschs. Alterthum IX 402 bis
407 (= R. Köhler, Kleinere Schrft. I 576—583) betrifft nur die Stoffe.
Ferner veröffentlichte G. mancherlei mehr feuilletonistische Artikel aus seinem
Fache, z. B. »Geographische und ethnographische Spitznamen und Spott-
geschichten« im »Ausland« 1883 Nr. 31, S. 601. Ohne sie ganz zu vollenden,
unternahm G. die Neucatalogisirung der hebräischen Bestände der Münchener
Kgl. Staatsbibliothek, welch' letztere 17 längere und kürzere Journal-Abhand-
lungen von ihm als »Schriften über jüdische Litteratur« sub Jud. 23 1 als
sein allmähliches Geschenk besitzt.
Nekrologe auf G. von Rabbiner Dr. Felix Perles in Königsberg (der wohl G.'s
Schriften edirt) in Nr. 285 d. »Beilg. z. Allg. Ztg.« (die auch Aufsätze G.'s aus dem spanisch-
jüd. Gebiete enthalten hatte) 1898, S. 5 f. (sehr panegyrisch) und Prof. Fr. Homroel, »Münch.
Nst. Nchrcht.« 1898 Nr. 591, S- 4. Ludwig Fränkel.
Krebs, Georg, Ludwig, Lehrerund Gelegenheitsdichter, * 7. Nov. 1826 zu
Aisheim bei Gronau (Mutterstadt) i. Pf., f 1 5 . Aug. 1 898 zu Oppau i. Pf., in welchem
Rheinörtchen er seit 1 850, seit 1 860 als wirklicher Lehrer, pädagogisch thätig war,
1857 — 84 auch als Gemeindeschreiber. Aus einer Lehrersfamilie und selbst
Lehrerssohn, besuchte er 1844 — 46 das Seminar flir Volksschullehrer zu Kaisers-
lautern und wurde danach Schulgehilfe zu Iggelheim. Wegen angeblichen Waffen-
tragens »zum Zwecke der provisorischen Regierung« 1849, <ieren republikani-
schen Tendenzen er gründlich abgeneigt war, wurde er sofort nach deren Unter-
drückung entlassen und erst nach vieler Mühe von der Behörde später (in
Oppau) neu bestätigt. Nach dem 70. Geburtstage in den Ruhestand tretend,
erhielt er die goldene Ehrenmünze des Ludwigsordens für 50 jährigen Schul-
dienst. Bis zuletzt frischen Humors, wie seine beliebten Dialectdichtungen
bekunden, erfuhr er als Poet ernster wie heiterer Richtung provincielle
Krebs. Hesse. 237
und der Kollegen Anerkennung, zumal alljährlich in den Lehrerversammlungen.
Gedruckt traten vor die weitere Oeffentlichkeit nur das Gedicht »Andenken
an König Max IL von Bayern« (1864), die Sammlung »Krieg, Sieg und
Frieden« (187 1) und »Zwei Dutzend Imkerlieder« (1894); die meisten stecken
in Tagesblättern oder sind nur als fliegende Blätter oder gar nur hand-
schriftlich verbreitet.- Seit 1878 schrieb er allwöchentlich unter der Aufschrift
»Hannes und Michel« mundartliche Gedichte und Erzählungen für das Unter-
haltungsblatt des »Frankenthaler Tageblatts«.
Mittheilung verschiedener Einblattdrucke und handschriftlicher Poeme, samrot Zeitungs-
nachrufen durch Lehrer Hnr. Krebs namens der Familie an mich. Vgl. »Pfälzische Lehrerxtg.«
1898 Nr. 39, Nr. 40, Nr. 44 u. 45: »G. L. K. Ein Lebensbild von A. Fuchs«; »Zeitbilder«,
Sonntgsblg. z. »Pfalz. Presse« VII Nr. 35 (mit Bild.); »Frankenthaler Tagebl.« v. 16. 8. 1898.
Brummer Lex. dtsch. Dchtr. d. 19. Jhrh. H 342 f.
Ludwig Fränkel.
Hesse^ Bernhard, Dr. th., Grossh. Sachs. General-Superintendent und
Wirkl. Geheimer Rath, * 15. März 181 8 zu Reinswalde bei Sorau in der
Niederlausitz, f i. Oct. 1898 zu Weimar.
H. entstammt der kindergesegneten Familie des Cantors uud Land-
Schullehrers H. ; er war der dritte von sechs Söhnen, neben denen noch
eine Tochter im Elternhause waltete. Der Vater, ein umsichtiger und tüchtiger
Lehrer, der seine Schülerzahl von fast 250 Köpfen mit Hilfe seiner Söhne
und einiger befähigter Schüler vorzüglich zu leiten wusste, bereitete, obwohl
ihm selbst keine Gymnasialbildung zu Theil geworden und er daher durch
eigenen Unterricht sich die nöthigen Kenntnisse erst erwerben musste, vier
seiner Söhne, darunter auch Bernhard, so weit vor, dass sie beim Eintritt in
das Gymnasium die Reife für die Tertia mitbrachten. Bernhard bezog 1832
das Gymnasium in Sorau; um seinem Vater die Sorge zu seinem Unterhalt zu
erleichtern, ertheilte er jüngeren Mitschülern Unterricht oft drei Stunden am
Tage. Gleichwohl konnte er bereits nach fünfjährigem Besuch die An-
stalt Ostern 1837 mit dem Reifezeugniss ersten Grades verlassen. Er be-
stimmte sich dem Studium der Theologie; wie er selbst sagt, war dabei die
Ueberzeugung, dass dieses wohl den geringsten Kostenaufwand erfordern
würde, von grösserem Einfluss als eine Kenntniss der verschiedenen Berufs-
arten und dadurch erzeugte Vorliebe für die eine oder andere. Aber seine
intensive Beschäftigung mit dieser Wissenschaft, die in verschiedenen Arbeiten
in dem theologischen Seminar und durch Lösung von Preisaufgaben zum
Ausdruck kam, erhöhte in ihm bald die Lust und Liebe zu diesem Studium.
Nach einem halbjährigen Aufenthalte in Halle, wo er bei Tholuck, Gesenius,
Rüdiger und Erdmann hörte und namentlich von dem Erstgenannten mannig-
fache Förderung erfuhr, bezog er die Universität Breslau und absolvirte da-
selbst das akademische Triennium. Hier war es namentlich David Schulz,
der seinen Ueberzeugungen, ja seinem ganzen Leben die Richtung gab:
Schulz* Auffassung vom Christenthum, die frei von aller Buchstabengläubig-
keit in den Geist des Evangeliums und der Bekenntnissschriften einzudringen
suchte, befreite ihn bald von allen Schwankungen, welcher theologischen
Partei H. sich anschliessen sollte; er ist ein fester Anhänger der freien
Richtung geblieben. Nach Beendigung des Studiums weilte H. mehr als
sechs Jahre hindurch als Hauslehrer im Hause des Barons v. Zedlitz-Leipa;
1841 beziehungsweise 1842 legte er die Prüfungen pro venia concionandi
2^8 Hesse.
und pro ministerio ab. Im Jahre 1844 erfolgte seine Wahl in die dritte
Predigerstelle zu Hirschberg. Aber das damals für die evangelische Landes-
kirche Preussens gültige Ordinationsformular heischte die Verpflichtung auf
die symbolischen Bücher. Diese war der junge Geistliche, weil mit seinen
Ueberzeugungen unvereinbar, entschlossen, nicht auf sich zu nehmen, obgleich
die Weigerung gleichbedeutend gewesen sein würde mit dem Verzicht auf das
Amt. Die schwere Prüfung blieb ihm indessen erspart: die Ordination er-
folgte 1846 in ungewöhnlicher Form durch die Beschränkung der Verpflich-
tung auf die reine Lehre Jesu. Er konnte daher die Stelle in Hirschberg
antreten, in der er 12 Jahre, bis 1858, verblieb, nicht ohne Kämpfe, denn
wiederholt kam er wegen seiner freien Richtung in CoUisionen mit den geist-
lichen Vorgesetzten; er bestand sie, ohne seiner Ueberzeugung etwas zu ver-
geben. Auch bei seiner 1858 erfolgten Wahl zum Diaconus der Haupt- und
Stadt-Pfarrkirche zu St. Bernhardin in Breslau gab seine Gastpredigt der
kirchlichen Behörde Anstoss; das Consistorium versagte die Bestätigung und
auf den seitens des Magistrats eingelegten Rekurs bei dem Oberkirchenrath
wurde H. von diesem zu einer schriftlichen Auslassung über die anstössigen
Punkte seiner Predigt aufgefordert, namentlich Über das, was er unter dem
heiligen Geiste verstehe, was er von dem natürlichen Zustande des Menschen,
der Sünde und ihrem Verderben halte, über die Lehre von der Rechtfertigung
und über seine Ansicht über die Person des Teufels. H. vertrat eingehend
und fest seinen Standpunkt, und der Oberkirchenrath entschied, dass, obwohl
in seinen Auslassungen manche Abweichungen von der Kirchenlehre zu er-
kennen seien, das positive Christenthum soweit zu seinem Rechte gelange,
dass von einer Verweigerung der Bestätigung Abstand zu nehmen sei. H.'s
Amtsthätigkeit in Breslau, zunächst als Diacon, seit 1867 als Probst zum
heiligen Geist und Pastor von St. Benihardin, Mitglied des städtischen Con-
sistoriums und städtischer Schulinspector umfasste die Jahre von 1858 bis
1872. Neben einer eifrigen Bethätigung auf dem Gebiete der Seelsorge, die
zumal während der Cholera-Epidemie des Jahres 1866 besondere Anforderungen
an ihn stellte, ward H. auch durch die politischen Vorgänge der Zeit in An-
spruch genommen, namentlich durch die von der constitutionellen Partei ein-
geleitete Bewegung gegen die preussischen Schulregulative von 1854 und zu
Gunsten eines Unterrichtsgesetzes. Aus seiner Feder stammte die von den
Anhängern dieser Partei in Breslau 1860 an das Abgeordnetenhaus gerichtete
Position. Auch das Verhältniss zur katholischen Kirche nahm seine besondere
Aufmerksamkeit in Anspruch; namentlich galt es auf dem Gebiete der ge-
mischten Ehe manche Kämpfe zu bestehen. Einen schönen und für beide
Theile ehrenvollen Erfolg hatte H. in seiner Bemühung, dass in den katho-
lischen Krankenpflegeanstalten, die im räumlichen Bereich seiner Gemeinde
lagen und die Kranke beider Confessionen aufnahmen, den Evangelischen die
von ihm beschafften evangelischen Andachts- und Erbauungsbücher aus-
gehändigt wurden, sodass er sie bei seinen Besuchen in den rechten (Gebrauch
genommen fand.
Eine Anregung, sich um die Dompredigerstelle in Bremen zu bewerben,
hatte H. 1866 abgelehnt, da die in Breslau Seitens des Magistrats und seiner
Gemeinde bei ihm gethanen Schritte ihm zeigten, dass man ihn nur ungern
ziehen lassen werde. Aber als Ostern 1872 die Aufforderung kam, das Amt
des ersten Landesgeistlichen im Grossherzogthum Sachsen, als Oberhofprediger,
Oberpfarrer, erstes geistliches Mitglied des Kirchenraths und Director der
Hesse. Reinwald.
239
Waisenanstalt zu übernehmen, an der Stelle zu wirken, an der einst Herder
und später Röhr gewirkt hatten, glaubte er einem solchen Rufe folgen zu
sollen. Das weimarische Kirchenregiment stand durchaus auf dem Boden
der freien Richtung; Conflicte waren daher ausgeschlossen. Vor Allem aber
öffnete sich dort Aussicht auf eingreifende Theilnahme an die Gestaltung und
Entwickelung der Landeskirche. Denn in Weimar, wo er nach der Trennung
von Breslau, die unter ehrendsten Zeichen der Theilnahme erfolgte, am 14. Juli
1872 eintraf, war die Einftlhrung einer Synodal-Ordnung in Aussicht ge-
nommen. Nachdem H. mit den Aufgaben seiner ausgedehnten Thätigkeit,
zu denen auch die Leitung der theologischen Prüfungen gehörte, vertraut ge-
worden, erfolgte die Ausgestaltung der Kirchenverfassung durch die Synodal-
Ordnung von 1874; an den Arbeiten der Synoden selbst und der Aus-
führung der von ihr gegebenen Gesetze auf allen Gebieten des kirchlichen
Lebens hat H. einen seiner Stellung und Persönlichkeit entsprechenden
bedeutenden Antheil genommen. Auch auf dem Gebiete des Gemeindelebens
und der inneren Mission entwickelte er vielfach eine theils das Vorhandene
fördernde, theils Neues schaffende Thätigkeit. Ueber die Grenzen des
weimarischen Landes hinaus erschloss sich ihm eine grössere Thätigkeit ein-
mal durch die Zugehörigkeit der evangelischen Kirche in Luxemburg zum
weimarischen Kirchenregiment, die erst 1890 nach Loslösung Luxemburgs
von den Niederlanden gelöst ward, vor Allem durch die 1884 in Weimar
unter H.'s Leitung erfolgte Gründung und Weiterführung des evangelisch-
l)rotestantischen Missionsvereins vornehmlich für Japan, China und Indien,
über den der Grossherzog von Sachsen das Protectorat übernahm, wie denn
auch die in Tokio geschlossene evangelische Gemeinde dem* weimarischen
Kirchenregimen te unterstellt ward. Durch die damit verbundenen Arbeiten
erfuhr der Geschäftskreis H.'s selbstverständlich eine nicht unwesentliche Er-
weiterung. Ebenso nahm er lebhaften Antheil an dem Gustav-Adolf Verein
und dem evangelischen Bunde in Thüringen.
Nach mehr als 23 jähriger Thätigkeit in Weimar und fast 50 jährigem
Wirken im geistlichen Amt überhaupt, trat er December 1895 in den Ruhe-
stand, in mannigfachster Weise geehrt durch Kundgebungen der Kirchen-
behörden und seiner Amtsbrtider; vom Grossherzog ward er am 50. Jahres-
tage seines Eintritts in den Kirchendienst — 14. August 1896 — zum Wirkl.
Geh.-Rath ernannt. Er starb im 81. Lebensjahre.
Als wissenschaftlicher Schriftsteller hat H. sich nicht bethätigt. Veröffentlicht sind
von ihm »Fest- und Zeit-Predigten« (1875), die der Breslauer Zeit angehören und »Predigten
und Festreden bei besonderen Veranlassungen in den Jahren 1883— 1888 in Weimar ge-
bähen« (1889), ein »Leitfaden zum Confirmationsunterricht« (1882), sowie sein in der
constituirenden Versammlung des Allg. £v. Protest. Missions-Vereins gehaltener Vortrag
(»8 Missionsvorträge« 1884). Im Jahre 1897 gab er heraus: »Erinnerungen aus dem amt-
lichen Wirken des Wirkl. Geh.-Raths B. Hesse, Dr. th.«. Diese Schrift hat für unseren
Artikel wesentlich als Quelle gedient.
P. V. Bojanowski.
Reinwald, Joh. Mich. Gustav, Pfarrer und Lokalhistoriker, ♦ 16. März 1837
als Müllerssohn zur Heckenmühle bei Diesbach unweit Rothenburg o. d. Tauber,
t3o. September 1898 zu Lindau. Erst nach der Confirmation ins Gymnasium ge-
treten, studirte er ^859 — 63 in Erlangen und Halle protestantische Theologie,
daneben mit Vorliebe die philologisch-historischen Fächer. Vom Pfarrverweser
in Pfuhl und bayrischen Militärseelsorger im benachbarten Ulm wurde er 1864
240
Reinwald. Floerke.
Pfarrvicar in Lindau, 1866 Pfarradjunct und Subrector der Lateinschule da-
selbst, war 1870/71 als (Ober-)Diacon im französischen Kriege mit, 1880
wurde er zweiter protestantischer Stadtpfarrer, auch Religionslehrer der beiden
höheren Lehranstalten, dann noch Capitelssenior. R. hat als Bibliothekar
und aufopfernder Archivar, sowie als sorgsamer Stadtchronist von Lindau,
dazu als Vorstand des von ihm gegründeten städtischen Museums Vereins da-
selbst, sich um das geistige Leben dieser seiner zweiten Heimath, deren Schul-
und Kirchendienst er sich eifrig widmete, ungewöhnliche Verdienste erworben.
Die Stadt verlieh ihm 1891 beim 25jährigen Amtsjubiläum das Ehrenbürger-
recht und betrauerte den freundlichen, rastlosen, stets hüfbereiten Mann wie
hunderte einzelne den Seelsorger, den Lehrer, den Forscher. Als Mitbegründer,
langjähriger erster Secretär, Vicepräsident und seit 1869 Redacteur der
Schriften des »Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung«,
leistete er als Sammler und Verarbeiter versteckten oder versprengten Materials,
als Anreger und Organisator gar viel und schuf den betreffenden Lokal- und
Territorialstudien feste Grundlagen. Als ständiger Inhaber obgenannter Aemter
musste R. alljährlich Einleitung und Vorbericht (auch noch im 1899 er Heft
nach seinem Tode) zu den Vereinsschriften abfassen; ferner enthalten ausser
dem 3., 5., 8. — 11., 15., 18., 19. alle 26 von ihm redigirten Jahreshefte der
»Schriften« Artikel, dazu Aufsätze anderer ergänzende oder bessernde An-
merkungen von ihm. Hervorzuheben ist im 12. Hefte R.'s Vortrag {1881)
»Vom Reichstage in Lindau 1496 — 97«, wozu eine fesselnde, geschichtliche
Umschau durch die Stadt Lindau beigegeben ist, gleichzeitig Abhandlung der
von ihm damals geleiteten Lateinschule. Unter der letzteren Programmen
gab er noch 1876 — 80 einen Rückblick über die Anstalt von Anfang bis 1806
und »Aus der Stadtbibliothek in Lindau; Beiträge zur Geschichte der Cie-
schlechter und des Bürgerthums«. Joh. Meyer und Chrn. Kittler übernehmen
die Herausgabe von des Verblichenen hinterlassenen Arbeiten.
»Lindauer Tagbl.« v. i. u. 4. Oct. 1898; »Lindauer Volks-Ztg.« v. 9. und 11. Oct.
(A. B. V. S., »Die Verdienste des f Stadtpfarrers G. R, um die Geschichte Lindaus«); ein-
gehend »Das Bayerland« 1899 Nr. 4, S. 47 (mit Bild); kurz: »Münchn. Nst. Nachr.« 5. Octb.
Vorabendblatt S. 4, Augsbg. Abdztg. Nr. 269; »Schwab. Merkur« Nr. 229, Etliche dieser
Nekrologe bot die Familie durch R.'s Sohn, Gymnasialassistent Th. Reinwald, mir dnr.
Als Beispiel seiner steten bibliothekarischen Hilfsbereitschaft s. A. Englcrt i. d. »Ztschr.
des Vereins f. Volkskunde« VI, 1896, S. 299. Ausführliche Biographie im »Korrespondenz-
blatt des Gesammtvereins der dtsch. Geschichts- und Alterthumsvereine« 47 (1899), S. 12 — 15
von E. Graf Zeppelin. t j • i^ •• i 1
^^ Ludwig Frankel.
Floerke, Gustav, Kunsthistoriker und Schriftsteller, * 4. August 1846 zu
Rostock, f ebendaselbst 15. November 1898. Sohn eines Senators, studirte
er in Rostock, Jena, Berlin, München anfangs Jurisprudenz, dann aber bei
seinem engsten Landsmann Friedrich P>ggers in Berlin, Kunstgeschichte. Nach
der Promotion in seiner Vaterstadt trat er in München als Mitglied des
Dichterclubs »Crocodil« mit J. Grosse, Lingg, Heyse, W. Hertz in Verkehr.
Als Vicefeldwebel im 30. norddeutschen Infanterieregiment in Frankreich,
schickte er interessante Brief berichte — gesammelt als »Von unsern Truppen
im Felde« (187 1) — heim. Seitdem lebte er in Rom kunstgeschichtlichen
Studien und als Feuilletonist für die »Neue Freie Presse«, ^ Gegenwart«
u. A. 1873 — 79 war er Professor der Kunstwissenschaften und Secretär
der Grossherzogl. Kunstschule zu Weimar, lebte darauf, mit Arnold Böcklin
befreundet, mehrere Jahre in Florenz und Zürich und 1886 — 94 als freier
Floerke. l^eo.
241
Litterat wieder in München, seitdem in der Geburtsstadt. — Ausser fesselnden
Kunstaufsätzen hat F. anziehende Bücher über Italien geliefert. »Das Märchen
von den sieben Raben« (1874) hat Moritz v. Schwind illustrirt, Fs.' Erzählung
in Versen »Schwarze Bilder aus Rom und der Campagna« von demselben
Jahre Fritz Schulze. 1878 dichtete er für Weimar das Gelegenheits-Festspiel
»Lustiges Mirakelstück von der Malerei.« Die beiden Bücher »Die Insel der
Sirenen. Capresische Dorfgeschichten« (1879) »Italisches Leben. Geschichten
und Abenteuer aus alten Skizzenbüchern« (1890) und »Sommerläden. Hunds-
tage in Italien« (1896), sind ein Mittelding zwischen volkspsychologischer
Skizze und Novelle, ganz letzteres »Die Volskerin« (1886). In den letzten
Jahren ruhte seine gewandte Feder fast ganz, so wie er sich von wei-
tem, auch früheren Beziehungen zurückgezogen hatte (so meinte ihn die
Todtenliste in den »Berichten des Freien deutschen Hochstiftes zu Frank-
furt a. M.« N. F. XV 175, im Jahre 1898 noch in München wohnhaft ge-
wesen).
BrUmmcr, »Lex. d. dtsch. Dichter u. Pros. d. 19. Jhrli.« 4 I 367; Kürschners Litteratur-
kalender; 238. Beilage zur Allgem. Ztg. 1898, S. 8. Nekrologische Notizen in Zeitungen.
Ludwig Fränkel.
Leo, Friedrich August, Dichter, Shakespeareforscher upd Uebersetzer,
* 6. December 1820 in Warschau, f 30. Juni 1898 auf der Sommerreise zu
Glion am Genfersee. Von jüdischen Eltern, die bald nach seiner Geburt nach
Deutschland übersiedelten, verleugnete er, nach des mittellosen Vaters Tode
(in L.'s 4. Jahre) mit der Mutter evangelisch getauft, die Abkunft nie, leitete
vielmehr mancherlei Gefühle und Gedanken später davon her. So hat er
dann nach siebenjähriger Kampf- und Wartezeit Elisabeth Friedländer, eine
Tochter von Heinrich Heines Base und Jugendliebe Amalie, ebenfalls von
doppelt jüdischem Ursprünge und im Protestantismus aufgewachsen, ge-
heirathet und mit ihr, trotz allen äusseren Glanzes aristokratischer Geselligkeit
und Gastfreundschaft, eine ungemein glückliche Ehe fast alttestamentlichen Stils
geführt. So brach er auf Anlass von Richard Wagners Schrift »Das Judenthum
in der Musik« in mehreren Artikeln der »Vossischen Zeitung<v eine Lanze für das
Judenthum, dem er sich innerlich bis zuletzt zuzurechnen liebte. L. fand Erziehung
im Hause seines Vormunds, des Präsidenten der Seehandlung Bloch, Schwagers
der Mutter, zu Berlin, welcher Stadt er dann fast das ganze Leben angehört
hat. Hier bildeten sich seine regen geselligen Gaben, auch die Neigung für
Gelegenheitsdichtung, für theatralisches Schaffen und Insceniren kräftig aus,
und daneben kamen in Realschule und Studium seine hervorragenden Talente
zu kurz. Noch nach wohlgelungenen Leistungen schalten ihn lange nachher
Stubengelehrte einen Dilettanten, und noch den Greis bekümmerte es, sein
Können und Wissen verzettelt zu haben. Er erlernte den Buchhandel bei
Besser 0etzt Wilh. Hertz) in Berlin, trat dann in ein Leipziger Geschäft, das
ihm seine Filiale in Teplitz anvertraute, endlich in die Host' sehe Buchhand-
lung zu Kopenhagen. Hier tauschte der des materiellen Berufs Ueberdrüssige,
schon in Leipzig litterarischen Kreisen genähert und journalistischer Debütant,
wohl unter dem Eindrucke des Verkehrs mit H. Chr. Andersen und Henrik
Hertz die Schriftstellerei ein. Zurückgekehrt, machte er mit 26 Jahren das
Abiturientenexamen und studirte wider des Onkels Willen, somit auf Feder und
Unterricht angewiesen, in Leipzig, wo er auch Dr. phil. wurde. Seit 1846
schriftstellerte er als Uebersetzer, Publicist und selbstständiger Dichter eifrig
Blogr. Jabrb. n. Deatteher Nekrolog. 3. Bd. l5
242
Leo.
und gelangte 1854 durch die genannte Vermählung nicht nur in glänzende
Verhältnisse, die ihn jeglicher Sorge enthoben und seinen litterarischen Lieb-
habereien freien Spielraum Hessen, sondern auch in ausgesuchte gesell-
schaftliche Beziehungen. Vielseitig hat er, angesehen und persönlich ganz un-
abhängig, an vier Jahrzehnte gewirkt, bis ihm die einzige, über alles theure
Tochter und kurz danach die geliebte Gattin gestorben und sich der betagte,
doch durchaus rüstige Mann der Verwendung des grossen Vermögens zu
idealen Verfügungen hingab. Das Testament setzte zum Haupterben die
Stadt Berlin, der er lange als, treu der freisinnigen Sache ergebener, Stadt-
verordneter, zumal in Schul- und Wohlfahrtsausschüssen, auch in dem Asyl-
Verein für Obdachlose und in dem für Volksbäder, gedient hatte, für humani-
täre Zwecke ein, besonders zur Ausbreitung und Ausgestaltung von Volks-
bibliotheken mit einem Jedermann täglich zugänglichen Lesesaal (vgl. seine
Flugschrift »Volksbibliotheken in England« 1896). Ferner bedachte er
die »Deutsche Shakespeare-Gesellschaft«, deren emsiges Mitglied, auch im
Vorstande, er seit der Gründung 1864 gewesen, mit einer beträchtlichen
Stiftung, sowie seiner umfänglichen Shakespeare -Bücherei. Seit Jahren trug
er den, vom Weimarer Grossherzog verliehenen, Professor-Titel.
Als freischöpferischer Belletrist war L. insbesondere lyrisch thätig. Seine
»Gedichte«, wohl bis vor 1843 hinaufreichend, 1870 gesammelt, 1872 und
1886 vermehrt aufgelegt — eine 4. erweiterte Ausgabe verhinderte der
Tod — zeigen Gewandtheit und Fülle, Maass in Form, Gedanke (Sinn-
sprüche) und Stimmung (Halbballaden). Als Virtuosen der Gelegenheits-
poesie bekundeten ihn z. B. die 1890, 1893, 1896 vertraulich dargebotene
»Reimchronik der Fraktion der Linken« der Berliner Stadtverordneten-
versammlung und die vielen Lieder des »Meisters vom Stuhl« zu Freimaurer-
festen. L.'s Freunde erstaunte 1893 das reizende kinderkundige Büchlein
»Von vielen kleinen Siebensachen, die Euren Eltern Sorge machen«, mit
Zeichnungen von Wold. Friedrich (2. Aufl. 1895). 1875 erschien ein kleines
und frisches Lustspiel in 2 Acten »Ein Hochverräther« , unter dem meta-
thetischen Pseudonym Aug. Olfer, als Bühnenmanuscript, wie 1876 der ein-
fache, knappe einactige Schwank, frei nach dem (?) italienischen Originale
»Ein Genie.<. Seit dem Aufenthalte in Kopenhagen hatte sich L. nach-
drücklich mit den skandinavischen Sprachen und Litteraturen beschäftigt und,
vornehmlich aus dem Dänischen, fleissig und gut verdeutscht. U. a. Henrik
Hertz »Kong Rends Datter« mit andauerndem Erfolge (seit 1846 über ein
Dutzend Auflagen), desselben »Svend Dyrings Hus« (1848), ausser diesen
Dramen mancherlei von Hertz' Vorbild Joh. Lud. Heiberg, z. B. dessen
apokalyptische Comödie »Eine Seele nach dem Todee (1861), mit charakteri-
sirender Vorrede. 1856 agitirte er dafür, die berühmte Handschrift von Ulfilas
gothischer Bibel in Upsala photolithographisch zu vervielfältigen. Die Durch-
führung zerschlug sich trotz L.'s Opferwilligkeit an den durch Subscribenten
nicht gedeckten Kosten und seine 63 ergebnissreichen (vgl. L.'s Artikel
»Eine Lesart im Codex Argenteus , Ztschr. f. vergleichende Sprachforschung VI,
193 — 201) Glasplatten warten in der Kgl. Bibliothek zu Berlin noch heute
der Auferstehung. Nordgermanische Union und eine Deutschlands befür-
wortet das Heft »Deutsche Einflüsse in Dänemark« (1862), ein Vortrag wie
»Das Weib in der Gesellschaft« (1881), wo seine milde Art mit geschichtlichen
und psychologischen Gründen vermittelt.
Ti.'s Theilnahme und Arbeit gehörte aber seit 1853 in erster Linie Shakc-
Leo. Unkart.
243
speare. Indem er den britischen Dichterfürsten menschlich und ästhetisch
verehrte und verschiedene Probleme der Shakespeare-Forschung auch philo-
logisch in Angriff nahm, hat er durch eine Reihe eigener Untersuchungen
und textkritische Glossen, durch Drucklegung wichtiger Documente, durch
feinfühlige Uebersetzungen, durch Anzeigen und Anregungen anderer, nament-
lich auch durch die seit 1879 »im Auftrage« besorgte Redaction des »Jahr-
buchs der deutschen Shakespeare-Gesellschaft (XV — XXXIV) unser Wissen und
Verständniss des gewaltigen Genius vielseitig gefördert. Das Wichtigste davon:
»Beiträge und Verbesserungen zu Shakespeares Dramen nach handschriftlichen
Aenderungen in einem von Collier aufgefundenen Exemplare der Folio- Ausgabe von 1632
für den deutschen Text bearbeitet« (1853); »Die Dcliusschc Kritik der von Collier auf-
gefundenen alten handschriftlichen Emendationen zum Shakespeare gewürdigt« (1853);
»Shakespeares Coriolanus. Die Deliussche Ausgabe dieser Tragödie kritisch beleuchtet«
(i86i); »Die neue englische Textkritik des Shakespeare« (Jhrbch. I, 1864); »W. Shake-
speare's Coriolanus. Edited . . .« (1864); »Shakespeares Frauen-Ideale« (1869); »Shake-
speares Antonius und Cleopatra. Auf Grundlage der Tieckschen Uebersetzung neu be-
arbeitet und für die Bühne neu eingerichtet« (1870; vgl. K. Frenzel, Berliner Dramaturgie,
I 256—264); »Shakespeares Macbeth, neu übersetzt« (mit bedeutsamer Einleitung, 1871;
in der Neubearbeitung des Schlegel-Tieckschen Uebersetzungswerks der Dtsch. Sh.-Gsllsch.
XII, 163 ff.); »Four chapter's of Norths Plutarch ... as sources to Shakespeare's tragedies
Coriolanus, Julius Caesar, Antony and Cleopatra and partly to Hamlet and Timon of
Athens« (1878); »Shakespeare, das Volk und die Narren« (Jhrbch. XV, 1880); »Be-
merkungen über neue Textausgaben (ebd.); »Shakespeares Ovid etc.« (Jhrbch. XVI, 1881);
»Eine Concordanz der Shakespeare-Noten« (Jhrbch. XX, 1885); »Verzeichniss noch zu er-
klärender oder noch zu emendirender Text-Lesarten« (ebd.); »Shakespeare-Notes« (1885);
»Hilfsmittel bei Untersuchungen über Shakespeares Sonette« (Jhrbch. XXIII, 1888);
»Parallel-Zühlung der Globe Edition und ersten Folio« (ebd.); »Shakespeare und Goethe«
(Jhrbch. XXIV, 1889); »Rückblick auf das 25 jährige Bestehen der Deutschen Shakespeare-
Gesellschaft« (ebd.); »Rosenkrantz und Guldenstern« (Jhrbch. XXV, 1890); »Geflügelte
Worte und volksthUmlich gewordene Aussprüche aus Shakespeares dramatischen Werken
zusammengestellt« (Jhrbch. XXVII, 1892); »Kuno Fischers Hamlet« (Jhrbch. XXVIII, 1897).
L.s vielen kleinere Notizen, Miscellen, Referate, Nekrologe verzeichnen die Register des
»Jahrbuchs«, dessen periodisch erneuertes General-Register, auch der Catalog der Bibliothek
der »Dtsch. Sh.-Ges.« Shakespeares Sonette 18, 40, 71, 76 sind verdeutscht in Leos
»Gedichten«, 2. Aufl. S. 226—229, in der 3. noch weitere.
Persönliche Eindrücke. Mittheilungen, besonders Leoscher Schriften, seitens Frl. He-
lene Bril, die treu und verständnissvoll dem Wittwer zur Seite stand und das Hauswesen
leitete. Sorgfältiger Nekrolog von seinem langjährigen Freunde Albert Cohn, Shakespeare-
Jbrbch. XXXV (davor Bildniss) 281—294. Notizen der Berliner Zeitungsblätter nach dem
'r^*^*- Ludwig Fränkel.
Unkart, Gustav, kaufmännischer Organisator, * 25. Juli 1842 zu Leob-
schtitz, f 22. Februar 1898 zu Hamburg. Sohn eines Pfarrers, wuchs er zu
Neuhaus bei Sonneberg i. Th. auf, ist aber durch die vielen Arbeitsjahre,
die er in der grossen Handelsmetropole an der Elbemündung zugebracht hat,
und die umfängliche einschneidende Wirksamkeit zu Gunsten der dortigen
Geschäftswelt ganz Hamburger geworden. 1870 wurde U. in die »Verwaltung«
(d. i. Vorstand) des »Vereins für Handlungscommis von 1858 in Hamburg«
dem er sieben Jahre als Mitglied angehört hatte, gewählt. Der Verein zählte
damals 3000 Mitglieder, eine für jene Zeit bemerkliche Ziffer. Bis zu U.'s Tode
war diese auf 55 000 gestiegen; ausser dem allgemeinen merkantilen Auf-
schwünge und den günstigen Zeitverhältnissen hauptsächlich durch U.'s un-
ablässige energische Thätigkeit. Denn in den 22 Jahren, während deren er
den Vorsitz geführt hat, entwickelte sich der Hamburger Verein zum grössten
kaufmännischen Institut der Erde, an den unter Zurechnung seiner Zweig-
i6*
244
Unkart. Heerklotz.
gründungen nur wenige menschliche Genossenschaften an Mitgliederzahl und
Ausdehnung des Wirkungskreises heranreichen. Er betrieb zuerst die Stellen-
vermittlung in weitesten Linien und zeigte damit einen glatten Weg, der prak-
tischen Socialpolitik des Staates mit positiver Hilfe unter die Arme zu greifen. Alle
verwandten Oegenseitigkeits-Unternehmungen des deutschen Kaufmannsstandes
lehnen sich daran an. Die Pensionskasse des Hamburger Vereins, dessgleichen
den andern Muster, besass bei U.'s Ableben an 7000 Mitglieder und 4V, Mill.
Mark Vermögen. In dieser vorbildlichen Organisation, die ihre Grösse und
Vollkommenheit zum besten Theile ihm verdankt, concentrirte sich sein
Denken und Streben, ruhte und nährte sich seine Kraft. Aber U.'s Umblick
zog auch die Tausende von Handelsangestellten ins Bereich seiner Sorge,
die nicht dem Hamburger Verein angegliedert oder ähnlich zusammengefasst
waren. Sein Werk wird fortdauern, in seinem Sinne wachsend, und eine
»Unkart-Stiftung« für bedürftige Handelsbeflissene seinen Namen verewigen.
Nachruf (mit Bildniss nach einer Hamburger Photographie) von A. M. i. d. »Garten-
laube« 1898, Nr. 17, Beilage. Nekrologe in den Hamburger Tageszeitungen.
Ludwig Fränkel.
Heerklotz, Adolf, Politiker und Erzähler, * 13. Juni 1823 in Bömchen
bei Oederan im Vogtld. (der Vater Carl Gottlob war Steiger auf der nahen
Orube Johannes), f 31. (oder 30?) Januar 1898 zu Dresden. Nach Absol-
virung des Gymnasiums zu Freiberg, wohin der Vater als Obersteiger ver-
setzt worden, besuchte er, vom Studium der Bergwissenschaften auf der
Freiberger Akademie schnell abgekommen, 1844 — 47 als Philolog und
Theolog (dies gab er später auQ die Universität Leipzig. 25 Jahre alt
wurde H. nach dem Staatsexamen an der Realschule zu Annaberg ange-
stellt. Wie fast die ganze gebildete Jugend zog ihn die damalige Frei-
heitsströmung in ihren Bann, und als feuriger, alle begeisternder Redner,
zumal als Obmann des demokratischen »Vaterlandsvereins« für Buchholz
und Annaberg, spielte er eine eindrucks-, ihm verhängnissvolle Rolle.
1849 rückte er beim Ausbruche des Aufstandes an der Spitze von Frei-
schärlern nach Dresden, wurde nach Niederwerfung der Revolution im
Mai 1849 ^" Annaberg verhaftet und mit Hitzschold, Haustein, Götz und
Stützner auf Schloss Wolkenstein internirt. Wie diese entging er lang-
jähriger Zuchthausstrafe nach einem halben Jahre durch die Flucht. Er
schlug sich nach Brüssel durch und wirkte da mehrere Jahre als Lehrer der
französischen und englischen Sprache, als Privatdocent an der Universität, so-
wie als Schriftsteller. Nach dreijähriger, ihn nicht befriedigender Thätigkeit
als Professor an der Akademie zu Lausanne (1854 — 57) lebte er wieder in
Brüssel und kehrte 1864 nach der General amnestie ins Heimathland zurück.
Er fand in Dresden, am damals weitberühmten Dr. Krauseschen Institut eine
Lehrerstelle, nach dessen Auflösung aber fristete er durch neusprachlichen
Unterricht und etwas Schriftstellerei nothdürftig sein Dasein. 1895 erst
wandelten sich die materiellen Sorgen des bescheidenen, längst schwer augen-
leidenden Mannes in traute liebe Pflege durch Aufnahme in das »Günzstift<^
der Stadt Dresden, wo er arm, aber hochgeachtet starb. — Ausser in Mit-
arbeit an wissenschaftlichen Blättern — seine Betrachtungen über die Odyssee
z. B. errangen viel Anerkennung — bekundete sich sein hochstrebender Geist
mannigfach belletristisch. Insbesondere sind zu erwähnen: das romantische
Epos »Janthe. Episode aus dem Tscherkessen-Kriege« (Meissen 1858), eine
Hecrklotz. Pirazzi. 245
mit Zugrundelegung geschichtlicher Angaben in Bodenstedts »Die Völker des
Kaukasus« in Ottave Rime geschriebene Liebes- und Heldenhistorie von 1841;
»Ein Frühling. Novelle« (Brüssel und Ostende 1861, H.'s Vater gewidmet),
ein etwas sentimental -sensationell behandeltes modernes Abenteuer vom
Genfersee; »Wallonisch und vlämisch. Novelle« (ebd. 1862), wie die vorige
aus selbstgeschautem Milieu erwachsen, Scenen aus dem Belgien des vorigen
Menschenalters, leicht zur Dorfgeschichte ansetzend, etwas weichlich wie
>Ein Frühling«, aber auch glatt und höchst gewählt stilisirt, wie alles, was
wir von H. kennen. Selbstständige Bücher Hess er sonst nicht drucken.
Originalmittheilungen des Gatten der Schwester H., die 1857-58 das Exil mit ihm
theilte, Oberpostsccretär C. C. Meyer in Dresden. Notiz i. d. Todtenschau der »lllustrirten
Ztg.« Nr. 2850 V. 10. Febr. 1898, S. 162; kurzer Artikel, sichtlich authentisch i. »Leipzg.
Tagebl.« Nr. 61 v. 4. Febr. 1898, 4. Big., S. 888. Ein Nekrolog i. d. »Deutschen Wacht«
(Dresden) blieb mir unzugänglich. _. , . t- .. 1 1
^ ** Ludwig Frankel.
Pirazzi, Emil, politisch-religiöser Publicist und Dramatiker, * 3. August
1832 zu Offenbach, f ebd. 8. Januar 1898. Enkel eines Piemontesen,
(iründers der noch bestehenden P'irma G. Pirazzi und Söhne zu Offenbach,
und Sohn von Joseph P. (1799 — 1868), der sich in den Dreissigern und
Vierzigern durch lyrische Veröffentlichungen in Tagesblättern, besonders aber
1845 durch Begründung der ersten deutschkatholischen CJemeinde Südwest-
deutschlands in Offenbach (Schrift P.'s darüber 1895) bekannt machte. Früh
ins Geschäft der Familie, dessen Theil- und Inhaber er später ward, ein-
getreten, reiste er 185 1 zur Londoner Weltausstellung, 1856-57 nach Griechen-
land und Aegypten mit dem berühmten Ethnologen Ad. Bastian, zurück über
Süd-Italien und -Frankreich, 1861-62 nach Florenz und Rom. Die ersten
Gedichte, Platensche Sonette, schrieb P. während einer Cur, Herbst 1851.
In die Oeffentlichkeit trat er zuerst mit einem Vorspiel zum 50. Todestage
Schillers, 9. Mai 1855, das im Berliner Opernhause von Auguste Crelinger
und anderwärts vorgetragen wurde, dann bei der Offenbacher Feier von Schillers
100. Geburtstage 1859, (wo auch ein Hymnus seines Vaters, gedruckt Schiller-
Denkmal«, 1860, II 273 f., gesungen wurde) mit der Festrede. Seitdem war P.
im öffentlichen Leben unermüdlich thätig. Seine nachdrückliche Theilnahme
an Entstehung und Ausbreitung des »National Vereins« 1859-60 zog ihm eine
kurze Gelängnissstrafe zu. 1855 hatte er in seiner Vaterstadt einen Zweig-
verein der Schillerstiftung begründet, 1858 rief er die »Freireligiöse Stiftung«
mit ins Leben, 1861 den »Deutschen Schützenbund« unter der Aegide
Ernsts von Coburg-Gotha. 1864 und 1865 trat er zuerst activ politisch auf,
mit einer zweimaligen litterarischen Kundgebung für die Schleswig-Holsteincr.
1872 bekämpfte er mit selbstgesammelten »Stimmen des Mittelalters wider
die Päpste und ihr weltliches Reich« die römische Kirche. Bei allen politischen
Wahlen seiner Heimath betheihgte sich P. rege, in nationalliberaler, anli-
sotialischer Richtung. Um seine Geburtsstadt hat er sich auch durch die
urkundlich sorgsamen »Bilder und Geschichten aus Offenbachs Vergangen-
heit« (Festschrift zur i. hess. Landesgewerbeausstellung 1879) verdient gemacht;
über ein Drittel handelt nach localen Quellen über Goethes Beziehungen zu
LiH und Offenbacher Freunden. — Als Dichter war P. vorzugsweise Drama-
tiker; seine Stücke, deren bedeutendstes (Gottschall, D. dtsch. Nationallitter.
5. Aufl., IV, 82) >^Rienzi der Tribun <s (1873), verzeichnet authentisch Kürschners
Utteraturkalen der (zuletzt XX, 1898, S. 1007) mit den wichtigsten übrigen
2a6 Pirazzi. Bingmann. Böttcher.
Schriften: darunter die lyrisch -epische Hauptsammlung »Im Herbste des
Lebens« (1888) und freireligiöse Agitationsschriften.
Kurzer Abriss bei Brummer, »Lex. dtsch. Dichter 11. Pros. d. 19. Jhrh.« 4 III 225.
Zahlreiche Zeitungsnotizen unmittelbar nach dem Tode (ausführlicher Nekrolog »Offen-
bacher Zeitung« v. 10. i. 1S98, Nr. 7, Feuilleton von rn), mir nebst den Schriften meist
durch die Wittwe zugänglich, desgleichen eine handschriftliche »(auto)biographische Skizze«
von 1887. Zum Drama »Gräfin Chateaubrian«, vgl. F. Wehl, 15 Jahre Stuttgarter Hof-
theaterleitung, S. 539 — 542.
Ludwig Fränkel.
Bingmann, C. F., Superintendent der Hessischen lutherischen Freikirche,
* 22. Februar 1822 in Oberrossbach, f 16. Februar 1898 in Höchst a. d. Nidda
Ein Sohn der rauhen oberhessischen Berge hat B. Zeit seines Lebens, von
Anfang seiner geistlichen Thätigkeit im Sturmjahre 1848 an bis zu seinem
Ableben als Haupt und Superintendent der »lutherischen Freikirche in
hessischen Landen«, das Heil und Ideal wahren Christenthums in einem
Lutherthum gesucht und mit glühendem Eifer vertreten, dem in zähem und
starrem Festhalten an rechtgläubiger »Reinheit« der Lehre nichts so ver-
abscheuungswürdig erscheint, als wie der Anschluss an die friedlichen Einheits-
gedanken und -Ordnungen einer landeskirchlichen »Union«. Schon m seinen
ersten Jahren, als er 1849 eben Pfarrer in Höchst an der Nidda im Bezirk
Wiesbaden geworden war, rief er mit gleichgerichteten Parteifreunden die
»lutherische Einigung«, einen Bruderbund streng lutherisch gesinnter Geistlicher
und Laien ins Leben. Nach der Annexion Hessens durch Preussen trieb er
den Widerstand gegen die unirte Kirchenverfassung zum Aeussersten. Nach
mehrfacher Suspension von Amt und Gehalt erfolgte endlich am 25. Juni 1875
seine Absetzung wegen Renitenz gegen die neue kirchliche Verfassung vom
6. Januar 1874. Ein Theil der Gemeinde hielt aber an ihm fest und wurde
von ihm ruhig weiter bedient. Dass er wiederholt wegen unbefugter Aus-
übung von Amtshandlungen zur Rechenschaft gezogen wurde, konnte ihn
weiter nicht beirren. Endlich wurde es ihm unmöglich gemacht, in Höchst
noch eine Wohnung zu finden. So zog er nach dem etwa eine Stunde ent-
fernten Dorfe Stammheim und seine Getreuen kamen, wenn geistliche Ver-
richtungen vorlagen, nach wie vor zu ihm. Nach 10 Jahren hatten sie es
durch ihre Opferwilligkeit und brüderliche Beihülfe von Aussen so weit ge-
bracht, dass ein eignes Pfarrhaus und eine eigene neue Kirche in Höchst
dem Ausgesperrten sich aufthat. So kehrte B. im Winter 1885 nach Höchst
zurück, um von hier aus die Leitung der gesammten, sowohl im Grossherzog-
thum als in Kurhessen bestehenden altlutherischen F'reigemeinden weiterzu-
führen, bezw. neu zu übernehmen. 1877 war er von den ersteren zu ihrem
Superintendenten erwählt worden; 1893 unterstellten sich ihm die letzteren
und bildeten nun, unter ihm oberhirtlich zusammengeschlossen »die lutherische
Freikirche in hessischen Landen«. Auch im hohen Alter noch ungebeugt und
bekennerfreudig wurde er kurz vor seinem F^in tritt ins 77. Lebensjahr seinem
kämpfereichen Leben durch den Tod entrissen.
Kohlschmidt.
Böttcher, Karl Julius, Pastor emer., * 11. Mai 1831 in Dresden,
f 12. März 1898 in Niederlössnitz. B. begann seine geistliche Laufbahn
1858 als Diaconus in Reichenbach in der sächsischen Kreishauptmannschaft
Zwickau. In den Kämpfen der sächsischen Landeskirche um die Abre-
Böttcher. .Ciaassen.
247
niintiationsformel im Taufritus: P'ntsagest Du dem Teufel etc. trat er als
eifriger Vertheidiger ihrer Beibehaltung hervor, »von vielen verlästert und
fast von allen verlassen^«. 1865 übernahm er sodann das Pfarramt in Tannen-
berg bei Geyer, von wo er aber bereits 1868 nach Riesa im Dresdener Bezirk
übersiedelte. Doch auch hier kam es bald zu erbitterten Kämpfen zwischen
ihm und dem Kirchenvorstand, die erst mit seinem Weggang (1876) nach
Sachsenburg, wohin er als Pastor und Anstaltsgeistlicher berufen wurde, ein
Ende nahmen. B. war langjähriger Redacteur des freilutherischen »Pilger
aus Sachsen«, der unter seiner Leitung zu einem vielgelesenen Organ des
sächsischen Lutherthums emporgedieh. Auch wird ein zusammenfassendes
Werk von ihm über die deutschen evangelischen Kirchen »Germania sacra«
als werthvoll gerühmt.
»Ev. luth. Kirchenzeitung« 189S Nr. 13, »Sachs. Kirchen- u. Schulblatt« 1898.
Kohlschmidt.
Ciaassen, Johannes, ♦ 24. October 1835 in Königsberg i. Pr., f Q.April
1898 in Calw. Ein litterarisch ungemein productives Leben hat mit dem
Tode des bekannten Theosophen und Herausgebers des »Calwer Bibellexicons«
C. (Pseudonym: Clara vallensis, auch Clarissa) seinen Abschluss erreicht. Be-
reits seine ersten Publicationen aus dem Jahre 1866 »Tragie und Triumph«
und ^Staat und Erziehungswesen« verrathen den Probleme suchenden und
religiös-ethisch sie vertiefenden Geist. Sein erstes und eigentliches Haupt-
werk ist seine »Philosophie der Freiheit. Eine Weltanschauung im Lichte
der Wahrheit« (Gtitersloh 1877, Bertelsmann), die er 1887 in IL Auflage er-
scheinen Hess. Zu den praktisch-kirchlichen und sittlichen Fragen der Zeit
nahm er das Wort in seinen Abhandlungen »Der Dom, der Kirchenbau und
die Geisteskirche« (1880), der vielgelesenen, unter obengenanntem Pseudonym
herausgegebenen Broschüre »Die sechs Giftbäume im deutschen Felde und
der Lebensbaum« (1881), einem Essay »Kunst und Schauspiel« (1883), seiner
Kritik »Die drei Grundschäden der evangelischen Landeskirchen und der Weg
zu ihrer Heilung (1886), sein Aufruf »Reinheit, Einheit!« (1887), endlich
unter dem gleichen Pseudonym Claravallensis eine recht kräftige und heftige
theologische Polemik gegen Albrecht Ritschi »Die falschmünzerische Theologie
A. Ritschis und die christliche Wahrheit« (1891).
Ein dankenswerthes Verdienst hat er sich unstreitig weiter erworben durch
die Herausgabe und Bearbeitung der W^erke Jacob Boehmes, des Görlitzer
Schuster-Theosophen (1886/7), sowie der des »Magus des Nordens« Hamann
(IL Aufl. 1888) und des französischen Theosophen Louis Claude de St. Martin,
(1891), indem er mit der Wiedergabe ihrer Werke immer eine Darstellung
ihres Lebens, ihrer Entwicklung und Bedeutung im Zusammenhang ihrer
Zeit und für Heute verband. Ebenso gab er eine zweibändige Bearbeitung
von »Franz von Baaders Leben und theosophischen Werken als Inbegriff
christlicher Philosophie. Vollständiger Auszug in geordneten Einzelsätzen«
heraus (1886/7), und ferner, als besonderes Schriftchen, aus sämmtlichen
Schriften des Münchener Naturtheosophen ausgezogen > Franz von Baaders
Gedanken über Staat und Gesellschaft, Revolution und Reform« (1890).
Schätzbare Beiträge zur Litteraturgeschichte aus seiner Feder sind die Mono-
graphien «Annette von Droste-Hülshoff (1879, ^^- Aufl. 1883), »Lessings Leben,
Theologie und Philosophie (1881), »Dantes Leben und Liebe« (1882),
»Bogatzkys Leben und Lieder (1888). In eigenen poetisch-prophetischen
248 Ciaassen. Förster.
Stimmen hat er seiner Natur- und Weltanschauung Ausdruck gegeben — nach
den dichterischen Anfängen 1873 — 75 »Lilienkranz<', » Wüstenähren <v, »Unver-
klungen« — in seiner Abhandlung »Siebenfältige Natur-Betrachtung« (1884)
und insbesondere eingehend in den Dichtungen »Schöpfungsharfe« (1893)
»Himmelsschlüssel« (1895), in dem dreigetheilten »Schöpfungsspiegel« (1896/7),
der die Welt von Licht und Farben, der Kräfte und Elemente, der Pflanzen
zusammenschauen und durch sie hindurchschauen lassen will zur theosophischen
Einheit in Gott. Seine letzten Dichtungen, in denen die Töne seiner jungen
Jahre widerklingen, er aber doch sich bereits auf den Abschied einrichtet,
sind die »Leidensblumen« (1896) und^ die »Heimathsstimmen« (1897). Speciell
biblische Themen sind von ihm im gleichen Geiste behandelt in den »Sieben
Sendschreiben der Oflfenbarung St. Johannis und die Kirchengeschichte«
(1889) und in seinem letzten Werke »Das Evangelium nach Johannes. Ein-
leitung. Erstes Capitel erläutert« (1897). Mag auch das Meiste von seinen
Werken vom Strome der Zeit im neuen Jahrhundert hinw^ggespült sein, seine
fleissigen monographischen Reproductionen und vor Allem sein Bibellexicon
werden sicher in Vieler Hände bleiben.
Kohlschmidt.
Förster, Theodor, Superintendent, Oberpfarrer und Professor, Dr. theol.,
♦28. Januar 1839 in Lützen, f 28. August 1898 in Halle a. S. F. entstammte
einem alten Pfarrergeschlecht, das durch 6 Generationen hindurch in ununter-
brochener Linie der deutsch -evangelischen Kirche Sachsens manch wackeren
Diener gegeben hat. Doch ist wohl bei keinem seiner Vorväter die Lebensarbeit
so vielseitig gewesen und der frühe Tod noch in der Fülle der Mannesjahre so
viel betrauert worden, als das Hinscheiden des Hallenser Superintendenten
und Professors, dem es doch vergönnt war, über 30 Jahre — und ein Viertel-
jahrhundert in leitender Stellung — mit reichen Gaben des Geistes und
Charakters seiner Kirche zu dienen. Nach Abschluss seines Studiums und
weiterer Vorbereitung für den mit begeisterter Liebe erwählten Lebensberuf
trat er 1866 als Prediger und Inspector am Domcandidatenstift in Berlin ins
geistliche Amt ein. 1869 übernahm er die Stelle eines Archidiaconus in dem
freundlichen Städtchen Stolberg am Südharz. 1872 erfolgte seine Berufung
als Pfarrer und Superintendent in Grossjena bei Naumburg, 1877 sein Eintritt
in die Stadtgeistlichkeit von Halle, zunächst als Diaconus, von 1880 an als
Oberpfarrer an der Marienkirche und Stadtsuperintendent. Zugleich wurde
ihm als Kreisschulinspector die Aufsicht über das Schulwesen der Ephorie
übertragen, und er verstand es, mit all diesen in vorbildlicher Pflichttreue
verwalteten Aemtern auch noch eine fruchtbare akademische Lehrthätigkeit zu
verbinden, zu der ihm durch die Ernennung zum ausserordentlichen Professor
die Gelegenheit gegeben ward. Unter seiner Leitung als Vorsitzender des
Kirchbauvereins ist Halle um zwei neue Kirchen, das Stephanus- und Johannes-
kirchspiel, bereichert worden; die Gründung einer dritten Parochie, zu
St. Paulus, hat er noch in seinen letzten Jahren angebahnt. Was er durch
geistvoll packende Predigten und in unermüdlicher Seelsorge, insbesondere
auch in Fürsorge für die heranwachsende Jugend und ihre religiöse Erziehung,
zur Hebung des Gemeindelebens seiner Heimathsstadt beigetragen, was er
w^eit über deren Kreis hinaus als einer der Führer der evangelischen Mittel-
partei am kirchenpolitischen Leben seiner Provinzialkirche und der preussischen
Landeskirche mitgearbeitet hat, was ihm als thatkräftigem Mitgliede des
Förster.
249
Evangelischen Bundes und des Gustav Adolph-Vereins mitzuhelfen vergönnt
war , was von ihm auch der gelehrten Welt durch eine reiche Reihe tüchtiger
historischer und praktischer Veröffentlichungen geboten worden ist, dem ist
bei seinem Ableben in ergreifenden Nachrufen dankbarer Ausdruck verliehen
worden. Eine Aufzählung seiner zahlreichen litterarischen Arbeiten wenigstens
darf doch auch hier nicht fehlen. Eröffnet wurden sie 1865 mit einer Disser-
tation »De doctrinaDionysüMagni«, der 1869 eine Centenarschrift zum Gedächtniss
des reformfreundlichen Papstes Clemens' XIV. »Eine Papstwahl vor 100 Jahren«
folgte. Dasselbe Jahr brachte noch eine verdienstliche Arbeit über den ersten
der grossen griechischen Kirchenväter, Chrysostomus, aus seiner Feder. In
einerweiteren, 1874 folgenden Monographie »Drei Erzbischöfe vor 1000 Jahren«
brachte er die drei kraftvollen fränkischen Kirchenfürsten und Vorkämpfer
für kirchliche Reform und nationale Selbstständigkeit gegen römisch-päpstliche
Arroganz und Idololatrie: Claudius von Turin, Agobard von Lyon und
Hinkmar von Rheims zu lebensvoller Darstellung. Mit welcher Antheilnahme
er auch die innerkatholische romfreie Bewegung der Gegenwart verfolgte,
bezeugt ein werthvoller Aufsatz in den »Deutsch-evangelischen Blättern« von
1879 über »Die gegenwärtige Lage des deutschen Altkatholicismus.» Eines
seiner wissenschaftlich bedeutendsten Werke ist die »Darstellung des Lebens
und Wirkens des Bischofs Ambrosius von Mailand« (1884), das ihm die Er-
nennung zum Dr. theol. hon. causa von der Hallenser Facultät eintrug. 1887
und 1892 gab er »Evangelische Predigten, eine Gabe für die Gemeinde« her-
aus, denen sich 1895 »Neue Predigten über das Vaterunser« unter dem Titel
»Ihr sollt mein Antlitz suchen« anschlössen. Das Jahr 1891 wurde ihm Anlass
zu einer geschichtlich wohlorientirten polemischen Broschüre gegen »Den
Heiligen Rock von Trier« und 1895 behandelte er »Luthers Wartburgjahr«
nach seiner Bedeutung für die Geschichte der deutschen Reformation und
die Entwicklung des werdenden Reformators.
Von dem, was er für die Bereicherung des evangelischen Religionsunter-
richts in Schule und Kirche gewollt und geleistet hat, giebt das gemeinsam
mit Falke von ihm bearbeitete Religionsbuch für evangelische Schulen«, das
1897 die 9. Auflage erlebte, und wohlausgewählte »60 Geschichten aus dem
Alten Testament für Sonntagsschulen« (1896) Zeugniss. In den Beyschlag'schen
»Deutsch-evangelischen Blättern«, unter deren eifrigsten Mitarbeitern er zählte,
hat er nicht selten und immer massvoll besonnen und gewichtig zu den
zeitbewegenden theologischen und kirchlichen Tagesfragen das Wort ge-
nommen. Ausser der bereits genannten Arbeit über den Altkatholicismus
notiren wir sein Votum über »Bedeutung und Gebrauch des apostolischen
Bekenntnisses im Cultus«, »Vier Jahre Culturkampf«, »Ein Capitel preussischer
Kirchenpolitik«, »Katholische und evangelische Heidenmission«, »Land und
Staat in ihrem Verhältniss zum geistlichen Amt«. Wie auch den ausser-
deutschen kirchlichen Dingen sein dauerndes Interesse zugewendet war, ist
zu ersehen aus den Aufsätzen »Die theologisch-kirchliche Entwickelung in
der Schweiz in den letzten 50 Jahren« und »Die römisch-katholische Kirche
in den Niederlanden« (im Anschluss an Nippolds gleichnamiges Werk). Aus
der Vergangenheit für die Gegenwart zu lernen und zu lehren, ist er in den
Beiträgen »Zur Kirchengeschichte des 18. Jahrhunderts« und »Joseph II. und
Pius VI« bemüht. — Erst nach langem qualvollem Leiden hat der Tod
diesem vielthätigen Leben ein Ziel gesetzt.
Vgl. xHallesche Zeitung« 1898 Nr. 401—405. Kohlschmidt.
250
Goeschen. Nitzsch.
Goeschen Adolph, Generalsuperintendent, Dr. theol., * am 20. Februar
1803 in Königsberg, f am 27. März 1898 in Harburg. Seine Kindheit und Jugend
verlebte G. in Berlin in vielbewegter Zeit, in der die Stürme der Freiheitskriege
unvergesslich an dem Gemüth des zehnjährigen Knaben vorüberzogen. Zum
Studium der Theologie bezog er jedoch die Hannover'sche Landesuniversität
Göttingen, wo derzeit der jüngere Planck als Exeget, Stäudlin als Ethiker
und Eichhorn als Vertreter der Orientalia das Erbe des alten Rationalismus
mit neuem Geist zu beleben verstanden. 23 jährig empfing G. die Ordination;
in den nächsten 3 Jahren (1827 — 1829) war er als Repetent am Göttinger
Stifte thätig und wurde von da als Anstaltsgeistlicher an das Zuchthaus in
Celle versetzt. Hier erwuchs ihm eine besonders schwierige Aufgabe gegen-
über einer grösseren Anzahl Hannover'scher Beamten, die wegen ihrer
Opposition gegen die vom König Ernst August vollzogene Aufhebung des
Staatsgrundzehntes dort inhaftirt waren. Doch hat er der hieraus erwachsenden
eigenartigen seelsorgerlichen und gesellschaftlichen Pflichten sich getreulich
angenommen und mit viel Geschick und Tact entledigt. Auch hat die von
Elisabeth Fry getragene und ihm persönlich von ihr selbst bei einem Besuche
in Celle nahe gebrachte Bewegung zur Fürsorge für Strafgefangene und ent-
lassene Sträflinge an ihm einen warmen Freund und Förderer gefunden; wie
er auch die damals in Deutschland noch wenig vertretene Sache der Heiden-
mission durch öffentliche Vorträge zu heben suchte. 1856 führte ihn sodann
eine ehrenvolle Berufung als Generalsuperintendent des alten Fürstenthums
Lüneburg und Harburg Dannenbergischen Theils nach Harburg. GÖttingen ehrte
ihn dabei durch Verleihung der theologischen Doctorwürde. Nahezu 30 Jahre
lang hat er da in Segen . gewirkt und sich in seinem milden und doch ent-
schiedenen Character viel Liebe und Anerkennung erworben. 82 Jahre alt
trat er endlich bei der Neuorganisation der Hannover'schen Kirchenbehörden
im Jahre 1885 in wohlverdienten Ruhestand, blieb aber auch von da an
noch als Mitarbeiter seines in Harburg als Landrath thätigen Sohnes bei
Erledigung von Kirchen- und Schulsachen gerne und sachkundig mitbetheiligt.
Ein sanfter Tod hat seinem Leben das Ende gebracht.
»Allg. Ev. luth. Kirchenzeitg.« 1898, No. 14.
Kohlschmidt.
•
Nitzsch, Friedrich August Berthold, Professor, Dr. theol., * 19. Februar
1832 in Bonn, f 21. December 1898 in Kiel. Der Sohn eines als Theolog
wie als Kirchenmann gleich berühmten und hochgeachteten Vaters, schien N.
antänglich doch durchaus nicht das schon vom Grossvater her überkommene
Erbe seines gelehrten theologischen Hauses übernehmen zu wollen. Nach
einer lebhaft angeregten poesievollen Jugend in der rheinischen Universität-
stadt Bonn und ihrer herrlichen Umgebung, wo er bis zu seinem 15. Jahre
inmitten einer Welt voll geistiger Interessen und geistvoller PersönUchkeiten
aufwuchs, war er entschlossen, nachdem er mit der Uebersiedelung seines
Vaters nach Berlin verpflanzt war, beim Uebergang in das akademische
Studium zunächst der Philologie sich zu widmen. Er hörte bei Trendelenburg,
Boeckh und Ranke philosophische und historische Collegien. Doch wusste auch
sein Vater den jungen vielseitig emi)länglichen Studenten an seinen Hörsaal
zu fesseln. Als er im 3. Semester nach Halle ging, war er für das
theologische Studium gewonnen. Neben Tholuck haben dort Hupfeld, Julius
Müller und Thilo die betretene Bahn ihn weiter geführt. Nach 2 Semestern
Nitzsch.
251
kehrte er nach Berlin zurück, um hier unter Hengstenberg, Vatke und der
Leitung seines Vaters, so heterogen diese Persönlichkeiten waren, getreulich
und fleissig weiter zu arbeiten. Dass er dabei das Interesse für das humanistisch-
historische Gebiet nicht verlor, bezeugen seine ernsten Studien, denen er bei
Curtius oblag. Als eine erfrischende Bereicherung schlössen sich zwei Studien-
semester in seiner lieben rheinischen Vaterstadt an, wo Bleek und Steinmayer,
Rothe und Ritschi einen verständnissvollen Jünger an ihm fanden, ins-
besondere Rothe mit seinen feinsinnigen Vorlesungen über Ethik und das
Leben Jesu, Ritschi mit der umfassenden Art seines dogmatischen Con-
versatoriums. Brandis und der geistig bewegte Kreis um ihn sorgten für
seine Ideale im Reich des Schönen. Weiter folgten zwei Semester in Berlin,
die nun dem Abschluss seiner akademischen Lehrjahre galten. 1855 bestand
er die theologische Candidatenprüfung und übernahm bald danach als Colla-
borator am Grauen Kloster in Berlin sein erstes vorbereitendes geistliches Amt.
Doch nur für ein Jahr. Seine Veranlagung wie seine vielseitige Bildung drängte
ihn zur akademischen Laufbahn. Im Juli 1859 habilitirte er sich in der
theologischen Facultät der Berliner Hochschule und führte sich durch eine ein-
dringende Arbeit über »das System des Boethius und die ihm zugeschriebenen
theologischen Schriften« (1860), die er seinem Vater zur Feier seiner
50jährigen Lehrthätigkeit widmen konnte, in die gelehrte Welt ein. N.
suchte darin den seither mannigfach wiederholten und modificirten Nachweis
zu führen und zu erhärten, dass der ehedem als Märtyrer katholischer Recht-
gläubigkeit vielgefeierte Verfasser »der Stunden der Andacht des Mittelalters,«
der Trostschrift de consolatione philosophiae, der durch seine lateinische
Uebersetzung und Commentirung des aristotelischen Organon der eigentliche
Wegbereiter der mittelalterlichen Scholastik geworden ist, vielmehr eklektischer
Philosoph als christlich bestimmter Theolog ist, dass sein System durchaus auf
dem Boden der antikheidnischen Philosophie erwachsen, nichts Christliches an
sich hat, ja nicht einmal mit der christlichen Lebensanschauung recht verträglich
erscheint. — Eine fünf Jahre später von N. publicirte Schrift über » Augustins
Lehre vom Wunder« war gleichfalls der Bestreitung und Correctur einer her-
gebrachten Ansicht gewidmet, dass nämlich Augustin unter dem Wunder
nicht versteht eine nur scheinbare Ausnahme vom Naturgesetz, das wir in
seiner ganzen Tiefe und Weite eben nicht verstünden, sondern einen wirk-
lichen »objectiven Widerspruch gegen den vorausgesetzten geschlossenen Zu-
sammenhang der Naturordnungen«; doch ist das Motiv zu diesem Wider-
spruch nicht etwa in einer Willkür Gottes, sondern in seinen der natur-
gesetzlichen Ordnung überlegenen und übergeordneten Heilszwecken zu finden.
Auf diese bedeutsame Schrift antwortete die theologische Facultät von Greifs-
wald 1866 mit der Verleihung der Doctorwtirde und zwei Jahre darauf
wurde N. als ordentlicher Professor nach Giessen berufen. Hier folgte den
beiden genannten Monographien 1870 ein zusammenfassender »Grundriss
der christlichen Dogmengeschichte«, bei dessen erstem, nur bis zum Eingang
des Mittelalters führenden Theil es jedoch verblieb. In diesem Compendium
suchte er, wiederum auf neuem eigenartigen Wege, im Gegensatz zu der
lisherigen nach loci theologici zergliedernden Darstellungsweise der Dogmen-
geschichte, den gesammten Stoff um die Lehre von Person und W^erk Christi
zu gruppiren und das characteristische Selbstgefühl der alten katholischen
Kirche über ihren Lehrtypus ans Licht zu stellen. 1872 folgte er einem
Rufe nach Kiel, das ihm zu einer über 25jährigen Lebensarbeit die eigent-
252
Nitzsch. Polstorff.
liehe Heimath werden sollte. Zum Lutherjubiläum 1883 brachte er von hier
aus eine gediegene Festschrift über Luthers Verhältniss zu Aristoteles. 1889
bot er in einer Rectoratrede eine feinsinnige Untersuchung über »die Idee und
die Stufen des Opferkultus« als Beitrag zur allgemeinen Religionsgeschichte.
Zwischenein floss eine Reihe von dogmenhistorischen Artikeln für Herzogs
Realencyclopädie (sowohl in IL als in III. Auflage) aus seiner Feder; des-
gleichen ein Aufsatz über »die Aufklärung des 18. Jahrhunderts« (in der
»Zeitschrift für Kirchengeschichte«) und eine Anzahl kleinerer Publicationen
»voll Bildungsfreundlichkeit, Weltoffenheit und eines tiefen ethischen Idealismus
seines durchaus deutschen Christenthums« ; ein liebenswürdiger Aufsatz in
den »Grenzboten« über »Poesie und Religion in der neueren deutschen
Litteratur« (1879) mit besonderer Berücksichtigung von Novalis und der
Romantik ; eine eindringende Auslegung der »Schlussworte des Goetheschen
Faust« (Preussische Jahrbücher LVI) ; eine in edlem nationalen und liberalen
Geist gehaltene Erörterung »zur Geschichte der Entwickelung des deutschen
Nationalbewusstseins, besonders im 18. Jahrhundert (»Nord und Süd« 1893-;
eine kraftvolle Kritik der »Weltanschauung Friedrich Nietzsche's« (»Zeitschrift
für Theologie und Kirche« 1897), dessen Irrgänge er treffend mit dem Bilde
beschreibt: »Der Dichter, vor den Wagen der Philosophie gespannt, ist wie
ein wildes Pferd durchgegangen und hat die Philosophie umgeworfen«. Doch
als N.'s eigentliches litterarisches Lebenswerk ist sein 1889 — 1892 publicirtcs
»Lehrbuch der evangelischen Dogmatik« zu bezeichnen, von dem bereits
1896 eine II. Auflage zu besorgen ihm die Freude ward. In der That ist
Geist und Durchführung dieser echt evangelisch weitherzigen und in die
Tiefe gehenden Darstellung des christlichen Glaubensinhalts fast in allen
theologischen Parteilagern gleich sehr anerkannt worden; man rühmte die
Zuverlässigkeit in der Bearbeitung der Litteratur, die klare und knajipc
Fassung der Probleme, die genaue Wiedergabe der zu Wort kommenden
Autoren, die präcise Herausstellung der Punkte, in wie weit ein Consensus
erzielt ist, die solide dogmengeschichtliche Fundirung, die charactervolle
Selbstständigkeit, die, wenn auch ohne kräftig impulsive Einseitigkeiten doch
mit den Mitteln der Sprache und Gedanken unserer Zeit im besten Sinne
apologetisch wirkt. So wird sein Werk dem edlen frühvollendeten Manne
noch auf lange hinaus einen Namen unter den Besten seiner Zeit bewahren
helfen, und die Art seines »freien und frommen, nüchternen und tiefen, vor
allem tief ethischen Christenthums« wird hoffentlich noch immer im deutschen
Volke treue Freunde und Erben finden.
»Deutsch-evangelische Blätter« 1899, Heft II, S. 116 — 133.
Kohlschmidt.
Polstorff, Johann Friedrich Theodor, Superintendent und Consistorial-
Rath, Dr. theol., * 21. Februar 1824 in Hemmendorf, j 7. März 1898 in
Güstrow. Von Geburt Hannoveraner und auf dem Gymnasium in Hildes-
heim und der Göttinger I^andesuniversität vorgebildet, hat der verstorbene
Superintendent von (Güstrow doch in seiner ganzen Lebenszeit dem Mecklen-
burger Lande angehört, wohin er nach Abschluss seiner Studien ums Jahr
1848 als Hauslehrer kam. Nach kurzer Thätigkeit als Pfarrverweser wurde
ihm der Posten eines Geistlichen am Criminal getan gniss in Bützow über-
tragen und ihm so früh reichlich Gelegenheit geboten, das geistliche Amt in
einer seiner schwierigsten Aufgaben kennen zu lernen. 1853 erhielt er den
PolstorfF. Sombart. 253
Ruf als Archidiaconus nach Parchim und führte nun eine Schwester Th. Kliefoths
als Gattin heim. Hier gestaltete sich bald sein Verhältniss zu seinem Super-
intendenten, dem nachmaligen Oberkirchenrath Schliemann, zu einem äusserst
herzlichen. So wurde er auf dessen Vorschlag bereits 1859, erst 35 Jahre
alt, zum Superintendenten der grossen Diöcese Güstrow bestellt, an die oberste
Stelle unter 70 Pfarrern, deren bei weitem grösserer Theil natürlich an Alter
und Amtserfahrung ihm weit voraus war. Doch fast 40 Jahre lang hat er dort
mit Umsicht und Energie seinem Amte vorgestanden und für die gesammten
kirchlichen Angelegenheiten Mecklenburgs sich Verdienste erworben, für die
ebenso die Landesgeistlichkeit als drei seiner Landesfürsten warme "Worte
ehrender Anerkennung gefunden haben. Ins Consistorium und insbesondere
ins oberste Kirchengericht berufen und mit dem Vorsitze bei den Candidaten-
prüfungen betraut, hat er jedenfalls einen bedeutsamen Einfluss auch auf den
heutigen Character des Mecklenburger Kirchenwesens auszuüben verstanden.
In jugendlicher Rüstigkeit bis in's hohe Alter hinein, wusste er vor Allem die
jüngeren Geistlichen an sich zu fesseln und durch eignes fleissiges Studium
zumeist auf dogmatischem Gebiet, auf dem Philippi zunächst bestimmend auf
ihn einwirkte, hielt er selbst sein unentwegtes Lutherthum von einer starren
todten Einseitigkeit und Verknöcherung frei und auf einer angemessenen
wissenschaftlichen Höhe. Er hat den Doctorhut, mit dem Rostock ihn ehrte,
mit wohlverdienten Ehren getragen. Ein leichter Tod nach kaum verspürtem
und beachtetem Unwohlsein hat ihn wenig Tage nach seinem 74. Geburts-
tage abgerufen. In stattlichem Leichenbegängniss, bei dem auch die theolo-
gische Facultät und zahlreiche Behörden seines zweiten Vaterlandes vertreten
waren, ist ihm weit über die Grenzen seines engeren Wirkungskreises hinaus
ein letztes Ehrenzeugniss nachgerufen worden.
»AUg. Ev.-luth.-Kirchenzeitung« 1898 No. 12.
Kohlschmidt.
Sombart, Anton Ludwig, Geometer, Landwirth und Abgeordneter,
* 14. September 181 6 auf dem Rittergute Haus-Bruch bei Hattingen in
Wcstphalen, f 10. Januar 1898 in Elberfeld. Seine Vorfahren väterlicher-
seits sind während des vorigen Jahrhunderts als Kaufherrn und Rathsherrn
in Elberfeld nachweisbar, und wahrscheinlich als Refugiös aus Frankreich
Ende des 17. Jahrhunderts eingewandert; die mütterlichen Ahnen (I)uisberg)
gehen auf niederdeutschen-holländischen Ursprung zurück. S. hat seine Kind-
heit, bis zum 16. Jahre, auf dem Gute seiner Eltern, wo er von Hauslehrern
unterrichtet wurde, verbracht, und ist dann noch weitere fünf Jahre in West-
phalen verblieben, zunächst auf dem Realgymnasium zu Duisburg, wo er
1835 ^^s Abiturientenexamen bestand, dann in Essen, wo er als Baueleve
beschäftigt war. Seine persönliche Eigenart wird wesentlich durch diese
früheste Umgebung erklärt. Er blieb der Sohn der roten Erde sein Leben
lang mit dem ausgeprägten Sinn für festgefügte Ordnung, wie er sich nirgends
wieder so häufig findet als im Lande des Hofschulzen. Sein weiteres Leben
gehört äusserlich und innerlich der Provinz Sachsen, in der er vom Jahre
1837 bis 1875 gelebt und gewirkt hat. Als Beruf wählte S. zunächst die
in der Zeit der Separationen und Gemeinheitstheilungen besonders reizvolle
und einträgliche Thätigkeit des Geometers, die er bis zum Jahre 1848 in
Genthin und Hettstädt im Mansfelder Gebirgskreis ausgeübt hat, und die er
seines sich stetig verschlimmernden Augenleidens wegen, das ihn in seinem
254 Sombart.
Alter fast erblinden Hess, schliesslich aufgeben musste. Während dieser
Periode seines Lebens erwarb S. die feldmesserischen Kenntnisse, ohne die
er die Hauptaufgabe seines Lebens, die practische Colonisationsthätigkeit,
nicht hätte durchfiihen können. Eine Kette von Umständen fiihrten S. aus
der Beamtenlaufbahn mit dem Jahre 1848 in's politische und practische Er-
werbsleben hinein. Im Revolutionsjahr wurde er zum Bürgermeister des
Städtchens Ermsleben am Harz gewählt, wo er dann, zunächst zwei Jahre
als Bürgermeister, dann als Landwirth und Zuckerindustrieller bis zum Jahre
1875 an der Spitze der von ihm begründeten Zuckerfabrik thätig gewesen
ist. Eine rege Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten, vor Allem
auch des landwirthschaftlichen und zuckerindustriellen Berufsstandes, fand
ihren Ausdruck in der umfassenden Vereinsthätigkeit, durch die die Erms-
lebener Jahre ausgezeichnet sind. In diese Zeit fällt auch der Eintritt S.'s
in die parlamentarische Laufbahn: im Jahre 1861 wurde er zum ersten Male
in das Abgeordnetenhaus gewählt, als Vertreter des Mansfelder Gebirgskreises.
S. nahm seinen Sitz im linken Centrum und ist der damit bekundeten
Richtung — einem gemässigten Liberalismus — während der ganzen Zeit
seiner parlamentarischen Thätigkeit, die sich seit 1867 mehrfach auch auf
die Mitgliedschaft des Reichstages erstreckte und erst im Jahre 1893 ihr
Ende fand, treu geblieben. Die Wandlung der nationalliberalen Partei zu
einer Schutztruppe des ostelbischen Agrarierthums, wie sie in den 1880 er
Jahren sich vollzog, hat S. nicht mitgemacht: er blieb gut bürgerlich gesinnt
bis zu seinem Ende. S.'s Antheilnahme an den Arbeiten des parlamentarischen
Lebens blieb auf die Erörterung practischer Fragen der Agrar-Industrie- und
Handelspolitik beschränkt; dafür waren auch seine Reden und seine Anträge
stets durch eine grosse Sachkenntniss vortheilhaft ausgezeichnet. Den Glanz-
punkt im parlamentarischen Leben S.'s bildete die Mitgliedschaft der Depu-
tation des Norddeutschen Reichstags, welche am 18. December 1870 dem
König von Preussen Namens des deutschen Volkes in Versailles die Kaiser-
krone anzutragen berufen war. Da die parlamentarische Beschäftigung in
dem späteren Leben S. einen immer breiteren Raum einnahm, so entschloss
er sich im Jahre 1875 seine Stellung in Ermsleben aufzugeben und aus dem
Erwerbsleben auszuscheiden. Er siedelte ganz jiach Berlin über, wo er bis
zum Jahre 1897 gelebt hat. Nach dem Tode seiner Gattin, an deren Seite
er 55 Jahre gelebt hatte, siedelte er im Jahre 1897 nach Elberfeld über, und
starb hier im Hause seiner verheiratheten Tochter Ehrenberg im Alter von
81 Jahren.
Was das Andenken S.'s auch in weiteren Kreisen über seinen Tod
hinaus wach erhalten wird, ist — neben der Specialfürsorge für einzelne
Berufszweige, wie den Geometerstand , die Thierärzte etc., deren Interessen-
vertretungen ihren Dank ihm bei Lebzeiten schon durch seine Ernennung
zum Ehrenmitgliede ausgedrückt haben — besonders zweierlei. Einmal sein
Verdienst um die Hebung der Zuckerindustrie und die aus der
Zuckerindustrie sich zu vielfach neuen Formen entwickelnde
Landwirthschaft. In die Jahre, in der S. seiner Fabrik und seinen dazu-
gehörigen Gütern vorstand, fällt die hauptsächliche Entfaltung der modernen
zuckerindustriellen Technik und der intensiven Landwirthschaft in Deutsch-
land. S. hat beide durch seine Sachkunde und seine unermüdliche Energie
fördern helfen. Seine Verdienste um die Förderung der Landwirthschaft
fanden ihre Anerkennung in seiner Berufung in das LandesökonomiekoUegium
Sombart.
255
sowie in das Directorium der i886 begründeten Deutschen Landwirthschafts-
gesellschaft, dem er bis zu seiner Uebersiedlung nach Elberfeld angehörte.
Ueber seine Verdienste um die deutsche Zuckerindustrie urtheilt das Organ
des »Vereins der Deutschen Zuckerindustrie« in einem Nachrufe an den Ver-
storbenen wie folgt: »Als Theilhaber der Zuckerfabrik Ermsleben wurde er
Mitglied unseres Vereinsausschusses, später auch des Directoriums, dessen
Leitung ihm als älterer Beirath kurze Zeit nach Riedel's Tode oblag, bis der
Nachfolger in Person des Geheimen Ober-Finanzraths Wollny in sein Amt
eingeführt wurde. Wie gross Sombart' s Verdienste waren und wie sehr ihn
seine Zeitgenossen schätzten, geht daraus hervor, dass, als er wegen seines
Rücktritts von der Zuckerfabrik Ermsleben sein Amt niedergelegt hatte, so-
wohl der Vereinsausschuss, als auch die Zweigvereine fiir Anhalt, Braun-
schweig, Egeln, Halle, Halberstadt, Süddeutschland, Oderbruch und Pommern
und Schlesien bei der Generalversammlung beantragten, Sombart die höchste
Auszeichnung zu erweisen, welche der Verein überhaupt ihm ertheilen konnte,
indem seine Ernennung zum Ehrenmitgliede vorgeschlagen wurde. Die
Generalversammlung zu Magdeburg erhob am 16. Mai 1876 einstimmig diesen
Antrag zum Beschluss.« Eine zweite Reihe von Bestrebungen S.'s, die seinen
Namen in weiteren Kreisen bekannt gemacht haben und ihm einen dauernden
Platz in der Geschichte Deutschlands sichern, sind diejenigen, die auf eine
Förderung der inneren Colonisation in Deutschland gerichtet waren.
Obwohl selbst Grosslandwirth und Grossgrundbesitzer, gehörten die Sympathien
S.'s doch von jeher dem Bauernstande, wue er ihn in seiner Heimath lieben
gelernt hatte. Den Bauernstand auf Kosten des Grossgrundbesitzes in
Deutschland zu vermehren, wurde daher immer mehr ein lieblingsgedanke S.'s.
Va' glaubte, und wohl mit Recht, dass nur eine planmässige, zielbewusste
Hinüberleitung der bäuerlichen Bevölkerungsüberschüsse Mittel- und West-
Deutschlands in das menschenleere Ostelbien dieses zu der Stufe west-
europäischer Civilisation, die die übrigen Theile Deutschlands bereits erreicht
haben, emporzuheben vermöchte. Als ein gesetzgeberisches Mittel zur Er-
reichung dieses Zieles erschien die Wiedererniöglichung der Begründung
von Rentengütern, d. h. eine Wiederzulassung des Besitzerwerbs durch
Rentenverpflichtung statt der Kapitalzahlung: eine Erwerbsform, die seit dem
2. März 1850 in Preussen nicht mehr zulässig war. Den unermüdlichen Be-
strebungen S.'s, dem zur Seite vor Allem der jetzige Finanzminister Miquel
kämpfte, ist es zu danken, dass die preussischen Gesetze vom 27. Juli 1890
und 7. August 1891 nicht nur die Form des Rentengutes wieder zuliessen,
sondern auch die Mitwirkung des Staates bei der Errichtung von Renten-
gütern, insbesondere durch das vermittelnde Eintreten der Rentenbanken, in
Aussicht stellten. Dann waren der inneren Colonisation die Bahnen frei-
gegeben, auf denen sie im letzten Jahrzehnt rüstig fortgeschritten ist. W^as
aber noch mehr als die Förderung der Rentengutsgesetzgebung den Antheil
S.'s an der Entwickelung der inneren Colonisation in Deutschland zu einem
bedeutenden macht, ist sein erfolgreiches Bestreben, durch practische Ver-
suche die richtige Methode der Auftheilung grosser Güter in Bauerngüter zu
finden. Schon in einer Schrift aus dem Jahre 1874 betitelt »Die Fehler im
Parcellirungsverfahren der königlichen preussischen Staatsdomänen« hatte er
den Nachweis zu führen versucht, dass das Problem der Parcellirung grösserer
Güter keineswegs durch die schematische Eintheilung des Are als in eine
beliebige Anzahl von Bauerngütern gelöst sei, sondern dass es eingehender
256 Sombart. Jörger.
Studien und mühsamer Vornahmen bedürfe, um aus der organischen Einheit
eines Rittergutes eine Anzahl neuer lebensfähiger Organismen in Form grösserer,
mittlerer und kleinerer Bauerngüter — S. hielt diese Hierarchie für jedes
Bauerndorf für die einzig gesunde Gestaltung — hervorwachsen zu lassen.
Es selbst aber an einem Experimente zu zeigen, wie es richtig angefangen
werden müsse, war ihm stets lebhafter Wunsch geblieben. Ihm sollte Er-
füllung gebracht werden, als S. im Jahre 1885 gezwungen wurde, um den
Verlust einer daraufruhenden Hypothek zu vermeiden, das Rittergut Steesow
in der Westpriegnitz zu erwerben. Mit unermüdlichem Eifer und einer
seltenen Sachkenntniss, die auf geometrisches, landwirthschaftlich-technisches
und nationalökonomisches Wissen sich gleichermaassen stützte, wurde auf diesem
abgewirthschafteten Gute eine Bauernkolonie systematisch angesiedelt, die
heute zu den blühendsten im deutschen Vaterlande gehört, und ein Muster
und Vorbild für alle zukünftigen Ansiedelungen von Bauernschaften geworden
ist. Man hat S. den »Vater der Rentengüter« genannt, und es mag nicht
unberechtigt sein, ihn mit diesem ehrenvollen Beinamen in die Annalen der
Geschichte einzutragen, wenn man seine gleichmässig theoretische wie
practische Antheilnahme an dem Colonisationswerk in Berücksichtigung zieht.
Nekrologe beim Tode S. brachten zahlreiche Tagesblätter, u. A. die »Kölnische
Zeitung« und die »Nationalzeitung«. Einen warm empfundenen Nachruf veröffentlichte
sein langjähriger Freund, Oeconomialrath Nobbc in der Zeitschrift »Das Land« (Jahrgang
1898). Der Nekrolog in der Zeitschrift des Vereins der deutschen Zucker-Industrie
(Band 48, Heft 505) wurde bereits erwähnt. Daselbst ist auch ein gutes Bildniss des
»alten Sombart« veröffentlicht.
W. Sombart.
Jörger, Schwester Albana, Generaloberin der barmherzigen Schwestern
in Baden, * in Gengenbach am 17. November 1839, f ^5* April 1898 in
PVeiburg. Sie erhielt ihre Erziehung im Hause des ihr verwandten Professors
Alban Stolz in Freiburg, wurde in Strassburg im Jahre 1860 im Mutterhause
der barmherzigen Schwestern eingekleidet, bestand ihr Noviciat im grossen
Spital zu Colmar und legte 1862 ihre Gelübde ab. Dann kam Schwester A.
in das klinische Hospital nach Freiburg i. Br., wo sie während sechs Jahren
unter der Leitung von Professor Kussmaul thätig war. Von da wurde sie
als Oberin an das Krankenhaus in Baden versetzt, in welcher Stellung sie
besonders während der Kriegsjahre 1870/71 eine ebenso aufopfernde als
segensreiche Wirksamkeit ausübte. Nach 1 7 Jahren ihrer Thätigkeit in Baden
wurde Schwester A. zur Generaloberin der Schwestern vom hl. Vincenz von
Paul gewählt und kehrte in dieser Eigenschaft nach Freiburg zurück, wo sie
nun vom Oktober 1884 bis zu ihrem Ableben sehr erfolgreich wirkte, eine
Reihe von Filialanstalten für Krankenpflege gründete und 62 Stationen behufs
der Krankenpflege in kleineren Spitälern des Landes sowie zur Privatkranken-
pflege in grösseren und kleineren Landorten ins Leben rief. Ihre Herzens-
güte, ihr Wohlthätigkeitssinn, ihre Gastfreundschaft und ihre echte Frömmigkeit
erwarben ihr Verehrung und Liebe weiter Kreise. Eine unermüdliche Arbeits-
kraft befähigte sie, den grossen Ansprüchen zu genügen, die von allen Seiten
an sie herantraten, und war von einem hervorragenden Organisationstalent
unterstützt. Unter den Vielen, die nach Schwester A.'s Tode der Ordens-
genossenschaft ihre Theilnahme aussprachen, war eine der ersten die Gross-
herzogin Luise von Baden in einem Schreiben, das die ausgezeichneten
Eigenschaften der Entschlafenen in vollem Umfang anerkannte.
Rossbach.
257
Rossbach, Georg August Wilhelm, Universitätsprofessor der klassischen
Philologie und Archäologie, * 26. August 1823 in Schmalkalden, f 23. Juli 1898
in Breslau.
Er erhielt den ersten Unterricht in der Stadtschule und dem Pro-
gymnasium von Schmalkalden, wurde sodann von seinem Vater, welcher
Rector des Progymnasium war, weiter gebildet, bis er 1840 in die Ober-
secunda des Gymnasiums von Fulda aufgenommen wurde. Hier übte unter den
Lehrern Friedrich Franke, ein vortrefflicher Schüler Gottfried Hermanns und
nachmals Rector der Landesschule zu Meissen, den grössten Kinfluss auf ihn
aus. Ostern 1844 bezog er die Universität Leipzig, um Theologie und Philo-
logie zu Studiren, wurde jedoch schon im ersten Semester durch Gottfried
Hermann ganz für die Philologie gewonnen. Dieser nahm ihn schon am
Schlüsse des zweiten Semesters in das philologische Seminar und am Anfange
des dritten in die griechische Gesellschaft auf. Durch Anton Westermann
wurde er zum Studium der attischen Redner, Historiker und Alterthümer
angeregt, durch Wilhelm Adolf Becker, dessen Amanuensis er eine Zeit lang
war, mit Liebe zur alten Kunst erfüllt. Von Ostern 1846 an setzte er seine
Studien an der Universität Marburg fort und zwar nicht bloss unter Theodor
Bergk auf dem Gebiete der klassischen Alterthumswissenschaft, sondern auch
zusammen mit seinem nachmaligen Freunde, Collegen und Schwager Rudolf
Westphal unter Johannes Gildemeister auf dem Gebiete der vergleichenden
Sprach- imd Religionswisseftschaft. Letztere Studien setzte er auch fort, nach-
dem er im Mai des Jahres 1848 das Oberlehrerexamen bestanden hatte. Ende
1849 ^^^^ ^^ ^^ Lehrer am Gymnasium zu Hanau ein, nahm jedoch schon
nach einem Jahre den Abschied, um die akademische Laufbahn zu verfolgen.
Nachdem er sich für diese mit Westphal im Hause der Eltern des Letzteren
zu Obernkirchen in der Grafschaft Schaumburg vorbereitet hatte, ging er mit
diesem zu Pfingsten des Jahres 1851 nach Tübingen. Hier wurde er am
5. Januar 1852 zum Doctor der Philosophie promovirt und am 25. März
desselben Jahres als Privatdocent der klassischen Philologie und indogerma-
nischen Sprachwissenschaft zugelassen. Seine Vorlesungen, welche er im
Wintersemester 1852 begann, nahmen einen solchen Fortgang, dass er am
7. Februar 1855 zum ausserordentlichen Professor ernannt wurde. Die all-
gemeine Anerkennung, welche seine wissenschaftlichen Arbeiten fanden,
brachte ihm am 27. August 1856 die Berufung an die Universität Breslau,
an welcher er zum ordentlichen Professor der klassischen Philologie und
Archäologie, sowie der Eloquenz, zum Mitdirector des philologischen Seminars
und zum Director des archäologischen Museums ernannt wurde, welche
Aemter er bis zu seinem Tode bekleidet hat, nur dass er sich 1862 von der
Professur der Eloquenz entbinden Hess. Vor seiner Uebersiedelung verheirathete
er sich mit der Schwester seines Freundes Westphal. In Breslau wurde
seine Thätigkeit nach verschiedenen Seiten in Anspruch genommen, am stärk-
sten durch sein akademisches Amt. Besondere Verdienste erwarb er sich
um das archäologische Museum der Universität; er vergrösserte die
Räume ganz erheblich, brachte die Zahl der Gypsabgüsse auf mehr als das
Doppelte, führte eine Neuaufstellung derselben nach kunstgeschichtlichen
Gesichtspunkten durch, verfasste Cataloge der Sammlungen und richtete für
die Vorlesungen und Uebungen ein Auditorium im Museum ein. Von be-
sonderer Bedeutung für den Bestand des Museums und die Hebung der
archäologischen Studien wurde es, dass es ihm gelang, die werthvolle Samm-
BlogT. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. jj
258 Rossbach.
lung von Originalen der griechischen und römischen Kleinkunst, welche der
Baudirector des Königs von Griechenland, Eduard Schaubert, zusammen-
gebracht hatte, 1867 ^^^ Museum zuzuführen. Um solche Hörer, welche
tieferes Interesse für Archäologie zeigten, über ihre Studienzeit hinaus zu
fördern, gründete er 1866 eine archäologische Section in der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur. In ihr wurden theils Referate über
hervorragende neue Erscheinungen auf dem Gebiete der Archäologie erstattet,
theils selbstständige wissenschaftliche Untersuchungen vorgelegt. Im Anschluss
an das archäologische Museum vollzog sich auch im Winter des Jahres 1862
unter seiner Leitung die Gründung des Vereins für Geschichte der
bildenden Künste, welcher die Förderung wissenschaftlicher Bildung auf
dem Gebiete der bildenden Künste durch Vorträge, Vorlage und Publication
von Kunstwerken und kunstgeschichtlichen Abhandlungen erstrebte und sich
rasch zum Mitteli)unkte für die Mehrzahl der Kunstkenner, Kunstfreunde und
Künstler in Breslau entwickelte. R. leitete den Verein wie die archäologische
Section bis zum Jahre 1869. Ersterer ernannte ihn im Jahre 1886 zum
fahren mitgliede. In den Sitzungen des Vereins verfolgte er auch in den
Jahren 1864 und 1865 den schon von Anderen ausgesprochenen, aber immer
wieder fallen gelassenen Gedanken der Gründung einer schlesischen Kunst-
akademie und eines Museums der bildenden Künste, war als Rector
der Universität Mitglied der Deputation, welche am 20. November 1866
König Wilhelm I. eine bezügliche Bittschrift überreichte, und erstattete im
Auftrage des Oberpräsidenten Berichte über den vorhandenen Bestand an
Kunstwerken, worauf am 30. November 1868 die EntSchliessung der könig-
lichen Staatsregierung dahin erging, dass ein Provinzialmuseum mit Meister-
ateliers in Breslau gegründet werden solle.
Am 28. Juni 1889 wurde R., welcher ein Freund der musica sacra war,
auch zum Director des akademischen Instituts für Kirchenmusik er-
nannt. Auch um dieses erwarb er sich besondere Verdienste durch Ein-
richtung zweier confessionell geschiedener Chöre, des evangelischen Johannes-
chors und des katholischen Cäcilienchors. Am 18. Januar 1877 wurde ihm
der rothe Adlerorden 4. Kl., am 5. Mai 1888 der Charakter eines Geheimen
Regierungsrathes verliehen.
Unter seinen wissenschaftlichen Leistungen stehen diejenigen obenan,
welche sich auf dem (iebiete der griechischen Metrik und Rhythmik
bewegen. Schon als Student hatte er sich in diese Studien vertieft, auch
wusste er Westphal für sie zu gewinnen und in Tübingen verband er sich
mit ihm zur gemeinsamen Herausgabe der »Metrik der griechischen Dramatiker
und Lyriker, nebst den begleitenden musischen Künsten«, deren ersten Theil
die von ihm allein bearbeitete »Griechische Rhythmik« Leipzig 1854, bildete.
Zwei Jahre darauf erschien der mit Westphal verfasste dritte Theil:
»Griechische Metrik« (Leipzig 1856), welcher die einzelnen Metra nach den
Rhythmengeschlechtern und innerhalb dieser nach den Stil- und Dichtungsarten
behandelte und zum ersten Male den Grundsatz praktisch durchführte, dass
»eine jede griechische Strophe ein Kunstwerk in vollem Sinne des Wortes
sei, wo alles auf architectonischer Gliederung beruhe, und wo es nicht bloss
auf den einzelnen Vers ankomme, sondern vor Allem darauf, wie der Vers
zur Totalität der rhythmischen Composition passe.« Der zweite Band, sowie
die zweite Auflage des ganzen Werkes (1867 und 1868) wurde von Westphal
allein besorgt. Dagegen betheiligte sich R. wieder an der dritten Auflage,
Rossbacb.
259
indem er die zweite Abtheilung des dritten Bandes unter dem Titel
»Griechische Metrik mit besonderer Rücksicht auf die Strophengattungen und
die übrigen melischen Metra, Leipzig 1889« allein bearbeitete, wobei er es
sich besonders angelegen sein Hess, die speciell metrische Arbeit in den
griechischen Dichtern, den Ausbau der Lehre von den Strophengattungen,
die Geschichte und den Gebrauch derselben, sowie die Untersuchungen über
die Eigenthtimlichkeiten der einzelnen grossen Dichter weiter fortzuführen.
Das Verhältniss R.'s zur gemeinsamen Arbeit ist vielfach für ihn ungünstig
beurtheilt worden, aber Westphal (Aristoxenus von Tarent, Bd. I, Leipzig 1883
S. XVI) hat selbst erklärt, dass »R. nicht nur der einzige Urheber der ganzen
Arbeit sei, sondern dass auch fast alle allgemeinen Gesichtspunkte, alle
fördernden und fruchtbringenden Apercus von ihm ausgegangen seien«, wo-
gegen R. anerkannte, dass Westphal an der Ausführung des Einzelnen mehr
betheiligt sei, als er (Vorwort zur dritten Auflage der »griechischen Metrik«
S. L). Kein neueres Werk hat sich so fruchtbar an Anregungen und Auf-
forderung 2X1 erneutem Durchdenken der Probleme der griechischen Metrik er-
wiesen als dieses. Wie der Aufsatz »Rhythmengeschlechter und Rhythmopoeie«
aus den »Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik«, abgedruckt als Beilage
zur »Griechischen Rhythmik« Leipzig 1855 erschien, so behandelte R. die
Metrik der aeschyleischen Chorlieder mit besonderer Rücksicht auf Textkritik
in den folgenden Schriften der Universität Breslau: De metro prosodiaco
(1857); de Choephororum locis nonnullis; de Eumenidum parodo (1859); de
Eumenidum antichoriis (1860); de Persarum cantico psychagogico (1861); de
Choephororum cantico quinto (1862). Die Geschichte der metrischen Tra-
dition untersuchen die zwei akademischen Schriften: De Hephaestionis
Alexandrini libris (1857) und de metricis graecis disputatio altera (1858).
Dem Gebiete der Textkritik gehören an, die für die Bibliotheca Teub-
neriana besorgten Ausgaben des Catull und Tibull. Letztere (zuerst 1855
erschienen, 1866 wiederholt) bot nur den Text mit Angabe der Abweichungen
von Lachmanns Lesungen, (erstere 1854, 2. Auflage 1860, wiederholt 1867)
auch eine Untersuchung über die Grundlagen der Catullkritik, in welcher
zuerst auf die Bedeutung eines von Sillig hervorgezogenen Codex, des Ger-
manensis, welcher seitdem eine der ersten, wenn nicht die erste Stelle unter
den Catullhandschriften behauptet hat, hingewiesen ist. Auch eine Anzahl
ansprechender oder anregender Conjecturen und ein neuer Versuch, die
strophische Composition des zweiten Hochzeitsgedichtes (62.) nachzuweisen,
war beigefügt. Die Lesarten der Pariser Codices Catull iani theilte R. aus Silligs
Papieren in dem Universitätsprogramm zur Feier von Königs Geburtstag
1859 mit.
Neu war die Betrachtungsweise, welche er in den »Untersuchungen
über die römische Ehe, Stuttgart 1853« in die Disciplin der sogenannten
Privatalterthümer einführte, indem er den bisherigen antiquarischen Standpunkt
durch den historisch -vergleichenden ersetzte. Auch dieses Werk ist die
Grundlage, auf welcher sich die Untersuchungen über die Ehe Verhältnisse bei
andern indogermanischen Völkern aufgebaut haben, sowie das Vorbild für
Forschungen auf verwandten Gebieten geworden. Eine Ergänzung dieser
»Untersuchungen« nach der kunstgeschichtlichen Seite hin, bilden die
»Römischen Hochzeits- und Ehedenkmäler, Leipzig 187 1«, insofern in dieser
Frucht des 1869/70 in Italien verlebten Winters diese Denkmäler als Erzeug-
nisse griechisch-römischer Kunst behandelt wurden.
17*
26o Rossbacb. Seidl.
Während das »Verzeichniss der Gypsabgüsse und Originalien antiker
Bildwerke im Königlichen Museum für Kunst und Alterthum an der Uni-
versität Breslau, 1861« nichts andres als ein Verzeichniss sein wollte, gab
die Neubearbeitung desselben, welche unter dem Titel »Das archäologische
Museum an der Universität zu Breslau, zweite Auflage«, Breslau 1877 erschien,
zugleich eine kurze Anleitung zum Verständniss und Genuss der Kunstwerke.
Ueber die Bedeutung, welche R. den archäologischen Museen als »ästhetischen
Volksschulen« beimass, sprach er sich in einer Reihe von Artikeln der
»Schlesischen Zeitung« von 1877 Q^^- ^74» i?^, 178, 180) aus.
Der Mythologie gehörte seine Habilitationsschrift »Peirithoos und
Theseus«, Tübingen 1852 an. Sie zeigt ihn, ähnlich wie Adalbert Kuhn und
Max Müller, bemüht, der naturalistischen Erklärung der griechischen Mythen
durch Vergleichung mit denen der übrigen indogermanischen Völker eine
breitere Basis zu geben. Ein grosses Werk über »Griechische Religions-
gcschichte«, zu welchem er bald nach seiner Rückkehr aus Italien den Plan
fasste, ist unausgeführt geblieben, doch giebt die Ankündigung, welche ei für
die »Mittheilungen der Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner in Leipzig 1871
Nr. 3« schrieb, eine ausführliche Skizze des auf drei Bände berechneten
Werkes. Der erste Band sollte die Perioden der griechischen Religions-
geschichte, der zweite das Göttersystem und die Heroensage, der dritte die
religiöse Ethik und den Cultus behandeln. Da in R. die theologische Ader
stark schlug und er gerade auf diesem Gebiete umfassende Studien gemacht
hatte, ist das Bedauern, dass das Werk ungeschrieben geblieben ist, durchaus
gerechtfertigt.
Als ein treuer Verfechter und beredter Verkündiger der Ideale klassischer
Bildung steht R. vor dem geistigen Auge einer ungezählten Schaar verehrungs-
voller Schüler und Freunde: aber auch alle andern, welchen die Alterthums-
wissenschaft am Herzen liegt, die Universität Breslau und weite Kreise
Schlesiens werden seiner in steter Dankbarkeit gedenken. Schon sind die
Vorbereitungen getroffen, sein Bildniss an der Stätte seiner Wirksamkeit, im
archäologischen Museum zu Breslau, zur Aufstellung zu bringen.
Eine kurze, zum Theil auf AufzeichnuDgen des Verstorbenen beruhende Darstellung
seines Lebens und Wirkens hat der Unterzeichnete in der »Schlesischen Zeitungc 1898,
.Nr. 595, eine ausführlichere in der »Chronik der Königlichen Universität zu Breslau«,
Jahrgang 13 (Breslau 1899) S. 123— 146 gegeben. Ueber seine Schul- und Universitäts-
zeit thcilt F. Zwenger im 7. Jahrgang der Zeitschrift »Hessenland« (Cassel 1893) S. 225
einiges mit.
Breslau. Richard Foerster.
Seidl, Anton, Capellmeister, * 7. Mai 1850 in Budapest, f 28. März 1898
in New-York. Genoss seine musikalische Ausbildung in Leipzig, dessen
Conservatorium er 1870 — 72 besuchte. Auf Empfehlung R. Wagners engagirte
ihn A. Neumann als Capellmeister für die Leipziger Oper; auf den von
Neumann veranstalteten Wagner-Ensemble-Reisen wurde S. rasch berühmt.
Er dirigirte auf einer solchen Reise im Victoria-Theater zu Berlin zum ersten
Male die Nibelungen. Nachdem er einige Jahre in Bremen gewirkt, ging er
1885 nach New-York, wo er an der Spitze des dortigen deutschen Orchesters
das musikalische Leben dieser Stadt beherrschte und führte. i886 und 1897
betheiligte er sich an der Leitung der Bayreuther Festspiele. Er war mit
der früheren Wiener Hofopernsängerin Krauss vermählt.
Richard Heuberger.
Hager. Zeller. Mayer. 261
Hager, Johannes (eigentlich Johannes von Hasslinger- Hassingen)
♦ 24. Februar 1822 in Wien, f 9. Januar 1898 in Wien, Componist, bildete
sich in Wien unter Sechter, machte sich zuerst durch melodiöse Lieder und
Kammermusikwerke bekannt und zählte eine Zeitlang zu den Modecomponisten.
Etliche Opern »Jolanthe« (1849) ^"^ »Marffa« (Premiere W^ien, Hofoper 1886)
konnten sich trotz meisterhafter Mache keine allgemeine Geltung verschaffen.
Im Anfange der 90 er Jahre veröffentlichte H. noch — sehr interessante —
Symphonische Variationen für Orchester und eine Serie schätzbarer Ciavier-
sachen. — H. war seines Zeichens eigentlich Beamter und beschloss seine
diesbezügliche Carri^re als Hofrath und Chef des Dechiffriramtes des k. k.
Ost. Ministerium des Aeusseren. Er war mit der Tochter des bekannten
Componisten Hoven (eigentlich Freiherr Vesque von Püttlingen) vermählt.
Richard Heuberger.
Zeller, Carl, Dr., Componist, ♦ 1842 zu St. Peter in der Au (Niederöster-
reich), f 17. August 1898 in Baden bei Wien. Studirte in Wien die Rechte,
promovirte hier und trat in den Staatsdienst, in dem er es zum Hofrath im
Unterrichtsministerium brachte. Seine Thätigkeit als Componist begann Z.,
indem er für den Wiener Academ. Gesangverein seine Chorwerke »Die
Thomasnacht« und »Scenen aus dem Cölner Narrenfest« schrieb. Seine erste
Operette »Joconde« hatte insofern noch einen academischen Anhang, indem
Studenten (Mitglieder des genannten Gesangvereins) in den ersten Aufführungen
mitwirkten, bis die Unterrichtsbehörde Einsprache erhob. Weitere Operetten
von Zeller sind: »Capitän Nicol«, »Der Vagabund», »Der Vogelhändler«
(10. Januar 1891 Theater a. d. Wien) und »Der Obersteiger«. Die zwei
letzgenannten Werke sind über alle Bühnen gegangen. Z. schrieb leicht
und gefällig.
Richard Heuberger.
Mayer, Benjamin Wilhelm (Pseudonym W. A. Remy), Componist und
Musikpädagog, ♦ 10. Juni 1831 in Prag als Sohn eines Advokaten,
f 23. Januar 1898 zu Graz in Steiermark, besuchte das Gymnasium und
nebenher die Orgelschule, an welcher er den theoretischen Unterricht
C. F. Pietschs genoss. Schon damals trat er mit einzelnen Compositionen,
u. A. mit einer Ouvertüre, in die Oeffentlichkeit, bezog aber dann auf Wunsch
seines Vaters die Universität und promovirte 1855 zum Doctor juris (der
berühmte Aestetiker Ambros, damals Staatsanwalt in Prag war sein »Opponent«
bei der »Disputation«), wirkte 1856 — 1861 als Staatsbeamter in Budapest
und wurde erst ausschliesslich Musiker, als er 1862 nach Graz berufen wurde,
um die Direction des dortigen »Steierm. Musikvereins« zu übernehmen.
Seine Vorgänger auf diesem Posten waren August Pott (provisorisch) und
vordem Josef Netzer. M. hatte die Orchester -Concerte des Vereins, sowie
die Musik-Schule desselben zu leiten und hat sich in beiden Richtungen
mannigfaltige Verdienste erworben. 1870 trat M. von seiner Stellung zurück
und widmete sich einzig und allein dem Unterrichte. Als Componist schuf
M. in erster Linie fürs Orchester — Zeugen dieser Vorliebe sind 3 Symphonien
(davon eine für kleines Orchester), eigenthümliche Sachen, die einen Mittel-
weg zwischen rein formaler und ausgesprochener Programm-Musik suchen,
eine symphonische Dichtung »Helena«, eine Ouvertüre zu Byrons »Sardanapal«,
eine Orchesterphantasie. — Feine, geistreiche Chorwerke sind: »Slavisches
202 Mayer. Schulhoff. Oesterlein. Klein.
I.iederspiel« (nach Texten von Kapper), »Oestliche Rosen« (nach Rückert)
»Wald-Fräulein« (Text nach Zedlitz von Rob. v. Spiller). Von den Schülern
M.'s sind zu nennen F. Busoni, K. Grengg, R. Heuberger, Wilh. Kienzl
und Felix Weingartner. Der Unterricht M.'s war, abgesehen vom rein
Musikalischen, überaus anregend durch die Freigebigkeit, mit der M. Jüngere
an den Schätzen seiner tiefen und allgemeinen Bildung theilnehmen Hess.
Im griechischen Alterthume z. B. war M. so wohl bewandert, dass er Comödien
des Aristophanes ohne Commentar mit vollem Verständnisse aller Anspielungen
lesen konnte. M. schrieb eine Zeitlang gehaltvolle Aufsätze über Musik für
die Grazer »Tagespost«. 1891 erhielt M. den Franz Josephorden.
Richard Heuberger.
Schulhoff, Julius, Pianist und Pianofortecomponist, ♦ 2. August 1825 in
Prag, t 15. März 1898 in Berlin. Studirte in Prag bei Kisch das Clavierspiel,
bei Tomasch ek Harmonielehre und Contrapunkt. Thalberg war sein Vorbild,
dem er nachstrebte. Mit 17 Jahren begab er sich nach Paris, wo er eifrig
an seiner Ausbildung arbeitete, machte ausgedehnte Concertreisen nach
Oesterreich, Deutschland, Russland, Frankreich und England, zog sich aber
bald von der öffentlichen Thätigkeit zurück und richtete sich ein Heim in
Paris ein, wo er bis zum Jahre 1870 als vielgesuchter Lehrer wirkte. Der
Krieg verscheuchte ihn aus Frankreich. Seh. Hess sich in Dresden nieder,
das er erst wenige Jahre vor seinem Tode verliess, um sich in Berlin anzu-
siedeln. Seh. war ein eleganter, sorgfältiger Spieler und Componist. Manche
seiner Saloncompositionen, so z. B. »Galop di bravura«, »Walzer«, »Carneval-
Variationen« etc. sind berühmt geworden. Richard Heuberger.
Oesterlein, Nicolaus, musikwissenschaftlicher Sammler und Schriftsteller,
* 4. Mai 1842 zu Wien, f 8. October 1898 zu Wien. Wählte zuerst die
technische Laufbahn, widmete sich später dem kaufmännischen Stande und
war jahrelang bei einer grossen Wiener Firma als Disponent thätig. Machte
sich als eifriger Anhänger der Wagner-Bewegung zuerst durch lebhafte, werk-
thätige, uneigennützige Agitation für das Zustandekommen der Bayreuther-
Festspiele bekannt; 1876 veröffentlichte er zwei kleine Schriften: »Bayreuth,
eine Erinnerungsskizze« und »Die Walküre und das Rheingold in Wien mit
Einblick auf das Bühnenfestspiel zu Bayreuth 1876«. Nebenher war Oe.
unablässig thätig, alles auf R. Wagner Bezügliche nach und nach zu erwerben.
Er sammelte Tausende von Zeitungen, Bildern, Büchern, Partituren u. s. w.
und vermochte so ein Wagner-Museum zusammenzubringen, das er — in
einem Theile seiner Privatwohnung untergebracht — alsbald (am 3. April 1887)
dem öffentlichen Besuche zugänglich machte. Nach langen Bemühungen, die
für einen Einzelnen nicht mehr zu bewältigende Fortfuhrung des angefangenen
Werkes in andere Hände zu legen gelang es Oe. vor mehreren Jahren
(1897), die ganze Sammlung nach Eisenach zu verkaufen. Sein Museum hat
er in einem dreibändigen Werke: »Catalog einer Wagner- Bibliothek« be-
schrieben. Richard Heuberger.
Klein, Carl, Pfarrer, Volksschriftsteller, * 31. Mai 1838 zu Hirschland
(Deutsch-Lothringen), f 29. April 1898 zu Kaufbeuren. Dem Sohne eines armen
Volksschullehrers gelang es durch entbehrungs vollen Fleiss, auf dem Pariser
College und dem theologischen Studienstift St. Thomas zu Strassburg, wo er
Klein. 263
durch Leetüre Luthers und der deutschen Mystiker sich gegen den dortigen
Rationalismus zum lebenslang positiv dogmenstarken Geistlichen festigte, die
gewählte Laufbahn durchzuführen. 1860 Pfarrverweser in Bühl (U.-Elsass)
geworden, 1862 Vicar für deutschsprechende Evangelische in Paris, in Ge-
fängnissen und Spitälern, während der Cholera missionarisch thätig, ward er
für die Heimsuchungen gestählt, die ihm nach der Februar 1867 erfolgten
Anstellung zu Fröschweiler im U.-Elsass der Krieg von 1870 bringen sollte.
Dessen Schrecken, gerade unmittelbar neben K.'s Wirkungskreis am 6. August
mit der Wörther Schlacht furchtbar einsetzend, zaubert seine unparteiische,
aber warmblütige, theil weise hinreissende »Frosch weiler Chronik« vor unsere
Augen. Die Geschehnisse jener Tage sind der Höhepunkt in K.'s Lebens-
drama. Im September 1876 besuchte Kaiser Wilhelm I. die auf K.'s
Betrieb für die zerschossene errichtete »Friedenskirche« , und des Freih.
V. Löffelholz daselbst verwahrtes künstlerisches »Helden- und Todtenbuch«
mit K.'s Kriegschronik der Frosch weiler Ereignisse erregte sein und seiner
Begleiter Interesse. Kurz danach (oder eben vorher) gewannen zwei Nörd-
linger Pädagogen beim Besuche der Schlachtgegend von K. die Zusage zur
Veröffentlichung des Manuscripts, die noch im November als »Frosch weiler
Chronik, Kriegs- und Friedensbilder aus dem Jahre 1870« bei Beck in
Nördlingen (jetzt München) erfolgte. Durch letzteren, ihm dann persönlich
nahe tretenden Verleger, der sich um die weiteste Verbreitung des Büchleins
bemühte, und jene Herren ward K. , in seiner kirchlichen Orthodoxie bei
aller individuellen Weichheit von den bezüglichen — er war Diöcesanvor-
stand geworden — von ihm mitgeführten Kämpfen im Heimathslande hart
getroffen, auf die alte Reichsstadt am Ries hingewiesen: 1882 erhielt er
auf Bewerbung die protestantische Hauptpredigerstelle daselbst, kurz darauf
die Function als Decan, auch als Districtsschulinspector und Vorstand einer
Präparandenschule. Aus dieser energisch und ergebnissreich besorgten
Wirksamkeit entriss ihn, zum tiefsten Bedauern aller beteiligten Kreise, 1885
eine alte mit Rothlauf ausbrechende Krankheit für immer den Seinen im
engem und weitem Sinne. Nach 13 jährigem, öfters durch Lichtblicke erhellten
Aufenthalte in der Irrenanstalt zu Kaufbeuren starb er; in Nördlingen wurde
er, aus hochachtungsvoller Rücksicht äusserlich im Amte belassen, äusserst
feierlich beigesetzt. —
K.'s »Fröschweiler Chronik« schlug vor Weihnacht 1876 zündend ein:
in 14 Tagen vergriffen, erlangte sie bis heute 16 Auflagen, dazu eine (von
Ernst Zimmer fast congenial und aus Augenschein) illustrirte Jubel(quart)aus-
gabe 1897; nach Karl Gerok ist sie eine eigenartige tieferschütternde Leetüre.
K.'s Buch »Vor dreissig Jahren. Eine alte Geschichte für unsere neue Zeit,
unserm Volk zu Nutz erzählt« (1880) bietet in einer zwischen B. Auerbach
und Rosegger liegenden Selbstständigkeit höchst ansprechende Erinnerungen
von 1848 — 52 in Erzählungsform.
»Zur Erinnerung an den k. Dekan und Hauptprediger Carl Klein in Nördlingen,
Verfasser der »Fröschweiler Chronik« (Nördlingen, Privatdruck von C. H. Beck 1898:
neben drei Einsegnungsreden ein »Lebenslauf, verlesen von Vicar Bruglocher« S. 20—25).
»Beilage z. Allgem. Ztg.«, No. 113 v. 21. Mai. Lebensskizze mit Bildnis im »Daheim«,
34. Jahrg., 1898 Nr. 43 (von Karl Hackenschmidt, aus persönlicher Bekanntschaft) und
danach verkürzt »Daheim-Kalender 1900«, S. 251 f. (hier Geburtsort verdruckt). Ausführ-
licheres Lebens- und Charakterbild vom Unterzeichneten im Druck. Vgl. das Feuilleton
Frz. Servaes' i. d. »Neuen Fr. Presse« Wien vom 31. Mai 1899.
Ludwig Fränkel.
264 Esser.
Esser, Hermann, Grossh. Badischer Baudirector, * zu Cöln am 19. Januar
1840, f zu Karlsruhe am 2. April 1898. Auf der technischen Hochschule
zu Hannover und unter Redtenbachers Einfluss auf dem Karlsruher Poly-
technicum lag E. mit grossem Eifer dem Studium des Maschinenbaues ob
und vertiefte und erweiterte während eines längeren Aufenthaltes in England
in der Praxis die erworbenen soliden, theoretischen Kenntnisse. Er war in
verschiedenen grossen Maschinenfabriken Englands in leitenden Stellungen
thätig, als deren bedeutendste wohl jene des ersten Constructeurs in der Fabrik
von John Hetherington and Sons in Manchester anzusehen ist. Von 1867
an im Dienst der badischen Staats-Eisenbahn Verwaltung, wirkte E. zunächst
als Maschineningenieur in Heidelberg, seit 1874 als Obermaschinenmeister
der Eisenbahnhauptwerkstätte in Karlsruhe. Das seiner Leitung anvertraute
Institut bildete er in dieser Amtsstellung so vortrefflich aus, dass es im In-
und Ausland als mustergiltig betrachtet wurde. Nicht minder gross war E.'s
Verdienst durch die Art und Weise, in welcher er sein Verhältniss zu der
grossen Schaar der ihm untergebenen Arbeiter auszugestalten verstand. Ein
aus wahrer Humanität entspringendes Wohlwollen, eine nie in Zweifel gesetzte
Gerechtigkeit, eine »schlichte Vornehmheit« — wie ein Fachgenosse sich
treffend ausdrückte — dabei doch eine unbeugsame Festigkeit in Durchführung
des als nothwendig Erkannten, verbunden mit einer unerschütterlichen und
— weil ungesucht — imponirenden Ruhe waren die Factoren, welche ihm
Achtung, Vertrauen und Zuneigung der Arbeiter gewannen. Durch diese
Eigenschaften vermochte er mit Erfolg der auch in diesem staatlichen Betriebe
nicht ausbleibenden Agitation entgegenzutreten, so dass in diesem nie eine
ernstliche Störung eintrat. Im Jahre 1891 zum Mitglied der Generaldirection
der badischen Staatseisenbahnen und Vorstand der maschinentechnischen
Abtheilung dieser Behörde ernannt, hatte E. sich neue wichtige Aufgaben
gestellt, die er in ausgezeichneter Weise löste. Es sei davon nur hervor-
gehoben die Nothwendigkeit, in Folge der seit Beginn der 1890 er Jahre
erheblich gesteigerten Anforderungen an die Schnelligkeit der Bahnzüge,
besseres Maschinenmaterial zu beschaffen und die Berücksichtigung der
Fortschritte der Elektrotechnik, die auf dem gesammten Bahnbetrieb nicht
ohne Einfluss blieben. Mit grosser Umsicht und unerschütterlichem Eifer
widmete er sich all den Vorkehrungen, die dabei insbesondere in der
Richtung erforderlich waren, den stets neuen Erscheinungen auf tech-
nischem Gebiet, deren Prüfung durch Versuche ihm eine Lieblingsbe-
schäftigung war, in ihrer Bedeutung für den praktischen Betrieb gerecht
zu werden. 1896 übernahm E., zum Baudirector ernannt, die Leitung
der gesammten technischen Abtheilung der Generaldirection und damit
eine wesentlich erweiterte Amtsthätigkeit mit der gleichen Intensität des
Wirkens, die er in allen seinen Stellungen bewährt hatte. Aber damit
muthete er seinem durch ein altes Herzleiden, das sich von Zeit zu Zeit
durch peinliche Anfälle bemerklich machte, geschwächten Körper zu viel
zu. Solche Anfälle wiederholten sich jetzt öfter, und da er mit seltener
Willenskraft, diesen Mahnungen zum Trotz, wie ein Gesunder weiter
arbeitete, nahm ihn eines Abends, als er aus seinem Amt nach Hause ge-
kommen war, fast ohne dass er des nahenden Endes gewahr wurde, ein
sanfter Tod hinweg. Die echte Herzensbildung, welche dieses Leben ver-
klärte, die nie versagende Liebenswürdigkeit, die seinen Verkehr auszeichnete,
hatte ihm viele Freunde gewonnen, die mit der Wittwe, Mary Steinhäusser,
Esser. Seemann. Bäumer. 265
mit welcher er sich 1868 vermählt hatte, tieferschüttert an seinem Sarge
trauerten.
Vgl. »Karlsruher Zeitung« 1898 No. 136.
F. V. Weech.
Seemann, Theodor, Kunstschriftsteller und Lehrer der Kunstgeschichte,
* Göttingen 17. Juli 1837, f 30. Januar 1898 in Dresden. S. studirte in
seiner Vaterstadt und in Halle Theologie und Kunstgeschichte. Hierauf begab
er sich für längere Zeit auf Reisen und übernahm dann mehrere Hauslehrer-
stellen in vornehmen Häusern. Seit dem Jahre 1867 lebte er als Schrift-
steller in Dresden. Er war unter Anderem Redacteur an der »Constitutio-
nellen Zeitung« und an der »Dorfzeitung« und begründete die »Deutschen
Kunstblätter« und das »Universum«. Im Jahre 1892 wurde er Mitarbeiter
an der »Dresdener Rundschau«, für die er unter der Maske des »Geheimen
Commissionsraths Pippich« eine lange Reihe satirischer Briefe schrieb, die im
Wesentlichen allerhand Missstände des Dresdener öffentlichen Lebens
geisselten. Zerwürfnisse mit der Leitung des Blattes bestimmten ihn, diese
Thätigkeit aufzugeben und die »Dresdener Montagspost« ins Leben zu rufen,
in der er ähnliche Tendenzen weiter verfocht, bis ihn ein rascher Tod von
der Fortführung seiner Gründung abrief. Neben seiner journalistischen Arbeit
betrieb er eifrig den Unterricht in der Aesthetik, Litteratur und Kunstgeschichte.
Er war in zahlreichen Dresdener Mädchenpensionaten ein geschätzter Lehrer
und wusste seine Zuhörerinnen durch seine populäre Vortragsweise zu fesseln.
Hand in Hand damit ging eine ausgebreitete Wirksamkeit als Kunstschrift-
steller, als welcher er eine lange Reihe von Büchern veröffentlichte, deren
Inhalt allerdings weder tief ist, noch an überflüssiger Genauigkeit leidet. Da
sie Kürschners Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1898 sämmtlich
verzeichnet und keines einen höheren wissenschaftlichen Werth beanspruchen
kann, ist es nicht nöthig, sie hier im Einzelnen anzuführen. Auch als Kunst-
kritiker versuchte sich S. Er schrieb Jahre lang unter dem Zeichen: 77 ^^^^
den »Dresdener Anzeiger«, und erst wenige Wochen vor seinem Ende kam
sein Verhältniss zu dieser Zeitung zur Lösung. Da S. keine feste eigene Ueber-
zeugung hatte und leicht durch die verschiedenartigsten Einflüsse zu bestim-
men war, hatte seine Thätigkeit in dieser Richtung keine grosse Bedeutung.
Ein Förderer des Fortschrittes in der Dresdener Kunstbewegung war er
wenigstens in der letzten Zeit seines Lebens nicht; eher Hesse sich das
Gegen theil davon behaupten. Dagegen spielte er in dem gesellschaftlichen
Leben Dresdens eine gewisse Rolle. Er war in vielen Kreisen, die mit der
Presse und der Kunst in Verbindung stehen, beliebt und geehrt, da sein
unausgesprochenes Wesen und seine temperamentlose Liebenswürdigkeit wie
geschaffen für die Dresdener Verhältnisse war.
Vgl. »Dresdener Rundschau« 1898, VII, Nr. 6, S. 1 — 2. — »Kunstchronik« Leipzig
1897.9g, N. F. IX, Nr. 15, S. 249.
H. A. Lier.
Bäumer, Th. Heinrich, Bildhauer, * Warendorf in Westfalen am
25. Februar 1836, f Dresden am 26. April 1898. B. war der Sohn eines
Tischlers und bildete sich ohne eigentliche künstlerische Anleitung vom
Modelleur zum Bildhauer fort. Zuerst in Münster und seit dem Jahre 1859
bis 1866 als Gehülfe und Schüler bei dem Bildhauer Schwenk in Dresden
266 Bäumer. Zimmermann.
thätig, machte er sich zuerst durch die im Auftrage der Königin von England
gearbeitete lebensgrosse Figur eines Salomo bekannt, die flir das Mausoleum
des Prinz-Gemahls bestimmt war. Im Sommer 1866 siedelte er nach Rom
über, wo er mit einer kurzen Unterbrechung bis zu seiner dauernden Nieder-
lassung in Dresden weilte. Ausser einer humoristischen Blumenfigur
^>Männekenpiss« schuf er in jenen Jahren die Gruppe von »Zeus und Prome-
theus« für das Kgl. Hoftheater in Dresden, sowie einige Reliefportraits und
verschiedene Figuren für Kirchen. Für den Justiz-Palast in Dresden lieferte
er im Auftrage des Sachs. Justiz-Ministeriums die Statuen der Gerechtigkeit,
der Schuld und der Unschuld, sowie zwei weitere Einzelfiguren. Aehnliche
allegorische Figuren von seiner Hand finden sich auch im Justiz-Gebäude zu
Chemnitz. Aus den Mitteln der Hermann-Stiftung wurde die Marmorgruppe:
»Venus droht Amor die Flügel zu stutzen« in den Anlagen der Dresdener
Bürgervereine hergestellt. In Folge einer von der Tiedge-Stiftung aus-
geschriebenen Concurrenz erhielt er den Auftrag für einen Zierbrunnen in
Zittau, der die Zittavia und die vier Nischenfiguren des Gartenbaues, des
Handels, der Wehrkraft und der Industrie darstellt. Die letzte umfängliche
Arbeit des Künstlers war eine Überlebensgrosse Büste des Königs Albert von
Sachsen. Sie trug ihm noch kurz vor seinem Ende die Ernennung zum Kgl.
Professor ein. — B. gehörte seiner künstlerischen Richtung nach der älteren
Dresdener Bildhauerschule an, die weniger Werth auf die Charakteristik, als auf
die Schönheit der Linienführung und auf die Anmuth den Ausdruck legte.
Deshalb gelangen ihm, wie die Ausstellung seines Nachlasses im sächsischen
Kunstverein deutlich zeigte, genrehafte Figuren und Figtirchen (Susanna,
Amors Freude über zwei sich schnäbelnde Täubchen, Sandalenbinderin
u. s. w.) weit besser als monumentale Aufgaben, in denen er meist steif, wenn
nicht sogar langweilig blieb.
Vgl. »Das geistige Deutschland am Ende des XIX. Jabrhunders.« i. Bd. Die Bil-
denden Künstler. Leipzig, Berlin 1898. 8* S. 24. — »Dresdener Anzeiger« vom 28. April
1898. S. 27 — »Kunstchronik«, Leipzig 1897/98 N. F. IX, 391, 406, 407, 410. — »Die
Kunst für Alle.« München 1897/98. XIII, S. 269. tt * t •
JuL. A. Lier.
Zimmermann, Cuno Moritz, Pastor, * 17. März 181 5 in Dresden,
f 28. Februar 1898 ebendaselbst, war der Sohn des Stadtrichters A. B. Zim-
mermann. Nachdem er seinen Vater bereits in seinem 13. Jahre verloren
hatte, bezog er zu Ostern 1829 die Fürstenschule zu Meissen, die er schon
nach sVj Jahren zu Michaelis 1834 als Primus omnium mit den besten Zeug-
nissen verliess. Er studirte in Leipzig Theologie und nahm dann im Jahre
1838 eine Hauslehrerstelle bei dem Fürsten Löwenstein-Wertheim in Berlin
an, wo er Gelegenheit hatte, Vorlesungen Neanders zu hören, und sich fleissig
mit dem Studium der Philosophie und dem der Schriften Schleiermachers
beschäftigte. Seit dem Jahre 1840 wirkte er als Lehrer an dem damals
renomirten Krauseschen Institut in Dresden. Erst im Jahre 1846 konnte er
in das geistliche Amt eintreten. Er wurde Vicar zu St. Nicolai in Chemnitz
und bald darauf Diaconus bei St. Jacobi und von dort im Jahre 1854 zum
Pfarrer nach Döbeln berufen. In seiner religiösen Ueberzeugung stand er
auf dem Bekenntniss des strengsten Lutherthums, zu dessen. Vorkämpfer er
sich berufen fühlte. In diesem Sinne begründete er im Jahre 1859 gemein-
schaftlich mit Leonhardi ein - Monatsblatt zum homiletischen Studium und zur
Erbauung, das unter dem Titel: »Gesetz und Zeugniss« in Leipzig bei Teubner
Zimmermann. Hermann. Hammer. 267
erschien. Aus ihr entwickelten sich mit dem Jahre 1871 die »Pastoralblätter«,
die er bis kurz vor seinem Tode redigirte. Die Zeitschrift gewann in den Kreisen
der strengen Lutheraner grossen Einfluss, da die sogenannten Säulen der
lutherischen Kirche wie Luthard, Ahlfeld, Stählin, Langbein, Delitzsch, Harless,
Meurer und Rüling eifrige Mitarbeiter an ihr wurden. In den Jahren von
1863— 1886 entfaltete er eine reich gesegnete Amtsthätigkeit als Pfarrer zu
Seifersdorf bei Rabenau. Auf den Conferenzen und kirchlichen Versamm-
lungen sowie auf der Synode spielte er unter seinen Amtsbrüdern eine be-
deutende Rolle. In Anerkennung seiner Verdienste verlieh ihm die theolo-
gische Facultät der Universität Leipzig den Titel eines Licentiaten der Theo-
logie. Auch war Z. Ritter des Albrechtsordens erster Classe. Nach seiner
Pensionirung im Jahre 1886 zog sich Z. nach Dresden zurück, wo er noch
12 Jahre geistig rege und arbeitsfreudig lebte und noch im Jahre 1897 seine
goldene Hochzeit feiern durfte.
Job. Cuno Zimmermann, Gedächtnissrede beim Begräbnisse des Herrn Pastor em.
Lic. theol. Cuno Zimmermann. Leipzig o. J.(i898). 8^. — »Afranisches Eccc« 1898. 3. Heft.
Bearbeitet von Gustav Türk. Meissen 1899. 8". S. 16—21. — »Amtskalendcr für evangelisch-
lutherische Geistliche im Königreich Sachsen auf das Jahr 1899«. Frankenberg o. J. (1898).
^'' S- 2^3. H. A. Lier.
Hermann, Wilhelm Theodor, Secretär der Handels- und Gewerbe-
kammer in Dresden, * i. September 1839 ^^ Bautzen, f ^4' J^"^ 1868 in
Dresden. H. war der Sohn des Kgl. sächs. Kreis -Amtmanns Carl Otto
Ferdinand H. In der Knabenerziehungsanstalt der Brüdergemeine zu Niesky
bei Görlitz und auf der Fürstenschule St. Afra zu Meissen vorgebildet, bezog
er zu Michaelis 1858 die Universität I^eipzig, um sich dem Studium der
Phüologie zu widmen, vertauschte dasselbe jedoch bereits im Jahre 1859 mit
dem der Bergwissenschaften, zu welchem Zwecke er nach Freiberg i. S. über-
siedelte. Nach Vollendung seiner Studien ging er im Jahre 1863 nach Chile
und später nach San Francisco, wo er vorzugsweise auf dem Gebiete chemi-
scher Erzbereitung und in der Schmelztechnik thätig war. Nach seiner Rück-
kehr nach Deutschland im Jahre 1878 privatisirte er längere Zeit in Dresden,
übernahm aber am i. Januar 1884 eine Hülfsarbeiterstelle bei der Handels-
und Gewerbekammer in Dresden, die er inne hatte, bis ihm schon im Jahre
i886 das Secretariat der Kammer übertragen wurde. Diesen Posten be-
kleidete er bis an sein Ende und wusste sich durch seine gediegenen Kennt-
nisse und seinen practischen Blick, die ihm bei der Abfassung der Kammer-
berichte sehr zu Statten kamen, einen geachteten Namen bei den Kammer-
mitgliedern und Berufscollegen zu erwerben. Mit mehr als gewöhnlicher
Fachbildung ausgerüstet, nahm er auch an Fragen des öffentlichen Lebens
und wissenschaftlichen Erörterungen, die seinen verschiedenen Berufen zunächst
fern standen, lebhaften Anteil. In Gemeinschaft mit H. Ermisch verfasste er
den Aufsatz: »Das Freiberger Bergrecht« im Neuen Archiv für sächs. Ge-
schichte und Alterthumskunde Dresden 1882 III, 118 — 151.
Vgl. »Afranisches Ecce« 1898. 3. Heft. Bearbeitet von G. Türk. Meissen 1899.
S. 51. 52. — Bericht der Handels- und Gewerbekammer Dresden auf das Jahr 1898.
Dresden 1899. L 70-71. H. A. Lier.
Hammer, Guido, Jagdmaler, * 4. Februar 1821 in Dresden, f 27. Januar
1898 ebendaselbst. H. war der Sohn eines sächsischen Ministerialbeamtens.
208 Hammer.
Die Schule besuchte er nur mit Widerwillen, da ihm ein grämlicher Rector
die Lust am Lernen verleidete. Schon als Knabe trieb er sich am liebsten
im Walde herum und eignete sich grosse Geschicklichkeit im Fangen von
Fischen, jungen Vögeln, Eichhörnchen, Igeln und dergleichen Gethier mehr
an. Seine liebsten Gesellschafter waren Vogelsteller von Profession, Feld-
und Waldhüter und sonstige oft recht problematische Naturen, mit denen zu-
sammen er namentlich in der Dresdener Haide, Sprenkel, Dohnen und Fallen
zu stellen, ja gelegentlich auch schon mit dem Gewehr zu jagen pflegte.
Wenn es nach seinem Wunsche gegangen wäre, hätte er seiner Neigung zum
Waidmannsberuf nachgegeben. Aber sein gestrenger Vater wollte von der-
gleichen Plänen durchaus nichts wissen, gab aber nach, als H.'s älterer Bruder
Julius, der später als Dichter von »Schau um Dich und schau in Dich« be-
kannt geworden, den Rath ertheilte, dass Guido die Dresdner Akademie be-
suchen sollte, um Maler zu werden. Allein anfänglich wollte ihm dieser Beruf
gar nicht zusagen, zumal ihn die Möglichkeit freierer Bewegung immer wieder
zum Herumtreiben in Wald und zur Jagd verführte. In dem unter Rietschel's
Leitung stehenden Antikensaal schwänzte er unablässig, so dass Rietschel froh
war, den ungefügen Schüler entlassen zu können. Als er aber beim Act-
zeichnen unter Julius Hübner statt des vorgeschriebenen nackten Körpers einen
Jäger in mittelalterlicher Waidmannstracht entwarf, tadelte Hübner diese Extra-
vaganz keineswegs, sondern nahm ihn, nachdem er sich von seiner eigen-
thümlichen Begabung überzeugt hatte, unter die Zahl seiner Privatschüler
auf, um ihn trotz seiner eigenen, ganz anderen Gebieten der Kunst zugewandten
Richtung nach Kräften zu fördern. H. hat stets anerkannt, dass er das, was
er als Künstler zu leisten vermochte, der Unterweisung Hübners verdankte.
Er hatte das Glück, dass sein Erstlingswerk, ein Jäger zu Pferd, der über
einen erlegten Hirsch das Halali bläst, vom sächsischen Kunstverein angekauft
wurde. Auf diese Weise wurde er sehr bald in waidmännischen Kreisen als
tüchtiger Specialist anerkannt und von ihnen in seinem Fortkommen unter-
stützt. Er durfte sich an den Kgl. Hofjagden in Moritzburg unter König
Friedrich August IL betheiligen und in den Kgl. Wäldern und Weinbergen
die Jagdthiere nach Herzenslust in ihren Schlupfwinkeln beobachten. Damals
sammelte er das Material zu seinen »Hubertus-Bildern, Album für Jäger und
Jagdfreunde«, zu dem er selbst den Text schrieb, während sein Freund
H. Btirkner seine Zeichnungen in Holz schnitt. Aus dem Erlöse eines von
dem Grafen Hohenthal angekauften Bilde, das den »Kampf zweier Hirsche«
darstellte, bestritt er im Jahre 1847 die Kosten der üblichen italienischen
Reise. Wichtiger als diese aber wurde es für ihn, dass er Zeit fand, auf der
Rückreise das bayerische und steierische Hochgebirge zu durchstreifen und
überall daselbst Studien zu machen. In die Heimath zurückgekehrt, malte
er sein letztes Bild in Hübners Atelier, einen Bär, der einen verendeten Hirsch
findet. Es ging in den Besitz des Herzogs von Anhalt-Dessau über. Dann
machte er sich selbstständig und fing nun an, regelmässig Beiträge für die
»Gartenlaube« zu liefern, indem er Schilderungen aus dem Thierleben ent-
warf und sie mit entsprechenden Illustrationen versah. Von einem besonderen
Gönner, dem Grafen zu Solms -Klitschdorf, erhielt er den Auftrag, für sein
Schloss in Schlesien und seine Villa in Dresden eine Reihe von Staffelei-
Lildern zu malen. Der Wirth eines grösseren Restaurants in Dresden, das
heute noch die »Wolfsschlucht« heisst, bestellte bei ihm einen Cyclus von
sechs grösseren Wandgemälden, die, dem Namen des Locals entsprechend,
Hammer. Geselschap. 269
sämmtlich Wölfe im Kampfe mit Jagdthieren darstellten. H. führte sie in
Leimfarbe aus, die leider dem Einfluss der Feuchtigkeit nicht Stand hielt, so
dass sie von ihm später erneuert werden mussten. Ein weiterer Gönner
des Künstlers war der Herzog Ernst II, von Coburg -Gotha. H. durfte ihn
auf seinen Jagdzügen im bayrischen Gebirge und T)n-ol begleiten und erbeutete
bei solchen Gelegenheiten stets ganze Mappen von Bildern und Zeichnungen.
Durch dieses unermüdliche Umherschweifen in Wald und Feld hatte sich H.
im Laufe der Jahre eine überaus sichere Kenntniss des Wildes und seines
Treibens angeeignet. Er beobachtete scharf und war ein vortrefflicher
Zeichner, stand aber nach modernen Anschauungen mit der Farbe einiger-
massen auf dem Kriegsfuss, was sich namentlich in den meist ziemlich harten
landschaftlichen Hintergründen seiner Bilder zeigt. Zwei davon sind in den
Besitz der Dresdener Galerie übergegangen; das eine im Jahre 1852 voll-
endete stellt ein »geflecktes Windspiel«, das andere im Jahre 1866 entstandene
»eine Wildsau mit Frischlingen« dar. Von seinen Werken sind noch zu
er>Ä'ähnen: »Jagdbilder und Geschichten« aus Wald und Flur, aus Berg und
Thal. Mit 8 Bildern in Holzschnitt ausgeführt von Hugo Bürkner. 2. Aufl.
Glogau, Carl Flemming, o. J. 8° und »Wild-, Wald- und Waidmannsbilder«.
Mit Illustrationen. Leipzig, Ernst Keils Nachfolger, 1891. gr. 8".
Vgl. »Die Gartenlaube« 1874. No. 48, S. 770—772. (Kurze Selbstbiographie mit
Bildniss.) Wilhelm Kaulen, Freud' und Leid im Leben deutscher Künstler. Frankfurt a. M.
1878, S^. S. 225—230. — »Dresdner Anzeiger« vom 30. Januar 1898, S. 36. — »Dresdner
Rundschau« 1896, Nr. 30. — »Kunstchronik«, Leipzig 1897/98 N. F. IX Sp. 248—249.
H. A. Lier.
Geselschap, Friedrich, Historienmaler, ♦s.Mai 1835 in Wesel, f 31. Mai 1898
in Rom. G. war der Sohn eines Kaufmannes aus Wesel am Niederrhein,
und der jüngere Bruder des Genremalers Eduard G. Da er beide Eltern schon
als Kind verlor, kam er zu Verwandten nach Neisse in Schlesien. Als 16 jähriger
wurde er im Jahre 1851 nach Breslau auf das Gymnasium geschickt, ging
aber, als der Portraitmaler Resch seine künstlerische Begabung erkannt hatte,
auf die Dresdener Akademie über, wo sich Julius Schnorr von Carolsfeld
seiner annahm. Doch blieb er nur zwei Jahre in Dresden und wandte
sich zur Fortsetzung seiner Studien im Jahre 1855 nach Düsseldorf, um dort
Schüler Bendemanns und Schadows zu werden. Im Verkehr mit seinem
Freunde Theodor Mintrop, der grossen Einfluss auf ihn gewann, begeisterte
er sich hier fiir die Decorationsweise und Prunkmalerei der römischen Re-
naissance. Doch musste er noch geraume Zeit warten, ehe er das Ziel seiner
Sehnsucht, Italien, mit eigenen Augen sehen konnte. Nachdem er 11 Jahre
lang rastlos, meist als Gehülfe anderer und als Portraitzeichner, thätig gewesen
war, konnte er im Jahre 1866 nach Rom reisen. Er trat hier mit O verbeck
in Verbindung und studirte die Fresken des Vaticans auf das Eifrigste. Seit-
dem fühlte er sich berufen, selbst als Schöpfer monumentaler Werke aufzu-
treten. Den ersten glücklichen Wurf nach seiner im Jahre 1871 erfolgten Ueber-
siedelung nach Berlin, der seinen Namen wenigstens in der Oeffentlichkeit
bekannt machte, that er in seinen gemeinschaftlich mit Bleibtreu ausgeführten
Concurrenzarbeiten für die Ausschmückung der Kaiserpfalz in Goslar, für die
ihnen der zweite Preis zu Theil wurde. Erst im Jahre 1879, nachdem er
bisher im Wesentlichen nur für die Decoration von Privathäusern beschäftigt
gewesen war, erhielt er auf die Verwendung Fridrich Hitzigs hin den Auf-
2^0 Geselscbap.
trag, die Kuppel und vier Bogenfelder des Berliner Zeughauses auszumalen
und so zu einer Ruhmeshalle umzugestalten. Im Anschluss an den Styl des
Cornelius, der mehr und mehr sein Vorbild wurde, schuf er hier mit Casein-
farben vier grosse Bilder, die den Krieg, den Frieden, die Wiederher-
stellung des deutschen Reiches und Walhalla darstellen. Die Arbeit dauerte
bis zum Jahre 1890 und wurde von ihm nur mit grösster Anstrengung zu
Ende geführt, da er sich durch den Sturz vom Gerüst eine unheilbare Bein-
wunde zugezogen hatte. Sein künstlerischer Ruf, den er wenigstens in Berlin
durch die Thätigkeit im Zeughause fest begründet hatte, verschaffte ihm auch
nach Vollendung seines Bildercyclus eine Reihe weiterer Aufträge. Für die
Berliner Gnadenkirche entwarf er die Glasfenster mit den vier Evangelisten
und der Auferstehung Christi; in der Kaiserin Augustakirche rühren die Mosaik-
bilder von ihm her, zum 90. Geburtstage Kaiser Wilhelms I. componirte er
einen antik isirenden Fries für das Berliner Akademiegebäude, und endlich malte
er die Anbetung der Magier für die Kaiserloge der Kaiser Wilhelm-Gedächt-
nisskirche. Daneben entstanden eine Reihe kleinerer Arbeiten, z. B. eine
thronende Maria mit dem Kinde, die in Privatbesitz übergegangen ist, und
ein Entwurf zur Ausschmückung des Beethovenhauses. Auch fehlte es ihm
nicht an äusseren Anerkennungen seiner Wirksamkeit. Bereits im Jahre 1882
zum Mitglied der Berliner Akademie ernannt, wurde er im Jahre 1884 Senator
und im Jahre 1885 Mitglied der Akademie des Bauwesens und der Landes-
kunstkommission. Im Jahre 1886 wurde ihm die grosse Medaille auf der
internationalen Jubiläumsausstellung der Akademie zuerkannt, und im Jahre j 890
erhielt er das Offizierskreuz des belgischen Leopoldordens. Ein grosser
Theil seiner Studien in Blei, Kreide und Rothstift ging in den Besitz der
Nationalgallerie über und auch für Brüssel wurden mehrere Cartons vom
belgischen Staate angekauft. Auch die Münchner Akademie nahm ihn unter
die Zahl ihrer Ehrenmitglieder auf Um sich auf die Ausführung der ihm
übertragenen Ausmalung der Friedenskirche in Potsdam und des Festsaales
des neuen Hamburger Rathhauses, Arbeiten, zu denen die Entwürfe schon
ziemlich weit gediehen waren, vorzubereiten und zu kräftigen, begab er sich
im Herbste des Jahres 1897 nach Rom. Hier scheint sich sein Geist aus
Gründen, über die kaum mehr als Muthmassungen vorliegen, umnachtet und
sein körperliches Leiden arg verschlimmert zu haben. Er suchte selbst den
Tod, indem er sich an einem Baum in den Anlagen nordwärts von der Porta
del Popolo erhängte, wo man ihn am 3. Juni 1898 todt auffand. Bei der
Obduction der Leiche ergab sich, dass er an einer schweren Gehirnkranklieit
litt, die seinen Selbstmord erklären würde. Das Urtheil über die künstlerische
Bedeutung G.'s steht noch nicht fest. Während ihn die Berliner Akademie
der Künste, die im Herbste des Jahres 1898 eine allerdings vom Publikum
kaum beachtete Ausstellung seines künstlerischen Nachlasses in ihren Räumen
veranstaltete, in ihrem öffentlichen Nachruf »als den genialsten Vertreter der
deutschen Monumentalmaler unseres Jahrhunderts« bezeichnete, werfen ihm
andere Mangel an Selbstständigkeit der Erfindung und coloristische Schwächen
vor und stellen seinen Versuch, die Renaissancemalerei im Anschluss an die Art
des Cornelius neu zu heben, als vergeblich, wenn nicht sogar als verfehlt hin.
Vgl. Lionel von Donop, Friedrich Gcselschap und seine Wandgemälde in der Ruhmes-
halle, Berlin 1890 gr. 8 mit 5 Abbildungen. — Wolfgang von Oettingen, Friedrich Geselschap.
Gedächtnissrede bei der Feier am 29, X. 1898, gr. 8° — »Die Grenzboten«, Leipzig 1S99,
58. Jahrg. No. i, S. 38 -44. »Zeitschrift für Bildende Kunst«, Leipzig 1886 Bd. 21 S. 253,
1888 Bd. 23, S. II. »Kunstchronik«, Leipzig 1890/91. N. F. II, S. 131, 488. 1892/93.
Geselschap. Paul. Ribbeck. 2 71
N. F. S. 276. 1897/98. N. F. IX. 454fg., 488fg. Vgl. auch die Hauptregister. — »Deutsche
Künste Berlin 1898. II, 327 fg. — »Kunst für Alle«, München 1897/1898. XV, 314. —
»Illustrirte Zeitung« Leipzig 1898. iio. Bd. Nr. 2867, S. 735.
H. A. Lier.
Paul, Oskar, ausserordentlicher Professor für Musikgeschichte in der
philosophischen Facultät der Universität Leipzig, Lehrer am kgl. Conservato-
rium für Musik daselbst und verantwortlicher Redacteur für den musikalischen
Tlieil des »Leipziger Tageblatts«, *am 8. April 1836 in Freiwaldau in Schlesien,
f am 18. April 1898 in Leipzig. P. genoss als Sohn eines Predigers eine
vortreffliche Erziehung und wurde von seinem Vater selbst in das Studium
der klassischen Sprachen eingeführt, in denen er sich hervorragende Kenntnisse
aneignete. Nach Absolvirung des Gymnasiums in Görlitz, an dem er durch
den Musikdirector Klingenberg Unterweisung in der Musik erhielt, bezog er
im Jahre 1858 die Universität Leipzig, um Theologie zu studiren. Indessen
fesselte ihn die Musik so sehr, dass er sich am Conservatorium zu einem
vortrefflichen Pianisten ausbildete und sich auf das Eingehendste mit der
Theorie der Musik vertraut machte. Nachdem er im Jahre 1860 promovirt
hatte, habilitirte er sich sechs Jahre später mit der Schrift: »Die Harmonik
der Griechen« als Privatdocent der Musikwissenschaften an der Universität
Leipzig, an derer, seit 1872 als ausserordentlicher Professor, bis an sein Lebens-
ende wirkte. P. stand in dem Ruf, ebenso tüchtig als Philolog wie als
praktischer und theoretischer Musiker zu sein, und hat durch seine Schriften
unser Wissen über die Musik der Griechen wesenthch erweitert. P> war ein
Anhänger des Hauptmann' sehen Harmoniesystems und gab dessen »Lehre
von der Harmonik« heraus. Im Jahre 1868 rief er die Musikzeitung: »Ton-
halle« ins Leben und später war er Redacteur des »Musikalischen Wochen-
blattes«, allerdings nur für die kurze Zeit des ersten Vierteljahrs. Auf das
Leipziger musikalische Leben gewann er als Kritiker des Leipziger Tageblattes
grossen Einfluss, doch bereitete ihm ein Gehörleiden schon lange vor seinem
Tode in der Ausübung dieses Berufes manche Schwierigkeiten. Als Lehrer
am Conservatorium hat er namentlich durch seinen ausgezeichneten Klavier-
unterricht und durch seine Vorlesungen über Geschichte und Harmonie zahl-
reiche, zum Theil überaus tüchtige Schüler gebildet. Ein bis zum Jahre 1892
reichendes Verzeichniss seiner Schriften findet man bei Richard Kukula,
Bibliographisches Jahrbuch der deutschen Hochschulen. Innsbruck 1892. 8®
S. 684.
Vgl. Herrn. Mendel, Musikalisches Convcrsationslcxikon. Berlin 1877. 8 VIII, 36. —
HugoRiemann, Musik-Lexikon Leipzig 1882, 8^ 8,683. — »Neue Zeitschrift für Musik« 1898.
65. 'Jahrgang. Bd. 94. Leipzig o. J. S. 189. — »Musikalisches Wochenblatt«. Hrgg. von
E. W. Fritzsch, Leipzig 1898. 29. Jahrg. S. 252 b — »Signale für die Musikalische Welt«.
Leipzig 1898, 56. Jahrg. S. 435.
H. A, Lier.
Ribbeck, Johannes Karl Otto, Professor der klassischen Philologie in
Leipzig, * 23. Juli 1827 in Erfurt, f 18. Juli 1898 in Leipzig. — Mit R. ist
ein weit über die Grenzen seines >\issenschaftlichen Berufs hinaus bedeuten-
der Gelehrter, ein Humanist im vornehmsten Sinne, eine grossangelegte Per-
sönlichkeit im besten Schaffen aus dem Leben geschieden. Mühevoll war
sein Weg, aber er führte ihn zu reineren Höhen. Thüringen scheint ja, wie
R. selbst am Anfang der Lebensbeschreibung Ritschis bemerkt, zur Heimstätte
2^2 Ribbeck.
philologisch angelegter Naturen eigenthümlich berufen. Freilich hat er selbst
diese Luft nicht lange geathmet. Denn, als er fünf Jahre alt war, wurde sein
Vater, der Consistorialrath Friedrich R. in Erfurt, als Generalsuperintendent
nach Breslau versetzt. Von seinem sittenstrengen, wissenschaftlich hervor-
ragenden, geistreichen, für alles Dichterische empfänglichen Vater hat R.
manches geerbt. Zugleich war er der Liebling der von ihm zärtlich geliebten
Mutter. Er genoss zunächst Privatunterricht und besuchte dann das Friedrichs-
gymnasium in Breslau. Er soll immer ein fleissiger und ausgezeichneter Schüler
gewesen sein. Von 1833 — 1839 wirkte Ritschi an der Universität, der zum
R. 'sehen Hause von Erfurt her Beziehungen hatte. Als der Vater im Früh-
jahr 1843 als wirklicher Oberconsistorialrath nach Berlin abgerufen wurde,
war R. bis an die Schwelle der Prima gelangt. Mit Vergnügen gedachte er
immer der froh verlebten Knabenzeit und der alterthümlichen Stadt, der
schlesischen Berge, vor allen des Zobten, der aus blauer Ferne täglich zu
ihm herübergegrüsst hatte.
Ein Kreis lieber Verwandter öffnete sich dem stillen, sinnigen Jünglinge.
Der Director des Grauen Klosters, in dem er seine Gymnasiallaufbahn ab-
schloss, war sein Oheim, der treffliche Ferdinand R. R. widmete sich der
Philologie zunächst zwei Semester in Berlin. Namen wie Boeckh, Bopp,
Lachmann, Trendelenburg, Zumpt und Geppert bezeichnen ebensoviel Rich-
tungen der reichgegliederten Wissenschaft, in denen sich der junge Gelehrte
bewegte. Noch aber hatte er den rechten Mentor nicht gefunden.
Ende April 1846 bezog er mit seinem Bruder Ferdinand, dem Studiosus
theologiae, die Universität Bonn, um Ritschi, den Gründer der »Bonner
Schule«, zu hören. Neben diesem lernte er Welcker verehren. An dem
studentischen Treiben nahm er nicht Theil. Seine Leidenschaft für das Drama
suchte er in einem Lesekränzchen zu befriedigen. Ein paar Ausflüge auf die
nahen Berge und in das Ahrthal wurden ohne Rücksicht auf behaglichen
Genuss unternommen. Das Ende des Semesters brachte eine kleine Reise
durch den Schwarzwald in die Schweiz. Als dann der Herbst kam und in
den Weinbergen die ausgelassenste Fröhlichkeit erwachte, da regte sich auch
in R. die Lebenslust. Aber alle Hoffnungen auf Casinobälle u. dgl. wurden
durch die abweisende Haltung des asketischen Bruders vereitelt. Freilich
waren ernste Verhältnisse dazu angethan, R.'s Jugendlust zu dämpfen. Der
Vater litt unter der Unthätigkeit, zu der ihn seine Berliner Stellung verurtheilte.
Die Mutter wurde durch körperliche Leiden vielfach heimgesucht, und die
Briefe der leicht erregbaren Frau, malten oft (Jrau in Grau. Da zeigt sich
R. als Tröster rührend beflissen. Immer eifriger vertieft er sich in seine
Studien. Ganze Waschkörbe voll Bücher muss der Stiefelputzer fortwährend
von und nach der Bibliothek schleppen. Endlich las Ritschi sein Plautus-
colleg, das Genialste, was R. in der Art bisher gehört hatte. Erleichtert
athmete er auf, als er durch den Meister nach langem und quälendem Um-
herstreifen auf einen bestimmten Kreis engerer Studien und zwar auf die
altlateinische Tragödie hingewiesen wurde. Täglich lag er nun in Ritschl's
Wohnung seiner Arbeit ob. Je näher aber die Stunde kam, da er ins Vater-
haus heimkehren sollte, desto lebhafter werden trotz der herrlichen Lage
seiner neuen Wohnung die Aeusserungen seines Heimwehs. Er freut sich,
all der kleinen Sorgen seines Studentenhaushalts bald enthoben zu sein. In
Breslau nahm er mit den Eltern an einer Hochzeit Theil. Und nun war er
wieder daheim! Wohl sollten seine Wanderjahre noch nicht zu Ende sein,
Ribbeck.
273
wie er gedacht hatte. Aber er war doch ein gutes Stück vorwärts gekommen.
Schon damals war er sich bewusst, dass ein offenes Auge für das Thun und
Treiben um ihn her für einen echten Studiosus der Philosophie nothwendig
sei. Von den Professoren, die er ausser Ritschi und Welcker hörte, Dahl-
mann, Loebell, Nitzsch, Urlichs, Schleicher, hat keiner tiefer auf ihn gewirkt.
Ritschi war und blieb das A und O seiner Studien, Frau Ritschi aber hatte
sichs angelegen sein lassen, die etwas ungeberdige Art des jungen Mannes in
ihre Schule zu nehmen und war seine zweite Erzieherin geworden.
Die nächsten Jahre waren nicht frei von äusseren und inneren Wirr-
nissen. In Berlin hatten Ritschis Empfehlungen R. neue Pforten geöffnet.
Gerhard war ihm für die archaeologische Seite seiner Studien behilflich.
Dann kam das unruhvolle Jahr 1848. R. zog als Student selbst mit der
Büchse auf Posten zum Schutze der bürgerlichen Ordnung. Inmitten des
Streits der Meinungen hat er mit reifem Urtheil die Dinge betrachtet. Am
25. Mai 1849 erfolgte die Promotion auf Grund der Abhandlung »In tragicos
Romanorum poetas coniectanea. Specimen I.«. Die Arbeit war nur eine Ab-
schlagszahlung, wie der Verfasser selbst am besten fühlte. Mit einigem Miss-
behagen begann er sich nun auf das Staatsexamen vorzubereiten. Er wünschte
natürlich, auf dem Gebiete gewürdigt zu werden, auf dem er es schon zu
etwas gebracht hatte. So unterzog er sich denn in Bonn der Staatsprüfung
unter Ritschl's Auspicien, in dessen Hause er die liebevollste Aufnahme fand.
Ganz nebenbei hatte Ritschi ihm den Vorschlag gemacht, in Bonn das Probe-
jahr zu erstehen, und damit einen Funken in R.'s Seele geworfen. Alles
schien für Bonn zu sprechen, in Berlin nur Vereinsamung und Verkümmerung
zu drohen. Es war ihm so schwer und angstvoll zu Muthc wie einem, der
sich selbst aus dem Vaterhause ausstossen will. Und doch, wenn ihm Gott
jetzt in der einen Hand den ganzen unermesslichen Schatz häuslicher und
kindlicher Glückseligkeit reichte und in der andern das Mittel ein tüchtiger
Mann zu werden, so will er weinend nach diesem greifen, wenn er nur die
Liebe und Achtung der Eltern behält. Diese sprachen von Unerkenntlich-
keit, und so verzichtete R. in rührend bescheidener Weise auf die Erfüllung
seines Herzenswunsches. Das Opfer war um so grösser, als er eben erst
einen Freund gefunden hatte in Paul Heyse, der in Bonn zurückblieb. Der
Winter ward ausgefüllt mit emsiger Arbeit an den Fragmenten der Tragiker.-
Da, im März 1850, durfte er mit fliegender Hand und vor Freude hämmern-
dem Herzen Ritschi melden: Ich komme. So verliess er denn von Neuem
die Heimath. Hoffte er doch, draussen ungestört und ungelobt eher zu
werden, was er möchte, »gut und fest in sich«. Er hatte sich bei Heyses
Wirthin eingemiethet. Aber wie ein Donnerschlag traf es ihn, als er ver-
nahm, der Freund komme nicht. Da that ihm Beschäftigung gut. Er fasste
seine Aufgabe am Gymnasium gründlich an und suchte durch Verse, Sinn-
sprüche u. dgl. den Unterricht zu beleben. Die Bonner Jugend war ziemlich
wild. Doch fiel es R. schwer, die Miene »des Eisenfressers« aufzustecken,
da er sich zu Kindern besonders hingezogen fühlte. In der reichlichen Musse-
zeit versenkte er sich mit Lust in die geliebten alten Autoren, nicht minder
aber in die neuern, voran Spinoza und Goethe. Mit Ritschi ging oder fuhr
er öfter spazieren, doch hinderten schmerzliche Ereignisse in dessen Familie
leider die rechte Ausnützung dieses Verhältnisses. Um so enger ijchloss sich
R. an Jakob Bernays an, an dem er das starke, tiefe Gemüth und den um-
fassenden Geist bewunderte. Aber immer seufzt er nach seinem jungen
BIogT. Jahrb. n. DeutBcher Nekrolog. 3. Bd. 1 8
274
Ribbeck.
Freunde, in dessen Zimmer er tibergesiedelt war. In dieser sentimentalen
Stimmung ergriff ihn mit Allgewalt der Zauber der schönen Natur. In der
warmen Sommernacht schwillt ihm das Herz vor trunknem Sehnen, Mond
und Sterne sind seine Vertrauten, die schale, philisterhafte Wirklichkeit will
er gar nicht sehen. Mehr und mehr zieht er sich auf sich selbst zurück, da
die Berührung mit Menschen, die ihm nicht innerlich nahe standen, peinlich
auf ihn wirkte. Wenn die Eltern besorgt ob solcher Stimmungen in ihn
drangen, tröstete er sie zärtlich: »Glaubt nur, ich werde noch, einmal gute
Dieses Lehrjahr sollte nach seinem eigenen Willen sein Purgatorium werden.
