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Full text of "Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog"

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BIOGRAPHISCHES  JAHRBUCH 

*    ♦     ♦     *     ♦  UND  •    •     *    *    * 

DEUTSCHER  NEKROLOG 


VERLAG  VON  GEORG  REIMER,  BERLIN 
®^»»®^€^i&<-     1899-  '^^^^$^€€€-^ 


^•V/.  ^C'^^i^Äar/ze 


BIOGRAPHISCHES  JAHRBUCH 

UND 

DEUTSCHER  NEKROLOG 


III.  BAND. 


BIOGRAPHISCHES  JAHRBUCH 


UND 


DEUTSCHER  NEKROLOG 


UNTER  STÄNDIGER  MITWIRKUNG 


VON 


F.  V.  BEZOLD,  ALOIS  BRANDL,  AUGUST  FOURNIER,  ADOLF  FREY,  HEINRICH 
FRIEDJUNG,  LUDWIG  GEIGER,  KARL  GLOSSY,  SIGMUND  GÜNTHER, 

EUGEN  GUGLIA,  OTTOKAR  LORENZ,  JACOB  MINOR,  FRIEDRICH  RATZEL, 
PAUL  SCHLENTHER,  ERICH  SCHMIDT,  ANTON  E.  SCHÖNBACH  U.  A. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

ANTON  BEITELHEIM. 


III.  BAND 

MIT   DEN   BILDNISSEN   VON   THEODOR  FONTANE   UND   CONRAD   FERDINAND   MEYER 

IN   HELIOGRAVÜRE. 


BERLIN. 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  GEORG  REIMER. 

1900. 


1  f 


Vorrede. 


Bismarck  und  Kalnoky  finden  in  diesem  Jahrgang  unseres  Deut- 
schen Nekrologes  berufene  Biographen  in  Alexander  Meyer  und  Hein- 
rich Friedjung.  Fontane  und  Conrad  Ferdinand  Meyer  erscheinen 
von  Paul  Schienther  und  Adolf  Frey  gewürdigt.  Ferdinand  Cohn 
und  S.  Stricker  werden  von  Professor  Mez  und  Hofrath  E.  Albert 
charakterisirt.  Dem  Andenken  von  Ebers  wird  Professor  Eduard 
Meyer  gerecht.  Das  Referat  für  die  Rechtsgelehrten  hat  in  dankens- 
werthester  Weise  Professor  A.  Teichmann  in  Basel  übernommen. 
Kaiserin  Elisabeth 's  Lebenslauf  zeichnet  Professor  Eduard  Wert- 
heimer.  Seinem  Vorgänger  an  der  Münchener  Universität,  Riehl, 
widmet  Unterstaatssecretär  Professor  G.  v.  Mayr  den  Nachruf. 

War  es  dem  Verlag  und  dem  Herausgeber,  Dank  diesem  Entgegen- 
kommen neuer  und  der  altbewährten  Mitarbeiter,  beschieden,  den  Text 
des  dritten  Bandes  auf  der  Höhe  der  vorangehenden  Bände  zu  halten, 
so  waren  sie  nicht  weniger  bestrebt,  die  Verheissungen  des  ursprüng- 
lichen Programms  in  Betreff  sorgsam  aus  erster  Hand  geschöpfter 
Todtenlisten  einzulösen.  Unserem  treuen  Nothhelfer,  dem  Münchener 
Bibliothekar  Herrn  Dr.  Georg  Wolff,  blieb  es  vorbehalten,  durch- 
wegs genau  geprüfte  Angaben ,  sowohl  über  die  in  besonderen 
Artikeln  behandelten,  als  über  die  bisher  in  unserem  Nekrolog  nicht 
erwähnten,  in  den  Jahren  1896 — 1898  geschiedenen  Deutschen  von  Be- 
deutung zu  sammeln  und  übersichtlich  zu  ordnen.  Er  hat  sich  nicht 
allein  mit  der  Aufspürung  aller  irgendwie  erreichbaren  gedruckten  Quellen 


VI  Vorrede. 

begnügt:  er  hat  sich  in  allen  Fällen  mit  besonderen  Fragebogen 
—  meist  erfolgreich  —  an  die  Familien  und  sonst  berufene  Gewährs- 
männer mit  der  Bitte  um  zuverlässige  Daten  gewendet.  Das  Ergebniss 
dieser  langwierigen  und,  wie  wir  hoffen,  für  die  deutsche  Biographie  nicht 
verlorenen  Bemühungen  liegt  heute  zunächst  in  der  Todtenliste  für  das 
Jahr  1896  vor.  Leider  war  es  trotz  allen  Zuwartens  nicht  möglich,  dem 
Wunsch  der  Verlagshandlung  gemäss,  das  Manuscript  der  Todtenlisten 
von  1897  und  1898  noch  fiir  diesen  Band  druckreif  vom  Bearbeiter  zu 
erhalten.  Die  Todtenlisten  für  1897  und  1898  sammt  einem  Gesammt- 
Register  über  alle  in  diesem  Triennium  genannten  Namen  wird  desshalb 
erst  Band  IV  bringen.  Die  weit  gediehenen  Vorarbeiten  für  die  Todten- 
liste von  1899  hat  mittlerweile  Herr  Bibliothekar  Dr.  C.  Huffnagl  in 
Wien  besorgt;  auch  diese  Letztere  hoffen  wir  im  kommenden  Jahrgang 
veröffentlichen  zu  dürfen. 

Und  damit  schicken  wir  Band  III  in  die  Welt  mit  dem  Wunsche, 
er  möge  gleicher  Förderung  und  gleicher  Theilnahme  bei  allen  Sach- 
kundigen begegnen,  wie  seine  Vorgänger.  In  der  »Wolke  von  Zeugen«, 
die  bisher  Nutzen  und  Nothwendigkeit  unseres  Unternehmens  in  unver- 
gänglichen Worten  bekräftigten,  mag  nach  Herder  und  Conrad 
Ferdinand  Meyer  heute  Ludwig  Uhland  die  Stimme  erheben: 

»Auch  das  Gemüth  fühlt  sich  in  die  Zeiten  vor  uns  hingezogen.  Während 
wir  in  der  Gegenwart  für  die  Zukunft  arbeiten,  sinken  wir  mit  jedem  Augen- 
blick selbst  in  die  Vergangenheit  hinab ;  und  indem  wir  selbst  wünschen,  im 
Gedächtniss  kommender  Geschlechter  fortzuleben,  vernehmen  wir  auch  die 
Mahnung  der  Hingegangenen,  ihrer  nicht  zu  vergessen.  Jeder  Erdentag  stellt 
uns  in  den  Gegenschein  von  Vergangenheit  und  Zukunft;  bald  sehen  wir 
die  westlichen  Berge  von  der  Morgensonne  beleuchtet,  bald  die  östlichen 
von  der  Abendsonne.  Das  ältere  Geschlecht,  das  wir  zu  Grabe  tragen,  an 
das  sich  rückwärts  unsere  frühesten  Erinnerungen  knüpfen,  ist  uns  doch  wieder 
vorangeeilt  in  die  Zukunft  und  unser  liebendes  Angedenken  kann  sich  bald 
dem  Abschiede,  bald  dem  Wiedersehen  zuwenden.  Wollen  wir  einmal  nicht 
vereinzelt  stehen,  fühlen  wir  uns  durch  ein  heiliges  Band  der  gesammten 
Menschheit  verbunden,  warum  sollte  dieses  nicht  auch  die  Geschlechter  um- 
schlingen, welche  vor  uns  gelebt  haben?« 

Wien,  8.  Januar  igcx). 

Anton  Bettelheim. 


Inhalt« 


Seite. 

Vorrede  V-VI 

Deutscher  Nekrolog  vom   i.  Januar  bis  31.  December  1898  1—380 

Ergänzungen   und   Nachträge   zum    »Deutschen   Nekrolog   von 

1896  und   1897«  381 — 414 

I.    Alphabetisches  Namenverzeichniss  zum  Deutschen  Nekrolog 

vom  I.  Januar  bis  31.  December  1898  415 

II.    Alphabetisches    Namenverzeichniss    der    Ergänzungen    und 

Nachträge  zum  Deutschen  Nekrolog  von  1896  und   1897  420 

Todtenliste  1896  i*— 170* 


Vadng  von  Gsog  KeÜBtr  ,B( 


DEUTSCHER  NEKROLOG 


VOM  I.  JANUAR  BIS  3i.  DECEMBER 


i898. 


Homo  liber  de  nulla  re  minus,  quam 
de  morte  cogitat  et  ejus  sapientia  non 
mortis,  sed  vitae  meditatio  est. 

Spinoza.    Ethices  pars  IV.  Propos. 
LXVII. 


Biogr.  Jahrb.  a.  Dentscher  Nekrolog.     3.  Bd. 


Deutscher  Nekrolog  vom  i.  Januar  bis  31.  December  1898. 


Bismarck,  Otto  Eduard  Leopold^  Fürst  von,  *  i.  April  18 15  auf  dem 
Gute  Schönhausen,  Kreis  Jerichow  in  der  Altmark,  f  30.  Juli  1898  in  Friedrichs- 
ruh  im  Sachsen walde. 

Gründer  des  Deutschen  Reichs,  durch  ein  Menschenalter  in  der  Politik 
Europas  dominirender  Staatsmann.  Seine  officiellen  Titel  waren:  Kanzler 
des  Deutschen  Reiches,  Preussischer  Ministerpräsident.  Seit  dem  Jahre  1890 
hatte  er  diesen  Titeln  ein  »ausser  Dienst«  beizusetzen;  seitdem  wachsen  ihm 
die  neuen  Titel  zu:    »Herzog  von  Lauenburg,  Generaloberst  der  Kavallerie«. 

Sein  Geschlecht  und  dessen  Ansässigkeit  in  der  Altmark,  einem  Theile 
der  späteren  Kurmark  Brandenburg,  ist  bis  zum  Jahre  1270  hinauf  zu  verfolgen. 
Der  Name  der  Familie  ist  wahrscheinlich  von  dem  Städtchen  Bismark  abzu- 
leiten, das  sich  lange  in  dem  Besitz  der  Familie  befunden  hat,  und  diese  Stadt 
wiederum  leitet  ihren  Namen  von  dem  Plüsschen  Biese  ab,  die  sich  in  die 
Aland,  einen  kleinen  Nebenfluss  der  Elbe  ergiesst.  Das  Geschlecht  hat  in 
mehreren  Linien  geblüht  und  dem  preussischen,  wie  andern  deutschen  Staaten 
tüchtige  Beamte  und  Offiziere  geliefert. 

Der  Vater  des  Reichskanzlers  hiess  Karl  Wilhelm  Ferdinand,  war  am 
13.  November  1771  geboren,  hatte  die  militärische  Laufbahn  ergriffen  und  als 
Rittmeister  seinen  Abschied  genommen,  um  auf  seinen  Gütern  zu  leben.  Er 
gehörte  einem  Typus  an,  den  man  in  märkischen  Adelsfamilien  zuweilen  findet; 
von  grosser  Seelengüte  schloss  er  sich  doch  gegen  die  Aussenwelt  und  gegen 
öffentliche  Interessen  mit  einem  gewissen  Eigensinn  ab,  um  sich  das  Leben 
in  seinem  Hause  ganz  nach  seinen  Launen  einzurichten.  Schalkhaft  rühmte 
der  Sohn  ihm  nach,  er  sei  klüger  als  Kaiser  Karl  V.  gewesen,  denn  er  habe 
es  dahin  gebracht,  dass  alle  Uhren  in  seinem  Hause  zu  gleicher  Zeit  zum 
Schlagen  ausholten. 

Er  hatte  eine  bürgerliche  Dame  geheirathet,  Luise  Wilhelmine  Mencken, 
Tochter  eines  Kabinetsrathes,  der  unter  Friedrich  Wilhelm  IIL  als  ein  hervor- 
ragend liberaler  Beamter  galt  und  im  Jahre  1801  starb.  Im  Jahre  1806 
heirathete  die  im  Jahre  1790  geborene  Tochter  den  Rittmeister  von  Bismarck, 
dem  sie  vier  Kinder  gebar,    von    denen    der  Reichskanzler   das  jüngste   war. 

I* 


4.  Fürst  Bismarck. 

Sie  scheint  eine  feine  und  kluge  Frau  gewesen  zu  sein.  Ihrem  älteren 
Sohne  Bernhard,  der  dem  Vater  körperlich  und  seelisch  glich,  wünschte  sie 
einen  Landrathsposten ;  dem  jüngeren  Otto  dagegen  eine  Laufbahn  als  Diplomat. 
Sie  hat  somit  das  Ingenium  ihrer  Kinder  früh  erkannt.  Otto  von  Bismarck 
war  der  Ansicht,  dass  seine  Mutter  zwar  sich  über  seine  Erfolge  gefreut  haben 
würde,  wenn  sie  sie  erlebt  hätte,  aber  mit  seiner  Politik  würde  sie  bei  ihrer 
liberalen  Richtung  nicht  einverstanden  gewesen  sein.  Der  Vater  starb  im 
Jahre  1845,  ^^^  Mutter  schon  1839.  Beide  haben  die  ersten  Schritte  ihres 
Sohnes  in  die  öffentliche  Thätigkeit  nicht  erlebt. 

Mit  sechs  Jahren  wurde  Otto  von  Bismarck  in  die  Plamann'sche  Erziehungs- 
anstalt zu  Berlin  gegeben,  einen  Ausläufer  Basedow-Campe'scher  Pädagogik. 
Vom  Jahre  1827  ab  durchlief  er  bis  zum  Jahre  1832  das  Gymnasium,  zuerst 
das  Graue  Kloster,  dann  das  Friedrich- Wilhelms-Gymnasium  in  Berlin.  Er 
hat  also  in  dem  verhältnissmässig  frühen  Alter  von  siebzehn  Jahren  das  Zeug- 
niss  der  Reife  erlangt.  Was  von  Urtheilen  über  seine  Schulzeit  an  die  Oeifent- 
lichkeit  gelangt  ist,  betont  aber  stärker  seine  gute  Führung  als  seine  Begabung. 

Er  selbst  hat  sich  in  späteren  Jahren  mit  der  Erziehung,  die  er  erhalten, 
unzufrieden  gezeigt;  sie  habe  ihn  zu  Zweifeln  an  der  Monarchie  und  Religion 
verleitet.  Wie  sein  späteres  Leben  zeigt,  sind  diese  Zweifel  nidht  sehr  tief 
gedrungen.  Glaubhaft  ist  indessen,  dass  ihm  die  Einheit  Deutschlands  schon 
früh  als  ein  zu  erringendes  Ideal  gezeigt  worden  ist.  Dünkel  auf  seine  aristo- 
kratische Abstammung  hat  ihm  früh  wie  spät  fem  gelegen;  das  Selbst- 
ständigkeitsgefühl einer  Familie,  die  seit  Jahrhunderten  auf  ihrem  eigenen 
Besitzthum  lebt,  war  dagegen  stark  in  ihm  ausgebildet.  Einem  gewissen  Mass 
von  Pressfreiheit  war  er  von  jeher  nicht  abgeneigt.  Auch  wünschte  er  das 
absolute  Regiment  des  Königs  durch  ständischen  Beirath  beschränkt. 

Ostern  1832  bezog  er  die  Universität  Göttingen,  studirte  hier  drei 
Semester  und  drei  spätere  Semester  in  Berlin.  Anfänglich  stand  er  mit 
burschenschaftlichen  Kreisen  in  Verbindung,  fühlte  sich  aber  bald  durch  sie 
abgestossen;  er  warf  ihnen  Formlosigkeit  in  den  gesellschaftlichen  Sitten  und 
Phrasenthum  vor;  dagegen  trat  er  als  Corpsbursch  in  die  »Hannovera et  ein. 
Hier  führte  er  das  übliche  Burschenleben,  betheiligte  sich  an  Kommersen  und 
Paukereien  und  vermied  den  Kollegienbesuch  sorgfältig.  Die  Duelle,  an  denen 
er  betheiligt  war,  liefen  ausnahmslos  glücklich  für  ihn  ab.  Von  der  Sitte 
anderer  Corpsstudenten  wich  er  darin  ab,  dass  er  zwar  sein  Fachstudium, 
die  Jurisprudenz,  vollständig  vernachlässigte,  aber  doch  die  häusliche  Leetüre 
und  darin  besonders  das  Studium  der  Geschichte  pflegte. 

Nach  beendigtem  Triennium  musste  ihm  zunächst  die  Thätigkeit  eines 
Einpaukers  diejenigen  Kenntnisse  verschaffen,  die  zur  Ablegung  des  Examens 
erforderlich  waren.  Im  Monat  Juni  1835  konnte  das  erste  Examen  bestanden 
werden.  Nach  der  damjils  bestehenden  Dienstordnung  wurde  man  durch 
Ablegung  dieses  Examens  Auskultator  und  musste  nun  Jahr  und  Tag  bei 
einem  Gerichtshofe  arbeiten.  Bismarck  wählte  diis  Berliner  Stadtgericht,  und 
die  wenigen  Erinnerungen,  die  er  an  diese  Thätigkeit  zurückgelassen  hat, 
bezeugen,  dass  ihn  zu  diesem  Dienstzweige  kein  innerer  Trieb  hinzog,  dass 
er  aber  für  alle  Schwächen,  die  sich  in  seinem  Betriebe  zeigen,  namentlich 
die  persönlichen  Schwächen  seiner  Vorgesetzten,  ein  lebhaftes  Auge  hatte. 

Im  Jahre  1836  bestand  er  ein  zweites  Examen  und  hicss  nun  Referen- 
darius.  Er  hatte  nun  die  Wahl,  noch  länger  bei  einem  Gerichtshofe  zu  arbei- 
ten, oder  zur  Verwaltung  überzugehen.     Er  wählte  das  Letztere,    hatte    aber 


Fürst  Bismarck.  c 

den  Wunsch,  später  in  die  diplomatische  Laufbahn  überzugehen.  Der  Minister 
Ancillon,  mit  dem  er  darüber  sprach,  bezeichnete  ihm  als  den  gangbarsten 
Weg  den,  dass  er  zunächst  in  den  hergebrachten  Gleisen  bleibe,  bis  er  das 
dritte  Examen  abgelegt  habe,  Assessor  geworden  sei,  dann  solle  er  in  die 
Zollverwaltung  eintreten  und  durch  die  Handelspolitik  den  Weg  zur  eigent- 
lichen Diplomatie  suchen.  In  der  Erwartung,  dass  bei  einem  rheinischen 
Kollegium  eine  Abkürzung  seiner  Laufbahn  gelingen  werde,  trat  er  bei  der 
Regierung  von  Aachen  ein,  Hess  sich  aber  schon  im  folgenden  Jahre  nach 
Potsdam  versetzen.  In  seinen  dienstlichen  Beziehungen  zeigte  er  sich  weder 
als  ein  Streber  noch  als  ein  Lernbegieriger,  wohl  aber  als  ein  scharfer  Kritiker. 
Er  zeigte  eine  Missachtung  der  Bureaukratie ,  die  er  später  selbst  als  über- 
trieben bedauerte,  glaubte  überall  die  Forderungen  des  praktischen  Lebens 
durch  Zöpfe  und  Perrücken  verkannt  zu  sehen  und  erledigte  die  ihm  auf- 
getragenen Arbeiten  mit  Unmuth.  So  war  ihm  im  Jahre  1839  ^^^  Aufforde- 
rung seines  Vaters  willkommen,  den  Staatsdienst  zu  quittiren  und  sich  der  Pflege 
der  Familiengüter  zu  widmen,  die  deren  sehr  bedürftig  geworden  waren. 

Mit  Lust  hatte  er  sich  dagegen  der  Ableistung  der  Militärpflicht  gewidmet, 
der  er  von  Ostern  1838  bis  eben  dahin  1839  zuerst  bei  den  Garde-Jägern  in 
Potsdam  und  dann  beim  zweiten  JägerbaCaillon  in  Greifswald  genügte.  Am 
12.  October  1841   wurde  er  zum  Secondelieutenant  ernannt. 

Als  er  seinen  Abschied  als  Regierungsreferendarius  erhalten  hatte,  war 
menschlicher  Erwartung  nach  die  Aussicht  für  immer  abgeschnitten,  dass 
er  in  den  öffentlichen  Dienst  zurückkehren  würde.  Einen  anderen  Weg  als 
durch  die  Stufenleiter  der  Aemter  und  Berufungen  gab  es  damals  zum  öffent- 
lichen Leben  noch  nicht.  Er  würde  ein  Landedelmann  werden,  wie  sein 
Vater  gewesen  war,  würde  in  dieser  Stellung  seine  Befriedigung  finden  und 
mit  einem  Gemisch  von  Gleichgültigkeit  und  Spott  dem  Leben  der  amtlichen 
Welt  zuschauen. 

Aus  seinem  Leben  in  den  nächsten  Jahren  sind  dann  folgende  Punkte 
hervorzuheben.  Er  vertritt  gelegentlich  seinen  Bruder  in  den  Landraths- 
geschäften  zu  Naugard.  In  seinen  Mussestunden  politisirt  er  gern  und  findet 
einen  gleichgesinnten  Genossen  in  seinem  Freund  Blankenburg  (Zimmerhausen). 
Ihre  Gespräche  gelten  aber  nicht  der  inneren  Politik,  sondern  dem,  was  sich 
draussen,  fern  in  der  Türkei,  oder  in  Spanien  zuträgt.  Mancherlei  Nachrichten 
deuten  darauf,  dass  es  ein  unerforschtes  Jahr  in  seinem  Leben  giebt,  in  dem 
eine  unglückliche  Liebe  ihn  den  gewöhnlichen  Ordnungen  des  Lebens  ent- 
zogen hat,  und  dass  als  Niederschlag  derselben  ihm  eine  tiefe  Melancholie 
zurückblieb.  Indessen  das,  wenn  es  überhaupt  wahr  ist,  ging  vorüber.  Nach 
dem  am  22.  November  1845  erfolgten  Tode  seines  Vaters  übernahm  er  Schön- 
hausen zur  selbstständigen  Bewirthschaftung,  und  Hess  sich  im  Herbst  des 
folgenden  Jahres  das  Amt  eines  Deichhauptmannes  zu  Jerichow  für  das  rechte 
Eibufer  übertragen.  Es  war  ein  Ehrenamt,  aber  er  legte  grossen  Werth  dar- 
auf, es  zu  verwalten,  weil  er  fürchtete,  dass  die  Bureaukratie  hier  viel  Scha- 
den stiften  könne.  Womit  Faust  sein  Leben  beschloss,  damit  fing  Bismarck 
seine  öffentliche  Wirksamkeit  an !  Eben  so  unregelmässig  wie  die  Reihe  seiner 
Aemter  begann  er  die  lange  Reihe  seiner  Orden,  mit  der  Rettungsmedaille, 
die  er  erhielt,  weil  er  seinen  Diener  aus  dem  Wasser  gezogen  hatte.  Er 
pflegte  mit  Laune  zu  erzählen,  dass  er  ihn  zuerst  habe  halb  todt  würgen  müssen, 
um  den  Widerstand  zu  besiegen,  den  er  thöricht  seiner  Rettung  entgegen 
setzte. 


5  Fürst  Bismarck. 

Am  I.  April  1847  wurde  der  erste  Vereinigte  Landtag  Preussens  eröffnet. 
Eine  Reihe  von  liberalen  Abgeordneten  erwarb  sich  schnellen  und  ausgedehnten 
Ruhm.  Unter  den  Vertretern  der  conservativen  Anschauungen  waren  nur 
zwei,  die  genannt  wurden,  ein  Herr  von  Thadden-Triglaflf,  ein  Vertreter  über- 
trieben patrimonialer  Anschauungen  im  Sinne  Hallers,  und  B.  Dieser  hatte 
dem  Landtage  nicht  von  Anfang  an  angehört,  sondern  war  erst  am  11.  Mai 
als  Vertreter  eines  erkrankten  Herrn  von  Brauchitsch  einberufen  worden. 
Eine  der  ersten  Reden,  die  B.  hielt,  rief  einen  gewaltigen  Sturm  hervor,  den 
B.  bestand,  indem  er  ein  Zeitungsblatt  aus  der  Tasche  holte  und  las,  bis 
Ruhe  eingetreten  war.  Er  hatte  bestritten,  dass  die  Erhebung  des  Volkes 
im  Jahre  18 13  auf  den  Drang  nach  politischer  Freiheit  zurück  zu  fuhren  sei, 
und  sah  die  Veranlassung  nur  in  dem  Wunsch,  die  auswärtige  Knechtschaft 
abzuwehren.  So  anfechtbar  diese  Ansicht  geschichtlich  auch  sein  mag,  sie 
legte  Zeugniss  ab  von  dem  Grundzuge  seines  Charakters,  der  sich  später  tausend- 
mal bewähren  sollte,  der  Neigung,  sich  durch  keine  Dogmen  und  keine  Phrasen 
bestechen  zu  lassen,  sondern  stets  mit  eigenen  Augen  zu  prüfen. 

Am  28.  Juli  1847  schloss  B.  das  eheliche  Bündniss  mit  Johanna  von 
Puttkamer  auf  Reinfeld  in  Pommern,  deren  Eltern  lange  gezögert  hatten,  ihre 
Tochter  dem  wilden  Junker  anzuvertrauen.  Es  war  ein  consortium  omnis 
vitae,  humani  et  divini  juris  communicatio.  Das  junge  Paar  machte  eine 
Hochzeitsreise  und  traf  in  Venedig  mit  dem  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  zu- 
sammen, dessen  Aufmerksamkeit  die  Thätigkeit  B.'s  auf  dem  Landtage  auf  sich 
gezogen  hatte,  und  der  nun  Veranlassung  nahm,  ihm  sein  Wohlwollen  zu  bezeugen. 