Mehr und mehr aber gewann der Gedanke in ihm die Oberhand, es auf die
Hälfte abzukürzen. Und als er vor sich selber die Ueberzeugung gewann,
dass er sich der ihm zugetheilten Aufgabe mit Ehren entledigt habe, zögerte
er nicht mehr. In der Freude seines Herzens gab er, als er schied, seinen
Schülern besonders gute Censuren.
Zunächst wurde R. in Berlin am Joachimsthalschen Gymnasium beschäftigt
unter Meineke, dem er aufrichtige Verehrung zollte. Von den Universitäts-
lehrern nahm sich nun auch Ranke seiner an. Den Winter 1850/51 brachte
er in stillem Behagen hin. Doch blieb seine Gesundheit »eine spröde und
wetterwendische Donna«. Als er nach einem Aufenthalte in Kissingen und
Ems seine pädagogische Thätigkeit wieder aufnehmen sollte, konnte er sich
einer traurigen Ahnung nicht erwehren, dass ihm die Schulstube »ein Grab
sein werde und kein rosenbedecktes«. Die Sammlung der Tragikerfragmente
war fertig. Freilich fiel es R. im Hinblick auf die von Ritschis Plautus-
forschungen noch zu erwartenden Ergebnisse schwer, »auf Reisen zu gehen
mit einer Baarschaft von wechselndem Kurs«. Der Meister selbst aber be«
richtet dem vorsichtigen Verleger über das Werk alles Gute: Es leben wenige,
die das Zeug haben ... R. ist einer dieser wenigen . . . Das kritische Talent,
das auf diesem Gebiet mehr als sonst wo sich productiv zu bewähren und
aus masslosen Entstellungen glatte Form und reinen Sinn herauszuschälen
hat, giebt sich in zahlreichsten Emendationen der glänzendsten Art kund.
1852 erschien das Werk. Die oft drückend empfundenen Schwierigkeiten
schreckten R. nicht ab, sich nunmehr sofort an die Fragmente der römischen
Komiker zu machen. Immer bittet er Ritschi, ihn anzuspornen. Denn so
krank ist er nicht, dass er nicht herzhaftes Aufrütteln vertrüge.
Auf Ritschis Empfehlung beschloss die Berliner Akademie 1852, R. eine
Unterstützung zu einer Reise nach Italien zu bewilligen. R. hatte eine
kritische Recension des Vergil als seinen wissenschaftlichen Zweck in den
Vordergrund gestellt. Daneben übernahm er verschiedene andere Aufgaben
für die Akademie oder für Bekannte, besonders für Ritschi. Er fühlte, diese
Reise sollte und musste für seine Zukunft entscheidend werden. Sie führte
ihn und Heyse von Montreux über Mailand, Genua, Pisa nach Florenz. Nach
einem kurzen Aufenthalte in dieser Stadt ward Rom am 14. Oktober erreicht,
wo die Reisenden blieben bis zum 31. März. R. kehrte nach einem Besuche
von Neapel und einem längeren Aufenthalte in Sorrent allein nach Rom zurück
am 24. April und blieb bis zum 9. Juni. Emsig und unverdrossen lag er hier
mit bestem Erfolge seiner Bibliotheksarbeit ob. Dann wieder vertiefte er sich
in die Schriften der Alten, las aber auch italienische Autoren wie Boccaccio
und Manzoni und neben deutschen Klassikern Bücher wie Heinses Ardinghello
und Rumohrs Geist der Kochkunst. Andächtig lesend ist er auch in einer
Bleistiftzeichnung Heyses dargestellt. Oft sprach er bei Heyses Oheim vor.
Ribbeck.
275
dessen CatuUübersetzung er in eifrigen Discussionen förderte. Von den Männern
des Capitols, auf dem er während des zweiten Aufenthalts auch wohnte,
wurden ihm Henzen und Brunn eng befreundet. Auch Welcker, der damals
gerade in Rom weilte, verkehrte gern mit ihm. Andre bekannte Persönlich-
keiten traten in seinen Gesichtskreis, Gregorovius, Vischer, Burckhardt, vor-
übergehend auch Scheffel. Er befreundete sich mit den Künstlern und sah
in den Ateliers von Overbeck, Riedel, Wittig, Steinhäuser, Riepenhausen
und vielen andern heute noch berühmte Werke. Unermüdlich durchstreifte
er Kirchen und Museen. Mit Behagen gab er sich seiner Neigung für das
Theater hin. Alles suchte er zu verstehen, die Stücke, aber nicht minder
die Schauspieler und ihre Kunst und das Publikum. In vollen Zügen genoss
er die Schönheit der Umgebung Roms. Die Rückreise nahmen die Freunde
über Assisi und Perugia. Nach einem längeren Aufenthalt in Florenz und
kürzerem Verweilen in Verona — in beiden Städten arbeitete R. ileissig auf
Bibliotheken — waren sie Anfang August 1853 in Venedig.
Die Bedeutung der italienischen Reise ftir R.'s allgemeine geistige Ent-
wicklung kann nicht hoch genug angeschlagen werden. Im .Besondern hatte
er das altitalische Volk im neuen kennen gelernt. Findet er doch z. B.
im alten Atella Maccusgesichter auf den Strassen. Er belauscht das Volk
bei seinen Festen und Belustigungen, auf Markt und Strassen und in der
Häuslichkeit. Und überall drängt es ihn, Physiognomien und Charaktere
fest zu halten. Innig versenkte er sich auch in die südliche Natur. So geht
ihm beim Anblick des Meeres in Sorrent auf einmal die Bedeutung von
Gleichnissen und mythologischen Vorstellungen auf. Heyse las ihm neue
Schöpfungen vor wie l'Arrabbiata, er selbst fiihlte sich zum dichterischen
Schaffen angeregt. 25 Jahre später erinnerte Heyse den Freund an die Zeit,
wo er selbst als »fröhlicher Idiot herumstrich, Sonn' und Lieder und Orvieto
schlürfend, die du freilich denn auch zu schätzen wusstest.« Er schildert
R.'s Leben: »Wohl! unsterbliches Werk vom Unrath säubern. Den ihm Thoren
und Klügler angeheftet. Aus erblichener Spur des Geistes Wandeln, Aus zer-
stückeltem Trümmerwerk der Dichtung Uns des Lebens Gestalt herauszudeuten,
Ist des Schweisses der Edlen werth.« Und wie er, so hat auch R. zeitlebens
»Heimweh gespürt nach Ponte Molle, Nach den Villen, Museen und Kirchen-
hallen, Nach dem Hause der Dame Rubicondi, Wo beim strohernen Fiasco
sie so manche Nacht verplauderten in Lucians Gesellschaft.«
Nach den Tagen ungestörten künstlerischen Genusses wollte natürlich die
Schulthätigkeit nicht recht schmecken. Als Mitglied des kgl. Seminars fiir
Gelehrtenschulen hatte R. 4 Unterrichtsstunden an einem Gymnasium wöchent-
lich zu ertheilen. Ueber die Ergebnisse seiner Handschriften-Forschungen
für Vergil, Terenz, deren Commentatoren und für die Senecatragödie erstattete
er der Berliner Akademie kurzen Bericht. Während er ungestört von aussen
seine Fäden weiterspann, reifte eine schon lange gehegte innige Zuneigung
zur Verlobung. Die Erwählte war die zweite Tochter Emma des General-
majors Baeyer, »zart an Körper, stark an Seele«, wie er selbst sie nennt.
Oleich Teilheim konnte er nun sagen: »Meine ganze Seele hat neue Trieb-
federn bekommen.« Enerjgisch suchte er jetzt seine wissenschaftlichen Pläne
zu fördern, zu denen sich auch der einer kritischen Ausgabe des Vergil ge-
sellte. Mit Freuden nahm er die durch Ritschis Vermittelung ihm angebotene
Stelle eines zweiten ordentlichen Lehrers am Gymnasium zu Elberfeld an.
Ende September 1854 war die Hochzeit gefeiert worden, am 7. Okt. ward
i8*
276
Ribbeck.
R. in sein neues Amt eingeführt. War auch die Wohnung unbequem, und
Hess auch der gesellige Verkehr unter den -fremden Verhältnissen vieles zu
wünschen übrig, so erblühte R. doch in der Häuslichkeit volles Glück, und
neben den treibenden Kräften in seiner eigenen Brust darf man nun als Sporn
auch seiner edlen Lebensgefährtin verständniss volle Theilnahme an allen
seinen Bestrebungen bezeichnen. 1855 erschienen die Fragmente der Komiker.
Für die kräftige Förderung seiner Vergilarbeiten fehlten ihm freilich in E.
alle Hilfsmittel. Das Schulprogramm desselben Jahres enthielt Lectiones
Vergilianae R.'s. Femer veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Prüfung des
Vahlenschen Ennius. Vor Allem aber fühlte er jetzt mit freudiger Genug-
thuung, welche Wohlthat und welcher Halt ein Amt ist.
Von nun an bewegte sich sein Leben rascher und deutlicher als zuvor
in aufsteigender Linie. Unter dem 26. März 1856 ernannte ihn der Regierun gs-
rath des Cantons Bern mit Rücksicht auf seine ausgezeichneten Leistungen
als Gelehrter und Lehrer zum a. o. Professor der klassischen Philologie an
der Hochschule sowie zum Lehrer am oberen Gymnasium. In der rechten
Erkenntniss, dass der Schwerpunkt des philologischen Studiums in der Fähig-
keit selbstständigen Arbeitens liege, drang R. auf Einrichtung eines philo-
logischen Seminars. Anfang 1859 wiirden die von ihm beantragten Ein-
richtungen genehmigt, neben denen er eine gehörige Dotirung der Seminaristen
dringend empfohlen hatte. Die Studenten fügten sich in ihrem republikanischen
Selbstbew^usstsein zunächst nicht leicht dem schärferen Regimente. Als im
Anfang des J. 1859 Aussichten auf eine Professur in Giessen auftauchten,
ernannte die Regierung R. zum ordentlichen Professor unter Erhöhung des
Gehalts und Abminderung der Unterrichtsstunden an der Cantonschule. Auch
ward er bald darauf zum Mitglied der Maturitätsprüfungs-Kommission ernannt.
Aus Anlass der bevorstehenden Wegberufung hatten ihm Gymnasiasten und
Studenten den Dank fiir sein erfolgreiches Bemühen, ein neues Leben auf
der Hochschule zu pflanzen, in treuherziger Weise ausgesprochen. Sein
Interesse für die Hebung der philologischen Studien in der Schweiz bethätigte
R. ferner durch die mit Fäsi, Köchly und Rauchenstein unternommene Gründung
einer litterarischen Zeitschrift, die eine »gemeinnützige, die Früchte wissen-
schaftiicher Forschung ins Licht setzende Richtung einhalten sollte«. In der
am 13. Mai 1860 in Aarau abgehaltenen Versammlung von Schweizer Professoren
und Schulmännern betheiligte er sich lebhaft an der Debatte und wurde an
erster Stelle in die Commission gewählt. So entstand das Neue Schweizerische
Museum, das R. thatkräftig förderte. Auch den Verein Schweizerischer
Gymnasiallehrer hat er gegründet. Seine rege wissenschaftliche Thätigkeit
war zeitweilig durch nervöse Abspannung unterbrochen, da das Doppelamt
hohe Anforderungen an seine Kräfte stellte. Erfrischung boten kleine Reisen,
Einkehr lieber Verwandter — besonders seiner Schwägerin Nette — und
Freunde. Für vieles entschädigte R. die herrliche Natur, die er mit dem
Sinn eines Künstlers genoss. Familienverkehr unterhielt er namentlich
mit dem Nationalökonomen Hildebrandt, Ritschis Schwager, und mit dem
Physiker Beetz, zu denen später noch der Musiker Franck und der Psycho-
loge Lazarus kamen. Wenn R. Ostern 1861 die Professur in Basel an-
nahm, so geschah es in der Erwartung, hier einen grösseren und lohnen-
deren Wirkungskreis zu finden. Das war denn auch der Fall. R. wirkte zu-
sammen mit Gerlach. Befreundet war er mit W. Vischer, W. Wackemagel
und Jacob Burckhardt, wenn auch dessen Lebensgewohnheiten nur etwa
Ribbeck.
277
alle Monate einmal ein gemüthliches Beisammensein in der Familie ermög-
lichten.
Die wissenschaftlichen Arbeiten dieser Zeit sind mannigfaltig. Vor Allem
förderte R. die Ausgabe des Vergil. Die Bucolica und die Georgica erschienen
1859, die beiden Hälften der Aeneis 1860 und 1862. In Universitäts- und
Zeitschriften behandelt er z. B. die Frage wiederholter Recension in den Ab-
handlungen: »Vergili eclogae I et X« und »über die Composition von Vergilius
Pxlogen«, »Emendationes Vergilianae«, »Vermuthungen zum Culex und zur
Ciris«. Ferner berichtet er sachdienlich und theilweise recht streitbar über
Ritschis Forschungen zur lateinischen Sprachgeschichte und über die »Prooemi-
orum Bonnensium decas«. In Ritschis Gebiet schlugen der Artikel Mezentius
und die »Bemerkungen zu Plautus Miles gloriosus« ein. An Vahlen wandte
sich ein Aufsatz »Ueber Varronische Satiren«. Mit der damals lebhaft er-
örterten Frage der symmetrischen Gliederung, der R. auch bei Vergil nach-
ging, beschäftigten sich die Universitätsschrift; Qua Aeschylus arte in Prometheo
fabula diverbia composuerit und die »Theokriteischen Studien«. Die ganze
Frage ward in der Basler Antrittsvorlesung über »die symmetrische Composition
in der antiken Poesie« eingehend und umsichtig behandelt. Viel Staub
wirbelte auf die Versversetzung in der Abhandlung »Ueber die Rede des
Königs Oedipus.« Die erste Kunde von seiner luvenalhypothese erhielt die
gelehrte Welt in der Ausgabe des Jahres 1859, die ihre radicalen Ergebnisse
im Scherz mit einer alten Ausgabe deckte. Endlich gehören in diese Zeit
die Abhandlung M. Porcius Cato Censorius als Schriftsteller und die beiden
Vorträge »über die mittlere und neuere attische Comödie« und »Euripides
und seine Zeit«.
Am 20. Oktober 1862 wurde R. nach Kiel berufen, von den Vorposten
deutscher Wissenschaft am Fusse der Alpen zur Wacht am deutschen Meer.
Das Leben in Kiel heimelte ihn besonders an. Er gewann theure Freunde
fürs Leben besonders an Karl Weinhold und Klaus Groth. Hier erstand
ihm auch der erste bedeutende Schüler in Erwin Rohde, der ihm treu ergeben
geblieben ist. Da sein Specialkollege Forchhammer vielfach als Abgeordneter
fern war, lastete die ganze Arbeit auf R., und das Amt eines Professor elo-
quentiae machte ihm auch Beschwer. Wiederum wandte er besonders dem
philologischen Seminar seine Sorge zu. Einen Versuch, das 1776 gestiftete
»philologische Stipendium« auch für das pädagogische Seminar in Anspruch
zu nehmen, wies er energisch zurück. Ferner sah er sich in der Frage des
Schassischen Stipendiums zu einer genauen Interpretation des Begriffs huma-
niores litterae genötigt, flir deren Pflege es bestimmt war. R. glaubte, um so treuer
an dieser Bestimmung festhalten zu müssen, je mehr die realistische Zeit-
strömung jenen »edleren Studien« ihr Gebiet streitig machte und sie zum
Schaden der Wissenschaft sowohl als der allgemeinen Geisteskultur in die
Schranken einer gewöhnlichen Fachdisciplin einzuzwängen suchte. Aus seinem
Gutachten über ein neues Prüfungsregulativ spricht ebenso der Ernst, mit dem
er die Studien betrieben wissen will, wie die verständige Humanität, die mit
der Wirklichkeit rechnet. Ueberall will er an Stelle oberflächlichen und all-
gemein encyclopädischen Wissens die wissenschaftliche Versenkung in einzelne
Gebiete gesetzt sehen, die bei dem lebhaften Ineinandergreifen aller Theile
der Wissenschaft von selbst zur Erweiterung des Gesichtskreises führt. Regen
Antheil nahm er an den Vorbereitungen der Jubilaeumsfeier Ritschis im
Jahre 1864 und war an der »Symbola philologorum Bonnensium« mit einer
278
Ribbeclc.
Abhandlung »de luvenaJis satira sexta« betheiligt. Als Ritschi, um den
Rheinischen Alter thumsverein fester zu begründen, auswärtige Sekretäre er-
nannte, erhielt auch R. Titel und Würde unter dem 22. September 1864.
R. arbeitete damals gerade in Bonn und hatte in manchem interessanten
Gespräche mit dem Freunde vor Allem Gelegenheit, dessen Entwicklungsgang
deutlicher zu erkennen. In seiner Ausgabe des Vergil machten ihm die
Prolegomena besonders zu schaffen, und er sehnte sich schmerzlich nach der
Zeit, wo er den letzten Karren auf seinen Monte Testaccio werde geschoben
haben. 1866 war das mühsame, aber nützliche Werk endlich fertig. 1868
folgte die Appendix Vergiliana. Der September 1869 brachte die Strapazen
der Philologenversammlung in Kiel, zu der R. die gediegene Schrift, »Beiträge
zur Lehre von den lateinischen Partikeln« geliefert hatte. Als auch der
arbeitsreiche Winter von 1869/70 hinter ihm lag, konnte er hoffen, zu Arbeiten
zu kommen, »die besser als andere aliquam partem sui flir eine Weile conser-
vieren könnten«. Im Okt. 1870 bot er Teubner den Verlag einer Geschichte
der römischen Tragödie an, die zur Hälfte bereits vollendet sei, und in der
es galt, »aus den kritisch gesichteten und verbesserten Bruchstücken mit
Benutzung anderweitigen Materials den Inhalt der Dichtungen, ihre Composition
und die Beziehung der Fragmente zu ermitteln«. An den in Schleswig-Holstein
damals tobenden politischen Kämpfen betheiligte sich R. nicht agitatorisch.
Seine Ueberzeugung aber, dass allein von Preussen das Heil zu erwarten sei,
verhehlte er nicht. Diese politischen Verhältnisse klingen ja leise auch nach
in den Reden, die R. an den Geburtstagen des Landesoberhauptes damals
hielt und die in den »Reden und Vorträgen« gross tentheils wieder abgedruckt
worden sind. So sucht er z. B. in der 1867 gehaltenen Rede »Griechen-
land und Deutschland« die widerstrebenden Elemente zu gewinnen durch
den Hinweis auf Athens segensreiches Wirken für Griechenland. Mit ganzem
Herzen folgte er der nationalen Erhebung von 1870. Ein Nachhall seiner
Stimmung war der Vortrag vom Januar 1871: »Die Poesie des Krieges im
Epos der Griechen«.
Die weiteren Arbeiten dieser Zeit behandeln unter Andern den »Frauen-
spiegel des Simonides von Amorgos« und die Charaktere des Theophrast, Ge-
dichte des .Tibull und Properz, die Dirae und die lateinische Anthologie. Als
Probe aus einer Geschichte der griechisch-römischen Tragödie gab sich die
Untersuchung »Philocteta des Accius«. Schon vorher (1869) hatte R. die
schöne Abhandlung über »Anfänge und Entwickelung des Dionysoscultus in
Attika« veröffentlicht. Seine luvenalhypothese suchte er durch die Schrift
»Der echte und der unechte luvenal« (1865) eingehend zu begründen. Ver-
schiedene kritische Beiträge bezogen sich auf Horaz, wie denn auch die
vielfach einschneidende Ausgabe der Episteln 1869 erschien. In der Harmonie
1863 und 1868 gehalten waren die Vorträge über Catull und über Sophokles.
Für seine rastlose Thätigkeit, die ihm keine Ablösung gönnte, vermisste
er die Anerkennung, die auch der Edle schwer entbehrt. So zögerte er, als
der Ruf, nach Heidelberg zu kommen, an ihn erging, nicht lange, ihm Folge
zu leisten, obwohl er sich inzwischen in Kiel ein Haus gekauft hatte. Ausser
der geographischen Lage, die ihn in die nächste Berührung mit einer Anzahl
Nachbaruniversitäten brachte und ihm reiche Gelegenheit zu geistiger An-
regung und Erfrischung bot, versprach er sich auch für seine amtliche Thätig-
keit dort einen ergiebigeren Boden. Als Mitglied des badischen Oberschulraths
hoffte er, einen noch unmittelbareren Einfluss auf das Gelehrtenschulwesen
Ribbeck.
279
Üben zu können. In Baden kam man ihm bereitwilligst entgegen. Besonders
hatte R. auch hier wieder die Aufbesserung der Stipendien verlangt. In
seiner Ansprache an das Seminar stellte er eine scharfe, aber wohlgemeinte
Leitung in Aussicht und sagte unter anderem : »Der Schulmann, welchem seine
Wissenschaft nicht eine lebenslang zu umwerbende Braut bleibt, ein Schatz, an
dessen Glanz und Segen er sich nach den Mühen des Tages erlabt, ist ein
Handwerker, der sich von dem gewöhnlichen nur dadurch unterscheidet, dass
sein Handwerk keinen goldenen Boden hat«. Die von Köchly, den R. von
der Schweiz her sehr schätzte, geschaffenen Seminareinrichtungen entsprachen
R.'s Wünschen keineswegs, da sie die Studenten auf einem halb schüler-,
halb schulmeistermässigen Standpunkte festhielten. Diese Verhältnisse führten
zu weitläufigen amtlichen Verhandlungen und in Verbindung mit Anderem zu
einer Entfremdung zwischen ihm und Köchly, die sich mehr und mehr ver-
schärfte und R. seine Berufsthätigkeit oft genug verleidete. Auch sonst Hessen
die kollegialischen Verhältnisse in Heidelberg zu wünschen übrig, und als ein
von R. in bestem Glauben während seines Decanats unternommener Schritt
in einer Berufungsangelegenheit zu unerquicklichen Auseinandersetzungen
führte, legte er jenes Amt nieder und zog sich mehr und mehr in sein schön-
gelegenes und behagliches Heim zurück. An Freunden fehlte es ihm auch in
Heidelberg nicht. Dazu gehörten vor Allen die Familien Windscheid,
Treitschke und Hausrath. Mit einigen Kollegen kam er zu einer Zeit
wöchentlich einmal zusammen, um ihnen luvenal zu interpretiren. Manches
war inzwischen in unermüdlicher Arbeit gefördert worden, die Fragmente der
Tragiker und der Komiker waren zum zweiten Male 1871 und 1873 er-
schienen. Im Juli 1874 war »die Römische Tragödie im Zeitalter der Repu-
blik« so gut wie druckfertig, so dass sie 1875 vom Stapel gehen konnte.
Femer stammt aus dieser Zeit unter Andern ein Aufsatz über »Einige histo-
rische Dramen der Griechen«, Mehreres zu Euripides, »Neue Bemerkungen
zum Miles gloriosus«, Luciliana, Kritisches zum Dialogus de oratoribus, zu
Apuleius de deo Socratis, zu Dracontius und ein populärer Vortrag über
die Idyllen des Theokrit.
Als Ritschi am 9. Nov. 1876 die Augen schloss, erschien R. in mehr
als einer Beziehung als sein berufener Erbe. Nicht ohne reifliche Ueber-
legung folgte er dem Rufe nach Leipzig. Für Heidelberg sprach das Klima
und die herrliche Gegend, fem er die grössere Bequemlichkeit des Arbeitens
und die verständige Würdigung der Bestrebungen R.'s durch das badische
Ministerium, die sich erst kürzlich in der Ernennung zum geheimen Hofrath
>Äieder bekundet hatte. Nach Leipzig zog die Nachfolge Ritschis, der Um-
stand, dass es 450 Philologen hatte und die friedlich geordneten Verhält-
nisse. R, stand jetzt auf der Höhe seines Lebens und Wirkens. Seine
CoUegien zählten, ehe der allgemeine Rückgang im Studium der Philologie
eintrat, gegen 200 Hörer. Für das Seminar standen damals die Tüchtigsten
unter den Tüchtigen zur Auswahl. Man drängte sich in R.'s Societät zu
kommen. Zu alten Beziehungen knüpfte er jetzt neue. Cohnheim, v. Noorden,
Springer, Windscheid u. A, waren ihm eng befreundet. In Deutschlands
Leidensjahr 1887/88 war er Rector der Universität, In der sächsischen Ge-
sellschaft der Wissenschaften war er als Secretär seiner Abtheilung zugleich
der Sprecher und machte sich um das Zustandekommen des Cartells der
Academien und des Thesaurus linguae latinae besonders verdient. Femer
ernannten ihn die Petersburger, die Göttinger und die Berliner Academie zu
28o Ribbeck.
ihrem Mitgliede. Auch sonst durch das Vertrauen der Regierung aus-
gezeichnet, erhielt er hohe sächsische Orden; ausserdem besass er den grie-
chischen Erlöserorden und den Maximiliansorden für Kunst und Wissenschaft.
Ein Jahr vor seinem Tode führte er den Vorsitz auf der Dresdener Philologen-
Versammlung. Vor Allem sah er, wie eine jüngere Generation von Schülern
an den Gymnasien Sachsens und im übrigen Deutschland den Ritschlschen
Generationen sich anschloss, ein Nachwuchs, der sich freudig zu ihm bekannte
und dem auch Ausdruck gab an seinen Ehrentagen, bei der Feier des 60.
Geburtstages durch eine stattliche Festschrift, die Commentationes, und am
70. Geburtstage durch Stiftung einer von Seifner geschaffenen Marmorbüste.
Aus dem Jahre 1886 stammt die wohlgetrofFene Photographie, die seinen
postum (1899) herausgegebenen »Reden und Vorträgen« vorangestellt ist.
R. erschien in jenen Jahren wie ein Herold der Ritschl'schen Philologie.
Und doch waren seine letzten Ziele von denen Ritschis weit verschieden. In
diesem hatte sich die siegreiche Kraft der philologischen Methode, wie sie
die Bentley und Gottfried Hermann geübt hatten, noch einmal in strahlendem
Glänze gezeigt. Sie begeisterte um so mächtiger, je reichere Erfolge sie er-
zielte. Ward doch die ganze verschüttete Welt des alten Lateins durch sie
wieder ans Licht gebracht. Wie gut R. den Meister verstanden hat, zeigen
nicht nur seine eigenen Arbeiten auf diesem Gebiete, sondern namentlich
seine Biographie Ritschis (1879 — ^^)' Dieses Werk ist nicht nur ein unüber-
treffliches Muster einer Philologen-Biographie, es ist eine monumentale Dar-
stellung der philologischen Wissenschaft selbst. Der dieses Buch schrieb, war
nicht in einer Sonderauffassung befangen, keine Aeusserung der weitverzweigten
philologischen Arbeit blieb ihm verborgen. Im Grunde ist die Ritschl'sche
Methode ja die Lessingsche. So hat auch R. nie aufgehört, Lessing als
Leitstern zu verehren. In seiner Rede über L.'s Verhältniss zur Wissenschaft
(Kiel 1863) redet er von dem »Vestafeuer der einen, ewigen Wahrheit, zu
deren Hütern und Verbreitern wir alle bestellt sind, der lorbeerbekränzte
Triumphator wie der wackere Triarier, der dem Adler der welterobemden
Macht über die Grenzen folgt«, und nennt neben so vielen anderen Vor-
zügen L.'s »den lebendigen Umgang mit den Geistern der Vergangenheit und
jene wahre tendenzlose Popularität, welche unwiderstehlich anzieht, mit zu
denken, auch ungewohnte Pfade freudig bis ans Ziel mit zu gehen*. Die
Kritik, die R. an der Ueberlieferung übte, war kühn. Die Vorstellung, die
er sich in eindringender Arbeit von der Kunst eines Schriftstellers gebildet
hatte, stand ihm höher als die Autorität der von mannigfaltigen Schicksalen
heimgesuchten Handschriften. Hatte er es als »Fragmentist« doch auch be-
sonders mit Material zu thun, bei dem alles Heil von scharfsinnigem Errathen
zu erwarten war. Schon seiner Dissertation hatte er als Motto die Worte
G. Hermanns vorgesetzt: Hariolari, ubi nihil scitur, non est ineptum, dum
ne ipsa inepta sit hariolatio. Und diese Kühnheit war schliesslich doch frucht-
barer als die konservative Buchstabengläubigkeit. In den Ruf massloser
Kritik hatte ihn besonders seine luvenalhypothese gebracht. Aber war die
Annahme, dass speculative Köpfe eine neue, mit Unechtem stark versetzte
Ausgabe des vielgelesenen Satirikers veranlassten, gar so phantastisch? Jeden-
falls führte der eingehende Nachweis zu einer sorgfältigen Beleuchtung der
ganzen Kunst luvenals. Und gerade jetzt hat ein höchst interessanter Fund
gezeigt, dass thatsächlich noch in sjjätercr Zeit der Text des Dichters durch
umfängliche Zusätze vermehrt wurde. Ernstem Widerspruch war er allezeit
Ribbeck. 281
zugänglich und prüfte unparteiisch des Gegners Argumente. Nur über das
Ignoriren und hämische Begeifern seiner ehrhchsten Bestrebungen war er
ergrimmt. Wehe dann dem, den er mit dem sichern Pfeil seines scharfen
Geistes traf.
Auch in der Leitung des Rheinischen Museums ward R. (mit Bücheier)
Ritschis Erbe. In dieser Zeitschrift sind, wie schon früher, auch nun seine
meisten kritischen Arbeiten erschienen. Ich nenne nur Aufsätze zu Euripides
und Aristophanes, zu Herodot, in Sachen der Theophrastischen Charaktere;
Beiträge zu zahlreichen Stücken des Plautus, Abhandlungen über die Delia-
elegien bei Tibull, zur Erklärung und Kritik des Properz, zu den Briefen des
Seneca. Ritschis Kunst, kritische Untersuchungen zu wahren Cabinetstücken
voll dramatischen Lebens auszuarbeiten, ahmt er nicht nach. Seine kleineren
kritischen Aufsätze wollen nichts sein als schlichte Beiträge zum Verständniss
der Autoren. Sie traten ihm selbst immer zurück hinter den grossen Zielen,
die er vor Augen sah. Um so mehr Anerkennung verdient es, dass er einen
grossen Theil seines Lebens Aufgaben gewidmet hat, die, so nöthig ihre ge-
diegene Ausführung war, ihm die künstlerische Befriedigung nicht gewähren
konnten, die ihm Herzenssache war. Zum zweiten Male erschien sein Vergil
1894 f., zum dritten Male seine römischen Dramatiker 1897 f. Dass er die
Dinge ausreifen Hess, zeigt auch die Ausgabe des Miles gloriosus (1881), die
Frucht vielfacher Durcharbeitung, Was aber war das letzte Ziel seiner ge-
lehrten Thätigkeit? In der Fähigkeit, mit Hilfe der Phantasie und durch
scharfsinnige Combinationen aus dürftigen Bruchstücken Verlorenes zu recon-
struiren, trat er in Welckers Fusstapfen. Und doch ist er auch wieder von
diesem sehr verschieden. Seine Behandlungsweise hat einen viel realistischeren
Zug. Nichts Geringeres war sein Ziel als die antike Welt, die antike Mensch-
heit plastisch und greifbar, so wie sie in den Werken der Alten dargestellt
war, wieder vor uns hinzustellen. Nicht zu reden von der Anhäufung anti-
quarischer Notizen, selbst die Archäologie sollte zurückstehen hinter der
geistigen Hinterlassenschaft des Alterthums. Er hat in seiner Rectoratsrede
»über die Aufgaben und Ziele einer antiken Litteraturgeschichte« ausführ-
lich gehandelt. Aber das Beste, was zu ihrer Darstellung nöthig ist, konnte
er nicht lehren, weil es angeboren sein muss. R. war ein Dichter in dem
Sinne wie Piaton, den R. auch liebte wegen seiner bezaubernden mimischen
Kunst. Sein Hauptwerk, die »Geschichte der römischen Dichtung« (3 Bde
1887 — 92, I' 1894) ist eine Geschichte der geistigen Entwicklung Roms und
seiner dichterischen Individualitäten. Immer von Neuem bewundert der Leser
den universellen Geist des Verfassers, dem nichts Menschliches fremd ist.
Von Jugend auf hatte R. den Sinn für charakteristische Züge ausgebildet,
und mancherlei Lebenserfahrungen hatten diesen Sinn noch geschärft. So
hat er denn in den nach Theophrasts Grundlinien unter Heranziehung der
gesammten antiken Litteratur reich ausgeführten Charakterbildern des Eiron
(des ironischen Selbstverkleinerers 1876), des Alazon (Prahlhans), des Kolax
(Schmeichlers) und des Agroikos (Rüpels) ganz neue Seiten des antiken
Empfindens aufgedeckt. Seine Beschäftigung mit dem Alterthum war aber
nicht bloss theoretisch, sie durchdrang den ganzen Menschen. Unerschütter-
lich bewahrte er sich den Glauben an die bildende Kraft des Alterthums
und an die Nothwendigkeit, es verstehen zu lernen. So fehlte es auch seiner
Darlegung moderner Zustände nie an geistvollen Beziehungen auf das Alter-
thum. Für seine Reden an den Gedenkfeiern der Fürsten pflegte er ihm ein
282 Ribbeck.
Thema zu entnehmen. Denn »dem stillen Arbeiter in einer vom Leben der
Gegenwart nicht abgekehrten, aber unabhängigen Wissenschaft kommt es eher
zu betrachtend und vergleichend aus der eigenen, wenn auch fremdartigen
Gedankenwelt Mass und Licht für die Würdigung zeitgenössischer Anschau-
ungen und Bestrebungen zu gewinnen.« Als Meister der Sprache zeigte er
sich auch bei solchen Gelegenheiten. Ueberhaupt wusste er jedem Gedanken
den ihm gemässen Ausdruck zu geben, mochte er einen Glückwunsch epi-
grammatisch prägen oder ein Zeugniss anschaulich abfassen. Seine Briefe
sind von beneidenswerther Grazie. Auch war er ein geschmackvoller Ueber-
setzer. Er traf stets den rechten Ton, die körnige Derbheit des Plautus (in
seiner Uebersetzung des Miles gloriosus) ebensogut wie die elegantere Manier
des Theokrit.
Wie an sich, so stellte er auch an seine Schüler die höchsten Anforde-
rungen. Grausam unterbrach er den behaglichen Trott des wohlpräparirten
Vortrags, und »debebas« klang es wie ein kategorischer Imperativ von seinen
Lippen, wenn ein Interpret gestand, etwas nicht festgestellt zu haben. Sein
Urtheil erschien manchmal etwas herb, aber er heilte die Wunden, die er
schlug, und stand den Tüchtigen treulich bei. Fern lag ihm jedes Haschen
nach Effect. Man merkte es an seiner Rede, wenn ihn der Gegenstand nicht
ganz erfüllte, doch packte er im Innersten, wenn ihn die Sache fortriss. An
seinen Abendgesellschaften, zu denen er auch seine Schüler zuzog, las er
nicht selten nach dem Essen mit seiner wohlklingenden Stimme eine Dichtung
vor. Er ging keineswegs auf in der alten Litteratur. Von den Neueren
schätzte er besonders Keller und natürlich Heyse. Für Musik hatte er ein
feines Verständniss. Sein künstlerisch ausgestattetes Heim, ein wahres Museum,
zeugte von seinem Sinn auch fiir die neuere Kunst. Nur das geist- und kunst-
lose Treiben des modernen Naturalismus konnte vor ihm nicht Gnade finden.
Er formte sich sein Leben als Künstler und hatte den Muth, ab-
zulehnen, was seine Kreise störte. Besonders hingezogen fühlte er sich zu
einsamen Menschen. Kinder waren seiner im Uebrigen ihn vollbeglückenden
Ehe versagt. Kein Wunder, wenn er bei nahendem Alter den unverbrauchten
Besitz väterlicher Liebe einem Jünglinge zuwandte, der mit der Triebkraft
seiner vulkanischen Natur Bedeutendes zu leisten versprach. Es klingt fast
romantisch, wie R. sich 1889 mit ihm nach Griechenland aufmacht als Braut-
werber für den geliebten Schüler. Karl Buresch erlag am 2. März 1896
seinem tragischen Geschick. R. hat ihm in einem Nekrolog ein rührendes Denkmal
gesetzt. Anfang 1 898 starb Erwin Rohde. So oft waren R. Schrecken des Todes
nahe getreten, wenn dieser geliebte Familienglieder — darunter vier Brüder —
wegmähte. Was R. dabei empfand, verschloss er still in seinem Innern.
Stolz und unzufrieden nur dem äussern Anschein nach, war er im Grunde
seines Herzens bescheiden und keineswegs Pessimist. Er sah dem Spiel des
Lebens zu mit der heiteren Ruhe und der klaren Festigkeit dessen, der den
sicheren Schatz im Busen trägt. Voll edler Humanität war er ein ganzer
Mensch nach dem Herzen Lessings. Sympathisch betrachtete er selbst Lukrez,
der seine Römer von der gravis religio befreite, nach dem Schmerzlosigkeit
des Körpers und Sorglosigkeit der Seele alles ist, was des Menschen Natur
bedarf, »das Süsseste aber, im Tempel der Wissenschaft zu wohnen und von
da auf die Irrwege des Lebens herabzublicken«. Er starb nach längerer
Krankheit kurz vor seinem 71. Geburtstage. Das Herz hatte seine Kraft ver-
braucht, ehe der reiche Schatz seines Geistes völlig gehoben war.
Ribbeck. Brockhaus. 283
Meine Quellen sind ausser persönlichen Erinnerungen die Papiere R/s, deren Be-
nutzung die Wittwe mir gütigst gestattete. — »Nationalzeitung« 1898 No. 4I5;0. Crusius
in der Beilage zur »Allg. Zeit.« X898 No. 180; C. Wachsmuth in den »Berichten über die
Verhandlungen der sächs. Ges. d. Wiss.« 1898; Dilthey in d. Deutschen Rundschau 1898
Heft 12; Wölfflin im »Archiv für lat. Lexikographie« 1899 Heft 2. 31. August 1899.
Leipzig. Richard Opitz.
Brockhaus, Heinrich Rudolf, Verlagsbuchhändler, * Leipzig, i6. Juli 1838,
f daselbst 28. Januar 1898. Er wurde zu seinem späteren Berufe im väterlichen
(Geschäfte und in grösseren Buchhandlungen in Wien, Paris und London gebildet.
Vom I. Juli 1863 bis 30. Juni 1895 gehörte er als Mitinhaber und als einer
der Hauptleiter der Weltfirma F. A. Brockhaus an und betheiligte sich zuerst
mit seinem Vater Heinrich (f 1874) und seinem Bruder Eduard, dann mit
seinem Neffen Albert und seinem Sohne Rudolf an der grossartigen Ent-
wicklung der Handlung. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit der Druckerei
und verfolgte deren technische Entwicklung mit besonderer Sorgfalt und
Sachkenntniss. Aber während Vater und Bruder an städtischen und staatlichen
Angelegenheiten sich in vorderster Reihe betheiligten, dort manches Amt und
im Verbände der Standesgenossen manche Ehrenstelle einnahmen, lebte
Rudolf mehr seinem Hause und seinen litterarischen und künstlerischen
Lieblingsneigungen.
Er war ein feinsinniger, schlichter Mann, der in der Mitte der Seinen
und seiner Schätze sich am wohlsten fühlte. Diese Schätze zu zeigen und
aus ihnen zu spenden, war ihm ein Hochgenuss. Besonders war er ein eifriger
und verständnissvoller Sammler von Autographen. Die Weltlitteratur, besonders
die deutsche lockte ihn.
Er unterschied Wort und Inhalt seiner Blätter, so dass eigentlich jedes
Stück seiner Sammlung ein Prachtstück war, sowohl durch das Aussehen als
durch die Bedeutsamkeit des darin Stehenden.
Aus dieser Sammlung veröffentlichte er nur ein schlichtes — als Hand-
schrift — gedrucktes »Verzeichniss der Autographensammlung von Rudolf
Brockhaus, 1853 — 80«, 40 Seiten, das aber durch mehrere Facsimiles be-
sonderen Werth erhielt.
Ausser an dieser Stelle gab er nur zweimal selbst Mittheilung von seinen
Schätzen. Das eine Mal in der gleichfalls nicht im Buchhandel erschienenen
Schrift »zum 22. März 1897«, an dem hundertsten Geburtstage Kaiser Wil-
helms I., in welchem er einen interessanten Brief aus der Jugendzeit Wil-
helms I. einem kleinen Freundeskreise darbrachte, das andere Mal in einem
grössern, schön ausgestatteten, mit vortrefflich ausgeführten Facsimiles ge-
schmückten Buche: »Theodor Körner, zum 23. September 1831«, das 63
Schriftstücke, 1799 — 1843 enthält. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Körner-
Litteratur, die sonst so viel Unreifes und Phrasenhaftes aufzuweisen hat, und
legt von gründlicher Kenntniss und geschmackvoller Ven\'erthung des Materials
ein beredtes Zeugniss ab. Ein besonderes schönes Denkmal stiftete sich der
Verstorbene ebenso wie seinem Vater in dem nur als Handschrift gedruckten
und nur einem ausgewählten Kreise zugänglich gemachten Werke: »Aus den
Tagebüchern von Heinrich Brockhaus als Handschrift gedruckt. 5 Bände
1884 — ^7^r einem Werke edler Pietät und erlesenen. Geschmackes, voll
reicher Mittheilungen, nicht bloss über das Leben eines ausgezeichneten
Mannes, sondern über die Cultur- und Litteraturgeschichte einer wichtigen
Zeit.
284 Brockhaus. Cohn.
Noch ein anderes Werk hatte er zum Drucke vorbereitet — die Vorrede
ist vier Wochen vor seinem Tode datirt — , das anderthalb Jahre nach seinem
Tode zu Goethes 150. Geburtstage einer kleinen Gemeinde zugänglich ge-
macht wurde. Wie das Körner- Werk führt auch dieses in seinem Titel nur
den Gedenktag auf: »Zum 28. August 1899«, und wie jenes spendet es in
ausgezeichneter Ausführung Facsimiles inhaltreicher Briefe, Gedichte und
Dramenfragmente, alle mit kurzen, sachlich erklärenden, trefflich orientirenden
Anmerkungen begleitet.
Diese vornehm ausgestatteten, inhaltlich bedeutsamen Publicationen sichern
B. bei den Litteraturfreunden ein ehrenvolles Andenken. Ein gleich ehren-
volles bereitete er sich bei allen Denen, welchen er privatim seine Schätze
wies und spendete. Denn er wollte nichts für sich allein besitzen und geizte
nicht nach dem Ruhme eines Schriftstellers, sondern entsprach in liebens-
würdigster Weise jedem Begehren, ja kam dem Begehren zuvor, indem er
das von ihm Erworbene denen zuschickte, von denen er wusste, dass sie sich
mit dem Gegenstande oder der Person beschäftigten. So war er nicht bloss
ein Bewahrer todter Papiere, sondern bemüht, aus scheinbar Abgestorbenem
neues Leben zu erwecken.
Ludwig Geiger.
Cohn, Ferdinand, Botaniker, * Breslau 24. Januar 1828, f ebenda
26. Juni 1898. Sein Name, in der Wissenschaft einer der leuchtendsten des
zur Rüste gehenden, an bedeutenden Männern fast überreichen Jahrhunderts,
ist nicht nur in den Kreisen der Gelehrten, welche sich der biologischen
Forschung gewidmet haben, bewundert; er hat sich auch die Liebe der Besten
unter den Gebildeten aller Nationen errungen. — Als Forscher hat er der
Wissenschaft neue Bahnen gewiesen; als einer der ersten deutschen Stilisten
hat er in poetisch schöner Sprache seiner Zeit das Verständniss für die ge-
heimsten Wunder der belebten Natur erschlossen; als edler Mensch war er
geliebt von Allen, die ihn kannten.
Er stammte aus einem angesehenen und begüterten Bürgerhause; die
Gunst des Schicksals hat ihm reiche Geistesanlagen verliehen und dazu das
richtige Maass irdischer Güter, welches den Kampf ums Leben nicht kennt
und doch den Werth der Arbeit schätzen lehrt.
Eine aussergewöhnlich früh beginnende und während seiner ganzen
Kindheit wesentlich auf den Erwerb von Kenntnissen gerichtete Erziehung
machte aus dem Knaben fast ein »Wunderkind«: im zweiten Lebensjahre
konnte er bereits lesen, im dritten war er mit den Lehren und Erzählungen
der Raffschen Naturgeschichte völlig vertraut, im vierten begann bereits der
Schulunterricht. Vorzeitig früh (mit 6 Jahren) wurde C. in das altberühmte
Maria-Magdalenen-Gymnasium seiner Vaterstadt aufgenommen und durcheilte
die unteren Classen. Erst die grossen Anforderungen der späteren Schul-
jahre, insbesondere aber auch die dort empfangene Anregung zu eingehender
Leetüre heimischer und fremder Litteratur zügelten das ungestüme Eilen des
Jünglings zu normalen Fortschritten.
Ohne allen Zweifel hat das humanistische Gymnasium auf C.'s ganze
Entwickelung den tiefgehendsten und wohlthätigsten Einfiuss ausgeübt. Als
der 16jährige die Universität Breslau bezog, war zwar über seine Vorliebe
für Naturwissenschaften, insbesondere für Botanik, kein Zweifel, und dem-
entsprechend sehen wir ihn als Schüler von Goeppert und Nees von
Cohn. 285
Esenbeck; zugleich aber besuchte er die Vorlesungen über Geschichte und
(ieschichtsphilosophie, über Aesthetik und Litteraturgeschichte. Noch in
Berlin, wohin ihn der damals hell strahlende Ruhm Kunth's im Jahre 1846
zog, finden wir in dem arbeitsreichen Semester, welches der Promotion vor-
ausgeht, ihn in Lepsius* Vorlesung »de r6bus aegyptiacis«.
Dieses eine Berliner Jahr (1846 — 1847) ist für C.'s ganze wissenschaft-
liche Richtung, ftir seine spätere Forschung und seine Erfolge von grund-
legender Bedeutung geworden. In Berlin wurde er in Ehrenberg's Kreis
gezogen, und nicht Kunth, sondern Ehrenberg ist C.'s Lehrer geworden.
Mit ihm hat er die Umgebung Berlins durchstreift und hier die Urthiere, die
Algen gesammelt, welche Ehrenberg erforscht und in seinen classischen
Arbeiten dargestellt hatte. Bei Ehrenberg wurde er bereits mit den nie-
drigsten, kleinsten und doch wichtigsten Pilzarten bekannt, welche er später
als »Bakterien« zusammen fasste und erforschte.
Die Inaugural-Dissertation C.'s »de seminis physiologia« (gedruckt in
»P'lora« 1849, Nr. 31, 32) ist völlig unter Breslauer Einfluss geschrieben. Sie
behandelt eine von Goeppert gemachte Beobachtung, dass auch unreife
Samen unter Umständen keimen können, und erklärt diese Thatsache dahin,
dass ein Nachreifen zu normaler Ausbildung nicht nur an der Luft, sondern
noch leichter in der Erde stattfindet. Die Thesen dagegen, welche bei der
Promotion vertheidigt wurden, zeigen Gedanken, welche theil weise wenigstens
erst der Berliner Aufenthalt C.'s gebracht hat. Für C.'s Geistesrichtung sind
diese Thesen so bezeichnend, dass sie hier näher beleuchtet seien:
1. Systema naturale non est finis botanices — eine Absage an die einseitig
systematische Richtung jener Tage, welcher die Pflanze abgethan war, wenn sie
richtig etiquettirt im Herbarium lag.
2. Natura universa progreditur — ein Hinweis auf Lamarck's Entwicke-
lungstheorie, zu welcher sich der junge Forscher schon lange vor Darwin 's
Auftreten bekannte.
3. Doctrinae physicae ne sint metaphysicae — nur exacte Forschung, nicht
die »Naturphilosophie« bringt die Wissenschaft voran.
4. Infusoriorum perscrutatione physiologia generalis maxiroa promo-
vetur — ein Satz, welcher die Cellular-Physiologie als Urgrund und Schlüssel
der Gesammt-Physiologie bezeichnet und damit der Entwickelung dieser Wissen-
schaft um Jahrzehnte vorauseilte.
5. Laboratoria physiologica in hortis botanicis instituenda censeo —
das erste Verlangen nach den Instituten, welche heute, mit allen Hulfsmitteln der
Technik aufs Reichste ausgestattet, an allen unsern Universitäten vorhanden sind
und uns die grössten Errungenschaften gebracht haben.
Wie in der Auswahl der angenommenen Vorlesungen, so tritt in diesen
Sätzen der Grundzug von C.'s Geistesrichtung, das Streben nach Unterord-
nung der Einzelerscheinungen unter höhere Gesichtspunkte, der dem Special i-
tätenthum widerstrebende Wunsch nach ausgebreitetem Erkennen hervor.
Insbesondere auf seine Wissenschaft, die Botanik, bezieht sich die erste und
die letzte These: C. ist einer der ersten Pflanzen-Physiologen, ohne doch
die Gesammtheit, die Unauflösbarkeit der Wissenschaft jemals zu vergessen.
Er blieb zugleich Systematiker. Sein grösster Erfolg wurde später sein
Bakterien-System; bis in sein Alter blieb er dem Brauch der Systematiker,
mit lateinischen Diagnosen neu unterschiedene Arten zu beschreiben, treu.
Entgegen dem Brauch so vieler anderer Zeitgenossen kannte er keinen
höheren oder niederen Theil der Wissenschaft, sondern nur die eine, hehre
Göttin.
286 Cohh.
Sehr charakteristisch für C. ist die zweite Mittheilung, welche er der
Oeflfentlichkeit übergab. Ehrenberg hatte (Monatsber. d. Kgl. Preuss. Acad.
p. 115) 1849 darauf hingewiesen, dass durch Monas (später Bacterium)
prodigiosa die durch Aberglauben und Mysticismus so erschreckend ein-
flussreich gewordene Bluterscheinung auf Speisen (Hostien) natürlich erklärt
werde. Dazu gab nun C, gestützt auf eine Stelle des Lucian »(fabam)
coctam vero si lunae exponas coUustrandam certo numero noctium, sanguinem
efficis« den ferneren Commentar, dass wohl auch das Pythagoräische Verbot,
Bohnen zu essen, auf die gleiche Erscheinung zurückgeführt werden könnte
(Verh. Preuss. Acad. 1850, 17. Januar). Schon dem jungen Mann eignete
das Interesse für Litteratur und die Belesenheit, welche am Greis Bewunde-
rung erregte; sein Streben nach höchster Bildung führte ihn dazu, bei der
Habilitation als Privatdocent an der Breslauer Universität (30. X. 1850) als
Thema des öffentlichen Vortrages zu wählen: lieber die Beziehungen der
Pflanzenwelt zur Culturgeschichte der Menschheit.
Es kann hier nicht der Platz sein, C.'s Veröffentlichungen alle zu be-
sprechen oder auch nur aufzuzählen. In den Zeitschriften für Botanik, für
Zoologie, Medicin, ja selbst für Mineralogie sind dieselben zerstreut; ihre
Zahl beträgt mehrere Hundert. Nur die Grossthaten, welche ihrem Autor
Unsterblichkeit verleihen, will ich an dieser Stelle aufführen. Dabei ist nun
Eines von^'eg zu bemerken: fast alle wissenschaftlichen Leistungen allerersten
Ranges nehmen nach kurzer Zeit die Eigenschaft des Columbus-Eies an. Sie
gehen in unserer Zeit der Bücherfluth so rasch in den Allgemeinbesitz über,
dass sie bald selbstverständlich erscheinen.
Zunächst muss hier die Abhandlung über Protococcus pluvialis
(Nov. Act. Nat. Cur. XXII [1850]) ins Auge gefasst werden. Der genannte
Protococcus ist ein höchst merkwürdiges Gebilde, welches in Dachrinnen,
in kleinen Vertiefungen nackter Felsen nach Regenfällen gefunden wird, hier
in dem rasch verlaufenden Wasser oft so massenhaft auftritt, dass dasselbe
grün oder roth gefärbt ist, dann nach dem Vertrocknen der Flüssigkeit
wieder verschwindet, um beim nächsten Regen wieder zu erscheinen. Das
Mikroskop zeigt den Organismus als kleinstes, elliptisches Körperchen, welches
sich mit Hülfe zweier langer Geisseifäden wie mit Rudern rasch bewegt. Dies
Gebild beobachtete C. in allen seinen durch Aufleben aus staubartig trocke-
nem Zustand, durch Vermehrung und Wiedereintrocknen entstehenden Er-
scheinungsformen und suchte dabei den von höheren Organismen früher
durch Schieiden, Schwann u. A. gewonnenen Begriff der Zelle anzuwenden.
Speciell kam es ihm darauf an, die Metamorphose einer Zelle zu studiren.
Dabei gewann er folgende Sätze:
»Nichtdieeinzelne, vollständigeZelle, nur der stickstoffhaltige,
contrahirbare und nicht starre Zellinhalt oder Primordialschlauch
in derselben ist imStande, das Individuum fortzupflanzen« (pag. 713)
und ebenso sind (pag. 666) die Algen-Schwämmspore als membranlose Zelle
erklärt.
Mit der Begründung dieser Ansicht, welche in ausgedehntester und sorg-
fältigster Weise erfolgt, wird der Elementar-Bestandtheil des Lebens, nämlich
die Zelle, richtig verstanden. Während vorher das Nebensächliche (die ab-
grenzende Wand) als Hauptsache betrachtet wurde, wird von nun an der
lebendigen Substanz, nämlich Protoplasma und Zellkern die einzige Bedeutung
beigelegt; Zell wand und anderes Beiwerk dagegen erscheinen als völlig neben-
Cohn. 287
sächlich für den Begriff der Zelle. In das Verdienst dieser Entdeckung theilt
sich C. mit Mo hl. — Wie bedeutend diese Entdeckung ist, geht daraus hervor,
dass 1848 Koelliker die Infusorien bereits als einzellige Wesen erkannt hatte,
dass er ihnen allen aber, der alten Theorie zu lieb, eine Zellmembran zuschrieb.
Der zweite hier besonders hervorzuhebende Satz der bezeichneten Arbeit
findet sich p. 664:
»Hieraus ergiebt sich mit aller der Bestimmtheit, die über-
haupt einer empirischen Deduction auf diesem Gebiete beiwohnen
kann, dass das Protoplasma der Botaniker und die contractive
Substanz oder Sarcode der Zoologen wo nicht identisch, so doch
in hohem Grade analoge Bildungen sein müssen.«
Dieser Satz ist vielleicht der grösste und weitesttragende, welcher in den
biologischen Wissenschaften überhaupt existirt, denn er lehrt die Ueberein-
stimmung alles Lebens. Nicht mehr principiell getrennte Reiche stellen die
ungeheuer mannigfaltigen Formen von Thier und Pflanze dar, sondern wie
Ha e ekel später so einleuchtend gezeigt hat, Schwesterschosse, die aus ge-
meinsamer Wurzel des Urlebens entspringen. Seit die Identität der lebendigen
Substanz bei Pflanze und Thier anerkannt war, hat die Forschung in einem
Zweig der Biologie stets Anregung empfangen von den Entdeckungen, welche
der andere Zweig brachte. Der BefVuchtungsact der thierischen und der
pflanzlichen Eizelle wurde als identisch erkannt; die Theilung der Zellkerne
in thierischen und pflanzlichen Objecten wurde in ihrer ohne den Cohn^schen
Satz unverständlichen Gleichheit erforscht. Die Ausbildung der Cellular- und
Protoplasma-Physiologie, welche der Botanik zu danken ist, regt zu mächtigen
Fortschritten in der Thierphysiologie an.
Aus keiner andern Entdeckung C.'s ist so sehr, wie hier, die Einwirkung
des kurzen Studienaufenthalts bei Ehrenberg zu merken. Nur ein Forscher,
welcher nach dem Vorbild Ehrenbergs in gleich ausgebreiteter Weise die
niedersten Formen des Thier- und des Pflanzenreichs beherrschte, konnte zu
solchen Forschungs-Ergebnissen gelangen. In den Thatsachen nicht ent-
sprechender Weise hat später Julius Sachs die Entdeckung der Identität
von pflanzlichem und thierischem Protoplasma Unger zugeschrieben.
Ohne mich mit den weiteren Ergebnissen der Arbeit über Protococcus
pluvialis, unter denen z. B. die Entdeckung des Heliotropismus und Chemi-
tropismus dieser niedern Organismen sich findet, aufzuhalten, sei als nächste
grosse Arbeit besprochen: Untersuchungen über die Entwickelungsgeschichte
der niederen Algen und Pilze (Act. Ac. Nat. Cur. XXIV, 1852).
Diese Arbeit ist die erste, in welcher C. sich mit Bacterien beschäftigt
und denselben ihren Platz bei den Pflanzen, und zwar bei den Pilzen anweist.
Seit der Entdeckung der Bacterien waren dieselben ins Thierreich gestellt
gewesen; O. F. Müller hatte sie zu den Würmern gezogen, Ehrenberg und
Duj ardin sie für Infusionsthierchen gehalten. Cohn erkannte ihre nächste
Verwandtschaft mit gewissen Formen der Wasserpilze (z. B. Beggiatoa) und
vereinigte sie mit diesen zu einer Klasse. Zugleich wusste er in höchst geist-
voller Weise die engen Analogien der Pilz- und Algenklasse darzustdlen, ja
er ging soweit, diese beide ungeheueren Familien vereinigen zu wollen. In
diesem Punkt ist ihm die Wissenschaft nicht gefolgt, wenn auch alle von Cohn
ermittelten Thatsachen heute noch zu Recht bestehen.
In derselben Abhandlung ist aber noch eine Untersuchung enthalten,
welche eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Thaten darstellt: die
2 88 Colin.
erste Erforschung einer durch Pilze hervorgerufenen Pflanzen-
krankheit.
Was das für unser theoretisches und nicht weniger practisches Wissen
bedeutet, kann nur klar gemacht werden durch einige die Vorgeschichte er-
läuternde Worte. Um die Wende des Jahrhunderts bereits hatte Persoon
die hauptsächlichsten auf höheren Pflanzen (z. B. auf unsern Kulturgewächsen)
sich findenden »Ausschläge« als Pilze erkannt und beschrieben. Aber die
Wirkung dieser Pilze auf ihr Substrat war derart unklar, dass noch Schieiden
der Meinung war, die Krankheiten der Pflanzen würden bedingt durch schlechten
Standort, fehlerhafte Ernährung etc. ; als Folgeerscheinung erst siedelten sich
auf den kranken Pflanzen die Pilze an. Man wird dieselben Anschauungen
in neuerer Zeit wiederfinden, wenn man die Einwände der Gegner gegen die
neu aufgefundenen Erreger der Tuberkulose, des Typhus, der Cholera etc.
sich ins Gedächtniss zurückruft. Solche Zweifel konnten klar nur gelösst
werden, wenn es gelang, das Befallenwerden eines gesunden Organismus
von einem Schmarotzer, das Erkranken und Absterben direct zu sehen und
in allen Stadien zu beobachten. Dies ist Cohn als Erstem geglückt; er sah,
wie ein mikroskopischer Pilz in eine gesunde mikroskopische Alge (Closterium)
eindrang, wie er sich entwickelte während die Alge kränker und kränker wurde,
wie die Alge abstarb, während der Pilz seine beweglichen Fortpflanzungs-
zellen bildete und nun weitere gesunde Closterien inficirte. Damit war der
feste Boden der Beobachtung gegeben, auf welchen dann in Bezug auf unsere
Kulturgewächse insbesondere durch De Bary und Kühne weitergebaut
werden konnte. Alle die tausend segensreichen Massregeln, welche heute
gegen Pflanzenkrankheiten angewandt werden, basiren auf der theoretischen
Kenntniss einer Pflänzenkrankheit, welche wir C. verdanken. Noch viele weitere
Beobachtungen enthält diese Arbeit, so z. B. die Entdeckung der Plasmolyse;
doch sei hier auf Wichtigeres tibergegangen.
Wie C. die erste Pilzkrankheit einer Pflanze sicher gestellt, so hat er
auch die erste Pilzkrankheit eines Thieres entdeckt und aufs Genauste
verfolgt.
Jedermann hat im Herbst schon die kranken Stubenfliegen gesehen,
welche sich an Wänden und Fenstern anklammern, sterben und darauf einen
weissen Staub wie einen Mehlkreis rings um sich verbreiten. Diese Erscheinung
hatte schon Goethe Stoff" zu Betrachtungen gegeben; C. nahm die Unter-
suchung darüber wieder auf und wies nach, dass aus den todten Fliegen
Unmengen feinster Pilzfäden herauswachsen und ihre weissen Sporen in Menge
abschleudern. Bereits 1851 hatte C. die Entwickelung eines ähnlichen Pilzes,
des Pilobolus crystallinus unter dem Gesichtspunkt der Zeil-Metamorphose
verfolgt; in gleicher Weise bearbeitete er nun den Pilz der Fliegenkrankheit
(Empusa muscae) dabei zurückgehend bis auf kleinste Zellchen, welche sich
im Blute der erkrankten Fliegen fanden. Nicht ohne Interesse ist nun, zu
sehen, wie sehr unser Forscher sich dagegen sträubt, diese Zellen als durch
Urzeugung aus dem Blute der Fliege hervorgegangen anzusehen. Aber da
alle Versuche, gesunde Fliegen mit den Sporen des Pilzes zu inficiren, fehl-
schlugen, da die Pilzkörperchen in unendlicher Menge sich im Blut der
kranken Fliegen fanden, da nach allen damals vorhandenen Kenntnissen an-
genommen werden musste, dass jedes Pilzkörperchen aus einer eingedrungenen
Spore hervorgegangen sei und die zur directen Erzeugung der Millionen von
Pilzkörperchen nöthigcn Sporenmassen äusserlich an gesunden oder im Anfangs»
Cohn.
289
Stadium der Krankheit befindlichen Fliegen nirgends auffindbar waren — so
schien die Annahme der Urzeugung des Pilzes nicht zu umgehen. Das darf
man C. nicht übelnehmen, denn um dieselbe Zeit glaubten Mohl und Nägeli
die Entstehung der Hefezellchen aus dem Traubensaft, Pringsheim die
Bildung der Chrytridien aus dem Inhalt der Spirogyra-Zelle beobachtet
zu haben. Und doch, die Abneigung gegen die Annahme einer Urzeugung
war bei C. so gross, dass er in einem der Arbeit über Empusa direct
beigefügten Anhang auf die neuesten von Tulasne gemachten Entdeckungen
bei den Uredineen hinwies und die Ueberzeugung aussprach, dass doch
eine Infection der Fliegen durch Sporen der Empusa der Krankheit voraus-
gehen müsse. Diese Nachschrift wurde durch die spätem Untersuchungen
Krefelds glänzend bestätigt.
Ueber die grosse Bedeutung, welche diese Arbeit für die Kenntniss der
Krankheits-Ursachen hat, braucht heute nicht viel gesagt zu werden. Die
moderne Wissenschaft lehrt, dass eine grosse Zahl der schlimmsten Krank-
heiten (z. B. Typhus, Cholera, Tuberkulose, Milzbrand, Starrkrampf, Actino-
mycose etc. etc.) durch Pilze verursacht werden. Da ist es nicht uninteressant,
daran zu erinnern, dass der Entdecker der zuerst genau erforschten dem
Menschen gefährliche Pilzkrankheit (Milzbrand), dass Robert Koch erst der
Zustimmung des Entdeckers der ersten pilzHchen Thierkrankheit sich ver-
sicherte, bevor er mit seinem wichtigen Fund ans Licht trat.
Indem rasch weitereilend darauf hingewiesen sei, dass C. 1860 als Erster
»contractile Gewebe im Pflanzenreich« aufgefunden und die Verkürzung der-
selben durch Reize nachgewiesen hat, muss nun auf eine wenig bekannte
Schrift aufmerksam gemacht werden. Im Aufsatz: Neue Infusorien im See-
aquarium (Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 1866) findet sich nämlich der Satz
(P- 259):
»Was wir gewöhnlich als Fäulniss und Verwesung, also als
einen rein chemischen Process betrachten, ist der Haupt-
sache nach nichts anderes als ein Aufgefressen werden; . . .
gerade die kleinsten (Organismen), die Monadinen und Bakterien,
entnehmen am massenhaftesten den Stoff zu ihrem Körper
aus der abgestorbenen Substanz und tragen am kräftigsten
zu ihrer Auflösung bei Die durch Pasteur ermittelten
Vorgänge bei der Alkoholgährung scheinen mir die deut-
lichsten Analogien für die sogenannte Fäulniss darzubieten.«
Wie richtig diese Ansicht ist, haben erst die beim Fortschreiten der
Bakteriologie gefundenen Methoden der Sterilisation und der sterilen Gewinnung
fäulnissfähiger Substanzen (z. B. Blut, Fleisch etc.) erwiesen; die Erkenntniss,
dass Fäulniss kein rein chemischer sondern ein biologischer Vorgang ist, muss
als wissenschaftliche That ersten Ranges anerkannt werden.
Für den Botaniker von grösstem Interesse war der Nachweis, welchen
C. in seiner Arbeit »Beiträge zur Physiologie der Phycochromaceen und
Florideen« (Arch f. mikrosk. Anat. 1867) geliefert hat, dass auch die blauen
und rothen Algen Chlorophyll enthalten. Bekanntlich ist Chlorophyll der
grüne Farbstoff, welchem die höhere Vegetation ihre Farbe verdankt und
mit dessen Hilfe die Kohlensäure der Luft in Kohlenstoff und Sauerstoff
zerlegt wird. Nun waren längst schon Algen -Klassen bekannt, welche gleich-
falls die Kohlensäure zu assimiliren vermögen, die charakteristische grüne Fär-
bung aber nicht aufweisen, sondern blaue und rothe. Der Nachweis, dass
Biogr. Jahrb. a. Deutacher Nekrolog. 3. Bd. ig
290
Cohn.
auch bei diesen Algen Chlorophyll vorhanden und nur durch andere Farbstoflfe
verdeckt wird, ist C. gelungen.
Ferner ist in der citirten Schrift eine Betrachtung enthalten, welche all-
gemeine Aufmerksamkeit beanspruchen darf. Es wird hier nämlich die Frage
aufgeworfen, welcher Art wohl die Organismen gewesen sein mögen, die in
den salzreichen, heissen Gewässern der frühesten geologischen Perioden
lebten. C. kommt zu dem Schluss, dass Beggiatoen und Blau -Algen,
welche z. B. im Karlsbader Sprudelwasser bei fast 60° zu leben vermögen,
Relicte aus jener Zeit seien. Diese Ansicht findet durch viel spätere Unter-
suchungen Winogradski's über Beggiatoa ihre merkwürdige Bestätigung.
Handelt es sich doch hier um Organismen, welche nicht nur hohe Tempera-
turen aufs Leichteste ertragen, sondern auch durch ihre abnorme Lebens-
thätigkeit (Schwefel-Assimilation statt Kohle-Assimilation) sich von allen andern
Organismen unterscheiden. — Auffallend ist, dass diese Frage nach den ersten
Lebewesen die einzige Quittung ist, welche sich auf Darwins »Entstehung
der Arten« (1859) ^^ ^-'^ Arbeiten findet. Dass er sich der Darwinschen
Lehre von Anfang an mit vollster Ueberzeugung angeschlossen hat, ist mir
aus sicherster Quelle bekannt; in seinen Vorlesungen gründete sich C.
schon 1860 auf die Descendenz- und Selectionstheorie, aber Thema und
Resultate seiner Veröffentlichungen lassen eine klare Einwirkung Darwins
auf C. erkennen.
Eine Erweiterung unserer Kenntnisse, wie nur C. uns geben konnte, ist
in seiner Arbeit »Ueber den Brunnenfaden (Crenothrix polyspora) mit
Bemerkungen über die mikroskopische Analyse des Brunnenwassers« (Beitr. z.
Biol. der Pflanzen I, 18 70) enthalten: die Begründung der mikroskopischen
Wasseranalyse. Während in den Cholera- Jahren 1852 und 1866 Breslau
weniger durch die Seuche als durch die Flucht all' derer, welche über die
Mittel dazu verfügten, sich entvölkerte, stellte C. seine mikroskopischen Kenntnisse
in den Dienst der Allgemeinheit. Er untersuchte die Reiswasserstühle der
Cholera-Kranken, doch fand er den Cholera-Vibrio nicht; diese Entdeckung
war Robert Koch vorbehalten. Und ebenso untersuchte er viele Hundert
Brunnenwasserproben, um an den darin enthaltenen Mikro-Organismen An-
haltspunkte für die sanitäre Beurtheilung des Wassers zu erhalten. Auf die
Resultate dieser Forschungen kann hier nicht näher eingegangen werden, da
dies den Raum eines Nekrologs weit überschreiten würde, aber darauf sei
hingewiesen, dass in dieser Arbeit zuerst die Unzulänglichkeit der chemischen
Wasseruntersuchung dargethan und die Methoden einer besseren Analyse ge-
lehrt wurden. — Eine Ergänzung fand diese Arbeit über das Brunnenwasser
durch die 1881 erschienenen Berichte über die Untersuchung von Zucker-
fabriks-Abwässern, in welchen die Bedeutung der mikroskopischen Wasser-
analyse für die Abwasser-Beurtheilung dargelegt wird.
Nun beginnen die Arbeiten, welchen C. Weltruhm verdankt, und in
denen er zum Mitbegründer der Bakteriologie wird. Zwar hatte er seit 1852
niemals die kleinsten Lebewesen, die Bakterien, völlig ausser Acht gelassen,
aber erst zu Beginn der 70 er Jahre widmete er ihnen seine ganze Aufmerksam-
keit. Man könnte darin die Anregung sehen, welche Pasteur's chemisch-
biologische Forschungen auszuüben begannen ; in Wirklichkeit ist es aber nicht
dieser, sondern merkwürdiger Weise Hallier, welcher den Anstoss zu C.'s
Bakterien-Untersuchungen gab.
Eine ganze Reihe von Arbeiten »Untersuchungen über Bakterien«
Cohn. 20 1
erscheinen nun in den »Beiträgen zur Biologie der Pflanze« : I (1872), 11 (1875),
von C, in. von Eidam (C/s Assistenten), IV. (1876) wiederum von C.,
V, VI die grundlegenden Arbeiten Robert Kochs enthaltend, VII — XII von
anderen Autoren, theilweise unter Mitwirkung C.'s geschrieben.
In der ersten dieser Abhandlungen stellt C. das erste, im
Wesentlichen heute noch giltige Bakteriensystem auf.
Wer immer sich vorher mit den Spaltpilzen genauer beschäftigt hatte
(Perty, Hoffmann, Karsten), hatte der Ansicht gehuldigt, dass alle Formen
derselben Entwickelungszustände eines und desselben oder doch sehr weniger
Wesen seien, so dass man leicht genetische Zwischenstufen zwischen den in
Bildung und Grösse am meisten abweichenden Gestaltungen auffinden könne.
Pasteur hatte nur physiologische Wirkungen seine Forschungen nicht näher
angehender, niederster Organismen betrachtet; mit unglaublicher Willkür ver-
fährt dieser Autor bei der Kennzeichnung der Erreger verschiedener Gäh-
rungen: bald spricht er von »vdg^taux cryptogamiques« , bald von »animal-
cules«, dann von »Champignons« oder »Infusoires« ; ohne Unterscheidungs-
merkmale führt er »Torulace^es, Bactt3ries, Vibrionies, Monades« auf; identische
oder doch nächst verwandte Gebilde bezeichnet er als »Mycoderma«, als
»Mucors, Mucedindes« oder als Hefe (»levure«).
Dass bei derartig confusen Anschauungen die Wissenschaft nicht weiter
kommen könne, sah Ehrenbergs Schüler ein; er spricht dies wie folgt
aus: »Jedenfalls verhält sich die Sache nicht so, dass ein und derselbe Bak-
terien-Keim, je nachdem er in Harn oder Wein geräth, diesen alkalisch, jenen
fadenziehend macht, oder dass dieselbe Bakterie hier Buttersäure bilden,
dort Milzbrand übertragen, hier einen rothen Fleck auf einer Kartoffel, dort
Diphtherie in der Luftröhre eines Menschen hervorrufen kann. Vielmehr ist
zu erwarten, dass unter vielen scheinbar gleichen Organismen vervoUkommnetere
Mikroskope auch morphologische Verschiedenheiten werden erkennen lassen,
welche die Annahme primärer Artverschiedenheiten begründen«.
Mit der in der citirten Arbeit gegebenen Ausführung dieses Satzes, mit
der Aufstellung eines auf morphologischen Kennzeichen basirenden
Bakterien-Systems ist die Bakteriologie erst begründet, sind ins-
besondere ihre ungeheuren praktisch und wissenschaftlich staunenswerthen Er-
folge möglich geworden. Erst wenn die Specifität einer im kranken Menschen-
leib gefundenen Bakterienform erwiesen ist, und wenn zugleich die Möglich-
keit sich bietet, diese Form in die Fächer eines Systems einzureihen und sie
dadurch in andern Fällen wieder zu erkennen : erst dann ist die Erforschung
der Krankheitserreger möglich.
C.'s damalige Stellungnahme hat durch die wahrhaft glänzenden Fort-
schritte der medicinischen Forschung ihre vollste Bestätigung erfahren; auf
seinen Arbeiten beruhen die Funde über die Krankheits-Aetiologie von der
Entdeckung des Milzbrand -Erregers bis zur Auffindung desjenigen der Beulen-
pest und des gelben Fiebers. Auch der hartnäckigste, fast böswillig- un-
gläubige Zweifel musste schwinden nach der Entdeckung specifischer Toxine
und Antitoxine, welche die krankheitserregenden Bakterien erzeugen. Und
doch, so selbstverständlich uns heute ist, dass specifische Kleinwesen charakte-
ristische Seuchen hervorbringen, dieser Satz musste mehrmals von C. schwer
vertheidigt werden. Zuerst griff ihn Billroth, der grosse Chirurg, an und
lehrte die vollkommene Umwandlungstähigkeit der verschiedenen Bakterien in
einander; dann noch 1878 sprach sich einer der grössten Botaniker, Naegeli,
19*
79'2
Cohn.
direct gegen C. wife folgt aus: »NacH meiner Vermuthung könnte jede der
wirklichen Spaltpilz-Species (deren es nur einige wenige Arten giebt) nicht
bloss als Micrococcus und als Bacterium, als Vibrio und Spirillum
auftreten, sondern auch Milchsäurebildung, Fäulniss und verschiedene Formen
der Erkrankung bewirken«.
Gegen alle diese Vermuthungen und ungenauen Arbeiten blieb C. zum
Segen der Menschheit siegreich, denn er arbeitete mit den exactesten Mitteln
der Forschung. Sein Verdienst ist die Einführung der Reincultur in die
Bakteriologie, insbesondere die erste Benützung fester Nährsubstrate (Kartoffeln)
für die Bakterienforschung. Durch Verwendung der Reinculturen war C.
imstande, den Satz zu beweisen: »Die von mir als Gattungen bezeichneten
Formen der Spaltpilze verhalten sich in unzähligen Generationen und unter
den verschiedensten Kulturbedingungen so beständig, wie nur irgend welche
Geschlechter höherer Thiere oder Pflanzen. Sie lassen sich bei sorgfältiger
Auslese völlig rein züchten und haben alsdann niemals solche Uebergänge in
andere Formen gezeigt, wie sie Naegeli vermuthet«.
Ganz besonders sei hier noch bemerkt, dass ebenso wie der Name Ba-
cillus von C. stammt, er es auch war, welcher die ganze Klasse der Spalt-
pilze als Bakterien zusammenfasst und dazu die Bezeichnungen schuf, welche
heute in der gesammten Bakteriologie gebräuchlich sind. Wenn heute irgend-
wo fern von Breslau von pathogenen und zymogenen, von photogenen und
chromogenen Bakterien gesprochen wird, ist den Wenigen bewusst, dass dies
Worte sind, welche C. geschaffen und erst dann ans Licht gebracht hat, als
er sie sorgfältig nicht nur nach ihrer sprachlichen Richtigkeit, sondern auch
nach ihrer Klangschönheit geprüft hatte.
Endlich muss als letzte grosse That unseres Forschers gefeiert werden,
dass er den phantastischen Lehren über Urzeugung den letzten,
vernichtenden Stoss versetzte.
Die Vorstellung, das Lebewesen aus den Elementen, soweit solche zu-
fällig in richtiger Mischung vorhanden sind, entstehen könnten, etwa wie der
Crystall aus einer Lösung zusammenschiesst, ist uralt und hat besonders beim
Beginn mikroskopischer Forschung viele beherrscht. Dass die Arten der
höheren Organismen durch Schöpferwort, diejenigen des Mikroskops durch Ur-
zeugung entstanden seien, das war Glaubenssatz. Aber mehr und mehr Avnirde
durch exacte Beobachtung die Annahme der Urzeugung zurückgedrängt, nur
die Bakterien widerstanden noch dem Satz »omne vivum ex ovo«. Als
Letzter vertrat noch Bastian in England die Urzeugung der Bacillen, indem
er nachwies, dass bei Zufügung von Käse auch in gekochten Flüssigkeiten
Wachsthum eintrete. Da hat C. die Sporen der Bacillen entdeckt (Unters,
über Bakterien FV, 1876), nachgewiesen, dass diese Sporen einige Zeit der
Siedehitze zu widerstehen vermögen und gerade in Käse jederzeit vorhanden
seien. Damit war die Frage der Urzeugung für wissenschaftliche Beobachtungen
endgiltig abgethan.
Es könnte Verwunderung erregen, dass ich in diesen Zeilen die vielen
interessanten Ergebnisse, welche C.'s Untersuchungen über die Fortpflanzung
von Algen, Flagellaten und Rädenthieren ergeben haben, die Entdeckung von
Aldrovanda und Utricularia als Insektenfressende Pflanzen etc. etc. kaum
erwähne. Aber das sind Funde, welche auch Andern in ähnlicher Weise ge-
glückt sind. Mein Bestreben war, das hervorzuheben, was C. die erste Stelle
unter den Botanikern seiner Zeit sichert.
Cobn. 2Q3
Zu diesen wirklich wichtigen Errungenschaften C.'s gehören aber noch
zwei Daten seines Lebens, nämlich die Gründung des ersten pflanzen-
physiologischen Instituts und die Anregung zur Schaffung der ersten
Cryptogamen-Flora.
Wie er bei seiner Promotion als Erster pflanzenphysiologische Institute
in Verbindung mit den botanischen Gärten forderte, so erreichte er auch die
Gründung des ersten dieser Institute. Den i6. November 1866 überwies das
Kgl. Landft'irthschafts-Ministerium zu diesem Zweck 400 Thaler; vom i. Januar
1869 ab ward das Institut auf den Etat der Universität Breslau übernommen.
Nachdem C. 1859 ausserordentlicher Professor geworden war, wurde dies
Laboratorium 1871 der Grund seiner Ernennung zum Ordinarius.
Als Festgabe bei Gelegenheit des 50 jährigen Doctor-Jubiläums des »alten«
Goeppert (it. Januar 1875) wurde die Herausgabe der »schlesischen Crypto-
gamenflora« beschlossen und C. übernahm als causa movens dieses für die
Kenntniss der Cryptogamen-Formen Deutschlands epochemachenden Werkes
die Redaktion. Er selbst hatte ursprünglich die Absicht, die Algen zu be-
arbeiten, doch stand er später im Drang anderer Geschäfte davon ab.
Stenzel übernahm die Gefäss-Cryptogamen, Limp rieht die Moose,
Alexander Braun die Characeen, Kirchner die Algen, Stein die Flechten
und endlich C.'s Freund und Mitarbeiter Schroeter die Pilze. Bis auf
einen ganz unwesentlichen Rest ist das Werk fertig geworden. Diese Flora
ist die erste, welche Standortsangaben für alle Crpytogamen enthält; sie muss
vorbildlich werden für die Erforschung der übrigen Theile Deutschlands.
Zum Schluss darf nicht übergangen werden, dass C. durch die »Ent-
deckung« z^'eier hochbedeutender Männer sich den Dank der Wissenschaft
verdient hat. Beide waren voll ausgereifte Forscher, hatten die Resultate
hochwichtiger Untersuchungen vollendet und wurden durch C. zu ihrer Ver-
öffentlichung veranlasst, alle beide wurden Begründer neuer Zweige der
Wissenschaft: J. Kühn und R. Koch. Ueber den Schöpfer der modernen
Land wirthschafts- Wissenschaft wurde niemals behauptet, er sei der Schüler C.'s;
das war bei dem gleichen Alter beider nicht gut möghch. Robert Koch
dagegen wurde öfters als C.'s Schüler bezeichnet. C. selbst stellt die
Sache (Bresl. Zeitung vom 17. Dec. 1890) richtig: »Wenn die Zeitungen be-
richtet haben, Koch sei mein Schüler gewesen, habe in meinem Laboratorium
gearbeitet, so ist dies nicht richtig. Als ich Koch kennen lernte, war er
bereits der grosse Forscher, den jetzt die ganze Welt kennt und bewundert.»
Immerhin schreibt sich C. in Bezug auf Robert Koch ein gewisses Ver-
dienst zu. In dem Concept eines an Virchow gerichteten Briefes vom
21. IL 1879 heisst es: »Unter den wenigen Verdiensten, die ich mir um
die Wissenschaft erwerben konnte, ist gewiss das grösste, dass ich diesen
Mann, so zu sagen, erfunden habe.« Auch die vielen, lauter kleine Manu-
scripte darstellenden Briefe, welche Koch vom 22. IV. 1876 bis zum 17. VII.
1880 an C. gerichtet hat, welche bis in's Kleinste alle Fortschritte, alle
Methoden der damaligen Bakterien-Untersuchungen schildern, beweisen un-
zweideutig, welch' grosse Bedeutung C. für R. Kochs wissenschaftliches
Werden besass.
Von nicht geringem Interesse ist überhaupt C.'s wissenschaftliche
Correspondenz , welche ihn insbesondere mit Pringsheim, Alexander
Braun, Hanstein, Hofmeister, De Bary, Darwin und vielen anderen
verband. Durch sie wurde C. nicht nur Zeitgenosse, sondern auch Arbeits-
294 Cohn.
genösse der bedeutendsten Männer seiner Zeit. Sehr bemerk enswerth ist,
dass C. damals die Resultate seiner Untersuchungen mit diesen Freunden
brieflich durchzusprechen pflegte, bevor er sie der Veröffentlichung übergab,
ebenso wie er deren Funde zu gegenseitiger Förderung freundschaftlicher
Kritik unterwarf.
Sehr viel Mühe verwendete C. auf seine Vorlesungen; dafür waren diese
aber auch die geistvollsten und formvollendetsten, welche man sich denken
kann. Wie aus unerschöpflichem Born des Wissens immer Neues reichend,
immer weiter die Zuhörer fortreissend und begeisternd, sind diese Vorträge
geradezu Meisterstücke gewesen. Das Feuer der Liebe zur Wissenschaft
wusste er auf seine Schüler zu übertragen, deren viele jetzt von der
Lehrkanzel der Hochschulen herab seine Entdeckungen lehren. Lange
Zeit konnten sich befreundete Collegen, ohne eine Ablehnung fürchten zu
müssen, an C. um Ueberweisung eines Schülers als Assistenten und Docenten
wenden.
Gleichfalls sehr in Anspruch genommen wurde C. durch den Vorsitz in
der botanischen Section der »Schles. Gesellschaft für Vaterländische Cultur.<i
Wie wusste er mit interessanten Fragen die Discussion zu eröffnen, zu lenken,
zu schönem Ende zu bringen. Wer ihn dort gesehen hat, dem wird er un-
vergesslich sein, weil er, stets gespannt bei der Sache, das Beste seiner langen
Erfahrungen spendete. Hier vorzüglich hat C. die vielen Aufgaben be-
sprochen, mit welchen die Praxis täglich an ihn herantrat. Der Landwirth-
schaft seiner Heimathprovinz hat C. unendlich genützt: seine Untersuchungen
über den Kieferwickler, die Erdraupen-Krankheit, über Insektenschäden des
Getreides und Stocktäule des Klees, über Getreidekäfer und viele andern be-
weisen dies.
Haben wir bisher unsere Aufmerksamkeit dem wissenschaftlichen Leben
C.'s zugewandt, so möchte ich nun kurz auch noch die andere, poetische
Seite seines populären Wirkens hervorheben. Es ist bewundernswerth, wie
sich mit der exakten Wissenschaft des Forschers gleichzeitig die Begabung zu
dichterischem Denken und formvollendeter Ausdrucksweise verband.
Schon als Tertianer begann er, angeregt durch die Werke unserer grossen
Dichter, eigenen Gefühlen in Versen Ausdruck zu geben. Ein Gedicht,
welches der 18 jährige Student seinem Lehrer Goeppert zum Geburtstag
widmete, ist erhalten geblieben; die drei ersten Strophen desselben seien hier
mitgetheilt, weil sie ein schönes Bild geben von dem hohen Gedankenflug
des Jünglings und zugleich zeigen, wie völlig er damals bereits die dichterische
Form beherrschte:
»Noch ist der alte Schleier nicht gefallen,
Der vor dem Angesicht der Isis steht;
Jahrtausende sah man vorüberwallen,
Doch ist noch aller Nebel nicht verweht —
Und immer noch erscheint Natur uns allen
In ernst geheimnissvoller Majestät;
Doch ist sie immer, wie sie auch erscheine
Die ewig Schöne und die ewig Eine.
Sie lässt die Sonne durch den Aethcr schweben,
Sie hat der Sterne Teppich aufgerollt;
Der Erde Fluren füllt sie an mit Leben,
Des Falters Fittiche säumt sie mit Gold.
Cohn.
Und aus der Tiefe auf zum Lichte streben
Lässt sie manch duft'ges BlUmchcn wunderhold —
So einet die Natur zu einem Kranze
Planet und Sonne, Mensch und Thier und Pflanze.
295
Und dieses ist ihr ewiges Gebot:
Aus jedem Tode muss ein Leben spriessen,
Und wieder ist kein Leben, dem der Tod
Nicht schon entgegenharrt, es zu beschliessen.
Tod, Leben sind wie Nacht und Morgenroth,
Die ewig wechselnd ineinander fliessen —
Schon manche Welt erlosch, und neue haben
Jetzt ihre Stätte dort, wo sie begraben.« — —
Aus dem eigenen dichterischen Gefühl heraus verstehen wir C.'s tiefe
Bewunderung für Goethe. Wie kaum einer vor ihm die Grösse der wissen-
schaftlichen Phantasie Goethes begriffen hat und, den Wegen des Titanen
nachwandelnd, seine Gedanken dem Verständniss der Nachwelt näher brachte,
so hat in noch höherem Masse Goethe als Dichter auf C. den tiefstgehenden
Kinfluss ausgeübt. Sein Bestreben, das Wissen der Allgemeinheit dienstbar
zu machen, ist verbunden mit der Begeisterung fiir den unendlichen Zauber
der Natur. In Vorträgen von grosser Schönheit wusste er besonders sein
Forschungsgebiet, die Welt der kleinsten Wesen, der Allgemeinheit näher
zu bringen. Die Vorträge sind gesammelt und füllen C.*s schönstes und
bekanntestes Buch idie Pflanze« (Breslau, i. Aufl. 1882, 2. Aufl. 1898).
Mit diesem Buch tritt C. in die Reihe der ersten deutschen Stilisten,
und zwar trägt der Bau seiner fein gegliederten Sätze durchaus klassisches
Gepräge.
Froh im Freundeskreise, hingebend im eigenen Hause, voller Anregung
für alle, die ihm nahten, war er der Mittelpunkt eines grossen Kreises ge-
bildeter Menschen. Welch' ein Genuss war es, mit ihm sich zu unterhalten!
Zwar hinderte ihn öfters ein mit den Jahren zunehmendes Ohrenleiden am
vollen Verstehen der Meinung eines Sprechers, doch kaum je zu dessen Nach-
theil. Denn geistreicher stets und tiefer kam die Antwort auf eine Frage, die
er selbst dem andern unterschob, und oft war man sich bewusst, durch seine
Antwort darauf hingewiesen zu sein, was man einen Ferdinand Cohn
fragen müsse.
Er war bekannt als einer der vielseitigsten Menschen, die je gelebt haben ;
sein feines Empfinden, sein reiches inneres Leben dagegen lernte die grosse
Welt kaum kennen. Als liebevoller, hilfreicher Freund bewies er sich stets
denen, die ihm näher standen. Ich habe nie gehört, dass er Feinde hatte;
ein so ausgesprochener Charakter er auch war, es war ihm trotzdem ein
Herzensbedürfniss, mit Jedermann in Frieden zu leben.
Allgeliebt, hochverehrt ist C. dahingegangen, lieber die ganze Welt,
im Ausland fast noch mehr als in Deutschland, sind seine F'reunde zerstreut.
Seine Mitbürger ernannten ihn zum Ehrenbürger Breslaus; die Universität
Tübingen machte ihn zum Ehrendoctor der Medicin. Fast allen Akademien
gehörte er als Mitglied an, durch viele wissenschaftliche Medaillen wurde er ge-
ehrt und erfreut. Kurz vor dem Ausgang seines Lebens war es ihm noch
vergönnt, bei Gelegenheit der F'eier seines 50 jährigen Doctor-Jubiläums zu
erfahren, wie viel er geliebt, bewundert und verehrt war.
2o6 Cohn. Fontane.
Ein halbes Jahr danach setzte ein Herzschlag diesem reichen Leben ein
jähes Ende, mitten aus freudiger Lebens- und SchäfFens-Fülle heraus. Mit
ihm starb einer der echten Humanisten, wie sie nur noch einzeln aus
früherer Zeit in unsere Welt des Speciali täten th ums hineinragen.
Breslau. Professor Mez.
Fontane, Theodor, Dichter, * Neu-Ruppin 30. December 18 19 f Berlin
20. September 1898. — Im Westen Berlins, dreihundert Schritt vom Potsdamer
Thor, das längst kein Thor mehr ist, erhebt sich in der Potsdamerstrasse
hinter umgittertem Vorgärtchen würdig, sauber und verschlossen ein drei-
stöckiges Haus, möglichst fern vom Gewimmel und Gewirbel dessen, was die
Grossstadt vorübertreibt. Seine Grundmauern, welche die Jugend längst
überstanden haben, hüten sich mit einer gewissen schalkhaften Hartnäckigkeit
vor dem speculierenden Poltergeist, der manchmal auch ein Foltergeist ist,
und ringsumher traulich alte Heimstätten vom Boden reisst, um prunkende
Paläste an ihre Stelle zu hexen. Jenes stille Haus gleicht einem werthen
älteren Herrn, der andere Zeiten gekannt und geliebt hat, aber mit Humor
und schöner Neubegier sich in ein jüngeres Geschlecht zu fügen weiss; dem
über der Andacht zum Alten der Sinn fürs Neue wuchs, und der in laum'ger
Wehmuth das Verdienst seiner Jahre auf sich nimmt. Mit ironischer Feier-
lichkeit, wie sie solchen älteren Herrn trefflich kleidet, trägt jenes stille Haus
sogar eine Art von Orden auf der Brust: ein weisses Kreuz im rothen Felde,
ein Zeichen, dass hinter diesen Wänden nicht vergessen wird, wohlzuthun
und mitzutheilen. Wir steigen drei Treppen empor, schmal, aber blitzblank,
von vornehmer, dunkler Politur und niedlich geschmückt mit Oleanderbäumen.
Wir kommen an allerlei altmodischen Hof- und Staatsämtern vorüber und
stehen dann vor einer Thür, die 18 Jahre lang auf weissporzellanenem
Schilde einen Dichternamen trug. Dieser selbe Dichtername leuchtet noch
auf einer Broncetafel draussen an der Hausmauer neben dem weissen Kreuz
im rothen Felde, und ungehindert durch die alten vollbelaubten Bäume, die
dem alten Dichter im Tode kurz vorangegangen sind, kann man nun lesen,
dass dort oben unter dem Dach in den niedrigen, engen Stübchen während
seiner eigentlichen Dichterzeit Theodor Fontane wohnte, dass er hier alle
seine Romane vollendet hat und dann sanft und rasch und froh, nahezu
79 Jahre alt, gestorben ist.
Mit kurzen Unterbrechungen, deren letzte ein zweijähriger Aufenthalt in
Grossbritannien war, hat F. mehr als zwei Menschenalter in Berlin gelebt.
Als er Mitte der dreissiger Jahre hinkam, hatte die Residenz Friedrich
Wilhelms IIL 300000 Einwohner. Als sie ihn weit oben in den Industrie-
bezirken des Berliner Nordens neben einen grossen Baum auf einem kleinen
»schmustrigen« Kirchhof zur letzten Ruhe legten, hatte die deutsche Kaiser-
stadt fast zwei Millionen Einwohner. Aus seinem Geburtsörtchen Neu-Ruppin,
der Stadt des grossen grauen Sees und der kleinen bunten Bilderbogen war
der vierzehnjährige Jüngling mit lockigem Haar eines Tages durch die Mark
nach Berlin gewandert und hat hier seine zweite Heimath gefunden. Neu-
Ruppin ist geblieben, was es war; es zeugt noch heute mehr für die Zeiten
des Kronprinzen Friedrich als für die Gegenwart. In Berlin aber und mit
Berlin ist F. ein Dichter, ein Weltbetrachter und, bei mancher altfränkischen
Gebahrung, ein ganz moderner Geist geworden. Er ist für die moderne
Weltstadt der klassische Berliner geworden, wie P'riedrich Nicolai der klassische
Fontane. 2()*J
Berliner der Zopf- und Perrtickenzeit war, und mit Recht hebt Richard M.
Meyer den gewaltigen Unterschied zwischen Beiden zu Gunsten der neuen
Zeit und der neuen Stadt "hervor. Aber noch ehe F. nach Berlin kam, lag
schon ein Leben hinter ihm, das ihm zwei Menschenalter später Stoff genug
für einen ganzen autobiographischen Roman bot. Dieses merkwürdige
Dichtung- und Wahrheit-Buch, das der Verfasser »seine Kinderjahre« nennt,
lässt uns im Stich, als er gerade von seiner Mutter nach dem Ruppiner
Oymnasium gebracht worden ist und sich in der Quarta gottergeben nieder-
lassen will, ein Bürschchen von dreizehn Jahren. Von anderen Knaben
unterscheidet sich dieser Knabe Theodor nicht allzu sehr. Er trug seine
langen blonden Locken etwas länger, im doppelten Sinne nach Zoll und Zeit
länger, als andere Jungen, er' schlug beim Ballwurf Fensterscheiben ein, er
graulte sich wonnevoll vor der Hütte, wo ein Mord geschah, er guckte neu-
gierig zu, wie ein Baumkuchen gebacken wurde, er kokettirte mit der Gefahr
des Ertrinkens; bei den kriegerischen Jugendspielen wollte er Höchstkomman-
dirender sein, und wo ein Schlingel ihn neckte, da wehrte er sich. Wer
Alles das liest, glaubt die eigene Kindheit an sich vorüberziehen zu sehen,
denn so verfliesst ein Knabenleben nicht bloss im pommerschen Seebad
Swinemünde, sondern überall, allüberall, und das einzige, was den kleinen
Swinemünder Apothekerssohn von Andern unterschied, war die ausserordent-
lich feine Beobachtungsgabe, in der sich schon der künftige Land- und Leute-
Schilderer, der künftige Dichter verrieth. Zwar haften die Jugendeindrücke
am sichersten in der Erinnerung, aber wer nach 65 Jahren noch so genau in
Allem Bescheid weiss und so deutlich in den Seelen der erwachsenen
Menschen von damals zu lesen versteht, muss schon als Kind den prüfenden
Blick in die menschliche Natur gehabt haben. Ob alle diese Honoratioren
von Swinemünde sich genau so ausgedrückt haben, ist fraglich und darf von
Echtheitsphilistern bezweifelt werden. Aber ihre Welt stellt sich uns so dar,
wie sie gewesen ist, sie trägt das untrügliche Zeichen der Richtigkeit. Jeder
kann es durch seine eigenen Erfahrungen belegen. Der Dichtermund spricht
für Viele. Der Held dieses Romans ist aber nicht der kleine F. selbst,
sondern sein Vater, Herr Louis Henri Fontane, zuerst Löwen-Apotheker in
Neu-Ruppin, dann Stadt-Apotheker in Swinemünde. Neben ihm und oft
auch gegen ihn steht die Mutter Emilie, geb. Labry, Seidenhändlerstochter
aus Berlin. Ihrer Beider Schicksal, das sie sich grössten Theils selbst oder
gegenseitig schmiedeten, ist der Kemgehalt dieser Kindheitserfahrungen des
ältesten Sohnes; und gerade über dieses Wesentlichste aus F.'s Jugend-
zeit möchte ich hier nichts sagen. Wenn uns ein Freund sein Herz aus-
schüttet, so halten wir ihn still bei der Hand und schweigen. Wir gehen
nicht hin, es Anderen, mit anderen Worten einen anderen Eindruck weckend,
weiter zu plaudern. Fragt ihn selbst und seht zu , ob er es Euch auch sagen
wird. Denn auch F. sagt, was ihm seit jung her auf der Seele gelegen hat,
nicht Jedem, obwohl es Jeder lesen kann. Er sagt es denen, die es ganz
verstehen, wie wundervoll tief und zart und innig das alles ist, was er von
Vater und Mutter erzählt. Wer da über Pietätlosigkeit, über Verstösse gegen
das vierte Gebot sittenrichtelt, der versteht nicht zu lauschen, wenn ein
Dichter spricht. Hier ist ein Sohn, der seinen Vater ganz genau kennt, der
ihm nicht mit allerhand moralischen Schönheitspflästerchen auf die Beine
schmeichelt, der ihn genau so schildert, wie er war: in seiner ganzen wider-
spruchsvollen Menschlichkeit, in allen seinen Schwächen, durch die er nur
2o8 Fontane.
liebenswürdiger wird. Ein Sohn, der seinen Vater gleichsam unters Kinn
nimmt und zu ihm sagt: Du grosse^;, lieber, wunderlicher Kerl, Du hast mir
keinen Pfennig hinterlassen, Du konntest nicht meiner Frau Mutter das Leben
leicht machen, Du hast mir im tadellosen Wandel nicht immer das beste
Beispiel gegeben. Aber Alles, was ich hab und weiss und kann, verdank ich
ja doch nur Dir allein, und wenn ich auch nichts weiter von Dir gehabt
hätte, so bleibt mir die Erinnerung an Dich. Dieser Sohn ehrt diesen Vater,
dazu verhilft ihm nicht der kalte Pflichtbegriff »Du sollst«, auch nicht die
schliesslich doch bloss auf den Selbsterhaltungstrieb speculirende Vertröstung
»auf dass es Dir wohlgehe und Du lange lebest auf Erden«. Dazu verhilft
allein die freie, kindliche, nicht nur blutsverwandte, sondern noch mehr
wahlverwandte Zuneigung, die das Bild des Vaters umtängt. Gewiss hätte
Goethe, das grosse Maass aller Dichter, von seinem Vater nicht so gesprochen,
denn er ist über ein kühles Respectsverhältniss zu seinem Vater nie hinaus-
gekommen. Aber wohl hätte Goethe von seiner Mutter so sprechen können,
denn die Frau Rath sass ihm zeitlebens mitten im Herzen. Wo Vertrautheit
ist, ist Offenheit, und in dieser Hinsicht gehört zum schönsten, was ich kenne,
das letzte Zwiegespräch zwischen Louis Fontane, dem Vater, und Theodor
Fontane, dem Sohn. Sie sitzen über einer gefüllten Kalbsbrust und erörtern
die Frage, ob Kalbsbrust etwas Grosses oder etwas Kleines sei. Sie einigen
sich dahin, es sei Beides. Denn alles in der Welt kann bald wichtig, bald
nichtig, bald angenehm, bald schrecklich sein. Diese beiden weisen, alten
Knaben, der eine mit 71, der andere mit 48 Jahren, haben es herausgekriegt,
dass Nichts an sich selbst etwas ist, dass Alles erst durch seine Beziehungen
etwas wird. Diese Erkenn tniss, dass es ein »Absolutes« absolut nicht giebt,
versöhnt sie mit ihrem Schicksal und mit der Welt. Sie scheiden im Frieden
von einander. Durch das Bild des Vaters schimmert der Sohn, der nicht
aus der Art geschlagen ist, in dem sich nur das naive Preisgeben der
ursprünglichen Natur durch künstlerisch-kritische Reflexion verfeinert hat;
eine Reflexion, die klüger, aber nicht glücklicher macht.
Nach Berlin kam F. zunächst, um seine Gymnasialstudien zu vollenden,
und dann, um den Beruf seines Vaters zu erwählen in der trügerischen
Hoffnung, dereinst die elterliche Stadtapotheke in Swinemünde erbeigen-
thümlich zu übernehmen. In einem zweiten autobiographischen Bande »Zwischen
Zwanzig und Dreissig« kann man seiner vielbewegten, das Ziel freilich ver-
fehlenden Pharmaceuten-Laufbahn folgen. Zuerst die Lehrjahre in Berlin. Dann
die Gehülfenzeit in Burg bei Magdeburg, in Leipzig, in Dresden beim
grossen Selterser-Struve, endlich wieder in Berlin, nach Bestehung des Militär-
dienstjahres beim Kaiser Franz-Garde-Grenadier-Regiment, und des pharma-
ceutischen Staatsexamens, zuerst bei Jung in der Georgenkirchstrasse, zuletzt im
Krankenhause Bethanien. Endlich wäre der dreissigj ährige Herr Pro\isor so
weit gewesen, sich selbstständig zu machen. Aber die S\^Tinemünder Stadt-
apotheke war längst in fremden Händen, Papa Louis Henri sass irgendwo
auf dem Trocknen oder, wie er sich auszudrücken pflegte, in der Brt^douille,
und Theodors Erbtheil war, wie er zu sagen liebte, ein Löffelstiel, auf den
hin er trotzdem (am 16. October 1849) nach fünijähriger Brautschaft, seine
liebe und kluge Frau Emilie, geb. Rouanet-Kummer, heirathete, obwohl er
seinen practischen Beruf aufgegeben hatte. Aus dem Ai)Otheker war ein
Litterat geworden. Aber so ganz ungestraft wandelt auch unter Palmölen
niemand, und so ist dem späteren Schriftsteller von der Receptirkunst
Fontane.
299
wenigstens eine kleine, bezeichnende Stileigenthümlichkeit hangen geblieben.
Wenn F. ein Urtheil, eine Ansicht, eine Thatsache ausgesprochen hatte, so
suchte er es, besonders in seinen originellen Theaterrecensionen, durch ein »oder
wenigstens« oder durch ein »beinahe« bald mildernd, bald stärkend aufs
richtige Maass zurückzuführen; nicht unähnlich dem vorsichtigen Provisor,
der vor der Waage steht und genau aufs Krümchen nachstreut oder
wegschüttet, was dem geforderten Gewicht widerspricht. Einst bekam F.
Resuch von Emil Rittershaus, dem schlecht und rechten Gartenlauben-Sänger.
Das Gespräch kam auf Ibsen; der Gartenlauben-Sänger war als solcher schlecht
und recht genug, sich gegen den nordischen Aufrührer zu erbittern. Er
redete ihm viel Uebles nach, u. A. auch, dass er in seiner Jugend einmal
Apotheker gewesen sei und nun in seinen Dramen das Apothekerhafte nicht
verleugnen könne. Nicht ohne lächelnde Zustimmung, von der freilich
wieder in Gedanken etwas weggeschüttet wurde, verschwieg F. dem guten
Oaste, dass dieser ahnungslos »im Hause des Gehängten vom Strick geredet
habe«. Doch ist zuzugeben, dass F. im Uebrigen den Apotheker gründlich
von sich abgeschüttelt hat, und schon in seiner äusseren Erscheinung wirkte
er nach dem Zeugniss des darin gewiss kompetenten Paul Heyse bereits 1848,
(hl er unter dem Regimente seines Helden Scherenberg im »Tunnel über
der Spree« bei den Dichtgenossen erschien, als ein ganzer Poet; unter den
scribelnden Laien einer, der seine Kunst verstand: »Der ist ein Dichter!
wusst ich sofort. Silentium! Lafontaine hats Wort!«
Was Lafontaine-Fontane damals seinen Kunstgenossen vorlas, konnten
nur schottische und märkische Balladen sein, die 1850 zum ersten Mal im
Druck erschienen und den Namen ihres Dichters früh in unsere Anthologien
und Schulbücher, ja sogar auf dem P^ittich der Löweschen Melodie in den
Concertsaal trugen. Manches dieser Gedichte, wie der berühmte Douglas,
ist ins Volk gedrungen. Der Dichter selbst aber ging ausser Landes.
Deutschland konnte dem Poeten kein Brod schaffen. Er ging mit Weib
und Kind nach London, wo er journalistisch thätig war und Briefe über
englische Kunst und englisches Leben nach Hause schrieb. Damals kam
der Balladendichter auch in die Balladenheimath Schottland; die Eindrücke,
die er dort von Land und Leuten empfing, blieben in seiner empfänglichen
Seele für Lebenszeit haften. Seinen feinen, jederzeit sachlich interessirten
Blick für das lebendige Treiben der grossen und kleinen Menschheit hat er
im geschäftigen England, seine starke Empfindung für den Ernst, die Grösse
einer alten Natur und einer alten Geschichte im einsamen Schottland gefestigt
und geschärft. Als er mit Familienzuwachs nach Berlin heimkehrte, verschaffte
ihm sein alter Tunnel-Gönner George Hesekiel eine Thätigkeit in der Redaction
der Kreuzzeitung. Und nun durchwanderte er seine Mark Brandenburg, wo-
von fünf wackere Bände Zeugniss ablegen. Er wollte für sein Heimathland
weder ein Bädeker noch ein Ranke sein und ist in dieser seiner einzig
gearteten Verquickung des Landschaftsbilds mit der historischen Erinnerung,
der Sitten- und Menschenstudien mit der naturpoetischen Betrachtung, der
allgemeinen Beobachtung mit dem persönlichen Erlebniss ein F. geworden,
wie ihn Jedermann der eigenen Heimath wünschen möchte, wie ihn in
gleicher Originalität kein anderer deutscher Gau besitzt. Während er aber
friedfertigen Gemüths durch die Marken strich, gährte es im Vaterlande, das
Gleichgewicht Europas kam ins Schwanken. Die drei grossen Kriege folgten
einander, und F. ist dabei gewesen, zwar nicht als Kämpfer, aber als
300 Fontane.
Schlachtenbummler guter Art, der sich gelegentlich auch einmal in Krieg?»-
gefangenschafl: und Todesgefahr geratheh sieht. Grossie Erlebnisse, das Gegen-
wärtigsein bei weltgeschichtlichen, weltumwendenden Begebenheiten Schäften
zwar keine dichterische Kraft, aber wo eine solche verborgen liegt, wird
sie hervorgelöckt. F. hat die Geschichte aller drei Kriege geschrieben,
wiederum nicht wie ein Ranke oder wie ein Generalstäbler, sondern in seiner
Weise: ohne Scheu vor trockenen Aufzählungen und Classificirungen , der
Theilnahme seines Lesers stets sicher, ' weil immer bereit, w4e ein Dichter
zu sprechen, wo sichs lohnt. Weder die Wanderungen durch die Mark,
noch die Kriegswerke sind das, was den Namen F. 's gross macht. Aber
hier wie dort liegt der breite und tiefe Grund, woraus seine dichterische
Kraft emporwuchs. Die Wanderungen stärkten das Gefühl für seine Heimath,
die Kriege das Gefühl für seine Zeit, und Zeit und Heimath sind die beiden
Mächte, die aus den Dichtern immer ihr bestes und höchstes herausgeholt
haben. F., der märkische Wanderer, und F. der Kriegskamerad, traten eines
Tages, als • es in Europa ruhig geworden war, zusammen und fassten einen
Entschluss. Aus diesen Entschluss ging endlich der Dichter hervor, den \vir
nun unter die Ersten seiner Nation einzureihen haben. Lange genug hatte
es gewährt. F. näherte sich bereits den Sechzig. Womit hatte er seine
schönsten Jahre, das sogenannte beste Mannesalter verthan? War es nur die
Noth ums Brod, die in den RedactionstUben der Kreuzzeitung, dann auf
dem Referentensitz der Vossischen Zeitung im königl. Schauspielhaus, eine
kurze Zeit sogar im Sekretärsfrohndienste der königlichen Kunstakademie seinen
Pegasus so lange im Joch hielt? Es waren noch zwei andere Ursachen, die
einander wundersam ergänzten und in ihrer tiefen, einheitlichen Wirkung ein
Ganzes endlich schaffen konnten.
Das Eine mag Sehnsucht nach menschHcher Grösse, das Andere Samm-
lung kleiner Lebenseindrücke heissen. Nie ist ein Mensch mit schärferen
Sinnen durchs Dasein gegangen als F. Dabei beobachtete er nicht minder
liebevoll als scharf. Gedächtniss und Phantasie schienen bei ihm Eins ge-
worden; in diesem ungeheuren Speicher verdorrte nichts; Alles blieb friscli
am Leben oder lebte gar erst auf. Die schmale deutsche Philisterwelt der
vormärzlichen und nachmärzlichen Zeit; das Verdumpfen und Abstumpfen
tapferer Soldatenherzen im wechselnden Einerlei von Gamisondienst und
Casino vergnügen, das Gethue inferiorer Literaten und Schöngeister, die Phrase
kraftloser Ideologen, das Bierbank geschwätz politischer Kannegiesser, die
Revolution im Schlafrock und andererseits die Liebedienerei des beschränkten
Unterthanen Verstandes, kleine Widerwärtigkeiten und kleine Possirlichkeiten
im engeren P'amilienkreise ; dann wieder ein aufrechtes Wandern durch Land
und Leute, und in den Tagen des Lenzes das wohlbekannte Langen und
Bangen eines deutschen Jünglings, alles dies bildete sich fest dem dichte-
rischen Geiste ein, verdichtete sich in ihm, und als dann endlich die Vor-
rathskammern dieses Geistes geöffnet wurden, lagen die poetischen Schätze
am Licht. Was aber den Riegel sprengte und den Sonnenschein einliess,
war doch noch etwas anderes. Hiezu erst musste sich jene grosse Sehnsucht
erfüllen. Früh zog den humoristischen Beobachter kleiner naher Wirklich-
keiten ein mächtiger Trieb in ideale Fernen, in heldenhafte Vergangenheit.
Er schlug die Bücher der Geschichte auf, und wo er mitten unter lang-
w'eilenden Haupt- und Staatsactionen auf heroische Anekdoten stiess, hielt er
still und vergegenwärtigte sich Momentbilder menschlicher Urkraft. Am
Fontane«
301
meisten und am liebsten fand er dergleichen in der Geschichte Alt-Englands,
Alt-Schottiands, Alt-Skandinaviens; denn Brandenburg . und Brandenburger
lagen ihm noch zu nah. Während man nach dem Rückschlage der Acht-
undvierziger Zeit in deutschen Landtagen vergeblich um die Misere des Daseins
stritt, las F. die alten überseeischen Balladen, dichtete viele davon in sein
geliebtes Deutsch um und dichtete neue von gleichem Stoff und gleichem
Stil. Hier fand er Alles, was er im umgebenden Dasein vermisste: starken
Willen, Thatkraft, rücksichtslos stolzes Schreiten zum Ziel, Heldenmuth und
Heldengrösse. Dass er auf diesem Wege durch Kerker und Grüfte, über
enthauptete Menschenleiber hinweg, durch Ströme edelsten Blutes ging, war
für die kühne Phantasie des jungen Barden nur ein neuer, schaurig -schöner
Reiz. Aus Sagenzeit und Sagenland zurückkehrend, wanderte er dann in der
Sehnsucht nach Grösse durch die alten Schlösser und die alten Städte seiner
märkischen Heimath, die er später alle beschrieben hat. Und siehe da, er
fand, was er suchte. Wie sein Lebensfreund Adolf Menzel, so vergaffte sich
auch er in den alten Fritz und dessen Generale. An das »Nordische« und
»Englisch-Schottische« seiner Bilder und Balladen hing sich »Märkisch-Preussi-
sches«. Die alten festen Junker, die dem ersten Hohenzoller in der Kur-
mark so bös zu schaffen machten, interessirten ihn nicht weniger als die
Grössten des preussischen Königsgeschlechtes. Meisterhaft übertrug er auf
die neueren näheren Stoflfe jenen alten Balladenstil, lieber die Quitzow und
Gans von Putlitz, über den alten Derfflinger, den alten Dessauer, den alten
Zieten, über Schwerin, Keith, Prinz Louis Ferdinand gelangte er so von un-
gefähr auf seinem »balladesken« Poetenrösslein bis in die Zeit, da sein Blick
auf ein Knabenbildniss Bismarcks fiel.
In LockenfUlle das blonde Haar,
Allzeit im Sattel und neunzehn Jahr,
Im Fluge weltein und nie zurück,
Wer ist der Reiter nach dem GlUck?
Jung-Bismarck.
Was ist das Glück? Ist's Gold, ist's Ehr',
Ist's Ruhm, ist^s Liebe? Das Glück ist mehr:
»Leben und sterben dem Vaterland« —
Gott segne fUrder deine Hand,
Jung-Bismarck.
Dann ist er von »Jung-Bismarck« zum alten Reichskanzler den weiten,
weltgeschichtlichen Weg mitgegangen, massvoll in seiner Begeisterung, vor-
behaltlich in seinem Urtheil, ironisch gegen Schwächen der Grösse, gerecht
auch gegen Feindes Sache und Feindes Herz. Er durfte den grossen welt-
geschichtlichen Begebenheiten seiner Zeit als Begleiter des tapferen, leiden-
schaftlich-absonderlichen, ihm aber wohlgesinnten Prinzen Friedrich Carl von
Preussen nahe stehen. In seiner Phantasie an die Blutbäder der Stuarts und
der Tudors längst gewöhnt, wandelte er mit wissbegierigen Poetenaugen ge-
fassten Herzens über die Wahlstätten Schleswig-Holsteins, Böhmens, Frank-
reichs, und als er bei Toul, der Kriegsläufte schier vergessend, dem Ge-
burtsdorfe der Jungfrau von Orleans, gleichsam in Stellvertretung Schillers,
einen Besuch abstatten wollte, kam er bei den Einwohnern von Domr<!my in
den Verdacht der Spionage, wurde verhaftet und zu monatelanger Kriegs-
gefangenschaft auf die Insel Ol^ron verschleppt. Wie so Vieles aus
302
Fontane.
seinem Leben, hat er auch dieses Abenteuer mit einem trocknen und einem
feuchten Auge höchst unterhaltlich in einem kleinen Büchlein erzählt. F.,
der königstreue Mann, den einst der Berliner achtzehnte März in seinen un-
mittelbaren Nach wehen verstimmt hatte, fasste nach Metz, Sedan, Paris
neuen Muth für sein Land und seine Leute, Thaten reizten ihn zu Thaten,
und er bethätigte seinen Muth nach wahrhafter Dichterweise. Er mischte
sich nicht in den Tross phrasenhafter Tyrtäen, er rief nicht »Heil« und
»Hurrah« durch die Gassen, sondern er ging in sich und begann als strammer
Fünfziger seine eigentliche Dichterlaufbahn.
Zunächst entstand ein vierbändiger Roman. Zeit und Ort seiner Hand-
lung knüpfen folgerichtig an F.'s bisherige Schriftstellerei an. Fünf Bände
Kriegsgeschichte und mit diesen ziemlich gleichlaufend drei Bände Wande-
rungen durch die Mark Brandenburg waren erschienen. Hier wie dort war
der Dichter an historisch und topographisch Gegebenes gebunden, und wenn
er sich besonders auch bei den Wanderungen gern verleiten Hess, aus der
historischen Vortragsweise in den ursprünglichen Plauderton des Touristen
zurückzufallen, so Hess sich sehr viel später der wissenschaftliche Werth dieser
Werke von der Gelehrsamkeit doch so weit einschätzen, dass freie Männer
der Berliner Universität, wie Erich Schmidt, Theodor Mommsen, der Geograj>h
Ferdinand v. Richthofen daraufhin bei zaghaft-zünftigeren Fakultätsgen osscn
es durchsetzen konnten, die Würde des philosophischen Ehrendoctors, die
einem blossen Poetlein nicht gebühre, als Geburtstagsgeschenk dem Fünfund-
siebzigiährigen zu bringen. F. nahm die Würde freudig dankend an, er-
widerte aber dem erstaunt lächelnden Geographie-Professor, der als Decan
das Diplom überreichte: mit seinen vielgepriesenen märkischen Wanderungen
sei eigentlich nicht viel los; er selbst erblicke sein wirkliches Lebenswerk
nun doch in der Romanschreiberei. Man hätte ihm darauf entgegnen können,
dass sich seine Romanschreiberei aus den halbwegs wissenschaftlichen Arbeiten
vielleicht erst entwickelt habe. Jener erste grosse Roman hielt den märkischen
Wanderer in der Mark fest, und führte den Kriegsberichterstatter in kriege-
rische Zeit, in die Zeit, bevor nach Körners Wort das Volk aufstand und der
Sturm losbrach. Der Roman, 1878 wie die Wanderungen bei Wilhelm Hertz
erschienen, machte in seiner Weitschichtigkeit wenig Eindruck. Damals
glaubte ein deutscher Romancier, noch im Bann des jungdeutschen Beispiels,
es nicht unter vier Bänden thun zu dürfen. Solch ein Roman musste für
viele Winterabende reichen, bevor er in der Leihbibliothek umgetauscht
wurde. Der Roman F.'s aber war doch kein Leihbibliothekenfutter, und
darum hat er es keiner Leserpartei recht machen können; für diejenigen, die
bloss schmökern wollen, steckte zuviel socialer und psychologischer Ernst
darin, und wer künstlerische P'orderungen stellte, dem war er zu auseinander-
gefahren, zu wenig geschlossen. Die Erzählungskunst F.'s hat sich in diesem
vierbändigen Roman weniger erwiesen als erzogen: ein dichterisches Talent
begann ihn, ein gebildeter Künstler legte ihn hin und schritt mit gestärktem
Selbstvertrauen zu anderen Aufgaben. »Vor dem Sturm« heisst der Roman.
Ciemeint ist jener Sturm, der zwischen Moskau und Leipzig lag. Aber man
könnte in dem Titel auch ein unbewusstes Sinnbild für den Dichter suchen.
Denn auch in seiner Seele brach nun endlich ein Sturm los, darin ein ganzer,
ein grosser Dichter aufstand, eine jugendliche Kraft mit bleichenden I^ocken
und gelichtetem Scheitel, ein Jünglingsmuth von sechzig Jahren. Erst jetzt,
von knapperen und künstlerisch runderen Dichtungen zurückkehrend, erkennt
Fontane.
303
man den anecdotischen Reiz der zahlreich in dem Roman verstreuten Episoden
und Excurse. Erst jetzt erkennt man, dass hier wie in einem fruchtbaren
Schlamm alle Keime späterer Kunst bereit liegen.
Diese Erzählungen wurden zunächst mit gewisser Vorsicht genommen.
Es war etwas Neues darin, dem man nicht recht traute, und das zu dem
nicht passen wollte, was man sonst in Berlin unter dem Namen F. zu
verstehen glaubte. Da man höchst unbegründeter Weise den zwar etwas
weltscheuen, aber keineswegs weltfremden Dichter in ein gewisses Grosspapa-
thum hinein philistern wollte, weil man bei Hoftheaterpremi^ren an einer
Parkettecke einen Herrn sitzen sah, der, wenn es auf der Bühne bei Lubliner
oder Wildenbruch gar zu schlimm wurde, sorgenvoll und mit einem Ausdruck
inneren Ringens seinen grauen Excellenzenschnurrbart zur Decke hob, y>'ei\
ein fader Witz Glasbrenners die Initialen Th. F. als »Theater-PVemdling«
deutete, weil man den märkischen Wanderer zuweilen in der Dämmerung,
ängstlich in einen Riesen- Wollenshawl gemummt, durch den Thiergarten halb
schreiten, halb schweben sah, so argwöhnte man ohne Weiteres hinter dieser
so plötzlich aufblühenden Production die Geschwätzigkeit des Alters und wollte
nicht recht begreifen, dass hier eine lang gehemmte, nun desto frischer
vorsprudelnde Kraft endlich frei wurde. Je weiter unsere Litteratur ins
zwanzigste Jahrhundert fortschreiten wird, desto höher im Preise werden die
Geschichten F.'s steigen, die er im Greisenalter schrieb, und unter denen
einzelne spielend das erreichten, wonach die junge Generation meist noch
etwas mühsam strebt. Nicht aus litterarischem Princip, sondern aus innerster
Naturanlage suchte er die Dinge so zu erkennen, wie sie in Wirklichkeit sind.
Jeder Stoff ist ihm genehm, der ihn tief in menschliches Seelenleben hinein-
führt. Bald findet er diesen Stoff in einer alten märkischen Chronik, wie
>^Grete Minde« ; bald in einem Harzer Kirchenbuch, wie »Ellernklipp« ; bald
im Gesellschaftsleben der grossen Stadt BerHn, wie »L'Adultera«, bald in den
Erlebnissen einer befreundeten alten Dame aus märkischem Adel, wie »Effi
Briest«. An der Wahl seiner Stoffe wurde vielfach Anstoss genommen; nir-
gend geschah das mehr, als gegenüber seinem entschiedensten und
entscheidendsten Werk »Irrungen, Wirrungen«. 1887 brachte die Vossische
Ztg. zur Füllung ihrer Sommerspalten diesen Roman und erregte dadurch das
Entsetzen sorgsamer P'amilienmütter. Das war gamichts für die reifere Jugend,
das grenzte in der freimüthigen und offenherzigen Behandlung illegitimer Ver-
hältnisse schon an den verpönten Zola. Es erregte sittliche Entrüstung, dass
der Dichter mit köstlicher Unbefangenheit hier den Verkehr der Berliner Lebe-
welt mit der Berliner Halbwelt schildert und mitten aus diesem gemüthlichen und
fast gemüth vollen Milieu ein Herzensschicksal entwickelt, bei dem der Zwang
und Drang der Umstände zwar nicht die Herzen brach, aber ihnen doch
einen Riss fürs Leben gab. Selten ist von einer philisterhaften Moralisterei
lautere Poesie so plump verkannt worden. Gewisse Aeusserungen der Spiess-
bürger über sein Meisterwerk sind auch ans Ohr des Dichters gedrungen;
unter dem Eindruck dieser Erfahrungen gelangte er zu dem wundervoll kühnen
Satz: »Dass der sogenannte Sittlichkeitsstandpunkt ganz dämlich, ganz anti-
quiert und vor Allem ganz lügnerisch ist, das will ich, wie Mortimer, auf
die Hostie beschwören«. Der nahezu siebzigjährige Dichter musste für den
verwegenen Roman lange nach einem Verleger suchen, denn im Buchhandel
waren F.'s Werke wegen ihres schwachen Absatzes damals noch berüchtigt.
Als aber »Irrungen, Wirrungen« endlich bei einer kleinen Dresdener Winkel-
304
Fontane.
firma erscheinen konnten, ging auch der litterarischen Welt über diesen Autor
das grosse Licht auf. Man sali sich einer Dichtung ersten Ranges gegenüber.
Und als F. zwei Jahre später Siebzig wurde, feierte ihn »Tout-Berlin«.
bereits wie einen neu aufgegangenen Stern, wie einen Mann der Mode. Beim
Festmahle sass ihm zur Seite der preussische Cultusminister, und Ernst v.
Wolzogen begrüsste ihn im Namen der modernsten Dichterjugend als den,
der das, was diese will, einfach besser macht. Wie F. damals der Erste war,
der die dichterischen Anfänge Gerhart Hauptmanns ermuthigte, so ward er
allen Jungen und Jüngsten fortan der segenspendende und segenbringende
Schutzpatriarch, dem freilich diese ungestüm begehrliche, nicht immer seiner
werthe Gefolgschaft bisweilen wenig behagte. Das Oberhaupt einer Partei zu
seip, war seinem geistigen Frank tireurthum unheimlich; wenn er, der feine
Emigranten-Enkel, je hätte unhöflich oder gar grob werden können, Einem
oder dem Anderen dieser kleinen Aufdringlinge gegenüber wäre er es geworden.
So viel wie möglich zog er sich vom litterarischen Lärm in seine eigene
Dichterklause zurück und schuf mit jugendlicher Frische Werk auf Werk.
Alles, was er schuf, wurde nun, wenigstens im deutschen Norden, mit Un-
geduld erwartet, mit Bewunderung gelesen. In der gesammten Weltlitteratur
weiss ich kein zweites Beispiel, dass ein grosser Dichter erst nach dem sechzig-
sten Lebensjahre in die Zeit seiner Blüthe und seiner Ernte eintrat.
F, stand im sechzigsten Lebensjahr, als sein erster Roman herauskam.
Nach zwanzig Jahren, im Todesherbst erschien zugleich als Bekenntniss seiner
ganzen Weltanschauung der sechzehnte Roman »Der Stechlin« im Buchhandel.
Keines seiner Werke hatte aus jüngeren Tagen her auf Lager gelegen; jedes
ist ein frisches Erzeugniss seines unvergleichlich schaffenskräftigen und
schaffensfreudigen Greisenalters. Was schon äusserlich an diesen Romanen
auffällt, ist ihre Knappheit und Kürze. Durch den Geschmack F.'s
ist die Epoche der centnerschweren Wälzer und Schmöker überwunden.
Wie er es im Leben war, so ist er auch in seinen Erzählungen der graziöseste,
geistreichste, munterste Causeur, der uns unversehens auf den verschlungensten
Seitenpfaden des Gesprächs kreuz und quer, doch niemals irre führt; am
liebsten durch Conversation enthüllt er Wesen und Schicksal seiner erdichteten
Gestalten, und trotzdem befreit er das Nestor-Alter vom Rufe der geschwätzigen
Breite, weil sein Wort fast immer zugleich auch ein Bild und ein Gedanke
ist. Diese seltene, bei Deutschen allzu seltene Gabe, im Erzählen und in der
Debatte gleichzeitig zu reflectiren und doch zu gestalten, mag ihm neben
vielen anderen Eigenschaften seines beweglichen, geschmeidigen Geistes die
französische Herkunft beider Eltern in die Wiege gelegt haben. In diesen
Formen des französischen Esprits überwand er Stoffe von ur germanischer
Wucht und Volksthümlichkeit. Er wusste den Ton, in dem die Leute des
norddeutschen Plattlandes reden, so gut zu treffen wie Fritz Reuter. Er war
bei den alten Weibern und kleinen Mädchen der Berliner Vorstadt heimisch ;
er kannte deren Lust und deren Leid, und einer überraffinirten Grossstadt-
cultur stellte er oft genug zustimmend die Weltweisheit oder auch nur den
gesunden Menschenverstand des niederen Volkes entgegen. In der speciftsch
norddeutschen, wohl gar specifisch märkischen Art, wie das Derbste und
Herbste mit dem Zartesten und Anmuthigsten zu Eins verschmilzt, weiss ich
neben Fontane und Bismarck, diesen beiden grossen Todten des Sommers
1898, keinen dritten zu nennen. So tief F.'s Phantasie in die Irrungen
und Wirrungen der Menschlichkeit herabsteigt, so wenig Scheu er hat, die
Fontane.
305
äussersten Consequenzen zu ziehen, so athmet man doch bei keinem Dichter,
auch bei keinem der Wohlanständigkeits-Dichter, reinere Luft als bei ihm.
Nirgend findet sich soviel vornehme Grazie in der Behandlung des Stoffes,
die mehr, als es der moderne Naturalismus wünschen möchte, über den
Dingen schwebt, und immer stellt sich seine Poesie in den Dienst einer
persönlichen sittlichen Weltanschauung.
Er strebt keinem idealen Ziel nach, wie Ibsen, sondern im Gegentheil:
er sucht sich in der bestehenden Welt so gut es gehen mag, einzurichten,
und hält sich im schönen freien Gleichgewicht einer Lage, die zwischen
Weltfröhlichkeit und Weltgleichgültigkeit schwebt. Hieraus erklärt sich sein
ganzes dichterisches Schaffen. Es ist der Grundton fast aller seiner Ge-
schichten. Auch die Welt im Ganzen, aus der er lebensvolle Abschnitte
giebt, kann er nicht feierlich nehmen. Er, der einmal eingestanden hat, er
habe keinen Sinn fiir Feierlichkeit. Es giebt bei ihm keine gewaltigen, über-
mächtigen Leidenschaften, kein zermalmendes Schicksal, höchstens ein allmäh-
liches Hinsiechen und Verhauchen kranker Seelen. Dort der hochgeborene
Freier des Nähmädchens Stine, der »ein armes krankes Huhn« ist, hier der
alte Graf Petöfi, der sich aus dem genossenen Leben entfernt, um seiner
jungen Frau den jungen Geliebten zu gönnen, dort Effi Briest, die das
zweifelhafte Glück einer Stunde durch ein verfehltes Leben büsst. Gesundere
Naturen, in der Vollkraft des Lebensbewusstseins, wie Botho und Lene, das
unvergleichliche, modern-klassische Liebespaar aus »Irrungen, Wirrungen«,
überwinden den Kampf und tragen auch mit der Wunde das Dasein tapfer
weiter; denn was ist schliesslich das Dasein? In einem Falle ist nicht viel
verloren für den, der es aufgiebt, im andern für den, der es behält, und die
kleinen Freuden des Lebens, die täglich am Wege liegen, helfen in ihrer
Summe auch einen grossen Gram überwinden. Sieh die Erde an in ihrer
begrenzten Rundheit, und Du wirst sie lieben, ohne sie allzu schwer zu
nehmen.
F. ist ein Kleinmaler und findet den poetischen Kern des Lebens in der
Andacht zum Unbedeutendsten: »Was ist grosser Stil? Grosser Stil heisst so-
viel, wie Vorbeigehen an Allem, was die Menschen eigentlich interessirt.<t
Das Interesse am Menschen, höher als Ideale, ist die grosse Sache, die den
Künstler F. zu kleinen und kleinsten Dingen liebevoll hinführt, und
damit offenbart er aus seiner zeitgemässen Kunst Principien einer Welt-
richtung, die auch wissenschaftlich aus dem Kleinsten auf das Grösste schliesst.
Und wie versteht er es, aus dem Kleinsten Weltbilder hervorzuzaubern ! Aus
der Anecdote, die ihn auch in der Geschichte mehr interessirt als die grossen
Haupt- und Staatsaktionen, Leben zu gewinnen! So nur gelangt er zu den
kleinsten und feinsten Triebfedern menschlichen Handelns. Und diese Art
des völligen Interesses am unendlich Kleinen stimmt überein auch mit der
Art seiner künstlerischen Gestaltung. Seine Darstellung ist nichts weniger
als pragmatisch. Auch in den Romanen und Novellen verleugnet sich nicht
die sprunghafte Art des Balladendichters. Seine von Manierirtheit nicht
ganz freie Darstellungsmethode, die ganz unmethodisch erscheint und doch
auf feinst erwogener Composition beruht, verglich er einmal mit einem Eisen-
bahnzug, der weite Strecken im Nu durchbraust, um dann auf einer Station
desto länger zu verschnaufen, neues Wasser, neue Kohlen einzuheimsen, den
Passagieren Gelegenheit zum behaglichen Frühstück zu geben und durch desto
beschleunigtere Fahrgeschwindigkeit die versäumte Zeit wieder einzuholen.
Biogr. Jalirb* u. D«utfch«r Nekrolog. U. Bd. 20
2o6 Fontane.
Er ist kein Ausmaler, sondern ein Andeuten Man sieht bei ihm keine saf-
tigen Farben. Es liegt etwas wie Nebelstreif und Nebelreif über seinen Dich
tungen; etwas Verfliegendes, Luftiges; die erste Impression, die er allen fünf
Sinnen giebt, ist Odem, Luft, die sichtbar schwingt und flimmert, die hörbar
weht und zieht. In dieser Luft erscheinen Bauwerke, Bäume, Menschen, wie
hinter Schleiern, die mehr licht sind als dicht. So legt sich auf die Gegen-
stände etwas matt Dämpfendes, Verhüllendes, und doch wirkt gerade diese
Trübung der Dinge wie eine Verklärung nicht im Sinne der vagen, plumpen
Schönfärberei, sondern im Sinne einer schärferen oder feineren Hervorkehrung
dessen, worauf es ankommt. Dabei wird über den entscheidendsten Moment
rasch hinweggehüpft, wie über ein Hindejniss auf der Rennbahn. Desto
länger wird bei den Vorbereitungen verweilt, und hier öffnet sich dann eine
Fülle von scheinbar ganz überflüssigem Detail, das aber in seiner Ansamm-
lung dazu beiträgt, die rechte Stimmung, die rechte Luft zu schaffen. Die
äussere Natur wird zum Sinnbild innerer menschlicher Vorgänge und scheint
so mitzuwirken und mitzuweben am Menschenschicksal; und jedes Wesen
steht in der ihm eigenthümlichen Natur. Hier unterstützt F.'s historischer
Sinn seine Fähigkeit, sich selbst zum Zeitgenossen einer vergangenen Epoche
umzuwandeln, seine lebendige Anschauungskraft; es ist unbeschreiblich schön,
wie z. B. im »Schach von Wuthenow« die Stimmung der Freiheitskriege wie
miterlebt auf Einen übergeht. Weniger als in den Geist der Zeiten ver-
stand er sich in den Geist der räumlichen Feme zu versetzen: das beweisen
die minder glücklichen Schilderungen Nordamerikas in »Quitt.« Eine ganz
eigene Mischung von volksthümlicher Urkraft und elegantester Culturfinesse
ist überall da und wird zur künstlerischen Einheit: Es ist der Neu-Rui>
piner und der Altfranzos, die da zusammenwuchsen. So blieb ihm bis zu-
letzt Frische zugleich und Bildung, Natur, die, wie er sich ausdrückt,
stets verwogen ist, und edle Sitte. Es wird Einem unendlich wohl in seiner
dichterischen Nähe, und wer ihn auch nur aus seinen Werken kennt, musste
es wie einen persönlichen Schmerz empfinden, als er erfuhr: Theodor Fontane
sei nicht mehr.
Wo sich F.'s Figuren in ausgesprochenen Worten über ihr eigenes Wesen
klar werden, leiht ihnen der Dichter oft einen geistreichen Zug, der ihnen
im eigentlichen Sinne des Wortes nur geliehen ist und nicht angehört. Ueber-
haupt wird die runde Plastik der Gestalten hin und wieder dadurch gestört,
dass ein allzu starker Abglanz von der originellen Persönlichkeit des Dichters
auf sie fällt. Zolas künstlerische Grösse besteht darin, dass er die Natur
zwar durch sein Temperament sieht, aber dieses Temperament völlig ver-
schwindet hinter der dargestellten Natur; die Persönlichkeit des Dichters
geht im Kunstwerk auf wie nach pantheis tischer Vorstellung die schöpferische
Gottheit in der gewordenen Natur. F. hingegen wandelt im wahrnehm-
baren Schattenriss über seinen Werken und tritt gelegentlich unter sie,
wie Mahadöh, der Herr der Erde, zu den Menschen kam. Das trennt unsem
Dichter vom Naturalismus und zeigt an ihm ein Erbtheil derjenigen Kunst-
richtung, in der sich der moderne deutsche Roman bisher bewegt hatte,
welcher seit Goethes Werthertagen die Subjectivität des Dichters vor Allem
im Helden, dann aber auch in den Nebenpersonen verspüren lässt. Auch
in F.'s Romanen fehlt es nicht an humoristischen Ansätzen zum Selbst-
])orträt. Wer in seinem Antibourgeois-Roman ^>Frau Jenny Treibet vom
Kränzchen des Gymnasialprofessors Wilibald Schmidt liest, kann sich einen
Fontane.
307
Begriff machen, wie F. Jahrzehnte lang im »Rütli«, diesem letzten Rest oder
dauernden Ableger des alten Tunnels über der Spree, unter seinen Genossen
sass, in deren feinen, zuweilen auch etwas queren Köpfen das Bild der Zeit,
das Bild der Welt sich spiegelte, und wo über manche grosse Frage, auch
wohl über manche kleine, eifriger Streit entbrannte. Jeder der Genossen ein
Mann für sich, Jeder hatte über Jeden seine besondere kritische Meinung, aus
der er kein Hehl machte. Sie kannten einander zu gut und urtheilten zu
scharf, sie hatten zu viel übereinander auf der beredten Zunge, um gegen-
seitig in Reverenzen aufzugehen ; was der Eine that oder sprach, verwunderte
den Anderen; aber sie sind trotzdem oder eben darum länger als ein Menschen-
alter hindurch beisammen geblieben, diese weiser und weisser gewordenen
Häupter. Im kühlen, klaren Luftzug ihrer Ideen und Einfälle hatten sich
diese Geister gegenseitig jung und frisch erhalten. Am jüngsten und am
frischesten bis ins Patriarchenalter F. ; ausser Adolf Menzel und Moritz Lazarus
hat er Alle alten Rütlifreunde überlebt. Kurz vor ihm zogen August v. Heyden
und Zöllner hin. Wenn jener Professor Wilibad Schmidt, der abgeblitzte
Jugendfreund Frau Jenny Treibeis, den Rütligenossen F. und seine ironische
Antipathie gegen das Bourgeoisie - Protzenthum des Geldes und des
Gemüths widerspiegelt, so giebt ein sehr viel runderes Bild der F. 'sehen
Persönlichkeit sein letzter Roman, den er selbst als den eigentlichen Beicht-
roman betrachtete, »Der Stechlin«, wo die beiden Väter des jungen Paares,
der märkische Junker Dubslav v. Stechlin und der weltmännisch-diplomatische
Graf Barby, die einander nach dem Urtheil ihrer eigenen Kinder ähnlich
sehen, das Doppelwesen im Dichter, den Märker und den Franzosen, den
Freund der Heimath und den P>eund des PYemden, den Volksthümlichen
und den Cultur-Feinen, den Einsiedler und den Weltmann höchst wirksam
contrastiren. Auch ihnen, besonders dem alten Junker, leiht der Dichter
manches Wort und manche Wendung, die nur einem Dichter gehört, und
doch ist F. in dieser lebensvollen Doppelschöpfung aus dem eigensten Leben
heraus ein vollkommener Wirklichkeitsgestalter. Auch darin war er vollkom-
mener Realist, dass er Charaktere und Schicksale aus dem Milieu herleitete; da
seinem klaren, historischen Sinn vergangene Zeiten, besonders wo sie über der
Mark lagen, nicht weniger deutlich waren, als seiner allzeit wachen Beobachtung
der Gegenwart, so brauchte er sich in der Wahl seiner Stoffe nicht aufs Zeit-
genössische zu beschränken. Aber er erfand nicht eigens einen müssigen Stoff,
um uns irgend ein mehr oder minder gefärbtes Bild vergangener Zeiten zu
geben, sondern er meldete uns etwas, was sich wirklich zugetragen hat oder
haben soll, und suchte diese Begebenheit, die meist eine That ist, aus dem Cha-
rakter des Thäters, den Charakter aus seinem Schicksal und das Schicksal aus
den Zeitumständen zu erklären. Oft glaubt man, dass den allgemeinen Zeit-
umständen ein allzu freier Spielraum gewährt wird. So scheint im »Schach von
Wuthenow« das Zeitbild, die Stimmung der Berliner Officierskreise vor der
Schlacht bei Jena, die eigentliche Handlung zurück zu drängen. Hat sich dann
aber die Handlung zu Ende gespielt, hat der Offizier vor Jena, anders als der
Offizier nach Sedan, ein erworbenes Ehrgefühl an die Stelle der Pflicht, zu
leben, gesetzt, so wird man des Zusammenhangs gewahr und erkennt nachträglich
die wunderbare künstlerische Abhebung des Sonderschicksals vom allgemeinen
Zeitenhintergrunde. Ist sonach »Schach von Wuthenow« eine historische Erzäh-
lung, wie sie sein soll und darf, so ist » Unter' m Birnbaum« ein Criminal-
roman, wie er sein soll und darf; denn auch hier umspielt und umgrenzt den
20*
2 1 0 Fontane.
flihrte sie das Kind vom Corridor her erst in die Hinterstiibe und dann bis an
die nach vorn führende Thür.« Ganz leise, wie wenn ein Kranker im Hause wäre:
das ist die Art F. 's, sobald er uns an ein schweres Schicksal — Schuld und
Schicksal sind ihm oft identisch — herantreten lässt. Wir dürfen nicht ins
Krankenzimmer selbst; der Geruch der Mixturen, die dumpfe Luft, Fieber-
gluth und Schweiss mit allen ihren Widerwärtigkeiten kommen uns nicht zu
nah. Wir bleiben nebenan; nur unsere Gedanken, Wünsche, Sorgen schleichen
durch die Thür. Das aber gentigt; wir wissen Bescheid aus den Worten
derer, die drinnen waren. Darum ist F. 's Art ein »Erklären« so wenig,
wie ein Entschuldigen oder Beschönigen. Es ist Erzählen im Flüsterton,
Andeuten und Winken. In dieser Art, in der etwas vom Samariter liegt, hat
er nichts feiner, zarter, milder, leiser erzählt, als das Schicksal der armen
Effi Briest. Ihr Schuldigwerden und ihr Sterbenskranksein sind eines; wie
an jedem Todtenbett, so fragt man auch bei ihr: hat sie sich die Krankheit
selber zugezogen, oder hat man ihr etwas zu Leide gethan? Des Dichters
Antwort ist ein Achselzucken. Effis Vater, der behäbige, behagliche Land-
edelmann (zwischen Rathenow und Friesack), pflegt sich in Fällen, wo er
nicht recht ein noch aus weiss, mit einem ihm nahliegenden agrarischen
Vergleich abzufinden: »Das ist ein weites Feld«. Das Schicksal seiner Effi,
als sie schon unter dem Leichenstein liegt, ist für ihn ein zu weites Feld.
Und doch hat der Dichter durch dieses Feld Furchen gezogen, in denen
sich die menschliche Spur verfolgen lässt. Sie führte auch auf den guten
alten, »unpassenden Briest« selber, noch mehr auf die Mama, die einst in
den Schwiegersohn verliebt war, und am meisten auf diesen Schwiegersohn,
den späteren Ministerialdirector. Er ist, obwohl er strebt, kein gemeiner
Streber; es ist nichts gemein an ihm. Er ist so nobel, dass neben ihm
Noras Helmer wie ein Plebejer neben einem Aristokraten erscheint. Die
weltkundige Frau Ministerin beurtheilt ihn richtig: »er ist ein Mann, der nicht
nach Stimmungen und Laune, sondern nach Grundsätzen handelt«. Vielleicht
ahnte die Frau Ministerin, dass in Effis Ehe ein Grundsatz mit einer Stimmung
zwieträchtig vermählt gewesen war. Noch richtiger aber als die Ministerin
beurtheilt ihn Effi selbst, da der nahe Tod ihr inneres Auge schon hell-
sehend gemacht hat, da alles, w^as jahrelang Problem und Räthsel war, plötzlich
klar vor ihr steht. Sie, die Sterbende, si)richt vom Ueberlebenden wie in
einem Nekrolog: »er hatte viel Gutes in seiner Natur, und war so edel wie
Jemand sein kann, der ohne rechte Liebe ist«. Das war der Punkt! Eigent-
lich nur daran ging Effi zu Grunde. Denn vor allem Anderen war Effi eine
liebebedürftige Natur, die dargebrachte Liebe auch mit Liebe erwidern musste,
wo irgend sie das Maass von Liebe fand, dessen sie bedurfte. Dieses Maass
von Liebe fand sie dort am Wenigsten, wo sie es am Meisten gesucht hatte,
bei dem stets liebenswürdigen, stets höflichen, stets vornehmen, stets klugen,
stets kühlen Herrn Gemahl, der sich auf seine reizende, so sehr viel jüngere
Frau, Effi geb. v. Briest, immer etwas zu Gute that und mit feiner Erzieher-
hand bedacht war, das Naturkind auf seine eigene Culturhöhe zu leiten.
Dieses civilisatorische Unternehmen scheiterte an Effis siebzehn Jahren, an
ihrer vom Vater ererbten Urwüchsigkeit, an einer von der Mutter ererbten
Ueppigkeit der Phantasie (auf der Schule war Mythologie ihr Bestes gewesen^
Es scheiterte an den unausgeglichenen Contrasten in Effis jungem Wesen; konnte
sie daheim ein Schiffsjunge sein, dem keine Schaukel zu hoch flog, so war
sie doch ein armes Häschen, wenn es in einem unheimlichen Hause zu
Fontane.
311
spuken schien. Ein Grauen vor dem Unerlaubten und doch eine neugierige
Lust dazu zehrten an ihrem Kinderblut. Sich selbst überlassen, unversehens
in die Irre gelockt, widerfuhr ihr der Fehltritt, sie wusste nicht wie. So
lag fortan die Schuld auf ihrer Seele. Und der Mitschuldige war ihr nie ein
geliebter Mann, nie ein unwiderstehlicher Verführer. Er war für sie eigent-
lich immer nur das, als was er ihrer Erinnerung erschien, nachdem er sehr
viel später jene alte Schuld mit dem Tode hatte sühnen müssen: »ein armer
Kerl«. Aber es war in ihm .Temperament gewesen. Es war Sehnsucht in
ihm gewesen, wie in ihr. Das war über sie gekommen. Das war ihr warm
ins Blut gegangen, als es sie in der Kühle der eigenen Ehe fröstelte. Effi,
der Liebe bedürftig und an Liebe gewöhnt, hat im Leben, nur nicht dort,
wo sie es zumeist begehrte, genug Liebe empfangen. Ihr treuester Kamerad,
Beschützer in vielen eingebildeten Aengsten, nur nicht dort, wo sie des
Schutzes am Meisten bedurfte, war ein alter Hund; als sie schon unter dem
Steine liegt, müssen Effis eigene Eltern, denen auch die Welt, das »tyranni-
sirende Gesellschafts-Etwas«, höher gegolten hatte, als die (Gegenwart ihres
eigenen Kindes, von jenem bis in den Tod getreuen Hund bekennen; »Es
ist ihm doch noch tiefer gegangen als uns«. Nächst dem Hunde Rollo
fand Effi die treueste Creatur in ihrer Magd Roswitha; diese war der einzige
Mensch, der sie im Unglück und in der Schmach nicht allein Hess, ein un-
gebildetes, abergläubisches, eigentlich dummes Wesen, aber stark im Gefühl,
eine Natur, die ihre Herrin von den Irn^'egen des Herzens nicht wegführen
konnte, die aber an der Herzensreinheit ihrer Herrin nichts zu beirren ver-
mochte.
Je mehr in Effis Umgebung, beim Gatten, bei der Mutter, selbst beim
eigenen Kinde, der conventionelle SchicklichkeitsbegrifF Oberhand gewinnt,
desto starrer und öder wird es um sie her; je ungezügelter dagegen der
natürliche Instinct einwirkt, desto weicher weht es um ihr Herz, denn in ihr
selbst waren immer nur Instincte mächtig, oder, wie die Ministerin, die
gewiss Grundsätze hat, sagen würde: Stimmungen und Launen. Daraus
erklärt sich nicht nur die Passionsgeschichte dieser holden, nicht allzu
reuigen Büsserin, sondern auch ihr Handeln. Ihre Schuld, über die sie mehr
Angst als Scham empfindet, liegt sieben Jahre lang verborgen. Ihr Mann
kommt erst durch Briefe dahinter, die Effi aufbewahrt hat, und die er durch
eine sonderbare Verkettung natürlicher Umstände findet. »Wozu giebt es
Oefen und Kamine?« wird manche vorsichtigere Leserin mit der ausgelernten
(ieheimräthin Zwicker fragen. Aber diese »Unvorsichtigkeit« ist echteste
Effi. Wäre sie hierin vorsichtiger gewesen, so wäre sies auch sonst gewesen.
Noch viel unvorsichtiger, und zwar seinem Wesen zuwider handelt Effis
(lemahl; statt dass er die verr ätherischen Briefe verbrennt und den »ver-
jährten« Fehltritt seines jungen Weibes ein Geheimniss ihrer kühlen, nun
eiskalt gewordenen Ehe bleiben lässt, ruft er durch einen Zweikampf mit
tödtlichem Ausgang die Welt zur Zeugin des sieben Jahre alten Unrechts an.
Das ist nicht echtester Instetten, und er bereut auch in dem wundervoll
feinen, tief in sociale Probleme grabenden Zwiegespräch mit dem Cartell-
träger sehr bald seine Unüberlegtheit. Aber das ist gerade das Schöne und
Wahre, die psychologische Tiefe in F. 's Dichtungen, da.ss das Psycho-
logische auch inconsequent sein kann, dass das Antipodische doch noch immer
zu ein und derselben Welt menschlicher Empfindungen und Vorstellungen
gehört. Kein absolutes Schwarz steht einem absoluten Weiss gegenüber.
712 Fontane. Jolly.
sondern die Farben mischen sich und schillern durcheinander. Auf der
Grundsatzseite regt sich Sinn für die Stimmungen, auf der Stimmungsseite
Respect vor den Grundsätzen. Aber ach, es reichte nicht zu! Eben desshalb
konnte Effi von so Vielem in ihrem Leben sagen: »beinah«! Und wenn ich,
wie Ministerialdirector v. Instetten, ein Mann der Grundsätze wäre, so stellte
ich für alle psychologische Welt und ihre dichterischen Abbildungen den
folgenden Grundsatz auf: in guten Romanen herrscht das Beinah, in schlechten
das Voll und Ganz. Auch in diesem Sinne sind F.'s Romane gut. Sie
sind es noch mehr in einem andern Sinne, der Dichter selbst steht auf der
Stimmungsseite. Und es gelingt ihm für eine arme Seele, wie Effi, die nur
einmal sich vergessen, die nicht wusste, dass sie fehle, auf zweierlei Art
Stimmung zu machen. Einerseits geschieht es durch den Eindruck, den sie
auf verschieden geartete Personen macht. Die treuherzige Mahnung der
alten frumben Landedel frau, die bitterlichen Thränen des guten Apothekers,
der sanfte Beistand des alten Arztes, der so früh ahnte, was los sei, auch
das »Dalbern« des hübschen Vetters vom Alexanderregiment, daheim die
Jugendfreunde in ihrer Unterschiedlichkeit — Alles das wirft Lichter in Effis
innerstes Wesen, und wir lernen sie auch aus Anderm kennen. Wie köstlich
ist der Gegensatz zur mannhaften, um schlechten Ruf wenig bekümmerten
überaus »freien« und doch sich selber tapfer beschützenden Sängerin Trippellil
Die andere Art, Stimmung zu machen, ist noch Fontanischer. Es ist das
Symbolistische in seiner Kunst. Wald und Feld, Hausgeräth und Tand, Alles
gewinnt eine lebendige Beziehung auf Effi, und in den Tagen, wo ihr Schicksal
fällt, hören wir bloss ein beunruhigendes Raunen und Säuseln und Zischeln
rings umher, wie von einem geheimnissvollen Naturereigniss, das nur aus
seinen letzten Wirkungen zu spüren ist, wie aus dem einsamen Stechlinsee
eine Wassersäule aufbrodelt, wenn irgendwo in der Welt Vulkane ausbrechen
oder die Erde bebt.
Fast jedesmal, so oft dem alten Dichter ein Werk ganz besonders ge-
glückt war, folgte, wie auf die Anstrengung das Erathmen, ein leichteres,
loseres oder ausgesprochen schwächeres Product. So »Cecile« auf »L'Adulterae,
so »Quitt«, das nur in seinen schlesischen Theilen auf der Höhe steht, auf
»Irrungen, Wirrungen«, so auf »Effi Briest« die »Poggenpuhls«. Und doch!
Wie viel Köstliches auch in diesen kleinen Erathmungswerkchen ! Die Erholung,
die sich im saloppen Stil und in der schwächeren Erfindung äussert, kam
dem Dichter dann stets wieder zu gute. Denn fast regelmässig folgte nun
erst recht wieder ein Meisterwerk. So auf »Cecile« »Graf Petöfi«, so auf
»Quitte »Unüberwindlich«, so auf »Die Poggenpuhls« endlich »Der Stechlin«,
des Dichters Schwanengesang, des Dichters Testament.
Erich Schmidt, Theodor Fontane. Gedenkrede. Deutsche Rundschau, November
1898. Otto Brahm, Theodor Fontane. Litterarisches und Persönliches. Neue Deutsche
Rundschau Jahrg. X. Heft i. R. Sternfcld, Theodor Fontane. Kirchliche Monatsschrift,
November 1898. Rieh. M. Meyer, Gesch. der deutschen Litt, im 19. Jahrh. Berlin 1899.
Paul Schlenther.
Jolly, Ludwig Friedrich Julius, Dr. jur., Geh.-Regierungsrath und
Chefredacteur der Münchener »Allgemeinen Zeitung«, * am 5. Januar 1856
zu Heidelberg, f am 20. Februar 1898 zu München. — Sein Vater, der
spätere hochverdiente badische Staaisminister, wirkte, als ihm der erste Sohn
geboren wurde, noch als Privatdocent für deutsches Privatrecht an der Ruperto-
Carola; die Mutter, Elisabeth, war eine Tochter des preussischen Geheimen
Finanzraths Fallenstein, von dessen markanter Persönlichkeit sein Schwieger-
sohn Baumgarten uns eine lebensvolle Schilderung gegeben. Unter den Tauf-
zeugen begegnet als bewährter Freund des elterlichen Hauses Georg Gottfried
Gervinus. Nach der Uebersiedelung des Vaters nach Karlsruhe in Folge
seiner Berufung in das Ministerium des Innern empfing der Knabe den ersten
höheren Unterricht in den Jahren 1865 — 70 im dortigen Gymnasium, be-
suchte während der beiden folgenden Jahre das Gymnasium zu Hamm i/W.
und kehrte dann wieder nach Karlsruhe zurück, wo er im Juli 1874 das
Zeugniss der Reife erhielt. Das rege Interesse für Geschichte, Litteratur und
Philosophie, das ihn durch sein ganzes Leben begleitete, trat schon bei dem
jungen Primaner deutlich hervor. Ein Sturz vom Pferde, durch den er sich
eine schmerzhafte, in ihren Folgen noch lange fühlbare Muskel- und Nerven-
zerreissung am rechten Oberarm zuzog, zwang den Einjährig-Freiwilligen
vor Ablauf seines Dienstjahres aus der Truppe auszuscheiden. Im Herbst
1875 bezog er die Universität Heidelberg, setzte seine juristischen Studien
s])äter zu München und Leipzig fort, bis er im October 1878 nach der
Musenstadt am Neckar zurückkehrte und dieselben dort beschloss. In dem
kleinen Kreise gleichgesinnter Freunde, der ihn dort zu den Seinigen zählte,
bildete er den Mittelpunkt; sein grosses, lebensvolles Auge leuchtete, wenn
er mit beredtem Munde politische oder wirthschaftliche Fragen erörterte, an
Vielseitigkeit der Interessen und Gründlichkeit der Kenntnisse that er es Allen
voran. Mitten in der Vorbereitung zum Staatsexamen, sehr zur Unzeit, wurde
er von seinen alten Nervenschmerzen wieder heimgesucht, in Folge dessen
konnte er erst im December 1880 unter die Zahl der Rechtspractikanten
aufgenommen werden. Als solcher genoss er die erste practische Ausbildung,
wie üblich, bei einer Anzahl von Gerichts- und Verwaltungsbehörden des
Landes; überall, wo er weilte, rühmte man seine rasche Auffassung, sein ge-
diegenes Wissen, sein objektives Urtheil, sowie ein grosses Geschick in der
Lösung practischer Aufgaben, das er im Verwaltungsdienste bewährte. Im
März 1884 bestand er die zweite juristische Staatsprüfung als einer der Ersten
und wurde bald darauf als Amtsanwalt in Karlsruhe beschäftigt. Sein da-
maliger Vorgesetzter, ein bekannter Parlamentarier des Landes, stellte ihm das
Zeugniss aus, dass er unter den Juristen der jungen Generation einer der be-
tähigsten und tüchtigsten sei, und empfahl ihn dringend zur definitiven Ver-
wendung in der Staatsanwaltschaft. Wirklich wurde er auch, nachdem er ein
Jahr lang als Amtsrichter zu Pforzheim gewirkt, im März 1887 zum Staats-
anwalt in Waldshut ernannt. Schon im Juni 1886 hatte er durch seine
Vermählung mit Julie Nicolai, Tochter des Geh. Raths Aug. Nicolai, einen
eigenen Hausstand begründet; der aus der aufrichtigsten Herzensneigung ent-
sprungene Ehebund, dem in der Folge zwei Kinder entsprossen, ist für ihn
eine Quelle reinsten häuslichen Glückes geworden. Im Sept. 1889 erfolgte
seine Versetzung nach Offenburg, im Juni 1893 nach Mannheim und noch im
Se])tember desgleichen Jahres nach Karlsruhe, wo er — der Vater war in-
zwischen gestorben — wieder in der Nähe der geliebten Mutter weilen
konnte. Bei seinen hervorragenden, an massgebender Stelle vollauf ge-
würdigten Fähigkeiten schien ihm nach menschlicher Voraussicht ein rasches
Aufsteigen, eine glänzende Beamtenlaufbahn sicher. Allein sein Sinn stand
nicht nach solchen Ehren. Höher däuchte ihm die Aufgabe, an der poli-
tischen Erziehung seines Volkes mitzuarbeiten, ihm ein treuer Berather zu
werden in dem Streit der Meinungen des Tages: war er doch bei dem leb-
314 Jo%-
haften Interesse und seltenen Verständnisse, das er allen Fragen der Politik
entgegenbrachte, — einem Erbtheile des Vaters, — zu solchem Amte wie wenig
andere berufen. Seine dienstliche Stellung aber und die eigenartigen Ver-
hältnisse in der nationalliberalen Partei, der einzigen, der er sich anschliessen
konnte, wenngleich er mit ihr in manchen Punkten nicht einverstanden war,
mussten ihm als lästige Fesseln erscheinen, die eine freie Entfaltung seines
politischen Wirkens hemmten. So kam es, dass er nur selten in der Oeffent-
lichkeit aufgetreten und weiteren Kreisen zum ersten Mal bekannt geworden
ist, als er es übernahm, bei Bismarcks achtzigstem Geburtstage in der Karls-
ruher Festhalle vor einer nach Tausenden zählenden Menge den von ihm
hochverehrten Helden in gedankenreicher, formvollendeter, begeisternder Rede
zu feiern. Um so eifriger verfolgte und begleitete er die Entwicklung der
politischen Verhältnisse mit der Feder in der Hand. Schon seit einer Reihe
von Jahren war er Mitarbeiter verschiedener Zeitungen, die Kölnische Zeitung,
für die er hauptsächlich schrieb, hatte ihn während seines Offenburger
Aufenthaltes vergeblich als Mitglied ihrer Redaction zu gewinnen gesucht.
Seit Juni 1895 trat er in ein näheres Verhältniss zu der altangesehenen
Münchener »Allgemeinen Zeitung.« Die in derselben von ihm veröffentlichten
n-Artikel über Baden erregten weithin, auch ausserhalb des Landes, Aufsehen
und erwiesen seine publicistische Befähigung unwiderleglich. Der Verlag der
»Allg. Zeitung«, die sich eben zu ihrer Säcularfeier rüstete, wurde auf ihn
aufmerksam; er suchte damals einen Mann, der das an stolzen Erinnerungen
reiche Blatt in das zweite Jahrhundert seines Bestehens überleiten und zu
neuem Aufblühen bringen sollte, einen Mann, dessen Name ein politisches
Programm bedeutete. Im Winter 1895/96 lud er J. ein, die Oberleitung zu
übernehmen; nach kurzem Schwanken sagte dieser im Frühjahr 1896 zu. All
die verlockenden Aussichten, die sich ihm bei seinem Verharren in der
Beamtenlaufbahn zu bieten schienen, schlug er aus, um dem mächtigen,
innern Impulse zu folgen, der ihn zu publicistisch-politischem Wirken trieb
auf einem Wege, der ihm ein weites Feld fruchtbringender Thätigkeit zu er-
öffnen versprach. Er fühlte, dass dort sein Platz war, dass er mit seinen
reichen Gaben dem engern und weitern Vaterlande dort mehr dienen und
nützen konnte, als in der Robe des Staatsanwalts. Am i. Juli siedelte er
mit seiner Familie nach München über, nachdem der Grossherzog ihm zu-
nächst einen einjährigen Urlaub bewilligt und in Anerkennung seiner Ver-
dienste den Charakter eines Geh. Regierungsraths verliehen hatte. War er
auch kein NeuHng auf dem Gebiete der Journalistik, so war ihm doch die
rcdactionelle Thätigkeit mit all den technischen und financiellen Aufgaben,
wie sie die Herstellung einer grossen Zeitung mit sich bringt, zunächst etwas
Ungewohntes, Fremdes. Aber mit der ihm eigenen Gabe sicheren Blickes
und rascher Auffassung gelang es ihm nach dem Urtheil derer, die zur Mit-
arbeit mit ihm berufen waren, in erstaunlich kurzer Zeit, sich die nöthi^e
Sach- und Geschäftskenntniss anzueignen, so dass sich alle, vom Aeltesten bis
zum Jüngsten, vertrauensvoll und willig seiner Führung unterordneten. Man
wurde bald gewahr, dass ein neuer, belebender Geist, der alle Vaterlands-
freunde mit Freude erfüllte, in der Redactionsstube seinen Einzug gehalten.
In zahlreichen Leitartikeln nahm J. zu den politischen, wirthschafdichen und
socialen Fragen, die auf der Tagesordnung standen, Stellung: vortrefflich in
der Form, gediegen nach ihrem Inhalt, beredte Zeugnisse eines umfassenden
Wissens und treffenden Urtheils, ragten sie hoch empor aus der Fluth
JoUy. 315
der übrigen Producte der Tagesf>resse. Gleich im ersten Leitartikel,
der seiner Feder entstammte (12. Juli 1896), legte er sein politisches Pro-
gramm dar, in der Jubiläiimsnummer vom i. Januar 1898 fasste er dasselbe
nochmals zusammen: klar und eindringlich, überzeugt und überzeugend. Ein
abgesagter Feind aller einseitigen Interessenpolitik, das Auge stets auf das
Gesammtwohl gerichtet, durch Geburt und Erziehung nord- und süddeutsches
Wesen in glücklichster Weise in sich vereinigend, wollte er in seiner Zeitung deli
Reichsgedanken festhalten und pflegen, das gegenseitige Verständniss der deut-
schen Stämme für ihre Eigenart fördern und eintreten für die Wehrhaftigkeit des
Reiches und die hohen Ziele seiner Weltpolitik. Dagegen kündigte er Kampf an
all den Elementen, welche die einzelnen Staaten, Stände und Confessionen in
Kleingeisterei, Verblendung und Unduldsamkeit zu verhetzen suchten. Dass es
ihm damit Ernst war, bezeugte sein gesammtes publicistisches Wirken, das in
den Dienst des grossen deutschen Vaterlandes gestellt war: wo es galt, die
politisch Trägen aufzurütteln, den unfruchtbaren Pessimismus, der sich zu
verbreiten drohte, zu verscheuchen und die Freude am Vaterlande zu wecken;
wo es geboten schien, das Verständniss für wichtige politische Aufgaben zu
fördern und zu nationaler Pflichterfüllung anzuspornen, war er stets als Warner
und Mahner auf dem Platze zu finden, und manches prächtige, unvergessliche
Wort hat er dabei gesprochen. Der Erfolg blieb nicht aus; was er schrieb,
fand weithin Beachtung, führte der von ihm geleiteten Zeitung neue Mit-
arbeiter und Freunde zu und trug ihm vielfältige verdiente Anerkennung ein.
Wiederholte Besuche in Berlin eröffneten ihm willkommene Verbindungen in
einflussreichen parlamentarischen und staatsmännischen Kreisen, der rege (ic-
dankenaustausch, zu dem sie Anlass gaben, bot eine Fülle neuer Anregungen
und P^inblicke. Feinem Besuche im F'riedrichsruh, bei dem er bis zum späten
Abend in lebhaftem Gespräch bei dem grossen Kanzler verweilte, bewahrte
dieser stets eine freundliche Erinnerung. In München selbst, an seinem neuen
Wohnsitze, wo man den ehemaligen Staatsanwalt anfangs nicht ohne ein ge-
wisses Misstrauen empfangen, hatte er sich aus eigener Kraft und durch die
Ma( ht seiner Persönlichkeit in Kurzem eine hochangesehene Stellung geschaffen
und das Vertrauen und die Achtung Aller, die mit ihm in Berührung kamen,
erworben. Unter diesen Verhältnissen entschloss sich J. ohne Zaudern, dem
Berufe, dem er sich zugewandt, dauernd seine Kräfte zu widmen, und erbat
seine endgiltige Entlassung aus dem badischen Staatsdienste, die ihm am
30. Juni 1897 bewilligt wurde. Allein es war ihm leider nur noch eine kurze
S])anne Zeit zu wirken vergönnt. Die Flottenvorlage war in Sicht: mit aller
Hingebung, deren sein Patriotismus fähig war, trat er in einer Reihe von
Artikeln für die seiner innersten Ueberzeugung nach unerlässliche Ver-
stärkung der Marine in die Schranken. Zu ihren Gunsten Hess er zugleich
gegen das Ende des Jahres in seiner Zeitung eine Umfrage ergehen, die bei
allen vaterländisch gesinnten Deutschen die günstigste Aufnahme fand; aus
«illen Welttheilen liefen zustimmende und ermunternde Kundgebungen ein, sie
bildeten für die Reichsregierung zweifellos eine ebenso willkommene als
werthvolle moralische Unterstützung im Kampfe gegen die Opposition und
trugen an ihrem Theil gewiss auch zum endgiltigen Siege der nationalen
Sache im Reichstage bei. Der gesteigerten Arbeit, welche die Enquete durch
eine umfangreiche Correspondenz mit sich brachte, unterzog J. sich freudig,
in zuversichtlicher Erwartung des Erfolgs. In gleicher Stimmung verfasste er
noch für die Morgennummer vom 20. Febr. einen Leitartikel, in welchem er
3i6 JoUy. V. Kugler.
dem Centrum die bedenklichen P'olgen einer ablehnenden Haltung zu er-
wägen gab und auf den gesunden Sinn des Volkes hinwies, der in solchen
Fragen stets das Richtige zu treffen wisse; er ahnte nicht, dass es die letzten
Zeilen waren, die er für die Zeitung schrieb. Sein zarter Körper erwies sich
auf die Dauer den Anstrengungen und Aufregungen seines Berufs nicht ge-
wachsen; ein Herzleiden hatte sich unbemerkt eingeschlichen; am frühen
Morgen des 20. Februar setzte ein Schlaganfall vor der Zeit dem hoffnungs-
vollen Leben ein Ziel ; schmerzlos, in der Blüthe der Jahre, ein Liebling der
Götter im Sinne der Griechen, schied er dahin. Aufrichtig, tief und allge-
mein war die Theilnahme an seinem Geschicke; in der Presse aller Partei-
schattirungen kam es zum Ausdruck, welch unersetzlichen Verlust die ge-
sammte deutsche Journalistik in ihm erlitten, und seine politischen Gegner,
die oft genug die Schärfe seiner Klinge zu fühlen bekommen, aber stets in
ritterlichem Streit, mit offenem Visir, waren unter den Ersten, die hierfür be-
redtes Zeugniss ablegten. Ein Mann von glänzendem Wissen und hoher
politischer Begabung, von vornehmer Gesinnung und lauterem Streben, von nie
wankender Ueberzeugungstreue und hingebender Vaterlandsliebe, und bei all
dem von einer rührenden Bescheidenheit und Schlichtheit, — ganz dazu
geschaffen, dereinst in leitender Stellung ein geistiger Führer seines Volkes zu
werden, war mit ihm dahingegangen. »Sein warmes patriotisches Eintreten
für Alles, was Deutschlands Einigkeit und Grösse stärken konnte, sichert ihm
ein ehrenvolles und dauerndes Andenken bei allen deutschen Männern« (Bei-
leidsschreiben des Staatssekretärs der Marine, von Tirpitz).
Quellen: Dienstakten, Briefe, Zeitungsartikel, Mittheilungen der Familie und des
Chefrcdacteurs Herrn H. Tournier, sowie persönliche Erinnerungen.
Karlsruhe. K. Obser.
Kugler, Bernhard von, Geschichtsforscher, * 14. Juli 1837 zu Berlin,
* 7. April 1898 zu Tübingen. — K. war der Sohn des berühmten Kunst-
historikers Franz K., dessen Vater der Consul Johann Georg Emanuel K. in
Stettin gewesen und der Clara K. geb. Hitzig, einer Tochter des auch als
Schriftsteller namhaften Criminaldirectors Julius Eduard Hitzig. Seine ältere
Schwester, Gretchen K., geb. 1834, war die spätere Gattin von Paul Heyse,
sein jüngerer, frühgeschiedener Bruder Hans K., wurde Maler. Um seinen
Vater, Professor der Kunstgeschichte an der Berliner Universität und vor-
tragenden Rath im Kultusministerium, und seine geistig bedeutende und leb-
hafte Mutter sammelte sich ein auserwählter Kreis ; Adolf Menzel, Heine, Felix
Mendelssohn, Fanny Hensel, Chamisso, Eggers, Geibel, Heise, EichendorfF,
Theodor Storm, Strack und Drake, Richard Lucae, Ribbeck, welcher dann
Franz K.'s Nichte Baeyer ehelichte, Ernst Curtius, Baeyer, Hitzig, Grüneisen,
Jacob Burckhardt, "Wilhelm Lübke, Theodor Fontane, B. v. Lepel, Otto
Gildemeister, Ro(piette, Felix Dahn, Adolf Wilbrandt u. A. gehörten zu den
ständigen Gästen der Familie an den Abenden, an welchen Franz K. während
der Unterhaltung porträtirte, während auch Adolf Menzel gelegentlich eine
Zeichnung von Bernhard K. als Knabe entwarf. Ausser Heyse blieb nament-
lich auch Adolf Wilbrandt von den Freunden aus dem Eltemhause Bernhard
K. bis zu seinem Tode innig verbunden.
Nach Franz K.'s frühem Tode (1858) siedelte seine Wittwe mit ihren
beiden Söhnen nach München über, wo mit ihrem Schwiegersohn Paul Heyse
ein gemeinsamer Haushalt eingerichtet wurde. Eben begann sich auch hier
V. Kuglet. 317
wieder ein schöner Kreis um sie zu bilden, als ihre Tochter, Heyses Frau,
der Schwindsucht erlag und nicht lange nachher auch der jüngere der beiden
Söhne, der Maler, ihr folgte ; nur Bernhard überlebte die treffliche Mutter und
alle (Geschwister. Ihm selbst aber waren keine Erben beschieden, so dass
sein Geschlecht mit ihm ausstarb.
Vom Vater ging auf den jungen Bernhard schon sehr früh Neigung und
Sinn für Geschichte über, aber wenigstens vorübergehend gewannen doch die
wohl von Strack und seinem Oheim Hitzig herrührenden Einflüsse die Ober-
hand, und K. trat, um Architect zu werden, auf die Realschule über. Bald
aber bewogen ihn die humanistischen Neigungen doch wieder der ins Auge
gefassten Technik Lebewohl zu sagen, seit 1854 wieder an das Berliner
Friedrich-Wilhelms-Gymnasium zurückgetreten und von Otto Ribbeck noch im
besonderen gefördert, ging dann K. 1858 nach München, um sich hier als
Jurist einzuschreiben, in der Hauptsache aber dem Studium der Geschichte
zu widmen; hier hörte er zunächst Bluntschli, Prantl, Spengel, namentlich
aber Sybel, der ihn von Anfang an der Kreuzzugsforschung zuführte, welche
ja dann K.'s eigentliche Lebensarbeit blieb. Von Anfang seiner Studienzeit
warf er sich auf die Untersuchung »lieber die Quellenschriften des zweiten
Kreuzzuges«, welche dann auch seine Doctordissertation abgab. Nach fast
halbjähriger Unterbrechung der Studien infolge einer schweren Typhus-
erkrankung und des Todes des Vaters nahm K. diese wieder auf, ward aber
schon nach Jahresfrist wieder aus ihnen durch den Militärdienst herausge-
rissen; die 1859er Mobilmachung rief ihn als Einjährig-Freiwilligen nach
Greifswald. Nach München 1860 zurückgekehrt, promovirte nun K. trotz den
Unterbrechungen bereits 1861, arbeitete dann jedoch bis 1866 an seiner
wissenschaftlichen Erstlingsarbeit weiter. Nachdem Sybel München 1861 ver-
lassen hatte und ein Versuch K.'s, sich doch zu habilitiren, an Giesebrechts
unfreundlicher Haltung gescheitert war, wandte er sich 1862 nach Tübingen.
Von Pauli gefördert, habilitirte sich der Fünfundzwanzigjährige hier unter
Veröffentlichung seiner Erstlingsschrift »Boemund und Tankred, Fürsten von
Antiochien«, mit der er sich alsbald einen guten Namen machte und kündigte
dann bereits für 1862/63 seine erste Vorlesung »Geschichte der Kreuzzüge
und ihrer Zeit« an.
Vom Mittelalter drang er in seinen Vorlesungen allmählig bis zur »Ge-
schichte des 18. Jahrhunderts« vor, dank seinem hervorragenden Talent als
Sprecher und seiner Gestaltungskraft unter immer steigendem Beifalle der
Studentenschaft. Neben diesen Vorlesungen über allgemeine Geschichte hielt
er seit 1863 auch solche über »württembergische Geschichte«, und aus der
Anfangs schwer genommenen Beschäftigung mit diesem ihm ferner liegenden
Gebiete ging 1865 die hübsche biographische Studie »Ulrich, Herzog zu
Württemberg« hervor; dieser folgte 1868 und 1872 das zweibändige Werk
»Christoph, Herzog zu Wirtemberg«, in welchem sich kritische Forschung mit
allgemein ansprechender Darstellung verbinden. Der Mitarbeit an der landes-
geschichtlichen Forschung entzog sich aber auch später K. nicht; das Uni-
versitätsjubiläum von 1877 gab ihm Veranlassung zu einem actenmässigen
Rückblick auf die früheren drei Jahrhundertjubiläen der alma mater und auch
als Mitglied der 1891 ins Leben gerufenen württembergischen Kommission für
Landesgeschichte war K. thätig, wenn auch der Vertreter einer andern Richtung
und Denkart, Dietrich Schäfer, welcher nach Pauli, Weizsäcker, Noorden und
zuletzt dem hervorragenden Gutschmid ihm als Geschichtslehrer in Tübingen
31 8 V. Kugler.
an die Seite getreten war, ohne dass sich das schöne Verhältniss, wie mit
K.'s bisherigen Collegen, wieder heraus gebildet hätte, in dieser mehr und
mehr die ziemlich ausschliessliche Leitung der Arbeiten in seine Hand brachte.
Die Anerkennung, welche K. als Lehrer verdiente, ward ihm früh in
reichem Masse zu Theil. Schon 1865 damit beauftragt, dem jetzigen König
Wilhelm von Württemberg und dessen jung verstorbenen Vetter Herzog Eugen
von Württemberg ein Privatissimum zu lesen, und daraufhin zum Professor
ernannt, blieb er der Geschichtslehrer des ersteren auch, als dieser i868/6g
wieder auf die Landesuniversität zurückkehrte. Nachdem K. sodann 1868
einen Ruf nach Bern ausgeschlagen, ward er zum ausserordentlichen, 1873
zum ordentlichen Professor der Geschichte ernannt, und ist nun Tübingen
treu geblieben trotz manchem lockenden Rufe nach auswärts. Aeussere An-
erkennung stellte sich ein in Form der Verleihung hoher Orden und der des
Adels.
K.'s wissenschaftliche Hauptarbeit liegt auf dem Gebiete der Kreuzzüge.
Der 1862 veröffentlichten Habilitationsschrift über Boemund und Tankred
folgten 1866 die lange vorbereiteten »Studien zur Geschichte des zweiten
Kreuzzuges«, 1878 die »Analecten« und 1883 die »Neuen Analecten zur
(ieschichte des zweiten Kreuzzuges«, welche noch heute die sichere Grund-
lage der Forschung fiir diesen Zeitraum bilden. An diese Einzelunter-
suchungen schloss sich 1880 im Rahmen der Onckenschen »Allgemeinen Ge-
schichte in Einzeldarstellungen« K.'s »Geschichte der Kreuzzüge«, welche, seit-
dem wieder aufgelegt, verdienterweise K.'s Namen weit bekannt gemacht hat.
lieber den engen Kreis der Universität hinaus wirkten K.'s öffentliche
Vorträge, welche er in ganz Deutschland unter grossem Beifalle der Hörer
hielt. Neben zahlreichen Essays historisch-politischer Art namentlich in der
Allgemeinen Zeitung, die sich an diese Vorträge anschlössen, entstammt
dieser populärwissenschaftlichen und patriotischen Richtung K.'s das mit (iraf
Stillfried gemeinsam herausgegebene Prachtwerk »Die Hohenzollern und das
deutsche Vaterland« (2 Bde. 1881 — 82) und die Biographie »Kaiser Wilhelm
und seine Zeit«, welche 1888, kurz nach dem Tode von Deutschlands Einiger,
erschien. Einzelne Vorträge erschienen auch im Drucke, so wie sie K. ge-
halten hatte, wie »Zur Beurtheilung der deutschen Kaiserzeit« (1867), »Wallen-
stein« (1873) u. A.
Das völlige Aufgehen in der Specialforschung war nicht der Naturanlage
K.'s entsprechend. Aber auch in sorgfältiger Kleinforschung hat K. recht
Namhaftes geleistet, vor Allem in seinem »Albert von Aachen«.
Seit 30. März 1869 mit Else Zoeppritz, der Schwester des früh (1885^
verstorbenen Geographen und Tochter des Geh. Kommerzienraths Z., eines
Grossindustriellen in Mergelstetten bei Heidenheim und thätigen Mitglieder
der deutschen Partei, vcrheirathet, hatte er an seiner Frau, einer geborenen
l^armstädterin, eine heitere lebensfrohe Gefährtin, welche es verstand, frische
(Geselligkeit im schöngelegenen Hause ihres Gatten am Oesterberg zu pflegen.
Kinderlos fand K. in seinen Neffen und Nichten einigermassen einen Ersatz
für das fehlende junge Leben im Hause, ein Glück für ihn, namentlich in
den letzten Jahren, in welchen er sich durch ein sich stetig verschlimmerndes
Herzleiden erst an das Haus und schliesslich an das Bett gefesselt sah. Nach-
dem er im Sommer 1896 die letzte Vorlesung gehalten, konnte er sich nur
noch leichtere Beschäftigung gestatten. Dem 'l'ode, den er im vollen Be-
wusstsein an sich herantreten fühlte, hatte er mannhaft entgegengesehen und
V. Kugler. Turcan. 3IQ
bis zuletzt der Gattin die hingebende Pflege erleichtert durch humorvolle
Liebenswürdigkeit und sie ihr gedankt durch rührende Fürsorge. Mit Recht
nennt ihn einer seiner treuesten und tüchtigsten Schüler, dessen Ausführungen
neben den handschriftlichen Angaben von K.'s Frau die Hauptgrundlage dieser
Skizze bilden, einen Menschen von seltener Ausgeglichenheit des Wesens und
einen Gelehrten von hoher Begabung und vorbildlichem Wirken.
Vgl. > (Münchener) Allgemeine Zeitung« Beilage 1899 No. 80—82 von Clemens Klein.
— »Börsenblatt des deutsch. Buchhandels« 1898 No. 83. — »Württ. Volkszeitung 25. Mai
1898. — »Schwäbischer Merkur« 11. und 28. April 1898. — »Tübinger Chronik« 7. und
12. April 1898. — »Voss. Zeitung« 10. April 1898. — Gedächtnissworte z. And. an
Bernhard von Kugler (Tübingen Schnürlen).
C. Ad. Fetzer.
Turban, Ludwig Karl Friedrich, Grossh. badischer Staatsminister
* 5. October 182 1 als Sohn des Stadtpfarrers Karl Friedrich T. in Bretten,
f 12. Juni 1898 in Karlsruhe; studirte zuerst Philologie, dann die Rechts-
wissenschaft an den Universitäten Heidelberg und BerHn von Michaelis 1839
bis Ostern 1845, unterbrach jedoch diese Studien während eines Jahres, um
der Einladung des russischen Staatsraths von Bekk folgend, Italien und Frank-
reich zu bereisen. Nach der im Winter 1845 bestandenen Staatsprüfung
trat T. zunächst als Freiwilliger beim Oberamt Heidelberg in die Praxis ein,
war sodann beim Oberamt Durlach, beim Hofgericht zu Karlsruhe, beim
Justizministerium und bei der Kreisregierung in Freiburg als Secretariats-
practikant, vorübergehend auch als Kanzleisecretär bei dem Bundesabgesandten
Freiherrn von Marschall thätig. 185 1 zum Ministerialsecretär beim Ministerium
des Innern ernannt, wurde er 1852 zum Assessor bei der Kreisregierung in
Mannheim befördert und im März 1854 als Secretär der badischen Gesandt-
schaft in Rom beigegeben, welche — zuerst unter Leitung des Grafen zu
Leiningen-Billigheim, dann des Staatsraths Brunner — mit Verhandlungen
beauftragt war, die durch Abschluss einer Vereinbarung mit dem päpstlichen
Stuhle den 1852 zwischen der römischen Curie und der badischen Regierung
ausgebrochenen Streit zu friedlichem Ende führen sollten. In Rom an einem
Choleraanfall erkrankt, kehrte T. im September 1845 nach Mannheim zurück,
wurde jedoch schon im October der für Ordnung der Kirchenangelegenheiten
bestellten Immediatcommission als Hilfsarbeiter beigegeben und, unter Fort-
dauer dieses Auftrages, im Januar 1855 als Assessor zur Kreisregierung in
Karlsruhe versetzt, um von nun an dauernd in der Haupt- und Residenz-
stadt zu verbleiben. 1856 zum Regierungsrath befördert, erhielt T. im Juni
1860 die Ernennung zum Ministerialrath in dem neu begründeten Handels-
ministerium. In dieser Eigenschaft hatte er die Vertretung des Gewerbe-
gesetzes im Landtage zu übernehmen und war von da an auf allen Land-
tagen als Regierungscommissar thätig. ImX)ctober wurde T. zum Präsidenten
des Handelsministeriums ernannt, eine Stellung, welche er auch ferner bei-
behielt, als er im September 1876 beim Rücktritt des Staatsministers Dr. Jolly
dessen Nachfolger als Präsident des Staatsministeriums wurde. Im April 1881
wurde Staatsminister T. zum Präsidenten des Ministeriums des Innern, mit
welchem das Handelsministerium vereinigt wurde, während Cultus, Unterricht
und die Einrichtungen für Kunst und Wissenschaften aus jenem ausschieden,
und dem Justizministerium zugetheilt wurden, und zum Leiter des mit dem
Präsidium des Staatsministeriums vereinigten Ministeriums des Grossherzoglichen
Hauses ernannt. Als Staatsminister war T. schon seit 1876 Bevollmächtigter
320
TurbaD.
zum Bundesrathe des deutschen Reiches, da die Behandlung der Reichs- und
der auswärtigen Angelegenheiten zum Wirkungskreise des Präsidenten des
Staatsministeriums gehörte. Beim Eintritt in sein 70. Lebensjahr im October
1890 erbat und erhielt T. mit Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit
seine Enthebung von der Leitung des Ministeriums des Innern, führte aber
auf besonderen Wunsch des Grossherzogs das Präsidium des Staatsministeriums
fort, bis anhaltende Kränklichkeit ihn im März 1893 nöthigte, auch dieses
Amt niederzulegen. Um den verdienten Staatsmann dem activen Dienst
auch weiter noch zu erhalten, ernannte ihn der Grossherzog, indem er seinem
Ansuchen entsprach, zum Präsidenten der Oberrechnungskammer. In diesem
Amte bheb T. bis zu seinem Tode thätig. Nachdem er sich von einer
schweren Krankheit erholt zu haben schien, entschlief er sanft und schmerzlos.
Die amtliche Thätigkeit T.'s hat auf vielen Gebieten des staatlichen
Lebens in Baden Bedeutendes und Bleibendes geschaffen. Das auf den
Grundsätzen der Gewerbefreiheit und Freizügigkeit aufgebaute Gewerbegesetz
von 1862 war im Wesentlichen sein Werk, die nach Aufhebung der Zünfte
besonders wichtigen Gewerbevereine förderte er nach Kräften, ebenso das
gesammte gewerbliche Schulwesen (Landesgewerbehalle, Gewerbeschulen, Fach-
schulen für Uhrmacherei, Schnitzerei, Strohflechten, Musikschulen). Die unter
Kachel und Götz hohen Aufschwung erreichende Kunstgewerbeschule war
eine seiner wichtigsten Schöpfungen. Auch die Errichtung der Handels-
kammern gehört der Zeit seiner ministeriellen Wirksamkeit an. Der Land-
wirthschaft wendete er seine volle Fürsorge zu. Es sei hier nur an die
Schaffung der Culturinspectionen, das Wassergesetz, die Unterstützung der
inländischen Pferdezucht, die Errichtung von Zuchtgenossenschaften für die
Farrenhaltung erinnert. Auch Jagd und Fischerei waren Gegenstände seiner
gesetzgeberischen Thätigkeit. In die Zeit seiner Verwaltung fällt die weitere
Ausgestaltung des badischen Eisenbahnnetzes, die neue Organisation des
Eisenbahnbetriebsdienstes, der Ausbau des Landstrassennetzes, die neue gesetz-
liche Regelung der Beitragspflicht zur Herstellung und Unterhaltung der Land-
strassen. Auf dem Gebiete der inneren Verwaltung ist namentlich die weitere
Ausgestaltung der Gemeindegesetzgebung, insbesondere auch hinsichtlich der
Besteuerung der Gemeindeangehörigen zu erwähnen. Die Fortbildung und
Durchführung der socialen Gesetzgebung lag T. sehr am Herzen. Auf diesem
Gebiete sei die Schaffung der Fabrik inspection namentlich hervorgehoben.
Auch die öffentliche Gesundheitspflege erhielt nach verschiedenen Richtungen
erpriessliche Förderung. Die Neugestaltung der Rechts- und Gehaltsver-
hältnisse der Beamten fällt ebenfalls in die Zeit seiner Amtsführung. Schliess-
lich sei noch der Herausgabe einer neuen Topographischen Karte von Baden
(i 125000), der geologischen Landesuntersuchung und des Berggesetzes Er-
wähnung gethan. Waren auch viele Kräfte thätig, um die Arbeiten vorzu-
bereiten und auszuführen, welche auf allen diesen Gebieten zu wichtigen und
dauernden Werken der Gesetzgebung und Verwaltung zusammenwirkten, so
wurden diese doch alle angeregt und vollbracht unter T.'s verantwortlicher
Leitung und seiner in allen Stadien dieser umfassenden Thätigkeit stets be-
lebenden, fördernden und den Erfolg sichernden Mitwirkung. War das Wohl
der ihm über alles theueren Heimath in allen ihm übertragenen Aemtern der
Leitstern seines Handelns, und lag die Erhaltung der bewährten Einrichtungen
des badischen Landes ihm stets besonders am Herzen, so wirkte T. doch
nicht minder eifrig, soweit es seines Amtes war, am Ausbau der Reichs-
Turban. Vischer.
521
Institutionen mit, wie er denn von jeher ein warmer deutscher Patriot und
Freund der Einigung der deutschen Staaten unter Preussens Führung war.
Seine vielen trefflichen Eigenschaften machen es begreiflich, dass ihm seine
Karlsruher Mitbürger durch Uebertragung verschiedener Ehrenämter in Gemeinde,
Kirche und Schule, denen er sich trotz seiner Ueberbürdung mit den Arbeiten
seines Beamtenberufes nicht versagte, ihr Vertrauen bezeugten, sowie dass er
wiederholt zum Abgeordneten der zweiten Kammer gewählt wurde, 1866 in
der Stadt Lahr, 1873 und 1877 im Amt Triberg. — Er war auch erfolgreich
litterarisch thätig. Abgesehen von der Mitarbeit an einer Reihe wissenschaft-
licher Zeitschriften gab er einen vortrefflichen Commentar zu dem badischen
Gewerbegesetz: »Das Gewerbegesetz für das Grossherzogthum Baden« (1862)
und das Werk »Die deutsche Gewerbeordnung und die zu deren Einführung
und Vollzug im Grossherzogthum Baden ergangenen Gesetze und Verordnungen«,
(1872) beide im Verlage der G. Braunschen Hof buchhandlung in Karlsruhe,
heraus.
Sein Landesherr, Grossherzog Friedrich von Baden, zeichnete T. nicht
nur durch die höchsten Ordenauszeichnungen, zuletzt durch Verleihung des
Hausordens der Treue, aus, sondern gab bei verschiedenen Anlässen durch
überaus ehrenvolle Kundgebungen seines Vertrauens der hohen Werthschätzung
Ausdruck, die er für T.'s Leistungen und Character hegte. Die Universität
Heidelberg ernannte ihn bei ihrer 500jährigen Jubelfeier 1886, in Würdigung
seiner vielfachen Dienste auf allen Gebieten des wirthschaftlichen Lebens, zum
Ehrendoctor der Philosophie.
Seine nie ermüdende Arbeitskraft, seine Gerechtigkeit, sein Wohlwollen
waren Eigenschaften, die in allen Kreisen der Bevölkerung willige Anerkennung
fanden und auch von seinen politischen Gegnern (persönliche Feinde hat er
wohl nie gehabt) willig zugestanden wurden. Seine nie verleugnete Anhäng-
lichkeit an die liberalen Grundsätze im Staatsleben und seine ernste Frömmig-
keit auf der Grundlage des evangelisch-protestantischen Bekenntnisses ver-
hinderten nicht die Achtung vor abweichenden politischen und kirchlichen
Ueberzeugungen, die er auch in seinen Amtshandlungen stets zur Geltung
brachte.
Im Jahre 1853 vermählte T. sich zu St. Petersburg mit Fräulein Sophie
Heyse, Tochter einer dort ansässigen angesehenen deutschen Kaufmanns, mit
der ihn bis zu seinem Tode die glücklichste, durch 3 Söhne und 2 Töchter
gesegnete Ehe verband. Er entzog sich nicht der Geselligkeit in weiteren
Kreisen und den Pflichten der Repräsentation, die ihm sein hohes Staatsamt
vorschrieb, aber die liebste Erholung fand der feinsinnige und vielseitig ge-
bildete Mann in seiner durch die Pflege von Kunst und Wissenschaft, besonders
der Musik verschönten Häuslichkeit.
Vgl. den auf Grund von amtlichen Quellen und Mittheilungen der Familie von dem
Unterzeichneten verfassten Nekrolog in No. 352 der Karlsruher Zeitung von 1898.
F. V. Weech.
Vischer, August, Maler, * 30. Juni 1821 zu Waldangelloch bei Sinsheim
in Baden, f 8. Januar 1891, war ein fruchtbarer und fleissiger Künstler von
vielseitiger Thätigkeit. In Antwerpen, Paris und München in der Malerei
ausgebildet, kehrte V. 1870 in die badische Heimath zurück, Hess sich in
Karlsruhe nieder, wurde im gleichen Jahre als ausserordentlicher Professor
des Figurenzeichnens an der Polytechnischen Schule angestellt und 187 1 zum
Biogr. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. 2 I
322
Vischer. Heer.
ordentlichen Professor befördert. Im Jahre 1861 hatte er vom Grossherzog
von Baden die grosse goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft, 1866
die Ernennung zum Hofmaler erhalten. V. war ein treflflicher Lehrer, nicht
nur überaus sicher und correct in der Zeichnung, sondern auf allen Gebieten der
Malerei in gleicher Meisterschaft bewandert, im ganzen Umfang der Oeltechnik,
im Aquarell wie im Fresko. Er war ausserordentlich thätig als Portrait-,
Geschieh ts- und Genremaler. Er hat etwa 70 Porträts gemalt. Von der
grossen Zahl seiner Gemälde, manche in doppelter und dreifacher Ausführung,
(ein Beweis des Beifalls, den sie fanden), sind vier in der Karlsruher Galerie
aufgenommen worden, auch mehrere andere Galerien haben Werke von
V. erworben. Die meisten gingen in den Besitz von Privaten in vielen
Städten Deutschlands und Oesterreichs , Englands und Amerikas über. In
München wurde V. neben den hervorragendsten dort wirkenden Künstlern
zur Ausschmückung des Nationalmuseums herangezogen. Zwei Fresken: »Der
Einzug des Kurfürsten Max Joseph in München 1799« und »Die Erstürmung
von Budapest durch Max Emanuel 1689« sind von ihm ausgeführt. Von
seinen Genrebildern wurde »Der kleine Pistolenschütze« von Hanfstaengl,
»Die Alpenrose« von Leo Schöninger gestochen, das erstere vertheilte der
Wiener Kunstverein an seine Mitglieder. Die Lehrthätigkeit an der Poly-
technischen Schule veranlasste V. zur Bearbeitung und Herausgabe eines Leit-
fadens der Anatomie und Proportionslehre des menschlichen Körpers (1878,
2. Auflage 1881) und einiger Hefte über den figürlichen Schmuck an Werken
der Architektur (1888). Ein ruhiger und bescheidener Mann, der unter
Fremden nicht aus sich herausging, belebte er im Kreis seiner ihn hoch-
schätzenden Freunde das Gespräch durch einen liebenswürdigen Humor, von
dem auch dann und wann in den »Fliegenden Blättern« Proben vor die
Oeffentlichkeit traten. Als er hochbetagt starb, war er in weiteren Kreisen,
selbst seines Wohnortes, fast vergessen. Die ihn näher kannten, bewahren
V. auch über das Grab hinaus ein ehrendes Andenken.
Quellen: Personalakten, Nekrolog in der j>Badiscben Landeszeitung« 1898 No. 14.
F. V. Weech.
Heer, Adolf, Bildhauer, * 13. September 1849 zu Vöhrenbach im badischen
Schwarzwalde, f 29. März 1898 zu Karlsruhe. Den ersten Unterricht erhielt
H. von seinem Vater, dem Bildhauer Joseph Heer, der früher in München ein
Schüler und Gehilfe Ludwig Schwanthalers gewesen und das bedeutende Talent
des Sohnes bei dessen raschen und sicheren Fortschritten in der Kunst des
Zeichnens und Modellirens sowie bei dessen praktischen Ausführungen in Holz
und Stein erkannte. Um sich weiter auszubilden, besuchte der junge H.
zunächst die Kunstgewerbeschule in Nürnberg, wo er von 1868 — 1871 mit
grossem Fleisse den Unterricht der dort wirkenden Lehrer genoss. Auf
Krelings, des damaligen Directors dieser Anstalt, Rath beschloss H., da sich
ihm keine Aussicht auf baldige Verwendung eröffnete, sich mehr der idealen
und monumentalen Bildhauerei zuzuwenden und siedelte desshalb nach Berlin
über, wo er, mit Krelings Empfehlungen ausgestattet, bei den Bildhauern
Calandrelli und Siemering freundliche Aufnahme und Gelegenheit zu viel-
facher, ihm sehr förderlicher Thätigkeit fand. Daneben versäumte er nicht
den Besuch der Berliner Akademie der bildenden Künste. In die Heimath
zurückgekehrt, führte er im Atelier des Bildhauers Professor Steinhäusser einige
kleinere Aufträge aus, bis er im Jahre 1873 die Aufforderung eines jüngeren
Heer.
323
talentvollen Bildhauers in Dresden, Adolf Brey mann, eines der bedeutendsten
Schüler Schillings, erhielt, sich an dessen grossen monumentalen Arbeiten zu
betheiligen. Nachdem H. in dieser sehr nützlichen Wirksamkeit während zwei
Jahren sich weitergebildet hatte, wurde ihm durch den kunstsinnigen Fürsten
Karl Egon zu Fürstenberg die Ausführung zweier überlebensgrosser Figuren
(Engel des Lebens und des Todes) in carrarischem Marmor für die fürstliche
Gruftkapelle in Neidingen bei Donaueschingen übertragen. Dieser bedeutende
Auftrag führte ihn 1876 nach Rom. Während eines vier Jahre umfassenden
Aufenthaltes in der Ewigen Stadt führte er nicht nur diese Figuren zu voller
Zufriedenheit seines fürstlichen Gönners aus, welche ihren Ausdruck in der
Ertheilung eines neuen Auftrages, der Darstellung der Donauquellen fand,
sondern die in Rom öffentlich ausgestellten Engel durften sich auch des vollen
Beifalls der dort thätigen Künstler aller Nationen erfreuen und sein Name
wurde nun erst in weiteren Kreisen bekannt. Neben diesen grossen Arbeiten
führte indess seine Neigung H. immer wieder dem Kunstgewerbe zu. Er
modellirte viele dekorative Ornamente und fertigte eine grössere Zahl kunst-
gewerblicher Entwürfe an. Diese Neigung und der Wuusch, in dauerndem
Wirken wieder der geliebten Heimath anzugehören, veranlasste H., sich im
Juni 1880 von Rom aus um die Stelle eines Lehrers an der damals unter
Kachels Leitung stehenden Kunstgewerbeschule in Karlsruhe zu bewerben,
die ihm auch alsbald übertragen wurde. Am 29. Juni 1881 wurde er zum
Professor ernannt, 1882 vertrat er daneben an der Karlsruher Kunstschule
den Professor Volz im Modellirunterricht. — Seine erspriessliche Lehrthätig-
keit bildete kein Hinderniss, ein immer bedeutendere Aufgaben umfassendes
Wirken auf dem Gebiete der Bildhauerkunst zu entfalten. Solche Aufgaben
ergaben sich bei der Ausschmückung des vom Oberbaudirector Dr. Durm
erbauten Hauses des Bankiers Schmieder in Karlsruhe (riesige Atlanten, lebens-
grosse Nischenfiguren und Lucarnengruppen am Aeusseren des palastartigen
Baues), bei dem Baue der Festhalle in Karlsruhe, für deren Portal H. im
Auftrage des Malers Wilhelm Klose eine plastische Gruppe ausführte, bei der
Restaurining des Heidelberger Rathhauses, dessen Fa^ade er mit zwei Sand-
steinfiguren zierte, endlich bei der Neuherstellung der Aula der Universität
Heidelberg anlässlich deren 500jährigen Jubelfeier. Im Auftrage des Ministeriums
modellirte er für diese zwei lebensgrosse Figuren (Wissenschaft und Fama),
welche in Erz gegossen wurden. Ein überaus glücklicher Wurf war das Modell
einer Statue des Dichters Josef Victor von Scheffel, welchem von dem Preis-
gericht der erste Preis zuerkannt wurde, während das für das Scheffeldenkmal
in Karlsruhe gebildete Comitd sich für die Ausführung eines anderen der preis-
gekrönten Modelle entschied. In sehr erfreulicher Weise wurde dieses treff-
liche Werk doch ausgeführt, da es das Heidelberger Comitd erwarb und einen
unvergleichlich schönen Platz auf dem Schlossberg zur Aufstellung auswählte.
Den Höhepunkt seines künstlerischen Wirkens erreichte H. durch das Reiter-
denkmal Kaiser Wilhelms I. in Karlsruhe, dessen Schöpfung ihm für alle Zeit
eine Stellung unter den ersten Bildhauern Deutschlands sichert. Ganz besonders
in diesem Werke trat sein Bestreben, durch die realistische Behandlung nie die
seinem ganzen Wesen eigene ideale Erfassung des Stoffes beeinträchtigen zu
lassen, von grösstem Erfolge gekrönt in die Erscheinung. Den Höhepunkt
seines Ruhmes, den Tag der Enthüllung des Kaiserdenkmals (18. October 1897),
sollte H. nicht lange tiberleben. Den Anstrengungen und Aufregungen, die
mit Vollendung dieser grossen Arbeit verbunden waren, war seine längst
21*
324
Heer. Hummel. Lüddecke.
leidende Gesundheit nicht gewachsen. Vergebens suchte er Genesung zuerst
auf den Höhen des heimischen Schwarzwaldes, dann in Italien. Nach der
Rückkehr schwer erkrankt, erlag er seinem Leiden in der Nacht vom 28. zum
29. März. H. war un vermählt. An sein Todtenbett waren seine Ge-
schwister zu liebevoller Pflege geeilt, unterstützt von der Theiinahme treuer
PYeunde, die dem liebenswürdigen, bescheidenen Künstler, dem kernfesten
Charakter in allen Phasen seines Lebens eng verbunden waren. Sein Landes-
herr, der Grossherzog Friedrich von Baden, ehrte den von ihm hoch geschätzten
Künstler und Menschen, indem er, begleitet von seinem Sohne, dem Erb-
grossherzog, dem Sarge das Geleite bis zum Grabe gab, die Grossherzogin
wie Kaiser Wilhelm IL gaben der Anerkennung flir das dem Andenken des
ersten Deutschen Kaiser gewidmete Meisterwerk, eines der hervorragendsten
Denkmäler ihres hohen Vaters und Grossvaters, in tiefgefühlten Worten ehrenden
Ausdruck. H.'s intimster Freund, Maler Wilhelm Klose, liess über der Gruft,
in der neben H. auch ein anderer diesem und ihm selbst gleich nahe stehender
Freund, Maler Gleichauf (vgl. Bd. I. S. 394 ff.), die letzte Ruhestätte gefunden,
auf dem Karlsruher Friedhof beiden gleichgestimmten Künstlern ein schönes
Denkmal errichten.
Quellen: Personalacten mit eigenhändigen Aufzeichnungen H.'s Über seinen Bildungs-
gang. >Karlsruher Zeitung«, »Badische Landeszeitung«, »Badische Presse«.
F. v. Weech.
Hummel, August, Seminarlehrer und ein tüchtiger Geographie-Methodiker,
♦ am 4. August 1839 in Halle a. d. S., f am 19. Januar 1898 in Delitzsch
(Provinz Sachsen), im 58. Lebensjahre. — Nachdem er die Volksschule in
Glauchau bei Halle besucht hatte, wurde er Hilfsarbeiter bei der Sächsisch-
Thüringischen Actiengesellschaft für Braunkohlen Verwertung, fand hier aber
keine Befriedigung. In seinen Mussestunden arbeitete er bis tief in die Nacht
hinein an seiner Fortbildung und konnte, ohne die Präparandenanstalt durch-
zumachen, sogleich im Seminar zu P^isleben Aufnahme finden. Seine Leistungen
waren aussergewöhnlich gut, und schon damals veröffentlichte er kleine Artikel
für »Jugendalbum«, »Familienchronik« und »Gartenlaube«. Im Jahre 1863
wurde er Bürgerschullehrer in Halle, 1875 ordentlicher Seminarlehrer und
wirkte als solcher dann zuerst in Halle, dann in Delitzsch sehr segensreich.
In weiteren Kreisen ist H. besonders durch eine Reihe trefflicher Leitfäden
bekannt geworden. Erwähnt seien seine »Kleine Erdkunde« (36. Auflage), sein
»Hilfsbuch für den Unterricht in der Erdkunde« und sein »Schulatlas« (5. Auf-
lage). Auch als Mitarbeiter an mehreren angesehenen Zeitschriften war er thätig.
Vergl. Zeitschrift für Schul-Geographie, XIX. Jahrg. 1898.
W. Wolkenhauer.
Lüddecke, Richard, Kartograph, ♦ am i. Januar 1859 in Magdeburg, f am
14. Januar 1898 zu Gotha. — Nach Besuch der Schulen zu Aschersleben bezog
L. 1877 die Universität zu Leipzig und später zu Halle, um neuere Sprachen,
Geschichte und Geographie zu studieren. A. Kirchhoffs und R. Credners
Einflüsse folgend, wandte er sich immer mehr der Geographie zu und promo-
vierte 1881 zu Halle mit einer Schrift »über die Moränenseen«. Im Jahre
1883 trat L. als Kartograph in das geographische Institut von Justus Perthes
in Gotha ein. Seine Theiinahme an der grossen Afrikakarte, die 1885 ^^^
Feier des hundertjährigen Jubiläums des Hauses Perthes erschien, bot ihm
Lüddecke. Albrecht. Arzruni.
325
Gelegenheit, sich eingehend mit dem schwarzen Erdtheil zu beschäftigen, und
so entstand 1889 seine sechsblätterige Karte von Afrika in Stielers Handatlas,
die Schweinfurth mit Recht für eine ausgezeichnete Leistung erklärt hat.
Durch seine Vorbildung in KirchhofFs geographischem Seminar war L. auch
der rechte Mann, bei den neuen Unternehmungen in Justus Perthes' Anstalt
auf dem Gebiete der Schulgeographie thätig einzugreifen. Sein »Deutscher
Schulatlas« (Mittelstufe 1895, Unterstufe 1896) hat nicht nur in den Schulen
des Deutschen Reichs lebhaften Anklang gefunden, sondern auch über die
Grenzen des Vaterlandes hinaus sich Freunde erworben, so dass 1897 eine
portugiesische Ausgabe veranstaltet werden konnte. Mitten im kräftigsten
Mannesalter, eben 39 Jahre alt, erlag L. einer jener heimtückischen Krank-
heiten, die erst unvermerkt die Kräfte aufzehren, um dann, plötzlich hervor-
brechend, mit unwiderstehlicher Gewalt ihr Zerstörungswerk zu vollenden.
Vgl. Petermanns Geogr. Mitteilungen, 44. Band, 1898, S. 24 (Nachruf von A. Supan).
W. Wolkenhauer.
Albrecht, George Alexander, Grosskaufmann und K. K. österr. Konsul,
* am 2. August 1834 als Sohn eines höheren Beamten in Hannover, f am
24. November 1898 in Bremen nach kurzer schwerer Krankheit im 65. Lebens-
jahre. Der Verstorbene gehörte als Chef der ältesten Firma Bremens (Joh.
Lange Sohns Wwe. u. Co.) an, war aber zugleich in mehreren grossen kauf-
männischen und industriellen Gesellschaften an leitender Stelle thätig. Als
Mitbegründer und langjähriger Präsident der Geographischen Gesellschaft
in Bremen, sowie als ein thatkräftiger und opferwilliger Gönner und
Freund geographischer Bestrebungen hat er sich um die geographische
Wissenschaft verdient gemacht. Im Ausführungscomitt? für die zweite deutsche
Nordpolarfahrt im Jahre 1869 übernahm A. das mühereiche Amt der Rech-
nungs- und Kassenführung. Die Forschung.sreise der Gebrüder Krause nach
den Küstenländern des Beringmeeres 1881/82 im Auftrage der Bremer Geo-
graphischen Gesellschaft geschah auf seine Kosten und auch noch andere
Expeditionen der unter seiner Leitung stehenden Bremer Geographischen
(jesellschaft unterstützte er mit freigebiger Hand. Das neue städtische Museum
in Bremen verdankt ihm eine grosse und wertvolle ethnographische Sammlung
von den Sunda-Inseln. Dem XL deutschen Geographentage in Bremen war
er erster Vorsitzender. Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin ehrte im
Jahre 1882 den Verstorbenen, indem sie ihn zu ihrem Ehrenmitgliede ernannte.
Vgl. Weser-Zeitung, No. 18 691, vom 30. Nov. 1898: George Albrecht zum Gedächt-
niss von Dr. Moritz Lindeman.
W. Wolkenhauer.
Arzruni, Andreas, Professor für Mineralogie und Geognosie an der tech-
nischen Hochschule zu Aachen, * am 27. November 1847 zu Tiflis, f am
22. September 1898 zu Hohenhonnef am Rhein im Alter von 51 Jahren. —
A. entstammt einer in der gelehrten Weh angesehenen armenischen Familie
in Tiflis. Er war der Sohn des nach Russland eingewanderten Eran A., der
mit Auszeichnung im russischen Heere diente und dies um das Jahr 1846
mit dem Range eines Generals verliess. Anfang der 60 er Jahre finden wir
ihn als Hospitanten an der Petersburger Universität. Hier durchlebte er die
Zeit des Krimkrieges und der darauf folgenden grossen Reformen. Er wandte
sich mit vielen anderen jungen Russen dem Studium der Naturwissenschaften
326 Arzruni. Amrein.
ZU, aber die alsbald eintretenden Unruhen an der Universität zwangen ihn,
im Auslande die Gelegenheit zu weiterer Ausbildung zu suchen. Ende der
60er Jahre wandte er sich mit seinem Bruder Gregor nach Heidelberg; von
da kehrten beide nach Vollendung ihrer Studien nach Tiflis zurück. Bald
kehrte A. aber nach Deutschland zurück und wurde 1875 Assistent an dem
mineralogischen Museum in Strassburg. Im Jahre 1877 habilitierte er sich an
der Berliner Universität, wo er von 1880 bis 1883 die Stellung als Kustos
des mineralogischen Museums bekleidete. 1883 folgte A. einem Rufe nach
Breslau als Extraordinarius, um aber bereits Ostern 1884 die ordentliche
Professur für Mineralogie und Geognosie an der technischen Hochschule zu
Aachen anzutreten; er übernahm zugleich die Leitung der mineralogischen
und ])etrogTaphischen Sammlungen und des mineralogischen Museums. Die
Nähe der vulkanischen Stätten der Eifel und der Nachbargegenden führten
ihn zu Forschungen über den Vulkanismus, die er in Italien und später in
Armenien fortsetzte. Dann kamen seine Reisen in den Ural, den er schon
1869 besucht hatte, und den er 1886 im Auftrage der Berliner Akademie
genauer durchforschte. Seine letzte Reise nach Südamerika, von der er im
April 1896 zurückkehrte, war vorzugsweise der Auffindung der Goldlagerstätten
gewidmet. Sie brachte ihm ein schweres Malariafieber und damit jene
Schwächung seiner Gesundheit, welche die Hauptursache seines Todes ge-
worden ist.
Ausser einer beträchtlichen Reihe von fachwissenschaftlichen Abhand-
lungen verdankt man A. auch werthvolle Forschungen zur Geographie und
Völkerkunde, insbesondere zur Kenntnis des russischen Reiches. Ein um-
fassendes Wissen, ein guter Blick und Erfahrungen auf ausgedehnten Reisen
vereinigten sich bei ihm, um ihm ein erfolgreiches schriftstellerisches Schaffen
zu ermöglichen.
Vgl. Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und
Urgeschichte, 1898, S. 405 — 408.
W. Wolkenhauer.
Amrein, Kaspar Constantin, Professor an der Kantonsschule in St. Gallen,
* am 24. September 1845 ^" Luzern, f am 15. September 1898 in St. Gallen.
— Nach Besuch des (Gymnasiums in Luzem, widmete sich A. seit 1868 auf
der Universität Basel und der Akademie Neuenburg philologischen Studien
und wurde 1870 Lehrer am kantonalen Seminar in Hitzkirch (K. Luzem)
und 1873 Professor an der Kantonsschule in St. Gallen; seit 1874 führte er
daneben auch ein viel besuchtes Familienpensionat für Knaben. Als im
Jahre 1878 die »Ostschweizerische geographisch-commercielle Gesellschaft« ge-
gründet wurde, trat er derselben als ein eifriges Mitglied bei und war seit
1893 ihr Präsident. Auf vielen geographischen Congressen war der Ver-
storbene schweizerischer Delegirter, so 1879 ^^ Brüssel, 1881 in Venedig,
1889 in Paris, 1892 zur Kolumbusfeier in Genua, 1895 in London. Als
Jurymitglied und Berichterstatter der Gruppe »Kartographie« an der schweize-
rischen Landesausstellung in Zürich i. J. 1883« verfasste A. mit J. Rebstein
einen sehr interessanten Catalog der kartographischen Ausstellung, der zu-
gleich einen Abriss des Entwickelungsganges der schweizerischen Kartographie
und des Katasterwesens enthielt. Auch über die geographischen und kosmo-
graphischen Karten und Apparate auf der Weltausstellung in Paris 1889 ver-
üflfentlichte er als Mitglied der internationalen Jury einen eingehenden Bericht
Amrein. Müller.
327
(Zürich 1890). Aus einem überaus thätigen Leben riss ihn kurz vor seinem
53. (leburtstage nach längeren Leiden eine schwere Nierenerkrankung.
Vgl. den Nachruf im »Tagblatt der Stadt St. Gallen«, auch als Separatabdruck er-
schienen.
W. Wolkenhauer.
Müller, Friedrich, Dr., Professor für vergleichende Sprachwissenschaft
und Sanskrit an der Wiener Universität, ♦ am 5. März 1834 zu Jemnitz in
Böhmen (Bezirk Jungbunzlau), f am 24. Mai 1898 zu Wien im Alter von
64 Jahren an einem Herzleiden. Der Dahingeschiedene hatte sich als Sprach-
forscher und Ethnograph einen Weltruf erworben und war auf dem beson-
deren Gebiete der vergleichenden Sprachwissenschaft nach dem Tode Georgs
V. Gabelentz wohl der Gelehrte, der sich des weitesten Ueberblicks über das
Gesammtgebiet der sprachlichen Thatsachen rühmen durfte, und zugleich der
bedeutendste Vertreter der älteren, von Schleicher angebahnten Richtung der
Sprachwissenschaft. —
M. war der Sohn eines Apothekers, der an der Schwefelfabrik in Jemnitz
als Chemiker angestellt war. Seine Schulbildung erhielt er 1845 bis 1848
in Wien, 1848 bis 185 1 in Znaim und 185 1 bis 1853 wieder in Wien. Im
letztgenannten Jahre begann er dann an der Universität Wien philosophisch-
philologische Studien zu betreiben. Da M. gänzlich mittellos war, dachte
er anfangs daran, die klassisch-philologische Laufbahn einzuschlagen, um als
Gymnasiallehrer sein Fortkommen zu finden. Nachdem er aber im Hause
des Wiener Advokaten Dr. Eduard Kafka als Hauslehrer eine sorgenfreie
Stellung gefunden hatte, wandte er sich mit besonderem Eifer dem Studium
der orientalischen Sprachen und des Sanskrit zu; in letzteres führte ihn Pro-
fessor A. Boller ein; Arabisch, Persisch, Hebräisch und Aethiopisch erlernte
er durch Selbststudium. Friedrich Müller und sein nachmaliger College Leo
Reinisch, Professor für Aegyptologie und Geschichte des Orients an der
Wiener Universität, waren damals die ersten jungen Gelehrten in Oesterreich,
die sich dem Studium der orientalischen Sprachen widmeten, obwohl ein
derartiges Studium in jener Zeit nur geringe materielle Erfolge und kaum
eine gesicherte Lebensstellung versprach. Nach Beendigung seiner Universitäts-
studien im Jahre 1856 nahm M. eine Stelle als Corrector für orientalische
Drucke in der kaiserl. königl. Hof- und Staatsdruckerei in Wien an, setzte
daneben aber seine sprachwissenschaftlichen Studien mit eisernem Fleisse fort.
Auf Grund einer Abhandlung »Ueber den Verbalausdruck im arisch-semitischen
Sprachkreise« (abgedruckt in den Sitzungsberichten der philosophisch -histori-
schen Klasse der kaiserlichen Akademie Wien, Bd. 25) erlangte er 1858 von
der philosophischen Fakultät der Universität Tübingen die Doctorwürde. In
demselben Jahre trat er als Amanuensis bei der Wiener Universitätsbibliothek
ein und von dieser wurde er mit Beginn des Jahres 1861 in gleicher Eigen-
schaft in die kaiserl. königl. Hof- und Staatsbibliothek übernommen. Die
Doctor-Dissertation und einige andere kleine Abhandlungen, die M. inzwischen
veröffentlicht hatte, erschlossen ihm bald die akademische Laufbahn; er
wurde im Jahre 1860 als Privatdocent für allgemeine Sprachwissenschaft
und orientalische Sprachen an der Wiener Universität zugelassen. Um die^
selbe Zeit traf es sich ausserordentlich günstig für ihn, dass ihm eine lohnende
und für seine spätere Laufljahn bedeutungsvolle Aufgabe zu Theil wurde.
Die österreichische Fregatte »Novara« war im August 1859 von ihrer zwei-
328 Müller.
jährigen wissenschaftlichen Reise um die Erde zurückgekehrt. Die Wiener
Akademie der Wissenschaften, der die Bearbeitung des auf der Fahrt ge-
sammelten wissenschaftlichen Materials oblag, übertrug M. die Bearbeitung
und Veröffentlichung der gesammelten s])rachlichen Materialien. Daraus ging
M.'s »T^inguistischer Theil« der Beschreibung der »Reise der österreichischen
Fregatte »Novara« um die Erde in den Jahren 1857, 1858, 1859« hervor, der
1867 erschien und in dem er in einer mustergiltigen Weise eine anschauliche
Uebersicht über die ost- und südafrikanischen, indischen, australischen und
malaisch-polynesischen Sprachen gab. Dieses Werk trug ihm damals von der
englischen Regierung einen Ruf an die Puna-Hochschule in Indien ein, den
er jedoch ablehnte. Auch die Bearbeitung des »Ethnographischen Theiles*;
des »Novara« -Reisewerkes, der 1868 erschien, übernahm M. noch aut
dringenden Wunsch von Karl v. Scherzer, da dieser selbst verhindert wurde,
diese Arbeit auszuführen. Auch dieser Theil fand ungetheilten Beifall und so
wurden diese beiden Werke die Grundlage für M.'s wissenschaftlichen Ruf.
Auch an äusseren Erfolgen fehlte es nicht: der Kaiser von Oesterreich verlieh
ihm die Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft und die kaiserl. königl.
Akademie der Wissenschaft ernannte ihn zum korresi)ondierenden Mitgliede.
Inzwischen war M. im Jahre 1866 auch bereits zum ausserordentlichen
Professor der orientalischen Linguistik ernannt und bereits 1869 folgte dann
seine Beförderung zum ordentlichen Professor für vergleichende Sprachkunde
und Sanskrit an der Wiener Universität; in demselben Jahre wurde er auch
zum wirklichen Mitgliede der kaiserl. königl. Akademie der Wissenschaften
ernannt.
Die Bearbeitung des ethnographischen Theiles des Novara-Werkes hatte
M. in engere Berührung mit der Ethnographie geführt und dieser damals jung
aufstrebenden Wissenschaft widmete er nun eine eingehende Thätigkeit. Seine
»Allgemeine Ethnographie« (Wien 1873, 2. Auflage 1879), mit der er sich an
die Spitze der linguistischen Ethnographie stellte, war die Hauptfrucht der-
selben. M. suchte Sprachwissenschaft und Naturforschung in eine organische
Verbindung zu bringen. Seine vom sprachlichen Gesichtspunkte aus auf-
gestellte Eintheilung des Menschengeschlechts in zwölf Rassen schliesst sich
eng an die von Ernst Häckel, indem er unter Berücksichtigung des natur-
wissenschaftlichen Rassetypus eine genealogische Klassifikation nach dem
durch jenen besonders betonten Moment der Behaarung entwarf. Nach Be-
schaffenheit des Haares nämlich zerfallen die Menschen zunächst in zwei
grosse Abtheilungen, erstens in Wollhaarige und zweitens in Schlichthaarige.
Die ersteren sind sämmtlich langköpfig und schiefzähnig*; sie wohnen alle
auf der südlichen Erdhälfte bis zum Aequator und einige Grade darüber
hinaus. Unter ihnen lassen sich wieder unterscheiden: Büschelhaarige (Hotten-
totten, Papuas) und Vliesshaarige (afrikanische Neger, KafFern). Die Schlicht-
haarigen zerfallen in Straff haarige (Australier, Hyperboreer, Amerikaner, Ma-
laien, Mongolen) und Lockenhaarige (Dravider, Nuber, Mittelländer). Die
zwölf Rassen theilen sich wieder nach der Sprache in Volksstämme, deren Zahl
M.'s genealogische Uebersicht achtundsiebzig aufzählt. Ein besonderes Ver-
dienst dieser Eintheilung liegt in der Aufstellung der mittelländischen Rasse
und in dem Nachweis ihrer Verwandtschaft mit den Nuba- und Dravida-
stämmen. Zur mittelländischen Rasse zählt M.: Basken, Kaukasusvölker,
Hamito-Semiten und Indogermanen. M.'s ethnographische Gnmdanschauungen
sind lebhaft bekämpft worden, dennoch fand sein System in Deutschland
Müller. Dronke.
329
zunächst weite Verbreitung, hat aber s])äter doch anderen Rasseneintheilungcn
(Peschel, Hartmann, Gerland, Ratzel u. a.) mehr oder weniger weichen müssen.
Auf sprachwissenschaftlichem (iebiete ist ausser dem oben erwähnten
>Linguistischen Theile« der Novara-Reise M.'s Hauptwerk der »Grundriss der
Sprachwissenschaft« (i. bis 3. Band in 6 AbtheiUmgen; Wien, 1876 bis 1885),
das eine abschliessende Frucht seiner intensiven und extensiven Beschäftigung
mit fast allen Sprachen der Erde bildet. M. giebt in demselben eine Ein-
leitung in die Si)rachwissenschaft und eine umfassende Darstellung sämmtlicher
Sprachstämme der Erde mit Proben aus den einzelnen Sprachen. Trotz
mancher Angriffe, die auch diese Gesammtdarstellung im Einzelnen naturgemäss
erfahren musste, wird sie doch immer ein imponirendes Denkmal seines
Wissens und seiner weitblickenden, wie tief eindringenden Beschäftigung mit
fast allen Sprachen der Erde bleiben.
Ungemein gross an Zahl und dem Inhalte nach sehr vielfaltig sind M.'s
kleinere Arbeiten und Abhandlungen; sie sind vorzugsweise in den Sitzungs-
berichten der philosophisch-historischen Klasse der k. k. Akademie der
Wissenschaften zu Wien abgedruckt; viele erschienen auch in Theod. Benfeys
»Orient und Occident«, in der »Zeitschrift der morgenländischen Gesellschaft«,
in den »Göttinger Gelehrten Anzeigen«, in Kuhn und Schleichers »Beiträgen
zur vergleichenden Sprachforschung«, im »Globus« und im »Ausland«. Es ist
eine ungewöhnliche grosse Arbeit, die der Verstorbene geleistet hat, und
wenn man dazu erwägt, wie sehr sein schweres Augenleiden — er w^ar auf
einem Auge erblindet und die Sehkraft des anderen war ebenfalls geschwächt —
seine Arbeit behindern musste, so wird man seine überaus fruchtbare
Thätigkeit als akademischer Lehrer wie als wissenschaftlicher Schriftsteller
noch mehr bewundern müssen. Mit der modernen Sprachwissenschaft, nament-
lich auf indogermanischem Sprachboden, stand M., der mehr ein Vertreter der
älteren, von Schleicher angebahnten Richtung war, vielfach nicht auf freund-
schaftlichem Fuss, aber trotzdem ist seiner fruchtbaren, umfassenden Thätig-
keit auch von dieser Seite die gebührende Anerkennung nicht versagt worden.
Eine grosse Zahl ausländischer wissenschaftlicher Gesellschaften hatten ihn
zum Mitgliede oder Ehrenmitgliede erwählt. In der Geschichte der Sprach-
wissenschaft und Ethnographie wird M.'s Name immer mit Ehren genannt
werden.
Vgl. »Deutsche Rundschau« für Geogr. u. Statistik, Wien 1893, XV. Jahrgang und
»Globus« 1898, Bd. LXXIV mit Portrait.
W. Wolkenhauer.
Dronke, Adolf, Dr. phil., Director des Königl. Kaiser Wilhelms-Gymnasium,
ein geschätzter Gelehrter und verdienter Schulmann, * am 7. März 1837 zu
Coblenz, f am 10. Juni 1898 in Bad Neuenahr (Rheinprovinz) im eben voll-
endeten 61. Lebensjahre. — Adolf 1). war der Sohn des damaligen Gymna-
sialprofessors Dr. Ernst D. in Coblenz. Er besuchte das Gymnasium zu Fulda,
wohin sein Vater als Director versetzt worden war, und bestand nach dessen
Tode die Reifeprüfung an dem (iymnasium zu Bonn. Dann genügte er seiner
Militärpflicht bei den Pionieren in Coblenz, um darauf die Universität Bonn
zu beziehen, w^o er vorwiegend Mathematik und Physik studirte. Schon als
Student wurde er unter Plücker Assistent bei dem physikalischen Institute
der Universität und aus der gemeinsamen Arbeit mit diesem berühmten
Gelehrten erwuchs eine enge Freundschaft, die bis zum Tode Plückers dauerte.
330
Dronke.
Er widmete daher auch seinem Freunde eine seine Bedeutung würdigende
Schrift und betheiligte sich an der Herausgabe seines wissenschaftHchen Nach-
lasses. Die fruchtbare Anregung im Kreise Plückers zeitigte schon bei dem
jungen Studenten eigne Arbeiten und er promovirte im Jahre 1860 mit der
Dissertation »De theoria mechanica quoad spectat ad gasa permanentia« zum
Dr. philosophiae. Seine zahlreichen Arbeiten brachten ihm eine Berufung an
die Universität Prag ein; doch folgte er diesem ehrenvollen Rufe nicht, so
wie er auch die ihm später auf Plückers Empfehlung gebotene Gelegenheit,
Professor an der Universität Zürich zu werden, ausschlug. Nach Ablegung
der Staatsprüfung für das höhere Lehrfach und des vorgeschriebenen Probe-
jahres am Gymnasium zu Bonn übernahm er (1861 — 63) das Rectorat der
höheren Bürgerschule zu Grevenbroich. Nachdem er dann noch ein Jahr
(Herbst 1863 — 64) als Lehrer am Progymnasium in München-Gladbach gewirkt
hatte, wurde er 1864 zum Director an die Provinzial-Gewerbeschule in Coblenz
berufen. Neben seiner pädagogischen Wirksamkeit entwickelte er hier auch
eine rege wissenschaftliche Thätigkeit, nahm aber auch am Öffentlichen Leben
regen Antheil. Er wirkte viel für die Entwicklung des Handwerks und Kunst-
handwerks und rief eine Sparkasse für Handwerker ins Leben. Als dieses
Institut sich immer weiter entwickelte, nahm man eine Umwandlung desselben
zu der noch heute in Blüthe stehenden »Mittelrheinischen Bank« vor, an deren
Spitze D. als Director gestellt wurde. Die neue Stellung und die ausschliesslich
kaufmännische Thätigkeit sagte ihm aber doch nur wenig zu. Als er daher
in die durch den Rücktritt des Directors Viehoff frei gewordene Direc tor-
stelle der Trierer Realschule gewählt wurde, trat er von der Leitung der
Bank zurück und kehrte im Herbst 1875 freudig in das Lehrfach zurück.
Mit der Geschichte der Trierer Anstalt ist der Name des Directors D. un-
trennbar verknüpft. Unter seiner Leitung entwickelte sie sich zunächst zum
Realgymnasium und später zur Doppelanstalt als Kaiser Wilhelms - Gym-
nasium und seine Thätigkeit als Lehrer wie als Leiter war für dieselbe über-
aus segensreich.
Doch die Schule erschöpfte durchaus nicht die Schaffenskraft des thätigen
Mannes; auch an allen wissenschaftlichen, künstlerischen, patriotischen und
liberalpoHtischen Bestrebungen der Stadt Trier nahm D. jederzeit den regsten
Antheil und stand meist in dem Mittelpunkt derselben.
Neben dieser schulmännischen und öffentlichen Thätigkeit fand D. femer
noch Zeit zu wissenschaftlichen und litterarischen Arbeiten. Aus der langen
Reihe seiner mathematischen, physikalischen, geographischen und pädagogischen
Leitfäden und Aufsätze mögen nur folgende hervorgehoben werden: Die
Elemente der ebenen Geometrie; Einleitung in die höhere Algebra; Einleitung
in die analytische Theorie der Wärmeverbreitung; Leitfaden für den geogra-
phischen Unterricht (Bonn, 5 Theile); geographische Zeichnungen (Bonn 1876,
3 Hefte); Die Geographie als Wissenschaft und in der Schule (Bonn 18851.
Den weitesten Kreisen wurde D. noch mehr bekannt durch seine gemein-
nützigen Bestrebungen zur Erschliessung und wirthschaftlichen Hebung der
Eifel. In Wort und Schrift wirkte er seit Ende der Achtzigerjahre für die
Eifel, deren Bewohner ihm schon bei Lebzeiten den Ehrennamen Eifelvater
gaben. Im Jahre 1888 gründete er den Eifelverein, und diesem rührigen
Gebirgsvereine gelang es, immer angefeuert durch den Eifer seines (iründers,
den zahlreich aufblühenden Luftkurorten des Eifellandes einen alljährlich
wachsenden Touristenstrom zuzuführen. Die Neubelebung der Fischzucht in
Dronke. v. Ehner-Eschenbach.
331
den ehemals fischreichen Gewässern der Eifel ist sein Verdienst. Sein »Eifel-
führer« von 1889 erschien 1896 bereits in 6. Auflage. Mit Erfolg war er
auch bestrebt, den Sinn der Zusammengehörigkeit bei den Eifelbewohnern
zu wecken und durch die Hebung des Selbstbewusstseins und des eigenen
Kraftgefühles zur Selbsthilfe anzuspornen, so dass sie der häufig in Anspruch
genommenen Mildthätigkeit oder der Staatshilfe entbehren lernten. Mit grosser
Liel)e hing darum auch das dankbare Eifelvolk an seinem Wohlthäter, einem
Förderer deutscher Landeskunde im besten Sinne des Wortes.
Vgl. Jahresbericht des K. Kaiser Wilhelms -G}'mnasiuxns zu Trier für das Schuljahr
1898/99 (S. 20 — 22); Deutsche Kundschau f. Geogr. u. Statistik, Wien 1898, XX. Jahrgang,
S. 520-522 mit Portrait. ^ Wolkenhauer.
Ebner-Eschenbach, Moriz, Freiherr von, k. und k. Feldmarschall-Lieute-
nant d. R., * Wien 27. November 18 15, f ebenda 28. Januar 1898. Ent-
stammt dem katholischen, nach Oesterreich ausgewanderten Zweige eines
Altnümberger Patriziergeschlechtes. Sein frühverstorbener Vater war hochver-
dienter, mit dem Theresienkreuz geschmückter österreichischer Militär.
Seine Erziehung lag in den Händen einer schwärmerisch verehrten, ausge-
zeichneten Mutter. Seine Kinderjahre in Altwien schilderte er in der Geschichte:
»Ein Wunder des heiligen Sebastian« (Cotta, 1897). Seine Gymnasialstudien
absolvirte er bei den Schotten und im Theresianum, die Ferien verbrachte
er meist auf den Gütern seines Oheims Dubsky auf Lissitz und Zdislavic in
Mähren, besonders zugethan der ersten Gattin Dubskys, einer geb. Freiin
V. Vockel (der Mutter seiner Cousine Marie, Gräfin v. Dubsky, welch Letztere
nachmals — 1848 — E.'s Gemahlin werden und als Dichterin den Namen
von Ebner-Eschenbach zu einem unvergänglichen in der Geschichte der
deutschen Erzählungskunst machen sollte). Als Achtzehnjähriger trat E. in die
Ingenieur-Akademie ein, 1837 wurde er Lieutenant im Ingenieurcorps, 1840
Professor der Ingenieur-Akademie. Tüchtige physikalische Studien bei Ettings-
hausen und Schrötter befähigten ihn späterhin, technische Errungenschaften
der modernen Natur forschung militärischen Zwecken dienstbar zu machen.
Nach dem Zeugniss E. Mach 's gelang es E. »in ausgezeichneter Weise, i. die
veraltete Minenzündung durch die elektrische zu ersetzen, 2. die elektrische
• Telegraphie für den Felddienst verwendbar zu machen, 3. einen Scheinwerfer
zu construiren, der dem Feind den Vortheil der ungestörten Nachtarbeit ent-
ziehen sollte.« Seine Zünder brachten bei der Stadt -Erweiterung 1858 die
Bastei Alt- Wiens zu Falle. Auch sonst that er sich als Praktiker 1859 bei
der Vertheidigung von Venedig und i866 bei dem Schutze von Pola, Lissa,
(iravosa und Cattaro hervor. Als Lehrer erwarb sich E. in Klosterbruck bei
Znaim und a. O. viele Sympathien in der österreichischen Armee. Von 1856
an wirkte E. in hervorragender Weise als Mitglied des Genie- Comitds. Auf
seine Anregung sind die militärischen Ausstellungen Oesterreichs bei der
Pariser und Wiener Weltausstellung (1867 und 1873) zurückzuführen. Zum
Oberst und Generalmajor emporgestiegen, schied er 1874 als F. M. L. aus
dem Militärdienst. Weite Reisen nach allen Culturstaaten Europas und nach
Persien beschrieb er sorgfältig. In seinen letzten Lebensjahren legte er die
Ergebnisse seiner Erfahrungen und Beobachtungen in vier Folio -Bänden
Denkwürdigkeiten nieder (einen Auszug aus dieser Handschrift will die Familie
als Manuscript für Freunde drucken lassen). Eine Reihe schlichter Lieder-
Compositionen und zwei »Wiener Geschichten« geben Zeugniss flir die rege
^2 2 V. Ebner-Eschenbach. Toosbliy.
Kunstliebe des Greises. E. hat nicht nur die beiden Krzähhingen ->seiner
Heben Krau Marie« zugeeignet: in der ersten »Hypnosis perennis<c preist
sie ein Redner als »eine Hochbegnadigte, die Alles weiss, was nur sehr
Wenige wissen, weil man es nicht lernen kann, weil man es nur als freie
Himmelsgabe empfangen und besitzen kann«. Im Verkehr war E. von ge-
winnender Einfachheit, ein Soldat und Gelehrter, wie er sein soll, in aller
Schlichtheit der feinsten Umgangsformen sicher, ein echter Aristokrat der
Gesinnung und Bildung.
Almanach der kais. Akademie der Wissenschaften. Wien 1898. Nekrolog E.'s von
E. Mach 327/8. — Die handschriftlichen Denkwürdigkeiten E.'s. — Moriz v. Ebner-
Eschenbach: Zwei Wiener Geschichten. Cotta 1897. — Aus den Erinnerungen des
K. M. L. Moriz Freiherrn v. Ebner-Eschenbach. Herausgegeben von Marie v. Ebner-
Eschenbach. Beilage zur Allg. Ztg. 225— 227. 230. 1899. Anton Bettelheim.
Toosbüy, Wilhelm Friedrich Christian, Oberbürgermeister der Stadt
Flensburg, * i. März 1831 in Eckernförde, f 19. September 1898 in Flens-
burg. — T., aus bescheidenen, kleinbürgerlichen Verhältnissen herstammend,
besuchte bis zu seiner Confirmation die Bürgerschule seiner Vaterstadt und
von 1847 an das Gymnasium zu Altona, das er 1850 mit dem Zeugniss der
Reife verliess, um Jura zu studiren. Die Studienzeit, die durch seine Theil-
nahme am schleswig-holsteinischen Erhebungskampfe eine längere Unter-
brechung erlitt, führte ihn nach Kiel, Jena und Kopenhagen. Hier in der
dänischen Hauptstadt wurde er unmittelbar nach dem im Jahre 1853 be-
standenen Amtsexamen in dem ersten Departement des damaligen Ministeriums
für das Herzogthum Schleswig angestellt. Nach der Befreiung Schleswig-
Holsteins kehrte er in die Heimat zurück, bekleidete zunächst vom Februar
bis September 1865 den Posten eines Stadtsecretairs in Hadersleben, ver-
waltete darauf 2 '/j Jahre das Bürgermeisteramt der Stadt Sonderburg und
wurde 1868 zum Bürgermeister von Flensburg ernannt. Am 25. Januar 1870
von der Bürgerschaft zum Bürgermeister auf Lebenszeit erwählt, wurde er
1871 Oberbürgermeister und als solcher ins Herrenhaus berufen. Viele Jahre
hindurch war er Mitglied des schleswig-holsteinischen Provinziallandtages und
des Provinzialausschusses, sowie der evangelisch-lutherischen Gesammtsynode
der Provinz. Im Jahre 1890 verlieh ihm Se. Majestät der Kaiser den
Charakter als Geheimer Regierungsrath. — Drei Jahrzehnte lang hat T., der ein,
Verwaltungstalent ersten Ranges war, an der Spitze des Flensburger Gemein-
wesens gestanden und sein schw^eres, verantwortungsreiches Amt mit nie er-
müdender Berufstreue, selbstlosester Schaffensfreudigkeit und einer Hingebung
verwaltet, die ihres Gleichen sucht. Wenn Flensburg heute mit vollstem
Rechte eine in jeder Hinsicht blühende Stadt genannt wird, so verdankt sie
diesen Ruf in erster Linie ihrem verstorbenen Oberbürgermeister. Ein
productiver Verwaltungsbeamter von hervorragendster Bedeutung, schuf T.
auf allen Gebieten Neues und Besseres. Mit klarem Blick erkannte er die
entwickelungsfähigen Kräfte, mit sicherer Hand führte er sie zum Erfolge,
überall frisches Leben und Streben erweckend. Zu seinen unvergänglichen
Verdiensten um die Stadt zählt die Hebung ihrer wirthschaftlichen Lage, die
bei seinem Amtsantritt eine sehr schwierige war, da die alten, vorzugsweise
nach dem Norden gerichteten Handelsbeziehungen in P'olge der politischen
Neugestaltung eine gefährliche Einbusse* erlitten hatten. Damit legte er den
sicheren Grund für ein gedeihliches Weiterbauen. Es gab keinen Zweig der
Verwaltung, dem er nicht seine Kraft und Thätigkeit in umfassendstem Masse
Toosbüy. Gidionsen. xt^
widmete, treu bis ins Kleinste, aber doch stets von grossen Gesichtspunkten
geleitet. Hervorgehoben seien seine Bestrebungen zur Hebung des Volks-
schulwesens, das sein eigentliches Lieblingsgebiet bildete, seine Fürsorge für
das Handwerk und den Arbeiterstand, sowie für das Armenwesen, das er
durch eine neue, vortrefflich durchgeführte Organisation zu fördern wusste.
Und wie im Innern, so war er auch für das Aeussere der Stadt unablässig
thätig, verbesserte ihre Einrichtungen und verlieh ihr allmählich das schöne,
reiche Gewand, das sie heute ziert. — Schroff scheidet sich in Flensburg
das deutsche und dänische Element, eine Thatsache, aus der sich oft
schwierige Verhältnisse ergeben. Auch hier hat der Heimgegangene sich
bleibende Verdienste und allgemeine Anerkennung erworben durch den feinen
Takt, mit dem er unter kräftigem Eintreten für das Deutschthum stets im
Sinne der Aussöhnung und des friedlichen Zusammenlebens zu wirken und
die Gegensätze zu mildern suchte. Als Mensch schlicht und anspruchslos,
treu und von echter, zum Helfen und Handeln drängender Frömmigkeit be-
seelt, mit warmem Herzen hilfsbereit für Jeden, der zu ihm kam, er mochte
noch so gering sein, hat er, ein helles Vorbild für Alle, sein ganzes Leben
nur für Andere gelebt, in Wahrheit ein Mann des Segens, gesegnet und Segen
bringend in Allem, was er begann und vollendete. Es gab keinen volksthüm-
licheren kommunalen Oberbeamten in der Provinz, und die Stadt Flensburg
betrauert in ihm ihren besten und wahrsten Freund.
Vgl. Die Heimat, Monatsschrift des Vereins zur Pflege der Natur- und Landeskunde
in Schleswig-Holstein etc., Jg. 8, 1898, No. 11 : P.C. Hansen, Oberbürgermeister Toosbüy,
mit Bildniss; Schleswig-Holsteinischer Sonntagsbote, Jg. 9, 1898, No. 9: H. Bircken-
staedt, Ein christliches Charakterbild; Flensburger Norddeutsche Zeitung vom 21. und
24. September 1898. Joh. Sass.
Gidionsen, Albrecht Wilhelm, Gymnasialdirector, * 29. December 1825
als Sohn des Organisten in Waabs, f 4. April 1898 in Schleswig. Er be-
suchte die Gymnasien in Flensburg und Lübeck, studirte Philologie und
Philosophie in Kiel und Berlin, bestand das Schulamts-Examen im März 1848
in Kiel und promovierte im Januar 1849 zum Dr. phil. Seine pcädagogische
Laufbahn begann er am 15. September 1848 als sechster Lehrer an der Ge-
lehrtenschule zu Flensburg, wurde Michaelis 1852 Oberlehrer an der höheren
Bürgerschule in Oldenburg (Grossherzogthum) und Ostern 1854 Instructor
Sr. Hoheit des Herzogs Elimar von Oldenburg, eine Stellung, die ihm den
Titel eines Grossherzoglich oldenburgischen Hofraths eintrug. Im Jahre 1864
übernahm er die Leitung des Gymnasiums in Husum, von wo er im
October 1870 als Director an die Domschule in Schleswig versetzt wurde.
1893 trat er in den Ruhestand und behielt seinen Wohnsitz in Schleswig.
G. war eine durchaus bedeutende Persönlichkeit, als Lehrer und Ge-
lehrter wie als Mensch gleich hervorragend, und so sind auch die Wirkungen,
die von ihm ausgingen, immer gross und tief gewesen. »An die Spitze der
irdischen Dinge gestellt, verhält der Mensch sich ihnen gegenüber entweder
erkennend oder handelnd. Schon die Richtung kennzeichnet den Gegensatz.
Im Erkennen tritt die Welt in den Menschen hinein, im Handeln der Mensch
in die Welt hinaus. Worin sie aber beide eins sind, das ist das Erfülltsein
von jenen göttlichen Gedanken, welche nachzudenken und, an den Grenzen
des Diesseits, im Glauben zu ahnen die höchste Aufgabe des Erkennens, und
welche verwirklichen zu helfen die höchste Aufgabe des Handelns ist.« Diese
schlichten Worte des Heimgegangenen — sie finden sich in der am 22. März
334
Gidionsen.
1867 zu Husum gehaltenen Schulrede — werfen ein helles Licht auf seine
ganze Lebensauffassung und die Ziele, die er für sich und Andere erstrebte.
In diesem Sinne hat er stets geforscht, gelehrt und gewirkt. Schwer, ja
unmöglich ist es, den ganzen Umfang solchen Wirkens zu ermessen und zu
bestimmen. Aber man braucht nur an die grosse Gemeinde der Schüler
dieses unvergleichlichen Mannes zu denken und an den reichen Segen, den
sie von ihm mit hinausgenommen haben ins Leben, so empfindet man deut-
lich die Grösse des von ihm Geschaffenen, ein Lebenswerk, wohl werth, dass
man es dankbar rühme. Niemand vermochte sich dem Zauber dieses vor-
nehmen, harmonischen Geistes zu entziehen. Darum erreichte G. als Lehrer
so viel, weil er als ein echter Denker lehrte, der mit den höchsten Problemen
menschlichen Erkennens rastlos suchend gerungen hatte, und weil es ihm ge-
lang, das Einzelne stets mit dem Ganzen der Bildung in fruchtbare Beziehung
zu setzen. Diese ideale Richtung aufs Ganze tritt auch bereits in der schönen
Schulrede »Von der Bildung« (Flensburg 1850) klar zu Tage. — Mit be-
sonderem Eifer behandelte G. den Horaz, dessen epikureische Lebensweisheit
ihn sympathischer berührte, als die spröden und strengen Lehren der Stoa.
Wir verdanken ihm eine vortreflfliche deutsche Uebersetzung oder vielmehr
Nachdichtung der als Ars poetica berühmten Epistel an die Pisonen (Pro-
gramm der Husumer Gelehrten-Schule, Ostern 1865). Nicht minder anregend
gestalteten sich seine Plato- Stunden. Wie eine Weihe lag es oftmals über
ihnen, wenn er in der Erklärung und Vermittlung der Gedanken des griechi-
schen Weisen den unerschöpflichen Reichthum seines Geistes und Gemüthes
offenbarte. In seinem eigensten Elemente war er bei Goethe, dem Dichter,
den er von allen Denkern am höchsten verehrte, und meisterhaft verstand er
es, ihn seinen Schülern nahe zu bringen und ihnen seine Werke sowohl
ästhetisch als besonders auch moralisch wirksam zu machen. Oefters pflegte
er Goethe'sche Sprüche für das »Merkbuch« zu diktiren, wie er denn über-
haupt für den Aphorismus eine besondere Vorliebe besass und sich auch
selbst häufig auf diesem Gebiete versucht hat. In verschiedenen Journalen
finden sich anonyme Beiträge dieser Art von ihm. Wenn aber behauptet
worden ist, er habe auch an den »Gedankensplittern* der »Fliegenden
Blätter« mitgearbeitet, so beruht dies auf einem Irrthum. Im Uebrigen ist er
litterarisch wenig hervorgetreten. Abgesehen von den schon erwähnten
Publikationen haben wir von ihm kleinere Beiträge in der Zeitschrift für
Gymnasialwesen und in Fleckeisens Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik
sowie eine Anzahl Schulreden, die bei Alberti (siehe unten!) verzeichnet sind.
Sein Hauptwirken war practischer Natur, es gehörte der Schule an, und der
Same, den er, erfüllt von wahrem Idealismus und von Begeisterung für alles
Echte und Edle getragen, ausstreute, er hat gute unvergängliche Früchte ge-
tragen und manchem seiner Schüler geholfen, die grossen und schweren
Aufgaben des Lebens leichter und freier zu lösen. Seinen eigenen Gedanken
über diese Aufgaben unserer Zeit und ihre Lösung hat er einmal in folgendem
schönen Spruche Ausdruck verliehen:
Diese Zeit — verkenn' es nicht.
Was sie ganz vernehmlich spricht —
Will von Dir und mir und Allen,
Dass wir nicht uns selber leben.
Sondern für das Ganze streben.
Und, wenn's sein muss, kämpfend fallen 1
Gidionsen. Iwersen.
335
Vgl. Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen Schriltsteller, 1829 — 66,
Abth. I, S. 254-55, u. i866 — 82, Bd. i, S. 208—9; Jahresbericht über die Königliche
Domschule zu Schleswig, Ostern 1894; Schleswiger Nachrichten v. 6. April 1898; Kieler
Zeitung v. 17. April 1S9S.
Joh. Sass.
Iwersen, Adelheid Marie Catharine Nicoline Andree, geb. Fritz,
Schriftstellerin, * 25. August 1829 in Flensburg, f in der Irrenanstalt zu
Kropp bei Schleswig am 19. September 1898. Die äusseren Schicksale dieses
Frauenlebens sind in wenig Worten erzählt. Adelaide Marie — unter diesem
Pseudonym schrieb und dichtete sie — empfing ihre Bildung ausschliesslich
durch den Sprachlehrer G. Brackenhoeft in Hamburg. Seit 1847 lebte sie
in ihrer Vaterstadt als Privatlehrerin der deutschen, französischen und engli-
schen Sprache. Einer Reise nach Paris, die sie im Jahre 1851 unternahm,
verdankte sie die fruchtbarsten Anregungen und eine bleibende Förderung
ihrer geistigen Entwickelung. Unter Anderen lernte sie dort Victor Hugo
und Heinrich Heine kennen. 1854 verheirathete sie sich mit dem Kaufmann
und Journalisten Julius I. in Flensburg, mit dem sie 1859 nach Rendsburg
übersiedelte, das seitdem ihr Wohnsitz blieb. Ihre Hauptthätigkeit entfaltete
sie als Mitarbeiterin einer ganzen Anzahl von Zeitungen und Zeitschriften,
in denen sie zahlreiche Gedichte, Uebersetzungen, Feuilletons, Reiseskizzen,
Märchen und andere Beiträge verschiedenster Art veröffentlicht hat. Cha-
rakteristisch ist ihr glühender Patriotismus. Sie war Schleswig- Holsteinerin
mit Leib und Seele, und als die grosse Bewegung des Jahres 1848 kam, hat
sie auch auf dem Felde der Politik manch wackeres, streitbares Wort gesagt
und gesungen, eine eifrige Mitkämpferin für Schleswig-Holsteins Recht und
Freiheit. Ihre politischen Lieder spiegeln treu die Stimmung wieder, die in
jenen Tagen der Unterdrückung durch fremde Gewalt weite Kreise beseelte.
Eine Auswahl ihrer Gedichte erschien 1886 unter dem Titel: Traum und
Leben. Liedesklänge aus Schleswig-Holstein von Adelaide Marie. Was die
Dichterin hier in drei Hauptgruppen : Frauenliebe — Frauenleben, Heimathklänge
aus vergangenen Tagen, Fremde Gedichte in deutschem Gewände, zusammen-
gcf.isst hat, gewährt einen klaren Ueberblick über ihr poetisches Streben und
Schaffen. Wir finden eine phantasie volle Frauennatur, der die Kunst, poetisch
zu leben und Erlebtes zu poesiren, offenbar in hohem Maasse eigen war. Da
ist viel warmes, tiefes Empfinden, in schöne, anmuthige Form gegossen, gar
oft ein guter, reiner Klang, dem man gerne lauscht, und mehr als ein
duftiges Stimmungsbild, aus dem der Sonnenstrahl echter Lyrik hervorleuchtet.
Die Uebersetzungen Victor Hugo'scher Gedichte, die im letzten Abschnitt
geboten werden, verdienen hohe Anerkennung, sie zeugen von feinem Nach-
empfinden und meisterhafter Beherrschung der Sprache. Alles in Allem ist
es ein liebenswürdiges Büchlein und doppelt zu schätzen wegen der an-
si)ruchslosen Gesinnung derjenigen, die es uns als Vermächtniss hinterliess. —
»Es war ein Leben nur
Und nur ein Sterben,
Und kam, auch eine Spur
Sich zu erwerben.«
Vgl. Alberti, Lexikon der Schlesw.-Holst.-Lauenb. Schriftsteller, 1829 — 66, Abth. i,
S. 431—32 u. 1866 — 82, Bd. I. S. 359; A. Hinrichsen, Das literarische Deutschland,
2. Aufl., 1891, S. 649; Rendsburger Wochenblatt v. 20. Sept. 1898.
Joh. Sass.
336 Wehrmann.
Wehrmann, Carl Friedrich, Historiker, Staatsarchivar der Stadt Lübeck,
* 30. Januar 1809 in Lübeck, f daselbst 11. September 1898. Sein Vater,
der Collaborator am Katharineum war, starb sehr früh, ehe der Knabe das
zehnte Lebensjahr vollendet hatte. Von da an übernahm seine vortreifliche
Mutter die Fürsorge für seine Erziehung. Im Herbst 1827 bezog W. die
Universität Jena, um Theologie zu studiren. Seine patriotische Gesinnung
führte ihn hier der deutschen Burschenschaft zu. Für seine lebhafte Theil-
nahme an der nationalen Bewegung, die damals durch ihre Reihen ging, ist
er später noch zur Rechenschaft gezogen und, wenn auch nur milde, bestraft
worden. Ausser den theologischen trieb er auch philosophische und historische
Studien, die er nach Verlauf von fünf Semestern in Berlin fortsetzte. Hier
wurde besonders Schleiermacher von bestimmendem Einfluss auf seine theo-
logische Richtung. Nach Beendigung des Universitätsstudiums fand W. zunächst
eine Stellung als Lehrer in dem Erziehungsinstitute des bekannten Arztes und
Sprachforschers Carl Ferdinand Becker in OfFenbach. Nach zweijähriger
anregender Lehrthätigkeit daselbst kehrte er in seine Vaterstadt zurück und
bestand hier das theologische Amtsexamen. Da jedoch die Aussichten, ein
geistliches Amt zu erlangen, wegen der damals vorhandenen grossen Zahl von
Candidaten sehr ungünstig waren, entschied er sich endgiltig für den Lehrer-
beruf und übernahm im Jahre 1840 die Leitung der Ernestinenschule in
Lübeck, einer seit 1804 bestehenden höheren Mädchenschule. Seine Musse-
stunden verwandte er mit grösstem Eifer auf das Studium der Geschichte.
Auch trat er in die Redaction der »Neuen Lübeckischen Blätter« ein und
fand so Gelegenheit, in Gemeinschaft mit einer Anzahl gleichgesinnter Männer
auf weitere Kreise zum Wohle des Gemeinwesens zu wirken. Im Jahre 1854
wurde er vom Senat zum Staatsarchivar erwählt und erst damit gelangte er
in seinen eigentlichen Beruf und an den Platz, wo er sein Bestes leisten und
seine reichen Gaben in vollem Umfang entfalten und verwerthen konnte.
Zunächst galt es, den gesammten Urkunden bestand des Archivs neu zu ordnen
und zu verzeichnen, eine überaus mühselige Aufgabe, die W. glänzend gelöst
hat. Die erste litterarische Frucht seiner archivalischen Thätigkeit war die
Herausgabe der älteren Lübeckischen Zunftrollen. Dies Buch, mit dem er
1864 hervortrat, en^^arb ihm sogleich eine geachtete Stellung unter den deut-
schen Geschichtsforschern. Eine zweite Ausgabe erschien 1872. Seit dem
Jahre 1845 gehörte er dem Verein für Lübeckische Geschichte an, der damals
gerade den ersten Band des Lübeckischen Urkundenbuches herausgegeben
hatte. W. begann sofort die umfassendsten Studien zur Weiterführung dieses
Unternehmens, in dessen Fortsetzung und Vollendung er seine besondere
Lebensaufgabe erkannte. Ihm gebührt denn auch der Hauptantheil und das
grösste Verdienst an dem Werke, das für die ganze nordische Geschichts-
forschung von geradezu monumentaler Bedeutung ist. Die Bände 4 bis 10
rühren ausschliesslich von ihm her. Die Arbeit am zehnten hat den greisen
Gelehrten, der sein Amt als Archivar am i. April 1892 niedergelegt hatte,
bis in seine letzten Lebenstage hinein beschäftigt. Weitere selbständige Bücher
hat W. nicht geschrieben. Dagegen veröffentlichte er in der »Zeitschrift des
Vereins für Lübeckische Geschichte«, in den »Hansischen Geschieh tsblättemc
und an anderen Orten zahlreiche kleinere Abhandlungen und Vorträge, in
denen er die Resultate seiner Forschungen auf den verschiedenen Gebieten
der vaterstädtischen und nordischen Geschichte niederlegte. Die Fülle von
Belehrung, welche diese Arbeiten in klarer, lebendig- lichtvoller Darstellung
Wehrmann. Gehrts. 33 y
bieten, wird jedem Bearbeiter hansischer Geschichte immer wieder die grössten
Dienste leisten. Liebe zur Vaterstadt war der Grundzug in W.'s Wesen und
die Triebfeder seines ganzen Lebens. Aufs Schönste bekundete er diese Ge-
sinnung auch als Mitglied des Freimaurerbundes, in den er sich bereits in seinen
Jünglingsjahren hatte aufnehmen lassen. So lebte er in immer aufsteigender
Entwickelung und von edelstem Geiste durchdrungen sein äusserlich so ein-
faches, an Mühen und Aufopferung reiches, aber glückliches und gesegnetes
Leben bis an die fernste Grenze menschlichen Daseins. Lübecks Grösse blieb
in Allem seines Strebens letztes Ziel, und unter den Männern, die hierfür
ihre besten Kräfte eingesetzt und wahrhaft Bedeutendes geleistet haben, wird
\V. stets als einer der ersten genannt werden. Als er im Januar 1889 seinen
achtzigsten Geburtstag feierte, wurde ihm bereits die höchste Ehre zu Theil,
die der Lübeckische Staat einem verdienten Beamten gewähren kann, die
grosse goldene Denkmünze mit der Inschrift: Bene merenti.
Vgl. Hamburgischer Correspondent, Morgen-Ausg. v. 23. October 1898: A. Hagedom,
Zum Andenken an Dr. C. F. Wehrmann; Hamburger Nachrichten, Morgen-Ausg. v. 13. Sep-
tember 1898; Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte, Bd. 8, Hft. i, S. 201 ff.:
M. Hoffmann, Zum Gedächtniss C. F. Wehrmanns, nebst einem Vcrzeichniss seiner sämmt>
liehen Schriften.
Job. Sass.
Gehrts, Karl Heinrich Julius, Maler, * 11. Mai 1853 in Hamburg,
t 17. Juli 1898 in einer Heilanstalt zu Endenich bei Bonn, lieber seinen
Lebensgang und die Entwickelung seiner Kunst giebt G. selbst genauen Auf-
schluss in seiner in der »Kunst für Alle« (Jg. 3, Heft 7 u. 8) erschienenen
humorvollen Autobiographie: Von damals bis heute. Eine wortreiche Bilder-
Selbstgeschichte. Seine Jugend verlebte er in engen und dürftigen Verhält-
nissen. Der Vater war Dekorationsmaler, »Maler grossen Stiles«, wie ihn
der Sohn in seiner drastischen Weise bezeichnet. Da er hierbei jedoch in-
folge der Konkurrenz keine glänzenden Geschäfte machte, gab er die »monu-
mentale Richtung« auf und malte dutzendweise Schweizerlandschaften, mit
denen die Mutter dann hausiren ging. Schon früh regte sich in G. die
Künstlernatur, mit den Schuljahren erfasste ihn die Lust am Zeichnen immer
mehr, und bald stand es für ihn fest: er wollte Maler werden. Aber der
Vater setzte diesem Wunsche zunächst ein entschiedenes Nein entgegen, er
hatte nicht das geringste Vertrauen zu dieser Künstlerlaufbahn. Dagegen
willigte er ein, als der Sohn ihm erklärte, sich der Musik widmen zu wollen.
So erlernte G. mit 12 Jahren Violin- und Klavierspiel, componirte, gab bald
auch selbst Unterricht und spielte an Sonntagabenden in den Vorstadtlokalen
sechs Stunden für einen Thaler. Daneben Hess er die geliebte Zeichen- und
Malkunst keineswegs liegen. Bald musste er dem Vater bei den Dutzend-
bildem helfen, lieferte zwei bis vier Schweizerlandschaften pro Tag und durfte
dann zur Belohnung abends die Hamburger Gewerbeschule besuchen. Hier
erregte er in kurzer Zeit die Aufmerksamkeit seiner Lehrer, und vor allen
war es der Director O. Jessen, der spätere hochverdiente Leiter der Berliner
Handwerkerschule, der das echte Talent des jungen G. richtig erkannte und
darauf den Widerstand des Vaters gegen die weitere künstlerische Ausbildung
seines Sohnes zu besiegen wusste. Für die Kosten wurde durch Stipendien
gesorgt, und im Herbst 1871 ging G. auf Jessen's Rat nach Weimar, wo er
zunächst Schüler von Karl Gussow wurde, der als Lehrer das Hauptgewicht
auf technische Malübungen legte. Dies sagte G. wenig zu, und als bald
Biog;!. Jahrb. n. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. 2 2
3^8 Gehrts.
darauf Albert Baur, der ein ebenso tüchtiger Komponist wie Zeichner war,
nach Weimar kam, schloss er sich mit Begeisterung an diesen an. »Zeichnen
und Komponiren that ich fürs Leben gem.« Baur war nach jeder Richtung
hin überaus anregend, er erstrebte höhere Ziele und Hess jedem Schüler in
der Entwickelung seiner Eigenart völlige Freiheit, wobei doch wieder alle den
Lehrsatz des Meisters: »erst kommt die Wahrheit, dann die Schönheit«, durch-
aus anerkannten. Er veranstaltete Komponirabende, die, wie G. erzählt, zu
seinen schönsten Erinnerungen aus jener Zeit gehören. In erster Linie Ge-
schichtsmaler, stellte Bauer hier vorzugsweise Aufgaben geschichtlichen Inhalts,
und da G. ungetähr der einzige unter seinen Schülern war, der sich der
Historienmalerei widmen wollte, so entstand zwischen beiden ein besonders
inniges Verhältniss, dem der Jünger unendlich viel zu verdanken hatte. Rast-
los arbeitete er vorwärts, von glühender Sehnsucht erfüllt, das höchste Ziel
zu erreichen, in monumentalen Werken sein Können zu bethätigen. Und
doch ruhten die tiefsten Wurzeln seines künstlerischen Wesens in einem anderen
Lebensgrunde. Die Welt der Romantik war sein eigentliches Gebiet, im
Reich des Phantastischen und Idealen, im deutschen Märchenwalde lag die
Heimat dieser Künstlerseele. Das ganze Völklein der- Elfen, Nixen und
Gnomen war ihm unterthan. Er brauchte nur den Zauberstab zu rühren,
da regte sich aller Enden das fröhliche Gelichter, in holden und lustig-tollen
Gestalten einherzuwandeln vor den Augen froh erstaunter Menschen. Gleich
der erste grössere Auftrag, der ihm in jener Zeit zu Theil wurde, führte ihn
auf diesen Pfad. »Der Commerzienrath H. C. Meyer«, so berichtet G. selbst,
»wünschte im Herbst 1873 für ein kleines Vergnügungshäuschen auf seinem
Landsitz bei Harburg eine Reihe von fünfzehn flott in Gel färben skizzirten
Jagddarstellungen. Das Häuschen, Jagdhütte genannt, war einer Harzer
Köhlerhütte getreu nachgebildet. Da nun für lebensgrosse Figuren die Flächen
zu klein, für kleineren Massstab aber der Malgrund (unbehobeltes Holz) viel
zu rauh war, machte ich den Vorschlag, Jagdbilder aus dem Gnomenleben
zu malen, — denn lebensgrosse Gnomen hatten Platz. Mein Vorschlag wurde
angenommen und sofort zur Ausführung gebracht. Innerhalb fünf Wochen
waren die fünfzehn Bilder entworfen und gemalt. Von da an musste ich ein
ganzes Heer von Gnömchen, Kobolden und Wichtelmännlein ans Tageslicht
locken; schliesslich fühlte ich mich selber ganz Gnom.« Als solcher schreitet
der Künstler auch in den köstlichen Illustrationen zu der anfangs erwähnten
Selbstbiographie an uns vorüber. Neben diesem Gnomenspuk, in dem er die
ganze Fülle seines Humors entfaltet, schuf er damals in Weimar auch bereits
eine Reihe von biblischen Kompositionen. Auch die ersten Aquarellversuche
fallen in diese Zeit. Für das erste Bild der Art, das als Hochzeitsgeschenk
des Weimarischen Officiercorps für die Prinzessin Marie von Sachsen bestimmt
war, wählte er das Motiv »Orientalischer Händler auf der Wartburg«. (Abb.
in den Meisterwerken der Holzschneidekunst, Bd. i, Lfg. 6). Seitdem ent-
standen im Lauf der Jahre eine grosse Anzahl Aquarelle, darunter im Jahre
1885 als Perle von allen voll Humor, Geist, Farbenglut und Glanz das schöne
Bild «Petrucchios Hochzeit« (nach Shakespeare's »Der Widerspenstigen Zäh-
mung«), das später in dem »Gastmahl des Macbeth« ein nicht minder be-
deutendes Pendant erhielt. Von tiefstem Einfluss wurde für G. die Bekannt-
schaft mit der Musik Richard Wagners. Nach aniänglicher Abneigung war
er bald einer ihrer glühendsten Verehrer geworden, woran nicht zum ge-
ringsten die Stoffe, ihre poetische Auffassung und dramatisch-malerische Dar-
Gehrts.
339
Stellung auf der Bühne ihren Antheil hatten. Hier fand er sozusagen »ant-
wortende Gegenbilder« dessen, was in seiner eigenen Phantasie lebte und
nach Gestaltung drängte. Mit wahrem Feuereifer begann er nun das Studium
des Mittelalters und der deutschen Culturgeschichte, das ihn zu manchem
farbenprächtigen Bilde anregte. Inzwischen wurde die Bibel keineswegs ver-
nachlässigt. Mit ihr blieb er immer auf Engste verbunden, ja seine besten
illustrativen Arbeiten sind, wie er selbst sagt, religiösen Charakters. Er mag
dabei wohl in erster Linie an seine Bilder zu der »Nachfolge Christi« des
Thomas a Kempis denken. —
Im Herbst 1876 siedelte Albert Baur von Weimar nach Düsseldorf über,
G. folgte ihm und fand hier eine zweite Heimat. Hier gründete er sich 1879
auch den eigenen Herd, nachdem er in einer hochbegabten gleichgestimmten
Schülerin die Gefährtin seines Lebens und seiner Kunst gewonnen hatte.
In Rath bei Düsseldorf baute er sich das ganz in romanischem Stil aus-
gestattete Haus Waldfrieden, das eine Welt poesievollsten Glückes umschloss.
Als erste Arbeit vollendete er hier das von einem Hamburger Kaufmann
bestellte grössere Oelgemälde : Minnesänger in einer »burgherrlichen« Familie
und führte in der Folge einige von den Entwürfen aus, die er auf jene Be-
stellung hin — es war ein Bild aus der deutschen oder hamburgischen Ge-
schichte gewünscht worden — angefertigt hatte. Von diesen sind »Das Gast-
mahl des Markgrafen Gero« und »Die Ankunft des Seeräubers Störtebeker
in Hamburg« auch in weiteren Kreisen bekannt geworden. (Vgl. die Repro-
ductionen im »Daheim«, Jg. 1882, Nr. 14 und in den Meisterwerken der Holz-
schneidekunst, Bd. I, Lfg. 4). Der »Störtebeker« wurde der Anfang seiner
ülustrativen Thätigkeit, die schliesslich einen fast unübersehbaren Umfang
annahm. Die Dichtungen der Klassiker, wie Schillers Demetrius und Goethes
Reineke Fuchs, die deutschen Märchenbücher und die Werke modernei
Dichter, sie alle schmückte er mit den lebensvollen Bildern, in denen seine
unerschöpfliche Phantasie die Gestalten der Poesie erschaute. Und immer
war es reifste Kunst, die er auch hier bot, überall offenbart sich die Hand
des Meisters, der auch für diese Aufgabe seine ganze Kraft einsetzt. Die
beiden Bilderreihen: »Amor bei Jung und Alt« und das »Hochzeitsmärchen
für Jung und Alt« zählen zum Schönsten, was G. als Illustrator geschaffen.
Wie in der Illustration, so bekundete er auch in den zahlreichen Adressen,
Diplomen und Ehrenurkunden, die er für die verschiedensten Gelegenheiten
lieferte, reichste Erfindungsgabe gepaart mit entzückender Anmuth des Em-
pfindens und immer neuer poetischer Gestaltungskraft. Der Zug zum Sinnigen
und Innigen, der so tief in dem Wesen des Künstlers begründet war, treibt
auch hier die holdesten Blüthen. Es sei nur auf seinen reizvoll umrahmten
Glückwunsch zur goldenen Hochzeit des Hohenzollern-Sigmaringen'schen Fürsten-
paares hingewiesen, sowie auf die ebenso geistreich wie schwungvoll durch-
geführte Adresse, die er für den Kölner Dombauverein zum 90. Geburtstage
Kaiser W^ilhelms gemalt hat. Den feinen Sinn Air das decorative Element,
den diese Schöpfungen im Kleinen spiegeln, finden wir im Grossen wieder
in einer Reihe von Wandmalereien für Privathäuser in Düsseldorf (die Wand-
gemälde im Cafc$ Central!), Barmen und anderen Städten. Eben diese so
reich entwickelte Seite seines Talentes war es auch, die G. zum gefeierten
Schöpfer jener glänzenden Feste des Düsseldorfer Malkastens werden Hess.
Da stiegen unter den Händen des Meisters die goldenen Märchen zur Erde
nieder und die kühnsten Träume der Phantasie wurden lebendige Wirklich-
22 •
340
Gehrts,
keit. Aber auch in diesem Schaffen blieb er stets der ganze Künstler, der
Alles mit dem verklärenden Band harmonischer Schönheit umwob. — So
entwickelte er mit rasüosem Eifer eine erstaunlich vielseitige Thätigkeit; eine
unbezähmbare Arbeitslust beseelte den Unermüdlichen, und über der Arbeit
wuchs sein Können, immer höher ging der Sonnenflug seines Genius, höchsten
Zielen zu. Das Jahr 1882 brachte ihm die Möglichkeit, ein solches zu er-
reichen. Es wurde eine Concurrenz um die Wandgemälde des Treppenhauses
der Düsseldorfer Kunsthalle ausgeschrieben. Nach langem heissen Ringen —
erst im Jahre 1885 fiel die Entscheidung — ging G. als Sieger aus dem
Kampfe hervor. Die Düsseldorfer Fresken, die er nach eingehendsten Studien
und Vorarbeiten in siebenjähriger mühevollster Arbeit im Juli 1897 vollendete,
sind das Hauptwerk seines Lebens geworden, die Krone seiner Kunst, die
sich hier in ihrer ganzen herrlichen Grösse offenbart. Die Bilder schildern
die Geschicke der Kunst im Wechsel der Zeiten in sechs grösseren Wand-
gemälden und 16 Lünetten. Die letzteren, die in geistvoller und feinsinniger
Weise die Schicksale der Kunst in märchenhafter Erzählung darstellen, ge-
hören zu den hervorragendsten Schöpfungen der monumentalen Malerei unseres
Jahrhunderts. Sie sind, in durchaus selbständigem Stile ausgeführt, ureigenste
Offenbarungen des Genies. Eine der Lünetten vergegenwärtigt uns die Auf-
richtung der Kunst durch das Christenthum. In Lumpen gehüllt, von Allen
verachtet und verschmäht, liegt der Genius abseits am Wege. Da naht in der
Morgendämmerung die heilige Familie, und das Christkind hebt voll Mitleid
die arme Verlassene zu sich empor. Es ist ein Bild von ergreifender Schön-
heit und Lieblichkeit. Die grösseren Wandgemälde behandeln die einzelnen
Kunstepochen. Von mächtigster Wirkung sind besonders die beiden Haupt-
bilder an den Langseiten des Treppenhauses: die höchste Blüthe der Kunst
im Alterthum und in der Renaissance. Der ganze Freskencyklus ist ein W^erk
allerersten Ranges voll Gedankentiefe und Poesie, das bei jedem Empfäng-
lichen immer wieder helle Begeisterung hervorrufen wird und seinem Schöpfer
unvergänglichen Ruhm sichert. Die Vollendung der Bilder war ein Ereigniss
in der Geschichte der Stadt Düsseldorf, Alles jubelte dem Meister zu, und
die Künstlerschaft veranstaltete ihm und seinem Werk zu Ehren im Malkasten
ein strahlendes Fest. Für ihn selbst aber gab es keine Ruhe noch Rast,
winkte doch der höchsten Sehnsucht seines Lebens, einmal fiir seine Vater-
stadt Hamburg mit dem Besten seiner Kunst etwas wahrhaft Grosses zu
schaffen, jetzt endlich glück verheissende Erfüllung. Nachdem er bereits den
Bürgerschaftssaal des neuen Hamburger Rathhauses mit drei kunstvoll ent-
worfenen Glasfenstern geschmückt hatte, wurde er im Verein mit Friedrich
Geselschap zur Concurrenz um die Ausmalung des grossen Festsaales daselbst
berufen. Mit fieberhaftem Eifer wandte er sich der neuen Aufgabe zu, selbst
die Nächte zu Hilfe nehmend. Die Entwürfe, in denen er die hervor-
ragendsten Momente der Hamburgischen Geschichte in streng epischem Stile
bearbeitete, versprachen das Höchste. Doch kurz vor der Vollendung versiegte
plötzlich die Kraft. Ein schweres Nervenleiden, das schon früher an seiner
Gesundheit gezehrt hatte, befiel ihn mit neuer Wucht und ftihrte das Ende
herbei. Es liegt eine erschütternde Tragik in diesem Sterben, das einen der
genialsten Künstler von der Höhe des Lebens mitten aus der Fülle seines
l)esten Schaffens in dem Augenblick hin wegraffte, wo das mit verzehrender
Sehnsucht erstrebte Ziel so nahe vor ihm lag. — Die Kunst hat Unersetz-
liches mit G. verloren. Wie reich das Werk seines Lebens war, das haben
Gehrts. Otto. Krantz.
341
die in Düsseldorf, Hamburg und in der Nationalgalerie 2U Berlin veranstalteten
Sonderausstellungen seiner Schöpfungen bewiesen. G. war ein echt deutsches
Gemüth, ein treuherziger, edler Mensch, lauteren Wesens und von grösster
Reinheit der Gesinnung. Nun ruht er, der im Leben keine Ruhe kannte,
»im ewigen Frieden«. — »Auch das Schöne muss sterben«! Seine Werke
aber werden dauern und mit dem Sonnenschein ihrer Schönheit immer wieder
Menschenherzen beglücken.
Quellen: »Daheim«, Jg. 35, 1899, Nr. 2 (Karl Gehrts. Ein Erinnerungsblatt von
Adolf Rosen berg. Bildniss!); »Die Kunst für Alle«, Jg. 3, Hft. 7 u. 8, Jg. 13, Hft. 5 (Die
Düsseldorfer Fresken) u. Hft. 22, Jg. 14, Hft. 9 u. 12 (Karl Gehrts-Heft !) ; »Deutsche
Kunst«, hrsg. v. G. Malkowsky, 1898, Nr. 21; 1899, Nr. 8 (Gehrts-Ausstellung in Düssel-
dorf); »Kunstchronik«, Beiblatt zur Zeitschr. für bildende Kunst, N. F., Jg. 9, 1898, S. 520/21 ;
»Illustrirte Zeitung« v. 28. Juli 1898 (Bildniss!); »Hamburgischer Corrcspondent« , Ab.-Ausg.
V. 21. Juli 1898; »Hamburger Nachrichten«, Morgen-Ausg. v. 20. Juli 1898; »General-
Anzeiger für Düsseldorf«, v. 20. u. 22. Juli 1898: »Vossische Zeitung«, Morgen-Ausg. v.
30. April 1899 (Gehrts-Ausstellung in Berlin); »Kölnische Zeitung«, Ab.-Ausg. v. 20. Juli
1898 u. V. 25. Januar 1899; W. Schleicher, Treppenhaus - Fresken von Karl Gehrts
(Publikation der Kunsthalle zu Düsseldorf).
Job. Sass.
Otto, Carl, Generaldirector der Lebensversicherungs- Gesellschaft zu
Leipzig, * 24. August 1844 zu Neustedt bei Coburg, f am 31. März 1898,
studierte in Göttingen und Berlin vorzugsweise Mathematik. Die Absicht,
Lehrer zu werden, musste er aufgeben, da es sich herausstellte, dass er ein
Lungenleiden hatte. Er widmete sich daher dem Versicherungswesen und
trat am i. December 1869 als Correspondent in die Dienste der Leipziger
Lebensversicherungsgesellschaft, in denen er rasch vorwärts kam, bis er im
März 1894 vom Verwaltungsrath zum Generaldirector ernannt wurde. Er
galt als eine grosse Autorität nicht bloss bei seiner eigenen Gesellschaft und
ihren Organen, sondern in allen Kreisen, die mit dem Versicherungswesen
in Deutschland zu thun haben. Man rühmt ihm nach, dass er »die Eigen-
schaften und Fähigkeiten eines hervorragend tüchtigen Geschäftsmannes und
Organisators mit einer tiefgehenden vollkommenen Kenntniss der technischen
Seite seines Berufes in sich vereinigte«. In Anerkennung seiner Leistungen
wurde Otto im October 1896 in den Kgl. Preussischen Versicherungsbeirath
berufen und später in die Conferenz zur Berathung der Grundzüge für das
geplante Reichsversicherungsgesetz. Von seiner reichgesegneten Arbeit wurde
er durch sein altes Lungenleiden, das einen jähen Verlauf nahm, vorzeitig im
54. Lebensjahr abgerufen.
Vgl. Monatsblätter: Mittheilungen der Lebensversicherungs>Gesellschaft zu Leipzig.
1898. No. 129,
H. A. Lier.
Krantz, Eugen, Tonkünstler und Director des Königl. Konservatoriums
in Dresden, * am 13. September 1844 in Dresden, f am 26. Mai 1898 in
Gohrisch bei Königstein, war der Sohn des Portraitmalers Moritz K. Auf
der ersten Bürgerschule und der Neustädter Realschule seiner Vaterstadt vor-
gebildet, studierte er am Dresdener Conservatorium Musik. Seine erste feste
Anstellung fand er als Korrepetitor am Dresdener Hoftheater, an dem er von
1869 bis 1874 thätig war. Ein vortrefflicher Pianist, stand er vorzüglich in
dem Ruf, ein hervorragender Klavierbegleiter zu sein. Seit dem 19. Januar 1869
war er als Klavierlehrer am Dresdener Conservatorium thätig. Ueber seine
342 Krantz. Vogel.
Methode, die in erster Linie die sorgfältige Entwicklung der Technik und
die systematische Erweckung des musikalischen Gefühls bezweckte, kann man
sich aus seinem »Lehrgang im Klavierunterricht« (Berlin 1882) unterrichten.
Im Jahre 1888 zum Professor der Musik ernannt, erhielt er bald darauf die
artistische Leitung des Conservatoriums und wurde am 4. Juni 1890 Inhaber
und Director desselben. Es gelang ihm, diese Anstalt wieder auf die Höhe
zu heben, die sie zur Zeit Franz Wüllners gehabt hatte. Grosse Verdienste
erwarb er sich auch als Dirigent des Dresdener Lehrergesangvereins, mit dem
er noch kurz vor seinem Tode, am 19. April 1898, die Volkmann 'sehe Messe
zur Aufführung brachte. Von seinen zahlreichen Compositionen wurden nur
zwei Lieder: »Frühlingsgedränge« und »Wiegenlied« veröffentlicht. Als
Musikreferent war K. von 1876 bis 1887 thätig, zuerst an der »Dresdener
Presse« und zuletzt an den »Dresdener Nachrichten«. Auch korrespondirte er
für auswärtige Blätter.
Vgl. Dresdener Kunst, Dresden 1896/97, S. 317 — 319 und 1897/98, S. 595 — 597.—
Dresdener Rundschau, Dresden 1894, No. 3, S. i.
H. A. Lier.
Vogel, Adolf Bernhard, Musikkritiker und Schriftsteller, * in Plauen i. V.
am 3. December 1847, t ^^- ^^^ '^9^ '" Leipzig. V. war der Sohn eines
hochangesehenen Pianofortefabrikanten. Nachdem er das Gymnasium seiner
Vaterstadt besucht hatte, bezog er die Universität Leipzig und widmete sich
an ihr eifrig juristischen und philosophischen Studien. Eine Begegnung mit
Robert Volkmann veranlasste ihn, sich der Musik als Lebensberuf zuzuwenden.
Zu diesem Zweck ging er auf das Leipziger Conservatorium über und fing
se(hr bald unter dem Einfluss H. Zopfs an, sich als Kritiker in Beiträgen für
die »Neue Zeitschrift für Musik« zu versuchen. Seit dem- Jahre 1873 war er
musikalischer Berichterstatter für die »Leipziger Nachrichten« und übernahm
im Jahre 1892 den gleichen Posten an den »Leipziger Neuesten Nachrichten«.
Er stand in dem Rufe eines wirklich berufenen, sehr sachverständigen und
gerechten Kritikers. Nach dem Tode Dr. Schucht's tibernahm er im
Jahre 1894 die Redaction der »Neuen Zeitschrift für Musik«. Auch die
Leipziger »Hlustrirte Zeitung« zählte ihn zu ihren ständigen Mitarbeitern. Trotz
seiner fortlaufenden journalistischen Beschäftigung fand er Zeit, eine Reihe werth-
voller musikalischer Monographien über Rob. Volkmann, über Brahms, Bülow,
Rubinstein, Wagner, Liszt, über Liszt als Lyriker und über die Oper: »Der
Barbier von Bagdad« von Cornelius zu veröffenthchen. Auch componirte er
Klavierstücke zu zwei und vier Händen, gemischte und Männerchöre und
geistliche Lieder. Man rühmt ihm von befreundeter Seite »Lauterkeit des
Charakters und Herzensgüte, eminentes, allgemeines und fachmännisches
Wissen, Sicherheit und Weitsichtigkeit des Urtheils und eine nie versiegende
Arbeitskraft nach«. V., der den Titel eines Professors der Musik von dem
Herzog Ernst von Gotha erhalten hatte, erlag einem schweren Lungenleiden,
gegen das er lange Zeit vergeblich angekämpft hatte. — Ein Verzeichniss
seiner Schriften findet sich in J. Kürschners Deutschem Litteratur-Kalender
auf das Jahr 1898.
Vgl. Neue Zeitschrift für Musik. Leipzig 1898, S. 228. — Signale für die musikalische
Welt. Leipzig 1898, 56. Jahrgang, S. 499. — Dresdener Anzeiger vom 14. Mai 1898.
S. 23.
H. A. Lier.
Küberle. Lehmann.
343
Köberle, Georg, Theaterdirector und Schriftsteller, * am 21. März 18 19
zu Nonnenhorn am Bodensee, f am 7. Juni 1898 in Dresden. K., der Sohn
eines Landmanns und von diesem für denselben Beruf bestimmt, wusste es
durchzusetzen, dass er studiren durfte. Zu diesem Behufe besuchte er das
Gymnasium zu St. Stephan in Augsburg und ging dann auf Zureden der
Jesuiten für mehrere Monate in das Collegio Germanico al Gesu nach Rom.
Doch liess er sich von den Jesuiten nicht halten, sondern wandte sich nach
München, wo er in den Jahren 1839 bis 1845 Geschichte, Philosophie und
Jurisprudenz studirte. Im Jahre 1843 wurde auf dem Münchener Hoftheater
sein erstes Stück: »Die Prätendenten« mit Erfolg aufgeführt. Im August 1845
siedelte er nach Leipzig über, wo bald darauf seine Aufsehen erregende
Schrift: »Aufzeichnungen eines Jesuitenzöglings im deutschen Colleg zu Rom«
erschien. Er arbeitete damals für politische Zeitungen, zog sich aber seit
dem Jahre 1848 von dieser Thätigkeit zurück, um sich ganz ästhetischen
und historischen Studien, sowie dem Theater zu widmen. In den Jahren
1853 bis 1856 leitete er als Director das Theater in Heidelberg, später
wirkte er in gleicher Eigenschaft in Frankfurt a. M., in München und in
Stuttgart. In Folge seiner epochemachenden Schrift: »Die Theaterkrisis im
neuen Deutschen Reich« wurde er im Jahre 1872 vom Grossherzog von
Baden zum Generaldirector des Hoftheaters in Karlsruhe ernannt. Im
Jahre 1879 pensionirt, lebte er seitdem in Wien und zuletzt in Dresden,
ununterbrochen litterarisch thätig. Unter seinen Dramen gilt das Trauerspiel :
»Heinrich IV. von Frankreich«, das in den Jahren 1847 bis 1871 an vielen
Bühnen aufgeführt wurde, als das beste. Viel Zustimmung fand er mit seinen
dramaturgischen Schriften: »Der Verfall der deutschen Schaubühne« und
»Das Drangsal der deutschen Schaubühne«. In der letzten Zeit seines Lebens
schrieb er gelegentlich Aufsätze für den »Kunstwart« von Avenarius sowie für
Hermann Schreyer's »Deutche Dramaturgie«, und betheiligte sich lebhaft an
den Bestrebungen der allgemeinen deutschen Bühnengesellschaft. Seine
Schriften verzeichnet Joseph Kürschner im Deutschen Litteratur-Kalender auf
das Jahr 1898.
Vgl. Ad. Hinricbsen, Das litterarische Deutschland. 2. Aufl., Leipzig 1891, 8°,
Sp. 712. — Neuer Theater- Almanach. Hrgg. von der Genossenschaft Deutscher Btthnen-
Angehöriger, Berlin 1899, 10. Jahrg., S. 171 — 173. — Deutsche Bühnenwelt, Leipzig 1898»
I, S. 148 — 150.
H. A. Lier.
Lehmann, Emil, Rechtsanwalt und Vorkämpfer für die Emancipation
des Juden thums, * in Dresden am 2. Februar 1829, f ebendaselbst
am 25. Februar 1898. L. war der Sohn des jüdischen Kaufmanns
Bonnier Lehmann. Nachdem er die israelitische Gemeindeschule und die
Dresdener Kreuzschule durchgemacht hatte, studirte er in den Jahren 1848
bis 1851 in Leipzig Jurisprudenz. Nach seiner Rückkehr nach Dresden ver-
legte er sich zunächst auf die journalistische Thätigkeit. 8 Jahre lang arbeitete
er für die damals freisinnige »Sächsische Dorfzeitung«. Vor Allem aber war
er im Verein mit den jüdischen Gelehrten Dr. Bernhard Beer, Dr. Zacharias
Frankel und Dr. Wolf Landau bemüht, die Emancipation der Juden verfassungs-
mässig sicher zu stellen. Der Erlass der sächsischen Gesetze vom 3. December
1868, durch den dieses Ziel für Sachsen erreicht wurde, ist im Wesentlichen
auf seine und seiner P'reunde Agitation zurückzuführen. Seit dem Jahre 1863
344
Lehmann. Gleich.
practicirte er in Dresden als Rechtsanwalt und später auch als königlicher
Notar. Es gelang ihm, sich in den weitesten Kreisen seiner Vaterstadt An-
sehen und Vertrauen zu erwerben. Er war nicht nur Jahrzehnte hindurch Vorsteher
der jüdischen Gemeinde und ein geschätztes Mitglied des »Gemeinnützigen
Vereins«, sowie des »Vereins fiir Volkswohl«, sondern hat auch seit dem
Jahre 1865 bis 1883 mit geringer Unterbrechung das Amt eines Stadt-
verordneten und zwar die meiste Zeit davon als 2., beziehentlich i. Vize-
vorsteher bekleidet. Dem sächsischen Landtage gehörte er vom Jahre 1875
bis 1880 als Mitglied der sächsischen Fortschrittspartei an. Erst durch die
in den achtziger Jahren beginnende und immer stärker anwachsende konser-
vativ-antisemitische Strömung wurde er von dem politischen Schauplatz ab-
gedrängt und widmete sich seitdem mit doppeltem Eifer der Vertheidi-
gung des Judenthums gegen die Angriffe seiner Gegner. Seine letzte Arbeit
in dieser Richtung galt der Widerlegung der Angriffe, die L. in dem
»System der Ethik« von Friedrich Paulsen zu finden glaubte. Im Uebrigen
war L. ein Anhänger des reformirten Judenthums und musste deshalb
auch von strenggläubigen Genossen manchen herben Tadel erdulden.
Seine ziemlich zahlreichen Schriften kamen nach seinem Tode gesammelt
heraus.
Vgl. Emil Lehmann, Gesammelte Schriften, hrgg. im Verein mit seinen Kindern
von einem Kreis seiner Freunde. Als Manuscript gedruckt. [Mit Portrait.] Berlin (H. S.
Hermann) 1899. 8«>. S. 1—8.
H. A. Lier.
Gleich, Ferdinand, Componist und Musikschriftsteller, * 17. December 181 6
in Erfurt, f in Langebrück bei Dresden am 22. Mai 1898. G. war der Sohn des
kgl. preussischen Artilleriehauptmanns Dr. Friedrich G., der sich nach seiner
Pensionirung einen Namen als Schriftsteller gemacht hat. Nach dem Besuch
der Leipziger Nicolai-Schule und des Altenburger Gymnasiums studirte er
anfangs in Leipzig Medicin, ging dann in die philosophische Facultät über,
da er sich vorzugsweise der Beschäftigung mit der Musik zu widmen gedachte.
Nachdem er eine Stellung als Hauslehrer in Kurland bekleidet und eine
längere Reise durch Deutschland und Frankreich ausgeführt hatte, nahm er
seinen Wohnsitz in Leipzig, wo er als Componist und Schriftsteller thätig
war. In den Jahren 1864 und 1865 wirkte er als Secretair und Dramaturg
am Kgl. deutschen Landestheater in Prag. Im Jahre 1866 siedelte er nach
Dresden über und gab hier practischen Unterricht in der Harmonie und
Composition, bis ihm im Jahre 1874 ein bescheidener Posten als Musik-
referent an dem »Dresdener Anzeiger« übertragen wurde. Er bekleidete
denselben bis zum Jahre 1895, in dem ihn die Beschwerden des Alters
zwangen, die Feder aus der Hand zu legen. Durch die Verleihung des
Titels eines Professors der Musik von Seiten König Alberts bei Gelegenheit
seines 80. Geburtstages ausgezeichnet, zog er sich auf das Land nach Lange-
brück bei Dresden zurück und lebte hier in aller Stille bis an sein Ende.
Musikalisch durch treffliche Lehrer vorgebildet und durch den Umgang mit
vielen hervorragenden Musikern gefördert, versuchte sich G. selbst auf den
verschiedensten Gebieten der Musik, ohne mit seinen Arbeiten nennenswerthe
Erfolge zu erzielen. Dasselbe gilt von seinen musik-theoretischen Schriften,
unter denen »die Hauptformen der Musik«, das »Handbuch der modernen
Instrumentirung« und der »Wegweiser für Opernfreunde« als die bedeutendsten
Gleich. Böhme. Freudenthal. 24c
angefiihrt werden. Ganz vergessen sind seine ziemlich zahlreichen Romane,
Novellen und Bühnenstücke, während seine Aufsätze zur Geschichte des
Theaters, die unter dem Titel: »Aus der Bühnenwelt«, »Biographische Skizzen
und Charakterbilder« erschienen sind, mancherlei brauchbares Material ent-
halten. Als Musikkritiker stand er den modernen Erscheinungen mit einer
gewissen Reserve gegenüber; doch war er kein schroffer Gegner des Neuen,
sondern wusste sich in seiner concilianten und liebenswürdigen Art, die aus
seinem vortrefflichen Charakter entsprang, auf seine Weise mit ihm abzu-
finden. Ein Verzeichniss seiner Schriften steht in J. Kürschner's Deutschem
Litteratur- Kalender auf das Jahr 1898.
Vgl. den Nekrolog im Dresdener Anzeiger vom 24. Mai 1898, S. 38. — Dresdener
Rundschau 1897, VI, No. 3, S. i (mit Portrait). — Signale für die musikalische Welt,
.S98, 56. Jahrg.. S. 539- H. A. Lier.
Böhme, Franz Magnus, Musikschriftsteller und Theoretiker, * ii.März
1827 zu Willerstedt bei Weimar, f i8. October 1898 in Dresden. B., über
dessen Leben man nähere Nachrichten in der Musikzeitschrift »Urania«,
Jahrgang 1897 Nr. 3, findet, war früher als Lehrer am Hoch'schen Conser-
vatorium in Frankfurt a. M. thätig und privatisirte in den letzten zehn Jahren
seines Lebens in Dresden. Sein bleibendes Verdienst besteht in seinen vierzig
Jahre mit unermüdlichem Fleiss fortgesetzten Forschungen zur Geschichte des
deutschen Volksliedes. Ihm kam es nicht bloss wie den früheren Sammlern
auf den Text der Lieder an, sondern er suchte Wort und Singweise gleich-
massig festzustellen. In Anknüpfung an Ludwig Erks »Liederhort«, den er in
den Jahren 1893 — 94 unter Beihilfe der preussischen Regierung in drei star-
ken Quartbänden . neu herausgab , brachte er eine Sammlung von deutschen
Volksliedern aus einem Zeitraum von etwa tausend Jahren zusammen. Bald
darauf erschienen die »Volksthümlichen Lieder der Deutschen im 18. und
19. Jahrhundert« (Leipzig 1895. 8.) und das Werk: »Deutsches Kinderlied und
Kinderspiel« (Leipzig 1897. 8.). Unter seinen früheren Arbeiten erfreut sich
die »Geschichte des Tanzes in Deutschland« (2 Bde., Leipzig 1886) grossen
Ansehens in Fachkreisen. Auch verdankt man ihm eine kurz und fasslich
dargestellte »Geschichte des Oratoriums« (Gütersloh 1887.). Als Musiker ver-
legte er sich nicht ohne Erfolg auf die Composition von geistlichen und welt-
lichen Chorliedem. Kurz vor seinem Tode vermachte er der Kgl. öflfentlichen
Bibliothek zu Dresden seine handschriftliche Sammlung von Volksliedern,
Kinderliedem und Kinderspielen, sowie von vielen bisher noch unverwertheten
Gesängen. Diese Sammlung umfasst 55 Quartanten mit mehr als 16000 Texten
und Melodien und dürfte noch manchem Forscher gute Dienste leisten. Seine
überaus reichhaltige, nachgelassene Bibliothek wurde von List & Franke in
Leipzig erworben und in dem Antiquarischen Verzeichniss Nr. 311 dieser
Firma unter dem Titel: »Geschichte und Theorie der Musik . . . Aus dem
Nachlasse des Herrn Franz Magnus Böhme in Dresden« (Leipzig 1900. 8°)
zum Verkauf gestellt.
Vgl. Dresdner Journal vom 21. Oct. 1898 Nr. 245 S. 1969. — Signale für die musi-
kalische Welt. 1898. 56. Jahrgang, No. 51. — Neue Zeitschrift für Musik. 1898. No. 43,
^''^' H. A. Lier.
Freudenthal, August, Schriftsteller und Dichter, * am 2. September 1851
zu Fallingbostel , f am 6. August 1898 zu Bremen, erst 47 Jahre alt. —
346 Freudenthal. Meier.
Als Sohn eines braven, aber unbemittelten Handwerkers verlebte F. seine
ersten Jugendjahre in Fallingbostel, einem anmuthig im Thale der Böhme
gelegenen Dorfe der Lüneburger Haide, von dem er später singt:
Sei mir gegrüsst, du schönes Thal im walddurch webten Frühlingskleide!
Sei mir gegrüsst viel tausendmal du Paradies im Schoss der Haide!
In seinem zehnten Lebensjahre kam er mit seinen Eltern nach dem Dorfe
Fintel im Amte Soltau, wo sein Grossvater mütterlicherseits Lehrer war
und seine Eltern Landwirthschaft betrieben. F. widmete sich dem Lehrerberufe,
zu dem er von seinem Grossvater vorgebildet wurde. Schon in seinem
sechszehnten Lebensjahre wurde er eine Zeit lang Hauslehrer in Luhmühlen
bei Salzhausen, besuchte dann ein Jahr das Seminar in Stade und war darauf
kurze Zeit in Ringstedt bei Bremerhaven als junger Lehrer thätig. Der Ruf des
Bremer Seminardirektor A. Lübben zog den vorwärtsstrebenden Jüngling 1870
noch einmal auf das Lehrerseminar in Bremen; doch mehr und mehr erwachte
in ihm die Neigung zum journalistischen Berufe ; er gab deshalb den Lehrerberuf
auf und wandte sich seit 1874 ausschliesslich der publicistischen Thätigkeit zu;
seit 1883 war er als Mitredakteur an den »Bremer Nachrichten« thätig.
Aeusseren Erfolg hat ihm aber sein Joumalistenberuf nicht gebracht; er ist im
Gegentheil immer der von der Hand in den Mund lebende arme Litterat
und Schriftsteller gewesen.
Den grössten Ruhm hat sich F. durch eine grosse Anzahl stimmungs-
voller Haidelieder erworben, er trägt deshalb auch mit Recht die Ehrenbezeich-
nung »Haidedichter«. In einer prächtigen Anthologie »Die Haide« sammelte er
auch alle auf die Haide bezüglichen Gedichte , siebzehn darunter von ihm
selbst. In vier Bändchen »Haidefahrten« lieferte F. femer anmuthige, wenn
auch oft etwas breite, Schilderungen seiner an Sonn- und Festtagen unter-
nommenen Streifzüge zwischen Weser und Elbe, auf denen er namentlich
den Kirchen, den Alterthümem, den Hünengräbern und anderem Sehenswerten
seine scharfe Beobachtungsgabe zuwandte. Unter seinen Gedichten ist das
mit dem Anfang »Dat war en Sonndag hell und klar« und dem Refrain »O
schöne Tid, o selige Tid, wo liggst du feern, wo liggst du wied« besonders
durch die Karl Götzesche Melodie ein weit berühmtes und viel gesungenes
Volkslied geworden. Mit seinen dramatischen Arbeiten und Lustspielen
Gott Zufall (1875), Nach Mittemacht (1878), Der Steuerrath (1882) hat F.
weniger Erfolg gehabt. In den letzten Lebensjahren gab der Verstorbene in Ge-
meinschaft mit seinem Bruder Friedrich F. die Zeitschrift »Niedersachsen« heraus,
die ein geistiger Sammelpunkt für die Stammes- und sprachverwandten Gebiete
Nordwest- Deutschlands, für deren Geschichte, Landes- und Volkskunde,
Sprache und Litteratur werden sollte. Nur drei Jahrgänge konnte er leiten,
dann entfiel ihm die Feder für immer.
Vgl. Der Haidedichter August Freudenthal. Eine litterarische Cbarakterski zze von
Gustav Borcherding (Bremen 1899) und No. 29, III. Jahrgang der Zeitschrift »Niedersachsen«.
\V. Wolkenhauer.
Meier, Hermann Henrich, Grosskaufmann und Parlamentarier, * am
16. October 1809 in Bremen, f am 17. November 1898 in Bremen nach
dem vollendeten 89. Lebensjahre. In dem Verstorbenen ist der hochverdiente
Nestor der nationalliberalen Partei, ein hervorragender und erfolgreicher
Kaufmann und eine Zierde der alten Hansestadt Bremen dahingeschieden.
— Schon im zwölften Lebensjahre hatte M. das Unglück, den Vater, der
Meier.
347
ebenfalls ein hochangesehener Kaufmann in Bremen war, zu verlieren. Die
Mutter zog mit ihren Kindern nach Stuttgart, wo Hermann Henrich das
Gymnasium besuchte; hier sass er u. A. mit Mathy und v. Vambüler auf
der Schulbank, mit denen er zeitlebens Duzbrüderschaft bewahrt hat, trotzdem
die Zeit die Männer in politisch feindliche Lager führte. Von Stuttgart kam
M. nach einem Aufenthalt in Orbe in der französischen Schweiz im Jahre
1826 nach Bremen als Lehrling in das väterliche Geschäft H. H. Meier
u. Co., das der spätere Senator Adami als Theilhaber fortführte. Die
Grundlage zu seinen weitreichenden Kenntnissen, namentlich in überseeischen
Dingen, legte M. dann während eines sechsjährigen Aufenthaltes in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika. Im Jahre 1832 ging er nach Boston,
wo er seinen älteren Bruder, Diedr. Aug. Meier, als Agent der Firma ablöste;
am I. Januar 1834 trat er dann als Theilhaber in das Geschäft ein. Im Jahre
1838 kehrte M. von Amerika nach Deutschland zurück, verlebte aber den
Winter 1838 auf 1839 in Paris und dieselbe Zeit von 1840 auf 1841 in
Italien, wo ihn Wissenschaft und Kunst mächtig anzogen. Die zwischen
diesen beiden Wintern liegende Zeit war er in Bremen thätig, wohin er auch
von Italien zurückkehrte. Seit 1 843 mit der Tochter des Bremer Aeltermann
Quentell vermählt, widmete er nun seine Zeit ganz wieder dem Bremer
Geschäft und nahm in seiner Vaterstadt bald eine der geachtetsten kauf-
männischen Stellungen ein. Der Handelskammer und der Bürgerschaft hat
er hier Jahrzehnte lang angehört; der Weg zum Senat (der höchsten bremi-
schen Regierungsbehörde) war ihm versperrt durch die Bestimmung, dass
nicht zwei Brüder gleichzeitig Senatoren sein dürfen ; sein Bruder Johann
Daniel Meier war Mitglied des Senats und später Bürgermeister. Aber auch
ohne die Senatswürde ist M. lange Jahre hindurch, bis die Bürde des Alters
ihn drückte, eine der bewegenden und treibenden Kräfte im bremischen
Staatswesen gewesen, und es ist zum grossen Theil sein Verdienst, dass
Bremen als See- und Handelsstadt ehrenvoll seinen Rang gegenüber der
schweren und drohenden Konkurrenz behauptet hat. Bereits 1846 im Auf-
trage des bremischen Senats nach Berlin gesandt, vermittelte er durch sein
taktvolles Dazwischentreten die Betheiligung der preussischen Regierung
bei der Steam-Navigation-Companie , wodurch das Zustandekommen der
ersten Dampfschiffahrt zwischen Deutschland und Nordamerika gesichert
wurde. Im Jahre 1866 war er wieder im Auftrage seiner Vaterstadt bei
der Regulierung verschiedener Verhältnisse zwischen Hannover vmd Bremen
thätig. Unter den gemeinnützigen Unternehmungen, die untrennbar mit
seinem Namen verbunden sind, seien hier nur genannt: die Bremer Bank,
der Norddeutsche Lloyd und die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Hat auch die unter seiner Leitung im Jahre 1856 gegründete Bremer Bank
keine nationale Bedeutung erlangt (was in den Verhältnissen lag), so ist
sie doch zu ihrem Theil eine bedeutende Stütze des Bremer Handels ge-
worden. Unvergessen bleibt, wie M. es gewesen, der, als 1857 in der
schweren Handelskrisis das baare Geld auszugehen drohte, durch Ver-
mittlung von Londoner Bankiers von der Münze zu Hannover der Bremer
Bank Geld verschaffte, so dass die Baarzahlung aufrecht erhalten bleiben
und die Banknoten ihren vollen Werth behaupten konnten.
Von grosser Bedeutung nicht nur für Bremens Stellung, sondern für
Deutschlands maritime Entwicklung wurde dann die Gründung des Nord-
deutschen Lloyd im Jahre 1857, dessen Vorsitzender Konsul M. ununterbrochen
348 Meyer.
bis zum Jahre 1888 gewesen ist. Jetzt sehen wir diese grosse, angesehene
SchifFahrtsgesellschaft wie eine mächtige Eiche ihre Zweige nach allen Seiten
recken und ihre Entwicklung scheint uns ganz natürlich. Einst aber war
sie ein kleines Bäumchen; es zu pflanzen und gegen die ersten verderben-
drohenden Stürme und Fröste zu schützen, das war die von muthigem
Vertrauen auf die Zukunft getragene That H. H. Meiers und einiger Weniger,
die mit ihm zusammenwirkten.
Auch an der Gründung der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff-
brüchiger im Jahre 1865 betheiligte sich neben Dr. Emminghaus vor Allem
Konsul M. und bis zu seinem Tode ist er 33 Jahre lang ihr Präsident und
Bremen der Sitz der Gesellschaft gewesen ; kaum jemals hat M. eine General-
versammlung dieser Gesellschaft versäumt, die sein Lieblingswerk war, und
(ür die er selbst in Zeiten ausserordentlicher Thätigkeit die erforderliche
Zeit stets erübrigte.
Neben seinem eigenen grossen Waaren- und Rhedereigeschäfte \iidmete
M. seine Thätigkeit noch der Errichtung einer grossen Eisenhütte in der
Nähe von Harzburg im Harz, sowie dem Bau einer Eisenbahn zwischen
Savanilla und Baranquilla in Columbia und der Herstellung zweier deutscher
überseeischer Telegraphenlinien. Noch an zahlreichen anderen Unternehmungen
betheiligte er oder seine Firma sich und zwar gewöhnlich an leitender Stelle.
Dem Hause Seefahrt, das weit über Bremens Grenze durch seine Schaffemahl-
zeit bekannt ist, hat M. viele Jahre vorgestanden.
Auch an dem Deutschen Handelstage, in dessen ständigem Ausschusse
er 1864/65 Vorsitzender war, nahm M. lange Zeit regen Anteil. In München
war er dritter Präsident, während er auf dem Handelstage zu Frankfurt a.
M. im Jahre 1865 als erster Präsident mit Genugthuung den vollständigen
Sieg der freisinnigen Zoll- und Handelspolitik Preussens konstatiren konnte.
Später zog er sich von dem Handelstage zurück, da er ihn nicht mehr für
notwendig hielt.
Bei seiner Regsamkeit und Vielseitigkeit, sowie bei dem ihm eigenen
Sinn für das öffentliche Leben gewann M. schon früh Interesse für das politische
Leben. Im April 1849 wurde er vom Wahlkreis Bremervörde ins Frankfurter
Parlament gewählt, wo er sich der Gagemschen Partei anschloss. Im Jahre
1867 wählte ihn Bremen in den konstituirenden Reichstag und dem ersten
norddeutschen Reichstage gehörte er bis 187 1 an, dann lehnte er eine Wieder-
wahl zunächst ab. Im Jahre 1878 trat er als Vertreter von Schaumburg-I^ippe
wieder in den Reichstag; in den beiden folgenden Legislaturperioden, 1881/84
und 1884/87, hatte er dann wieder das Mandat seiner Vaterstadt inne.
Wirthschaftspolitisch war M. ein unbeugsamer Freihändler, rein politisch
war er dagegen sehr gemässigt. Immer massvoll und versöhnlich in der
Form, entschieden und klar in der Sache, war er eine der fuhrenden
Persönlichkeiten der nationalliberalen Partei, und im Reichstag sowohl wie
in den hohen Beamtenkreisen nahm er eine sehr angesehene Stellung ein.
Insonderheit hat ihm Fürst Bismarck wiederholt seine Hochschätzung bewiesen
und ihm eine unwandelbare Freundschaft erhalten, die selbst durch seinen
Widerstand gegen die Schutzzollgesetzgebung, das Tabaksmonopol, die Samoa-
vorlage und den Zollanschluss nicht litt. Kaiser Wilhelm I. und Kaiser
Wilhelm II. zeichneten M. durch hohe Orden aus; andere Fürsten folgten
diesem Beispiel. Da der kleine republikanische Senat Bremen keine Orden
hat, verlieh ihm der bremische Senat am 28. November 1866 eine Ehrenmedaille
Meier. Kaiserin Elisabeth.
349
mit der Aufschrift: »Bremens hochverdientem Bürger Herm. Henr. Meier.
Der Senat. i866.<c
Grossartig gestalteten sich die Kundgebungen dankbarer Verehrung und
die Auszeichnungen bei der Feier des 80. Geburtstages M.'s am 16. October
1889; nicht nur Bremen, sondern weite auswärtige Kreise, voran der Kaiser
und Fürst Bismarck und eine lange Reihe von Ministem und hochgestellten
Persönlichkeiten, sandten ihm ihre Glückwünsche; die Universität Heidelberg
ehrte M. dadurch, dass sie ihn hon. causa zum Doktor beider Rechte
ernannte. Auch den schönen Tag der goldenen Hochzeit konnte M. noch
feiern und verklärend leuchtete die Abendsonne auf seines langen, reichen
Lebens letzte Jahre. Erst in der allerletzten Zeit verursachte ihm sein hohes
Alter Beschwerden, die ihn davon abhielten, sein reges Interesse an den
öffentlichen Dingen zu bethätigen. Nach kurzer Krankheit ist er schmerzlos und
sanft entschlafen. Seine Gattin konnte ihm die Augen zudrücken, seine beiden
Kinder empfingen seinen letzten Händedruck. Die Theil nähme, die sich
beim Tode M.'s nicht nur in Bremen, sondern überall im deutschen Vaterlande
und über dessen Grenzen hinaus kundgab, legte Zeugniss ab für die hohe
Achtung, die der Verstorbene sich durch sein Wirken zu erringen gewusst
hat. In der Geschichte seiner Vaterstadt und in der Geschichte des Handels
und Verkehrs wird sein Name stets mit Ehren genannt werden.
Vgl. die Nachrufe in den Bremer und allen g^rösseren Tageszeitungen am 19. Nov. 1898
0. f. Tagen: Leipziger lUust. Zeitung, Dezember 1S98 mit Portrait; Franz Ottos Buch
berühmter Kaufleute.
W. Wolkenhauer.
Elisabeth, Kaiserin und Königin von Oesterreich-Ungam^ * München
24. December 1837 *), f Genf, 10. September 1898. Bewunderung und Liebe
errichten E. schon jetzt Denkmäler. Aber das schönste, dauerhafteste
Monument hat sich dies hehre Wesen selbstgemeisselt durch Eigenschaften,
die nur ganz hervorragenden Frauen eigen sind. Es wäre Lobhudelei,
wollten wir behaupten, sie erreiche an welthistorischer Bedeutung eine Maria
Theresia. Dies ist schon deshalb unmöglich, weil E. keine selbststandig
regierende Herrscherin war, ihr also die Gelegenheit fehlte, durch Schöpfungen
zu glänzen, die ihre grosse Vorgängerin kennzeichnen. Doch ihrer Begabung
nach hätte sie gewiss, wäre ihr allein das Scepter zugefallen, unsterbliche
Dinge verrichten können. Alle, die das Glück hatten, ihr näher zu treten,
waren entzückt und nicht allein von ihrer äussern, bestrickenden Erscheinung
— sie galt als eine der schönsten Frauen Europas — , sondern auch durch
den Zauber ihrer geistigen Ueberlegenheit, die den Eindruck machte, dass
man hier einer durch körperliche Reize wie seelische Tugenden gleich aus-
gezeichneten Fürstin gegenüberstehe. Versuchen wir, uns ihr Bild hier in
grossen Zügen zu vergegenwärtigen.
Seit fast sechs Jahrhunderten bestehen schon eheliche Verbindungen
zwischen den Regentenhäusern Habsburg -Lothringen und Witteisbach, Aus
einer Seitenlinie dieses bayerischen Geschlechts stammte denn auch die un-
glückliche Kaiserin und Königin^ Sie war die Zweitälteste Tochter des
Herzogs Max von Bayern, jenes schlichten, äusserst leutseligen, für Kunst
^) Es ist jetzt festgestellt, dass £. nicht, wie bisher allgemein angenommen ward, in
Possenhofen, sondern dass sie in München im herzoglichen Palais in der Ludwigstrasse
um 3/^11 Uhr Nachts geboren wurde.
350
Kaiserin Elisabeth.
und Wissenschaft, besonders aber für die Schönheiten der Natur sich be-
geisternden Mannes. Als Lieblingskind begleitete die junge Prinzessin ihren
Vater häufig bei seinen Wanderungen durch die Berge. Nicht selten ereignete
es sich, dass Vater und Tochter bei solchen Gelegenheiten, unerkannt von
den Bauern, ihnen als »fahrende Musikanten« zu ihren Tanzfestlichkeiten auf
der Zither aufspielten. Von früher Jugend an fiihlte sich daher E. nur wohl
in der Umgebung der Natur; die auch noch so weiten Räume der Paläste
schienen ihr den Athem zu rauben und sie zu beklemmen. Diese Lebens-
weise hat unstreitig den tiefsten Einfluss auf ihre fernere Entwicklung ausge-
übt; sie bietet auch den Schlüssel zur Erklärung manch späterer Vorkomm-
nisse. In steter Berührung mit den herrlichen Bergen und Wäldern, die ihr
eine zweite Heimath waren, wuchs sie als frisches, munteres Mädchen heran.
Die »Rose von Possenhofen«, wie E. auch genannt wurde, fesselte sofort das
empfängliche Herz des jungen Monarchen Franz Joseph L, als er sie, selbst
eine glänzende, ritterliche Gestalt, in seinem 21. Lebensjahre erblickte.
Er konnte sich nicht dem Zauber ihrer Reize entziehen. »Sie oder keine«,
sagte er sich — wie berichtet wird — , als er sie gesehen. Eigentlich war
ihm von der herzoglichen Mutter im Bunde mit Erzherzogin Sophie die ältere
Schwester Helene, die nachmalige Prinzessin von Thum-Taxis, zur Gemahlin
bestimmt worden. Allein die Liebe, die schon manche, fein ausgeheckte
Combination durchkreuzte, triumphirte auch hier über das von Frauenhand
geplante Werk. Obwohl es sicher ist, dass die Verlobung zwischen E. und
Franz Joseph nur Gott Amor zu Wege brachte, erzählt man sich doch auf
verschiedene Art das Zustandekommen dieser Verbindung. Es ist vielleicht
begreiflich, dass über die Entstehungsgeschichte der Ehe zwischen Napoleon L
und Marie Louise nichts vollkommen Verlässliches bekannt wurde. Hatten
doch beide Höfe ein Interesse, vor Mit- und Nachwelt nicht als werbender
Theil aufzutreten, daher das gegenseitige Bestreben, den Ursprung dieser
Ehestiftung, die das grösste Aufsehen erregte, so viel wie möglich zu ver-
dunkeln. Anders lagen die Dinge in unserm Fall. Hier hatte die Politik
nicht die Hand im Spiele, alle Vorgänge konnten demnach klar zu Tage
treten, und trotzdem ist es schon jetzt schwierig, mit aller Bestimmtheit den
wirklichen Thatbestand festzustellen. Der Wahrheit am nächsten dürfte
folgende Erzählung kommen. Am 16. August 1853 war der Kaiser in Ischl
erschienen, wo die Herzogin Ludovica, eine Schwester der Erzherzogin Sophie,
schon seit einigen Tagen mit ihren Töchtern Helene und Elisabeth zum Be-
suche weilte. Die jüngere Prinzessin, die nachmalige Kaiserin upd Königin,
befand sich eben auf einem Spaziergang, als ihr zukünftiger Gatte im Schlosse
anlangte. Als E. heimkehrte, trat sie, wie es ihre Gewohnheit war, unan-
gemeldet in das Zimmer ihrer Tante So])hie, der Mutter des Kaisers. Mit
gerötheten W^angen und einem Bouc^uet wilder Blumen in der Hand, rannte
sie in den Salon. Ohne im Geringsten durch die Anwesenheit des Kaisers
verwirrt zu werden, ging sie auf diesen zu, den sie jetzt zum ersten Mal sah,
aber sofort nach seinem Portrait erkannte, und rief ihm in ihrer treu-
herzigen, liebreizenden Unschuld zu: »Grüss Gott, Cousin«. Diese Worte,
begleitet von einem heitern Blick aus den herrlich blauen Augen der Cousine,
hatten schon ihren erobernden Einzug in das Herz des Kaisers gehalten.
Noch am selben Tag fiel die Entscheidung und obwohl die Erzherzogin
Sophie ihre ursprüngliche Absicht vereitelt sah, w^ar sie doch sofort ent-
schlossen, der Neigung ihres Sohnes kein Hinderniss in den Weg zu legen.
Kaiserin Elisabeth.
351
Am folgenden Tag aber, nach beendeter Messe, führte der Kaiser seine
Cousine an der Hand vor den vom Altar herabschreitenden Priester. »Herr
Pfarrer« — redete er ihn an — »segnen Sie uns, das ist meine Braut.«
Gerne wäre E., selbst als sie schon mit dem kaiserlichen Diadem ge-
schmückt war (die Vermählung hatte April 1854 stattgefunden), auch weiterhin
ihrer Neigung fiir Ungezwungenheit und Natürlichkeit gefolgt, der sie sich
bisher in ihrer Heimath aus vollen Zügen überlassen konnte. So wenig sie
auch sonst der unglücklichen Marie Antoinette ähnelte, hasste sie doch gleich
dieser »Madame Etiquette«, deren strenggebietendem Scepter sie sich nicht
unterwerfen mochte. Bei einem ihrer ersten Staatsdiners streifte sie, gegen
alle Sitte, die Handschuhe ab. Voll Entsetzen machte eine ältere Hofdame
die Kaiserin auf diesen Verstoss aufmerksam. E. fragte, warum dies denn
nicht erlaubt sein solle. »Weil dies eine Abweichung von der Norm be-
deutet«, war die Antwort. »Dann« — entgegnete die Fürstin — »lassen Sie
die Abweichung Norm sein.« Sie, die ursprünglich ihr Ideal nicht darin er-
blickte, nur von einigen auserwählten Familien umgeben, einsam auf ihrem
Throne zu sitzen, gedachte mitten unter das Volk zu treten, das sie liebte
und von dem wieder geliebt zu werden, ihr Ehrgeiz war. So ging sie ein-
mal in den ersten Jahren ihrer Ehe, nur von einer Hofdame begleitet, durch
die Strassen Wiens und begab sich in einen Laden am Graben, Dieses Ver-
gnügen ward ihr sehr bald vergällt. »Ihre Majestät«, zischelte man in ge-
wissen äusserst exclusiven Kreisen, »glaubt offenbar noch in ihren bayerischen
Bergen zu sein und vergisst, dass sie Kaiserin von Oesterreich sei und was
sie der Stellung ihres Mannes schulde.« Noch nicht ganz auf eigenen Füssen
stehend, Hess sich die junge Herrscherin durch solch böswillige Reden ein-
schüchtern. Auf diese Weise wurde in ihre Seele der erste Keim zur Scheu
vor der Oeffentlichkeit gepflanzt. Freilich, die daran Schuldigen entblödeten
sich nicht, sofort wieder zu lästern und zu sagen: »Die Kaiserin vergisst, was
ihre Würde erfordere und dass sie verpflichtet sei, sich so oft als möglich
der Bevölkerung zu zeigen.« Das Unheil, das diese Personen angerichtet,
war geschehen und nicht mehr gut zu machen. Denn als E., gereifter und
selbständiger an Character, nach eigener Einsicht hätte vorgehen können,
war ihr schon die Lust zu unmittelbarer Berührung mit den Menschen ver-
leidet. Sie, in deren Charakter ohnehin eine gewisse angeborene Vorliebe
für das beschauliche Leben schlummerte, hatte schon zu sehr den Genuss
der Einsamkeit lieben gelernt, um ihr nun entsagen zu wollen.
Indem E. sich immer mehr von der Aussenwelt zurückzog, suchte und
fand sie Ersatz für die glänzenden Freuden, die diese bietet, in der Erziehung
ihrer Kinder, die sie aufs Peinlichste überwachte. Bezeichnend sind in dieser
Hinsicht die Worte, die sie an Bischof Rönay richtete, den Lehrer der Erz-
herzogin Valerie: »Ich wünsche der Valerie« — sagte sie diesem — »eine
gute Erziehung zu Theil werden zu lassen. Ich will aus ihr keine Bigotte
machen, aber sie soll religiös sein, damit ihr die Religion Trost zu bieten
vermöge.« So oft es nur die Umstände erlaubten, wohnte die Kaiserin
persönlich dem Unterricht an; war sie verhindert, Hess sie sich nachträglich
über den Verlauf der versäumten Stunden Bericht erstatten. Sie legte Werth
darauf, dass zwischen ihren Kindern und deren Lehrern ein inniges, vertrau-
liches Band sich knüpfe, weil sie solch ein Verhältniss als die Quelle innerer
Herzensbüdung betrachtete. Als die Kinder noch klein waren, sah man E.
schon am frühen Morgen an deren Schlaflager herantreten, um sie durch
9C2 Kaiserin Elisabeth.
einen Kuss zu wecken. Selbst in der Nacht erschien sie öfter bei ihnen, um
ihren Athemzug zu belauschen. War ein oder das andere Kind erkrankt,
dann wollte sie überhaupt nicht von deren Lager weichen, dann bedurfte es
vielen Zuredens, damit sie sich entferne und einige Zeit der Ruhe pflege.
In ihrem Familienkreise war E. eine musterhafte Gattin und Mutter; es war
mehr als höfisch-conventionelle Redeweise, es war aus dem Herzen dringende,
tiefste Würdigung, als der Kaiser, nach dem schrecklichen Tode des Kron-
prinzen, von seiner Gemahlin sagte: »Wie viel ich in diesen schweren Tagen
meiner innigst geliebten Frau, der Kaiserin, zu danken habe, w^elch grosse
Stütze sie mir gewesen, kann ich nicht beschreiben, nicht warm genug aus-
sprechen.«
Wie ernst auch E. die Pflichten einer Gattin und Mutter nahm, ihr reg-
samer Geist suchte auch noch nach anderer Befriedigung. Keine intriguante
Natur, abhold allen Schleichwegen, zu deren Betretung das höflsche Leben
so leicht verlockt und in den meisten Fällen treu den Traditionen der
Wiener Hofburg, dass die Frauen dem Getriebe der Politik ferne bleiben
sollen, mischte sie sich auch nicht in diese. Griff sie aber auch nicht thätig
ein, so glaubte sie doch, sich über den Gang der historischen Ereignisse
unterrichten zu müssen. Es ist bezeichnend für sie, dass sie ihre Kenntniss
vornehmlich aus solchen Schriften zu schöpfen liebte, die von der Polizei
aufs Strengste verboten worden waren, wie z. B. aus: »Ein Blick auf den
anonymen Rückblick« — »Der Zerfall Oesterreichs« — oder Michael Horväths:
»Unabhängigkeitskrieg«. Nur in äusserst seltenen Momenten, wie wir noch
sehen werden, nur in solchen, in denen das Staatsleben die äusserste An-
spannung erforderte, hat sie ihrer sich selbst auferlegten Zurückhaltung ent-
sagt und ihre versöhnliche Stimme ertönen lassen. Ihrem ganzen Wesen
widerstrebte ja die aufregende Beschäftigung mit staatlichen Dingen, wie sie
denn einmal äusserte: »Ich habe zu wenig Respect vor der Politik und er-
achte sie eines Interesses nicht werth.« Sie war keine Maria Ludovica, die,
als dritte Gemahlin des Kaisers Franz, voll leidenschaftlichen Hasses gegen
Napoleon I., den bestimmendsten Einfluss auf die Geschicke des Staates
nahm, und mit der ihr eigenen Energie für den Krieg gegen den corsischen
Eroberer eintrat. E. vermied es eben, hierin einem innern Drange folgend,
activ zu wirken und dadurch ihren Gemahl zu dieser oder jener politischen
Handlung fortzureissen. War es auch nicht die mitunter öde und häufig die
feinsten Empfindungen der Seele verletzende Beschäftigung mit der Politik,
die sie reizte, so widmete sie sich mit um so grösserer Hingebung der ver-
edelnden Pflege der höchsten Erzeugnisse menschlichen Geistes. Die Werke
der Litteratur, diese Ofienbarungen göttlichen Schaffens, zogen sie mit un-
widerstehlicher Kraft an. In den Schöpfungen der tiefsten Denker und
Dichter der Weltlitteratur suchte und fand sie ihre Verjüngung. In diese
ewig erfrischende Quelle tauchte sie immer wieder unter, um gestählt allen
Widerwärtigkeiten Trotz zu bieten. Die Litteratur war fiir sie die Sonnenseite
des Lebens, die einzige des Lebens, die kein Jammerbild bot. Durch schwere
Ereignisse dem Pessimismus ergeben, bildete die Versenkung in die Werke
der Geistesheroen ein starkes und gesundes Gegengewicht. Hervorragende
Männer, denen es vergönnt war, sie kennen zu lernen, waren überrascht von
der Fülle ihrer Kenntnisse. »Um mit der Kaiserin zu sprechen« — äusserte
einmal Hasenauer — »muss man gut in Geschichte, Kunst und Wissenschaft
beschlagen sein; es ist staunenswerth, was sie Alles weiss.« Mit Vorliebe las
Kaiserin Elisabeth.
353
sie Voltaire, Rousseau, Lamartine, und wie mir von gut informirter Seite be-
stätigt wurde, hat sie den ganzen Schopenhauer ins Neugriechische trefflich
übersetzt — eine Leistung, die nicht nur einer Frau, sondern die auch jedem
Manne zur Ehre gereichen würde. Shakespeare erregte ihre ganze Bewunderung.
Gründlich kannte sie Goethe und Schiller. Aber ihr eigentlicher Dichter,
dessen Poesien für sie einen unverwüstlichen Reiz besassen und zu dem sie
immer wieder zurückkehrte, war Heine. Auf das Grab dieses in Paris bei-
gesetzten Poeten Hess sie einen Kranz niederlegen, dessen Bandschleifen die
Aufschrift trugen: »Kaiserin Elisabeth ihrem Lieblingsdichter«. Bekannt ist
es auch, dass sie ihr entzückend schönes Achilleion auf Corfu mit seinem
Denkmal zierte. Ihr, die erhaben über dem kleinlichen Gezanke der Menschen
stand, war es unbegreiflich, wie religiöser Hass die Verblendung so weit
treiben konnte, um diesem ihrem Lieblingsdichter die Errichtung eines Monu-
mentes in Deutschland zu verweigern, dessen Litteratur er mit so herrlichen
Werken bereichert hatte. Man muss selbst eine ungemein poetisch veranlagte
Natur sein, um einem Dichter so tiefe, grenzenlose Verehrung zu zollen, wie
E. sie für Heine hegte. Hat sie vielleicht sogar selbst die Geheimnisse ihres
Innern, die Gefühle, die sie bewegten, in die Form der Dichtung um-
gesetzt? Bis jetzt sind von ihr nur zwei Gedichte in die Oeflfentlichkeit
gedrungen. Das eine, das von besonders zarter Empfindung zeugt, befindet
sich auf dem Marienbilde am Jainzen bei Ischl. Man wird jedoch ihre
Geistesrichtung nach ihrem vollen Umfang würdigen lernen, wenn erst einmal
Briefe und sonstige Aufzeichnungen von ihrer Hand, die noch hinter Schloss
und Riegel liegen, bekannt sein werden. Aus diesen Schriften wird man
dann sicher ihre Begeisterung für alles Erhabene erfahren, die wir bisher nur
bruchstückweise kennen. In welcher Gestalt immer ihr ein gewaltiger Geist
entgegentrat, freudig und neidlos brachte sie ihm ihre Huldigung dar. Wie
sehr auch sonst Napoleon I. Wesen ihr fremd war, vor der historischen Be-
deutung dieses Mannes verschloss sie nicht die Augen. Offen sprach sie
ihre Bewunderung für dieses mächtigste Genie der neuem Zeit aus und in
Paris äusserte sie über ihn, damit ein richtiges Urtheil über seine Wirksam-
keit fällend: »Welch ein grosser Mann war das! Schade nur, dass er nach
dem Kaiserthum Verlangen trug.« Diese Verehrung für alles Grandiose war
ihr zur zweiten Natur geworden. Kleinliches, Niedriges hasste sie, wie sie
denn lieber schwieg, wenn sie nichts zu sagen wusste, was über das gewöhn-
liche Niveau hinausreichte — hierin durchaus abweichend von der Sitte der
Höfe, wo die Sprache des Alltäglichen so leicht überwuchert. Die Pflege
der Schöpfungen gewaltiger Geister war für sie ein Bedürfniss, um ihren
eigenen Geist in der gleichen Richtung weiterzuentwickeln. Für sie war
Kunst und Wissenschaft nie etwas Fertiges, Abgeschlossenes, das nur formal
aufzunehmen sei. Wer den Dichter, Künstler oder den Gelehrten nicht voll-
kommen erfasste und durch sie nicht zu selbständigen Gedanken angeregt
wurde, war in den Augen E.s ungebildeter als der einfachste Mann aus dem
Volke, der wenigstens die Fähigkeit besass, sich in ungebrochener Kraft seinen
eigenen Empfindungen zu überlassen. Deshalb unterschied sie sehr wohl
zwischen Cultur und Civilisation. E., die selbst viel gelernt und deren
Forschungstrieb nie ermüdete, ergab sich mitunter auch der Rousseau'schen
Sehnsucht nach Rückkehr zur Natur, die alles überflüssige Wissen über Bord
zu werfen wünschte. Derartige Ansichten hörte man aber nur selten aus
ihrem Munde. Im Ganzen ermass sie vollkommen die hohe Bedeutung von
Bfogr. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. 2X
354
Kaiserin Elisabeth.