Die  Ereignisse  des  18.  März  1848  trieben  ihn  nach  Berlin.  Er  war 
überrascht  und  erbittert  über  die  Rathlosigkeit  und  die  Unthätigkeit,  die  sich 
in  den  herrschenden  Kreisen  zeigte,  und  machte  Pläne,  altmärkische  Bauern 
zu  bewaffnen  und  nach  Berlin  zu  fahren,  um  den  König  zu  befreien.  Durch 
einen  Ergebenheitsbrief,  den  er  in  den  ersten  Tagen  an  den  König  richtete, 
gewann  er  dessen  Herz  für  immer;  bei  einem  späteren  persönlichen  Zusammen- 
treffen gab  er  seinem  Missmuth  über  des  Königs  Unthätigkeit  so  nachdrücklich 
zu  erkennen,  dass  die  Königin  Elisabeth  erschrocken  dazwischen  trat.  Aut 
dem  zweiten  Vereinigten  Landtag,  der  am  2.  April  zusammen  trat,  gehörte 
B.  zu  den  Wenigen,  welche  ihre  Unzufriedenheit  über  die  durch  den  18.  März 
geschaffenen  politischen  Veränderungen  zu  deutlichem  Ausdruck  brachten  und 
gegen  die  Dankadresse  an  den  König  stimmten. 

Im  Jahre  1849  wurde  B.  zum  Mitgliede  der  zweiten  Kammer  und  nach 
ihrer  Auflösung  wieder  gewählt.  Ebenso  war  er  1850  Mitglied  und  Schrift- 
führer des  Unionsparlaments  in  Erfurt.  Stets  zeigte  er  sich  als  einen 
Vorkämpfer  der  conservativen  Partei;  er  rechtfertigte  die  Ablehnung 
der  Kaiserkrone,  er  rechtfertigte  den  Gang  nach  Olmütz,  wenn  auch 
hauptsächlich  aus  dem  Grunde,  dass  Preussen  kein  schlagfertiges  Heer 
zur  Hand  gehabt  hatte,  und  wahrscheinlich  empfand  er  schon  damals 
das  Verlangen,  dass  einst  der  Tag  der  Vergeltung  kommen  möge.  In  dieser 
ganzen  Zeit  war  er  mit  dem  König  in  vielfacher  persönlicher  Berührung 
geblieben,  und  in  diesem  hatte  sich  die  Ueberzeugung  festgesetzt,  dass 
er  sich  in  B.  einen  Gehülfen  seiner  persönlichen  Politik  erziehen  könne, 
wie  er  ihn  bisher  stets  vergebens  gesucht  habe.  Er  beschloss,  ihn  in  die 
politische  Laufbahn  hinüber  zu  ziehen,  und  B.  erklärte  sich  dazu  mit  den 
Worten  bereit,  dass,  wenn  der  König  diesen  Muth  habe,  er  ihm  gewiss  nicht 
fehlen  werde. 


Fürst  Bismarck.  7 

B.  wurde  am  8.  Mai  185 1  zum  Geheimen  Legationsrath  beim  Bundestage 
in  Frankfurt  a.  M.  und  am  15.  Juli  desselben  Jahres  zum  Bundestagsgesandten 
ernannt.  Die  drei  Monate  sollten  dazu  dienen,  dass  der  bisherige  Gesandte 
von  Rochow  seinen  Nachfolger  in  die  Geschäfte  einführen  solle.  Herr  von 
Rochow  that  indessen  nichts,  um  dieser  Erwartung  zu  genügen,  und  B.  trat 
völlig  unvorbereitet  in  eine  ihm  fremde  Laufbahn  ein. 

B.  hat  in  späteren  Jahren  diese  Frankfurter  Zeit  als  seine  unentbehrlichen 
Lehrjahre  bezeichnet,  ohne  welche  er  das  schwierige  Geschäft  der  auswärtigen 
Politik  niemals  erlernt  haben  würde.  Heinrich  von  Sybel  dagegen  ist  der 
Ansicht,  dass  B.  die  auswärtige  Politik  in  Frankfurt  eben  so  wenig  gelernt 
habe,  wie  der  Fisch  das  Schwimmen  lernt,  und  der  langjährige  Amanuensis 
B.'s,  Abeken,  hat  beklagt,  dass  gewisse  handwerksmässige  Fertigkeiten  des 
Diplomaten  von  B.  nie  erlernt  worden  seien.  Jedenfalls  zeigten  schon  die 
ersten  Berichte,  die  er  von  dort  erstattete,  seinem  vorgesetzten  Minister,  dass 
das  Amt  in  die  Hände  eines  Mannes  gefallen  sei,  der  durch  Genialität  voll- 
ständig das  ersetzt,  was  ihm  an  schulmässiger  Vorbildung  fehlt. 

Sein  leitender  Gedanke  war,  darauf  hinzuarbeiten,  dass  die  Machtstellung 
Preussens  gestärkt  werde,  welche  durch  die  Geschicklichkeit  der  österreichischen 
Politik  und  die  Ungeschicklichkeit  seiner  eigenen  Diplomaten  geschwächt 
worden  war.  Oesterreich  sollte  nicht  ferner  die  am  Bunde  vorherrschende 
Macht,  sondern  Preussen  ihm  vollständig  gleichgestellt  sein.  Mit  grossem 
Nachdruck  wusste  er  es  dahin  zu  bringen,  dass  seine  sociale  Stellung  hier 
gleich  derjenigen  des  Präsidialgesandten  gehalten  wurde.  Es  ereignete  sich 
die  Anekdote  von  der  »paritätischen  Cigarre«,  welche  Georg  von  Vincke 
Anlass  zu  Spöttereien  bot,  die  zu  einem  unblutigen  Duell  führten  (25.  März  1852). 

Was  in  seinen  Kräften  stand,  um  Oesterreich  dazu  zu  vermögen,  den 
Anspruch  Preussens  auf  Behandlung  als  einer  gleichberechtigten  Macht  an- 
zuerkennen, hat  er  gewiss  nicht  unterlassen.  Aber  früh  scheint  sich  bei  ihm 
die  Ueberzeugung  ausgebildet  zu  haben,  dass  diese  Bemühungen  vergeblich 
bleiben  würden.  In  einem  Berichte  vom  26.  April  1856,  einem  der  denk- 
würdigsten Schriftstücke  aus  seiner  Feder,  dem  unter  den  Eingeweihten  der 
Name  des  »Prachtberichts«  beigelegt  wurde,  bereitete  er  darauf  vor,  dass  eine 
kriegerische  Auseinandersetzung  mit  Oesterreich  früher  oder  später  nothwendig 
werden  würde. 

Während  seiner  Frankfurter  Zeit  wurde  B.  übrigens  nicht  ausschliesslich 
mit  Bundestagsangelegenheiten  beschäftigt.  Im  Jahre  1852  wurde  ihm  eine 
ausserordentliche  Mission  in  Vertretung  des  erkrankten  Gesandten  nach  Wien 
übertragen,  die  sich  auf  den  Abschluss  eines  Handelsvertrags  bezog  und  zu 
erheblichen  Ergebnissen  nicht  führte.  Im  April  1857  hatte  er  in  Paris  zu 
verhandeln,  um  aus  Anlass  der  Neufchäteler  Angelegenheit  einen  Durchzug 
preussischer  Truppen  durch  Frankreich  nach  der  Schweiz  zu  ermöglichen. 
Auch  dies  blieb  vergeblich. 

Mehrfach  war  an  B.  die  Versuchung  herangetreten,  ein  Portefeuille  zu 
übernehmen,  gewöhnlich  das  des  Auswärtigen,  einmal  das  der  Finanzen,  und 
in  der  diplomatischen  Welt  hatte  man  sich  allgemein  an  den  Gedanken  ge- 
wöhnt, ihn  auf  dem  Ministerstuhl  zu  sehen.  B.  entzog  sich  indessen  diesen 
Anforderungen;  er  wusste,  dass  er  berufen  werden  würde,  die  Ideen  Friedrich 
Wilhelms  IV.  durchzuführen,  und  das  war  eine  Aufgabe,  die  er  bei  dem  un- 
praktischen Sinne  des  Königs  für  undurchführbar  hielt. 


g  Fürst  Bismarck. 

Vielfach  wurde  sein  Rath  in  Aiispruch  genommen;  manche  diplomatische 
Note,  die  von  Berlin  aus  versandt  wurde,  war  von  ihm  entworfen  worden. 
In  der  Zeit  vor  dem  Krimkriege  und  während  desselben  gab  er  sich  grosse 
Mühe,  Preussen  von  jeder  Betheiligung  davon  zurück  zu  halten.  Preussen, 
das  war  sein  Gedanke,  darf  sich  für  die  Interessen  Anderer  nur  dann  in  das 
Zeug  legen,  wenn  es  dafür  den  entsprechenden  Entgelt  erhalte,  und  diesen 
werde  es  nur  erhalten,  wenn  es  sich  aufsuchen  lasse,  nicht  aber  wenn  es 
unaufgefordert  sich  in  fremde  Händel  einmischt.  Er  war  mit  den  mehrfachen 
Schwankungen,  welche  die  Regierung  gezeigt  hatte,  nicht  einverstanden  und 
noch  weniger  damit,  dass,  nachdem  der  Krieg  beendigt  war,  sich  Preussen 
ängstlich  darum  bemühte,  zu  den  Friedensverhandlungen  in  Paris  zugelassen 
zu  werden. 

Nach  dem  Tode  Friedrich  Wilhelms  IV.  berief  das  Ministerium  der 
Regentschaft  B.  von  Frankfurt  ab  und  ernannte  ihn  am  29.  Januar  1859  zum 
Gesandten  in  Petersburg.  B.  hat  diesen  Wechsel  unlieb  empfunden,  Theils 
weil  er  glaubte,  auf  dem  Posten  in  Frankfurt  durch  seine  Erfahrungen  beson- 
ders viel  nützen  zu  können,  Theils  weil  er  von  Petersburg  aus  gar  keinen  Ein- 
fluss  üben  konnte. 

Während  der  durch  den  italienischen  Krieg  herbeigeführten  Krisis  kam 
er  kaum  in  die  Lage,  seine  Ansichten  äussern  und  einen  Rath  geben  zu 
können.  Auch  hier  schien  ihm  die  PoHtik,  welche  Preussen  befolgte,  eine 
zu  unruhige,  zu  wenig  von  dem  Bewusstsein  getragene,  dass  Preussen  sich 
aufsuchen  lassen  müsse,  ehe  es  seine  Dienste  gewähre. 

Am  22.  Mai  1862  wurde  B.,  nachdem  er  bei  Gelegenheit  der  Krönung 
König  Wilhelms  zur  Excellenz  ernannt  worden  war,  von  Petersburg  abberufen 
und  zum  Gesandten  in  Paris  ernannt.  Diese  Stellung  hat  er  einige  Monate 
bekleidet  und  während  dieses  Zeitraumes  Theils  in  Paris,  Theils  im  Bade  Biarritz 
mit  dem  Kaiser  Napoleon  folgenreiche  Gespräche  gehabt. 

Inzwischen  hatte  sich  die  Lage  in  Berlin  von  Grund  aus  verändert.  Das 
altliberale  Ministerium  Hohenzollern-Auerswald ,  das  der  König  Wilhelm  bei 
Uebemahme  der  Regentschaft  gebildet,  war  zusammengebrochen.  Die  Militär- 
vorlage, welche  der  Regent  und  spätere  König  Wilhelm  für  unerlässlich  hielt, 
war  abgelehnt.  Ein  heftiger  Conflikt  zwischen  Regierung  und  Abgeordneten- 
haus war  ausgebrochen. 

Der  Kriegsminister,  General  von  Roon,  aus  früherer  Zeit  her  ein  Freund 
B.'s,  war  der  Träger  der  Militär  vorläge.  Ein  Mann  von  conservativen  Gesinn- 
ungen, war  er  in  das  liberale  Ministerium  eingetreten  und  hatte  es  gesprengt. 
Bei  den  Nachfolgern  der  liberalen  Minister  hatte  er  keine  hinreichende  Unter- 
stützung gefunden.  Er  hatte  schon  seit  längerer  Zeit  dem  Könige  angetragen,. 
B.  zum  Minister  zu  ernennen,  und  am  22.  September  1862  gab  der  König 
dieser  Bitte  nach  Ueberwindung  schwerer  Bedenken  nach;  am  8.  October 
folgte  die  definitive  Ernennung  zum  Ministerpräsidenten  und  Minister  der  aus- 
wärtigen  Angelegenheiten. 

Was  B.Friedrich  Wilhelm  dem  Vierten  abgelehnt  hatte,  dessen  Minister  zu  wer- 
den, sagte  er  Wilhelm  I.  zu.  Friedrich  Wilhelm  war  ein  Mann  von  grossem  Ge- 
dankenreich thum,  aber  von  geringer  Beharrlichkeit  gewesen ;  W^ilhelm  war  für 
neue  Gedanken  schwer  zu  gewinnen,  aber  an  dem  einmal  für  recht  Erkannten  hielt 
er  beharrlich  fest.  B.  durfte  hoffen,  König  Wilhelm  für  seine  Pläne  zu 
gewinnen,  was  bei  Friedrich  Wilhelm,  der  von  der  ausschliesslichen  Richtigkeit 
seiner  eigenen  Pläne  überzeugt  war,  unmöglich  gewesen  wäre.     Zunächst  fand 


Fürst  Bismarck.  o 

B.  seinen  König  in  einer  sehr  entmuthigten  Stimmung;  er  trug  sich  mit 
Rücktrittsgedanken,  die  Militärvorlage  aufzugeben  war  ihm  unmöglich  und  sie 
durch  einen  Verfassungsbruch  durchsetzen  wollte  er  nicht.  Um  den  König 
von  seinen  Verzichtgedanken  zu  heilen,  musste  B.  ein  doppeltes  versprechen, 
die  Militärvorlage  ohne  Abänderung  durchzusetzen,  und  eine  Verletzung  der 
Verfassung  zu  vermeiden.  B.  gab  dieses  Versprechen;  freilich  ging  er  von 
der  Ansicht  aus,  die  zu  theilen  er  den  König  vermochte,  dass  ein  budgetloses 
Regiment  keine  Verletzung  der  Verfassung,  sondern  nur  ein  Ding  sei,  das  in 
der  Verfassung  nicht  geschrieben  sei.  Auch  so  konnte  B.  sein  Versprechen 
nur  abgeben,  wenn  er  im  Stillen  darauf  rechnete,  die  inneren  Schwierigkeiten 
durch  einen  ausländischen  Krieg  zu  überwinden;  Stoff  zu  einem  solchen  lag 
allerdings  stets  reichlich  in  der  Luft. 

Ein  Jahr  verging,  in  welchem  B.'s  Bestreben,  sich  zum  Herrn  der  Lage 
aufzuwerfen,  fast  keinen  Erfolg  aufzuweisen  hatte.  Ein  Abgeordnetenhaus 
wurde  aufgelöst;  ein  noch  oppositioneller  gefärbtes  trat  an  seine  Stelle.  Am 
I.  Juni  1863  wurde  in  Abwesenheit  des  Landtages  eine  Verordnung  zur 
Knebelung  der  Presse  oktroyirt;  nach  dem  Zusammentritt  des  Landtages 
musste  sie  wieder  aufgehoben  werden.  Das  Abgeordnetenhaus  beharrte  auf 
seinem  Standpunkte,  eine  Regierung  ohne  Budget  für  verfassungswidrig  zu 
erklären,  und  hatte  die  öffentliche  Meinung  hinter  sich. 

Zu  den  vorhandenen  Differenzpunkten  trat  noch  ein  neuer  hinzu.  Aus 
Anlass  der  polnischen  Erhebung,  die  im  Jahre  1863  stattfand,  wurde  mit 
Russland  eine  Convention,  die  Alvensleben'sche  Convention,  abgeschlossen  zu 
gemeinsamer  Unterdrückung  des  Aufstandes.  Diese  Convention  erregte  den 
heftigsten  Unmuth  der  liberalen  Parteien,  die  ;5tets  polenfreundlich  und 
russenfeindlich  gewesen  waren,  während  B.  in  dem  Abschluss  dieser  Convention 
ein  Mittel  sah,  nicht  allein  freundliche  Gesinnungen  Seitens  Russlands  zu  er- 
werben, sondern  noch  der  Gefahr  einer  russisch-polnischen  Verbrüderung  vor- 
zubeugen. Der  Erfolg  hat  ihm  Recht  gegeben;  Russland  hat  seine  Dankbar- 
keit für  den  Abschluss  dieser  Convention  durch  Thaten  an  den  Tag  gelegt. 
Auf  der  anderen  Seite  fehlte  es  an  freundlichen  Berührungspunkten  zwischen 
Regierung  und  Landtag  nicht  vollständig.  Durch  den  Abschluss  des  deutsch-franzö- 
sischen Handelsvertrages  war  eine  Krisis  über  den  Zollverein  hereingebrochen. 
Die  Mittelstaaten,  mit  Ausnahme  Sachsens,  weigerten  sich,  diesen  Handels- 
vertrag anzunehmen.  B.  hatte  das  von  seinen  Vorgängern  ihm  überkommene 
Werk  mit  voller  Ueberzeugung  aufgenommen.  Ihn  leiteten  dabei  jedoch  nicht 
wirthschaftliche  Erwägungen,  sondern  das  Bestreben,  eine  Annähenmg  zwischen 
Oesterreich  und  den  Mittelstaaten  zu  verhüten. 

Oesterreich  suchte  aber  nicht  allein  in  Zoll  fragen  nach  einem  Anschluss 
an  Deutschland;  es  machte  auch  den  Versuch,  dem  Verlangen  der  öffent- 
lichen Meinung  nach  einer  Reform  der  deutschen  Bundesverfassung  zu  ge- 
nügen. Zunächst  hatte  es  den  Antrag  gestellt,  dem  Bundesrathe  eine  Ver- 
sammlung von  Delegirten  der  einzelnen  Volksvertretungen  beizugesellen; 
Preussen  stimmte  dagegen,  indem  es  ausführte,  dass  nur  eine  nach  Massgabe 
der  Bevölkerungszahlen  aus  unmittelbarer  Wahl  hervorgehende  Vertretung  den 
Wünschen  des  Volkes  genügen  könne.  Dann  überraschte  Kaiser  Franz  Joseph 
den  König  Wilhelm  dadurch,  dass  er  ihm  am  2.  August  1863  in  Gastein 
persönlich  eine  Einladung  zu  einem  Fürstencongress  überbrachte,  der  am  15. 
desselben  Monats  in  Frankfurt  abgehalten  wurde,  und  auf  welchem  ein  von 
Oesterreich  ausgearbeitetes  Reformprojekt  zur  Vorlage  gebracht  werden  sollte. 


lO  Fürst  Bisroarck. 

B.  widerrieth  dem  Könige,  dessen  Herz  geneigt  war,  der  Einladung  zu  folgen, 
die  Annahme  in  der  entschiedensten  Weise.  Er  setzte  auseinander,  dass  die 
Form  der  Einladung  eine  für  Preussen  verletzende  gewesen  sei,  dass  es  unzweck- 
mässig sei,  in  einer  Versammlung  von  Fürsten  einen  Plan  durchzuberathen, 
der  nicht  in  Ministerconferenzen  vorberathen  sei.  Er  war  tief  überzeugt,  dass 
der  österreichische  Antrag  ein  leerer  Schein  sei,  der  zu  einem  Ergebnisse  nicht 
führen  würde.  Der  Fürsten  tag  trat  in  der  That  am  15.  August  zusammen; 
König  Johann  von  Sachsen  wurde  ersucht,  sich  persönlich  nach  Baden-Baden 
zu  begeben,  wo  König  Wilhelm  weilte,  um  ihn  noch  einmal  persönlich  ein- 
zuladen. B.  musste,  um  König  Wilhelm  bei  seinem  ablehnenden  Standpunkte 
zu  erhalten,  mit  einem  Entlassungsgesuch  drohen,  und  als  er  endlich  des  Sieges 
sicher  war,  w^ar  er  in  einen  so  hohen  Grad  von  Aufregung  verfallen,  dass  er 
einiges  Geschirr  zerschlug,  um  das  geistige  Gleichgewicht  wieder  herzustellen. 
Bei  diesem  Widerstände  gegen  die  österreichischen  Hegemoniegelüste  hatte 
er  den  Beistand  der  liberalen  Kammer  eben  so  unbedingt,  wie  bei  dem  Be- 
streben auf  Erhaltung  der  Handelsverträge.  Für  ihn  war  das  Bestreben  leitend 
gewesen,  jedem  Ereignisse  vorzubeugen,  durch  welches  das  Ansehen  Oester- 
reichs  und  dessen  Einfluss  auf  die  übrigen  deutschen  Staaten  gehoben  werden 
könne. 

Kurhessen  gegenüber  that  B.  Schritte,  um  den  Kurfürsten  zur  Herstellung 
geordneter  Rechtszustände  zu  veranlassen.  In  dieser  Beziehung  hat  eine  am 
24.  November  1862  durch  einen  Feldjägerlieutenant  tiberbrachte  Note  eine 
historische  Berühmtheit  erlangt. 

Und  endlich  war  es  die  Schleswig-Holstein' sehe  Frage,  in  welcher  das 
Haus  und  das  Volk  auf'  B.  Hoffnungen  setzte.  Am  30.  März  1863  hatte 
König  Friedrich  VII.  von  Dänemark  ein  Patent  erlassen,  welches  dem  eider- 
dänischen  Gedanken  entsprach.  Schleswig  sollte  dem  dänischen  Gesammt- 
staat  einverleibt,  Holstein  von  ihm  abgesondert  werden  und  eine  besondere 
Verfassung  haben.  Nach  Form  und  Inhalt  enthielt  dieses  Patent  ohne 
Zweifel  einen  schweren  Rechtsbruch.  Preussen  und  Oesterreich  erhoben  da- 
gegen am  17.  April  Protest.  Der  Bundestag  erliess  eine  Aufforderung  an  die 
dänische  Regierung,  dieses  Patent  zurückzunehmen.  Indessen  in  Kopenhagen 
war  das  blinde  Selbstvertrauen  auf  den  höchsten  Grad  gestiegen.  Am  13.  No- 
vember nahm  der  dänische  Reichstag  das  Einverleibungsgesetz  an  und  am 
18.  November  erhielt  es  die   königliche  Unterschrift. 

Indessen  nicht  die  Unterschrift  desselben  Königs,  auf  dessen  Befehl  es 
eingebracht  worden  war.  Friedrich  VII.  war  am  15.  November  gestorben 
und  Christian  VIII.  war  ihm  gefolgt.  Das  war  ein  Ereigniss  von  der  höchsten 
Wichtigkeit  für  B.  Jetzt  stand  nicht  mehr  die  Verfassung  Schleswig-Holsteins 
in  Frage,  sondern  die  Thronfolge  in  diesen  Ländern,  denn  das  im  Jahre  1852 
durch  das  beklagenswerthe  Londoner  Protokoll  geschaffene  Thronfolgerecht 
sah  er  durch  den  dänischen  Verfassungsbruch  als  hinfällig  geworden  an. 

Für  B.,  der  jetzt  im  neunund vierzigsten  Lebensjahre  stand,  begann  nun- 
mehr die  Zeit  des  Handelns,  auf  die  er  sich  dreizehn  Jahre  lang  im  diplo- 
matischen Dienst  vorbereitet  hatte.  Die  jetzt  folgenden  Jahre  bis  zur  Auf- 
richtung des  Norddeutschen  Bundes,  bilden  den  schwierigsten  und  ruhmvollsten 
Theil  seines  Lebens.  Von  dem  Schlachttage  von  Sadowa  ab,  hatte  er  einen 
mächtigen  Bundesgenossen  in  dem  Hinweis  auf  den  von  ihm  errungenen  Er- 
folg; bis  dahin  stand  er  allein. 


Fürst  Bismarck.  1 1 

Das  Ziel,  welches  er  im  Auge  hatte,  war,  für  den  preussischen  Staat  aus 
den  bevorstehenden  Verwicklungen  die  möglichst  hohen  Vortheile  zu  ge>\innen. 
Die  Gedankenform,  dass  Preussen  den  Beruf  habe,  für  Deutschland  thätig  zu 
sem,  und  dass  es  moralische  Eroberungen  in  Deutschland  machen  müsse,  wies 
er  ganz  und  gar  zurück.  Nach  seiner  Anschauung  waren  alle  Misserfolge,  die 
Preussen  in  den  letzten  Zeiten  davon  getragen,  darauf  zurückzuführen,  dass 
die  preussische  Politik  für  Interessen  eingetreten,  die  nicht  die  ihrigen  gewesen 
seien.  Die  eigene  Macht  zu  erhalten  und  zu  kräftigen,  schien  ihm  die  natür- 
liche Aufgabe  jedes  Staates,  und  er  hatte  nie  das  Vertrauen  verloren,  dass 
Preussen  dazu  im  Stande  sein  würde,  sobald  es  sich  auf  seine  Aufgabe 
besänne. 

Voraussetzung  dafür,  möglichst  weit  gesteckte  Ziele  zu  erreichen,  schien 
ihm,  sich  niemals  vorzeitig  zu  seinen  letzten  Zielen  zu  bekennen.  Er  be- 
kannte sich  stets  nur  zu  dem  Ziele,  von  dem  es  ihm  unzweifelhaft  erschien, 
dass  er  es  werde  erreichen  können.  Fehlerhaft  erschien  es  ihm,  sich  zu  einem 
Bestreben  zu  bekennen,  das  mit  der  Gefahr  verknüpft  war,  zu  scheitern; 
ebenso  fehlerhaft  aber,  die  Erklärung  abzugeben,  dass  man  mit  einem  ge- 
wissen Erfolge  zufrieden  sein  werde,  so  lange  die  Hoffnung  bestehe,  einen 
noch  grösseren  Erfolg  zu  erreichen.  Wiederholt  kehrt  bei  ihm  die  Erklärung 
wieder,  dass  es  ein  Vortheil  für  den  Diplomaten  sei,  die  Dinge  dilatorisch 
betreiben  zu   können. 

Unermessliche  Schwierigkeiten  standen  ihm  entgegen.  Das  Ziel,  die 
preussische  Macht  zu  stärken,  konnte  naturgemäss  von  keinem  anderen  Staate 
getheilt  werden.  Man  kann  mit  Sicherheit  sagen,  dass  jeder  Staat,  der  vor- 
ausgesehen hätte,  welches  der  letzte  Erfolg  der  B. 'sehen  Politik  sein  würde, 
den  ersten  Schritten  dieser  Politik  den  entschiedensten  Widerstand  entgegen- 
gesetzt haben  würde. 