Kunst und Wissenschaft für das Leben der Völker. Vermöge ihrer Stellung
wäre sie eigentlich berufen gewesen, selbst die Stifterin einer grossen literarisch-
künstlerischen Periode zu werden, die dann für immer mit ihrem Namen ver-
bunden geblieben wäre. Sie suchte auch wohl, junge Talente ausfindig zu
machen und zu unterstützen, wie denn so Mancher von ihr gefördert in Rom
arbeitete. Auch sammelte sie selbst herrliche Bilder und Skulpturen. Aber
es war ganz gegen ihre Gemüthsbeschaffenheit, tiefer einzugreifen; ihrer
ganzen Anlage nach war sie mehr geeignet, geistig zu geniessen, als selbst
anzuregen, wodurch sie um den Ruhm kam, die Begründerin einer hervor-
ragenden Kunstepoche zu werden. Das ist auch ein tragisches Moment in
ihrem Leben.
Sagte auch E., dass sie wenig Respect vor der Politik habe und diese
keines Interesses werth erachte, so ist sie doch Ungarn gegenüber diesem
Grundsatz untreu geworden. Ihr ganzes Verhältniss zu Ungarn ist so eigen-
thümlich und lässt die Kaiserin, in ihrer Eigenschaft als Königin von Ungarn,
in Umrissen hervortreten, die bei ihrer Charakteristik unmöglich mit Still-
schweigen übergangen werden können. Sie half das Band zwischen Thron
und Nation aufs Innigste knüpfen; zumal in traurigen Tagen, die nun für
alle Zeiten der Vergangenheit angehören, hat sie wie ein wahrer Friedens-
engel gewirkt. Unvergessen bleibt es ihr bei den Ungarn, dass sie, als in
Folge der 1866 er Ereignisse Oesterreich auf dem Sprunge stand, auch Italien
zu verlieren, zu Graf Julius Andrässy sagte: »Wenn die Dinge in Italien schief
gehen, so schmerzt es mich, wenn es aber in Ungarn Unheil giebt, tödtet es
mich.« Eben so weiss man ihr Dank dafür, dass sie, auf düstere Vorgänge
des Jahres 1849 anspielend, zu dem aus der Verbannung eben heimgekehrten
Geschichtsschreiber Bischof Michael Horväth äusserte: »Glauben Sie mir,
wenn es in unserer Macht stünde, mein Mann und ich wären die Ersten,
die Ludwig Batthyäny und die Arader Blutzeugen ins Leben zurückrufen
würden.« E. wird denn auch in Ungarn wie eine »wahre göttliche Frau«,
wie der schützende Geist der Nation verehrt.
Man darf aber wohl die Frage aufwerfen, wie es denn kam, dass diese,
fern von Ungarn geborene Fürstin, an deren Ohr in ihrer Kindheit nie der
Klang der ungarischen Sprache gedrungen, sich so rasch und in so hohem
Maasse für dieses Land begeisterte. Dieses Räthsel ist nur auf psychologischem
Wege zu lösen. Als E. die Stätte des Wiener Hofes betrat, in dessen Mitte
sie von nun an zu leben hatte, begegnete sie da einer für Ungarn sehr un-
freundlichen Stimmung. Noch lebte Alles unter dem frischen Eindrucke der
Auflehnung des ungarischen Volkes gegen die Fesseln, die ihm despotisch
gesinnte Staatsmänner hatten auferlegen wollen, denen jedwede Regung frei-
heitlichen Geistes ein Gräuel war. Die junge Monarchin hörte nur stets in
ungünstigster Weise über die Unterthanen jenseits der Leitha urtheilen. Als
selbstständig denkender Kopf, der alles nach eigenem Wissen prüft, entschloss
sie sich, diesen Dingen näher zu treten, um sich aus eigener Anschauung zu
überzeugen, ob diese vielfach geschmähten Ungarn denn auch wirklich so
arg seien, wie man sie bei ihr anzuschwärzen suchte. Mit ihren hellsehenden,
bis auf den Grund blickenden Augen bot sich ihrem Geiste sehr bald ein
wesentlich anderes Bild, als es ihr gezeichnet worden. Sie fühlte sich rasch
von dem ritterlichen, treuseligen und offenherzigen Wesen der Ungarn ge-
fesselt, von Eigenschaften, die mit ihrem eigenen Charakter harmonirten.
Vollends überzeugte sie der glänzende Empfang, der ihr an der Seite des
Kaiserin Elisabeth.
355
hohen Gemahls bei einer Rundreise durch Ungarn zu theil wurde. Musste
sie sich nicht sagen, dass Männer, die ihre Herrscher, auch wenn sie noch
nicht gekrönt sind, in solch jubelnder Weise begrüssten, wie dies 1857 der
Fall war, nicht von Natur aus Rebellen sein könnten, sondern dass sie erst
der Zwang der Ereignisse zu solchen gemacht haben müsse. Sie erkannte,
dass in den Unterthanen der heiligen Stephanskrone ein mächtig pulsirendes
dynastisches Gefühl lebendig sei und nur verfehlte Staatskunst den Fürsten
um diesen edlen Schatz in den Herzen seiner Völker zu bringen vermöge.
Von dieser Erkenntniss war der Weg nicht mehr weit zum Vorsatz, bei erster
Gelegenheit die Versöhnung zwischen König und Nation aus aller Macht zu
fördern. Daher ist es auch zu erklären, dass sie sich mit einem Ernst, der
vor keinem Hinderniss zurückschreckt, der Erlernung des schweren ungarischen
Idioms widmete. Durch die Sprache, die ja auf die Menschen gleich einer
Zauberkraft wirkt, wollte sie sich das innerste Wesen der Nation erschliessen,
die tiefsten Einblicke in dessen Herz eröffhen. Hier ist sie dem Beispiel
einiger dem habsburgischen Hause angehörigen Mitglieder gefolgt. So waren
Maximilian I. und Mathias II. des Ungarischen mächtig; desgleichen Maximilian
und Ferdinand, die Söhne Ferdinand I., der überdies noch den Ständen den
Schutz ihrer nationalen Sprache zusicherte. Grosse Fertigkeit darin hatten
von Maria Theresias Kindern nur noch deren jüngste Söhne Karl und Ferdinand
erlangt. Doch sie Alle hat E. übertrofFen, denn nach dem einstimmigen
Zeugniss der Personen, die in der Lage waren, dies beurtheilen zu können,
hat sie das Ungarische nicht nur vollkommen beherrscht, sondern es
wie eine im Lande selbst Geborene gehandhabt. Jökai war überrascht von
ihrem accentlosen Gebrauch seiner Muttersprache ; sie bediente sich derselben,
lautet seine Aussage, wie eine ferme Frau aus der Gentry und nicht so
affectirt, wie die meisten Damen der ungarischen Aristokratie es mit absicht-
licher Vorliebe zu thun pflegen. Auch mit ihrem Gemahl, dem Kronprinzen
Rudolf und der Erzherzogin Valerie liebte es E. in dieser Sprache zu ver-
kehren. Ihr erster ungarischer Lehrer war Homoky, ein alter behäbiger
Piarist. In trockener, viel eher abstossender, als anziehender Weise führte er
seine hohe Schülerin in die Geheimnisse der von ihm zu unterrichtenden
Sprache ein. Aber selbst diese trockene Methode vermochte nicht, die
Kaiserin von ihrem Ziele abzulenken. »Mussten Sie« — fragte sie einmal
in spätem Jahren einen Herrn, dessen Lehrer Homoky im Theresianum ge-
wesen — »auch so viel schreiben, wie ich, dass mir die Finger knackten?«
Unter der Leitung dieses Mannes hatte die Kaiserin wohl die Grammatik er-
lernt und konnte Bücher leichterer Art verstehen. Aber das genügte nicht:
sie wollte ihren Styl vervollkommnen und mit der Literatur der Ungarn
bekannt werden. Dazu reichte Homokys Führung nicht aus. Mit der neuen
Aufgabe, der Kaiserin den w^ahren Geist der [ungarischen Sprache zu ver-
dolmetschen, wurde daher der damals in Wien lebende geistvolle Publicist
Dr. Max Falk, der jetzige Reichstagsabgeordnete und Chefredacteur des
»Pester Lloyd« betraut. Er hat die Zeit die er als Lehrer, in der Nähe der
Kaiserin verbracht, in seinen »Rückerinnerungen« geschildert, die zu dem
Interessantesten und Fesselndsten gehören, das wir über E. besitzen. Falk
fasste seine Stellung sofort in anderer Weise auf als Homoky. Er geleitete
die Kaiserin an die Quelle selbst, indem er sie zur Lektüre der besten un-
garischen Schriftsteller anregte. Gleichzeitig trug er ihr in lebendigen Worten
die Geschichte der Nation vor, den grössten Nachdruck auf die neuere Periode
23«
^c6 Kaiserin Elisabeth.
legend. Ausserdem gab er ihr den gerade von Arneth publicierten französischen
Briefwechsel zwischen Joseph II. und Katharina II. von Russland zum über-
setzen, der, vermöge seines Inhalts, keine Langeweile aufkommen Hess. Falk
war ganz entzückt von dem Fleiss und der fast pedantischen Pünktlichkeit,
mit der E. sowohl während als ausserhalb der Stunden thätig war. Unmittel-
bar vor der Krönung zur Königin von Ungarn im Jahre 1867 hörte der
Unterricht auf, der sie nur noch mehr in ihrer Liebe für dieses Reich be-
stärkt hatte. Der Jubel, mit dem sie empfangen wurde, so oft sie nach
Budapest kam, berührte sie stets aufs Angenehmste. Wo immer sie auch
weilte, fühlte sie sich als Herrscherin dieses Landes. Das kam insbesondere
zum Ausdruck, als sie gegen Ende der 80 er Jahre in Gastein weilte. Sie
hatte mit ihrer Hofdame, der Gräfin Majläth, einen Ausflug auf den Gams-
karkogl unternommen, auf dessen First sich ein Schutzhaus befindet. In
das dort aufliegende Fremdenbuch schrieb die Gräfin: »Elisabeth, Kaiserin
von Oesterreich«. Als die hohe Frau dies las, streifte sie ihren Handschuh
ab, ergriff die Feder und setzte unter ihren bereits von der Hofdame ein-
getragenen Namen noch die Worte: »Erzsdbet, magyar kirälynd« (»Elisabeth,
ungarische Königin«). Sich nicht bloss als Kaiserin von Oesterreich, sondern
auch als Königin von Ungarn betrachtend, that ihr daher nichts weher, als
wenn sie Missstimmung zwischen ihrem Mann und seinen ungarischen Ministem
gewahrte, wie dies einmal aus Anlass der sogenannten kroatischen Schilder-
frage der Fall war. Der damalige Ministerpräsident Koloman Tisza forderte,
dass das von den Kroaten herabgerissene und in solcher Weise beleidigte ungarische
Wappen zur Genugthuung unter militärischen Ehrenbezeugungen wieder auf
seinen früheren Platz zurückgebracht werde. Davon wollte der Kaiser, dem
dies gegen das Gesetz zu Verstössen schien, absolut nichts hören. Sowohl
Tisza als seine Collegen rechneten schon mit ihrem Sturze. Wie erstaunt
aber waren sie, als der Monarch, den der Antrag Tiszas sehr erregt hatte,
am nächsten Tag heiter lächelnd und in froher Laune seine Zustimmung
hierzu ertheilte. Unbedingt musste sich etwas Ausserordentliches hinter den
(joulissen zugetragen haben. In der That wurde gleich damals erzählt, E.
hätte mittlerweile besänftigend auf ihren kaiserlichen Gemahl eingewirkt und
ihn zur Nachgiebigkeit bewogen, wodurch sie dem Lande jedenfalls eine in
seinen Folgen unberechenbare Erschütterung erspart hatte. Den ganzen
Schatz ihrer Zuneigung für Ungarn offenbarte die Kaiserin beim Tode Deäks,
den sie immer als den Weisen der Nation verehrte. Im Januar des Jahres 1876
war dieser grösste ungarische Staatsmann, der Führer seines Volkes, schwer
erkrankt. Als E. am 25. von München nach Ofen kam, war die erste Frage,
die sie schon in der Vorhalle des Schlosses an Bischof Ronay richtete: »Wie
befindet sich Deäk?« damit ihre tiefe und aufrichtige Theilnahme bekundend.
Eine Thräne des Schmerzes erzitterte in ihrem Auge, als sie am Morgen des
29. Januar die Trauerbotschaft vom Ableben Deäks erfuhr. Sofort war sie
entschlossen, persönlich auf den Sarg dieses Mannes einen Kranz niederzu-
legen. Eine Scene tiefergreifender Tragik, wie geschaffen für den Pinsel des
Malers, bot sich allen Anwesenden, als Ungarns edle Königin vor dem Sarge
niederkniete, um für den grossen Todten auch noch ein Gebet zu verrichten.
Selten wurde wohl ein einfacher Bürger in so erhebender Weise geehrt.
Voll Dankbarkeit hüten auch die Ungarn die Erinnerung an diesen Vorgang,
der sie stets zu flammender Begeisterung für ihre Dynastie wachruft. So ward
¥.. durch ihre Persönlichkeit, selbst noch über das Grab hinaus, eine Quelle
Kaiserin Elisabeth.
357
der Stärkung und des innigen Zusammenhanges zwischen Krone und Volk. —
E. war sich vollkommen klar darüber, dass sie durch ihre ganze Art, zu leben,
gegen die hergebrachte Anschauung Verstösse. Sie kümmerte sich auch wenig
darum, dass sie dadurch, wie sie sich ausdrückt, die »Schubladenordnung« der
Menschen störe. Von dem, was sie einmal als richtig befunden, konnte sie
Niemand mehr abbringen. Ein durchaus selbstständiger Charakter, wollte sie
sich durch keine wie immer geartete Macht eines Andern unterjochen lassen.
Mit wahrer Wonne sog sie die Luft der Freiheit ein, die in diesem Maasse
zu gemessen, selbst gekrönten Häuptern nur selten vergönnt ist. E. erhob
sich weit über alle Bedenken, die ihr das Urtheil Dritter einflössen könnte.
Sie wusste sehr gut, dass ihr von Vielen die leidenschaftliche Liebe für die
Reitkunst missdeutet werde, die ihr das Epitheton der »Amazone von
Oesterreich-Ungarn« eintrug. Aber der Tadel, der gegen sie laut wurde,
Hess sie kalt, w^eil sie die Pflege dieses Sports, auch ein Zeichen ihrer Viel-
seitigkeit, für vollkommen gerechtfertigt hielt. Ihrer Gesundheit wegen stieg
sie zu Pferde, vielleicht dabei auch an den Ausspruch der Diane de Poitiers
denkend, dass das Angesicht einer Reiterin am Morgen vom Himmelsthau,
dem besten aller Jungbrunnen, benetzt werde. Nach ihrem eigenen Geständniss
jedoch ritt sie, um Missstimmungen der Seele niederzukämpfen. Anfangs nur
ihres körperlichen Behagens wegen betrieben, lernte sie allmählich während
der Ausübung ihre eigene Kraft über das Pferd kennen und unter der Hand
entwickelte sich ihre Fertigkeit zur vielbewunderten Virtuosität. Alle, die
sie je reiten gesehen, nennen sie eine herrliche Erscheinung zu Pferde. Selbst
in England, dem klassischen Boden der Reitkunst, wurde ihre Kühnheit und
Bravour bewundert. Mit Leichtigkeit sprengte sie, die jederzeit hohen per-
sönlichen Muth bekundete, bei Jagden über Hindernisse hinweg, vor denen
selbst die gewandtesten und unerschrockensten Reiter Halt machten. Sie war
in dieser Kunst immer vom Glück begünstigt. Als sie jedoch in Frankreich,
auf dem Schloss zu Sassetöt weilte, hätte sie ihre Verachtung aller Gefahren
bald sehr bitter gebüsst. Aber der Unfall, der sie hier betroffen, minderte
nicht im Mindesten ihre Leidenschaft. Sie entsagte derselben erst, als neur-
algische Fussschmerzen sie dazu zwangen. E. hat jedoch nicht nur als
Reiterin, sondern in gewissem Sinne auch als Dauergängerin zu Fuss Berühmt-
heit erlangt. Es ist bekannt, wie sie in dieser Beziehung an ihren Körper
die grössten Anforderungen stellte und keine Ermüdung kannte. Sie durfte
sich diesen und noch manchen andern Sport gestatten, da man nicht sagen
kann, dass sie darin vollkommen aufgegangen sei. Die Vorliebe fiir diese
Lebensweise hat ihr nicht, wie so vielen Andern, die Zeit zur Ausbildung
des Geistes geraubt, dem sie viele Stunden des Tages, selbst auf ihren
Spaziergängen, widmete. Sie pflegte die Kunst des Reitens und des Gehens,
w'eil sie in ihnen, nächst Mitteln zur Stärkung ihres Körpers, auch die ge-
eigneten Handhaben zur Flucht vor den Menschen in die Einsamkeit erblickte.
Deshalb suchte sie so gerne die Ferne auf. Aus ihrer allerdings schon krank-
haften Meidung der Berührung mit der Aussenwelt darf aber nicht geschlossen
werden, dass sie sich dem Schicksal ihrer Mitmenschen gegenüber theilnahms-
los verhielt. Was wir von ihr wissen, spricht und zeugt für das Gegen theil.
Auf ihre Veranlassung wurde dem bei der Armee als Strafausmaass üblichen
grausamen Spiessruthenlaufen ein Ende gemacht. War sie nicht bestrebt, die
Lage der arbeitenden Frau zu verbessern? Wie human benahm sie sich in
den Spitälern, die sie zur Kriegszeit aufsuchte! Nur ein fiir die Leiden der
358
Kaiserin Elisabeth.
Menschen offenes Herz konnte den armen, verwundeten Kriegem in so
rührender Weise Trost zusprechen, wie sie es that. Zahllos ist die Reihe
der Züge, die den edlen mildthätigen Sinn der Kaiserin verkünden. Ihren
Leuten war sie die beste und mildeste Herrin. Sie konnte wohl zürnen,
wovon zumal die Kammerfrau, die mit der Pflege ihres selten reichen
Haarwuchses betraut war, zu erzählen wusste. Aber nie vergass sie sich
soweit, um ihren Lippen ein heftiges und allzu lautes Wort entschlüpfen zu
lassen. Sprach sie doch immer nur leise, denn ihrer Anschauung nach zer-
splittert man zu viel innere Kraft, wenn man fortgesetzt erhobenen Tones
redet.
Diese selbst für den Geringsten der Menschen warm empfindende
Frau ward vom herbsten Schicksalschlag ereilt, der ein Mutterherz treffen
kann. In der Blüte der Jahre, mit seltenen Geistesgaben ausgestattet, kam
ihr Sohn, Kronprinz Rudolf, ums Leben. Seitdem war sie die schwergebeugte
Mater dolorosa und seit diesem Tage hüllte sie sich in tiefe Trauer, noch
mehr denn je die Aussen weit meidend. Gram und Schmerz nagten innerlich
an ihr. Betrübende Nachrichten über ihren Gesundheitszustand drangen an
die Oeffentlichkeit, die das Aeusserste befiirchten Hessen. Als sie sich nach
einer Kur in Nauheim wieder wohler fühlte und in den herrlichen Bergen
der Schweiz volle Genesung suchte, nahte ihr der Mörder Lucheni,
um ihrem Dasein für immer ein jähes Ende zu bereiten. Wer hätte ahnen
können, dass es einen Verruchten gäbe, der gerade dieses Opfer für seinen
Mordstahl erwählen würde? diese Frau, die niemanden je ein Leid gethan,
die die Tugend der Milde und des Wohlwollens zierte, die fem jeder des-
potischen Neigung war, die ein offenes, männliches Wort, selbst wenn es ver-
letzte, viel eher vertrug, als niedrige Schmeichelei! Selbst dieser fanatische
Lucheni musste, als er die Wahrheit über E. erfuhr, überwältigt von den
Tugenden der Kaiserin, gestehen: »Hätte ich das Alles gewusst, so würde
ich mir ein anderes Opfer ausgesucht haben«.
Der Tod hat uns E. nur noch in verklärterer Gestalt vor Augen geführt
und dadurch den Verlust noch fühlbarer gemacht. Man kann wohl sagen:
das Andenken an die Kaiserin und Königin E., dieses Ideal einer edlen,
grossen Frauenseele, wird nie erkalten.
Litteratur: Constantin von Wurzbach: »Das Elisabethenbuch« 1854, und des-
selben Verfassers: »Biographisches Lexikon«, 6 Bd. Ronay: »Naplo-töredek« (Tagebuch-
Bruchstück) 6. Bd. 1875. Dieses Werk, das aus 8 Bd. besteht, wurde in nur 10 Exem-
plaren als Manuscript gedruckt. Benda: »Perlen«, Troppau, 1879. Vasili: »Societe de
Vienne«, 1884. August von Almstein: »Ein flüchtiger Zug nach dem Orient«, Wien
1887. K6nyi: »Deäk Ferencz beszedei« (Die Reden Franz Deaks) 3. und 4. Bd. 1889.
Eugen Baron d'Albon: »Unsere Kaiserin«, Wien, 1890. Ernest Tissot: »Le livrc
de reines«, Paris, 1896. Albert Perquer: »Une villegiature imperiale en pays de Caux«,
Paris, 1897. »Szdzadok« (Jahrhunderte) 1898, VIII. Heft. Falk Miksa: »Erzsebet
kiralyneröl. Visszaemlekezcsek« (Max Falk: »Von der Königin Elisabeth, Rtickerinnerungen«)
Budapest, 1898. »Franz Joseph I. und seine Zeit«, herausgegeben von J. Schnitzer,
Wien 1898. F. A. Dorfmeister: »Kaiserin Elisabeth von Oesterreich« , Wien, 1S98.
Peter CarlNovacek: »Erinnerungen an Kaiserin Elisabeth aus dem Jahre 1866. Aus
meinem Tagebuch«. (Feuilleton). L. K. Nolston: »Ein Andenken an weil. Kaiserin und
Königin Elisabeth«, Wien 1898. Dieses Buch bildet eine Sammlung der in verschiedenen
Zeitungen über Elisabeth erschienenen Feuilletons. Ausser den da angeführten wäre noch
zu erwähnen: C. v. Z. (Zdekausr): »Erinnerungen an Kaiserin Elisabeth«, Prager Tagblatt,
24. Sept 1898. — ibid. 16. Oct. 1898: Dr. A. Heine: »Kaiserin Elisabeth in England
und Irland. — Alfred Nossig: »Villa Pregny«, Neue Freie Presse, 10 Sept. 1899. Leo
Smolle: »Unsere Kaiserin«. (Ein Nachruf) 1898. A. de Burgh: »Elisabeth, empress of
Kaiserin Elisabeth. Graf Kälnoky. ^cq
Austria«c, London 1899. »The Martyrdom of an Empress« (Anonym erschienen.)
London und New-York, 1899. Helene Oksza (Ziemialkovska): >Impressions et Souvenirs,
Vienne 1899,
Eduard Wertheimer.
Kälnoky von Köröspatak, Gustav, Graf, österreichischer Staatsmann,
* am 29. December 1832 zu Lettowitz m Mähren, f am 13. Februar 1898
zu Prödlitz in Mähren.
Auf einer massigen Anhöhe oberhalb des Marktfleckens Lettowitz erhebt
sich, in das fruchtbare Gelände hinauslugend, das gleichnamige Schloss, der
Geburtsort des Grafen Kälnoky. Die Familie stammt aus Siebenbürgen, wo
die daselbst ansässige Linie des Geschlechts erst vor wenigen Jahren aus-
starb; die Herrschaft Lettowitz kam erst durch die Ehe des Grossvaters des
späteren Ministers mit der Erbtochter des Grafen Blümegen, eines Ministers
der Kaiserin Maria Theresia, an seine jetzigen Herren. Der Vater K.'s ver-
mählte sich mit der Erbtochter der Grafen Schrattenbach, die ihm das Gut
Prödlitz zubrachte. Aus ihrer östlichen Heimath wohl brachten die K.'s das
Reiterblut mit, welches den künftigen Diplomaten ebenso wie seine beiden
Brüder bestimmte, sich dem Dienste in der österreichischen Cavallerie zu
widmen. Dahin zielte auch die Erziehung im väterlichen Hause, wo eine
Reihe rasch wechselnder Hofmeister, unter denen sich kurze Zeit auch der
Benedictiner Beda Dudik, der Geschichtsschreiber seiner mährischen Heimath,
befand, den Knaben die Anfänge der Bildung, darunter etwas Latein, bei-
brachten. Was ihm in der Jugend nicht geboten war, holte K. später durch
eifrige Lembegierde nach; als er am 31. October 1849, kaum 17 jährig, in
die Armee eintrat, war er vor Allem ein trefflicher Reiter, der es bald, am
I.Januar 1852, zum Oberlieutenant brachte. Eine seltene Gelenkigkeit des
Körpers und unermüdliche Uebung machten ihn zu den gewagtesten Reiter-
stücken fähig, eine Gabe, die er durch den Unterricht in dem Wiener mili-
tärischen Reitlehr 'Institute erhöhte. Hier sah ihn, als er gerade eine Probe
seiner Kunst zu Pferde ablegte, Kaiser Franz Josef zum ersten Male; und
scherzhaft bemeikte der Kaiser viele Jahre später: »Noch nie lernte ein
Monarch seinen Minister des Aeussem in der Situation kennen, wie ich
den Grafen K. Ich kam gerade dazu, als er zu Pferd ein Saltomortale
machte.« Indessen befriedigte diese Thätigkeit den jungen Offizier, der
ernste Studien zu treiben begann, nicht, und es erwachte in ihm die Ab-
sicht, sich der Diplomatie zuzuwenden. Seine Vorgesetzten indessen wollten
ihn dem Dienste in der kaiserlichen Cavallerie erhalten, und es wurde ihm,
wenn er bliebe, schon mit 21 Jahren die Beförderung zum Rittmeister
und die Stelle eines Lehrers in dem kaiserlichen Reitinstitute in Aussicht
gestellt; auch verhielt sich der Minister des Aeussem, Graf Buol, anfänglich
seinem Wunsche gegenüber ablehnend. Eines Tages aber brach sich bei
einer Parade auf dem Glacis zu Wien aus einem unbedeutenden Anlasse bei
ihm der endgiltige Entschluss Bahn; er ritt unmittelbar von der Uebung in
das Ministerium des Aeussem, übergab sein Pferd in dem stillen, vornehmen
Hofe einem über sein ungewohntes Gebahren erstaunten Diener und stieg
die Treppen hinauf, um seine Bitte durch persönliche Vorstellungen zu unter-
stützen. Er setzte seine Absicht durch, erhielt jedoch von seinen militärischen
Vorgesetzten nicht den erbetenen einjährigen Urlaub und musste sich, wäh-
rend er Vormittags Dienst that, Nachmittags zur Diplomaten prüfung vorbe-
^öo Graf Kalnoky.
reiten, die er im Juli 1854 ablegte. Nach kurzer Vorschule bei der Ge-
sandtschaft in München (October 1854 bis Juni 1856) und in Berlin (bis
December 1859) kam er als Legationssecretär und seit 1866 als Legations-
rath nach London, wo eine zwölfjährige Thätigkeit seine Anschauungen und
sein Wesen entscheidend formte.
K. war ein systematischer Kopf und so arbeitete er an sich und an
seiner Erziehung nach einer festen Methode, um die Lücken seiner Bildung
zu ergänzen: er beschäftigte sich der Reihe nach mit der Geschichte und
Litteratur jeder einzelnen der europäischen Staaten, bis er genügend in den
Stoff und gleichzeitig in die betreffende Sprache eingedrungen zu sein glaubte;
dann wandte er sich dem nächsten Studium zu. Er war ein starker Leser
und Arbeiter, und so fand er Zeit, auch ein Talent zu üben, das mehreren
Mitgliedern seiner Faniilie eigen war: er zeichnete und malte mit Feinheit,
und sein Urtheil als Bilderkenner und -liebhaber übte sich an den reichen
Kunstschätzen Londons. Humoristische Stoffe behandelte er geschmackvoll
mit dem Stifte und mit dem Pinsel; eine Reihe solcher Blätter stellt die Er-
lebnisse und betrüblichen Erfahrungen eines österreichischen Staatsangehörigen
dar, der bemüssigt ist, seine Angelegenheit auf der Botschaft zu London zu
betreiben. Dazu hatte er eine Neigung für schöne und seltene Drucke, deren
er in Berlin und London eine kleine, aber ausgewählte Sammlung zu Stande
brachte; später sah er sich veranlasst, diesen Besitz in Paris versteigern zu
lassen. Aus dem reichen gesellschaftlichen Leben Londons brachte er die
Gemessenheit und äussere Kälte mit, welche später an ihm so oft befremdete.
Den fremden Diplomaten, die nach London kamen, wurde damals als Lehre
mitgegeben, die englische Aristokratie lasse sich am ehesten durch einen ge-
wissen Hochmuth des Ausländers imponiren, auf den sie ja gerne von ol)en
herabsehe; K. musste sich keinen Zwang anthun, um diesen äusseren Schein
zu erwecken.
Im diplomatischen Dienste errang er sich bald Anerkennung, da sein
Chef, Botschafter Graf Apponyi, ein Mann der alten Schule war, der ehren-
haft, aber etwas ängstlich an seinem Legationsrathe die beste Stütze fand.
Die von K. in Vertretung Apponyis geschriebenen Berichte machten im aus-
wärtigen Amte zu Wien durch ihre Sorgfalt und phrasenlose Präcision den
besten Eindruck. Kaiser Franz Joseph selbst sprach sich damals zu dem
älteren Bruder K.'s anerkennend über sie aus. Neben K. wirkte zu jener Zeit
Ernst V. Plener, der spätere Führer der deutschen Linken, als Legations-
secretär; die beiden Männer schlössen sich, wiewohl K. neun Jahre älter war,
enge an einander, da sie sich durch den Ernst ihres Wesens und die Gründ-
lichkeit der von ihnen betriebenen Studien vielfach ergänzten und gegen-
seitig förderten.
Im April 187 1 sandte Beust den bereits erprobten jungen Diplomaten
nach Rom und betraute ihn dort als ausserordentlichen Gesandten und be-
vollmächtigten Minister mit der Leitung der Botschaft beim päptlichen Stuhle.
Die Beziehungen zur Curie gestalteten sich in Folge der von Oesterreich voll-
zogenen Lösung des Concordats unfreundlich. Graf K., von streng conser-
vativen Anschauungen erfüllt, stimmte nicht ganz mit der Politik des Nach-
folgers Beusts, des Grafen Andrassy, überein, und es trat bald eine Art Bruch
zwischen ihnen ein, da, wie es heisst, der Minister von K. eine bestimmtere
Haltung in den schwebenden . Fragen verlangte, dieser dagegen eine versöhn-
liche Haltung gegenüber dem römischen Stuhle für angezeigt hielt. Der
Graf Kälnoky. 361
Gegensatz spitzte sich schärfer zu, K. reichte seine Entlassung ein und wurde
am 21. Mai in Disponibilität versetzt. Wohl wurde er im Februar 1874 zum
Gesandten in Kopenhagen ernannt, auf dem bekannten Auslugposten der
europäischen Diplomatie, von wo bei den verwandtschaftlichen Beziehungen
der dänischen Königsfamilie mit den Höfen von St. Petersburg und London
viel zu sehen und zu berichten ist; indessen stellte sich zwischen ihm und seinem
damaligen Chef niemals volles Einverständniss her, wenn Graf Andrassy auch
ohne weiteres anerkannte, K. gehöre zu seinen verlässlichsten Mitarbeitern.
Noch mehr erkannte dies der Kaiser an, der einmal an dem Rande eines Be-
richtes K.'s die Bemerkung machte: es sei schade, dass eine solche Kraft
nicht voll ausgenützt werde.
Als nun im Juli 1879 der Botschafter in St. Petersburg, Freiherr
v. Langenau, erkrankte und bei dem damals drohenden Zusammenstosse
der österreichischen und russischen Politik auf der Balkanhalbinsel ein
Interregnum zu St. Petersburg unthunlich schien, schlug Andrassy dem
Grafen K., der sich damals zufällig in Wien befand, vor, provisorisch
die Leitung der Botschaft mit dem Range eines Gesandten zu übernehmen;
er machte aber kein Hehl daraus, dass er nicht die Absicht habe, ihn
endgiltig auf diesem Posten zu belassen. K. willigte ein mit dem Bemerken,
er ergreife gerne die Gelegenheit, die russischen Verhältnisse eine Zeit lang
von der Nähe aus zu beobachten. Damals war die Stellung Andrassys
bereits ins Wanken gekommen. Er trat unmittelbar nach Abschluss des
Bündnisses mit Deutschland, im October 1879 vom Amte zurück; sein Nach-
folger Freiherr v. Haymerle war mit K. eng befreundet, schlug seine Fähig-
keiten hoch an, und so ergab es sich von selbst, dass er bereits im Januar 1880
zum Botschafter in St. Petersburg ernannt wurde. Ebenso wie die übrigen
Leiter der österreichisch -ungarischen Missionen im Auslande verabschiedete
sich auch K. von seinem Chef durch ein Schreiben (vom 20. October
1879), ^^^ welchem Graf Andrassy später sagte, es sei das Gescheiteste von
allen gewesen, die er aus diesem Anlasse erhalten hatte. Wiewohl die
beiden Männer persönlich nicht zum Besten standen, sind doch die Worte
hoher Anerkennung, die K. dem scheidenden Minister, dem Schöpfer des
Bündnisses mit Deutschland, der zudem Bosnien dem Reiche erworben hatte,
widmete, ohne Zweifel aufrichtig gemeint und wohlverdient. K. bedauert
zuvörderst, dass Andrassy »an dem Entschlüsse festgehalten habe, die mit
so grossem Glänze an der Spitze der Monarchie eingenommene Stellung zu
verlassen, in welcher, um nur die Eine nicht hoch genug anzuschlagende
Leistung hervorzuheben, Euer Excellenz in schlagender Weise die für das
Reich so wichtige Frage gelöst haben: ob bei unserer dualistischen Gestal-
tung eine Grossmachtspolitik, eine einheitliche Action überhaupt möglich sei.
Lange schon hat der Kaiserstaat nicht das Ansehen und den Ein-
fluss genossen, wie seitdem Euer Excellenz, gestützt durch das feste Vertrauen
des Kaisers, in der gewandten und zielbewussten Hand die Leitung des
Staates concentrirt haben.« Eine Grossmachtspolitik — so fährt er dann
fort — sei die Bedingung für das Gedeihen der Monarchie. »Fehlt der
Impuls zu einem gemeinsamen Ziele, der treibende Staatsgedanke, der die
vielfältigen heterogenen Elemente in einer bleibenden Bewegung erhält, so
tritt eine faule Stagnation ein, die selbst zur Zersetzung führen kann.« Sodann
giebt K. einem Gedanken Ausdruck, der ihn bis an seinen Tod be-
schäftigte, wenn auch die Umstände seine Ausführung verhinderten. »Für
o^2 Graf Kälnoky.
eine Grossmachtspolitik jedoch ist eine stramme, einheitliche oberste Leitung
unentbehrlich, und zwar als bleibende verfassungsmässige Institution. Wir
brauchen einen Reichskanzler. — Es wäre ja nicht notwendig, dass dadurch
der dualistischen Gestaltung, der selbständigen Stellung der beiden Reichshälften
irgendwie nahegetreten werde, dieselbe sollte im Gegentheil dadurch befestigt
werden, dass ein Reichskanzler das Reichsinteresse zu wahren habe und da-
für verantwortlich gemacht werden kann Die Zukunft birgt manch
ernste Gefahren. Oesterreich-Ungam braucht sie nicht zu fürchten, wenn es
einig und entschlossen ist im Wollen und im Handeln. Treten die Gefahren
näher, so muss die Führung des Reiches Einer Hand anvertraut werden.
Und dann ergiebt sich der Reichskanzler von selbst.« Graf K. spricht die
Hoffnung aus, es werde dem Grafen Andrassy dereinst beschieden sein, der
Träger dieser Reform zu werden. Noch viele Jahre später äusserte K., wie-
wohl sich sein Gegensatz zu Andrassy später noch schärfer zuspitzte, die
Ueberzeugung, gerade er wäre der geeignetste Mann gewesen, die staats-
rechtliche Entwicklung der Monarchie in solcher Weise abzuschliessen. Als
er selbst Minister wurde, liessen nähere Sorgen die Ausführung des Planes
nicht zu, mit dem er sich immer wieder beschäftigte.
Als Botschafter in St. Petersburg empfand K. die Abneigung Gortschakows
gegen die Politik Oesterreich-Ungams, welches auf die im Berliner Vertrage
vorgeschriebene Räumung der Balkanhalbinsel von den russischen Truppen
bestand. Schon damals half der russische Kanzler die Verbindung Russlands
und Frankreichs gegen die Centralmächte anknüpfen. K. verfolgte nun stets
die Politik, auf der Ausführung des Berliner Vertrages zu bestehen, dabei
jedoch die Empfindlichkeit Russlands möglichst zu schonen; es war und blieb
das Ziel seiner Wirksamkeit, ein friedliches Abkommen mit der nordischen
Macht zur Lösung der Balkanfrage zu vereinbaren, und dies umsomehr, als
er im Januar 1880 bei der Durchreise nach Petersburg den Fürsten Bismarck
in Berlin sprach und sich von der entschiedenen Absicht des Kanzlers tiber-
zeugte, die Verbindung mit Russland zu pflegen und sie nur ungern und im
äussersten Nothfalle dem Bündnisse mit Oesterreich zu opfern. Wälirend der
Mission K.'s in St. Petersburg kam ein wichtiger diplomatischer Akt zu Stande,
an dem K. hervorragenden Antheil nahm; zwischen Oesterreich-Ungam und
Russland wurde ein Abkommen getroffen, in dem sie sich unter Versicherung
ihrer friedlichen Absicht bedeutungsvolle Zugeständnisse machten ; der Wiener
Hof versprach der Vereinigung Bulgariens und Ostrumeliens zuzustimmen, »si
eile se faisait par la force des choses« ; dagegen wurde es Oesterreich-Ungam
freigestellt, Bosnien und die Herzegowina der Monarchie förmlich einzuver-
leiben, wenn sie dies für angezeigt tände. Zudem wurde in Bezug auf einen
streitigen Punkt des Meerengen- Vertrages eine Russland günstige Auslegung
vereinbart.
Der Minister des Aeussem, Freiherr von Haymerle wurde nach kurzer
Amtsthätigkeit am 10. October 1881 durch einen jähen Tod hinweggerafft.''
Kurz vorher hatte K. einen Urlaub zum Besuche Wiens erhalten; er machte
aber jetzt davon keinen Gebrauch, um nicht den Anschein zu erwecken, als
ob er sich um das Amt eines Ministers bewerbe. Bald erhielt er jedoch
ein amtliches Schreiben, des Inhalts, er sei zum Nachfolger Haymerles be-
stimmt. Er antwortete, dass er sich durch seine 27jährigen Erfahrungen
im auswärtigen Dienste und seine Kenntniss der europäischen Höfe dem
diplomatischen Theile dieser Aufgabe wohl gewachsen fühle, er gebe jedoch
Graf Kalnoky. 363
ZU bedenken, dass er den inneren Verhältnissen des Reiches durch seine
lange Abwesenheit femestehe, dass er keine Stütze in den Parlamenten, keine
Anlehnung an den massgebenden Parteien besitze; für die Lösung innerer
Conflicte bringe er nicht die notwendigen Fähigkeiten mit. Der Kaiser
liess diese Bedenken nicht gelten, und er wurde am 20. November 1881
mit dem Amte eines Ministers des kaiserlichen Hauses und des Aeussern
und mit dem Vorsitze im gemeinsamen Ministerrathe betraut.
In der ersten Periode seiner Amtswirksamkeit — bis zur Vertreibung des
Fürsten Alexander von Bulgarien (November 1881 bis August 1886) — war seine
Bemühung vorzugsweise darauf gerichtet, das Bündniss mit Deutschland zu be-
festigen und dabei einem Conflikte mit Russland vorzubeugen. Er fand auf dem
Balkan eine ungünstige Lage vor: den Sultan noch aufgeregt über den Verlust
Bosniens ; Serbien und Montenegro erbittert darüber, dass durch den Anfall Bos-
niens an Oesterreich die Gründung eines grossserbischen Staates unmöglich ge-
machtwar; Bulgarien unzufrieden, weil Oesterreich-Ungam nebst England bewirkt
hatte, dass dem jungen Staate im Berliner Vertrage die engsten Grenzen gesetzt
wurden. In Rumänien war die Actionspartei noch immer stark und von Hass
zumal gegen Ungarn erfüllt; wagte doch der Bürgermeister von Jassy 1883 in
Gegenwart des Königs einen Toast auszubringen, in dem mit Hinblick auf die
von Rumänen bewohnten Gebiete Oesterreich-Ungarns die Hoffnung ausge-
sprochen ward, diese Perlen würden einst das Diadem des rumänischen Königs
schmücken. Allgemach besserte sich die Lage Oesterreich-Ungarns, nicht
zum Wenigsten durch die zähe Geduld und ruhige Festigkeit K.'s. Es
gelang zuerst, den 1882 zum König erhobenen Beherrscher Serbiens auf die
Seite Oesterreichs herüberzuziehen. Bald näherte sich auch König Carol von
Rumänien den Centralmächten, half die Actionspartei in seinem Lande be-
schwichtigen und anlässlich der Reise des Königs nach Berlin und Wien im
August 1883 nahm die Annäherung Rumäniens an Deutschland und Oester-
reich-Ungam festere Formen an. Dazu erhob sich der Conflict zwischen
Russland und Alexander von Bulgarien zu grosser Schärfe. Hier aber ging
K. mit grösster Vorsicht zu Werke. Er enthielt sich jeder Förderung oder
Begünstigung des Battenbergers, ging darin bis zur äussersten Grenze der
Nachgiebigkeit gegen Russland und beruhigte so die Empfindlichkeit des
Czars, der den 1881 abgeschlossenen und 1884 abgelaufenen Vertrag mit
Oesterreich-Ungarn für 3 Jahre verlängerte.
Schon damals nun setzten die Kritiker der Politik K.'s bei der bul-
garischen Frage an und hoben hervor, er verzichte ohne Noth auf alle Initiative
in der orientalischen Frage und verlasse damit den Weg, den Graf Andrassy
mit der Occupation Bosniens betreten hatte. K. aber liess sich, um Oester-
reich-Ungam vor einem Kriege mit Russland zu bewahren, von seiner Politik
der Vertragstreue nicht abdrängen. Freilich konnte Oesterreich-Ungarn ihre
Frucht, die förmliche Einverleibung Bosniens nicht pflücken, da Russland aus
Abneigung gegen den unabhängig gesinnten Fürsten Alexander von Bulgarien
die Vergrösserung seines Landes durch Ostrumelien nicht zugeben wollte; und
damit entfiel auch die Oesterreich zugesagte Gegenleistung.
Mitten in diese schwankenden Zustände fiel der Staatsstreich von
Philippopel (18. September 1885) und die Vereinigimg Ostrumeliens mit
Bulgarien. Es war der erste Einbruch in das Berliner Vertragswerk. Unter
dem ersten Eindrucke dieses unerwarteten Ereignisses erwachte in Wien me
Jn St. Petersburg das Misstrauen, man habe von der andern Seite die Revo-
264 Graf Kälnoky.
lution gefördert. Bald stellte sich heraus, dass Russland auf dem Balkan
eine empfindliche Schlappe erlitten hatte, und da K. den Verdacht der Zwei-
deutigkeit von sich abwehren wollte, erklärte er sich, obwohl die Schafiung
eines unabhängigen Bulgarien dem österreichischen Interesse entsprach, aufs
Formellste gegen den revolutionären Act, blieb sorgfältig auf der Linie der
correcten Auslegung des Berliner Vertrages und nannte in der Rede vom
7. November 1885 die Führer der grossl)ulgarischen Bewegung Streber, deren
Vorgehen, wenn verallgemeinert, die Anarchie auf der Balkanhalbinsel zur
Folge haben müsse. Ja, als König Milan unklug genug war, sich zum Schützer
der Autorität des Sultans und des auf dem Balkan bedrohten Gleichgewichtes
aufzuwerfen, und Bulgarien angriff, wurde er zwar von Oesterreich-Ungani
vor dem Losschlagen gewarnt; er sah aber die ausgesprochenen Sympathien
des Wiener Cabinets auf seiner Seite und wurde auch thatsächlich nach der
bei Slivnitza erlittenen Niederlage durch die Autorität Oesterreich-Ungams
vor einer Demüthigung durch Bulgarien geschützt : der österreichisch-ungarische
Gesandte in Serbien, Graf KhevenhüUer, erschien im Lager Alexanders und
verlangte im Namen Kaiser Franz Josefs, dass der Bulgarenfürst seinen Sieges-
zug auf serbischem Gebiete einstelle und die Waffen niederlege.
Die Politik K.'s fand nun den entschiedensten Gegner an dem Grafen
Andrassy. Dieser vom Geiste kühner Initiative erfüllte Staatsmann betrachtete
die Occupation Bosniens lediglich als den Beginn einer weit ausgreifenden
Orientpolitik Oesterreich-Ungams und hielt eine solche für wesentlich ge-
fördert durch den Bund mit Deutschland, nach dessen Abschlüsse er Kaiser
Franz Josef eröffnet hatte: »nun sind Euerer Majestät die Thore zum Orient er-
öffnet.« Er hatte bei seinem Rücktritte vom Amte angenommen, er werde
nochmals zur Leitung der auswärtigen Angelegenheiten berufen werden, eine
Hoffnung, die sich allerdings beim Tode Haymerle's nicht erfüllte. Der Kaiser
äusserte sich, die Gaben Andrassy's und K.'s abwägend dahin, der un-
garische Staatsmann sei geeigneter, in einer Zeit zu wirken, da ein politischer
Knoten zerhauen werden müsse, K.'s dagegen, wenn ein solcher behut-
sam zu lösen sei. Jetzt, im Herbste 1886, reichte Andrassy eine Denk-
schrift über die orientalische Frage ein, die herben Tadel gegen die Politik
K.'s aussprach. Er fand, dass seine Nachfolger sich die Freiheit des Handelns
durch das mit Russland geschlossene Uebereinkommen eingeengt hätten.
Solche Abmachungen mit Russland seien nach seiner Ansicht ganz zu ver-
meiden, da Oesterreich dadurch gehindert werde, seine Ziele auf der Balkan-
halbinsel mit Kraft und Entschlossenheit zu verfolgen. Wenn die Monarchie,
die sich ja auf Deutschland stützen könne, ihre Interessen mit Nachdruck
und ohne gerade Russland herauszufordern, wahre, so werde sich dieses be-
scheiden müssen und es ebenso wenig wie 1879, auf einen Waffenkampf an-
kommen lassen. Jetzt sei der Augenblick zum Handeln gekommen; denn es
sei für Oesterreich-Ungarn höchst werthvoll, dass Bulgarien seine Verbindung
mit Russland gelöst habe, um sich selbstständig zu machen. In solchen Be-
strebungen seien die Balkanstaaten auf das Kräftigste zu unterstützen; indem
Oesterreich-Ungarn auf diese Weise als Hort der Unabhängigkeit des Balkans
auftrete, könne es dessen Völkerschaften enger an sich knüpfen.
Diesen Einwendungen begegnete K. durch die Erinnerung an die That-
sache, dass auch Andrassy seine Erfolge durch Vereinbarungen mit Russland
vorbereitet habe, vorerst durch das seit 1871 gepflegte sogenannte Drei-
kaiser-Bündniss und später durch die Abmachung von 1876; auf Grund der
Graf Kalnoky. 2 65
letzteren konnte Russland den Angriff gegen die Türkei wagen, Oesterreich-
Ungam aber die Erwerbung Bosniens für gesichert halten. Die Politik der
Nachfolger Andrassy's bewege sich auf derselben Linie. K. versicherte übrigens,
dass, wenn Russland sich je Über die Verträge hinwegsetzen sollte, es
auch ihm an Festigkeit in der Abwxhr nicht fehlen werde. — Es wäre ver-
lockend, des Näheren auszuführen, wie bei dieser Discussion der beiden
hervorragendsten Staatsmänner Oesterreich-Ungams jener Zeit die zwei ver-
schiedenen Methoden erwogen wurden, nach denen die Politik der Monarchie
im Orient geführt werden kann: entweder im Einvernehmen mit Russland,
oder aber in kühnem Ausgreifen auf der Balkanhalbinsel, wodurch freilich
die Gefahr eines Krieges unmittelbar nahegerückt wurde.
Sehr bald fand K. Gelegenheit zu beweisen, dass auch er volle Energie
aufzubieten im Stande sei, wenn Russland in die Interessensphäre Oesterreich-
Ungarns übergreife. Als Fürst Alexander von Bulgarien durch russische Söld-
linge gefangen gesetzt und trotz seiner rühmlichen Rückkehr nach Sofia zur
Abdankung genöthigt wurde, als der Czar dann den General Kaulbars nach
Bulgarien schickte, um das Land unter seinen Willen zu zwingen, da bedrohten
nicht mehr die Bulgaren, sondern Russland den europäischen Frieden, und
der Czar schien sich den Landweg nach Constantinopel mit Waffengewalt
sichern zu wollen. Die öffentliche Meinung, zumal in Ungarn, trat auf
Seite des muthig seine Unabhängigkeit vertheidigenden Volkes und Graf K.,
der sich mit Lord Salisbury und Crispi verständigt hatte, stellte sich Russ-
land auf das Bestimmteste entgegen. Diesen Gesinnungen gab vorerst der
ungarische Ministerpräsident Tisza Ausdruck, indem er im Reichstage zu
Budapest als Anschauung Oesterreich-Ungams erklärte, nur die Türkei hätte
kraft ihrer Souveränität das Recht zu bewaffnetem Einschreiten in Bulgarien,
sonst aber keine Macht; Russland könne das Protectorat über das Land nicht
in Anspruch nehmen; eine Aenderung in den Machtverhältnissen auf der
Balkanhalbinsel könne nur mit Zustimmung aller Signatarmächte des Berliner
Vertrages stattfinden. Tiefverletzt über diese stolze Sprache äusserte sich der
Czar damals zu einem österreichischen Diplomaten: Herr von Tisza habe
Russland und damit ihn selbst beleidigt.
Trotzdem wiederholte K. in einem umfassenden Expose vor den Delega-
tionen am 13. November 1886 diese Eröffnungen; der Styl seiner Rede, sonst
nüchtern und zurückhaltend, erhob sich, der Bedeutung des Augenblicks
entsprechend, zu einer Bestimmtheit, die durch die diplomatische Ver-
bindlichkeit des sorgfältig gewählten Ausdruckes eher gehoben wurde.
Damit kam K. auch dem Angriffe zuvor, den Andrassy unmittelbar darauf
im Sinne seiner vorjährigen Denkschrift gegen ihn erhob; der ungarische
Staatsmann sah einen Fehler darin, dass Oesterreich-Ungarn sich früher
so tief mit Russland eingelassen hatte; dadurch habe es die Kraft des
Bündnisses mit Deutschland eher abgeschwächt und diesem Reiche eine Ver-
mittlerrolle zugeschoben, die ihm selbst nicht genehm sein könne. Man dürfe
Deutschland eben nie zumuthen, dass es in Stellvertretung Oesterreich-Ungams
gegen Russland eine Sprache führe, die nur dieser Monarchie selbst in Ver-
theidigung ihrer Interessen zukomme. So unbequem dem Grafen K. auch die
Opposition seines Vorgängers war, so leisteten doch beide Staatsmänner ihrem
Vaterlande grosse Dienste; es wurde der russischen Politik klar, dass K. von
ihr das Mindeste verlange, was ein österreichisch-ungarischer Minister über-
haupt fordern könne. Das Vertrauensvotum, welches K. von beiden Dele-
^56 Graf Kälnoky.
gationen erhielt und dem sich auch Andrassy um der Sache willen anschloss,
gab der Stellung K.'s die gewünschte Festigkeit. Einstimmig bewilligten dann
beide Körperschaften im März des nächsten Jahres (1887) einen ausserordent-
lichen Heerescredit von 52*73 Mill fl., wozu noch 197, Mill. fl. für die Land-
wehren beider Staaten traten, um den Vorstellungen der Monarchie Nachdruck zu
verleihen und um den gewaltigen Rüstungen Russlands gegenüber Ernst zu zeigen.
Damit stieg die Gefahr eines Krieges mit Russland drohend auf. Dabei nun
ergab sich für Oesterreich-Ungam eine weitere gefährliche Verwickelung: Fürst
Bismarck eröffnete nämlich dem Wiener wie dem Petersburger Cabinet, dass nach
seiner Auffassung des Berliner Vertrages Bulgarien in die Interessensphäre
Russlands gehöre; man könne diese Macht nicht hindern, seine Autorität in
Sofia durch welche Mittel immer, und sei es selbst mit Gewalt, wiederher-
zustellen. Im Auftrage des Kaisers Franz Josef wurde Andrassy befragt, ob
in Berlin etwa mündliche Besprechungen in diesem Sinne gepflogen worden
seien; Andrassy stellte dies bestimmt in Abrede und erklärte vielmehr, es sei
unzweifelhaft, dass Russland in Consequenz seines Versprechens, die Balkan-
halbinsel 1880 zu räumen, die Selbstbestimmung Bulgariens anerkannt habe.
Bismarck aber beharrte auf seiner Auffassung und gab ihr auch in seiner
grossen Rede im Reichstage vom 11. Januar 1887 Ausdruck, wohl die merk-
würdigste von allen, in denen er sich über die Beziehungen Deutschlands zu
den drei grossen Nachbarreichen aussprach. Den Franzosen drohte er da-
mals das saigner ä blanc an, wenn sie losschlügen; das Bündnis mit Oester-
reich-Ungam hob er mit grösster Wärme hervor, über Russland aber sagte
er: »Wir leben mit Russland in derselben freundschaftlichen Beziehung, wie
unter dem hochseligen Kaiser, und diese Beziehung wird unsererseits auf
keinen Fall gestört werden.« Auf Bulgarien wendete er das Wort Hamlets
an: »Was ist ihm Hekuba!« und fügte die unfreundlichen Worte hinzu, die
Oesterreich-Ungarn auf sich beziehen musste: »Es ist uns vollständig gleich-
giltig, wer in Bulgarien regiert, und was aus Bulgarien überhaupt wird.
— Wir werden uns wegen dieser Frage von Niemandem das Leitseil
um den Hals w^erfen lassen, um uns mit Russland zu brouilliren.« Trotzdem
blieb K. fest bei dem Entschlüsse, sich dem Einrücken russischer Truppen
in Bulgarien zu widersetzen, und dies umsomehr, da gerade im Frühjahr
1887 das Bündniss der Centralmächte mit Italien festere Formen erhielt, und
da Crispi noch bestimmter als Oesterreich-Ungam für die Unabhängigkeit
Bulgariens eintrat. Bald darauf besserten sich die Beziehungen Deutschlands
zu Frankreich, da die französische Friedenspartei den Rücktritt des Kriegs-
ministers Boulanger im Mai 1887 durchsetzte; auf der andern Seite erhob
sich in Russland ein wüthender Zeitungskrieg gegen das undankbare Deutsch-
land, welches Russland auf dem Berliner Congresse und später immer treu-
los im Stiche gelassen habe; immer neue Heeresmassen wurden von dem
Czaren an die Westgrenze seines Reiches geschoben. Deutschland beantwortete
diese Drohungen mit dem Kampfe gegen die russischen Werthe, von denen
zwei Millionen Mark in die Heimath zurückströmten. Die Lage war so ge-
spannt, dass der preussische Generalstab sich ernstlich mit der Frage des
Krieges mit Russland beschäftigte, und es ist zuverlässig verbürgt, dass Moltke
ebenso wie sein Stellvertreter Waldersee den Krieg für unabwendbar hielten
mit der Begründung, der jetzige Augenblick sei wahrscheinlich günstiger als
ein späterer; Erzherzog Albrecht und Kronprinz Rudolf von Oesterreich hegten
verwandte Anschauungen.
Graf Kalnoky. 367
Anders Kaiser Wilhelm und Fürst Bismarck. Das Ziel des Kanzlers blieb
unverrückt : es bestand in der Isolirung Frankreichs und in der Verständigung
mit Russland. Dies eröfihete er auch dem Grafen K. bei dem Besuche, den
dieser ihm am 16. September 1887 in Friedrichsruh abstattete, und bei dessen
Anlasse musste K. mit aller Festigkeit das Ansinnen ablehnen, Bulgarien um
des Friedens willen preiszugeben. Sein grosses Verdienst ist, dass er mit aller
Ruhe und Kälte, jeden herausfordernden Schritt unterlassend, auf seinem
Standpunkte beharrte, und sich weder nach rechts noch nach links von der
Linie abdrängen liess, die er sich vorgezeichnet hatte. So erreichte er seine
beiden Ziele, auf der einen Seite die Erhaltung des Friedens, auf der anderen
die Abdrängung Russlands von der Balkanhalbinsel. Es war nicht leicht, die
w^iderstr eben den Elemente in Oesterreich-Ungam in diesem Sinne zu lenken,
denn die Anhänger der Verständigung mit Russland, insbesondere der öster-
reichisch-ungarische Botschafter in St. Petersburg, Graf Wolkenstein, waren
der Ansicht, K. gehe zu weit in der Betonung der Selbstständigkeit Bulgariens
und gebe damit der Kriegspartei in Russland eine Waffe in die Hand.
Wolkenstein bekämpfte — und wie sich zeigte — mit Recht die An-
nahme, dass Alexander III. einen Angriffskrieg auf die Centralmächte plane,
und er drang in Wien darauf, den Czaren bei seiner friedlichen Stimmung
festzuhalten. Dem gegenüber drängte Graf Andrassy. mit anderen ungarischen
Politikern zu grösserer Machtentfaltung; in ausdrucksvollen Reden vor der
ungarischen Delegation verlangte er im März und November 1887 ein scharfes
Hervortreten Oesterreichs, insbesondere eine Initiative, um dem im August 1887
gewählten Prinzen Ferdinand von Coburg die Anerkennung der europäischen
Mächte zu verschaffen. Durch kraftvolles Auftreten allein — so war sein
Gedanke — könne man Russland imponiren. So weit zu gehen, lehnte Graf
K. ab, er blieb aber in seiner Rede vom 5. November bei der Ansicht, dass
»jede Intervention einer einzelnen Macht in der bulgarischen Frage unbedingt
ausgeschlossen werden solle«.
Bismarck aber ergriff die nächste Gelegenheit, um das deutsche Reich
jeder Verwicklung zu entziehen, welche über die im Bundesvertrage mit
Oesterreich-Ungarn von 1879 enthaltenen Verpflichtungen hinaus ging, die
einzig und allein darin bestand, die Habsburgische Monarchie gegen einen
Angriff seitens Russlands zu vertheidigen. Als der Czar am 18. November 1887
auf der Durchreise von Kopenhagen nach St. Petersburg in Berlin eintraf, gelanges
dem Kanzler, ihn zu überzeugen, dass die ihm in die Hand gespielten Briefe,
aus denen eine Parteinahme Deutschlands und des Fürsten Bismarck für
Ferdinand von Koburg hervorgehen sollte, Fälschungen seien, deren Absicht
war, Russland und Deutschland zu verfeinden. Nach dieser den Czaren be-
ruhigenden Aussprache kam dann zwischen Deutschland und Russland der
vielbesprochene Rückversicherungsvertrag zu Stande, kraft dessen sich Russ-
land verpflichtete, sich bei einem Angriffe Frankreichs auf Deutschland neutral
zu verhalten ; ebensowenig durfte Deutschland Oesterreich-Ungarn seinen Bei-
stand leihen, wenn dieses Reich Russland mit Krieg überziehe. Der Vertrag wurde
vor dem Wiener Cabinet geheim gehalten, was dieses später nicht ohne Grund
mit Unmuth erfüllte; nie aber blieb K. in Unkenntniss über die Haltung
Deutschlands bei einem wegen Bulgariens ausbrechenden Kriege.
In demselben Masse aber, da sich die Spannung zwischen Deutschland und
Russland löste, fand auch eine Besserung der Beziehungen des Wiener und des
Petersburger Cabinets statt. Russland hatte in den russisch-türkischen Kriegen
368 Graf Kälnoky.
1854 und 1878 die schlimme Erfahrung gemacht, dass, solange sich die Habsbur-
gische Macht ungebrochen in einer feindseligen Flankenstellung befinde, seine auf
der Balkanhalbinsel kämpfenden, und sei es auch siegenden Truppen doch zuletzt
zur Rückkehr genötigt seien; Oesterreich-Ungam aber zuvor anzugreifen und
niederzuwerfen, diese Absicht hätte auch den Krieg mit Deutschland herbei-
geführt. Unausgesetzt arbeiteten unterdessen die Botschafter Deutschlands
und Oesterreich-Ungarns in Petersburg, Schweinitz und Wolkenstein an der
Begleichung der Schwierigkeiten; und endlich kam es im Januar 1888 zu einer
Auseinandersetzung zwischen K. und dem russischen Botschafter in Wien, Lo-
banow, welche die Kriegsgefahr zwar nicht ganz bannte, aber erheblich mil-
derte. Diese beiden Männer waren vielfach Gegensätze ; K. ganz in den Aufgaben
seines Amtes aufgehend, der künftige russische Kanzler dagegen meist ge-
lehrten Forschungen und künstlerischen Neigungen lebend, wenn ihn nicht
schöne Frauen ablenkten; nur wenn Lobanow vor grossen politischen Fragen
stand, entfaltete er sein ganzes diplomatisches Können. K. und Lobanow
stimmten aber jetzt in dem Hauptpunkte überein, dass es ein Abenteuer wäre,
um Bulgariens willen einen Krieg zu entzünden; setzte Lobanow doch, wie sich
später zeigte, der russischen Politik in OstJisien ganz andere und grössere Ziele.
Sie fanden sich jetzt, als der Czar sich nach langem inneren Kampfe ent-
schloss, Bulgarien seinem Schicksale zu überlassen und sich ganz von dem,
wie er glaubte, undankbaren Volke abzuwenden.
Dabei blieb es auch, selbst als Kaiser Franz Josef einige Jahre später
den Besuch des nicht anerkannten ^Fürsten Ferdinand von Bulgarien und
Stambulows empfing, und seine Hand weiter schützend über Bulgarien hielt.
K. konnte allerdings den Sturz Stambulows so wenig hindern als seine Er-
mordung; aber selbst als Fürst Ferdinand — schon nach dem Rücktritte K.'s
— wieder zu Russland hinüberschwenkte, konnte sein Werk, die Selbstständig-
keit Bulgariens für gesichert gelten.
Der Conflict von 1887 wurde mit grösserer Ausfiihrlichkeit erzählt, weil
das damalige Verhalten K.'s die Methode seiner Politik am Deutlichsten her-
vortreten lässt. Unmittelbar darauf stand Graf K. im Höhepunkte seiner Lauf-
bahn. Allerdings waren die Anhänger Andrassys, der 1890 nach schwerem
Leiden starb, der Ansicht, sein Nachfolger hätte sich lediglich mit der Abwehr
begnügt und damit wäre der Augenblick zur Ausdehnung der Machtsphäre der
Monarchie nach Süden versäumt worden. Aber niemand durfte in Abrede stellen,
dass K. die Ziele, die er sich gesteckt, aufs Ehrenvollste erreicht hatte ; er konnte
verlangen, dass man ihm nicht eine Entfaltung der Macht Oesterreich-Ungarns
zumuthe, die nicht im Einklänge stand mit der inneren Kraft des Reiches,
wie er sie abschätzte. Ihm schien es eben bedenklich, einen, wenn auch
vorerst nur diplomatischen OfFensivstoss gegen Russland zu unternehmen, der
zum Kriege führen konnte. Was eine genialere Natur an seiner Statt durch-
gesetzt hätte, bleibe dahin gestellt; ihm widerstrebte es aber, in der Politik
auf das Spielerglück zu rechnen, das von Männern wie Bismarck oder Cavour
nicht selten herausgefordert wurde. Dabei muss beachtet werden, dass bei
den unendlich verwickelten Verhältnissen der habsburgischen Monarchie eine
durchgreifende Politik nicht so möglich ist wie in den Ländern mit national
einheitlicher Bevölkerung. In den geschlossenen Nationalstaaten fühlt sich
ein grosse Ziele verfolgender Minister von der Volksmeinung getragen; in
Oesterreich-Ungam dagegen muss besonnene Staatskunst mühsam dasjenige
ersetzen, was dort durch die Schnellkraft nationaler Impulse geleistet wd.
Graf Kalnoky. ^öo
In all dem ist der Umfang wie die Grenze der Begabung Kälnokys aufs
Deutlichste zu erkennen. Er wollte den Krieg mit Russland vermeiden, und
er vermied ihn, ohne Schwäche zu zeigen. Es hätte sogar seinen Wünschen
entsprochen, wenn ein volles Einvernehmen mit Russland herbeigeführt worden
wäre. K. war eben mehr zäh als unternehmend, seine Stärke lag mehr in
der Vertheidigung als im Angriff.
Mit den Jahren hatten sich die charakteristischen Seiten seines Wesens
verschärft und vertieft. Immer war er eine ernste, in sich abgeschlossene
Natur gewesen; als Minister ging er vollständig in der Arbeit auf, in
der er sich nie genug that. Es ist erstaunlich, welche Fülle von Briefen,
Depeschen, Denkschriften aus seiner Feder hervorging; er leistete darin so
viel, dass sich die höheren Beamten des Auswärtigen Amtes beklagten, der
Minister lasse ihnen nichts zu thun übrig. Da er sich zumeist nur mit sich
berieth, glaubte er auch die Form dieser Schriftstücke am Besten mit der
eigenen Feder fertig stellen zu können. Einwendungen, die ihm dann gemacht
wurden, hatte er zumeist früher selbst in sich verarbeitet. Das gab seinem
Wesen etwas Bestimmtes, selbst Abweisendes. Wohl war er weicher Regungen
fähig, aber er hielt viel darauf, sich vollständig zu beherrschen; darin ging er
soweit, dass er auf diejenigen, mit denen er bloss im amtlichen Verkehre stand,
den Eindruck der Kälte machte. Indessen ging, wie alle Diplomaten bezeugen,
der Verkehr mit ihm, sowie es sich um Geschäfte handelte, aufs Bequemste von
Statten. Denn er war klai* im Ausdruck, Feind jeder Phrase, stets in voller
Kenntniss aller, auch entlegener Angelegenheiten; Zug um Zug wickelte sich
bei Verhandlungen mit ihm Alles ab, schon weil er bei der grossen Arbeits-
last, die er sich auflud, jede Abschweifung mied und ablehnte. Von sich
selbst, seinen Neigungen und seinem Verdienste war bei ihm nie die Rede; ja
er schien in seinem nicht geringen Stolze verletzt, wenn man ihm ein Wort der
Anerkennung sagte. Er fühlte sich, da er die Habsburgische Macht nach Aussen
vertrat, als grosser Herr, der es nicht nothwendig hatte, sich aufzuspielen, um
etwas in der Welt zu gelten. Er lebte überhaupt ganz in aristokratischen An-
schauungen und Kreisen, ausser diesen hatte er keine Verbindung, selbst keine
geistige Anknüpfung. Damit hing auch der Gleichmuth zusammen, mit dem er
das hinnahm, was die Presse über ihn sagte; er empfing keinen ihrer Ange-
hörigen, und er verstand es auch nicht, auf diesem ebenso empfindlichen wie
wichtigen Instrument zu spielen. So war er denn ausser in den diplomatischen
und aristokratischen Kreisen nahezu unbekannt, eine respectirte aber unnah-
bare Gestalt. Das wurde ihm später schädlich, als er mit der öffentlichen
Meinung Ungarns in Conflict gerieth. Indessen, wenn ihn Fernestehende für
hochmüthig hielten, so mussten sie doch zugestehen, dass sein Auftreten sich
nicht wesentlich änderte, ob er mit gewöhnlichen Menschenkindern verkehrte
oder mit fremden Souveränen. Wenn er zum Kaiser beschieden wurde, so
staunten die Hofbeamten, wie er in den Vorzimmern den Schritt nicht be-
schleunigte; es spricht für ihn, dass sie fanden, er verkehre auch mit den
Mitgliedern des kaiserlichen Hauses »die Nase in der Luft«. Sein hoher
Begriff nicht von sich selbst, aber von der Würde, mit der er als Vertreter
der Monarchie nach Aussen bekleidet war, kam, wie Augenzeugen berichten,
auch bei seinen fast alljährlichen Begegnungen mit dem Fürsten Bismarck
zum Ausdruck. Wenn er auch in dem deutschen Reichskanzler einer durch
den Reichthum seiner Natur und seine unvergleichliche historische Stellung
überlegenen Persönlichkeit gegenübertrat, so verlor er doch neben ihm
Biogr. Jahrb. n. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. 24
9^0 Graf Kalnoky.
Nichts an der Freiheit und dem Selbstbewusstsein seines Auftretens. Im
geselligen Verkehr mit Bismarck und bei den gemeinsamen Mahlzeiten
schlug K. den leichten, leise scherzhaften Ton an, der ihm als Weltmann
eigen war; in den politischen Unterredungen mit ihm blieb er so fest und
ernst wie sonst. Es ist festzustellen, dass er sich mit seiner gradlinigen,
nüchternen, durchsichtigen Methode der Führung der Geschäfte neben der
vielgestaltigen Kühnheit seines grossen Zeitgenossen würdig behauptete.
Je mehr sich die Stellung K.'s in der äussern Politik befestigte, desto
gewichtiger wurde auch sein Wort bei der Berathung der inneren Angelegen-
heiten der Monarchie, besonders Oesterreichs. Allerdings stand ihm im Wege,
dass er und Ministerpräsident Graf Taaflfe, der frühere Jugendgespiele und
jetzige Vertrauensmann des Kaisers, in ihrer Lebensauffassung ganz auseinander-
gingen; K.'s schwerflüssiges Naturell stimmte schlecht zu dem leichten Sinne
Taaffes, der wohl mit kaum zu übertreffender Geschicklichkeit die Ver-
legenheiten des Tages zu überwinden verstand, aber die Sorge um die Zukunft
mit einem Achselzucken, mit einem Scherze abzulehnen pflegte. K. fühlte
sich beinahe verletzt, wenn Graf Taaflfe die Mittheilungen, die er ihm über
die äussere Politik machte, mit wirklicher oder vorgeschützter Gleichgütigkeit
und mit der Versicherung hinnahm, es bedürfe bei seinem vollen Vertrauen
in die Thätigkeit des Ministers des Aeussem keiner Auseinandersetzung.
Vielleicht war dies nur eine der Jagd- und Fuchslisten, durch die sich der
gewandte Minister der Nothwendigkeit entzog, seinerseits wieder dem Grafen
K. über seine innere Politik Rede zu stehen. Denn von Tag zu Tag zeigte
sich deutlicher, dass K. die Methode des Grafen Taaflfe nicht billigte.
Ein merkwürdiges Zeugniss der Gesinnungen K.'s ist eine Denk-
schrift, in der er gerade zu der Zeit, da Taaflfe schier unum-
schränkt die inneren Angelegenheiten Oesterreichs lenkte, seine Ideen
über die Nationalitätenfrage in Oesterreich niederlegen Hess. Er er-
örterte darin die schwebenden Fragen von der ihn beherrschenden obersten
Vorstellung aus: »Möglichste und allseitige Concordanz der inneren Politik
mit den Principien, Aufgaben und Interessen der auswärtigen.« Denn seiner
Ansicht nach musste die letztere massgebend sein, wie er denn der ganzen
Betrachtung den Satz voranstellte: »Seit den ersten Zeiten der Vereinigung
des habsburgischen Länderbesitzes hat sich die Monarchie mehr im Sinne
einer Macht, als im Sinne eines Staates entwickelt. Der Machtwille nach
aussen war erkennbarer als der Staatswille nach innen.« K, findet nun, dass
es der Lage des Reiches inmitten der grossen nationalen Einheitsstaaten am
besten entspräche, wenn jenseits der Leitha die Magyaren massgebend blieben
und wenn diesseits auf die nationalen Empfindungen der Deutschen Rücksicht
genommen werde. Sonst werde ein gefährlicher Conflict hervorgerufen, denn
in der ganzen deutschen Opposition »lebt der Gedanke an den ungeheuren
nationalen Rückhalt, welchen sie bei fortdauernder slavischer Bedrängung im
Deutschen Reiche zu finden hoflft«. Allerdings verhalte sich die Regierung
des Deutschen Reiches vollkommen correct gegenüber Oesterreich, und Fürst
Bismarck habe der deutschen Opposition sogar durch die Bezeichnung
»Herbstzeitlose« den schwersten Schlag versetzt, der diese Partei seit dem
Verluste der Majorität im Parlamente getroflfen habe. Indessen könnten mit
der Zeit die Grundsätze der Lenker des Deutschen Reiches eine Aenderung
erfahren, wenn die öflfentliche Meinung in Deutschland sich auf Seite der
Deutschen Oesterreichs stelle. »Die Entwicklung der schleswig-holstein'schen
Graf Kcilnoky. '»'»»
371
Frage hat gezeigt, wie hoch die Wogen nationaler Erregung auch in Deutsch-
land anzuschwellen vermögen.« Der Kemsatz der ganzen Darlegung lautet:
»Von allen Stämmen Oesterreich -Ungarns hat der magyarische vom Stand-
punkte der Pflege und Entwicklung seiner Nationalität das stärkste Interesse
an der Erhaltung der Monarchie. Nur durch die Monarchie behauptet der
magyarische Stamm seine politische Bedeutung in Europa: ausserhalb der
Grenzen derselben besitzt er keinen nationalen Rückhalt. Von allen Stämmen
der Monarchie ist der deutsche derjenige, dessen innere Lossagung von der
Sache des Reiches die grösste Gefahr bezeichnen würde: der deutsche Stamm
hat den stärksten nationalen Rückhalt. Die Führung des Reiches einerseits
auf jene Nationalität zu basiren, deren Interessen am festesten mit dem Fort-
bestande desselben verknüpft sind, andererseits aber auf jene Nationalität,
deren moralischer Abfall an die Existenzfragen der Monarchie rühren würde,
ist die logische Rechtfertigung des dualistischen Systems in Oesterreich-Ungam
vom Standpunkte der auswärtigen Politik.« Ahnungsvolle Worte, wenn man
bedenkt, dass sie lange vor den Krisen niedergeschrieben wurden, in welche
die unheilvolle Thätigkeit des Grafen Badeni und des Grafen Thun das
Reich stürzten.
Die Grundsätze der Denkschrift sind so ziemlich das Gegen theil dessen,
was Taaffe im Rathe des Kaisers vertrat : Niederhaltung des die Mitregierung
im Staate beanspruchenden deutschen Elementes, um auf den an sich
schwächeren slavischen Volksstämmen die in der Sache uneingeschränkte
Macht der Krone zu basiren. Es war dem Grafen Taaffe klar, dass die Slaven
in Oesterreich nicht durch sich selbst, sondern lediglich durch die Förderung
des Hofes, der Kirche und des Adels stark genug seien, um dem durch seine
Zusammengehörigkeit mit einer grossen Nation, durch seine Cultur und sein
historisches Recht in Oesterreich überlegenen deutschen Stamme die Waage
zu halten. Daraus ergab sich für diesen Minister die Nothwendigkeit, das
Kräfteverhältniss der Nationalitäten in Oesterreich künstlich zu verschieben.
Er nun freilich verstand es, diese Schwierigkeit geschickt zu umgehen, während
seine Nachfolger an ihr scheiterten. Graf K. missbilligte das Wagestück
Taaffes und drang darauf, die Wunde zu schliessen, welche das Reich sich
selbst durch die Zurücksetzung seines Kernstammes zufügte. Es gelang ihm,
den Kaiser für den Gedanken eines Ausgleiches mit der deutschen Opposition
zu gewinnen, wobei er die Unterstützung zweier Mitglieder des Cabinets
Taaffe selbst fand. Bei dem nahezu uneingeschränkten persönlichen Vertrauen
indessen, das Taaffe 'bis an das Ende seines amtlichen Wirkens bei dem
Kaiser genoss, ergab es sich von selbst, dass gerade er den Auftrag erhielt,
die Ausgleichsverhandlungen anzubahnen, die im Januar 1890 auch thatsäch-
lich zu einem anscheinend günstigen Ergebnisse führten. Aber K. ging noch
weiter: er machte den Versuch, Ernst v. Plener, den Führer der Deutschen,
den er seit den Jahren ihrer gemeinsamen Thätigkeit in London kannte und
schätzte, mit dem Grafen Taaffe zusammenzuführen und durch die Vereinigung
der sich vielfach ergänzenden Kräfte der beiden Männer den Staat in eine
feste und dauernde Richtung zu lenken. Aber die Unterredung, zu der er
den Ministerpräsidenten und Plener einlud, führte nicht zu dem gewünschten
Ende: wohl wäre Plener bereit gewesen, auf diesen Gedanken einzugehen,
Taaffe aber verhielt sich stumm und ablehnend, da er den tiefen persönlichen
Groll nicht zu verwinden vermochte, den er gegen seinen langjährigen politi-
schen Gegner hegte. Dies also misslang; Taaffe blieb vielmehr dabei, zwischen
24*
9^2 Graf Kalnoky.
Deutschen und Tschechen die Waage zu halten, indem er auf ihren Gegen-
satz rechnete, den er bald zu sänftigen und bald zu nähren fUr gut hielt.
Zuletzt aber wollte diese Rechnung nicht stimmen; denn die Tschechen, kühn
gemacht durch die Nachsicht, die auch ihren trotzigsten Forderungen gegen-
über nie den Ernst der Abwehr zeigte, drangen immer ungestümer auf die
Errichtung eines selbständigen Staates der böhmischen Krone, und die Wider-
setzlichkeiten in der Bevölkerung Prags gegen die Organe des Staates und
der öffendichen Sicherheit häuften sich zuletzt so bedrohlich, dass die Regie-
rung am 13. September 1893 den Ausnahmezustand in Prag verfügen musste.
Nun war TaafFe, um im Reichsrathe die Mehrheit zu behaupten, in die un-
angenehme Nothwendigkeit versetzt, mit der deutsch- fortschrittlichen Partei
und vor Allem mit Plener abzuschliessen, denen er aber als seinen, wie er
glaubte, nie zu versöhnenden Feinden misstraute. Um dem auszuweichen,
versuchte er die Kette seiner offenen und geheimen Widersacher durch einen
unerwartet kühnen Vorstoss zu durchbrechen: in tiefstem Geheimniss, ohne
seine Parteifreunde im Abgeordnetenhause, insbesondere den Grafen Hohen-
wart, ohne auch den Minister des Aeussem zu verständigen, brachte er am
23. Oktober 1893 im Parlament eine Vorlage ein, nach der wohl die Sitze des
Grossgrundbesitzes und der Handelskammer unverändert bleiben, alle anderen
Mandate aber nach gleichem, direktem, allgemeinem Wahlrecht vergeben
werden sollten. Auf diese Weise hoffte er die grösseren bürgerlichen Parteien,
besonders die deutsche Linke und die jungtschechische Partei zu zerschlagen,
da aus dem neuen Wahlmodus in erster Linie die Klerikalen, dann auch die
Chrisdichsocialen, Socialdemokraten, sowie die kleineren Fractionen Gewinn
ziehen mussten. Finanzminister Steinbach, sein Rathgeber in diesen Entwürfen,
nahm an, dass solche Zerbröckelung des Parteiwesens die Macht der Regie-
rung stärken müsse und dass sich auf diese Weise ein demokratisch-imperia-
listisches System begründen Hesse.
K. war, wie gesagt, ohne Kenntniss der Absichten Taaffes geblieben; als nun
der König von Griechenland, der an dem Tage der Einbringung der Vorlage in
Wien weilte, ihn voll Interesse an der sich vollziehenden grossen Wandlung über die
voraussichtlichen Folgen des kühnen Schrittes befragte, befand sich der Minister
des Aeussem in schwerer Verlegenheit. Ei hielt es für eine arge Zurücksetzung,
dass er bei so grossem Anlasse umgangen worden war. Die Reform wider-
strebte ihm aber zudem auch sachlich aufs Tiefste, da er als strenger Con-
servativer das gewagte Spiel missbilligte. Darin befand er sich mit dem
Grafen Hohenwart und dem conservativen Adel in voller Uebereinstimmung.
Er unterbreitete darauf dem Kaiser eine Denkschrift, in der er sich darüber
beschwerte, dass er als Minister des Aeussern nicht bei einer Entschliessung
gehört wurde, deren Ausführung das Gefüge der Monarchie und in der Folge
wohl auch die Stellung Oesterreichs zu den auswärtigen Fragen verändern
musste. Er billigte deshalb auch die sich anbahnende Coalition der grösseren
bürgerlichen Parteien, der deutschen Linken, der Polen, Klerikalen mit den
beiden Fractionen des Adels, welche sich zum Sturze des Cabinets Taaffe
zusammenfanden. Es entsprach seinem Wunsche, dass nach dem Rücktritt
Taaffes im November 1893 ein Cabinet eingesetzt wurde, das der Ausdruck
der neuen parlamentarischen Mehrheit war. Er hatte Herrn v. Plener und
dem Grafen Hohenwart stets nahegelegt, sich zu verständigen ; und da er der
Aristokratie eine führende Rolle in der Monarchie zuwies, hielt er es für
einen Gewinn, dass sich zum ersten Mal der deutsche und der tschechisch-
-Graf Kälnoky. -lys
feudale Hochadel zur Unterstützung eines parlamentarischen Ministeriums
vereinigten.
Nach dem Gange der äussern Politik Oesterreich- Ungarns, die sich im
Ganzen in einem ruhigen, sicheren Geleise bewegte, und nach der Einsetzung
des Coalitions-Ministeriums in Oesterreich hätte K. der weiteren Entwicklung
der Dinge beruhigt entgegensehen können, wenn der kirchenpolitische Kampf
in Ungarn ihn nicht in seine Kreise gezogen hätte. Unversehens wurde von
hier aus seine Stellung untergraben und seiner amtlichen Thatigkeit ein Ende
gesetzt. So lange Tisza (bis März 1890) an der Spitze der ungarischen Regie-
rung stand, arbeitete K. mit ihr in bestem Einvernehmen. Unter Tiszas
Nachfolger, dem Grafen Szapary, spitzte sich der Streit des Staates gegen den
katholischen Clerus wegen der Kinder aus den gemischten Ehen scharf zu.
Die katholische Geistlichkeit setzte sich über die staatlichen Gesetze hinweg
und beharrte darauf, diese Kinder bei der Taufe ausnahmslos in den Schooss
ihrer Kirche aufzunehmen; so hatten sich die übrigen Confessionen über
zahlreiche »Weg taufen« zu beklagen. Wohl war es möglich, einen Weg zur
Vermittlung zu finden, wie es Graf Szapary wünschte; solches Entgegenkommen
an die . Kirche lag aber nicht in der Absicht der hervoragendsten Männer
der liberalen Partei, besonders Tiszas und Szilagyis. Zumal der Letztere,
der unter Tisza und Szapary das Justiz -Ministerium verwaltete, setzte seine
glänzende Begabung — die stärkste, über die das magyarische Volk nach
dem Tode Andrassys verfügt — an eine kirchenpoH tische Gesetzgebung,
welche die volle Gewalt des Staates zur Geltung bringen sollte. Er und
seine nächsten Freunde drangen auf die Einführung der obligatorischen
Civilehe, eine Lösung, für die ursprünglich nur die Minderheit der liberalen
Partei, vor Allem die in ihr stark vertretenen Calvinisten, eingenommen
war. Bald aber gewannen die Führer den überwiegenden Theil der öffent-
lichen Meinung des Landes für eine Reform im grossen Stile, wobei sie vor
Allem von der Erwägung ausgingen, dass die gerade damals in ihrem Gefüge
erschütterte liberale Partei eines hinreissenden Anstosses, eines mächtigen
Erfolges bedürfe, um ihren verbleichenden Glanz wieder aufzufrischen. Graf
Szapary nun wollte seinen Collegen im Amte nicht auf diesem Wege folgen;
er gab im November 1892 seine Demission, und das neue Ministerium mit
Wekerle als Ministerpräsidenten, Szilagyi als Justizminister, Csaky als Cultus-
minister trat vor das Parlament mit dem Programm der obligatorischen
Civilehe. Es war Wekerle gelungen, den Monarchen zu der Ermächtigung
an seine Regierung zu bestimmen, dass dem Parlamente eine Vorlage in
diesem Sinne unterbreitetet werden solle. Es ist noch nicht an der Zeit,
den Schleier, der über diesen Vorgängen liegt, vollständig zu lüften; es
bleibe also dahingestellt, ob der gegen den Ministerpräsidenten Wekerle
später erhobene Von\'urf richtig ist, er habe den Herrscher durch eine allzu
düstere Schilderung der Lage und durch den Hinweis auf den drohenden
Unwillen der reizbaren öffentlichen Meinung Ungarns zu seiner Zusage
bestimmt, Schilderungen, welche den Thatsachen nicht ganz entsprochen
hätten. So wurde wenigstens in den Hofkreisen behauptet.
Zu den Gegnern der Reform gehörte ursprünglich auch Graf K. Man
hat diese seine Haltung vielfach damit erklären wollen, dass er der clerikalen
Richtung angehörte, und in Ungarn gilt bei der grossen Menge diese politische
Charakteristik K.'s auch heute noch für eine feststehende Thatsache. Niemand
274 Graf Kalnoky.
Anderer indessen als sein grösster Gegner Szilagyi verwarf später diese An-
nahme, er kennzeichnete K. vielmehr als Conservativen und nicht als Clerikalen,
der nur insofern kirchliche Interessen förderte, als diese der gesellschaftlichen
Schichte entsprachen, in der er sich bewegte, — und nur deshalb, weil er die
Kirche für eine Stütze der staatlichen Autorität hielt, ohne welches Fundament
alles Andere zusammenbrechen müsste. In feiner Weise und in gleichem Sinne
charakterisirte einmal Herr von Plener, der K. sehr genau kannte, dessen
Gesinnungen durch die Heranziehung eines Gespräches, welches Lord Eldon,
dereinst der unbeugsame Führer der hochkirchlichen Partei im englischen
Oberhause, mit einem Bischöfe derselben Richtung führte. Dieser sprach
sein Befremden darüber aus, dass Eldon, wiewohl ein Pfeiler der Kirche,
niemals den Gottesdienst besuche, und darauf erwiderte jener: «Ich bin ein
Pfeiler der Kirche, aber nur von der Aussenseite.« Der Vergleich stimmt beson-
ders deshalb, weil auch K. sich des Kirchenbesuches enthielt, so dass anzu-
nehmen ist, die. Dogmen des katholischen Glaubens hätten so wenig wie ihre
Formen Macht über ihn geübt. Graf K. widerstrebte denn der Reform nicht
grundsätzlich, aber ihm missfiel der agitatorische Zug in der Pohtik der
Führer der liberalen Partei. Er warf ihnen vor, dass sie sich für die Reform
nicht aus sachlicher Noth wendigkeit, sondern aus Parteiinteresse einsetzten.
Als darauf das Gesetz im Abgeordnetenhause angenommen, dagegen vom
Oberhause abgelehnt wurde, als es sich femer zeigte, dass die Krone sich
mit der Magnatentafel in Uebereinstimmung befand, hielt es die Mehrheit
des Abgeordnetenhauses für eine Frage ihrer Macht und Ehre, durch einen
von unten geübten Druck die beiden anderen Factoren der Gesetzgebung
zum Beitritte zu zwingen. Es verletzte nun den Grafen K. als Monarchisten
aufs Tiefste, dass die Streitfrage sich immer mehr zu einer Kraftprobe
zwischen der liberalen Parlamentsmehrheit und der Krone zuspitzte. Das
liberale ungarische Ministerium stand nicht an, hierbei die Unterstützung der
Kossuth-Partei hinzunehmen, welche sich in ihrer grossen Mehrheit für die
Civilehe erklärte. Die ungarischen Politiker, Deak eingeschlossen, hatten es
allerdings bei ihren Konflikten mit dem Hofe nie anders gehalten; auch die
gemässigten von ihnen scheuten sich nicht, die Versicherung der Loyalität,
die in ihrem Munde ohne Frage aufrichtig gemeint ist, mit dem halb
besorgten, halb drohenden Hinblick auf die der Dynastie feindlichen Kräfte
zu verbinden. Darin liegt erfahrungsgemäss die Stärke der magyarischen
Politiker, darin die Quelle ihrer Erfolge. In jenem Augenblicke nun trat
die Verwicklung hinzu, dass der ehemalige Dictator Ludwig Kossuth in der
Verbannung, unversöhnt mit der Dynastie, starb, und dass ganz Ungarn sich
in grossartigen Feierlichkeiten zu seinen Ehren überbot. K. hielt es für
wünschenswerth, dass die Regierung die Rückkehr seines Sohnes Franz
Kossuth nach Ungarn verhindere, dessen Rundreise durch das Land that-
sächlich von beleidigenden Demonstrationen gegen die Dynastie begleitet
war. Das Ministerium Wekerle dagegen stützte sich auf die öffentliche
Meinung, bei der es eine ausserordentliche Popularität genoss, und weigerte
sich, Polizeimassregeln gegen Franz Kossuth in Anwendung zu bringen, mit
der, wie sich bald zeigte, richtigen Begründung, dass der Mann sich
sehr bald als ungefährliche Mittelmässigkeit entpuppen werde, während er
als Märtyrer allerdings Bedeutung gewinnen könnte. In diesen Verhand-
lungen und Conflikten nun beklagte sich Graf K. mehr als einmal, dass
von ungarischer Seite nicht immer die Zusagen eingehalten wurden, die
Graf Kalnoky. ^yc
auf sein Andrängen gegeben worden waren. Daran ist wohl so viel
richtig, dass Wekerle, der, hervorragend als Finanzpolitiker, in politischen
Dingen eine weichgeartete Natur war, oft in der Form nachgiebig
schien und in Wien begütigend, halb zustimmend sprach; sobald er
aber wieder nach Budapest zurückkehrte, wurde er von den eigentlichen
Führern der Partei auf den Amboss gelegt und hart geschmiedet, so dass
seine Reden im Parlament ganz anders klangen, als die halben Zusagen, zu
denen er sich in Wien herbeigelassen hatte. K. aber, in allen Ehrensachen
streng gegen sich wie gegen Andere, sah darin ein unziemliches Spiel, das
er streng tadelte. Mit seiner gewöhnlichen Offenheit machte er aus seiner
Gesinnung kein Hehl: das Kabinet Wekerle-Szilagyi hatte in ihm einen
erklärten Gegner, und durch das ganze Land ging das Geschrei, dass er ein
Feind Ungarns sei, ein Mittelpunkt der Hofkreise, welche die ererbte Selbst-
regierung Ungarns brechen wollten.
Nach der zweiten Ablehnung des Gesetzes über die Civilehe durch die
Magnatentafel erschien Wekerle in Wien und erbat sich von dem Monarchen
die Ermächtigung, dem Oberhause mit einem Pairsschub zu drohen, falls es
ein drittes Mal hartnäckig bliebe. Der Kaiser versagte ihm diese Vollmacht
und das Ministerium Wekerle bot seine Entlassung an. In diesem Zeit-
punkt erschien indessen, angesichts der mächtigen Erregung in Ungarn, die
Durchführung der Civilehe auch der conservativen Umgebung des Kaisers,
und mit ihr dem Grafen K., als unabweisbar, sie hielten es deshalb für
klug, den Streit auf ein anderes Gebiet zu lenken. Der Banus (Statthalter)
von Croatien, Graf Khuen-Hedervary, wurde nach Wien berufen, um ein
neues, aber diesmal conservatives ungarisches Cabinet zu bilden, dem die
Aufgabe zugefallen wäre, die Rechte der Krone nachdrücklich zu wahren.
Um die öflfentliche Meinung indessen mit diesem Wechsel auszusöhnen, be-
zeichnete Graf Khuen die Durchsetzung der Civilehe als das nächste Ziel der
zu bildenden Regierung; es sollte also — nach dem Vorbilde Robert Peel's
und anderer toryistischer Staatsmänner — die volksthümliche und noth-
wendig gewordene Reform auch in Ungarn durch eine conservative
Regierung ins Werk gesetzt werden. Aber auch diese Ankündigung ver-
mochte den Sturm nicht zu beschwören, der sich in Ungarn gegen den
Grafen Khuen erhob; es zündete das Schlag^^ort, er sei berufen, der parla-
mentarischen Selbstregierung Ungarns ein Ende zu machen. Khuen hätte
sich auf gewaltige Kämpfe gefasst machen müssen, und es sank ihm der
Muth; er trat von der ihm übertragenen Mission zurück. Wekerle musste
wieder berufen werden, jedoch mit der Einschränkung, dass er Szilag}d nicht
mehr in sein Cabinet aufnehmen dürfe. Darauf konnte Wekerle nicht ein-
gehen, da Syilagyi und nicht er die Seele der kirchenpolitischen Reform
war; und da Wekerle fest blieb, endete die Krise mit einem vollen Siege der
liberalen Partei: nahezu alle entiassenen Minister kehrten wieder in ihr Amt
zurück. Als das Gesetz über die Civilehe von der neugestärkten liberalen
Regierung zum dritten Mal vor das Oberhaus gebracht wurde, wich dieses
zurück, und mit einer wenn auch geringen Mehrheit wurde die Vorlage
Gesetz.
Von jetzt ab herrschte Kriegszustand zwischen K. und der herrschenden
Partei in Ungarn. Die ungarische Regierung erhob zunächst gegen ihn eine
Beschwerde, die sich gegen einen Theil seiner Amtsführung als Minister des
Aeussem richtete. Zu jener Zeit hatten sich in Rumänien die Sympathien
^<y5 Graf Kdlnoky.
der politischen Kreise für ihre Stammesgenossen in Ungarn und Siebenbürgen
zur Bildung einer Liga verdichtet, welche den Versuch machte, auf ungarischen
Boden eine lebhafte nationale Agitation zu entfalten. Das ungarische Ministerium
ging dagegen mit grosser Strenge vor und führte gegen K. bei dem Kaiser
Klage, dass die auswärtige Vertretung der Monarchie nicht wachsam und
entschieden genug sei in der Abwehr von Treibereien, die geradezu gegen
das Völkerrecht verstiessen. Versammlungen, welche den Besitzstand des
Reiches bedrohten, hätten unter den Augen des Österreichisch-ungarischen
Gesandten in Bukarest stattgefunden, ohne dass dieser Einsprache erhoben
hätte. Graf K. nahm keinen Anstand, in Bukarest Schritte zu thun, welche
der Würde der Monarchie entsprachen, aber er hob zugleich hervor, dass
Oesterreich-Ungam der loyalen Gesinnung und Haltung König Carols voll-
ständig sicher sei, und dass es ein Fehler wäre, durch eine allzu rauhe Be-
handlung der Angelegenheit Rumänien dem Dreibunde zu entfremden, dem
es sich genähert hatte, als es galt, russische Uebergriffe auf der Balkanhalb-
insel zurückzuweisen.
Wohl blieb der Minister des Aeussern bei den nächsten Waffengängen
Sieger. Der Monarch gab dem ihm antipathischen Ministerium Wekerle-
Szilagyi seine Ungnade so deutlich zu erkennen, dass es nach der rühmlichen
Durchführung der Ehegesetz-Reform seine Aufgabe erfüllt sah und im Dezember
1894 seine Demission gab, mit der ausdrücklichen und im Parlament wiederholten
Erklärung, es habe das Vertrauen des Monarchen verloren.
Aber dieser Sieg K.'s war nur scheinbar. Denn ein neuer Versuch,
den Grafen Khuen an die Spitze der Regierung zu berufen, misslang ebenso
wie der erste: Khuen fühlte seinen Anhang im Parlament zu schwach, und
statt seiner wurde der Präsident des Abgeordnetenhauses, Baron Banflfy, zum
Ministerpräsidenten ernannt.
Es ist aus dem Freundeskreise K.'s zuverlässig bezeugt, dass er von
diesem Augenblick an seine Stellung für unhaltbar ansah. Er fühlte, dass
die erklärte Abneigung der Magyaren und der parlamentarischen Regierung
des Landes wider seine Person ihm schliesslich nichts übrig lassen werde
als den Rücktritt. Und wie sich dies bei solcher Disposition des Geistes
von selbst ergab, er Hess sich von jetzt ab vielleicht allzu sehr von dem
Misstrauen beherrschen, dass ein Anschlag gegen ihn geplant sei. Dazu kam,
dass seine vierzehnjährige Amtsführung seine Kraft übermässig angespannt
hatte. Dies war eine natürliche Folge der niederdrückenden Arbeitslast, die
er sich zumuthete; immer mehr hielt er an der Uebung fest, die wichtigeren
Schriftstücke des auswärtigen Dienstes selbst, ohne Mithilfe seiner Beamten,
zu entwerfen. Zuletzt war er in Folge der Ueberreizung seiner Nerven nicht
mehr so kaltblütig wie gewöhnlich und der sonst so gelassene Mann verlor
in einem entscheidenden Augenblicke die ihm eigene Uebersicht über die
Lage.
Im April 1895 unternahm der päpstliche Nuntius Agliardi eine Reise
nach Ungarn und hielt hier an die Geistlichkeit an mehreren Orten An-
sprachen, in denen er die Kirchenpolitik der Regierung bekämpfte. Der
ungarische Ministerpräsident Baron Banffy verständigte K. von der im
Schosse des Parlaments bestehenden Absicht, ihn über diese Einmischung
des Vertreters des Papstes in die inneren Angelegenheiten Ungarns zu inter-
pelliren. K. antwortete Banffy in einem ausführlichen Schreiben vom
25. April, in dem er die Grundzüge der Antwort besprach, die auf die zu
Graf Kalnoky. 377
•erwartende Interpellation zu geben wäre. K. betonte, es sei vorerst noth-
wendig, den Wortlaut der Ansprachen des Nuntius genau festzustellen, da
zunächst nur Zeitungsmeldungen über sie vorlägen; ebenso müsste er zuerst
die Fassung der in Aussicht stehenden Interpellation kennen, um die
Antwort formuliren zu können. Sodann erörterte er die Frage, ob der
Nuntius lediglich die Rechte eines Botschafters besitze und damit der Pflicht
der Zurückhaltung vor der OefFentlichkeit zu genügen habe — oder ob er
als Vertreter des Hauptes der katholischen Kirche über diese Grenze hinaus-
gehen dürfe. Ohne sich über diese Frage abschliessend zu äussern, ging K.
in dem zweiten Theile des Briefes über seine bisherige Ausführung hinaus. Es
macht fast den Eindruck, als ob er hier im Schreiben unterbrochen worden wäre
und die Antwort erst später A^neder aufgenommen hätte. Er stellt sich nämlich
von da ab viel positiver auf Seite Banflfys und erklärt, es schiene ihm »eine
tadelnswerthe Taktlosigkeit des Nuntius dadurch begangen worden zu sein,
dass er sich nicht begnügte, nur Besuche bei den Kirchenfürsten zu machen,
die ihn eingeladen hatten, sondern im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die
bei solchen Anlässen nie öffentlich hervortraten, Ansprachen hielt, die, wie
schon der Standpunkt des heiligen Stuhles ist, nicht anders als oppositionell
gegen die Regierungspolitik ausfallen könnten«. Der Minister des Aeussem
erklärt sich schliesslich bereit, falls die ungarische Regierung dies für
angezeigt erachte, beim heiligen Stuhle »gegen dieses in der gegen-
wärtigen Situation entschieden taktlose Auftreten und Eingreifen des Nun-
tius« Einspruch und Klage zu erheben. — Trotz dieser inneren Ungleich-
mässigkeit des Schreibens konnte es doch nur so verstanden werden, dass
Graf K. gründliche Erhebungen und eine genauere Verständigung mit der
ungarischen Regierung für nothwendig fand, bevor die Interpellation beant-
wortet werden könne. Baron BanfFy aber setzte sich über diese Einschränkung
hinweg und scheute sich nicht, als die Interpellation mit seinem Einverständniss
am I . Mai eingebracht wurde, sofort zu erklären, dass der Nuntius nichts weiter
sei als Vertreter einer fremden Macht und somit seine Befugnisse überschritten
habe. Diese Ansicht, so wagte er ohne jeden Grund zu behaupten, habe sich
auch der Minister des Aeussem zu Eigen gemacht. Der letztere habe denn
auch bereits bei der Curie Vorstellungen erhoben und habe von ihr über
das Auftreten des Nuntius Aufklärung verlangt. Daran aber war, wie aus
dem Vorhergehenden erhellt, kein Wort wahr, — der von K. erwogene und in
Aussicht gestellte Schritt war bislang in Rom noch nicht unternommen worden.
Banfiy rechtfertigte später sein Gebahren damit, dass er bei seiner
Unkenntniss der diplomatischen Gepflogenheiten angenommen habe, die Vor-
stellung des auswärtigen Amtes sei in der Zwischenzeit bereits erfolgt; er
habe sich, wenn auch nicht an den Wortlaut, so doch an den Sinn des
Briefes K.'s gehalten. An dieser Erklärung ist etwas Richtiges; es ist indessen
auch wahrscheinlich, dass Banflfy den Minister des Aeussem vor eine vollendete
Thatsache stellen und ihm dem Rückweg abschneiden wollte. Solche poli-
tischen Kleinkünste gehörten, wie später allgemein bekannt wurde, zu dem
gewöhnlichen Rüstzeuge des Ministers; sollte doch der Missbrauch, den er
mit ihnen trieb, bald auch in Ungarn Erbitterung erwecken und einige Jahre
später seinen Sturz hervorrufen. Der Unwille K.'s ist schwer zu beschreiben,
denn als Mann strenger diplomatischer Formen sah er in dem Vorgreifen
Banffys eine Schädigung des auswärtigen Dienstes. Wie konnten, so urtheilte
er, die freundlichen Beziehungen zu den übrigen Staaten gepflegt werden, wenn
378 Graf Kalnoky.
der Minister des Aeussem unter der Gefahr stand, dass der ungarische Minister-
präsident seine vertrauliche Schreiben zu Indiscretionen benutzte? In der fort-
schreitenden Gereiztheit, in der sich seine Nerven befanden, wollte er das Vor-
gehen Banffys nicht anders denn als Illoyalität beurtheilt wissen, wobei er sich
nicht klar darüber war, dass sein eigenes Schreiben durch den gegen Agliardi
ausgesprochenen herben, nicht zu überbietenden Tadel dem Ministerpräsidenten
eine Handhabe für seine Rede gegeben hatte. K. sah in all dem nur einen
Einschlag in dem Gewebe von Feindseligkeiten, deren er sich von Ungarn
her zu versehen hätte. Dem sollte durch einen nachdrücklichen Schlag ent-
gegengewirkt werden. Dabei bediente er sich, was bei seiner sonstigen Scheu
vor einem Appell an die Oeffentlichkeit in Erstaunen setzen muss, vielleicht
zum ersten Male der Beihilfe der Presse, — kein Wunder, dass er, der an
dieses Kampfesmittel nicht gewöhnt war, dabei das richtige Mass überschritt.
Am 3. Mai brachte die »Politische Correspondenz« eine officiöse Note, die
er selbst verfasst hatte und die im Namen des auswärtigen Amtes BanfFy
gradezu blossstellte. »Es hat nicht wenig Verwunderung erregt«, so heisst es
darin, »dass in mehreren wesentlichen Punkten die Erklärungen des Baron
Banffy unrichtig sind und sich daher mit den Ansichten des Ministers des
Aeussem nicht decken.« Nach einer genauen Darlegung des Sachverhalts
schliesst die Note mit den Worten: »Wenn also Baron Banffy im ungarischen
Parlamente die Erklärung abgab, dass die D<§marche (in Rom) erfolgt sei,
so kann dies seiner Unvertrautheit mit diplomatischen Geschäften zugeschrieben
werden, welche wohl auch die Schuld daran trägt, dass der Ministerpräsident
auf eigene Verantwortung und ohne Rücksicht auf unsere freundschaftlichen
Beziehungen zum Heiligen Stuhle eine wie ein Schlachtruf tönende Erklärung
im Parlament abgab, was für die Sache selbst nur schädliche Folgen haben
kann. Es dürfte also diese Interpellationsbeantwortung des Baron BanfFy noch
zu weiteren Erklärungen und Consequenzen führen.«
Es war in Oesterreich-Ungam nicht erhört, dass ein Minister den andern
in der Presse zur Rede stellte; dass gerade K. mit der Gewohnheit der
Zurückhaltung brach, musste doppeltes Aufsehen erregen. Die öffentliche
Meinung in Ungarn brauste denn ob solcher Behandlung des Minister-
präsidenten hoch auf und Banffy erschien in Wien, um Beschwerde bei dem
Herrscher zu führen. Der Kaiser, für den Grafen K. eingenommen, wies
Banffy zuerst an ihn; eine kurze, schroffe Aussprache der beiden Minister
fand statt, die ergebnisslos blieb, da K. den Vorschlag Banffys ablehnte, den
Zwist durch Austausch öffentlicher Erklärungen beizulegen; er gebe durchaus
keine Erklärung ab. Und da Banffy sich auf das Schreiben K.'s vom 25. April
berief und darauf hinwies, er habe schon am 27. schriftlich die Aufklärungen
gegeben, die K. als Grundlage für den in Rom zu erfolgenden Schritt verlangt
hatte, so dass er bona fide gehandelt habe: so schlug der Minister des Aeussem
dem Kaiser vor, sein Brief vom 25. April solle dem ungarischen Reichstage
bekannt gegeben werden, als Beweis dafür, dass er und nicht Banflfy im Rechte
sei. K. war überzeugt, dass die bedingte Form, in der er die Vorstellung
bei der Curie in Aussicht gestellt habe, jedermann von seinem guten Rechte
überzeugen müsse. Banffy war damit wohl zufrieden und nun zeigte es sich,
dass K. sich über die Wirkung dieser Veröffentlichung auf die Oeffentlichkeit
vollständig getäuscht, während der Ministerpräsident als genauer Kenner seines
Landes ganz richtig gerechnet hatte. An zwei Stellen des Schreibens war
dem Nuntius wegen seiner öffentlichen Ansprachen Tactlosigkeit vorgeworfen
Graf Kalnoky. tyo
worden; man fand, dass Banflfy Grund gehabt hatte, auf die Zustimmung des
Ministers des Aeussern zu rechnen; über den Verstoss in der Form setzte sich
die liberale Partei und Presse kurzer Hand hinweg. Man sah es jenseits der
Leitha als Ehrensache an, dem Landsmann über den unpopulär gewordenen
Minister des Aeussern zum Siege zu verhelfen; und Baron Banffy galt damals
noch als der biedere siebenbürgische Landedelmann, dem man den gemachten
Fehler nicht so hoch anrechnen dürfe. Die liberale Presse diesseits der Leitha
stimmte dieser Auffassung zu, und die Clerikalen wieder grollten dem Grafen
K., weil er den Nuntius so scharf angefasst hatte. Das Schlimmste für K.
aber war: auch die ihm wohlwollten, mussten zugeben, dass er mit der
Banffy zugefügten Beleidigung zu weit gegangen war. An dieser Sachlage
änderte auch die Thatsache nichts, dass der Kaiser, um K. zu schützen, in
einem Schreiben vom 6. Mai die von ihm angebotene Demission ablehnte
und ihm durch die Versicherung ungeminderten Vertrauens eine Genug-
thuung gab.
Für K. stand es von vornherein fest, dass er und Banffy nicht neben-
einander im Rathe der Krone bleiben könnten; und er hielt es für ange-
messen, selbst den Platz zu räumen. Es ging nachgerade über seine Kraft,
einen Confiikt um den anderen mit den ungarischen Ministem auszufechten.
Es hatte sich gezeigt, dass er bei diesen Zusammenstössen ganz allein
auf sich angewiesen war. Er missgönnte den Ungarn nicht den legitimen
Einfiuss auf die äussere Politik, aber er wollte ihn nicht noch ver-
mehrt sehen; er hatte es für seine Pflicht gehalten, das Gleichgewicht
zwischen den beiden Reichshälften zu erhalten und es verschob sich all-
gemach vollständig zu Gunsten Ungarns. Gleich unzufrieden war er mit
dem Gange der Dinge in Oesterreich; das Coalitionsministerium, dessen
Bildung er gefördert hatte, war seinem Zusammenbruche nahe. Ebenso wie
Banffy so reichte auch er, und nun zum zweiten Male, die Bitte um Ent-
lassung ein. Er legte dem Kaiser dar, dass es leichter sein werde, einen
Nachfolger für ihn als für das ungarische Cabinet zu finden. Schon in der
Krise des Vorjahres war es schwierig gewesen, in Ungarn ein Ministerium zu
bilden, dessen Mitglieder dem Kaiser nicht geradezu aufgedrängt waren; da-
gegen, und darauf wies er mit berechtigtem Stolze hin, hinterlasse er die
äussere Politik im Zustand vollster Ordnung, den Dreibund gefestigt, die
Orientwirren besänftigt. In diesem seinen Entschlüsse Hess er sich nicht
wankend machen und der Kaiser konnte sich dem Gewichte seiner Gründe
nicht verschliessen. Der Monarch Hess Banflfy zu sich bescheiden und sagte
ihm kurz, nahezu ungnädig: er habe sich entschlossen, die Demission K.'s
anzunehmen; er wies Banffy ohne weitere Erläuterung an, mit dem Grafen
Goluchowski, der zum Minister des Aeussern bestimmt sei, das Erforderliche
abzumachen. Um so wärmer war der Abschied des Kaisers von K., der
seinen Nachfolger selbst vorgeschlagen hatte. In dem kaiserlichen Hand-
schreiben vom 15. Mai 1895, ^^ ^^^ sein Entlassungsgesuch angenommen
wurde, waren die grossen Verdienste anerkannt, die er sich um den Herrscher
und die Monarchie erworben hatte.
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte K. zum Theil auf Reisen, zu-
meist aber auf seiner Besitzung Prödlitz in Mähren. Seine Gesundheit schien
sich zu festigen, als er am 13. Februar 1898 unerwartet und nach kurzem
Leiden vom Tode ereilt wurde. Auch während seiner Zurückgezogenheit
vermied er, seinem Grundsatze treu, jedes Hervortreten in die Oeffentlichkeit,
^So Graf Kälnoky.
jeden Versuch, seine Thätigkeit als Minister des Aeussem in das Licht ge-
schichtlicher Wahrheit zu rücken, das ihm nur zur Ehre gereichen konnte.
Daher kommt es, dass sein Wirken im Allgemeinen nicht genügend gewürdigt
wird; bei seiner Zurückhaltung und Zurückgezogenheit erklärt es sich, dass
auch die Nekrologe nach seinem Abscheiden sich, wenn man von dem treff-
lichen Artikel Pleners im Wiener »Fremdenblatt« absieht, nur in Allgemein-
heiten bewegen und kein Bild seines Wesens geben. Er hatte der Welt
gegenüber etwas Unpersönliches an sich. Diese Eigenthümlichkeit bewahrte
er bis übers Grab hinaus. Er hinterliess keine Aufzeichnungen über sein
Leben und verfügte in seinem Testament, dass alle politischen Papiere, die
sich in seinem Nachlasse finden sollten, an das Ministerium des Aeussem
zurückzugeben seien. Und auch deren gab es nur eine geringe Anzahl, da
er bei seinem Scheiden aus dem Amte nahezu Alles bereits im Auswärtigen
Amte zurückgelassen hatte. So blieben nur Privatbriefe im Besitze der
Familie.
So wenig beschäftigte ihn die Sorge um seinen Nachruhm; er begnügte
sich damit, seine Pflicht gethan zu haben und hegte das ruhige Bewusstsein,
die äussere Politik der Monarchie durch vierzehn Jahre mit sicherer Hand
gelenkt zu haben. Wohl fehlen seinem Bilde die hinreissenden Züge, durch
welche die genialen Staatsmänner unter seinen Zeitgenossen auf die Menschen
zu wirken vermochten; auch stand er, der österreichische Conservative, dem
Walten der Volkskräfte in einem Lande, wie Ungarn, fremd gegenüber.
Aber er war einer der besten Diplomaten seiner Zeit und pflegte die guten
Seiten der österreichischen Tradition, den Geist der Zähigkeit, Gelassenheit
und Vertragstreue. So gelang es ihm, den Frieden zu bewahren, die Allianzen
Oesterreich-Ungams zu erweitem und zu befestigen, die Unabhängigkeit des
Balkans gegen Russland zu vertheidigen und dabei doch die Eifersucht dieser
Macht zu sänftigen; so führte er die Orientfrage im Sinne seines Staates ein
gutes Stück der Lösung entgegen. In solchen Leistungen wurde er von
keinem Staatsmanne Oesterreichs in diesem Jahrhundert übertroffen.
Heinrich Friedjung.
Ergänzungen und Nachträge zum
„Deutschen Nekrolog von 1896 und 1897".
W3rmetal, Wilhelm, Ritter von, nur bekannt unter dem Pseudonym
(seit 1875) W. Wyl, Publidst, * 27. December 1838 zu Wien, f 4. Januar 1896
zu München. Das auf authentischen Materialien beruhende Lebens- und
Charakterbild dieses ruhelosen, hart duldenden Weltwanderers, geistreichen
Mannes, liebenswürdigen, überaus regsamen Menschen, glänzenden Stilisten,
dessen Fehlen im »Biogr. Jahrb. u. dtsch. Nekrol.« I S. VI beklagt wurde,
lief, vom Unterzeichneten aus den Quellen mit Beihülfe von des Verstorbenen
Wittwe und Sohn (in Califomien) fertiggestellt, für den II. Bd. zu spät ein
und wird diesmal um so weniger nachgeholt, weil zu dem, ebenfalls vom
Referenten inzwischen gelieferten Abriss (nebst Bibliographie) i. d. Allg. Dtsch.
Biogr. XLIV 395 — 397 binnen Kurzem das daselbst erwähnte Werk der Hinter-
lassenen und Ino Stranniks (gesammelte kleine Schriften nebst Biographie)
kommen und dann auch des Unterzeichneten genanntes ausführliches Manuscript
veröffentlicht werden soll.
Ludwig Fränkel.
Thema, Dr., Antonius, von, Erzbischof von München und Freising,
* I. März 1829 in Nymphenburg, f 24. November 1897 in München.
In frühester Kindheit bereits elternlos geworden, erhielt der mit vielen
Vorzügen des Geistes und Körpers ausgestattete Knabe durch edle, mitleidige
Menschen zuerst in Nymphenburg, seit 1837 ^^ Ingolstadt eine gute christliche
Erziehung. Da er sehr bald Neigung zum geistlichen Stande zeigte, — als
10 jähriger Knabe gelobte er in der Gnadencapelle zu Altötting der Mutter-
gottes, wenn sie ihm zum Priesterstande verhelfe, wolle er alle Jahre wieder-
kommen, um ihr zu danken, — wurde er i. J. 1840 an die neuerrichtete
Studienanstalt des Benedictinerklosters Scheyem geschickt, siedelte im nächsten
Jahre nach Metten über, wo die Benedictiner seit 1837 gleichfalls ein Studien-
seminar leiteten, und besuchte sodann vom Jahre 1844— 1848 das Gym-
nasium zu Freising. Im Herbst 1848 bezog er die Universität in München,
um dort im ersten Jahre den philosophischen Studien und sodann drei Jahre
382
V. Thoma.
als Alumnus des CoUegium Georgianum dem Studium der Theologie zu obliegen.
Nachdem er im Studienjahre 1852/53 als Alumnus des erzbischöflichen
Clericalseminars in Freising noch seine Ausbildung in den praktischen Fächern
der Theologie erhalten hatte, empfing er am 29. Juni 1853 im Dom daselbst
vom Erzbischof Karl August Graf von Reisach die Priesterweihe. Am
31. Juli feierte er vor dem Schlosse zu Nymphenburg sein erstes Messopfer,
dann trat er den ihm bereits am 12. Juli angewiesenen Dienst in der Seei-
sorge als zweiter Coadjutor in Teisendorf an. Hier wirkte er unter dem vor-
trefflichen Decan Reichthalhammer mit dem grössten Seeleneifer sieben
Jahre. Am 24. Januar 1860 wurde er als dritter Cooperator an die St.
Ludwigspfarrei in München berufen, am 29. Juli 1862 auf Wunsch des als
Kanzelredner und Volksvertreter vielgefeierten Stadtpfarrers Dr. Westermayer
zum dritten Cooperator an der St. Peterspfarrei befördert. Vierzehn Jahre
lang arbeitete Th. als Hilfspriester, da regte sich in ihm der lebhafte Wunsch,
einen eigenen selbstständigen Wirkungskreis als Seelsorger zu erhalten. Als
nun die Pfarrei St. Zeno bei Reichenhall erledigt wurde, bewarb sich Th.
um diese Pfarrei, die ihm 1867 verliehen wurde. Hier wirkte er 12 Jahre
lang, bis er 1879 nach einstimmigem Magistratsbeschluss in München die
Stadtpfarrei zum Hl. Geist erhielt. Nur vier Jahre bekleidete er dieses Amt
mit grossem Eifer und Erfolg. 1 883 ernannte dem Wunsche des Erzbischofs
Antonius von Steichele entsprechend König Ludwig IL Th. zum Domcapitular.
Pflichttreu wie immer, selbstlos und seeleneifrig wirkte Th. in Kirche und
Schule, im Beichtstuhle und am Krankenbette, in der Schulcommission und
im Armeepflegschaftsrathe, bis ihn nach dem am 13. März 1889 erfolgten
Ableben des Bischofs von Passau, Joseph Franz von Weckert, das Vertrauen
des Prinzregenten Luitpold am 24. März 1889 auf den bischöflichen Stuhl
von Passau berief. Nach langen schweren Seelenkämpfen willigte der be-
scheidene Dompfarrer endlich ein, die bürdevolle Würde anzunehmen. Mit
rührender Sorgfalt nahm er sich der studirenden Jugend in seinen Diöcesen-
seminarien an, mit klugem Eifer förderte er die auf die Errichtung neuer Seel-
sorgestellen abzielenden Bestrebungen, traf die nöthigen Einleitungen zur Ueber-
nahme der Seelsorge an der Wallfahrtskirche zu Mariahilf ob Passau durch
erfahrene Priester des Kapuzinerordens, mit theilnahmsvoller Liebe zu seinem
Diöcesanklerus brachte er die jahrelang betriebene Errichtung einer Emeriten-
anstalt für die Priester der Diöcese Passau zu einem glücklichen Abschluss.
Da starb am 9. October 1889 zu Freising Antonius von Steichele, Erzbischof
von Münchisn und Freising, nach elfjähriger Regierung, und bereits am 23. dess.
Monats wurde vom Prinzregenten Luitpold Th. als Erzbischof von München
und Freising postulirt, und nachdem ihm durch Decret vom 8. December
in der Person des Münchener Dompropstes Michael von Rampf ein Nachfolger
auf dem Passauer Bischofsstuhl ernannt worden war, am 30. December
feierlich präconisirt. Bevor der neue Erzbischof nach München übersiedelte
und die Regierung der Erzdiöcese übernahm, waren dort wichtige Ereignisse
vor sich gegangen. Im Januar 1890 war Döllinger, der Schöpfer des Alt-
katholicismus, gestorben und am 15. März hatte das Ministerium Lutz nach
20 jährigem Kampfe seinen Frieden mit der katholischen Kirche geschlossen
und der Ausschliessung der »Altkatholiken« aus der katholischen Kirche auch
die staatliche Anerkennung ertheilt. So konnte Erzbischof Antonius, der sich
als Wappen die weisse Taube mit dem Oelzweig über drei grünen Hügeln
schwebend gewählt hatte, bereits im Zeichen des Friedens am 21. April
V. Thoma. ^83
1890 seinen festlichen Einzug in München halten. Als aber bereits im
nächsten Monate am 31. Mai der Cultusminister Freiherr von Lutz seine
Entlassung nahm und durch den dem neuen Oberhirten persönlich be-
freundeten Polizeipräsidenten Ludwig August von Müller ersetzt wurde, ge-
stalteten sich die Beziehungen zur weltlichen Regierung noch friedlicher und
erfreulicher. Tief ergriffen stand desshalb Erzbischof Antonius am 24. März
1895 ^^^ ^^^ Leiche des einem Gehirnschlage erlegenen Ministers v. Müller
und sprach, die Hand des Todten erfassend: »Gott lohne dir tausendfach
all das Gute, das du mir und meiner Diöcese gethan hast«. Unter solch
glücklichen Verhältnissen konnte er sich ganz und ungetheilt der Sorge für
das Seelenheil seiner mehr als achthunderttausend Diöcesanen widmen. Von
jeher Seelsorger gewesen als Hilfspriester und Pfarrer wollte er es auch als
Erzbischof bleiben. Auf seinen Amtsreisen, die jährlich mehr als drei Monate
währten, predigte er täglich und an manchen Tagen zweimal; bei der Be-
reisung der Erzdiöcese unterliess er nicht, wie die Klöster, Institute und
Kinderbewahranstalten, so auch die Spitäler und Krankenhäuser zu besuchen
und trat, ohne Furcht vor ansteckenden Krankheiten, zu den einzelnen Lei-
denden heran, um ihnen Worte des Trostes und der Ermunterung mit seinem
Segen zu geben.
Diesen wahrhaft priesterlichen Geist, der ihn beseelte, suchte er auch den
Zöglingen seiner Seminarien einzuflössen.
Auf Grund langjähriger Erfahrungen schrieb er 1891 eine Lehrordnung
für die Ertheilung des Religionsunterrichtes in den Volksschulen vor. Um den
zum Theil berechtigten Klagen mancher Katecheten über Unvollkommenheiten
des gegenwärtigen Deharbe'schen Katechismus zu begegnen, regte er eine
Verbesserung desselben, sowie die Einführung eines einheitlichen Katechismus
für alle Diöcesen Bayerns an. Mit grosser Sorgfalt war er darauf bedacht,
dass die so wichtigen Religionslehrerstellen an den Mittelschulen nicht mit
ehrgeizigen oder habsüchtigen Strebern, sondern mit seeleneifrigen und wissen-
schaftlich tüchtigen Priestern besetzt wurden. Den Gründungen verschiedener
katholischer Vereine brachte er grosses Wohlwollen entgegen, war aber auch
nicht blind gegen manche damit verbundene Gefahren und wiederholte oft:
»Alle, auch die besten Vereine sind schädlich, wenn sie nicht zur Befestigung
des Familienlebens beitragen«. Da er den Nutzen der sogenannten Volks-
missionen für die Weckung und Bewahrung des christlichen Lebens aus
eigener Erfahrung wohl kannte, förderte er dieselben in seiner Diöcese nach
Möglichkeit, betheiligte sich selbst an mehreren derselben und Hess in München
solche auf eigene Kosten vom 16. — 25. März 1895 in 12 Kirchen und vom
14. — 29. März 1896 in 13 Gotteshäusern zum Segen für viele Tausende ab-
halten. Da er in der werdenden Grossstadt München ganze Stadttheile
der Gotteshäuser und Seelsorge ermangeln sah, unterstützte er mit
seinem grossen Einfluss und seiner fürstlichen Freigebigkeit die Erbauung
neuer Kirchen, so jene der St. Antoniuskirche im 10. Stadtbezirke und der
St. Josephkirche im 7. Stadtbezirke durch die Kapuziner, und die Errichtung
neuer Pfarreien, wobei er den Pfarrhof von St. Benno aus eigenen Mitteln
um 65 000 Mk. erbauen Hess.
Um die Kirche in ganz Bayern aber erwarb er sich grosse Verdienste,
indem er, dem Wunsche des Papstes vom 9. October 1892 entsprechend,
sämmtliche Oberhirten des Landes wiederum alle drei Jahre zu einer Con-
ferenz in Freising versammelte, und durch kluges Vermitteln und demüthiges
384 '^' Thoma. Sanders.
Verzichten auf den eigenen Willen manche gemeinsame Action des Episkopats
in Kirchen-, Schul- und Ordensangelegenheiten ermöglichte. Die Beziehungen
zur päpstlichen Nuntiatur, welche unter seinem Vorgänger rein legale waren,
wusste er zu wahrhaft herzlichen zu gestalten. Papst Leo XIII., dem er im
October 1892 und 1896 mit dem Erzbischof Joseph von Schork v. Bamberg
persönlich seine Huldigung darbrachte, schätzte ihn wegen seiner hohen
Tugenden und seiner Anhänglichkeit an den apostolischen Stuhl sehr hoch
und ernannte ihn am 2. December 1892 bereits unter Erhebung in den
römischen Grafenstand zu seinem Hausprälaten und Thronassistenten.
Die theologische Fakultät der Universität München verlieh ihm »wegen
der in der Seelsorge und der Regierung der Kirche erworbenen grossen
Verdienste« die Würde eines Doktors der Theologie. Prinzregent Luitpold
zeichnete den dem bayerischen Königshause mit rührender Treue ergebenen
Kirchenfürsten durch wiederholte Verleihungen von Orden, zuletzt des Com-
thurkreuzes des Kronordens und des St. Michaelsordens II. Klasse mit
Stern aus.
Also ausgezeichnet durch die weltliche und geistliche Gewalt, verehrt
von allen Ständen, blieb Erzbischof Antonius stets demüthig und anspruchslos
wie ein frommes Kind. Gegen Andere voll Milde und freigebiger Barm-
herzigkeit war er gegen sich gar hart und strenge. Seine Zeit widmete er
dem Gebete und der Arbeit, der nöthigen Erholung gewährte er fast keinen
Raum, stets eingedenk seiner grossen Verantwortung, die immer schwerer auf
sein zartes, weiches Gemüth drückte. So kam es, dass übermässige Arbeits-
last seine Kräfte vor der Zeit aufzehrte. Am 24. November 1897 erlag der
edle Oberhirt einem Herzschlage, beweint und betrauert wie wohl wenige
Kirchenfürsten. Das Marmor-Denkmal an seiner Gruft im Dom zu München,
eine Schöpfung des Professors Wadere, das ihn vor dem Gekreuzigten knieend,
umgeben von Maria und St. Antonius darstellt, trägt mit Recht die Inschrift:
»Wer Liebe sät, wird wieder Liebe ernten«.
Litteratur : Antonius von Thema, Erzbischof von München und Freising, von Georg^
BrUckl, Domcapitular und erzb. Secretär, München, Lentner 1898. — Erzbischof Dr. An-
tonius von Thoma als Marienkind« in der Monatsschrift »der Marienbote«. III. Jahrgang,
S. 149 fF. — Geschichte des Spitales, der Kirche und der Pfarrei zum Hl. Geist in
München, v. Adalbert Huhn, München, Lentner 1893, S. 474 ff.
Bilder: BUste in Lebensgrösse von Bildhauer Sebast. Osterrieder; Photographien
bei Franz Neumeyer in München, und C. Dittmar in Landshut ; Lichtdruck bei Franz Böham
in München; Radierung von Alois Roth, München. Georg Brück 1.
Sanders, Daniel, *i2.Novbr. 1819 in (Alt-) Strelitz im Grossherzogtum
Mecklenburg, f daselbst am 11. März 1897. S. entstammte einer jüdischen
Kaufmannsfamilie und verdankte, da seine Mutter wenige Tage nach seiner
Geburt starb, seine Erziehung vorwiegend seinem Vater, einem Manne von
edelster Geistes- und Herzensbildung. Den ersten Unterricht erhielt er in
der damals vorzüglichen jüdischen Unterrichtsanstalt in seiner Vaterstadt und
vom 12. Lebensjahre ab in dem Gymnasium Carolinum der benachbarten
Residenzstadt Neustrelitz, das er Ostern 1839 absolvirte, worauf er die Uni-
versität Berlin bezog, an der er, besonders unter Boeckh, Droysen, Lejeune-
Dirichlet und Dove, Philologie, Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften
studirte. Ein enges Freundschaftsband verknüpfte ihn hier mit H. B. Oppen-
heim und Moritz Carri^re, und im Verein mit beiden Freunden gab er noch
vor Beendigung seiner Studienzeit »Neugriechische Volks- und Freiheits-
Sanders. ^gt
lieder« in Uebersetzungen heraus (1842), deren Originale ihm durch zwei
befreundete griechische Studiengenossen vermittelt wurden. Auch in der
Folgezeit bewahrte S. sein Interesse für das Neugriechische, das er in weiteren
Schriften (»Das Volksleben der Neugriechen«, 1844 — »Die Hochzeit des
Kutrulis. Ein aristophanisches Lustspiel des AI. Rh. Rhangawis; übersetzt, 1848
— »Neugriechische Grammatik nebst Sprachproben« u.s.w., 1881 — »Geschichte
der neugriechischen Litteratur« ; mit A. R. Rangab($ gemeinschaftlich verfasst,
1884) zum Ausdruck brachte. Nachdem S. seine Studien in Halle 1842 ab-
geschlossen und sich ausser der Doctorwürde auch ein preussisches Ober-
lehrerzeugniss erworben hatte, kehrte er in seine Vaterstadt Strelitz zurück,
wo ihm im folgenden Jahre die Leitung der öffentlichen und Frei-Schule der
jüdischen Gemeinde übertragen wurde. Fast ein Jahrzehnt lang wirkte S. in
dieser Stellung, und die Schule blühte in kräftigem Gedeihen und erwarb
sich in kurzer Zeit einen Ruf, der weit über Mecklenburgs Grenzen hinaus-
drang. Als er jedoch 1850 mit seinem Freunde Adolf Glassbrenner ein
Heftchen »Xenien der Gegenwart« veröffentlichte, worin die Dichter ihrem
Unwillen über das elende Scheitern des liberalen Gedankens unverhüllt Aus-
druck gaben, schloss die Regierung die Sanders'sche Schule und drängte ihn
in das Privatleben eines Schriftstellers zurück. Um dieselbe Zeit erschien
das erste Heft des deutschen Wörterbuchs der Gebrüder Grimm, das von
S. in zwei Heften kritisch beleuchtet und als »in seiner ganzen Anlage und
grossenteils auch in seiner Ausführung durchaus verfehlt« bezeichnet wurde.
Bald darauf trat auch S. selbst mit einem »Programm eines neuen Wörter-
buchs der deutschen Sprache« (1854) hervor. Wenngleich seine Kritik auf
vielen Seiten einen Sturm der Entrüstung hervorrief, so fanden sich doch
auch Stimmen, welche sich auf seine Seite stellten, und nicht lange danach
lief dann bei S. auch der Antrag eines Leipziger Buchhändlers ein, für seinen
Verlag ein »Wörterbuch der deutschen Sprache« zu schreiben, ein Antrag,
dem S. mit seinem grossen dreibändigen Werke in den Jahren 1859 — 1865
entsprach. Zu einer Kritik dieses Werkes fehlt uns hier der Raum: es hat
aber seinen Weg gemacht und ist durch das »Ergänzungs Wörterbuch der
deutschen Sprache«, das S. 1879 — 85 folgen Hess, nur noch werthvoller ge-
worden. Es konnte nicht ausbleiben, dass eine derartige schriftstellerische
Thätigkeit S.'s schliesslich auch auf verwandte Gebiete hinübergriff, und
so hat er denn im Laufe der Jahre 20 verschiedene Schriften über deutsche
Orthographie, deutsche Grammatik, deutsche Synonymen, deutsche Silben-
messung und Verskunst, deutsche Sprache und Litteratur, über Satzbau und
Wortfolge u. s. w. veröffentlicht, deren Aufzähluug uns erspart bleiben kann;
auch gründete er sich 1887 für sein sprachwissenschaftliches Wirken ein
eigenes Organ, die »Zeitschrift für deutsche Sprache«. In Anerkennung seiner
Leistungen und Verdienste auf dem Gebiete der Germanistik wurde S. auch
im Januar 1876 von dem preussischen Unterrichtsminister Falk zu der
orthographischen Konferenz nach Berlin berufen, auf der er mit Prof. Wilhelm
Scherer und wenigen andern den konservativen Standpunkt vertrat, und
1877 wurde er durch Verleihung des Titels Professor geehrt. — S. war
indessen nicht nur ein gelehrter Sprachforscher, sondern auch ein tief
gemüthvoller Dichter. Die Beschäftigung mit Volkspoesie hatte ihn schon
früher zur orientalischen Dichtung geführt und ihn zu einer metrischen
Uebersetzung des »Hohen Liedes Salomonis« angeregt (1845, 1866). Später
überraschte er die deutschen Litteraturfreunde mit Gedichten für die Jugend
Blui;r. Jahrb. u Deutitcher Nokrolo;;. ü. Bü. 2^
^g5 Sanders. Schrauf. Meyer.
»Heitere Kinderwelt« (1868; neue Ausg. 1889), mit der Gedichtsammlung
»Aus den besten Lebensstunden. Eigenes und Angeeignetes« (1878) und
mit den »366 Sprüchen« (1892).
Festschrift zu Daniel Sanders' siebenzigstem Geburtstage. Von Friedrich Dfisel,
Strelitz 1889.
Franz Brummer.
Schrauf, Albrecht, Mineralog, * 14. December 1837 zu Wien, f ebenda
29. November 1897. Studirte in Krems, Wiener-Neustadt und Wien, sollte
ursprünglich Priester werden, verliess aber noch als Novize den Piaristenorden ;
bezog 1856 die Universität Wien, kam 1861 an das k. k. Hofmineralien-
cabinet, dessen erster Custos er 1868 wurde; habilitirte sich 1863 an der
Universität Wien, wurde 1874 Professor. »Schon in seiner ersten Arbeit
über das Kieselzinkerz trat S. in Opposition zur Mohs-Zippe'schen Schule in
Oesterreich.« »Er versuchte die Aufklärung der Beziehungen zwischen der
chemischen Zusammensetzung einer-, der Krystallform und den damit zu-
sammenhängenden physikalischen Eigenschaften andererseits.« S. ü. seine
»Physikalischen Studien über die gesetzmässigen Beziehungen von Materie
und Licht«; »Lehrbuch der physikalischen Mineralogie« etc. Ausser diesen
und anderen grösseren Werken (darunter sein ausgezeichneter Atlas der
Krystall formen) hat S. über 100 Specialabhandlungen publicirt. Sein Leben
gestaltete sich düster durch schweres körperliches Leiden und tiefe Gemüths-
Verstimmung. »1896 verlor S., angeblich durch einen zufälligen Blick in die
Sonne, sein linkes Auge, sein 'Arbeits-Auge'. Die hierdurch wesentlich mit-
bedingte Untähigkeit zur Arbeit ertrug er nicht lange.« ^
Almanach der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien 1898, 322 — 326.
Meyer, Victor, Chemiker, * 8. September 1848 zu Berlin, f 8. August 1897
zu Heidelberg. Sohn des Inhabers einer bedeutenden Kattunfärberei, in der
wahrscheinlich M. wie sein älterer Bruder Richard zuerst zu chemischen Be-
obachtungen angeregt wurde. Absolvirte, 16 jährig, das Berliner Friedrich-
Werder'sche Gymnasium. Dazumal vorwiegend litterarischen Neigungen zu-
gethan, hegte er den lebhaften Wunsch, Schauspieler zu werden. Erst als er
Mitte der Sechzigerjahre seinen in Heidelberg Chemie studirenden Bruder
besuchte, trat eine Wandlung der Berufswahl ein. Im Gymnasium von dem
trefflichen Bertram in Mathematik und Naturwissenschaft wohl vorbereitet,
hörte er ein Semester an der Berliner Universität, auch bei A. W. Hofmann;
im Herbst 1865 bezog er die Heidelberger Universität, deren Professoren in
jener Zeit Bunsen, Helmholtz, Kirchhoff waren. Unter Bunsen vollendete er
dort seine Studien. Eine Weile wirkte er als Assistent Bunsens, bis er 1868
nach Berlin zurückkehrte und unter Adolf Baeyer in organischer Chemie sich
zu vervollkommnen suchte. Als Dreiundzwanzigjähriger wird er als Extraordi-
narius an das Stuttgarter Polytechnicum, 1872, dank dem Schweizer Schulpräsi-
denten Kappeier, der ihn incognito auf einer »Entdeckungsreise« hörte, als
Nachfolger Wislicenus' nach Zürich berufen. Dort lehrte er von 1872 — 1885;
dort gründete er auch seinen Hausstand mit Hedwig (geb. Davidsohn).
Nach ausserordentlichen Leistungen als Forscher und Lehrer verliess er die
Schweiz, um in Göttingen als Professor weiterzu wirken. Der Umbau des
alten Wöhler'schen Laboratoriums vollzog sich 1888 unter seiner Leitung.
1889 wurde M. Bunsens Nachfolger in Heidelberg. Auf dem Lehrstuhl und
Meyer. Bjorksten. 207
im Laboratorium, als Meister gelehrter und populärwissenschafUicher Dar-
stellung, als Hausherr und Reisekünstler suchte er seinesgleichen. Volles
Glück in seinem Beruf und in seiner P'amilie wäre ihm beschieden gewesen,
hätten nicht schwere, durch Ueberarbeitung verursachte Neuralgien ihm das
Dasein verbittert und endlich dermassen unleidlich gemacht, dass er in der
Nacht vom 7. — 8. August freiwillig aus dem Leben schied. Sein Abschieds-
wort lautete: »Geliebte Frau! Geliebte Kinder! Lebt wohl! Meine Nerven
sind zerstört; ich kann nicht mehr.« — M. war (wie es in Liebermanns Ge-
dächtnisswort heisst) einer der fruchtbarsten, originellsten, vielseitigsten che-
mischen Experimentatoren. Bei aller Vielseitigkeit laufen seine und seiner
Schüler Arbeiten immer wieder auf wenige Grundthemata zurück. »Das
ganze Genie M.'s, sein klares Erkennen, seine hohe Erfindungsgabe, kühne
Energie und gewaltiges Wissen tritt am glänzendsten bei dieser zähen Ver-
folgung hervor. Man erinnere sich nur der Entdeckung der Thiophengruppe
aus einer versagenden Reaction des Benzols aus Benzoesäure oder seiner
schönen letztjährigen Arbeiten über diorthosubstituirte Säuren aus der Nicht-
exterificirbarkeit der Mesitylencarbonsäure. — Noch staunenswerther ist der
(iang der Dampfdichtearbeiten. M.'s geniale Methode erhebt die benutzbare
Temperatur bis zum Siedepunkt des Schwefels (440®) und Schwefelphosphors
(560*^). Unermüdlich zieht er zahlreiche mit Glühtemperaturen arbeitende
industrielle Etablissements, Platinschmelzen, Gasanstalten etc. in den Dienst
seiner Idee. Die Pyrochemie hat M. in vor ihm ungeahntem Grade erweitert.
— »Was wir M.'s immer neuen Versuchen bezüglich der Molekular -Verhält-
nisse des O, N, S, NO, CO^, HCl, S, Sb, Hg, Zn, HgS, einer grossen Zahl
von Metallchloriden und -Bromiden bei den verschiedensten Glühtemperaturen,
sowie der Siede- und Schmelz-Punkte anorganischer Salze verdanken, ist zum
Theil längst in den bleibenden Schatz der allgemeinen und anorganischen
Chemie übergegangen.« — Neben alledem fand er noch Zeit, mit P. Jacobson
ein grosses Lehrbuch der organischen Chemie herauszugeben und als Prosaiker
die ganze deutsche Leserwelt zu erfreuen mit den »Wanderblättern und
Skizzen: Aus Natur und Wissenschaft (1892)« und den »Märztagen im
kanarischen Archipel (1893)«. — Grosse Verdienste um den chemischen
Unterricht hat sich M. (nach dem Zeugniss seiner Fachgenossen) »schliesslich
durch die herrlichen Institute erworben, die nach seinen Plänen und unter
seiner Leitung gebaut sind«.
Heinrich Biltz: »Zeitschrift für anorganische Chemie« XVI (1898). — Professor
H. Goldschmidt: Zur Erinnerung an Victor Meyer. Gedächtnissrede. Heidelberg,
Hörning, 1897. — P. Jacobson: Victor Meyer. Nachruf. »Naturwissenschaftliche
Rundschau« XII, Nr. 43 und 44. Braunschweig, Vieweg, 1897. — Carl Liebermann:
Gedächtnissrede auf Victor Meyer. Gehalten in der Sitzung der deutschen chemischen
Gesellschaft. Berlin, 1897, Schade. — G. Lunge: Nachruf auf Victor Meyer. Mit dem
Bilde Victor Meyer's aus seiner Zürcher Zeit (ebenda kurze Erwähnung von M.'s Be-
ziehungen zu Gottfried Keller und J. Bächtold). »Vierteljahrsschrift der naturforschenden
Gesellschaft in Zürich« XLII, 1897. ,
Bjorksten, Ferdinand, Architekt und Maler, * 17. Juni f835 zu Lovisa
in FinnLind, f 18. Novbr. 1897 zu München, Sohn des SchifFsrheders und
Consuls Josef B., erhielt seine Bildung in einem Handelsinstitut zu St. Peters-
burg, trat in die kais. Akademie daselbst. Mit Vorliebe der Baukunst zu-
gethan, übersiedelte B. 1856 nach München und erhielt durch den frühe
verstorbenen Architekten Christian Lembke (* 2. Novbr. 1826 zu Luttersdorf
25*
3S8 Bjorkstcn. Schlecht.
bei Wismai; f 10. Juli 1857 in München) und bei dem biederen Professor
Ludwig Lange (* 22. März 1808 zu Darmstadt, f 3i- März 1868 in München)
neue Förderung. Seit 1859 selbständig, baute B. sein erstes mit allem mög-
lichen Comfort ausgestattetes sehr gefälliges, vornehmes Musterhaus in der
Arcisstrasse. Verschiedene Erfahrungen mit allerlei Gewerbemeistem verleideten
ihm aber seine ideale Neigung zum Baufach, so besuchte er neuerdings die
Akademie, zeichnete unter der Leitung des Kupferstechers Joh. Leonhard Raab,
malte bei Alexander Wagner und in Carl von Piloty's Schule allerlei Genre-
bilder und Compositionen aus der nordischen Sagenwelt. Seine entschiedenste
Begabung neigte jedoch zum Portraitfach ; nebenbei beschäftigte er sich immer
noch mit architektonischen Entwürfen, kunstgewerblichen Aufgaben und Her-
stellung innerer Einrichtungsgegenstände, ohne jedoch damit bei seiner reser-
virten Haltung in die Oeffentlichkeit zu treten. Eine Lungenentzündung setzte
dieser stillen Thätigkeit 6in frühes Ende.
Vgl. Kunstvereinsbericht f. 1898. 67.
Hyac. Holland.
Schlecht, Karl August Johann Ferdinand, Consistorialrath , Lic. theol.,
* 17. Mai 1838 in Königsberg in der Neumark, f 29. December 1897 in
Königsberg in Preussen. Sein erstes Pfarramt trat S., nach kurzer Thätigkeit
als Hilfsprediger in Rosenthal nahe bei seiner Vaterstadt Königsberg i./N.
im preussischen Regierungsbezirk Frankfurt a./O., 1861 in Treppein bei Krossen
an der Oder an. 4 Jahre später wurde ihm die Pfarrei Weissensee in dem
posenschen Kreise Meseritz übertragen. Als während des Krieges 1870/71
in der Provinzialhauptstadt Posen für die zurückgebliebenen Soldaten an
Stelle der mit ins Feld gezogenen Garnisongeisdichkeit anderweite geistliche
Versorgung nöthig wurde, betraute man den jungen und sprachgewandten
Weissenseeer Landpfarrer mit diesem Dienst. Die Folge davon war, dass S.
am 18. April 1871 in Posen selbst von der Gemeinde zu St. Pauli zum
Cieistlichen berufen ward. Hier hat er bis 1883, während der besten Jahre
seiner Manneskraft, gewirkt, auch ausserhalb seiner Gemeinde auf dem weiten
Felde der Inneren Mission, der ja in den östlichen Provinzen kaum kleinere
Aufgaben als in unseren reichen Grossstädten gestellt sind. S. begründete
und leitete jahrelang mit treuem Fleisse in dem »Posener Sonntagsblatt« ein
christliches Volks- und Erbauungsblatt, das noch heute besteht. 1883 aber
kehrte er in seine Heimathprovinz Brandenburg zurück, um in Luckenwalde
im Bezirk Potsdam das Oberpfarramt und die Superintendentur die Diöcese
zu übernehmen. Doch war seines Bleibens hier nicht lange. Bereits 1886
folgte er einem Rufe nach dem preussischen Norden, in die erste geisdiche
Stelle am L^om in Königsberg in Ostpreussen und übernahm die Super-
intendentur über die dortige sog. Domdiöcese. Nach einigen Jahren wurde
er auch zur Mitarbeit an provinzialkirchlichen Angelegenheiten ins Con-
sistorium gezogen und 1894 zum Consistorialrath ernannt. Gleichzeitig
wurde ihm von der theologischen Fakultät der Universität bei Gelegenheit
der Feier ihres 350jährigen Bestehens der Grad eines Licentiaten der Theo-
logie hon. causa verliehen. Im noch nicht vollendeten 60. Lebensjahre ent-
riss ihn der Tod einer dankbaren Gemeinde.
Kohlschmidt.
Baur.
389
Baur, Wilhelm, Dr. theol., Generalsuperintendent der Rheinprovinz,
* am 16. März 1826 in Lindenfels, f am 18. April 1897 in Coblenz. Unter
den führenden Männern der evangelischen Kirche einer der liebenswürdigsten,
unter den Erbauungsschriftstellern des deutschen Volks im edlen und weiten
Sinn einer der geliebtesten und gelesensten ist B. einen Monat nach seinem
70. Geburtstage, den er noch in schöner Feier begangen, durch einen sanften
Tod heimgerufen worden, viel betrauert und vielgesegnet von der ungezählten
Gemeinde derer, denen er in einem Leben voll Wechsel und Wanderungen,
in Wort und Schrift herzlich nahegetreten ist. B. wurde als jüngerer Bruder
des (nur wenige Jahre vor ihm verstorbenen) Leipziger Theologie-Professors
Gustav B. geboren im Forsthause zu Lindenfels im Odenwalde, unter dem
ersten Frühlingswehen. Und es ist, als ob der würzige Waldesduft und
Frühlingsodem von dem Ort, da seine Wiege stand, in sein ganzes Leben
übergegangen wäre. Es war eine kinderreiche Familie, in der er aufwuchs
in sorgloser und poesievoller Jugend, behütet und geleitet von einer geist-
geweckten liebereichen Mutter, die aus lebendiger Erinnerung der aufhorchenden
Kinderschaar fesselnde Bilder aus der tiefbewegten Zeit der Freiheitskriege
zu entrollen wusste, da ihr der Bräutigam mit seinem Bruder — dem Gatten
ihrer Schwester — als freiwillige Jäger mit übern Rhein, nach Frankreich
hinein zogen. Und noch manchmal hat der jugendfrische Vater, wenn er
daheim zum Jagdgang sich rüstete, das »Frischauf zum fröhlichen Jagen«
angestimmt und auf seinen Pirschzügen, auf denen ihn Wilhelm oft als Jagd-
knappe begleitete, das gewaltige Lied von Lützows wilder verwegener Jagd
erschallen lassen. Das Gymnasium in Darmstadt konnte den regen dichterisch-
schwärmerischen Geist des Jünglings doch nicht in die Fesseln der Schul-
weisheit schlagen; es sind die Töne des Hainbundes, von Freundschaft,
Vaterlandsliebe und Naturfreude, die dort in ihm und gleichgestimmten
Freunden wiederklangen. Was der dürftige Geschichtsunterricht nicht bot,
das ergänzten für die Begeisterung die vaterländischen Dichter: Vater Arndt,
Schenkendorf, Körner. Die Freunde übersetzten den Tyrtäus und schwelgten
in Klopstock und im deutschen Volkslied. Auch die Studentenjahre in
Giessen (1844/47), wo seit 1841 sein Bruder Gustav Privatdozent war, haben
ihn an diesem Schwung der Seele nichts einbüssen lassen. Seine Candidaten-
jahre verbrachte er zunächst auf dem Prediger-Seminar zu Friedberg und
sodann als Hauslehrer in verschiedenen vornehmen Familien. Die Zeit seines
ersten Vicariats in Arheilgen bei Darmstadt gab ihm noch Müsse, mit aller
Begeisterung in die Geschichte der Freiheitskriege sich zu vertiefen; insbe-
sondere hat da die Lebensbeschreibung des P'reiherrn vom Stein von Pertz
grosse und nachhaltige Wirkung auf ihn geübt. Aus diesen Anregungen sind
späterhin die B.'schen Volksbücher von Stein, Arndt und Perthes in den
»Geschichts- und Lebensbildern aus der Erneuerung des religiösen Lebens in
den deutschen Befreiungskriegen« hervorgewachsen. Seine erste litterarische
Veröffentlichung aber war die Frucht hymnologisch-poetischer Studien: »das
Kirchenlied in seiner Geschichte und Bedeutung« (1852). Sie hatte zur
Folge, dass er — noch nicht 30 Jahre alt — 1855 zum Mitglied der hessen-
darmstädtischen (jesangbuchskommission berufen ward. Weiter gab er noch
während seines Vicariats in Bischofsheim 1853 erbauliche Betrachtungen über
»Lazarus von Bethanien und seine Schwestern« heraus, als erste Probe seines
Könnens in sinnig-anschaulicher Schriftauslegung und Verlebendigung biblischer
Gestalten und Situationen. Als erstes eigenes Pfarramt wurde ihm 1855 die
390
Baur.
oberhessische Gemeinde Ettingshausen tibertragen; dorthin holte er sich bald
auch die geliebte Pfarrfrau Meta geb. von B^taz heim, die ihm bis zu seinem
Tode die treusorgende, an all' seinem Schaffen und Wollen theil nehmende
Gefährtin und Gehilfin geblieben ist. Nach 7 Jahren, 1862, vertauschte er
das oberhessische Dörfchen mit dem schönen Ruppertsberg bei Laubach am
Vogelsberge und hat hier bis 1865 das Decennium eines glücklichen reich-
sammelnden Dorfpastorats vollendet. Zwischen Neujahr und Ostern 1865
hielt er von da aus zu Frankfurt zur Belebung der Sache der Inneren
Mission 6 Vorträge: »Von der Liebe« (die dann als Buch unter gleichem
Namen in Calw und Stuttgart in III. Aufl. 1887 erschienen sind). Sie waren
wohl der Anlass, dass er (noch 1865) ^^^ Prediger der für die Zwecke der
Inneren Mission 1860 erbauten Anscharikapelle nach Hamburg berufen wurde.
Doch war auch schon sein Bruder Gustav einige Jahre zuvor als Pfarrer der
Jacobigemeinde dorthin tibergesiedelt. Hier gelang es nun Wilhelm bald,
durch seine geistvolle schmuckreiche Predigtweise eine grosse Personal-
gemeinde um seine Kanzel zu sammeln. Allerdings war es — entgegen dem
nächsten Zweck der Missionskapelle in dem weitausgedehnten St. Michaels-
Kirchspiel, an die er berufen war, den »kleinen Leuten« zu dienen — zu-
meist eine recht vornehme Gesellschaft, die sich von ihm gefesselt fühlte,
während für das einfachere Volk seine Art um einige Töne zu hoch sich
hielt. Selbst sein Bruder hat tiber dies eigenthümliche Missverhältniss zwischen
Amt und Krfolg zu Zeiten mit jovialer Kritik nicht zurtickgehalten. Dennoch
galt unser Wilhelm, als er nach sieben Hamburger Dienstjahren 1872 als
Hof- und Domprediger in der Nachfolge Dr. Snethlage's nach Berlin gezogen
wurde, dort nicht eben als Kanzelgrösse ersten Ranges. Möglich, dass das
Freundespaar Kögel und P>ommel, mit denen bald eine der innigsten
Männerfreundschaften ihn verband, der eine durch grössere Wucht der
Gedanken, der andere durch ungesuchtere Originalität der Darstellung den
jüngeren Amtsgenossen in den Schatten stellten. Doch ist seine wohlthuende
seelsorgerische Thätigkeit in weiten Kreisen, auch bei Hofe, insbesondere von
der Grossherzogin von Baden, hochgeschätzt worden und noch lange nach
seinem Weggange in freundlichem Gedenken geblieben. Mit einem Vortrage,
den er um Ostern 1874 über die Magdalenensache im Evangelischen Vereins-
hause hielt, trat er auch hier in der Hauptstadt in die Rettungsarbeit der
Inneren Mission ein. Bald begann daneben seine schriftstellerische Mitarbeit
an der im Verein mit ihm von Kögel und Frommel herausgegebenen »Neuen
Christoterpe«, für die sein erster Beitrag ein gemüthvoller Aufsatz tiber
»deutsche Weihnacht«, sein bedeutsamster der Essays tiber »Volksseele und
Gottesgeist« gewiesen ist; seine letzten waren — schon von der späteren
rheinischen Heimath aus: das Charakterbild des Freiherrn Julius von Gemm-
ingen und eine Betrachtung christlichen Leidens »Noth Gottes und Wald-
einsamkeit«. Aber schon in den siebziger Jahren schrieb er das Buch, das
seinen Namen in ungezählte deutsch-evangelische Pfarrhäuser und christliche
Familien getragen hat, das glänzendste und anziehendste Ehrenzeugniss fiir
den Segen, den Luthers Bruch mit dem Coelibat zur Folge gehabt hat:
»Das deutsche evangelische Pfarrhaus, seine Grtindung, seine Entstehung und
sein Bestand«, ein Buch, das in den 6 Jahren von 1878 bis 1884 drei starke
Auflagen erlebt hat. Kaum weniger fruchtbar und erfolgreich war seine
tibrige litterarische Thätigkeit. Die schon oben genannten »Geschichts- und
Lebensbilder aus der Erneuerung des religiösen Lebens in den deutschen
Baur. Köhler.
391
Befreiungskriegen« sind in 5 Auflagen erschienen. Ebenso haben die Altes
und Neues bietenden »Lebensbilder aus der Geschichte der Kirche und des
Vaterlandes« (1887), ^i^ theilweise auch ein Stück Selbstbiographie sind,
ihren Weg gefunden. Von seinem »Beicht- und Communionbuch« war bereits
1886 die 5. Auflage nöthig geworden, bei der grossen Anzahl gleichnamiger
evangelischer »Exercitien« -Bücher gewiss ein schönes Zeichen von zu Herzen
gehender, andachtweckender Seelsorgergabe. Seine Frankfurter Vorträge
»Von der Liebe« mussten, wie schon bemerkt, noch 1887 in 3. Auflage er-
scheinen. An »Unsere weibliche Jugend« wandte er sich 1886 in einem
besonderen ernstlichen Mahnwort zu christlicher Vertiefung. Und sein Lebens-
und Charakterbild der »Prinzess Wilhelm von Preussen« (1886, noch vor
dem Dreikaiserjahre) ist wohl die erste grössere Monographie über unsere
jetzige Kaiserin gewesen. Doch mittlerweile ist schon die Veränderung in
seiner äusseren Stellung eingetreten. Nachdem er bereits 1879 Ober-
Consistorialrath und Mitglied des Evangelischen Oberkirchenraths geworden
war, übernahm er am i. Oktober des Lutherjahres 1883 die Generalsuper-
intendentur der Rheinprovinz und siedelte aus der Reichshauptstadt nach
Coblenz über. Ein schwerer Anfang wartete hier seiner. Er war der erste
»Ausländer«, der den über ihrer kirchlichen und provinziellen Eigenart
geradezu eifersüchtig wachenden Rheinländern aus Altpreussen hergeschickt
wurde. Dazu kam, dass die soviel berufene Lutherfestrede des Professors
Bender in Bonn, des radikalsten Anhängers und Verfechters der Ritschl'schen
Schule bis dahin, wenig Wochen nach seinem Eintritt eine grosse und viel-
seitige Bewegung der Gemüther hervorrief. Er hat dieser Erregung durch
seinen ersten »Hirtenbrief« aus der Passionszeit 1884 einigermassen zu steuern,
sie zu beruhigen vermocht. Und im Uebrigen hat sein liebenswürdiges, frei-
müthiges, treuprotestantisches Auftreten, in dem er zeitweise seine Unzufrieden-
heit mit einzelnen Phasen preussischer Kirchenpolitik recht deutlich zu er-
kennen gab, ihm auch in der neuen rheinischen Heimath die Herzen und
das Vertrauen der Besten erworben und gewonnen bis über den Tod. Sein
70 jähriger Geburtstag wurde unter allseitiger herzlicher und ehrender Theil-
nahme des ganzen evangelischen Rheinlandes festlich begangen. Doch schon
hatte sich bei ihm ein schweres Herzübel eingestellt, für das er in ver-
schiedenen Kurorten wenn nicht Genesung, so doch Linderung zu finden
hoffte. Als er sah, dass Heilung unmöglich war, suchte er, auch hierin auf-
richtig und selbstlos für das Wohl der ihm anvertrauten Kirchenprovinz
besorgt, um die Entlassung aus seinem verantwortungsreichen Amte nach.
Doch bis zuletzt treu im Dienst, hat er sich nicht geschont. Noch am Char-
freitag 1897 fuhr er auf Bitten der Familie von Wied hinaus auf ihr Schloss
Segenshaus, ihr das Abendmahl zu reichen. Als er zurückkehrte, war seine
letzte Kraft gebrochen. Den ersten Ostertag verlebte er in aller Zurück-
gezogenheit, am Abend des zweiten erlosch still seines Lebens Licht, das so
Vielen geleuchtet und den Weg zu Gott und ihrem Heil gewiesen hatte, es
erlosch doch im Nachglanz seliger Osterfreude. Sein Leichnam ist seinem
letzten Willen gemäss in seiner geliebten waldumrauschten Heim^th droben
im Odenwald, in Lindenfels, wo er noch die letzten Ruhejahre zu verleben
hoffte, zur letzten Ruhe bestattet worden. Kohlschmidt.
Köhler, August Philipp, Dr. theol. et phil., Professor der Theologie,
* 8. Februar 1835 ^" Schmalenberg (Rheinpfalz), f am 17. Februar 1897 in
392
Köhler. Lommatsch.
Erlangen. Als Bayer und Rheinländer zugleich hat ihn sein Studium, in das
er schon mit i6 Jahren eintrat, zunächst nach Bonn und Erlangen und endlich
nach alter Pfälzer Tradition nach Utrecht geführt (1851 — 1855). An die
akademischen Semester in Utrecht schloss sich weiter eine Studienreise durch
Holland, als deren Frucht sein litterarisches Erstlingswerk über »die Nieder-
ländische reformirte Kirche« 1856 hervorging, fleissig gearbeitet, wenn schon
nicht eben geistvoll die Bewegungen des damaligen theologischen Holland
durchdringend. Im nächsten Jahre folgte seine Habilitation in Erlangen,
nach 5 Jahren (1862) seine Beförderung zum ausserordentlichen Professor
dortselbst. Zwei Jahre darauf ging er als Ordinarius für alttestamentliche
Theologie nach Jena, doch bereits nach w^eiteren zw^ei Jahren (1866) nach
Bonn und von da wiederum zwei Jahre später zurück nach Erlangen, wo
ihm endlich zu ruhiger dauernder Arbeit die Stätte sich aufthat. Noch in
die erste Zeit seines Privatdozententhums (1857) fallen die beiden lateinischen
Untersuchungen über zwei Special fragen der neu- und alttestamentlichen
Wissenschaft: i)rincij)ia doctrinae de regeneratione in N. T. obviae und Com-
mentatio de vi ac pronuntiatione sacrosancti Tetragrammatis, über die Lehre von
der Wiedergeburt im Neuen Testament, und über Bedeutung und Aussprache
des Jahweh-Namens. Es folgte in den Jahren 1860 bis 1865 eine eingehende
Bearbeitung der nachcxilischen Propheten (in vier Abtheilungen) und von
1875 ^^^ ^^^" Hauptwerk, das »Lehrbuch der biblischen Geschichte des
Alten Testaments«, das erst 1892 seinen Abschluss fand. Dazwischen ver-
öffentlichte er an kleineren Arbeiten 1885 eine Schrift, »über die Grund-
anschauungen des Buches Koheleth«, und gab 1886 in einem eigenen
Schriftchen »Ueber Berichtigung der lutherischen Bibelübersetzung« sein Votum
für die drmgende Nothwendigkcit einer Revision der Lutherbibel ab. Dies
und mehr noch ein Aufsatz in der Erlanger »Neuen kirchlichen Zeitschrift«,
in dem er mit allem Ernst für die historisch-genetische Bibelauffassung eintrat,
hat ihm von confessioneller Seite mehrfach den Argwohn und Vorwurf des
»Unglaubens« eingetragen. Doch hat ihn z. B. sein Artikel über » Abraham <<
in der Neuauflage der Herzog'schen Real-Encyklopädie auch vor jenen Kreisen
darin gerechtfertigt, dass er »fem davon w^ar, den Radicalismus der Modernen
zu theilen«. — Sein Tod trat durch ein rasch fortschreitendes Herzleiden
ein, das sich erst in letzter Zeit ihm qualvoll fühlbar machte, von dem er
wenige Tage nach seinem 62. Geburtstage durch ein schmerzloses Hinüber-
schlummern erlöst ward.
Kohlschmidt.
Lommatzsch, Siegfried Otto Nathanael, Professor, Dr. theol. u. phil.,
* 21. Januar 1833 in Berlin, f 13. August 1897 in Freienwalde. Der Sohn
einer (lem Schleiermacherschen Hause naheverwandten Familie, hat er in seinen
Studien wie in seiner äusseren Stellung sich vorwiegend an Berlin und an
Schleiermachers Gedankenwelt gebunden und da recht eigentlich heimisch
gefühlt. Seine Studienjahre 1853 — 1859 hat er fast ausschliesshch in Berlin
verlebt. 1870 habilitirte er sich an der dortigen theologischen Facultät als
Privatdocent. Nach 9 Jahren treuen Dienstes wurde ihm die Beförderung
zum ausserordentlichen Professor zu Theil, nachdem er bereits 1872 sein
Hauptwerk: »Schleiermachers Lehre vom Wunder und vom Uebematürlichen
im Zusammenhang seiner Theologie und mit besonderer Berücksichtigung der
Reden über die Religion und der Predigten v. herausgegeben und neuerdings
Lommatsch. Meier.
393
(1879) ^i"^ durchaus gediegene und gründliche Arbeit über »Luthers Lehre
vom ethisch-religiösen Standpunkte aus und mit besonderer Berücksichtigung
seiner Theorie vom Gesetze« publicirt hatte. Die Disciplinen der Ethik und
Religionsphilosophie sind ihm auch in seiner öffentlichen Lehrthätigkeit sein
Hauptgebiet gewesen, daneben die Krziehungslehre, insbesondere die Volks-
schulpädagogik. So hat in ihm die wissenschaftliche Prüfungskommission für
Candidaten des höheren Lehramtes, in der er ordentliches Mitglied war, einen
äusserst sachkundigen und hochgeschätzten Mitarbeiter gehabt. Das Jubiläum
der Berliner Dreifaltigkeitskirche gab ihm 1889 Gelegenheit zu einer ein-
gehenden Darstellung ihrer Geschichte im Zusammenhang mit der Berliner
Kirchengeschichte überhaupt und mit besonderer Berücksichtigung der Wirk-
samkeit und Bedeutung Schleiermachers. Auch diese letzte grössere Arbeit
von ihm bezeugt, wenn auch im beschränkten Rahmen, seine gründliche,
fleissige, ehrlich forschende Gelehrsamkeit, die das Wesen seines persönlichen
und wissenschaftlichen Charakters war und ihm ein ehrendes Andenken auch
in dem (irossbetrieb der Berliner Hochschule sichert.
Kohlschmidt.
Meier, Ernst Julius, Dr. theol. u. phil., Oberhofprediger und Vice-
j)räsident des evangel. Landesconsistoriums des Königreichs Sachsen, * 7. Sep-
tember 1828 in Zwickau, f 6. October 1897 in Dresden. Mitten aus einer
vielseitigen und vielgesegneten Amtsthätigkeit wurde der Dresdener Oberhof-
prediger und Vicepräsident des Sächsischen Landesconsistoriums durch einen
plötzlichen doch sanften Tod abgerufen, der sich seit Jahren freilich schon
durch zeitweilig heftiges nervöses Kopfleiden angemeldet hatte, nun aber doch
Vielen überraschend und erschütternd früh gekommen ist. Wie die ganze
evangelische Landeskirche im Königreich Sachsen durch den Tod ihres ersten
(Geistlichen, so hat eine grosse Dresdener Personalgemeinde durch das Scheiden
ihres Seelsorgers viel verloren. Ein Leben äusserst reich an Arbeit und Er-
folgen liegt hinter ihm. Seine Kindheit und Jugend im Elternhause war nicht
eben leicht. Der Vater, ein streng und ernst gerichteter Rentbeamter, hielt
den früh zum Träumen geneigten, in sich gekehrten Knaben in fester Hand,
in täglicher tüchtiger Arbeit, um ihn an den unerbittlichen Ernst des Lebens
zu gewöhnen. Doch regte sich unter diesem Geist strenger Zucht im Vater-
hause, fast schon in der Kinderstube, die Neigung zum Predigtamt, zum geist-
lichen Berufe. Er blieb ihr treu. In seiner späteren Schulzeit auf dem
Gymnasium seiner Vaterstadt gesellte sich dazu eine hervorragend rasche
Auffassungsgabe, ein klares vorzügliches Gedächtniss, das ihm das Aufge-
nommene in harmonischer Ordnung und Gruppirung immer gegenwärtig hielt.
So waren es auch zumeist die systematischen Fächer in Theologie und Philo-
sophie, die den Studenten auf der Universität Leipzig fesselten, auch an die
Hochschule seines Heimathlandes fesselten bis zum Abschluss seines akade-
mischen Studiums. Insbesondere hatte es Schleiermachers religiöses Ingenium
ihm angethan; in seinen Werken war er so ganz zu Haus, dass er grosse
Partieen wörtlich auswendig wusste. Und in der Dogmatik und Ethik ist
auch späterhin wohl kein grösseres bedeutsameres Werk erschienen, von dem
er sich nicht genauere Kenntniss zu verschaffen wusste. — Als Candidat trat
er zunächst, doch nur vorübergehend, als Hilfslehrer in eine Dresdener Lehr-
anstalt ein, vertauschte aber bald diesen Posten mit der ihm reiche Anregung
und Weiterbildung bietenden Stellung eines Hauslehrers im Hause des Leip-
394 Meier.
ziger Philosophen Christian Hermann Weisse. Unter dessen Einwirkung, der
z. B. auch ein Lipsius viel zu verdanken oft bekannt hat, blieb er doch
Hegelianer und verfolgte im Verein mit gleichgesinnten Freunden die Weiter-
entwickelung der Idealphilosophie, deren biblische Vertiefung und Begründung
er mit Eifer anstrebte. In dieser Zeit wurde ihm fürs künftige praktische
Predigtamt Ahlfeld zum Vorbild und von nachhaltig bestimmendem Einfluss,
insbesondere auch durch die Vorträge, die er über die Hauptfragen des
geistlichen Amtes im Candidatenverein hielt. Ihm verdankte er auch seine
erste kirchliche Anstellung als Katechet in St. Petri in Leipzig, aus der er
indess schon bald, auf weitere Empfehlung seines väterlichen Freundes, von
Dr. Crusius auf Sahlis in die seinem Patronat zugehörige Pfarrei Flemmingen
in Sachsen-Altenburg berufen wurde (1854). So durfte er alsbald auch die
geliebte Braut, die Tochter einer Dresdener Künstlerfamilie, als Pfarrfrau sich
heimholen. 9 Jahre lang hat er dann in seinem Flemmingen, das mit dem
Filialorte Frohnsdorf bei einer Gemeinde wendisch -zähen Volkscharakters
schwierige Verhältnisse genug bot, treu ausgehalten und ehrlich das Seine
gethan. Die amtsfreien Stunden führten ihn hier zu eingehendem Studium
von Luthers Werken, aus dem bald weiter seine erste grössere wissenschaftlich-
theologische Arbeit hervorging: Lic. Meurer, der Herausgeber des Sammel-
werkes »das Leben der Altväter der lutherischen Kirche« (1861 — 64)<',
gewann seine Mitarbeit für die Biographie Nie. von Amsdorfs. Um diesem
an sich nicht eben liebenswürdigen, überlutherischen Streittheologen vollauf
gerecht zu werden und auch die sympathischen Züge an ihm ins Licht zu
stellen, Hess sichs der junge Pfarrer nicht zuviel werden, auf einer Reise
durch Thüringen eingehende Lokalstudien zu machen und in dem, an
reformationsgeschichtlichen Urkunden überaus reichen Haupt- und Staatsarchiv
zu Weimar tage- und wochenlang Akten und Briefe auszuschreiben, alles
erreichbare Material zusammenzuarbeiten. 1863 erschien die Biographie
im Druck vollendet. Doch schon im nächsten Jahre entriss ihn die Berufung
in ein neues arbeitsreicheres Amt seinen kirchenhistorischen Studien. Der
Fürst von Schönburg-Waldenburg übertrug ihm die mit dem Ephorat jver-
bundene Oberpfarrstelle von Lössnitz im Erzgebirge. Aber auch hier war
seines Bleibens nicht lange. Der Dresdener Oberbürgermeister Pfotenhauer,
der den strebsamen jugendkräftigen Geistlichen nicht aus dem Auge verloren
hatte, bewirkte, dass er bereits 1866 nach der Hauptstadt gezogen wurde,
zunächst allerdings noch ohne eigene Parochie, unter Kohlschütter als Stadt-
I)rediger an der Frauenkirche in der Kreuzgemeinde. Doch wurde ihm
gleichzeitig die Superintendentur über eine grosse Landdiöcese übertragen,
deren Fabrikvororte und weitentlegene Bauerndörfer grosse Anforderungen an
seine Arbeitskraft stellten. Dazu kam nicht lange nachher sein Eintritt ins
Consistorium mit der Theilnahme an den Candidatenprüfungen, der Mitarbeit
an zahlreichen kirchlichen Neugestaltungen, wie der neuen sächsischen Agende,
des neuen Gesangbuchs u. a. Daneben fand er doch noch Zeit, an einer
Reihe von kirchlichen Vortragscyklen sich activ zu betheiligen; so sprach er
1872 über »Judas Ischarioth«, 1874 über »Johannes, den Jünger, der nicht
stirbt«, 1875 über »Humor und Christen thum<^, 1877 über »den Dienst der
lutherischen Kirche am deutschen Volke im 30jährigen Kriege«. 1878 wurde
ihm endlich auch, nachdem er sich durch seine äusserst wirksame Predigt-
arbeit und umfassende treue Seelsorge schon längst eine grosse Personal-
gemeinde verbunden, durch Abzweigung der Frauenkirche und Erhebung zu
Meier. Stahlin.
395
einer selbstständigen Parochie, das eigene selbstverantwordiche Pfarramt zu
Theil. Seine ganze Kraft und Liebe galt den ihm anvertrauten Arbeits-
gebieten. Mit der Vorbereitung seiner Kanzel- und Casualreden, seiner
P^phoralansprachen an Geistliche und Lehrer hat er es jederzeit äusserst ge-
wissenhaft genommen und nach dem Zeugniss der Hörer durch den herzlichen
und kraftvollen Ton immer den Weg zum Herzen und zum Willen gefunden.
Doch hat er, bescheiden zurückhaltend und anspruchsvoll gegen sich selbst,
verhältnissmässig nur Weniges durch den Druck vor weiteren Kreisen ver-
öffentlicht: 1871 und 1881 Ephoralreden unter dem Titel: »Feststunden
brüderlicher Gemeinschaft« und »Stunden der Weihe für den Dienst an der
Gemeinde«. Zwei Predigtsammlungen 1870 und 1877 unter dem Titel:
»Wir sahen seine Herrlichkeit« und eine dritte »Dein Wort ist meines Fusses
Leuchte« (IL Aufl. 1893) haben eine grosse dankbare Gemeinde gefunden
und vielen seiner geistlichen Mitarbeiter im Amt ist seine Meisterschaft in
Gruppirung und Erschöpfung der Textgedanken und ihre Illustration aus
Zeit- und Ortsgeschichte und eigner reicher Lebenserfahrung, auch aus trüben
Tagen, anregend und vorbildlich geworden. Seine Erhebung zum Vicepräsi-
denten des Landesconsistoriums am 31. Januar 1890 hat ihn die Kanzel doch
nicht ganz mit dem grünen Tisch vertauschen lassen, wennschon natürlich
hinter der administrativen Thätigkeit das geliebte Predigtamt zurücktreten
niusste. Die Neuordnung des sächsischen Kirchvisitationswesens und ihre
I)raktische Durchführung auch in grösseren Ephoralstädten ist wesentlich sein
Werk aus dieser Zeit und hat ihn immer wieder mit dem inneren Leben
seiner Landeskirche, ihren Bedürfnissen und Bestrebungen in engste Berührung
gebracht. Auch auf der Eisenacher Vertreterconferenz der deutsch -evange-
lischen Landeskirchen war der Dresdener Oberhofprediger ein hochgeschätztes
und vielthätiges Mitglied.
Kohlschmidt.
Stählin, Adolph von, Dr. theol., Präsident des Ober-Consistoriums in
München, ♦ 27. October 1823 in Schmähingen, f 4. Mai 1897 in München.
Die Knabenjahre hat St. zumeist in der Pfarrei Westheim am Hahnenkamm,
wohin sein Vater 1825 versetzt wurde, verlebt. Dieser, ein einfacher ernster
Mann des alten Rationalismus, der in Fleiss und Treue sein Pfarrgut selbst
bewirthschaftete und mit seiner Gemeinde Wohl und Wehe theilte, unter-
richtete den lebhaften Knaben bis zu seinem 10. Lebensjahre selbst. An
diesem Erziehungswerk hat gewiss auch die kunstsinnige Mutter, eine Tochter
des Memminger Cantors Brack und vor ihrer Verheirathung Erzieherin in einem
vornehmen Hause, stillen und regen Antheil genommen. 1833 kam der
Knabe sodann zum Besuch der Memminger Lateinschule ins Haus der Gross-
eltern. Doch schon im nächsten Jahre musste Wechsel eintreten und Adolph
wurde auf die Lateinschule nach München geschickt, wo ein Onkel, der
Landschaftsmaler Heinrich Adam, ihn in sein Haus aufnahm. Hier reifte
unter den eindringlichen brieflichen Mahnungen des Vaters sein Ernst und
Eifer mit dem Entschluss, einst auch Geistlicher zu werden. Mit diesem
festen Vorsatz und Lebensplan trat er 1835 ^" ^^ sechs Jahre zuvor erst
wieder neu begründete Collegium bei St. Anna in Augsburg, auf dessen
Gymnasium er unter wackeren Lehrern und bei eisernem Pleisse bald so
tüchtige und allseitige Fortschritte machte, dass er in den letzten drei Jahren
in allen Fächern den ersten Platz behauptete. Doch konnten die Uebungen
396 Stählin.
der Schulweisheit sein lel)haftes religiöses Interesse keineswegs absorbiren.
Oft wandte er sich brieflich um Aufschluss über allerlei Bedenken an seinen
Vater, der ihm unermüdlich, ehrlich, wenn auch nicht immer erschöpfend,
Bescheid gab. Diese religiöse Jugendentwickelung fällt in die Zeit der Er-
weckungsbewegung in Bayern, die vor Allem den alten Rationalismus zu
überwinden und auszustossen suchte. Suchend und schwankend bezog St.
im Herbst 1840, noch nicht 17 jährig, die Universität Erlangen, wo damals
Harless und Hofmann bedeutsamen Einfluss zu üben begonnen hatten. Die
Theologie dieser beiden und ihres Collegen Thomasius hat auch auf St. ent-
scheidend gewirkt. Gewiss hat die Universitas litterarum seinem vielseitig
interessirten Koi)f auch in philologischen, philosophischen, mathematischen
und naturwissenschaftlichen Collegs, die er eifrig hörte, viel geboten. Doch
sein Herz gehörte der theologia sacrosancta, für die damals gerade in Er-
langen in jenen drei genannten Männern hervorragende Vertreter erstanden
waren. Mit den Freunden Staedelen, Luthardt, Rutz, Engelhardt nahm St.
bald auch in der ersten christlichen Studentenverbindung, der Uttenruthia,
eine unter allerlei divergirenden Strömungen massgebende, auf christliche Cha-
rakterbildung drängende Stellung ein. Der freundschaftliche Verkehr mit den
Repetenten Thiersch und Schöberlein, und freundschaftliche Aufnahme in
den Familien einzelner Professoren Hess ihn immer festere, positivere Position
gewinnen. Aber doch lag schwerer Druck auf seinen Studienjahren. Ganz
abgesehen von den äusserst knappen äusseren Lebensverhältnissen, unter denen
er sich kümmerlich genug behelfen musste — daheim hatten sich nach ihm
noch 13 Geschwister allgemach eingestellt — , war seine Gesundheit oft
schwankend, er glaubte brustkrank zu sein und nur noch kurze Jahre vor
sich zu haben. Dazu kam ein zeitweiliger Bruch mit seinem Vater, den er
von seinem wohlmeinenden Rationalismus vergeblich zu »positiveren« Glaubens-
überzeugungen zu bekehren sich bemüht hatte, wobei er den kindlichen Ton
der Pietät arg bei Seite gesetzt zu haben, sich selbst sagen musste. Der
Abschluss seiner Erlanger Studien, den 1844 sein glänzender Erfolg im
I. Examen bestätigte, zeigt ihn in seinen Anschauungen über bekenntniss-
mässiges Christenthum tief im Confessionalismus des Lutherthums eingewurzelt.
Die zwei folgenden Jahre, in denen er mit seinem Freunde Staedelen dem
vom Präsidenten von Roth eben gestifteten Predigerseminar in München an-
gehörte und täglich im Roth'schen Hause mit dem knorrigen Charakter des
Präsidenten in Berührung kam, konnten seinen Standpunkt nur befestigen.
Doch seine schwache Gesundheit schien allmählich von einem Nervenleiden
ganz untergraben zu werden. Ein wiederholter Aufenthalt in Bad Kreuth
brachte keine dauernde Heilung. Es wurde auch nicht besser, als er 1846
als Hauslehrer in eine Karlsruher Familie eintrat. Nach einem halben Jahre
schon musste er völlig arbeitsuntähig und fast gebrochen ins Elternhaus nach
Weiltingen sich flüchten. Im Herbst 1847 durfte er es doch wieder wagen,
ein erstes Pfarrvicariat in Ostheim bei dem 87 jährigen Pfarrer Dr. Pohlmann
zu übernehmen und hat auch nach dem Tode seines Seniors, bis in den
Winter 1849 ^^^ dortige (Gemeinde verwaltet. Doch einem neuen arbeits-
reicheren Vicariat in Aha bei Gunzenhausen war er auf die Dauer noch nicht
gewachsen. Krank und unter seiner Schwachheit auch innerlich schwer
leidend, kehrte er Ostern 1850 zu seinen Eltern zurück. Aufs Neue Hess ihn
dort liebende Pflege und der Sommer mit weiten Spaziergängen aufleben,
sodass er im Herbst 1850 sein II, P>xamen wieder mit ausgezeichnetem Er-
Stählin.
397
folge bestand. Es folgten nun für ihn fünf glückliche Jahre der Stille und
Stärkung im Hause des würdigen Dekans Brandt in Kattenhochstadt, dessen
Vicar er ward und später dessen Schwiegersohn. Doch auch da fiel hartes
Leid über ihn. Weihnachten 1852 verstarb ganz plötzlich auf dem Heim-
wege aus Ansbach ins Elternhaus sein jüngerer hochbegabter Bruder, mit dem
er sich noch herzlicher als mit seinen übrigen Geschwistern gestanden hatte
(St. hat später [1887] ^^ ^^^^ "^^^ als Manuscript verfasste Lebensbild des Früh-
vollendeten bei Hinrichs in Leipzig im Druck erscheinen lassen). Und im
Februar 1855 starb nach nur viertägigem Krankenlager sein Vater, zu dem
schon längst sein Verhältniss wieder viel inniger geworden war. Nun als
Haupt der verwaisten Familie mit warm fürsorgendem Herzen für seine Ge-
schwister begrüsste er es mit Freude, dass noch im selben Jahre die Thüre
zum ersten eignen Pfarramt sich ihm aufthat in Tauberscheckenbach bei
Rothenburg. Am 31. December 1855 zog er dort ein und im Mai darauf
führte er Dekan Brandts jüngste Tochter als Pfarrfrau heim. Im eignen
Daheim und inmitten der herrlichen Natur erstarkte nun auch seine Gesund-
heit zusehends. Viel gab's zwar dort nachzuholen, was der Amtsvorgänger
hatte brach liegen und verwahrlosen lassen. Doch fand er noch daneben
Zeit und Kraft, die beiden Synodalaufgaben der Jahre 1856 und 57, erstere
über den Einfluss der Lehre von der Auferstehung der Todten auf die christ-
liche Gesinnung und das christliche Leben und die Mithilfe der Geistlichen
zur gesunden christlichen Erkenntniss dieser Dinge in der Gemeinde; letztere
über den Agendenkern (mit theilweiser Ablehnung des Kliefoth'schen einseitig
liturgischen Standpunktes) in eingehender Bearbeitung zu behandeln. Aber
auch das Jahr 1857 brachte ihm herben Verlust durch den Tod seines hoch-
geschätzten Schwiegervaters. Wie reicher Anerkennung er sich aber bereits
unter den Amtsgenossen seines Sprengeis zu erfreuen hatte, bezeugt die That-
sache, dass er noch 1858 als der Jüngste unter ihnen zum Senior gewählt
wurde. Und zwei Jahre darauf berief ihn die Kirchenregierung zum Mitglied
der theologischen Prüfungscommission für das sog. Aufnahmeexamen in
Ansbach. Im selben Jahre 1860 und an demselben 31. December, an dem
er vor fünf Jahren in seine erste (Gemeinde eingezogen war, trat er sodann
sein zweites Pfarramt an in St. Leonhardt bei Rothenburg, nachdem ver-
schiedene andere Meldungen zunächst ihm fehlgeschlagen. Im März 1864
hat dann Nördlingen den durch seine Predigtgabe und eifrige Gemeindearbeit
bereits weithin bekannten in voller vierzigjähriger Manneskraft stehenden
Dorfgeistlichen sich zum Stadtpfarrer erwählt. Gleich nach seinem Eintritt
dort durfte er in einem erbittert entbrannten Streit über »die Schulreform-
frage«, der durch eine Denkschrift des Bayerischen Volksschullehrervereins
angefacht worden war, zur Ruhe und Versöhnung reden in einer 1865 im
Druck erschienenen Gegendenkschrift, die den Rufern im Streit in concilian-
tester Form doch die nöthigen bittern Wahrheiten einschärfte. 1866 folgte
ein neuer (im »Beweis des Glaubens« 1867 publicirter) Synodalvortrag über:
»Christus, der sündlose Menschensohn, der auferstandene Lebensfürst, der
ewige Sohn Gottes: ein populär-apologetischer Versuch«, der sich vorwiegend
gegen Renan wandte. Noch im selben Jahre wählten ihn die Nördlinger
Gemeinden zum Nachfolger ihres eben verstorbenen Dekans. Aber noch
während das Dekanatsgebäude für ihn in Stand gesetzt wurde, traf schon
eine neue Berufung für ihn ein: die durch Sixt's Tod erledigte Stelle eines
Consistorialraths in Ansbach wurde ihm angeboten. Und nach langem
398 ^ Stählin.
Schwanken nahm er auf Drängen seines väterlichen Freundes Harless an.
Die kirchenregimentliche Arbeit, die seiner nun wartete, war ihm im Grunde
nicht sympathisch. Aber er fasste auch sein neues Amt so ganz als im Dienst
der Gemeinden, ohne einen Anflug von Bureaukratie auf, wusste bei Candi-
datenprüfungen und Kirchenvisitationen so enge Beziehungen zum praktischen
Pfarramt herzustellen und war überdies auch in Ansbach selbst als Pfarrer
einer Parochie und als gewaltiger Prediger so vielseitig und vollbefriedigend
thätig, dass er den Schritt, den Eintritt in die landeskirchliche Verwaltung,
nie bereut hat. Seiner Landeskirche und ihren Ordnungen gehörte ja seine
ganze Liebe. Das bezeugt insbesondere seine Schrift über »das landesherr-
liche Kirchenregiment und sein Zusammenhang mit dem Volkskirchenthum«
(1871), die durch Th. Harnack's Votum flir »die freie lutherische Volkskirche«
veranlasst war. Eine Anzahl Recensionen in der »Zeitschrift für lutherische
Theologie« z. B. über Vilmars Vorlesungen über theologische Moral, über
Martensens Ethik und seine ausführliche Auseinandersetzung mit »der Theo-
logie des Dr. Kahnis« — aus Anlass von dessen Schrift »Christen thum und
Lutherthum« kennzeichnen des Weiteren seine rege Beschäftigung mit den
bewegenden theologischen Zeiterscheinungen. Als dann 1879 nach Harless'
Tode Oberconsistorialrath Meyer dessen Nachfolger im Präsidium wurde, fiel
die Wahl zum Ersatz für letzteren auf St., der nun alsbald nach München
übersiedelte. Hier hat sich bald ein geistig reichbelebter Freundeskreis um
ihn zusammengefunden. Auch Döllinger verkehrte gern und viel mit ihm.
Dankbar begrüsste er es auch, dass das neue Amt ihm doch zu grösseren
wissenschaftlichen Arbeiten wie auch zu Erholungsreisen freie Zeit Hess.
1880 wandte er sich in einer eignen Schrift »Justin der Märtyrer und sein
neuester Beurtheiler« gegen den Dorpater Professor Moriz von Engelhard t,
der »das Christenthum Justins« als wesentlich mit heidnisch -griechischer
Philosophie durchsetzt dargestellt hatte. Gegen einen Vertreter der eben
aufkommenden Ritschl'schen Schule, Hermann Schultz und sein Buch »die
Lehre von der Gottheit Christi« machte er Front in einer eingehenden Be-
sprechung im Theolog. Litteraturblatt 1881. Das Jahr zuvor hatte Erlangen
ihm die Würde eines theologischen Doctor h. c. verliehen. An weiteren
Arbeiten seiner Feder seien hier gleich noch genannt: die drei Lebensbilder
von Lohe, Thomasius und Harless, die er für Herzog's Realencyklopädie be-
arbeitet hatte und 1887 zusammen in Buchform erscheinen Hess; und die
Biographie des Präsidenten von Roth (in der »Deutschen Biographie«) sowie
ein eingehender Nachruf auf Scheurl in der Luthardtschen Kirchenzeitung. —
Doch mittlerweile war er nach Präsident Meyers baldigem Tode bereits 1883
selbst in die oberste Leitung seiner Kirche berufen worden. 14 Jahre lang
ist sie in seinen Händen aufs Beste und Vertrauenswürdigste aufgehoben
gewesen. Es war eine ruhige Zeit für die bayrische Landeskirche: in drei
Generalsynoden hat er mit nie ermüdender Kraft präsidirt und gern die seit
1885 eingerichtete ständige Mitwirkung des Generalsynodalausschusses im
Kirchenregiment willkommen geheissen. Die Vertretung der kirchlich-evan-
gelischen Interessen im bayrischen Reichsrath, die ihm vorwiegend oblag, hat
er nicht selten mit meisterhaften Reden durchgeführt. Der Eisenacher Con-
ferenz deutsch-evangelischer Kirchenregierungen, an deren Einigungsarbeiten
er mit regem Interesse theilnahm, gab er 1889 das grundlegende Referat
über die Neuordnung der kirchlichen Pericopen. Der Vorstand der Leipziger
Mission wählte ihn an Kliefoth's Stelle zum Vorsitzenden. — So war es kein
Stählin. Trautvetter. ^on
Wunder, dass sein 70 jähriger Geburtstag am 27. Oktober 1893 unter grösster,
weitgehendster Theilnahme festlich begangen ward. Und noch lange nachher
ist ihm seine jugendfrische Kraft erhalten geblieben. Zu Melanchthons
400jährigem Geburtstage durfte er am 14. Februar 1897 vor einer grossen
begeisterten Hörerschaft in Augsburg über den »Lehrer Deutschlands« sich
aussprechen, in dessen Vereinigung von Religion und Wissenschaft, von
Christenglaube und edlem Humanismus er auch selbst seines Lebens Ideal und
Aufgabe gesucht und gefunden hatte. Doch bald darauf, am 29. April, über-
fiel ihn während der gewohnten Arbeit im Bureau ein Unwohlsein, das sich
bald zu heftigem Fieber steigerte. So ist er am 4. Mai aus frühlingskräftigem
Greisenalter zu einem besseren Frühling abberufen worden. Die Früchte
seines langen arbeitsreichen Lebens werden ihm nachfolgen und in seiner
geliebten Heimathkirche noch lange nachreifen.
Kohlschmidt.
Trautvetter, Friedrich Wilhelm Gustav Arno, Generalsuperintendent in
Rudolstadt, ♦ 22. April 1842 in Eisenach, f 14. Juli 1897 in Blankenburg in Th.
Der Sohn des Eisenacher Oberpfarrers und Geheimen Kirchenraths Friedrich Tr.,
bezog er nach Absolvirung des Gymnasiums seiner Vaterstadt als Neunzehn-
jähriger die Landesuniversität Jena. Nachdem er 1865 sein theologisches
Studium beendet, nahm er gern, doch nur vorübergehend (1865/6) die Stelle
eines Erziehers beim jungen Erbgrafen zu Stolberg an. 1867 übernahm er
die unter schwerem Druck in der fuldaischen Diaspora lebende weimarische
Rhöngemeinde Geisa, um jedoch schon im nächsten Jahre an die neu-
begründete, der Weimarer Landeskirche angeschlossene deutsch-evangelische
Gemeinde in Luxemburg überzugehen. Hier galt es, nicht nur die in der
Stadt Luxemburg seit der preussischen Besetzung verbliebenen deutsch-evan-
gelischen Familien zu einer Gemeinde zusammenzufassen, sondern auch die
weit im Lande verstreuten Bergleute und Hüttenarbeiter dem evangelischen
Glauben und ihrem deutschen Volksthum nicht verloren gehen zu lassen. So
wurde neben der Consolidirung und Pastorirung der Gemeinde alsbald auch
dij Gründung einer Schule, der »Amalienschule«, ins Auge genommen und
angebahnt. Doch schon nach vier Jahren wurde Tr. seiner dortigen Arbeit
wieder entzogen: 1872 ging er auf den Ruf des evangelischen Oberkirchen-
raths in Berlin an die neu geschaffene deutsch- evangelische Gemeinde in
Kairo. Sieben Jahre hat er hier organisirend und die interessirten Kreise in
der Heimath zu unermüdlicher Mithilfe erwärmend erfolgreich gewirkt, bis
1879 ^^^ ehrenvolle Berufung als Generalsuperintendent und. Hofprediger
nach Rudolstadt an ihn erging und er nach langen Lehr- und Wanderjahren
durch die weite Welt nach seinen geliebten Thüringer Bergen heimkehren
durfte. Doch hat er hier in Rudolstadt, wo unter dem Ministerium des
Herrn von Bertram die ultramontane Propaganda sich anschickte, ihr Haupt-
bollwerk gegen das evangelische Thüringen aufzurichten und vor Allem bei
Hofe sich häuslich einzurichten, keinen leichten Stand gehabt. Dennoch
hat er über den kleineren Fragen und Kämpfen des engsten Kreises nie
die Nöthe und Aufgaben des Gesammtgebietes der deutsch-evangelischen
Diaspora in der alten wie in der neuen Welt aus dem Auge verloren. Durch
seinen ganzen Lebensgang war er ja auch wie Wenige dazu befähigt. So hat
unter seiner sachkundigen Leitung die 1882 ins Leben getretene »Dia.spora-
conferenz« von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewonnen, nicht nur für die
400
Trautveiter, v. Riehl.
evangelischen Deutschen im Auslande, sondern auch für die Organisation
brüderlich-evangelischer und nationaler Hilfsarbeit in der Heimath.
Kohlschmidt.
Riehl, Wilhelm Heinrich v., Culturhistoriker, Professor, Schriftsteller,
* 6. Mai 1823 zu Biebrich am Rhein, f zu München 16. November 1897. — In
vollem Masse empfinde ich die Schwere der Aufgabe eine Ueberschau von
R.'s Lebensarbeit zu geben. In unermüdlicher wissenschaftlicher und künst-
lerischer Gestaltungskraft hat R. ein Feld des Forschens und Sinnens bebaut,
viel ausgedehnter und mannigfaltiger, als heute bei dem Uebcrwiegen der
Spezialforschung irgend ein Feld wissenschaftlicher Arbeit bemessen ist. Und
dazu kommt weiter, dass gerade die verschiedenen Zweige von Kunst und
Wissenschaft, deren Pflege R. sich ergeben hat, so geartet sind, dass ein
in allen diesen Zweigen gleich bewanderter Mann überhaupt nicht zu finden
ist und wohl kaum je gefunden wird. Wer immer die Aufgabe übernimmt,
darzulegen, was R. für Wissenschaft und Kunst bedeutet, wird unter dem
Druck der Empfindung leiden, dass er zwar in Einigem, aber bei Weitem
nicht in Allem des Meisters Geistesarbeit zu überschauen vermöge. So geht
es auch mir, wie ich zu gestehen nicht unterlassen darf.
Im Uebrigen habe ich mir zur Aufgabe gesetzt, im Folgenden zuerst
eine Ueberschau des I^ebensganges von R. zu geben, wobei ich für die Zeit
bis Mitte der fünfziger Jahre des Jahrhunderts die Notizen in der Leipziger
Illustrirten Zeitung von 1856 besonders berücksichtigt habe, da diese Notizen,
wie ich aus R.'s eigenen Aufzeichnungen entnehme, von ihm selbst herrühren.
Daran reihe ich einen Versuch der Schilderung der Lebensarbeit R.'s als
Forscher und Schriftsteller wie als Lehrer.
R. wurde geboren zu Biebrich am Rhein, wo sein Vater herzoglich
nassauischer Seh loss Verwalter war. Im elterlichen Hause war schon in früher
Jugend sein Sinn der Musik zugewandt; sein Vater war leidenschaftlicher
Dilettant und besass eine nicht unbedeutende historische Musikaliensammlung
insbesondere auf dem Gebiet der höheren Instrumentalmusik des 18. Jahrhun-
derts. Dieses jugendliche Milieu ist von bleibendem Einflüsse auf R.'s Lebens-
arbeit geworden; ausführlich berichtet er darüber in den »Briefen über musi-
kalische Erziehung« in der »Deutschen Vierteljahrsschrift« von 1853.
Eine weitere Anregung, die R. dem Vater zu danken hatte und die
gleichfalls für seine Lebensarbeit von dauerndem Einfluss geblieben ist, war
die Wanderlust. Schon als Knabe war er leidenschaftlicher Fussgänger und
jede freie Stunde wurde benutzt, um in den Wäldern bei Weilburg umher-
zustreifen und in den Felsen des Lahnthals beschwerliche Kletterübungen zu
versuchen. Dabei gab es für den kleinen R. keine grössere Seligkeit, als aui
schwer zugänglicher Felsplatte halbe Tage lang in der Sonne zu liegen und
dort in Büchern zu studiren oder Noten zu kritzeln. Diese Wanderlust war
es, die durch zahlreiche mit dem Vater in früher Jugend unternommene kleine
Reisen gewaltige Stärkung erfuhr.
Die gelehrte Vorbildung erhielt R. auf dem Pädagogium in Wiesbaden
und dem (iymnasium in Weilburg. Im Frühjahr 1841 wurde die Universität
Marburg bezogen und zwar zum Studium der (protestantischen) Theologie.
Dieses Studium ergriff R. nicht aus tieferer Neigung, sondern weil es seinem
Hang zu friedlicher Gelehrsamkeit am meisten zusagte und weil er meinte,
als Pfarrer könne man am ungestörtesten Musik machen; auch werde er
▼. Riehl.
401
dadurch in unmittelbaren Verkehr mit dem Bauemvolke kommen, dessen
ganze Art dem etwas bärenhäuterischen jungen Manne unendlich mehr zusagte
als das städtische Leben. R. studirte seine Theologie redlich durch, die
Kirchengeschichte sogar mit grossem Eifer und bestand, nachdem er die
Universitäten Marburg, Tübingen und Giessen besucht, das theologische
Examen zu Herbom in Nassau. Zur praktischen Ausbildung im Predigen
#und Katechisiren schickte man den Candidaten noch auf ein Jahr nach Bonn
unter die Führung von Nitzsch und Sack. Dies gab den Wendepunkt für
sein Leben. Schon auf den anderen Universitäten hatte R. mit besonderem
Eifer philosophische, ästhetische, historische und staatswissenschaftliche Colle-
gien neben den theologischen gehört. In Bonn wiederum fesselten ihn Dahl-
mann, Arndt und Kinkel unendlich mehr als die Predigt- und Katechisir-
übungen. Da erwachte der Gedanke in ihm, die Theologie aufzugeben und
sich durch schriftstellerische Arbeiten solange weiter zu helfen, bis er noch
gründlichere philosophische Studien gemacht, um sich dann als Docent an
einer Universität zu habilitiren. Dabei dachte er zunächst an Kunstgeschichte;
eine Besprechung mit Kinkel, der ihm Culturgeschichte empfahl, wurde ent-
scheidend für die wissenschaftliche Arbeit seines Lebens. Was er längst
gesucht, was ihm die Kirchengeschichte schon nahe geführt, das hatte R. nun
gefunden. Von da an war sein Streben un verrückt dahin gewandt, sich in
der Culturgeschichte eine eigene Disziplin zu erobern, in der er namentlich
auch seine ihm so theueren kunstgeschichtlichen Studien fortwährend ver-
werthen könnte.
Nun duldete es R. nicht länger unter den Bonner Theologen. Am letzten
Februar 1844 wanderte R. zu Fuss von Bonn nach Weilburg. Es war ein
schwerer Eisgang auf dem Rhein und hohe Fluth. Bei Andernach von der
Nacht überfallen, kam der Wanderer in die äusserste Lebensgefahr und war
nahe daran, zu ertrinken; mit grosser Mühe ward er im letzten Moment von
einem Müller gerettet. Es ist ein charakteristischer Ausdruck der harmonischen
und optimistischen T^ebensauffassung, welche die ganze Lebensentwicklung R.'s
beherrscht, dass er diesen Vorgang für ein gutes Wahrzeichen hielt; er meinte,
jcs werde ihm nun auf der neu gewagten Laufbahn gut ergehen, da er solcher-
gestalt seinen Tribut gleich vorweg abgetragen habe.
Zunächst setzte R. in Giessen seine culturgeschichtlichen Studien fort, mit
der Absicht, daselbst sich zu habilitiren. Das eifrige Studium schmälerte die
Einnahme aus litterarischer Arbeit. Die Sicherung der Existenz brachte die
Berufung zur Redaction der Oberpostamtszeitung in Frankfurt. Diese nahm
R. nothgedrungen in grossem Kampfe mit sich selbst an und mit dem stillen
Gelöbniss, so bald als möglich sich wieder loszumachen und zur akademischen
Laufbahn zurückzukehren. (Die Darlegung des weiteren Lebenslaufes R.'s
wird zeigen, dass die Redactionsarbeit ihm allerdings erklecklich länger
beschieden war, dass aber schliesslich — was meines Wissens bisher weniger
bekannt ist — gerade das Vertrauen auf R.'s Leistungslähigkeit in Press-
angelegenheiten sehr wesentlich dazu beigetragen hat, ihm den Weg zum
tLintritt in die akademische Laufbahn zu ebnen.) In Frankfurt verblieb R.
kaum ein Jahr; während dieser Zeit verheirathete er sich mit der Bühnen-
sängerin Bertha von KnoU, wodurch die musikalischen Studien R.'s, die nie
ganz geruht hatten, neuen Aufschwung erhalten. Einige Lieder der Haus-
musik datiren aus dieser Zeit und sind wie fast alle Lieder dieses Werks
eigens für R.'s Frau geschrieben.
Biogr. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd. 26
402
V. Riehl.
Im Jahre 1847 finden wir R. in Karlsruhe als Mitredacteur der »Karls-
ruher Zeitung«. Die publicistischen Arbeiten seines Collegen in der Redaction,
Friedrich Giehne, übten sowohl im Stilistisch-Formellen wie in den politischen
Ideen grossen Einfluss auf R. In Karlsruhe fand R. wieder Ruhe und Samm-
lung; ernste staatswissenschaftliche und historische Studien w^urden wieder
aufgenommen und die ersten Ideen und Ausführungen zur »Bürgerlichen
Gesellschaft« auszuarbeiten begonnen. Im Herbst des Jahres unternahm R.
noch im Verein mit dem Abgeordneten Christ die Herausgabe des »Badischen
Landesboten«, der nach R.'s eigenhändiger Aufzeichnung vom 9. 12. 1847
bis 28. 3. 1848 von ihm verfasst worden ist.
Der März 1848 riss R. aus seiner behaglichen Stellung in Karlsruhe.
Auf Anregung der Häupter der gemässigten Partei in Wiesbaden kehrte er in
die Heimath zurück und gründete die Nassauische Allgemeine Zeitung. R.
bezeichnet selbst die Zeit von fast drei Jahren, während deren er sein Journal
in Wiesbaden führte, als eine harte Lehrzeit. Gewohnt, stets seine eigenen
oft sehr wunderlichen Wege zu gehen, schloss er sich weder einer bestehenden
Partei an, noch vermochte er anfangs eine eigene zu gründen. So stand er
vereinsamt und verdarb es bald mit Allen. Auch der Versuch persönlichen
Eingreifens in die Vorgänge der Tagespolitik verlief trotz anfanglichen Erfolgs
nicht nach seinem Geschmack. Als er eines Tags an die Thür eines über-
füllten Saales kam, in dem er als Volksredner auftreten sollte, ergriff ihn ein
solcher Ekel vor den Agitationen und Volksreden, dass er davonlief, sich zu
Hause einschloss und den ganzen Tag Musik machte und auf lange Zeit nicht
wieder auch nur als Zuhörer in eine Versammlung zu bringen war. In auf-
regendem Leben, mit Aerger und Verdruss aller Art führte R. seine Rolle
ausdauernd durch. Zuletzt verblieb ihm doch die Genugthuung, drei Jahre
lang auf eigene Faust und gleichsam aller Welt zum Trotz conservative Politik
in Nassau gemacht und doch zuletzt die besten conservativen Elemente, wenn
auch widerstrebend, an sich gezogen zu haben. Das Wichtigste aber für den
weiteren Lebensgang R.'s war dabei nach dessen eigener Auffassung der
Umstand, dass er in diesen Kämpfen und Arbeiten Studien über das Detail
des Staatswesen machen konnte, dazu auch Volksstudien, wie er es sonst nie
und nimmer gekonnt hätte. Als Episode in dem Lebenslauf R.'s ist zu ver-
zeichnen, dass er in denselben drei Jahren, in denen er in Wiesbaden als
politischer Agitator eine so schwierige Rolle spielte, zugleich an der künst-
lerischen Oberleitung des dortigen Hoftheaters mitbetheiligt war.
Von erheblichem Einfluss auf die Gestaltung des weiteren Lebensganges
von R. wurde das grosse Interesse, welches Georg von Cotta an den schrift-
stellerischen Leistungen R.'s nahm. In zahlreichen Briefen Cottas an R.
findet dieses Interesse, das sich auch in einer reichen Fülle wechselseitiger
sachlicher Anregung zwischen beiden Männern verwirklicht, beredten Ausdruck.
Das persönliche Interesse v. Cottas wird zunächst durch R.'s Beiträge für
die Allgemeine Zeitung wachgerufen, welche reichlicher zu fliessen begannen,
nachdem R. im Herbst 1849 »sich aus der journalistischen Zerstreuung«
aufzuraffen und zu grösseren Arbeiten seine Kraft zu sammeln versucht hatte.
V. Cotta ist es, der im März 1850 R.'s Mitarbeiterschaft auch für die Deutsche
Vierteljahrsschrift erbittet; noch im Sommer 1850 erscheint der »Bauer«, als
der erste grössere Abschnitt der »Bürgerlichen Gesellschaft« in dieser Viertel-
jahrsschrift. Die Briefe Cottas enthalten eine Reihe bedeutsamer Reflexe des
litterarischen Werdegangs von R., insbesondere der allmählichen Conzentrirung
V. RichL
403
der ursprünglich stark journalistisch angehauchten Einzelaufsätze zum meister-
haft ausgegliederten wissenschaftlichen Buch.
Das Interesse Cottas an R.'s Arbeiten und Arbeitskraft fand einen äusseren
Ausdruck durch Berufung R/s in die Redaction der Allgemeinen Zeitung.
Die Verhandlungen darüber gelangten im December 1850 zum Abschluss.
Die Uebersiedlung R.'s nach Augsburg und dessen Eintritt bei der Redaction
der Allgemeinen Zeitung, speciell der deutschen Partie derselben, erfolgte zu
Anfang 185 1. In Augsburg verlebte R. drei glückliche, arbeitsreiche Jahre.
Die Stelle bei der Zeitung Hess ihm Müsse für eigene concentrirte Arbeit.
So wurden diese Augsburger Jahre entscheidend für die Consolidirung der
eigenartigen schriftstellerischen Leistungen R.'s. Es erschienen in diesen drei
Jahren: »Die bürgerliche Gesellschaft«, die »musikalischen Charakterköpfe«
und »Land und Leute«. Neben der Stubenarbeit wurde Reisen und Wan-
dern von R. auch in diesen Jahren wacker gepflegt. R.'s journalistische und
schriftstellerische Leistungen hatten die Aufmerksamkeit des Königs Maxi-
milian 11. von Bayern und der bayerischen Staatsregierung erregt, und den
Anstoss zur Berufung R.'s nach München gegeben. Bei den einschlägigen
durch den Geh. Legationsrath v. Dönniges geführten Verhandlungen trat
zunächst die Verwerthung der journalistischen Kraft R.'s durch Uebertragung
der Oberredaction der Pressangelegenheiten des Auswärtigen Ministeriums in
den Vordergrund; R. selbst war es, der dazu die Bedingung der Uebertragung
einer Honorarprofessur in der staatswirthschaftlichen Fakultät der Universität
München stellte und durchsetzte. Der Abschluss der Verhandlungen gestaltete
sich folgendermassen. Vom i. Januar 1854 ab wurde R. die Function der
Leitung der Mittheilungen in der offiziellen Presse bzw. der Neuen Münchener
Zeitung und der Correspondenzen an auswärtige Blätter im Ministerium des
k. Hauses und des Aeussern übertragen; zugleich erfolgte die Ernennung R.'s
zum Ehrenprofessor in der staatswirthschaftlichen Fakultät der Universität
München. Als Vortragsfächer sind, dem eigenen Antrage R.'s entsprechend,
bei dessen Ernennung zum Professor bezeichnet: Staats Wissenschaft, Staats-
kunst, Gesellschaftswissenschaft, Volks wir thschaft und Cultur- und Staaten-
geschichte. Man sieht hier, wie R., nachdem er das lang ersehnte Ziel des
Eintritts in die akademische Lehrbahn erreicht hat, zunächst im Plan seines
Lehrens ausserordentlich weit ausgreift; erst später hat die langjährige treue
Lehrthätigkeit die Einschränkung auf die der R.'schen Forschungsarbeit con-
genialen Disziplinen gebracht, deren unten bei einem Blick auf R.'s Lehr-
thätigkeit näher gedacht werden solL
Im weiteren Verlauf der journalistischen Thätigkeit R.'s ist die Be-
gründung des Abendblattes der Neuen Münchener Zeitung zu nennen, das
vorzugsweise zu populären Veröffentlichungen aus dem Gebiete der Kunst
und Wissenschaft bestimmt war. Dabei war es eine besondere Aufgabe R.'s,
die Betheiligung der Repräsentanten der gelehrten und litterarischen Kreise
Münchens zu erlangen. Damit bereitet sich das Ausscheiden R.'s aus der
activen Betheiligung an der Presspolitik vor. Die volle Consolidirung der
Professorenstellung R.'s erfolgt am 8. Februar 1859 durch die Ernennung zum
ordentlichen Professor der Culturgeschichte und Statistik. Von den ursprüng-
lich von R. ins Auge gefassten Fächern war nur die Culturgeschichte ver-
blieben; neu war die Statistik hinzugekommen; wie wenig gerade diese Dis-
ziplin der Eigenart R. 'scher Geistesthätigkeit entsprach, wird unten zur Sprache
kommen.
26*
4Ö4 ^- Riehl.
Die weitere Ajusgestaltung des Schaffens und Wirkens von R. war m
hohem Masse durch die Antheilnahme des Königs Maximilian an dessen
Arbeitsbethätigung und insbesondere durch unmittelbare persönliche Anregung
des königlichen (jönners beeinflusst. R. selbst hat dafür ein classisches
Zeugniss in der Vorrede des dem König gewidmeten Buchs über die deutsche
Arbeit niedergelegt. Der König war es, der den Keimgedanken dieses Buches
geweckt hatte, und aus befruchtenden Gesprächen mit dem König erwuchs
der Plan, Studien über deutschen Arbeitsgeist und deutsches Arbeitsideal zu
schreiben, zugleich als eine Predigt der Arbeit. »Nicht im engen Zimmer,
sondern auf dem fröhlichen Reiterzuge durchs Hochgebirg im Sommer 1858
war es, wo Euere Majestät zwischen Fels und Wald mich für das Thema von
der deutschen Arbeit begeisterten.« So berichtet R. in der genannten Vor-
rede. R. pflegte kurze, nicht in allen Jahren gleich vollständige Aufzeich-
nungen im Charakter knappsten Tagebuchs in seinem Exemplar des Sulzbacher
Kalenders zu machen; dort ist zu lesen, wie oft er, sei es bei den bekannten
Symposien, sei es allein, mit dem König zusammen war; über den Inhalt der
Gespräche mit dem König fehlt leider die Aufzeichnung, lieber die Art des
persönlichen Verkehrs, den König Maximilian mit Dichtem und Gelehrten
pflog, giebt R. eine anschauliche Darstellung in einem Essay des historischen
Taschenbuchs '). Actenmässig ist als Beitrag zur Einflussnahme königlicher An-
regungen auf die Ausgestaltung gewisser R.'scher Arbeiten noch Folgendes zu
verzeichnen.
Im Juni 1854 beschliesst der König, um die beschleunigte Vollendung
des vom Litteraten Lentner*) begonnenen und vom Regierungs -Assessor
Dr. Fentsch fortgesetzten ethnographischen Werkes über Bayern zu erzielen,
einen Theil davon dem Professor R. zu tibertragen, und zwar nach hergestelltem
Einverständnisse zwischen den Verfassern die Beschreibung der Pfalz und des
von Lentner übriggelassenen Theiles von Schwaben und Neuburg. Dies war
der Anstoss zu R.'s »Die Pfälzer« und den »Augsburger Studien«. Im Jahre
1856 beruft der König R. zum Mitglied der Wissenschaftlichen Commission,
die unter dem Vorsitz des Cultusministers über geeignete Verwendung einer
vom König für wissenschaftliche Zwecke ausgesetzten erheblichen Jahressumme
berathen und zur allgemeinen Förderung der deutschen Wissenschaft bei-
tragen sollte. Im Januar 1857 genehmigt der König den von R. entworfenen
Plan Über die Herausgabe einer Beschreibung Bayerns in statistischer, histo-
rischer, topographischer und ethnographischer Beziehung, »Bavaria«, und über-
trägt R. die Herausgabe dieses Werkes. R. hat diesem mühevollen Auftrag
in vorzüglicher Weise entsprochen und dabei erwiesen, dass dem gelehrten
Forscher auch das zur glücklichen Vollendung eines solchen Sammelwerkes
erforderliche organisatorische Talent nicht fehlte. Gleichzeitig einer anderen
weitausgreifenden Anregung des Königs Folge zu geben, sah sich R. jedoch
ausser Stand. Der König hatte nämlich von R. (gleichfalls im Januar 1857)
die Ausarbeitung einer Darstellung aller Anstalten und Massregeln in sämmt-
lichen deutschen Staaten zur Reform der socialen Zustände, Hebung der
Bevölkerung und Bekämpfung des Proletariats gewünscht. Zwar bestand der
König darauf, dass R. diese Arbeit später übernehme; es ist aber dazu nicht
I) V. Folge, 2. Jahrg. 1872. König Maximilian IL von Bayern; aus der Erinnerung
gezeichnet.
^) Man vergl. hierzu Histor. Taschenbuch V. 2. 1872. S. 17.
V. Riehl. AQc
gekommen. Dem Kenner von R.*s Schriften kann dies nicht überraschen; das
genannte Thema der Socialpolitik konnte nicht zu den begehrenswerthesten
Arbeiten des Culturhistorikers und Sociologen R. zählen.
Eine weitere Gelegenheit zur Bethätigung seines litterarisch -organisato-
rischen Talents fand R. in der im Jahre 1870 erfolgten Uebernahme des bis
dahin in 40 Jahrgängen von Friedrich von Raumer herausgegebenen »Histo-
rischen Taschenbuchs«. Beim Vertragsabschluss mit Brockhaus war dabei
bedungen, es solle das Taschenbuch nach und nach in die Bahn eingelenkt
werden, dass »die Culturgeschichte, und zwar im weitesten Sinne« den hervor-
ragenden Inhalt bilde. Zehn Jahrgänge des Taschenbuchs hat R. redigirt
und einem jeden ein knappes, geistreiches Vorwort beigegeben, auch selbst
zu vier von den Bänden einen eigenen Beitrag geliefert.
Eine Erweiterung der Lehrthätigkeit R.'s, die mit der Eigenart seiner
Veranlagung und seines Lebens- und Studiengangs in voller Uebereinstimmung
ist, ergab sich daraus, dass ihm vom Schuljahr 1876/77 ab die Abhaltung
von Vorlesungen über die Geschichte der Musik an der kgl. Musikschule in
München — der späteren Akademie der Tonkunst — übertragen wurde.
Diese Function bekleidete er bis zu seiner auf Ansuchen im Herbst 1892
erfolgten Enthebung. Den Anstoss zur Umgestaltung des vormaligen k. Con-
servatoriums für Musik in München zu einer k. Musikschule hatte — wie hier
nebenbei bemerkt sei — ein von Richard Wagner verfasster, dem König
Ludwig IL vorgelegter Bericht über die Errichtung einer deutschen Musik-
schule in München gegeben.
Während R. am Abend seines Lebens in treuester und eifrigster Pflicht-
erfüllung als Lehrer thätig war, fügte es das Geschick, dass er daneben noch
das volle Mass einer neuen grossen Aufgabe übernahm, welche das Zusammen-
wirken des Verwaltungsbeamten, des Gelehrten und des Künstlers erheischt.
Diese Aufgabe tibernahm R. mit der im April 1885 erfolgten Ernennung zum
Director des bayerischen Nationalmuseums, mit der zugleich die Function eines
Generalconservators der Kunstdenkmale und Alterthümer Bayerns verbunden
war. R. hat die unter schwierigen Verhältnissen übernommene verantwortungs-
volle Aufgabe in trefflicher Weise gelöst und in dieser Stellung durch die
That bewiesen, dass er, ausgerüstet mit ausgezeichnetem culturgeschichtlichen
Wissen, es auch verstand, planvoll eine neue grosse Aufgabe auf dem Gebiete
der Verwaltung zu lösen und dabei sowohl selbst consequent und concentrirt
zu arbeiten, wie auch die Arbeit Anderer zu leiten. In der wirkungsvollen
Verbindung der Leistungen als Director des Nationalmuseums mit jenen des
geistvollen Schriftstellers und des geliebten akademischen Lehrers klingt die
gesammte Lebensleistung R.'s harmonisch aus. R., dem zu Neujahr 1890 in
Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die Förderung von Kunst
und Wissenschaft der Titel eines Kgl. Geheimen Raths verliehen worden war,
harrte als Director des Nationalmuseums aus bis zum Februar 1897 und als
akademischer Lehrer starb er im vollen Sinne des W^ortes in den Sielen. Von
schwerem Krankenlager sich erhebend, begann er seine Vorlesungen im Winter-
semester 1897/98, um alsbald zusammenzubrechen und am 16. November 1897
zu entschlummern.
Indem ich mich dem Versuch einer Darlegung der Lebensarbeit R.'s
zuwende, bitte ich, eine allgemeine Charakterisirung derselben vorausschicken
zu dürfen. Das Moment der Intuition, nothwendig verbunden mit der nicht
auf erschöpfende Massenbeobachtung, sondern auf gelegentliche, wenn auch
4o6
▼. Richl.
noch so scharfsinnige Einzelbeobachtung sich gründenden aprioristischen
Typenbildung ist dem ganzen litterarischen Lebenswerk R.*s eigen. Diese
subjective, durch Phantasiegestaltung ins Einzelne getragene Zuthat zum ob-
jectiv Beobachteten erlangt schliesslich in der Neigung zur novellistischen
Ausgestaltung von Culturproblemen ihre Zuspitzung. Es ist deshalb innerlich
erklärbar, dass R. mit so grossem Interesse gerade an der freieren künst-
lerischen Ausgestaltung von Culturideen hielt, die ihm seine »Novellen« oder
»Geschichten« ermöglichten.
Geistvolle Reproduction sowohl als Schriftsteller wie als Lehrer überwiegt
bei R. die selbständige und für die Errungenschaften der Wissenschaft mass-
gebende Betheüigung an der Forscherarbeit. Wohl ist auch letztere die
Voraussetzung der litterarischen und T^ehrthätigkeit; sie tritt aber in der
Lebensarbeit R.'s zurück gegenüber der Nutzbarmachung des weniger aus
erster wie aus zweiter Hand Erlernten und des durch scharfsinnige Wander-
beobachtung an intuitiv als Typen gewisser socialer Erscheinungen erkannten
Volksgruppen und äusserlich sichtbaren Zeichen vergangener Culturperioden
Errungenen für die Zwecke neuer eigenartiger soziologischer Deutung, wie
man es nach dem Stand unserer heutigen socialwissenschaftlichen Betrachtungs-
weise wohl bezeichnen darf.
Ein Einblick in R.'s eigene knappe Aufzeichnungen über seine litterarische
Konsumtion und Production, die ich der Güte des Sohnes, Herrn Professor
Berthold Riehl, verdanke, bestätigt diese Auffassung. Von den ersten Jahren
seiner Leistungsfähigkeit an geht neben der Lektüre eine ausgedehnte litte-
rarische Arbeit und zwar zunächst Kleinarbeit publizistischer Art, insbesondere
kulturgeschichtliche, politische, aber auch novellistische und musikverständige,
Hand in Hand. Der äussere Druck der materiellen Lage begünstigte nur,
was dem inneren Drang der R. 'sehen Veranlagung erwuchs. R. hat ein )^ge-
naues Verzeichniss« alles Desjenigen, was von ihm im Druck erschienen ist,
hinterlassen, beginnend mit dem Jahr 1841, also die Erstlingsarbeiten des
Achtzehnjährigen enthaltend und abschliessend im Jahre 1853, knapp vor der Be-
rufung R.'s nach Müchen. Wer es sich zur Aufgabe setzen wird, die schrift-
stellerische Thätigkeit R.'s eingehend zu schildern, wird dieses Verzeichniss
mit hohem Nutzen verwerthen; für die Professorenzeit R.'s wird es durch die
aufs Genauste über die litter arische Thätigkeit der Professoren berichtende Chronik
der Universität München ergänzt. Beim Achtzehnjährigen über\^'iegen musik-
wissenschaftliche Strebungen, aber auch schon eine Novelle »Ezzelin in Padua«
von W. R.*****, die in Marburg geschrieben, bringt die j^Didaskalia«; in den
nächstfolgenden Jahren findet man historische Novellen, musikalische Aufsätze,
daneben aber auch die Anlange der Schilderung von Land und Leuten
(1843: Bilder aus dem Lahnthal im ^^ Konversationsblatt«) und die Anfänge
])olitischer Essays (1844: Der deutsche Kosmopolitismus in der »DidaskaHa<:,
der protestantische Rationalismus im »Telegraph«.) Weiterhin überw'iegen noch
die litterarisrhen und musikalischen Essays. Von 1846 an bringen viele Auf-
sätze in der Oberpostamts-Zeitung, später in der Allgemeinen Zeitung und in
der Karlsruher Zeitung ein socialpolitisches Ferment in R.'s litterarischc
S( haffenslust (darunter z. B. 1847: Die Proletarier der Geistesarbeit — Handels-
politische Fragen — Der deutsche Wehrstand — Die Staatsdiener — Zur
Kritik socialer Theorien — Die Bauern — lieber Pauperismus und Mittel
zur Abhilfe.
In den zahlreichen Essays und Zeitungsartikeln, die R. im jugendlichen
V. Riehl.
407
Alter geschrieben hat, finden sich mannigfaltig zerstreut die Ansätze zu seinen
späteren zusammenfassenden kulturgeschichtlichen und staatswissenschaftlichen
Schriften. Jene zahlreichen Aufsätze zeigen den jugendlich erfolgreichen Drang
alsbaldiger Umsetzung von Erlerntem und Erschautem in populäre Belehrung
weiter Kreise. Bemerk enswerth bleibt, dass dieses Bedürfniss vielseitiger
Manifestation seines innerlichen Erwägens, Empfindens und Phantasirens in
Verbindung mit der leidenschaftlichen Wanderfreude R. unverändert bis
in sein höchstes Lebensalter hinauf begleitete. Der künstlerische Trieb des
Novellenschreibers und Musikfreundes ist dem Gelehrten und Lehrer der
Staats wissen Schäften niemals verloren gegangen.
Der Uebergang zu koncentrirbarer kultur- und socialwissenschafriicher
Arbeit findet seit 1850 namentlich in den Aufsätzen R.'s fiir die Beilage zur
Allgemeinen Zeitung und für die deutsche Vierteljahrsschrift Ausdruck. Diese
Aufsätze sind für den schriftstellerischen Werdegang R.'s von besonderer Be-
deutung. Namentlich kommen in Betracht folgende: Beilage zur Allg. Ztg.
1850: Politische Genrebilder aus einem deutschen Kleinstaate; Kulturgeschicht-
liche Studien aus den letzten Jahren; 1851 : Westerwälder Kulturbilder; Kultur-
bilder aus den südbayerischen Hochflächen; 1852: Der Wald, eine social-
politische Studie; Culturgeschichtliche Briefe; Die Gemeinde und die Gesell-
schaft; — Deutsche Vierteljahrsschrift: 1850: Der deutsche Bauer und der
moderne Staat; Der vierte Stand; 1851: Die politische Ehre; Die Aristokratie
in ihrem socialen Berufe; 1852: Die Frauen, eine socialpolitische Studie;
1853: Die Sitte des Hauses, eine socialpolitische Studie.
Wie sich im Uebrigen die concentrirte schriftstellerische Arbeit R.'s in
seinen in Buchform erschienenen Werken und mit welchem Erfolg dieselbe
sich entwickelt hat, lässt folgende Uebersicht entnehmen, die ich der Güte
des Bibliothek - Secretärs der Münchener Universität, Herrn Dr. G. Wolff,
verdanke.
I. Nassauiscbc Chronik des Jahres 1848, d. i. die Geschichte der Erhebung des
Nassauischen Volkes. Wiesbaden, Schellenberg 1849. — 2. Die Geschichte von Eisele
und Beisele. Ein socialer Roman. Frankfurt, Litter. Anst. 1848. — 3. Das Schlangen-
bad, eine histor.-topographische Skizze. Wiesbaden, Schellenberg 1841. — 4. Die bürger-
liche Gesellschaft. Stuttgart, Cotta 1851 (die folgende Auflage als Band II von Ziff. 7.) —
5. Musikalische Charakterköpfe. Ein kunstgeschichtliches Skizzenbuch. Stuttgart, Cotta.
Bd. I. I. Aufl. 1853. - 8. Aufl. 1898 - Bd. IL i. Aufl. 1860 — 7. Aufl. 1S98. — Bd. III.
I. Aufl. 1878 — 2. Aufl. 1881. — 6. Hausmusik (A. u. d. T,: Fünfzig Lieder deutscher
Dichter in Musik gesetzt, Stuttgart, Cotta; i. Aufl. 1855, 2. umgearb. Aufl. 1860. — 7. Die
Naturgeschichte des Volkes nls Grundlage einer deutschen Socialpolitik. Stuttgart, Cotta.
Bd. I Land und Leute, i. Aufl. 1854 — 10. Aufl. 1899 (Schulausgabe mit Einleitung von
Th. Matthias 1895) — Bd. II Die bürgerliche Gesellschaft, i. Aufl. 1851 — 9. Aufl. 1897
(Schulausgabe v. Th. Matthias 1895). — Bd. III Die Familie, i. Aufl. 1855 — 10. Aufl.
1889 (Schulausgnbe v. Th. Matthias 1878; auch in der deutschen Volksbibliothek III. Reihe
erschienen). — Bd. IV Wanderbuch (als 2. Theil zu Land und Leute. Stuttgart 1869.
3. verm. Aufl. 1892}; schon 1862 selbständig erschienen). — 8. Kulturgeschichtliche No-
vellen. Stuttgart, Cotta. i. u. 2. Aufl. 1856. — 9. Die Pfälzer, ein rhein. Volksbild.
Stuttgart, Cotta. i. Aufl. 1857 — 4. Aufl. 1897. — 10. Die deutsche Arbeit. Stuttgart, Cotta.
I. Aufl. 1861 — 3. Aufl. mit Zus. 1884. — 11. Culturstudien aus 3 Jahrhunderten. Stuttgart,
Cotta. I. Aufl. 1859 - 7. Aufl. 1897 (auch in »Deutsche Volksbibl.« 1861). — 12. Geschichten
aus alter Zeit. Stuttgart, Cotta. Bd. I. i.Aufl. 1863, 2. Aufl. 1865; Bd. II. i. Aufl. 1867. -
13. Neues Novellenbuch. Stuttgart, Cotta. x. Aufl. 1867, 2. Aufl. 1873. — 14. Aus der
Ecke, 7 neue Novellen. Bielefeld, Velhagen u. Klasing. i. Aufl. 1874 — 4. Aufl. 1898. —
15. Gesammelte Geschichten und Novellen Volksausg. in 10 Lief. Stuttgart, Cotta
1871-1879. — 16. Die 14 Nothhelfer (Reclam's Univ.-Bibl.) 1874. — 17. Burg Neideck
(Rcclam's Univ.-Bibl.) 1876 (auch 1898 in der Sammlung: Verein f. Verbr. guter Schrift,
4o8
V. Riebl.
No. 12. Bern, C. Schmidt — auch ins Englische Übersetzt in Ashers Continental Library
etc. Vol. 63). — 18. Freie Vorträge. Stuttgart, Cotta. I. Sammlung 1873 — II. Samm-
lung 1885. — 19. Am Feierabend. Sechs neue Novellen. Stuttgart, Cotta. i. Aufl. 1880
3. Aufl. 1896. — 20. Lcbensräthsel, 5 Novellen. Stuttgart, Cotta. 3. Aufl. 1893. —
21. Culturgeschichtliche Charakterköpfc aus der Erinnerung gezeichnet. Stuttgart, Cotta.
I. Aufl. 1894 — 4. Aufl. 1896. — 22. Religiöse Studien eines Weltkindes. Stuttgart, Cotta.
I. Aufl. 1894 — 4. Aufl. 1896. - 23. Ein ganzer Mann, Roman. 1898 Cotta. — 24. Ge-
schichten und Novellen, Gesammtausgabe 1898 u. s. f.
Ausserdem ist hier noch besonders die zusammenfassende und redactionelle
litterarische Thätigkeit Riehls als Herausgeber der »Bavaria« und der 10 Jahr-
gänge des Historischen Taschenbuches zu erwähnen.
Die im Vorstehenden dargelegte reiche litterarische Thätigkeit R.'s kann
man in folgende fünf Gruppen zerlegen.
1. Socialwissenschaftliche Arbeiten. In diesen erstrebte er vor
Allem eine Naturgeschichte des Volkes, gegründet auf eine eigenartige Volks-
erforschung, nämlich auf liebevolle Wanderbeobachtung am lebendigen Volk
und ganz besonders am Volk der Bauern und der Bürger. Darin liegt das
Schwergewicht der social wissenschaftlichen Leistungen R.'s. Er ist einer
unserer ältesten und besten »Sociologen«, der — wenn auch angeregt
und begeistert ganz besonders durch Justus Moser — doch in durchaus
selbstständiger Weise zu einer wissenschaftlichen Analyse der »Gesell-
schaft« gelangt ist. Er hat dies in der Erforschung einzelner abstrakter
Klassen der Gesellschaft, sowohl in ihrer normalen als in ihrer anormalen
Erscheinung (verfehlte Standesbildungen) dargethan, nicht minder aber auch
durch Sonderstudien über einzelne concrete historisch und geographisch
abgegrenzte Gruppen. Eine Würdigung dieser social wissenschaftlichen Lebens-
arbeit R.'s, über die allein ich mich zu einem Urtheil berufen sehen kann,
behalte ich mir zum Abschluss der Ueberschau seiner wissenschaftlichen
Arbeiten vor.
2. Culturgeschichtliche Arbeiten. In der Ausgestaltung des cultur-
geschichtlichen Hintergrundes der socialwissenschaftlichen Forschung fallen
beide Strebensrichtungen R.'s zusammen; ausserdem aber hebt sich doch auch
die culturgeschichtliche Arbeit desselben als Sonderarbeit von bedeutungs-
voller Ausgestaltung ab. Mit grossem Erfolg hat R. den Stoff dieser seiner
Arbeiten, namentlich den letzten drei Jahrhunderten entnommen und daraus
eine Reihe frei ausgeführter culturgeschichtlicher Genrebilder geschaffen. Wenn
R. dabei nicht durchweg und namentlich nicht in äusserlich erkennbarer Weise
die Methodik heutiger culturwissenschaftlicher Forschung zur Anwendung
brachte, so schmälert dies doch keineswegs für die Zeit und für die Um-
stände, unter denen er arbeitete, sein Verdienst als Culturhistoriker. Die
Culturhistoriker sind darüber nicht einig, welcher Ehrenplatz R. insbesondere
neben Frey tag und Burckhardt eingeräumt werden soll. Dem heute fest-
stehenden Urtheil Berufener aber, dass ihm jedenfalls ein Ehrenplatz solcher
Art gebühre, wird man sich anschliessen dürfen. Ich weise hierzu darauf hin,
dass Georg Steinhausen kürzlich seine ausdrückliche Uebereinstimmung mit
Simonsfeld's Gesammturtheil ausgesprochen hat, welches R. als den universellsten
und anregendsten, durch seine öffentliche und schriftstellerische Thätigkeit weit-
aus wirksamsten deutschen Culturhistoriker bezeichnet. (Zeitschr. für Cultur-
geschichte VI. S. 369.) Was R. selbst als Ideal culturgeschichtlichen Schaffens
vorschwebte, ist »die Geschichte der Ciesammtgesittung der Völker, wie sich
dieselbe in Kunst, Litteratur und Wissenschaft, im wirthschaftlichen, socialen
V. Riehl. 409
und politischen Lehen (und dazu allerdings auch in Privatalterdiümern) aus-
spricht«.
3. Kunstgeschichtliche Arbeiten. Diese stehen an Bedeutung den
beiden vorhergehenden Gruppen der R.'schen Arbeiten nach. Auch hinsicht-
lich des Gehalts speciell seiner musikgeschichtlichen und — wie ich es nennen
darf — musik politischen Arbeiten sind die Ansichten sehr getheilt. In seiner
Lebensarbeit aber nahm das Forschen und Schaffen gerade auf diesem Gebiet
Erhebliches in Anspruch.
4. Novellistische Thätigkeit. Hier scheint das Urtheii der Kenner,
zu denen ich mich nicht rechnen darf, von der Werthung des culturgeschicht-
lichen Gehalts novellistischen Schaffens vorbedingt, andererseits auch durch
den massgebenden allgemeinen Htterarischen Standpunkt der Einzelnen, wobei
die Gegensätzlichkeit gegen die durchaus unmoderne Art der R. 'sehen »Ge-
schichten« gegebenenfalls zu schärferem Ausdruck kommen muss. An-
erkenncnswerth ist der sittliche, vielfach mit religiösem Empfinden durchsetzte
Gehalt, die Vertiefung seelischer Probleme und die Echtheit des Cultur-
hintergrunds. Dass das Gemüth erfreuende Fabuliren im guten und litterarisch
fruchtbaren Sinn neben der ernsthaften Geistesarbeit ein festsitzendes Bedürfniss
R.'s war, das ihm sein ganzes Leben hindurch treu blieb, ist bereits hervor-
gehoben. Es findet darin einen charakteristischen Ausdruck, dass ein Werk
solcher Art, »Ein ganzer Mann«, R.'s letzte litterarische Arbeit sein sollte.
Wie R. im Vorwort zu den »Geschichten aus alter Zeit« ausführt, bestand
für ihn das Wesen der Novelle darin, ein Seelengeheimniss in der Ver-
knüpfung und Lösung erdichteter Thatsachen zu enthüllen. Das deutsche
Wort »Geschichte« ist ihm zugleich eine — vielleicht auf gelegentlichem Ge-
wissensbiss beruhende — Mahnung, dass nicht die Reflexion, sondern die
That den Knoten schlinge und löse, und dass die Lust am Erzählen nicht
von der verführerischen Lust des Grübelns und Schildems überwuchert werde.
5. Sammelarbeiten. Als Typen solcher Arbeiten, in denen R.'s
allgemeines organisatorisches Talent litterarisch sich bethätigt, kommen, wie
oben bereits erwähnt, die Herausgabe der »Bavaria« und die Redaction der
Historischen Jahrbücher in Betracht.
Zu der oben vorbehaltenen social- wissenschaftlichen Würdigung der Lebens-
arbeit R.'s möchte ich in kurzen Zügen Folgendes hervorheben. Was R. vor
Allem erstrebt, das war auf Grund eigenster persönlicher Bekanntschaft mit Land
und Leuten und damit verbundener culturgeschichtlicher Forschung aus den
letzten Jahrhunderten zu einer wissenschaftlichen — in künstlerisch vollendeter
F'orm dargelegten — Erfassung des Volks, vor Allem des deutschen Volks, in
seinen typischen, geographischen und socialen Gruppen zu gelangen. Dabei
arbeitete R. nicht blos mit dem Verstand, sondern auch mit dem Gemüth, —
darum wendete sein Interesse sich nicht allen diesen Gruppen in gleichem
Masse zu; einzelne, denen er durch Wandern nahe getreten war oder deren
sociale Verfassung seiner eigenen Stimmung kongenialer war, hat er mit be-
sonderer Vorliebe geschildert und ernsthaft in deren Sinnen und Trachten sich
vertieft.
In diesem Sinn >Aill R. insbesondere dem nachgehen, was er als »Natur-
zustände im Volksleben« bezeichnet. Diesen, meint er, müsse man wieder
gerecht werden und zwar nicht blos in den Romanen, sondern auch in der
Wirklichkeit. Er möchte, dass jede Seite seines Buchs »Land und Leute«
für diesen seinen Glaubensartikel predigte, und wenn das vielleicht in Ein-
4IO
V. Riehl.
seidgkeit geschehe, so geschehe es doch aus begeisterter Ueberzeugung.
»Darum nehme ich<. — sagt R. — »den Wald in Schutz gegen das Feld,
das Land gegen die Stadt, das rohe aber stark- und frohgemuthe jugendliche
Naturleben des Volks gegen die greisenhafte Altklugheit der Civilisation, und
die Politik, welche solchergestalt mit der Erkenntniss von Land und Leuten
anhebt, müsste eine färben- und gestaltenreiche fröhliche Kunst und Wissen-
schaft werden, nicht eine dürre, graue Doktrin«.
Wahrlich diese Worte des Meisters drücken seine Grundstimmung treff-
lich aus — und färben- und gestalten reich ist Alles geworden, was er in
Schrift, Vorlesung und Vortrag an socialer Forschung R.'scher Eigenart ge-
boten hat. Er lehnt es ab, dass er subjective Eindrücke gebe, er will zu
objectiven wissenschaftlichen Ergebnissen gelangen. Aber es liegt in der Natur
der lebensvollen Einzelforschung, deren Befürworter er ist, dass starke per-
sönliche Reflexe das Bild der Zustände und Erscheinungen beeinflussen. Aber
wir möchten gerade dieses höchstpersönliche Element in der gesammten Auf-
fassung nicht missen; wo wir argwöhnen müssen, dass solches einer gewissen
Einseitigkeit zuneige, entschädigt uns die künstlerische Vollendung, in welcher
auch die Einseitigkeit der Auffassung zum Ausdruck gelangt.
In sachlicher Hinsicht ist es eine grosse Mannigfaltigkeit der Bilder, die
R. in seinen Schriften vor uns entrollt. Wir finden insbesondere reizende
(Genrebilder socialer Verhältnisse in einzelnen deutschen Gauen; feinsinnige
Beobachtungen und Gruppirungen über Volksgliederung nach Ständen; Ana-
lyse der ständischen Unterschiede bei den Mächten des socialen Beharrens
(Bauern, Aristokratie) und der socialen Bewegung (Bürgerthum, vierter
Stand); Studien über die Familie und die Frauenfrage; cultur- und kunst-
geschichtliche Bilder mit Einstreuung socialpolitischer und politischer Erörte-
rungen.
Für die Eigenart R.'scher Arbeit ist besonders bedeutungsvoll, was er
als die »Hand Werksgeheimnisse des Volksstudiums« bezeichnet: Wandern —
zu Fuss wandern! Dabei Niemand um den Weg fragen — Landkarte im
Kopf — Kunst, die Leute zu fragen und fleissig zu fragen, darauf gegründet,
dass man vor dem Ausmarsch bereits mehr von des Landes Geschichte und
heutigem Zustand wisse, als die grosse Mehrzahl der gebildeten Einwohner
selber weiss. — Dabei vor Allem Studien in kleinen abgegrenzten Landstrichen
— worin so recht die künstlerische Neigung R.'s zum socialen Genrebild
zum Ausdruck kommt. Weiter: Kein litterarischer Apparat in der Reise-
tasche, aber fleissige Einträge ins Tagebuch, das theils Stoff-, theils Ge-
dankenquelle sein soll — dann nach der Heimkehr litterarische Wande-
rung durch die Speciallitteratur — wenn möglich dann noch einmal ein
Revisionsgang!
Darin kommen so recht die Besonderheiten subjectiver persönlicher
Einzelarbeit beobachtender Forschung und forschender Beobachtung zum
Ausdruck — Alles in Personalunion concentrirt auf ein feinsinniges, wander-
lustiges, gesundheitskräftiges Individuum. Das ist zugleich der vollste Gegen-
satz zur decentralisirten objectiven Massenbeobachtung der Statistik, bei der
erst auf der letzten Stufe wissenschaftlicher Arbeit das subjective Erwägen und
Combiniren des Einzelforschers eingreift.
Von den Grundrichtungen der socialen Auffassung R.'s möchte ich zwei
hier hervorheben. R. ist durchdrungen von starker ethischer, insbesondere
auch religiöser Auffassung des gesammten menschlichen Daseins. Diese
V. Rieh]. 41 X
ethische Auffassung hält er auch in wirthschaftlichen Dingen fest. R. ist hier
auch Einer der zu leicht Vergessenen, welchen in mancher Hinsicht den
heutigen officiellen Vertretern der ethischen Nationalökonomie gegenüber die
Priorität zukommt. Diese Grundstimmung R.'s beruht auf der Erkenn tniss,
dass die Erhaltung der Culturerrungenschaften nur möglich ist durch Wirken
einer starken Dosis sittlicher Momente, welche die grundsätzliche Versöhnung
des Einzelnen mit dem Ausgangspunkt seines Erden wallens bezwecken, unter
allem Vorbehalt der Ermöglichung weiteren Aufsteigens der Einzelnen. Es
ist im Grunde nichts anderes als — im scharfen Gegensatz zu dem, was
heute socialistisches Evangelium ist — die Anpreisung der Zufriedenheit, nicht
der Unzufriedenheit.
In diesem Sinne gelangt R. beispielsweise zur Empfehlung der Rückkehr
zu grösserer Selbstbeschränkung und Selbstbescheidung (Bürgerl. Gesellschaft).
vDen Stolz möchte ich in Jedem wecken, dass er sich mit Freuden als ein
(Jlied desjenigen Gesellschaftskreises bekennt, dem er durch Geburt, Er-
ziehung, Bildung, Sitte, Beruf angehört, und mit Verachtung jenes geckenhafte
Wesen von sich weist, mit welchem der Parvenü den vornehmen Mann spielt
und sich zu bekennen schämt, dass sein Vater am Ende gar ein ehrsamer
Schuster oder Schneider gewesen. Diese Rolle des einfältigen Parvenüs
spielen gegenwärtig fast alle Stände, die echten Bauern allein ausgenommen;
darum habe ich auch die Bauern so besonders ins Herz geschlossen.« Charakter-
istisch für die hervorragend ethische Auffassung R.*s ist, wenn er — gleich-
falls in der bürgerlichen Gesellschaft — betont, die sociale Frage sei zunächst
eine ethische, nachher eine ökonomische. »Der Arbeiter bricht zuerst mit
seiner Sitte, und nachher fühlt er sich arm — nicht aber umgekehrt bricht
er darum mit seiner Sitte, weil er sich jetzt recht arm fühlte; denn arm ist
er immer gewesen, meist sogar früher viel ärmer.« Auch in der Hochstellung
der Familie zeigt sich R.'s ethische Auffassung: »erst in der Familie finden
wir den ganzen Menschen«.
In politischer Hinsicht geht ein stark conservativer Zug durch die R. 'sehen
Anschauungen. Der Ausgangspunkt seiner Betrachtungen ist, dass gerade in
der Ungleichartigkeit der Zusammensetzung der Gesellschaft — im sog. Miss-
verhältniss der Arbeit zum Capital — das individuell Menschliche derselben
liege. Bei der Gesellschaft der Hunde, der Pferde, des Rindviehs u. s. w.
herrsche vollständige sociale Gleichheit (?). Bei den einzelnen Consequenzen,
die daraus gezogen werden, ist echt R.'isch die darauf begründete »Wald-
freundschaft« und zwar besonders zu Gunsten der »soliden« Laubholz-
waldungen gegenüber den »proletarischen« Nadelholzwäldern. Im Weiteren
ist die genannte Anschauung auch die Wurzel der R. 'sehen »Bauemfreund-
schaft«. »Industrieller Genius ist oft genug ein Kassandrageschenk für unsere
in der Naivetät der Armuth glücklich dahinlebenden Gebirgsbauern.« Darauf
gründen sich ferner R.'s Zweifel am Nutzen der Bauernbefreiung und sein
entschiedenes Eintreten für Anerbenrecht. Doch ist er dabei gegen bäuer-
liche Misstände nicht blind, Zeuge dessen ist sein interessantes Capitel über
den »entarteten Bauer«. In gleicher Stimmungs- und Gedankenfolge ist R.
Gegner der »Gewerbefreiheit des vormärzlichen Polizeistaats« und Anhänger
corporativer Gestaltung des Handwerks. Dabei betont er die religiösen Mo-
mente und ist politisch kein Befürworter des unbedingten gleichen allgemeinen
Wahlrechts. Sein eigentliches Ideal ist: Wahlrecht sollen nur Familienväter und
Wittwer haben, wählbar sollten auch Junggesellen — in beschränkter Zahl — sein.
412 V. Riehl.
Man hat bei der Lesung der R.'schen Schriften den Eindruck, als möchte
der feine Forscher, der das historisch Gewordene hebevoll erfasst, sich von
diesem Gewordenen, wie es nun gerade ist, nicht gerne trennen — und werde
so social-conservativ.
Eine besondere Betrachtung bei der Würdigung der socialwissenschaft-
lichen Leistungen R.'s erheischt dessen Stellung zur Statistik, deren Pflege
ihm, der fast vier Jahrzehnte hindurch Ordinarius dieses Fachs gewesen ist,
besonders nahe gelegen wäre. Nach dem bisher Ausgeführten kann es nicht
überraschen, dass die Statistik R. von Grund aus unsympathisch war. In
dem reichen, von ihm selbst geführten Verzeichnisse seiner litterarischen Ar-
beiten finde ich nur zu Anfang der 50 er Jahre ein paar Aufsätze in der All-
gemeinen Zeitung, die mit Statistik sich beschäftigen — weiterhin hat R. nur
negativ — in seinem Vortrag »Die statistische Krankheit« mit der Statistik
sich beschäftigt. Riehl war ein viel zu gescheidter Mann, um nicht die Be-
deutung der Statistik zu erkennen — aber die statistische Methode war von
Haus aus der vollste Gegensatz zur R.'schen Methode. Diese ist gekenn-
zeichnet durch liebevolle subjective Einzelforschung, womöglich mit dem
Wanderstab in der Hand. Die Statistik dagegen ruht auf der objectiven
Massenbeobachtung durch ein wohldisciplinirtes Heer von Beobachtern; sie
setzt Zählen und Messen an Stelle von intuitiver Erfassung von socialen
Eindrücken. Daraus erklärt sich der gelegentlich unfreundliche Blick auf die
»Zahlenstatistik» und weiter die Thatsache, dass da, wo die Bedeutung der
Statistik doch nicht weggeleugnet werden kann, nur ein kurzes unbehagliches
Verweilen bei den Zahlen der Statistik bemerklich ist und ein behagliches
Verweilen bei wirklichen und angeblichen Missgriffen und Verirrungen der
Statistik.
Aus den oben gegebenen Mittheilungen über den Lebensgang R.'s ist
ersichtlich, dass er sich bei der Berufung zum Münchener Honorarprofessor
einen sehr weiten Kreis der Lehrthätigkeit offen gehalten hatte, der erst mit
seiner Ernennung zum Ordinarius eine Verengerung erfuhr. Thatsächlich hat
R. — wie eine Uebersicht seiner Lehrthätigkeit (die ich gleichfalls Herrn
Dr. G. Wolff verdanke) ergiebt — in den ersten Jahren seiner Lehrthätigkeit
gewissermassen versuchsweise einige Vorlesungen gehalten, auf die er später
nicht mehr zurückgekommen ist, so insbesondere Ethnographie von Deutsch-
land, Encyklopädie der Kameralwissenschaften, Polizeiwissenschaft, Landes-
und Völkerkunde des Königreichs Bayern. Allezeit und zwar vom Anfang seiner
Lehrthätigkeit an bis zum Jahr 1896 ist R. treu geblieben der Vorlesung
»System der Staatswissenschaft« (in den ersten 3 Jahren »Staats Wissenschaft«).
Gleiches gilt mit kurzer Unterbrechung gegen Ende der 50er Jahre von der
Vorlesung, die er zuerst als Allgemeine Culturgeschichte des Mittelalters,
später als Culturgeschichte Deutschlands im Mittelalter hielt. Dazu kommen
zwei weitere Vorlesungen seit dem Anfang der sechziger Jahre: Cultur-
geschichte des 18. (später des 18. und 19.) Jahrhunderts und Culturgeschichte
der Renaissance- und Reformationszeit. Eine ständige Vorlesung R.'s
l'ildete endlich seit dem Wintersemester 1860/61 die regelmässig im Winter
gehaltene Vorlesung: Lehre von der bürgerlichen Ciesellschaft und Geschichte
der socialen Theorieen.
R.'s Lehrthätigkeit war hiemach eine ausserordentlich ausgedehnte; sie
war zugleich eine äusserst erfolgreiche. Eine zahlreiche begeisterte Zuhörer-
schaar hing an den Lippen des Meisters der Rede. Der Vorbereitung auf
V. Riehl. 413
die Vorlesungen widmete er allezeit ein gutes Stück seiner Lebensarbeit. Die
kurzen Aufschreibungen R.'s, die als tagebuchartige Notizen anzusehen sind,
hissen auch ersehen, wie ihm jederzeit der Beginn und der Schluss seiner
Vorlesungen selbst als bedeutsames Ereigniss erschien. Leider sind, wie ich
den Mittheilungen des Sohnes entnehme, R.'s Vorlesungen zur Herausgabe im
Buchdruck von ihm selbst nie in Aussicht genommen gewesen. Um so
mächtiger wird lange Zeit in der Schaar der treuen Hörer, zu denen auch
der Schreiber dieser Zeilen gehört, die Erinnerung an den unvergesslichen
akademischen Lehrer fortleben.
R. war übrigens als Lehrer nicht blos der akademischen Jugend, sondern
auch für einen weiten Kreis Gebildeter in den verschiedensten deutschen
Gauen thätig. Seine Wandervorträge, von denen wir eine Sammlung in zwei
Bänden besitzen, bereiteten ihm selbst eine alljährlich gern ersehnte Freude,
gerade wie jenen Kreisen der Hörer, an die er sich bei seinen ausgedehnten
Vortragsreisen in deutschen Landen wendete. Als charakteristisch hierzu sei
angeführt, dass er am 31. Dcbr. 1877 in seinen Notizen vermerkt: »In diesem
Jahre war ich 137 Tage von München abwesend«. Ihm war in ganz hervor-
ragender Weise das Wandern allezeit Bedürfniss; überwog in der Jugend
das Wandern, bei dem er lernte, so war es später das Wandern, bei dem er
lehrte, das ihm, dem Unermüdlichen, Arbeit und Erholung zugleich war.
Soll ein Schlussurtheil über R.'s socialwissenschaftliche Thätigkeit ab-
gegeben werden, so mag es allenfalls so lauten. Gewiss ist liebevolle Wander-
erforschung von Land und Leuten auch heute noch bedeutsam für die Er-
kenntniss des gesellschaftlichen menschlichen Lebens, — aber eine besondere
Wissenschaft der erweiterten Volkskunde, wie R. sich dies dachte, lässt sich
darauf nicht aufbauen. Die R.'schen Bauten müssen deshalb zur romantischen
— aus echtem Material erstanden und darum der Verwitterung zäh wider-
stehenden — Ruine werden; sie in gleichem Geiste weiter zu führen, ist bei
dem heutigen Stand der socialen Forschung Niemand mehr in Stand. Am meisten
mag vom R.'schen Geiste noch in der Specialdisciplin der modernen »Volks-
kunde« fortleben. Im Uebrigen wird das, was R. erstrebte, in anderer
Weise, durch eine vielfach differenzirte Gesammtarbeit erstrebt, einerseits durch
die verschiedenen verselbständigten Zweige der Realgeschichte, die auch
ihrerseits kaum mehr als Culturgeschichte zusammenschweissbar sind, und
andererseits durch Statistik, Sociologie und Politik.
Kann hiernach auch die Arbeit R.'s nicht im Ganzen fortgesetzt werden,
so kann doch auch der moderne Socialforscher noch sehr viel aus seinen
Werken lernen, namentlich die liebevolle Vertiefung in Land und Leute
und die Bedeutung der sittlichen Grundlage einer conservativen Weltan-
schauung. Dem Statistiker insbesondere dient eine Vertiefung in die R.'schen
Werke zur Mahnung an das Erkennen der Grenzen des Zähl- und Messbaren ;
zugleich wird diesen freilich ein wehmüthiges Empfinden darüber beschleichen,
dass dem geistvollen Forscher sich der Zauber nicht erschlossen hat, der in
der Erkenntniss der Gesetzmässigkeit der Massenerscheinungen liegt. Das
hindert nicht, dass alle Jene, deren Streben es ist — wenn auch auf anderen
als R.'schen Bahnen — , an der wissenschaftlichen Erkenntniss des mensch-
lichen Gesellschaftslebens zu arbeiten, dem bedeutenden Sociologen und
liebenswürdigen Schriftsteller R. den Zoll aufrichtiger Dankbarkeit entrichten.
Bisher erschienene Aufsätze und Reden, die sich eingehender mit Riehl's Lebensgang
und Lebensarbeit beschäftigen, sind folgende: Eberhard Gothein: Wilhelm Heinrich Riehl
414 ^» Riehl.
(Preuss. Jahrb. 92. Bd. 1898 S. i u. ff.) - Franz Muncker: Wilhelm Heinrich Riehl (VVester-
manns Illustr. deutsche Monatshefte 84 Bd. 1898. S. 180 u. ff. — Georg Bteinhausen, Frey-
tag, Burckhardt und Riehl und ihre Auffassung der Culturgeschichte (Joh. Ilberg, Neue Jahrb.
fUr d. klass. Alterthum, Gesch. u. deutsche Litteratur I. Jahrg. 1898. S. 448 u. ff. —
J. Friedrich, Gedächtnissrede auf W. H. v. Riehl (Sitzungsber. d. philos.-philol. und der
histor. Klasse der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München 1898). — Georg Simons-
feld, Wilhelm Heinrich Riehl als Culturhistoriker (Festrede, gehalten in der öffentlichen
Sitzung der k. b. Akad. d. Wissensch. zu München 1898). — Julius Rodenberg,
Deutsche Rundschau 24. Jahrg. 1898. S. 269 u. ff.
Georg von Mayr.
I. AlpMbetisclies Namenverzeiclmiss
zum
Deutschen Nekrolog vom i. Januar bis 31. December 1898.
Name
Albrecht, George Alexander
Alvary (Achenbach) Max v.
Alvensleben Alkmar v.
Ammermüller, Friedrich
Amrein, Kaspar Constantin
Angerer, Eduard
Arzruni, Andreas
Audorf, Jacob
Baedeker, Julius
Bäumer, Th. Heinrich
Baron, Julius
Batsch, Carl Ferdinand
Baumgarten, Maximilian v.
Beaulieu-Marconnay, Eugen Freiherr v.
Bechert, Emil
Bennecke, Hans
Benz, Severin
Benz, Joseph
Berberich, Lorenz
Bielz, Albert Eduard
Bingmann, C. F.
Bismarck, Otto, Fürst v.
Böhme, Franz Magnus
Böttcher, Karl Julius
Bonde, Oskar
Born, Stephan
Braunmüller, Benedict
Brockhaus, Rudolf
Bruckmann, Friedrich
Bio^r. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. :). Bd.
Verfasser
W. Wolkenhauer
Alfred Freiherr v. Mensi
O. Elster
Rudolf Krauss
W, Wolkenhauer
Hermann Zschokke
W. Wolkenhauer
L, Fränkel
H. Ellissen
H, A, Lier
A, Teichmann
P. V. Bojanowski
Criste
R, Mosen
F. V, Weech
A, Teichmann
H, Holland
Fr. Teuisch
Kohlschmidt
Alexander Meyer
H A, Liti'
Kohbchmidt
H. Ellissen
H. Trog
A, Teichmann
L, Geiger
H. Ellissen
Seite
325
134
158
199
326
177
325
142
163
265
102
225
221
176
232
129
119
230
230
143
246
3
345
246
170
62
132
283
121
27
4i6
Inhalt.
Name
ßübler, Christian
Bühler, Georg
Cabisius, Julius
Ciaassen, Johannes
Cohn, Ferdinand
Cuny, Ludwig v.
Curti, Franz
Dahn, Ludwig
Dahn-Fries, Sophie
Dodge, Ernest
Dronke, Adolf
Ebers, Georg
Ebner, Adalbert
Ebner-Eschenbach, Moriz Freiherr v,
Egler, Ludwig
Elisabeth, Kaiserin von Oesterreich
Erb, Ferdinand Freiherr v.
Esser, Hermann
Fein, Emil Wilhelm
Feldhüter, Ferdinand
Fitting, Jacob Ritter v.
Floerke, Gustav
Förster, Theodor
Fontane, Theodor
Fränkel, Ferdinand
Freudenthal, August
Friedel, Johann Ritter v.
Fürst, Alexander
Furtner, Ernest
Gehrts, Karl
Geselschap, Friedrich
Gidionsen, Wilhelm
Gleich, Ferdinand
Goeschen, Adolph
Gras berger, Hans
Grübl, Raimund
Grünbaum, Max
Gsell-Fels, Theodor
Gundlach, Georg
Gustas, Leopold Edler v.
Haas, Stephan
Haeberlin, Carl Franz
Hagen, Hermann
Verfasser
Karl Frey
M, IVinternitz
Rudolf Krauss
Koklschmidt
Professor Met
A, Teickmann
A. Niggli
Alfred Freiherr v, Mensi
H, Holland
IL Holland
W, Wolkenhauer
Eduard Meyer
y. A. Endres
Anton Bettelheim
Karl Theodor Zingeler
Eduard Wertfuimer
Carl Huffnagl
F. V. Weech
Rudolf Krauss
H Holland
A. Teichmann
Ludwig Fränkel
Kohlschmidt
Paul Schienther
H. Holland
IV, Wolkenhauer
CrisU
D, Jacoby
H M. Gietl
yoh. Süss
H, A. LUr
yoh. Sass
H A. Lier
Kohlschmidt
Anton Bettelheim
Dr, Vogler
Ludwig Fränkel
Ernst V, Destouches
H M, Gietl
Criste
Criste
A. Teichmann
Karl Praechter
Seite
x6o
78
247
284
»3»
75
lOI
189
168
329
86
216
331
"5
349
69
264
147
140
102
240
248
296
169
345
221
129
224
337
269
333
344
250
156
233
235
"7
224
220
221
153
192
Inhalt.
417
Name
Hager, Johannes [v. Hasslinger]
Hagn, Ludwig v.
Halbreiter, Adolf
Hammer, Guido
Handel-Mazzetti, Eduard Freiherr v.
Hartmann, Hans
Hartmann, Helene
Hebler, Karl
Heer, Adolf
Heerklotz, Adolf
Hendel, Otto
Hepke, Robert
Hermann, Joseph E. v.
Hermann, Wilhelm Th.
Hertslet, W. L.
Herzog, Heinrich
Hesse, Bernhard
Hinschius, Paul
Huber, Alfons
Hummel, August
Iwersen, Adelheid
Jörjg^er (Schwester), Albana
Jolly, Julius
Kaltenborn-Stachau, H'ans v.
Kalnoky v. Küröspatak, Gustav, Graf v.
Katherine, Prinzessin v. Württemberg
Keiter, Heinrich
Klein, Carl
Knies, Carl
Kober-Gobat
Köberle, Georg
Koeppen, Albert
Krantz, Eugen
Krebs, Georg Ludwig
Kronast, Joseph
Kugler, Bernhard v.
Lang, Paul
Le Feubure, Ferdinand
Lehmann, Emil
Leibbrand, Carl v.
Lempertz, Heinrich
Leo, Friedrich August
Leopold, Erzherzog v. Oesterreich
Liebeskind, Felix
Verfasser
Richard Ileuberger
H. Holland
H, Holland
H A, Lier
Criste
Fritz Jonas
Anton Bettelheim
Karl Frey
F. V, IVeech
Ludiüig Fränkel
H. EUissen
Criste
H, A. Lier
Alfred Freiherr v. Mensi
Hans Herzog
P. V. Bojanowski
A, Teichmann
Osioald Redlich
\\\ Wolkenhauer
Joh, Sass
AI Obser
O, Elster
Heinrich Friedjung
Rudolf Krauss
H Holland
Ludwig Fränkel
E. Blenck
H. EUissen
H. A. Lier
A, Teichmann
H. A, Lier
Ludwig Fränkel
H M, Gictl
C. Ad, Fetzer
R. J&auss
H Holland
H. A, Lier
R, Krauss
Otto Zaretzky
Ludwig Fränkel
Oscar Criste
H EUissen
Seite
261
141
171
267
221
112
"3
123
322
244
73
197
224
267
63
147
237
51
104
324
335
256
312
99
359
73
188
262
HO
152
343
123
341
236
223
316
137
133
343
198
76
241
212
134
4i8
Inhalt.
Name
Liezen-Mayer, Alex. v.
Lindau, Jakob
Lindner, Carl R. v.
Linsenmann, Franz Xaver
Lorenz, Johann Georg
Luddecke, Richard
Verfasser
H. Holland
F, V, Weech
Criste
R, Krauss.
W, l^Volkenhauer
Seite
84
231
220
'120
230
325
Machek, Ernst v.
Märtens, Hermann
Marold, Ludck
Mayer, Benjamin Wilhelm [Kcmy]
Maywald, Carl R. v.
Meissner, Carl
Merseburger, Otto
Meves, Oskar
Meier, Hermann Heinrich
Meyer, Conrad Ferdinand
Mollik, Heinrich
Montemezzo, Antonio
Montluisant, Bruno, Freiherr von
Müller, Carl Otto
Müller, Friedrich
Criste
— r —
//. Holland
R. Hcubcrger
Criste
H, Ellissen
H. Ellissen
A. Teichmann
W. Wolkenliaucr
Adolf Frey
Criste
H. HoUand
Wollanka
A, Teiihmann
IV. Wolkenlumer
224.
169
164
261
220
«53
159
130
346
42
224
182
218
128
327
Ncnwirth, Theodor v.
Nitzsch, Friedrich August Berthold
Criste
Kohlschmidt
221
250
Oesterreich, Franz Ritter v.
Oesterlcin, Nicolaus
Otto, Carl
Criste
Richard Heubcrger
// A, Lier
220
262
341
Paul, Oskar
Pirazzi, Emil
Polstorff, Johann Friedrich Theodor
Pokorny, Alois Ritter v.
Pressel, Paul
Proskowctz, Max Ritter von
H, A, Lier
Ludwig Fränkcl
Kohlschmidt
Criste
R. Krauss
271
245
252
220
149
66
Reinwald, Gustav
Reiser Joh. B.
Reiser, Wilhelm v.
Reitzel, Robert
Ribbeck, Otto
Riecke, Karl Victor v.
Riess, Richard v.
Rossbach, Adolf
Rossbach, Georg August
Ruprecht, Carl
L. Fränkel
// J/ Gietl
Rud. Krauss
Karl D. Jessen
Ricliard Opitz
E. Blenck
R. Krauss
H, Ellissen
Richard Förster
H, Ellissen
239
224
196
165
271
59
175
133
257
164
Inhalt.
419
Name
Verfasser
Säger, Michael v.
H, Holland
Sandberger, Fridolin v.
J. Beckencamp
Schmid, Ludwig
R. Krauss
Schmieder, Conrad
Schmitz, Wilhelm
Schönfeld, Anton Freiherr v.
Oskar Criste.
Schütze, Wilhelm
H, Holland
Schulenburg, Hans Graf v.
Criste
Schulhoff, Julius
Richard Heuberger
Schulin, Friedrich
A, Teichmann
Schullerus, Fritz
Fr. Teutsch
Schultze, Theodor
A. jyungst
Seemann, Theodor
H, A, Lier
Seidl, Anton
Richard Heuberger
Sombart, Anton Ludwig
Werner Sombart
Sprinzl, Josef
Stransky, Carl v.
Crbte
Streccius, Johannes
0, Elster
Stricker, Salomon
E, Albert
Taschenberg, Ernst Ludwig
H, Simroth
V. Teichmann-Logischen
0, Elster
Tomascheck, Johann Adolf v. Stratowa
A. Teichmann
Toosbuy, Wilhelm
Joh, Sass
Turban, Ludwig Karl Friedrich
F. V, IVeech
Ubbelohde, August
A. Teichmann
Unkart, Gustav
L, Fr linke l
Vautier, Benjamin
Paul Schubring
Vischer, August
F. V, PVeech
Vogel, Adolf Bernhard
H A. Lier
Vogel, Wilhelm Hermann
A, AReihe
Volkening, August
H. Ellissen
Waagen, Ad albert
H. Holland
Waldow, Alexander
H Ellissen
Walli, Anton
F. V. IVeech
Weber, Heinrich
H Holland
Werner, Karl
R. AI Werner
Zeller, Karl
Richard Heuberger
Zimmermann, Cuno Moriz
H. A. Lier
Zimmermann, Robert v.
Hugo Spitzer
Seite
183
121
179
230
180
214
163
217
262
148
58
U5
265
260
253
218
220
137
53
200
104
154
332
319
158
243
222
321
342
157
168
189
167
230
191
172
261
266
202
n. AlpMbetisclies Namenverzeichmss
der
Ergänzungen und Nachträge zum
Deutschen Nekrolog von 1896 und 1897.
Name
Baur, Wilhelm
Bjorksten, Ferdinand
Köhler, August Philipp
Lommatzsch, Siegfried
Meier, Ernst Julius
Meyer, Victor
Riehl, Wilhelm Heinrich v.
Sanders, Daniel
Schlecht, Karl August
Schrauf, Albrecht
StJlhlin, Adolf v.
Thoma, Dr. Antonius v.
Trautvetter, Friedrich Wilhelm
Wymetal (Wyl), Wilhelm, R. v.
Verfasser
Kohlschmidt
H. Holland
Kohlschmidt
Kohlschmidt
Kohlschmidl
—/—
Georg V, Mayr
Franz Brümnur
Kohlschmidt
Kohlschmidt
Georg Brückt
Kohlschmidt
L, Fränkel
Seite
389
387
391
392
393
386
400
384
388
386
395
381
399
3S1
TODTENLISTE
i896.
i896.
I. Regenten und Familienmitglieder regierender Häuser.
Anhalt: Prinzessin Friederike Margarete
Antoinette Marie Auguste Agnes Therese
Elisabeth, Hoheit, Tochter d. Prinzen
Eduard v. Anhalt u. seiner Gemahlin
Luise, geb. Prinzessin v. Sachsen-Alten*
bürg, • zu Dessau ii. I. 96; f ebenda
18. XI. — L Goth. Hof kalender 1897,
4. 1255. III. Ztg. 107, 653.
Lippe: V^erwittwete Ftirftin Elisabe'th, geb.
Prinzefsin v. Schwarzburg - Rudolstadt,
vermählt zu Rudolstadt 17. IV. 52 mit
Leopold Fürsten v. Lippe (i. IX. 21 —
8. XII. 75), Durchlaucht, Ehrendame d.
k. bayer. Therelien-Ordens, * zu Rudol-
stadt I. X. 33; f zu Detmold 27. XI. —
L BJ II, 10*; Goth. Hofkalender 1897,
44. 1898, 1259.
Lippe - Biesterfeld - Weissenfeid : E g m o n t
Axel Bernhard Philipp Hermann Viktor
Graf u. Edler Herr zur L.-B.W., k. u.
k. Kämmerer, österr. Gen. -Major im Be-
urlaubtenftande, * zu Ratiboritz 10. V. 41;
t zu Pfaffstädt 22. VII. — Sohn d. Grafen
Oktavio (* 6. XI. 1808, f 13. H. 85) u.
dessen erster Gemahlin Maria, geb. Gräfin
von Mengersen (* 4. VIII. 1809, 126.11. 63);
verm. zu Wisowitz in Mähren 16. IV. 79
mit Karola Freiin v. Stillfried u.
Ratenic. — L Goth. Hofkalender 1896,
49. 1897, 1255.
Oldenburg: Grossherzogin Elisabeth
Pauline Alexandrine, * zu Hildburghausen
26. III. 26; f zu Oldenburg 2. II.
— Dritte Tochter aus d. Ehe d. Herzogs
Joseph V. Hildburghausen, nachmaligen
Herzogs v. Sachsen - Altenburg, mit d.
Prinzessin Amalie v. Württemberg, ver-
lobte sich im August 185 1 auf Norderney
mit Peter Erbgrosshcrzog v. Oldenburg;
vermählt zu Altenburg am 10. II. 52: seit
27. II. 53 Grossherzogin. — L Goth. Hof-
kalender 1896, 66. 91. 1897, 1256; 111.
Ztg. 106, 162 (P. Witte). — P 111. Ztg.
106, 162 ; Deutscher Hausschatz 20, Beil., 36.
Oesterreich : Erzherzog Albrecht Salva-
to r Maria Joseph Ferdinand Karl Leopold
Anton V. Padua Johann Baptist Januarius
Aloys Gonzaga Rainer Wenzel Klemens
Romanus, k. und k. Hoheit, Rittmeister im
k. u. k. Husaren-Regiment Prinz zu Windisch-
Grätz Nr. 11, ♦zu Alt-Bunzlau 22. XI. 71;
t zu Gries bei Bozen 27. II. — Jüngster
Sohn d. Erzherzogs Karl Salvator (*
30. IV. 39, f 18. 1. 92), Bruders d. Gross-
herzogs Ferdinand IV. v. Toscana, aus
dessen Ehe mit Maria Immaculata Klemen-
tine, Prinzessin beider Sizilien (•14. IV. 44).
— L Goth. Hofkalender 1896, 64. 1897,
1255-
* — : Erzherzog Karl Ludwig Joseph
Maria, * zu Schönbrunn 30. VII. 33 ;
f zu Wien 19. V.: s. BJ II, 444. —
L BJ II, 7 ♦. Goth. Hofkalender 1896,
59. 1897, 1255; 111. Ztg. 106, 665 (mitP);
Deutscher Hausschatz 20, Beil., 51 (A.
Pichler, mit P); Militär- Wochenbl. 1896,
1313. 2267; Hahn, Reichsraths-Almanach
1891, 58.
♦Preussen: Prinz Friedrich Wilhelm Ludwig
Alexander, ♦ zu Berlin 21. VI. 20;
f ebenda; 4. I.: s. BJ I, 418. — L BJ II,
I ♦; m. Ztg. 106,83 (P. Lindenberg); Goth.
Hofkalender 1896, 73. 1897, 1255; Militär-
Wochenbl. 1898, 35. — P 111. Ztg. 106, 83.
Reuss j. Linie: Prinzessin Kar ol ine, geb.
Gräfin v. Stolberg- Wernigerode, zweite
Gemahlin d. Prinzen Heinrich LXIII.
(18. VI. 1786 — 27. IX. 1841), ♦ zu Gedern
16. XII. 1806; f auf ihrem Wittwensitz
Schloss Stonsdorf in Schlesien 26. VIII;
a*
^* Todtenliste 1896: I. Regierende Häuser. II. Standesherrl., Fürstl. u. Grad. Familien. 8*
verin. 11. V. 28. — L Goth. Hofkalender
1896, 78. 243. 1897, 1256. 1258; 111.
Ztg. 107, 273.
Waldeck u. Pyrmont: Prinzessin Agnes
Franziska, geb. Gräßn Teleki v. Szek, ver-
mählt 2. IX. 33 mit Prinz Hermann (12. X.
1809 — 6. X. 76), ♦ zu Schloss Saromberke
in Siebenbürgen 2.x. 14; t zu Pest 15. (nicht
17.) II. — L Goth. Hofkalender 1896, 108.
1 897, 1256; Graf 1. Taschenbuch 1 896, 1 1 57.
1897, I3I7- — AM.
♦ Württemberg : Herzog Wilhelm Nikolaus,
k. Württemberg. General d. Infanterie
u. k. u. k. Feldzeugmeister, Militär-
schriftsteller, * zu Karlsruhe in Schlesien
20. VII. 28; t zu Meran 5. (nicht 6.)
XI.: s. BJ I, 88 — L BJ II, 54 •
(Das Buch von Magirus [mit Portr.] ist
recensirt: Schwab. Kronik 1897, 2167,
Lit. Beil. z. Staatsanz. f. Württemb. 1897;
1659; Wiener Ztg. 1897, No. 255); (Stuttg.)
N. Tagebl. 1897, No. 259; IlL Ztg.
107, 382; (MUnch.) Allg. Ztg. 1897 No.
750 (Arnold). Allg. D. Biogr. 43,213 (F.
Ilwof); Wurzbach 58,258; v. Löbell's
Jahresberichte Üb. d. Veränderungen u.
Fortschritte im Militärwesen 23,601 (B.
P[oten]). — P Ausser bei >Magirus« 111,
Ztg. 106,382.
II. Mitglieder standesherrlicher, fürstlicher u. gräflicher Familien*.
Attems: Graf Alexander Kajetan, k. u.
k. Kämmerer, Geh. Rath, Feldmarschall-
Leutnant a, D., Obersthofmeister d. Erz-
herzogin Maria Immaculata, * 17. VII. 14;
f zu Baden b. Wien 13. IX. — L Gräfl.
Taschenbuch 1896, 55. 1897, 1304; Wurz-
bach 1,82. — KA.
Battenberg: Prinz Heinrich Moritz, k.
grossbrit. Oberstleutnant, Gouverneur u.
Generalkapitän d. Insel Wight u. Gouverneur
V. Schloss Carisbrooke, Privy Cauncillor
etc., durch Patent d. Königin v. Gross-
britannien V. 23. VII. 85 *Kgl. Hoheit«,
• zu Mailand 5. X. 58 ; f 20. I. — Dritter
Sohn d. Prinzen Alexander v. Hessen u.
bei Rhein (15. VII. 23 — 15. XII. 88)
u. dessen morganat. Gemahlin Julie
Gräfin v. Hauke (12. XI. 25 — 18. IX. 95);
erzogen zu Schnepfcnthal in Thüringen u.
in d. Kadettenanstalt zu Dresden; Leutnant
im I. k. Sachs. Husaren-Regiment zu
Grossenhain ; vermählt am 23. VII. 85 zu
Osborne mit Prinzessin Beatrice v. Gross-
britannien u. Irland; seitdem in engl.
Diensten; zahlreiche Reisen; schiffte sich
am 7. XII. 95 mit d. gegen d. Aschantis
ausgerüsteten Expedition ein, erkrankte,
unterbrach die Reise u. starb auf d. Fahrt
nach Madeira an Bord d. Kreuzers
«Blonde«. — L Goth. Hofkalender 1897,
281. 1259; 111. Ztg. 106, 136. 143. —
P III. Ztg. 106, 143.
* Berchem-Haimhausen : Graf H a n s - FI r n s t
Sigismund Johanna, Herr auf Kuttenplan
im Kr. Kger, k. u. k. Kämmerer, * 20. IX. 23;
j- zu München 13. (nicht 18.) VI. Mit
seinem Tode ist diese Linie erloschen:
s. HJ I, 22, — L BJ II, 3 •; Gräfl. Taschen-
buch 1896, 102. 1897, 1305; Leopoldina
32,134. — KA.
Blankensee-Fircks: Graf Friedrich Paul
Guido Clothar, Herr auf Altgörzig im
Kr. Birnbaum u. Feldkirch im Grossh.
Baden, * 18. V. 24 als Sohn des 2. IL 62
f Wilhelm Freiherrn v. Fircks, vermählt
]6. IV. 57 zu Berlin mit Marie Gräfin
V. Blankensee (30. IX. 34 — 13, IX. 84),
succedirte deren Vater, dem Grafen Georg
V. Blankensee (f 14. VII. 67), im Besitz
d. 1860 errichteten Gräflich Blanken-
see'schen Fideikommisses ; j* zu Berlin
12. III. Mit seinem Tode ist dieses Haus
im Gräfl. Stamme erloschen. — L Gräfl.
Taschenbuch 1896, 131. 1897, 1305 — KA.
Carolath - Beuthen : Prinzessin K a r o 1 i n e
Auguste Eleonore Friederike Henriette,
* zu Saabor in Schlesien 27. VI. 45 ;
f daselbst 29. IL — L Goth. Hofkalender
1896, 324. 1897, 1259; 111. Ztg. 106, 307.
♦Chotek V. Chotkowa u. Wognin; Graf
Bohuslaw, Herr d. Herrschaft Ciwitz in
Böhmen, k. u. k. Kämmerer, Geh. Rath u.
Oberststabelmeister, Mitgl. d. Herrenhauses
d. Österreich. Reichsrathes auf Lebenszeit,
ausserordentl. Gesandter am k. sächs. etc.
Hofe, • 4. VII. 1829 nicht (1839); f zu
Görlitz II. X.: s. BJ I, 131. — L BJ II,
7*; Gräfl. Taschenbuch 1896, 22$. 1897,
1306; Hahn, Reichs raths-Almanach 1891,
21. — KA.
Daun : Graf W 1 a d i m i r , k. u. k. Kämmerer,
Fcldmarschall-Lieutnant a. D., * 11. VIL
1812; t zu Wien 18. IIL — L Gräfl.
Taschenbuch 1896, 257. 1897, '3o6 ^*
— KA.
Dunin -Borkowski von Gross-Skrzynno u.
* Nur die Verstorlicnen aus den standesherrlichen und fürstlichen Familien sind hier
nach Möglichkeit vollzählig aufgeführt.
Todtenlistc 1896: II. Standesherrl., Fürstl. und Gräfl. Familien.
10'
Borkowice: Graf Alexander (Lcszek)
Ferdinand Vincenz Franz, Herr auf
Krzywczyce im Lemberger Kreise, Präsi-
dent d. Gesellschaft d. schönen Künste in
I^emberg, Österreich. Reichstagsabg. im
Jahre 1848, • zu Grödek 11. I. 11; f zu
Lemberg 30. XI. — L Gräfl. Taschenbuch
1897. 157- 1898, 1244.
Dyhrn: Graf Konrad Johannes Deodatus,
Freiherr zu Schönau, Majoratsherr auf d.
FideikommissherrschaftReesewitz im Kreise
Gels in Schlesien, erbl. Mitgl. d. preuss.
Herrenhauses, * zu Reesewitz 24. IX. 43 ;
t daselbst 18. VI. Mit seinem Tode ist
dieses Gräfl. Haus im Mannesstamm er-
loschen. — L Gräfl. Taschenbuch 1896,
302. 1897, 1307; 111. Ztg. 106, 791.
107,11.
Flemming: Graf Tham Hasse, Herr auf
Benz, Basenthin etc., Erblandmarscliall
V. Hinterpommern , Generallandschafts-
rath d. pommerschen Landschaft, * zu
Benz 3. VIII. 38; f daselbst 3. VI. —
L Gräfl. Taschenb. 1896, 357. 1897, 1308.
Fugger von Kirchberg und Weissenhorn:
Graf Friedrich, k. bayer. Ministerialrath
a. D. , Gross-Komthur ad hon. d. bayer.
St.-Georg-Ordens, * zu Kirchberg 29. III.
1825; t *" Mailand i. VI. — L Goth.
Hofkalender 1897, 1256.
* Fürstenberg: Karl Egon Maria Friedrich
Emil Kaspar Heinrich Wilhelm Kamill Max
Ludwig Viktor Fürst zu Fürstenberg,
Landgraf in d. Baar u. zu Stühlingen
etc., Haupt d. fUrstl. Gcsammthauscs
Fürstenberg, erbl. Mitgl. d. preuss. Herren-
hauses, d. Württemberg. Kammer d. Standes-
herren u. d. bad. Ersten Kammer, Oberst-
marschall d. Königs vonPreusscn, k. preuss.
Major ä la suite d. Armee, Mitgl. d. Deut-
schen Reichstages, ♦ zu Kruschowitz (nicht
Kruschwitz) in Böhmen 25. VIII. 52 ; f «u
Schloss Bruttan b. Nizza 27. XL: s. BJ I,
393. — L BJ II, 14*; 111. Ztg. 107, 733;
Goth. Hof kalender 1897, 142. 1898, 1261:
weitere Litt, s.: Ztschr. f. d. Gesch. d.
Oberrheins 51,552. — P Dl. Ztg. 107, 733
(nach Photogr.).
— : Vincenz Egon Landgraf zu Fürsten-
berg, in d. Baar u. zu Stühlingen,
k. u. k. Kämmerer, • zu Weitra 31. VII. 47 ;
f zu Schloss Ennsegg 25. XII. — L Goth.
Hofkalender 1897, I44' 1898, 1261.
GoSss: Gräfin Maria, geb. Gräfin v.
Welsersheimb, Schwester d. Ministers f.
Landesvertheidigung Grafen Zeno v. W.,
k.k. Geh. Rathsfrau, nach einander Oberst-
hofmeisterin d. Erzherzogin Margarethe,
1. Gemahlin d. Erzherzogs Karl Ludwig,
(seit 1856), d. Erzherzogin MariaAnnunziata,
2. Gemahlin d, Erzherzogs Karl Ludwig,
(seit 1862), u. d. K<iiserin Elisabeth v. Oester-
reich-Ungam(seit 187 1), * zu Graz 6. V.24;
t zu Wien 4. XII. — L Gräfl. Taschenb.
1897, 392. 1208. 1898, 1246; 111. Ztg.
107, 734. — P V. Prinzhofer 1853, zu Schloss
Gradisch in Kärnthen. — PM.
Harrach: Graf Ernst Ludwig Karl August
Herr auf Klein-Krichen im Kr. Lüben in
Schlesien, k. preuss. Leutnant a, I)., NefTc
d. t Fürstin v.Liegnitzund jüngeren Bruder
d. Malers Ferdinand Grafen v. H. , * zu
Krolkwitz im Kr. Breslau 20. VI. 45 ; f zu
Klein-Krichen 10. VI. — L Goth. Hof-
kalender 1896, 147. 1897, 1256; Hl. Ztg.
106, 758.
— : Gabriele, geb. Gräfin zu Khevenhüller-
Metsch, • zu Frohnsburg in Nieder-Ocster-
reich 15. XI. 74; vermählt zu Wien 29. V.
95 mit Franz Grafen v. Harrach; f zu
Baden b. Wien 12. IX. — L Goth. Hof-
kalender 1896, 146. 1897, 1256.
Hohenlohe - Waidenburg - Schillingsfürst
(Aelterc Linie in Waldcnburg): Prinzessin
Maria Polyxena Viktoria Franziska,
Tochter d. Prinzen Chlodwig aus dessen
I. Ehe mit Franziska Gräfin v. Esterhazy,
• zu Sagh 17. VIII. 83; t daselbst 23. XIL
— L Goth. Hofkalender 1897, 155. 1898,
1262.
* — : (Jüngere Linie in Schillingsfürst): Prinz
Konstantin Viktor Ernst Kmil Karl
Alexander Friedrich, k. u. k. Geh. Rath u.
Kämmerer, Erster Obersthofmeister Sr.
Apostol. Majestät, General d. Kavallerie,
Mitgl. d. Herrenhauses d. Oesterrcich.
Reichsraths auf Lebenszeit, * zu Wildck
(nicht Rotenburg a. d. Fulda) 8. (nicht 28.)
IX. 28; t 14. n. zw Wien: s. BJ I,
176. — LBJ II, 20*,- Goth. Hof kalender
1896, 157. 1897, 1257; 111. Ztg. 106,255
mit P (nach Photogr.); Hahn, Reichsraths-
Almanach 1891, 52; Wurzbach, 9, 202.
— : Prinz Egon Karl, k. u. k. Kämmerer
u. Rittmeister a. D., seit 1893 Präsident
d. Verwaltungsraths d. k. u. k. privil.
Südbahn-Gcsellschaft, seit 1895 Abg. d.
Stadt Görz im Reichsrath, * zu Venedig
3. II. 53; f zu Gürz 10. IX. — L Goth.
Hofkalcndcr 1896, 155. 1897, 1256.
♦ — : Prinz Gustav Adolf, Dr. theol. ,
Cardinalpriester, Erzpriester v. Santa
Maria Maggiore, * zu Rotenburg an d.
Fulda 26. II. 23; f zu Rom 30. X.: s. BJ
I, 449. — L BJ II, 19*; 111. Ztg. 107,
546; Deutsche Revue XXII, i, 321 (v.
Schulte); ebenda S. 97 (L. v. Kobell, Fürst
Chlodwig u. Kardinal G. A. v. H.); Goth.
Hof kalender 1896, 157. 1897,1256; Zeit-
bilder. Illustr.Beil.z. »Pfalz. Presse«. 1896,
318 (m. P). — P auch 111. Ztg. 107, 546.
— : Egon Moritz, Prinz v. Ratibor u.
1 1
«
Todtenlistc 1896: Tl. Standesherrl., FttrsU. u, Gräfl. Familien.
12'
Corvcy, Besitzer d. Domäne Herbsicben
b. Gotha, k. preuss. Major a la suite d.
Ulanen-Regiments v. Katzler No. 2. Erster
KlUgeladjutant d. Herzogs Alfred v,
Sachsen-Coburg u. Gotha u. beauftragt
mit d. Leitung d. Herzogl. Sachs. Ober-
hofmarschallamts, * zu Räuden 4. I. 53:
t zu Gotha 10. IL — L Goth. Hofkalender
1896, 158. 1897, 1257.
♦ Heyes: Rudolf Graf, k. u. k. Kämmerer,
Besitzer d. Herrschaft Lauterbach im
preuss.-schles. Kr. Bolkenhain, Dichter u.
Kunstfreund, * zu Hörn 9. XL 21;
f auf Schloss Lauterbach 8. XL: s. BJ L
142. — L II, 20 •; Gräfl. Taschenbuch
1896, 491. 1897, 1309.
Khevenhüller-Metsch : Graf AI big Maria
. Johann Karl, Majoratsherr d. Güter in
Hohen-Ostrowitz in Kärnten u. Pellendorf
in Nieder-Oesterreich, k. u. k. Kämmerer
u. Major a. D., * zu Schloss Thalheim
19. XL 14; t zu Graz 14. IX. — L Goth.
Hofkalender 1896, 165. 1897, 1257.
— : Gräfin Eleonore Franziska Rudolfine
Maria, • 4. X. 95 ; f 27. XL — L Goth.
Hofkalender 1898, 1262.
Khuen von Belasi: Eduard Graf, Herr
auf Schloss Gandegg, k. u. k. Kämmerer
u. Oberleutnant a. D. , Liebhaber von
Kunst u. Wissenschaft, * zu Bozen
17. X. 47; t zu Gandegg 23. IIL — L
111. Ztg. 106, 437; Gräfl. Taschenbuch
1896, 544. 1897, 1309.
Kielmannsegg: Graf Oswald August
Ernst Adolf Karl, Herr d. ehemal. Gräfl.
Wallmoden-Gimbornschen Güter Heinde,
Walshausen u. ühry in d. Prov. Hannover,
k. u. k. Kämmerer u. Feldmarschall-
Leutnant, zugetheilt zur Dienstleistung
dem Herzog v. Cumberland, •17. VII. 38
(nicht 44); f im herzogl. Jagdhause
Schrattenau 24. IX. — L 111. Ztg. 107,429;
Gräfl. Taschenbuch 1896, 546. 1897, 1308.
Kinsky: Graf Oktavian Joseph, Fidei-
kommissherr u. erbl. Mitgl. d. Herren-
hauses d. Österreich. Reichsraths, Oberst-
Erblandhofmeister in Böhmen, k. u. k.
Kämmerer u. Geh. Rath, * 13. IIL 13;
t zu Chlumetz 28. V. — L Gräfl.
Taschenbuch 1896, 550. 1897, 1310; Hahn,
Reichsraths -Almanach 1891, 62; Wurz-
bach II, 482. — KA.
Leiningen - Neudenau: Emich Karl
W^enzcslaus Graf zu Leiningen, Herr zu
Neudenau u. Herbolzheira etc., erbl. Mitgl.
d. I. bad. Kammer, k. preuss. Hauptmann
a la suite d. Garde-Füsilier-Reg. u. ordentl.
Mitgl. d. Gewehrprtifungscommission, * zu
Heidelberg 31. VIL 55; t zu Spandau
15. VIII. — Sohn d. Grafen August
Klemcns (20. I. 1805 — 5. V. 62) u. dessen
Gemahlin Marie, geb. Freiin v. Geusau
(2. IV. 29 — 20. VIL 91), tritt infolge
Familienvertrags vom 16. 23. IIL 76 in
d. Besitz d. Standesheirschaft. — L Goth.
Hofkalender 1896, 170. 1897,1257; Militär-
Wochenbl. 1896, 2644.
Lippe - Falkenflucht: Graf Ernst Karl
Kasimir, k. Württemberg. Generalmajor a.D.,
zuletzt Kommandeur d. Ulanen-Regiments
Nr. 20, * 28. VI. 30; f zu Stuttgart 20. X.
— L Gräfl. Taschenbuch 1896, 652. 1897,
131 1 ; 111. Ztg. 107, 515; Militär-Wochenbl.
1897, 96.
Löwenstein - Wertheim - Rochefort oder
-Rosenberg: Prinzessin Marie Agnes
Eulalie Adelheid Michaela Johanna Leo-
poldine Sophie Elisabeth, Benediktinerin
in d. Abtei Ste-Cecile zu Solesmes, ♦ zu
Kleinheubach 20. IL 61 ; f zu Solesmes
2. VIL — L Goth. Hofkalender 1896.
181. 1897, 1257.
Face: Graf Wilhelm Paul Eugen, Freih.
V. Friedensberg, Mitgl. d. Herrenhauses
d. Österreich. Reichsraths auf Lebenszeit,
vormals Landeshauptmann d. geftirsteten
Grafschaft Görz u. Gradisca, * 15. IIL 19;
f zu Tapogliano in Friaul 21. III. — L
Gräfl. Taschenbuch 1896, 807. 1897, 1313;
Hahn, Reichsraths-Almanach 1891, 81. —
KA.
Perponcher-Sedlnitzky : Graf Henri Georg
Hans Ludwig, k. preuss. Premierlieut. a. D.,
Lieutnant d. kaiserl. Schutztruppe f.
Deutsch - Ostafrika, * zu Gross-Gandem
im Kr. Stemberg 16. IX, 60; f zu Tabora
in Afrika 5. 1. — Trat 1891 aus d. aktiven
Heere u. nahm an einer Expedition unter
Fuhrung d. Hauptmanns Langfeld nach d.
Viktoria -See theil; 1894 trat er in d.
Kaiserl. Schutztruppe über. — L Gräfl.
Taschenbuch 1896, 823. 1897, 131 3; Mili-
tär-Wochenbl. 1896, 1423. 1897, 131 3.
— PM.
* Pfeil-Burghausz : Graf Friedrich Ludwig,
Fideikommissherr auf Laasan etc., erbl.
Mitgl. d. preuss. Herrenhauses, • zu Pil-
gramsdorf b. Glogau 19. IIL 1803; f zu
Hirschberg i. I: s. BJ I, 212. — L BJ II,
34 •; Gräfl. Taschenbuch 1896, 826. 1897,
13x3.
Porcia: Ferdinand Fürst Porcia, Graf
v. Ortenburg, Mitterburg, Porcia u.
Brugnera, Oberst - Erblandhofmcister d.
gefürsteten Grafschaft Görz, erbl. Mitgl.
(i. Österreich. Herrenhauses, Herr d.
Herrschaften Spittal, Afritz, Oberdrauburg
etc. in Kärnten, * zu Bozzoli 11. X. 34;
t zu Spittal 20. IV, — L Goth. Hof-
kalender 1895, 483. 1897, 1261; Hahn,
Reichsraths-Almanach 1891, 82.
— ; Fürstin Rosalie, geb. Klein, * zu Bu-
13'
Todtcnliste 1896: II. Standesherrl., Fürstl. u. Gräfl. Familien.
14^
dapest . . .; f *** Spittal 16. IV. — L
Goth. Hofkalender 1897, 1261.
Pückler-Limpurg: Graf Karl Franz Adal-
bert Friedrich, Besitzer d. Schlosses zu
Obersontheim in Württemberg, ♦ zu Gail-
dorf 30. XI. 55; f zu Obersontheim
. 29. IV. — Vermählt 16. II. 87 mit Elise
Uhl (♦ zu Obersontheim 9. III. 63), ver-
zichtete 23. V. 90 auf seine Stellung als
Stammeshaupt u. auf d. Mitbesitz sämmt-
lieber Familienbesitzungen zu Gunsten
seines Oheims Friedrich (7. XII. 26 —
30. VII. 93). — L Goth. Hof kalender 1896,
193. 1897, *93' 1257. 1898, 1262; 111.
Ztg. 106, 601.
Radziwill: Verwittw. Fürstin Mathilde,
geb. Gräfin v. Clary u. Aldringen,
Tochter d. Fürsten Karl Joseph v.
Clary u. Aldringen, • 13. I. 1806; ver-
mählt mit d. Fürsten Wilhelm zu Teplitz
4. VI. 32; f zu Berlin 4. XL — L Goth.
Hof kalender 1896, 449. 1897, 1261. — KA.
Ratibor und Corvey: s. Hohenlohe-Walden-
burg-SchillingsfUrst (Jüngere Linie).
Rechteren-Limpurg : Graf Joachim Adolf
Zeijer, ♦ zu Rechteren 10. VIIL 30; f im
Haag 22. IL — L Goth. Hof kalender 1896,
201. 1897, 1257.
* Schlabrendorf-Seppau: Graf Alfred
Heinrich Friedrich Ernst Otto, Fidci-
kommissherr, Erb - Oberlandbaudircktor
V. Schlesien mit d. Prädikat »Excellenz«,
Mitgl. d. preuss. Herrenhauses auf Lebens-
zeit, • 7. XL 29; f zu Scppau 3. (nicht 4.)
VII: s. BJ I, 220. — L BJ II, 38*; 111.
Ztg. 107, 41 ; Gräfl. Taschenbuch 1896,
989. 1897, 131 5.
Schönburg - Hartenstein: Fürst Joseph
Alexander Heinrich Otto Paul Friedrich,
erbl. Mitgl. u. i. Vizepräsident d. Herren-
hauses d. österr. Reichsraths, k. u. k.
Wirkl. Geh. Rath u. Kämmerer, ausser-
ordentl. Gesandter u. bevollmächtigter
Minister i. D., * zu Wien 5. III. 26; f da-
selbst I. X. — L 111. Ztg. 107, 429;
Goth. Hofkalender 1896, 223. 1897, 1257.
Hahn, Reichsraths -Almanach 1891, 94;
Wurzbach 21, 146.
Schwerin: Graf Wilhelm Stanislaus Her-
mann, Herr auf Fürstenwerder, Hilde-
brandshagen etc., sowie auf Göhren u.
Georginenau, k. preuss. Kammerherr u.
Lieutnant a. D., grosshgl. Mecklenburg-
Strelitz. Hofmarschall, ♦ zu Wolfshagen
in d. Uckermark 6. III 27; f zu Berlin
8. III. -- L Gräfl. Taschenbuch 1896, 1035.
1897, 1315- ~ PM.
Solms-Teckienburg: Graf Arthur, k.
Sachs. Gerichtsamtmann a. D., * zu Sachscn-
feld 20. VI. 1808; t zu Dresden 15. I. -
h Goth, Hof kalender 1896, 237. 1897, 1258.
Solms- Laubach: . Gräßn Klara Ottilie
Karoline Ida Auguste, * zu Laubach
30. L 39; t zu Strassburg i. E. i. XL
— L Goth. Hof kalender 1896, 236. 1897,
1258. — PM.
Spaur und Flavon: GrafMaximilian, Herr
auf Landeck, k. u. k. Kämmerer, Haupt-
mann d. Reserve d. Tyroler Kaiserjäger,
einer d. hervorragendsten Sportsmänner
Oesterreichs, * 5. VII. 34; f zu Graz 14.
VL — L Gräfl. Taschenbuch 1896, 1080.
1897, 13 16; Wurzbach 36, 88 Stammtafel
IV. — KA.
• Stolbcrg-Wcrnigerode: Otto Fürst zu,
Graf zu Königstein, Rochefort, Wernigerode
u. Hohnstein, Herr zu Eppstein, Münzen-
berg etc., erbl. Mitgl. d. preuss. Herren-
hauses u. dessen Präsident, auch Mitgl.
der I. hess. Ständekammer, k. preuss.
General d. Kavallerie a la suite d. Armee,
Kanzler d. Schwarzen Adlerordens, * zu
Gedern in Hessen 30. X. 37; f zu
Wernigerode 19. XL: s. BJ II, 425. —
L BJ II, 41 •; O, Friedel, Fürst O. zu
St.-W. Gymn.-Progr. Wernigerode 1897;
111. Ztg. 107, 663; Goth. Hof kalender
1896, 242. 1897, 1258. — P s. BJ II,
434. lU. Ztg. 107, 663.
— : Gräfin Elisabeth, geb. Gräfin v.
Stolberg-Rossla, * zu Ortenberg in Hessen
28. XI. 17; vermählt 11. XL 35 mit
Wilhelm Grafen v. Stolberg -Wernigerode
t zu Dresden 6. XL — L Goth. Hof-
kalender 1896, 245. 253. 1897, 1258.
Stubenberg: Graf Joseph, Herr auf
Gutenberg-Stubegg etc., Oberst- Erbland -
mundschenk in Steiermark, k. u. k.
Kämmerer, * zu GTraz 31. IIL 24; f zu
Meran 23. L — L Gräfl. Taschenbuch
1896, 1x27. 1897, 1316. — PM.
— : Graf viTolfgang, Sohn d. vorigen,
k. u. k. Kämmerer, Landtagsabg. in
Steiermark, * zu Wien 9. VI. 57; f zu
Wieden 24. X. — L A. a. O. — PM.
Szembek : Graf Peter, Herr auf Siemianice
im Kr. Kempen, Mitgl. d. Provinzialland-
tags d. Provinz Posen, 187 1—^74 Mitglied d.
deutschen Reichstags f.d. Wahlkr. Adclnau-
Schildberg (Pole), * zu Siemianice 16. IV.
43; f daselbst 15. V. — L Gräfl. Taschen-
buch 1896, II 39. 1897, 131 7; Schönfcld,
Notizbuch f. Reichstagswähler ^ 86.
Thurn und Taxis: Prinzessin Karoline
Julie Amalie Eugenie Thcrese, Tochter
d. Prinzen Maximilian Karl Friedrich
(31. X. 31 — 10. VI. 90) aus dessen Ehe
mit Eugenie de Tascher de la Pagerie
(* 23. XL 39), Stiftsdame d. k. bayer.
St. Annen-Ordens zu Würzburg, ♦ zu
Ottobeucrn 8. XL 62 ; f zu Neuburg a. D.
6. XL — L 111. Ztg. 107, 621; Goth.
15* Todtenliste 1896: II. Standeslierrl., Fürstl. u. Gräfl. Familien. III, i. Hofbcarate. 16*
Hofkalender 1896, 257. 1897, 1258. 1898.
1263.
* TrauttmansdoriF (nicht Trauttmannsdorfi) :
Graf Ferdinand, k. u. k. Geh. Rath u.
Oberst-Kämmerer, Präsident d. Österreich.
Herrenhauses, ♦ zu Wien 27. VI. 25;
t auf Schloss Friedau b. St. Polten
12. XII.: s. BJ I, 132. — L BJ II, 43 ♦;
Goth. Hofkalender 1897, 259. 1898, 1263;
Hahn, Reichsraths-Almanach 1891, 108;
Deutscher Hausschatz (mit P); Wurzbach
47, 82.
* Vrints zu Falkenstein : Graf Maximilian
Theobald Joseph, Fideikommissherr u.
erbl. Mitgl. d. Herrenhauses d. Österreich,
Keichsraths, k. u. k. Kämmerer, Geh.-Rath,
vormals ausserordentl. Gesandter u. be-
vollmächtigter Minister zu Kopenhagen u.
Brüssel, ♦ 4. II. 1802; f zu Poisbrunn
10. (nicht II.) VI: s. BJ I, 132. — L BJ
11, 44*,' Gräß. Taschenbuch 1896, 1211.
1897, 131 7. Hahn, Reichsraths-Almanach
1891, III ; Wurzbach 52, 6. — KA.
Waldburg - Wolfegg - Waldsee: Graf
August Friedrich Joseph Willibald,
päpstl. Hausprälat, Domkapitular in
Rottenburg, ♦ zu Wolfegg 7. VII. 38;
t daselbst 11. VIII. — L Goth. Hof-
. kalender 1896,264. 1897, 1258; 111. Ztg. 107,
214; Deutscher Hausschatz 23, 54 (Nekrol.).
Werder: Graf Hans Karl Nikolaus Eugen
August, Sohn d. Grafen August, k. preuss.
Generals d. Inf. (f 12. IX. 87), der 1879
in d. Grafenstand erhoben worden
war, Fideikommissherr, k. preuss. Haupt-
mann a. D., • zu Danzig 29. X. 50; f ^u
Alt-Scherbitz 21. IX. Mit seinem Tode
ist dieses gräfl. Haus im Mannesstamra
erloschen. — L Gräfl. Taschenbuch 1896,
1247. 1897, 1318; 111. Ztg. 107. 395.
Wimpffen: Graf Heinrich- Emil Bern-
hard Eduard Philipp, erbl. Ehrenbürger
V. Triest u. v. Neuschloss in Istrien,
vormals Leiter d. k. u. k. General-
konsulats zu Algier, * zu Wien i. V. 27 ;
t daselbst 17. X. — L Gräfl. Taschen-
buch 1896, 1267. 1897, 13 18; Wurzbach
56, 236 Stammtafel IL
Wrede: Fürst Otto Friedrich Karl, k.
bayer. Kämmerer u. Österreich. Major a. D.,
Besitzer v. Schloss Mondsee in Ober-
österreich, Enkel d. bayer. Feldmarschalls
Karl Philipp v. Wrede, ♦ zu München
25. IV. 29; t daselbst 14, IL — L Goth.
Hofkalender 1896, 516. 1897, 1262; 111.
Ztg. 106, 248; Wurzbach 58, 197.
Wurmbrand-Stuppach: Graf Ferdinand
Freih. auf Steyersberg,Siickelberg, Reittenau
u. Neuhaus, Majoratsherr, Oberst-Erbland-
kUchenmeister in Steiermark, k. u. k. Käm-
merer u. Rittmeister a. D., * zu Saromberke
in Siebenbürgen 24. VII. 35; f zu Pürkers-
dorf 22. V. — L Goth. Hof kalender 1896,
271. 1897, 1258; Wurxbach, 58, 290
Stammtafel I.
Württemberg: Graf Wilhelm Paul Alexander
Ferdinand Friedrich Heinrich Joseph
Ladislaus Eberhard, Sohn d. Dichters
Grafen Alexander v. W. (5. XL 1801 —
7. VII. 44) aus dessen Ehe mit Gräfin
Helena Festetics v. Toina, Komponist ver-
schiedener Märsche, ♦ zu Esslingen 25. V.
33; f zu Wien 17. I. Mit seinem Tode
ist dieses Gräfl. Haus im Mannesstamm
erloschen. — L Gräfl. Taschenbuch 1896,
1291. 1897, 1318; 111. Ztg. 106, 104;
Wurzbach 58, 235.
Zedtwitz - Liebenstein: Klemens Graf
von, Herr auf Vorder- u. Hinter-Lieben-
stein b. Eger, k. u. k. Kämmerer, Volks-
dichter in Egerländer Mundart, * auf
Liebenstein 18. IX, 14; f daselbst 17. XI.
— W u. L Allg.. D Biogr. 44, 756
(L. Fränkel).
III. Staatsmänner und Beamte.
I. Hofstaaten und Hofbeamte.
Bayern:
Hofmann, Julius Ritter v., k. bayer. Ge-
heimrath, früher Hofsekretär u. Vorstand
d. k. Kabinetskasse unter König Max II.
in München, * 1808, f zu München 4. IV.
— L 111. Ztg. 106, 465.
Hofmann, Julius, Ober- Hof baurath in
München; s. Sp. 77*.
Ow-Felldorf, Maximilian Freih. v., vor-
maliger Obersthofmeister d. Prinzessin
Amalie v. Bayern ; s. Sp. 58 *.
Cumberland:
Kielmannsegg I Oswald Graf v., Oberst-
hofmeister d. Herzogs v. Cumberland; s.
Sp. 1 1 *.
Deutsches Reich und Preussen:
Fürstenberg, Karl Egon Fürst zu, Oberst-
marschall des Königs von Preussen; s.
Sp. 9 ♦.
Kleist, Hugo Ewald v., Mitgl. d. Hof-
jagdamts; s. Sp. 67*.
Pourtal^s-Grassenried, Sophie v., ehemals
Hofdame d. Prinzessin Luise, späteren
Prinzessin Friedrich d. Niederlande, das
letzte noch lebende Mitgl. d. Hofes König
Friedrich Wilhelms III., * , . .; f unweit
17
»
Todtenliste 1896: III, i. 2. Hofbeamte, Diplomaten, Staatsbeamte.
18*
Vevey in d. Schweiz 27. VII. — L 111.
Ztg. 107, 188. — KA.
^Schrader, Karl Ernst Adolf Frcih. v.,
Fidcikommissherr auf Culpin, Erbherr auf
Blieftorf u. Grinau, k. preuss. Kammer-
herr u. Zeremonienmeister, * 30. IX. 48;
f im Duell mit Zeremonienmeister v. Kotze
zu Potsdam 11. IV.: s. BJ I, 219. — L
BJ II. 39 ♦; 111. Ztg. 106, 501 (E. Z.);
Freiherrl. Taschenbuch 1897, 919. 12 16.
— P. III. Ztg. 106, 499 (nach Photogr.)
•Stolberg, Otto Fürst zu, 1884—1894
Oberstkämmercr d. Königs v. Preussen; s.
Sp, 14 ♦.
Vetter, Franz, Direktor d. k. Gärten; s.
Sp. 67 ♦,
Isenburg:
Oer-Egelborg, Friedrich Freih. v., k. u.
k. Kämmerer u. fürstl. Isenburgscher Ilof-
roarschall, * zu Egclborg 12. IX. 42: f zu
Birstein 15. VI. — L Freiherrl. Taschenb.
1896, 671. 1897, 1213.
Luxemburg:
Breidbach-Bürresheim, Friedrich Freih. v.,
Herr d. Brcidbachschen Fideikommisses,
sowie d. Gutes Heddernheim u. d. Schlosses
Fronberg in Bayern, grosshcrzogl. luxera-
burg. VVirkl. Geh. Rath u. Kämmerer u.
Oberststallmeistcr, * zu Biebrich 6. I. 22;
t zu Fronberg 27. X. — L Freiherrl.
Taschenb. 1898, 106. 1169.
Mecklenburg' Schiverin:
Luhe, Adolf Friedrich von der, grosshgl.
mecklenburg. Kammerherr u. Obcrzere-
monienmeister, * zu Zarnewanz 2. III. 30;
t zu Schwerin 19. VI. — L 111. Ztg. 106,
791; Gotb. Hofkalender 1896, 600.
Mecklenburg- Streiks :
Schwerin, Wilhelm Graf v., Hofmarschall;
s. Sp. 13 *.
Oldenburg:
Grün, Adolph Goswin v., Obcr-Haus-
marschall, * zu Greiz lo. IX. 15; f zu
Oldenburg 12. IX. — Von Juni 1839 bis
X, I. 62 im Oldenburg. Staatsdienst;
I. I. 46 Kammerjunker; i.V. 55 Kammer-
herr; I. I. 62 Hofmarschall; 8. VII. 69
Oberhofmarschall; 28. III. 73 Präsident d.
Hausfideikommiss-Direktion, 24. VIII. 89
dieser Funktion enthoben. — L Goth.
Hofkalender 1896, 604. — AM.
Wangenheim, Gustav Eduard Albert
Friedrich Freih. v., k. preuss. Major,
Flügeladjutant d. Grossherzogs v. Olden-
burg, Chef d. Hofkapclle u. Intendant
d. grosshgl. Hoftheaters, * zu Coburg 19.
V. 45; f zu Oldenburg 3. III. — L
Freiherrl. Taschenb. 1896, 1076. 1897,
1220.
Oesterreieh :
Attems, Graf Alexander v., Obersthof-
meister d. Erzherzogin Maria Immaculata;
s. Sp. 7 *.
Goess, Maria Gräfin, Obersthofmeisterin d.
Kaiserin Elisabeth v. Oesterreich-Ungarn;
s. Sp. 9 •.
Hohenlohe-Schtllingsfürst, Prinz Kon-
stantin, Firster Obersthofmeister Sr.
Apost. Majestät; s. Sp. 10 ♦.
Preussen^ s. Deutsches Reich.
Reuss j. L. :
Picker, Fritz, friiher Direktor d. fürstl.
Hoftheaters v. Gera, • . . . 25; t zu
Meiningen 22. VII. — L 111. Ztg. 107,
125. — KA.
Sachsen - Altenburg:
Baumbach , Karl Wilhelm , vieljähriger
persönl. Adjutant d. Herzogs Josef;
her/ogl. Oberst u, Kommandeur d. Gens-
darmerie, die er 1862 begründete; be-
auftragt mit d. Intendanz d. herzogl. Hof-
kapelle, ♦ zu Altenburg 12. IX. 22; f 3.
XI. — L 111. Ztg. 107, 584; CJoth. Hof-
kalender 1896, 638. — PM.
Sachsen -Coburg u. Gotha:
Hohenlohe • Waidenburg - Schillingsf ürst,
Egon Moritz, Prinz v. Ratibor u. Corvey,
beauftragt mit d. Leitung d. Oberhof-
marschallamts; s. Sp. 10*.
2. Diplomaten und Staatsbeamte.
Deutsches Reich:
Becker, Karl, Geh. Oberreg.-Rath, früher
Direktor d. Statist. Amts; s. Abth. XVIII.
Busse, August, Geh. Oberreg.-Rath u.
vortr. Rath im Reichsamt d. Innern,
Architekt; s. Sp. 75 *.
*Busse, Karl, Geh. Oberreg.-Rath, früher
Direktor d. Reichsdruckerei u. ausser-
ordentl. Mitgl. d. preuss. Akad. d. Bau-
wesens, Architekt, * zu Berlin 22. IX.
34; f zu Berlin 3. XII.: s. BJ I, 215,
— L BJ II, 7 *; Deutsche Bauztg. 1896,
623.
Eltz, A. v., Bezirkshauptmann v. Langcnburg
am Nyassasee, Afrikaforscher; f auf seiner
Station Ende Juli. — 111. Ztg. 107, 163.
*Lamezan, Ferdinand Freih. v., General-
konsul in Antwerpen, k. bayer. Major z.
D., • zu Landau i. d. Pf. 10. IV. 43;
t zu München 18. IX.: s. BJ I, 210. —
L BJ II, 24 *; Freiherrl. Taschenb. 1897,
527. 1210.
*Rössler, Karl Konstantin, Dr. phil.,
Prof., Geh. Legationsrath a. D., Publizist,
* zu Merseburg 14. XI. 20; f *" Berlin
14. X.: s. BJ I, 200. — L BJ II, 36 •^
19
*
Todtenliste 1896: TIT, 2. Diplomaten u. Staatsbeamte.
20*
•Schieifer, Ferdinand, Reg.-Rath, Mitgl. d.
Oeneraldircktion d. Reichseisenbahnen in
Elsass -Lothringen, Eisenbahningenieur;
s. Sp. 80 *.
♦Seil, Eugen, Geh. Reg.-Rath, Mitgl. d.
Reichsgesundheitsamts.Chemiker; s. Sp. 94*.
Wilke, Hermann v., Wirkl. Geh. Legations-
rath, bis 1880 vortr. Rath im Auswärtigen
Amte, ♦ zu Berlin 12. VI. 27; f zu
Heidelberg 30. VI. — AM.
*Zedtwitz, Moritz Gurt v., I.egationsrath,
Gesandter in Mexico 1888—91 , ♦ zu
Leipzig 18. VII. 51; t 18. VIII.: s.
BJ I, 213. - L BJ II, 54 *; 111. Ztg.
107, 245.
Anhalt:
Habicht, August, Dr. jur., Wirkl. Geh.
Rath, Exzellenz, Staatsminister a. D. d.
Herzogthums Anhalt-Dessau-Köthen, ♦ zu
Karlshafen an d. Weser 3. XII. 1805;
t zu Gemrode 29. III. — Stud. Jura in
Göttiugen; trat als Auskultator in d. An-
halt-Bernburg. Staatsdienst bei d. Justiz-
amte Bemburg ein; darauf Assessor beim
Justizamte Coswig; später Reg.-Assessor
im Kollegium d. Landesregierung; Jahre-
lang Rath am Anhalt. Gesammt-Ober-
Appcllationsgericht in Zerbst; im Revo-
lutionsjahr 184S seiner liberalen An-
schauungen wegen Anhalt -Dessauischer
Staatsminister; 1S52 nach Einführung d.
neuen Verfassung in den Ruhestand ver-
setzt, lebte er lüs Privatmann erst in Wörbzig,
später in Gernrode. — L Bernburger
Wochenblatt 1896 Nr. 78. — PM.
Baden :
Frech, Albert, Geh. Oberreg. -Rath, Mi-
nisterialrath u. Landeskommissar in Mann-
heim, bis 1891 Mitgl. d. IL bad. Kammer,
* zu Mannheim 1826; f daselbst 21. IV.
-- L 111. Ztg. 106, 530; Kürschners
Staatshandb. 1893, 360; Karlsruher Ztg.
1896 Nr. 188. 192. - KA.
•Gossweyler, Theodor, Baudirektor, Vor-
stand d. tcchn. Abth. im Gcneraldirekto-
rium d. Staatsbahnen, Ingenieur; s. Sp.
76*.
Hebting, Gehcimrath, Landeskommissar u.
Vorsitzender d. Landescomites zur Unter-
stützung d. Wasserbeschädigten; f zu Karls-
ruhe 4. XI. — L 111. Ztg. 107! 584. —
KA.
*Lamey, Franz August Friedrich, früherer
Staatsminister u. Kammerpräsident, * zu
Karlsruhe 27. VII. 16; f daselbst in der
Nacht vom 13., 14. I.: s. BJ I, 266. —
L BJ II, 24 *; Karlsruher Ztg. 1896
Nr. 26; Bad. Landesztg. 1896 Nr. 12;
Bad. Presse 1896 Nr. 12.
Schenckh, Richard, Geh. Finanzrath u.
Mitgl. d. grossherzogl. Domänendirektion,
♦ zu Neckargemünd 18. IV. 44; f zu
Karlsruhe i. IV. — L III. Ztg. 106, 465;
Kürschners Staatshandb. 1893, 362. —
AM.
Wallrajf, Gustav, Geh. Hofrath, Mitgl. d.
Obersten Schulraths , • zu Gernsbach
27. IX. 36; f zu Karlsruhe 28. IX. —
L 111. Ztg. 107, 460; Kürschners Staats-
handb. 1893, 358; Karlsruher Ztg. 1896
Nr. 555. — AM.
Bayern :
Brandl, Franz Ritter v., Oberbaurath,
Architekt; s. Sp. 75 *.
Fugger, Graf Friedrich, Ministerialrath
a. D. ; s. Sp. 9*.
Hoermann v. Hoerbach , Winfried,
Staatsrath im ausserordentl. Dienst, x868
bis 69 Staatsminister d. Innern, seit 1870
Präsident d. Regierung v. Schwaben u.
Neuburg, Mitgl. d. i. deutschen Reich>-
tags f. d. Wahlkr. Schweinfurt (Hb.), * zu
Mainz 25. XI. 24; f zu München 21. X.
— L 111. Ztg. 107, 515; Schoenfeld,
Notizbuch f. Reichstags-VVähler^ 283.
Kerschensteiner, Josef v., Geh. Ober-
raedizinalrath, Vorstand, d. Medizinalabth.
im Ministerium d. Innern; s. Abth. XXI.
Preger, Wilhelm, O berkonsistori alrath ;
s. Abth. XIX.
Wand, Theodor Ritter v., Direktor d.
Konsistoriums f. d. Pfalz, auch Mathema-
tiker u. Physiker, * zu Neustadt a. d. H.
19. V. 35; f zu Speyer 23. X. — Besuch
d. Gymn. Zweibrücken; stud. in München
als Zögling d. Maximilianeums ; als
Accessist bei der Regierung längere Zeit
Präsidialsekretär; 1864 Bezirksamtsassessor
in Pirmasens; i. VI. 67 Assessor am Kon-
j sistorium zu Speyer; i. VII. 72 Rath,
I. IV. 86 Direktor desselben; Ende der
60 er u. Anfang d. 70 er Jahre bayer.
Landtagsabg., später Mitgl. d. Stadtraths
von Speyer. — L Union. Ev. - prot.
Kirchenbl. d Pfalz. 1896, 361; Zeitbilder.
Illustr. Beil. z. »Pfalz. Presse«. ia96,
317 (mit P). — W Prinzipien d. Physik.
1871; in Poggendorffs Annalen d. Physik
u. Chemie: i. Kubische Pfeifen, 2. Ucb.
Elastizität; Ungedruckt blieben: i. Ueb.
Funktionen, deren Wurzeln über eine
Ebene gleichmässig verbreitet sind, 2. I).
Problem d. 3 Körper. — AM des Herrn
k. Konsist.-Sekr. I. A. Fehl in Speyer.
Braunschiveig:
Clausz, Wilhelm, Eisenbahndirektor, Leite r
d. braunschweig. Landes - Eisenbahnen;
s. Sp. 76 *.
Hamburg:
*Gelfcken, Friedrich Heinrich, Geh. Justiz-
rath, Dr. jur., 1856 — 72 hanseatischer
Miaisterrcsident u. Syndikus, 1872 ~ %\
21
Todtenliste 1896: ITI, z, Diplomaten u. Staatsbeamte.
22
*
Prof. f. Staatswissenscbaften u. öffentl.
Recht zu Strassburg, Politiker, Publizist
u. Schriftsteller, ♦ zu Hamburg 9. X. 30;
f zu München I.V.: 5* BJ I, 211. — L
BJ H, 14 *; Brockhaus' Konv.-Lex. »' 7,
654. 17, 457; Hinrichsen' 179. — W a.
a. O. u. KL 1896, 378.
Roeper, Oskmr, Bauinspektor bei d. Staats-
bau-Verwaltung, Eisenbahningenieur; s.
Sp. 80 ♦.
Stahmer, Johann Friedrich Thomas, Kauf-
mann, seit 28. VI. 75 Mitgl. d. Senats,
• zu Hamburg 4. VIll. 19; f daselbst
I. VI. — P BronzebUste auf d. Friedhofe
zu Ohlsdorf. — L 111. Ztg. 106, 726. —
AM.
Früfures Königreich Hannover:
Brüel, Ludwig August, Dr. jur., Geh. Reg.-
Rath a. D. in Hannover; Gymnasialbesuch
daselbst; stud. Rechtswissenschaft in Göt-
tingen u. Berlin 1836 — 39; trat in den
Staatsdienst; seit 1863 Generalsekretär im
Kultusministerium; 1866 — 68 Direktor d.
Kultusdepartements bei d. Zivil - Ad-
ministration zur Ueberleitung; seit 1870
Vorsteher d. Blirgerkollegiums d. Stadt
Hannover; Vorsitzender d. Ständigen Aus-
schusses d. Landessynode (streng konserv.-
kirchlich); Mitgl. d. deutschen Reichstags
1876—84 (f. d. Stadt Hannover) u.
1892 — 93 (f. d. 15. hannov. Wahlkreis);
Mitgl. d. preuss. Abg.- Hauses seit 1870
(f. d. Wahlkreis Melle; Weife, Hospitant
d. Centrums); • zu Hannover 20. XII. 18;
f zu Berlin 29. II. — L Kürschners
Preuss. Abg.-Haus 1894, 309; Hirth,
Deutscher Parlamentsalroanach. 12. Ausg.
1877, S. 135; Brockhaus' Kon.-Lex. •* 3,
611. 17, 223; 111. Ztg. 106, 277. — W
Brockhaus a. a. O. 3, 611. — P Kürschner
a. a. O.
J Jessen :
Hochgesandt, Peter, Baurath, Eisenbahn-
ingenieur; s. Sp. 77 *.
Rohns, Paul, vormals Geh. Oberbaurath
in hess. Diensten; s. Sp. 79*.
Lübeck :
Mach, Adolf, Polizeirath; s. Abth. XXVL
♦Krüger, Daniel Friedrich, Dr., ausser-
ordentl. Gesandter u. Bevollmächtigter
zum Bundesrath^ ♦ zu Lübeck 22. IX. 19;
t zu Berlin 17. I.: s. BJ I, 216. — L
BJ II, 23 *; 111. Ztg. 106, 104.
Mecklenburg' Schwerin :
*Buchka, Hermann Friedrich Ludwig
Rudolf v., Dr., Wirkl. Geh. Rath, Vor-
stand d. Justizministeriums, mit dem d.
Leitung d. Geistl., Unterrichts- u. Me-
dizinal-Angelegenhciten verbunden war,
• zu Schwanbeck b. Friedland 19. VI. 21;
t zu Schwerin 15. VI.: s, BJ I, 214. —
L BJ II, 6 ♦. — W KL 1896, 164;
Brockhaus' Konv.-Lex. 1* 3, 679. 17, 225.
*Liebeherr, Otto Fr. Maximilian v., Dr.
tbeol., jur., med. et phil., Wirkl. Geh.
Rnth, Vizekanzler d. UntT. Rostock,
Direktor des Konsistoriums, 1 848 — 49
Justizminister, bis 1887 Landgerichts-
präsident, Schriftsteller auf d. Gebiete
d. Jurisprudenz u. Kulturgeschichte, * zu
Steinhagen in Mecklenburg 2X. II. 14;
f daselbst 13. IX.: s. BJ I, 217. — L
BJ II, 25 *; III. Ztg. 107, 367.
Oldenburg:
Mutzenbecher, E. F. A., seit 1891 Präsident
d. Regierung d. Fürstcnthums Lübeck,
vorher Oberreg.-Rath im grosshgl. Staats-
ministcrium, Departement d. Innern, * zu
Oldenburg I9. V. 34; + zu Eutin 9. III.
— L 111. Ztg. 106, 338; Kürschners
Staatshandb. 1893, 400; Goth. Hof kaiende r
1896, 606. — AM.
Ruhstrat, Friedrich Andreas, früher Fi-
nanzminister u. Vorsitzender im Gesammt-
Ministerium, * zu Ovelgönne 10. IL 19;
f 19 I. — L 111. Ztg. 106, 164. — AM.
Preussen:
•Albrecht, Siegfried Wilhelm, Oberverwal-
tungsgerichtsrath a. D., vorher Stadt-
syndikus in Hannover, Landtags- u. Reichs-
tags-Abg., • zu Hildesheim 22. X. 26;
t zu Hannover 25. I.: s. BJ I, 203. —
L BJ II, I *; Hirths Parlamentsalmanach.
12. Ausg. 1877, 117.
Borries, Alexander Sigismund Hermann v.,
Reg.-Präsident a. D. , • zu Eikendorf in
Lippe 7. IX. 20; t 2U Kassel 27. VIII.
— 25. X. 43 Auskultator beim Land- u.
Stadtgericht Minden; 20. IV. 46 Gerichts-
referendar bei d. Kammergericht in Berlin
u. d. Oberlandesgericht Halberstadt; 12.
IV. 50 Gerichtsassessor beim Appellations-
gericht Naumburg; III. 51 — V. 60 bei d.
Generalkommissionen Stendal, resp. Merse-
burg (15. X. 51 Reg.- Assessor); V. 60
bis VI. 66 Kommissarius f. Forstab-
lösungen u. Justitiar bei d. Regierung zu
Danzig (9. VII. 62 Reg.-Rath); VI. 66
bis VI. 68 Domänendezernent bei d. Re-
gierung in Köslin; VL 68 -VII. 76 bei
d. Ziviladrainistration, resp. Finanzdirek-
tion zu Hannover, auch Direktor d. Wittwen-
kasse; 18. IV. 76 Oberreg.-Rath u. Abth.-
Dirigent d. Abth. f. direkte Steuern, Do-
mänen u. Forsten d Regierung zu Oppeln;
30. X. 83 Präsident d. k. Finanzdirektion
zu Hannover; 27. III. 85 Reg.-Präsident
d. Regierung zu Lüneburg mit Antritt v.
I. VII. 85; i.X. 86 in d. Ruhestand ver-
setzt. — AM.
Böthke, Emil, Geh. Baurath, Architekt;
s. Sp. 75 ♦.
23'
Todtenliste 1896: III, 2 Diplomaten u. Staatsbeamte.
24'
Bötticher, Karl, Geh. Obertinanzrath, Mit-
glied d. Direktoriums d. Seebandlung,
•zuBerlin 23. VII. 35; f daselbst 14. VII.
— L Goth. Hofkalender 1896, 614. —
AM.
Brockhojf, Gustav, Geh. Bergrath a. D.,
früher auch Universitätsrichter an d. Univ.
Bonn, • zu Erwitte in Westf. 2. VI. 25;
t zu Bonn in der Nacht zum 30. XI. —
L 111. Ztg. 107, 734.
^Camphausen, Otto v., Staatsministcr a. D.,
Mitgl. d. Herrenhauses, • zu Hünshoven
21. X, 12; t zu Berlin 18. V.: s. BJ II,
435. - L 111. Ztg. 106,639. 673(K.W.);
Brockhaus' Konv.-Lex. '* 3, 883. 17,
245. — L in. Ztg. 106, 673 (nach
Photogr.).