Aber  auch  in  seiner  nächsten  Nähe  entbehrte  B.  jeder  Förderung  für 
seine  einstweilen  noch  schwierigen  Pläne.  König  Wilhelm  stand  im  Greisen- 
alter und  hatte  nie  von  Kriegsruhm  und  Eroberung  geträumt.  Am  Erhalten 
und  nicht  am  Mehren  war  ihm  gelegen.  Der  Gedanke  an  Gebietserwerbungen 
lag  ihm  fem ;  der  Gedanke,  mit  Oesterreich  in  Zerwürfnisse  zu  gerathen,  wäre 
ihm  unerträglich  gewesen.  König  Wilhelm  sah  in  der  Nähe  sehr  scharf,  aber 
sein  Blick  trug  nicht  in  die  Ferne.  Das  galt  im  bildlichen  Sinne  noch  mehr 
als  im  leiblichen.  B.  war  nun  stets  bemüht,  dem  Könige  den  nächsten 
Schritt  als  den  unvermeidlichen,  als  den  durch  die  Klugheit  und  womöglich 
auch  durch  die  Ehre  gebotenen  darzustellen  und  seine  Aufmerksamkeit  von 
den  Schritten,  welche  sich  an  diesen  nächsten  knüpfen  müssten,  möglichst 
abzulenken.  In  dieser  Weise  hat  er  sechsundzwanzig  Jahre  lang  den  König  für 
seine  Politik  gewonnen. 

In  dem  Kreise  der  conservativen  Partei  konnte  B.  auf  Anhänger  für  seine 
Politik,  wie  er  sie  vorhatte,  nicht  rechnen.  Diese  Partei  bejubelte  in  B.  den 
Mann,  welcher  der  liberalen  Opposition  mit  rücksichtsloser  Schärfe  entgegen- 
trat, und  die  Militärvorlage  durchsetzen  würde,  aber  das  Programm  der  Partei 
war  auf  den  legitimistischen  Gedanken,  der  Gebietserweiterungen  geradezu 
ausschloss,  und  auf  Erhaltung  des  Einverständnisses  mit  Oesterreich  gerichtet. 
Der  Gegensatz  zwischen  B.  und  der  Hofpartei  war  ein  sehr  starker.  Die 
Folge  war,  dass  B.  jetzt  ein  dringendes  Interesse  daran  hatte,  sich  die  P'eind- 
schaft  der  liberalen  Partei  zu  erhalten.  Nur  die  Ueberzeugung,  dass  B.  der 
einzige  Mann  sei,  der  die  Fähigkeit  besässe,  der  inneren  Schwierigkeiten  Herr 


12  Fürst  Bismarck. 

zu  werden,  konnte  die  conservative  Partei  zu  dem  Wunsche  veranlassen,   ihn 
im  Amte  zu  erhalten. 

Die  liberale  Partei  sah  in  ihm  einen  offenen  Feind;  sie  erblickte  in 
seinem  Kampfe  für  die  Militärvorlage  eine  Vergewaltigung,  in  seinem  budget- 
losen Regiment  einen  Verfassungsbruch.  Wenn  auch  einzelne  zu  ihm  all- 
mählich das  Zutrauen  gewannen,  dass  er  Schleswig-Holstein  befreien  und  eine 
Reform  der  Bundesverfassung  versuchen  werde,  so  herrschte  doch  die  Ueber- 
zeugung  vor,  dass  sich  diese  Ziele  auf  dem  Wege  des  Rechtes  und  Friedens 
besser  erreichen  Hessen,  als  auf  dem  Wege  von  Blut  und  Eisen,  den  B.  bei 
seinem  Eintritt  in  das  Ministerium  offen  angedeutet  hatte. 

Der  Streit  bewegte  sich  aber  nicht  allein  um  die  Ziele,  sondern  auch  um 
die  Frage,  ob  B.  die  Kraft  habe,  das  Ziel  zu  erreichen.  Für  eine  grosse  An- 
zahl von  Personen  war  B.  noch  der  Junker,  dessen  ultrareaktionäre  Haltung 
in  den  Jahren  1847  und  1848  Gespött  hervorgerufen  hatte.  Andere,  die  sehr 
wohl  wussten,  dass  sich  im  Laufe  der  Jahre  ein  Wechsel  der  Ansichten  voll- 
zogen hatte,  und  die  den  geistreichen  Mann  in  ihm  sehr  wohl  erkannten, 
zweifelten  doch,  ob  sich  zu  der  Fülle  von  Geist  und  Kenntniss  auch  das 
Mass  der  Besonnenheit  gesellt  habe,  das  erforderlich  sei,  um  grosse  Pläne 
durchzuführen.  Man  erinnerte  sich,  wie  Preussen  seit  1848  mehrfach  Anläufe 
zu  einer  Grossmachtspolitik  genommen  habe  und  dann  stets  zurückgewichen 
sei,  und  man  fürchtete  einen  ähnlichen  Verlauf.  Es  kam  hinzu,  dass  in 
manchen  Kreisen  das  Vertrauen  auf  die  Leistungsfähigkeit  der  Armee  und 
die  Tüchtigkeit  ihrer  Führer  fehlte.  Der  einzige  General  von  bekanntem 
Namen  war    damals    der    achtzigjährige  Wrangel,    der  Niemandem  imponirte. 

Die  liberale  Partei  war  der  Ansicht,  dass  durch  den  Tod  Friedrichs  VIL 
der  Herzog  Friedrich  von  Schleswig- Holstein -Sonderburg- Augustenburg  der 
rechtmässige  Souverän  der  vereinigten  Herzogthümer  Holstein  und  Schleswig 
geworden  sei,  und  dass  die  Anerkennung  dieses  Rechts  durch  die  deutschen 
Mächte  genügen  würde,  um  diese  Länder  ohne  Einspruch  einer  Grossmacht 
für  Deutschland  zurückzugewinnen.  Die  Mittelstaaten  Hessen  sich  von  dieser 
Strömung  beherrschen.  Im  preussischen  Abgeordnetenhause  wurde  schon  am 
18.  December  ein  Antrag  in  diesem  Sinne  gestellt  und  angenommen. 

Dem  gegenüber  verabredete  B.  mit  Oesterreich  eine  andere  Politik.  Die 
Integrität  Dänemarks  sollte  vor  der  Hand  nicht  angetastet,  sondern  Dänemark 
nur  aufgefordert  werden,  die  Novemberverfassung  zurückzuziehen.  Bei  dem 
Bund  wurde  ein  Antrag  eingebracht,  der  den  Zweck  hatte,  den  Bund  auf  die- 
selbe Politik  festzunageln,  wurde  aber  von  dem  Bund  abgelehnt.  Diese  Ab- 
lehnung gab  den  willkommenen  Anlass,  zu  erklären,  dass  Preussen  und  Oester- 
reich fortan  die  Wahrung  der  Rechte  des  deutschen  Bundes  in  die  eigene 
Hand  nehmen  würden. 

B.  hatte  ein  Doppeltes  erreicht.  Einerseits  hielt  er  eine  Einmischung  des 
Auslandes  fern,  indem  er  seine  nächsten  Forderungen  auf  solche  Punkte  be- 
schränkte, deren  Gerechtigkeit  von  den  Grossmächten  selbst  nicht  bestritten 
werden  konnte,  und  indem  er  die  Einigkeit  der  beiden  deutschen  Gross- 
mächte vor  der  Welt  darlegte.  Andererseits  führte  er  den  Beweis,  wie  ohn- 
mächtig die  Politik  der  deutschen  Mittelstaaten  selbst  in  solchen  Fällen  ist, 
wo  sie  die  öffentliche  Meinung  für  sich  haben. 

Dänemark  lehnte  die  Forderungen  der  beiden  deutschen  Grossmächte 
ab;  es  kam  zum  Kriege,  zu  schönen  Erfolgen  der  österreichischen  Truppen, 
zum  glänzenden  Siege  der  preussischen  Waffen    bei  Düppel    und  Alsen,    zum 


Fürst  Bismarck. 


13 


Präliminarfrieden  vom  i.  August  und  zum  definitiven  Frieden  vom  30.  Oc- 
tober  1864,  durch  welchen  die  Herzogthümer  Holstein,  Schleswig  und  Lauen- 
burg an  Preussen  und  Oesterreich  abgetreten  wurden. 

Der  Erfolg  dieses  Krieges  hatte  nicht  die  Wirkung,  das  Verhältniss  der 
preussischen  Regierung  zum  Landtage  zu  verbessern.  Am  22.  Januar  1864 
war  die  Forderung  einer  Kriegsanleihe  mit  grosser  Majorität  abgelehnt  worden. 
B.  hatte  indessen  ein  drohendes  Wort  wahr  machen  können,  das  er  früher 
gesprochen:  »W^enn  wir  für  nöthig  halten,  Krieg  zu  führen,  so  werden  wir 
es  thun,  mit  oder  ohne  Ihre  Erlaubniss«.  Die  Kriegskosten  waren  zum 
grossen  Theil  aus  dem  Staatsschatz  entnommen,  und  das  Abgeordnetenhaus 
ven\^eigerte  auch,  hierzu  die  nachträgliche  Genehmigung  auszusprechen. 

Der  budgetlose  Zustand  blieb  aufrecht  erhalten;  über  die  Militärorgani- 
sation kam  eine  Verständigung  nicht  zu  Stande.  Dass  über  das  endgültige 
Schicksal  der  Herzogthümer  eine  Verständigung  nicht  erzielt  war,  wurde  von 
der  liberalen  Partei  dem  Ministerium  geradezu  als  ein  Beweis  seiner  Unfähig- 
keit vorgehalten.  Es  kam  zu  heftigen  Scenen,  am  3.  Juni  1865  Hess  B.  den 
Abgeordneten  Virchow  zum  Zweikampf  fordern,  doch  wurde  die  Forderung 
abgelehnt.  Das  Abgeordnetenhaus  erklärte  in  einer  Adresse  an  den  König, 
es  habe  kein  Mittel  zur  Verständigung  mehr  mit  diesem  Ministerium.  Und 
das  Ministerium  selbst  hielt  sich  von  den  Sitzungen  des  Abgeordnetenhauses 
zeitweise  fern,  weil  es  sich  durch  das  Verhalten  des  Präsidenten  verletzt  fühlte. 

Der  Ausgang  des  dänischen  Krieges  hatte  entschieden,  dass  die  Herzog- 
thümer von  Dänemark  losgerissen  werden  sollten;  was  endgültig  mit  ihnen 
werden  solle,  blieb  vor  der  Hand  unentschieden.  Preussen  und  Oesterreich, 
die  provisorisch  eine  gemeinsame  Verwaltung  führten,  mussten  sich  darüber 
verständigen.  Es  gehört  zu  den  grössten  Erfolgen  B.'s,  dass  er  die  öster- 
reichische Regierung  vermochte,  diesen  Gesellschaftsvertrag  einzugehen,  ohne 
sich  eine  Sicherheit  darüber  zu  verschaffen,  wie  er  einst  liquidirt  werden  solle. 
Die  Frage,  ob  die  Ansprüche  des  Herzogs  von  Augustenburg  anerkannt 
werden  sollten,  trat  nun  ernstlich  an  Preussen  heran.  Das  kronprinzliche 
Paar  befürwortete  es;  der  König  schien  zuzustimmen.  B.  zeigte  sich  nicht 
abgeneigt.  Doch  verlangte  er,  dass  Preussen  zur  Verstärkung  seiner  Wehr- 
fähigkeit gewisse  Zugeständnisse  gemacht  würden.  Der  Prinz  wiederum  zeigte 
sich  zu  solchen  Zugeständnissen  geneigt,  aber  über  ihr  Mass  wurde  man 
nicht  einig. 

Fast  gleichzeitig  mit  dem  Abschluss  des  deutsch-dänischen  Friedens  trug 
sich  in  Oesterreich  ein  Ministerwechsel  zu,  der  für  die  weitere  Entwicklung 
verhängnissvoll  wurde.  Seit  der  Zeit  des  Fürsten  Schwarzenberg  hatten  alle 
österreichischen  Minister  und  Minister  des  Auswärtigen  mehr  oder  weniger 
das  Bestreben  gehabt,  die  Stellung  Preussens  im  Bunde  herabzudrücken  und 
zu  diesem  Zwecke  sich  auf  die  Mittelstaaten  zu  stützen.  Seit  dem  Jahre  1859 
war  der  Graf  von  Rechberg  im  Amte,  der  von  dieser  traditionellen  Politik 
abwich  und  dem  Gedanken  entgegenkam,  ein  paritätisches  Verhältniss 
zwischen  Preussen  und  Oesterreich  herzustellen.  Im  vollsten  Einverständnisse 
mit  ihm  hatte  B.  ein  Jahr  lang  die  dänische  Politik  getrieben.  Rechberg 
stellte  nun  das  Verlangen,  dass  Preussen  vertragsmässig  die  Verpflichtung 
übernehme,  wie  es  das  schon  zwölf  Jahre  früher  gethan  hatte,  nach  Ablauf 
einer  gewissen  Zeit  mit  Oesterreich  über  eine  vollständige  Zolleinigung  zu 
unterhandeln.  B.  war  dazu  bereit,  indessen  Delbrück,  der  in  der  Stellung 
^nes  Ministerialdirektors   die  preussische  Zollpolitik  leitete,  widersprach    dem 


I  A  Fürst  Bismarck. 

und  verstand  es,  die  verantwortlichen  Ressortminister  Graf  Itzenplitz  und 
Bodelschwingh  zu  gewinnen.  Es  wurde  die  Entscheidung  des  Königs  an- 
gerufen und  noch  war  B.'s  Einfluss  nicht  mächtig  genug  geworden,  dass  er  diese 
Entscheidung  in  seinem  Sinne  hätte  lenken  können.  In  Folge  dessen  war 
Rechberg's  Stellung  in  Wien  unhaltbar  geworden,  und  er  wurde  durch  den 
Grafen  Mensdorff  ersetzt,  einen  Mann,  der  häufig  Klarheit  und  Festigkeit  ver- 
missen Hess  und  nicht  im  Stande  war,  sich  gewisser  Nebenströmungen  zu  er- 
wehren, die  sich  in  der  österreichischen  Regierung  geltend  machten.  Damit 
war  in  Oesterreich  eine  preussenfeindliche  Richtung  zur  Herrschaft  gelangt, 
und  der  Ausbruch  eines  Krieges  zwischen  beiden  Mächten  war  nur  noch  eine 
Frage  der  Zeit. 

In  Wien  trat  man  allen  Ansprüchen  Preussens  entgegen  und  nur  um 
ihnen  wirksam  entgegentreten  zu  können,  nahm  man  sich  der  Rechte  des 
Augustenburgers  an,  obwohl  diese  Rechte  der  österreichischen  Regierung  sehr 
gleichgültig  waren  und  nur  als  Mittel  dienten,  auf  Preussen  einen  Druck  aus- 
zuüben. 

Für  B.  lag  die  Nothwendigkeit  vor,  den  Kampf  noch  Jahr  und  Tag 
hinauszuschieben.  Er  war  genöthigt.  Beweise  seiner  äussersten  Versöhnlichkeit 
und  Friedensliebe  zu  liefern,  ehe  er  den  König  Wilhelm  zum  Kriege  be- 
stimmen konnte.  Er  war  genöthigt,  mancherlei  Vorkehrungen  zu  treffen,  da- 
mit keine  der  übrigen  Grossmächte  sich  verderblich  in  den  Kampf  einmischte 
und  insbesondere  sich  der  Neutralität  Napoleons  zu  versichern. 

Die  Geschichte  der  Zeit  vom  Tode  Friedrichs  VII.  bis  zum  Ausbruche  des 
österreichisch-deutschen  Krieges  fiillt  bei  Sybel  zwei  starke  Bände,  und  sie  ist 
nicht  kürzer  zu  erzählen,  wenn  man  die  einzelnen  Fäden  biossiegen  will.  Das 
Wesentliche  ist,  dass  B.  die  Fähigkeit  hatte,  sich  jederzeit  in  die  Sinnesweise 
der  Männer,  die  ihm  gegenübergestanden  hatten,  hineinzudenken  und  genau 
im  Voraus  zu  wissen,  was  sie  auf  einen,  ihnen  gemachten  Vorschlag  antworten 
würden;  er  war  im  Stande,  Vorschläge  zu  machen,  deren  Annahme  ihm  üehr 
unangenehm  gewesen  wäre,  mit  dem  sicheren  Bewusstsein,  dass  sie  abgelehnt 
werden  würden. 

Hier  kann  nur  der  Vertrag  von  Gastein  vom  14.  August  1865  hervor- 
gehoben werden,  durch  welchen  das  Condominat  Oesterreichs  und  Preussens 
über  Holstein  und  Schleswig  dahin  umgestaltet  wurde,  dass  Oesterreich  das 
Herzogthum  Holstein  und  Preussen  das  Herzogthum  Schleswig  zu  verwalten 
hatte.  Das  kleine  Herzogthum  Lauenburg  wurde  der  preussischen  Krone 
übertragen.  Es  war  der  erste  Landerwerb,  der  dem  Könige  Wilhelm  zufiel, 
und  darum  von  grosser  Wichtigkeit,  weil  er  ihn  dem  Gedanken  an  andere 
Annexionen  zugänglicher  machte. 

Der  Abschluss  dieses  Vertrages  konnte  die  schwüle  Stimmung  zwischen 
den  beiden  Staaten  nicht  beseitigen.  Der  geschaffene  Zustand  konnte  auf  die 
Dauer  nicht  Bestand  haben.  Es  war  unwahrscheinlich,  dass  man  ohne  Krieg 
zu  einem  anderen  Zustande  würde  übergehen  können.  Von  beiden  Seiten 
wurde  gerüstet;  wochenlang  stand  man  einander  in  einem  Zustande  gegenüber, 
in  welchem  der  Ausbruch  des  Krieges  in  jedem  Augenblicke  zu  erwarten  war. 
Wechselseitig  schob  man  einander  die  Schuld  zu,  die  Rüstungen  veranlasst 
zu  haben.  Es  wurden  Verabredungen  zur  Abrüstung  getroffen.  Inzwischen 
bemühte  sich  aber  B.  mit  Italien,  das  mit  Oesterreich  wegen  der  venetianischen 
Rüstungen  noch  abzurechnen  hatte,  zu  einem  Schutz-  und  Trutzbündnisse  zu 
gelangen,  und  der  Abschluss  dieses  Bündnisses  gelang    in    einer  für  Preussen 


Fürst  Bismarck. 


15 


sehr  günstigen  Form.  Drei  Monate  lang  blieb  Italien  an  der  preussischen 
Politik  gefesselt,  so  dass  es  von  dieser  abhing,  ob  es  zum  Kriege  kommen 
solle.  Die  italienischen  Rüstungen  machten  es  nun  Oesterreich  unmöglich, 
zu  derjenigen  Abrüstung  zu  schreiten,  zu  welcher  es  Preussen  gegenüber 
bereit  gewesen  sein  würde. 

Ein  friedlicher  Ausgleich  zwischen  Oesterreich  und  Preussen  wäre  noch 
möglich  gewesen,  wenn  Preussen  für  die  Ueberlassung  Schleswig-Holsteins 
sich  zu  Gebietsabtretungen  in  Schlesien  entschlossen  hätte.  Davon  wollte  B. 
Nichts  wissen.  Er  richtete  seine  Kraft  darauf,  den  Krieg  zu. einem  für  die 
Auffassung  seines  Königs  unvermeidlichen  zu  machen  und  dabei  doch  die 
Lage  so  zu  gestalten,  dass  Oesterreich  als  der  angreifende  Theil  erschien. 

Dazu  war  es  für  B.  nöthig,  der  Schleswig-Holstein'schen  Complication 
noch  eine  solche  auf  dem  Gebiete  des  Bundesrechts  hinzuzufügen.  Am 
Bundestag  stellte  er  einen  Antrag  auf  Bundesreform,  der  ungetähr  den  Ge- 
danken entsprach,  welche  er  bei  Gelegenheit  des  Frankfurter  Fürstentages 
Oesterreich  entgegengehalten  hatte.  Der  Antrag  wurde  an  einen  Ausschuss 
verwiesen. 

Während  B.  mit  einem  Werke  beschäftigt  war,  das  eine  gewaltige  Um- 
gestaltung in  Europa  zur  Folge  haben  sollte,  wurde  auf  ihn  von  einem  jungen 
Mann,  Namens  Cohn,  dem  Sohne  eines  eifrigen  Demokraten,  am  7.  Mai  1866 
ein  Mordanfall  mit  dem  Revolver  gemacht.  Fünf  Schüsse  fehlten  das  Ziel; 
er  entwaffnete  den  Mörder,  der  sich  im  Gefängnisse  das  Leben  nahm. 

Noch  immer  war  mit  dem  Abgeordnetenhause  eine  Verständigung  nicht 
herbeigeführt;  am  9.  Mai  1866  erfolgte  von  Neuem  seine  Auflösung. 

Der  lang  vorausgesehene  Krieg  tritt  endlich  in  folgender  Reihenfolge  von 
Ereignissen  ein.  Am  i.  Juni  giebt  Oesterreich  am  Bundestage  eine  Erklärung 
über  die  Lage  der  Herzogthümerfrage  ab  und  stellt  dabei  dem  Bunde  die 
Entscheidung  anheim.  Preussen  protestirt  dagegen,  weil  durch  den  Gasteiner 
Vertrag  und  eine  frühere  geheime  Convention  verabredet  war,  dass  die  beiden 
Grossmächte  allein  entscheiden  sollten.  Preussen  hielt  den  Gasteiner  Vertrag 
für  gebrochen  und  sich  für  berechtigt,  zur  Ausübung  des  Condominats  in 
Holstein  wieder  einzurücken.  Oesterreich  lässt  zwar  Holstein  von  seinen 
Truppen  unter  Protest  räumen,  erklärt  aber  nunmehr  seinerseits,  dass  Preussen 
den  Gasteiner  Vertrag  gebrochen  habe.  Es  beantragt  die  Mobilmachung  aller 
Bundesarmeecorps  mit  Ausnahme  des  Preussischen.  Der  Bundestag  nimmt 
diesen  Antrag  mit  knapper  Mehrheit  an  und  nun  erklärt  Preussen  den  Bundes- 
vertrag für  erloschen. 

An  sämmtliche  deutsche  Staaten  hatte  B.  dringende  Aufforderungen  ge- 
richtet, bei  dem  sich  vorbereitenden  Kriege  zwischen  Preussen  und  Oesterreich 
neutral  zu  bleiben.  Bei  den  vier  Königreichen,  beiden  Hessen,  Baden  und 
Nassau  blieb  diese  Aufforderung  ohne  Erfolg.  Der  Krieg  richtete  sich  daher 
auch  gegen  diese. 

Der  Krieg  war  von  kurzem  Verlauf;  vom  26.  Juni  bis  3.  Juli  wurde  das 
österreichische  Heer  in  mehreren  Schlachten,  zuletzt  nachdrücklich  bei  König- 
grätz,  geschlagen.  Die  hannoversche  Armee  wurde  zur  Capitulation  gezwungen. 
Die  übrigen  Truppen  der  Kleinstaaten  wichen  überall  nach  wenig  erheblichen 
Gefechten  vor  den  preussischen  Truppen  zurück.  Am  22.  Juli  waren  die 
Dinge  soweit  gediehen,  dass  die  Friedensverhandlungen  beginnen  konnten. 
Während  Preussen  solche  Erfolge  erzielte,  hatte  sein  Bundesgenosse  schlechte 


l6  Fürst  Bismarck. 

Erfahrungen  gemacht.  Italien  war  zu  Lande  und  zur  See  gegen  Oesterreich 
unterlegen,  das  in  dieser  Weise  seine  Waffenehre  rettete. 

Der  Ausgang  des  Krieges  hatte  in  der  ganzen  Welt  Erstaunen  erregt. 
Meist  hatte  man  Oesterreich  für  stärker  gehalten  und  Niemand  hatte  geglaubt, 
dass  Preussen  so  stark  sei.  Am  grössten  war  das  Erstaunen  in  Frankreich 
und  am  meisten  mit  unangenehmen  Empfindungen  durchsetzt.  Napoleon  hatte 
den  Ausbruch  des  Krieges  nicht  ungern  gesehen  und  ihn  vielleicht  gefördert. 
Er  hatte  mit  Bestimmtheit  darauf  gerechnet,  Preussen  aus  dem  Kriege  ge- 
schwächt hervorgehen  zu  sehen  und  ihm  dann  gegen  grössere  oder  geringere 
Landcompensationen  sein  Wohlwollen  zu  gewähren.  Jetzt  war  der  Kaiser  sehr 
eilig  damit,  seine  Friedensvermittelung  anzubieten,  und  eine  Grenze  zu  be- 
zeichnen, über  die  hinaus  Frankreich  preussischen  Erfolg  nicht  ertragen  würde, 
ohne  sich  einzumischen. 

Was  Oesterreich  anbetrifft,  so  verstand  sich  eine  Forderung  von  selbst, 
ohne  die  fiir  Preussen  ein  Friede  nicht  denkbar  war.  Oesterreich  musste  für 
immer  aus  dem  deutschen  Bunde,  oder  dem,  was  an  seine  Stelle  treten  sollte, 
ausscheiden.  Oesterreichs  deutsche  Rolle  war  ausgespielt;  die  Hegemonie  ging 
auf  Preussen  über.  Damit  aber  wollte  sich  B.  begnügen.  Mit  so  grosser 
Entschiedenheit  er  den  Kampf  gegen  Oesterreich  aufgenommen  hatte,  so  ent- 
schieden drängte  sich  ihm  jetzt  der  Gedanke  auf,  dass  in  Zukunft  Preussen 
Oesterreichs  Freundschaft  brauchen  werde,  und  dass  man  nicht  den  Keim  zu 
ewigen  Rachegedanken  ausstreuen  dürfe.  König  Wilhelm  dagegen  wollte  er- 
hebliche Theile  von  Oesterreich  annektiren,  und  da  hierfür  Oesterreichs  Bereit- 
willigkeit nicht  vorhanden  war,  den  Krieg  fortsetzen.  Er  nannte  den  Frieden, 
den  ihm  sein  Minister  aufzwingen  wollte,  einen  schmählichen.  Nach  der  auf- 
geregten Zeit  der  Kriegsvorbereitungen  und  des  Krieges  war  dieser  24.  Juli 
der  aufgeregteste  Tag  in  B.'s  ganzem  Leben,  und  wenn  ich  oben  den  Zeit- 
raum vom  Tode  des  Königs  von  Dänemark  bis  zum  Frieden  mit  Oesterreich 
als  den  ruhmvollsten  Theil  in  B.'s  Leben  bezeichnet  habe,  so  war  dieser 
24.  Juli  der  ruhmvollste  Tag.  Es  gelang  ihm,  durch  Vermittlung  des  Kron- 
prinzen den  König  für  seine  Ansichten  zu  gewinnen. 