Cranach, Adolf Polycarpus Lukas v.,
Keg.-Präsident a. D. (in Hannover), vorher
1876 — 85 Landdrost, • zu Craazen 16. X.
23; t zu Berlin 19. VIII. — L F. VVar-
necke, Lucas C'ranach d. Aeltere. Görlitz
1879. — AM.
Cuno, Hermann, Geh. Reg.-Rath, Baurath
bei d. Regierung in Koblenz; s. Sp. 76*.
•De la Croix, Otto, Dr. theol., Oberreg.-
Rath u. Konsistorialpräsident a. D., • zu
Berlin 25. X. 17; f zu Wiesbaden 21. V.:
s. BJ I, 441. — II. IX. 37 Auskultator
in Berlin; XII. 39 Referendar in Stettin;
I. XI. 42 Kammergcrichts-Assessor, ab*
wechselnd beschäftigt beim Instruktions-
u. Oberappellationssenat, bei d. Stadt-
gerichten zu Berlin u. Brandenburg, im
Justizministerium. — X. 45 — 18. III. 48
Gehülfe bei d. Staatsanwaltschaft d. Ober-
zensurgerichts u. nach Eingehen dieses
Gerichts bis Ende V. 48 wieder beim
Oberappellationssenat; i. VI. — 31. XII. 48
am Oberlandesgericht Marienwerder, bis
I. IV. 49 beim Ober-Appellationsscnat;
ab I, IV. 49 Staatsanwalt in Stendal,
definitiv lt. Patent v. 2. III. 50; 10. VIL
50 Staatsanwalt in Magdeburg; Konsisto-
rialrath u. Mitgl. d. Konsistoriums u.
Provinzialschulkollegiums 19. IV. 51 f.
Magdeburg, 31. X. 53 — 10. IV. 58 f.
Koblenz ; 3. V. 58—23. IV. 67 fürstl.
Lippeschcr Rcg.-Prasident u. Konsistorial-
vorsit/cnder; lt. Patent v. 5. I. 67 Ober-
rcg.-Rath u. Abth. -Dirigent in Magdeburg,
seit 2. VI. 70 in Wiesbaden, hier zugleich
Vorsitzender d. Konsistoriums; 10. \'I. 82
Vertreter d. Reg.-Präsidenten; 26. IX. 83
Konsisiorialprjisident ; i. IV. 92 in d.
Ruhestand versetzt. — L II, 24 *.
Engler, Hermann, Geh. Reg.-Rath, Land-
rath u. Landschaftsrath im Kr. Berent
(Westpr.), Landtagsabg., * zu Leitersdorf
b. Kressen 25. VIII. 21 ; f zu Berlin 7.
V, — Besuchte d. Gymn. in Konitz ;
1840 — 44 Rechtsstud. in Breslau, Bonn u.
Berlin; darauf Auskultator beim Land-
gericht in Berlin; Referendar beim Ober-
landesgericht in Cöslin; 1849 — 53 Staats-
anwalt bei d. Gerichten zu Butow u.
Lauenburg ; später zur Verwaltung über-
getreten u. Landrath d. Kr. Berent; seit
1861 Mitgl. d. Prov.-Landtags in Preussen,
bezw. Westprcussen : seit 1879 Abg. d.
preuss. Landtags f. Berent-Preuss.-Star-
gard-Dirschau (freikons.). — L 111. Ztg.
106, 605; L u. P Kürschners Preuss. Abg.-
Haus 1894, 41.
Gehren, Otto v.. Geh. Reg.-Rath, land-
rath d. Kr. Homberg (Hessen - Kassel),
Landtags- u. Reichstags-Abg., • zu Mar-
burg i. H. 10. XII. 17; t *u Homberg
(?) 15. X. — Besuchte d. Gymn. zu
Marburg; stud. Ostern 1839 bis Herbst
1842 Rechtswissenschaft an d. Univ.
ebenda; Frühjahr 1843 Reg. -Referendar
zu Marburg; 1849 Vcrwaltungsbeamter
zu Kirchhain; 1851 — 53 Landrathsamts-
Assessor zu Marburg ; 1853 Kreis-
sekretär zu Schlüchtern ; 1860 Assessor
zu Kassel; 1863 Landrath in Ziegenhain;
1866 in Frankenberg, seit 1868 in Hom-
berg; Mitglied des Abgeordnetenhauses
1879 ff., des Reichstags (f. Fritzlar-Hom-
berg-Ziegenhain) 1881 — 90 (kons.). — L
Hirths Parlamentsalmanach, 16. Ausg.,
1887, 151.
•Glatzel, Albert, Wirkl. Geh. Oberreg.-
Rath, Präsident des Oberlandeskultur-
gerichts, • 1833; f zu Berlin 14. 1.: s.
BJ I, 215. - L BJ 11, 14 •.
Gross, genannt v. Schwarzhoff, Dietrich
Christian v., Dr., Reg.-Präsident (v. Magde-
burg) a. D., • zu Darkehraen 28. IL 10;
f zu Berlin 12. V, — Von 1838 ab Reg.-
Assessor in Königsberg; 1840 Landrath
d. Brandenburger Kreises ; 1854 Oberreg.-
Rath bei d. Regierung in Cöslin; i. VI.
64 — V. 81 Reg.-Vizepräsident in Magde-
burg. — L 111. Ztg. 106, 639. — AM.
Gross, Julius, Wirkl. Geh. Oberfinanz-
rath a. D., bis 1891 vortr. Rath im
Finanzministerium, • zu Berlin 10. X. 25;
t daselbst 2. VI. -— L 111. Ztg. 106, 720.
— AM.
Halbey, Theodor, Geh. Oberreg.-Rath
u. vortr. Rath im Ministerium d. Innern,
• zu Usingen im Nassauischen 14. VII.
33 ; f zu Berlin 24, 1. — Stand zunächst
in nassauischen Diensten; fand darauf als
Reg.-Assessor bei d. Regierung in Wies-
baden Verwendung (1871 Reg.-Rath);
1S74 dem Oberpräsidium in Königsberg,
1878 dem Oberpräsidium in Danzig über-
wiesen u. 1881 Ober-Präsidialrath daselbst;
im Dez. 1883 in d. Ministerium d, Innern
25
«
Todtenliste 1896: 1II| 2. Diplomaten u. Staatsbeamte.
26*
als Hilfsarbeiter berufen, 1884 Geh. Reg.-
u. vortr. Rath, 1888 Geh. Oberreg.-Rath;
Mitgl. d. Gerichtshofes z. Entscheidung
V. Kompetenzkonflikten; sein Arbeitsfeld
während seiner 12 jähr. Thätigkeit im Mi-
nisterium d. Innern bildeten namentl. d.
Angelegenheiten d. Stadt- u. Land-
gemeinden u. d. Organisation d. Ver-
waltungs- u. Verwaltungsgerichtsbehörden.
— L 111. Ztg. 106, 164; Nordd. Allg.
Ztg. 1896 Nr. 46. — W Gemeindeverf.-
u. Verwaltungsrecht d. sieben östl. Pro-
vinzen Preussens. Berlin 1896. — AM.
Knyrim , Friedrich, Geh. Hofbaurath,
seit 1864 betraut mit d. Bauleitung auf
Wilhelmshöhe b. Kassel; s. Sp. 78*.
Konen, Wolf gang v., Geh. Oberiinanzrath
a. D., vordem vortr. Rath im Finanz-
ministerium, darauf in d. Seehandlung zu
Berlin, seit 1894 einer d. Inhaber d.
Bankgeschäftes von Konen u. Comp, in
Berlin, * zu Breslau 26. X. 45; -l* zu
Berlin 12. II. — L 111. Ztg. 106, 217.
— PM.
Koenigs, Gustav Adolf, Dr., Geh. Ober-
reg.-Rath u. vortr. Rath im Handels-
ministerium, d. rechte Hand d. Freih. v.
Berlepsch, als dieser Reg. - Präsident v.
Düsseldorf u. später Handelsminister war,
* zu DUlpen im Kr. Kempen 11. I. 45;
t zu Berlin i. IX. •— L 111. Ztg. 107,
308; Preuss. Staatsanz. 1896 Anf. Sept.;
WestfMl. Merkur 10. IX. 96; Köln.
Volksztg. 8. IX. 96. — AM.
Kreis, Paul, Geh. Justiz rath u. vortr. Rath
im Justizministerium, f 21. XI. — KA.
^Lorenz, Otto Ferdinand, Oberbaudirektor
u. vortr. Rath im Ministerium d. öffentl.
Arbeiten ; s. Sp. 79 *.
Oelrichs, Heinrich Wilhelm, Geh. Oberreg.-
Rath a.D., • zu Elbing 14. IV. 15; f zu
Breslau 19. IX. — März 1837 in d. Staats-
dienst eingetreten; 10. XI. 41 Reg.-
AssessoT; 23. IX. 49 Reg.-Rath; 27. XI.
69 Oberreg.-Rath u. Abth.- Dirigent in
Breslau f. Steuern, Domänen u. Forsten;
1. IV. 89 in d. Ruhestand versetzt. — L
111. Ztg. 107, 395. — W Domänen-Ver-
waltung d. Preuss. Staates. Bresl. 1883;
2. Aufl. 1888. — AM.
Opel, Reg. -Baurath a. D., früher bei d.
Regierung in Stettin; s. Sp. 79 •.
Rüppell, Emil, Geh. Reg.-Rath u. Ober-
baurath z. D., bis i. IV. 95 Dirigent d.
Abth. f. Bau- u. Werkstättenverwaltung
bei d. linksrhein. Eisenbahndirektion in
Köln, Eisenbabndirektor; s. Sp. 80*.
•Schröder, Wilhelm, Geh. Oberjustizrath
u. vortr. Rath im Justizministerium, Mitgl.
d. Justiz|>rüfungskommission; s. Abth. XX.
Sendler, Theodor, Dr. med.. Geh. Med.-
Rath in Magdeburg, Mitgl. d. Medizinal-
kollegiums d. Prov. Sachsen; s. Abth. XXI.
Senffl von Pilsach, Wilhelm Freih. v.,
Geh. Oberreg. - Rath u. Erbherr auf San-
dow, 58 J.; t auf Sandow 26. IV. — L
111. Ztg. 106, 560. — KA.
♦Spieker, Paul, Oberbaudirektor a. D.,
Architekt; s. Sp. 80*.
•Stolberg - Wernigerode, Otto Fürst zu,
Staatsminister a. D.; s. Sp. 13 *.
•Stosch, AI brecht v., Staatsminister a. D. ;
s. Sp. 55*.
Wemich, Agathon, Dr. med.. Reg.- u.
Med.-Rath b. d. Polizeipräsidium in Berlin;
s. Abth. XXI.
Willdenow, Karl, Dr., Ober- u. Geh. Reg.-
Rath, Direktor d. schles. Provinzial-Schul-
kollegiums, * zu Lehnitz b. Oranienburg
18. XII. 22.; t «u Breslau 18. VIII. —
L 111. Ztg. 107, 245. — AM.
Königreich Sachsen:
•Berlepsch, Dietrich Otto Freih. v. Wirkl.
Geh. R^th, Präsident d. Landeskonsistoriums
a. D., • zu Dresden 22. IX. 23 ; f daselbst
14. I.: s. BJ I, 415. — L BJ II, 3 ♦; Frei-
herrl. Taschenb. 1896, 27. 1897, 1202.
— AM.
Jentsch, Heinrich, Geh. Kirchenrath u.
Oberkonsistorialrath a. D., 40 Jahre im
Dienst d. sächs. Landeskirche u. d. Kirchen-
regiments thätig; s. Abth. XIX.
Nostitz und Jänkendorf, Georg Gottlob v.,
Oberfinanzrath a. D., trug während 30 j.
Dienstzeit viel z. Ausbau d. sächs. Eisen-
bahnwesens bei, • zu Lautitz 30. I. 29;
t zu Würzburg lo. VIII. — L 111. Ztg.
107, 214.
0er, Alexander Freih. v., Geh. Hofrath,
Prof. an d. Techn. Hochschule in Dresden,
früherEisenbabnbetriebsdirektor ; s. Sp. 79*.
Sachsen • AlUnburg:
Leipziger, Hugo v., Wirkl. Geh. Rath, Staats-
minister a. D. * zu Naumburg a. d. S.
16. VI. 23; f auf seinem Gute Wolframs-
dorf b. Zwickau 14. X. — Bis 1843 ^c*
such d. Domgymn. zu Naumburg; Rechts-
stud. auf d. Univ. Jena, Greifswald, Berlin ;
1846 erstes Jurist. Examen; Frühjahr 1848
Sek.-Lieut. d. Reserve; Herbst 1848 Refe-
rendar; während der Mobilmachungen 1848,
49> 5O1 59 als Offizier längere Zeit thätig ;
1852 Gcrichtsassessor b. Kreisgericht
Naumburg; 1853 Hilfsarbeiter b. d. k.
Eisenbahndirection in Bromberg, ^j^}?i)\x
Justitiar b. d. Regierung in Posen; 1854
— 63 Reg.-Ass. in Magdeburg; 1854 ver-
mählt mit Marie Freiin v. Mansbach; 1863
bei d. Regierung in Potsdam (1864 Reg.-
Rath), 1869 in Düsseldorf; während d.
Krieges 1 870 Delegirterd.Generalinspectors
d. freien Krankenpflege f. d. Reg. -Bez.
2f
Todtenliste 1S96: III, 2. Diplomaten u. Staatsbeamte.
28*
Düsseldorf; 1871 b. d. Regierung in Erfurt;
1877 Ober-Reg.-Rath u. Dirigent d. Abth.
f. Kirchen- u. Schulsachen in Magdeburg ;
mit Dekret v. 15. II. 80 Alten bürg. Staats-
minister u. Vorstand d. I. Ministerialabth. ;
8. VIII. 91 Z.Disposition gestellt; i. VII. 93
Ruhestand. — L 111. Ztg. 107, 489.. — AM.
Vogel, Karl Leopold, Geh. Reg.-Rath, stell-
vertr. Vorsitzender u. vortr. Rath in d.
Abth. d. Ministeriums f. Kultusangelegen-
heiten, 1881—84 Reichstagsabg. f. Alten-
burg (Reichspartei), * zu Lussa in Sachsen-
Altenburg 18. XII. 21 ; f zu Altenburg 9. III.
— L 111. Ztg. 106, 338; Schoenfeld, Notiz-
Buch f. Reichs tags- Wähler 5, 372. — AM.
Sachsen - Weimar 'Eisenach:
Bergfeld, Karl, Geheimrath, früher Rath
beim Finanzdepartement iA Weimar, später
Stellvertreter d. Departementschefs, 1850
Mitgl. d. Erfurter Parlaments, 1861—67
Landtagsabg., auch thüring.Lokalhistoriker,
• zu Weimar 24. V. 11; + daselbst 19.
IV. — L 111. Ztg. 106, 530; Weimar.
Ztg. 1896 Nr. 121, 126, 132 (sehr ausfUhrl.
Nekrol. mit W). — AM.
Boxberg, A 1 f r e d v., Dr. jur., Geh.Staatsrath u.
Chef d. Kultusdepartements zu Weimar,
* zu Leipzig 26. X. 41 ; f zu Weimar
14. VI. — Bis 1883 k. Sachs. Amtshaupt-
mann in Oschatz, bis x. I. 92 in Bautzen.
— L 111. Ztg. 106, 758; Weimar. Ztg.
1896 Nr. 139. — AM. u. PM.
Paalzow, Hermann Otto Ludwig, Staatsrath,
bis 1895 Chef d. General- Ablösungskom-
mission in W^eimar, • zu Rathenow 6. III.
20; + zu Weimar 9. 1. — Früher b. d.
k. preuss. Generalkommissionen zu Stendal
u. Merseburg in Auseinandersetzungs-
sachen beschäftigt; spätcrSpezialkommissar
in Calbe a. S., Heiligenstadt u. Worbis;
seit 1857 Mitgl. d. Generalkommission f.
Ablösungen u. Zusammenlegungen i. W^eimar
(als Reg.-Rath, später als Geh. -Rath),
deren Vorsitzender er I. X. 83 geworden
ist; gleichzeitig Direktor d. grosshgl.
Landcsbaumschule Marienhöhe; i. V^I. 95
als »Staatsrath« in d. Ruhestand versetzt.
— L 111. Ztg. 106, 72. — AM.
Schomburg, Julius Anton, Dr. jur. Geh.
Staatsrath a. D., bis 1886 Direktor d.
Ministerialdepartements d. Innern, * zu
Kassel 19. IV. 17; f zu Weimar i. XI. —
»Nachdem mir die Zulassung z. Staats-
dienst in Kurhessen ohne Angabe .eines
Grundes (mein Vater, d. damalige Ober-
bürgermeister u. Landtagspräsident, büsste
damit die fürstliche Ungnade) nach langem
Harren am 20. IX. 1S93 versagt war und
ich für das akademische Lehramt mich
vorbereitet hatte, wurde mir die Zulassung
zum Staatsdienste im Herzogthum Coburg-
Gotha in Aussicht gestellt. Als Accessist
mit Reskript von 5. V. 1840 bestellt, bin
ich am 29. VI. 1840 verpflichtet und bei
dem Justizamte Gotha eingestellt worden;«
15. III. 43 Aktuar in Liebenstein, 3.10.48
erster Aktuar in Zella im Herzogthum Gotha ;
19. Vn. 48 Sekretär b. d. kurfürstl. Re-
gierung in Kassel unter d. Ministerium
Eberhardt- Wippermann; Herbst 48 Siu
u. Stimme im Kollegium; 4. 1. 49 Assessor
bei Regierung u. Konsistorium in Kassel;
29. V. 49 Referent d. Obcrverwaltungs-
Behörde, nach Umwandlung d. Regierung
in eine solche, u. Konsist. • Mitgl. , Mitgl.
d. Zivil -Wittwen- u. Waisen -Direktion,
landesherrl. Kommissar f. d. israelit. An-
gelegenheiten, f. e. Versicherungs-Anstalt
u. dgl. m. ; 28. IX. 50 nach Hofgeismar
entfernt u. z. Vorstand d. dortigen Land-
ratbsamts ernannt; »in Folge der bekannten
Verfassungskonflikte als Verfassungsge-
treuer schliesslich mit Landesexekution
belegt, musste ich den Abschied nehmen,
welchen ich (d. d. 3. I. 50) am 9. I. 50
erhielt. Den kriegsgerichtlichen Ver-
folgungen ausweichend, hielt ich mich
einige Zeit im Eisenach'schen auf, kehrte
dann nach Kassel zurück, fungierte dort
als Mitgl. d. luther. Kirchengemein de- Vor-
standes, als Vorstands-Mitgl. verschiedener
wohlthätiger Vereine und führte die meisten
Vertheidigungen der von den Kriegsge-
richten Angeklagten, z.B. Gräfe's, Henkel's,
des permanenten landständischen Aus-
schusses (letztere nebst staatsrechtlicher Ab-
handlung gedruckt) etc;« 28. IX. 51 Re-
ferent im Grossb. Sachsen. Weimar. Staats-
ministerium mit d. Prädikat »Finanzrath« :
1852 Ablehnung d. Wahl z. Bürgermeister
V. Gotha; 24. VI. 63 Geh. Finanzrath;
seit 1863 Mitgl. d. Gemeinderaths in Gotha;
20. XII. 65 Geh. Reg.-Rath, Referent im
Dep. d. Innern u. Direktor d. I. Verw.-
Bez.; 1868 — 74 Landtagsmitgl.; i. l. 72
ausschl. Referent im Dep. d. Aeussern u.
Innern mit Entbindung von d. Amte als
Bez. -Direktor; i. VII. 72 Direktor d
Landeskrcditkasse; i, VII. 74 Ministerial-
direktor; 4. VII. 77 Staatsrath; 7. lo. 86
als Geh. Staatsrath in d. Ruhestand ver-
setzt mit d. Vorbehaltung weiterer Ver-
wendung, natpentl. unter Belassung d.
Kommissoriums als Mitgl. u. Vorsitzender d.
Vorstandes d. Landeskrcditkasse. — AM.
(theilw. nach autobiogr. Skizze).
Schqumburg' Lippe:
Spring, Heinrich, Staatsminister a. I) , *
zu Bückeburg i. XU. 21; f ebenda 11.
VII. — L Nachr. aus d. Lande 1894,
2. Nov.; Schaumb.-Lip[). Ztg. 1894, 31. De/.
u. 1896, 13. Jiili. — PM.
29'
Todtenliste 1896: III, 2. Diplomaten u. Staatsbeamte.
30*
Württemberg:
Knapp, Otto v., Finanzdirektor a.D., * zu
Schloss Stammheim b. I^udwigsburg 5.
XII. 31; f zu Köln 25. V. — Besuchte
d. Gymn. u. d. Polytechn. Schule zu
Stuttgart, sowie d. Akademie in Genf;
stud. d. Rechte in Tübingen; 1857
grössere Reise in England u. Frankreich;
1858 — 1892 in d. Staatseisenbahnverwal-
tung thätig, zuletzt II. Vorstand d. General-
direktion der Eisenbahnen, Vorstand der
Verwaltungs- u. Bauabth. im Ministerium
(Abth. f. Verkehrsanstalten) u. Direktor d.
Statist. Landesamts; 1877 Mitgl. d. Reichs-
tags f. Böblingen-Maulbronn etc. (Deutsche
Reichspartei). — L Hirths Parlaments-
almanach, 12. Ausg., 1877, 182; 111. Ztg.
106, 699; BIl. d. Schwab. Albvereins 8,
223 (E. Naegele).
Morlok, Georg v., Baudirektor a. D.; s.
Sp. 79*.
Muller, Eduard v., Direktor im evang.
Konsistorium zu Stuttgart, welcher Be-
hörde er 45 Jahre lang angehörte; seit
vielen Jahren auch Mitgl. d. Mtnisterial-
abth. f. d. Gelehrten- u. Realschulen, * zu
Gerabronn 14. VII. 20; f zu Baden-Baden
25. VIII. — L 111. Ztg. 107,273. — AM.
Sucher, Gustav v., tit. Präsident, Ministe-
rialdirektor im Kultusministerium, Vor-
stand d. wissenschaftl. Sammlungen d.
Staates , zugleich Referent f. d. Hoch-
schulen, Neffe d. Komponisten, * zu Stutt-
gart 28. II. 29; t daselbst 25. VII. —
L Schwab. Kronik 1896, 1524; 111. Ztg.
107, 163. — AM.
Oesterr eich:
*Chotek, Graf Bohuslaw, ausserordentl.
Gesandter; s. Sp. 8*.
Dewez, Wilhelm Joseph Freih. v., k. k.
Sektionschef a.D., * zu Karlsbad 11. IX.
26; f zu Mödling 5. VIII. — L Freiherrl.
Taschenb. 1897, 166. 1204.
♦d'Elvert, Christian, Oberfinanzrath a. D.,
Btlrgerme ister von Brunn, Reichsrathsabg.,
Historiker, ♦ zu Brlinn ii. IV. 1803;
t daselbst 28. I.: s. BJ I, 45. — L BJ
II, 10 ♦ ; Mittheil. d. Ver. f. d. Gesch. d.
Deutschen in Böhmen 34, 318; Deutsche
Ztschr. f. Geschichtswissensch. N. F. I.:
Monatsbll. 59.
Foullon de Norbeeck, Heinrich Freih. v.,
Chefgeolog d. Geolog. Rcichsanstalt ; s.
Sp. 91 ♦.
Haas, Joseph, österr.-ungar. Generalkonsul
in Shanghai, Autorität als Kenner d.
polit., kulturellen u. ethnograph., besonders
auch kunstgewerbl. Verhältnisse Chinas,
• zu Tokat in Kleinasien 1847; f durch
Ertrinken bei Pootoo in d. Nähe v.
Ningpo (China) 26. VII. — 1866 dem
Generalkonsulate in Hongkong z. Dienst-
leistung zugetheilt ; 1869 d. Leiter d.
ostasiat. Expedition Contre-Admiral Freih.
v. Petz beigegeben; lo. IV. 70 — 30. I. 73
Dolmetsch-Eleve b. d. Generalkonsulate
in Shanghai; 31. I. 73 — 3. IV. 83 Kanzler-
Dolmetsch dortselbst (später mit d. Titel
eines Vize-Konsuls) ; 4. IV. 83—25. X. 84
Vize-Konsul; 26. X. 84 — 24. X. 95 Konsul;
25. X. 95 — 26. VII. 96 Generalkonsul
IL Cl. — L ni. Ztg. 107, 163: Oriental.
Bibliogr. 10, 153 (Ostasiat. Lloyd 10,
loii; T'oung Pao 7, 427). — AM.
Hauser, Alois, k. k. Baurath, Architekt;
s. Sp. 77*.
Kirschner, Ferdinand Ritter v., k. u. k.
Reg.-Rath, gewesener Burghauptmann in
Wien, Architekt; s. Sp. 78*.
*Kutschera v. Aichlandt, Joseph Freih v.,
k. k. Statthaltereivizepräsident L R., * zu
Krumau in Böhmen 6. X. 18; f zu Ischl
27. VL (nicht VIL): s. BJ I, 131. — L
BJ II, 24 •; Freiherrl. Taschenb. 1897,
525. 1210.
Matzinger, Freih. Franz, Dr. jur., k. k. Geh.
Rath u. Sektionschef a. D., * zu St. Polten in
Niederösterreich 23. III. 17; f zu Weidling
b. Wien 22. VIII. — L FreiherrLTaschenb.
1897, 639. 1212.
Neumann, Theodor, früher Konsul in
Kairo u. Patras, Geograph; s. Sp. 97*.
Scala, Theodor v., Betriebsdirektor d. k.
k. Staatsbahnen, Eisenbahningenieur; s.
Sp. 80*.
Schönburg - Hartenstein, Alexander
Fürst v., Wirkl. Geh. Rath, ausserordentl.
Gesandter u. bevollmächtigter Minister
i. D.; s. Sp. 13 ♦.
^Trauttmansdorff, Ferdinand Graf v.,
Geh. Rath, Botschafter etc.; s. Sp. 15*.
^Vrints zu Falkenstein, M a x i m i 1 i a n Graf,
Geh. Rath, ausserordentl. Gesandter u.
bevollmächtigter Minister a. D.; s. Sp. 15*.
Wacken, August in Ernst Eugen Freih. v.,
Besitzer d. Herrschaft Idolsberg in Nieder-
österreich, k. u. k. Legationsrath, zuletzt
bei d. Botschaft in Berlin, 1894 wegen
Krankheit beurlaubt, * zu Brüssel 29. IX.
50; f zu Wien 28. I. — L Freiherrl.
Taschenb. 1897, 11 17. 1120; 111. Ztg. 106,
164.
Weis von Teufenstein, Karl Gottlieb
Freih. v., k. k. Sektionschef im Ministerium
f. Handel u. Volkswirthschaft i. R.,
Ehrenbürger v. Mies in Böhmen, * zu
Frauenberg in Böhmen 8. V. 10; f zu
Wien 2. V. — L Freiherrl. Taschenb.
1897, 1137. I22I; 111. Ztg. 106, 639.
WimpiTen, Graf Heinrich-Emil, vormals
Leiter d. k. u. k. Generalkonsulats f.
Algerien; s. Sp. 15*.
31
^•
Todtenliste 1S96: III, 2. 3. Diplomaten, Staats- u. Gemeindebeamte.
32'
Zimmermann, Georg Ritter v., pens. Vize-
präsident d. Finanzlandesdirektion und
Finanzlandesdirektor in Wien, * zu Wien
9. III. 27; t daselbst 12. XL — L 111.
Ztg. 107, 653.
Schweiz:
Wyniftorf, Johann, 1872—78 Mitgl. d.
Berner Reg.-Raths u. Leiter d. Militär-
direktion, seit 1895 Beamter d. Bemer
Staatsarchivs, ♦ zu Zielebach 14. IV. 30;
t zu Bern 25. VL — L 111. Ztg. 107,
973- — AM.
Russland:
Rennenkampf, Konstantin Karlowitsch,
Wirkl. Geh. Rath u. dirigirendcr Staats-
sekretär d. eigenen Kanzlei d. Kaisers;
t zu St. Petersburg 18. XL — L lU. Ztg.
107, 653.
Amerika:
Kömer, Gustav, Rechtsgelehrter u. Staats-
mann, * zu Frankfurt a. M. 30. XL 1809;
t zu Belleville (Illinois) 9. IV. — L 111.
Ztg. 106, 530.
Australien:
Müller, Ferdinand Freih. v., Regie
ruDgsbotaniker d. Kolonie Victoria; s.
Sp. 93 ••
3. Gemeindebeamte und Gemeinderäthe.
*Albrecht, Siegfried Wilhelm, Stadtsyndikus
in Hannover; s. Sp. 22 •.
Angerstein, Eduard, Prof. Dr., städt.
Oberturnwart in Berlin; s. Abth. XXII.
^Baumbach, Karl Adolf, Dr. jur., Ober-
bürgermeister V. Danzig, Reichstagsabg.,
nationalökonom. u. polit. Schriftsteller,
* zu Meiningen 9. II. 44; f zu Danzig
21. L: s. BJ I, 199 (Z. 22 u. 29 lies
Sonneberg statt Sonneburg). — L BJ II,
3 ♦; in. Ztg. 1892 Nr. 2578; Brockhaus'
Konv.-Lex. '* 2, 521. 17, 133. ~ W
BJ I, 200; KL 1896, 56. — P lU. Ztg.
1892 Nr. 2578.
Bergenroth, Julius, Dr., Gymn. -Oberlehrer
a. D. u. Stadtverordnetenvorsteher inThorn ;
s. Abth. XVI.
Berlin, Dr., Hofrath, Rechtsanwalt, Vor-
stand d. Gemeindekolleg^ums in Ansbach;
s. Abth. XX.
Dickert, Julius, Stadtverordnetenvorsteher
zu Königsberg in Pr. ; s. Sp. 37 *.
Drabizius, Guido v., Stadtverordneter in
Breslau, Ritterguts- u. Baumschulenbesitzer,
* zu Breslau 26. III. 39; f daselbst 28.
IIL — »D. hat der Stadtgemeinde Breslau
in mehreren Verwaltungsdeputationen u.
besonders durch die erste Anlage von
Weidenkulturen auf den Oswitzer Riesel-
feldern werthvoUe Dienste geleistet, sowie
durch Freilegung des jetzigen Matthias-
platzes u. d. Ausbau der anliegenden
Strassenzüge den Anstoss zur Entwickelung
und zum Aufblühen der Odervorstadt ge-
geben. Die Anlegung des vor den Thoren
von Breslau gelegenen Rittergutes Carlo-
witz zu einer Garten- und Villenkolonie
ist sein Werk. Die Durchführung des
Grossschi fFfahrtweges (Oder- Kanal) durch
die Odervorstadt bei Breslau hat er in
energischer, selbstloser Weise gefördert
durch rechtzeitige Vorbereitung der Eigen-
thumsrcgulicrungcn. In seinem Testament
hat er die Stadt Breslau zur Universal-
erbin eingesetzt. Leider konnte diese die
Erbschaft nicht antreten, obgleich zum
Nachlasse mehrere Rittergüter und zahl-
reiche ländliche und städtische Grund-
stücke gehörten, da die Passiva die Aktiva
um mehr als eine Million Mark über-
stiegen.« — L 111. Ztg. io6, 437. — AM.
♦d*Elvert, Christian, Bürgermeister von
BrUnn ; s. Sp. 30 *.
Flügel, Karl, Stadtrath a. D. in Sanger-
hausen, Industrieller; s. Sp. 71 *•
Fromme, Ludolf Ulrich, Oberbürgermeister
a. D. in Lüneburg, Reichstagsabg., * zu
Iber in Hannover 22. VIII. 13; + zu
Lüneburg 12. V. — Besuchte d. Lyzeum
in Hannover, d. Gymn. in Göttingen;
stud. daselbst 1832 — 35 Jura ; wurde
hannov. Beamter, seit 1852 im Verwal-
tungsfach, u. zwar bis 1860 erster Ver-
waltungsbeamter d. Amtes Dannenberg;
seitdem Oberbürgermeister in Lüneburg;
nahm als Mitgl. wesentlichen Antheil an
d. Reorganisation d. Provinz.-Landscbaft
d. Fürstenthums Lüneburg; 1863 Mitgl.
d. hannov. Vorsynode f. Hebung d.
Gemeinderechte; 1867 ff. Mitgl. d. Reichs-
tags f. d. 16. Wahlkreis Hannover (oat-
lib.). — L Hirths Parlaments-Almanach
f. 1868, 7. Ausg, 150; lU. Ztg. 106, 639.
Gerstenberg, Adolf, Stadtbaurath in Berlin ;
s. Sp. 76*.
^Gurlitt, Hans Christian Emanuel, Bürger-
meister V. Husum, Dichter in plattdeut-
scher Mundart, * zu Altona 21. I. 26;
t zu Husum 13. VII.: s. BJ I, 245. — L
BJ II, i6 ♦. — W BJ n, 246; KL 1896,
443.
Helfritz, Hugo, Bürgermeister v. Greifs-
wald u. Mitgl. d. preuss. Herrenhauses
auf I^ebenszeit, * zu Iven im Kr. Anklam
19. VIII. 27; t zu Greifswald 4. VII. —
L Hl. Ztg. 107, 73. — AM.
Hornemann, Karl, Senator in Hannover,
1870—85 Vertreter dieser Stadt im preuss.
33'
Todtenliste 1896: III, 3. Gemeindebeamte. IV. Parlamentarier.
34'
Abg.-Hause, 86 J., f zu Hannover 13. XII.
— L 111. Ztg. 107, 799. — AM.
Kröber, Adolf, Magistratsrath in München,
Reichstags- u. bayer. Landtagsabg., Holz-
händler; s. Sp. 37*.
Maisch, Jakob, Oberf)Urgermcister von
Karlsruhe, P.irlamentarier, Buchdrucker;
s. Abth. XXIV.
Meyer, Heinrich, Stadtrath u. Kauf-
mann in Stettin, Verleger u. Schriftsteller;
s. Abth. XXIV.
Moll, Eduard, frtlherer Oberbürgermeister
V. Mannheim, bad. Landtagsabg. f. d.
früheren 12. Städtcwahlbezirk (demokr.),
langj. Mit«;!, d. deutschen Handelstages,
* zu Osnabrück 9. III. 14; f *" Mann-
heim 19. X. — L 111. Ztg. 107, 515. —
AM.
*Volkinann , Wilhelm, Stadtrath in
Leipzig, Buchdrucker u. Verleger; s.
Abth. XXIV.
IV. Parlamentarier.
Deutscher Bund:
Frankfurter Parlament:
*Dunin- Borke wski von Borkowice, Graf
Alexander (Lesze) v. ; s. Sp. 8*.
*Rank, Josef, Dichter u. Schriftsteller: s.
Abth. xxin.
^Wagner von Freinsheim , C a m i 1 1 o
(Pseud.: Karl Guntram), k. k. Hofrath im
Oberlandesgericht zu Wien i. R., Dichter;
s. Abth. XX.
Waldmann, Heinrich, Gymn.- Oberlehrer
in Heiligenstadt; s. Abth. XVI.
Erfurter Parlament:
Bergfeld, Karl, Sachsen -Weimar. Geheim-
rath ; s. Sp. 27*.
Deutsches Reich:
a) Reichstag:
*Albrecht, Siegfried Wilhelm, Obervcrwal-
tungsgerichtsrath a. 1)., 1867 — 78 V^er-
treter d. Wahlkr. Einbeck-Uslar-(Jsterode
(nat.-lib.); s. Sp. 22*.
Albrecht, Wilhelm, Gutsbesitzer in Suze-
min b. Pr. Stargard, ♦ zu Syke in d.
Prov. Hannover 7. XL 21; f zu Berlin
23. V. — Besuchte d. Lyzeum u. d.
Polytechn. Schule in Hannover u. d. Univ.
Jena; seit 1866 Provinzial- Landschafts-
Direktor in Danzig; Mitgl. d. Kreistages
u. Kreis - Ausschusses f. fv. Stargard ;
1874 Reichs lagsabg. f. d. Landkreis Dan-
zig (nat.-lib.). — L Hirths Deutscher
Parlamentsalm an ach 12. Ausg., 1877, 117;
111. Ztg. 106, 699.
*Baer, Karl, Oberlandesgcrichtsrath, 1874
bis 79 Reichstagsabg. f. d. Wahlkr. Offen-
burg-Oberkirch-Kehl, 1873—82 Abg. d.
2. bad. Kammer f. s. Vaterstadt Bruchsal
(nat-lib.), * daselbst 24. X. 33; f zu
Montreux 8. V.: s. BJ I, 389. — L BJ
11, 2 * ; Hirths Parlaments - Almanach,
12. Ausg., 1877, 120; Karlsruher Ztg. 1896,
Nr. 217.
^Baumbach, Karl, Dr., Oberbürgermeister
in Danzig, 1880 — 93 Mitgl. d. Reichs-
tags, 1890—93 dessen i. Vizepräsident
(nat.-lib., sezess., deutsch-freis.); s. Sp. 31*.
Berling, Heinrich Friedrich Georg,
Kammerrath, pens. Zoll Verwalter u. Post-
meister in Buchen, * daselbst 13. XI. 17: f
ebenda 28. VI. — Vertrat seinen Heimat-
Blogr. Jahrb. u. Deutscher Nekrolog. 3. Bd.
kreis Lauenburg im preuss. Abg.-Haus
1877 — 93 und im Reichstag 1885 — 93,
wo er dem rechten Flügel der freisinnigen
Partei angehörte. — L Hirths Parlaments-
almanach, 16. Ausg., 1887, 127; Amtl.
Reichstags - Handb. 8, 1890/95: Biogr.
u. Statist. Notizen S. 13; 111. Ztg. 107,
41. — AM.
Böhm , Bernhard Gustav, Bauernguts-
besitzer zu Brunne b. Betzin-Carwesen im
Kr. Osthavelland, * ebenda 4. IX. 41;
t zu Berlin 17. III. — Besuchte d. Dorf-
schule in Brunne, 52—56 d. höhere
Knabenschule in Berlin u. wurde dann
Landwirth; diente 1860 — 63 im Garde-
Dragoner-Reg. u. war am Feldzug 1870/71
betbeiligt ; Vertreter d. Wahlkreises Ruppin-
Templin seit 1893 (freis. Volksp.). — L
111. Ztg. 106, 368. — L u. P Kürschners
Reichstag 1893, 39; D. Deutsche Reichs-
tag 1893—98 (Leipzig, C. Minde, 1893), 64.
Born, Rudolf, Dr. med.. Geh. Sanitätsrath
in Greiffenberg (Schlesien), * zu Ober-
möllern, Kr. Naumburg, 19. XL 28; f 4.
L — Besuchte d. Gymn. in Zeitz; stud.
1849—53 in Leipzig, Würzburg, Jena u.
Berlin; seit 1854 in Greiffenberg in Schi.
Kommunalarzt u. Stadtverordneter; Ver-
treter d. Wahlkr. Löwenberg 1887 — 90
(nat-lib.). — L Hirths Pariamen tsalma-
nach, 16. Ausg., 1887, 130; 111. Ztg. 106,72.
Brüel, Ludwig, Dr., Geh. Reg.-Rath a.D.,
Reichstagsabg. 1874 — 84 u. 1892 - - 93
(Weife, Hospitant d. Zentrums); s. Sp. 21*.
b
35*
Todtcnliste 1896: IV. Parlamentarier.
36*
*Buhl, Franz Armand, Dr., Weinguts-
besitzer, 1871 — 90 nat. -IIb. Vertreter d.
Wahlkr. Homburg - Kuscl im Reichstag,
1887 — 90 dessen i. Vizepräsident, seit
1885 Reichsrath d. Krone Bayern, * zu
Ettlingen 2. VIII. 37; f zu Deidesheim
5. III.: s. BJ I, 49 ♦. 220. — L BJ II,
6 •; 111. Ztg. 106, 307. 668; Bayerland
'896, 395 (mit P). — P 111. Ztg. 1892
Nr. 2578 u. 1896 Nr. 2761, S. 665.
^Bunsen, Georg v., Politiker, Reichstags-
abg. 1867 — 74 u. 1876-87, preuss. T.and-
tagsabg. 1862 — 79, * zu Rom 7. XI. 24;
f zu London 22. XII.: s. BJ I, 34. —
L BJ II, 6*; Arbeiterfreund 1896, 375;
Cosmopolis 10, 1898, 874 (M. v. Bunsen).
Dalwigk - Lichtenfels , Franz Freih. v.,
Herr auf Glimbach u. Kirchberg (Rhein-
prov.), sowie auf Lichtenfels u. Sand
(FUrstenth. Waldeck), k. preuss. Premier-
lieut. a. D., * auf Schloss Borsdorf b.
Düren 18. II. 30; f zu Düsseldorf 16.VL
— Häuslicher Privatunterricht, dann 7'/2
Jahre auf d. Ritterakad. zu Bedburg, wo
er 1849 absolvierte; diente im k. preuss.
II. Husaren-Reg. bis 1860, wo er seinen
Abschied nahm; machte 1860/61 unter
Lamoriciere in d. päpstl. Armee d, Feld-
zug mit; 1866 u. 70 als Delegirter d.
Rhein. -Westphäl. Malteser-Genossenschaft
bei d. freiwilligen Krankenpflege thätig;
Mitgl. d. Reichst, f. d. Wahlkr. Neuss-
Grevenbroich 1878 — 93, d. preuss. Abg.-
Hauses 1881 flf., d, Provinzial-Landt. f. d.
Rheinprov. 1883 ff. (Zentrum) — L Hirths
Parlamentsalmanach, 15. Ausg., 1884, 134.
16. Ausg., 1887, 139; 111. Ztg. 106, 791;
Freiherrl. Taschenb. 1896, 165. 1897,
1203 Militär- Wochenbl. 1896, 2323; Deut-
scher Hausschatz 20, Beil., 56.
Dickert, Julius, Privatmann in Königs-
berg i. Pr., ♦ zu Elbing 25. VI. 16;
f im Badeort Neuhäuser in Ostpr. 12.
VIII. - Stud. auf d. Univ. Königsberg
drei Jahre Theologie, wandte sich dann
zur Philologie u. war lange Zeit Lehrer;
1861 Mitbegründer d. Fortschrittspartei;
1861—71 Vorsteher d. Stadtverordneten-
versammlung in Königsberg, welches Amt
er 1871 wegen seiner Wahl in d. Reichs-
tag niederlegte; 1871 — 77 Vertreter d.
Stadt Königsberg (fortschrittl). — L Hirths
Parlamentsalmanach, 12. Ausg., 1877, ^45;
III. Ztg. 107, 245.
Fromme, Ludolf Ulrich, Oberbürgermeister
a. D. in Lüneburg, 1868 Vertreter d.
16. Wahlkr. Hannover, Amt Neuhaus i. L.
(nat-lib.); s. Sp. 32*.
*Fürstenberg, Karl Egon Fürst zu, seit
IT. XI. 93. Vertreter d Wahlkr. Donau-
eschingen (bei keiner Fraktion); s. Sp. 9''.
Gehren, Ottov., Geh. Reg.-Rath, Landrath,
1881 —90 Vertreter d. Wahlkr. Fritzlar-
Homberg- Ziegenhain (kons.): s. Sp. 24*.
^'Gieschen, Heinrich, Dr. jur., Rechtsan-
walt, Mitgl. d. Bürgerschaft in Hamburg,
1881—84 Vertreter d. Wahlkr. Elmshoro-
Pinneberg (fortschr.), * zu Hamburg 17.
VIII. 43; t daselbst ii. V. : s. BJ I, 213.
— L BJ II, 14 ♦: Schoenfeld, Notiz-Buch
f. Reichstags- Wähler ^ 150. 152.
Gordon (Familienname Coldwells), Franz
von, Fideikommissbcsitzer auf Schloss
Laskowitz (Kreis Schwetz), k. preuss.
Kammerherr u. Rittmeister d. Garde-
Landwehr - Kavallerie, Mitgl. d. preuss.
Herrenhauses, * auf Laskowitz 8. VIII. 37;
f zu Berlin 17. XI. — Besuchte d. Gymn.
zu Danzig u. d. Univ. Bonn; Landwirth;
1877—81 Vertreter d. Wahlkr. Schwetz
(kon.««.). — L Hirths Parlamentsalmanach,
12. Ausg., 1877, 157; 111. Ztg. 107, 653.
-- AM.
Hall, Samuel Heinrich, Oberlandes-
gerichtsrath a. D. in Celle, * zu Herz-
horn in Holstein 2. III. 19; f zu Celle
Ende Oktober. — Besuchte d. Gymn. zu
Glückstadt; stud. Rechtswissenschaft in
Kiel, Jena u. Leipzig; 1845— 64 Advokat
in Glückstadt; 1864 — 67 Appellations-
gerichtsrath in Flensburg, 1867 ^^ Kiel;
später Oberlandesgerichtsrath in Celle:
1870-73 Mitgl. d. preuss. Abg.-Hauses
f. d. Wahlkr. Steinburg; 1877-81 Reichs-
tagsabg. f. d. Wahlkr. Dithmarschen-
Steinburg (nat.-lib.). — L Hirths Parla-
mentsalmanach, 12. Ausg, 1877, 163; 111.
^tg. 107, 547.
Hartmann, Ludwig, Stadtrath in Hagenau,
1874 — 77 Vertreter d. Wahlkr. Hagenau-
Weissenburg, • 1837; f 24. III. — L
Schönfeld, Notiz-Buch f. Reichstags-Wäh-
ler ^ 396.
Hildebrandt, Robert, Landgerich tsratb in
Köslin u. Besitzer d. Wesseckschen Güter,
* daselbst 22. V. 30; f im Sept. — Be-
suchte Schule u. Gymn. seiner Vaterstadt
u. d. Univ. Berlin u. Bonn; 1873 — 79
preuss. Landtagsabg. ; 1887 — 9^ Reichs-
tagsabg. f. d. Kr. Fürstenthum in Schi. (Üb.,
bei keiner Fraktion). — L Schönfeld, No-
tiz-Buch f. Reichstags-Wähler •■•, 72.
Hinze, Hugo, früher preuss. Major, publizist.
Schriftsteller, * zu Brieg in Schi. 1. XI.
39; f zu Wiesbaden 25. IX. — Besuchte
d. Gymn, zu Brieg; 1857 — 83 aktiv in
der preuss. Armee, zuletzt als Major u.
etatsmässiger Stabsoffizier; 1S84— 87 Ver-
treter d. Wahlkr. Friedberg - Büdingen,
1890-93 d. Wahlkr. Oldenburg-Lübeck-
Birkenfeld (freis.). — L Hirths Parlaments-
almanach, 15. Ausg., 1S84, 162; Amtl.
37'
Todtenliste 1896: IV. Parlamentarier.
38*
Reicbstagshandb. 8, 1890/95: Biogr. u.
Statist. Notizen S. 55; 111. Ztg. 107, 395.
— AM.
Hoermann von Hoerbach, Winfried v.,
k. bayer. Staatsratb, 1871 — 74 Reicbstags-
abg. f. d. Wahlkr. Schweinfurt (Hb.); s.
Sp. 2o'.
Horneck von Weinheim , Heinrich
Alexander Gustav Freib. v., k. u. k. Käm-
merer u. Oberleutn. a. D, , auf Schloss
Thurn b. Forchheim, * zu Bamberg 26.
11. 43; t zu Bayreuth 27. V. — 1860 — 67
Österreich. Militärdienst; 1877 — 84 Ver-
treter des Wahlkr. Bamberg (Zentr.). —
L Freiherrl. Taschenb. 1896, 430. 1897,
1208; Schönfeld, Notiz-Buch f. Reichstags-
Wähler-' 272; Hirths Parlamentsalm anach,
12. Ausg., 1877, 174.
Knapp, Otto v., Württemberg. Finanz-
direktor a. D., 1877 — 81 Vertreter d.
Wahlkr. Böblingen - Maulbronn (Reichs-
partei) ; s. Sp. 29*.
Krieger, Fritz, Geh Justiz- u. Oberlandes-
gerichtsrath in Jena, * zu Dornheim b.
Arnstadt 16. VIII. 41; f zu Jena 23. I.
— Besuchte 1851 — 61 d. Gymn. zu Arn-
stadt, 1861 — 64 d. Univ. Göttingen,
Berlin, Jena; 1864 erstes, 1866 zweites
Jurist. Examen; 1868 — 75 Rechtsanwalt
in Ilmenau u. Arnstadt; 1S75 Eintritt in
d. unmittelbaren Grossherzogl. sächs.
Staatsdienst; 1877-78 Vertreter d. Wahl-
kr. Weimar-Apolda (nat.-lib.). — L Hirths
Parlamentsalmanach, 12. Ausg., 1877, 184;
111. Ztg. 106, 136.
♦Kröber, Adolf, Holzhändler in München;
1884 — 90 u. 93 — 96 Rcichstagsabg.
(dcmokr.), 1884 — 90 Gemeindebcvoll-
mächtigter , seitdem Magistratsrath in
München, * zu Kaiserslautern 6. IV. 34;
f zu Lussin-Piccolo 2. IV.: s. BJ I, 197.
— L BJ II, 23*; Amtl. Rcichstagshandb.
9, 1893/98, 194; Kürschners Reichstag
1893. 269; 111. Ztg. 106, 437. — P
Kürschners Reichstag 1893, 269; D.
Deutsche Reichstag 1893 — 98 (Leipzig,
C. Minde, 1893), 48.
*Lamey, August, Staatsrainister, 1871 — 74
Vertreter d. Wahlkr. Mannheim (nat.-lib.);
s. Sp. 19*.
^Lassen, Hans, Hof besitzer in Lysabbel b.
Schauby auf Alsen, * daselbst 11. IL 31;
f ebenda 20. I. — Besuchte hier 1837 bis
41 die Volksschule, 47 — 48 die sogenannte
Hochschule in Rödding u. widmete sich
dann d. Landwirthschaft; seit 1867 Mitgl.
d. Provinziallandtags f. Schleswig - Hol-
stein; 1880 — 83 Mitgl. d, Reichstags,
seit 1876 preuss. Landtagsabg. f. Apen-
rade - Sonderburg (Däne): s. BJ I, 218.
— L BJ II, 24 * ; Kürschners Preuss. Ab-
geordnetenhaus 1894, 259 (mit P); 111.
Ztg. 106, 193.
Loe, Felix Freih. v, Gutsbesitzer in
Terporten b. Hassum, Kr. Kleve, * zu
Düsseldorf 23. I. 25; f auf Schloss
Räkelwitz in Sachsen 26, V. — Besuchte
1840—42 zu Münster i. W., 1842—43 zu
Düsseldorf d. Gymn.; stud. 1843-48 in
Bonn, Würzburg, Heidelberg u. Berlin d.
Rechte; 1848- 51 Lieutenant im 7. Ulanen-
Reg. ; 1851 — 53 bei d. kgl. Regierung zu
Düsseldorf; dann beim Landrathsamt in
Geldern; 1854—58 Bürgermeister; 1859
Landrath d. Kr. Kleve, 1867 durch
Kabinetsordre in d. einstweiligen Ruhe-
stand versetzt; 1868 — 70 Mitgl. d. Nordd.
Reichst., 1869 d. deutschen Zollparla-
ments; 1870-76 u. 1890— 96^ Mitgl. d.
preuss. Abg. - Hauses f. Kleve - Geldern
(Zentrum); Präsident d. Rhein. Bauerii-
vereins. — L Hirths Parlamentsalmanach,
7. Ausg., 1868, 177; Kürschners Preuss.
Abg.-Haus 1894, 393; 111. Ztg. 106, 699;
Deutscher Hausschatz 19, 628 (mit P). 20,
Beil., 57. — W Keiter 4, 121.
Pflüger, Georg, Kaufmann in Creglingen,
Oberamt Mergentheim, * daselbst 30. VI.
35 ; f ebenda 2. IV. — Besuchte die
Lateinschule s. Vaterstadt u. erhielt
daneben Privatunterricht ; 1849 — 61
Handlungskommis in Heilbronn, Ehingen
u. Creglingen; seit 1861 selbständig;
seit 1890 Vertreter d.W^ahlkr. Gerabronn-
Künzelsau (sUdd. Volkspartei). — L Amtl.
Reichstagshandb. 8, 1890/95: Biogr. u.
Statist. Notizen S. 99. 9, 1893/8, 219;
Kürschners Reichstag 1893, 319 (mit P);
D. Deutsche Reichstag 1893 — 98 (Leipzig,
C. Minde, 1893), ^2 (mit P).
Raeithel, Heinrich Gottfried, Fabrikant u.
Bürgermeister zu Schwarzenbach a. S., *
daselbst 25. III. 42 ; f 20. II. — Besuchte
d. Lateinschule zu Hof, d. Gewerbeschule
zu Wunsiedel u: d. höh. Weberschule zu
Chemnitz; arbeitete 1860 — 63 in Fabrik-
geschäften in Sachsen u. Böhmen; seit
i864Theilhaber d. Manufakturwaarenfabrik
Karl KUnzel in Schwarzenbach a. S. ; seit
1869 Mitgl. d. Stadt. Kollegien; 1888 zum
2. Male als Bürgermeister gewählt; 15 Jahre
Miigl. d. Distriktsrathes Rehau, seit 1880
f. Hof-Schwarzcnbach; 1882 — 87 Mitgl.
d. Landraths v. Oberfranken f. Hof-Naila;
1890 — 93 Reichstagsabg. f. d. Wahlkr. Hof
(deutschfreis.). — L Amtl. Rcichstags-
Handb. 8, 1890/95: Biogr. u. Statist. No-
tizen, 102 ; Schönfeld, Notiz-Buch f. Reichs-
tags-Wähler *, 268.
Reindl, Magnus Anton, Domdekan, 1881 — 96
Vertreter d. Wahlkr. Illertissen (Zentrum);
s, Abth. XIX.
b*
39
*
Todtenliste 1896: IV. Parlamentarier.
40'
*Stolberg. Wernigerode, Otto Fürst zu,
1S67 Mitgl. d. constituirenden Reichs-
tags, 1871-78 Vertreter d. Wahlkr. Goslar-
Zellerfeld (Reicbspartei) ; s. Sp. 14*.
Szembek, Graf Peter, 1871 — 74 Vertreter
d. Wahlkr. Adelnau-Schildberg (Pole); s.
Sp. 14*.
*Treitschke, Heinrich v., Historiker, 1870
bis 84 Vertreter d. Wahlkr. Kreuznach-Sim-
mern (nat.-lib., seit 1879 Reichspartei);
s. Abth. XVII.
Ulrich, Theodor, Geh. Bergrath in Klaus-
thal, 1871 — 77 Vertreter d. Wahlkr. Kleve-
Geldern im Reichst., 1870—74 im preuss.
Abg.-Hause " (Zentrum) , • zu Arnsberg
2. X. 25 ; t zu Klausthal 8. VIII. — L
111. Ztg. 107, 214; Schönfeld, Notiz-Buch
f. Reichstags-Wähler ^ 220.
Vogel, Karl Leopold, Sachsen - altenburg.
Geh. RAth, 1881—84 Vertreter d.Wnhlkr.
Altenburg (Reichspartei); s. Sp. 27*.
Wengert, Joseph, Pfarrer zu Dirgenheim in
Württemberg, 1893— 96Vertret. d. Wahlkr.
Aalen-Ellwangen (Zenlr.); s. Abth. XIX.
Wiesike, Hermann, Guts- u. Ziegelei-
besitzer zu Plauerhof bei Plane a d.
Havel, * zu Brandenburg a. d. H. i. XI.
25; f zu Potsdam 12. VII. — Besuchte
1833 — 42 d. Gymn. zu Brandenburg,
1846—48 die Landwirthschaftl. Akademie
in Regen walde; Amtsvorsteher; Vertreter
d. Wahlkr. West-Havelland- Brandenburg
seit 1893 (nat.-lib.). — L Amt!. Reichs-
tagshandb. 9, 1893/98, 255; D. Deutsche
Reichstag (Leipzig, C. Minde, 1893), 81 ;
Kürschners Reichstag 1893, 44 (mit P).
d) Einzellandtage:
Baden^ /. Kammer',
^Behaghel, Wilhelm Jakob, Geh. Hofrath
u. Univ.-Prof., Vertreter d. üniv. Freiburg
1873-82; s. Abth. XX.
•Fürstenberg, Karl Egon Fürst zu, erbl.
Mitgl.; s. Sp. IG*.
Maisch, Jakob, Buchdrucker, Oberbürger-
meister V. Karlsruhe, Mitgl. 1869—78; s.
Abth. XXIV.
Leiningen, Em ich Graf zu, Herr zu Neu-
denau, erbl. Mitgl.; s. Sp. ii*.
*Roos, Johannes Christian, Erzbischof v.
Freiburg; s. Abth. XIX.
Baden, IL Kammer:
"^Baer, Carl, 1873 — 82 Oberlandesgerichts-
rath , Abg. f. Bruchsjü (nat. - Hb.). ; s.
Abth. XX.
•Behaghel, Wilhelm Jakob, Geh. Hofrath
u. Univ.-Prof., 1863—66 Abg. f. Philipps-
burg u. Schwetzingen ; s. Abth. XX.
Frech, Albert, Geh. Oberreg. - Rath u.
Landeskommissar, bis 1891 Abg. (nat.-lib.);
s. Sp. 19*.
*Lamey, August, Staatsminister a. D.,
Abg. f. Karlsruhe 1848 — 52 u. 1876—93,
f. Lörrach 1859 — 72, Präsident d. Kam-
mer 1876—93 (nat.-lib.); s. Sp. 19*.
Maisch, Jakob, Buchdrucker, Oberbürger-
meister, 1848 — 52 einer der 3 Abgeord-
neten f. Karlsruhe (gemässigt Hb.); s.
Abth. XXIV.
Moll, Eduard, Oberbürgermeister f. Mann-
heim, langj. Abg. (demokr.); s. Sp. 34*.
Wittmer, Heinrich, Gastwirth in Ep-
pingen, nat.-lib. Abg. f. d. 50. Wahlkr.,
Mitgl. d. deutschen Landwirthschaftsraths,
♦ zu Eppingen 24. VIIL 47; + daselbst
29. X. — L 111. Ztg. 107, 584; Kürschners
Staatshandb. 1893, 366; Bad. Landesztg.
1896 Nr. 256 ; Karlsruher Ztg. 1896
Nr. 509. — AM.
Bayern, Reicksraih:
*Buhl, Armand, Dr., Weingutsbesitzer,
lebenslängsl. Reichsrath, vom König er-
nannt; s. Sp. 35*.
♦Faber, Lothar Freih. v.. Industrieller,
seit 1865 lebenslängl., seit 1889 erbl.
Reichsrath; s. Sp. 71*.
Bayern, Landtag:
Hahn, Johann Karl, kgl. Bergrath in Bay-
reuth, * zu Bingert in d. Pfalz 6. IX. 24;
t zu Bayreuth 25. X. — Besuchte 183 1
bis 37 d. Volksschule in Bingert, 1843—45
d. Kreisgewerbeschule in Kaiserslautern,
studierte 1845— 48 in München, 1848—50
an d. Bergakademie Freiberg i. S.; 1850
Staatskonkurs; 185 1 Bergpraktikant; 1853
funktionirender Einfahrer; 1856 Berg-
amtsverwcser ; 1869 Bergamtmann d. Be-
zirksamts Bayreuth; 1882 Bergrath; Abg.
f. Bayreuth 1868 — 69 u. 1877-96 (nat.-
lib.). — L u. P Kürschners Bayer. Land-
tag 1893-99, 96.
Haug, Joseph Anton, Oekonom u. Bürger-
meister in Burgberg, Bezirksamt Sont-
hofen, * daselbst 4. III. 31; f 13. V. —
1859 Ortsgemeindepfleger ; 1 863 Gemeinde-
pfleger; 1869 Bürgermeister; i87oDistrikts-
ausschussmitgl. f. Sontbofen; 1878 Di-
striktskassier; seit 1881 Abg. f. Kempten i
(nat.-lib.). — L u. P Kürschners Bayer
Landtag 1893 — 99, 164.
Hoermann von Hoerbach, Winfried v.,
Staatsminister a. D., längere Zeit Abg.;
s. Sp. 20*.
Maison , Carl, Kommerzienrath, Theil-
haber d. Firma A. Maison in München,
2. Vorstand d. oberbayer. Handels- u.
Gewerbekammer, dän. u. schwed.-norweg.
Konsul, * zu Oberdorf in Württemberg
18. IX. 40; f zu München 29. X. — Be-
suchte 46—51 d. Volksschule, 185 1 — 55
d. Lateinschule zu Oberdorf; lernte 1855
bis 58 in OfTenbach a. M. als Kaufmann:
seit 1864 selbstständig in München; be-
41
Todtenliste 1896: TV. Parlamentarier.
42'
reiste Ocsterreich, Italien, Frankreich,
Holland, Belgien, England u. Skandi-
navien; Handelsrichter seit 1871; Mitgl.
d. Handels- u. Gewerbe-Kammer f. Ober-
bayern seit 1875; Abg. f. Mtlnchen I links
d. Isar 1887 — 96 (deutsch-freis.). — L u. P
Kürschners Bayer. Landtag 1893—99, 6.
Reindl, Magnus Anton, Domdekan in Eich-
stätt, Abg. seit 1881; s. Abth. XIX.
Wand, Theodor Ritter v., Konsistorial-
direktor in Speyer, Ende d. 60er u.
Anfang d. 70er Jahre Abg. f. Speyer
(nat.-lib.); s. Sp. 20*.
Braunsckioeig, Landesversammlung:
♦Veitheim, Friedrich v., Oberjägermeister
u. Finanzdirektor a. D., seit 1872 Mitgl.,
seit 1878 Vizepräsident, seit 1881—96
Präsident d. Standesversammlung, * zu
Helmstedt 11. III. 24; f zu Destedt 28. III.:
s. BJ I, 409. - L BJ II, 43'-
Elsas s - Lothringen , Landesausschuss :
"^Pick, Alphons, Industrieller u. Dichter,
bis 1887 Alterspräsident; s. Abth. XXIII.
Hessen^ /. Kammer d, Landstände:
♦Stolberg -Wernigerode, Otto Fürst zu,
erbl. Mitgl.; s. Sp. 14*.
Hessen ^ IL Kammer d. Landstände '.
Pfannstiel, Karl, Gutsbesitzer zu Hainbach
in Oberhessen, Senior d. Kammer, 90 J.;
f zu Hainbach 16. X. — L 111. Ztg. 107,
515; Kürschners Staatshandb. 189-^, 373.
- AM.
IVeussen, Herrenhaus:
♦Baumbach, Karl, Oberbürgermeister v.
Danzig, seit 1891 Vertreter d. Stadt; s.
Sp. 31*.
Bussche-Streithorst, Georg Klamor Trau-
gott Max Karl Freih. v. dem, k. hannov.
Kammerherr, Mitgl. auf Lebenszeit, Ver-
treter d. FUrstenthums Halberstadt u. d.
Grafschaft Wernigerode, ♦ zu Ippenburg
26. VI. 25 ; f zu Thale b. Quedlinburg
20. VIII. — L Freiherrl. Taschenb. 1896,
138. 1897, 1203.
♦Camphausen. Otto v., Minister a. D.,
als Mitgl. auf Lebenszeit 1860 vom König
berufen; s. Sp. 23*.
Dressler, Benno v., Rittergutsbesitzer auf
Schreitlaugken b. Willkischken, Mitgl. auf
Lebenszeit, präsentirt v. Grundbesitz d.
Landschaftsbezirks Litthauen, ♦ zu Schreit-
laugken 31. X. 42; t daselbst 11. IX. — L
Kürschners Staatshandb. 1893, 179. — AM.
Dyhrn, Kon r ad Graf v., Freih. zu Schönau,
erbl. Mitgl.; s. Sp. 9*.
* Fürstenberg, Karl Egon Fürst zu, erbl.
Mitgl.; s. Sp. 9^.
♦Glatzel, Albert, Wirkl. Geh. Oberreg.-
Rath u. Präsident d. Oberlandeskultur-
gerichts, lebensl. Mitgl., 1895 vom König
berufen; s. Sp. 24*,
Gordon, Franz v., Icbcnsl. Mitgl., präsen-
tirt vom Landschaftsbez.; s. Sp. 36*,
Helfritz, Hugo, Bürgermeister, Vertreter
d. Stadt Greifswald; s. Sp. 32*.
♦Pfeil-Burghausz, Ludwig Graf v., erbl.
Mitgl. u. Alterspräsident; s. Sp. I2^.
'^Schlabrendorif-Seppau, Alfred Graf v.,
seit 1877 Mitgl. auf Lebenszeit, präsen-
tirt v. Fürstenthum Glogau u. Herzog-
thum Sagan; s. Sp. 13*.
♦Stolberg -Wernigerode, Otto Fürst zu,
seit 12. X. 54 erbl. Mitgl., 1872 — 77 u.
1893 — 96 Präsident d. Hauses; s. Sp. 14*.
•Stosch, Alb recht v., General d. In-
fanterie und Admiral, Minister a. D.,
lebenslängl. Mitgl., vom König berufen;
s. Sp. 55^.
Wedel, Ernst Achatz v., Rittergutsbesitzer
auf Blankensec, Major a. D., Landschafts-
rath , lebenslängl. Mitgl. , präsentirt v.
Grundbesitz d. Herzogthums Stettin, * 28.
VII. 25; f auf Blankensec 21. III. — L
111. Ztg. 106, 396; Militär -VVochenbl.
1896, 1429.
Preussent Haus d, Abgeordneten:
Alscher, Karl, Dr. med.. Geh. Sanitäts-
ratb, seit 1879 Kreisphysikus in Leob-
schütz, 1866 — 67 fortschrittl. Mitgl. d.
Abg.-Hauses, seit 1875 d. schles. Provin-
ziallandtags, 1870 — 81 Stadtverordneten-
vorsteher, ♦ zu Leobschütz 1832; f daselbst
8. Vin. - L 111. Ztg. 107. 214. — AM.
Behrendt, Josef, Gutsbesitzer zu Petzkin
b. Frankenhagen, AmtsAusschuss-Mitgl.
u. Amtsvorsteher, 1882- 85 Abg. f. Konitz-
Tuchel-Schlochau (Zentrum); ♦ 29. 17. 20;
t 7. I. — AM.
Bergenroth, Julius, Dr., Gymn.-Oberl.
a.D., 1873-83 Abg. f. Thorn-Kulm
(fortschrittl.); s. Abth. XVL
Berling, Heinrich, Kammerrath, 1876 —
92 Abg. f. Lauenburg (freis.); s. Sp. 33*.
♦Bunsen, Georg v., Abg. 1862-79, in den
ersten drei Sessionen f. Bonn -Rheinbach,
dann f. Lennep-Solingen, zuletzt 1877 bis
79 f. Mettmann; s. Sp. 35^.
Busse, Paul v., Rittergutsbesitzer auf Gross-
Marchwitz, Kreis Namslau, * daselbst 28.
XL 41; t »6. IX. — 1853 — 57 im
Kadettenkorps zu Wahlstatt, 1857—59 im
Kadettenkorps zu Berlin; 1860 Offizier
im 3. Ulanen -Regiment, 1866 im 15.
Ulanen - Regiment, 1877 Eskadronchef,
1880 Abschied; seitdem Bcwirthschaftung
seines Gutes; seit 1894 Abg. f. Gross-
Wartenberg-Namslau-Oels (kons ). — L
u. P Kürschners Preuss. Abg.-Haus 1894,
159. — AM.
♦Camphausen, Otto v., Staatsminister a. D.,
1849 — 52 Abg. (gemässigt - liberal); s.
Sp. 23*.
43'
Todtenliste 1896: IV. Parlamentarier.
44
«
Dalwigk - Lichtenfels , Freih. Franz v.,
Abg. f. Neuss - Grevenbroich 1881 ff.
(Zentrum); s. Sp. 35 *.
'^Dejanicz v. Gliszczynski , Kdmund
Josef V., (Jcnoralniajor 7.. I)., Abg. seit
1882 f. Kreuzburg-Roscnberg (Zentrum);
s. Sp. 49 *.
Eberhard, Richard, Geh. Justizrath,
Oberlandesgerichtsrath a. D. zu Breslau,
1S70— 73 Abg. f. Pless-Rybnik (kons.),
* zu Ratibor 22. V. 18; f zu Breslau
16. 11. — L 111. Ztg. 106, 248. - - AM.
Engler, Hermann, Geh. Reg. -Rath u.
I.andrath, Abg. seit 1879 f. Boren t-
Stargard-Dirschiiu (freikons.); s. Sp. 23*.
Gehren, Otto v.. Geh. Rcg.-Rath u. I.and-
rath a. D., Abg. seit 1879 ^- Homberg-
Zicgenhain (kons.); s. Sp. 24*.
Günther, Wilhelm, Geh. Justizrath, Erster
Staatsanwalt a. D. zu Marburg, 1877 — 79
Abg. f. Minden-Lübbecke (nat.-lib.), * zu
Stolberg im Harz 16. HI. 19; f 12. I. —
W Populäre Vorträge u. Abhandlungen
tib. Rechtsmaterien. Berl. 1869; 1). Preuss.
Polizei- u. Strafgesetzgebung in Feld- u.
Forstsachen. Bresl. 1874. — AM.
Hall, Heinrich, Geh. Justizrath, Ober-
landesgerichtsrath a. D., 1870 — 73 Abg.
f. Steinburg (nat.-lib.); s. Abth. XX.
Hildebrandt, Landgerichtsrath a. D. in
Knslin, 1873- 79 Abg. f. Köslin-Kolberg
(nat.-lib.); s. Abth. XX.
Hogrefe, Franz Ludwig Konrad, Amtsrath
in Schwägerau b. Gröss-Bubainen, seit
1882 Abg. f. Gum binnen - Insterburg
(kons.), ♦ zu Gerode, Prov. Sachsen, 17.
IT. 19; f 15. IX. — L u. P Kürschners
Preuss. Landtag 1894, 24.
Höpker, Wilhelm, Rittergutsbesitzer auf
Haus Kilver b. Löhne in Westphalen, in
d. 70 er Jahren Abg. f» Herford-Halle-
Bielefeld (nat.-lib.), * auf Haus Kilver
IG. VIII. 24; f ebenda 20. XI. - L 111.
Ztg. 107, 734.
Hornemann, Karl, Senator in Hannover,
1870- -86 Abg. f. d. Stadt Hannover (nat.-
lib.) ; s. Sp. 32 *,
Jäger, Hugo, Rentner in Barmen, 1S73 bis
75 Abg. f. Elberfeld-Barmen (fortschrittl.),
73 J.; f zu Barmen 12. III. — L 111.
Ztg. 106, 368.
^Lassen, Hans, Hofbesitzer, 1876 — 96
Abg. f. Apenrade - Sonderburg (Däne);
s. Sp. 37 *.
Loe, Felix P>eih. v., Gutsbesitzer in
Terporten, 1870 — 76 u. 1890 — 96 Abg. f.
Kleve (Zentrum) ; s. Sp. 38 *.
Plate, H. W., Dr., Justizrath, Rechtsan-
walt u. Notar, 1875-76 Abg. f. Diepholz
(nat.-lib.), 67 J ; f zu Diepholz 29. XI.
— L 111. Ztg. 107, 734. — AM.
Ulrich, Theodor, Geh. Bergrath, 1 870 bis
74 Abg. f. Geldern-Kempen (Zentrum);
s. Sp. 39 *.
Wulff ing, Franz, Oberrcg.-Rath a. D.,
einer d. Führer d. rhein. Altkatholiken,
1849 ff. Abg. f. Siegen, * zu Wipperfürth
14. III. 14; t zu Köln 23. III. — L 111.
Ztg. 106, 437. — Herr H. B omni er,
Pfarrer d. altkathol. Gemeinde zu Köln,
hat die Güte gehabt, nachfolgende Mit-
theilungen nach dem eigenhändig gc-
scjjriebenen Lebenslauf des Verstorbenen
zu überlassen: »F. W., Sohn eines Tuch-
fabrikanten , absolvierte 1828—33 das
Gymnasium zu Münster a. d. Eifel und
studierte hierauf an der Univ. zu Bonn
die Rechtswissenschaft. Nach den Staats-
prüfungen wurde er 1839 zum Jusliz*-
referendar in Münster ernannt und noch
im selben Jahr als Regicrungsreferendar
bei der Regierung in Köln eingeführt.
1845 kam W. nach Potsdiun, dann nach
Oppeln. Von jetzt an begann er seine
Reisen ins Ausland, welche er immer
weiter ausdehnte und bis ins höchste
Alter fortsetzte, so dass er fast ganz Kuropa
und grosse Theile von Amerika, Asien
und Afrika besuchte. Als 1848 die Un-
ruhen ausbrachen, wurde er vom Minister
von einer Reise in Nordamerika zur so-
fortigen Rückkehr aufgefordert und Ende
dieses Jahres bei der Regierung in Düssel-
dorf und Köln verwandt, welche ihn als
Kommissar in Elberfeld, Düsseldorf und
Köln verwandte. 1849 zum landräthlichen
Kommissar im Siegkreise und 1850 zum
Landrath für diesen Kreis ernannt, wurde
er auch vom Wahlkreise Siegburg - Mül-
heim und Waldbröl viele Jahre ins Ab-
geordneten-Haus gewählt, bis er diese
Stellung aus GeschäftsUberbürdung frei-
willig niederlegte. Nach siebzehnjähriger
Thätigkeit im Siegkreise wurde er am
12. Oktober 1866 zum Oberregierungsr^th
befördert, welches Amt er zunächst in
Minden und seit dem 10. Juli 1S68 in
Köln bekleidete, wo er, wie auch schon
früher zu Minden, 1869 zum Vertreter
des Regierungspräsidenten ernannt wurde.
In dieser Stellung blieb er bis zum
15. Mai 1888, wo er in den Ruhestand
versetzt wurde. — W. war auch schrift-
stellerisch thätig. Ausser vielen Aufsätzen
in Zeitschriften ver()ffcntlichte er ein Buch
Über Gemeindeordnungen, ein weiteres
über Beiträge zur Kritik des preussischen
Steuersystems und ein solches über den
Erwerb von Ackerbau- und Handels-
kolonicen für das Deutsche Reich. — Seit
der Verkündigung des Unfclilbarkeits-
dogmas stand W. mit an der Spitze der
45
*
Todtcnlislc 1896: IV. Parlamentarier.
46*
altkatholisclicn Bewejjung. Er präsidierte
der berllbmten, von hoben Beamten und
Professoren der Bonner Univcrbität be-
suchten Königswinterer Prolestversanim-
lun|^ am 14. August 1870, leitete 1872
die Gründung der altkatholischen Ge-
meinde zu Köln und nahm 1873 an der
Wahl des ersten altkatholischen Bischofs
sowie «in allen Kongressen und Synoden
der Altkatholiken hervorragenden Antheil
bis zu seinem Tode. — Nachrufe er-
schienen im Altkathol. VolksblatI, dem
Deutschen Merkur, der Köln. Ztg. und,
mit Bildniss, in» Altkathol. Volkskalender
1897, S. 63 «
Königreich Sachsen, /. Kammer:
Seiler, Wilhelm Otto, Rittergutsbesitzer auf
Nostiz, Vorsitzender d. Stände d. Vogt-
land. Kreises u. vormaliges Mitgl. d. I.
Ständekanimer; s. Sp. 66 *.
Konifere ich Sachsen, II. Kammer:
Knoll, Rudolf, Kaufmann, Stadtrath (Stell-
vertreter d. Bürgermeisters), Abg. f. d.
24. städt. Wahlkr. (nat.-lib.), * zu Auerbach
31. XII. 33; t daselbst 10. IV. — L 111.
Ztg. 106, 465. - AM.
Seydel, Karl Ernst, Gutsbesitzer, Gemeinde-
vorstand, Standesbeamter und Friedens-
richter, sowie Begründer u. Vorsitzender
des Landwirthschaftlichen Vereins in
Konigshain b. Mittweida , Abg. f. d.
28. Wahlkr.: Mittweida, Geringswalde,
Martha, Colditz ^kons.), ^ zu Königshain
14. II. 25; t daselbst 6. XI. — L 111.
Ztg. 107, 584; Kürschners Staatshandb.
1893, 336; I). Vaterland. Wochenbl. f. d.
Sachs. Volk. 1S96. — PM.
Starke, Kurt, Kommerzienrath u. Fabrik-
besitzer in Frankenau b. Mittweida, langj.
Abg. : s. Sp. 74 ♦.
Württembergs Kammer d. Standesher ren:
♦Fürstenberg, Karl Egon Fürst zu, erbl.
Mitgl. ; s. Sp. 9 •.
Württemberg, Kammer d, Abgeordneten:
Ehninger, Christian Karl Wilhelm, Kauf-
mann u. Gemeinderath, langj. Abg. f.
Kirchheim u. T., • daselbst 3. XII. 18;
t ebenda 8. X. — L 111. Ztg. 107, 461.
Kürschners Staatshandb. 1893, 350. —
AM.
"Georgii, Ludwig v., Prälat u. General-
superintendent , 1869 — 90 als solcher
Miigl. d. Kammer; s. Abth. XIX.
*Ofterdinger , Ludwig, Mathematiker u.
l.itterarhistoriker, 1848—49 Abg. d.
Biberacher Oberamtsbezirks; s. Sp. 87*.
Walcker, v., Prälat, Generalsuperintendent
/u Hall i. W.; s. Abth. XIX.
Oesterreicb
Herrenhaus d. Reichsraths:
*Chotek, Graf Bohuslaw, seit 1874 Mit-
glied auf Lebenszeit; s. Sp. 8*.
Hasimayr - Grassegg, Vincenz Ritter v.,
Senatspräsident am Obersten Gerichtshof
zu Wien, seit 1891 Mitlg. auf Lebenszeit
(Verfassungspartei); s. Abth. XX.
Kinsky, Graf Oktavian, erbl. Mitgl.; s.
Sp. II *.
Face, Graf Wilhelm, Mitgl. auf Lebens-
zeit; s. Sp. 12 *.
Porcia, Ferdinand Fürst, erbl. Mitgl.;
s. Sp. 12 *.
Schönburg -Hartenstein, Fürst Alexan-
der, erbl. Mitgl. u. i. Vi/.eprhsident; s.
^^p. 13*-
'^Trauttmansdorff, Graf Ferdinand, seit
1870 lebenslängl. Mitgl., seit 1872 Vize-
präsident, seit 1879 Präsident; s. Sp. 15 *.
•Vrints zu Falkenstein, Graf Maxi-
milian, erbl. Mitgl.; s. Sp. 15*.
Abgeordnetenhaus d. Reichsraths:
^Berchem - Haimhausen , Graf H a n s -
Ernst, seit 1867 Abg. f. d. Gross-
grundbesitz; s. Sp. 7*.
*d'Elvert, Christian, 1871 — 82 Abg. f.
ßrUnn (deutsch-lib.); s. Sp. 29*.
Fürnkranz, Heinrich, früher Offizier,
Oekonomiebesit/.er, seit 1861 Bürger-
meister von Langenlois, Mitgl. d. Abg.-
Ilauscs d. österr. Reichsraths u. d. nieder-
österr. Landtags als Vertreter d. Geroeinde-
bezirks Krems (erst fortschrittl , später
antiscmit.), * zu Krems 31. X. 28; f zu
Wien 28. XIL — L 111. Ztg. 108, 48;
Hahn, Reichsraths- Almanach f. 1891/92,
161; Kürschners Abg.-Haus d. Reichsraths
1891, 196 (mit P).
Hevera, Vinccn/., Reichsraths- u. bohm.
Landtagsabg. ; s. Sp. 67 *.
Hohenlohc - Waidenburg - Schillingsfürst,
Prinz Egon, seit 1895 Abg. f. d. Stadt
Görz; s. Sp. lo'"'.
'^Lienbacher, Georg, Hofrath beim Obersten
Gerichtshof. Mitgl. 1873 - 96 (bis 1884
klerikal, 1887 Gründer der ^Freien Agrar-
vereinigung«), • zu Kuchl im Herzogthum
Salzburg 18. IV. 22; f auf Georgenberg
b. Kuchl 14. IX.: s. BJ I, 347. — L BJ
II, 25 ♦; III. Ztg. 107, 367; Hahn, Reichs-
raths-Almanach f. 1891/92, 205 (mit W);
Kürschners Abg.-Haus d. Reichsraths 1891,
222 (mit P). — W auch Kciter 4, 119;
KL 1S96, 758.
Rosthorn, Gustav Edler v., Commerzial-
rath, 1861—67 Mitgl.; s. Sp. 73*.
47
4t
Todtenliste 1896: IV. Parlamentarier. V. Militärs.
48*
Schweiz:
Göttisheim, Fritz, Dr., Redakteur der
»Basler Nachrichten«, seit Dezember 1881
Sländerath; s. Abth. XXIII.
Amerika;
GÖbel, Gert, Deutsch-Amerikaner, in d.6oer
Jahren Vertreter des County Franklin
(Missouri), nach einander in beiden
Häusern d. Staatsgesetzgebung, Verf. d.
Buches »40 Jahre in Missouri'^, üb. 80 J.
alt; t 9. X. — L 111. Ztg. 107, 460.
V. Militärs.
I . Heer.
Deutsches Reich:
Kaiser!, Schutztruppe:
V. Giese, Premier -Lieut. d. Truppe für
Deutsch-Südwestafrika (vorher im Husaren-
Reg. Kaiser Franz Josef, Schleswig -Hol-
stein, Nr. 16), Adjutant d. Majors Leut-
wein; f auf der Heimreise (mit dem Schiff
untergegangen) 16./17. VI. — L Militär-
Wochenbl. 1896, 2323.
Kalben, Bernhard v., I^ieut. d. Truppe f.
Deutsch-Ostafrika; f zu Bukowa 13. II.
Lampe, Otto Adolf Eduard, Premicr-Lieut,
d. Truppe f. Deutsch-SUdwestafrika (vorher
Sekonde-Lieut. a la suite d. Nicderschles.
Fussart.-Reg. Nr. 5), ♦ zu Schneidemübl
19. IX. 67; t b. Gobabis 5. IV. - L Mili-
tär-Wochenbl. 1896, 2319. — P vom
Photographen Engelmann in Posen, Wil-
hclmstr., zu erlangen. — AM.
Perponcher - Sedlnitzky , Graf Henri v. ,
Lieut. d. Truppe f. Deutsch - Ostafrika
(vorher Sekonde - Lieut. im Ulanen-Reg.
Prinz August v. Württemberg, Posen,
Nr. lü): s. Sp. 12*.
Schmidt, Ernst Albert Reinhold, Premier-
Lieut. d. Truppe für Deutsch - Südwest-
afrika (vorher Sekonde-Lieut. im4. Thüring.
Inf.-Reg. No. 72), * zu Forst N./L. 23. VIII.
68; + bei Gobabis 7. V. - 12. IV. 87 als
charakterisierter Fähnrich d. 4. Thür. Inf.-
Reg. Nr. 72 überwiesen; 13. XII. 87 Fähn-
rich; 19. IX. 88 Lieutnnnt; 24. II. 95 aus
d. Heere ausgeschieden behufs ücbertritt
z. Schulztruppc. — L Militär -Wochenbl.
1896, 2322. — AM.
Preussen:
Adler, Rudolf Otto Wilhelm, General-
Major z. D., zuletzt Commandcur der
4. Inf.-Brig., * zu Berlin 10. III. 33; f zu
Göttingen 30. VI. — L Militär -Wochenbl.
1896, 2323; 111. Ztg. 107, 41.
'-"Alexander, Prinz v. Preussen, General d.
Inf.; s. Sp. 6*.
Bauer, Karl Friedrich v., General -Major
z. D. , zuletzt bis 18S1 Kommandant von
Strassburg, * zu Kassel 26. \^ 16; -f zu
W'iesbadcn 21. IV. - L Militär-W^ochcnbl.
1896, 2322; III. Ztg. 106, 530. — AM.
Below, Anton August v., Gencral-Lieut.
z. D., 1866 bei d. Main -Armee Führer d.
combinirtcn Kav.-Brig., Sept. 1866 — 1869
General-Major u. Kommandeur d. 17. Kav.-
Brig., * zu Königsberg in Pr. 23. VIII.
1806; t daselbst 25. V. - L Mililär-
Wochenbl. 1896, 2322; 111. Ztg. 106,
699.
Beust, Theophil v., früher Offizier, 1848
in d. Schweiz u. 1850 nach Amerika ge-
flüchtet, Kassierer d. »New- Yorker Staats-
zeitung«, * zu Koblenz 1824; f zu New-
York im Dez. — L 111. Ztg. 107, 799;
KL 1897, 41. — PM.
Bock, Hans Georg Heinrich Emil F'reih. v.,
General-Lieut. z. D., nach einander In-
spekteur der I. Feslungs-, i. Pionier-,
4. Fcstungs- u. 2. Ingenieur -Inspektion,
zuletzt (bis 1893) Präses d. Prüfungs-
kommission d. Ingenieurkorps, * zu Berlin
29. XI. 35; t zu Frankfurt a. O. 23. X.
— L Freiherrl. Taschenb. 1896, 66. 1897,
1202; Militär -Wochenbl. 1897, 503; Jl'«
Ztg. 107, 547.
Boie, Bernhard, General-Lieut, und Gou-
verneur von Thorn, * zu Danzig 30. I. 39;
f zu Thorn 7. V. — 5. III. 56 beim 5. Inf.-
Reg. in Danzig eingestellt; 13. XI. 58
Sckondelieut.; 1862—65 Kriegsakad.; im
Feldzug 1866 Adjutant d. Gren.-Reg. Nr. 5;
13. X. 66 Preraierlieut.; April 67 bis Mai 69
beim Generalstab; 23. X. 69 Hauptmann;
27. XI. 69 zum Grossen Gcneralstab, nach
einander Vermessungsdirigent d. topograpb.
Abth. u. Eisenbahn-Linien-Kommissar; 18.
VII. 70 als Generalstabsoffiz. z. 4. Inf.-Div.;
7. VIII. 74 z. Inf.-Reg. Nr. 22; 14. XII. 75
Major; 18. 1. 76 wieder z. Grossen Gcneral-
stab, seit Okt. 76 als Lehrer an d. Kriegs-
49'
Todtenliste 1896: V. Militärs.
50
*
akadcmie; 13. IX. 82 Oberstlieut; 2. I. 83
Gencralstabsoffizier bei d. Kommandantur
Königsberg; 13. III. 84 Rang als Reg.-
Konimandcur; 15. IV. 84 Chef d. Stabs
b. 7. Armeekorps; 18. IX. 86 Oberst; 13.
Vll. 88 Kommandeur d. Gren.-Reg. Nr. 5;
15. X. 89 Führer d. i. Inf.-Brig.; 27. 1. 90
deren Generalmajor u. Kommandeur; 25.
III. 93 Generallieut. u. Führer d. 35. Div.;
29. VI. 95 Gouverneur v. Thorn. — L
Militär-Wochenbl. 1896, 2271; 111. Ztg.
106, 601 ; Thorner Presse 1896, Nr. 106.
— W Militär -Schriften v. Napoleon I.
Erläut. durch Boie. Berl. 1881 (Militär-
Klassiker, Bd. 2); Unsere Vorbereitung auf
d. Schützengefecht in d. Schlacht. Berl.
1875; »ausserdem hat B. für seine Vorträge
an d. Kriegsakad. den 7jähr. Krieg u. d.
Fcldzug V. 181 4 eingehend bearbeitet; diese
Manuskripte wurden jedoch nach seinem
Tode durch d. Kriegsarchiv eingezogen,
da er aus geheimen Quellen geschö])ft
hatte«. — P Photogr. v. Hofphotograph
Joop in Graudcnz zu beschaffen. — AM.
Brauchitsch, Karl v., General-Major z. D.,
zuletzt (bis 1873) Oberst u. Kommandant
V. Swinemünde, 74 J.; f 17. VII. — L
Militär -Wochenbl. 1896, 2743. — KA.
Briesen, Arthur Ludwig v., General-Lieut.
z. D., zuletzt bis 1876 General -Major u.
Kommandeur d. 17. Inf. - Brigade, * zu
Schievclbein 19. 1. 19; f zu Kunnersdorf b.
Hirschberg in Schlesien 22. I. - L Militär-
Wochenbl. 1896, 1423; 111. Ztg. 106, 136.
Britzke, Kurt Bernhard v., General-Major
u. Kommandeur d. 3. Kav.-Brig., mehrere
Jahre Chef d. Kav.-Abth. im Kriegs-
Ministerium, * zu Gross -Demsin (Prov.
Sachsen) 10. IX. 43; f zu Berlin 9. IX.
— L Militär-Wochcnbl. 1896, 2693; l'l-
Ztg. 107, 337. -- AM.
Busse, Constantin v., General - Lieut.
z. D., zuletzt bis 1S81 Kommandant von
Posen, 1870/71 Oberst u. Kommandeur
d. 6. ostpreuss. Inf.-Reg. No. 43, * zu
Jauer 24. IX. 20; f zu Monte Carlo 16.
IV. — Lr Militär -Wochenbl. 1896, 2322;
111. Ztg. 106, 505.
Dalwigk - Lichtenfels , Franz Freih. v.,
Premier-Lieut. a. D., zuletzt im 2. VVest-
fäl. Husaren - Reg. No. ii, Reichs- und
Landtagsabg. ; s. Sp. 35*.
"^Dejanicz v. Gliszszynski , Edmund
Josef, General-Major a. D., zuletzt Kom-
mandant v. Stralsund, preuss. Landtags-
abg. (Zentrum), * zu Bunzlau 17. III. 25;
f auf seinem Gute Kostau, Kr. Kreuzburg
in Schlesien, 15. X.: s. BJ I, 213. — L
BJ II, 14*; Militär - Wochenbl. 1897,
503; 111. Ztg. 107, 515; Kürschners Preuss.
Landtag 1894, 181 (mit P).
Doetinchem de Rande, Eugen Karl August
Robert, General-Major z. D., 1885 — 86
bei d. Offizieren v. d. Armee, vorher
Kommandeur d. grossherzogl. mecklen-
burg. Füsil.-Reg. No. 90, • zu Pansfelde
im Mansfelder Gebirgskr. 14. XI. 29; f zu
Berlin 27. V. — L Militär -Wochenbl.
1896, 2321; III. Ztg. 106, 699.
Eckartsberg, Alexander v., General-Major
z. D. , bis 1871 Kommandeur d. 22. Inf.-
Brig., ♦ zu Gross-Glogau i.1. 15; f 19.V. —
L Militär-Wochenbl. 1896, 2322. — AM.
Eggers, Rudolf, General-Major z. D.,
* zu Rom 24. X. 26; f 30. XI. — 7. V. 44
in d. ebemal. k. hannöver. Art.-Brig. ein-
getreten; 31. X. 46 Sekondelieut.; nahm
Theil an d. FeldzUgen gegen Dänemark
1848 u. gegen Preussen 1866; 30. XII. 66
Abschied aus hannöv. Diensten; 9. III. 67
preuss. Hauptmann; im Kriege 1870/71
z. Major befördert; 1876 — 82 Kommandeur
d. 2. Pommer. Feld -Art. -Reg. Nr. 17;
1882 — 86 Kommandeur d. i. Feld- Art.-Brig.
— L Militär-Wochenbl. 1897, 505. — AM.
Einem, Arnold Max v., General-Major
z. D., zuletzt Kommandant d. Truppen-
übungsplatzes Senne im VII. Armeekorps,
* zu Goslar 9. IV. 39; f zu Hannover
17. VII. — L Militär-Wochenbl. 1897,
2743: 111. Ztg. 107, 163.
*Engelhard, Wilhelm, Wirkl. Geh. Kricgs-
Rath, bis 1895 Chef d. Verpflegungsabth.
im Kriegsministerium, * zu Geldern im
Reg. -Bez. Düsseldorf 7. IIL 27; f zu
Berlin 6. VII. 96 (nicht 1897): s. BJ I,
HO. — L BJ I, 57 •. II, 10*.
♦Finkeinburg, Karl, Geh. Reg.-Rath Prof.
Dr., Generalarzt 2. Kl. d. Landwehr
I. Aufgebots im Landwehr - Bez. Bonn;
s. Abth. XXI.
*Fircks, Wilhelm Freih. v., General-Major
z. D., zuletzt 1892 — 94 Kommandeur d.
21. Inf.-Brig., * zu Breslau 22. XII. 40;
f zu Charlottenburg 4. I.: s. BJ I, 109.
— L BJ II, II*; Militär-Wochenbl.
1896, 1423; Freiherrl. Taschenb. 1896,
252. 1897, 1205; 111. Ztg. 106, 45. 72.
*Frommel, Emil, Dr. theol., Oberkon-
sistorialrath und Hofprcdiger, Garnison-
pfarrer V. Berlin; s. Abth. XIX.
•Fürstenberg, Karl Egon Fürst zu, Major
a la suite d. Armee; s. Sp. 9 *.
♦Glümer, Adolf v., General d. Inf. z. D.,
* zu Lengefeld auf d. Eichsfeld 5. VI. 14;
f zu Freiburg i. B. 3. I.: s. BJ I, 41 8.
— L BJ I, 59 ♦. II, 14 ♦; Ztschr. f. d.
Gesch. d. Oberrh. 51, 552 (Bad. Militär-
Vereinsbl. 1896, 52; Bad. Landesztg. 1896
Nr. 4; Bad. Presse 1896 Nr. 4).
Gössel, Karl Ferdinand Heinrich August
Eugen V , General-Major u. Kommandeur
51
Todtcnlistc 1896: W Militärs.
9-1:
d. 26. Inf. - Britj., * zu Neissc 12. III,;
t zu Minden i. W 29. VII. — L Militär-
Wochenbl. 1896, 2695; 111. Ztg. 107, 163.
Hartmann, General -Major z. D., zuletzt
Bezirks - Kommandeur in Saarlouis und
Aachen; f 16. VIII. — L Militär-Wochen-
blatt 1896, 2743. — KA.
Hartmann, Friedrich Kaspar, General-
Major z. D., 29. VI. 1831 hess. Sekonde-
lieut., 1S67 u. 1868 von Hessen nach
Berlin kommandirt z. Abschluss d. Militär-
konvention mit Preussen, zuletzt 1869 bis
I. I. 1872 Oberst u. Vorstand d. Art. -De-
pots in Darmstadt, 12. IV. 1890 aus An-
lass des 100. Stiftungsfestes seines Reg.
als Gener^ilmajor charaktcrisirt, * zu Mainz
3. V. 1809; t 22.x. - L Militär-Wochenbl.
1897. 503; 11^- Ztg. 107, 515. — AM.
Hecker, Carl, Ober- u Korpsauditeur des
Garde-Korps, Lehrer b. d. Kriegsakademie,
Schriftsteller auf d. Gebiete des Militär-
Strafrechts, * zu Neu-Ruppin 11. I. 37;
t 17. IV. — L Militär-Wochenbl. 1896,
2267; 111. Ztg. 106, 530; KL 1896, 485
(mit W). 1897, 43.
Henning, Wilhelm Fedor Natalis Anton v.,
Gcneral-Lieut. z. D., * zu Coniiz 29. IV. 19;
f 20. XI. — Erzogen in d. Kadettenhäu-
sern zu Culm u. Berlin; iS. VI. 36 Porte-
peefähnrich im 33. Inf. -Reg. (jetzt Füs.-
Rcg. Graf Roon Nr. 33); 26. VIR. 39
Sekondelieut., 22. VI. 52 Premierlieut., 10.
I. 57 Hauptmann im gleichen Reg.; 18.
IV. 65 Major, 22. III. 68 Oberstlieut. im
Hohenzoll. Füs.-Reg. Nr. 40; bei der Mobil-
machung 1870 mit d. Fuhrung d. Füs.-Reg.
Nr. 33 betraut, 18. I. 71 als Oberst, 29. III.
71 als Kommandeur; 15. IV. 75 Unterstel-
lung a la suite d. letzteren Reg. mit d.
Führung d. I.Inf. -Brig. beauftragt, seit
I. VI. 75 als deren Kommandeur General-
Major; 12. XT. 78 Ruhestand als Gen.-
Lieut.; nahm 1866 theil an d. Schlachten
v. Hünerwasscr, Münchengrätz, Königgrätz,
— 1870 an den Schlachten v. Gravelotte,
vor Metz, bei Amiens, Hailuc u. St.-Qucn-
tin, u. d. Gefechten bei Berteaucourt, For-
gettes u. Lyon la Foret, Bapaume u. Ter-
try Pouilly. — L Militär-Wochenbl. 1897,
505. — AM.
Hinze, Hugo, früher Major, Parlamentarier;
s. Sp. 36*.
Hohenlohe -Waidenburg- Seh illingsfürst,
Kgon, Prinz v. Ratibor und Corvcy,
Major ä la suite d. Ulanen-Reg. v. Katzlcr;
s. Sp. lo *.
Kleist, Wilhelm v., General - Major und
Inspekteur der III. Pionier - Inspektion,
* zu Spandau 12. X. 40; -}• zu Magdeburg
18. XIL — L Militär-Wochenbl. 1897,
471; 111. Ztg. 107, II. — AM.
Knobloch, Paul Heinrich Martin Hugo
Freih. v., General-Major z. D. , 1S70 71
Führer d. thüring. Ulanen-Reg. No. 6, zu-
letzt 1878—80 Kommandeur d. 12. Kav.-
Brig., ^' zu Königsberg in Pr. 10 XI. 23;
t zu Berlin 15. III. — L Militär-Wochenbl.
1896, 1428: Freiherrl. Taschenb. 1S98.
493. II 76; III. Ztg. 106, 368. — AM.
♦Köhler, Gustav, General - Lieut. z. D.,
Militär-Schriftsteller, * zu Lübben i. III.
18; + zu Breslau 29. X.: s. BJ I, 106.
— L BJ II, 23 *; Militär -W-ochenbl.
1897, 505; Jahrb. d. Schles. Gesellsch. f.
Vaterland. Cultur 74, 2.
Koppen, Gustav v. , zuletzt 1878—83
General-Major u. Kommandeur d. 3. In!.-
Brig., ^ zu Kolberg 9. Vlll. 21; f zu
Görlitz 9. VIII. — L Militär-Wochenbl.
1896, 2743; III. Ztg. 107, 214.
Krane, Wilhelm Joseph Franz Freih. v.,
General-Major z. D., 1870,71 Kommandeur
eines kombinirten ostpreuss. Landwehr-
Reg., zuletzt Oberst u. Kommandeur d.
damaligen 4. Pommer. Inf.-Reg. No. 21,
* zu Dortmund 20. VII. 10; f zu Frank-
furt a. M. 30. IX. - L Militär-W' ochenbl.
1896, 2746; Freiherrl. Taschenb. 1896,
512. 1897, 1209.
Krüger, Franz, General - Lieut. z. D.,
zuletzt bis 1886 General - Major u. Kom-
mandeur d. 31. Inf. -Brig., * zu Königsberg
in Pr. 14. VII. 29; t 25.x. — L Militär-
Wochenbl. 1897, 506. — AM.
Kruska, Theodor v., Gencral-Lieut. z.H.,
zuletzt bis Mitte 1896 General - Major u.
Kommandeur d. 23. Inf.-Brig., * zu Cincyn
in d. Prov. Posen 21. X. 41; f zu Kassel
26. -XU. — L Militär-Wochenbl. 1897,
505; lll. Ztg. 108, 48
Leiningen, E m i c h Graf zu, Herr zu
Neudenau, Hauptmann a la suite d. Garde-
Füsil -Reg. u. ordentl. Mitgl. d. Gewehr-
prüfungskommission ; s. S]i. 1 1 "^^
Lippe, Bernhard v., General - Major a la
suite d. Kaisers, Abth. - Chef im Militär-
kabinet Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs, *
zu Düben, Prov. Sachsen, 14.^111 46; f zu
Dresden 20. XII. — L Militär-Wochenbl.
1S97. 469; lll. Ztg. 107, 799. — AM.
*Lommer, Emil, Dr. med., Generalarzt
I. Kl. mit d. Range als General-Major u.
Korpsarzt d. IV. Armeekorps, * zu Schleu-
singen 29. V. 34; t zu Magdeburg 14. V.:
s. BJ I, 156. — L BJ II, 25 •; Militär-
Wochenbl. 1896, 2270.
Löwe, Karl Richard, v., General - Lieut.
z. D., zuletzt bis 1888 Kommandeur d.
31. Division, * zu Merseburg 4. V. 32;
t zu München 22. IV. — L Militär-
Wochenbl. 1896, 2322; 111. Ztg. iot\
530.
53
«
Todtenliste 1896: V. Militärs.
54
«
Manche, Richard, General - Major z. I).,
zuletzt bis 188$ Oberst u. Kommandeur
d. 4. Kav.-Brij;., 66 J.; y 12. VI. - L
Militär -Wochenbl. 1896, 2323. — KA.
Massow, Heinrich v., General-Major z. I).,
zuletzt bis 1868 Kommandant v. Neisse,
* zu Woblanse in Pommern i. VIII. 10;
f zu Potsdam 5. XI. — L Militär-Wochenbl.
1^97. 505; in. Ztg. 107, 621. — AM.
*Meinerty, Albert v., General-Lieut. z. D.,
* zu Damsdorf in Pommern 8. XII. 14;
t zu Wiesbaden 24. I.: s. BJ I, 420. -
L HJ II, 30 *; Militcär- Wochenbl. 1896,
1423-
^'Mertens, Karl Friedrich v., General-
T.icut. z. I)., •'- zu Kottbus 13. III. 1808:
f zu Pfaffendorf b. Koblenz 28. (nicht 8.)
IV.: s. HJ I, 420. — L BJ II, 31 *;
Militär-Wochenbl. 1896, 2322; 111. Ztg.
Iü6, 560.
Möller, Albert Leopold Gustav v., Gcneral-
Lieut. z. D., zuletzt bis 1891 Kommandant
V. Magdeburg, * zu Berlin 11. IV. 34;
t dasei l)st 18. VI — L Militär -Wochen-
blatt 1896, 2323; 111. Ztg. 106, 791.
*Natzmer, Ernst v., Oberst z. 1)., Histo-
riker seiner Familie u Militärschriftsteller,
" zu Schivelbein 17. V. 32; f zu Arnstadt
i. Th. 2. X.: z. BJ I, 103, — L BJ II, 32*.
Oppen, Karl August v., General-Licut. z. D.,
1870 71 Kommandeur d. Leibkürassier-
Reg. Grosser Kurfürst, Schlesischcs No. i,
zuletzt bis 1885 Kommandant v. Breslau,
* zu Siede im Kr. Soldin 2. IV. 24; f zu
Alt- Friedland b. Neu-Trcbbin 9. V. - L
Militär-Wochenbl. 1S96, 2322; III. Ztg.
106, 639. - AM.
Ostrowski, Hermann v., General-Major
z. D., zuletzt bis 1877 Kommandeur d.
17. Inf.-Brig., 79 J.; f 2. XII. — L Mili-
tär-Wochenbl. 1897, 506. — KA.
Passow, Hans Karl Wilhelm v., Gcner.il d.
Inf. z. 1)., zuletzt General-Lieut. u. Kom-
mandeur der 22. Division, wegen der
1870/71 vor d. Feinde bewiesenen Tapfer-
keit in den Adelstand erhoben, '•' zu
Wredenshagen in Mecklenburg 22. IV. 27;
t zu Schwerin 18. I. — L Militär-
Wochenbl. 1S96, 1423; 111. Ztg. 106,
136.
Pedell, Viktor, General-Major z. D., zuletzt
Kommandeur d. 62. Inf.-Brig., * zu Plcss
in Schles. 17. 1. 37; f 6. Vll. - L Militär-
Wochenbl. 1896, 2741. — AM.
Rauchhaupt, Hugo v., General-Lieut. z. D.,
zuletzt bis 1S79 General-Major u. Kom-
mandeur d. 29. Inf.-Brig. in Köln, dann
in Berlin lebend, wo er d. Leitung d.
Invalidendank übernommen hatte, 72 J.;
f zu Berlin 18. XI. - L Militnr-Wochcn-
blatt 1897, 506; 111. Zt:;. 107, 563. — AM.
Rautenberg, Gcneral-Major z. D., zuletzt
Oberst u. Kommandeur d. 4. Fuss - Art.-
Brig.; f 20. V. — L Militär-Wochenbl.
1896, 2322. - KA.
Renthe genannt Fink, August Leonhard
Timon v., General - Lieut. z. D., zuletzt
bis 1890 General - Major u. Kommandeur
d. 35. Inf. - Brig., dann Vorsitzender des
Deutschen Kriegerbundes, * zu Magdeburg
25. IX. 35; t 2" Berlin 4. X. — L Mili-
tär-Wochenbl. 1897, 503; 111. Ztg. 107,
460. — AM.
Richthofen, Adelbert Eugen Karl Gottlicb
Julius Freih. v., General - Major a. I>.,
zuletzt a la suite d. W^estfäl. Ulanen-Reg.
No. 5 u. Kommandeur d. 4. Kav. - Brig.,
* zu Krippitz im Kr. Stehlen 9. III. 10;
t zu Breslau 30. VIII. — L Freiherrl.
Taschenb. 1897, 815. 1215; Militär-
Wochenbl. 1896, 2745; '1^- Ztg. 107,
308.
Rochow, Rochus v., Major a. D., zuletzt
Rittmeister u. Esk. - Chef im i. Garde-
Ulanen - Reg. , Geh. Ehrenkämmerer des
Papstes, 1852 zur kathol. Kirche über-
getreten, ultramontaner Schriftsteller, 67 J.;
t zu Dresden 8. VI. — L Militär -Wochen-
blatt 1896, 2323; 111. Ztg. 106, 759.
Saurma von der Jeltsch, Hugo Freih.,
Rittmeister a. I)., zuletzt Premier - Lieut.
im Garde-Kür.-Reg., Heraldiker u. Numis-
matiker, * zu Breslau 21. VIII. 37; f auf
Jürtsch in Schlesien 21. VIII. — L Gräfl.
Taschenb 1896,970. 1897,1315; Militär-
Wochenbl. 1896, 2743; 111. Ztg. 107, 308;
Schlesiens Vorzeit II, 97; Lcopoldina
32, 144. — W Börsenbl. f. d. deutschen
Buchhandel 1896, 5280.
^Schleifer, P'erdinand, Kaiserl. Reg.-Rath,
Mitgl. d. Generaldirektion d. Eisenbahnen
im Reichsland, Bahnbevollmächtigter in
Militärangelegenhciten ; s. Sp. I9^.
Schleinitz, Ad albert Freih. v., General-
Lieut. z. D., zuletzt Kommandeur d. 12.
Division, 74 |. ; f zu Berlin 27. XII. —
L Militär-Wochenbl. 1897, 505; 111. Ztg.
108, 48. — KA.
Schlieben, Major a. I)., Archäolog u. Lokal-
historiker, Mitgl. d. Nassau. Vcr. für
Alterthumsk. u. Geschichtsforschung, Verf.
d. Kommersliedes >Als ich schlummernd
lag heut Nacht«, das bei d. Preisaus-
schreiben f. d. beste Studentenlied seiner-
zeit den 2. Preis erhielt, 68 J. : f zu
Wiesbaden 7. (oder 5.?) VI. — L 111.. Ztg.
107, 73; KL 1897, I, 45.
Schmeling, Hermann Otto Ludwig v.,
General. - Lieut. z. D., zuletzt bis 1887
Kommandant v. Posen, * zu Graudenz 3.
II. 22; f zu Berlin 2. VII. — L Militär-
Wochen')!. 1896, 2742; 111. Ztg. 107, 41.
55
*
Todtenliste 1S96: V. Militärs.
56*
Schrader, Friedrich, Dr. med., Generalarzt
a. D., * EU Göddckenroda im Kr. Halber-
stadt 15. VIII. 37; t zu Goslar 8. (oder 9.?)
XI. — Okt. 1869 bis Mai 1870 Begleiter der
Prinzen Wilhelm u. Heinrich auf ihren
Reisen in Südfrankreich; Winter 1879/80
mit d. Familie d. Kronprinzen Friedrich
in Pegli; von Sept. 1887 bis z. Rückkehr
nach Berlin d. Leibarzt Kaiser Friedrichs
in Toblach, Bavcno u. San Remo ; 1890
bis 1893 Korpsarzt d. V. Armeekorps. —
L Militär -Wochenbl. 1897, 506; 111. Ztg.
107, 621; Leopoldina 32, 189.
Siefart, Ferdinand Emil Friedrich v.,
Gcncral-Major z. I)., zuletzt Kommandant
V. Stralsund, 16. VL 71 in d. Adelstand
erhoben, * zu Berlin 14. XII. 29; f da-
selbst 25. IV. — L Militär-Wochenbl.
1896, 2322; 111. Ztg. 106, 530.
Spangenberg, Ludwig v., General d. Inf.
z. D., 1883 — 85 Kommandant v. Berlin,
zuletzt bis 1888 General - Lieut. u. Kom-
mandeur d. 12. Division, * zu Fulda 9.
V. 26; f zu Frankfurt a. M. 19. I. — L
Militär-Wochenbl. 1896, 1423; 111. Ztg.
106, 136.
Steinäcker, Eduard Heinrich Hellmuth
Otto Bruno Freih. v., General d. Inf. u.
General - Adj. d. Kaisers u. Königs, * zu
Ludwigslust 30. XI. 18; + zu Charlotten-
burg 26. XII. -~ Seit 1858 persönl. Adj,,
seit 1861 FlUgel-Adj., seit 1877 General-
Adj. Kaiser Wilhelms L; 1882-84 Präses
d. General-Ordens-Kommission; seit 1884
im Ruhestand. — L Freiherrl. Taschenb.
1897, 996. 1898, II 86; Militär -Wochen-
blatt 1897, 467; 111. Ztg. loS, 48.
Stetten, August Philipp Heinrich Freih. v.,
General-Major z. D., zuletzt Kommandeur
d. 2. Feld -Art.- Brig., * i. 1. 32; f zu
Erfurt 22. VIII. — L Freiherrl. Taschenb.
1896, 975. 1897, 1218; Militär-Wochenbl.
1896, 2743-
* Stolberg - Wernigerode , Otto Fürst zu,
General d. Kav. ä la suite; s. Sp. 14*.
'^Stosch, AI brecht v., General d. Inf. mit
d. Range eines Admirals, Stnatsminister
a. D., '•' zu Koblenz 24. IV. 18; f zu
Oestrich im Rheingau 29. II.: s. BJ I,
422. — LBJ II, 41 "*; Militär-Wochenbl.
1896, 517. 597. 1426; 111. Ztg. 106, 277,
304 (F. Heine mit P); v. Löbells Jahres-
berichte üb. d. Veränderungen u. Fort-
schritte im Militärwesen 23, 1896, 598
(B. P. [oten]); 1). Revue 21, IV, 31.
203. 321. 22, I, 352 (Batsch, Erinnerungen
an St.); Ebenda 22, I, 53 (Batsch, St. üb.
d. Marine u. d. Kolonisation) ; Leopoldina
20, 482: Annalen d. Hydrogr. u. m.irit.
Meteorol. 1896; Meteorol. Ztschr. 1896, 5.
Stösser, Guido v., Major z. D., zuletzt
Rittmeister im damaligen 8. Husaren-Reg.,
seit 1879 Vertreter Obcrschlesiens in d.
schles. Generallandschaftsdirektion und
Direktor d. Schles. Laodschaftl. Bank,
auch als Novellist hervorgetreten; f auf
seinem Gute RackschUtz in Oberschlesien
13. VI. — L Militär-Wochenbl. 1896, 2323;
111. Ztg. 106, 791. — KA.
*Strombeck, Richard Freih. v., General-
Major z. I)., Militär - Schriftsteller. * zu
Braunschweig 13. V. 34; f zu Blanken-
burg a. H. 12. I.: s. BJ I, 408. — L
BJ II, 41 *; Freiherrl. Taschenb. 1897,
1022. 1218; Militär-Wochenbl. 1896,
1423.
♦Sulzer, Wirkl. Geh. Kriegsrath u. Haupt-
mann a. D. , f zu Berlin 13. (nicht 18.)
VIII: s. BJ I, 213. — L BJ II. 42 ♦;
Militär -W^ochenbl. 1896, 2743; I^L ^<g-
107, 245. — KA.
Tietzen und Hennig, August Siegfried v.,
General -Lieut. z. D., * zu Herrnstadt in
Schlesien i. II. 25; f zu Berlin 15. IV.
— 1870/71 als Major mehrfach Führer
d. 4. Garde-Reg. zu Fuss, Ende d. 70er
Jahre Kommandeur d. 33. Inf. - Brig.,
zuletzt bis 1885 Kommandant v. Spandau.
— L Militär -W^ochenbl. 1896, 2322; 111.
Ztg. 106, 503.
Unger, Karl August Theodor, General-
Lieut. z. D., 26. IV. 53 in d. Dienst getre-
ten, zuletzt 1 890 — 94 General-Major u. Kom-
mandeur d. 72. Inf.-Brig., * zu Taschen-
berg in Schles. 6. IV. 36; f zu Potsdam (?)
15. X. — L Militär-Wochenbl. 1897, 503.
— AM.
Wedel, Hermann Karl v.. General - Major
z. D., hervorragender Reiter u. Reitlehrer,
* zu Blankensee 3. VIII. 14; f zu Berlin
19. VII. - Gymn.- Besuch zu Stargard
i. P., trat 1831 in d. Kür.-Reg. Königin
ein; 1836 überzähliger Sekonde - Lieut.;
1841 — 42 zur Lehr-Eskadron kommandirt;
1846 Premier - Lieut. ; 1852 Rittmeister
III. Kl.; 1854 Chef d. 4. Eskadron; 1859
Major; 1860 etatsmässiger Stabsoffizier
beim 4. kombinirten Ulanen -Reg.; 1863
Kommandeur d. Rhein. Dragoner - Reg.
Nr. 5; 1864 Oberst-Lieut. ; 1866 während
d. Mainfeldzuges bei d. Division Man-
teuffel; 1S66 Oberst; 1868 verabschiedet;
1870 71 Inspekteur d. Ersatz - Eskadron
d. III. Armeekorps u. Vorstand d. Zen-
tral - Pferdedepots; in dieser Zeit um die
Armee durch den Ankauf vieler Tausend
guter Pferde verdient. — L BJ I, 7b *:
Militär-Wochenbl. 1896, 1805. 2743.
'^Wickede, Julius v., Rittmeister a. D.,
Militär -Schriftsteller u. Verf. v. Romanen
u. Novellen, * zu Schwerin 11 VII. ly;
f daselbst 22. III.: s. BJ I, 261. — L
57
*
Todtenliste 1896: V. Militärs.
58*
BJ II, 49 *; III. Ztg. io6, 368. 412 (L.
Salomon); Brummer* 4, 333 (mit W);
Bommüller, Biogr. Schriftstellerlex. 765
(mitW). — W KL 1S96, 1391 ; Nachrichten
aus d. Buchhandel 1896, Nr. 77, 645. —
P 111. Ztg. 106, 412.
*Woyna, Wilhelm v„ General d. Inf. z. D.,
* au Trier 7. V. 19; f zu Bonn 29. XII.:
s. BJ I. 135. - L BJ II, 54 *; Militär-
Wochenbl. 1897, 5^7; v. Löbells Jahres-
berichte üb. d. Veränderungen u. Fort-
schritte im Militärwesen, 23, 1896, 601
(B. P. [oten]).
Zedtwitz, Ewald v.(Pseudon.: E.v.Wald-
Zcdtwitz, auch E.V.Wald), Major a. D.,
Romanschriftsteller, ^ zu Delitzsch 23. I.
40; f zu Andernach a. Rh. 28. IV. — L
Militär -Wochenbl. 1896, 2322; Allg. D.
Biogr. 44, 759 u. d. dort angef. Litt. (L.
Fränkel); Delitzscher Ztg. 1896, Sept. 13
u. 15 (E. Obst). — W KL 1896, 1448;
BrUmmer* 4, 404. — P Dl. Frauen-Ztg.
1889, No. 3, 23.
Bayern:
^Giehrl, Maximilian Ritter v., General-
Lieut. u. Chef d. Generalstabes d. Armee,
* 1840; t zu München 16. (nicht 17.)
XII.: s. BJ I. 107. — L BJ II, 14 *;
V. Löbell's Jahresberichte üb. d. Verände-
rungen u. Fortschritte im Militärwesen
23t 1896, 591 (B. P [oten]); Militär-
Wochenbl. 1897, 278.
Gumppenberg - Pöttmess - Oberbrennberg,
Otto Frcih. v., General-Major, Kornet b.
d. Leibgarde d. Hartschiere, k. bayer.
Kämmerer, * zu München 15. X. 21 ;
f daselbst 3. I. — L Freiherrl. Taschen-
))uch 1896, 354. 1897, 1206; Militär-
Wochenbl. 1897, 1206.
Heckel, Maximilian v., General d. Inf. z. D.,
früher Stadtkommandant von München,
zuletzt 1884 — 87 General -Lieut. u. Kom-
mandeur d. 3. Division in Nürnberg, "^ zu
Landshut 2. XII. 22: f zu München 27. IV.
— L Militär-Wochenbl. 1896, 1818; 111.
Ztg. 106, 560; Bayerland 7, 5 (mit P).
Hellingrath, Friedrich v., General-Lieut.
u. Chef d. Gendarmerie, ♦ 1826; f zu
München 13. X. — L Militär-Wochenbl.
1897, 277.
Höfler, Edmund, General - Major a. D.,
zuletzt bis 1875 Kommandeur d. 5. Inf.-
Brig., * 1814; f zu Wiesbaden 10. XII.
— L Militär-Wochenbl. 1897, 297; 111.
Ztg. 107, 799.
Hern, Karl Joseph Maria Freih. v., Gene-
ral d. Inf. z. D., Inhaber d. Feld-Art.-
Reg. No. 2, * zu Speier 15. XII. 18;
t zu München 14. IX. — L v. Löbell's
Jahresberichte üb. d. Veränderungen und
Fortschritte im Militärwesen 23, 1896,
592 (B. P. [oten]): »In seiner letzten
Dienststellung kommandirender General
d. I. Armeekorps, während d. Krieges
1870,71 als Generalstabsoffizier hervor-
getreten. Kam, 1828 in d. Kadetten-
korps aufgenommen, am 19. VIII. 1836
als Junker zum i., am 10. III. 1838 als
Unterlieutenant zum 2. Art. - Reg., lernte
während einer 6 monatl. Beurlaubung d.
Dienst d. französ. Truppen in Algerien
kennen, mit denen er unter Changarnier
an einem Zuge gegen d. Beduinen theil-
nahm, wurde 1848 zum Oberlieutenant,
185 1 z. Hauptmann im i. Art. -Reg. und
1853 z. Adj. b. Art.-Korpskommando er-
nannt. Am 6. I. 1860 trat er als Major
zu seinem Reg. zurück, im Herbst 1863
wurde er in d. 3. (reitende) versetzt. Im
Feldzuge 1866 befehligte er d. Artillerie
d. Kav. - Reservekorps, ohne zu hervor-
ragender Thätigkeit zu gelangen. Am 25.
XII. 1867 wurde er Oberst - Lieut. im
General-Quartiermeisterstabe, im Frühjahr
1868 trat er an d. Spitze d. letzteren beim
Kommando d. 2. Armeekorps zu Würz-
burg. In dieser Stellung nahm er, 1869
z. Obersten befördert, unter d. Befehlen
d. Generals d. Inf. Freih. v. Hartmann
am Kriege 1870/71 gegen Frankreich u.
namentlich am Treffen v. Weissenburg,
an d. Schlachten v. Wörth u. b. Sedan u.
an der Einschliessung von Paris Thcil.
Nach Friedensschluss ward er, inzwischen
zum General-Major aufgerückt, Komman-
deur d. Bayer. Besatzungs - Brig. in Metz,
am 25. IV. 1875 General-Lieut. u. Komman-
deur d. 4. Division, am 16. VI. 1881
kommandirender General d. I. Armee-
korps, im Aug. 1884 Inhaber d. seinen
Namen annehmenden 2. Feld - Art. - Reg.,
am 3. III. 1887 trat er in d. Ruhestand
u. behielt steinen Wohnsitz in München«;
Freiherrl. Taschenb. 1897, 427. 1208;
Militär-Wochenbl. 1896, 2237; Bayerland
7, 28 (mit P).
Ow-Felldorf, Maximilian Joseph Anton
Nikolaus v. Tolontino Ferdinand Freih. v.,
General d. Inf. u. Obersthofmeister a. D.:
k. bayer. Kämmerer, * 10. IV. 1 5 ; f zu San
Remo 6. XI. — L 111. Ztg. 107, 621 ; Militär-
Wochenbl. 1897, 279; Freiherrl. Taschenb.
1896, 686. 1897, 121 3.
Scheifer, General-Major a. D., zuletzt Kom-
mandeur d. 2. Kav. -Brig. ; f 16. IX. --
L Militär-Wochenbl. 1896, 2446.
Sachsen :
Bülow, Hans v., General-Major z. D., zu-
letzt 1878— 87 Kommandeur d. Kadetten-
korps in Dresden, früher in d. hannov.,
seit 1866 in d. sächs. Armee, * zu Grtt-
tingen 23. VII. 36; f zu Schwerin 6. IV.
50
*
Todtenlistc 1896: V. Militärs.
60*
— L Militär -Wochenbl. 1896, 1842; 111.
Ztg. 106, 465.
Hohlfeld, Emil, General-Licut. z. D., zu-
letzt 1893—95 Kommandeur d. S.Inf. -Brig.
Nr. 63, * zu Neugersdorf b. Zittau 1840;
t zu Dresden 18. X. - L Militär-
Wochenblatt 1897, 114; 111. Ztg. 107,
515.
'''Meerheimb, Richard v. (Pseudon: Hugo
vom Meer), Oberst a. D., lyr. u. ep.
Dichter, * zu Grossenhain 14. I. 25; f zu
I.oschwitz b. Dresden 16. I.; s. ÜJ I,
258. — L ßj II, 28 *; 111. Ztg. 106, 146
(E. Röder): Militär-Wochenbl. 1896, 1107.
— W BJ I. 25S; Hinrichsen -' 876. — P
111. Ztg. 106, 145.
Schmidt, Benno, Geh. Medizinalrath Prof.
Dr., General - Arzt I. Kl., ä la suite des
Sanitätskorps; s. Abth. XXI.
IVürttemherg:
Gleich, Karl Anton Allarich v., Gencral-
Lieut. z. D., '^' zu Kapfenburg, ()V>cramt
Neresheim, 25. VI. 31; f zu Stuttgart 18.
III. — 1847— 50 Zögling d. k. Offizier-
Bildungsanstalt; 26. IX. 50 zur reit. Abth.;
14. IV. 51 Leutnant; 25. IX. 55 Oberleut-
nant; 14. IX. 57 Adj. d. Fcstungs-Bat. ;
9. V. 59 Hauptmann: 23. VI. 61 Adj. d.
Art.-Brig.; 1870 Adj. d. Feldart.; 187 1
nach Berlin kommandirt als Bevollmäch-
tigter d. WUrttemb. Kriegsministeriums;
27. XI. 71 Major u. in d. Grossen General-
stab (kriegsgeschichtl. Abth.) Berlin kom-
mandirt; 14. IV. 74 z. Dienstleistung b.
Niederschlcs. Feld- Art.- Reg. Nr. 5; 10. I.
76 in Feld -Art -Reg. 13 als Abth. -Kom-
mandeur einrangirt; 6. III. 77 Komman-
deur dieses Reg., 7. 6. 77 Obcrstlieut. ;
30. IX. 81 Oberst; 13. X. 83 a la suite d.
13. Feld-Art -Reg. mit d. Führung d. 13.
Art.-Brig. betraut; 17. XII. 83 Brig.-Kom-
mandeur; 10. IX. 86 Generalmajor: 31. X.
88 Generallieut.; 11. XI. 90 z. I). gestellt
u. in d. erbl. Adelsstand d. Kgs. Württem-
berg erhoben. — L Militär-Wochenbl. 1896,
895. — AM.
Hieber, Georg Melchior, Major im Ehren-
Invaliden -Korps, d. älteste Württemberg.
Offizier, * zu Leutenbach, Oberamt Waib-
lingen, 5. VI. 1804: f zu Stuttgart i. VI.
— 8. IV. 25 ausgehoben z. 3.Inf.-Reg.; 21. I.
26 Rottenmeister; 10. IV. 26 Obermann;
22. II. 34 Feldwebel; 25. XI. 34 Oberfeld-
webel; II. I. 41 Unterleutnant; 5. V. 45
Oberleutnant: 25. IV. 55 Hauptmann; 22.
I. 66 mit der gesetzl. Pension in d. Ehren-
invalidenkorps aufgenommen; ii. VI. 66
auf Kriegsdauer reaktivirt; ebenso 8. VIII.
70 mit dem Charakter als Major; 6. I. 76
Kommandant d. Ehreninvalidenkorps; 29.
X. %^ V. dieser Stellung entbunden. —
Militär- Wochenblatt 1896, 1647; 111. Ztg.
106, 758. — AM.
Lippe- Falkenflucht, Ernst Graf v., Ge-
neral-Major a. D. : s. Sp. 12*.
Maucler, Wilhelm Paul Heinrich Emil
F'rcih. V., Oberstlieut. a. D., zuletzt Adj.
d. Königs, * 7. VI. 29: f zu Weinheim
a. d. Bergstrasse 19. III. — L Freiherrl.
Taschenb. 1897, 640; Militär-Wochenbl.
1896, 895; Schwab. Kronik 1896, 582.
Raisch, Georg, Major z. D., zuletzt etiits-
mässiger Stabsoffizier im Grenadier- Reg.
König Karl No. 123; f 27. XI. — L
Militär - Wochenblatt 1897, 89; Bll. d.
Schwab. Albver. 8, 411. — KA.
Andere deutsche Staaten :
Baumbach, Karl Wilhelm, herzogl. Sachsen-
Altenburg. Oberst und Kommandeur der
Gendarmerie; s. Sp. 18*.
Matht, Philipp Heinrich Oberst z. D., zu-
letzt im ehemals nassauischen Kontingent
Kommandant v. Wiesbaden, * daselbst
27. III. 1806; t ebenda 9. XII. — L Mili-
tär-Wochenbl. 1897, 506; 111. Ztg. 107,
773 — AM.
Slicher, Ludwig Johann Freih. v., vor-
mals k. hannover. General-Major u. Flügcl-
Adj. d. Königs Ernst August Georg \'.,
d. älteste Ehrenbürger d. Stadt Hannover,
* zu Kassel 13. VI. 1809: f zu Hannover
30. IX. L Freiherrl. Taschenb. 1897,
970, 121 7; 111. Ztg. 107, 367. — AM.
Oester reich' Ungarn:
Albrecht Salvator, Erzherzog v. Oester-
reich, Rittmeister im k. u. k. Husaren-
Reg. Prinz zu Windifschgrätz Nr. 11 :
s. Sp. 6*.
Attems, Graf Alexander, Geh. Rath und
Fcldmarschall-Lieut. a. D.; s. Sp. 7*.
'^Bilimek Ritter v. Waissolm, Hugo,
Feldm;irschall-Lieut., militär. Schriftsteller,
* zu Sternberg in Mähren 28. II. 38;
t zu Budapest 21. VI.: s. BJ 1, 112. —
L BJ II, 4 *; V. Löbell's Jahresberichte
üb. d. Veränderungen u. Fortschritte im
Militärwesen 23, 1896, 589 (B. P. [oten]).
Bohl, Georg Edler v., General - Major
i. R., 1882 — 90 Kommandant d. Militär-
Thicrarznei-Instituts, * zu Eisenach 6. IX.
30; f zu Wien 24. VIII. — AM.
Daun, Graf Wladimir, Feldmarschall-
Lieut. a, D.; s. Sp. 8*.
Hueber, Emil v., General-Major i. R., der
einstige militär. Erzieher d. Erzherzogs
Franz Ferdinand; f zu Wien 2. XII. - -
L 111. Ztg. 107, 734. — KA.
Karl Ludwig, Erzherzog v. Oesterreich,
General d. Kav.; s. Sp. 6*.
Kielmannsegg, Oswald Graf v., Feld-
marschall-Lieut. ; s. Sp. 11 *.
6i*
Todtenliste i8()6: V. Militärs.
62*
Körners v. Ltndenbach, Kamillo Freih.,
Feldmarschall - Lieut. u. KommandaDt d.
29. Inf.-Truppendivision, * zu Wien 2. XII.
39;tfbenda 21.IV. — LFreiherrl. Taschen-
buch 1S97, 497. 1209. — AM.
"^Kuhn V. Kuhnenfeld, Franz Freih., Geh.
Rath und Feldzeugmeister z. D. , auch
schriftstellerisch thätig, * zu Prossnitz in
Mähren 25. VI. 17; f zu Palazzo Kuhn
in d. Nähe v. Strassoldo b. Görz 25. V. :
s. BJ I, 104. — L BJ II, 24 *; Streffleur's
Oesterr.-militär. Zeitschrift 1896, III, 170
(Zernin); Freihcrrl. Taschenb. 1897, 522.
1210; Wurzbach 13, 344. — W BJ I,
106; V. Löbell's Jahresberichte üb. d.
Veränderungen u. P'ortschritte im Militär-
wesen 23, 1896, 595.
Neumann von Spallart, Julius Ritter v.,
Feldmarschall-Lieut. i. R., zuletzt Befehls-
haber d. 29. Truppen-Inf.-Division, * zu
Breitensee 12. IV, 31 ; -J- zu Wien in der
Nacht z. 30. in. - L 111. Ztg. 106, 437.
Spatzirer, Andreas, der älteste Veteran
d. Deutschmeister - Reg. in Wien, 13. IV.
1813 assentirt zu diesem Reg., 15. VII. 21
transferirt z. Wiener Polizeiwachkorps, ge-
lernter Schuster, * zu Wien, Leopoldstadt,
1796; f zu Wien 29. I. — L 111. Ztg. 106,
193. — AM.
Tiller v. Turnfort, Karl Freih., Geh.
Rath u. Keldzeugmeister i. R., Inhaber d.
Art. - Reg. No. 10 (jetzt Korpsart. - Reg.
No. 6), * zu Ebersdorf 4. XI. 16; f zu
Wien 29. I. — 1875 Direktor d. Art.-
Arsenals in Wien, in welcher Stellunij er
sich mit General Uchatius um die Neu-
bewaffnvng d. Art. grosse Verdienste
erwarb; naeh seinem Rücktritt aus d.
aktiven Dienst Präsident der österr.
Waffenfabriksgesellschaft. — L Freiherrl.
Taschenbuch 1897, 1058; 111. Ztg. 106,
164.
Török V. Erdöd, Joseph Freih., Feld-
marschall-Lieut. i. R., kühner Reiterführer,
der sich bei Custozza auszeichnete; * zu
Dertes 18 19; f zu Pressburg i. I. — L
III. Ztg. 106, 72; Wurzbach 45, 267. —
AM.
Trapsia, Michael Ritter v., Feldmar-
schall-Lieut, i. R., zuletzt Art.-Brigadicr,
* zu Lapuschmiczeb 25. III. 38; ^ zu Graz
3. V. — L 111. Ztg. 106, 639. — AM.
Wagner v. Wehrborn , Rudolph Frei-
herr V., General - Major i, R., Ritter d.
Maria -Theresien - Ordens, tapfrer Reiter-
offizier, * zu Wien 1815; f ^iu Radstadt
24. XII. — L 111. Ztg. 108, 48; W^irz-
bach 52, 38. — AM.
Watteck , Josef v., Geh. Rath u. Feld-
marschall-Lieut., Präsident d. Obersten
Militärgerichtshofes in Wien, ♦ zu Bielitz
in Schles. 17. II. 37; f zu Wien 22. X. —
>W. trat 22. VIII. 56 aus d. Theresien-
Militär-Akad. als Leutnant in d. 35. Inf.-
Reg., wurde 1859 Hauptmann im General-
stab, als welcher er mit Auszeichnung die
Keldzüge 1859 u. 1866 mitmachte, diente,
1869 zum .Stabsoffizier befördert, einige
Zeit in d. Inf., dann als Oberst wieder
beim Generalstab, als Generalstabschef in
Ungarn unter d. General d. Kav. Baron
Edelsheim; 1883 z. General-Major befördert,
1888 zum Feldmarsch.-Lieut. u. Truppen-
divisions-Kommandnnten ; 1 893 z. Präsiden-
ten d. Obersten Miliiärgerichtshofes er-
nannt; W. galt als einer d. fähigsten
Generale, musste aber wegen Kränklichkeit
vorzeitig dem Frontdienste entsagen« . —
L 111. Ztg. 107, 515. — AM.
Weiss von Schleussenberg , Heinrich,
General-Major i. R., • zu Wien 6. I. 27;
t zu Graz 16. XII. — L 111. Ztg. 108, 11.
— AM.
Werner, Anton, Feldmarschall - Lieut.
i. R., 1883 Geniechef d. I. Kor[>s, bi^
1886 Festungs-Kommandant v. Przemysl,
s. Z. Leiter d. Vorarbeiten f. d, Bau d.
Wiener Weltausstellung, * zu Wien 24.
IV. 28; t da.selbst i. X. - L III. Ztg.
107, 429.
♦Wilhelm, Herzog v. Württemberg, Feld-
zeugmeister; s. Sp. 7 *.
2. Marine.
Deutsches Reich:
Braun, Otto, Kapitän-Lieut., Komman-
dant d. an d. chines. Küste unterge-
gangenen Kanonenbootes »Iltis«, ♦ /u
Rheine, Kr. Lötzen, 1856; f 23. VII. —
21. IV. 77 in d. Marine eingetreten;
1880 Unterlieut.; 1884 Lieut. zur See;
1891 Kapitän-Lieut.; an Bord d. »Prinz
Adalbert > u. d. J^eipzig« mehrmals an
d. chines. Küste. — L u. P 111. Ztg. 107,
154; Marine-Rundschau 7, 792 (Koch).
Brix, Karl Hennann Adolf, Geh. Admir.ili-
tätsrath a. D., ausserordentl. Mitgl. d. kai-
serl. Patentamts, bis 1894 Dezernent f. Schiff-
bau in d. Admiralität u. d. Reichsmarine-
amt, Lehrer f. Schiffi au an d. Techn.
Hochschule zu Charlottenburg, auch
Schriftsteller, * zu Berlin 17. XII. 32; f da-
selbst 19. XI. — L 111. Ztg. 107, 699. —
AM.
Dirckinck - Holmfeld , Edwin Freih. v.,
k. dän. Kommandeur a. I)., Anfang der
40er Jahre in preuss. Diensten, Chef d,
Navigationsischule, 1845 erster Komman-
63'
Todtenliste 1896: -..V. Militärs. VI. Landwirthe.
64'
dant d. ersten preuss. Kriegsschiffes Ama-
zone, 93 J.; t zu Kopenhagen 12. I. —
L 111. Ztg. 106, 136.
Fraustädter, Ernst, Lieut. z. See, * zu
Ohlau in Schlcs. ; f an Bord d. unterge-
gangenen »Iltis« 23. VII. — 1884 einge-
treten; 1892 Unterlieut. : 1895 Lieut. z. See.
— L u. P III. Ztg. 107, 154. 155.
Gurlt, Hermann Wilhelm, Geh. Admirali-
tätsrath a. D., bis 1893 Dezernent f. Schiffs-
maschinenbau in d. Admiralität u. im
Reichs-Marine-Amt, * zu Berlin 8. IV. 34;
f daselbst 13. VI. — L 111. Ztg. 106, 791.
— AM.
Hill, Heinrich, Obermaschinist, * zu
Leisenwald b. Gelnhausen; f an Bord d.
untergegangenen »Iltis» 23. VII. — Seit
1874 in d. Marine; 1887 Obermaschinist;
Mitbegründer d. Vcr. ehemaliger Deck-
offiziere in Wilhelmshaven; längere Zeit
in Geestemünde stationirt. — L u. P 111.
Ztg. 107, 154. 15s.
Holbach, Moriz v., Lieut. z. See, ^ zu
Wiesbaden, f an Bord d. untergegangenen
»Iltis« 23. VII. ~ 21. IV. X884 in d.
Marine eingetreten; 1887 Unterlieut. ; 1891
Lieut. z. See. — L u. P 111. Ztg. 107,
154. 155-
Hüllen, Johann Theodor Adolf van, Ma-
rine - Oberbaurath, zuletzt Schiffbaudirek-
tor bei d. Werft in Danzig, * zu Borbeck
im Reg. -Bez. Düsseldorf i." IX. 42; f zu
Danzig 12. II. — i. X. 68 als Schiffbau-
Ingenieur-Aspirant i. d. Marine eingetreten ;
I. I. 70 Unter-Ing.; 1. 1. 73 Ing ; i. IV. 85
Ober-Ing.; 24. III. 90 Marine- Baurath u.
Schiffbau-Ressort- Direktor. — L 111. Ztg.
106, 217. — W Leitfaden f. d. Unterricht
im Schiffbau 1888. — AM.
Prasse. Wilhelm, Lieut. z. S., • zu Leer;
f an Bord d. untergegangenen »Iltis«
23. VII — Lu. Pill. Ztg. 107,154.155.
'^Stosch, AI brecht V., General d. Inf., Ad-
miral; s. Sp. 55 *.
O esterreich - Ungarn :
Lehnert, Joseph Ritter v., Kontreadmiral,
V^orstand d. Präsidialkanzlei d. Marine-
sektion d. Reichskriegsministeriums, her-
vorragender Flaggoffizier, Vizepräsident
d. k. k. Geogr. Gesellschaft, Schriftsteller
auf d. Gebiete d. Marinewesens u. Verf.
v. Reisewerken, * zu Mailand 2. VI. 41 ;
t zu Wien 29. II. — Als Seekadett Mit-
kämpfer bei d. Vertheidigung Venedigs,
als junger Offizier unter Tcgethoff bei
Helgoland u. b. Lissa; später im Mini-
sterium um d. Reorganisation d. Flotte
verdient; daneben im prakt. Seedienst
thätig; 1876—78 Theilnehmer an d. Welt-
umsegelung d. Korvette »Erzherzog Fried-
rich«; geleitete im Auftr. d. Kaisers als
kaiserl. Spezialgesandter den Chedive Ab-
bas z. Thronbesteigung nach Kairo. —
L 111. Ztg. 106, 306; Geogr. Jahrb. 20,
474 (W. W^olkenhauer, mit W); Deutsche
Rundschau f. Geogr. u. Statistik 18, 422
(mit P). — W auch KL 1896, 741. — P
auch 111. Ztg. 106, 304.
Wiplinger, Anton Freih. v., Vizeadmiral
i. R., • zu Graz 14. XII, 30; f zu Pola
3. III. — In d. Schlacht b. Lissa Kom-
mandeur d. Panzerfregatte »Don Juan
d'Austria«; 1866—68 Vorstand d. Zentral-
Kanzlei d. Reichskriegsministeriums (Ma-
rine-Sektion); 1868 — 71 Kommandant S.
M.Schiff »Donau« (Weltumsegelung); 1874
— 81 Militärbafenkommandant u. Präses
d. Art.-Kommission; 1881 — 83 Escadron-
Kommandant während der militär. Ope-
rationen in Dalmatien; 1883 — 91 Seebc-
zirks-Kommandant in Triest; »W. war ein
hervorragend befähigter Seemann, wissen-
schaftlich gebildet, bedeutender Artillerist
u. Torpedist«. — L 111. Ztg. 106, 307; Wurz-
bach 58, 108. — AM.
Wohlgemuth, Emil Edler v. , Linien-
schiffskapitän i. R., Leiter d. v. Oktober
1881 bis Sept. 1883 zu wissenschaftl.
Beobachtungen nach d. Insel Jan Mayen
unternommenen Polar-Expcdition, Adj. d.
+ Kronprinzen Rudolph, * zu Lembcrg
2. V. 43; t zu Wien 28. L — L 111. Ztg.
106, 164; Wurzbach 57, 236. — P Neue '
m. Ztg. 10, 1882, 356.
VI. Landwirthe.
Abel , Lothar, Architekt, Prof. an der
Schule d. k. u. k. Gartenbaugesellschaft
u. Privatdozent an d. Hochschule f. Boden-
kultur in Wien, "* zu Hietzing b. Wien 18.
II. 41; t 7'U Wien 24. VI. - L 111. Ztg.
107, 41 ; Centralblatt f. d. ges. Forstwesen
1896, 342; Wiener Landwirthschaftl. Ztg.
1896 (mit P). — AM.
Albrecht, Wilhelm, Rittergutsbesitzer
auf Suzemin, Rcichstagsabg.: s. Sp. 33*.
Behrendt, Josef, Gutsbesitzer, preuss.
Landtagsabg. ; s. S p. 42 *.
Böhm, Bernhard, Bauerngutsbesitzer zu
Brunne, Rcichstagsabg.; s. Sp. 34*.
"^Buhl, Armand, Weingutsbesitzer, Rcichs-
tagsabg.; s. Sp. 35 •.
Busse , Paul v., Rittergutsbesitzer, preuss.
Landtagsabg. ; s. Sp. 42 *.
Carstenn, Wilhelm, früher Gutsbesitzer
in Gross-Lichterfelde b. Berlin, bekannt
65'
Todtenliste 1896: VI. Landwirthe.
66*
durch seine Prozesse gegen d. Militär-
üskus, 74 J.; f zu Berlin 20. XII. — L
III. Ztg. 108, II.
Dellingshausen, Nikolai Freih. v., esth-
länd. Grossgrundbesitzer; s. Sp. 90*.
Dietzell, B. E., Dr. phil., Vorsteher d. land-
wirtschaftl. Versuchsstation zu Augsburg;
f daselbst 23. V. — L Leopoldina 32, 133.
— W Cat. Roy. Soc. 7, 535. 9, 700.
Drabizius, Guido v., Ritterguts- u. Baum-
schulenbesitzer, Stadtverordneter v. Bres-
lau; s. Sp. 31 *.
Dressler, Benno v., Rittergutsbesitzer auf
Schreitlaugken, preuss. Herrenhaus-Mitgl. ;
s. Sp. 41*.
Flemming, H a s s o Graf v., General-Land-
schaftsrath der pommer. Landschaft; s.
Sp. 9 *.
^Günther, Karl Wilhelm Adalbert, Geh.
Med.-Rath, erst Hauptlehrer, 1878 — 80
Direktor d. Thicrarzneischule zu Hannover,
* daselbst 28. VII. 22; f auf d. Domäne
Winne b. Wemshausen 14. VII.: s. BJ I,
152. — L BJ II, 16 ♦; 111. Ztg. 107, 100;
Leopoldina 32, 137.
Haug, Anton, Landwirth zu Burgberg
im Allgäu, bayer. Landtagsabg.; s. Sp. 40*.
Höpker, Wilhelm, Rittergutsbesitzer auf
Haus Kilver b. Lohne in Westphalen,
preuss. Landtagsabg.; s. Sp. 43*.
Kerry, Dr., Vorsteher d. bakteriolog. Abth.
d. Thicrarzneischule in Wien, 34. J ; f
19. X.
^Lassen , Hans, Hofbesitzer zu Lysabbel
b. Schauben auf d. Insel Alsen, Reichs-
tags- u. preuss. Landtagsabg.; s. Sp. 37*.
Levido, E. N., einer d. in Australien be-
kanntesten deutschen Kolonisten u. ersten
Pioniere auf d. nördl. York- Halbinsel,
Mitbegründer d. Minenstadt Wallaroo,
• zu Köln 1823; t zu Adelaide (?) im
April. — L 111. Ztg. 106, 759.
Liebscher, Georg, Dr. phil., ordentl.
Prof. d. Landwirthschaft u. Direktor d.
Landwirthschaftl. Instituts an d. Univ.
Göttingen, * zu Magdeburg 8. II. 53;
f zu Göttingen 9. V. — Stud. nach prakt.
landwirthschaftl. Lehrzeit in Berlin; Assi-
stent in Halle; bereiste Japan; 1882 Leiter
d. Landwirthschaftl. Instituts in Jena;
1889 Prof. in Bonn, 1890 in Göttingen.
— L 111. Ztg. 106, 639; KL 1896, 758;
M. Günz, Handb. d. Landwirthschaftl.
Litt. II (Leipz. 1897), 266; Lcopoldina
32, 103; Gcogr. Jahrb. 20, 474 u. Globus
70, 19 (W. Wolkenhauer); FUhlings Land-
withschaftl. Ztg. 1892, 597 (mit?). — W
KL a. a. O.; Kukula 552. Suppl. 154;
GUnz a. a. O. — P auch Verlagskatalog
V. Parey 1894.
Loe, Felix Freih. v., Gutsbesitzer in
BiogT. Jabrb. u. Deutscher Nekrolog. U. Bd.
Terporten, Präsident d. Rhein. Bauern-
vereins, Reichstags- u. preuss. Landtags-
abg.; s. Sp. 38*.
Marek, Gustav, Dr. phil., ausserordentl.
Prof. f. Landwirthschaft u. Begründer d.
Landwirthschaftl. - Physiolog. Laborato-
riums u. d. Landwirthschaftl. • Botan.
Gartens an d. Univ. Königsberg, * zu
Kaschau in Ungarn 13. VII. 40; f zu
Königsberg 13. V. — Kam nach prakt.
u. theoret. Studien als Dozent nach Wien,
1876 nach Halle und 1S78 nach Königs-
berg. — L 111. Ztg. 106, 639; Leopoldina
32, 106 (mit W); Fühlings Landwirthschaftl.
Ztg. 1892, 785 (mit P). — W Kukula 584.
Suppl. 162; M. Günz, Handb. d. Land-
wirthschaftl. Litt. II (Leipzig 1897), 285.
— AM.
Pannewitz , Heinrich v. , Direktor d.
Glogau - Saganer FUrstenthumslandschaft,
75 J.; t II. vn.
Pfannstiel, Karl, Gutsbesitzer in Hainbach
in Oberhessen, Mitglied d. II. Kammer d.
bess. Landstände; s. Sp. 41*.
^Sax, Emanuel Hans, ausserordentl. Prof. f.
Nationalökonomie an d. Hochschule f.
Bodenkultur zu Wien; s. Abth. XVIII.
♦Schöne, Emil, Dr. phil., Prof. an d.
Pctrowskyschen Agrar- u. Forstakademie
zu Moskau, Chemiker und Agrikultur-
Chemiker; s. Sp. 94*.
^Seidel, Traugott Jakob Hermann, Kunst-
u. Handelsgärtner in Dresden, * daselbst
26. XII. 33; t ebenda 28. IV.: s. BJ I,
416. — L BJ II, 39».
Seiler, Wilhelm Otto, Rittergutsbesitzer
auf Nosswitz b. Elsterberg im Vogtl.,
Vorsitzender d. Stände d. Vogtland.
Kreises u. vormaliges Mitgl. d. I. sächs.
Ständekammer, Vizevorsitzender d. sächs.
Landeskulturraths , Mitgl. d. deutschen
Landwirthschaftsraths , * zu Dresden 20.
V. 18.; f zu Nosswitz 25. X. — L 111.
Ztg. 107, 515; Nachricht v. d. Leben u.
Wirken d. Wilh. Otto Seiler. Gewidmet
vom landwirthschaftl. Kreis verein im Voigtl.
Nebst Bildnis. Auerbach [im Vogtl.],
Druck V. A. Kroger, 1897. (IX S., gr. S^.)
- PM.
Seydel, Karl Ernst, Gutsbesitzer zu Königs-
bain b. Mittweida, sächs. Landtagsabg.;
s. Sp. 45*.
Stoesser, Guido v., Gutsbesitzer auf
RackschÜtz in Oberschlesien, k. preuss.
Kammerherr u. Major z. D., seit 1879
Vertreter Oberschlesiens in der schles.
General -Landschaftsdirektion u. Direktor
d. ^hles. Landscbaftl. Bank, auch Novel-
list, 69 J.; t auf RackschÜtz 13. VI. —
L 111. Ztg. 106, 791 ; Militär -Wochenbl.
1896, 2323. — K A.
dy*
Todtenliste 1896: VI. Landwirthe. VII. Forstwirthe und Weidmänner.
6B*
Vetter, Franz, bis 1891 Leiter d. be-
rühmten Anlagen u. Pflanzenkulturen zu
Wilhelmshöhe b. Kassel, dann k. preuss.
Hofgarten direkter und Direktor der kgl.
Gärtnerlehranstalt in Wildpark b. Potsdam,
* zu Rothenburg a. F. 6. VI. 24.; f zu
Sanssouci b. Potsdam 27. II. — L 111.
Ztg. 106, 227; Gartenflora 1896 März
(L. Wittmack); Möllers Deutsche Gärtner-
Ztg. 1896. — P Hermenbüsten in d. Park-
anlagen V. Sanssouci u. v. Wilhelmshöhe.
AM.
Wedel, Ernst Achatz v. , Rittergutsbesitzer
auf Blankensee, Landschaftsrath, Major
a. D., Mitgl. d. preuss. Herrenhauses;
s. Sp. 42*.
Wiesike , Hermann, Guts- u. Ziegclei-
besitzer zu Plauerhof b. Plaue a. d. Havel,
Reichstagsabg.; s. Sp. 39*.
Wittmer, Heinrich, Gastwirth in Ep-
pingen, Mitgl. d. deutschen Landnrirth-
schaftsraths, bad. Landtagsabg. ; s. Sp. 40*.
♦Wolff, Emil Theodor v., Dr. phil., bis
1894 Prof. d. Agrikulturchemie an der
Königl. Württemb. Landwirthschaftl. An-
stalt zu Hohenheim, * zu Flensburg 30.
VIII. 18; f zu Stuttgart 26. XI.: s. BJ
I, 100. — L BJ II, 54 * (unter Emil
Wulff u. Emil V. VVolff): M. Günz, Handb.
d. Landwirthschaftl. Litt. II (Leipzig 1897),
280; E. Alberti, Lexikon d. Schlesw.-
Holst.-Lauenb. Schriftsteller 1829 — 66, II,
586, 1866—82, II, 395; Poggendorff II,
1360. III, 2, 1462; Leopoldina 32, 190;
Fühlings Landwirthschaftl. Ztg. 1892, 410
(mit P); — W Günz, a. a. O.; Poggen-
dorff a. a. O.; Alberti a. a. O. — P Thiel,
Landwirthschaftl. Konv.-Lex. Suppl. I
(Leipzig 1893); Verlagskat. v. Parey 1894.
VTI. Forstwirthe und Weidmänner.
Carl , Julius, kaiserl. Landforstmeister
in Elsass-Lothringen, * zu Korsthaus Karls-
höhe, Gemeinde Gundersweiler, in d. Pfalz
7. V. 45; f zu Strassburg 26. X. — Be-
suchte d. Gymn. zu Speyer u. d. Forstlehr-
anst. Aschaffenburg; seit Juli 1865 im
bayer. Staatsdienst; 9. XII. 70 Eintritt in
d. Reichsdienst; 2 Jahre Hilfsarbeiter d.
Landforstmeisters in Strassburg; 17. I. 74
Oberförster zu Falkenberg; 1875—88 in
Bitsch-Süd; 1888-90 Leiter d. Forstein-
richtungsbureau u. in dieser Stellung 3.
II. 90 z. Forstmeister befördert; 20. XII.
90 Oberforstmeister in Metz ; i .11. (definitiv
7. IV.) 96 Landforstmeister. — L Allg.
Forst- u. Jagd-Ztg. 1896, 413. — AM.
Dombrowski zu Paprosch u. Kruszwice,
Raoul Ritter v., Jagdschriftsteller u.
Dichter, * zu Prag 3. VI. 33; f zu Wien
3. Vin.. — L Wild u. Hund 1896, 586;
Hubertus 1896, 541; Centralbl. f. d. ges.
Forstwesen 1896, 473; Brummer^ if27i;
Hinrichsen' 119. — W KL 1896, 242;
Brummer u. Hinrichsen a. a, O.
Hevera, Vincenz, Verf. d. preisgekrönten
Schrift »Die Wälder Böhmens«, ehemal.
Reichsraths- u. Landtagsabg., im 60 J.;
f zu Kolin 27. I. — L Centralbl. f. d.
ges. Forstwesen 1896, 148.
Kleist, Hugo Ewald v., preuss. Oberforst-
meister a. D., früher als Mitdirigent d.
Abth. d. Domänen u. Forsten Mitgl. d.
Regierung in Magdeburg u. zugleich Mit-
glied d. Hofjagdamts, Senior d. Ge-
schlechts, um d. Sache d. Vaterland.
Frauenvereins verdient, * zu Erfurt 12.
IX. 17; t zu Halle a. d. S. 9. V. — 2.
VIII. 47 Oberförster; 14.IV.57 Forstinspek-
tor; 28. V. 59 Mitgl. d. Reg.-Kollegiums
in Königsberg; 21. II. 6x nach Frankfurt
a. O. versetzt; 7. II. 63 Forstmeister; 21.
XI. 66 Forstmeister mit d. Rang d. Reg.-
Räthe; 12. IV. 69 als Oberforstmeister 2.
Regierung v. Liegnitz; u.V. 72 z. Mit-
Dirigenten d. Reg. -Abth. f. Domänen u.
Forsten an d. Reg. in Oppcln ernannt;
Nov. 77 in gleicher Eigenschaft nach
Magdeburg versetzt; i. VII. 82 Ruhestand.
— L 111. Ztg. 106, 639. — AM.
Krutzsch, Hermann, Dr. phil., bis 1887
Prof. d. Mineralogie, Geognosie, Physik u.
Meteorologie an d. Forstakad. in Tharandt,
Begründer d. meteorologischen Stationen in
Sachsen, der ersten in Deutschland (1862),
verdient durch Boden Untersuchungen und
die ersten geolog. Untersuchungen der
Staatsforstreviere, * zu Tharandt 26. XI.
19; t daselbst 28. VII. — »K. kam be-
reits mit Beginn d. S.-S. 47 nach Tharandt
als Stütze seines Vaters Karl Leberecht
K., der ebenfalls Prof. an d. Akad. war;
I. IV. 49 wurde K. ordentl. Lehrer f. d.
genannten Fächer u. 2. XI. 52 Professor.« —
L 111. Ztg. 107, 163; Lorey, Jahresbcr. üb,
Veröffentlichungen u. Ereignisse im Forst-
wesen f. 1896; Centralbl. f. d. ges. Forst-
wesen 1896, 473; Haan, Sachs. Schrift-
stellerlexikon (mitW); Poggendorff 111,754
(mit W); Tharander Jahrbuch 48, 275 (M.
Kunze). — W Untersuchungen üb. d.
Waldstreu: Tharander Jahrb. 6, 88. 8, 260.
*5i 32. 19. 193; Unters, ü. d. Temperatur
69* Todtenl. 1896: VIT. Fstw.u.Weidm. VIIT.Berg-u.Hüttenm. IX.Gewrbtr.u.Industr. 70*
d. Bäume im Vergl. z. Luft- u. Boden tem-
peratur: a. a. O. 10, 214; Beobachtungen
üb. (L Temperatur d. Luft im Walde u.
ausserhalb desselben: a. a. O. 13, 257; Üb.
d. Temperatur eines Torfmoores in ver-
schiedenen Tiefen: a. a. O. 29, 76; Üb. d.
EinHuss der Waldungen auf d. Regenver-
hältnisse in d. gemässigten Zone: a. a. O.
II, 123; Üb. die zu forstl. Zwecken in
Sachsen eingerichteten Stationen : a. a. O.
15, 72. 16, 216; D. klimat. Verhältnisse
Sachsens: a. a. O. 20. 46; Üb. d. gcognost.
Aufnahme d. kgl. Staatsforstreviere Sach-
sens: a. a. O. 15, 105; Geognost. Verhält-
nisse; Boden, Klima u. Vegetation d. Um-
gegend v. Tharandt: a. a. O. 17, 2, 3; (die
Poggendorflf III, 754 geraachte Angabe
Ȇb. Regenmenge, die d. Waldboden ent-
hält«; Tharander Jahrb 17, 1865 ist irrig).
— AM. d. Herrn Forstassessor Beck in
Tharandt.
Landolt, Elias, * zu Klein-Andelfingen
im Kanton Zürich 28. X. 21; f zu Zürich
20. V. — 1837—39 Feldmesser; bis 1842
forstl. Vorpraxis. in Beuken u. Hertenstein;
1842 — 44 Industrieschule in Zürich mit
Staatsstipendium; darauf Forstakademieen
Hohenheim u. Tharandt; 1849 Studien-
reisen im Harz, südlichen Deutschland,
Böhmen, Tyrol; funktionirende Thätigkeit
in d. Schweiz; 1853 Forstmeister, 1864
Oberforstmeister d. Kantons Zürich: seit
Herbst 1853 Prof. an d. Forstschule d.
Eidgen. Polytechn.; 1876 — 81 Direktor d.
Polytechnikums; 1893 Ruhestand. — L
Schweizer. Ztschr. f. Forstwesen 1896,
i8i. 225 (Rüedi); Ztschr. f. Forst- und
Jagdwesen 1896, 500 (mit W); Lcopol-
dina 32, 104. — W auch KL 1896, 748
(unvollst.).
Lizius f Maximilian, bayer. Forst-
meister und Dozent an der Forstl. Hoch-
schule Asch äffen bürg, * zu Augsburg 4.
IX. 45; f zu Aschaffenburg I.IX. — »Stud.
nach Absolvirung d. Gymn. v. 1867 — 69
an d. Forstlehranst. AschafTenburg, unter-
zog sich dem Staatsexamen mit vorzügl.
Erfolge, war im Staatsministerium d. Finan-
zen, Forstabth., mehrere Jahre als Assistent
verwendet u. wurde i. XII. 80 z. Ober-
förster auf d. Hochgebirgsrevier Jachenau
ernannt, dass er, begeistert f. d. Schön-
heit d. Hochgebirgs u. d. Jagd in dem-
selben, II Jahre lang verwaltete. Am i.
III. 91 wurde er zum Forstmeister in
AschafTenburg u. Dozenten an d. Forstl.
Hochschule daselbst ernannt« — L u. W
Allg. Forst- u. Jagdztg. 1897, 448; Forst-
wissenschaftl. Centralbl. 1896, 647. — AM
des Herrn k. Oberforstrath Dr. Fürst
Reinhardt, kaiserl. Oberforstmeister, * zu
Wissen a. d. Sieg 1831; f zu Strassburg
4. II. — Stud. in Bonn u. Forstakad.
Eberswalde: 1854-66 im reitenden Feld-
jägerkorps; Oberförster i866 in Neupfalz
(Reg. - Bez. Coblenz), 1867 in Alsberg-
Salmünster (Reg.-Bez. Kassel); Okt 1871
kommiss. Forstmeister im Reichsland f. d.
Aufsichtsbez. Strassburg -Hagenau; i. IV.
81 Vorstand d. Forsteinrichtungsbureau;
April 1886 Oberforstmeister im Bezirks-
präsidium Colmar, seit i. DC. 1890 im
Bezirksprä£idium Strassburg; Mitgl. d.
Prüfungskommissionen f. d. Jägerbataillon
in Elsass - Lothringen u. d. Forstverwal-
tungslaufbahn. — L Allg. Forst- u, Jagd-
Ztg. 1896, 278.
*Veltheim, Friedrich v. , braunschweig.
Oberjägermeister; s. Sp. 41*.
Wondrak, Franz, k. k. Oberforstrath u.
Landcsforstinspektor i, P., * zu Multschin
20. I. 25; t ^'^ Linz 5. V. — L Oesterr.
Forst- und Jagdztg. 1895, 207 (mit P).
1896, 181. — W Massentransport d. Höl-
zer in Oesterr.- Ungarn. Linz 1878. — AM.
VUL Berg- und Hüttenmänner.
«'Balling, Carl Albert Max, k. k. Ober-
bergrath, Prof. an d. Bergakademie Pri-
bram, * zu Prag 14. V. 35: f zu Pribram
21. IV.: s. BJ I, 411. — L BJ II, 2 *:
Poggendorff III, 66 (mit W): Leopoldina
32, 103.
Bornemann, Joh. Georg; s, Sp. 90*.
Brockhoff, Gustav, Geh. Bergrath ; s. Sp. 23*.
Foullon de Noorbeeck, Heinrich Freih.,
Bergrath; s. Sp. 91*.
Hahn , Karl, Bergrath ; s. Sp. 40*.
Ulrich , Theodor, Geh. Bergrath ; s. Sp. 39*.
IX. Gewerbtreibende und Industrielle.
Bantlin, Louis, Kommerzienrath, Württem-
berg. Industrieller, 79 J.: t *8. IX. — L
Schwab. Kronik 1896, 1909.
Benger , Wilhelm, Kommerzienrath,
Theilhaber d. Textilfirma W. Benger
Söhne in Stuttgart, * zu Degerloch b.
1^
^
Todtenliste 1896: IX. Gewerb treiben de und Industrielle.
^T
Stuttgart 16. V. 45; f zu Stuttgart 13. III.
— L 111. Ztg. 106, 368. — PM.
Beschorener, Alexander Markus, Hofmetall-
waaren Fabrikant in Wien, nach dessen
Vorschlag zur Ausschmückung d. Innen-
räuroe d. Wiener Hofoperntheaters Orna-
mente aus Metall verwendet wurden, * zu
Leva 1821 ; f ^u Wien 31. X. — L III.
Ztg. 107, 547. — PM.
Bonne ,' Julius, Chemiker, Industrieller
d. Rheingaus, Mitbegründer d. ehem. Fa-
brik vormals Goldenberg, Germont & Cie.
zu Winkel im Rheingau u. anderer
Unternehmungen, als Musikfreund eifriger
Wagnerianer, * zu Mannheim 30. VII. 54:
t zu Wiesbaden 26. IX. ~ L 111. Ztg.
107, 429; Chem. Industrie 15. X. 1896;
Frankfurter Ztg. (Abendbl.) 28. X. u.
I. X. 1896; Wiesbadener Tagbl. (Abend-
ausg.) 29. IX, 96; Rheingaucr Bürger-
freund 29. IX. 1896. — W Cat. Soc. 9,
290.
Cerveny, V. F., Begründer u. Chef d. Blech-
blasinstrumentenfabrik Cerveny u. Söhne
in Königgrätz, Erfmdcr zahlreicher neuer
Blechinstrumente, 76 J.; f 19. I.
Dietel, Gustav, Kommerzienrath, Besitzer
grosser Kammgarnspinnereien, Urheber
vieler Wohlfahrtseinrichtungen für seine
Arbeiter, ♦ zu Greiz 1 9. 1. 47 ; f zu Wilkau i. S.
10. III. — L 111. Ztg. 106, 338. — PM.
♦Faber, Johann Lothar Freih. v., Fidei-
kommiss- u. Fabrikbesitzer, Chef d. Firma
A. W. Faber, erbl. Reichsrath d. Krone
Bayern, * zu Unterspitzgarten b. Stein b.
Nürnberg 12. VI. 17; f zu Stein 26. VII.:
s. BJ I, 423. — L BJ II, 10 ♦; 111. Ztg.