Die  Staaten  nördlich  vom  Main  sollten  zu  einem  Norddeutschen  Bunde 
zusammengefasst  werden;  diesen  Bund  auf  die  südlichen  Staaten  auszudehnen 
war  unmöglich  gewesen,  ohne  zu  einem  Kriege  mit  Frankreich  zu  gelangen, 
den  B.  vor  der  Hand  vermieden  zu  sehen  wünschte.  Die  bestehenden 
Dynastieen  zu  schonen,  hatte  B.  gewünscht.  Statt  derjenigen  norddeutschen 
Fürsten,  die  an  dem  Kriege  theilgenommen  hatten  (Hannover,  Kurhessen, 
Nassau,  Meiningen),  sollten  ihre  Thronfolger  eintreten.  Theils  der  Eigensinn 
dieser  Fürsten,  Theils  der  Wunsch  König  Wilhelms,  der  sich  im  Laufe  der 
Zeit  mit  dem  Wunsch  erfüllt  hatte,  sein  Land  zu  vergrössern,  führten  denn 
doch  zu  der  Annexion  von  Hannover,  Hessen,  Nassau  und  der  Stadt  Frank- 
furt. Dass  Schleswig-Holstein  an  Preussen  fiel  und  vom  Augustenburger  nicht 
mehr  die  Rede  war,  wurde  als  selbstverständlich  betrachtet. 

König  Wilhelm  hatte  den  Wunsch  gehabt,  Ansbach  und  Bayreuth  für 
Preussen  zurückzugewinnen,  aber  B.  widersetzte  sich  aus  demselben  Grunde, 
aus  welchem  er  einer  Gebietsschmälerung  Oesterreichs  widerrieth. 

Am  4.  August  kehrte  B.  nach  Berlin  zurück.  Dort  harrte  seiner  eine 
Ueberraschung.  Am  5.  übersandte  ihm  der  französische  Botschafter  Benedetti 
den  Entwurf  eines  Vertrages,  dem  zu  P'olge  Mainz  und  einige  andere  deutsche, 
sowie    belgische   (iebietstheile  an  Frankreich  abgetreten  werden    sollten.     Am 


Fürst  Bismarck. 


17 


6.  August  lehnte  B.  diesen  Vorschlag  mit  aller  Schärfe  ab.  Er  hätte  es  eher 
auf  einen  sofortigen  Krieg  mit  Frankreich  ankommen  lassen,  als  den  geringsten 
Bruchtheil  deutschen  Landes  abgetreten.  Die  früh  geoflfenbarte  Begehrlichkeit 
Frankreichs  hatte  nun  aber  den  guten  Erfolg,  dass  die  süddeutschen  Staaten, 
die  ausserhalb  des  norddeutschen  Bundes  bleiben  mussten,  mit  Preussen 
Militärconventionen  und  Bündnissverträge  abschlössen,  die  einstweilen  geheim 
gehalten  wurden.  Der  definitive  Frieden  mit  Oesterreich,  zu  Prag  ab- 
geschlossen, datirt  vom  23.  August;  mit  den  übrigen  Staaten  kamen  die 
Friedensinstrumente  bis  zum   21.  September  zu  Stande. 

Der  kurze  Feldzug  hatte  die  Stellung  B.'s  von  Grund  aus  verändert. 
Die  Welt  sah  in  ihm  von  jetzt  ab  wenigstens  den  befähigten,  zum  grossen 
Theil  schon  den  genialen  Staatsmann.  Aus  der  liberalen  Partei  heraus  bildete 
sich  eine  Partei,  deren  Programm  inhaltlich  darauf  hinauskam,  seine  Politik 
zu  unterstützen;  ebenso  sonderte  sich  ein  Theil  der  conservativen  Partei  ab, 
der  die  alten  Parteidogmen  verwarf  und  sich  zu  dem  Gedanken  an  die 
Einigung  Deutschlands  unter  preussischer  Führung  freudig  bekannte.  Dem 
Könige,  der  ihn  am  16.  September  1865  in  den  Grafenstand  erhoben  hatte, 
und  der  zuweilen  zweifelnd  seinen  Rath  befolgt  hatte,  war  das  Vertrauen  zu 
ihm  gewachsen.  Die  Kabinette  der  übrigen  Grossmächte  fanden  sich  in  den 
Gedanken,  dass  Preussen,  dass  Deutschland  unter  diesem  Minister  eine  hervor- 
ragende Stellung  im  Rathe  der  Nationen  einzunehmen  berechtigt  sei. 

War  in  der  jetzt  abgelaufenen  Periode  der  leitende  Gedanke  B.*s  der 
gewesen,  für  Preussen  eine  erhebliche  Machtstärkung  zu  erlangen,  durch 
freundliches  Abkommen  mit  Oesterreich,  wenn  es  sein  konnte,  durch  Krieg 
mit  ihm,  wenn  es  sein  musste,  so  trat  jetzt  der  Gedanke  in  den  Vordergrund, 
dass  man  sich  rüsten  müsse  auf  den  unabwendlichen  Vertheidigungskrieg 
gegen  Frankreich,  denn  dass  Frankreich  die  Verletzung,  die  sein  Prestige  er- 
litten, als  eine  mit  den  Waffen  zu  rächende  Kränkung  empfinden  würde,  war 
ihm  unzweifelhaft.  Dass  in  einem  solchen  Kriege  Deutschland  keinen  Bundes- 
genossen haben  werde,  war  ihm  klar,  eher  erwartete  er,  dass  eine  andere 
Macht  aus  Hass  oder  Neid  sich  mit  dem  Feinde  Deutschlands  verbinden 
werde. 

Unter  diesen  Umständen  kam  ihm  Alles  darauf  an,  dem  inneren  Zwie- 
spalt ein  gründliches  Ende  zu  bereiten.  Er  entschloss  sich  daher,  den  Libe- 
ralen weit  entgegenzukommen,  in  der  Ueberzeugung,  dass  er  die  Machtstellung 
des  Königs  in  jedem  Augenblicke  wieder  würde  herstellen  können.  So  wurde 
denn  der  Verfassungsconflict  dadurch  beigelegt,  dass  das  Ministerium  für  das 
budgetlose  Regiment  der  letzten  Jahre  Indemnität  nachsuchte  und  erhielt. 
Die  Genehmigung  der  Militärreorganisation  verstand  sich  nun  von  selbst.  Am 
5.  December  bewilligte  das  Abgeordnetenhaus  für  B.  eine  Dotation  von 
400  000  Thalem,  die  zum  Ankauf  des  Gutes  Varzin  in  Pommern  verv^xndet 
wurde. 

Am  24.  Februar  1867  trat  der  constituirende  Reichstag  des  Norddeutschen 
Bundes  zusammen.  Der  Verfassungsentwurf,  welchen  B.  vorgelegt  hatte,  be- 
ruhte auf  dem  Gedanken  des  allgemeinen  und  gleichen  Wahlrechts,  aus 
welchem  der  Reichstag  selbst  hervorgegangen  war. 

Die  Berathung  dieses  Entwurfs  zog  sich  bis  zum  16.  April  hin.  Den 
vielen  Abänderungsvorschlägen  gegenüber  zeigte  sich  B.  sehr  nachgiebig. 
Insbesondere  willigte  er  darein,  dass  die  Competenz  des  Reichs  erheblich  aus- 
gedehnt wurde,  während  der  von  ihm  vorgelegte  Entwurf  die  Competenz  der 

Biogr.  Jahrb.  n.  Dentscber  Nekrolog.   3.  Bd.  2 


l8  Fürst  Bismarck. 

Einzelstaaten  möglichst  geschont  hatte;  ebenso  gestand  er  eine  Reihe  von 
Abänderungen  zu,  welche  der  Verfassung  einen  liberalen  Charakter  auf- 
drückten. Nur  in  zwei  Punkten  blieb  er  unnachgiebig.  Er  lehnte  ab,  dass 
die  Reichstagsabgeordneten  Diäten  erhielten,  und  er  beharrte  darauf,  dass  die 
Friedenspräsenzstärke  des  Bundes  für  eine  Reihe  von  Jahren  gesichert    blieb. 

Noch  während  der  constituirende  Reichstag  tagte,  ereignete  sich  ein  auf- 
regender Zwischenfall  auf  dem  Gebiete  der  auswärtigen  Politik,  Kaiser 
Napoleon,  der  mit  seinen  Ansprüchen  auf  Landabtretungen  seitens  des 
deutschen  Reichs  gescheitert  war,  hatte  versucht,  sich  dadurch  einen  Erfolg 
zu  schaffen,  dass  er  mit  dem  Könige  der  Niederlande  über  die  Abtretung 
des  Grossherzogthums  Luxemburg  verhandelte.  Sobald  B.  dies  erfuhr,  gab 
er  zu  verstehen,  dass  er  einen  solchen  Handel  nicht  dulden  würde,  und  als 
in  der  französischen  Deputirtenkammer  Drohungen  gegen  Preussen  ausgestossen 
wurden,  antwortete  er  darauf  mit  der  Veröffentlichung  der  bisher  geheim  ge- 
haltenen Trutz-  und  Schutzbündnisse  mit  den  süddeutschen  Staaten. 

Die  Sache  schien  sich  zum  Kriege  zuzuspitzen,  aber  B.,  obwohl  er  von 
der  Unvermeidlichkeit  dieses  Krieges  überzeugt  war,  bemühte  sich  dennoch, 
seinen  Ausbruch  auf  einen  späteren  Zeitraum  zu  verschieben.  Er  erklärte  der 
niederländischen  Regierung,  dass  er  zwar  die  Abtretung  Luxemburgs  an  Frank- 
reich als  einen  Kriegsfall  betrachten  würde,  dass  er  aber  bereit  sei,  auf  einer 
europäischen  Conferenz  über  die  Erhaltung  des  Friedens  auf  der  Grundlage 
zu  verhandeln,  dass  Luxemburg  neutralisirt  und  die  Festung  geschleift  werde. 
Auf  dieser  Grundlage  kam  am  ii.  Mai  auf  der  Londoner  Conferenz  ein  Ab- 
kommen zu  Stande. 

Am  i6.  April  war  die  Verfassung  des  Norddeutschen  Bundes  vom  Reichs- 
tage angenommen  worden.  Sie  unterlag  noch  der  Bestätigung  durch  die 
Parlamente  der  Einzel  Staaten,  die  in  Preussen  ohne  erhebliche  Mühe,  in  allen 
übrigen  Staaten  als  selbstverständlich  erreicht  wurde,  und  trat  am  i.  Juli  in 
Kraft.  Die  süddeutschen  Staaten  blieben  dadurch  an  den  Norddeutschen 
Bund  gefesselt,  dass  die  Zoll  Vereins  vertrage  erneuert  wurden  und  der  Bund 
wurde  dadurch  noch  fester,  dass  fiir  die  Berathung  von  Zollangelegenheiten 
der  Reichstag  sich   zu  einem  Zollparlament  erweiterte. 

Als  Beamter  des  deutschen  Bundes  erhielt  B.  den  Titel  »Kanzler  des 
Norddeutschen  Bundes«  und  unter  dem  Titel  eines  Präsidenten  des  Reichs- 
kanzleramts machte  er^  Rudolf  Delbrück  zu  seinem  vornehmsten  Gehülfen. 
Diese  Wahl  war  ein  erhebliches  Zugeständniss  an  die  liberale  Partei. 
Wenigstens  in  wirthschaftlichen  Fragen  stand  Delbrück  ganz  entschieden  auf 
liberalem  Boden  und  in  rein  politischen  Fragen  war  er  noch  niemals  hervor- 
getreten. 

Dieses  Zugeständniss  an  die  liberale  Partei  war  freilich  eine  Nothwendig- 
keit,  denn  es  galt,  die  durch  die  Reichsverfassung  geschaffene  Möglichkeit, 
die  wirthschaftliche  Einheit  auf  gesetzlichem  Wege  herbeizuführen,  in  Thaten 
umzusetzen,  und  dieser  Aufgabe  war  sicher  kein  Conservativer  und  kaum 
Jemand  ausser  Delbrück  gewachsen.  Ohne  sichtbares  Eingreifen  B.'s  kamen 
Reichsgesetze  über  Heimathsrecht  und  Freizügigkeit,  über  den  Gewerbe- 
betrieb, über  gegenseitige  Rechtshülfe  und  andere  zu  Stande. 

Allen  Anregungen,  auf  eine  Vereinigung  der  süddeutschen  Staaten  mit 
dem  Norddeutschen  Bunde  hinzuarbeiten,  widerstand  B.  mit  Entschiedenheit, 
aber  denjenigen  Particularisten,  welche  mit  dem  Widerstände    des  Auslandes 


Fürst  Bismarck.  lo 

gegen    eine   solche  Vereinigung  drohten,  hielt  er  entgegen,    dass    die  Furcht 
kein  Echo  in  deutschen  Herzen  findet.     (i8.  Mai  1868.) 

Im  Mai  1868  zogen  die  feindseligen  Agitationen  des  entthronten  Königs 
Georg  von  Hannover  die  Aufmerksamkeit  B.'s  auf  sich.  Er  Hess  dessen  Ver- 
mögen, soweit  es  sich  in  preussischen  Händen  befand,  mit  Beschlag  belegen, 
nachdem  er  noch  kurz  zuvor  nicht  ohne  Mühe  sich  vom  Landtage  die  Er- 
mächtigung ausbedungen  hatte,  dieses  Vermögen  in  sehr  freigebiger  Be- 
messung dem  König  Georg  zurückzugewähren.  Die  Zinsen  dieses  Vermögens 
Hess  er  sich  zu  völlig  discretionärer  Benutzung  zur  Verfügung  stellen  und 
dieser  Weifenfonds  oder  Reptilienfonds  hat  später  zu  unzähligen  Reclamationen 
im  Abgeordnetenhause  Veranlassung  gegeben. 

Es  nahte  nun  die  Zeit,  in  welcher  der  längst  vorhergesehene  Krieg  mit 
Frankreich  nicht  länger  hinausgeschoben  werden  konnte.  Frankreich  hatte 
mit  Oesterreich  und  mit  Italien  Verhandlungen  angeknüpft,  um  ein  Bündniss 
herbeizuführen.  Der  Umstand,  dass  Prinz  Leopold  von  Hohenzollern  als 
Candidat  für  den  spanischen  Königsthron  aufgestellt  war,  wurde  von  Frank- 
reich benutzt,  um  Vorstellungen  bei  dem  Könige  von  Preussen  zu  erheben, 
die  höchstens  der  spanischen  Regierung  gegenüber  am  Platze  gewesen  wären. 
König  Wilhelm,  der  sich  zu  Ems  im  Bade  aufhielt  und  des  Beirathes  seines 
Ministers  entbehrte,  wurde  von  dem  französischen  Botschafter  Benedetti,  der 
ihm  dorthin  gefolgt  war,  mit  Vorstellungen  belästigt  und  gab  ihm  nicht  eine 
so  entschiedene  Antwort,  wie  B.  es  für  zweckmässig  gehalten  hätte. 

Am  13.  Juli  setzte  König  Wilhelm  telegraphisch  B.  von  dem  letzten 
Gespräch  in  Kenntniss,  das  er  an  demselben  Tage  mit  Benedetti  gepflogen 
hatte,  und  nach  dessen  Beendigung  er  ihm  »Nichts  mehr  zu  sagen  habe«. 
Auf  Grund  dieser  Depesche  Hess  B.  der  Oeffentlichkeit  einen  Bericht  zugehen, 
der  an  den  Mittheilungen  des  Königs  leichte  Auslassungen  und  Veränderungen 
hervorgerufen  hatte.     Das  war  die  berühmte  Emser  Depesche. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  die  Fassung  dieser  Depesche,  welche  die  öffent- 
liche Meinung  in  Frankreich  im  hohen  Grade  erregte,  der  Anlass  zu  dem 
unmittelbaren  Ausbruch  des  Krieges  war.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  B.  diesen 
Erfolg  vorhergesehen  und  gewollt  hat.  Es  ist  endlich  richtig,  dass  die  De- 
pesche, die  an  die  Oeffentlichkeit  gelangte,  sich  nicht  mit  den  vertraulichen 
Mittheilungen  des  Königs  an  B.  deckte.  Trotzdem  ist  es  eine  Thorheit,  zu 
behaupten,  dass  B.  durch  die  »Fälschung«  der  Emser  Depesche  den  Krieg 
hervorgerufen  habe.  • 

Die  Depesche,  welche  B.  durch  die  Welt  versandte,  lautet: 

»Nachdem  die  Nachrichten  von  der  Entsagung  des  Prinzen  von 
Hohenzollern  der  kaiserlich- französischen  Regierung  von  der  spanischen 
amtlich  mitgetheilt  worden  sind,  hat  der  französische  Botschafter  in 
Ems  an  Se.  Maj.  den  König  noch  die  Forderung  gestellt,  dass  er 
nach  Paris  telegraphire,  dass  Se.  Maj.  der  König  sich  für  alle  Zu- 
kunft verpflichte,  niemals  wieder  seine  Zustimmung  zu  geben,  wenn 
die  Hohenzollern  auf  ihre  Candidatur  zurückkommen  sollten. 
Se.  Maj.  hat  es  darauf  abgelehnt,  den  französischen  Botschafter  noch 
einmal  zu  empfangen  und  demselben  durch  den  Adjutanten  vom 
Dienst  sagen  lassen,  dass  Se.  Maj.  dem  Botschafter  nichts  weiter  mit- 
zutheilen  habe.« 
Diese  Depesche  enthält  schlechthin  kein  unwahres  Wort.  Sie  enthält 
auch    keine    Beleidigung    Frankreichs,    sondern    nur    die    Mittheilung,    dass 

2* 


20  Fürst  Bismarck. 

Preussen  eine  beleidigende  Zumuthung  Frankreichs  gebührend  zurückgewiesen 
hat.  Eine  Depesche,  die  ein  Monarch  vertraulich  seinem  Rathgeber  zusendet, 
hat  dieser  nicht  die  Verpflichtung,  öffentlich  bekannt  zu  machen.  Dass  diese 
Depesche  die  Kriegsraserei  in  Frankreich  entfesselte,  ist  nur  dadurch  zu  er- 
klären, dass  Frankreich  längst  kriegslustig  war  und  nur  nach  einem  Anlass 
suchte,  den  Krieg  zu  erklären. 

Die  Wirkung  der  Depesche  war  die,  dass  Frankreich  ausser  Stande  war, 
vor  dem  Ausbruch  des  Krieges  seine  kriegerischen  und  seine  diplomatischen 
Rüstungen  fortzusetzen,  sondern  sich  sofort  zum  Kampf  stellen  musste.  Und 
die  weitere  Folge  war  die,  dass  Frankreich  sofort  bei  Beginn  des  Krieges 
entscheidende  Schlappen  erlitt,  die  seine  Hoffnungen  auf  Bundesgenossenschaft 
vernichteten. 

Im  Reichstage,  der  alsbald  zusammenberufen  wurde,  konnte  B.  mittheilen, 
dass  die  französische  Kriegserklärung  die  erste  schriftliche  Mittheilung,  das 
erste  Actenstück  gewesen  sei,  das  ihm  in  dieser  Angelegenheit  von  franzö- 
sischer Seite  zugegangen,  der  einleuchtendste  Beweis,  dass  Frankreich  sich 
von  den  Voraussetzungen  entfernt  hatte,  die  nach  völkerrechtlichen  An- 
schauungen zu  einem  Kriege  Veranlassung  geben  können. 

Nicht  B.  hat  den  Krieg  verschuldet,  aber  er  hat  die  Dinge  so  gelenkt, 
dass  dieser  unvermeidliche  Krieg  in  dem  Augenblicke  zum  Ausbruch  kam, 
wo  es  für  Deutschland  am  vortheilha-ftesten  war. 

Die  Thronrede,  mit  welcher  der  Reichstag  einberufen  wurde,  der  die 
zur  Kriegsführung  nöthigen  Mittel  bewilligen  sollte,  verfasste  B.  selbst;  keine 
andere  Feder  hatte    ihm  genugthun  können. 

Wiederum  begleitete  er  den  König  in  das  Feldlager,  zum  Missvergnügen 
der  militärischen  Kreise,  mit  denen  er  einst  in  Böhmen  mancherlei  Meinungs- 
verschiedenheiten gehabt,  die  denn  auch  diesmal  nicht  ganz  ausblieben. 
Nothwendig  war  indessen  seine  Anwesenheit,  um  mit  dem  König  in  steter 
Fühlung  zu  bleiben,  um  in  jedem  Augenblicke  unverzüglich  die  geeigneten 
Massregeln  ergreifen  zu  können.  Mehrfach  hatte  er  seine  diplomatische  Kunst 
aufzuwenden,  um  Einmischungen  des  Auslandes  fernzuhalten. 

Die  Schlacht  bei  Sedan  entschied  den  deutschen  Sieg.  Nach  ihr  hatte 
B.  in  Frenois  die  Unterhaltung  mit  dem  Kaiser  Napoleon,  bei  der  ihm  nach 
seiner  eigenen  Aeusserung  zu  Muthe  war,  wie  einem  Mädchen,  das  zum 
ersten  Balle  geht,  die  aber  politisch  resultatlos  verlief.  Das  Ziel,  das  nach 
einem  so  grossen  Erfolge  gestellt  werden  musste,  war  die  Wiedererwerbung 
des  Elsass. 

Gleichzeitig  beginnt  aber  jetzt  die  Action,  die  dazu  führt,  den  Nord- 
deutschen Bund  zum  Deutschen  Reiche  zu  erweitern,  Süddeutschland  einzu- 
beziehen,  den  Kaisertitel  wieder  herzustellen.  Ein  Schreiben  B.'s  an  den 
König  Ludwig  von  Bayern  veranlasst  diesen,  die  Initiative  zu  ergreifen,  um 
dieses  Ziel  herbeizufuhren.  Wiederum  ist  B.  darauf  bedacht,  den  beiden  süd- 
deutschen Königen  weitgehende  Zugeständnisse  zu  machen,  um  das  Hauptziel 
zu  erreichen. 

Mit  Thiers  und  Jules  Favre  waren  langwierige,  zuweilen  abgebrochene 
Verhandlungen  über  W^affenstillstand  und  Präliminarfrieden  zu  führen,  die  B.'s 
Geduld  häufig  auf  eine  harte  Probe  stellten.  Die  Einnahme  Strassburgs,  der 
Festung  Metz,  die  Erschöpfung  der  Pariser  Lebensmittel  mussten  erfolgen, 
ehe  der  Widerstand  der  Franzosen  gebrochen  war. 


Fürst  Bismarck.  21 

Schliesslich  vollziehen  sich  zwei  grosse  Ereignisse  fast  gleichzeitig;  am 
18.  Januar  1871  wird  in  dem  ä  toutes  les  gloires  de  la  France  gewidmeten 
Schlosse  zu  Versailles  der  deutsche  Kaiser  proclamirt  und  am  28.  Januar  der 
Waffenstillstand  unterzeichnet,  der,  nachdem  noch  der  blutige  Kampf  bei 
Beifort  stattgefunden,  am  26.  Februar  zum  Präliminarfrieden  und  am 
10.  Mai  zum  Frieden  von  Frankfurt  führt. 

Wie  einst  am  Tage  von  Nikolsburg  schmollte  auch  am  Tage  von  Ver- 
sailles König  Wilhelm  mit  seinem  Kanzler  und  verweigerte  ihm  Gruss  und 
Handschlag.  Er  war  jetzt  unzufrieden,  dass  er  sich  nur  »deutscher  Kaiser«, 
und  nicht  Kaiser  von  Deutschland  nennen  durfte. 

Indessen  das  Verhältniss  stellte  sich  bald  wieder  her.  Am  21.  März 
wurde  B.  in  den  erblichen  Fürstenstand  erhoben  und  im  Juni  wurde  ihm  ein 
grosser  Landbesitz    im  Sachsenwalde,  Friedrichsruh,  als  Dotation    übereignet. 

Es  war  der  dritte  und  letzte  Krieg,  aus  dem  B.  zurückkehrte.  Er  selbst 
bekannte,  dass  er  der  Urheber  dieser  Kriege  sei,  die  Verantwortung  iiir  sie 
tragen  müsse  und  wolle.  Fortan  hat  er  jederzeit  redlich  für  den  Frieden 
gearbeitet.  Diese  stürmische  Zeit  der  Kriege  hat  selbstverständlich  tiefe 
Spuren  in  seinem  Körper  und  Geist  hinterlassen.  Als  er  das  Amt  des 
Ministerpräsidenten  antrat,  war  er  eine  schlanke,  elegante  Figur,  der  man  den 
Diplomaten  anzumerken  glaubte.  Nach  Beendigung  des  französischen  Krieges 
war  im  Wesentlichen  die  Erscheinung  fertig,  welche  in  der  Geschichte  fort- 
lebt. Wie  er  immer  ausschliesslicher  dazu  überging,  im  Amt  und  in  der 
OefFentlichkeit  sich  in  seiner  militärischen  Kleidung  zu  zeigen,  so  deutete 
auch  sein  Aeusseres  auf  den  Offizier,  und  unter  allen  Auszeichnungen,  die  ihm 
in  reichem  Masse  zu  Theil  wurden,  waren  ihm  wohl  diejenigen  die  liebsten, 
die  ihn  auf  der  militärischen  Stufenleiter  erhöhten. 

Während  der  Zeit,  wo  er  am  schwersten  zu  kämpfen  gehabt  hatte,  hatte 
er  Gleichmuth  und  Humor  zur  Schau  getragen.  Er  sammelte  Spottbilder  und 
Spottschriften,  die  gegen  ihn  erschienen,  mit  sichtbarem  Behagen.  In  der 
Discussion  brauchte  er  häufig  den  Ton  der  schärfsten  Ironie,  aber  ohne  ihn 
durch  Heftigkeit  zu  steigern.  Er  war  sicher,  dass  Alle,  die  zur  Zeit  an  seinem 
Beruf  zweifelten,  von  diesem  Zweifel  zurückkommen  würden.  Jetzt,  wo  seine 
Grösse  anerkannt  war,  wurde  das  anders.  Die  Gründe  dafiir  sind  durchaus 
in  seinem  Körperzustand  zu  suchen.  Die  übermenschlichen  Anstrengungen, 
die  geistigen  Kämpfe,  denen  er  seit  acht  Jahren  ausgesetzt  gewesen  war, 
hatten  auf  sein  Nervensystem  stark  eingewirkt.  Wie  furchtbar  die  Aufregung 
gewesen,  die  ihn  ergriff,  als  in  Baden-Baden  König  Wilhelm  sich  anschickte, 
den  Fürstentag  in  Frankfurt  zu  besuchen,  und  als  es  sich  in  Nikolsburg  um 
die  Fortsetzung  eines  Krieges  handelte,  die  man  für  unheilvoll  hielt,  hat  man 
erst  spät,  vollständig  erst  aus  seinen  hinterlassenen  Erinnerungen  ersehen. 
Er  hatte  das  seiner  Zeit  ertragen  müssen.  Jetzt  aber,  nach  seinen  grossen 
Erfolgen,  glaubte  er  auf  Vertrauen,  auf  unbedingte  Heeresfolge  Anspruch 
machen  zu  dürfen.  Er  wurde  empfindlicher  gegen  Widerspruch;  er  gewöhnte 
sich,  Angriffe  in  der  Presse  mit  Strafanträgen  zu  beantworten. 

Die  Menschenverachtung,  die  im  Laufe  der  Zeit  immer  deutlicher  hervor- 
trat, begann  schon  jetzt,  sich  zu  zeigen.  Die  Neigung,  Jeden  zu  zermalmen, 
der  sich  seinen  Plänen  entgegenstellte,  die  Unmöglichkeit,  sich  in  die  Seele 
eines  Gegners  hinein  zu  versetzen,  und  seinen  Gründen  Anerkennung  und 
Achtung  zu  bezeigen,  nahm  immer  schärfere  Formen  an.  Dazu  gesellte  sich 
ein  Misstrauen,  welches   ihn  häufig  veranlasste,  dort,  w^o  lediglich  ein  auf  ab- 


2  2  Fürst  Bismarck. 

weichende  Ansichten  gegründeter  Widerstand  vorlag,  ein  gegen  ihn  gerichtetes 
Complott  zu  sehen. 

Nach  Aufrichtung  des  deutschen  Reiches  wurde  für  B.  die  wichtigste 
Aufgabe,  gegen  welche  alle  übrigen  zeitweise  zurücktraten,  die  Ordnung  des 
Verhältnisses  zur  Kurie  und  zur  katholischen  Geistlichkeit.  Die  ultramontane 
Partei  hatte  naturgemäss  das  Aufblühen  des  protestantischen  Preussen  und 
das  Zurückweichen  des  katholischen  Oesterreich  mit  grossem  Bedauern  ge- 
sehen. Sie  wurde  naturgemäss  der  Hort  eines  jeden  particularistischen  Wider- 
standes gegen  B.'s  Politik.  Insbesondere  Hess  sie  den  Polen  ihr  Wohlwollen 
zu  Gute  kommen.  Es  fugte  sich,  dass  derjenige  Ultramontane,  der  durch  sein 
Talent  berufen  war,  allmählich  zum  Führer  der  Partei  aufzusteigen,  Windt- 
horst,  ein  ehemaliger  hannoverscher  Minister,  der  Vertrauensmann  des  Königs 
Georg,  mit  einem  Worte  ein  Weife  war.  Weifische  und  polnische  Be- 
strebungen aber  hielt  B.  für  besonders  gefährlich. 

Dass  das  vaticanische  Concil  im  Jahre  1870  das  Dogma  von  der  Un- 
fehlbarkeit des  Papstes  annahm,  hatte  B.  für  eine  innere  Angelegenheit  der 
katholischen  Kirche  angesehen  und  den  Anregungen  widerstanden,  sich  pro- 
testirend  in  die  Angelegenheit  zu  mischen.  Als  derjenige  Tag,  an  welchem 
der  Keim  zu  dem  Ereignisse  gelegt  wurde,  dem  man  den  Namen  des  Cultur- 
kampfes  beigelegt  hat,  ist  wohl  der  30.  März  1871  anzusehen.  Der  Reichs- 
tag hatte  in  einer  an  den  Kaiser  beschlossenen  Adresse  den  Satz  aufgenommen, 
die  Tage  der  Einmischung  in  das  innere  Leben  anderer  Völker  möchten 
unter  keinem  Vorwande  und  in  keiner  Form  wiederkehren.  Die  ultramontane 
Partei,  jetzt  Centrum  genannt,  widersprach  diesem  Satze;  sie  wollte  sich  den 
Weg  offen  halten,  vom  deutschen  Reiche  Schritte  zur  Wiedereinsetzung  des 
Papstes  in  seine  weltliche  Herrschaft  zu  verlangen.  Der  erste  Conflict  brach 
dadurch  aus,  dass  ein  katholischer  Gymnasiallehrer,  der  sich  weigerte,  das 
Unfehlbarkeitsdogma  anzuerkennen,  mit  dem  grossen  Bann  belegt  wurde,  und 
dass  der  Minister  ihn  nun  in  seiner  staatlichen  Stellung  als  Schulrath  schützte, 
als  der  Clerus  dessen  Entfernung  verlangte.  Die  erste  Kampfmassregel, 
welche  der  Staat  am  8.  Juli  1871  verhängte,  war  die,  dass  die  aus  Katho- 
liken bestehende  besondere  Abtheilung  des  Cultusministeriums  aufgehoben 
wurde,  welche  die  äusseren  Angelegenheiten  der  katholischen  Kirche  be- 
arbeitete, und  dass  in  Zukunft  die  Angelegenheiten  beider  Kirchen  gemein- 
sam in  derselben  Abtheilung  bearbeitet  wurden.  Diese  katholische  Abtheilung 
war  keine  alte  preussische  Einrichtung,  sondern  erst  im  Jahre  1841  durch 
Friedrich  Wilhelm  IV.  geschaffen  worden  und  in  ihrer  Aufhebung  konnte  eine 
gegen  die  katholische  Kirche  gerichtete  Rechtsverletzung  nicht  erblickt  werden. 
Die  ultramontane  Partei  führte  indessen  über  diese  Massregel  heftige  Be- 
schwerde, behauptete,  die  Katholiken  würden  in  ungerechter  Weise  benach- 
theiligt,  und  B.  erwiderte  darauf,  dass  er  in  der  Bildung  des  Centrums  unter 
Windthorsts  Führung  eine  Mobilmachung  der  Katholiken  gegen  den  Staat  er- 
blickt habe. 

Die  zweite  Massregel,  welche  B.  anordnete,  war  der  Erlass  eines  Schul- 
aufsich tsgesetzes,  welches  den  Grundsatz  zur  Durchführung  brachte,  dass 
Jedermann,  der  in  der  Schulaufsicht  thätig  ist,  nur  im  Namen  des  Staates 
handelt  und  vom  Staate  zu  berufen  ist.  Dieses  Gesetz  wird  von  B.  selbst 
mit  Lebhaftigkeit  vertheidigt,  der  darauf  hinwies,  dass  geistliche  Schul- 
inspectoren  in  der  Provinz  Posen  der  Ausbreitung  der  deutschen  Sprache 
Schwierigkeiten   in    den  Weg    gelegt    hatten.     Da    indessen    die   conservative 


Fürst  Bismarck. 


23 


Partei  diesem  Gesetze  feindselig  gegenüberstand,  konnte  der  politisch  und 
kirchlich  hochconservative  Minister  von  Mühler,  der  sich  allerdings  dazu  be- 
quemt hatte,  das  Gesetz  vorzulegen,  nicht  für  den  geeigneten  Mann  erachtet 
werden,  es  durchzuführen.  Er  wurde  am  22.  Januar  1872  durch  den  kirch- 
lich liberalen,  politisch  gemässigten  Falk  ersetzt,  dem  B.  von  da  ab  die 
Kirchenpolitik  im  Wesentlichen  zu  selbstständiger  Bearbeitung  überliess.  Er 
selbst  vertrat  in  wiederholten  Reden  in  sämmtlichen  politischen  Körper- 
schaften die  Forderung,  dass  die  Kirche  sich  den  Staatsgesetzen  unterw'erfe, 
und  versicherte,  dass  »wir  nicht  nach  Canossa  gehen  werden«,  betheiligte  sich 
aber    nicht    an    der  Einzelberathung  der  von  Falk   eingebrachten  Maigesetze. 

Immerhin  galt  er  als  der  Träger  des  zwischen  Staat  und  Kirche  aus- 
gebrochenen Kampfes;  am  13.  Mai  1874  führte  ein  katholischer  Böttcher- 
geselle, namens  Kullmann,  in  Kissingen  einen  Mordanschlag  auf  ihn  aus  und 
verwundete  ihn  leicht  an  der  Hand.  Bei  seiner  Vernehmung  rechtfertigte 
er  sein  Unternehmen  mit  dem  Hinweis  auf  seine  Angehörigkeit  zu  dem 
Centrum  und  auf  die  feindselige  Stimmung,  die  zwischen  diesem  und  dem 
Fürsten  bestehe.  Dies  veranlasste  B.  zu  dem  herben  Vorwurf,  dass  dieser 
Mann  an  den  Rockschössen  des  Centrums  hänge. 

Von  den  Ministern,  welche  B.  in  der  Zeit  des  Conflicts  zur  Seite  ge- 
standen hatten,  hatte  Graf  Friedrich  Eulenburg,  der  Minister  des  Innern  den 
Wunsch,  jetzt,  nachdem  der  Conflict  beendigt  war,  durch  gesetzgeberische 
Reformen  sich  einen  guten  Namen  zu  schaffen  und  brachte  den  Entwurf 
einer  Kreisordnung  ein,  den  er  denn  auch,  nachdem  im  Herrenhause  ein 
Pairsschub  erfolgt  war,  zur  Annahme  brachte.  B.  war  nicht  mit  dem  Herzen 
bei  der  Sache,  Hess  ihn  indessen  gewähren. 

Im  Reichstage  krönte  Delbrück  die  von  ihm  begonnene  wirthschaftliche 
Gesetzgebung  dadurch,  dass  er  das  Bank-  und  das  Münzgesetz  zur  Annahme 
brachte. 

Während  so  Falk,  Eulenburg,  Delbrück  gesetzgeberisch  vorgingen,  war 
die  Theilnahme  B.'s  an  den  inneren  Angelegenheiten  so  schwach  geworden, 
dass  er  am  21.  December  1872  von  dem  Amte  des  Ministerpräsidenten  zurück- 
trat, das  seinem  Freunde,  dem  Kriegsminister  von  Roon  übertragen  wurde. 
Das  Amt  eines  Ministers  der  auswärtigen  Angelegenheiten  behielt  er  bei,  und 
als  Roon  am  9.  December  1873  sich  aus  dem  Dienste  ganz  zurückzog, 
wurde  B.  wieder  Ministerpräsident.  Die  auswärtigen  Angelegenheiten  nahmen 
indessen  fortgesetzt  seine  angestrengteste  Aufmerksamkeit  in  Anspruch.  Es 
war  ihm  gelungen,  zu  Oesterreich  wieder  freundliche  Beziehungen  herzustellen, 
nachdem  Beust  aufgehört  hatte,  Minister  zu  sein.  Im  September  1872  fand 
in  Berlin  die  Zusammenkunft  der  Kaiser  von  Oesterreich  und  von  Russland 
mit  dem  deutschen  Kaiser  statt  und  das  freundschaftliche  Verhältniss  der  drei 
Kaiser  hat  dann  einige  Jahre  lang  die  europäische  Politik  beherrscht. 

Die  Vorgänge  in  Frankreich  mussten  mit  besonderer  Aufmerksamkeit  be- 
obachtet werden.  Seit  Thiers  gestürzt  und  durch  Mac  Mahon  ersetzt  war, 
musste  mit  der  Möglichkeit  eines  monarchischen  Staatsstreiches  in  Frankreich 
gerechnet  werden.  Der  deutsche  Botschafter  in  Paris,  Graf  Harry  Arnim, 
der  sich  für  eine  dem  Fürsten  B.  ebenbürtige  Kraft  hielt,  war  einer  solchen 
Wendung  der  Dinge  zugeneigt,  während  B.  von  der  Ansicht  ausging,  dass  die 
Erhaltung  der  Republik  im  deutschen  Interesse  liege;  da  Arnim  fortdauernd 
Versuche  machte,  die  Politik  seines  Vorgesetzten  zu  kreuzen,  wurde  er  von 
seinem  Posten  abberufen.     Als  sich  herausstellte,  dass  er  einige  Actenstücke, 


24  Fürst  Bismarck. 

die  er  für  sein  persönliches  Eigenthum  hielt  und  die  B.  als  Staatseigenthum 
in  Anspruch  nahm,  nicht  zur  Registratur  abgeliefert  hatte,  wurde  gegen  ihn 
Anklage  wegen  Vergehen  im  Amte  erhoben  und  er  zu  einer  Gefangnissstrafe 
verurtheilt.  Arnim  vertheidigte  sich  durch  einen  Brochurenkrieg,  und  da  er 
hier  Staatsgeheimnisse  verrathen  haben  sollte,  wurde  gegen  ihn  Anklage  wegen 
Landesverraths  erhoben,  und  er,  der  krank  und  flüchtig  w^ar,  in  contumaciam, 
d.  h.  lediglich  auf  die  Anklage  hin  und  ohne  Beweisaufnahme,  zu  längerer 
Zuchthausstrafe  verurtheilt.  Er  ist  bald  im  Auslande  gestorben.  Heute  be- 
steht kein  Zweifel  mehr  darüber,  und  es  ist  durch  B.'s  eigenes  Zugeständniss 
belegt,  dass  zwar  Graf  Arnim  sich  verfehlt  hat,  dass  aber  die  gegen  ihn 
unternommenen  Schritte  über  das  rechte  Mass  hinausgegangen  sind. 

Inzwischen  hatte  sich  bei  einem  Theile  der  conservativen  Partei  ein  sehr 
erheblicher  Groll  gegen  B.  angesammelt.  Selbst  Roon  hatte  die  Gründe  nie 
verstanden,  die  B.  bestimmt  hatten,  sich  mit  der  nationalliberalen  Partei 
freundlich  zu  stellen,  und  hegte  längst  den  Wunsch,  die  conservative  Fahne 
ofifen  aufzuziehen.  Einige  Conservative  nahmen  Anstoss  an  dem  Schul- 
aufsich tsgesetz,  andere  an  der  Kreisordnung  des  Grafen  Eulenburg,  andere 
an  den  wirthschaftlichen  Gesetzen  Delbrücks,  viele  an  allen  drei  Punkten  zu- 
gleich. Die  Freunde  und  Vettern  des  Grafen  Arnim  ärgerten  sich  über  die 
Verfolgung,  die  gegen  diesen  stattgefunden  hatte.  Aus  solchen  Stimmungen 
ging  (ganz  abgesehen  von  unerhörten  Verdächtigungen  in  Winkelblättem) 
eine  Reihe  von  Schmähartikeln  hervor,  die  die  Kreuzzeitung  veröffent- 
lichte, und  die  in  vorsichtigen  Wendungen  gegen  B.  den  Vorwurf  erhoben, 
dass  er  im  Verein  mit  dem  Finanzminister  Camphausen  und  dem  Banquier 
Bleichröder  sich  an  Ereignissen  betheiligt  hätte,  in  denen  eine  starke  Cor- 
ruption  zu  Tage  getreten  war.  B.  wurde  in  heftigen  Zorn  gegen  die  Kreuz- 
zeitung und  die  Deklarantenpartei  versetzt,  aber  diejenigen,  welche  ihn  an- 
gegriffen hatten,  ahnten  nicht,  dass  B.  in  dieser  Zeit  schon  mit  dem  Ge- 
danken beschäftigt  sei,  wie  er  die  Bahnen  verlassen  könne,  auf  denen  er 
bisher  gemeinsam  mit  den  Liberalen  gewandelt  sei. 

Am  25.  April  1876  wurde  die  Welt  durch  die  Nachricht  überrascht,  der 
Präsident  des  Reichskanzleramts  Delbrück  habe  seine  Entlassung  nachgesucht 
und  erhalten.  Gesundheitsrücksichten  wurden  als  Gründe  dieses  Schritts  an- 
gegeben und  Fürst  B.  versicherte  selbst,  keine  anderen  Gründe  zu  kennen. 
Indessen  zeigte  der  weitere  Verlauf  den  >vahren  Zusammenhang.  B.  hatte 
wirthschaftspolitische  Pläne  gefasst,  die  sich  mit  Delbrücks  Ueberzeugungen 
durchaus  nicht  vertrugen.  Dieser  wollte  weder  seine  Ueberzeugungen  ver- 
leugnen, noch  den  aussichtslosen  Versuch  unternehmen,  dem  Fürsten  B.  ent- 
gegenzutreten und  zog  vor,  aus  der  politischen  Laufbahn  abzutreten. 

B.  war  längst  im  Stillen  unzufrieden  mit  allem,  was  auf  dem  Gebiete 
der  inneren  Politik  geschehen  war;  er  war  nur  noch  nicht  mit  sich  einig  ge- 
worden, was  er  an  dessen  Stelle  setzen  solle.  Er  war  unzufrieden  mit  der 
Verwaltungsreform  des  Grafen  Eulenburg.  Dieser  musste  im  Jahre  1877  vom 
Platze  weichen,  und  als  darauf  dessen  Vetter,  Graf  Botho  Eulenburg,  dessen 
Werk  mit  einigen  Modificarionen  fortsetzte,  musste  auch  dieser  das  Feld 
räumen,  nachdem  er  in  einem  sehr  dramatischen  Auftritt  im  Herrenhause 
durch  einen  Rath  B.'s  desavouirt  war. 

Er  war  unzufrieden  mit  der  Haltung  Falks,  theils  weil  dieser  mit  dem 
Bestreben,    den  Clerus    zur  Unterwerfung    zu    bringen,    keinen  Erfolg  gehabt 


Fürst  Bismarck. 


25 


hatte,  theils  auch,  weil  es  zu  Falks  System  gehört  hatte,  die  Civilehe  einzu- 
führen, die  für  B.  nicht  angenehm  war. 

Vor  allen  Dingen  war  er  aber  gründlich  unzufrieden  mit  Delbrück.  Er 
sah  in  der  wirthschaftlichen  Freiheit,  welche  allen  Schöpfungen  Delbrücks 
zu  Grunde  lag,  eine  Schwächung  der  Staatsgewalt,  und  er  wollte  die  Staats- 
gewalt kräftig,  thätig  haben,  wollte  dass  der  Staat,  das  Reich  dazu  beitrage, 
die  Menschen  glücklich  zu  machen,  und  dass  diese  nicht  auf  die  eigne  Kraft 
angewiesen  würden. 

Der  erste  Gedanke,  in  welchem  sich  seine  wirthschaftliche  Richtung 
äusserte,  die  hinfort  an  Stelle  der  Delbrück 'sehen  Wirthschaftspolitik  trat, 
war  der,  sämmtliche  Eisenbahnen  für  das  Reich  zu  erwerben.  Die  unver- 
meidlichen Misstände,  die  im  Eisenbahnwesen  hervorgetreten  waren,  veran- 
lassten ihn,  dem  System  der  Privatbahnen  Vorwürfe  zu  machen  und  die 
Hoffnung  zu  nähren,  dass  das  Reich  die  Eisenbahnen  in  einer  Weise  ver- 
walten könne,  welche  jeden  Grund  zur  Unzufriedenheit  beseitigt.  Indessen 
stiess  er  hier  auf  Widerstand  der  Mittelstaaten,  welche  sich  ihre  Eisenbahnen 
nicht  nehmen  lassen  wollten.  Und  als  er  sich  darauf  beschränkte,  Gesetz- 
entwürfe aufzustellen,  welche  dem  Reiche  eine  erweiterte  Aufsichtsgewalt 
über  die  Eisenbahnen  verleihen  wollten,  stellten  sich  dieselben  Schwierig- 
keiten ein. 

Die  Jahre  1876  und  1877  flössen  ziemlich  ereignisslos  dahin;  die  Reichs- 
politik war  auf  einen  todten  Strang  gerathen.  Die  parlamentarischen  Sessionen 
würden  fast  ganz  ereignisslos  vorübergegangen  sein,  wenn  nicht  eine  längst  vor- 
bereitete Reform  zur  Reife  gekommen  wäre,  bei  welcher  der  politische  Gegen- 
satz einigermassen  zurücktrat.  Es  war  eine  gemeinsame  Gerichtsverfassung 
für  Deutschland  nebst  Civilprocessordnung,  Strafprocessordnung  und  Concurs- 
ordnung  ausgearbeitet  worden,  die  in  der  Herbstsession  1876  des  Reichstages 
angenommen  wurde.  Einige  Beschlüsse,  die  auf  Andrängen  der  liberalen  Partei 
gefasst  waren,  mussten  auf  B.'s  entschiedenen  Widerspruch  wieder  zurück- 
genommen werden. 

Im  Landtage  war  ein  wichtiger  Gesetzentwurf,  den  Graf  Eulenburg  zur 
Ergänzung  der  Verwaltungsreform  eingebracht  hatte,  liegen  geblieben. 

B.  machte  nun  den  Versuch,  die  Politik  wieder  fruchtbarer  zu  gestalten 
dadurch,  dass  er  den  Führer  der  Mehrheit  in  der  Volksvertretung,  Rudolf 
von  Bennigsen,  den  Chef  der  nationalliberalen  Partei,  näher  an  sich  fesseln 
und  in  das  Ministerium  ziehen  wollte.  Er  hatte  ihn  Weihnachten  1877  zu 
sich  nach  Varzin  eingeladen  und  conferirte  dort  mit  ihm.  Bennigsen  beharrte 
darauf,  nicht  allein  in  das  Ministerium  einzutreten,  sondern  verlangte,  dass 
zwei  andere  Nationalliberale,  Stauffenberg  und  Forckenbeck,  gleichfalls  er- 
nannt würden.  An  dieser  Vorfrage  scheiterte  die  Verständigung.  Wenn  auch 
B.  die  Verhandlungen  mit  Bennigsen  nicht  abbrach,  so  berichtete  er  doch  dem 
Kaiser,  dass  sie  ergebnisslos  geblieben  seien. 

Die  Frage,  ob  eine  Grundlage  für  die  materielle  Verständigung  zwischen 
B.  und  den  Nationalliberalen  gefunden  werden  könne,  scheint  in  Varzin  noch 
gar  nicht  zur  Erörterung  gekommen  zu  sein.  Als  einige  Wochen  später 
Fürst  B.  im  Reichstage  erklärte,  das  Tabaksmonopol  sei  sein  Ideal,  musste 
Bennigsen  erkennen,  dass  es  ihm  wohl  unmöglich  gewesen  sein  würde,  an  B.'s 
Seite  zu  wirken. 

Eine  Vorlage  auf  Erhöhung  der  Tabaksteuer,  welche  der  Finanzminister 
Camphausen  gemacht  hatte,  um  den  Ideen  B.'s  entgegenzukommen,    genügte 


2  0  Fürst  Bismarck. 

weder  dessen  Ansprüchen,  noch  fand  sie  den  Beifall  der  liberalen  Partei  und 
führte  zum  Rücktritte  Camphausens,  des  einzigen  Ministers,  dessen  Gedanken- 
kreis mit  dem  der  liberalen  Partei  noch  Berührungspunkte  hatte.  So  war  die 
herrschende  Verwirrung  noch  mehr  gesteigert,  zumal  B.  in  der  nächsten  Zeit 
für  Camphausen  keinen  passenden  Ersatz  finden  konnte  und  sich  zweimal  in 
der  Auswahl  eines  Finanzministers  stark  vergriff. 

Jetzt  traten  nun  fast  gleichzeitig  zwei  Ereignisse  ein,  welche  dem 
Fürsten  B.  erleichterten,  einen  vollständigen  Umschwung  in  seiner  Politik  vor- 
zubereiten, der  Tod  Pius  IX  und  die  beiden  Mordangriffe  gegen  Kaiser 
Wilhelm.  Pius  IX  starb  am  6.  Februar  1878.  Er  hatte  sich  stets  bemüht, 
dem  Kampfe  zwischen  Staat  und  Kirche  die  möglichste  Schärfe  zu  geben. 
Seine  Charaktereigenthümlichkeiten  hätten  jedem  Versuche  zu  einem  Aus- 
gleich, zur  Versöhnung,  im  Wege  gestanden.  Mit  seinem  Nachfolger  konnte 
man  wenigstens  den  Versuch  anstellen,  durch  gegenseitige  fortschreitende 
Nachgiebigkeit  zu  einem  Ausgleich  zu  gelangen,  bei  welchem  der  Anschein 
vermieden  wurde,  als  hätte  ein  Theil  sich  dem  anderen  bedingungslos  unter- 
worfen. Solche  Versuche  wurden  in  vorsichtiger,  tastender  Weise  angestellt, 
ohne  schnell  zu  einem  Resultat  zu  fuhren. 