107, 125 (M. Schüssler mit P): Freiherrl.
Taschenb. 1897, 223. 1204.
Flügel , K a r 1 , Industrieller, Stadtrath a. D.
in Sangerhausen, * zu Tennstedt 28. VI.
40; f zu Sangerhausen 8. XII. — L 111.
Ztg. 107, 799. — AM.
Funcke, WM 1 heim, Besitzer einer be-
deutenden Kleineisenzeugfabrik zu Hagen
i. W., Theilhaber anderer gewerbl. Unter-
nehmungen, volksthüml. Persönlichkeit im
Kreise d. westphäl. Industrie, * zu Hagen
i. W. 14. VII. 20: f daselbst 14. XI. —
L 111. Ztg. 107, 653. — AM.
Gasser, Johann, Chef d. Gewehrfabrik
Leopold Gasser, Nachfolger seines Bruders
Leopold , Erfinder des österr. Armee-
revolvers, * zu Spital in Kärnthen 1846;
t zu St. Polten 16. VII. — L 111. Ztg.
107, 100; Centralbl. f. d. ges. Forstwesen
1896, 422. — PM.
Gnüchtel, Rudolf Heinrich, Kommerzien-
rath, Besitzer d. Dampfsäge- u. Hobel-
wcrks Bässler & Bomnitz in Leipzig u.
Borsdorf, * zu Leipzig 20. XII. 40; f da-
selbst 8. VL — L 111. Ztg. lOS, 726- —
PM.
Groedel, Z., Senior d. Holzfirma Gebr.
Groedel in Wien, erschloss vorher un-
fruchtbare Ländereien u. Waldkomplexe
in Ungarn u. Galizien, * zu Friedberg in
Hessen: f zu Wien Anf. Nov. — L 111.
Ztg. 107, 584. — KA.
Haase , Eduard, Inhaber d. grössten
Privat brauerei Deutschlands; -f- zu Breslau
14. in.
Hantel , Hugo, Fabrikbesitzer, Theilhaber
von Haniel & Lueg in Düsseldorf und
Franz Haniel & Co. in Ruhrort, Mit-
arbeiter an zahlreichen industriellen Unter-
nehmungen des Rhedergeschäftcs Haniel,
41 J.: t zu Düsseldorf 5. IL — L 111.
Ztg. 106, 193. — KA.
Hecker, Heinrich Ferdinand, Fabrikbesitzer,
früher langj. Präsident d. Handelskammer
in Görlitz: f daselbst 17. I. — L IlL Ztg.
106, 136. — KA.
Heckmann, August, Geh. Kommerzien-
rath, früher Chef d. Firma »C. Heckmann,
Kupfer- u. Messingwerke« in Berlin, 73 J. ;
t 15. V.
*Honore , Mathias Wilhelm, Kaufmann
u. Fabrikant, Dichter u. Uebersetzer, * zu
Fredericia im sUdl. Jütland 24. III. 36:
f zu Leipzig 29. IL: s. BJ I, 254. —
L BJ II, 20 *; Hinrichsen 260. — W KL
^8961 555; Hinrichsen a. a. O.
Huhn , Friedrich, Schlossermeister, Er-
finder d. Häckselschneidemaschine, ^ zu
Witzenhausen a. d. Werra 9. IV. 32; f da-
selbst 7. II. — L 111. Ztg. 107, 621. — AM.
Jahn, Gustav Albin, Begründer d. Firma
G. A. Jahn zu Plauen i. V., hervorragender
Exporteur, ♦ebenda 7. III. 35; f daselbst
21. XIL ~ »Von 1858-80 Mitinhaber d.
Firma Carl August Jahn; gründete 1880
die Firma G. A. Jahn, aus welcher er in
Folge andauernder Kränklichkeit 1890
austrat ; J. hat sich durch Schaffung neuer
Artikel u. Einführung neuer Ideen in d.
Stickerei- u. Spitzenbranche viele Ver-
dienste um d. Plauensche Industrie u. erz-
gebirg. Arbeiterbevölkerung erworben : er
war mit einer der ersten, welche die jetzt
weltbekannten sächs. Tüllspitzen fabrizirte
u. auf d. Weltmarkt brachte. Sein Haupt-
verdienst liegt aber in dem steten Hoch-
halten der Handspachtel- u. Handstickerei
im Vogtlande u. Erzgebirge, wodurch der
dortigen armen Bevölkerung hauptsächlich
Verdienst zugeführt wurde.c — L 111. Ztg.
108, II. — PM des jetzigen Chefs d.
Firma, Herrn Franz Jahn.
Jobst, Karl, Kommerzienrath, wUrttemb.
Industrieller. - L Schwab. Kronik 1896,
761.
73
tu
Todtenliste -1896: IX. Gcwcrbtrcibendc und Industrielle.
74
9
Korff , Arnold, Kommerzienratfa, einer
d. Chefs d Firma D. Peters d: Co. in
Neviges, bahnbrechend auf d. Gebiete d.
Wohlfahrtseinrichtungen, * zu Elberfeld
9. III 44; t zu Neviges 18. I. — L 111.
Ztg. 106, 136. — PM.
Krug, Oskar, Generaldirektor d. Zeitzer
Paraffin- u. Solarölfabrik, verdient um d.
Förderung der Braunkohlen -Industrie in
der dortigen Gegend, * zu Danzig 12.
VIII. 33; t zu Halle a. S. 4. X. — L 111.
Ztg. 107, 460. — PM.
Lang, Karl, Fabrikbesitzer in Blaubeuren,
Direktor d.»WUrttemberg.Leinenindustrie«,
bedeutender Grossindustrieller Württem-
bergs, * zu Reutlingen 17. III. 21: f zu
Blaubeuren 8. II. — »L. setzte die ersten
Leinenkraftstuhle in Snddeutschland in
Gang; er war Mitgl. d. Handelskammer
Ulm, Preisrichter d. Pariser Ausstellung
1867 u. d. Stuttgarter Ausstellung 1881«.
— L 111. Ztg. 106, 217. — PM.
Mencke, Eberhard Göttlich, Industrieller
und Grosskaufmann, früher Besitzer eines
bedeutenden Zuckergeschäftes in Braun-
schweig, Magdeburg, Hamburg u. Halle
a. d. S , Mitgl. d. Aufsichtsrathes d. II-
seder Hütte, d. Zuckerfabrik Neuwerk u.
anderer industrieller Unternehmungen, * zu
Rethern a. d. Aller 3. X. 31 : f zu Hannover
7. V. — L III. Ztg. 106, 601. — AM.
Moscnthin, Franz, Begründer u. Inhaber
einer Eisenbaufabrik u. Eisengiesserei in
Leipzig - Eutritzsch (Spezialität d. Bau
eiserner Gewächshäuser), 56 J.: f daselbst
22. in. - L 111. Ztg. 106, 368 — KA.
Münch, Christoph Alfred, Fabrikant in
Gera, hervorragender Exporteur, * daselbst
20. XI. 37; t ebenda 18. XII. - L 111.
Ztg. 108, 1 1 ; Leipz. Neueste Nachr. 30.
I. 1897. - PM.
Münch-Ferber, Gustav, früher Chef d.
Textilfinna Georg Münch <fe Co. in Hof,
Rittergutsbesitzer auf Blankenhayn, 74 J.:
t zu Leipzig 23. III. - L 111. Ztg. 106,
396. — KA.
Oechelhäuser, Adolf, Kommerzienratb,
Maschinenfabrikant, hervorragender Ver-
treter d. Eisengewerbes in Siegen, der
älteste Bruder des Geh. Kommerzienrathes
Wilhelm Oe. , * zu Siegen 2. IV. 19;
f daselbst 4. VL — L 111. Ztg. 106, 759;
.Siegener Ztg. 1896 Nr. 130. — PM.
Reumuth, Karl, Direktor d. höh. Weber-
schule in Glauchau (Mustcranstalt) , * zu
Wernsdorf b. Glauchau 24. IX. 35; f zu
Glauchau 28. V. — L 111. Ztg. 106, 699;
Glauchauer Tagebl. 1892 Nr. 3. — PM.
Rosthorn, Gustav Edler v. , Kommer-
zialrath in Wien u. Chef d. Aktiengesell-
schaft d. Metallfabrik in Oed, 1861—67
Mitgl. d. Rcichsraths, * zu Wien 30. IV.
1 5 ; f ebenda 2. IV. — L Fremdenbl., N.
Fr. Presse u. Wiener Tagebl. vom 3. IV.
1896. — PM.
Scheidt, Wilhelm, Geh. Kommerzien-
ratb in Kettwig a. d. Ruhr, Gross -Indu-
strieller; f daselbst 27. III. — L 111. Ztg,
106, 437. — KA.
*Schtchau, Ferdinand, Geh. Kommer-
zienratb, Begründer d. Maschinenfabrik
u. Schiffswerft in Elbing, * daselbst 30.
I. 14; t ebenda 23. I.: s. BJ I, 364. —
L BJ II, 38 ♦: 111. Ztg. 106, 171 (O.
Meyer-Elbing, mit P).
♦Schnorr, Fedor, Kommerzienratb, Mit-
inhaber d Firma Schnorr & Steinhäuser
zu Plauen i. V., 78 J,: f daselbst 20. I.:
s. BJ I, 415. - L BJ II, 39 •. - KA.
Sickel, Richard, Dr. phil., erster Vor-
sitzender des braunschweig - hannover.
Zweigvereins für Rübenzuckerfabrikation,
lange Jahre Direktor d. grössten Zucker-
fabrik Prcussens in Nörten (Hannover),
Autorität auf d. Geb. d. Zuckerindustrie,
* zu Leipzig 12. IX. 40; f zu Thusis in
d. Schweiz 17. VIII. — Erhielt Privat-
unterricht in seiner Vaterstadt, besuchte
alsdann d. Kreuzschule in Dresden; 1859
bis 63 Stud. V. Chemie u. Naturwissensch.
in Leipzig, Heidelberg u. Göttingen: 1864
an letzterer Univ. Promotion; iseitdem d.
Zuckerfabrikation sich widmend; seit 1880
Mitgl. d. Vereinsausschusses, seit 1886
Mitgl. d. Direktoriums d. Vereins f. d.
Rübenzucker - Industrie d. D. R.; 1887
Kurator d. Vereinslaboratoriums. — L 111.
Ztg. 107, 245. — PM.
Starke, Kurt Moritz, Kommerzienratb u.
Fabrikbesitzer zu Frankenau b. Mittweida,
hervorragend am öffentl. Leben betheiligt,
auch Sachs. Landtagsabg., * zu Bautzen
12 XI. -^5; f zu Frankenau 11. I. — L
111. Ztg. ^o6, 72. - PM.
♦Steinway, William (Wilhelm Steinweg),
Pianofortefabrikant, * zu Seesen in Braun-
schweig 5. III. 35; f zu New -York 30.
XI : s. BJ I, 407. — L BJ II, 41 ♦; 111.
Ztg 108, 21 (mit P).
Stölzle , Ernst, Glasfabrikant, verdient
um d. Hebung d. österreichischen Glas-
industrie: f zu Wien 2 III. - L 111. Ztg.
106. 307.
Teichmann , Moritz, Kommerzienratb,
Begründer d. grossen Teichmann'schen
Wollwaarenfabrik zu Leobschütz, • zu
Gieraltowitz im Kr. Gleiwitz 15. IX. 15;
t zu Leobschütz 17. XII. — L 111. Zt.
108, II. — PM.
Tenge, Karl Friedrich, Grossindustrieller
u. Herrschaftsbesitzer, Vorsitzender d.
Vereins deutscher Eisengiessereicn u. d.
y c* Todtenliste 1896: TX. Ge werbtreibende u. Industrielle. X. Architekt, u. Ingen. y6*
eigentl, Begründer desselben, * zu Bark-
hausen b. Ocslinghausen (I^ippc) 12. III.
24; f zu Detmold 11. I. — »Erzogen im
elterl. Hause zu Barkhauson, bezog er nach
frühzeitiger Absolvierung d. Gymn. zu
Bielefeld d. Univ. Heidelberg u. später
Berlin zum Stud. d. Rechte, wurde Refe-
rendar am Kammergericht, trat aber schon
bald aus d. Staatsdienst aus, um seinem
Vater in dessen ausgedehnter Gutsver-
waltung u. in d. Leitung verschiedener
industrieller Etablissements zur Seite zu
stehen. Nach dessen Tode übernahm er
1866 die Herrschaft Rietberg i. W. mit
d. Besitzung Halte i. W. u. trat in d.
Firma Halter Eisenhütte zu Schloss Halte
ein. Er war Mitgl. d. Kreistages u. Kreis-
ausschusses d. Kreises WiedenbrUck u.
Inhaber zahlreicher Ehrenämter.« — L 111.
Ztg. 106, 136. — PM.
X. Architekten und Ingenieure.
Boguslawski, L a d i s 1 a u s v., Erbauer d.
Wiener Rathhausvicrtcls; f zu Salzburg 3.V.
Boeswillwald, Emil, Gcneralinspektor d.
histor. Baudenkmäler Frankreichs, * zu
Strassburg i. E. 1815; f zu Paris 20. III. —
L Deutsche Bauztg. 30, 204. 630; Ztschr.
f. d. Gesch. d. Oberrh. 52, 326 (Centralbl.
d. Bau Verwaltung 16, 188 (Bohnstedt) ;
Revue de l'art ehret. 4. scr. 7, 249; Journal
de la soc. d' archcol. lorraine 45, 70
(Guyot); Almanache d* Alsace et de Lor-
raine 1897 mit? (Ch.[arles] V.[uillaume])),
Böthke, Emil, Geh. Baurath, »zu Brom-
berg 21. VL 28; t *u Berlin 4. XL —
1862 Baumeisterprüfung; nach 9 jähr. Be-
schäftigung b. verschied. Behörden Kreis-
baumeister in Weissenf eis; 1873 — 77 l^i-
rcktor d. Thiergartenbauver.; seit 1877 »"
d. Garnisonsverwaltung als Intendantur-
und Baurath. — L und W Deutsche
Bauztg. 30, 572. — AM.
Brand], Franz Ritter v., k. bayer. Ober-
bauratb, Miterbauer d. Königsschlösser
Ludwigs IL; f zu Reichenhall 14. IV. —
111. Ztg. ,106, 503.
Brix , Adolf, Geh Admiralitätsrath a. D.,
SchilTsbautechnikcr: s. Sp. 61*.
Busse , August, Geh. Oberreg.-Rath u.
Vortrag. Rath im Reichsamt des Innern,
oberster 'Baubeamter d. deutschen Reichs-
regierung, * zu Berlin 27. I. 39; f da-
selbst 9. I. — Vierter Sohn d. späteren
Direktors d. Berliner Bauakademie Geh.
Oberbaurath Busse: 1867 Baumeisterprüf-
ung; einige Jahre bei d. Garnisonbau-
inspektion d. Militärverwaltung (Antheil
am Bau d. Hauptkadettenanstalt IJchter-
feldc); 1879 im Reichskanzleramt zunächst
Reg.-Rath, seit 1884 auch vortr. Rath,
seit 1889 Geh. Oberreg.-Rath; erbaute d.
Dienstgebäude des Reichspatentamts, des
Reichsversicherungsamts, d. Gesundheits-
amts, d. Physikal. -Techn. Reichsanstalt.
— L u. W Deutsche Bauztg. 30, 30. 43.
'^Busse, Karl, Geh. Oberreg.-Rath. früher
Direktor d. Reichsdruckerei; s. Sp. 17-'.
^Clausz , Wilhelm. Eisenbahndirektor,
Leiter d. braunschweig. Landeseisenbahnen,
* zu Thune in Braunschweig i. VIII. 30 ;
f zu Braunschweig 26 III.: s. BJ I, 401.
— L BJ II, 7 •*: 111. Ztg. 106, 396.
Cuno, Hermann, Geh. Reg.-Rath, Mit-
glied d. Regicrungskollegiums zu Koblenz,
* zu Naugard in Pommern 16. I. 31 :
t zu Pfaftendorf b. Koblenz 24. VII. —
Stud. 1849 an d. Bauakademie in Berlin;
1853 Bauführer; 1860 Baumeister; 1870
Kreisbaumeister in Ahrweiler b. Koblenz;
1877 an d. Universitätsbauten in Marburg
beschäftigt; 1879 — 90 Reg.- u. Baurath bei
d. Landdrostei Hildesheim: 1890 bei der
Regierung in Koblenz, seit 1891 als Geh.
Baurath: verdient um Erhaltung u. Pflege
d. alten Kunstdenkmäler, bes. in Marburg
u. Koblenz. — L u. W Deutsche Bauztg.
30, 400.
Gerstenberg, Adolf, Stadtbaurath in
Berlin, * zu Neustadt-Magdeburg 3. I. 26;
f zu Berlin 22. I. — L u. W Deutsche
Bauztg. 29, 635. 30, 51. — AM.
Gladbach , Ernst, Prof. f. Architektur am
Eidgenöss. Polytechn. u. Kunsthistoriker,
* zu Darrostadt 30. X. 12: f zu Zürich
26. XII. — Lehrling u. letzter Schüler
G. Mollers in Darmstadt; Besuch d. Univ.
Giessen u. Heidelberg; Staatsprüfung als
Baubeamter: Accessist in Nidda: 2 jähr.
Reisen, bes. in Norddeutschland: 1838
Kreisbaumeister; 1839 — 57 im hess. Staats-
dienst; 1857 Prof. f. Baukonstruktions-
wesen an d. neubegrUndeten Eidgenöss.
Polytechn. in Zürich; berühmt als Holz-
architekt. — L BJ 11, 14 *: Schweiz.
Bauztg. 1897 Nr. 3 (G. Lasius); Leo-
poldina 33, 49. — W Deutsche Bauztg.
30,40; Schweiz. Bauztg a. a. O. : Kukula
263.
•Gossweyler, Theodor, bad. Baudirektor,
Vorstand d. techn. Abth. im General-
direktorium d. bad. Staatsbahnen, * zu
Karlsruhe 1842; f daselbst 4. XII.: 5. BJ
I, 366. - L BJ II, 15*.
77
*
Todtenliste 1896: X. Architekten und Ingenieure.
78*
Gratze, Bruder Pasclialis, Baumeister d.
Franziskaner; s. Abth. XIX.
Gurlt, Hermann, Geb. Admiralitätsrath,
Marineingenieur: s. Sp. 63*.
Hardy, John, früher Oberinspektor a. d.
österr. SUdbahn, Erfinder d. Vacuum-
bremse, * 181 9 zu Newcastle in England;
t zu Grinzing b. Wien 23. VI. — L
Deutsche Bauztg. 30. 339.
Harkort, Johann Kaspar, durch d. Einführ-
ung d. Brückenbaus in Eisenkonstruktion
in Deutschland u. im Ausland bekannt,
Neffe von Friedrich Harkort, ♦ auf Gut
Harkorten 21. I, 17; f daselbst 13. X.
— L Stahl u. Eisen 1896 (mit P). —
PM.
Hauser, Alois, k. k. Baurath u. Prof.
an d. Kunstgewerbeschule in Wien, * da-
selbst 1841; f zu Baden b. Wien 6 X. —
Stud. zu Wien: 1873 ^^^ ^^77 archäolog.
Forschungsreisen nach Athen u. Samo-
thrake: Dombaumeister in Spalato: Mit-
glied d Zentralkommission f. Erforschung
u. Erhaltung d. Kunst- u. histor. Denk-
mäler. Konservator f. Wien u. Nieder-
österreich: leitete d. Ausgrabungsarbeiten
zu Carnuntum: Hauptwerke: Erneuerung
des Domes in SpaJato mit Campanile,
Venezianer Loggien in Trau, Campanile
von San Marco in Lesina, Umbau der
Schottenkirche in Wien u. a.: Verf. einer
Architekton. Stillehre. — L u. W Deutsche
Bauztg. 30, 524.
Hochgesandt, Peter, Baurath, Eisenbahn-
ingenieur, üb. 25 Jahre im hess. Staats-
dienst , Erbauer d. Viadukts d. Main-
Weserbahn bei Friedberg, * zu Mainz
1818; t daselbst 11. VIII. — L 111 Ztg.
107, 214. — KA.
Hoflünann, E. H., preuss. Kreisbaumeister
a. D. , Verfechter d. Steinkonstruktion,
* zu Groningen am Harz 5. IIL 22: f zu
Berlin 26. XIL — Nach dem Schul-
besuch zunächst Feldmesser: Kreisbau-
meistcr in Neustadt W.-Pr.: 1853 ver-
abschiedet da er gegen die Anweisungen
d. vorgesetzten Behörde an schadhaften
Brücken hölzernen Oberbau, wenn schon
mit geringeren Kosten, durch Steinkon-
struktionen ersetzte; seitdem Privatarchi-
tekt : Verfasser mehrerer einschlägiger
Schriften. — L Deutsche Bauztg. 31, 106
(Hacker: W S. 108).
Hofmann , Julius, bayer. Über-Hofbau-
rath, Miterbauer d. Königsschlösser Herren-
chicmsee, Linderhof und Neuschwanstein,
* zu Triest 8. XII. 40; f zu München 5.
VIII. — Stud. am Wiener Polytechn.;
stand später d. Geschäfte d. Vaters, d.
Bildhauers Franz H. in Triest, vor (Aus-
stattung d. Schlosses Miramar am Meeres-
ufer V. Triest im Auftr. d. Erzherzogs
Maximilian v. Oestcrieich): seit 1864 Hof-
architekt d. Kaisers v. Mexiko (Bau der
Schlösser Chapultepec u. Guernawacka):
nach d. Katastrophe 1867 in München
architekton. Leiter d. Zettler'schen Hof-
glasmalerei; 1884 Nachfolger d. Hofober-
baudirektors V. Dollmann u. Bauleiter d.
Schlösser König Ludwigs IL — 111. Ztg.
107, 188. 257 (M. Koch V. Berneck):
Deutsche Bauztg. 30, 412. 654 (H.). —
P 111. Ztg. 107, 258.
Hüllen, Adolf van, kaiscrl. Marine-Ober-
baurath, Schiffsbaudirektor in Danzig: s.
Sp. 63*.
"^Humann, Karl, Geh. Reg.-Rath, Direktor
an d. königl. Museen zu Berlin mit dem
Wohnsitz in Smyma , Architekt und
Archäolog, Leiter der Ausgrabungen in
Pergamon u. Magnesia, * zu Stcelc (Rhein-
prov.) 4. L 39: + zu Smyrna 12. IV.: s.
BJ I, 369. — L BJ IL 20 ♦: 111. Ztg.
106, 498; N. Hcidelb. Jahrb. 7, 121 (F.
Duhn): Deutsche Bauztg. 30, 204. 210
(R. Bohn); Geogr. Jahrb. 20, 471.; Jahrb.
d. preuss. Kunstsammlungen 17, 157 (R.
Schöne. — P 111. Ztg. 106, 497.
Kirschner, Ferdinand Ritter v., k. k.
Reg.-Rath in Wien, bis 18. I. 96 Burg-
hauptmann, Mitgl. d. Wiener Akad. d.
Künste, * zu Wien 1821 ; f daselbst 3.
III. — Stud. auf d. Akad. d. bild. Künste
seiner Vaterstadt: Hauptwerke: Ausbau
d. Hofburg gegen d. Michaelerplatz, Um-
gestaltung d. grossen Redoutensaalcs in
derselben. — L 111. Ztg. 106, 307; Deut-
sche Bauztg. 30, 135.
Knyrtm, Friedrich, preuss. Geh. Hof bau-
rath, mit d. Oberaufsicht u. Bauleitung
auf Wilhelmshöhe b. Kassel betraut; f zu
Wehlheiden 14. IV.- L 111. Ztg. 106, 503.
Liesegang, Paul Eduard, Dr. phil., ver-
dient um die prakt. u. wissenschaftl. Aus-
bildung d. Photographie, * 1837; j- zu
Düsseldorf 6. IX. — L u. W Leopoldina
32, 147-
Lilienthal, Otto, Ingenieur in Gross-
Lichterfelde, Erfinder eines Flugapparats,
* zu Anclam 23. V. 48; f in d. Nähe v.
Rhinow infolge Absturzes mit seinem
Apparat 10. VIII. — Besuch d. Gewerbe-
akademie in Berlin; Techniker in der
Schwartzkopff'schen und Hoppc'schen
Maschinenfabrik daselbst: auch im Aus-
land thätig: Anfang d. 80er Jahre selbst-
ständig in Gross-Lichterfelde: Erfinder d.
Anker -Baukasten, Schlangenrohr- Kessel,
schmiedeeiserner Patent -Riemenscheiben,
v. Accordsirenen etc. — L 111. Ztg. 107,
257 (mit P S. 258}: Deutsche Bauztg.
30, 419; Leopoldina 32, 138; Ztschr. f.
79'
Todtenliste 1896: X. Architekten und Ingenieure.
80*
Luftschi ff fahrt 15, 161. 289 (K. Müllen-
hoff); Seances de la soc. franc. de phys.
1896, 271 (Lauriol).
'Lorenz, Otto Ferdinand, Oberbaudirektor
u. vortr. Rath im Ministerium d. öffentl.
Arbeiten, d. oberste Baubcamte d. preuss.
Bauverwaltung, * zu Königsberg in Pr.
17. IV. 38: f zu Berlin 15. L: s. BJ I,
217. — L BJ II, 25 ♦; Deutsche Bau/.tg.
30. 43-
Marti, Reg.-Rath in Bern, ehemal. Direktor
d, Jura - Bern - Luzern - Bahn u. d. Jura-
Simplon - Bahn ; f zu Bern 5. XI. — L
111. Ztg. 107, 621.
Minister, Joseph, Ingenieur, von Hansen
beim Bau d. Wiener Parlamentsgebäudes
beschäftigt, eine Zeit lang Gebäude-
Inspektor d. Parlaments, 51 J.; f zu
Wien 15. VL — L 111. Ztg. 106, 791. —
KA.
Morlok, Georg v. , Württemberg, Bau-
direktor a. D., Erbauer zahlreicher Eisen-
bahnlinien in Württemberg (auch d. Stutt-
garter Bahnhofs), • 20. I. 15; f '•" Stutt-
gart 17. IV. — L 111. Ztg. 106, 530;
Schwab. Kronik 1896, 796; Deutsche Bau-
Ztg. 30, 215 (mit W).
Opel, Reg.-Baurath a. D. in Berlin, früher
bei d. Regierung in Stettin, Mitgl. des
grossen Ausschusses d. Zcntralver. zur
liebung d. Binnenschifffahrt; f 25. V.
*Oer, Alexander (auch Alexis) Ernst
Theodor Freih. v., k. sächs. Geh. Hofrath
u. ordentl. Prof. f. Strassen- u. Eisen-
bahnbau an der Techn. Hochschule in
Dresden, derzeitiger Rektor dieser Anstalt,
früher Eisenbahnbetriebs - Direktor, * zu
Dresden 26. VIII. 41; f daselbst 20. IV.:
s. BJ I, 366. — L BJ II, 33 ♦; Frei-
herrl. Taschenb. 1896, 672. 1897, 121 3;
Deutsche Bauztg. 30, 216: Leopoldina 32,
102. — W Kukula 669.
Rohns , Paul, vormals grossherzogl.-hess.
Baurath, Bautechniker, • zu Göttingen
1850: f daselbst An f. Jan. — Als preuss.
Reg.-Baumeister an d. Weserregulierungen
zwischen Münden und Karlshafen be-
schäftigt; Anf. d. 80er Jahre nach Serl)ien
berufen (Bau d. grossen Savebrücke bei
Belgrad; dann Wasserbauinspektor in Ruhr-
ort; 1887 als Wasserbautechniker von d.
preuss. Regierung nach New -York zur
Feststellung d. Kanallinien d. Nicaragua-
Kanal-Gesellschaft gesendet; darauf nach
Darmstadt zur Leitung d. hess. Wasser-
bauwesens als Oberbaurath berufen: wäh-
rend d. letzten Jahre Leiter d. gesammten
öffentl. Bauwesens in Siam; 1895 in Folge
unheilbarer Erkrankung Rückkehr nach
Götiingen. — L Deutsche Bauztg. 30, 30:
111. Ztg. 106, 136.
Roeper, Carl Heinrich Oskar, Ingenieur
(Quai- u. Brückenbauten), Bauinspektor
b. der Hamburger Staatsbauvcrwaltung,
• zu Hamburg 5. XI. 44; f daselbst 28.
Vn. - Slud. 1862 — 64 in Karlsruhe,
1864—65 in Hannover: seit Herbst 1865
im Bureau d. Ingenieurs Westphalen zu
Hamburg: 1867 — 68 b. d. Neu Vermessung
d. Stadt. Gebiets in Lübeck; x868 im
Dienst d. Köln - Mindener Eisenbahn mit
d. Sitze in Hamburg, 1871 mit d. Sitze
in Wesel: dann bis 1874 bei d. Gotthard-
bahn; seit 15. IX. 1874 im Dienste der
Stadt Hamburg. — L u. W Deutsche Bau-
ztg- 30, 539 (J. Classen),
Rothbart, Georg, Geh. Hofrath, Vorstand
d. Sammlungen auf d. Veste Coburg, seit
1839 zuerst mit Görgel, seit 1846 selb-
ständig Restaurator der Veste, Erbauer
mehrerer anderer Schlösser u. Privatbauten
in Stadt u, Land Koburg, • zu Roth b.
Nürnberg 1816; f zu Koburg 3. IX. —
L 111. Ztg. 107, 337.
*Rühlmann, Christian Moritz, Geh. Reg.-
Rath u. Prof. f. techn. Mechanik und
theoret. Maschinenlehre an d. Techn. Hoch-
schule in Hannover, * zu Dresden 15 II.
11; f zu Hannover 17. I.: s. BJ I, 360.
— L BJ II, 37 *: Poggendorff 11, 713.
III, 1152; Leopoldina 32, 150. 182. — W
Kukula 776; Poggendorff a. a. O.
Rüppell, Emil, Geh. Reg.-Rath u. Ober-
baurath z. D., Eisenbahn - Ingenieur, * zu
Berlin 27. VII. 27: f zu Köln 10. X. —
GjTnn. - Besuch bis Untersekunda: 3 jähr.
Lehrzeit im Zimmerhandwerk; 3 '/jf Jahre
Palicr bei Bauten der Berlin - Hamburger
Bahn in Spandau; Mich. 1849 auf Grund
nachgewiesener Reife f. Prima Eintritt in
d. Bauakademie: 1852 Bauführer; 1856
Baumeister: in Kreuznach b. Bau d. Rhein-
Nahebahn thätig: 1864 im techn. Bureau
d. Rhein. Eisenbahngesellschaft, seit 1868
dessen Direktor: bei d. Verstaatlichung
Dircktionsmitgl. : 1891 Dirigent d. Abth.
f. Bau- u. Werkstätten Verwaltung: seit i.
IV. 95 im Ruhestand. — L 111. Ztg. 107,
489: Deutsche Bauztg. 30, 533 (B. — ). —
Scala, Theodor v., Betriebsdirektor d.
k. k. Staatsbahnen in Villach, hervor-
ragender Eisenbahnfachmann, 49 J.: f zu
Villach 23. IV. — L 111. Ztg. 106, 530. —
KA.
•Schieifer, Ferdinand, kaiserl. deutsch.
Reg.-Rath, Mitgl. d. Generaldircktion d.
Eisenbahnen im Reichsland, • zu Blumen-
thal (Reg.-Bez. Aachen) 18. U. 38: f zu
Wien IG. XII.: s. BJ I, 365. — L BJ II,
38 *: Militär -Wochenbl. 1896, 2847.
*Spieker, Paul Emanuel, Oberbaudirektor
a. D., Architekt, * zu Trarbach a. d. Mosel
8i*
Todtenliste 1896: X. Architekten und Ingenieure. XI. Kaufleute.
82*
2. X. 26: •(■ ru Wiesbaden 28. XI.: s. BJ
I, 212. — L BJ II, 40 *; 111. Ztg. 107,
734; Deutsche Bauztg. 30, 619. — AM.
*Stölze], Carl, Prof. f. ehem. Techno-
logie u. Metallurgie an d. Techn. Hoch-
schule in München, * zu Gotha 17. II.
26; f zu Karlsruhe 3. (nicht 4.) II.: s.
BJ I, 415. - L BJ n, 41 •: in. Ztg.
106, 191; Lcof)oIdina 32, 22. 58: Bericht
üb. d. k. Techn. Hochschule zw München
f. 1895 96 (H. Kiliani, mit W). — W Ku-
kula 903; Cat. Roy. Soc. 5, 842.
Tiller v. Turnfurt, Karl Freih., k. u. k.
Feldzeugmeister a. D., Genieoffizier, nach
seiner Rückkehr Präsident d. österr.Waffen-
fabrik; s. Sp. 61*.
Weidtmann , Julius, General - Direktor
a. D., Erbauer d. Rheinbrücke in Köln,
langj. Leiter d. Hauptwerkstätte d. Köln-
Mindener Eisenbahngesellschaft, * zu Neu-
wied 24. II. 21: f zu Dortmund 24. XI.
— L 111. Ztg. 107, 699. — AM.
Werner, Anton, k. u. k. Feldmarschall-
Lieut. i. R., Genieoffizier, Leiter der Vor-
arbeiten f. den Bau d. Wiener Weltaus-
stellung; s. Sp. 62*.
XI. Kaufleute.
Andersch, Paul, Kommerzicnrath, Inhaber
der bedeutendsten VV>ingrosshandlung d.
Prov. Posen; f zu Posen 24. II. — L 111.
Ztg. 106, 277.
Annecke, Alfred Georg Walter, seit i. X.
77 Generalsekretär d. deutschen Handels-
tagcs, früher deutscher Konsul in Shang-
hai * zu Konitz in W'cstpr. 4. IX. 35; f
zu Berlin 20. VIII. — »Sohn d. Super-
intendenten Moritz A., besuchte d. Konitzer
Gymn. bis Sekunda u. kam 1851 zwecks
Vollendung d. Schulbildung nach Schul-
pforta. Er studirte in Berlin u. Königs-
berg u. wurde 1863 zum Gerichtsassessor
ernannt, arbeitete darauf 2 Jahre bei der
k. Staatsanwaltschaft d. Stadtgerichts zu
Berlin, trat 1865 in d. Dienst d. k. Ministe-
riums d. Auswärt. Angelegenh. über u.
bekleidete bis z. Herbst 1868 d. Amt eines
Kanzlers (Vize-Konsuls) in Bukarest. Im
Jahre 1869 wurde er zum Konsul in Shang-
h i ernannt u. ging 1871 z. Vertretung
d. Gesandten als Geschäftsträger nach
Peking. Nach Ablauf eines im Vaterlande
verbrachten Urlaubes kehrte er 1874 auf
seinen Posten in Shanghai zurück, sah
sich aber 1875 wegen angegriffener Ge-
sundheitvcranlasst, abermals nach Deutsch-
land zurückzukehren. Er beabsichtigte in
d. Justizdienst zurückzutreten, war auch
bereits als Rechtsanwalt u. Notar in Brom-
berg ernannt, als (1877) seine W^ahl z.
Generalsekretär d. Deutschen Handelstages
erfolgte u. ihn veranlasste, dieses Amt zu
übernehmen, in welchem er dann bis zu
seinem Tode thätig war. Unter seinen
Werken ist hervorzuheben: Das deutsche
Wirthschaftsjahr nach d. Jahresberichten
d. deutschen Handelskammern, Jg. 1880, 81,
82, 83, 84—88.« — L 111. Ztg. 107, 245:
Handel u. Gewerbe 1896, 445; Ecce d.
Landesschulc Pforta 1896, 24. — PM des
Herrn Dr. Soctbeer.
Dietrich, Gustav, Geh. Kommerzienratb,
Seniorchef d. Speditionsfirma G, Dietrich
& Sohn in Berlin, fast 25 J. lang erster
Vizepräsident d. Aeltestcnkollegiums der
Berliner Kaufmannschaft, 83 J.; + zu
Zehlendorf 25. IV. — L 111. Ztg. 106,
530. — KA.
Dietze, K a r 1 , Direktor d. Dampfschiff-
fabrtsgesellschaft f. d. Nieder- u. Mittel-
rhein, seit 43 Jahren im Dienste dieser
Gesellschaft thätig, * zu Düsseldorf 13. VI.
24: t daselbst 4. III. — L 111. Ztg. 106,
338. - PM.
♦Frey, Karl v., Kaufmann und Kunst-
sammler, * zu Salzburg 2. VI. 26: f zu
Berlin 24. VIL: s. BJ I, 358. - L BJ II,
12 *.
Gasse, Johann Moritz, Schiffseigenthümer
u. Grosshändler in Dresden, seit 50 Jahren
eifriger Förderer d. deutschen Eibschiff-
fahrt, * zu Dresden 15. V. 16: t daselbst
5. X. — L 111. Ztg. 107, 640. - AM.
Gerson, Julius, Kommerzienrath in Berlin,
d. letzte d. drei früheren Inhaber d. Firma
Hermann Gerson, 74 J.: t *" Berlin 12. I.
Heese, Gustav Adolf, Kommerzienrath, Chef
der Seiden- und Modewaarenfirma J. A.
Heese in Berlin: f daselbst 31. X. (oder
2. XL?) — L 111. Ztg. 107, 547. — KA.
Hirsch auf Gereuth, Moritz Freih.,
belg. Generalkonsul a.^ D., Finanzmann,
Besitzer eines ungeheuren Vermögens
(i5CK> Mill. Franken), Erbauer d. türk.
Eisenbahnen, Wohlthäter grossen Stils,
• zu München 9. XII. 31: f auf seiner
Besitzung zu O - Gyalla b. Komorn in
Ungarn 21. IV. — Sohn d. baycr. Hof-
bankiers Joseph V. Hirsch auf Gereuth ;
1869 von König Ludwig IL in d. Frei-
herrnstand erhoben : »seine einträglichsten
Unternehmungen waren d. Bau d. türk.
Bahnen, sowie d. Emission d. Türken-
loosc (792 Mill. Franken), die ihm zwar
»3*
Todtcnliste 1896: XI. Kaufleutc. XII, Philosophen.
84"
einen kolossalen Gewinn eintrugen, aber,
da d. tUrk. Regierung d. Einlösung der
Loose u. d. Auszahlung d. Gewinne aus
Geldnoth sistirte, fast vollständig ent-
wcrtheten u. namentlich in Oesterreich-
Ungarn, wo er mit d. Beistand d. Grafen
Bcust d. V. Finanzministcr Brestel hart-
näckig bekämpfte Cotirung dieser Papiere
durchsetzte, zahllose Existenzen zu Grunde
richteten«. — L 111. Ztg. 106, 531 (mit
P); Meyers Konv.-Lex. * 18, 464; Frei-
herrl. Taschenbuch 1897, 412; The Fo-
rum 21, 557 (O. S. Straus).
Kohlhaase, Karl Ferdinand Hans, Direktor
d. Hanseat. Dampfschiflfahrtsgesellschaft,
• zu Lübeck 18. XI. 48: f daselbst 5. X.
— L 111. Ztg. 107, 460. — PM.
Konen , Wo 1 f g a n g v., Geh. Oberfinanz-
rath a. D., vordem vortr. Rath im preuss.
Kinanzminist., dann in d. Seehandlung zu
Berlin, seit 1894 einer der Inhaber d.
Bankgeschäftes von Konen & Co. in
Berlin; s. Sp. 25*.
Königs, Karl, Seidenwaarenfabrikant, seit
1870 Mitgl., später Vorsitzender d. Han-
delskammer zu Krefeld * 13. II. 37; f zu
Rüngsdorf a. Rh. 19. VI. — L Handel u.
Gewerbe 1896, 389. — PM.
Kröber, Adolf, Holzgrosshändler, Poli-
tiker; s. Sp. 37*.
Leonhard , Sigmund, span. Konsul,
Seniorchef d. Bankhauses J. L. Lands-
berger in Breslau u. Berlin: f zu Breslau
27. VI. — L Hl. Ztg. 107, 41. — KA.
Maison, Karl, Kommerzienrath , Thcil-
haber d. Grosshandlungsfirma A. Maison,
2. Vorstand d. oberbaycr. Handels- und
Gewerbekammer, dän. u. schwed. Konsul;
s. Sp. 40*.
MankiewicZy Karl, Generalkonsul a. D.,
bis 1894 Theilhaber d. Bankgeschäfts
Philipp Elimeyer in Dresden, Mitbe-
gründer einer grossen Anzahl industrieller
Unternehmungen, * zu Lissa i.Pr. 17. VIII.
34; f zu Meran 9. III. — L 111. Ztg. 109,
601. — PM.
Nissel, Woldemar, Chef d. Hongkong-
Firma Siemssen & Co. in Hamburg und
Vorsitzender d. Aufsichtsraths d. Ham-
burg-Amerika-Linie, 65 J.; t zu Hamburg
28. XII. — L 111. Ztg. 108, 48. — AM.
Pflüger, Georg, Kaufmann zu Creglingcn,
früher Reichstagsabg. : s. Sp. 38*.
*Schadenberg, Alexander, Dr. phil.,
Chef des Grosshandels - Hauses Boie A'
Schadenberg in Manila, Naturforscher u.
Ethnograph, verdient um Erforschung d.
Fauna u. Flora d. Philippinen, früher
Pharmaceut in Breslau, ♦ 27. VI. 52: f zu
Capiz 15. L: s. BJ I, 428. — L BJ 11,
38 ♦; Leopoldina 1896, 60; Geogr. Jahrb.
20, 480 (\V. Wolkenhauer) ; Intern. Archiv
f. Ethnogr. 9, 3; Globus 19, 247 (F. B.).
Sonnenkalb , Cäsar, Kommerzienrath,
Begründer u. bis x888 Inhaber d. seit
15. I. 1846 bestehenden Leipziger Export-
firma C. Sonnenkalb: f zu Leipzig-Gohlis
17, III. - L 111. Ztg. 106, 368. — KA.
*Ulrici , Karl (Pseudonym Günther
W a 1 1 i n g), früher Kaufmann, Dichter u,
kunstgewerbl. Sammler, * zu Berlin 25.
VII. 39: f zu Dresden 13. I.: s. BJ I,
262. — L BJ II, 43 *; Brummer * 4,
232 (mit W).
Weiss Ritter von Weissenhall , Karl,
Grosshändler u. Kaiserl. Rath, seit 6. III.
66 Direktor, seit 12. VI. 88 Präsident d.
Verwaltungsraths d. Oesterreich. Kredit-
anstalt, • zu Pullitz in Mähren 181 7: + zu
Wien IG. III. - L 111. Ztg. 106. 338. --
PM.
Wertheimber, E m a n u e 1 , Chef d. Bank-
häuser L. <fe E. Wertheimber in Frank-
furt a. M. u. J. Em. Wertheimber in Nürn-
berg u. Fürth, * zu Fürth 13. VIIL 26:
f zu Frankfurt a. M. 3. II. — L III. Ztg.
106, — PM.
Wesendonck, Otto Friedrich Ludwig, rlicin.-
amerikan. Grosskaufmann, Kunstfreund,
zuletzt in Berlin lebend, * zu Elbcrfcld
1815: t zu Berlin 18. XL - L BJ H, 46 *:
III. Ztg. 107, 653. — PM.
XII. Philosophen.
*Avenarius , Richard Heinrich Ludwig,
Dr. phil., Prof. d. Philosophie an d. Univ.
Zürich, * zu Paris 19. XI. 43; f zu Zü-
rich 18. VIIL: s. BJ I, 5. — L BJ II,
2 *; Mind VI, 24. 449 (Carstanjen):
Revue de Metaphysique et de Morale 6,
I, 61 (Delacroix); Arch. f. systemat.
Philos. VI, 1. 129. 336 (E. Koch). — W
KL 96, 34; Kukula 14. Suppl. 7. — P
Vierteljahrsschrift f. wissenschaftl. Philo«..
20 (Titelbild).
Cornelius, Karl Sebastian, Dr. phil., Titu-
lar-Prof., Privatdozent der Physik und
Technologie an d. Univ. Halle, Ilerbar-
tianer, '•' zu Ronshausen (Hessen - Kassel)
14. XL 19; + zu Halle 5. XI. — Stud.
in Göttingen u. Marburg Naturwissen-
schaften und Philosophie; längere Zeit
8e* Todtenlistc 1896: XII. Philosophen. XIII. Mathematiker u. Astronomen. 86*
Privatgelchrter; 1851 Habilitation in Halle.
— L BJ IT, 7 *: Poggendorff I, 480.
111,301; Lcopoldina 32, 188; Hinrichsen^
99; Gubcrnatis 11, 696; Gcojjr. Jahrb. 20,
466 (W. VVolkenhauer). — W Poggendorff
a.a.O.: KI. 1896, 198: Kukula Suppl. 120.
^Drobisch, Moritz Wilhelm, Geh. Rath,
Prof. d. Philosophie an d. Univ. Leipzig,
Philosoph u. Mathematiker, * zu Leipzig
16. VIIL: t ebenda 30. IX.: s. BJ I, 133.
— L BJ 11, 9 *: 111. Ztg. 107, 429. 734:
Berichte üb. d. Verhandlungen d. sächs.
Gesellsch. d. Wisscnsch. 1896, 697 (M.
Heinze): Poggendorff I, 603. III, 381 :
Ztschr. f. mathemat. u. naturwissenschaftl.
Unterricht 27, 626: Jahrb. üb. d. Fort-
schr. d. Math. 27, 23: Leopoldina 32,
182. — W KL 1896, 249: Poggendorff
a. a. O.; Kukula 148: Cat. Roy. Sog. 2,
344. 7,559- 9.735- — P 111. Ztg^ 107, 429.
Gschwandncr, Sigismund, OSB., Reg.-
Rath, ehemaliger Direktor d. Schottengymn.
in Wien, Philosoph u. Physiker, * zu
Röhrenbrunn 28. III. 24; t zu Zermatt
7. VIIL — L 111. Ztg. 107, 188; Scriptores
Orclinis S. Bencdicti, qui 1750- 1880 fu-
erunt in Impcrio Austriaco - Hungarico.
Vindob. 1881, 150; Ztschr. f. d. östcrr.
Gymn. 1896, 958 (C. Kickh). — W KL
1896, 437; Keiter 4, 62. — PM.
Kauffmann, Max Reinhard, Dr. phil , Her-
ausgeber d. Ztschr. f. immanente Philo.s.,
* zu Berlin 8. IL 68: f zu Aussee 9. VlI.
— L Ztschr. f. immanente Philos. 1896,
377 (F. Eulenburg). 395.
Stein, Heinrich Ludwig Wilhelm v., Dr.
phil., Prof. f. Philosophie an d. Univ.
Rostock, früher Gouverneur d. Herzogs
Johann Albrecht v. Mecklenburg, '* zu
Rostock 21. XL 33; f daselbst 28. V. —
L 111. Ztg. 106, 699. — L KL 1896, 1239:
Kukula 890.
Wulff, Hermann, Dr. phil., seit 1874 Privat-
dozent d Philos. u. Pädagogik an der
Univ. Leipzig, * zu Pcruschen (Schlcs.)
3. VIIL 42: t zu Leipzig 15. III. — L
KL 1896, X427: Hinrichsen * 697: Deut-
sche Ztschr. für Geschichtswissenschaft
N. F. I : Monatsbl. 59. — W KL u. Hin-
richsen a. a. O.; Kukula 1034.
Xin. Mathematiker und Astronomen.
Brockmann, F. J., Gymn.-Lehrer f. Mathem.
a. I)., *zu Münster in W. 21. IIL36: f 8. V.
— Stud. in Münster u. Berlin: 1867 — 85
Lehrer in Münster, Essen, Kleve: littera-
risch thätig auf d. Gebiete d. Schul-
mathem. — L Jahrb. üb. d. Fortschr.
auf d. Gebiete d. Mathem. 27, 23: Zeit-
schrift f. mathemat. u. naturwissenschaftl.
Unterricht 27, 395 (Dr. T.). —AM.
Buka, Felix, Dr. phil., Prof. am Real-
gynin., sowie Privatdozent und Titularprof.
für kinematische Geometrie an der Techn.
Hochschule in Charlottenburg, * zu Myslo-
witz 8. I. 52 ; t zu Charlottenburg 3, XII.
— L Leopoldina 33, 49; Programm d.
Techn. Hochschule zu Berlin 1897/98.
— W Kukula loi. Suppl. 38: Leopoldina
a. a. O.; Cat. Roy. Soc. 9, 396. — AM.
Drobisch , Wilhelm, Mathematiker u.
Philosoph: s. .Sp. 85*.
Erler, Wilhelm, Dr. phil., bis 1895
Gymn.-Prof. f. Mathem. in Zullichau, Verf.
verschiedener Lehrbücher, * zu Hamburg
28. V. 20: t zu Zullichau 15. IV. — L 111.
Ztg. 106, 505. — W KL 1896, 292; Cat.
Roy. Soc. 2,510.
^Harms, Christian, Prof. f. Mathem.
an d. Oberrealsch. in Oldenburg, Verf.
von Schulbüchern, auch Dichter, * zu
EllwUrden in Oldenburg 8. IV. 19;
f zu Oldenburg 8. XL: s. BJ I, 245. —
L BJ II, 17 *; KL 1896, 469.
Kieseritzky, Johann Georg Gustav, Dr.
phil., Prof. a. D. f. Mathem. am Poly-
techn. zu Riga, '^ zu Wenden 28. IL 30;
t zu Riga 31. VIIL — Stud. 1848-52
Astronomie u. Mathem.: darauf Lehrer
an d. Anstalt zu Birkenruh, später an
verschiedenen Privatschulen in Riga: 1857
am Gymn. in Pernau; 1864 Prof. am
neubegründeten Poly techn. Riga, seit 1875
an dessen Spitze: auch warmer Patriot
u. Freund d. vaterländ. Geschichte. —
L Rigascher Almanach 1897, 37 (mitP):
Leopoldina 32, 186. — W Kukula 436.
Krüger , A d a 1 b e r t Karl Nikolaus, Dr.
phil.. Geh. Reg.-Rath., ordentl. Prof. d.
Astronomie u. Direktor d. Sternwarte in
Kiel, * zu Marienburg in Westpr. 3. XII.
32: t zu Kiel 21. IV. — Stud. 1851- 53
in Berlin, dann in Bonn unter Argelander:
1853 zweiter, 1859 erster Assistent und
Observator an d. dortigen Sternwarte:
1854 Promotion: 1860 Habilitation; 1862
ordentl. Prof. u. Direktor d. Sternwarte
in Helsingfors: 1876 Hansens Nachfolger
an d. Sternwarte in Gotha: 1880 Nach-
folger Peters' als Prof. an d. Univ. und
Direktor d. Sternwarte in Kiel: 1883
Vorstand d. Centralbureaus f. astronom.
Telegraphie daselbst; seit 1881 auch
Redakteur d. »Astronom. Nachrichten«.
— L BJ II, 23 *• Naturwissenschaftl.
Rundschau 1896, 362 (A. B.): Viertel-
87*
Todtenlistc 1896; XIII. Mathematiker und Astronomen.
88*
jahrsschr. d. astronom. Gesellsch. 1896,
167 (H. Kreutz, mit P): Himmel u. Erde
1896, 429 (Schwahn, mit P): Natiire 54,
14; Jahrb. Üb. d. P'ortschr. d. Mathcm.
27, 24; Leopoldina 32, 62. 102. — W
Kukula 503. Suppl. 143: PoggendorfF I,
1323. III, 753: Cat. Roy. Soc. 3,760.
8, 129. 10,469. — P Ausser a. a. O. :
Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Statistik
19. 134.
Meyer, Arnold, Dr. phil., ordentl. Prof.
f. Mathem. an d. Univ. Zürich, * 1844;
t zu Zürich im Juli. — L III. Ztg. 107,
125. — W Kukula 607. Suppl. 167. —
KA.
Minnigerode, Ludwig Bernhard, Dr.
phil., ordentl. Prof. f. Mathem. u. Mit-
direktor d. Mathem. Seminars an d. Univers.
Greifswald, ♦ zu Darmstadt 10. VIII. 37 :
t auf einer Erholungsreise zu Spindel-
mUhle im Riesengebirge 15. VIII. — Stud.
in Königsberg, Heidelberg u. Göttingen;
x86i Promotion in Göttingen; 1866 Ha-
bilitation ebenda; 1874 Extraordinarius
in Greifswald; 1885 daselbst Ordinarius.
— L Leopoldina 32, 143; Ztschr. f. raa-
themat. u. naturwissenschaftl. Unterricht
27i 631: Jahrb. tiber die Fortschr. der
Mathem. 27, 25. — W Kukula 622;
Poggendorff III, 919: Cat. Roy. Soc. 8,410.
•Ofterdinger, Ludwig, Prof. f. Mathem.
a. D. am Obergymn. zu Ulm, Astronom,
Mathematiker, Pädagog, Litterarhistoriker,
Politiker, * zu Biberach 18. V. 10; f xu
Ulm 10. IV.: s. BJ I, 99. — L BJ II,
33 ♦; Schwab. Kronik 1896, 727. 957:
Bibliotheca mathcmatica 10, 50 (mit W
d. mathemat. - histor. Schriften): Leopol-
dina 32, 103. — W Poggendorff I, 316.
III, 984; Cat. Roy. Soc. 4, 662. 8, 527 (?).
Schurig, B. E. Richard, Privatlehrer d.
Mathem., Schachspieler, * zu Aue i. V,
6. VI. 20: t zu Leipzig- Gohlis 29. VIII.
— Sohn eines Lehrers; besuchte 1841
bis 1845 ^' Schullehrerseminar in Dresden;
1845 — 48 Lehrer f. Mathem. u. Musik:
1848 von einem Freunde versehentlich
in d. Brust geschossen; stud. 1848 — 52
Mathem. u. Astronomie in Leipzig; seit-
dem Privatlehrer daselbst : einifje Zeit
Vikar am Nikolaigymn. ebenda: Gründer
u. Ehrenmitgl. d. Schachklubs Augustea;
fruchtbarer Schriftsteller. — L Hinrichsen '
590 (mit W); 111. Ztg. 107, 273.
Seelhoff, P. , Mathematiker auf d. Gebiete
d. Zahlentheorie: + zu Bremen im Febr.
— 111. Ztg. 106, 307.
^Seelstrang, Arthur v., Prof. f. Mathem.
an d. Univ. Cordoba in Argentinien u.
Mitglied der dortigen Akademie , auch
Geograph, früher preuss. Gardeoffizier;
t zu Cordoba 28. XI.: s. BJ I, 369. —
L BJ II, 39 •; Leopoldina 33, 48; Poggen-
dorff III, 1232; Ifl. Ztg. 108, 73; Gcogr.
Jahrb. 20, 480 u. Globus 71, 100
(W. Wolkenhauer): Deutsche Geogr.
Blätter 20, 96.
^'Seidel , Ludwig Ritter v., Dr. phil.. Geh.
Rath, Prof. f. Mathem. an der Univers.
München, *" zu Zweibrücken 24. XI. 21:
t zu München 13. VIIL: s. BJ IL 4»5-
— L Leopoldina 32, 125. 138 (mit W). —
W Kukula 857; Poggendorff I, 896. III,
1234; Cat. Roy. Soc. 5, 630. 8, 929.
II, 384-
Weyer, Georg Daniel Eduard, Dr. phil.,
Geh. Reg.-Rath, Prof. f. Mathem. u. Astro-
nomie an d. Univ. Kiel, Nautiker u. Astro-
nom, * zu Hamburg 26. V. 18: f zu Kiel
23. XII. — Stud. in Berlin unter Diricblet,
Erman, Dove u. Encke; 1849 — 53 u.
1847 — 50 Assistent an d. Hamburger
Sternwarte und Lehrer an der dortigen
Navigations- Schule: Michaelis 1850 bis
Ostern 1851 Lehrer an d. Seekadetten-
schule in Kiel: dann Privatdozent, 1853
ausserordentl., 1860 ordentl. Prof. für
Mathem. u. Astronomie an d. dortigen
Univ.: 1866 — 68 zugleich Lehrer an der
Marineschule u. seit 1873 im Dozentcn-
kollegium d. Marineakademie: 1874 — 80
Navigations-Kxaminator. — L Leopoldina
32, 178. 33, 49 (mit W). — W Kukula
1002; Poggendorff I, 1308. III, 1434; Cat.
Roy. Soc. 6, 342. II, 789.
•Wiener, Ludwig Christian, Dr. phil.,
Geh. Hofrath, Prof. f. darstellende Geometrie
u. graph. Statik an d. Techn. Hocbsch.
in Karlsruhe, * zu Darmstadt 7. XII. 26:
f zu Karlsruhe 31. VII.: s. BJ I, 207. -
L BJ II, 50 *: Zur Erinnerung an Dr.
Chr. Wiener, Karlsruhe 1896 (S. 15-24
W); Leopoldina 32, 110. 136. 155 (W).
166: Jahrb. üb. d. Fortschr. d. Mathem.
27, 27. — Wauch: Kukula lOoK. Suppl.
263: KL 1896, 1395; Poggendorff; I, 1322.
III, 1442; Cat. Roy. Soc. 6, 362. 8, 1236.
II, 804.
Wolff, Julius Theodor, Dr. phil. hon. c. d.
Univ. München, Astronom, * zu Magde-
burg 14. VI. 27; t zu Bonn ii. X. —
Erst Kaufmann; stud. 1848 in Berlin,
1849 — 52 in Bonn unter Argelander,
dessen Schwiegersohn er wurde; dann
wieder im vjlterl. Geschäft; siedelte darauf
nach Bonn über, sich ausschliesslich der
Astronomie widmend , u. arbeitete zu-
nächst an der Bonner Sternwarte, dann
an einem eigenen Observatorium. — L
BJ II, 54 *; Leopoldina 32, 183 (mitW);
Poggendorff III, 1462 (mit W).
89
*
Todtenliste 1896: XIV. Naturforscher.
90'
XIV. Naturforscher.
(Physiker, Chemiker, Geologen, Botaniker, Physiologen, Zoologen.)
Bauer, H. E., verdient um d. Geologie
Brasiliens; f zu Xisirica 21. II. — L
Leopoldina 32, 132.
'^Baumann, Eugen, Dr. phil., ordentl. Prof.
f. physiolog. Chemie in d. medizin. Fakultät
d. Univ. Freiburg i. B., • zu Cannstadt
12. XII. 46; f zu Freiburg i. B. 3. XL:
s. BJ I, 93. — L BJ 11, 3 • ; Leopoldina
32, 165. 187; Berichte d. Deutschen Chem.
Gesellschaft 29, 3, 2575 (F. Tiemann).
3O1 3. 3*97 (A. kossei, mit P). — W
Kukula 28. Suppl. 1 2 ; Berichte d. Deutschen
Chem. Gesellscb. 30, 3, 3209; Cat. Roy.
Soc. 7, 106. 9, 145.
^Benedikt, Rudolf, Dr. phil., ordentl. Prof.
f. analyt. Chemie an d. Techn. Hochsch.
in Wien, • zu Döbling b. Wien 5. VII.
52; f zu Wien 6. IL: s. BJ I, 322. —
L BJ 1, 55 ♦. II, 3 •; PoggendorfT III,
107; Leopoldina 32, 22. 59; Berichte d.
Deutschen Chem. Gesellsch. 29, i, 407
(C. Liebermann). — W KL 1896, 72;
Kukula 40. Suppl. 16; Poggendorff a. a. O. ;
Cat. Roy. Soc. 7, 137. 9, 187.
*Berchem-Haimhausen, Graf Hans Ernst
V., verdient um d. Meteorologie durch För-
derung d. Station auf d. Sonnblick ; s. Sp. 7*.
Bergenstamm, Julius v., Entomologe, der
bedeutendste Dipterologe Oesterreichs,
Besitzer einer reichhaltigen Sammlung;
t zu Wien 31. I. — L 111. Ztg. 106, 193;
Lcopoldina 32, 58 (mit W). — W auch
Cat. Roy. Soc. 7, 142. 9, 196.
*Bcyrich, Heinrich Ernst, Dr. phil., Geh.
Bergrath, ordentl. Prof. f. Geologie u. Paläon-
tologie an d. Univ. Berlin, Verwaltungs-
direktor d. dortigen Museums f. Natur-
kunde, * ebenda 31. VIII. 15; f daselbst
9. VIL: s. BJ I, 193. - L BJ II, 4 •;
111. Ztg. 107, 136 (H. Haas); Leopoldina
32, 110 (K. v. Fritsch). 135; Naturwissen-
schaf tl. Rundschau 1896, 607; Poggendorff
1, 184. III, 124; Abhandl. d. Berl. Akad.
d. Wissensch. 1898 (W. Dames, Gedächtnis-
rede); Sitzungsber. d. MUnch. Akad. d.
Wissensch., math.-phys. Kl., 1897, 442
(C. Voit); Almanach. d. Wiener Akad. d.
Wissensch. 1897, 310 (J. Hann), 310;
Geogr. Jahrb. 20, 465; Globus 70, 116.
— W Kukula 49 ; Poggendorff a. a. O ;
Cat. Roy. Soc. i, 352. 7, 167. 9, 232. —
P Deutsche Rundschau f. Geographie u.
Statistik 19, 326; III. Ztg. a. a. O.
Bonne, Julius, Chemiker, Industrieller,
Mitbegründer d. chem. Fabrik in Winkel;
s. Sp. 71*.
Bornemann, Johann, Georg, Dr. phil., Geolog
u. Bergmann, * zu Mühlhausen in Thür.
20. V. 31; f ' zu Eisenach 5. VII. — Be-
suchte d. Gymn. seiner Vaterstadt; stud.
seit Herbst 1850 Naturwissensch. (Physik,
Chemie, Geognosie) auf d. Univ. Leipzig,
Göttingen, Berlin; 1854 Promotion zu
Göttingen; 1856 längere Reisen in Italien;
1857 im Auftr. d. preuss. Regierunjj zur
Begutachtung industrieller Verhältnisse
nach Sardinien gesendet ; Begründung einer
Bergwerksgesellschaft in Paris und eines
rasch aufblühenden Bergbaus auf den Blei-
erzgängen d. Insel Sardinien; seit 1S61
zurückgezogen auf seinem Landsitz b. Eise-
nach lebend, um sich ungestört natur-
wissenschaftl. Studien zu widmen. — W
u. L Leopoldina 32, 134. — W auch Cat.
Roy. Soc. I, 498. 7, 219. 9, 297.
Cornelius, Karl Sebastian Prof. Dr., Philo-
soph u. Physiker: s. Sp. 84*.
Dannenberg, Ernst Georg, Apotheker, Liche-
nologe, * zu Bodenteich, Hannov., i.IV. 16;
t zu Fulda 4, XII. — L Ber. d. Ver. f. Na-
turk. zu Fulda 1898, XIII. — PM.
Dellingshausen, Nikolai Baron, Gross-
grundbesitzer auf Gut Kattentack in Esth-
land, Physiker, * zu St. Petersburg 5./17.
X. 27; f zu Riga IX./X. — Sohn d. russ.
General-Adjutanten Eduard Baron D. ; er-
zogen im Pagencorps zu St. Petersburg;
diente ein Jahr in d. russ. Garde; stud.
in Dorpat Mathem., Physik, Chemie u.
Astronomie; übernahm 1854 d. Verwaltung
seiner Erbgüter; 1868 esthländ. Ritter-
schaftshauptmann. — L 111. Ztg. 107, 460;
Poggendorff III, 349 (mit W).
Dietzell, B.E., Agrikulturchemiker; s.Sp.65*.
*Du Bots-Reymond, Emil, Dr. med.. Geb.
Med.-Rath, ordentl. Prof. f. Physiologie
u. Direktor d. Physiolog. Laboratoriums
an d. Univ. Berlin, Stand. Sekretär d.
dortigen Akad. d. Wissensch., * ebenda
7. XI. 18; t daselbst 26. XII : s. BJ I,
125. — L BJ II, 9 •; Nord u. Süd 6
(1878), 152 (I. Rosenthal, mit P); 111. Ztg.
108, 44; Leopoldina 33, 50; Deutscher
Hausschatz 23, 331 (Dr. H. K., mit P);
Verhandlungen d. physiol. Gesellsch. zu
Berlin 16, 6 u. Biolog. Centralblatt 1897,
81 (I. Rosenthal); Almanach d. Wiener
Akad. d. Wissensch. 1897, 318 (J. Hann);
Umschau 1897, No. 2 (P. Jensen); Sitzungs-
ber. d. MUnch. Akad. d. Wissensch.,
math.-phys. Kl., 1897, 423 (C. Voit);
Naturwissenschaft!. Rundschau 1897, 87
91
Todtcnliste 1896: XIV. Naturforscher.
92'
(J. Bernstein); Gaea 1897, 177 (mit P);
Ztschr. f. d. Reform d. höh. Schulen 1897,
7 (E. Gystrow, Du B.-R. u. d. moderne
Schule); Abhandl. d. Berliner Akad. d.
Wissensch. 1898 (VV. Engelmann, Ge-
dächtnisrede); Revue Neo-Scolastique IV,
I (J. F. Heymans); Revue de 1* Univ.
de Bruxelles II, 8, 561 (P. Heger). — W
Kukula 150. Suppl. 57; KL 1896, 250;
Poggendorff, I, 228. III, 152; Cat. Roy.
Soc. 2, 350. 7, 561. 9, 739. — P auch
111. Ztg. 108, 46 (nach Photogr.); Nord
u. Süd 6 (1878), Heft 2 (nach A. Menzel);
BJ I (Heliogr. nach Photogr.).
Dürrnberger, Adolf, Dr., Hof- u. Gerichts-
advok., Vizepräsident d. Museum-Francisco-
Carolinum in Linz, verdient um die Landes-
flora, * zu Linz 4. VI. 38; f ebenda 26. X. —
L Jahresber. d. Francisco- Carolinum 55,
LXVII (Nicoladoni, mit W u. P). — PM.
♦Fleck (nicht Feck), Wilhelm Hugo, Dr.
phil., Hof rat h, Prof. f. Chemie am Poly-
techn. in Dresden, seit 1871 zugleich Vor-
stand d. dortigen ehem. Centralstelle f.
öfTentl. Gesundheitspflege, * zu Döbeln im
Kgr. Sachsen 29. III. 28; f zu Dresden
9. IV.: s. BJ I, 411. — Ursprünglich
Pharmaceut; dann techn. Chemiker in d.
Blutlaugensalz- u. Phosphorfabrik zu Freu-
denstadt im Schw.; 1852 Assistent, 1862
Prof. am Polytechn. in Dresden; 1857 auch
Lehrer d. Physik u. Chemie an d. medicin.-
chirurg. Akad. daselbst. — L BJ II, 10 *
(irrthUml. unter Feck); Leopoldina 32, loi ;
Poggendorff III, 450 (mit W). — W auch
Cat. Roy. Soc. 7, 675. 9, 880.
Flohr, Julius, Entomolog, * zu Hamburg
, f tu Veracruz in Mexiko . . .
III. — Gieng 1862 nach Mexiko; erst im
Bankwesen thätig, dann sich ausschliessl.
d. Entomologie widmend; Besitzer der voll-
ständigsten Sammlung der in Mexiko leben-
den Käfer. — L 111. Ztg. 106, 368; Leo-
poldina 32, 138; Deutsche Entomolog.
Ztschr. 1896, 367 (G. Kraatz).
FouUon de Norbeeck, Heinrich Freih.,
Bergrath, seit 1896 Chefgeolog d. Geolog.
Reichsanstalt zu Wien, welcher er bereits
1878 — 93 angehört hatte; 1893—96 in d.
bosn.-herzegowin. Landesverwaltung Refe-
rent üb. d. Montanwesen, • zu Gaaden b.
Heiligenkreuz 12. VIL 50; f, von Einge-
bornen getödtet, auf d. Insel Guadalcanar
d. Salomon-Archipels 10. VIII. — L 111.
Ztg. 107, 367; Freiherrl. Taschenb. 1897,
254. 1205; Jahrb. d. k. k. geolog. Reichs-
anstalt 47, I (C. V. John); Deutsche Rund-
schau f. Geographie u. Statistik 20, 376
(mit P); Geogr. Jahrb. 20, 470; Petermanns
Mittheilungen 1896, 243. — W auch Cat.
Roy. Soc. 9, 907.
Gschwandner, Sigisround, OSB., Physiker
u. Philosoph; s. Sp. 85*.
Gundlach, Johannes, Dr., wissenscbaftl.
Erforscher d. Insel Cuba, • zu Marburg
17. VII. 10; t zu Habana 12. III. — L
BJ I, 61 *; Leopoldina 32, loi. — W auch
Cat. Roy. Soc. 3, 87. 7, 868. 10, 89. —
PM d. Herrn Oberrealschuldir. Prof. Dr.
Ackermann in Kassel.
Guttenberg, Gustav Ritter v., Prof. d. N.itur-
wissensch. an d. Centralschule zu Pittsburg
in Nordamerika, * zu Tamsweg im Salz-
burg. 10. V. 44; -f tu L.iaben b. Alt-
Lengbach 29. VI. — L 111. Ztg. 106, 41.
— PM.
Herder, Ferdinand Gottfried Theobald
Max v., Dr. phil., russ. Hofratb, früher Bil)-
liothekar am kaiserl. Botan. Garten in St.
Petersburg, Vorstand d. Naturwissenschaftl.
Vereins Pollichia, Enkel u. letzter männl.
Nachkomme des Dichters, • zu Grünstadt
in d. Pfalz ; f ebenda 7. VI. —
1856 wissenschaftl. Beamter am Botan.
Garten zu St. Petersburg, 1868—81 dessen
Bibliothekar. — L 111. Ztg. 106, 758. 107,
100; Leopoldina 32, 125. 133 (mit W). —
W auch Cat. Roy. Soc. 3, 306. 7, 957.
10, 201.
Hosius, August, Dr. phil., Geh. Reg.-Rath,
ordentl. Prof. f. Geognosie u. Mineralogie
u. Vorsteher d. mineralog. u. paläontolog.
Sammlung an der Akademie zu Münster
i. W., * zu Werne in Westph. 23. X. 25;
t zu Münster i. W. 10. V. — Stud. Mathe-
matik u. Naturwissensch. zu Bonn u. Berlin ;
1850 Promotion in Bonn; 1855 ordentl.
Lehrer am Gymn., seit 1862 zugleich ausser-
ordentl. Prof. f. Geognosie an d. Akad. in
Münster; 1869 Oberlehrer am Gymn.; seit
1875 ordentl. Prof. an d. Akad. ~ L 111.
Ztg. 106, 639; Leopoldina 32, 103; Poggen-
dorff III, 659. — W Leopoldina u. Poggen-
dorff a. a. O.; Kukula 387 ; Cat. Roy. Soc. 3,
445. 7, 1019. 10, 276.
Kanitz, August, Dr. phil., Prof. d. Botanik
u. Direktor d. Botan. Gartens an d. Univ.
Klausenburg, • zu Lugos 25. IV. 43; f
zu Klausenburg . . . VII. — L 111. Ztg.
107, 125; Minerva 5, 365; Leopoldina 32,
137 (mit W). — W auch Cat. Roy. Soc.
3, 606. 8, 52. 10, 372. — KA.
*Keku]6 von Stradonitz, Friedrich August,
Dr. phil. et med.. Geh. Reg.-Rath, Prof.
f. Chemie an d. Univ. Bonn, * zu Darra-
stadt 7. IX. 29; t zu Bonn 13. VII.: s. BJ
I, 412. — L BJ II, 21 ♦; Biogr. Bll. 1896,
411 (J. H. van t* Hoff); Nachrichten d.
Götting. Gesellsch. d. Wissensch., Geschäftl.
Mittheil. 1897, 75 (Wallach, Gedächtnis-
rede); Sitzungsber. d. MUnch. Akad. d.
Wissensch. math.-phys. Kl., 1897, 414
93'
Todtenliste 1896: XIV. Naturforscher.
94"
(C. Voit); Almanach d. Wiener Akad. d.
Wissensch. 1897, 312 (J. Hann); Guber-
natis II, 1264; Naturwissenschaft!. Rund-
schau 1896, 437 (Wallach); Leopoldina 32,
135 f* Berichte d. Deutschen ehem. Gesellsch.
29, 2, 1971 (H. Landolt); 111. Ztg. 107,
100; Bücher- Verzeichnis d. Bibliothek d.
Farbenfabriken vorm. F. Bayer u. C'e. in
Elberfeld. Kekule-Bibliothek. Elberf. 1898.
— W KL 1896, 622; Kukula428; Poggen-
dorff I, 1237. 111, 711; Cat. Roy. Soc. 3,
629. 8, 58. 10, 381. — P 111. Ztg. 107, 99.
Krutzsch, Hermann, Dr. phil., Prof. an d.
Forstakad. zu Tharandt, Physiker u. Mete-
orolog; s. Sp. 68*.
Lilienthal, Otto, Ingenieur, Physiker u.
Techniker; s. Sp. 78*.
Müller. Ferdinand, Freih. v., Dr. med. et
phil., Regierungsbotaniker zu Victoria in
Australien, * zu Rostock 30. VI. 25; f zu
Melbourne 9. X. — Stud. in Kiel Phar-
mazie u. Botanik; siedelte nach d. Tode
seiner Eltern wegen Schwindsuchtsgefahr
1847 nach d. Kolonie Victoria in Australien
über; als Forschungsreisender bei Auf-
schliessung d. tropischen Australien be-
theiligt; seit 1852 Regierungsbotaniker f.
d. Kolonie Victoria, Direktor d. Phytolog.
Museums u. eine Zeit lang Direktor des
Butan. Gartens zu Melbourne. — L Frei-
herr!. Taschenb. 1897, 670. 12 13; Leo-
poldina 32, i$o. 183. 33, 15 (M. Hollrung).
142 (Drude); Globus 70, 308; Gardeners
Chronicle 1896, 464; Jahreshefte d. Ver.
f. Naturk. VVürttemb. 53, LXXU (Lampert);
Berichte d. Deutschen Botan. Gesellsch.
15, Generalvers.-Heft, 56 (O. Warburg);
Naturwissenschaft!. Rundschau 1897, 103
(I*. Graeber); Sitzungsber. d. Münch. Akad.
d. Wissensch., math.-phys. Kl., 1897, 436
(C. Voit); 111. Ztg. 1879 No. 1855; 1896,
No. 2782. — WLeopoldina 33, 143 (Drude);
Cat. Roy. Soc. 4, 515. 8, 459. 10, 874.
— P 111. Ztg. No. 1855 (18. Jan. 1879).
Müller, Johannes (Jean=Müll. Arg.), Dr.
phi!., Direktor d. Botan. Gartens u. Conser-
vator d. städt. Herbariums Delessert in
Genf, bis 1886 ordentl. Prof. f. medizin.
Botanik an d. dortigen Univ., * zu Teufen-
ihal (Aargau) .... 28; + zu Genf 28. 1.
— L III. Ztg. 106, 193. 217; Leopoldina
32, 22. 58 (mit W); Gubernatis III, 1517
(mit W); Berichte d. deutschen botan.
Gesellsch. 14, 55 (R. Chodat, mit W). —
W auch Cat. Roy. Soc. 4, 521. 8, 463.
10, 878. — KA.
♦Röttger, Rudolf, Physiker; s.Abth.XXlIL
*Schadenberg , Alexander, Dr. phil.,
Philippinenforscher, * zu Breslau 27. VI.
52; f zu Capiz (Insel Panay) 15. I.: s.
BJ I, 428. — L BJ II, 38 ♦; Leopoldina
32, 60. — W auch Cat. Roy. Soc. 11,
296. — Vgl. Sp. 84».
Schickendantz, Friedrich, Prof., Che-
miker, früher Rektor d. Nationalkollegs
V. Cantamarca, hierauf Prof. f. Physik u.
Chemie am Kolleg von Tucuman, wo er
d. ehem. Laboratorium gründete u. wichtige
Verbesserungen auf industriellem Gebiete
einführte, * zu Landau in d.
Pfalz; f zu Buenos Ayres 4. IV. — L
Leopoldina 32, 133; 111. Ztg. 106, 601.
— W Cat Roy. Soc. 5. 461. 8, 854. 11,
305.
^Schiff, Moritz, Dr. med., ordentl. Prof. f.
Physiologie an d. Univ., Direktor d. Phy-
siolog. Laboratoriums an d. Ecole de
Medecine in Genf, * zu Frankfurt a, M.
28. I. 23; t zu Genf 6. X.: s. BJ I, 159.
— L BJ II, 38 •; III. Ztg. 107, 495;
Leopoldina 32, 150. 182; Poggendorff 111,
1188. — WKL 1896, 1148; Poggendorff
a. a. O.; Cat. Roy. Soc. 5, 464. 8, 856,
II, 306. — P III. Ztg. 107, 495.
Schmitt, Konrad, Dr. phil., Hofrath, Di-
rektor d. Schmitt' sehen Laboratoriums u.
Lebensmittel-Untersuchungsamtes in Wies-
baden, 'zu ; t «u Wiesbaden
23. I. — L 111. Ztg. 106, 136; Leopoldina
32, 58 (mit W). — W auch Cat. Roy. Soc.
II, 328. — KA.
'''Schöne, Hermann Emil, Dr. med. et ehem.,
Staatsrath, ordentl. Prof. d. Chemie an d.
Petrowsky'schen Akad. zu Moskau, • zu
Halberstadt 7. IV. 38; f zu Moskau 6./18.
V.: s. BJ I, 414. — L BJ II, 39 •; Leo-
poldina 32, 133; Berichte d. Deutschen
Chem. Gesellsch. 29, 2, 1537 (H. Landolt).
— W Poggendorff III, 1205; Cat. Roy.
^oc. 5, 535. 8, 881. II. 335.
♦Seil, Eugen, Dr. phil.. Geh. Reg.-Rath,
techn. Leiter d. Laboratoriums u. Mitgl.
d. Reichsgesundheitsamtes, ausserordentl.
Prof. f. Chemie an d. Univ. Berlin u. Prof.
f. Chemie d. Nahrungsmittel u. Geschichte
d. Chemie an d. Techn. Hochsch. zu Char-
lottenburg, • zu Bonn 5. IV. 42; f zu
Berlin 13. X.: s. BJ I, 209. — L BJ II,
39 •; Leopoldina 32, 184; Berichte d.
Deutschen Chem. Gesellsch. 29, 3, 2425
(H. Landolt). 4, 1199 (K. Windisch). —
W Poggendorff III, 1295; Kukula 860.
Suppl. 231 ; Cat. Roy. Soc. 5, 633. 8, 931.
II, 386.
*Simony, Friedrich, Geolog u. Geograph,
Dr. phil., Hofrath, Prof. f. Erdkunde an
d. Univ. Wien a. D., • zu Hrachowteinitz
in Böhmen 13. XI. 13; f zu St. Gallen
in Steiermark 20. VII.: s. BJ I, 332. —
L BJ II, 40 •; 111. Ztg. 107, 156; Geo-
graph. Ztschr. 1896, 657 (K. Pcucker);
Leopolciina 32, 135; A. Penck, F. S. Leben
Qc* Todtenliste 1896: XIV. Naturforscher. XV. Bthnogr., Geogr., Forschungsreis. ^6*
u. Wirken eines Alpenforschers. Wien 1898
(= Geograph. Abhandl. VI, 3); Geogr.
Jahrb. 20,480 (W. Wolkenhauer); Deutsche
Rundschau f. Geogr. u. Statistik 6, 331
(mit P); Mittheilungen d. Deutsch. Oesterr.
Alpen Vereins 1896, 174 (E. Richter). —
W Penck a. a. O. ; Poggendorff III, 1251 ;
Cat. Roy. Soc. 5, 705. 8, 959. 11, 420. —
P Penck a. a. O.; 111. Ztg. 107, 156.
Sommerfeld, A. v,, Lepidopterologe, 30 J. ;
f zu Santa Leopoldina in Brasilien 17.
IV. -- L Leopoldina 32, 133.
Stohl, Lucas, Dr. med., Botaniker; f zu
Wien 10. XI. — L Lcopoldina 32, 189;
Wurzbach 39, 129.
^Stolze], Carl, Prof. f. ehem. Technologie
an d. Techn. Hochsch. zu München ; s.
Sp. 81*.
Westhoff, Friedrich (Pseudon.: Dr. Lon-
ginus), Dr. phil., Privatdozent f. Zoologie
an d. Akad. zu Münster, Vorsteher d. West-
fal. Gruppe d. Deutschen Anthropolog.
Gesellsch., einer d. besten Kenner d. west-
fäl. Thier- u. Pflanzenwelt, • zu Münster
i. W. 8. IX. 57; t daselbst 12. XL — L
Ztschr. f. Vaterland. Gesch. u. Altcrthumsk.
Westfalens 54, 186; Natur u. Offenbarung
42, 768 (A. Westrick); Der Westfale 1896,
No. 310. 1897 No. 7. 8; Münster. Anz.
1897 No. 8; Jahrb. d. Westf. Provinzial-
ver. 25, 31 (H. Reeker, mit P); VVestfäl.
Merkur 1897 No. 14. — IV KL 1896,
1440; Kukula Suppl. 261; Cat. Roy. Soc.
II, 787; Keiter 4, 227.
*Wolff, Emil V., techn. Chemiker, vormals
Prof. an d. Landwirtschaftl. Akad. zu
Hohenheim; s. Sp. 68*.
XV. Ethnographen, Geographen, Forschungsreisende.
^Curtius, Ernst, Archäolog u. Philolog,
Junger Karl Ritters; s. Sp. 98*.
Dallmann, Eduard, Schiffskapitän, Führer
von Forschungsexpeditionen, d. erste
deutsche SUdpolarfahrer, * zu Blumenthal
in Hannover 18. III. 30; f daselbst 23.
XII. — In den 50er Jahren an d. SUdsee-
fischcrei beiheiligt; 1873/4 Führer d.
Dampfers »Grönland« nach Grahamland;
1878 im Auftr. d. Barons L. v. Knoop
Fahrten von d. Weser durch d. Karische
Meer nach d. Mündung d. Jenissei; 1884/5
Führer d. Dampfers »Samoa« auf d. Ent-
deckungsfahrt Otto Finschs an d. Küste
v. Neuguinea. — L Geogr. Jahrb. 20, 467
u. Globus 71,68 (W. Wolkenhauer); 111.
Ztg. 107, 531 (M. Lindeman, mit P);
Deutsche Geogr. Blätter 1897, 92.
♦Egli, Johann Jakob, Dr., ausserordentl. Prof.
f. Geographie an d. Univ. Zürich, * zu
Uhwiesen-Laufen im Kanton Zürich 17. V.
25; t zu Zürich 24. V.: s. BJ I, 367. —
L BJ II, 10 *; Geogr. Ztschr. 1896. 601
(E. Oppermann): Leopoldina 32, 145 (mit
W): Geogr. Jahrb. 20, 469 u. Globus 70,
196 (W. Wolkenhauer); Deutsche Rund-
schau f. Geogr. u. Statist. Bd. 8 (mit P):
Ztschr. f. Schulgeogr. 18,25; Hinrichsen '
132; Oriental. Bibliogr. 10, 153. — W auch
KL 1896, 269: Kukula 162. Suppl. 60:
Cat. Roy. Soc. 7, 602.
Eltz, A. V., Afrikaforscher; s. Sp. 18*.
Foullon de Norbeeck, Heinrich Freih.
V., Geolog, betheiligt an Forschungsreisen;
s. Sp. 91*.
*Grün, D i o n y s i u s v., Regierungsrath,
1876 — 85 Prof. f. Geographie an d.
Deutschen Univ. Prag, * zu Prerau in
Mähren 18. I. 19; f zu Prag i. L: s. BJ
II, 437. — L Geogr. Jahrb. 20, 471 (W.
Wolkenhauer). — AM.
Gundlach, Johannes, Dr., Cubaforscher:
s. Sp. 92*.
Haas, Joseph, österr.-ungar. Generalkonsul
in Shanghai, Kenner Chinas; s. Sp. 29*.
*Humann, Karl, Dr., Architekt u.Archäolog,
auch Kartograph; s. Sp. 78*.
*Kapp, Ernst, Dr., Geograph, ♦ zu Ludwig-
stadt in Oberfranken 15. X. 1808; f zu
Düsseldorf 30, I.: s. BJ I, 368. — L BJ
II, 21 ♦; Deutsche Rundschau f. Geogr.
u. Statist. 20, 40 (mit P), Globus 69, 164
u. Geogr. Jahrb. 20, 472 (W. Wolken-
hauer).
*Kubary, Johann Stanislaus, Reisender u.
Ethnograph, ♦ zu Warschau 1846: f in
Ponape 9. (?) X.: s. BJ I, 324. — L BJ
II, 24 *: Geogr. Jahrb. 20, 473 (W. Wol-
kenhauer); Globus 71, 214 (mit W). —
W auch Cat. Roy. Soc. 10, 471.
Lehnert, Joseph Ritter v., Kontreadmiral,
Vizepräsident der k. k. Geogr. Gesellsch.
in Wien; s. Sp. 63^.
*Leuzinger, Rudolf, Kartograph, • zu
Netstal im Kanton Glarus 17. XII. 26; f
zu Mollis (ebenda) 11. I.: s. BJ I, 369.
— L BJ II, 25 *; Deutsche Rundschau
f. Geogr. u. Statist. 18, 279 (mit P):
Jahrb. d. Schweiz. Alpenklubs 1896, 296
(mit P); Geogr. Jahrb. 20, 474 u. Globus
69, 116 (W. Wolkenhaucr).
Levido, E. N., austral. Kolonist, einer der
ersten Pioniere auf d. nördl. York-Halb-
insel; s. Sp. 65*.
Q*j* Todtenl. 1896: XV. Etbnogr.,Geogr.,Forschungsr. XVI. Sprachf.,Philol.,Lilterarh. ng*
Liebscher, Georg, Dr., Prof. f. Landwirth-
schaft an d. Univ. Göttingen, Japanforscher;
s. Sp. 65*.
Lüders, Carl Wilhelm, Vorsteher d. Mu-
seums f. Völkerkunde in Hamburg; als
Kaufmann längere Zeit in Chile, dann auf
Reisen: Sammler ethnograph. Gegenstände,
* zu St. Paul b. Hamburg 23. V. 23;
+ zu Hamburg 7. XI. -- L Internat. Archiv
f. Antbropol. 9, 272; Geogr. Jahrb. 20, 474
(VV. Wolkenhauer); CorrespondenzbJ. d.
deutschen Gesellsch. f. Anthropologie 1898,
59. — P Platinotypie im Museum f.
Völkerkunde zu Hamburg. — AM.
Müller, Ferdinand Freih. v., Dr., Regie-
rungsbotaniker d. Kolonie Victoria, For-
schungsreisender; s. Sp. 93*.
Neumann, Theodor, früher österr. Konsul
in Kairo u. Patras; schrieb über d. mo-
derne Aegyptcn, 62 J., f zu Graz 22. VL
— L 111. Ztg. 107, II.
*No2, Heinrich August, Dr. phil., Reise-
schriftsteller u. Novellist, * zu München 16.
VII. 3S: t 2U Bozen 26. VIII.; s. BJ I, 447.
II, 417. - L BJ II, 33 •: 111. Ztg. 107,
317 (Ph. J. Ammon, mit P); Globus 70,
212 u. Geogr. Jahrb. 20, 476 (W. Wolken-
hauer); Hinrichsen* 436. — W KL 1896,
909: Brummer* 3, 153.
*Opperinann , Andreas, Rechtsanwalt,
Kunst- n. Reiseschriftsteller; s. Sp. 120*.
*Omstein, Bernhard, Generalarzt d. griech.
Armee, Anthropolog u. Ethnograph; s.
Sp. 126*.
*Rohlfs, Gerhard (Pseudon. :MustafaBei),
Dr. phil., Hofrath, kaiserl. deutscher Gene-
ralkonsul, Afrikareisender, * zu Vegesack
14. IV. 31; t 2U Rungsdorf b. Godesberg
2. VI.: s. BJ I, 32s. — L BJ n, 36 ♦;
111. Ztg. 106, 727 (mit P); Westermanns
Monatshefte 82, 565 (G. Schweinfurth) :
Geogr. Nachrichten 1896, 129 (T.); Globus
70, 31, Deutsche Rundschau f. Geogr. u.
Statistik 18, 518 (mit P), Deutsche Geogr.
Blätter 19, 165 (mit W; u. Geogr. Jahrb.
20, 478 (W. Wolkenhauer); Leopoldina
32, 94. 107; Sitzungsber. d. Münch. Akad.
d. VVissensch., math.-phys. KI., 1897, 450
(C. Voit); Deutsche Revue 21, 4, iii
(O. Tippel, Ein ungedr. Brief v. G. R.
üb. Kolonialpolitik); Geographica! Jourjial
8, 2. — W auch KL 1896, 1052; Poggen-
dorflf III, II 36; Cat. Roy. Soc. 5, 258.
8, 770. II, 208. — P auch Deutscher
Hausschatz 22 Beil. 54.
*Rüdinger, Nikolaus, Anatom u. Anthro-
polog; s. Sp. 127*.
^Schadenberg, Alexander, Philippinen-
forscher; s. Sp. 84* u. 93*.
*Seelstrang, Arthur v., Mathematiker u.
Geograph: s. Sp. 87*.
^Simony, Friedrich, Alpenforscher; s.
Sp. 94*.
Wemich, Agathon, Reg,' u. Medizinal-
Rath, Forscher auf d. Gebiete d. medizin.-
geograph. Pathologie; s. Sp. I29*.
Wichmann, Ernst Heinrich, Hauptlehrer in
Hamburg, Geograph, bes. Schulschrift-
steller, • zu Hamburg 7. IV. 23; f zu
Dresden 11. III. — L Ztschr. f. Schul-
geogr. 1896, 219; Mittheilungen d. Ver.
f. hamburg. Gesch. 6, 3, 405; Geogr.
Jahrb. 20, 484 ( W. Wolkenhauer, mit W) ;
Schröder, Hamburg. Schriftstellerlex. 8,
III. — AM.
XVI. Sprachforscher, Philologen, Litterarhistoriker.
* Appell, J, Wilhelm, Litterarhistoriker,
früher Bibliothekar am South Kensington
Museum in London, * zu Offenbach a. M.
17. IV. 29; f zu London 8. L: s. BJ I,
3. — L BJ II, 2 *; Goethejahrb. 18,
302 (L. G.[eiger]). — W KL 1896, 22.
Bergenroth, Julius, Dr. phil., Gymn.-Ober-
lehrer a. D., als solcher u. als Stadtver-
ordnetenvorsteher bis I. X. 1883 in Thom,
Ehrenbürger d. Stadt Thorn, 1871 — 85
Vertreter d. W^ahlbezirks Thorn-Kulm im
preuss. Abgeordnetenhause (Fortschritt),
* zu Marggrabowa 10. VL 17; f zu Berlin
24. II. — L 111. Ztg. 106, 277. — AM.
Bollensen, Friedrich, Prof., Sanskritist, *
zu Rossdorf 12.L 1809, f zu Wiesbaden 29.
IL — L Deutsche Ztschr. f. Geschichts-
wissensch. N. F. i: Monatsbll. 59; Bei-
Biogr. Jahrb. a. Deutscher Nekrolog. 3. Bd.
träge z. Kunde d. indogerman. Sprachen
24i 173 (W. Neisser).
^Brunnemann, Karl, Dr. phil., Realgym-
nasialdirector a. D., Philolog, Historiker,
Litterarhistoriker, ♦ zu Berlin 17. X. 23;
t 2U Dürkheim a. H. 26. IX.: s. BJ I, 44.
— L BJ II, 6 •; Hinrichsen» 81 (mit W).
— W auch KL 1896, 161.
Buresch, Karl, Dr. phil., Privatdozent f.
klass. Philologie an d. Univ. Leipzig, ♦
zu Hannover 28. VIII. 62 : f zu Athen 10. HI.
— L Deutsche Ztschr. f. Geschichtswis-
sensch. N. F. i : Monatsbll. 32: O. Ribbeck
in: K. Buresch, Aus Lydien. Leipzig 1898.
S. IV (= O. Ribbeck, Reden und Vor-
träge. Leipzig 1899. S. 268, mitW). —
W auch Kukula 104. Suppl. 39.
♦Curtius, Ernst, Dr. phil,, Geh. Reg.-Rath,
d
99'
Todtenliste 1896: XVI. Sprachforscher, Philologen, Litterarhistoriker. lOO*
ordentl. Prof. f. klass. ArchKologie an d.
Univ. Berlin, • zu Lübeck 2. IX. 14; f
zu Berlin 11. VII.: s. BJ I, 56. — L BJ
I, 56 *. II, 7 •; 111. Ztg. IÖ7, loi (mit
P) ; Hinrichsen « 104 (mit W) : Pökel, Phi-
lolog. Schriftstellerlex. 55 (mitW); Eck-
stein, Nomenclator philologorum 108 : Born-
müller, Biogr. Schriftstellerlex. 1 57 (mit W) :
Gubernatis II, 748 (mit W); Nord u. Süd
36, 51 (G. Hirschfeld, mit P); Gegenwart
50, 119 (Kekule); Geogr. Jahrb. 20, 467
(W. Wolkenhauer); Deutsche Revue 22,
2i 329. 3, 87. 234 (H. Geizer): Deutsche
Bauztg. 1896, 363; D. humanist. Gymna-
sium 1896, 157 (G. Uhlig): American
Journal of Philology 19, 121 (R. P. Keep);
Berliner Philolog. Wochenschrift 1898 Nr.
I; *Ear{a 1895, 132; Nation 1896 Nr. 42,
632 (S. Mekler); Revue de 1' Univ. de
BruxcUes 2 Nr. 1 (W. Vollgraff) ; Atti della
R. Accad. di Scienze di Torino 32, i, 70
(E. Ferrero); Üeber Land u. Meer 38 Nr. 44
(Fr. Colberg, mit P); Deutsches Wochen-
blatt 9 Nr. 30 (E. Dryander. Gedächtnis-
rede); Acad. Revue 1896, 657 (Fr. Koepp);
Deutscher Hausschatz 22, Beil. 64 (mit P);
Dove, Ausgew. Schriftchen vornehml.
histor. Inhalts. Leipzig 1898. S. 403. — W
auch Kukula 125. Suppl. 46; KL 1896,
205; Nachrichten aus d. Buchh. 1894
Nr. 31, 269.
Dühr, August, Dr. phil., Gymn.-Prof. u.
Konrektor a. D., klass. Philolog, Litterar-
historiker u. Dichter, Uebersetzer aus dem
Deutschen ins Griechische (u. A. von
Goethes »Hermann u. Dorothea«), * zu
Stargard 10. IV. i8o6; f zu Friedland
in Mecklenb. 7. IX. — L III. Ztg. 107,
337. - W KL 1896, 251.
Dttmmler, Ferdinand, Dr. phil., ordentl.
Prof. f. klass. Philologie an d. Univ. Basel,
• zu Halle a. d. S. 10. II. 58; f zu Basel
15. XI. — L BJ I, 57 ♦; Deutsche Ztschr.
f. Geschichtswissensch. N. F. i : Monatsbll.
284. — W Kukula 152. Suppl. 57; KL
1896, 252.
•Eye, August von, Dr. phil., Novellist,
Aesthetiker, Kunst- u. Litterarhistoriker,
♦ zu Fürstenau 24. V. 25: "j* zu Nordhausen
10. (oder 13?) I.: s. BJ 1, 254. — L BJ
11, 10 ♦; Hinrichsen» 146 (mit W); BrUm-
mcr* I, 338 (mit W). 4, 441. — W auch
KL 96, 301 ; Nachrichten aus d. Buchh.
1896, 170.
«Götzinger, Ernst, Dr. phil., Prof. f.
deutsche Sprache u. Geogr. an d. Kantons-
schule zu St. Gallen, Germanist u. Histo-
riker, ♦ zu Schaflfhausen 23. IX. 37; f zu
St. Gallen 10. VIII.: s. BJ I, 231. — L
BJ II, 15 •; Deutsche Ztschr. f. Geschichts-
wissensch. N. F. I : Monatsbll. 256. — W
auch KL 1896, 405.
Grossmann, Georg, Gymn.-Rektor zu Bay-
reuth; s. Abth. XXII.
*Humann, Karl, Dr. phil., Geh. Reg.-Rath,
Direktor an d. Berliner Museen, Architekt
u. Arcbäolog, * zu Steele (Rheinprov.) 4.
^' 39« t zu Sroyma 12. IV.: s. BJ I, 369.
— L BJ II, 20 •; 111. Ztg. 106, 498;
Neue Heidelberger Jahrbb. 7, 121 (F. Duhn):
Jahrb. d. k. preuss. Kunstsammlungen 17,
157 (R. Schöne); Deutsche Bauztg. 1896,
204. 210 (R. Bohn); Geogr. Jahrb. 20,
471. — W Nachrichten aus d. Buchh.
1896 No. 86, 736. — P Hl. Ztg. 106, 497.
^Laistner, Ludwig, Dr. phil., Litterar.
Beirath d. Verlagsbuchhandlung Cotta
Nachf., Dichter, Litterarhistoriker u. My-
tholog, • zu Esslingen 3. XI. 45; f zu
Stuttgart 22. III.: s. BJ I, 142. — L BJ
II, 24*; Hinrichsen» 337 (mit W); Brum-
mer* 2, 367 (mit W). 4, 447; Jahresbe-
richte f. neuere deutsche Litteraturgesch.
7, I, 2, 50. 51; Anzeiger f. deutsches AI-
terth. u. deutsche Litt 22, 336. — W
auch KL 1896, 719.
Miclck, Wilhelm Hildemar, Dr. phil.. Vor-
stand d. Vereins f. niederd. Sprachforschung,
• 17. X. 40; t zu Hamburg 16. III. —
L Mittheilungen d. Museumsver. in Ham-
burg 1896 Nr. II, 169; Mittheilungen
d. Ver. f. Hamburg. Gesch. 6, 3, 405;
Korrespondeozbl. d. Vereins f. niederd.
Sprachf. 18, 49 (A. Reiflferscheid); Jahrb.
d. Ver. f. niederd. Sprachf. 21, i (C.
Walther, mit W u. P); Jahresberichte f.
neuere deutsche Litteraturgesch. 7, I, 2,
48. 49; Anzeiger f. deutsches Alterth. u.
deutsche Litt. 22, 336.
*Ofterdinger, Ludwig, Mathematiker u.
Litterarhistoriker; s. Sp. 87*.
^Roquette, Otto, Dr. phil.. Geh. Hofrath,
ordentl. Prof. f. Gesch. u. Litt, an d. Techn.
Hochsch. in Darmstadt, * zu Krotoschin
19. IV. 24; f zu Darmstadt 18. III.: s.
BJ I, 139. -. L BJ II, 37 •; 111. Ztg.
106, 369 (L. Salomon); Brummer* 3, 343
(mit W). 4, 452; Hinrichsen > 528 (mit W);
Bornmüller, Biogr. Schriftstellerlex. 608
(mit W); Goethejahrb. 18, 294 (L. G.[ei.
ger]). — W auch Kukula 763. Suppl. 207 ;
Nachrichten aus d. Buchh. 1896 No. 67,
566; Othmer*, 451 ; KL 1896, 1056. —
P 111. Ztg. 106, 369 (nach Photogr.).
Rost, Rein hold, Dr. phil, Orientalist, •
zu Eisenberg in Sachsen-Altenburg 2. II.
22; t zu Canterbury 7. (8?) II. — Stud.
in Jena; 1847 Dr. phil.; seit 1848 in Eng-
land Lehrer d. oriental. Sprachen, nach
einigen Jahren Lektor am St. Augustine's
College in Canterbury u. Sekretär d. Royal
ioi* Todtenl. 1896: XVI. Sprachforscb.,Pbilol.,Litterarhi8t. XVII. Geschichtsforsch. 102*
. Asiatic Society; 1869—93 Bibliothekar d.
Indischen Amts; seitdem im Ruhestand.
— L BJ II, 37 ♦; Globus 69, 179 (W.
W.[olkenhauer]) ; Deutsche Ztschr. f. Ge-
schichtswissenscb. N. F. i : Monatsbll. 60;
Mittheilungen d. Gesch.- Ver. v. Eisenberg.
12, I (O. Weise): Oriental. Bibliographie
10, 7. 154 (Asiatic Quarterly Review i,
437; Proceedings of the Asintic Society
of Bengal 1896, 50; Athenaeum 1896,
Febr. 15, 218; Academy 49, 140; Sitzungs-
ber. d. Münch. Akad. d. Wissensch., phi-
los.-phiIoI.-hist. Kl., 1896, 1 52 (W. v.Christ) ;
Mttnch. Neueste Nachr. 1896, 75 ([R.]
S.[iroon]): Journal of the Royal Asiatic
Society 1896, 367; Ztschr. f. afrikan. u.
ozean. Sprachen 2, 288; T*oung Pao 7,
. 175 (H. C.[ordier])).
^Rudolph, Wilhelm, Oberlehrer a.D. an
d. Luisenschule zu Berlin, Pädagog u.
Litterarhistoriker ; s. Abth. XXII.
Sabell, Eduard Wilhelm, Dr. phil., Journalist
u. Litterarbistoriker: s. Abth. XXIIT.
Sauer, Karl Marquard (Pseudon. : M. A 1 1 a n d),
Dr. phil., Reg.-Rath, Neuphilologu. Dichter,
* zu Mainz 18. I. 27; -f- zu Freiberg i. S.
4. IV. — i^ach absolviertem Gymn. sofort
Lehrer d. französ. u. italien. Sprache an
einem Privatinstitut in Frankfurt a. M.,
1850 in Wien; 2 jähr. Aufenthalt in Italien;
1857 Lehrer an d. Handelsschule in Leipzig;
1863 Prof. an d. Handelsakad. zu Prag;
1876 Direktor d. italien. Handelshochschule
(Fondazione Rivoltella) in Triest; 1885
k. k. Reg.-Rath; 1894 Ruhestand. — L
BornmUller, Biogr. Schriftstellerlex. 633
(mit W); Brummer* 3, 389 (mit W). 4,
453- — W auch KL 1896, 1086.
^Schmelzkopf, Eduard, Philolog u. Dichter,
* zu Saalsdorf (Braunschweig) 23. VI. 14;
f zu Bevem 18. V.: s. BJ I, 405. — L
BJ II, 38 •.
*Staub, Fritz, Dr. phil. h. c, Germanist
u. Lexikograph, * zu MMnnedorf am Zürich-
see 30. III. 26: f zu Zürich 3. VIII.: s.
BJ I, 235. — L BJ II, 40 \
•Stickel, Johann Gustav, Dr. theol. et
phil., Geheimrath, ordentl. Prof. f. morgen-
länd. Sprachen u. Litteratur an d. Univ.
Jena, Orientalist u. Numismatiker, * zu
Eisenach 18. VII. 180$; f zu Jena 21. 1.:
s. BJ I, 292. — L BJ II, 41 ♦; Allg. Ztg.
1896 Beil. 17 u. 28 (R. Fritzsche); Numis-
mat. Ztschr. 27, 213; Prot. Kirchenztg.
1896, 89 (Grabrede Hilgenfelds) u. 145
(Siegfried); Deutsche Ztschr. f. Geschichts-
wissensch. N. F. i : Monatsbll. 32 ; Oriental.
Bibliogr. 10, 7. 154. — W Kukula 898.
— P 111. Ztg. Nr. 2725 (21. IX. 1895).
^Strehlke, Friedrich, Dr. pbiL, Gymn.-
Director a. D., Litterarbistoriker, '* zuDan-
zig 8. III. 25; f zu Charlottcnburg i. IL:
s. BJ I, 319. — L BJ II, 41 ♦. — W
KL 1896, 1265.
Unger, Theodor, Adjunkt am Steiermark.
Landesarchiv in Graz, Sprachforscher u.
Numismatiker; s. Abth. XXV.
XVII. Geschichtsforscher*).
Anemüller, Bernhard, Archivrath, thüring.
Lpkalhistoriker; s. Abth. XXV.
Bergfeld, Karl, Geheimrath, thüring. Lokal-
historiker; s. Sp. 27*.
Borch, Leopold Freih. v., ♦ zu Güsen b.
Magdeburg 7. VI. 28 ; f zu Homburg v. d.
H. 15. X. — »Er hatte sich erst in höheren
Jahren d. Studium zugewandt u. hat dann
seit Ende d. 70er Jahre eine grosse Anzahl
von Schriften z. Verf.- u. Rechtsgesch.,
namentl. d. deutschen Mittelalters, publi-
ziit, die jedoch meist einen dilettantischen
Zug nicht zu verleugnen vermochten.« —
L Histor. Ztschr. 78, 377; KL 1896, 130
u. 1897, 138 (mit W); Keiter 5, 21 (mit
W). 262.
^Brückner, Alexander, Dr. phil, Kaiserl.
russ. Wirkl. Staatsrath, ordentl. Prof. f.
Geschichte i. R., * zu St. Petersburg 5. VIII.
34; t zu Jena i6. XI.: s. BJ I, 36. — L
BJ II, 6 ♦; Gubematis I, 1424 (mit W);
Deutsche Ztschr. f. Geschichtswissensch.
N. F. I : Monatsbl. 376; A. Lariviere, A. B.
Sa vie, son oeuvre. Paris 1897 (vgl. Deutsche
Litteraturztg. 18, 1543); Histor. Ztschr. 78,
377. — W auch Kukula 87. Suppl. 33.
*Bruimemann, Karl, Realgymn.-Dir. a. D.,
Philolog, Litteraturforscher u. Historiker;
s. Sp. 98*.
*Curtius, Ernst, Philolog, Archäolog u.
Historiker; s. Sp. 98*.
Dondorff, Karl Hellmuth, früher Prof. am
Joachimsthalschen Gymn. in Berlin, * zu
Bauer b. Greifswald 28. I. 33 ; f ^^ Gör-
litz 18. XI. — L Progr. d. Joachimsthal-
schen Gymn. 1899. — AM.
•d'Elvert, Christian, Politiker u. Histo-
riker; s. Sp. 30*.
•) Die Kirchenhistoriker sind unter Abth. XIX, die Kunsthistoriker unter Abth. XXVIII
aufgeführt.
d*
103'
Todtenliste 1896: XVIL Geschichtsforscher.
loV
^Götzlüger, Ernst, Germanist u. Historiker;
s. Sp. 99*.
THelbig , Friedrich, Landgerich tsrath,
Dichter und Kulturhistoriker; s. Sp. 119*.
*Honegger, Johann Jakob, Dr. phil., Gymn.-
Prof., Litterar- u. Kulturhistoriker, * zu
Dürnten b. Rapperswyl 13. VII. 25; f zu
Zürich 5. (od. 7.?) XI.: s. BJ I, 38. — L
BJ II, 20 ♦; Gubernatis 2, 1202 (mit W);
Hinrichsen ' 269 (roitW); Deutsche Ztschr.
f. Geschieh tswissensch. N. F. i : Monatsbll.
283; Bornmüller, Biogr. Schriftstellerlex.
346 (mit W); Brummer* 2, 198 (mit W). —
W auch KL 1896, 555; Börsen bl. f. d.
Deutsch. Buchh. 1896, No. 269, 7752. —
P 111. Ztg. 107, 630.
Jacob, Gottlieb Ernst, Hofrath, früher
prakt. Arzt in Römhild, thüring.-sächs.
Lokalhistoriker, * zu Themar 17. IX. 26;
f zu Bamberg 3. VI. - L lU. Ztg. 106,
791. — AM.
^Köhler, Gustav, General-Lieut. z.D., Verf.
kriegsgeschichtl. Werke; s. Sp. 52*.
Krause, Victor, Dr. phil., Mitarbeiter an
d. Monumenta Germaniae, * zu Striegau
in Schlesien 16. VIII. 65; f zu Falkenstein
im Taunus 9. III. — Erster Schulunterricht
auf d. höh. Bürgerschule seiner Vaterstadt,
dann Besuch d. Gymnas. zu Oels u. Lieg-
nitz; 1885 Uniy.-Stud. in Tübingen u.
Leipzig unter Leitung W. Arndts; seit
Mai 1889 Mitarbeiter d. Mon. Germ. b. d.
Abth. Leges; 1895 in Folge Erkrankung
nach d. Heilanstalt Falkenstein. — L
Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswissensch.
N. F. i: Monatsbll. 32 (mit W); Neues
Archiv d. Gesellsch. f. ältere deutsche
Geschieh tsk. 21, 772 (H. Bninner, mit W);
Histor. Ztschr. 76, 568.
Mette, Alexander, Gymn.-Prof. in Dort-
mund, Historiker auf d. Geb. d. Landes-
gesch. d. Rheinprovinz u. Westfalens,
auch Zeichner humorist. Darstellungen,
•zu Zerbst 18. VI. 37; f zu Dortmund
20. XI.. — L 111. Ztg. 107, 653; Ztschr. f.
Geschichtswissensch. N. F. i : Monatsbll.
376. — W Die Gegenreformation in Dort-
mund, in: Beiträge z. Gesch. Dortmunds
1875, 148; Gesch. d. Gymn. zu Dormund
1893. — AM.
Meyer, Heinrich, Stadtrath in Stettin, Ver-
leger der »Ostseeztg.«, Schriftsteller auf
d. Geb. d. Heimathskunde ; s. Abth. XXIV.
*Naud6, Albert, Dr. phil., ordentlicher Prof.
f. Geschichte an d. Univ. Marburg, * zu
Jüterbogk 13. XI. 58; f zu Marburg 17. XII.:
s. BJ I, 42. — L BJ II. 32 •; Deutsche
Ztschr. f. Geschichtswissensch. N. F. 2
(1897/8): Monatsbll. 62 (M. Immich). —
WKL 1896,891; Kukttla645. Suppl. 289.
Saurma von der Jeltsch, Hugo, Freih.,
Rittmeister a. D., schles. Lokalhistoriker,
Heraldiker u. Numismatiker; s. Sp. 54*.
Schlieben, Major a. D., Archäolog auf d.
Gebiete d. nassau. Gesch.; s. Sp. 54^.
*Treitschke, Heinrich Gotthard v., Dr.
phil.. Geh. Reg.-Rath, ordentl. Prof. f.
Gesch. an d. Univ. Berlin, * zu Dresden
15. DC. 34; t «« Berlin 28. IV.: s. BJ I,
377. — L BJ I, 72 •. II, 43 •; Hinrich-
sen 1 652 (mit W); Gubernatis III, 1850
(mit W); Brummer« 4, 217 (mit W); Bom-
müller, Biogr. Schriftstellerlex. 726; Biogr.
Blätter 2 , 427 (v. Zwiedineck - Süden-
hörst); 111. Ztg. 106, 558 (K. W., mit P);
AUg. Ztg. 1896, Nr. 186 Abendbl. 2
(H.[eigei;D. Beil. 132 (F. Krüger, H. v. T.
als akad. Lehrer). 1897 Beil. 185 (G. E.,
Litterarisches u. Litterarhistorisches v. T.).
1898 Beil. 139 (K. Th. Heigel); Deutsche
Ztschr. f. Geschichtswissensch. N. F. i:
Monatsbll. 1,65.96 (E. Marcks); Mitthei-
lungen d. Gesellsch. f. Deutsche Erziehungs-
u. Schulgesch. 7, 259 (St[ürenburg], Aus
H.v.T.'s Schtllerzeit); Reichsanzeiger 1896,
2. Mai (G. Schmoller); Nationalztg. 1896,
31. Mai (Frenzel); Militärwochenbl. 1896,
X 159; Deutscher Hausschatz 2^, 48 (mit P);
Velhagen u. Klasings Monatshefte 1896,
Aug., 625 (Schiemann, mit P); Neue Hei-
delb. Jahrbb. 7, 17 (R. du Moulin-Eckardt,
T. u. d. Elsass); English Historical Review
12, 727 (J.W.Headlam); Neue Zeit 1895/96,
2, 193; Deutsche Rundschau 1896, i, 94
(H. Grimm); Pttdagog. Blätter (T.'s Urtheil
üb. Volks- u. Lehrerbildung); Th. Schie-
mann, H. V. T.'s Lehr- u. Wanderjahre.
2. Auü. München 1898 (Histor. Bibliothek
I ; mit 2 P) ; H. Eckerlin, H. v. T. Leipzig,
1898 (Biograph Volksbücher ii — 16, mit
P); W. Dove, Ausgew. Schriftchen histor.
Inhalts. Leipzig 1898, S. 400. — W auch
KL 1896, 1299; Kukula 935. Suppl. 247;
Nachrichten aus d. Deutschen Buchh. 1896,
No. 107, 7844. — P auch BJ I.
Unger, Theodor, Adjunkt am Steiermark.
Landesarchiv, Numismatiker; s. Abth. XXV.
Waldmann, Heinrich, früher Oberlehrer
am Gymn. zu Heitigenstadt, Forscher über
Sprachen, Sitten u. Gebräuche d. Eichs-
felds, 1 848 im Frankfurter Parlament, * zu
Niederorschel 28. II. ii; f zu Heiligen-
stadt 5. I. — L III. Ztg. 106, 72; Keiter
4, 219. — AM. •
Weingärtner, Joseph, Kreisgerichtsdirektor
a. D., Westfill. MUnzforscher; s. Sp. 129*.
Wichmann, Ernst Heinrich, Hauptlehrer in
Hamburg, Pädagog, Geograph u. Histo-
riker; s. Sp. 98*.
*Wickede, J u 1 i u s v., Rittmeister a. D., Verf.
kriegsgeschichtl. Werke; s. Sp. 56*,
^Winkelmann, Eduard, Dr. phil. et jur.,
I05* Todtenl. 1896: XVII. Geschichtsf. XVIII. Volkswirthe u. Statist. XIX. Geistl. iq6*
Geh. Hofrath, ordentl. Prof. f. Gesch. an d.
Univ. Heidelberg, * zu Danzig 25. VI. 38;
f zu Heidelberg in der Nacht vom 9./ 10. II. :
s. ßj I, 40. — L BJ I, 77 •; II, 54»; Gu-
bematis III, 1933 ^™i* W); Bornmüller,
Biogr. Schriftstellerlex. 771 (mit W); Allg.
D. Biogr. 43, 435 (A.Winkelraann); Ztschr.
f. d. Gesch. d. Oberrheins N. F. 11, 331
(F. V. Weech); Neues Archiv d. Gesellsch.
f. ältere deutsche Geschicbtsk. 21, 770 (E.
Dttmmler); 111. Ztg. 106, 219 (A. Klein-
schmidt, mit P); AUg. Ztg. 1896 Beil. 48
(£. Heyck); Sitzungsber. d. Gel. Gesellsch.
d Ostseeprovinzen 1897,8 (H.v.Bruiningk);
Sitzungsber. d. Kurland. Gesellsch. 1897, 3.
— W auch KL 1896, 1409; Kukula 1024.
Suppl. 266; Nachrichten aus d. Buchh.
1*96, 453- 591-
Zillner, Franz Valentin, Irrenanstaltsdirector,
Begründer d. Gesellsch. f. salzburg.Landesk.
tt. Lokalhistoriker; s. Sp. 129*.
XVm. Volkswirthe und Statistiker.
^Backliaus, Wilhelm Emanuel, Dichter u.
socialpolit. Schriftsteller; s. Abth. XXIII.
^Becker, Karl, Dr. oecon. publ. h. c, Wirkl.
Geh. Oberreg. -Rath a. D., früher erster
Director d. Statist. Amtes f. d. Deutsche
Reich, * zu Strohausen in Oldenburg 2. X.
23; f zu Charlottenburg 20. VI.: s. BJ
1, 12. — L BJ II, 3 ^; Gubematis I, 224
(mit W); Handwörterb. d. Staatswissensch.
V. Conrad, Elster etc. ^ 2, 348 (mit W);
Deutsche Rundschau f. Geogr. u. Statistik
20, 136; 111. Ztg. X07, 52 (mit P); Allg.
Statist. Archiv 5, 366 (P. Kollmann).
Bruder, Adolf, Dr. phil., Bibliothekscustos,
Nationalöconom ; s. XXV.
*£ngel, Ernst, Geh. Oberreg.-Rath, bis 1882
Director d. preuss. Statist. Bureaus, * zu
Dresden 26. III. 21; f zu Radebeul 8. XII.:
s. BJ I, 221. — L BJ II, 10 •; Gubematis
2, 892 u. Hinrichsen^ 138 (mit W); Ar-
beiterfreund 1896, 378; Geogr. Jahrb. 20,
470 (W. Wolkenhauer); Ztschr. d. preuss.
Statist. Bureaus 1896, 231 (£. Blenck);
Handwörterb. d. Staatswissensch.^ 3, 241
(mit W); !"• Ztg. 809 (mit P); Ztschr. f.
schweizer. Statistik 1897, 131. — W auch
BörsenbL f. d. Deutschen Buchh. 1896
No. 294, 8629. — P auch Deutsche Rund-
schau f. Geogr. und Statistik 19, 280.
Knapp, Otto V., Finanzdirector a. D., Direc-
tor d. Württemberg, statist. Landesamts;
s. Sp. 29*.
Meyer, Heinrich, Stadtrath u. Verleger in
Stettin, Schriftsteller auf d. Geb. d. Hei-
mathskunde u. Statistiker; s. Abth. XXIV.
*Sax, Emanuel Hans, Dr. jur.,ausserordentl.
Prof. f. Nationalöconomie an d. Hochschule
f. Bodencultur in Wien, Nationalöconom.
auch Dichter, * zu Mikultschitz in Mähren
28. II. 57; t *u Meran 3. VIL: s. BJ I, 446.
— L BJ II, 38 •. — W KL 1896, io88;
Kukula 791. Suppl. 292.
^Schumann, Matthias, Dr. phil., Geh. Reg.-
Rath u. Mitgl. d. Statist Amtes f. d. Deutsche
Reich, * zu Irxleben b. Magdeburg 1 4. X. 51 ;
f zu Berlin 12. VI.: s. BJ i, 147. — L
BJ II, 39 *.
XIX. Geistliche und Gottesgelahrte.
I. Katholiken.
Ah, Joseph Ignaz v., (Pseudon. als Dichter:
Hartmann v. Bald egg, als Publizist:
Der Weltüberblicker), bischöfl. Kom-
missarius d. Kantons Unterwaiden, seit
1867 Pfarrer zu Kerns daselbst, Hagiograph,
Homiletiker, Publizist, Dichter, * zu Sachsein
in Unterwaiden 15. XII. 34; f zu Kerns
I. IX. — L BJ II, I •; 111. Ztg. 107, 308;
Brummer* i, 27 (mit W). — W auch
Keitcr 4, 3; KL 1896, 8.
Bayer, Pius, Pater, OSB, Prior d. Stiftes
Scheyem, freircsign. Prior v. Schäftlarn,
Novizenmeister, Spiritual d. Laienbrüder,
• zu Forchheim 17. III. 23; f zu Scheyern
23. V. — L Schematismus d. Geistlichkeit
d. Erzbisthums München u. Freising 1896,
loo. 1897, 213.
Benda, Franz, Pater, Provinzial d. Österreich.
Piaristenordens, Geistl. Rath, Religions-
inspektor, Vizepräsident d. Wiener Thier-
schutzvereins , * zu Wien 30. X. 27; f
daselbst 28. V. — . 26. IX. 46 Eintritt in
d. Piaristenorden; 25. VII. 55 zum Priester
geweiht: 1855/56 bis 1861/62 Lehrer an
d. Hauptschule d. Piaristen zu St. Thekla
auf d. Wieden, 1862 — 70 als solcher an
d. Hauptschule in d. Josefstadt, dann als
Direktor derselben; nach Uebemahme der
Schulen durch die Kommune Wien (1873)
in seinem Amte belassen; 26. IV. 88 bis
ro7'
Tödtenliste 1896: XIX. Geistliche und Gottesgclahrte.
108*
zu seinem Tode Vizepräsident d. Wiener
Thierschutzver. — L 111. Ztg. 106, 699.
— P Photogr. bei R. Jenik in Wien. —
AM.
Bole, Franz, Gcistl. Rath, Prof. d. Theol.
in Briden, Schriftsteller auf d. Geb. d.
Liturgie, Litteraturgesch. u. Kunstgesch.,
• zu Feldkirch in Vorarlberg 9. X. 24;
t zu Brixen 1$. X. — L Keiter 5, 21.
262.
^Brandner, Franz, Dr. theol., Prof. f. höh.
Exegese am Lyzeum in Salzburg, * zu
Hallein 13. II. 21 ; f zu Salzburg i. I.:
s. BJ I, 356. — L BJ II, 6 ♦.
Brentano, Karl v., Prof., Priester u. Instituts-
direktor a. D., Benefiziat in München, Volks-
u. Reiseschriftsteller, Apologet, • zu Augs-
burg 28. VIII. 17; t zu München 16. XI.
— L Schematismus . . . München 1896,
60. 1897, 213: Keiter 5, 24 (mit W). 262.
— W auch KL 1896, 149.
Costa, Joseph Dominikus, k. Stiftskaplan,
Kommorantpriester in Altötting, vormals
Stadtpfarrpredigerbei Hl. Geist in München,
homilet. Schriftsteller, * zu Erding 16. III.
32 ; t zu Altötting 31. 1. — L Schematismus
. . . München 1896, 99. 1897, 213; Sche-
matismus . . . Passau 1896, 48. 71. 1897,
164; Keiter 4, 27 (mit W). 5, 262,
^Dengler, Georg, Geistl. Rath u. Domvikar
in Regensburg, Autorität auf d. Geb. kirchl.
Kunst, auch Lustspieldichter, * zu München
31. XII. 39; f zu Regensburg 8. VI.: s.
BJ I. 399- — L BJ II, 8 *: Deutscher Haus-
schatz 22 Beil. 56. — W Keiter 4, 31.
Erb, Domkapitular in Fulda; f zu Fulda 18.
IV. — L III. Ztg. 106, 505.
Fritz, Ludwig, Pater, homilet. Schriftsteller,
• zu Witzeisdorf 14. V. 12; f zu Straubing
22. VI. — L Keiter 4, 50 (mit W). 5, 263.
Fuhg, August, Dr. theol., Erzpriester zu
Heilsberg in Ostpr., Kanonist, * zu Kla-
kendorf. Kr. Rössel, 19. VI. 43; f zu
Heilsberg 3. VIII. — L Keiter 4, 51 (mit
W). 5, 263. — W auch KL 1896, 366.
Giersberg, Heinrich Hubert, Pfarrer u. De-
chant zu Bedburdyk, Kr. Grevenbroich,
Verf. V. Schriften z. Provinzialgesch. u.
Gesch. d. christl. Kunst, * zu Köln 18.
X. 14; t zu Bedburdyk 12. VI. — 10. IV.
40 Priesterweihe; Vikar in Braunweiler,
danach Pfarrer in Herchen a. d. Sieg;
1867 Pfarrer, 1872 Dechant in Bedburdyk.
— L Keiter 4, 56 (mit W). 5, 263. —
W auch KL 1896, 392. — AM.
Gluns, August in, Pater, OSB, Kapitular
V. St. Bonifaz in München, Prftfekt d. St.
Nikolausanstalt in Andechs, * zu Rottweil
22. XL 23: f zu München 18. VL — L
Schematismus . . . München 1896, 102. 1897,
213-
Gratze, Pasch alis, Frater, Baumeister d.
Franziskaner, Erbauer cahlreichcr Kirchen
u. Klöster in Rheinland, Westphalen, dem
Eichsfeld u. a. (z. B. von Franziskaner-
Kloster u. Kirche in Düsseldorf 1855, in
Aachen 1892, auf d. Korb'schcn Berge
b. Dingelstädt 1864, 65 u. 89, auf d.
Hülfensberge 1890/91; von Kirchen zu
Treffurt 1869, Effelder 1893, Gerblinge-
rode 1895); im. Kriege 1870/71 lange Zeit
unter den Typhuskranken wirkend i während
d. Kulturkampfs Schlossverwalter d. Augen-
arztes Dr. Mooren in Düsseldorf; * zu
Werden a. d. Ruhr 27. XI. 19; f zu
Dingelstädt 30. IV. — LEichsfcldcr Marien-
kalender 1897, HO (mit P). — AM d.
Herrn P. Fidelis Roersch, OM, zu Dingel-
städt.
*Grimm, Joseph, Dr., Geistl. Rath, ordentl.
Prof. f. neutestamentl. Exegese an d. Univ.
Würzburg, * zu Freising 23. I. 27; + zu
Würzburg i. I.: s. BJ I, 52. -- L BJ II,
16 •; Schematismus . . . Würzburg 1896,
9; Holtzmann u. Zöpffel, Lex. d. Theol.'
379 (Zöpffel, mit W); Deutscher Haus-
schatz 19, 37 (mit P). 22, 23; Keiter 4,
60 (mit W). 5, 263; Schaff and Jackson,
Enclopedia of living divines. New York
1887. S. 86 (mit W). — W auch Kukula
282.
Gröteken, Heinrich, Pfarrer zu Kirchherten,
Reg.-Bez. Köln, Theolog u. dramat. Dichter,
♦ zu Werden a. d. Ruhr 31. VIL 36; f
zu Kirchherten 17. X. — L Brummer^ 2,
53 (mit W); Keiter 5, 70 (mit W). 263.
Gschwandner, Sigmund Mathias, Pater,
OSB, Dr. phil., Direktor d. SchottengA'mn.
in Wien, Reg.-Rath, Physiker, Astronom
' u. Philosoph; s. Sp. 86*.
Haunschild, Cölestin, Pater, Guardian d.
Franziskanerkonvents bei St. Anna in Mün-
chen, • zu Freising 19. IV. 51; f zu Mün-
chen 6. VI. — L Schematismus . . . Mün-
chen 1896, 106. 1897, 213.
Hindelang, Johann Evangelist, Dom-
kapitular zu Augsburg, * zu Westerhcim
b. Memmingen 18. II. 41 ; f zu Augsburg
20. II. — L Schematismus . . . Augsburg
1897, 181. 259 (ausführl. Nekrol.).
*Hohenlohe-Schilling8fiirst, Prinz Gustav
Adolf, Kardinal; s. Sp. 10*.
Höhl, Leopold (Pseudon.: Hhoenanus),
Pfarrer zu Ebern in d. Rhön, Geograph,
Kulturhistoriker, Lyriker, * zu Oberertbal
12. XI. 44; t zu Ebern 29. II. — L Keiter
4, 79 (mit W;. 5, 263. — W auch KL
1896, 537.
Hoerfarter, Matthäus, Dr. theol., Dekan
u. Pfarrer, «Schöpfer d. heutigen Kuf-
stein, Mitbegründer d. alpinen Fremden-
verkehrs in Tirol, Bahnbrecher d. Fröbel-
I09
*
Todtenlistc 1896: XIX. Geistliche und Gottesgelahrte.
HO'
sehen Kindergartens in Oesterrcich«, ^ zu
Kössen b. Kufstein 11. IX. 17; f ru Kuf-
stein 23. IV. —LR. Siewel, Dr. theol.
Matth. Hoerfarter. Kufstein 1899 (™i^
P, W u. L). — P auch: Büste von Bild-
hauer N. Pretzschner in d. Anlagen zu
Kufstein. — PM d. Herrn Verwalters
A. Schluifer in Kufstein.
Klinckowström, Max v., Pater, SJ, einfluss-
reicher Kanzelredner in Wien, * daselbst
21. X. 19; t im Jesuitenkollegium Kalks-
burg b. Wien 29. III. — L Deutscher Ilaus-
scbatz 22, Beil., 43; Schäfler, Handlcx. d.
kath. Theol. 2, 647.
Liesen, Heinrich Hubert Johannes (Pseu-
don.: L. Clemens), Pfarrer zu Giesen-
kirchen b. München-Gladbach , Sozial-
pädagog, * zu Köln 18. XII. 40; f zu
Giesenkirchen 3. X. — L Deutscher Haus-
scbatz 23, 109; Keiter 4, 119 (mit W).
5. 263.
Löwenstein-Wertheim-Rochefort oder -Ro-
senberg, Prinzessin Marie, Benediktinerin
in d. Abtei Ste. Cecile zu Solesmes; s.
Sp. 12*.
Meisloch, Peter, Dechant u. Ehrendomherr
in Barmen, * zu Erkrath 2. V. 12; f zu
Barmen 4. VI. — L Deutscher Hausschatz
22, Beil., 56.
Modlmayr , Joseph, Klosterfrauenbeicht-
vater u. Religionslehrer d. Erziehungsin-
stituts in Frauenchiemsee, Komponist, ^
zu Giggenhausen b. Massenhausen in Bayern
28. VIII. 58; f zu Frauenchiemsee 4. V.
— L Schematismus . . . München 1896,
22. 1897, 214; Keiter 4, 136. 5, 263. —
W in den Schematismen . . . München
bis 1896.
Mutzt, Rupert, OSB, Abt d. Benediktiner
Stiftes Scheyern , Präses d. bayer. Bene-
diktiner-Kongregation, * zu Landshut 14.
I. 34; f zu Scheyern 2i. V. — L Schema-
tismus . . . München 1896, icx>. 1897, 214.
Orgler, Flavian, Pater, OSFr, k. k. Schul-
rath, Gymn.-Direktor, Pädagog u. Förderer
der Kunst, • zu Lienz i. XI. 25; + zu
Hall in Tirol lo. I. — L 111. Ztg. 106,
164; Gymn.-Progr. Hall 1 895/96 (A. Troger,
mit P, W u. L). — AM.
^Reindl, Magnus Anton, Geistl. Rath, Dom-
dekan in Eichstätt, seit 1882 Stadtpfarrer
u. Dekan in Günzburg a. D., seit 1892
Domkapitular u. Dompfarrer, bald darauf
Domdekan zu Eichstätt, 1881 — 96 Reichs-
tagsabg. f. d. Wahlkr. Illertissen u. bayr.
Landtagsabg. f. d. 7. schwäb. Wahlkr.
Krumbach (Centr.), * zu Lauterschach,
Bez.- Amt Oberdorf 17. XII. 32; f zu Rosen-
heim 7. IV.: s. BJ I, 219. — L BJ II,
35 •; Bayerland 7, 420 (mit P); Deutscher
Hausschatz 19, 373 (mit P). 22, Beil., 43;
Reichstags-Handb. 9, 224: Kürschner, D.
neue Reichstag 1 893-- 98, 282 u. D. bayer.
Landtag 1893—98, 160 (mit P); D.Deut-
sche Reichstag 1893—98 (Leipz., Minde),
53 (mit P).
Rolfus, Hermann, Dr. theol., Geistl. Rath,
Pfarrer in Bühl b. Offenburg in Baden,
Pädagog, Jugendschriftsteller, Profan- u.
Kirchenhistoriker, • zu Freiburg i. B. 24.
V. 21; t zu Bühl 27. X. — L Keiter 4,
167 (mit W). 5, 264; Ztschr. f. d. Gesch.
d. Oberrheins 51, 552. 52, 502 (A. Winckel-
mann, Bad. Bibliogr.: Augsburger Postztg.
1 896 Nr. 25 1 ; Bad. Beobachter 1 896 Nr. 248.
1897 Beil.: Sternen u. Blumen. Nr. i;
Keller, Trauerrede, Offenburg 1896; Frei-
burger Kathol. Kirchenbl. 40, 713); Schäfler,
Handlex. d. kath. Theol. 4, 60 (mit W).
*Roos, Johannes Christian, Erzbischof v.
Freiburg i. B. , * zu Kamp am Rhein 28.
IV. 28; f zu Freiburg i. B. 22. X.: s. BJ
I, 398. — L BJ II, 37 *; 111. Ztg. io6,
517 (F. R., mit P); Ztschr. f. d. Gesch.
d. Oberrheins 51, 552. 52, 502 (A. Winckel-
mann, Bad. Bibliogr.: Bad. Beobachter
1896, Nr. 242 — 47. Beil.: Sternen u. Blumen
Nr. 51 ; Köln. Volksztg. 1896 Nr. 722;
Augsburger Postztg. 1896 Nr. 245; Deut-
scher Hausschatz 23, 161 (mit P); Frei-
burger KathoJ. Kirchenbl. 41, i : Erinne-
rungen an R.; Alte u. neue Welt 1897,
Heft 4); Holtzmann u. Zöpffel, Lex. d.
Theol. 3 929 (Zöpffel); Schäfler, Handlex.
d. kath. Theol. 4, 88.
Rothenfelder, Alois, Pfarrer zu Unteregg
b. Dirlewang im bayr. Schwaben, Sozial-
schriftsteller, • zu Mindelheim 22. VI. 43;
t zu Unteregg 9. V. — L Schematismus
...Augsburg 1897, 182; Keiter 4, 169
(mit W). 5, 264. — W auch KL 1896,
1064.
Schiffers, Mathias Joseph, Dr. theol.,
Pfarrrektor v. St. Maria zu Aachen, Bibel-
forscher, verdient um d. Palästinaverein,
* zu Lontzen, Rheinprov., 31. I. 49; f zu
Aachen 7. VI. — L Keiter 4, 178 (mit
W). 5, 264; Deutscher Hausschatz 22,
Beil., 56. — W auch KL 1896, 1108.
Schill, Andreas, Dr. theol., ausserordentl.
Prof. f. Apologetik an d. Univ. u. Direktor
d. erzbischöfi. theolog. Konvikts zu Frei-
burg i. B., * zu Siensbach b. Waldkirch
in Baden 9. VI. 49; f zu Freiburg i. B.
9. V. — L Keiter 4, 178 (mit W); Deut-
scher Hausschatz 22, Beil., 52; Ztschr. f.
d. Gesch. d. Oberrh. 51, 552 (A. Winckel-
mann, Bad. Bibliogr.: K. Mayer, A. Seh.
Freib. i. B. 1896; Köln. Volksztg. 1896
Nr. 331 ; Bad. Beobachter 1896 Nr. 108;
Freiburger Kathol. Kirchenbl. 40, 321). —
W auch KL 1896, 1108 u. Kukula 805.
111
Todtenliste 1896: XDC. Geistliche und Gottesgelalirte.
I 12'
Schott, Anselm, Pater, OSB, aus der Beu-
roner Kongregation, liturg. Schriftsteller,
• zu Staufeneck in WUrttemb. 5. IX. 43;
f zu Maria-Laach 23. IV, — L Deutscher
Hausschatz 22, Beil., 47; Keiter 4, 188
(mit W). 5, 264. — W auch KL 1896,
"53.
Soratroy, Alexander, Dompropst, Direktor
d. Allg. Geistl. Raths, Defensor matrimonii
u. Prosynodalexaminator zu Augsburg, *
daselbst 28. III. 23; f ebenda 28. VI. —
L Schematismus . . . Augsburg 1897, 257
(ausfuhr!. Nekrolog).
Streber, Hermann, Dr., freiresign. Pfarrer,
Mitarbeiter am Freiburger Kirchenlex. v.
Wetzer u. Weite, ♦ zu München 27. IX.
39; t zu Bonn 9. VIII. — L Deutscher
Hausschatz 23, 53; Keiter 4, 207 (mit W).
5. 264.
Timmermanii, Hermann, Priester, Prof.
am Gymn. Carolinum in Osnabrück,
Mathematiker u. Phvsiker, ♦ zu Oster-
cappeln 17. V. 27; f zu Osnabrück 22.
III. — L Keiter 4, 211 (mit W). 5, 264.
— AM.
Waldburg-Wolfegg- Waldsee, Graf A u g u s t ,
Domkapitular in Rotten bürg; s. Sp. 15*.
Walter, Anton, Dr. theol. h. c, Geistl.
Rath, Prof. f. Religionslehre am Gymn.
in Landshut, Verf. musikgeschichtl. u.
liturg. Werke, * zu Haimhausen in Ober-
bayern 15. VI. 45; f zu Landshut i. X.
— L Schematismus . . . München 1896,
26. 1897, 214; Deutscher Hausschatz 23,
109; Keiter 4, 219 (mit W). 5, 264. —
W auch KL 1896, 1346.
Wappmannfperger, Leopold, Ehrenkaplan
d. Basilika vom Hl. Hause in Loreto,
Kommorantpriester in München, Kirchen-
historiker, * zu Erding 12. XI. 28; f zu
München 14. VII. — Schematismus . . .
München 1896, 60. 1897, 214; Keiter 4,
220 (mit W). 5, 264. — W auch KL
1896, 1350.
Weickum, Karl Kranz, Päpstl. Hausprälat,
Domdekan zu Freiburg i. B., theolog.
Schriftsteller, L)Tiker u. Dramatiker, ♦ zu
Boxberg in Baden i. VII. 15; f zu Frei-
burg i. B. 20. II. — L Deutscher Haus-
schatz 21, Beil., 33 (mitP). 36; Brüramcr*
4, 229 (mit W); Keiter 4, 223 (mit W).
5, 264; Ztschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins
(A. Winckelmann , Bad. Bibliogr. : Bad.
Beobachter 1896 Nr. 44; Freiburger Kathol.
Kirchenbl. 40, 147; Köln. Volksztg. 1896
Nr. 122). — W auch KL 1896, 1363.
Wengert, Joseph, Pfarrer zu Dirgenheim
in WUrttemb., seit 1893 Reichs tagsabg.
f. d. 13. Württemb. Wahlkr. Aalen-Ell-
wangen (2^ntr.), 1873 — 91 Redakteur des
»Ipf« u. des »Kathol. Wochenbl.«, • zu
Ellwangen 18. II. 35: f zu Dirgenheim
28. Vin. — L Deutsches Volksbl. 1896
Nr. 197; Deutscher Hausschatz 23, 54;
Reichstags-Handb. 1893, 254; Kürschners
Reichstag 1893, 320 (mit P); D. Deutsche
Reichstag 1893—98 (Leipz., Minde), 5s
(mit P).
Wiesinger, Albert, Dr. phil., Dechant u.
Pfarrer v. St. Peter sowie Gemeinderath
in Wien, klerikaler Journalist, Verf. homilet.
u. kirchengeschichtl. Schriften, ♦ zu Wien
12. VIII. 30; t daselbst 8. X. — L Brum-
mer^ 4, 342; Deutscher Hausschatz 20,
481 (mit P). 23, 109; III. Ztg. 107, 460;
Keiter 4, 229 (mit W). 5, 264. — W auch
KL 1896, 1396.
♦Will, Karl Petrus, k. sächs. Hofkaplan,
Präses d. kathol. geistl. Konsistoriums in
Dresden, • daselbst 8. I. 22; + zu Pillnitz
24. V.: s. BJ I, 417- — L BJ II, 54 •.
Wöhr, Johann (Pseudon.: Hans Wiesing),
Domkapitular in Graz, Volksschriftsteller,
Prediger u. Dichter, • zu Rottenmann i. XI.
42 ; f zu Graz 2. III. — L Keiter 4, 233
(mit W). 5, 264. — PM.
Wolfgarten, G o 1 1 f r i e d , Pfarrer zu Elsdorf
b. Düren, Verf. v. Predigten u. Volks-
schriften, * zu Köln II. Vn. 36; t zu
Elsdorf 14. V. — L u. W Keiter 4, 233.
5, 264; KL 1896, 1430.
Ziereis, Otto, Pater, OSB, Kapitular d.
Stiftes St. Stephan in Augsburg, ♦ zu
Lichtenfels 15. VI. 22; f zu Augsburg
5. IV. — L Schematismus . . . Augsburg
1896, 168. 1897, 181.
2. Protestanten.
*Bürkle, Martin, Deutschamerikaner, Pastor
u. Volksschriftsteller, auch Dinlektdichter,
* zu Plattenhardt b. Stuttgart 14. II. 32;
•f auf seinem Gute Stuttgart in Arkansas
Anf. IX.: s. BJ I, 92. — L BJ II, 6*.
Cronemeyer, Heinrich Eberhard, »Pastor
an d. vereinigten evangel. Gemeinde zu
Bremerhaven, ein organisatorisches Talent
auf dem Gebiete gemeinnütziger Bestre-
bungen, Gründer d. Heimathskolonie Fried-
rich Wilhelmsdorf im Kr. Geestemünde,
warmherziger Vertreter d. kircbl. Libera-
lismus, auch tüchtiger Kanzelrednerc, * auf
d. Riltergute Hovedissen 24. VII. 42; f zu
Detmold 25. VI. — PM. d. Herrn P. Sachau
in Bremerhaven.
•Fritzsche, Otto Fridolin, Dr. phil. et D.
theo]., Ehrenbürger d. Stadt Zürich, or-
"3
Todtenliste 1896: XIX. Geistliche und Gottesgelahrte.
114'
dentl. Prof. (seit seiner Emeritirung 1893
Orden tl. Honorarprof.) f. Kircbengesch. an
d. Univ. u. Oberbibliothekar an d. Kantons-
bibliothek daselbst, * zu Dpbrilugk 23. IX.
12; f zu Zürich 9. III.: s. BJ I, 441. —
L BJ I, 59*. II. 13*; Holtzmann u. Zöpffel,
Lex. d. Theol.« 303 (Zöpffel, mit W);
Deutsche Ztschr. f. Geschichtswissenscb.
N. F. I : Monatsbll. 95 ; Schäfler, Handlex.
d. kath. Theol. 2, 77; Schaff and Jackson
a.a.O. 73. 256; Neue ZUrcher Ztg. 1896
Nr. 73—75 u. 78 (wieder abgedr. in Theol.
Ztschr. aus der Schweiz 1896, 108) u.
Realencyklopädie f. prot. Theol. und
Kirche 6, 291 (Ryssel). — W auch KL
1896, 360; Kukula 234. Suppl. 279. —
PM d. Herrn Prof. D. P. Schmiedel in
Zürich.
♦Frommel, Emil Wilhelm, D. theol., k.
preuss. Oberkonsistorialrath u. Hofpredigeri
Volksscbriftsteller, * zu Karlsruhe 5. I. 28;
t zu Plön 9. XI. : s. BJ I, 108. — L BJ
I, 59*. II, 14 ♦; Brummer* i, 399 (mit W).
4, 442; Holtzmann u. Zöpffel, Lex. d.
Theol.'« 305 (Zöpffel. mit W); E. From-
mel, Aus Lenz u. Herbst. Erinnerungen.
4. Aufl. Bremen 1897; In piam Memoriam.
Z. Erinnerung an E. F. Berlin 1897 (mit
P); G. Mayer, E. F. als christl. Volks-
schriftsteller. Bremen 1898; 111. Ztg. 107,
629 (mit P); Militar-Wochenbl. 81, 1091.
2785; Ztschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins
5'» 553- 52| 502 (A. Winckelmann, Bad.
Bibliogr.: Bad. Militär- Vereinsbl. 1896,
404. 405; AUg. Ztg. 1896, Nr. 31 1; Bad.
Presse 1896 Nr. 104); Bornmüller 250 (mit
W). — W auch KL 1896, 362.
♦Georgii, Ludwig v., Dr. phil. et D. theol.
h. c, Württemberg. Prälat u. General-
superintendent, Mitgl. d. Abg.-Kammer,
Kirchenhistoriker u. Philosoph, * zu Urach
25. IV. 10; t zu Tübingen 18. IIL: s.
BJ I, 100. — L BJ II, 14 •.
^Herzog, Theodor, Dekan in Reutlingen,
landesherrl. Mitgl. d. Württemberg. Landes-
synode, • zu Esslingen 24. IL 46; f zu
Reutlingen 10. IV.: s. BJ I, 443. — L
BJ II, 19*.
Jentsch, Heinrich Adolph, k. Sachs. Geh.
Kirchenrath u. Oberkonsistorialrath a. D.,
Über 40 Jahre lang im Dienste d. sächs.
Landeskirche u. d. Kirchenregiments thätig,
• zu Zittau 18. V. 18; t 'u Dresden 8. I.
— 1845 Pfarrsubstitut, 1849 Pfarrer in
Kohren; 1868 Kirchen- u. Schulrath bei
d. Kreisdirektion Bautzen; 1874 Geh.
Kirchenrath bei d. Kreishauptmannschaft
daselbst als Konsistorialbehörde; 1875
Oberkonsistorialrath im ev.-luth. Landes-
konsist, zu Dresden; 1888 emeritiert. —
L 111. Ztg. 106, 172. — AM.
*Kögel, Rudolf, D. theol. et Dr. phil.,
preuss. Oberhofprediger u. Generalsuper-
intendent, * zu Birnbaum in Posen 18. II.
29; t zu Berlin 2. VIL: s. BJ I, 285. —
L BJ L 63*. II, 23*; 111. Ztg. 107, 52
(F. Kirchner, mit P); Holtzmann u. Zöpffel,
Lex. d. Theol.' 603 (Zöpffel, mit W);
Stemmen uit de Luthersche Kerk in Neder-
land 3, 25 (J. Quandt); Theol. Jahresbe-
richt 17, 399 (Hegler); Hinrichsen* 311
(mitW); Schaff and Jackson a. a. O. S. 1 19
(mit W). — W auch KL 1896, 665.
Kratzenstein, Eduard, D. theol., Prediger
u. Missionsinspektor in Berlin, * zu Qued-
linburg 29, X. 23; t *tt Berlin 30. IX. —
L 111. Ztg. 107, 429; W. Kratzenstein,
E. K. Ein Lebensbild f. seine Freunde.
Magdeb. 1898; Misstonsinspektor D.
Kratzenstein. Erinnerungen. Berl., Buchh.
d. Berl. evang. Missionsgesellsch. — AM.
Mayr, Johann Andreas, Pfarrer in Zimdorf
b. Fürth i. B., 1861-089 als Missionar in
Ostindien (Madras, Coimpatur, Kuddur,
Rancun) thätig, * zu Regensburg 20. V.
38; t zu Zirndorf 19. III. — L 111. Ztg.
106, 368. — PM d. Herrn Pfarrvikar Kilp-
roann in Zirndorf.
•Preger, Johann Wilhelm, D. theol., bayer.
Oberkonsistorialrath, Mitgl. d. Münchn.
Akad. d. Wissensch., Kirchenhistoriker,
♦ zu Schweinfurt 25. VIII. 27; f zu Mün-
chen 30. I.: s. BJ I, 444. — L BJ II,
34*; Holtzmann u. Zöpffel, Lex. d. Theol.*
867 (mit W); Gubernatis 2, 1634 (mit
W); Deutsche Ztschr. f. Geschichtswis-
senscb. N. F. i: Monatsbll. 31; Beiträge
z. bayer. Kircbengesch. 2, 253 (Th. Kolde);
Bayerland 1896 Nr. 24, Bl. 2 (mit P);
Allg. Ztg. 1896 Beil. Nr. 63 (C. A. Cor-
nelius); AUg. Ev.-luth. Kirchenztg. 1896,
198; Theol. Jahresbericht 16, 338 (Hegler);
Schaff and Jackson a. a. O. S. 171. 264(mit
W); Schäfler, Handlex. d. kath. Theol. 3,
745. — W auch KL 1896, 984; Alm.
d. Münchn. Akad. 1884, 393. 1890, 152.
Przygode, Albert, Superintendent a. D.,
erster Pfarrer d. Jakobi-Kirchengemeinde in
Berlin, * zu Lobsens, Reg.-Bez. Bromberg,
13. XI. 40; t zu Berlin 20. V. — Gymn.-
Besuch zu Krotoschin; stud. Ost. 1860 bis
Mich. 1863 auf d. Univ. Breslau; 1864
erstes, 1866 zweites Examen; im Feldzug
1866 Lazarethgeistlicher; 1866/67 Pfarr-
verweser in Rösnitz: 1867 — 70 dritter
Pastor an d. Dreifaltigkeitskirche in Sagan;
1870 Pfarrer zu Leobschütz, daselbst seit
1874 Superintendent u. Kreisschulinspek-
tor; 4. IX. 1881 Einführung als Pfarrer
an St. Jakobi zu Berlin. — AM.
Rope, Georg Heinrich, D. theol., Haupt-
pastor an St. Jakobi in Hamburg, Gc-
115* Todtcnliste 1896: XIX. Geistliche u. Gottesgelahrte. XX. Rechtsgelehrte. 116*
lehrter u. Kanzelrcdner, * daselbst a. XIT.
36; f ebenda 15. XII. — Bes. 1843—55 d.
Johanneum zu Hamburg; stud. 1855 — 58
in Göttingen u. Erlangen; 17. VI. 59
Examen in Hamburg; daselbst 2. XI. 58
Schulamtskandidat, i86x Hilfslehrer am
Johanneum; 20. XII. 63 Pastor an St.
Jakobi (eingeführt 29. I. 64); 20. V. 83
Hauptpastor. — L Holtzmann u. Zöpffel,
Lex. d. Theol. 3 (mit W); Broecker,
O. H. R., D. theol., Hauptpastor zu St.
jakobi. Versuch einer Biogr. Hamburg 1879
(mit P). — W auch KL 1896, X049. —
P auch als Oelporträt von Frau de Boor
in d. St. Jakobikirche. — AM.
Roth, Gotthelf Wilhelm Leonhard, Pfarrer
zu Stcinheid im Thüringer Walde, Men-
schenfreund, der in seiner Gemeinde die
Anfertigung von Christbaumschmuck als
Industrie einführte und dessen Absatz selbst
in d. Hand nahm: * zu Obernitz b. Saal-
feld a. d. S. I. XII. 45; f zu Steinheid
12. X. — L III. Ztg. 107, 489; Dorfztg.
1896 Okt. — AM.
^Rüling, Louis Bernhard, D. theol., k. säclis.
Oberkonsistorialrath u. Hofprediger, * zu
Oederan i. VIII. 22; "f zu Dresden 12. XI.:
s. BJ I, 445.
Schäffer, Adolf, Dr., 1857—92 Pfarrer in
Kolmar, 1881 Präsident d. dortigen Kon-
sistoriums, 1889 geistl. Inspektor d. Ober-
elsass, theolog. Schriftsteller, • zu Reitweiler
im Eis. 2. XII. 26 ; f zu Kolmar Ende XII.
— L u. W Holtzmann u. Zöpffel, Lex. d.
Theol.« 945 (Zöpffel).
Staudinger, Friedrich Ernst Heinrich,
Kirchenrath u. Dekan in Grossgerau, Senior
d. hess. Landessynode, * zu Thal-Itter
7. IV. 19; f zu Grossgerau I2. IV. —
Eröffnete 8. III. 35 eine evangel. Schule
zu Geresheim am Rhein u. pastorisirte seit
5. V. 45 die dortigen Protestanten; seit
7. V. 54 Pfarrer in Büttelbom u. Diakonus
zu Gross -Gerau, seit 1875 Dekan. — L
111. Ztg. 106, 503. — AM.
•Sturm, Julius, Geh. Kirchenrath, bis 1885
Pfarrer in Köstritz im Reussischen, Dichter,
• daselbst 21. VII. 16; f zu Leipzig 2. V.:
s. BJ I, 255. — L BJ I, 72*. II, 42*; "1-
Ztg. 106, 609 (J. Lohmeyer, mit P); Holtz-
mann u. Zöpffel, Lex.d. Theol.' 992 (Holtz-
mann, mit W); Brummer* 4, 177. 454
(mit W) ; Hinrichsen » 635 (mit W) ; F. Hoff-
mann, J. Sturm. Hamburg 1898 (Samm-
lung gemeinverständl. wisscnschaftl. Vor-
träge. N. F. 13, 643); Bornmüller 700.
— W auch KL 1896, 1271; Othmer
579.
*Trübenbacb, Heinrich August, Pfarrer, sächs.
Lokalhistoriker, * zu Mittweida 13. XII.
23; f zu Dresden 18. II.: s. 6 J I, 416. —
L BJ II, 43 *.
Walcker, v., Württemberg. Prälat u. General-
superintendent zu Hall i. W. u. Mitgl. d.
II. Kammer; f «u Hall i. W. i6. (?) IL —
L III. Ztg. 106, 248. — KA.
♦Weber, Robert, Dr., Pfarrer, Schulmann,
Dichter, Schriftsteller, Redakteur, ♦ zu
Rapperswyl 5. VIII. 24; f *" Basel 7. XII.:
s. BJ I, 191. — L BJ II, 44 •; Brummer*
4, 292 (mit W). — L auch KL 1896,
1358.
Werth, Theodor, Pastor zu Schalke in
Westph. , Vorsitzender d. Gesammtvcr-
bandes evang. Arbeitervereine in Deutsch-
land, * zu Krakow in Pommern 15. VI.
44; t 24. I. — L 111. Ztg. 106, 164. —
AM.
3. Altkatholiken.
♦Reinkens, Joseph Hubert, Dr. theol. et
phil., Bischof d. deutschen Altkatholiken,
♦ zu Burtscheid b. Aachen i. III. 21; f zu
Bonn 4. I.: s. BJ I, 287. — L BJ I, 69 ♦.
II I 35*»' Holtzmann u. Zöpffel, Lex. d.
Theol. 2 908 (Zöpffel, mit W); Brummer ^
3, 294; Deutscher Hausschatz 20, 23; HL
Ztg. Nr. 1496, 12. IIL 1872 (mit?). — W
auch KL 1896, 1019; Revue internationale
de theologie 1896, 518 (F. Lauchert);
Schäfler, Handlex. d. kath. Theol. 3, 920;
Schaffand Jackson a.a.O. S. 177.
XX. Rechtsgelehrte.
♦Baer, Karl, Oberlandesgerichtsrath, Par-
lamentarier; s. Sp. 33*.
Bauck, Rudolf, Geh. Justizrath, Senats-
präsident am Kammergericht in Berlin,
1886— 93 zugleich richterl. Mitgl. d. Reichs-
versicherungsamtes, ♦zu Stettin 5. III. 25;
t zu Berlin 10. XI. — 30. III. 47 Eintritt
in d. höh. Justizdienst; 27. X. 51 Gerichts-
assessor; I. IV. 53 Kreisrichter in Kolberg
(6. VH. 64 Kreisgerichtsrath) ; 13. XII. 67
Appellationsgerichtsrath in Marienwerder,
I. I. 78 in Frankfurt a. O.; seit i. X. 79
Rath, seit 1893 Senatspräsident am Kammer-
gericht. — L 111. Ztg. 107, 621. — AM.
ur
Todtenliste 1896: XX. Reclitsgelchrtc.
I8*
♦Behaghel, Wilhelm Jakob, Dr. jur., Geh.
Hofrath, ordentl. Prof. f. französ. Zivil-
recht, bad. Landrecht, Zivilprozess u. Straf-
prozess an d, Univ. Freiburg i. Br., • zu
Elberfeld 25, IV. 24; f zu Freiburg i. Br.
18. V.: s. BJ I, 391. — L BJ II, 3 •;
Ztschr. f. d. Gesch. d. Oberrh. 51, 551
(Winkelmann, Bad. Bibliogr.: Bad. Presse
. 1 896 Nr. 1 24 ; Bad. Landesztg. 1 896 Nr. 1 1 7
u. ünterh.-BI. Nr. 64; Karlsruher Ztg. 1896
Nr. 234). — W Kukula 37. Suppl. 15;
Nachr. aus d. Buchh. 1896, 103 1.
Bergmann, Rcinhold Robert, Geh. Ober-
justizrath, Präsident d. Landgerichts in
Neuruppin; f daselbst 8. V. — AM.
Berlin, Samuel, Dr. jur., Hofrath u. Vor-
stand d. Gemeindekollegiums in Ansbach,
• n. X. 1807; f zu Fürth i. B. 21. XIL
— PM.
^Brause weiter, Georg Robert, Direktor
am Landgericht I zu Berlin, • auf Ritter-
gut Bendisen, Kr. Labiau, 31. 3. 36; f in
einer Nervenhcilanst. b. Berlin 18. I.: s.
BJ I, 270. — L BJ II, 6*; 111. Ztg. io6, 104.
— AM.
*Brunnenmeister, Emil, Dr jur., ordentl.
Prof. f. Strafrecht u. Strafprozess an d.
Univ. Wien, * zu Kreuzungen am Bodcn-
sce 5. V. 54; f zu Wien 22. I.: s. BJ I,
360. - L BJ II » 6 •. >- W Nachr. aus
d. Buchh. 1896, 211; Kukula 93.
*Buchka, Hermann v., Wirkl. Geh. Rath,
1860 — 91 Vorstand d. mecklenburg-
schwerin. Justizministeriums; s. Sp. 21 •.
Diez, Heinrich Ernst Gustav, Präsident
d. gemeinschaftl. Landgerichts in Meinin-
gen, ♦ zu Sonneberg 9. X. 31; f zu Mei-
ningen 23. VI. — 1858—63 Sekretär beim
Staatsministerium in Meiningen; 1863 — 72
Assessor beim Kreisgericht Saalfeld (1869
als Kreisgerichtsrath); 1872 — 79 Appel-
lationsgerich tsrath in Hildburghausen : 1879
bis 81 Oberlandesgerichtsrath in Jena; seit
1881 Landgerichtspräsident in Meiningen.
— L 111. Ztg. 107, II. — AM.
Eberhard, Richard, Geh. Justizrath, Ober-
landesgerichtsrath a. D., Parlamentarier;
s. Sp. 43 *.
^Franken, Alexander, Dr. jur., ordentl.
Prof. für deutsche Rechtsgesch. , Zivil-
prozess, Handels- u. Wcchselrecht an d.
Universität Jena, Oberlandesgerichtsrath,
• 1848; f zu Jena durch Selbstmord 5.
X.: s. BJ I, 221. — L BJ II, II*; Jurist.
Litteraturbl. 8, 215. — W Kukula 220.
Suppl. 74.
*Geffcken, Heinrich, Dr. jur., Geh. Justiz-
rath ; s. Sp. 20 *.
*Gieschen, Heinrich, Dr. jur., Rechtsan-
walt, Parlamentarier; s. Sp. 35 *.
•Glatzel, Albert, Wirkl. Geh. Oberreg.-
Rath,Präsident d.Oberlandcskulturgcrichts ;
s. Sp. 24* (• zu Gleiwitz 25.VIII.J2). — PM.
*Gineiin, Ferdinand v., Reichsgerichtsrath,
• zu Esslingen 21. V. 24; f zu Freiburg
i. Br. I. V.: s. BJ I, 220. — L BJ II, 14 •;
Schwab. Kronik 1896, 893.
Graefe, Eduard, Geh. Oberjustizrath, Se-
natspräsident am Kammergericht in Berlin,
* daselbst 22. V. 25; f zu Klosters i. d.
Schweiz 20. VII. — 29. V. 45 Eintritt in
d. hob. Justizdienst; 1850 Gerichtsassessor,
185 1 Kreisricbter; 1861 Stadtgerichtsrath,
1868 Kammergerichtsrath in Berlin; 1879
Hilfsrichter beim Reichsgericht in Leipzig;
1882 Senatspräsident beim Oberlandes-
gericht Naumburg a.S., 1888 beim Kammer-
gericht. — L 111. Ztg. 107, 125. — AM.
Günther, Wilhelm, Geh. Justizrath, Erster
Staatsanwalt a. D. zu Marburg, Parlamen-
tarier; s. Sp. 43 *.
^Hacker, Gustav v., Landgerichtspräsident,
auch Dichter, ♦ zu Stuttgart 9. IX. 22; f
zu Baden-Baden 14. VI.: s. BJ I, 95. —
L BJ II, 16 •.
Hall, Heinrich, Oberlandesgerichtsrath
a. D. in Celle, Parlamentarier; s. Sp. 35 *.
Haslmayr zu Grassegg, Vinccnz Ritter v.,
Dr. jur., Senatspräsident am Obersten Ge-
richtshof zu Wien, ♦ zu Kufstein 6. XI.
26; f zu Abbazia 28. VII. — Diente in
früheren Jahren bei d. Gerichtsbehörden
d. Küstenlandes u. in Tirol; in d. 60er
Jahren Rath beim Handels- u. Seegericht
in Triest; später Oberstaatsanwalt in Inns-
bruck, wo er auch als Vizepräsident d.
Staatsprüfungs - Kommission, sowie als
Supplent f. Strafrecht, Straf- u. Zivilprozess
in italien. Sprache an d. dortigen Univ.
fungirte; 1876 Oberstaatsanwalt in Triest
mit d. Titel eines Hofraths; 4, VII. 78
Hofrath beim Obersten Gerichtshofe in
Wien u. seit 1889 Senatspräsident daselbst;
ausserdem Mitgl. des Reichsgerichts, Prä-
sident-Stellvertreter beim obersten GeßiUs-
gericht, erster Vizepräsident d. judiziellen
Staatsprüfungskommission ; seit April 1891
Mitgl. d. östcrr. Herrenhauses (Verfass.-
Partei). — L Hahn, Reichsraths-AImanach
1891/2, 291.
Heigelin, v., bis 1887 Senatspräsident am
Oberlandesgericht in Stuttgart, 75 J.; f
2. VIII. — KA.
Heinze, Karl Friedrich Rudolf, Dr. jur.,
Geh. Hofrath, ordentl. Prof. f. Strafrecht,
Strafprozess u. Kirchenrecht an d. Univ.
Heidelberg, * zu Saalfeld a. S. 10. IV. 25 ;
t zu Heidelberg 18. V. — 1847 Eintritt
in d. meiningischen Justizdienst; 1856
Stellvertreter d. Oberstaatsanwalts f. d.
Kgr. Sachsen; 1860 erster Staatsanwalt
am Bezirksgericht Dresden; 1865 ordentl.
119'
Todtenliste 1896: XX. Rechtsgelebrte.
120'
Prof. f. Strafrecht an d. Univ. Leipzig,
1873 in Heidelberg. — L Brockbaus,
Konv.-Lex. ** 8,1001 (mitW). 17, 555. —
Wauch KL 1896, 495; Kuku]a33o; Nachr.
a.d. Bacbb. 1896, 1023; Gubernatis 2, 1160.
*Heinzerling, W i 1 h e 1 m »Oberlandesgerichts-
rath a. D , Lehrer f. Rechtswissenschaft
u. Volkswirthschaftslehre an d. Techn.
Hochsch. in Darmstadt, ^ zu Friedberg
8. X. 28; t 2U Darmstadt 3. VI.: s. BJ
I, 443. — L BJ II, 18 •; KL 1896, 496.
— W Kukula 332. ~ AM.
Heibig, Friedrich, Landgerichtsrath a. D.,
Dichter, Mitarb. an d. »Gartenlaube«, *
zu Jena 1. XII. 32; f daselbst 8. VIII. —
Besuch d. Gymn. in Weimar, 1852 — 55
d. Univ. Jena u. Heidelberg: nach vor-
übergehender Verwaltung eines Bürger-
meisteramts in einer kleinen Stadt Sekre-
tär bei d. Kreisdirektion zu Dermbach in
Weimar. Staatsdienst; darauf Amtsassessor
in Weida, Kreisgerich tsrath in Arnstadt,
Herbst 1879 Landgerichtsrath in Gera;
1892, zur Disposition gestellt, siedelte H.
nach Jena über. — L Brummer* 2, 125
(mitW) ; Hinrichsen » (Autobiogr , mit W);
Wartburg-Herold 2, 13. 32. 50 (A. Wieden).
Wauch KL 1896, 496; Gubernatis 2,1161.
Hildebrandt, Robert .Landgerichtsrath a.D.,
Reichstags- u. preuss. Landtagsabg. ; s. Sp.