Am  II.  Mai  1878  schoss  ein  verkommener  Bursche,  namens  Hoedel,  in 
Berlin  auf  den  Kaiser  Wilhelm,  ohne  ihn  zu  verletzen.  B.,  der  sich  in 
Friedrichsruh  befand,  telegraphirte  von  dort  her,  es  sollten  Massregeln  gegen 
die  Socialdemokratie  getroffen  werden.  Ein  Zusammenhang  zwischen  Hoedel 
und  der  socialdemokratischen  Partei  war  freilich  nicht  festzustellen.  Hoedel 
selbst  hatte  sich  als  Anarchist  bekannt,  hatte  aber  doch  auch  mit  Conven- 
tikeln,  die  einen  christlich-socialen  Charakter  zur  Schau  trugen,  in  Verbindung 
gestanden.  Andererseits  war  freilich  nicht  zu  verkennen,  dass  die  social- 
demokratische  Presse  eine  masslose  Sprache  führte,  die  auf  unklare  Köpfe 
eine  sehr  schädliche  Wirkung  ausüben  musste. 

Schon  nach  einigen  Tagen  wurde  ein  Gesetzentwurf  im  Reichstage  ein- 
gebracht, der  der  Regierung  discretionäre  Befugnisse  gegen  social  demokratische 
Presse  und  Vereine  gab.  Der  Reichstag  lehnte  ihn  ab,  hauptsächlich  aus 
dem  Grunde,  weil  dieser  Gesetzentwurf  übereilt  ausgearbeit  war  und  viele 
Schwächen  aufwies.  Am  2.  Juni  1878  erfolgte  ein  zweiter  Mordangriff  auf 
Kaiser  Wilhelm,  der  zu  einer  schweren  Verwundung  führte,  die  das  Leben 
des  Kaisers  lange  Zeit  in^  Gefahr  schweben  Hess.  Bei  dem  Urheber  dieses 
Angriffes,  namens  Nobiling,  war  ein  Zusammenhang  mit  der  socialdemokra- 
tischen Partei  noch  weniger  nachzuweisen,  als  bei  Hoedel;  er  war  ein  miss- 
rathener  Sohn  aus  guter  Familie,  dem  der  Versuch  missglückt  war,  sich  eine 
Existenz  zu  schaffen. 

B.  wartete  nun  nicht  ab,  ob  der  Reichstag  unter  den  veränderten  Um- 
ständen bereit  sein  würde,  einen  neuen  Entwurf  zu  einem  Socialistengesetz 
anzunehmen,  sondern  empfahl  auf  die  erste  Nachricht  von  diesem  erneuerten 
Mordanfall  hin,  den  Reichstag  aufzulösen  und  drang  mit  diesem  Vorschlage 
durch. 

Ganz  unzweifelhaft  war  es  seine  Absicht,  eine  vollständig  veränderte  Zu- 
sammensetzung des  Reichstages  herbeizuführen.  Seit  zehn  Jahren  war  das 
Verhältniss  so  gewesen,  dass  die  nationalliberale  Partei  stets  das  Zünglein  an 
der  Wage  in  der  Hand  hielt.  Sie  konnte  mit  den  Conservativen  zusammen  eine 
Mehrheit  gegen  die  Fortschrittspartei  oder  mit  der  Fortschrittspartei  eine 
Mehrheit   gegen    die  Conservativen  bilden.     Das  Centrum,  welches  sich  stets 


Fürst  Bismarck.  27 

in  der  Opposition  befand,  konnte  doch  dieser  die  Mehrheit  nicht  verschaffen. 
Nun  hatte  freilich  die  nationalliberale  Partei  sich  in  allen  wichtigen  Punkten 
dem  nachdrücklich  ausgesprochenen  Wunsche  des  Fürsten  stets  getügt,  aber 
oft  erst  nach  harten  Kämpfen,  »zwischen  der  zweiten  und  dritten  Lesung«. 
Und  dieses  Verhältniss  hatte  ihn  endlich  ungeduldig  gemacht;  er  ersehnte 
sich  die  Möglichkeit,  eine  Mehrheit  auch  ohne  die  Nationalliberalen  zu  haben. 
Dazu  konnte  ihm  das  Centrum  verhelfen,  wenn  er  ihm  einerseits  in  kirchen- 
politischer Beziehung  entgegenkam,  und  andererseits  auf  nicht  kirchlichem 
Gebiete  Vorschläge  machte,  fiir  welche  er  bei  den  Mitgliedern  des  Centrums 
grössere  Geneigtheit  erhoffen  durfte,  als  bei  den  Nationalliberalen. 

Die  Neuwahlen  vom  30.  Juli  1878  vernichteten  die  ausschlaggebende 
Stellung  der  National  liberalen  im  Reichstage;  im  folgenden  Jahre  ging  sie 
auch  im  Abgeordnetenhause  zu  Grunde,  ohne  jemals  wieder  hergestellt  zu 
w^erden. 

Der  neugewählte  Reichstag  nahm  das  von  der  Regierung  ihm  vorgelegte 
Gesetz,  betreffend  die  gemeingefährlichen  Bestrebungen  der  Socialdemokratie, 
an  und  wurde  alsdann  entlassen. 

Inzwischen  waren  nun  die  neuen  politischen  und  wirthschaftspolitischen 
Ansichten  des  Fürsten  B.,  mit  denen  er  sich  Jahre  lang  im  Stillen  getragen 
hatte,  gereift  und  fanden  ihren  concentrir testen  Ausdruck  in  einem  Schreiben 
an  den  Bundesrath  vom  15.  December  1878,  dem  sogenannten  Weihnachtsbrief. 

Der  Gesichtspunkt,  der  für  ihn  in  der  ersten  Linie  stand,  war  die  Ver- 
mehrung der  Mittel  des  Reiches.  Zu  einem  grossen  Theile  wurden  die  Be- 
dürfnisse des  Reichs  durch  Matrikularbeiträge  aufgebracht,  die  von  den  ein- 
zelnen Staaten  eingezogen  wurden.  Das  sollte  aufhören;  das  Rei6h  sollte 
seine  Mittel  selbst  aufbringen.  Es  sollte  sie  aber  nicht  in  knappem  Masse 
aufbringen,  sondern  sie  sollten  ihm  so  reichlich  zufliessen,  dass,  falls  Bedürf- 
nisse geltend  gemacht  wurden,  triumphirend  darauf  hingewiesen  werden 
konnte,  das  Geld  sei  da.  Die  Stärke  der  Regierung  gegenüber  dem  Parla- 
ment beruht  darin,  dass  die  Geldbewilligungsmacht  des  Parlaments  nie  fühl- 
bar ^"ird. 

Das  nächste  Mittel,  um  dem  Reich  erhöhte  Einnahmen  zu  verschaffen, 
war  die  Erhöhung  der  Zölle,  also  die  Preisgebung  des  Freihandelssystems, 
die  Rückkehr  zum  Schutzzoll,  mit  der  Massgabe,  dass  auch  die  landwirth- 
schaftlichen  Erzeugnisse  der  Zollpfiicht  unterliegen. 

Ursprünglich  hatte  B.  einen  Plan  in  Reden  angedeutet  und  in  Zeitungs- 
artikeln durch  Lothar  Bucher  genauer  ausfuhren  lassen,  nach  welchem  ein 
ganz  neues  System  der  Zölle  in  das  Leben  gerufen  werden  sollte.  Alle 
Waaren  ohne  Ausnahme  sollten  zollpflichtig  sein;  alle  sollten  einem  Werth- 
zoU  von  der  gleichen  procentualen  Höhe  unterliegen.  Doch  er  liess  diesen 
Gedanken  sehr  bald  fallen  und  Herr  von  Varnbüler,  der  frühere  württem- 
bergische Minister  und  Preussenfeind,  erhielt  den  Auftrag,  einen  neuen  Zoll- 
tarif auszuarbeiten,  und  erfüllte  diesen  Auftrag  zwar  zu  B.'s  Zufriedenheit, 
aber  doch  nach  dem  Schema,  das  in  Deutschland  von  jeher  üblich  ge- 
w^esen  war. 

Um  die  freudige  Mitarbeit  des  Centrums  für  diesen  Zolltarif  zu  gewinnen, 
war  es  nothwendig,  dass  Falk  von  seinem  Amte  zurücktrat  und  einem  Minister 
Platz  machte,  der  durch  seine  Antecedentien  nicht  verhindert  war,  die  kirchen- 
politischen Gesetze,  die  in  den  letzten  Jahren  erlassen  waren,  rückgängig  zu 
machen.     Die  Verhandlungen,   die    inzwischen    durch  verschiedene   Cardinäle 


28  Fürst  Bismarck. 

mit  der  römischen  Curie  gepflogen  waren,  Hessen  erkennen,   dass   es  möglich 
sein  würde,  mit  dem  Papst  Leo  zu  einer  Verständigung  zu  gelangen. 

Falks  Stellung  dem  Kaiser  gegenüber  war  schon  seit  langer  Zeit  eine 
so  schwierige  geworden,  dass  es  sich  fiir  ihn  von  selbst  verstand,  seinen  Ab- 
schied einzureichen,  sobald  er  empfand,  dass  er  damit  dem  Fürsten  B.  ge- 
fällig sei. 

So  wurde  denn  im  Juli  1879  ^^^  neue  Zolltarif  berathen  und  an- 
genommen. Windthorst  fungirte  als  Referent;  der  zweite  Führer  des  Centrums, 
Freiherr  von  Franckenstein,  brachte  einen  Antrag  ein,  der  gewisse  »constitu- 
tionelle  und  föderalistische  Garantieen«  forderte  und  von  der  Regierung  gern 
genehmigt  wurde.  Forckenbeck  räumte  den  Präsidentenstuhl  des  Reichstages, 
der  seither  nie  wieder  mit  einem  Liberalen  besetzt  wurde.  Das  Präsidium 
ging  in  conservative  Hände  über,  um  später  dem  Centrum  zuzufallen.  So 
gründlich  hatten  sich  alle  Verhältnisse  geändert. 

"Während  auf  dem  Gebiete  der  inneren  Politik  sich  dieser  wichtige  Um- 
schwung vollzog,  waren  auch  auf  dem  Gebiete  der  auswärtigen  Politik  be- 
deutende Dinge  vorgegangen.  Auf  dem  Balkan  war  es  zum  Kriege  zwischen 
Russland  und  der  Türkei  gekommen ;  nach  manchen  Wechselfällen  war  Russ- 
land siegreich  geblieben  und  versuchte  nun  der  Türkei  Friedensbedingungen 
zu  diktiren,  welche  in  England  Anstoss  erregten.  B.  zeigte  sich  als  »ehrlicher 
Makler <.,  um  den  Frieden  aufrecht  zu  erhalten,  gab  Anlass,  dass  der  Berliner 
Congress  vom  13.  Juni  bis  13.  Juli  1878  zusammentrat  und  präsidirte  diesem. 
Das  Ergebniss  dieses  Congresses  gereichte  dem  russischen  Kanzler  Gortschakoft 
zur  höchsten  Unzufriedenheit  und  er  gab  dem  Fürsten  B.  Schuld,  dass  dieser 
die  rus^schen  Forderungen  zu  Falle  gebracht  habe.  Wenige  Jahre  vorher 
hatte  Gortschakoff  bereits  der  preussischen  Politik  dadurch  geschadet,  dass 
er  in  völlig  unbegründeter  Weise  die  Nachricht  verbreitete,  lediglich  sein 
Einschreiten  habe  es  verhütet,  dass  Deutschland  Frankreich  mit  einem 
kriegerischen  Einfall  überrascht  habe.  B.  selbst  bezeichnet  das  Verhalten 
GortschakofFs  als  ein  unehrliches,  aus  Eitelkeit  und  Neid  entspringendes. 
Immerhin  trug  dasselbe  dazu  bei,  das  Verhältniss  zwischen  Russland  und 
Deutschland,  das  B.  stets  zu  pflegen  versucht  hatte,  zu  trüben.  Und  als  im 
Jahre  1879  ^^ar  Alexander  an  den  Kaiser  Wilhelm  Schreiben  gerichtet  hatte, 
aus  denen  versteckte  Kriegsdrohungen  für  einen  gewissen  Fall  herausgelesen 
werden  konnte,  suchte  B.  nahen  Anschluss  an  Oesterreich  und  fand  dabei 
das  willigste  Entgegenkommen  des  Grafen  Andrassy.  Er  begab  sich  selbst 
nach  Wien  und  schloss  dort  einen  Allianzvertrag  ab,  der  in  ganz  Deutschland 
mit  Jubel  aufgenommen  wurde,  zu  welchem  er  aber  die  Unterschrift  des 
Kaisers  Wilhelm  erst  erlangen  konnte,  nachdem  er  die  Kabinetsfrage  ge- 
stellt hatte. 

In  den  nun  folgenden  Jahren  wurde  der  Friede  zwischen  dem  Staate 
und  der  katholischen  Kirche  allmählich  hergestellt.  Es  ergingen  zu  diesem 
Zwecke  nach  einander  fünf  kirchenpolitische  Gesetze.  Erst  in  den  Jahren 
1886  und  1887  griß"  B.  persönlich  in  den  Kampf  ein,  um  auszuführen,  dass 
kein  staatliches  Hoheitsrecht  preisgegeben  worden  sei. 

An  wirthschaftspolitischen  Debatten  betheiligte  sich  B.  fortan  häufiger, 
als  früher  der  Fall  gewesen  war,  stets  in  dem  Sinne,  dass  er  die  Richtung, 
die  unter  Delbrück  verfolgt  worden  war,  als  eine  verkehrte  bezeichnete.  Um 
seinen  Bestrebungen  grösseren  Nachdruck  zu  geben,  übernahm  er  am  15.  Sep- 
tember 1880    das  Portefeuille   für  Handel    und  Gewerbe    zu    seinen    übrigen 


Fürst  Bismarck.  20 

Aemtern.  Die  Schutzzölle  wurden  wiederholt  verschärft,  mit  dem  Versuche 
ein  umfangreiches  Monopol  einzuführen,  scheiterte  B.  indessen  zweimal.  Im 
Jahre  1882  lehnte  der  Reichstag  mit  276  gegen  43  Stimmen  das  Tabaks- 
monopol und  im  Jahre  1886  das  Spiritusmonopol  ab.  Die  Gewerbefreiheit 
wurde  im  Einzelnen  durch  eine  grosse  Anzahl  von  Novellen  zur  Gewerbe- 
ordnung beschränkt;  in  privaten  Aeusserungen  zeigte  sich  B.  den  Wünschen 
der  entschiedensten  Zünftler  zuweilen  günstig,  ohne  indessen  je  eine  bestimmte 
Verpflichtung  zu  übernehmen. 

Gleichzeitig  mit  seinem  ersten  Eintreten  für  den  Erlass  eines  Socialisten- 
gesetzes  hatte  B.  auch  angekündigt,  den  berechtigten  Forderungen  der  Ar- 
beiter müsse  Abhülfe  zu  Theil  werden.  Man  konnte  gespannt  sein,  in  welcher 
Weise  er  dieses  Wort  einlösen  werde.  Zur  Zeit  des  Verfassungsconflicts  hatte 
er  Lassalle  freundschaftlich  empfangen  und  seine  Agitation  wohl  auch  in  der 
Hofl&iung  begünstigt,  dass  sie  der  Fortschrittspartei  Abbruch  thun  würde. 
Er  hatte  im  Jahre  1864  für  unzufriedene  Arbeiter  in  Schlesien  gegen  ihren 
Arbeitsgeber  mit  der  Begründung  Partei  genommen,  dass  die  Könige  von 
Preussen  nicht  nur  Könige  der  Reichen,  sondern  auch  Könige  der  Armen  seien. 

Jetzt  nun,  wo  es  darauf  ankam,  ein  bestimmtes  socialpolitisches  Programm 
zu  formuliren,  nahm  er  in  dasselbe  die  Errichtung  von  Hülfskassen  für  die 
Arbeiter  in  Fällen  der  Krankheit,  der  Verunglückung,  Altersschwäche  oder 
Arbeitsunfähigkeit  in  das  Auge.  Mit  so  grossem  Eifer  er  dieses  Ziel  verfolgte, 
so  ablehnend  verhielt  er  sich  gegen  fast  alle  anderen  Vorschläge,  die  im 
Interesse  der  Arbeiter  vorgebracht  wurden. 

Er  war  kein  Freund  der  Fabrikgesetze;  den  Fabrikinspektor  sah  er  in 
seinen  eigenen  Fabriken  ungern.  Beschränkungen  der  Frauen-,  Kinder-,  Nacht-, 
und  Sonntagsarbeit  standen  schon  in  der  Gewerbeordnung.  Ausdehnungen 
dieser  Beschränkungen  waren  ihm  unerwünscht  und  in  den  drei  letzten  Jahren 
seiner  Amtsthätigkeit  Hess  er  einen  Gesetzentwurf,  der  von  allen  Parteien  des 
Hauses  gebilligt  wurde,  dreimal  an  seinem  Veto  scheitern.  Derartige  Be- 
schränkungen erregten,  wie  er  behauptete,  nur  Unzufriedenheit.  Viel  näher 
lag  ihm  der  Gedanke,  dass  man  den  Arbeitern  am  besten  helfen  könne,  wenn 
man  den  Arbeitgebern  so  wirksam  hülfe,  dass  sie  im  Stande  seien,  reichlich 
Arbeitsgelegenheit  und  Lohn  zu  gewähren. 

Den  Plan  aber,  Hülfskassen  zu  gründen,  verfolgte  er  mit  grosser  Beharr- 
lichkeit. Im  Jahre  1881  wurde  ein  Gesetzentwurf  über  die  Versicherung  von 
Arbeitern  gegen  Unfälle  schnell  ausgearbeitet  und  durch  den  Reichstag  ge- 
trieben. Nachdem  er  vom  Reichstage  angenommen  war,  hatte  B.  selbst  Be- 
denken gegen  die  Zweckmässigkeit  in  der  vorgelegten  Form  und  die  Ver- 
kündigung unterblieb.  In  der  Thronrede  vom  17.  November  1881  wurde 
aber  die  Aufgabe  für  die  nächsten  Jahre  dahin  formulirt,  das  gewerbliche 
Krankenwesen  gleichmässig  zu  regeln,  die  Arbeiter  gegen  Betriebsunfälle  zu 
versichern  -und  denen,  welche  durch  Invalidität  und  Alter  erwerbsunfähig 
werden,  höhere  Fürsorge  zu  Theil  werden  zu  lassen.  Das  Krankenkassen- 
versicherungsgesetz kam  am  15.  Juni  1883,  das  Unfallversicherungsgesetz  am 
6.  Juli  1884,  das  Alters-  und  Invaliditätsgesetz  am  22.  Juni  1889  zu  Stande. 
Der  hervorragende  Volkswirth  Schmoll  er  nennt  die  Urheberschaft  dieser  Ge- 
setze die  unsterbliche  That  im  Leben  B.'s.  Eine  Einstimmigkeit  des  Urtheils 
in  dieser  Beziehung  ist  bisher  noch  nicht  erzielt. 

Zu  einem  vollen  und  schnellen  Erfolge  brachte  es  ein  anderes  wirth- 
schaftliches  Unternehmen  B.'s.     Sein  Plan,  vom   Reiche    aus    auf   eine    neue 


30 


Fürst  Bismarck. 


Gestaltung  des  Eisenbahnwesens  zu  wirken,  war  gescheitert.  Schnell  ent- 
schlossen setzte  B.  ein  anderes  Project  an  die  Stelle.  Er  wollte  die  preussi- 
schen  Privatbahnen  für  den  Staat  en^'erben.  Hauptgesichtspunkt  war  dabei 
der,  dass  die  Festsetzung  der  Tarife  in  die  Hände  des  Staats  fiele,  der  dabei 
die  Wünsche  der  einzelnen  Klassen  von  Producenten  und  Consumenten  nach 
seinem  Ermessen  berücksichtigen  könne.  Die  preussische  Bureaukratie  setzte, 
in  Aufrechterhaltung  alter  Traditionen,  diesem  Plane  nachher  sehr  lang  einen 
stillen,  aber  zähen  Widerstand  entgegen,  bis  es  B.  gelang,  am  31.  März  1878 
in  Maybach  einen  Minister  des  Eisenbahnwesens  zu  finden,  der  den  Willen, 
die  Fähigkeit  und  die  Energie  hatte,  auf  die  Gedanken  B.'s  einzugehen,  und 
der  denn  auch  in  erstaunlich  kurzer  Zeit  die  Verstaatlichung  der  Eisenbahnen 
durchführte. 

Im  Jahre  1881  betrieb  B.  plötzlich  den  Anschluss  der  Hansestädte 
Hamburg  und  Bremen,  die  ein  verfassungsmässiges  Recht  auf  eine  Freihafen- 
stellung hatten,  an  den  Zollverein.  Er  bedrohte  Hamburg  damit,  die  Elbe 
zu  sperren,  die  nicht  zu  seinem  Gebiete  gehöre  und  zwang  es  so  schnell  zur 
Nachgiebigkeit.  Dann  aber  Hess  er  beiden  Städten  reichlich  Mittel  von 
Reichswegen  bev^dlligen,  die  ihnen  den  Uebergang  in  die  neuen  Verhältnisse 
erleichterten. 

Vom  Jahre  1884  wurde  die  Colonialpolitik  in  die  Pläne  des  Fürsten  B. 
aufgenommen.  Schon  im  Jahre  1880  hatte  er  eine  Vorlage  gemacht,  um 
dem  Reiche  eine  Garantie  zu  Gunsten  einer  in  Samoa  arbeitenden  Handels- 
gesellschaft aufzuerlegen.  Diese  Vorlage  hatte  noch  mit  colonialen  Plänen 
nicht  das  Geringste  zu  thun;  es  war  keine  territoriale  Erwerbung,  keine 
deutsche  Schutzherrschaft  in  das  Auge  gefasst.  Es  handelte  sich  lediglich 
um  die  Aufrechterhaltung  einiger  geschichtlicher  Unternehmungen,  die  übrigens 
über  Wasser  gehalten  wurden,  obwohl  ihnen  die  Reichsunterstützung  versagt 
wurde.  Aber  es  konnte  nicht  ausbleiben,  dass  das  pro  und  contra  einer 
Colonialpolitik  gelegentlich  erörtert  wurde.  Der  Reichstag  verwarf  diese 
Vorlage. 

Inzwischen  bereitete  sich  eine  lebhafte  litterarische  Bewegung  für  die 
Erwerbung  von  Colonieen  durch  Deutschland  vor.  Einige  hanseatische  Kauf- 
leute, die  an  der  afrikanischen  Westküste  in  Gegenden,  die  noch  von  keinem 
anderen  Culturstaate  in  Besitz  genommen  worden  waren,  Niederlassungen  be- 
gründet hatten,  verlangten  den  Schutz  des  deutschen  Reiches. 

B.  erklärte,  dass  er  für  Colonien  und  Colonialpolitik  keineswegs  be- 
geistert sei,  dass  er  indessen  kein  Recht  zu  haben  glaube,  seinen  Schutz 
deutschen  Reichsangehörigen  zu  versagen.  Er  entwickelte  seine  Ansichten 
dahin,  dass  es  in  erster  Linie  die  Aufgabe  der  Kaufleute,  der  »Königlichen 
Kaufleute«  sei,  die  Colonien  zu  verwalten,  und  dass  der  Staat  nur  seinen 
Schutz  zu  spenden  habe.  Thatsächlich  kommen  aber  die  für  die  Colonien 
getroffenert  Einrichtungen  darauf  hinaus,  dass  eine  Verwaltung  nach  ziemlich 
bureaukratischem  Schema  eingerichtet  wird.  Was  Kamerun,  Togo  und  Süd- 
westafrika anbelangt,  so  ist  es  richtig,  dass  der  Kaufmann  sich  dort  früher 
ansässig  gemacht  hatte,  als  der  Beamte.  Dagegen  wird  man  in  der  Annahme 
nicht  fehl  gehen,  dass  Deutsch-Ostafrika  und  Neu-Guinea  auf  eine  directe  An- 
regung B.'s  hin  besiedelt  worden  sind. 

Im  Anschluss  an  die  Colonialpolitik  kam  eine  Einrichtung  zu  Stande,  der 
zufolge  Postdampfer  nach  Afrika,  Ostasien  und  Australien  eine  Unterstützung 
aus  Reichsmitteln  erhielten.     Auch  die  Karolineninseln   sollten    theilweise   als 


Fürst  Bismarck.  ^l 

deutsche  Colonien  in  Besitz  genommen  werden ;  das  führte  indessen  zu  einem 
entrüsteten  Proteste  Spaniens,  welches  ältere  Rechte  an  den  Karolinen  zu 
besitzen  vermeinte.  B.  hatte  nicht  die  Absicht,  es  zu  einem  ernsthaften  Kon- 
flikte mit  Spanien  kommen  zu  lassen.  Er  schlug  vor,  den  Papst  als  Schieds- 
richter in  dieser  Frage  anzunehmen,  in  der  sicheren,  durch  den  Erfolg  be- 
stätigten Aussicht,  dass  dessen  Spruch  zu  Ungunsten  Deutschlands  fallen  würde. 

Die  letzte  Gruppe  von  Gesetzen,  zu  denen  Bismarck  die  Initiative  ergriff, 
waren  die  Polengesetze  im  Jahre  1886.  Seit  seinem  ersten  politischen  Auf- 
treten hatte  B.  stets  an  der  Ueberzeugung  festgehalten,  dass  alle  unlauteren 
Ansprüche  der  Polen  mit  grosser  Strenge  unterdrückt  werden  müssten.  Er 
machte  den  Vorschlag,  dass  hundert  Millionen  Mark  verwendet  werden  sollten, 
um  polnische  Güter  anzukaufen  und  sie  mit  deutschen  Bauern  zu  besiedeln. 
Er  drang  auch  mit  diesem  Vorschlage  durch;  es  schlössen  sich  einige  andere 
Cresetze  an,  betreffend  Einrichtung  von  deutschen  Fortbildungsschulen  in  der 
Provinz  Posen  und  Aehnliches. 