37*.
Holtze, Ludwig, Geh. Oberjustizrath , bis
1895 Präsident des Landgerichts in Nord-
hausen, ^ zu Naumburg a. S. i. III. 23;
t zu Nordhausen 15. VII. — 13. XII. 44
Auskultator; 25. XI. 50 Gerichtsassessor;
26. VIII. 51 Kreisrichter in Schloss Held-
rungen, I. III. 60 in Erfurt, 30. III. 67
daselbst Kreisgerichtsrath ; 14. XI. 68 Kreis-
gerichtsdirekt, in Bochum ; 30. IV. 79 Land-
gerichtspräsident in Nordhausen. — AM.
JoSl, Max, Justizrath, Rechtsanwalt in Berlin,
Staatsrechtler, * zu Danzig 16. I. 36; f zu
Berlin 29. IX. — AM.
Just, Präsident d. Landgerichts in Chemnitz ;
t 7. IX. — KA.
Klippert, Johannes, Justizrath, Nestor d.
deutschen Rechtsanwälte, * zu Oberaula,
Kr. Ziegenhain, 22. VI. 1802; f zu Kassel
7. XII. — L 111. Ztg. 107, 773. — AM.
Korsch, Ludwig Oskar, Präsident des Ober-
landesgerichts f. Westpreussen in Marien-
werder, ♦ zu Mohrungen in Ostpr. 7. II. 31 ;
f zu Marienwerder 9. I. — L 111. Ztg. 106,
72; Jurist. Litteraturbl. 8, 28; Königsberger
Härtung. Ztg. 1896 Nr. 10 Abendbl. — PM.
Kreis, Paul, Geh. Justizrath u. vortr. Rath
im preuss. Justizministerium; s. Sp. 25 ^.
Krieger, Fritz, Geh. Justiz- u. Oberlandes-
gerichtsrath in Jena, Reich stagsabg.; s. Sp.
37 ••
^Levy, Meyer, Justizrath, Rechtsanwalt u.
Notar in Berlin, * zu Wollstein, Prov. Posen,
17. I. 33; f durch Meuchelmord zu Berlin
18. X.: s. BJ I, 218. — L BJ II, 25 •;
Hl. Ztg. 107, 526 (J. Lubszynski, mitP);
Deutsche Juristenztg. 1896, 417 (Staab).
— W Börsenbl. f. d. d. Buchh. 1896, 6746.
^Liebeherr, Maximilian v., Wirkl. Geh.
Rath, mecklenburg. Justizminister; s. Sp.
22 ♦.
^Lienbacher, Georg, Hofrath beim Obersten
Gerichtshof in Wien, Politiker; s. Sp. 46 *.
Löwe, Ewald Karl August Erdmann» Dr.
jur., Senatspräsident am Reichsgericht, *
zu Militsch in Schles. 8. 1. 37; f '^ Leip-
zig I. I. — 29. III. 56 Auskultator beim
Appellationsgericht Breslau; 25. IX. 60
Gerichtsassessor; 1864 Kreisrichter in
. Grttnberg; i. I. 67 Staatsanwalt in Pr.-
Stargard; 1869 • 72 Mitgl. d. Kommission
z. Ausarbeitung einer deutschen Straf-
prozessordnung; 1872 Appellationsgerichts-
rath in Frankfurt a. O. (als solcher d.
Revisionskommission d. Strafprozessord-
nung zugewiesen); 1879 Kammergericbts-
rath in Berlin; i. VII. 80 vortr. Rath mit
d. Charakter eines Geh. Justizrathes ; i.
VII. 89 Senatspräsident am Reichsgericht.
~ L 111. Ztg. 1896, 84 (J. Lubszynski,
mit P); Brockhaus' Konv.-Lex.^* 11 (mit
W). 17. 728.
*Merkel, Adolf, Dr. jur., ordentl. Prof. f.
Strafrecht a. d. Univ. Strassburg, ^ zu
Mainz il. I. 36; f zu Strassburg 30. III.:
s. BJ I, 430. — L BJ II, 31 •; Schweizer.
Ztschr. f. Strafrecht 1896, 56 (A. Teich-
mann); Deutsche Juristen-Ztg. 1896, 176
(F. v. Calker); Ztschr. f. d. ges. Straf-
rechtswissensch. 17, 638 (Liepmann). —
W KL 1896, 836; Nachrichten a. d. Buchh.
1896, 703; Kukula 603. Suppl. 166; A.
Merkel, Hinterlassene Fragmente 2 (Strassb.
1899), 893.
^Oppermann, Andreas, Rechtsanwalt in
Zittau u. Vorstandsmitgl. d. Dresdener
Anwaltskammer, Reiseschilderer u. Kunst-
schriftsteller, ^ zu Regensburg 17. I. 28
(oder 27?); t zu Zittau 14. I.: s. BJ I,
263. - L BJ II, 33 •.
Pape, Eduard, seit i. I. 1893 Reichsge-
richtsrath in Leipzig, vorher Oberlandes-
gerichtsrath in Köln, * zu Köln 17. V.
36; f zu Leipzig 18. XII. — L Hl. Ztg.
107, 799. — AM.
Pappritz, Edmund, Geh. Oberjustizrath
a. D., bis Ende 1888 Senatspräsident beim
Kammergericht zu Berlin, * zu Radach b.
Drossen 31. III. 24; f zu Berlin 4. XI. —
26. VI. 47 Eintritt in d. höh. Justizdienst;
1850 Referendar; 1853 Gerichtsassessor;
1855 Kreisrichter in Landsberg a. W.;
121
Todtenliste 1896: XX. Rechtsgelehrte.
122
«
1864 Stadtgerichtsrath in Berlin; 1870
Appellationsgerichtsrath in Paderborn;
1876 Obertribunalsrath in Berlin; i. X.
79 Senatspräsident beim Oberlandesgericht
in Naumburg a. S.; i. X. 82 Senatsprä-
sident beim Kammergericbt. — L 111. Ztg.
107, 584. — AM.
Pfenninger, Heinrich, Dr. jur., ausser-
ordentl. Prof. f. Strafrecht an d. Univ.
Zürich, ♦ II. XI. 46; t zu Zürich 19. XI.
— L 111. Ztg. 107, 653. — W KL 1896,
958; Kukula 699. Suppl. 290.
Plänkner, Thankmar v., Senatspräsident
beim Oberlandesgericht in Jena, * zu
Altenburg 23. VII. 27; f zu Jena 10. IL
— L 111. Ztg. 106, 193. — AM.
Plate, H. W., Dr. jur., Justizrath, Rechts-
anwalt u. Notar, preuss. Landtagsabg. ;
s. Sp. 43 ♦.
Köder, Joseph, Dr. jur., grosshgl. hess. Ge-
heimrath, d. letzte Mitgl. d. vormaligen
Oberappellations- u. Kassationsgerichtes
in Darmstadt, * zu Mainz 18. VII. 19;
f zu Darmstadt 24. II. — L 111. Ztg. 106,
277. — AM.
Schellbach, Rudolf, Präsident d. Land-
gerichts in Guben, * zu Herzberg, Kr.
Schweinitz in d. Prov. Sachsen, 24. VIII.
32; f zu Guben 20. V. — i6. V. 54
Eintritt in d. Staatsdienst; 3. IX. 60 Ge-
richtsassessor; I. VIII. 64 Kreisrichter in
Beuthen; 1. VII. 72 Dirigent d. Gerichts-
deputation Myslowitz; i. VI. 76 Direktor
d. Kreisgerichts Kaukehmen; i. VII. 78
Direktor d. Kreisgerichts Posen, i. X. 79
Direktor d. Landgerichts daselbst; i. X.
85 Präsident d. Landgerichts Schneide-
mOhl; I. I. 91 Präsident d. Landgerichts
Gaben. — AM.
Schmidthals, Präsident d. Landgerichts in
Schweidnitz; f S». VIL — KA.
«Schröder, Wilhelm, Geb. Oberjustizrath
u. vortr. Rath im preuss. Justizministerium,
Mitgl. d. Prüfungskommission, * in Bran-
denburg a. d. Havel 19. XI. 41; f zu
Berlin 29. XL: s. BJ I, 217. — L BJ II,
39*; 111. Ztg. 107, 734.
Schulz, Ferdinand, Geh. Oberjustizrath,
Präsident d. Landgerichts in Osnabrück,
* zu Lünen, Kr. Dortmund, 19. XI. 28;
t zu Osnabrück 17. VIII. — AM.
Vering, Friedrich Heinrich, Dr. jur., or-
dentl. Prof. f. röm. Recht u. Kirchenrecht
an d. deutschen Univ. Prag, « zu Liesbom
in Westph. 9. III. 33; t «" P^g 30. III.
— 1862 Prof. in Heidelberg, 1875 in
Czernowitz, 1879 in Prag; seit 1860 Mit-
redakteur, seit 1867 alleiniger Redakteur
d. Archivs f. kathol. Kirchenrecht. — L
111. Ztg. 106, 437; D. Ztschr. f. Ge-
schichtswissenschaft N. F. I: Monatsbll.
60; Deutscher Hausschatz 22, Beil., 44;
Keiter 4, 215 (mit W). 5, 264. — W
auch KL 1896, 1318; Kukula 951. Suppl.
294.
Wallraff, Gustav, Geh. Hofrath, Mitgl. d.
bad. Obersten Schulraths; s. Sp. 20 *.
Weingärtner, J oseph, Kreisgerichtsdirektor
a. D., Dichter, Münzforscher, * zu Münster
i. W. 22. L 1805; t daselbst 7. IX. —
Seit 18 17 Besuch d. G)'mn. seiner Vater-
stadt; 1823 — 26 Stud. d. Rechtswissen-
schaft in Bonn u. Berlin; 1826 Auskul-
tator beim Oberlandesgericht zu Münster;
1828 Referendar; 1832 Assessor am Land-
u. Stadtgericht zu Vreden; 1842 mit d.
Titel Land- u. Stadtgerichtsrath Dirigent
d. Gerichtsdeputation in Salzkotten; 1843
Direktor d. Land- u. Stadtgerichts in
VIotho; 1849 Direktor d. Kreisgerichts
in Warburg; seit 1867 jährlich im Herbst
Vorsitzender d. Schwurgerichts in Pader-
born; I. X. 79 Ruhestand; seitdem in
Münster i. W. schriftstellerisch, besonders
auf d. Gebiete d. Numismatik, thätig. —
L Brummer* 4, 302 (mit W); Keiter 4,
223 (mit W). 5, 264; 111. Ztg. 107, 337;
Ztschr. f. Vaterland. Gesch. u. Alterthumsk.
Westfalens 54, 438.
Weiske, Kail Adolf, k. säcbs. Oberjustiz-
rath, Oberlandesgerichtsrath a. D., * zu
Dresden 18. X. 31; f daselbst 17. VI. —
L 111. Ztg. 106, 791. — AM.
Wilmowski, Gustav Karl Adolf v., Dr.
jur.. Geh. Justizrath, früher Rechtsanwalt,
Schriftsteller auf d. Gebiete des Civil-
prozess- u. Konkursrechts, * zu Paderborn
17. VIII. 38; t 2" Berlin 28. XU. —
1838 Auskultator, 1843 Gerichtsassessor
in Wollstein; 1848 Rechtsanwalt u. Notar
in Schlawe, 1869 in Breslau, 1872 in
Beriin; erhält 1882 den Titel Geh. Justiz-
rath. — L BJ II, 54 •; 111. Ztg. 108, 77
(J. L.[ubszynski], mit P); Jurist. Litte-
raturblatt 9, i (L. Jacobi). — W KL
1896, 1406; Börsenbl. f. d. d. Buchh.
1897. 51.
Wittich, Kurt Friedrich Klemens, Ober-
justizrath u. Rath am Oberlandesgericht
Dresden, • zu Frauenstein 11. IV. 42;
t zu Dresden 28. XII. — L 111. Ztg. 108,
48; Annalen d. Oberlandesger. Dresden
18, 99. — AM.
Zentner, Heinrich, Dr. jur., Senatsprä-
sident am Oberlandesgericht in Kolmar,
* zu Koblenz 28. XL 1830; f zu Kol-
mar 12. XL — L 111. Ztg. 107, 653. —
AM.
123'
Todtenliste 1896: XXL Aerfte und Apotheker.
124'
XXI. Aerzte und Apotheker.
Ackermann, Dr. med., 1847 als Militärarzt
am schweizer. Sonderkrieg theilnehmend,
ehemal. Landamann in Solothurn, 80 J.;
t daselbst Ende Sept. — L 111. Ztg. 107,
469.
^Ackermann, Theodor, Dr. med.. Geh.
Med.-Rath, ordentl. Prof. f. pathol. Aoat.
an d. Univ. Halle, * zu Wismar 17. IX.
25; f zu Halle 22. XL: s. BJ i, 149. —
L BJ II, j *; Chronik d. Univ. Halle-
Wittenberg 1896/97, 6; Leopoldina 32,
165. 189 (mit W); HBL i, 49 (mit W);
MUnchn. Med. Wochenschr. 43, 50 (Marck-
wald). — W auch Kukula 2.
Alscher, Karl, Dr. med., Geh. Sanitätsrath,
Kreisphysikus in LeobschUtz, preuss. Land-
tagsabg.; s. Sp. 42 *.
*Baum, Georg, Dr. med., Chirurg u. leitender
Arzt d. städt. Krankenanstalten in Danzig,
♦ daselbst ii. V. 36; f ebenda 13. IV.:
s. BJ 1, 150. — L BJ II, 3 *; Leopoldina
32, 139; HBL I, 332 (mit W).
Born, Rudolf, Dr. med.. Geh. Sanitätsrath
in Greiffenberg (Schlesien), Reichstagsabg.;
s. Sp. 34 ♦.
Chandon, Karl, Dr. med., Medizinalrath,
weitbekannter Arzt in Kaiserslautern, * zu
Waldmohr im Mai 32; f zu Kaiserslautern
24. VL >- L 111. Ztg. 107, 1 1 ; VereinsbL
d. Pfalz. Aerzte 22, 133 (UUmann). — PM.
*Curtmann, O., Prof. f. Pharmazie am
Missouri Medical College u. College of
Pharmacy in St. Louis, * zu Giessen 1828;
f zu St. Louis 22. IV.: s. BJ I, 411. —
L BJ II, 8 •.
Doebbelin, Friedrich Wilhelm Eduard,
Dr. med.. Geh. Sanitätsrath, einer d.
ältesten u. angesehensten Aerzte Berlins,
♦ zu Samter 9. XII. 24; f zu Berlin 27. X.
— L Leopoldina 32, 194. — AM.
*Du Bois-Reymond, Emil, Dr. med.. Geh.
Med.-Rath, ordentl. Prof. f. Physiologie
an d. Univ. Berlin ; s. Sp. 90 *.
*£isenlohr, Karl, Dr. med., früher Oberarzt
am Eppendorfer Krankenhause b. Ham-
burg, * zu Pforzheim 1842; f in Funchal
auf Madeira i8. XL: s. BJ I, 151. — L
BJ II, 10 •; Leopoldina 32, 189; Monats-
schrift f. Psychiatrie u. Neurol. i, 89 (A.
Saenger); MittheiL a. d. Hamburger Staats-
anst. I, I, 3 (Nonne).
Feser, Johannes, Prof. f. Arzneimittellehre
an d. Thierärzil. Hochschule in München,
♦ 17. II. 41; f zu München 22. X. —
AM.
*Finkelnburg, Ferdinand Karl Maria, Dr.
med. Geh. Reg.-Rath, ausscrordentl. Prof.
f. Hygiene an d. Univ.. Bonn, Generalarzt
11. Cl., * zu Marialinden, Reg.-Bez. Köln,
16. VI. 32; f zu Bonn ii. V.: s. BJ I,
350. — L BJ II, II ♦; 111. Ztg. 106. 665
(mit P); Centralbl. f. allg. Gesundheits-
pflege 1896, 185 (Lent); Leopoldina 32,
78. 103; Archiv f. path. Anat. 148, 185
(Gurlt). — W Kukula 197. SuppL 69;
KL 1897, 317.
Frey, Rudolf v., Dr. med., Privatdozent
f. Chirurgie an d. deutschen Univ. Prag»
• zu Salzburg 14. IV. 64; f zu Berlin 26.
VII. — L Leopoldina 32. 148 (mit W);
Prager Mediz. Wochenschrift 21, 32 u.
Beiträge z. klin. Chirurgie 17, 137 (A,
Wölfler); Archiv f. path. Anat. 148, 193
(Gurlt). — AM.
^Gerlach, Joseph von, Dr. med., Geh. Rath,
bis 1891 ordentl Prof. f. Anat. an d. Univ.
Erlangen, • zu Mainz 3. IV. 20; f zu
München 17. XIL: s. BJ I, 152. — L
BJ II, 14 •; Leopoldina 32, 177. 191;
HBL 2, 533 (mit W). — W auch Kukula
259. SuppL 83; KL 1896, 387.
Goebel, Heino, Dr. med., Geh. Sanitätsrath,
Augenarzt, thätiges MitgL d. brandenburg.
Aerztekammer, * zu Tiefenort b. Eisenach
1832; t zu Frankfurt a. O. 3. VI. —
AM.
Goettisheim, Friedrich, Dr. phiL. 1870
bis 91 Dozent f. öffentl. Gesundheitspflege
an d. Univ. Basel, Ständerath, Redakteur
d. »Basler Nachrichten«, * zu Wildberg
in Württemberg 28. III. 37; f zu Basel
12. VII. — L HLB 6, 821 ; A. Teichmann,
Univ. BaseL 1885; Arch. f. path. Anat.
148, 188 (Gurit). — AM.
»Günther, Karl, Geh. Med.-Rath, Direktor
d. Thierarzneischule in Hannover; s. Sp.
65 •.
»Güntner, Wenzel, Dr. med., emerit. Prof.
d. Chirurgie, pension. k. k. Reg.-Rath u.
I^andessanitätsreferent in Salzburg, * zu
Neu Losimthal (Kr. Eger) 29. XII. 20;
f zu Salzburg 9. X.: s. BJ 1, 153. — L
BJ II, 16 •; HBL 2, 283 (mit W).
Heitzmann, Karl, Dr. med., Anatom, » zu
Vinkovcze in Ungarn 2. X. 36; "f zu Rom
Ende XIL — Stud. zu Pest u. Wien: 1859
Promotion ; dann Assistent bei Schuh, seit
1862 bei Hebra; siedelte 1874 nach New
York über. — L Leopoldina 33, 51;
HBL 3, 133; Archiv f. path. Anat. 148,
. 205 (Gurlt).
*Henke, Wilhelm v., Dr. phiL et med.,
bis 1894 ordentl. Prof. f. Anat. an d« Univ.
Tübingen, Anatora u. Kunstgelehrter, *
^25
Todtenliste 1S96: XXI. Aerzte und Apotheker.
126*
tu Jena 19. VI. 34; f ^^ Tübingen 17.
V.: s. BJ I, 96. — L BJ II, 18 ♦; Leo-
poldina 32, 106 (mit W). 133. — W auch
KL 1896, 502; Kukula 336. Suppl. 103;
Nachr. aus d. Buchh. 1896, 999.
Jacob, Gottlieb, Dr. med., prakt. Arst u.
Lokalhistoriker; s. Sp. 103 *.
^Kerschensteiner, Joseph v., Dr. med.,
Geh.-Rath, Obermedizinalrath u. Vorstand
d. Medizinalabth. im bayer. Ministerium
d. Innern, • zu München 23. V. 31 ; f
daselbst 2. IX.: s. BJ I, 351. — L BJ
II, 22 *; Leopoldina 32, 146: HBL 6,
877; Münch. Mediz. Wochenschr. 43,
1049 (R* Merkel). 44, 185 (L. Stumpf);
Archiv f. path. Anat. 148, 196, 152, 584
(Gurlt).
«Kirstein, Moritz, Dr. med., Geh. Sanitäts-
ratb, prakt. Arzt u. Mitgl. zahlreicher
Wohlthätigkeitsanstalten in Berlin, * zu
Filebne 14. IX. 30; f zu Berlin 12. VII.:
s. BJ I, 154. — L BJ II, 22 •. — AM.
* Klein, Leo, Dr. med., Geh. Sanitätsrath
u. prakt Arzt in Berlin, * daselbst 15. IV.
15; t ebenda 27. XL: s. BJ I, 154. —
L BJ II, 22 *; Lcopoldina 32, 190.
*Lewiii, Georg, Dr. med., Geh. Med.-Rath,
ausserordentl. Prof. f. Dermatologie an d.
Univ. Berlin, * zu Sondershausen 19. IV.
20; f zu Berlin i. XI.: s. BJ I, 155. —
L BJ II, 25 •; HBL 3, 697 (mit W);
Deutsche Mediz. Wochenschr. 22 Nr. 46
(Heller); MUnch. Mediz. Wochenschr. 43
Nr. 46; Archiv f. Dermatol. u. Syphilis
37, 8i8(Lesser); Berliner klin. Wochenschr.
33 Nr. 46: Wiener Mediz. Wochenschr. 9
Nr. 46 (J. H. Rille); Leopoldina 32, 186;
Archiv f. path. Anat. 148, 201 (Gurlt).
— W auch Kukula 545. Suppl. 153; KL
1896, 754.
Lickfett, Theodor, Dr. med., leitender
Arzt d. städt. bakteriolog. Anstalt in Dan-
zig; f daselbst 28. XII. — L Leopoldina
33. 5'- — KA.
Lingen, Karl v., Dr. med.. Geh. Rath, *
181 7 zu St. Petersburg; f daselbst 21.
II. — Stud. 1835 — 37 in Dorpat, dann
an d. Med.-Chirurg. Akad. in Petersburg;
1842 in Berlin, 1847 auch in Petersburg
Dt. med., trat in d. dortige Marien-Magda-
lenen-Hospital ein, seit 1863 als Oberarzt;
seit 1887 Direktor d. Deutschen Aerztl.
Vereins. — L Archiv f. path. Anat. 148,
181 (Gurlt); Petersb. Med. Wochenschr.
1896, 69.
*Loinmer, Emil, Dr. med., Generalarzt; s.
Sp. 52 •.
Mayländer, Adolf, Dr. med., Geh. Sanitäts-
rath u. prakt. Arzt in Berlin, Homöopath,
besonders Frauenarzt, * zu Gröbzig in An-
halt IG. VIII. 30, f zu Berlin 2. 1. — AM.
*Meyer, Julius, Dr. med.. Geh. Sanitttts-
rath, prakt. Arzt in Berlin, * daselbst 1820;
f ebenda 23. I.: s. BJ I, 156. — L BJ
II, 31 *; Leopoldina 32, 58.
Müller, Hermann Alexander, Begründer
d. seit 1856 erscheinenden »Pharmazeut.
Zeitungc, * zu Raudten in Schlesien 3. V.
28; f zu Bunzlau Mitte VIII. — L Leo-
poldina 32, 148; 111. Ztg. 107, 245. — KA.
*Müller, Max, Dr. med.. Geh. Sanitätsrath,
prakt. Arzt in Köln, Chirurg, * zu Berlin
23. X. 29; t ^'^ Köln 3. IX.: s. BJ I,
157. — L BJ II, 32*; Leopoldina 32, 146.
Neisser, Moritz, Dr. med., Geh. Sanitäts-
rath, prakt. Arzt in Breslau u. Badearzt
zu Charlottenbrunn i. Schles., Neurolog,
• I. V. 20; f zu Breslau 19. VI. — L
Leopoldina 33, 134; HBL 4, 349 (mit
W). ~ PM.
^Oldendorff, Adolf, Dr. med., Sanitätsrath,
prakt. Arzt in Berlin, Medizinalstatistiker,
• • zu Meseritz 15. XII. 31 (nicht 37); f zu
Karlsbad 16. VI.: s. BJ I. 158. — L BJ
U, 33*; 111. Ztg. 106, 791; Leopoldina
32, 134; HBL 3, 417 (mit W). — W auch
KL 1896, 924.
^Omstein, Bernhard, Dr. med., Generalarzt
d. griech. Armee, Mediziner, Anthropolog
u. Ethnograph, ^ zu Schöningen in Braun-
schweig 2. V. 1809; t zu Athen 26. II.
96 (nicht 86): s. BJ I, 404 — L BJ II,
33*; Leopoldina 32, 78. 108; Globus 69,
216 (mit W); Ztschr. f. Ethnol. 1896,
159; Archiv f. path. Anat. 148, 180 (Gurlt).
Paltauf, Ch. S., Dr. med., dirigierender Arzt
d. Bades Neuhaus in Steiermark; f zu
Graz im Jan. — L Leopoldina 32, 58. — KA.
Piessling, W. Ritter v., Dr. med., emerit.
Prof. an d. ehemal. Chirurgenschule in
■ Olmtttz; f zu Prag im März. — L Leo-
poldina 32, lOI.
*Renz, Theodor v., Dr. med.. Geh. Hof-
rath, Brunnenarzt in Wildbad, ^ zu Ober-
dischingen b. Ulm 30. I. 34; f im Wild-
bad 29. XII.: s. BJ I, 102. — L BJ II,
35 •; HBL 3, 708 (mit W); Leopoldina
33. 51-
^Rigler, Johannes, Dr. med., Sanitätsrath,
Eisenbahnarzt, später Badearzt, * zu Pots-
dam 3. VIII. 39; f zu Braunlage am Harz
19. XII.: s. BJ I, 158. — L BJ II, 36»;
HBL 5, 31 (mit W).
Ring, Dr. med., Geh. Sanitätsrath, einer d.
beliebtesten Berliner Aerzte, 80 J.; f in
Bad Kohlgrub 6. IX. — L Leopoldina 32,
184. — KA.
Rosner, Anton, Dr. med., Prof. f.
Hautkrankheiten u. Direktor d. Klinik
a. d. Univ. Krakau, * zu Tarnow in Ga-
liezien 1831 ; f zu Krakau 25. Vlil. — L
Leopoldina 32, 144. — AM.
127
Todtenliste 1896: XXI. Aerzte und Apotheker.
128*
^Rüdinger, Nikolaus, Dr. med., ordent].
Prof. f. Anatomie an d. Univ. München,
* zu Erbes-Büdeshcim in Hessen 25. III.
32; t 2u Tutzing am Starnberger See
25. VIIL: s. BJ I, 353. - L BJ II, 37»;
lU. Ztg. 107, 317 (E. Fischer, mit P);
Leopoldina 32, 126. 144; Deutsche Mediz.
Wochenschr. 22 Nr. 37 (K. v. Bardeleben);
Sitzungsber. d. Münch. Akad. d. Wissensch.
math.-phys. Kl. 1897, 390 (C. Voit); HBL
4, 114 (mit W); Archiv f. path. Anat.
148, 195 (Gurlt). — W auch Kukula 774.
Suppl. 210. 292: Börsenbl. f. d. d. Buchh.
1896, 5494-
Sachs, Theodor, Dr. med., Privatdoz. f.
Augenheilk. an d. Univ. Innsbruck. * zu
Troppau 1855; f zu Innsbruck 20. VI. — L
Leopold. 32, 139. — W Kukula 784,. — AM.
*Schiff, Moritz, Dr. med., ordentl. Prof. f.
Physiologie an d. Univ. Genf; s. Sp. 94 *.
— L ferner Wiener klin. Wochenschrift
9, 44 (Biedl); Korrespondenzbl. f. Schweizer
Aerzte 26, 23 (A. Jacquet); HBL 5, 223
(mitW); Lancct 1896, II, 1198; British
Medical Journal 1896, II, 1264; Archiv f.
path. Anat. 148, 199 (Gurlt).
*Schirmer, Rudolf, Dr. med.. Geh. Med.-
Rath, ordentl. Prof. f. Augenheilkunde an
d. Univ. Greifswald, * daselbst 10. III. 31 ;
f ebenda 27. L: s. BJ I, 159. — L BJ
II, 38 ♦; Lcopoldina 32, 57; HBL 5, 228
(mit W). — W auch Kukula 808; Nachr.
a. d. Buchh. 1896, 244.
*Schlesinger, Wilhelm, Dr. med., prakt.
Arzt u. Privatdozent f. Gynäkologie an d.
Univ. Wien, • zu Tinnye (nicht Timye)
in Ungarn 6. II. 39; f zu Vöslau 19. VI.:
s. BJ I, 160. — L BJ II, 38 ♦; Wurzbach
30, 94 ; HBL 5, 235 (mit W); Wiener Mediz.
Blätter 1896, 403 (R.Beer); Archiv f. path.
Anat. 148, 191 (Gurlt). — W auch Kukula
810: KL 1896, 1115. — AM.
Schmid, Hans, Dr. med., Oberarzt d. Dia-
konissen- u. Krankenanstalt Bethanien, *
zu Erlangen 15. XI. 53; f an den Folgen
einer Blutvergiftung, die er sich bei einer
Operation zugezogen, zu Stettin 17. XI.
— Stud. in Erlangen u. Leipzig; 1878
Promotion; 2 Jahre Assistent d. Erlanger
Klinik; 6^/3 Jahre Assistent u. Arzt am
Augusta-Hospital in Berlin; seit 1887 diri-
gierender Arzt d. Krankenhauses Bethanien
in Stettin. — L Leopoldina 32, 189; HBL
6, 996 (mit W).
Schmidt, Benno, Dr. med., Geh. Med.-
Rath, ordentl. Honorarprof. f. Chirurgie
u. Direktor d. Chirurg.- Pollklin. Instituts
an d. Univ. Leipzig, Generalarzt x. Kl.
h. la suite d. K. sächs. Sanitätscorps, * zu
Kaditz b. Dresden 3. III. 26; f in Bad
Wildungen 6. VL: s. BJ I, 160. — L BJ
n, 38 •; HLB 5, 246 (mit W); 111. Ztg.
io6, 282 (P. W., mit P); Leopoldina 32,
133; Militär-Wochenbl. 1896, 1842; Münch.
Med. Wochenschr. 43 Nr. 9 (Hoffa); Archiv
f. path. Anat. 148, 189 (Gurlt). — W auch
Kukula 813; Nachr. a. d. Buchh. 1896,
1095.
^Schneller, Moritz, Dr. med., Augenarzt
in Danzig, * zu Heinrichswalde, Kr. Nie-
derung in Ostpr., 31. I. 34; f zu Danzig
9. XL: s. BJ I, 161. - L BJ II. 39 *;
Leopoldina 32, 189: HBL 5, 257 (mit W);
Klin. Monatsbll. f. Augenheilk. 34, 438
(W. Feilchenfeld).
Schrader, Friedrich, Dr. med., General-
arzt; s. Sp. 55 *.
♦Seil, Eugen, Dr. phil., Geh. Reg.-Rath,
Mitgl. d. Reichsgesundheitsamtes; s. Sp.
94*.
Sendler, Friedrich Hermann Theodor,
Dr. med.. Geh. Med.-Rath, seit 1877 Mitgl.
d. Medizinalkollegiums d. Provinz Sachsen,
* zu Parey a. E. 4. XII. 19; f zu Magde-
burg 23. VII. — L 111. Ztg. 107, 125.
*Sonderegger, Jakob Laurenz, Dr. med.,
prakt. Arzt, Präsident d. Schweizer. Aerzte-
Vereins, Hygicnikcr, • auf Schloss Grünen-
stein bei Balgach im Kant. St. Gallen 22.
X. 25; t zu St Gallen 20. VI.: s. BJ I,
i66. — L BJ II, 40 •; Korrespondenzbl.
f. Schweiz. Aerzte 26 Nr. 18 (G. Feurer,
mit P); Ztschr. f. Krankenflege x8, 187
(E. Jordy); MUnch. Mediz. Wochenschr.
44 Nr. 1 (M. V. Pettenkofer); HBL 5,466
(mit W); Berliner klin. Wochenschr. 34
Nr. 13 (Guttstadt) ; Vierteljahrschr. f. öffentl.
Gesundheitspflege 29, 2, 193 (M. Pistor);
Archiv, f. path. Anat. 148, 190 (Gurlt). —
W auch KL 1896, 1222.
*Späth, Joseph, Dr. med., bis 1886 ordentl.
Prof. f. Gynäkologie an d. Univ. Wien,
* zu Bozen 13. III. 23; f zu Dombach b.
Wien 29. III. : s. BJ I, 354. — L BJ II,
40*; Leopoldina 32, loi ; HBL 5, 474
(mit W).
Stoltz, Joseph Alexis, Dr. med., früher Prof.
f. Gynäkologie an d. ehemal. »Faculte de
Medecine« in Strassburg, * zu Andlau im
Elsass 14. XII. 1803 (22. Friroaire 12); f da-
selbst 22. V. — Stud. in Strassburg; 1826
Promotion; 1829 Aggrege u. suppl. Prof.
f. Geburtshülfe u. Frauenkrankh. , 1834
wirkl. Prof. an der Strassburger »Faculte
de Medecine«; optierte 1871 f. Frankreich;
1872 Dekan u. Prof. an der nach Nancy
verlegten Fakultät; seit 1878 als »Profes-
seur honoraire« im Ruhestande. — L Leo-
poldina 32, 105; Archiv f. öffentl. Ge-
sundheitspflege in £ls.-Lothr. 17, 146 (H.
W. Freund u. J. Klein); Revue medic. de
l'Est 28, 321; Le Passc-Temps d'Alsacc-
129
Todteoliste 1896: XXI. Aerzte und Apotheker. XXII. Pädagogen.
130'
Lorraine 7, 273; Centralbl. f. G>'näkol.
20 Nr. 30 (H. W. Freund); HBL 5, 552
(mit W^; Progres medical 1896, I, 351;
Archiv f. path. Anat. 148, 187 (Gurlt). —
AM.
Tappehorn, Theodor Konrad Ferdinand
Alexander, Dr. med., Geh. Obermed.-Rath,
grosshgl. Oldenburg. Leibarzt; * zu Olden-
burg 17. II. 28; t daselbst i. VlIL — L
Leopoldina 32, 143. — AM.
Veiten, Karl Jakob, Dr. med., Geh. Sanitäts-
rath, prakt. Arzt in Bonn, ehemal. Leibarzt
d. Kaiserin Augusta, 77J.1 * zu Ahrweiler;
t zu Bonn 6. XII. - L 111. Ztg. 107, 773. —
AM.
*Wagener, Guido, Dr. med., ordentl. Ho-
norarpro f. f. Anat. an d. Univ. Marburg,
* zu Berlin 19. IL 22; f daselbst 10. IL:
s. BJ I, i6i. — L BJ II, 44*,* Leopoldina
32, 42. 59 (mit W); HBL, 6, 161 (mitW);
Archiv f. path. Anat. 148, 180 (Gurlt).
Wendt, Hermann, Dr. med., bis 1885
Irrenanstaltsdirektor (1868 zu Allenberg
in Ostpr., 1875 *" Schwetz in Westpr.),
* zu Freienwalde a. d. O. 1832; f zu
Charlottenburg 9. V. — L Archiv f. path.
Anat. 148, 185 (Gurlt); Allg. Ztschr. f.
Psychiatrie 53, 439.
*Wenzel, Ernst Friedrich, Dr. med., ausscr-
ordentl. Prof. f. Anatomie an d. Univ.
Leipzig, * zu Oderwitz (nicht Oberwitz)
b. Zittau 14. IX. 40; t zu Leipzig 25. X.:
s. BJ I, 162. — LBJ II, 45*; Leopoldina
32, 185. — W Kukula 998.
•Wernich, Albert Ludwig Agathon, Dr.
med., Reg.- u. Med.-Rath am Polizeiprä-
sidium zu Berlin, sowie Mitgl. d. Prövin-
zial-Medizinal-KoUegiums, * zu Elbing 15.
VII. 43; t zu Berlin 19. V.: s. BJ I, 355.
— L BJ II, 46*; Leopoldina 32, 105;
HBL 6, 248 (mit W); Globus 70, 19
(W. Wolkenhauer, mitW); Vierteljahrsschr.
f. gerichtl. Medizin III. F. 12, i ; Berliner
klin. Wochenschr. 1896, 471 ; Archiv f.
path. Anat 148, 186. — W auch KL 1896,
1381; Cat Roy. Soc. 8, 1220. 11, 784.
Wickersheimer, Jean, Präparator in Berlin,
Erfinder der nach ihm benannten Flüssig-
keit zur Konservierung von Leichen, • zu
Beiborn, Kr. Molzheim 5. VI. 32; f zu
Berlin 28. VIII. — Kam 1851 als Tischler-
geselle nach Berlin, war später Bademeister,
und dann Präparator am Anat. Institut. —
111. Ztg. 107, 273. — AM.
Zillner, Franz Valentin, Dr. med., Sanitäts-
rath, früher Arzt an d. Irrenanstalt zu
Salzburg, auch Kultur- u. Lokalhistoriker,
als solcher Begründer d. Gesellschaft fUr
Salzburg. Landeskunde, * zu Salzburg 14.
II. 16; f daselbst 17. Xll. — L Leopoldina
32, 177. 33, 49; Mittheilungen d. Gesell-
schaft für Salzburg. Landesk. 37, I (H.
Widmann); J. E. Engl, Dr. F. V. Zillner,
Bcitr. z. Schilderung s. Lebens. Salzb. 1897 ;
Wurzbach 60, 102 (mit W) ; HBL 6, 1042
(mit W); Hinrichsen" 1426 (mit W). — W
auch KL 1896, 1455.
XXn. Pädagogen*).
Angerstein, Eduard, Dr. med., Professor,
Stadt. Obertumwart zu Berlin, • daselbst
I. IX. 30; t ebenda 23. VII. — Sohn eines
privatisierenden Apothekers in Berlin; ver-
lor früh d. Vater; Besuch d. Königstädt.
Realsch. u. d. Gymn. z. Grauen Kloster;
stud. an d. Univ. seiner Vaterstadt Medizin;
1855 einj.-freiw. Arztbeim Kaiser Alexander-
Grenadier-Reg. ; 1856 prakt. Arzt in Berlin;
turnte seit seinem 14. Jahre in d. Lübeck'-
schen Privatschule nach Jahn'scher Art:
1857 Mitgl. d. Eiselen'schen Tumver.;
hier u. im Berliner Turnrath, einer Ver-
einigung berliner Turnvereine, Vorsitzen-
der; 1863 Ivciter des Brandenburg. Turn-
kreises; nach Austritt aus d. Turnrath
Gründer d. »Berliner Turnerschaft«, an
deren Spitze er bis 1874 stand; ebenso
Vorsitzender im Berliner Turnlehrerver.,
im Turnlehrerver. d. Mark Brandenburg
u. im Ausschuss d. Berliner Tumgaue;
seit 1875 Mitgl. d. Ausschusses in d. deut-
schen Tumerschaft; 1864 städt. Obertum-
wart; 1866 u. 70 als Stabsarzt an den
Feldzügen theilnehmend ; 1890 Professor:
Gegner der schwed. Gymnastik. — L BJ
II, I*; in. Ztg. 107, 156 (mit P).
*Berthelt, August, Oberschulrath, bis 1885
Bezirksschulinspektor in Dresden , * zu
Gross röhrsdorf b. Pulsnitz in Sachsen
5. XII. 13; f zu Dresden 26. IV.: s. BJ
1, 246. — L BJ II, 4*.
Bninnemann, Karl, Dr. phil., Realgymn.-
Direktor a. D.; s. Sp. 98*.
^Christaller, Theodor, Oberlehrer zu Bona-
mondone in Kamerun, Kenner d. Dualla-
sprache, * zu Schorndorf in Württemberg
2. I. 63; f zu Bonamondone 19. VIIL:
s. BJ I, 99. — L BJ II, 7»; 111. Ztg. 107,
273-
•) Vergleiche auch Abth. XIII (Mathematiker) und Abth. XVI (Philologen).
Biogr. Jahrb. u. Deatscber Nekrolog. 3. Bd. q
131* Todtenliste 1896: XXII. Pädagogen. XXIII. Dichter und Schriftsteller. 132*
Dachs, Joseph, Musikpädagog; s. Sp. 147*.
^Dittes, Friedrich, Dr. phiL, pens. Direk-
tor d. Pädagogiums zu Wien, * zuirfersgrün
im Sachs. Vogtl. 23. IX. 29; + zu Wien
15. V.: s. BJ I, 243. — L BJ II, 8*; Deut-
scher Hausschatz 20, Beil., 52; Neue Bah-
nen 1896, 625 (R. Dietrich, mit P); Prakt.
Schulmann 1896, 281 (G. Heydner); Aus
d. Schule f. d. Schule 1896, 288. 348 (C.
Ziegler); Rhein. Blätter f. Erziehung u.
Unterricht 1896, 4. 289 (R. Köhler); Hin-
richscn ^ 279 (mit W).
Eichler, Gotthelf August, Dr. phil., Schul-
rath, 1852 bis Ostern 1896 Direktor d.
Leipziger Taubstummenaustalt, * zu Kör-
litz b. Würzen 26. I. 21; f «^ Lcipzig-
Scbleussig 2i. IX. — L 111. Ztg. 107, 395.
Friedländer, Konrad, Dr. phil., Direktor
d. Johanneums (Realgymn.) in Hamburg,
Realschulmann, Verf. geschichtl. Lehr-
bücher; f während einer Schweizer Reise
auf der Tellsplatte am Vierwaldstätter See
25. V. — L 111. Ztg. 106, 699.
*Gartz, Friedrich, Seminarlehrer in Salz-
wedel, Komponist von SchuUiedem; s.
Sp. 148*.
Grossmann, Georg, bis 1892 Rektor d.
Gymnasiums in Bayreuth ; f zu Bayreuth
18. X. — L 111. Ztg. 107, 515.
Hempel, Rudolph, Dr. phil., Schulrath,
Bezirksschulinspektor in Leipzig, um d.
Volksschulwesen daselbst verdient, auch
Schriftführer d. Zentralvorstandes d. Gustav-
Adolf- Vereins, * zu Stünzhain b. Altenburg
24.11. 39; f zu Leipzig 31. XII. — L 111.
Ztg. 108, 48.
Hof, N a n n y vom, hess. Schriftstellerin, früher
Vorsitzende d. Allg. Erziehungsvereins u.
Leiterin d. Volkskindergartens in Kassel;
s. Sp. 134*.
Jaap, Heinrich, Schulrath, 'Direktor d.
evangel. Lehrerbildungsanstalt in Bielitz
(Oestcrr.-Schlesien) ; f zu Bielitz 21. II.
Jordan, Wilhelm, städt Obertumlehrer in
Görlitz, in deutschen Turnerkreisen weit-
bekannt; t zu Görlitz 2. L ~ L 111. Ztg.
106, 45.
Müller, Georg, Dr. phil., Direktor d. Leh-
rerinnenseminars u. d. höh. Töchterschule I
in Hannover, Schriftsteller auf d. Geb. d.
Geschichte, Litteraturgeschichte u. Päda-
gogik, ^ zu Frauenstein 9. I. 51; f zu
Hannover 6. XI. — L 111. Ztg. 107, 62 1;
Ztschr. f. weibl. Bildung 1896, 593 (A.
Sleinberg). — W KL 1896, 877.
Orgler, P. Flavian, k. k. Schulrath; s Sp.
109*.
Pickel, A., Seminaroberlehrer in Eisenach,
bedeutender Schulmann; f zu Eisenach
5. XI. — L 111. Ztg. 107, 584; Pädagog.
Studien 1896, 106 (Winzer).
Reumuth, Karl, Direktor d. höh. Web-
schule in Glauchau; s. Sp. 73*.
^Rudolph , Ludwig, Töchterschul - Ober-
lehrer, Pädagog u. populärwissenschaftl.
Schriftsteller, auch Litterarhistoriker; *
zu Berlin 18. VIII. 13; f ebenda 26. IX. :
s. BJ I, 250. — L BJ II, 37» ; Ztschr. f.
weibl. Bildung 1896, 547.
Salis-Schwabe , Frau Julie, Begründerin
des Internationalen Fröbelinstituts inNeapel:
t daselbst 21. V. — L 111. Ztg. 106, 699.
Saupe, Friedrich, Schulrath, Bezirksschul-
inspektor in Chemnitz, * zu Waldheim
2. XI. }; f zu Chemnitz 26. XI. — L
111. Ztg. 107, 699.
Scharlach, Emil, Dr. phil., Seminardirektor
in Oels; f daselbst Ende XL — L 111.
Ztg. 107, 699.
*Schellenberg, Viktor (Pseudon.: Ernst
Veit), Dr. phil., Professor, Geh. Hofrath.
Pädagog u. schönwissenschaftl. Schrift-
steller, * zu Altenburg im Herzogth. S.-A.
30. XI. 27; t zu Weimar 9. VII.: s. BJ I,
252. - L BJ II, 38».
Wolff, Hermann, Dr. phil., Philosoph u.
Pädagog; s. Sp. 86*.
XXm. Dichter und Schriftsteller.
Ah, Josef Ignaz v. (Pseudon.: Hartmann
v.Baldcgg u. Der Weltüberblicker),
Theolog, Publizist u. dramat. Dichter; s.
Sp. 105*.
*Ascharin, Andreas, Lehrer für deutsche
Sprache u. Litteratur am russ. Alexander-
u. Lomonossow -Gymn. in Riga, Dichter
u. Uebersetzer, * zu Pernau in Livland
12. (24. n. St.) VI. 43; t zu Riga 12. (24.
n. St.) XII.: s. BJ I, 196. — L BJ 11, 2*;
Brummer* 1,48 (mit W).
'^Backhaus« Wilhelm Emanuel (Pseudon.:
Th. Neander, Imanuel Baidur), lyr.
Dichter, sozialpolit. u. philosoph. Schrift-
steller, * zu Petershagen in Westfalen 26.
III. 26; t zu Bremen 27. II.: s. BJ I, 195.
— L BJ II, 2»; BrUmmer* i, 62 (mit W);
Eckardt lo(mitW); Hinrichsen*43 (mitW).
— W auch KL 1896, 36.
•Bäuerle, Friederike (Pseudon.: Fried-
rich Hörn), Dichterin u. Uebersetzerin,
♦ zu Wien ii. XII. 17 (od. 20 ?); f zu Ur-
schendorf b. Wiener Neustadt 17. VII.: s.
BJ I. 335« — L BJ II, 2*; Wurzbach 1,121.
133
Todtenliste 1896: XXIII. Dichter und Schriftsteller.
134'
*Baumbach, Karl, Dr. jur., Oberbürger-
meister V. Danzigi Publizist; s. Sp. 31*.
Benda, Franz, P., Provinzial d. Piaristen-
ordens; s. Sp. 106*.
Benkendorf, Ignaz, Journalist; f zu Wien
4. II. — L 111. Ztg. 106, 193.
♦Beyrich, Clementine (Pseudon. : Cle-
mentine Helm), Jugendschriftstellerin,
* zu Delitzsch 9. X. 25; f ^^ Berlin
26. XL: s. BJ I, 247. — L BJ II, i8*:
111. Ztg. 107, 750 (nicht 150. mit P);
Brummer* i, 118 (mitW). 436; Hinrichsen*
117 (mit W). — W auch KL 1896, 91;
Pataky i, 331 ; BörsenbL f. d. d. Buchh.
1896, 8380.
Blind, Mathilde, Stieftochter Karl Blinds,
Dichterin u. Schriftstellerin in London,
54 J.; t 29. XL
Brentano, Karl v., Prof. u. geistl. Instituts-
direktor, Volks- u. Reiseschriftsteller; s.
Sp. 107*.
*Bürkle, Martin, Pfarrer u. Schriftsteller,
auch Dialektdichter; s. Sp. iii*.
•Carro, Karl Ritter v. (Pseudon.: Karl
C uro de), Schauspieler, Rezitator und
Dichter, * zu Wien 21. III. 46: f daselbst
22. IlL: s. BJ I, 337. - L BJ II, 7»;
NTA 9, 163. — W KL 1896, 183.
Corleis, Friedrich, Uhrmacher, dramat.
Dichter, * zu Oberndorf in Hannover
22. 1. 53 ; fzn Altona 14. VI. — L Brummer *
I, 228; NTA 8, 164. — W KL 1896,
198.
Dominik, Emil, Redakteur, Schriftsteller,
Verleger; s. Sp. 141*.
Dornbusch, Paul, Publizist, Redakteur u.
Verleger d. »Nürnberger Anzeiger«, An-
hänger d. sUdd. Volkspartei, * zu Würzburg
7. VIL 48; t zu Nürnberg 5. LX. — L 111.
Ztg. 107, 308; KL 1896, 244.
Dreger, Karl, ehemaliger Chefredakteur d.
Wiener »Presse«, 71 J.; + zu Wien 17. XII.
•Ebeling, Adolf Heinrich, Dr. phU., Prof.,
Dichter, Reiseschriftsteller, Historiker, *
zu Hamburg 24. X. 27; f zu Köln 20.
(od. 21. ?) VIL: s. BJ I, 194. — L BJ II,
9*; Deutscher Hausschatz 20, Beil., 68
(mit P); Keiter 4, 37 (mit W). 5, 263;
Eckart 59 (mit W): Schröder 2, 94 (mit W) ;
Hinrichsen ^ 301 (mit W). — W auch KL
1896, 259.
Eulenburg, Paul, Dr., Schriftsteller u. dra-
mat. Dichter, 45 J.; f zu Blasewitz b.
Dresden im Okt.
•Eye, August V., Dr. phil., Novellist, Aesthe-
tiker, Litterarhistoriker ; s. Sp. 99*.
♦Franckel, Adolf, Dr. phil., Schriftsteller,
lyr. u. ep. Dichter, Sekretär d. Vereins d.
Deutschen Volkstheaters in Wien, ehemal.
Theaterdirektor u. Regisseur, * zu Brunn
20. X. 25; f^u Wien 29. IV. 96 (nicht 90):
s. BJ I, 340. — L BJ II. II»; NTA 8,
174; Brummer* i, 373 (mit W).
Friedländer, Robert, Herausgeber d. »Phi-
ladelphia Abendpost«, * zu Mülheim a. Rh.
1832; t zu Philadelphia Sept/Okt. — L
111. Ztg. 107, 460; KL 1897, I, 42.
Göttisheim, Fritz, Dr. phil , Redakteur d.
»Basler Nachrichten«; s. Sp. 124*.
Grandauer, Franz, Dr. phil., Theater-
regisseur, Uebersetzer u. Bearbeiter v.
Opemtexten, Theaterhistoriker; s.Sp. 159*.
Greiner, Ludwig, früher Herausgeber d.
»Feuilleton-Zeitung«, Gründer d. Literar.
Bureaus Greiner & Cie., Uebersetzer, • zu
Erlau in Ungarn 21. X. 47; f zu Berlin
14. VIL — L lU. Ztg. 107, 125; KL 1896,
428 (mit W).
Gröteken, Heinrich, Pfarrer, dramat. Dich-
ter; 5. Sp. 108*.
Grotthuss, Elisabeth Baronin v., Roman-
schriftstellerin, * zu Dürbeo in Kurland
29. X. (10. XI. n. St.) 20; t zu Wien
im Jan. — L Hinrichsen * 473 (Autobiogr.,
mit W); Brummer* 2, 56 (mit W): Keiter
4, 61 (mit W). 5, 263. — W auch KL
1896, 431; Pataky i, 287.
*Guischard, (auch Guichard), VVil hel-
mine Konstanze, Verf. v. Romanen u.
Novellen, • zu Kolberg in Pommern 5.
III. 26; f zu Berlin Anf. April: s. BJ I,
194. — L BJ II, 16 •; Brummer* 2, 63
(mit W). 4, 443. — W auch Pataky i, 292.
^Gurlitt, E m a n u e 1 , Bürgermeister in Husum,
Verf. V. Gedichten u. Dramen in platt-
deutscher Mundart; s. Sp. 32*. — L auch
Brummer* 2, 67; Eckardt 80.
*Häcker, Gustav v., Landgerichtspräsident,
lyr. Dichter; s. Sp. n8*.
*Heerbrandt, Gustav, Deutschamerikaner,
Schwab. Dialektdichter, Redakteur u. Zei-
tungsverleger, * zu Reutlingen 14. III. 19;
t zu New York 26. V.: s. BJ I, 96. —
L BJ II, I7r.
*Helbig, Friedrich, Landgerich tsrath a. D. ,
Dichter u. Schriftsteller, Mitarbeiter d.
»Gartenlaube«; s. Sp. 119*.
Herold, Friedrich, einer d. ältesten deut-
schen Journalisten in Nordamerika, ge-
borener Sachse, 77 J.; f ^^ Cleveland 16.
XL — L 111. Ztg. 107, 699.
Hinze, Hugo, früher Major, Reichstagsabg.,
Publizist; s. Sp. 36*.
^Hirsch, Arnold, Dr. med., Homöopath,
Schriftsteller u. Publizist, Dichter v. Dramen,
Novellen u. Gedichten, * zu Horitz in
Böhmen 15. VL 15; f zu Wien 24. XL:
s. BJ I, 341. — L BJ II, 19*; IlL Ztg.
107, 699; Brummer* 2, 168, (mit W);
Wurzbach 9, 45 (mit W).
*Hof, Nanny vom, hess. Schriftstellerin,
Verf. v, Erzählungen u. Dramen, früher
135*
Todtenliste 1896: XXIII. Dichter und Schriftsteller.
136*
in Kassel Vorsitzende d. Allg. Erziehungs-
vereins u. Leiterin d. Volkskindergartens,
♦ zu Hombressen, Kr. Hofgeismar, 19. II.
24; t daselbst 26. HL: s. BJ I, 253. —
L BJ II, 19*; Brummer* 2, 179. — W
Pataky i, 365.
Höhl, Leopold (Pseudon.: Rhoenanus),
Pfarrer in Ebern, der »Rhöntroubadour,
Dichter u. Reiseschriftsteller; s. Sp. 108*.
*Honore, Wilhelm, Kaufmann u. Fabrikant,
Dichter u. Uebersetzer; s. Sp. 72*.
*Hoyos, Rudolf Graf v., Mäzen u. Dichter;
s. Sp. II*.
*Jarke, Franziska Julie (Pseudon.: E. Ru-
dorff), Romanschriftstellerin u. Verf. pä-
dagog. Schriften, * zu Königsberg 3. XII. 1 5 ;
t ebenda 3. VIIL: s. BJ I, 259. — L
BJ II, 20*; Brummer* 2, 228 (mit W);
Pataky i, 398; Hinrichsen' 628 (mit W).
— W auch KL 1896, 582; Pataky 2, 210.
KampfFmeyer, Wilhelm, Redakteur d.
»Gerberzeitung«, Vorsitzender d. Ver. deut-
scher Gerber, 51 J.; f ^u Berlin 8 IL —
L 111. Ztg. 106, 217.
Kober, Franz, Dr. phil., Besitzer d. Hol-
beinapotheke in Basel, Verf. d. Biographien
V. Ch. F. Spittler u. C. Mez, • 29. V.
40; f zu Basel 24. XL — L Börsenbl.
f. d. d. ßuchh. 1896, 8248.
Kraemer, Maximilian, Humorist, Lokal-
plauderer, Redakteur d. »Lustigen Blätter«,
• zu Breslau 25. III. 63; f zu Berlin 5.
VL — L 111. Ztg. 106, 726; KL 1896.
685 (mit W).
Kreuzmaier, J. 6., Redakteur d. »Münchener
Boten«, 71 J.; f 2" München 22. VIIL
— L Hl. Ztg. 107, 273.
Krinitz (auch Krienitz), Elise (Pseudon.:
Camille Seiden), Lehrerin am Mädchen-
lyzeum zu Ronen, Verf. krit. Studien ttl).
ausländ. Litteratur, Freundin H. Heines
(die »Mouche«), • zu Prag 1826 (od.
'^33 0» t ^^ Ronen laut .Nachricht aus
Paris vom 11. VIIL — L 111. Ztg. 107,
214. 294 (A. Kohut, mit P).
*Laistner, Ludwig, Dr. phil., Germanist
u. Dichter; s. Sp. 100*.
LankenaUy v , russ. Staatsrath, früher In-
spektor am russ. Kadettenkorps, Roman-
schriftsteller; f zu Wiesbaden 27. X. —
L 111. Ztg. 107, 547.
*Lenz, Karl Ludwig, Dr. phil, Humorist,
Lustspieldichter, Redakteur, * zu Berlin
20. IX. 13; f daselbst 2. X.: s. BJ I,
253. — L BJ II, 25*; Brummer* 2, 401
(mit W); Schröder 4, 431 (mit W). —
W auch KL 1896, 748.
Liesen, Heinrich (Pseudon. :L. Clemens),
Pfarrer, Publizist; s. Sp. 109*.
Lindau, Leopold, früher Redakteur u.
Prokurist d. W^olfTschen Telegraphen-
Bureaus, vorher Musikkritiker u. Feuille-
tonist an amerikan. Zeitungen; f 18. V.
^ipperheide, Frieda Freifrau v., geb.
Gestefeld, Schriftstellerin, Mitbegründerin
d. »Modenwelt« u d. »Illustr. Frauenztg.c,
• zu Lüchow in Hannover 25, IV. 40:
t 12. IX.: s. BJ I, 137. — LBJ II, 25*;
111. Ztg. 107, 415 (G. S., mit P); Pataky
I, 510.
^LudorfT, Franz Xaver, Dr. phil., Anglist,
lyr. u. dramat. Dichter, * zu Kessenich
(Rheinprov.) 21. V. 52; f ^^ Münster
31. V.: s. BJ I, 248. — L BJ II, 25*;
Brummer* 2, 450 (mit W); Keiter 4, 124
(mit W); Rassmann N. F. 142 (mit W).
— W auch KL 1896, 789.
*Meerheimb, Richard v., (Pseudon.: Hugo
vom Meer), Oberst a. D., ep. u. dramat.
Dichter (Psychodramen); s. Sp. 59*. —
Vgl. noch Haan 210 (mit W); Nachr. a.
d. Buchh. 1896, 195 (W).
*Menger, Rudolf, Dr. phil., Journalist,
lyr. u. dramat. Dichter, * zu Driesen in
d. Neumark 26. V. 24; f zu Berlin 23.
X.: s. BJ I, 257. — L BJ II, 30; KL 96,
833.
Michels, Ferdinand, Redakteur d. »Königs-
berg. Hartungschen Ztg.«, Publizist u.
Kunsthistoriker, * zu Meckenheim 15. IX.
44; f zu Königsberg i. Pr. 10. IV. — L
111. Ztg. 106, 465; KL 1896, 853.
Mdller, Friedrich, Journalist, Herausgeber
d. Witzblattes »Der Krakeeler« verbunden
mit d. »Hessischen Sonntagsblatt«, früher
Redakteur d. »Freien Hess. Ztg.«, • zu
Kassel 29. XII. 32; f daselbst 14. IL —
L 111. Ztg. 106, 248.
•NoS, Heinrich August, Dr. phil., Reise-
schriftsteller u. Novellist; s. Sp. 97*.
*Pick, Alphons, Industrieller, elsäss. Dia-
lektdichter u. Publizist, Mitgl. d. Landes-
ausschusses, * zu Strassburg i. £. 4. VL
1808; t daselbst 8. III.: s. BJ I, 248. —
L BJ II, 34*; Brummer* 3, 221 (mit W).
451 ; Ztschr. f. d. Gesch. d. Oberrh. 52, 332
(Marckwald, Elsftss. Geschichtslitt. : Er-
winia 3, 33 (A. Dietz); Allg. Ztg. 1896,
Beil. 65).
Ramschak, Ludwig, Journalist u. Schrift-
steller, Herausgeber d. »Sport- u. Jagdztg.«,
61 J.; t zu Wien II. L — L 111. Ztg. 106,
131-
*Rank, Joseph, pension. Direktions-Sekre-
tär d. Wiener Hofoper, Roman- u. Volks-
schriftsteller, Redakteur, • zu Friedrichs-
thal im Böhmer Wald 10. VL 16; f zu
Wien 27. IIL: s. BJ I, 448. — L BJ II,
35»; Brummer* 3, 274 (mit W). 4, 451.
*Razga von Rasztoka, Heinrich (Pseudon. :
Heinrich Thalboth), Schauspieler u.
Buhnendichter; s. Sp. 161*.
137'
Todtenliste 1896: XXIII. Dichter und Schriftsteller.
138*
^Reinkens, Joseph Hubert, Bischof d. deut-
schen Altkatholiken, Tbeolog u. Publizist,
auch Dichter; s. Sp. 11$*.
*Reizenstein, Franziska Freifrau v., (Pseu-
don.: Franz v. Nemmersdorf), geb.
von Nyss, Romanschriftstellerin u. Verf.
sozialphilos. Studien, * auf Schloss Härden-
stein in Schwaben 19. XI. 34; f zu München
4. VI.: s. BJ I, 256. — L BJ II, 35 ♦;
Freiherrl. Taschenbuch 1897, 1215 (i"*S)j
Brümraer* 3, 297 (mit W); Hinrichscn'
1092 (mit W) ; Pataky 2, 83. — W auch
KL 1896, 1022; Pataky 2, 182.
^Roberts, Alexander Baron ▼., (Pseudon.:
Robert Alexander), preuss. Hauptmann
a. D., Romanschriftsteller u. Novellist,
• zu Luxemburg 23. VIII. 45 ; f zu Schrei-
berhau im Riesengebirge 8. IX. 96 (nicht
95): s. BJ I. 263. — L BJ II, 36»;
Brummer* 3, 327 (mit W). — W auch
Börsenbl. f. d. d. Buchh. 1896, 5613. 5757.
Rochow, Rochus v., Major a. D., Publizist;
s. Sp. 54*.
Rolfus, Hermann, Dr. theol., Pfarrer, Pä-
dagog U.Jugendschriftsteller; s. Sp. ixo*.
^Roquette, Otto, Dr. phil., Prof. an d.
Techn. Hochsch. zu Darmstadt, Litterar-
historiker u. Dichter; s. Sp. 100^.
^Rosenthal, Hermann, Verf. v. Dramen,
Humoresken, Satiren, * zu Magdeburg
18. I. 37; t 2U Berlin im Juni: s. BJ I,
252. — L BJ II, 37*; BrUmmer* 3, 349
(mit W); Hinrichsen' 530 (mit W).
*Rössler, Konstantin, Dr. phil., Prof.,
Geh. Legationsrath a. D., Publizist; s. Sp.
i8*.
Rothenfelder, Alois, Pfarrer, Sozialschrift-
steller; s. Sp. HO*.
♦Röttger, Rudolf, Österreich. Offizier, Publi-
zist, Dichter u. Meteorolog, • zu Braun-
schweig 21. VII. 33; f zu Wien durch
Selbstmord 23. VII.: s. BJ I, 249. — L
BJ II, 36*; Brummer* 3, 361.
Sabell, Eduard Wilhelm, Dr. phil., Jour-
nalist, vielfach ausgewiesen, zuletzt An-
tiquar (R. Sandroy' sches Antiquariat) u.
kulturhistor. Schriftsteller in Berlin, * zu
Daisbach in Baden 22. II. 19; f zu Berlin
19. in. — L 111. Ztg. 106, 396; Nachr.
a. d. Buch. 1896, 647 (mit W).
Sauer, Karl Marquard (Pseudon. : M. All an d) ,
Dr. phil., Prof., Reg.-Rath, Pbilolog, Verf.
verschiedener Romane u. Novellen; s. Sp.
lOI*.
*Scheichl, Alois (Pseudon.: Alois Berla),
Wiener Volksschriftsteller, Verf. zahlreicher
Possen, Charakterbilder, Operntexte, Schau-
u. Lustspiele, * zu Wien 7. III. 26; f
daselbst 16. IL: s. BJ I, 336. — L BJ
II, 38*; Hl. Ztg. 106,* 248; Brummer* 4,
435 (mit W).
*Schellenberg, Viktor (Pseudon.: Ernst
Veit), Dr. phil., Prof., Geh. Hofrath,
Pädagog u. Verf. schönwissenschaftl.
Schriften; s. Sp. 132*.
*SchimpfF-Jahn, Anna (Pseudon. : Moritz
Horst); Roman- u. Reiseschriftstellerin,
♦ zu Leipzig 15. XI. 31; f zu Triest 8.
IL: s. BJ I, 251. — L BJ II, 38*; BrUm-
mer* 3, 420 (mit W); Pataky i, 379. 2,
241 (mit W).
Schlesinger, Anton, Direktor d. Kroat.
Kommerzialbank, früher (seit 1880) Chef-
redakteur u. EigenthUmer d. »Agramer
Ztg.«; t zu Agram 9. IL — L 111. Ztg.
106, 217.
Schlieben, Major a. D., Alterthumsforscher
u. Dichter; s. Sp. 54*.
*Schmelzkopf, Eduard, Philolog u. Dichter ;
s. Sp. 102 *.
Schmidt, Dr., früher Redakteur d. »Köln.
Volkszeitung«; f zu Stuttgart 28. XL
^Schmieden, Elise (Pseudon.: Elise
Juncker), geb. Kobert, Romanschrift-
stellerin, * zu Berlin 6. XL 41 ; f daselbst
10. VIIL: 5. BJ I. 260. — L BJII, 38»;
111. Ztg. 107, 263 (mit P); Brummer* 3,
452 (mitW); Pataky i, 402. 2, 256 (mit W)];
Hinrichsen-' 1176 (mit W).
Schweitzer, Leopold Albrecht, kaiserl.
Rath, früher Redakteur d. »Wiener Ztg.«,
• zu Neisse 1. IL 15; f zu Klostemeu-
burg b. Wien 9. VII. — L Brummer* 4,
58 (mit W); BörsenbL f. d. d. Buch. 1896,
4235-
Se3rfried, Heinrich Ritter v., Journalist u.
Theaterreferent, langjähr. Mitarbeiter d.
»Wanderer«, im 77. J. ; f zu Wien 8, XL
— L 111. Ztg. 107, 621 ; Wurzbach 34, 176.
Stankiewicz, Marie v., Schriftstellerin,
Tochter v. Frau Fanny Dore, geb. Caspars,
aus Mannheim, Jugendliebe Thorwaldsens,
* zu Wien i. X. 27; + zu Graz 16. XII.
— L 111. Ztg. 107, 799.
Stein, Friedrich v., k. russ. Hofrath, seit
1872 bis wenige Jahre vor seinem Tode
Mitredakteur d. Goth. Hofkalenders u.
Almanach de Gotha (Statistik: Handel,
Finanzen u. Militär), * zu Rastenburg 18.
IL 17; t zu Gotha 5. X. — Preuss.
Premierlieut. in einem ostpreuss. Grenad.-
Reg. ; später Lehrer an d. Realsch. in St.-
Petersburg; dann Redakteur d. deutschen
»Petersburger Ztg.« , als welcher er d.
deutsche Interesse in Russland, haupt-
sächlich während des deutsch -französ.
Krieges, vertrat; schrieb verschiedene Ar-
tikel Über d. Bevölkerungsverhältnisse Russ-
lands in »Petermanns Geogr. Mittheilungen«
u. Übersetzte aus d. Russ. ins Deutsche
Tottlebens Werk üb. d. Krimkrieg. — L
111. Ztg. 107. 489. — PM.
139* Todtenl. 1896: XXIII. Dichter u. Schriftsteller. XXIV. Buchdrck. u. Buchhdlr. 140*
^Steinmann, Karl, braunschweig. Lokal-
historiker u. Journalist, * zu Braunschweig
4. IL 23; f daselbst 21. VII.: s. BJ 1,406.
— L BJ II, 4i».
Stösser, Guido v., preuss. Major z. D.,
auch Novellist; s. Sp. 55* u. 66*.
*Strombeck, Richard Freih. v., General-
major z. D., Militärschriftsteller, Verf. v.
Memoiren; s. Sp. 56 •.
*Stunn, Julius, Geh. Kirchenrath, Dichter;
s. Sp. 116^.
*Thaden , Ludwig, Romanschriftsteller,
Redakteur, * zu Waddens in Oldenburg
16. II. 49: f zu Stuttgart 15. X.: s. BJ
I. 93. - L BJ II. 42 ♦.
*Treit6chke, Heinrich v., Historiker. Publi-
zist u. Dichter; s. Sp. 104^.
♦Ulrici, Karl (Pseudon.: Günther Wal-
ling), Dichter, Kulturhistoriker u. kunst-
gewerbl. Sammler, früher Kaufmann, * zu
Berlin 25. VII. 39; f zu Dresden 13. (od.
II?) L: BJ I, 262. — L BJ II, 43*;
Hinrichsen' 1329 (mit W).
*Versing - Hauptmann , Anna, Schauspie-
lerin, auch Verf. v. Gedichten, Novellen
u. Feuilletons; s. Sp. 162*.
* Wagner von Freinsheim. Camillo (Pseu-
don.: Karl Guntram), k. k. Hofrath
im Oberlandesgericht zu Wien i.R., 1848/49
Mitgl. d. Frankfurter Parlaments, Roman-
schriftsteller u. Novellist, lyr. u. ep. Dichter,
* zu Frankenburg in Oberösterreich 22.
VI. 13; t «u Graz 15. IL: s. BJ I, 250.
— L B J II, 44*; Hinrichsen' 1355 (mitW).
•Weber, Robert, Theolog u. Pädagog,
lyr. Dichter, u. Novellist, Journalist u.
Litterarhistoriker; s. Sp. 116*.
Weickum^ Karl, Domdekan, lyr. u. dramat.
Dichter; s. Sp. 11 1*.
*Wickede, Julius v. , Rittmeister a. D.,
Militärschriftsteller, Verf. v. Romanen u.
Novellen; s. Sp. 56*.
.•Wiesberg. Wilhelm, Österreich. Volks-
schriftsteller, Volkssänger, Verf. v. Couplets,
Kinderdramen u. a., * zu Wien 13. IX.
50 ; t daselbst 25. VIII.: s. BJ I, 345.
— L BJ II, 50*: Brummer* 4, 341 (mit
W); Wurzbach 56, 37 (mit W).
Wiesinger, Albert, Dr. phil.. Konsistorial-
rath, Dechant u. Pfarrer v. St Peter zu
Wien, klerikaler Journalist, Verf. homilet.
Schriften u. Kirchenhistoriker ; s. Sp. 112*.
Wohlwend, Jakob Julius, angesehener Deut-
scher im Staate Iowa, 1871 Begründer
der in Burlington erscheinenden »Iowa
Tribüne«, mehrmals dort zum Polizei-
richter gewählt, Kämpfer im Bürgerkrieg
auf Seite d. Union, * zu Karlsruhe 1839;
f zu Burlington im Sept — L 111. Ztg.
107, 429.
Wöhr, Johann (Pseudon. :HansWiesing),
Domkapitular in Graz, Volksschriftsteller;
9. Sp. 112*.
Wolfgarten, Gottfried, Pfarrer, Volks-
schriftsteller; S. Sp. 112*.
•Wymetal, Wilhelm Ritter v. (Pseudon.:
W. Wyl), Publizist, • zu Wien 27. XIL
38; t zu München 4. L: s. BJ III, 380.
Zedtwitz. Ewald V. (Pseudon.: E. v. Wald-
Zedtwitz, auch E. v. Waldj, Major
a.D., Romanschriftsteller; s. Sp. 57*.
^Zedtwitz-Liebenstein, Klemens Graf v.,
Dialektdichter; s. Sp. 16*.
XXIV. Buchdrucker und Buchhändler.
Barth, Eugen. Inhaber d. Buchhandlung
gleicher Firma in Colmar, 63 J.; j* 6. XII.
— L Börsenblatt f. d. Deutschen Buch-
handel 1896, 8585. — KA.
Barth, Rudolf, Sortimenter u. Verleger
in Aachen, Vorsitzender d. Rhein.- West-
phäl. Buchhändlervereins, * zu Meschede
23. IX. 47; f zu Aachen 30. X. — L
Börsenbl. 1896, 7282. 7280 (H. S.).
Bensinger, Sigmund, Inhaber d. Verlags-,
Sortiments- u. Kolportage-Buchh. gleicher
Firma in Prag u. Wien, 70 J.; f ^^ Ab-
bazia 15. IL — L Nachrichten aus d.
Buchhandel 1896, 399.
Benziger, (Vater). Adelrich, ältester Chef
d. kathol. Buchh. u. päpstl. Anstalt f.
kirchl. Kunst u. Industrie (Firma Adelrich
Benziger & Cie.) zu Einsiedeln in d.
Schweiz, hervorragender Kenner d. Ge-
sammtgeb. d. graph. Künste, * daselbst
15. XI. 33; t ebenda 9. X. — Begr. 1853
mit seinen Brüdern d. Firma »Benziger
Brothers« in New York: bis 1881 Chef
d. litterar., artist. u. techn. Abtheilungen
d. Firma Gebr. Karl u. Nikolaus Benziger
in Einsiedeln; 1883 Präsident d. Jury f.
d. Vervielfältigungs verfahren an d. Zürcher
Landesausstellung, 1889 Vizepräsident d.
Jury f. Buchdr. u. Buchh. an d. Pariser
Weltausstellung. — L K. F. Pfau, Biogr.
Lexik, d. D. Buchh. d. Gegenwart (Leipz.
1890). S. 33; 111. Ztg. 107, 489; Börsenbl.
1896, 6487. 6932 (P. F. W.).
Bermann, David, Inhaber d. Antiquariats-
u. Verlagsbuchh. Bermann u. Altmann zu
Wien, • zu Poln. (Gross-) Wartenberg
in Preussisch- Schlesien 1830; f zu Wien
9. XI. — L 111. Ztg. 107, 63; Börsenbl.
141'
Todtenliste 1896: XXIV. Buchdrucker und BuchhHndler.
142'
^896, 7503. 7546 (nach »Neue Fr. Presse«
V. 10. XI. 96). — PM.
Borstell, Johann Hennann Friedrich (Fritz),
Mitinhaber der »Nicolaischen Buchh.« und
d. Firma »Borstell & Reimarus« in Berlin,
Begründer eines BUcherleihinstitutes gros-
sen Stiles, * daselbst 27. V. 34; f ebenda
2. II. — 1850 Eintritt als Lehrling in d.
Buchh. Ernst & Korn in Berlin; auf d.
Wanderjahren in Mainz bei Viktor v. Zabem,
in Paris bei F. Klincksieck; nach der
Rückkehr in die Heimathstadt im Anti-
quariat von W. Weber daselbst; Übernahm
1863 mit F. Wreden d. Nicolaische Buchh.,
1867 — 71 deren alleiniger Inhaber, seit
I. I. 72 gemeinsam mit Hans Reimarus;
1886 — 92 Mitgl. d. Wahlausschusses, seit
Okt. 1893 Mitgl. d. Rechnungsausschusses
d. Börsen ver. d. D. Buchh.; bis 1895 auch
Stadtverordneter. — L Nachr. 1896, 267.
282. 299.
Boysen, Christian, Inhaber d. 1867 von
ihm unter seinem Namen gegr. Sortiments-
buchh., die er später auch auf d. Verlag,
bes. v.hamburger Schulbüchern, ausdehnte;
Mitinhaber d. am i. I. 89 eröffneten Ge-
werbe- u. Architektur-Buchh. Boysen &
Maasch; Vorsitzender d. Rechnungsaus-
schusses d. Börsenver., * zu Tondern im
Juli 36; f zu Hamburg 24. XI. — L
Börsenbl. 1896, 7983. 8350 (H. Seippel).
8352.
Brennwald, Alfred, Buchhändler, General-
sekretär d. Vereins f. Massenverbreitung
guter Schriften in Weimar; f daselbst 11.
IL — L Nachr. 1896, 343.
Colditz, Louis Albert, GehUlfe, Prokurist
u.schliessl. (bis 1892) Mitbes. d. Rein'schen
Buchhandlung in Leipzig; f daselbst 24.
IV. — L Nachr. 1896, 808. — PM.
Dominik, Emil, Buchhändler, Verleger
illustr. Zeitschriften, früher Redakteur des
»Bär«, * zu Brandenburg 27. II. 44; f zu
Berlin 16. I. ^ L KL 1896, 242. 1897,
I. 41.
Dudek, Arthur, Geschäftsführer d. Firma
Concordi<i, Deutsche Verlagsgesellsch. in
Berlin; f daselbst 5. X. — L Börsenbl.
1896, 6351.
Ed, Karl Emil, früher Verleger d. »Eisen-
bahnztg.«; f zu Lübeck. — L Börsenbl.
1896, 5887.
Ernesti, Gustav, bis 1894 Inhaber der
1847 von ihm begr. Buchh. in Chemnitz,
79 J.; + daselbst 17. IV. — L Nachr.
1896, 784. 800.
Faber, Gustav Karl Friedrich, bis 1872
Inhaber d. Faber'schen Buchdr. in Magde-
burg, 86 J. ; f zu Cracau b. Magdeburg
5. X. — Lehrling in d. Creutz'schen
Buchh. zu Magdeburg; Gehülfe b. Ludwig
Probst in Darmstadt u. J. P. Bachern in
Köln; übernahm 1838 die 1831 v. Christ.
Kunze in Mainz gegr. Sorttraentsbuchh.,
die er am i. I. 42 F. H. Ehler Uberliess ;
im gleichen Jahre erwarb er Verlag u.
Druckerei d. »Magdeb. Ztg.« — L III.
Ztg. 107. 460; Pfau a. a. O. 117 ; Börsenbl.
1896, 6459 (nach »Magdeb. Ztg.«).
Fenner von Fenneberg, Ernst, Inhaber einer
Buchh. in seiner Vaterstadt Weilburg a. d.
Lahn ; f zu Mainz 24. VI. — L Börsenbl.
1896, 4150 (A. M.).
Franck, Albert, Dr. phil., Begründer u.
langj. Besitzer d. Verlagsbuchh. »Librairie
A. Franck« in Paris, während d. letzten
25 Jahre als Privatmann in Dresden lebend,
86 J.; t daselbst 15. III. — Die Firma
war aus d. Buchh. Brockhaus & Avenarius
(gegr. 1837) hervorgegangen u. gelangte
1865 in d. alleinigen Besitz v. F. Vieweg»
unter dessen Namen sie fortbesteht. — L
111. Ztg. 106, 437; Nachr. 1896, 567.
Gassner, Franz, Buchhändler, auch Schrift-
steller u. Dichter, • zu Omisberg-Leck, Vor-
arlberg, 14. III. 33; t zu Innsbruck 12. X.
— L Börsenbl. 1896, 71 51. — PM.
Gerhard, Wolf gang, begründete 1845
ein Verlagsgeschäft in Leipzig, welches er
1891 an seinen Sohn Raimund G. abtrat,
* daselbst 10. XI. 20; f ebenda 16. VIII.
— L Börsenbl- 1896, 4965. — PM.
Gerih, Paul, Mitinhaber d. Buchh. Gerth,
Laeisz & Cie. in Hamburg; f daselbst 9.
XI. — L Börsenbl. 1896, 7754.
Götz, Egid Adalbert, Buchhändler in Marien-
bad u. Eger, * zu Tepl 25. II. 22; + zu
Marienbad 18. XI. — L Börsenbl. 1896,
7151. — PM.
Gfiininger, Karl, Kommerzienrath, Verlags-
buchhändler u. Buchdruckereibesitzer in
Stuttgart, * zu Enzklösterle 21. II. 43;
t zu Stuttgart i. VI. — Sohn d. Revier-
försters, späteren Forstrathes G. ; erwarb
I. VII. 67 die k. Hofbuchdr. »Zu Gutten-
berg« (Spezialität Druck oriental. u. russ.
Werke) in Stuttgart u. gründete im An-
schluss daran ein Verlagsgeschäft unter
d. Firma seines Namens (Wieck'sche
»Illustr. Gewerbeztg.« , »Kirchenbl. f. d.
evangel. Dtschl.«; seit 1887 »Neue Musik-
zeitung« u. a.); 1871 eröffnete er eine
Filialdruckerei in Metz u. verband mit ihr
d. Verlag d. »Lothringer Ztg.« u. d.
»Gazette de Lorraine«. — L III. Ztg. 106,
726; Schwab. Kronik 1896, 127 Mittagsbl.;
Nachr. 1896, 1047. 1071 (S.). 1095.
Hagelberg, Wolf, Gründer u. ältester Chef
d. Kunstanstalt W. Hagelberg in Berlin, * zu
Hoym in Anhalt 9, V. 25; f *u Berlin 25.
XII. — L Börsenbl. 1896, 8797. — PM.
Halem, Gustav Adolf von, Inhaber d. 15.
143
*
Todtenliste 1896: XXIV. Buchdrucker und Buchhändler.
144'
IX. 63 von ihm gegr. Buchh. G. A. v.
Halem in Bremen; f daselbst 25. VI. —
L Nachr. 1896» 1207.
Haller, Friedrich, Gründer u. bis 1889
Mitbes. d. Bnchh. Bopp u. Haller in Bi-
berach; f daselbst 27. VI. — L Nachr.
1896, 3892. — PM.
*Heerbraiidt, Gustav, Deutschamerikaner,
Schwab. Dialektdichter u. Zeitungsver-
leger; s. Sp. 134*
Herrmann, Emil, Buchdruckereibesitzer u.
Verlagsbuchh. (£. Herrmann sen.) in Leip-
zig; f daselbst 31. X. — L Börsenbl. 1896,
7201.
Hildebrand, August, Verlagsbuchh. in
Schwerin, * zu Lüneburg 13. I. 26; t ^^
Schwerin 16. V. — Uebernahm 3. VIII. 51
d. 1828 gegr. KUrschner'sche Buchh. in
Schwerin u. führte sie unter seinem Namen
weiter, seit i. I. 69 sich auf den Verlag be-
schränkend (hauptsächl. belletrist Werke,
u. a. V. Geibel, Spielhagen, Jensen, Ger-
stäcker, F.Reuter). — L 111. Ztg. 106, 661 ;
Nachr. 1896, 95a. — PM.
Himmer, Gustav, seit 25. XI. 65 Inhaber
d. M. Rieger'schen Hof- u. Univ.- Buchh.
in München ; f daselbst 24. II. — L Nachr.
1896, 406. — KA.
Hoef 1er, Gustav, Buchhändler u. Bibliograph
in Leipzig, 56 J. ; f daselbst 23. III. —
Seit I. III. 66 im Hause Bernhard Hermann
zu Leipzig thätig; erwarb daneben im
gleichen Jahre d. landwirthschaftL Verlag
V. H. Johannssen u. führte ihn unter dieser
Firma bis 1883, wo er ihn an A. Schrö-
ter's Verlag in Ilmenau überliess; einen
Rest hauptsächl. bibliogr. von ihm selbst
verf. Werke führte er unter eigenem Verlag
weiter. — L Nachr. 1896, 599 (mit W).
Honcamp, Franz, 1870—74 Besitzer d. seit
1881 erloschenen Verlagsfirma R. Doli in
Augsburg; f als Privatmann zu Würzburg
11. Vn. — L Börsenbl. 1896, 4318.
Klein sen., Johann, Mitbegründer d. Druck-
maschinenfabrik Klein, Forst &BohnNachf.
zu Johannisberg, jetzt zu Geisenhcim a.
Rh., * zu Johannisberg 1819; f daselbst
24. XI. — L Börsenbl. 1896, 8670.
Koch, Hermann, Inhaber d. 1861 von ihm
begr. Buchh. seines Namens in Rostock; f
daselbst lo. IL — L Nachr. 1 896, 3 1 9 (H. W.).
Löwenstein, Otto Siegfried Adolf, Dr. phil.,
Besitzer von >CarI Heymanns Verlag«
(seit 1871) und d. Buchdruckerei »Julius
Sittenfeld« (seit 1875) zu Berlin, * daselbst
31. VII. 41; f ebenda 28. X. — L Pfau
17S; Börsenbl. 1896, 5845. 7048; Zum
27. April 1896. Ihrem Verleger O. Löwen-
stein die Autoren von C. H. Berlin, Hey-
mann 1896 (als Ms. gedr.); Jurist. Litlera-
turbl. 1896, 240 (Keil).
Maass, Otto, ehemal. Vizekonsul d. Ver-
einigt. Staaten v. Nordamerika, Chef d.
Annoncenfirma »Haasenstein & Vogler«
u. d. Buchdr. »Otto Maass & Sohn« in
Wien, Schriftsteller atif d. Geb. amerikan.
Geschichte u. Kultur, * zu Nordhausen
1828; t zu Wien 7. I. — Lernte in Er-
furt d. Buchh.; 1848 als Revolutionär nach
Amerika flüchtig, zunächst Handwerker u.
Farmer, dann Buchhändler in Baltimore,
später in Philadelphia; 1862 aus Heimweh
Rückkehr nach Deutschland; wiederum
vertrieben, kehrte er 1864 dauernd nach
Wien zurück, wo er ein Annoncenbureau
gründete. — L 111. Ztg. 106, 72; Nachr.
1896, 112 (nach »Neue Fr. Presse«).
*Mal8ch, Jakob, Oberbürgermeister v. Karls-
ruhe, Politiker, Buchdruckereibesitzer, *
daselbst 10. 1. 1809; f ebenda 12. XII.:
s. BJ I, 396. — L BJ II, 27*; Bad. Lan-
desztg. 1896 Nr. 297. 1897 Nr. 23 ([O].
A[mmon]); Ztschr. f. d. Oberrh. 1896, 552
(Werminghoff u. Winkelmann, Bad. Ge-
schieh tslitt. : Bad. Land esztg. 1896, Nr. 294;
Karlsr. Ztg. 1896 Nr. 587).
Manz, Alphons, Buchdruckereibesitzer u.
bis 1884 Inhaber d. B. Schmid'schen Sort.-
u. Verlagsbuchh. in Ausgsburg; -f daselbst
20. 1. — L Nachr. 1896, 172.
*Manz , Hermann, Verlagsbuchhändler
(Firma: Gerolds Sohn) in Wien, • zu
Regensburg 6. V. 39, f zu Wien 14. X.:
s. BJ I, 137. — L BJ II, 27*; Pfau 154.210.
252; Börsenbl. 6606. 6780 [J. Krzyiala).
Mensing, Hermann, Inhaber einer Musi-
kalienhandlung in Erfurt, ^ daselbst 3. II.
32 ; t ebenda 24. X. — PM.
Meyer, Heinrich, Stadtrath u. Kaufmann,
Verleger d. »Ostsee -Ztg.«, Schriftsteller
auf d. Geb. d. Heimatskunde u. Statistiker,
63 J.; t 2U Stettin 29. VL
Nagel, Franz Ditmar, seit 31. XII. 66 Inhaber
d. Verl.- u. Sort.-Buchh. Bernhard Nagel in
Budapest, * zu Leipzig um i830;'f zu Buda-
pest 25. IV. — L Nachr. 1896, 824. — PM.
Neven-DuMont, August, Verleger, Besitzer
d. »Köln. Ztg.«, 64 J. ; f zu Hohwald b.
Barr im Elsass 7. IX. — L 111. Ztg. 107,
308 ; Pfau 97. — PM.
*Reclam, Anton Philipp, Verlagsbuch-
händler u. Buchdruckereibesitzer, Begrün-
der d. »Universal-Bibliothekcr, • zu Leipzig
28. I. 1807; t daselbst 5. L: s. BJ I, 88.
— L BJ II, 35*; 111. Ztg. 106, 72; Deutsche
Buchhändler- Akademie 8, 206 (K. F. Pfau);
C. V. Reclam, Gesch. der Familie Reclam.
Leipzig 1895 (mit P); Nachr. 1896, 59.
88. 909; Cosmopolis 5, 266 (A. Bettelheim).
*Rost, Ludwig Adolf Hermann, d. älteste
Chef d. J. C. Hinrichs'schen Buchh., * zu
Leipzig 24. V. 22; + daselbst 24. V.: s.
145* Todtenl. 1896: XXIV. Buchdruck. u,Buchhdlr. XXV. Archivare u. Bibliothekare. 146*
BJ I, 89. — L BJ II, 37*; Pfau 180; Nachr.
1896, 992; Ztschr. f. ägypt. Spr. u. Alter-
thumsk. 34, 90 (Rosts Verdienste um d.
Aegyptol.).
Sabell, Eduard, Dr. phil., Antiquar (R.
Sandrog) in Berlin; s. Sp. 137*.
Sauerländer, Heinrich Remigius, Inhaber
d. Verlagsbuchh. J. D. Sauerländer zu
Frankfurt a. M.; * daselbst 25. II. 21; f
ebenda 12. X. — L Pfau 313; Börsenbl.
1896, 6649; III. Ztg. 107, SIS; Allg.
Forst- u. Jagdztg. 1896, 413. 1897, 33
(mit Verzeichnis d. forstwissenschaftl. Ver-
lages).
Schauenbarg, Karl, Buchhändler in Har-
burg, 42 J.; t daselbst 17. V. — L Nachr.
1896, 959.
Schlesinger, Anton, seit 1880 Chefredak-
teur u. EigenthUmer d. »Agramer Ztg.«,
zuletzt Direktor d. Kroat. Kommerzialbank,
* zu Alap in Ungarn 1852; f zu Agram
9. II. — L 111. Ztg. 106, 217. — PM.
Schroeder, Hugo, Verlags-Kunsthändler u.
Porträtantiquar, Inhaber d. Firma E. H.
Schroeder (seit 1881 Leiter, seit 1882 Be-
sitzer) in Berlin; f daselbst 19. VII. — L
Börsenbl. 1896, 4520. — PM.
Schulze, Friedrich, Inhaber d. i. III. 53
von ihm unter seinem Namen begr. Buch-
u. Kunsthandlung in Berlin, 76 J.; f da-
selbst I. V. — L Nachr. 1896, 879.
Sennewald, Gustav, Besitzer d. grössten
Verlagsbuchh. Warschaus u. Nestor d. dor-
tigen Buchhändler; f daselbst 13. III. —
L 111. Ztg. 106, 338.
*Staackmann , Johannes August Ludwig,
Verlagsbuchhändlcr in Leipzig, * zuWolfen-
bUttel 3. VI. 30; + zu Leipzig 13. XI: s.
BJ I, 91. — L BJ II, 40*; 111. Ztg. 107.
773; Börsenbl. 1896, 8554. 8632. 1897,
938 (Nekrol.). 1869. 2010.
Steinhauser, Anselm G., Buchhändler u.
Buchdruckereibesitzer in Prag; f daselbst.
L Nachr. 1896, 399.
Veiten, Sigmund, seit 1864 Inhaber d. 1820
gegr. Hofkunstbuchh. u. d. Kunstverlages
J.Veiten in Karlsruhe; f daselbst 19. II.
— L Nachr. 1896, 599.
Violet, Rudolf, Kunsthändler in Berlin,
69 J.: t daselbst 30. IIL — L Nachr. 1 896,663.
*Volkmann, Wilhelm, Stadtrath, Buch-
druckercibesitzer u. Verlagsbuchh. (Breit-
kopf & Härtel) zu Leipzig, * daselbst 12.
VI. 37; t ebenda 24. XIL: s. BJ II, 424;
Pfau 60. 61; Börsenbl. 1896, 8742.
Walther , Hermann, Verlagsbuchhändler
in Berlin, 44 J.; t daselbst 2. IV. — Ur-
sprünglich Bankbeamter; Lehre in d.Stuhr-
schen Buchh. zu Berlin; gründete daselbst
1877 mit Emil Apolant d. Sort.- u. Ver-
lagsbuchh. Walther u. Apolant, übernahm
1891 d. Verlag allein u. führte ihn seit
1893 unter eigenem Namen. — L Nachr.
1896, 633. 688; Börsenbl. 1896, 4451
(«sPreuss. Jahrbb. 1896 Juli, H. Delbrück).
Weidemann, Rudolf, Mitinhaber d. Buchh.
M. Brunnemann & Cie. in Kassel; f da-
selbst 10. X. — L Börsenbl. 1896, 6714.
Wild-Wirth, Heinrich, Oberst, Erster
Vorstand d. Artist. Instituts Orell FUssIi
in Zürich, welches er seit 1863 f. d. Erben
d. verst. Besitzers J. Hagenbuch, seit 1873
in Gemeinschaft mit F. Wild, später auch
mit R. Schäppi- Hagenbuch, für eigene
Rechnung, seit 1890 als Präsident des in
eine Aktiengesellschaft verwandelten Ge-
schäftes leitete, 56 J.; f zu Zürich 17. VIIL
— L Börsenbl. 1896, 5017. 5755.
Zehler, Karl, Inhaber d. Zinkograph. An-
stalt, Buchdruckerei u. Verlagsbuchh. Ru-
dolf Loes in Leipzig, * 5. X. 45 ; f zu Leipzig
2. VII. — L Börsenbl. 1896,4004. — PM.
Zimmermann, Heinrich, Buchdruckerei-
besitzer u. Verlagsbuchhändler (u. a. des
am Oberrhein weitverbreiteten »Alb-Boten «")
inWaldshut, * zu Hüsingen inBaden 1 8.IX.30:
t zu Waldshut, 21. I. — L Nachr. 1896,
188. 203 (H . . . tt). — PM.
XXV. Archivare und BibHothekare.
Anemüller, Bernhard, Dr. phil., Prof.,
Archivrath, thüring. Lokalhistoriker, * zu
Heberndorf b. Leutenberg in Schwarz-
burg-Rudolstadt 26. VIII. 20 ; f zu Rudol-
stadt 6. IV. — Stud. 1840 — 43 in Jena
Theol. u. Gesch.; dann Hauslehrer; bis
1856 Erzieher d. damaligen Prinzen, spä-
teren Fürsten Georg v. Schwarzhurg - Ru-
dolstadt (ti89o); 1857— 67 Prof. am Gymn.
zu Rudolstadt; seit 1868 Archivar d.
schwarzburg - rudolstadt. Staatsarchivs u.
Bibliothekar d. Landesbibliothek: 1893 z.
Disposition gestellt. — L Deutsche Ztschr.
f. Geschichtswissensch. N. F. i : Monatsbll.
95 (mit W); 111. Ztg. 106, 465; Hinrich-
sen» 25 (mitW). — W auch KL 1896, 19.
Bruder, Adolf, Dr. jur., Kustos an d. k. k.
Univ.-Bibl. in Innsbruck, Redakteur d.
Staatslexikon d. Görresgesellschaft, * zu
Hall in Tirol 2. III. 51 ; f zu Innsbruck
26. V. — L Deutscher Hausschatz 20,
Beil., 56; Keiter 4, 22 (mit W). 5, 262;
. Ccntralbl. f. Bibl.- Wesen 13, 344. — W
auch KL 1896, 157.
147* Todtcnl. 1896: XXV. Archiv, u. Bibliothek. XXVI. Tondicht., Tonktinstl. etc. 148*
Foss, seit 1867 Bibliothekar d. preuss. Abg.-
Hauses, 72 J. ; f zu Berlin 20. II. — L
111. Ztg. 106, 248; Nachr. a. d. Buchh.
1896, 406.
♦Frltzsche, Otto Fridolin, Prof. Dr., Ober-
bibliothekar an d. Kantonsbibliothek zu
Zürich; s. Sp. 113*.
Herder, Ferdinand, Dr. phil., Hofrath,
Bibliothekar am Botan. Garten zu St. Pe-
tersburg; s. Sp. 92*.
*Leithe, Friedrich, Dr. phil., Reg.-Rath,
Bibliothekar an d. k. k. Techn. Hocbsch.
zu Wien, • zu Fieberbrunn in Tirol 28.
III. 28; f zu Innsbruck 15. XII.: s. BJ II,
424. — L Centralbl. f. Bibl. -Wesen 14,
152; 111. Ztg. 107, 749. — W KL 1896,
744.
Sauer, Alois, kaiserl. Rath, Archivar d.
Herrenhauses d. Österreich. Reichsrathes,
65 J.; t zu Wien 24. IX. — L 111. Ztg.
107, 395-
Uhrberg, Heinrich, Dr. jur., Archivsekretär
am Kreisarchiv Würzburg, ^ zu Glane b.
Iburg in d. Nähe v. Osnabrück 12. IX. 61 ;
f zu Wtirzburg 18. II. — L Bayerland
1896 Nr. 31 Bl. 2.
Unger, Theodor, Adjunkt am Steiermark.
Landesarchiv zu Graz, Kulturhistoriker,
Sprachforscher u. Numismatiker, 56 J.;
t zu Graz 28. X. — L 111. Ztg. 107, 584.
Wyniftorf, Johann, früher Mitgl. d. Bemer
Reg.-Rathes, seit 1895 Beamter des Berner
Staatsarchivs; s. Sp. 31*.
XXVI. Tondichter, Tonkünstler und Musikschriftsteller.
* Armbrust, Karl, Orgel virtuos u. Musik-
schriftsteller, Lehrer f. Orgel u. Klavier-
spiel am Konservatorium zu Hamburg, ^
daselbst 30. HI. 49; f auf d. Reise ins
Bad zu Hannover 7. VII.: s. BJ I, 112. —
L BJ II, 2* ; Riemann * 45.
'Brückner, Anton, Komponist, * zu Ans-
felden in Oberösterreich 4. IX. 24; f zu
Wien n. X.: s. BJ I, 302. — L BJ II,
6'; Gesellschaft 1896, 1401 (M. Graf);
Signale f. d. musikal. Welt 1896, 804;
Riemann^ 154; Mendel-Reissmann £rg.-
Bd. 48.
*Burchard, Karl, Musiklehrer u. Bearbeiter
von Orchesterwerken f. Klavier, • zu
Hamburg 21. IX. 18; f zu Dresden 12.
IL: s. BJ I, 114. - L BJ II, 6»; Rie-
mann^ 163.
Dachs, Josef, Pianist, Prof. f. Klavierspiel
am Wiener Konservatorium, * zu Regens-
burg 30. IX. 25; t *" Wien 6. VI. —
L Mendel-Reissmann 3, 53; Frank ^ 46;
Riemann ^ 228.
Faulhaber, Paul, Pianist u. Komponist,
* zu Dresden 1836; f zu Rio de Janeiro
im Juni (?). — L 111. Ztg. io6, 791.
Felchner, Gustav Adolf, Univ.-Musikdirektor,
Dirigent d. Konzertvereins u. Gymn.-Ge-
sanglehrer in Giessen, * zu Kumehnen in
Ostpr. 22. I. 32; + zu Giessen 10. V. —
L 111. Ztg. 106, 639; Frank ^ 63; Riemann*
Feld, Leo, Kapellmeister am Royal Opera
Covent Garden in London, 7 Jahre hin-
durch Operndirigent am Hamburger Stadt-
theater, um d. Einführung d. Werke
Wagners in England verdient, * zu Posen
10. n. 58; t 2U Berlin 23. VII. — L III.
Ztg. 107, 125; NTA 8, i8o.
*Fleischhauer, Friedhold, herzogl. mei-
ning. Konzertmeister, Violinist, * zu Wei-
mar 24. VIL 34; t zu Meiningen ii. XIL:
s. BJ I, 113. — L BJ II, II •; 111. Ztg.
107, 799; Riemann* 328.
*Gartz, Friedrich, Organist u. Musik-
direktor in Salzwedel, Komponist V. Männer-
quartetten, * zu Perver b. Salzwedel 28.
XI. 19; f zu Salzwedel 28. I.: s. BJ I, 115;
— L BJ II 14*; Frank», 78.
^Geyer, Adolf, Gesanglehrer, k. Professor u.
Musikdirektor, Tenorsolist in der Berliner
Singakademie, * 1829; f im Seebade Prerow
18. VIL: s. BJ I, 115. — LBJ II, 14*.
Grünberger, Ludwig, Pianist u. Kom-
ponist, • zu Prag 24. IV. 39; f daselbst
12. XII. — L 111. Ztg. 107, 799; Riemann^
432 (mit W).
*Gumbert, Ferdinand, Liederkomponist
u. Musikkritiker, früher Opernsänger, * zu
Berlin 21. IV. l8; f daselbst 6. IV.: s.
BJ I, 116. — L BJ II, i6*; IlL Ztg. 106,
469 (B. Vogel, mit P); Frank* 90; Fctis
4, 161; Mendel-Reissmann 4, 456; Rie-
mann^ 438. — W auch KL 1896, 441;
Nachr. a. d. Buchh. 1896, 711.
*Habert, Johannes Evangelista, Orga-
nist, Kirchenkomponist u. Theoretiker,
* zu Oberplan in Böhmen 18. X. 33; f
zu Gmunden in Oberösterr. i. IX.: s. BJ
1, 162. — L BJ II, i6*; Keiter 5, 263;
Deutscher Hausschatz 23, 54; Kornmüller
2, 125; Mendel-Reissmann 4, 468; Rie-
mann^ 442 (mit W). — W auch KL
1896, 448; Keiter 4, 64.
Hach, Adolf, Dr., Polizeirath in Lübeck,
Bundesvorsitzender d. Niederslichs. Sänger-
bundes, Alterthumsforscher, 65 J.; f zu
Lübeck 4. XII. — L III. Ztg. 107, 734.
149*
Todtenliste 1896: Tondichter, Tonkünstler und Musikschriftsteller.
150*
H&rtingery Martin, Dr. med., k. bayer.
Kammersänger, Lehrer d. Sologesangs an
d. Mttnchener Musikschule; s. Sp. 159*-
^Heinebuch, Karl Christoph, k. Musik-
direktor, Organist u. Kirchenmusiker, * zu
Celle 24. VII. 40; t zu Flensburg 6. XL:
s. BJ I, I. — L BJ II, i8*.
Hilpert, W. Kasimir Friedrich, Cellist,
k. bayer. Hofmusiker, 1867—75 Mitgl. d.
Florentiner Quartetts, hierauf Solocellist
d. Wiener Hofoper, dann Kammervirtuos
in Meiningen, seit 1884 in München u.
Mitbegründer d. dortigen Kammermusik-
vereinigung, ^ zu Nürnberg 4. III. 41 ;
f zu München 6. II. — L III. Ztg. 106,
193; Frank ^ iio; Riemann^ 494.
Kral, Johann Nepomuk, österr. Militärkapell-
meister, Komponist zahlreicher Tänze u.
Märsche (2. B. d. beliebten »Hoch Habs-
t>urg«), 56 J. ; t «u TuUn 2. L — L Hl.
Ztg. 106, 72.
Kufferaih, Hubert Ferdinand, seit 1871
Prof. f. Kompositionslehre am k. Konser-
vatorium in Brüssel, Pianist, Organist u.
Komponist, * zu Mülheim a. d. Ruhr 11.
VI. 18; t «u Brüssel 23. VL — L 111.
Ztg. 107, 41; Fetis 5, 125 (mit W);
Mendel-Reissmann 6, 183: Riemann^6i4.
^Meinardus, Ludwig Siegfried, Komponist
u. Musikschriftsteller, * zu Hooksiel an d.
Oldenburg. Küste 17. IX. 27; f zu Biele-
feld 10. VIL: s. BJ I, 116. - L BJ II,
28*; 111. Ztg. X07, 100 (B. Vogel, mit P);
Franko 165; Fetis Suppl. 2, 198; Mendel-
Reissmann 7, IIO. Erg.-Bd. 272 (mitW);
Brummer* 3, 45; Riemann^ 712; Börsenbl.
f. d. D. Bucbh. 1896, 4318. — W auch
KL 1896, 827.
Modlmayr , Joseph, Klosterfrauen beicht-
vater u. Religionslehrer in Frauenchiemsee,
Komponist; s. Sp. 109*. — L vgl. noch
Kornmüller 2, 285.
Paumgartner, Hans, Dr., Pianist u. Musik-
schriftsteller, Gemahl d. Sängerin Rosa
Papier, • zu Kirchberg in Oberösterr.
1843; t zu Wien 23. V. — L 111. Ztg.
106, 726; Riemann^ 832.
Pessiack, Anna, geb. Edle v. Schmerling,
früher Gesanglehrerin am Wiener Konser-
vatorium, Komponistin v. Klavierstücken,
Liedern, Messen u. geistl. Chören, * zu
Wien 15. VIL 34; f daselbst 14. III. —
L 111. Ztg. 106, 368.
♦Plcngroth, Friedrich, vormals Kapell-
meister am Elberfelder Stadttheater, Kom-
ponist von Liedern u. Männerquartetten,
im 68. J.;fzM Elberfeld 12. (od. 15?) IX.:
5. BJ I, 117. - L BJ II, 34»; 111. Ztg.
107, 367.
*Pohl, Georg Richard (Pseudon.: Hoplit
u. Jean Richard), Dr. phil., Musik-
schriftsteller u. Komponist, Dichter u.
Journalist, * zu Leipzig 12. IX. 26; f zu
Baden-Baden 17. XII.: s. BJ I, 117. —
L BJ II, 34*; Fetis 7, 83 (mit W) u.
Suppl. 2, 354; Hinrichsen' 1048 (mit W);
Brummer* 3, 23$ (mit W); Riemann*
876; 111. Ztg. 108, 21 (B.Vogel, mit P);
Börsenbl. f. d. D. Buchh. 1897, 8670. —
W auch KL 1896, 975.
*Pruckner, Dionys, k. Württemberg. Hof-
pianist, Prof. am Konservatorium in Stutt-
gart, • zu München 12. V. 34; f in
Heidelberg i. XIL: s. BJ I, 102. — L
BJ II, 34*; Frank 8 190; Mendel-Reiss-
mann Erg.-Bd. 366; Riemann^ 894.
*Reichel, Adolf, Musikdirigent u. Kom-
ponist in Bern, • zu Tursnitz in Westpr.
um 1817; f zu Bern 5. (od. 4?) III.: s.
BJ I. 118. — L BJ II, 35 •; 111. Ztg. 106,
118; Frank' 194; Fetis 7, 212 (mit W);
Mendel-Reissmann 8, 283; Riemann^ 924.
^Reinthaler, Karl Martin, Professor, Or-
ganist u. Musikdirektor d. Domkirche in
Bremen, Komponist, * zu Erfurt 13. X.
22; f zu Bremen 12. II.: s. BJ I, 118.
— L BJ II, 35 ♦; 111. Ztg. 106, 256 (mit
P); Fetis 7, 220. Suppl. 2, 400 (mitW);
Mendel-Reissmann 8, 290 ; Frank ^ 290;
Riemann^ 925; Nachr. a. d. Buchh. 1896,
343-
^Richter, Heinrich, Hofschauspieler u.
Regisseur a. D., Prof. an d. MUnchn.
Musikschule; s. Sp. 161*.
^Ritter, Alexander, Violinist u. Komponist,
* zu Narwa in Russland 15. (27. n. St.)
VI. 33; + zu München 12. IV.: s. BJ I,
119. — L BJ II, 36*; Riemann* 951.
Rokitansky, Viktor Freih. v., Konzert-
sänger u. Liederkomponist, 9 Jahre lang
Prof. am Konservatorium zu Wien, 59 J. ;
t daselbst 17. VII. — L 111. Ztg. 107,
125: Wurzbach 26, 294; Riemann^ 956.
Schachner, Joseph Rudolf, Pianist, Kom-
ponist d. Oratoriums »Israels Rückkehr
von Babylon«, * zu München 31. XII. 21;
t tu Reichenhall 16. VIII. - L lU. Ztg.
107, 245; Fetis Suppl. 2, 492; Mendel-
Reissmann 9, 74; Riemann^ 992.
Schenk, Hugo, Dirigent u. Komponist
von Liedern, Kuplets, Ouvertüren etc., als
Kapellmeister in Breslau, Frankfurt, Dres-
den, Karlsbad u. zuletzt am Theater an
d. Wien thätig, 43 J.; t *»* Wien 11. II.
— L Hl. Ztg. 106, 217.
^Schumann, Klara Josephine, geb. Wieck,
Gemahlin von Robert Schumann, Klavier-
virtuosin u. Komponistin, * zu Leipzig
13. IX. 19; f zu Frankfurt a. M. 20. V.:
s. BJ I, 12*. 119. — L BJ I, 71*. II,
39*; Frank* 225; Mendel-Reissmann 9,
185; Fetis 7, 531; Riemann* 1033.
Igl* Todtenl, 1896: XXVI. Tondicht., TonkUnstl. etc. XXVII. Bildende Künstler. 152
«
'^Schwencke , Friedrich Gottlieb, Organist
an d. Nikolaikirche zu Hamburg u. Kirchen-
komponist, * daselbst 15. XII. 23; f ebenda
II. VI.: s. BJ I, 123. — L BJ II, 39*;
Riemann^ io39<
Schwiedam, Karl Friedrich, Prof. an d. k.
Hochsch. f. Musik in Berlin, Abth. f.
Klavier u. Orgel, 56 J. ; f zu Oberstdorf
16. IX. — L 111. Ztg. 107, 395.
Seyboth, Wilhelm, k. Württemberg. Hof-
musiker, Violinist, 1867—90 Mitgl. d.
Hofkapelle in Stuttgart; f zu München
durch Selbstmord im Dez. — L 111. Ztg.
107, 799.
*Stiehle, Ludwig Maximilian Adolf, Vio-
linist u. Dirigent, Kammermusiker, * zu
Frankfurt a. M. 19. VIII. 50; f zu Mtihl-
hausen i. Eis. 6. VII.: s. BJ I, 123. —
L BJ II, 41 •; Riemann* 1089.
Walter, Anton, Dr. theol., Geist!. Rath,
Schriftsteller auf d. Geb. liturgischer Musik ;
s. Sp. iii^.
^Wasielewski , Joseph v., Komponist u.
Musikhistoriker, Violinist u. Dirigent, * zu
Gross-Leesen b. Danzig 17. VI. 22; f zu
Sondershausen 13. XIL: s. BJ I, 123. —
L BJ II, 44*; 111. Ztg. 108, 22 (B. Vogel,
mit P); Fetis Suppl. 2, 662 (mit W):
Mendel-Reissmann 11, 269 (mit W); Hin-
richsen* 673 (Autobiogr., mit W); Rie-
mann^ 1230. — W auch KL 1896, 1352.
Wessnig, Robert Guido, ehemaliger Sänger,
Schauspieler u. Musikdirektor; s. Sp. 162*.
Württemberg, Eberhard Graf v., Kom-
ponist verschiedener Märsche; s. Sp. i6\
*Zeidler, Charlotte, Pianistin u. Klavier-
lehrerin, * um 18 14, f zu Berlin 7. VIII.:
s. BJ I, 124. — L BJ II, 55».
Zimmer, Otto, herzogl. Musikdirektor,
Organist u. Kirchenkomponist, * zu Pis-
korsine [sol] b. Hermstadt in Schles. 7.
V. 22; t *u Oels b. Breslau 31. III.: s.
BJ I, 125. — L BJ II, 55*; Frank« 268:
Mendel-Reissmann 11, 485.
XXVIL Bildende Künstler.
Amberger, Gustav Adolf, bad. Hofmaler,
Landschafter, 64 J. ; f zu Baden*>Baden im
März.
^Arnold, Hermann, Prof. an d. Kunst-
schule, Sekretär derselben u. Direktor d.
Zeichenschule zu Weimar, Geschieh ts- u.
Genremaler, * zu München 6. V. 46; f zu
Jena 25. IV.: s. BJ I, 47.. — L BJ II, 2*;
111. Ztg. 106, 560; Bayerland 1896, 515
(mit P).
*Bärwald, Robert, Bildhauer, * zu Salwin
b. Bromberg 2. XII. 58 ; f zu Wilmersdorf
b. Berlin li. XI.: s. BJ II, 440.
^Becker, Ernst Albert, Genre-, Landschafts-
u. ThJermaler, * zu Berlin 22. X. 30; f
daselbst i. IX.: s. BJ II, 440.
'^eckerath, Moritz v., Gescbichtsmaler,
♦ zu Krefeld 1838; f " Münster i. W.
17. IX.: s. BJ I, 48. — L BJ II, 3*; 111.
Ztg. 107, 367; Müller-Singer 1,90.
Beer, Heinrich David, Genre- u. Bildniss-
maler, 25 J.; f zu Baden-Baden 5. IX.
Bode, Georg Wilhelm, Bildhauer, Sohn d.
Frankfurter Malers Leopold Bode, 45 J.;
f zu Offenbach 6. IL — L 111. Ztg. 106,
217.
"''Boller, Ludwig, Landschafts- u. Panorama-
maler, * zu Frankfurt a. M. 28. IV. 62;
+ zu München 19. V.: s. BJ I, 49. — L
BJ II. 4*.
^Curfess, Ernst, Hofbildhauer in Stutt-
gart, * zu Aalen 11. VII. 49; f zu Stutt-
gart 6. V.: s. BJ I, 94. — L BJ II, 7*; Müller-
Singer I, 304.
Ebert, Anton, Genre- u. Bildnissmaler in Wien,
* auf Schloss Kladrau in Böhmen 29. VI.
35; t zu Wien 16. VL — L 111. Ztg. 106,
791; Müller-Singer i, 383; BörsenbL f. d.
D. Buchh. 1896, 4180. 4295.
^Egg^rty Sigmund, Genremaler, * zu Mün-
chen 13. II. 39; t zu Walchstadt 25. VIII.:
s. BJ I, 49. — L BJ II, lo*.
Eichler, Ernst Ferdinand, Bildnissmaler u.
Radirer, Zeichner d. Deutschen Archäolog.
Instituts in Rom, * zu Werdau 17. I. 50 :
t im Febr. — L 111. Ztg. 106, 164; Müller-
Singer I, 391.
^Eissenhardt, Johannes, Professor, Kupfer-
stecher u. Radirer, * zu Frankfurt a. M.
8. XI. 24; f daselbst 11. X.: s. BJ II, 439.
Encke, Erdmann, Professor, Bildhauer,
Schüler Albert WolfTs, * zu Berlin 26. 1.
43 ; t zu Neu-Babelsberg 7. VII. — L BJ
II, 10 •; 111. Ztg. 107, 72 (L. P., mitP);
Müller-Singer i, 397.
Geibel, Kasimir, Geschichts-, Genre- u.
Thierroaler, * zu Kreuznach 12. I. 39; f
zu Weimar 22. V. — L III. Ztg. 106, 699;
Müller-Singer 2, 24.
^Geiger-Thuring, August, Landschafter,
* zu München 1861 ; f daselbst 28. L: s.
BJ I, 50. - L BJ n, 14'.
^Gleichauf, Rudolf, Geschichtsmaler, * zu
Hüüngen in d. bad. Baar 29. VII. 26; f
zu Karlsruhe 15. X.: s. BJ I, 394. — L
BJ II, I4*,- Ztschr. f. d. Gesch. d. Oberrh.
5^> 552 (WerminghofF u. Winkelmann, Bad.
Bibliogr.: Kunst f. Alle 12 Nr. 4; Karls-
153^
Todtenliste 1896: XXVII. Bildende KUnstler.
154*
ruher Ztg. 1896 Nr. 491 ; Bad. Landesztg.
1896 Untcrh.-Beil. Nr. 148); Müller-Singer
2, 6x.
^Göschl, Heinrich, Bildhauer, * zu Mün-
chen 24. VI. 39; f daselbst 16. XII.: s.
BJ I, 51. - L BJ II, I5'.
Grimm, Konstantin Freih. v., (Pseudon.:
C. de Grimm), Zeichner u. Illustrator,
* zu St. Petersburg 30. XII. 45 ; f zu New
York 16. IV. — L lU. Ztg. 106, 505; KL
1897, 422.
^Grünenwald, Jakob, Historien- und Genre-
raaler, seit 1877 Professor an d. Kunst-
schule in Stuttgart, * zu Bünzwangen im
Württemberg. Oberamt Göppingen 30. IX.
21; f zu Stuttgart 26. IX.: s. BJ I, loi.
— L BJ II, i6*; Müller-Singer 2, 95.
*Hofiinann, Heinrich Adolf Valentin, Land-
schafter, * zu Frankfurt a. M. 18. X. 14;
+ daselbst 10. VI. : s BJ II, 439.
*Hopfgarten, August Ferdinand, Gescbichts-
u. Genremaler, seit 1S54 Mitgl. d. Akad.
d. Künste zu Berlin, * daselbst 17. III. 1807;
t ebenda 26. VIL: s. BJ II, 438.
^Hoermann, Franz Xaver, Bildhauer, * zu
Burg b. Tengling 29. XI. 22 ; f zu Traun-
stein I. IV.: s. BJ I, 359. — L BJ II, ig*.
♦Huber, Rudolf, Prof. an d. Akad. d. bild.
Künste zu Wien, Bildniss- u. Thiermaler
(Parforcejagden), • zu Schleinz b. Wiener-
Neustadt 15. VIII. 39; t 20 Wien 28. VIII.:
s. BJ I. 268. — L BJ II, 20»; Müller-Singer
2, 211.
*Jemberg, August, kgl. schwed. Hofmaler,
Genremaler, in Düsseldorf lebend, * zu
Stockholm 16. IX. 26; f zu Düsseldorf
22. VI.: s. BJ II, 441.
*Ireland, £. A., Landschafter; f zu Düssel-
dorf 26. IV.
Kandier, Wilhelm, Historienmaler, Schöp-
fer d. Fresken in d. Hauskapelle d. k. k.
Hofburg in Prag, sowie d. Wandgemälde
in d. Kapelle d. kaiserl. Schlosses zu
Reichstadt in Böhmen, * zu Kratzau in
Böhmen 28. IL 16; f zu Prag 18. V. —
L 111. Ztg. 106, 699; Müller-Singer 2, 307.
Kautsky, Johann (Hans), Dekorati ons- u.
Panoramamaler, führte einen vollständigen
Umschwung in d. Dekoration d. Wiener
Bühnen ein, ♦ zu Prag 13. IX. 27; f zu
Wien 2. IX. — L 111. Ztg. 107, 308 ; Müller-
Singer 2, 316.
♦Keller, Franz, Kupferstecher, * zu Linz
a. Rh. 1821; f zu Düsseldorf 3. XI. : s.
BJ II, 441.
♦Klimsch, Eugen Johann Georg, Professor,
Lehrer am Städel'schen Institut zu Frank-
furt a. M., Maler, * daselbst 29. XL 39:
f ebenda durch Selbstmord 9. VIL: s. BJ
II, 438. — L 111. Ztg. 107, xoo (L. P.,
mit P).
*Kops, Franz, Bildniss- u. Genremalcr,
2. Vorsitzender d. Kunstgenossenschaft in
Dresden, • zu Berlin 14. VII. 46; f zu
Dresden 24. VIIL: s. BJ II, 440.
♦Langko, Diedrich, Landschafter, * zu
Hamburg 1. VL (od. VIL ?) 19; f zu Mün-
chen 8. XL: s. BJ I. 53. — L BJ II, 24*;
Müller-Singer 2, 443.
♦Lindlar, Johann Wilhelm, Landschafter,
* zu München-Gladbach 1816; f zu Düssel-
dorf 23. IV.: s. BJ II, 440.
Löwenthal, Emil, Prof. u. Mitgl. d. Akad.
d. Künste in Rom, Geschichts- u. Bildniss-
maler, * zu Jarotschin in Posen 1835;
t in Bad Ems Ende Juli. — L 111. Ztg.
107, 188.
Magnussen, Christian Karl, Maler, * zu
Bredstedt in Holstein 1821 (od. 1824?);
t «u Schleswig 18. VI. — L 111. Ztg. 106,
791 ; Müller-Singer 3, 78.
Mette, Alexander, Gymn.-Prof., Historiker,
auch Zeichner humoristischer Darstellungen;
s. Sp. 103*.
^Munsch, Joseph, Geschichts- u. Genre-
maler, * zu Linz 4. X. 32 ; f zu München
28. IL: 8. BJ I, 54. — L BJ II, 32» : 111. Ztg.
106, 307 (mit P); Müller-Singer 3,272.
*Munthe, Ludwig, Prof., schwed. Hof-
maler, Ehrenmitgl. d. Akad. v. Stockholm
u. Kopenhagen, Landschafter, * zu Aaröen
b. Bergen 11. III. 41 ; f *« Düsseldorf
30. III.: s. BJ II, 441.
Nördlinger, Karl, Prof., Maler u. Kupfer-
stecher, • zu Stuttgart 1812; f zu Ludwigs-
burg 24. I. — L 111. Ztg. 106, X93; Müller-
Singer 3, 312.
Peckary, Karl, Prof., Bildhauer; f zu Graz
29. IV.
Pendl, Franz Xaver, Bildhauer (bes. kirchl.
Gestalten u. Gruppen), 79 J. ; f zu Mcran
23. VL — L 111. Ztg. 107, II.
•Pfeiffer, Engelbert, Bildhauer, Erster
Vorsitzender d. Künstlervereins in Ham-
burg, • zu Köln II. V. 31 ; f lu Hamburg
17. X.: 8. BJ 11, 441. — L BJ II, 34*;
Deutsche Bauztg. 30, 562 (mit W); Müller-
Singer 3, 423.
•Pilz, Vi n z e n z , Bildhauer, • zu Wamsdorf
in Böhmen 14. XL 16: f zu Wien 27. (od.
28?) IV.: s. BJ II, 442. — L 111. Ztg. 106,
560; Deutsche Bauztg. 30, 235 (mitW);
Müller-Singer 3, 423.
♦RÖting, Julius, Prof. an d. Kunstakad. in
Düsseldorf u. Mitgl. d. Akad. d. Künste,
Geschichts- u. Bildnissmaler, • zu Dresden
13. IX. 22 (od. 7. IX. 21?); t ^^ Düssel-
dorf 22. V.: BJ II, 442. — L 111. Ztg.
106, 661.
•Rumpf, Philipp, Prof., Landschafter u.
Genremaler, • zu Frankfurt a. M. 19. XII.
21; f daselbst 16. L: s. BJ II, 443.
155*
XXVII. Bildende Künstler. XXVIII. Runstforscher und Kunstfreunde.
156*
*Schweinitz, Rudolf, Bildhauer, * zu Char-
lottenburg 15. I. 39; f zu Berlin 7. 1.:
s. BJ II, 443.
Sequens, Franz, Prof. an d. Malerakad.
in Prag, Geschichtsmaler, 69 J., * daselbst
14. VI. — L Wurzbach 34, 133.
*Simonson, David, Bildniss- u. Genre-
maler, wiederholt Vorsitzender d. Kunst-
genossenschaft in Dresden, * daselbst 15.
III. 31; f ebenda 13.11.: s. BJ II, 441.
— L 111. Ztg. 106, 217.
*Soiiderland, Fritz, Genremaler, ** zu Düssel-
dorf 20. IX. 36; f ebenda 13. VI.: s. BJ
II, 440.
Steiner, Sebastian, kaiserl. Hofbildhauer
in Innsbruck, früher Direktor d. dortigen
gewerbl. Fortbildungsschule, Schöpfer von
Heiligenfiguren (in Holzbildbauerei) f. viele
Kirchen, bekannt durch Defregger-Reliefs,
59 J.; f zu Innsbruck Mitte April. — L
III. Ztg. 106, 503.
'^Stichart, Alexander, Geschichtsmalcr, *
zu Werdau 1838; f zu Jöhstadt im Erzgeb.
. 2. VII.: s. BJ II, 444.
^Strassen, Melchior zur, Prof. an d. Kunst-
akad. zu Leipzig u. Direktor d. dortigen
Kunstgewerbemuseums, Bildhauer, * zu
Münster i. W. 28. XII. 32; f zu Leipzig
27. IL: s. BJ I, 90. — L BJ II, 55*; 111.
Ztg. 106, 284 (E. Kiesling, mit P); Deut-
scher Hausschatz 20, Beil., 39.
*Streckfuss, Karl Wilhelm, Prof., ordentl.
Lehrer d. Perspektivklasse an d. k. Hochsch.
f. bild. Künste in Berlin, Bildniss- u. Land-
schaftsmaler, * zu Merseburg 3. XL 17;
f zu Friedenau b. Berlin 6. XL : s. B J II,
443-
•Tügncr, Viktor Oskar, Prof., Bildhauer,
• zu Pressburg 25. X 44; f zu Wien 16.
IV.: s. BJ I, 275. — L BJ II, 43*; Kunst
f. Alle 1896, II, 249 (K. v. Vincenti);
Deutsche Bauztg. 1896, 207.
•Trossin, Robert, Prof., Kupferstecher, •
zu Bromberg 14. V. 20; f zu Berlin i. IL:
s. BJ II, 444.
•Voss, Karl, Prof., Bilhauer, • zu Dünn-
wald b. Köln 5. XL 25; f zu Bonn 22.
VIIL: s. BJ II, 444,
•Windmai er, Anton, Landschafter, * zu
Pfarrkirchen in Niederbayern 4. IV. 40:
t zu München 13. 1.: s. BJ I, 55. — L
BJ ir. 54*.
Winter, Ferdinand, Kirchen- u. Geschichts-
maler, Schöpfer zahlreicher Altarbilder in
schles. Kirchen, • zu Neisse 1830; f zu
Breslau 26. IV. — L lU. Ztg. 106, 601.
Woltze, Berthold, Genremaler, * zu Havel-
berg 1829; t Jsu Weimar 28. XL — L IlL
Ztg. 107, 799.
Zeller, Friedrich, Landschafter, 79 J.: f
zu Salzburg Ende Dez. — L III. Ztg. loS,
73; Wurzbach 59, 311.
•Ziebland, Hermann, Genremaler, • zu
Veitshöchheim b. Würzburg 18. IV. 53;
f zu München 30. IX.: s. BJ I, 55. — L
BJ n, 55^; 111. Ztg. 107, 429.
XXVIII. Kunstforscher und Kunstfreunde.
Cuno, Hermann, Geh. Reg.- u. Baurath,
verdient um d. Erhaltung u. Wiederher-
stellung rhein. u. hess. Kunstdenkmäler;
s. Sp. 76*.
*Dengler, Georg, Geistl. Rath u. Dom-
vikar in Regensburg, Autorität auf d. Geb.
kirchL Kunst; s. Sp. 107*.
Dielitz, Julius, k. preuss. Geh. Reg.-Rath,
beinahe 50 Jahre lang Generalsekretär d.
Verwaltung d. k. Museum in Berlin, seit
1886 im Ruhestand, Kultur- u. Kunst-
historiker, 91 J.; t daselbst Auf. Juni.
— L 111. Ztg. 106, 758.
Dohme, Robert, Geh. Reg.-Rath u. Direktor
d. Hohenzollern-Museums in Berlin, * da-
selbst 17. VI. 45; f ebenda 15. I. — L
III. Ztg. 106, 104; Hinrichsen» 288 (mit W).
Goeler von Ravensburg, Freih. Karl Fried-
rich Ludwig August, Dr. phiL, Prof.,
herzogL koburg. Sammlungs-Dir. z. D.,
Kunstschriftssteiler u. Aesthetiker, • zu
Mosbach 21. III. 54,* f zu Karlsruhe 29.
. V. — L Freiherrl. Taschenb. 1896, 312.
1897, 1205; Deutsche Ztschr. f. Geschichts-
wissensch. N. F. L: MonatsbU. 128. —
W KL 1896, 401.
GoU, D.; Prof. an d. k. Kunstgewerbe-
schule zu Stuttgart, 56 J. ; f daselbst 23.
IL — L 111. Ztg. 106, 277.
Gruppe, Gustav Adolf Julius, Prof., brasilian.
Vizekonsul in Lübeck, Leiter d. dortigen
Museums; f daselbst 18. HL — L 111.
Ztg. 106, 368.
•Henke, Wilhelm v., Anatom u. Kunst-
gelehrter; s. Sp. 124*.
•Ilg, Albert, Dr. phiL, k. u. k. Reg.-Rath,
Direktor d. kunsthistor. Sammlungen d.
Allerhöchsten Kaiserhauses , Kunsthisto-
riker, • zu Wien 11. X. 47; f daselbst
28. (nicht 29.) XI.: s. BJ I, 417. — L
BJ II, 21*; lU. Ztg. 107, 809 (F. K., mit
P); Deutsche Bauztg. 1896, 619 (mitW);
Repertorium f. Kunstwissensch. 20, LI
(Laban, Bibliogr.: Mittheilungen d. k. k.
i^-j* XXVIII. Kunstforsch, u. Kunstfreunde. XXIX. Bahnenleit. u. Bühnenkünstler. 158*
Centralkommissioni897,6i ; Mittheilungen
d. Mähr. Gewerbe-Mus. 1896, 24; Mit-
theilungen d. k. k. Oesterr. Mus. N. F. 11,
260; Monatsblätter d. Alterthumsver. zu
Wien 1896, 2; Kunstchronik N. F. 8, 107;
Chronique des arts 1896, 363). — W
auch Börsenbl. f. d. D. Buchh. 1896, 8649.
Khuen von Belasi, Eduard Graf, Herr
auf Schloss Gandegg, Kunstfreund; s. Sp.
ii*.
Stockbauer, Dr., Prof., Kustos am Bayer.
Gewerbemuseum in KUmberg, Kunst-
schriftsteller, 59 J.; f daselbst 19. III.
— L Mittheilungen d. k. k. Oesterr. Mus.
N. F. II, 107.
Ulmann, Hermann, Dr. phil., Kunsthis-
toriker, * zu Neudörfles b. Koburg 1866;
f zu Florenz 21. IV. — L Deutsche Ztschr.
f. Geschichtswissensch. N. F. i ; Monatsbll.
96; Repertorium f. Kunstwissensch. 19,
247 (H. Thode) CVn (Laban, Bibliogr.:
Sitzungsber. d. Berl. Kunstgeschichtl. Ge-
sellsch. 6 (M. J. Friedländer); Kunstchro-
nik N. F. 7 Nr. 25, 404).
Weddigen, Louis, Ehrenmitgl. d. Vereins
Düsseldorfer Künstler, Kunstfreund u.
Sammler einer werthvollen Gemäldegalleric
in Düsseldorf; f zu Wiesbaden 7. VI. —
L 111. Ztg. 106, 759.
*Wille, Frangois, Dr. phiL, Mäzen, Freund
von Dichtern (H. Heine, G. Keller), Mu-
sikern (R. Wagner, F. Liszt) u. Künstlern,
auch Bismarck nahestehend, * zu Hamburg
20. I. II: f zu Meilen am Zürcher See
8. I. — L Allg. D. Biogr. 43, 256 (A.
Frey).
XXIX. Bühnenleiter und Bühnenkünstler.
Auerbach, Adolf, früher Opernsänger (Hel-
dentenor), seit 1862 Theateragent, * zu
Karlsruhe 15. VI. 26; f zu Frankfurt a. M.
Anf. Febr. — L NTA 8, 171 ; Flüggen i, 9.
Baumann, Maximilian, Regisseur u. Schau-
spieler (Charakterkomiker), * zu Pressburg
um 1820; f zu Falkenau in Böhmen 10.
IV. — L NTA 9, 163.
Berghof, Johanna, eheroal. Schauspielerin,
Gattin d. Theaterdirektors B. in Olmütz,
* zu Klagenfurt 12. VT. 51; f zu Olmütz
10. V. — L NTA 8. 175.
Beihge, Franz, Hofschauspieler (Charakter-
darsteller), * zu Berlin 4. XII. 38 ; f zu
Wiesbaden 24. III. — L 111. Ztg. 106,
396; NTA 8, 173; Flüggen i. 25.
Blume-Santer, Bianca, in den 60 er Jahren
Primadonna d. Berliner Oper, dann an
d. Dresdner u. Mannheimer Bühne, später
in Italien u. Spanien u. in d. Neuen Welt,
* zu Reichenbach in Schlesien 4. V. 43;
t zu Buenos-Aires Nov. od. Dez. — L
111. Ztg. 107, 734.
♦Carro, Karl Ritter v., Schriftsteller u.
Vortragsmeister; s. Sp. 133*.
Cillis, Wilhelm, Opernsänger (Bassist).
* zu Bonn 31. VII. 30 ; f zu Dessau 27.
V. — L NTA 8, 177.
Conrad!, Joseph, ebemal. Regisseur u.
Schauspieler (Heldenväter), • zu Frank-
furt a. M. 9. IX. 44; f als Vertreter eines
Weinhauses zu Rheydt in d. Rheinprov.
24. II. — L m. Ztg. 106, 307; NTA 8,
170.
^Czemits, Ignaz, Theaterdirektor u. Schau-
spieler (Komiker), ^ zu Fttnfkirchen in
Ungarn 27. V. 14; f zu Peggau b. Graz
22. I.: s. BJ I, 338. — L BJ II, 8*;
NTA 8, 169; Deutsche Bühnengenossensch.
1896 Nr. 5 (E. Mebus).
*Diemer, Johannes, Bauer in Oberammer-
gau, Chorführer in d. dortigen Passions-
spielen, * daselbst 1832; f ebenda 8. V.:
s. BJ I, 242. — L BJ II, 8*.
Dietrich, Auguste, geb. Gallenbeck
(genannt Fritze), grosshgl. Oldenburg.
Hofschauspielerin, Ehrenmitgl. d. Hof-
theaters in Oldenburg, * zu Dessau 6. V.
23; t zu Oldenburg 8. XI. — L 111. Ztg.
107, 653; NTA 7, 134. 9, 165; Flüggen
I, 60.
*Dietz, Ludmilla, geb. Grasl-Baum-
g artner, Schauspielerin u. Sängerin,
(Liebhaberin, Soubrette, kom. Alte), * zu
Pressburg 25. VII. 33; f zu Wien 16.
(od. 15?) VL: s. BJ I, 339. — L BJ II,
8*; NTA 8, 179; Flüggen i, 61.
Dornewass, Wilhelm, grosshgl. hess. Hof-
solotänzer u. Hofschauspieler a. D., * zu
Magdeburg 6. VI. 19; f zu Darmstadt
(an seinem Geburtstag) 6. VI. — L NTA
8, 178; Flüggen 1. 64.
Eilers, Ludwig Albert, hgl. sächs. Kammer-
sänger u. Ehrenmitgl. d. Hoftheaters in
Darmstadt, Opernsänger (Bassist) u. Kom-
ponist (kom. Opern, Messe, Requiem), *
zu Köthen 21. XII. 30; f zu Darmstadt
4. IX. — L 111. Ztg. 107, 308; NTA 8,
182; Flüggen I, 70.
frischer, Oskar, hgl. braunschweig. Hof-
schauspieler (Charakterkomiker), * zu Schles-
wig 30. VIII. 40 ; f in Königslutter 7.
IV.: s. BJ I, 402. — L BJ II, ii*; NTA
- 8. 173.
^Fischer-Achten, Karolina, hgl. braun-
schweig. Kammersängerin, ^ zu Wien 29.
159'
Todtenliste 1896: XXIX. Btthnenleiter und Bühnenkünstler.
160*
I. 1806; f zu Friedenstein (oder Friedens-
heim ?) b. Graz 13. IX.: s. BJ I, 403. —
L BJ II, II*; NTA 8, 183; Flüggen i, 83.
^Franckel, Adolf, Dr., Schriftsteller, ehe-
mal. Theaterdirektor und Regisseur; s.
Sp.i33*.
Freisinger, Lucie, Schauspielerin (Lieb-
haberinnen u. Salondamen), * zu Wien
30. V. 69; t «u New York 19. IL — L
NTA 8, 172; Flüggen i, 91.
Funk-Schirmer, Marie, vormal. Schau-
spielerin u. Sängerin, * zu Aachen 24. IX.
35; t zu Berlin 31. V. — L NTA 8, 177;
Flüggen I, 96.
^Gabillon, Ludwig (auch Louis), k. k.
Hofschauspieler (Charakterdarsteller), * zu
Güstrow 16. Vn. 25; t «u Wien 13. IL:
s. BJ I, 432. - L BJ I, 59*. II, 14*;
111. Ztg. 106, 255 (mit P nach Photogr.
V. Krziwanek in Wien); NTA 6, 147. 8,
171 (mit P); Flüggen i, 96.
Ganzemüller, Karl, Opernsänger (Bassist)
u. Regisseur, * zu Kissingen 7. XII. 40;
t zu Würzburg 13. XIL — L 111. Ztg.
107, 799; NTA 9, 160.
Godec, Walter, 1879—90 Mitgl. d. Mei-
ninger Hoftheaters, Darsteller d. Kinder-
u. Knabenrollen, Ziehsohn d. Ehepaars
Teller, 20 J. alt; f zu Paris 10. XII- —
L NTA 9. 166.
Grandauer, Franz, Dr., Hofopernregisseur
a. D., Uebersetzer u. Neubearbeiter v. Opern-
texten, * zu Karlstadt in Unterfranken 7.
IIL 22; t zu München 7. V. — L 111.
Ztg. 106, 639; NTA 8, 175; Flüggen
I, HO.
^Gumbert, Ferdinand, Liederkomponist,
1839 — 43 Opernsänger (Baritonist); s. Sp.
148*.
Hanisch, Julius, grosshgl. bad. Hofschau-
spieler a. D. Q'ugendl., dann erste Helden
u. Liebhaber), ♦ 20. I. 28; f zu Karlsruhe
10. XIL — L NTA 9, 166; Flüggen i, 126.
Härtinger, Martin, Dr. med., k. bayer.
Hof- u. Kammersänger (Tenorist), 1867
— 83 Lehrer d, Sologesangs an d. MUnch.
Musikschule, * zu Ingolstadt 6. IL 15;
f zu München 6. IX. — L 111. Ztg. 107,
367; NTA 8, 182; Riemann* 460; Flüggen
ii 123
Hartmann, Karl, Geh. Hofrath, lange Zeit
b. d. Verwaltung d. k. Schauspiele in
Berlin thätig, 64 J.; f daselbst 30. X. —
L 111. Ztg. 107, 584.
Herbst-Jazede, Adele, ehemal. Hofopern-
u. Kammersängerin, * zu Jassy 18. IL 16;
+ zu Hamburg 21. X. — L NTA 9, i6o;
Flüggen I, 138.
Insel, Wilhelm, Schauspieler, * zu Magde-
burg um 1862; "f zu Chicago durch Selbst-
mord Anf. Dez. — L NTA 8, 164.
Jungwirth, Johann, Schauspieler, * zu
Wien 4. IV. 18; f daselbst 29. V. - L
NTA 8, 177.
*Kahle-Ke8Sler, Marie, Schanspielerin
(Naive, erste Liebhaberinnen, Anstands-
damen, Mütter), Ehrenmitgl. d. k. Schau-
spiele in Berlin, * zu Weissenfeis 17. XL
44; f zu Berchtesgaden 10. VIII. : 5. BJ
I, 294. — L BJ II, 21»; Deutsche Bühnen-
genossensch. 1896 Nr. 34; NTA 8, 136.
181 (mit P); Flüggen i, 161.
Kamps, Heinrich, Schauspieler (Komiker),
* zu Ottemdorf in Hannover 28. VIL
28; t zu Treptow 25. X. — L NTA 9,
165.
Kissner-Scheurich, Babette, ehemal. Sän-
gerin (Soubrette) u. Schauspielerin, * zu
Krumau in Böhmen 14. V. 19; f zu Zü-
rich I. VL — L NTA 8, 177.
Kneupelt, Christof, städt. Theatermeister
in Regensburg, * daselbst 2. I. 46; f
ebenda 11. X. — L NTA 9, 164.
Lewens, Hans, ehemal. Schauspieler, Nestor
d. deutschen Bühne in Amerika, * zu
Ottensen b. Hamburg; f zu St. Louis 9.
X. — L NTA 9, 164.
Lohse-Klafsky , Katharina, dramat. Sän-
gerin, Primadonna d, Hamburger Oper»
* zu St. Johann im ungar. Komitat Wiesel-
burg 19. IX. 55; f zu Hamburg 22. IX.
~ L Hl. Ztg. 107, 399 (H. Chevalier,
mit P); NTA 8, 183 (mit P): Flüggen
I, 168.
^Maurice, Cheri (ursprUngl. Charles
Schwartzenberger),Direktord. Thalia-
theaters in Hamburg, * zu Agen im Depart.
Lot-et-Garonne 29. V. 1805, f zu Hamburg
27. L: 5. BJ I, 297. — L BJ II, 28*;
NTA 8, 170.
MühCf Karl, ehemal. Opernsänger (Bassist),
* zu Braunschweig 26. IL 36 ; f zu Magde-
burg 6. IV. — L NTA 8, 173.
Müller, Eugen Ludwig (genannt Eugen
Ludwig), Schauspieler (Charakterdar-
steller), ♦ zu Köln 13. IL 62; f zu Braun-
schweig 8. VL — L NTA 8. 178 (H.
Mielke); Flüggen i, 205.
^Müller, Theodor, Schauspieler (Komiker)»
* zu Stargard i. L 32; f zu Berlin 7. IX.:
s. BJ I, 296. — L BJ II, 32*; NTA 8,
182; Flüggen I, 225.
Picker, Fritz, früher Direktor d. fürstl.
Hoftheaters in Gera, * zu Braunschweig
II. VIII. 25; t zu Meiningen 12. (od.
22.?) VIL — L NTA 8, 180. — Vgl.
Sp. i8*.
Pohlmann, Stanislaus Ulysses, Schauspieler
(Komiker) u. Regisseur a. D., * zu DUlken
in d. Rheinprov. 10. X. 38; f zu Düssel-
dorf II. XL — L IIL Ztg. 107, 621;
NTA 9, 165; Flüggen i, 244.
i6i'
XXIX. Bühnenleiter und Bühnenkünstler. XXX. Verschiedene.
162*
*Ranzenberg (ursprUngl. Ranzenberger),
Hugo, Schauspieler (Helden u. Bonvi-
vants) u. Regisseur» * zu Budapest 13.
IX. 52 (oder 54?); f zu Wien 21. IX.:
s. BJ I, 342. >- L BJ II. 35*; 111. Ztg.
i07i 395; NTA 8, 163; Flüggen i, 249.
"^Razga von Rasztoka, Heinrich (Pseudon. :
Heinrich Thalboth), Schauspieler u.
Bühnendichter, ♦ zu Prag 15. VII. 41:
f zu Wien 16. 1.: s. BJ I, 343. — - L BJ
II, 35*; Flüggen i, 305.
*Richter, Heinrich, k. bayr. Hof Schau-
spieler (jugendl. Liebhaber, Väter) u.
Regisseur a. D., Prof. f. Schauspielkunst
an d. k. Musikschule in München, * zu
Berlin 18. X. 20; f zu München 22. V.:
s. BJ I, 279. II, 434. — L BJ II, 36*;
NTA 8, 176 (mit P): Flüggen i, 257.
Risa, Grete, Schauspielerin (Naive), 30 J.;
t zu Wien 14. II. — L NTA 8, 172:
Flüggen I, 258.
Ristow, Agnes, Schauspielerin (Heldinnen,
Salondamen); f ^^ Erfurt 7. V. — L
NTA 8. 175; Flüggen i, 258.
Ruef, Alexander, Direktor d. Konver-
sationshaus-Theaters in Davos, Schauspieler
(jugendl. Helden, später Charakterdar-
steller), ♦ zu Heidelberg 1846; f zu Davos
15. X. — L NTA 9, 164.
Schmidt (genannt Schmithof), Eduard,
ehemal. Regisseur u. Heldendarsteller, zu-
letzt Reutervorleser, auch Verf. platt-
deutscher Theaterstücke, * zu Hamburg
6. I. 19; t z« Berlin 5. III. — L 111.
Ztg. io6, 368; NTA 8, 173; Flüggen i,
275.
^Schneider, Emil, Charakterdarsteller u.
Heldenväter, ^ zu Schwerin a. d. Warthe
23. X. 32; f zu Frankfurt a. M. 9. IV.:
s. BJ I, 284. — L BJ II, 38»; NTA 8,
174: Flüggen I, 275.
Schreiner, Ludwig, Schauspieler u. Bühnen-
dichter, * zu Köln II. I. 64; f zu Mann-
heim 1. VII. - LNTA8, 179; Deutsche
Bühnengenossensch. 1896 Nr. 29 (J. Neu-
mann); Flüggen I, 279.
Schwanz, Albert, Schauspieler u. Regisseur,
* zu Crivitz in Mecklenburg 8. XI. 47;
t zu Stettin 12. IX. — L NTA 8, 183.
Serpentin, Rudolf, Opernsänger (Baritonist,
BassbufTo) u. Regisseur, * zu Berlin 6.
XI. 35; t zu Heilbronn 15. VIII. — L
NTA 8, 181.
♦Siehr, Gustav, k. bayer. Kammer- u. Hof-
opernsänger (Bassist) in München, '^ zu
Arnsberg 17. IX. 37: f zu München 18.
V.: s. BJ I, 334. — L BJ II, 39*; NTA
8, 175 (mit P); Flüggen i, 289.
Simon, Ludwig, ehemal. Schauspieler
(jugendl. Helden, Helden, Heldenväter) u.
Regisseur, • zu Danzig 28. (od. 18.?) IV. 23;
t zu Altona 7. VI. — L NTA 8, 178:
Flüggen I, 290.
Trotz, Marie, geb. Wurm (genannt Marie
Verra, auch Trotz-Verra), ehemal.
Schauspielerin u. Sängerin, 39 J.: f zu
Stuttgart 30. XI. — L NTA 9, 165.
^ Versing-Hauptmann , Anna, Schauspie-
lerin u. Schriftstellerin, * zu Mainz 2. X.
33 (34 ^^» 35^ i + zu Weinberge in Böhmen
8. IX.: s. BJ I, 344. - L BJ II, 43*;
NTA 8, 182; Brummer* 4, 242; Wurz-
bach 50, 155 (mit W); Pataky 2, 391:
Flüggen I, 313.
Vorsmann, Franziska, ehemal. Schau-
spielerin, 82 J.; f zu Hamburg 26. VII.
— L NTA 8, 181.
Waltzer, John, ehemal. Opernsänger, * zu
Hannover 2. XII. 21; f zu Berlin 4. IX.
— L NTA 8, 182.
Wangenheim, Freih. F r i e d r i c h v., Inten-
dant d. grosshgl. Hoftheaters in Oldenburg;
s. Sp. i8*. — L auch NTA 8, 173.
Wessnig, Robert Guido, Opernsänger, Schau-
spieler u. Musikdirektor, auch Schriftsteller,
• zu Breslau 10. V. 18; f zu Leipzig-
Gohlis 26. XII. — L 111. Ztg. 108, 48;
NTA 9, 167.
Widmann, August, Schauspielern. Theater-
direktor, * zu Bamberg 5. X. 52; f zu
Burg b. Magdeburg 24. I. — L NTA 8,
172.
Willbom, II ma, Tragödin, Gemahlin d.
Hofrathes am k. k. Obersten Rechnungs-
hof V. Seiler, 46 J.; f zu Wien 17. VII.
— L 111. Ztg. 107, 125; NTA 8, 180.
Wilczek, geb. Witt, Sophie, ehemal. Opern-
sängerin u. Schauspielerin, * zu Neapel
13. II. 23; t zu Wien 13. I. — L NTA
8, 169.
XXX. Verschiedene.
Amemann, Mathilde, geb. Stammann,
Gemahlin des Grosshändlers Karl Theodor
A. in Altona, bekannt durch reiche Wohl-
thätigkeit, hervorragende Pflegerin der
Verwundeten in d. Kriegen 1848/52, 64,
70/71; Begründerin d. Elisabeth-Rosen-
Blo{n'> Jahrb. a. Deutscher Nekrolog. 3. Bd.
Stiftung in Karlsbad; * zu Hamburg als
Tochter d. Architekten Stammann 26. III.
1809; t daselbst 21. VIII. — L u. P
III. Ztg. 107, 381.
Brehmer, Charlotte, geb. Klose, 102 J.alt;
f zu Berlin 15. XII. — L 111. Ztg. 107, 799.
f
i63'
XXX. Verschiedene.
164'
Eichel, Eduard v., hochsinniger Wohl-
thäter, 78 J.; f zu Eisenach 30. XI. —
L 107, 799.
Erasmus, Gottfried, Rentner, d. letzte
direkte Nachkomme d. Humanisten Eras-
mus V. Rotterdam; f zu Naumburg i.
VIII. — L III. Ztg. 107. 188.
Feuerstein , Franz Christian , Gründer
des Kurortes Gmunden, 68 J.; f zu
Tüflfer in Steiermark 8. VIII. —
Ztg. 107, 214; Leopoldina 32,
Markt
L XU.
148.
Lewin, Saloroon, ein Mann im Alter v.
112 Jahren, der der älteste Mensch im
Deutschen Reiche gewesen sein soll; f zu
Mrotschna, Reg.-Bez. Bromberg Mitte Febr.
— L 111. Ztg. 106, 248.
Das alphabetische Register folgt mit den Todtenlisten für 1897 und 1898 im nächsten
Bande des Jahrbuchs.]
Erklärung der Abkürzungen.
Vorbemerkung: Ein * vor dem Namen öezekhnet, dass das Jahrbuch (JB) dem Ver-
storbenen einen ausführlichen Nekrolog gewidmet hat, auf den mit s. BJ verwiesen wird.
Hinter dem Buchstaben \t findet sich die Litter atur über den Todten verzeichnet j die zur
Ermittelung der Lebens daten diente, aber nur soweit sie nicht bereits an anderer
Stelle des Jahrbuchs angeführt war; diese Angaben sifid zum Theil aus zweiter Hand
geschöpft, z. B, aus Jahresberichten einzelner Wissenschaften (wie Theologischer Jahresbericht,
Schmidts Jahrbücher der Medizin, Mathematisches Jahrbuch, Fortschritte der Physik, Jastrows
Jahresberichte für Geschichts7oissenschaft, Bursians Jahresbericht für klassische Philologie,
Scher mans Orientalische Bibliographie u. s, 70,, u. s, lo.), aus Dietrichs Bibliographie der Zeit-
rchriftenlitteratttr, aus bibliographischen Ueber sichten in Fachblättern (etiva Zeitschrift für
Airchengeschichte , Forst' und Jagdzeitung , Archiv für Geschichte der Philosophie) , aus Ver-
öffentlichungen lokaler Vereine und aus anderen Quellen mehr. Nach W sind Stellen zitiert,
an denen Verzeichnisse der Werke des Todten sich finden. P ^ebt den Nachioeis über er-
mittelte Porträts. — Dankbar sei der reicßien Unterstützung gedacht, welcher sich dieser Ver-
such bei Behörden, sowie bei Venvandten und Freunden der Verblichenen erfreute: AM am
Schlüsse eines solchen Artikels zeigt an, dass sein wesentlicher Inhalt auf amtlicher, PM,
dass er a$if persönlicher Mittheilung Nahestehender beruht; KA dagegen besagt, dass auf
eine Anfrage keine Antwort oder nur ungenügende Auskunft zu 'lluil wurde»
München, den ff. Januar rgoo,
Dr. G, A. Wolf/.
ii. a. O. = am angeführten Orte
Abg. = Abgeordneter
Abhandl. = Abhandlung, -en
Abth. = Abtheilung
accad. = accadexnia
a. D. = ausser Dienst
ad hon. = ad honorem
Akad. = Akademie
Allg. = Allgemein, -e, -es
Allg. D. Biogr. = Allgemeine Deutsche Bio-
graphie. Herausgegeben durch die histo-
rische Commission bei der königl. (Bayer.)
Akademie der Wissenschaften. i — 44.
Leipzig 1875 — 98
amtl. = amtlich, -c, -es
Anat. == Anatomie
Arch. = Archiv
archeol. = archcologic
Art. = Artillerie
Ausg. = Ausgabe
Autobiogr. = Autobiographic
b. = bei
Bauztg. = Bauzeitung
Beil. = Beilage
Ber. = Bericht, -e
Bez. = Bezirk
Bibl. = Bibliothek, -s
Biogr. = Biographie, -isch, -ischc
Bl., Bll. == Blatt, Blätter
Bornmüller = F. Bommüller, Biographisches
Schriftsteller - Lexikon der Gegenwart,
Leipzig 1882
i67*
Erklärung der Abkürzungen.
l68*
Börsen bl. = Börsenblatt
Brig. = Brigade
BrUmmer^ = F. Brummer, Lexikon der deut-
schen Dichter und Prosaisten des 19. Jahr-
hunderts. 4. Auflage. I — 4. Leipzig
(1895-96)
Cat. Roy. Soc. = Catalogue of Scientific
Papers. Compiled of the Royal Society
of London, i — 11. London 1867 — 96
Centralbl. = Centralblatt
ehret. = chretien, -nne
Correspondenzbl. = Correspondenzblatt
d. = der, die, das etc.
deutschfreis. = deutsch freisinnig
Dorfztg. = Dorfzeitung (Hildburghausen)
Eckart = R. Eckart, Lexikon der nieder-
sächsischen Schriftsteller. Osterwieck
(1891)
crbl. = erblich
Erg.-Bd. = Ergänzungs-Band
Ethnol. = Ethnologie
cv.-luth. = evangelisch-lutherisch
ev.-prot. = evangelisch-protestantisch
F. = Frater
f. = für
Fetis = F. J. Fetis, Biographie universelle
des musiciens et bibliographie generale ^
de la musique. 2. edition. i — 8 et Supple-
ment I. 2. Paris 1860—80
Flüggen = O. G. Flüggen, Biographisches
Buhnenlexikon der Deutschen Theater, i.
München 1892.
Fortschr. = Fortschritt, fortschrittlich
frang. = fran^ais, -sc
Frank = P. Frank, Kleines Tonkünstler-
lexikon. 9. Auflage. Leipzig 1895
Freih. == Freiherr
freiherrl. = freiherrlich, -e, -es
freikons. = freikonservativ
freis. = freisinnig
geb. = geborne, -en
gedr. = gedruckt
Geh. = Geheimer
Gen. = General
Generalvers. = Generalversammlung
Geogr. = Geographie, geographisch, -e, -es
Gesch. = Geschichte
Gesellsch. = Gesellschaft
Goth. = Gothaisch
gräf 1. = gräflich, -e, -es
Gubernatis = A. de Gubernatis, Dictionnairc
international des ecrivains du jour. Flo-
rcnce 1891
Gymn. = Gymnasium ; Gymn.-Progr. = Gym-
nasialprogramm
HBL = Biographisches Lexikon der hervor-
ragenden Aerzte aller Zeiten und Völker.
Herausgegeben von A. Hirsch. i — 6.
Wien und Leipzig 1884—87
Heidelb. = Heidelberg, -er
Heliogr. = Heliogravüre
Hinrichsen* ^= A.Hinrichsen, Das literarische
Deutschland. Berlin und Rostock 1887
Hinrichsen '"^ = [Dasselbe.] 2. Auflage. Berlin
1891
Hist. = Historisch, -e, -es
Hocbsch. == Hochschule
Hydrogr. = Hydrographie
Jahrb., Jahrbb. = Jahrbuch, Jahrbücher
111. = Illustriert, -e, -es
Inf. = Infanterie
Intern. ^ International
k. = königlich
k. u. k. = kaiserlich und königlich
kath. = katholisch
Kav. = Kavallerie
Keiter = H. Keiter, Katholischer Lilcratur-
kalender. 1^5. Regensburg und Leipzig
1891—97
Kirchenbl. = Ktrchenblatt
KL = J. Kürschner, Deutscher Litteratur-
Kalender
klin. = klinisch, -e
kons, s^ konservativ
Kornmüller = U. Kornmllller, Lexikon der
kirchlichen Tonkunst. 2. Auflage, i. 2.
Regensburg 1891 — 95
Konv.-Lex. = Konversalions-Lexikon
Kukula = R. Kukula, Bibliographisches Jahr-
buch der Deutschen Hochschulen. Inns-
bruck 1892. - Ergänzungsheft i. Ebenda
1893
Leut. = Leutnant
lib. = liberal
Lieut. = Lieutenant
Lit. = Litterarisch, -e
math.-phys. = mathematisch-physikalisch
Med. = Medizin, medizinisch, -e
Mendel - Reissmann = Musikalisches Con-
versations-Lexikon. Begründet von H.Men-
del. Vollendet voh A. Reissmann, i — 11
und Ergänzungsband. Leipzig (1870—80)
meteorolog. = meteorologisch, -e
Mitgl. = Mitglied
Mittheil. = Mittheilungen
Monatsbl., -bll. = Monatsblatt, Monatsblättcr
Müller-Singer = Allgemeines Künstler-Lexi-
con. Vorbereitet von H. A. Müller. Heraus-
gegeben von H. W. Singer, i — 3. Frank-
furt a. M. 1895—98
N. = Neue, -es
Nachr. = Nachricht, -en
nat.-lib. = nationalliberal
Nekrol. = Nekrolog
N. Fr. Presse = Neue Freie Presse
nordd. = norddeutsch, -e
NTA = Neuer Theater -Almanach. Heraus-
gegeben von der Genossenschaft Deutscher
Bühnenangehöriger. 7. 8. Berlin 1897 — 98
OM = Ordinis Minorum
oriental. = orientalisch, -c
OSB = Ordinis Sancti Benedicti
169'
Erklärung der AbkUr/Aingcn.
170*
Qthmcr = Othiners Vadomccum des Sor-
limcnters. 4. Auflage von C. Georg und
L. Ost. Hannover und Leipzig 1891
P. = Pater
Pataky = S. Pataky, Lexikon deutscher Frauen
der Feder, i. 2. Berlin 1898
path. = pathologisch
Petersb. = Petersburg, -er
philol. = philologisch, -e
philos. = philosophischi -e
Photogr. = Photographie
phys. = physique, physikalisch
Poggendorff=J.C.Poggendorff, Biographisch-
Literarisches Handwörterbuch zur Ge-
schichte der exacten Wissenschaften, i — 3.
Leipzig 1863—97
prakt. = praktisch, -e
Prof. = Professor
Progr. = Programm
prot. = protestantisch
Prov. = Provinz
Pseudon. = Pseudonym
R. = Reale
Rassmann = E. Rassmann, Nachrichten von
dem Leben und den Schriften MUnstcr-
ländischer Schriftsteller des 1 8. und 19. Jahr-
hunderts. Münster 1866. — Neue Folge.
Ebenda 1881
Reg. = Regiment
Reg.- = Regierungs-
Riemann^ = H. Riemann, Musik- Lexikon.
5. Auflage. I^eipzig 1900
s. = siehe
Schröder = H. Schröder, Lexikon der ham-
burgischen Schriftsteller bis zur Gegen-
wart. (Fortgesetzt von A. H. Kelling-
husen.) Hamburg 1851 — 83
sezess. = sezessionistisch
Sitzungsber. = Sitzungsberichte
soc. = societe
Sp. = Spalte
Staatsanz. = Staatsanzeiger
Stud. =: Studium, studierte
Suppl. = Supplement
Tag(e)bl. = Tag(e)blatt
techn. = technisch
Thcol. = Theologie
u. = und
üb. =s über
ungedr. = ungedruckt
Univ. = Universität
V. = von
Ver. = Verein
verm. = vermählt
Vierteljahr(s)schr. = Vierteljahr(s)schrift
Volksp. = Volkspartei
Volksztg. = Volkszeitung
vorm. = vonnals
vortr. = vortragender
Wochenschr. = Wochenschrift
Wurzbach = C. v. Wurzbach, Biographisches
Lexikon des Kaiserthums Oesterreich.
1—60. Wien 1857 — 91
z. = zum, zur
z. D. = zur Disposition
Zentr. = Zentrum
Ztg. = Zeitung
Ztschr. = Zeitschrift
GEORG ^n§ REIMER
VERLAG ^^^ BERLIN.
Soeben erschien:
Erinnerungen
von Ludwig Bamberger
Herausgegeben von D^ P. NATHAN
Preis brosch. M. 7,50
elegant gebd. in Ganzlwd. M. 8.50,
in Halbfrz. M. 9.50.
Düse Memoiren sind ein wichtiges politisches und vor allem auch
kulturhistorisches Dokument; sie schildern in epischem Redefluss voll
behaglicher Anschaulichkeit das politische und das gesellschaftliche
Leben der hinter uns liegenden deutschen Werdezeit, gesehen von
Deutschland und vom Auslande aus; sie berichten von dem Paris
des dritten Kaiserreiches und sie enthalten eine Fülle von feinen,
mit leiser Hand hingezeichneten Portraits hervorragender Menschen,
Katharina von Bora
Geschichtliches Lebensbild
von
D. ALBRECHT THOMA
Professor am Lehrerseminar in Karlsruhe.
Mit einem Bilde nach Cranach
Preis broch. Mk. 5. — , gebunden Mk. 6. — .
/ium ersten Male erscheint hier nach älteren und veralteten skizzen-
haften Vorarbeiten eine ausführliche, eigentliche Lebensgeschichte
von Luthers Gemahlin und trägt zu ihrem, 4.00jährigen Geburtstage
eitle alte Dankesschuld ab. Das Buch hat bei aller strenghistorischen
Grundlage und der eingehenden Quellenangabe am Schluss, mit
seiner gefalligen Darstellung einen weiteren Leserkreis, vor allem
auch die gebildete Frauenwelt im Auge,
Ernst Moritz Arndt
Ein Lebensbild in Briefen. — Nach ungedruckten und ge-
druckten Originalen herausgegeben von
HEINRICH MEISNER und
ROBERT GEERDS
Preis brosch. M. 7, —
gebd. in Halbfranz M. 8,75
Aber wahrlich nicht dem Historiker allein muss der Schatz
der Briefe werthvoll sein, jeder gebildete Deutsche wird sich erquickt
fiihlen durch den Anblick so kerniger deutscher Mannheit
(J^-euss, Jahrbücher iSgg).
GEORG ^r% REIMER
VERLAG ^^ BERLIN.
Soeben erschien:
Die Gesellschaft
von
ERNST VICTOR ZENKER
I. BAND:
Natürliche Entwickelungsgesclüchte
der Gesellschaft
Preis M. 5,—
Aus dem Inhaltsverzekhniss: Geschichtliche Einleitung, L Die Ele-
mente der socialen Entivickelung: Die thierischen Gesellscfiaßen. —
Der sociale Urzustand des Menschen, — Primitive Wirthschaft. —
Die Verwandtschaft, — Die Herrschaft. — Die gentile Verfassung,
— //. Die politische Entwiche lung: Der Prozess der politischen
Entwickelung, — Die Formen der politischen Entwickelung,
Natürliche Schöpfungsgeschichte
Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge über die
Entwickelungslehre
von
ERNST HAECKEL
Neunte Auflage, 2 Bde,, brosch. M. 12, —
gebd. in Halbfranz M. 16, —
Trotz aller Anfeindungen, deren sich der berühmte Dar-
winist^ ich möchte sagen, zu erfreuen hat, bilden seine Veröffent-
lichungen eine unerschöpfliche Quelle der Belehrung für den gebildeten
Laien und der Anregung für den Fachmann (DU Umschau 18g 8), , , .
Es spricht eine erquickende Geistesfrische aus dem Buche , . .
(DU Natur tSgS).
Zehn Jahre deutscher Kämpfe
Schriften zur Tagespolitik
von
HEINRICH VON TREITSCHKE
Dritte Auflage, 2 Bde., brosch. M. 12, —
gebd. in Halbfranz M. 15, —
Was ein Mann von dem glühenden Patriotismus, von der
geschichtlichen Sehergabe und von der hinreissenden Darstellungskraft
im Angesicht der Ereignisse gesagt hat, behält dauernden Werth,
und es erquickt, sich in diese einst einer unmittelbaren lebendigen
Gegenwart entquollenen Aeusserungen eines mit einem grossen Herzen
begabten historischen Geistes zu versenken, (DU Post iSgj,)
BIOGRAPHISCHES JAHRBUC
***** UND « « * * *
DEUTSCHER NEKROLOG
J
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s ERSCHEINT IM HERBST EINES JEDEN JAHRES
3 «Os'S!!»»
3 9015 03944 1400