Am  I.  April  1885  hatte  B.  seinen  siebzigsten  Geburtstag  gefeiert  und 
ungewöhnliche  Ehrungen  seitens  des  Kaisers,  der  Fürsten  und  aus  der  Mitte 
des  Volkes  erhalten.  Aus  einer  Sammlung,  die  veranstaltet  worden  war,  wurde 
Schönhausen,  das  alte  Stammgut  der  B. 'sehen  Familie,  das  nach  dem  Tode 
des  Vaters  hatte  veräussert  werden  müssen,  wieder  angekauft  und  dem  Fürsten 
tibergeben.  Eine  Summe  von  1 74  Million  Mark  wurde  ihm  zur  Verwendung 
für  gemeinnützige  Zwecke  überreicht,  und  er  begründete  damit  eine  Stiftung 
zur  Unterstützung  von  Kandidaten  des  höheren  Lehrfachs.  Die  zweite  Hälfte 
des  Jahres  1886  brachte  über  Europa  mancherlei  Unruhen.  Deutschland 
konnte  denselben  ohne  grössere  Besorgnisse  entgegen  sehen.  Das  Verhältniss 
zu  Oesterreich  war  unverändert  ein  inniges  geblieben;  im  Jahre  1883  hatte 
sich  Italien  angeschlossen  und  so  war  der  Dreibund  zu  Stande  gekommen. 
Der  italienische  Ministerpräsident  Crispi  hatte  sich  als  eine  besondere  Stütze 
dieses  Dreibundes  gezeigt  und  seiner  Verehrung  und  Freundschaft  fiir  B.  da- 
durch Ausdruck  gegeben,  dass  er  ihm  wiederholt  in  Friedrichsruhe  Besuche 
abstattete.  Trotzdem  blieb  B.  in  jeder  Weise  bemüht,  ein  gutes  Verhältniss 
zu  Russland  aufrecht  zu  erhalten.  Wie  es  mit  den  russenfreundlichen  Schritten 
und  Gesinnungen  B.'s,  auf  die  er  selbst  wiederholt  nachdrücklich  hingewiesen 
hat,  zu  vereinigen  ist,  dass  er  der  Reichsbank  untersagte,  russische  Papiere 
zu  lombardiren,  ist  bisher  nicht  aufgeklärt.  Jedenfalls  zeigte  sich  seine  gute 
Gesinnung  für  Russland  im  hellsten  Lichte,  als  am  20.  August  1886  der  Fürst 
Alexander  von  Bulgarien  vertrieben  und  zum  Rücktritt  veranlasst  wurde.  Die 
officiöse  Presse  stellte  sich  nicht  allein  sachlich  auf  die  Seite  der  Gegner  des 
Bulgarenfürsten,  sondern  wollte  ihm  auch  keine  menschliche  Theilnahme  zu- 
billigen. 

Ein  anderes  Ereigniss,  welches  in  das  Jahr  1886  fällt,  ist  die  Uebemahme 
des  französischen  Kriegsministeriums  durch  den  General  Boulanger,  der  kaum 
ein  Geheimniss  daraus  machte,  dass  er  auf  einen  Krieg  mit  Deutschland  hinarbeite. 
Dem  Reichstage  wurde  bei  seinem  Zusammentritt  im  Spätherbst  eine  Vorlage 
gemacht,  durch  welche  eine  erhebliche  Vermehrung  der  Friedenspräsenzstärke 
für  einen  siebenjährigen  Zeitraum  gefordert  wurde.  Der  Reichstag  war  bereit, 
>jeden  Mann  und  jeden  Groschen«  auf  die  Zeit  von  drei  Jahren  zu  bewilligen. 
B.  erklärte  indessen,  an  der  Forderung  für  sieben  Jahre  müsse  festgehalten 
werden,  damit  der  Wille  des  Reichstages  nicht  über  den  Willen  des  Kaisers 
gesetzt  werde.    Da  der  Reichstag  dabei  blieb,  das  Septennat  abzulehnen,  wurde 


32 


Fürst  Bismarck. 


er  aufgelöst.  Für  die  Neuwahlen  schlössen  Conservative  und  Nationalliberale 
ein  Kartell  mit  einander  ab,  welches  die  Folge  hatte,  dass  sie  zusammen  eine 
Mehrheit  bildeten,  gegen  welche  das  Centrum  nicht  aufkommen  konnte. 

Auf  den  Ausfall  der  Wahlen  hatte  die  w^eit  verbreitete  Besorgniss  mit 
eingewirkt,  dass  es  zu  einem  kriegerischen  Zusammenstosse  mit  Frankreich 
kommen  w^erde.  Nach  dem  Ausfall  der  Wahlen  zerstreuten  sich  die  Besorg- 
nisse sehr  schnell.  Der  Umstand,  dass  ein  französischer  Polizeibeamter,  der 
sich  in  landesverräthische  Umtriebe  gegen  Deutschland  eingelassen  hatte, 
auf  deutschem  Boden  verhaftet  wurde,  hätte  wohl  einen  Conflict  herbei- 
führen können,  wenn  nicht  B.  ihm  den  völkerrechtlichen  Satz  hätte  zu  Gute 
kommen  lassen,  dass  ein  Beamter  unter  Umständen  auf  dem  Boden  des 
Nachbarstaates  die  Wohlthat  des  freien  Geleits  geniesst. 

Noch  blieb  als  ein  beklemmender  Umstand  die  Thatsache  zurück,  dass 
der  w^ortkarge  menschenscheue  Czar  Alexander  ein  heftiges  Misstrauen  gegen 
Deutschland  zur  Schau  trug.  Bei  einer  persönlichen  Zusammenkunft  in  Berlin 
gelang  es  B.  indessen,  dieses  Misstrauen  zu  zerstreuen,  indem  er  den  Beweis 
führte,  dass  der  Czar  durch  gefälschte  Depeschen  über  die  Haltung  der  deut- 
schen Politik  getäuscht  sei. 

In  der  darauf  folgenden  Session  wurde  ein  Gesetz  vorgelegt,  welches  die 
Wehrpflicht  ausdehnte  und  B.  rechtfertigte  es  am  6.  Februar  1888  in  einer 
Rede,  die  vielleicht  die  bedeutendste  ist,  die  er  je  gehalten  hat.  In  einem 
historischen  Rückblicke  auf  vierzig  Jahre  setzte  er  auseinander,  dass  Kriegs- 
gefahr eigentlich  in  jedem  Augenblicke  vorhanden  ist,  dass  aber  diese  Gefahr 
in  den  meisten  Fällen  überwunden  werden  kann.  Nicht  die  augenblickliche 
Gefahr,  sondern  die  allgemeine  Lage  Europas  dränge  dazu,  den  Schatz  von 
Wehrkraft,  der  im  Volke  liegt,  nutzbar  zu  machen.  »Wir  Deutschen  furchten 
Gott  und  sonst  Niemand«. 

Am  9.  März  starb  Kaiser  Wilhelm,  91  Jahre  alt;  ihm  folgte  Kaiser 
Friedrich,  56  Jahre  alt,  als  schon  ein  dem  Tode  verfallener  Mann.  Er  litt 
am  Kehlkopfkrebs;  ein  Luftröhrenschnitt  hatte  ihm  die  Möglichkeit  gegeben, 
Athem  zu  holen,  aber  ihn  der  tönenden  Stimme  beraubt.  Er  weilte  an  der 
Küste  des  mittelländischen  Meeres,  machte  sich  aber  sofort  durch  tiefen  Schnee 
auf  die  Reise,  um  seiner  Monarchenpflicht  zu  genügen. 

Kaiser  Friedrich  hatte  sich  in  jungen  Jahren  wiederholt  in  scharfem 
Gegensatz  zu  B.  befunden;  er  hatte  die  octroyirten  Pressverordnungen  von 
1863  hart  getadelt;  er  hatte  sich  dem  Kriege  mit  Oesterreich  widersetzt. 
Andererseits  hatte  er  sich  auch  B.  wiederholt  hülfreich  erwiesen.  Er  hatte 
bei  Nikolsburg  zwischen  dem  Kaiser  und  B.  vermittelt.  Inzwischen  hatte  er 
sich  wohl  längst  an  den  Gedanken  gewöhnt,  nach  dem  Tode  seines  Vaters 
B.  als  Berather  beizubehalten.  Und  seit  seiner  schweren  Erkrankung  konnte 
ihm  nicht  wohl  ein  anderer  Gedanke  aufkommen.  Auch  die  Gemahlin  des 
Kaisers,  ehemals  Prinzessin  Victoria,  hatte  wohl  einst  als  Gegnerin  B.'s  ge- 
golten, aber  auch  sie  hatte  längst  ihren  Frieden  mit  ihm  gemacht. 

Die  erste  Begegnung  zwischen  dem  neuen  Kaiserpaare  und  dem  Kanzler 
hatte  sich  unter  den  freundlichsten  Aspecten  vollzogen.  Sehr  bald  aber  wusste 
ein  Theil  der  Presse  von  Conflicten  zu  berichten.  Kaiserin  Friedrich  soll  die 
Absicht  gehabt  haben,  ihre  zweite  Tochter  mit  dem  entthronten  Fürsten  von 
Bulgarien  zu  vermählen;  B.  soll  Gegenvorstellungen  gemacht  und  durch  Ein- 
reichung eines  Abschiedsgesuchs  unterstützt  haben.  Dass  das  Heirathsproject 
bestanden    hat,    wird  richtig  sein,   wenn  es  auch  nie  in  amtlicher  Weise  be- 


Fürst  Bismarck. 


33 


städgt  worden  ist.  Aber  höchst  wahrscheinlich  war  dieses  Project  schon  auf- 
gegeben, als  die  erste  Kunde  davon  in  die  Oeffentlichkeit  gelangte,  so  dass 
der  Anlass  zu  der  heftigen  Pressfehde,  die  sich  entwickelte,  nicht  aufgeklärt 
ist.  Am  15.  Juni  beendete  der  Tod  die  Dulderlauf  bahn  Kaiser  Friedrichs, 
und  B.  hatte  fortan  dem  dritten  Kaiser  als  Minister  und  Reichskanzler  zu 
dienen. 

Hier  ist  es  nun  angemessen,  den  Strom  der  geschichtlichen  Mittheilungen 
durch     einen  Blick  auf  B.'s  Privatverhältnisse  zu  unterbrechen. 

Aus  B.'s  Ehe  waren  drei  Kinder  hervorgegangen.  Das  älteste  war  eine 
Tochter  Marie,  die,  nachdem  ihr  ein  Bräutigam  gestorben,  den  Grafen  Rantzau 
heirathete.  Dann  folgten  zwei  Söhne,  Herbert,  der  Erbe  des  Fürstentitels, 
und  Wilhelm.  Beide  hätten  den  französischen  Krieg  mitgemacht,  bei  Mars 
la  Tour  im  heftigen  Feuer  gestanden  und  Herbert  war  schon  verwundet  worden. 
Beide  waren  dann  in  den  Verwaltungsdienst  eingetreten  und  waren  schnell 
befördert  worden.  Graf  Herbert  war  mit  37  Jahren  zum  Staatssecretär  des 
auswärtigen  Amtes  ernannt  worden,  und  Kaiser  Friedrich  hatte  ihm  den 
Ministertitel  und  Sitz  im  Staatsministerium  verliehen.  Graf  Wilhelm  war  zur 
Zeit  noch  Landrath,  aber  zu  baldiger  Beförderung  vorgemerkt.  Er  hatte  sich 
im  Jahre  1885  mit  der  Schwestertochter  seines  Vaters,  Sibylle  von  Arnim, 
verheirathet. 

Schon  seit  dem  Jahre  1866  gab  der  Gesundheitszustands  B.*s  zu  Besorg- 
nissen Veranlassung.  Noch  als  er  im  Jahre  1862  das  Amt  als  Ministerpräsident 
übernahm,  erschien  er  als  ein  kerngesundes  Menschenkind,  dem  man  nach- 
sagte, dass  er  jeder  Anstrengung,  auf  der  Jagd  und  bei  der  Tafel,  gewachsen 
sei.  Die  Anstrengungen  der  nächsten  Jahre  rüttelten  stark  an  seinem  Nerven- 
system. Er  hatte  Sorgen  und  Verantwortlichkeit  getragen,  wie  selten  ein 
Mensch  und  hatte  dabei  Niemanden,  dem  er  sich  ganz  anvertrauen  konnte. 
Einen  Theil  seiner  Pläne  hielt  er  stets  vor  Jedem  verborgen.  Nun  kam  nach 
dem  entscheidendsten  Erfolg,  den  er  im  Leben  je  errungen,  zu  Nikolsburg 
die  schon  erwähnte  Meinungsverschiedenheit  mit  König  Wilhelm,  die  ihn  in 
solche  Verzweiflung  setzte,  dass  ihm  Selbstmordgedanken  nicht  fern  blieben. 
Auch  an  körperlichen  Anstrengungen  fehlte  es  ihm  in  den  Feldlagern  in  Böhmen 
und  Frankreich  nicht.  Körperlich  äusserte  sich  sein  Leiden  hauptsächlich  in 
drei  Formen,  als  Gesichtsschmerz,  als  Ischias  und  als  sehr  schmerzhafte  Venen- 
entzündung am  Bein.  Verhältnissmässig  früh  musste  er  darum  auf  das  sonst 
leidenschaftlich  betriebene  Vergnügen  der  Jagd  verzichten. 

Zu  diesen  körperlichen  Leiden  gesellte  sich  Schlaflosigkeit,  die  ihn  zwang, 
die  Nacht  in  Tag  zu  verwandeln  und  seinen  Mitarbeitern  dasselbe  Opfer 
aufzuerlegen.  Dass  sich  unter  diesen  Umständen  eine  starke  Reizbarkeit  bei 
ihm  entwickelte,  die  ihn  zu  harten  Aeusserungen  gegen  Andersdenkende  ver- 
anlasste, ist  erklärUch. 

Dass  die  Behandlung  der  Leiden,  denen  er  unterworfen  war,  wesentlich 
eine  diätetische  sein  musste,  liegt  auch  fiir  den  Laien  auf  der  Hand.  Es  ist 
anzunehmen,  dass  es  ihm  an  zutreffendem  Rath  nie  gefehlt  hat.  Allein  bei 
diätetischen  Vorschriften  kommt  es  nicht  allein  darauf  an,  dass  sie  gegeben, 
.sondern  auch  darauf,  dass  sie  befolgt  werden.     Und  daran  fehlte  es. 

Am  16.  Juni  1883  begab  sich  B.  aus  Anlass  eines  Magenkatarrhs  in  die 
Behandlung  des  Dr.  Ernst  Schwenninger,  der  dem  Grafen  Wilhelm  B.  schön 
erhebliche  Dienste  geleistet  hatte,  und  hielt  nun  bis  an  sein  Lebensende  an 
diesem  Arzte  fest,  aller  Einwendungen  ungeachtet,  die  gegen  dessen  Persönlich- 

BiogT.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.     3.  Bd.  -2 


34 


Fürst  Bismarck. 


keit  erhoben  wurden.  Die  Kunst  des  Dr.  Schwenninger  bestand*  wohl  wesentlich 
darin,  dass  er  verstand,  sich  einen  grossen  Einfluss  auf  den  Willen  dieses 
sonst  so  eigenwiUigen  Mannes  zu  verschaffen,  und  seine  Lebensweise  bis  in 
das  Kleine  hinein  zu  beaufsichtigen  und  zu  regeln.  Jedenfalls  ist  es  ihm  nicht 
allein  gelungen,  das  Leben  seines  Patienten  schmerzfreier  zu  gestalten,  sondern 
auch  wohl  es  erheblich  über  dasjenige  Mass  hinaus  zu  verlängern,  das 
ihm  sonst  beschieden  gewesen  wäre.  Sehr  häufig  hat  B.  das  Bad  Kissingen 
besucht,  auch  nachdem  dort  der  Mordanfall  gegen  ihn  verübt  war.  Er  lebte 
dort  als  Gast  des  Königs  Ludwig  und  seines  Nachfolgers;  hier  wurde  ihm 
auch  die  erste  Bildsäule,  wenngleich  aus  schlechtem  Metall,  errichtet. 

Kaiser  Wilhelm  II.  war  aufgewachsen  in  Bewunderung  des  Fürsten  B. 
und  in  Liebe  zu  ihm.  Er  hatte  schon  als  Knabe  ihn  als  den  Mann  kennen 
gelernt,  dem  Preussen  und  die  Dynastie  HohenzoUern  so  Vieles  zu  danken 
hatten.  Wenn  Kaiser  Wilhelm  I.  sich  nur  mühsam  zu  den  politischen  Zielen 
seines  Rathgebers  hatte  belehren  lassen  und  doch  auf  sein  Abschiedsgesuch 
einst  das  monumentale  Wort  »Niemals«  geschrieben  hatte;  wenn  Kaiser  Fried- 
rich als  Kronprinz  mit  dem  Einsatz  seiner  ganzen  Stellung  mit  der  Opposition 
gegen  die  B.'sche  Politik  gemeinsame  Sache  gemacht  hatte,  und  sich  doch 
später  zu  dem  Entschlüsse  bekehrt  hatte,  sich  von  diesem  Rathgeber  nicht 
zu  trennen,  so  war  zu  erwarten,  dass  der  29jährige  Kaiser  den  73jährigen 
Kanzler  bis  zum  Schlüsse  seines  Lebens  gewähren  lassen  würde. 

Niemand  hat  gegen  diese  Schlussfolgerung  so  früh  Zweifel  erhoben,  als 
B.  selbst.  Schon  von  dem  jungen  Prinzen  hatte  er  vorher  gesagt,  er  würde 
einst  sein  eigener  Kanzler  sein;  von  dem  jungen  Kaiser  äusserte  er,  es  sei 
nicht  möglich,  dass  irgend  Jemand,  auch  er  selbst  nicht,  ihm  imponire. 

Anfänglich  allerdings  ging  Alles  vortrefflich.  Ein  Zwischenfall  trug  dazu 
bei,  ihn  dem  Kaiser  noch  näher  zu  rücken.  Ein  Professor  Geffcken,  ein  klein- 
staatlicher Diplomat  aus  der  grossdeutschen  Schule,  hatte  Gelegenheit  gehabt, 
einige  Tagebuchblätter  des  Kaisers  Friedrich  abschriftlich  in  seinen  Besitz  zu 
bringen,  und  hatte  sie  unbefugter  Weise  veröffentlicht. 

Diese  Tagebuchblätter  spiegelten  Stimmungen  aus  vergangenen  Zeiten 
wieder,  die  für  die  Gegenwart  bedeutungslos  waren;  ihre  Veröffentlichung 
war  unbequem;  man  kann  zugeben,  dass  sie  unzeitig  war.  B.  kritisirte  in 
einem  an  den  Kaiser  gerichteten,  für  die  Oeffentlichkeit  bestimmten  Bericht 
den  Inhalt  dieser  Tagebücher;  er  bediente  sich,  um  diese  Kritik  bitterer  ge- 
stalten zu  können,  des  Vorwandes,  dass  er  ihre  Echtheit  bezweifelte.  Er 
liess  Geffcken,  wie  einst  den  Grafen  Arnim,  wegen  Landesverraths  verfolgen, 
konnte  aber  nur  durchsetzen,  dass  er  einige  Monate  in  Untersuchungshaft 
genommen,  aber  nicht,  dass  er  verurtheilt  wurde. 

Sehr  bald  aber  änderte  sich  der  Zustand.  Kaiser  Wilhelm  I.  hatte  es 
für  seine  Regentenpflicht  gehalten,  sich  die  besten  Rathgeber  zu  wählen,  die 
er  finden  konnte,  ihren  Rath  einzuholen,  ihn  zu  prüfen  und  zuweilen  sehr 
eindringlich  zu  prüfen.  Selten  unterliess  er  es,  ihrem  Rathe  zu  folgen;  nie- 
mals setzte  er  gegen  ihren  Rath  seine  eigenen  Pläne  durch.  Kaiser  Wilhelm  IL 
aber  wollte  eigene  Initiative  zeigen.  Eine  erste  Verstimmung  zeigte  sich  am 
II.  October  1889,  als  B.  dem  Kaiser,  der  mit  seiner  Zustimmung  einen  Be- 
such in  Petersburg  beim  Czaren  abgestattet  hatte,  abrieth,  diesen  Besuch  zu 
wiederholen.  Am  16.  October  reiste  B.  nach  Friedrichsruh ,  und  in  den 
folgenden  Monaten  beschäftigten  den  Kaiser  mancherlei  Pläne,  über  die  er 
mit  seinem  Minister  zu  berathschlagen  wünschte.     B.  versäumte  es,  nach  Berlin 


Fürst  Bismarck. 


35 


zurückzukehren,  um  eine  Verständigung  zu  versuchen.  Als  am  24.  Januar  B. 
nach  Berlin  zurückkehrte,  fand  er  eine  Lage  vor,  die  er  nicht  mehr  zu  be- 
herrschen vermochte. 

Aus  Anlass  eines  grossen  Strikes  der  westphälischen  Bergarbeiter,  der  im 
Jahre  1889  stattgefunden  hatte,  hatte  der  Kaiser  Interesse  für  die  sociale 
Frage  gefasst.  Er  wollte  eine  internationale  Conferenz  einberufen,  um  den 
Arbeiterschutz  zu  erwecken.  B.  widersetzte  sich  dem  Plane,  getreu  seinen 
alten  Anschauungen,  und  trat  zunächst  von  dem  Amte  als  Handelsminister 
zurück.  Die  kaiserlichen  Erlasse,  welche  seine  Einladung  enthielten,  wurden 
ohne  seine  Gegenzeichnung  vollzogen.  Den  letzten  Anstoss  zu  der  unaus- 
bleiblich gewordenen  Katastrophe  gab  es,  dass  B.  am  14.  März  den  Abgeord- 
neten Windthorst  auf  dessen  Wunsch  zu  einer  Unterredung  empfing,  und  der 
Kaiser  die  Forderung  geltend  machte,  derartige  Unterredungen  sollten  nur 
mit  seiner  Genehmigung  stattfinden.  Am  17.  März  Hess  der  Kaiser  B.  zwei- 
mal auffordern,  sein  Abschiedsgesuch  einzureichen,  und  am  18.  März  gab  B. 
dieser  Aufforderung  statt.  Am  20.  März  erhielt  er  die  nachgesuchte  Ent- 
lassung unter  Verleihung  eines  Titels  als  Herzog  von  Lauenburg  und  Er- 
nennung zum  General-Obersten  der  Cavallerie  mit  dem  Range  eines  General- 
Feldmarschalls.  Diese  letztere  Auszeichnung  nahm  Bismarck  an.  Den  Titel 
eines  Herzogs  von  Lauenburg  hat  er  nie  gefuhrt;  er  ist  erloschen,  da  er  nicht 
erblich  verliehen  wurde.  Die  amtliche  Thätigkeit  des  Fürsten  Bismarck  hatte 
ihr  Ende  erreicht.  Der  Eindruck  des  Ereignisses  war  ein  anderer  in  Volks- 
kreisen, als  in  parlamentarischen  Kreisen.  Als  er  am  29.  März  Berlin  verliess, 
begleiteten  ihn  stürmische  Dankeshuldigungen  des  Volkes.  Eine  Anzahl  von 
Gemeinden  ernannte  ihn  zum  Ehrenbürger.  Zahlreiche  Adressen  gingen  ihm 
zu;  namentlich  an  seiner  Geburtstagsfeier  am  i.  April.  Sein  Sohn,  Graf 
Herbert,  nahm  mit  ihm  zugleich  den  Abschied.  Die  übrigen  Minister  blieben 
auf  ihrem  Posten.  Erst  nach  Verlauf  einiger  Zeit  zogen  sich  der  landwirth- 
schaftliche  Minister  von  Lucius,  der  Finanzminister  von  Scholz  und  der 
Eisenbahnminister  von  Maybach  zurück. 

In  parlamentarischen  Kreisen  nahm  man  den  Rücktritt  B.'s  als  eine  un- 
vermeidlich gewordene  Nothwendigkeit  hin.  Selbst  die  conservative  Fraktion 
schloss  sich  von  dieser  Empfindung  nicht  aus.  B.  hatte  sein  75stes  Lebens- 
jahr beendet.  Es  wäre  sehr  verkehrt,  zu  sagen,  das  sich  Zeichen  von  Alters- 
schwäche an  ihm  gezeigt  hätten.  Aber  eine  andere  Folge  des  Alters  war 
nicht  ausgeblieben;  eine  gewisse  Verhärtung  in  vorgefassten  Anschauungen,  ein 
vermindertes  Vermögen,  sich  in  Stimmungen  und  Anschauungen  anderer  Men- 
schen hineinzudenken.  Schon  seit  mehreren  Jahren  hatte  man  aus  den  Kreisen 
seiner  Gegner  mehrfach  die  Aeusserung  fallen  hören:  »ELs  gelingt  Nichts  mehr«. 

Seine  Entiassung  hat  er  als  ein  sehr  bitteres  Leid  empfunden.  Er  war 
seit  Jahrzehnten  gewöhnt,  nach  Aussen  hin  energisch  zu  wirken  und  fortan 
war  ihm  jede  Wirksamkeit  unmöglich  gemacht.  Rath  in  einzelnen  Fragen  zu 
ertheilen,  den  die  neue  Regierung  als  willkommen  entgegen  genommen  haben 
würde,  lehnte  er  entschieden  ab.  Nach  seiner  Anschauung  konnte  er  die 
Verantwortlichkeit  für  die  Ertheilung  eines  Rathes  nur  übernehmen,  wenn  er 
zugleich  die  Art  und  Weise  überwachte,    wie   dieser  Rath  ausgeführt  wurde. 

Mit  grosser  Bitterkeit  und  Ungerechtigkeit  äusserte  er  sich  über  den 
Grafen  Caprivi,  seinen  Nachfolger,  den  Minister  von  Boetticher,  der  Jahre 
lang  sein  treuster  Mitarbeiter  gewesen  war,  und  den  Freiherm  von  Marschall, 
der  das  Staatssecretariat  der  auswärtigen  Angelegenheiten  übernahm ;  den  letz- 

3* 


j6  FUrst  Bismarck. 

teren  Beiden   machte  er    den   unbegründeten    Vor\\'urf,    dass    sie    daran    ge- 
arbeitet hätten,  ihn  aus  dem  Amte  zu  verdrängen. 

Sehr  schwer  empfand  er  es,  dass  die  Führer  der  conservativen  Partei 
in  den  nächsten  Monaten  ihn  nicht  aufsuchten  und  ihm  Gelegenheit  gaben, 
sich  gegen  ihn  auszusprechen.  Dafür  empfing  er  willig  die  Correspondenten 
amerikanischer,  russischer,  französischer  Zeitungen  und  erging  sich  gegen  sie 
in  Angriffen  gegen  den  neuen  Curs  und  die  Leitung  der  auswärtigen  Politik. 
Am  23.  Mai  richtete  Graf  Caprivi  an  die  Gesandtschaften  einen  Erlass,  in 
welchem  es  hiess,  der  Kaiser  unterscheide  zwischen  dem  Fürsten  Bismarck 
früher  und  jetzt  und  wollte  es  vermieden  sehen,  dass  der  deutschen  Nation 
das  Bild  ihres  grössten  Staatsmannes  getrübt  würde. 

Mit  besonderer  Bitterkeit  äusserte  er  sich  in  mancherlei  Unterredungen 
über  die  Politik  der  Handelsverträge,  die  vom  Grafen  Caprivi  begonnen  wurde. 
Das  gab  Veranlassung,  dass  ihn  die  Agrarier  des  neunzehnten  hannoverschen 
Wahlkreises  am  30.  April  1891  zum  Reichstagsabgeordneten  wählten.  Er 
hatte  sich  zur  Annahme  der  Wahl  bereit  erklärt,  soll  auch  die  Absicht  gehabt 
haben,  im  Reichstage  zu  erscheinen,  hat  aber  von  Ausführung  dieser  Absicht, 
vielleicht  auf  ärztlichen  Rath,  Abstand  genommen.  Auch  im  Herrenhause 
ist  er  niemals  wieder  erschienen,  wie  er  sagte,  weil  der  Aufenthalt  in  Berliner 
Gasthöfen  ihm  lästig  sei.  Dagegen  hat  er  sich  öfter  an  den  Verhandlungen 
des  lauenburgischen  Kreistages  in  Ratzeburg  betheiligt. 

Am  4.  Mai  1892  verlobte  sich  sein  ältester  Sohn  Graf  Herbert  mit  der 
Gräfin  Margarethe  Hoyos  aus  einer  ungarischen  Adelsfamilie.  Es  war  f\ir  den 
Fürsten  B.  eine  besondere  hohe  Freude,  da  er  aus  mancherlei  Anzeichen  die 
Befürchtung  eingesogen  hatte,  sein  Sohn  würde  im  ehelosen  Stande  verbleiben. 
Am  21.  Juli  fand  in  Wien  die  Hochzeit  statt,  zu  welcher  sich  Fürst  B.  mit 
seiner  Gemahlin  eingefunden  hatte.  Reichskanzler  Graf  Caprivi  richtete  '  an 
den  Wiener  Botschafter  Prinzen  Reuss  einen  Erlass,  worin  zunächst  der  An- 
nahme entgegen  getreten  wurde,  als  habe  eine  Annäherung  des  Fürsten  B. 
an  den  Kaiser  stattgefunden;  hierzu  fehlte  die  unentbehrliche  Voraussetzung, 
dass  der  frühere  Reichskanzler  den  ersten  Schritt  thue.  Aber  selbst  wenn 
eine  solche  Annäherung  stattfinden  würde,  Niemand  das  Recht  habe,  an- 
zunehmen, dass  Fürst  B.  wieder  auf  die  Leitung  der  Geschäfte  irgend  welchen 
Einfluss  gewonnen  hätte.  Der  Botschafter  sowohl  wie  das  Botschaftspersonal 
möchten  einer  etwaigen  Einladung  zur  Hochzeit  ausweichen,  bei  etwaiger  An- 
näherung des  Fürsten  B.  aber  sich  auf  die  conventioneilen  Formen  beschränken. 
Von  diesen  Weisungen  mögen  auch  dem  österreichischen  Minister  des  Aus- 
wärtigen in  geeigneter  Weise  Mittheilung  gemacht  werden. 

Die  Wirkung  dieses  Erlasses  bestand  hauptsächlich  darin,  dass  Kaiser 
Franz  Joseph  es  unterliess,  den  Fürsten  zu  emi)fangen.  Der  Botschafter  Prinz 
Reuss  Hess  sich,  als  B.  bei  ihm  vorfuhr,  als  krank  entschuldigen;  seine  Ge- 
mahlin, eine  geborene  Prinzessin  von  Weimar,  machte  dagegen  der  F'ürstin  B. 
einenBesuch.  Die  officiellen Kreise  Wiens  unterliessen  die  gebotenen  Höflichkeits- 
bezeugungen nicht.  Die  Hochzeit  vollzog  sich  ohne  jedes  Zeichen  der  Theil- 
nahme  von  Seiten  des  Kaisers  oder  der  officiellen  Welt. 

Die  Wirkung  dieser  Erlasse  war  nicht  diejenige,  welche  man  er^'artet 
hatte.  Die  Reise  des  Fürsten  B.,  welche  ihn  auf  dem  Hinwege  über  Dresden, 
auf  dem  Rückwege  über  München,  Augsburg,  Kissingen,  Jena  und  Berlin 
führte,  gestaltete  .sich  zu  einem  Triumphzuge.  Dass  alle  diejenigen,  welche 
die  Handebvertragspolitik  der  Regierung  bekämpften,  in  B.  einen  Vorkämpfer 


Fürst  Bismarck. 


37 


sahen  und  sich  an  den  Huldigungen  für  ihn  lebhaft  betheiligten,  versteht  sich 
von  selbst.  Aber  noch  viele  von  denen,  welche  die  augenblickliche  politische 
Stellung  des  Fürsten  nicht  theilten,  empfanden  diese  Kundgebungen,  die  sie 
als  Uriasbrief  bezeichneten,  schmerzlich,  und  missbilligten  es  noch  mehr, 
dass  der  Reichsanzeiger  am  7.  Juli  die  Erlasse  vom  23.  Mai  1890  und  9.  Juni 
1892  veröffentlichte.  Eine  Anzahl  von  Fackelzügen,  Deputationen,  öffentlichen 
Festlichkeiten,  Kundgebungen  an  allen  Stationen,  durch  die  B.  fuhr,  bekundeten 
die  grosse  Verehrung,  die  B.  genoss.  Bei  einigen  Unterredungen,  die  er  ge- 
währte, und  Ansprachen,  die  er  öffentlich  hielt,  unterliess  er  nicht,  die  Mass- 
regeln der  Regierung  und  vermeintliche  Unfähigkeit  ihrer  Vertreter  scharf  zu 
tadeln.  Das  officiöse  Berliner  Blatt,  die  Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung, 
brachte  heftige  Artikel  gegen  ihn,  und  die  Hamburger  Nachrichten,  die  in- 
zwischen das  Sprachrohr  des  Fürsten  geworden  waren,  brachten  eben  so 
heftige  Erwiderungen. 

Als  im  Laufe  des  folgenden  Jahres  B.  von  Neuem  Kissingen  besuchte, 
wurde  er  wiederum  durch  Huldigungen  von  Deputationen  und  von  verschiedenen 
Theilen  des  Reiches  beehrt. 

Von  nun  an  unterblieben  von  Berlin  aus  alle  Arten  von  Kundgebungen, 
die  als  persönliche  Angriffe  hätten  gedacht  werden  können.  Man  beschränkte 
sich  darauf,  seine  Angriffe  unter  möglichster  Vermeidung  der  Nennung  seines 
Namens  sachlich  abzuwehren.  Als  im  September  der  Fürst  an  einer  Lungen- 
entzündung schwer  erkrankte,  bot  ihm  der  Kaiser  eines  seiner  mitteldeutschen 
Schlösser  an,  doch  wurde  dieses  Anerbieten  höflich  abgelehnt. 

Am  22.  Januar  1894  sandte  der  Kaiser  seinen  Flügeladjutanten  zur  Be- 
grüssung  des  Fürsten  nach  Friedrichsruh  und  Hess  ihm  eine  Flasche  Rhein- 
wein überbringen,  was  beiläufig  gesagt,  eine  alte  übliche  Form  der  Bezeugimg 
des  Wohlwollens  Seitens  der  Hohenzollern  war.  B.  erschien  am  26.  Januar 
in  Berlin,  um  dem  Kaiser  zu  danken,  wurde  im  Schlosse  aufgenommen  und 
zum  Chef  des  Kürassirregiments  Seydlitz  ernannt.  Der  Kaiser  stattete  ihm 
am  19.  Februar  einen  Gegenbesuch  in  Friedrichsruh  ab.  Ein  solcher  kaiser- 
licher Besuch  wurde  noch  mehrfach  wiederholt.  Nachdem  Caprivi  entlassen 
war  und  Fürst  Hohenlohe  das  Amt  des  Reichskanzlers  übernommen  hatte, 
statteten  auch  Mitglieder  der  Regierung  ihm  Besuche  ab. 

Alle  diese  äusseren  Formen  änderten  an  dem  Verhältnisse  Nichts.  B. 
fuhr  fort,  in  Gesprächen,  die  der  Oeffentlichkeit  mitgetheilt  wurden,  und  in 
Zeitungsartikeln,  die  er  durch  die  Hamburger  Nachrichten  veröffentlichen  Hess, 
die  Politik  der  Regierung  heftig  anzugreifen;  die  Regierung  enthielt  sich, 
darauf  in  verletzenden  Formen  zu  erwidern,  aber  auf  den  Gang  der  Politik 
vermochte  der  Fürst  keinen  Einfluss  zu  gewinnen. 

Am  I.  April  1895  vollendete  Fürst  B.  sein  achtzigstes  Lebensjahr,  und 
das  gab  Anlass  zu  den  höchsten  Ehrenbezeugungen.  Getrübt  war  der  Tag 
dadurch,  dass  einige  Monate  vorher  B.  seine  Lebensgefährtin  am  27.  November 
1894  verloren  hatte.  Der  Kaiser  erschien  persönlich,  überbrachte  einen  gol- 
denen Pallasch  als  Ehrengabe  und  brachte  unter  dem  Salut  von  Kanonen- 
schüssen einen  Toast  aus.  Zahllos  waren  die  Deputationen,  die  durch  eine 
Reihe  von  Wochen  empfangen  wurden.  Zwei  Körperschaften  schlössen  sich 
aus  der  Reihe  der  Glückwünschenden  aus,  die  Stadtverordneten  von  Berlin 
und  der  deutsche  Reichstag,  der  mit  163  gegen  146  Stimmen  eine  Beglück- 
wünschung B.'s  ablehnte.  Das  Centrum,  die  freisinnige  Volkspartei  (von  der 
sich  zuvor  eine    freisinnige  Vereinigung    abgetrennt    hatte),    und    die  Social- 


^g  Fürst  Bismarck. 

democraten  bildeten  den  Stamm  der  Mehrheit.  Dies  gab  die  Veranlassung 
dazu,  dass  der  conservative  Reichstagspräsident  von  Levetzow  sein  Amt  nieder- 
legte; das  Reichstagspräsidium,  das  von  1867  bis  1879  ^^^  National  liberalen, 
von  da  ab  bis  1895  die  Conservativen  geführt  hatten,  ging  in  die  Hände  des 
Centrums  über.  Der  Reichstag  machte  seine  Unterlassung  einigermassen  da- 
durch gut,  dass  bei  der  25  jährigen  Erinnerungsfeier  seiner  Entstehung  am 
21.  März  1896  Fürst  Hohenlohe  auf  den  Fürsten  B.,  als  den  eigentlichen 
SchafFer  des  Reiches,  einen  Trinkspruch  ausbrachte.  Schon  vorher  hatten  die 
Erinnerungsfeiem  an  den  Tag  von  Sedan,  an  den  Tag  der  Kaiserproclamation 
in  Versailles  ihm  zahlreiche  Ehrenbezeugungen  gebracht.  Als  weitere  Erinnerungs- 
feiem folgten  das  25jährige  Gedächtniss  an  den  Abschluss  des  Frankfurter 
Friedens,  der  hundertjährige  Geburtstag  des  Kaisers  Wilhelm  I.  und  das  sechzig- 
jährige Militärjubiläum  des  Fürsten  B.  Der  Kaiser  versäumte  nicht,  zu  gratuliren 
und  Gnadenbeweise  zu  ertheilen,  und  Fürst  B.  dankte. 

Noch  einmal  kam  es  zu  einem  ernsten  Conflicte.  Am  24.  October  1896 
machten  die  Hamburger  Nachrichten  Mittheilung  von  einem  geheimen  russisch- 
deutschen  Neutralitätsvertrage,  den  B.  zur  Zeit  seiner  Amtsführung  abgeschlossen 
hatte,  der  sechs  Jahre  in  Gültigkeit  gewesen  war,  im  Jahre  1890  ablief,  den 
Russland  auf  drei  Jahre  zu  verlängern  sich  bereit  erklärt  hatte,  und  den 
Graf  Caprivi  zu  verlängern  abgelehnt  hatte.  Anscheinend  waren  die  Meinungs- 
verschiedenheiten über  die  Verlängerung  dieses  Vertrages  ein  mitwirkender 
Grund  zu  der  Verabschiedung  des  Fürsten  B.  gewesen.  Offenbar  handelte 
es  sich  hier  um  ein  schwer  wiegendes  Staatsgeheimniss.  Die  Existenz  dieses 
Vertrages  war  selbst  vor  der  österreichischen  Regierung,  mit  welcher  Deutsch- 
land in  den  innigsten  Beziehungen  lebte,  geheim  gehalten  worden,  und  Fürst 
B.  hielt  sich  jetzt  für  berechtigt,  denselben  öffentlich  bekannt  zu  machen. 
Das  musste  um  so  mehr  befremden,  als  während  seiner  Amtsftihrung  Fürst 
B.  über  die  Pflicht  der  Amtsverschwiegenheit  die  strengsten  Ansichten  ge- 
äussert und  bethätigt  hatte.  Der  Reichsanzeiger  brachte  einige  Artikel,  die 
eine  scharfe  Missbilligung  enthielten.  Da  indessen  sich  herausstellte,  dass  das 
gute  Verhältniss  zu  Oesterreich  durch  diese  Enthüllung  nicht  getrübt  wurde, 
so  wurde  der  Sache  weitere  Folge  nicht  gegeben. 

Am  28.  Juli  1898  erkrankte  Fürst  B.  und  starb  am  30.  desselben  Monats 
an  einer  Lungenlähmung.  Nach  einer  später  vom  Dr.  Schwenninger  gegebenen 
Aufklärung  war  zu  seinen  übrigen  Leiden  der  Brand  der  Alten  getreten. 

Ihn  überlebten  seine  drei  Kinder  und  mehrere  Enkel  und  Enkelinnen. 
Am  25.  September  1897  war  seinem  ältesten  Sohne  Herbert  ein  Sohn  Otto, 
ihm  ein  Stammhalter  geboren.  Zuvor  waren  zwei  Töchter  diesem  Sohne 
geschenkt  worden,  (»raf  Wilhelm  B.  befand  sich  in  der  Stellung  eines  Ober- 
präsidenten von  Ostpreussen,  der  Schwiegersohn  Graf  Rantzau  war  aus  dem 
Staatsdienste  auf  seinen  Wunsch  ausgeschieden  und  durch  den  Excellenztitel 
ausgezeichnet  worden. 

Der  Kaiser  beklagte  in  einem  Telegramm  an  den  nunmehrigen  Fürsten 
Herbert  B.  den  Verlust  von  Deutschlands  grossem  Sohne  und  reiste  alsbald 
mit  der  Kaiserin  selbst  nach  Friedrichsruh,  fand  aber  den  Sarg  schon  vernietet. 

In  einem  weiteren  öffentlichen  Erlass  pries  der  Kaiser  den  Hingeschie- 
denen als  den  Meister  der  Staatskunst,  den  furchtlosen  Kämpfer  im  Kriege 
wie  im  Frieden,  den  hingehendsten  Sohn  seines  Vaterlandes,  den  treuesten 
seines  Kaisers  und  Königs  und  legte  im  Namen  der  Nation  das  Gelübde  ab, 
das,    was    er,    der    grosse  Kanzler  unter  dem  Kaiser  Wilhelm    dem   Grossen 


Fürst  Bismarck. 


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geschaffen  hat,  zu  erhalten  und  auszubauen,    und   wenn    es  Noth    thut,    mit 
Gut  und  Blut  zu  vertheidigen. 

Die  zahllosen  Ehrenbezeugungen,  die  dem  Todten  zu  Theil  wurden,  auf- 
zufuhren, ist  hier  eben  so  wenig  Raum,  als  es  möglich  war,  der  Ehrenbezeu- 
gungen Erwähnung  zu  thun,  die  dem  liebenden  zu  Theil  geworden  sind. 
Alle  Orden,  über  welche  der  preussische  Staat  verfügt,  den  Orden  pour  le 
mdrite  flir  Wissenschaft  und  Kunst  nicht  ausgeschlossen,  Orden  deutscher 
Fürsten,  Orden  auswärtiger  Potentaten  bis  zum  Fürsten  Menelik  von  Aethiopien 
hin,  Ehrenbürgerbriefe  zahlreicher  Städte,  Ehrendoctordiplome  sämmtlicher 
P'acul täten,  Ehrenmitgliedschaften  von  Academien  und  anderen  Körperschaften 
sind  ihm  zu  Theil  geworden;  an  vielen  Orten  sind  ihm  Standbilder  errichtet 
und  werden  noch  errichtet  werden. 

Seinem  Wunsche  gemäss  ist  er  im  Sachsenwalde  in  einer  besonders  ge- 
bauten Kapelle  beigesetzt;  als  Inschrift  hat  er  die  Worte  bestimmt:  Fürst 
Bismarck,  ein  treuer  Diener  Kaiser  Wilhelms  I. 

In  Schönhausen  hat  sein  Sohn  ein  Museum  begründen  lassen,  in  welchem 
die  Erinnerungszeichen  an  ihn  aufbewahrt  werden. 

Das  Material,  welches  für  seine  Lebensgeschichte  vorliegt,  war  schon 
zur  Zeit,  als  er  aus  dem  Amte  schied,  ein  unübersehbares  und  mehrt  sich  noch 
täglich  in  überraschender  Weise.  Homer,  Dante,  Shakespeare  und  Goethe, 
Luther,  Friedrich  den  Grossen  und  Napoleon  ausgenommen,  mag  es  keinen 
Mann  geben,  über  den  so  viel  gedruckt  worden  ist.  Freilich  giebt  es  viel 
Material,  das  noch  verborgen  in  den  Archiven  liegt,  und  von  dem  die  Auf- 
klärung über  manche  Punkte  zu  erwarten  ist.  Eine  Lebensgeschichte  B.*s  zu 
schreiben,  würde  Bände  füllen;  sie  kann  nicht  anders  gedacht  werden,  denn 
als  eine  Geschichte  des  Zeitalters,  in  dem  er  thätig  war.  Hier  konnte  Nichts 
als  ein  knapper  Auszug  aus  dem  ungeheuren  Material  gegeben  werden. 

Derjenige  Charakterzug,  der  am  meisten  in  die  Augen  lallt,  war,  dass 
er  zu  jeder  Zeit  seines  Lebens  einen  einzigen  Gesichtspunkt  hatte,  dem  er 
alle  anderen  unterordnete.  W^as  ihm  gestern  das  Wichtigste  gewesen  war, 
konnte  er  heute  als  unwichtig  betrachten,  wenn  ihm  inzwischen  etwas  Anderes 
als  wichtiger  erschien.  Jahre  lang  hatte  er  den  Kampf  gegen  den  Liberalismus 
als  seine  Lebensaufgabe  betrachtet,  und  er  schloss  seinen  Frieden  mit  dem 
Liberalismus,  als  es  ihm  nützlich  erschien,  um  das  deutsche  Reich  fester  zu 
begründen.  Jahre  lang  hatte  er  den  Kampf  gegen  die  Hierarchie  für  noth- 
wendig  erachtet,  um  das  deutsche  Reich  zu  beschirmen,  und  er  schloss  seinen 
F'rieden  mit  der  ultramontanen  Partei,  als  es  ihm  noth  wendig  erschien,  um 
dem  deutschen  Reiche  eine  neue  Gestalt  zu  geben.  Irren  wir  nicht,  so  ist 
alles   dies    nur    eine    weitläufige    Umschreibung   für  den  Begriff  der  Energie. 

Unbeugsam  in  der  Verfolgung  seiner  Ziele  standen  ihm  stets  alle  Mittel 
zu  Gebote,  um  seine  Ziele  zu  erreichen.  Die  ver>\ickeltsten  Verhältnisse  lagen 
jeder  Zeit  und  anschaulich  vor  seinen  Augen.  Er  wusste  Kräfte,  die  sich 
ihm  lange  feindlich  entgegen  gestellt  hatten,  in  seinen  Dienst  zu  zwingen. 
Von  ihm  gilt  das  Wort: 

Auch  manche  Geister,  die  mit  ihm  gerungen, 
Die  sein  Verdienst  unwillig  anerkannt, 
Sie  fühlen  sich  von  seiner  Kraft  durchdrungen, 
In  seinem  Kreise  willig  festgebannt. 

Er  wusste  mit  einem  Blicke  zu  übersehen,  wie  ein  Schritt,  der  für  den  Augen- 
blick grosse  Vortheile  zu  gewähren  schien,  für  die  Zukunft  grosse  Nachtheile 


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Fürst  Bismarck. 


im  Gefolge  haben  musste;  er  wusste  aus  einer  Lage,  die  sich  anscheinend  zu 
seinem  Nachtheil  gestaltet  hatte,  Nutzen  zu  ziehen. "  Er  las  in  der  Seele  seiner 
Gegner,  wie  der  seiner  Freunde.  Er  wusste  von  seinen  Plänen  so  viel  zu  ent- 
hüllen, als  ihm  nützlich  war,  um  Anhänger  dafür  zu  gewinnen,  und  so  viel 
zu  verbergen,  als  ihm  eine  vorzeitige  Enthüllung  Hindernisse  bereitet  haben 
würde. 

Er  war  ein  Meister  der  Rede,  nach  Luther  und  Goethe  der  grösste 
sprachschöpferische  Genius,  den  die  deutsche  Nation  hervorgebracht  hatte, 
und  dabei  verachtete  er  die  Redekunst,  soweit  sie  nicht  dazu  diente,  prak- 
tische Zwecke  zu  erreichen ;  es  blieb  ihm  unbegreiflich,  dass  Jemand  sprechen 
konnte,  nur  um  zu  zeigen,  dass  er  Recht  hatte,  wenn  er  nicht  die  Aussicht 
hatte,  durch  sein  Sprechen  etwas  zu  erreichen.  Er  verachtete  die  öffentliche 
Meinung,  wenn  sie  sich  ihm  entgegenstellte,  und  war  doch  ein  Meister  in 
der  Kunst,  die  öffentliche  Meinung  zu  bearbeiten,  wenn  er  sie  sich  dienstbar 
machen  konnte.  Er  war  der  grösste  Journalist,  den  die  Welt  gesehen  hat, 
aber  er  hielt  es  für  zweckmässiger,  diese  seine  Kunst  der  Welt  zu  verhehlen, 
als  sie  von  ihr  bewundem  zu  lassen. 

Er  war  ein  Meister  in  der  Kunst,  nicht  zu  wissen  und  nicht  zu  hören, 
was  ihn  in  der  Verfolgung  seiner  Pläne  störte. 

Er  bekannte,  dass  ihm  die  Fähigkeit,  fremde  Verdienste  zu  ehren,  nur 
in  bescheidenem  Masse  verliehen  sei.  Aber  er  selbst  machte  keinen  Anspruch 
darauf,  seine  Verdienste  in  Worten  anerkannt  zu  sehen;  die  Anerkennung, 
die  er  beanspruchte,  bestand  darin,  dass  man  sich  ihm  fügte.  Er  wollte 
wirken,  und  nicht  gelten  oder  gar  scheinen.  Er  verstand  die  Menschen  für 
seine  Zwecke  zu  benutzen,  und  sie  fallen  zu  lassen,  sobald  sie  ihm  nicht 
mehr  dienen  konnten.  Das  Verhältniss  zu  seiner  Frau  und  zu  seinen  Kindern 
zeigt,  wie  tiefer  und  reiner  Empfindungen  er  fähig  war.  Die  Gabe,  Menschen 
zu  gewinnen,  stand  ihm  in  hohem  Grade  zu  Gebote.  Erfahrungen,  wie  sie 
keinem  Menschen  von  seiner  Machtstellung  erspart  bleiben,  fiihrten  ihn  freilich 
dahin,  tiefe  Menschen  Verachtung  zu  hegen  und  gelegentlich  an  den  Tag 
zu  legen. 

Er  wollte  thätig  sein,  die  Welt  ändern,  nicht  nach  unverrückbaren  Ide- 
alen, sondern  so,  dass  er  die  Folgen  seiner  Handlungen  sah.  Er  hat  kaum 
jemals  ein  Wort  gesprochen,  an  das  er  sich  für  alle  Zeiten  hätte  binden 
mögen.  Er  hat  kaum  jemals  ein  Gesetz  vorgeschlagen,  bei  dem  er  nicht 
ausgesprochen  oder  im  Stillen  den  Zusatz  machte,  dass  man  es  schnell  wieder 
ändern  könne,  wenn  die  Verhältnisse  sich  änderten. 

Kirchengesetze,  socialpoli tische  Gesetze,  Steuergesetze  sollten  für  den 
Augenblick  gelten,  in  dem  er  sie  schuf.  Lieber  als  alle  Gesetze  waren  ihm 
discretionäre  Vollmachten,  die  ihm  gestatteten,  in  jedem  Augenblicke  zu 
thun,  was  er  für  gut  und  nützlich  hielt. 

Er  war  ein  treuer  Diener  des  Kaisers  und  der  Monarchie;  er  war  es, 
weil  er  empfand,  dass  die  Monarchie  in  Deutschland  eine  lebendige  Kraft 
war,  auf  die  man  sich  verlassen  könne.  Et  war  ein  deutscher  Patriot,  weil 
er  empfand,  dass  das  Deutsch thum  eine  Macht  sei,  die  in  der  menschlichen 
Geschichte  noch  zu  grossen  Dingen  berufen  sei.  Er  war  ein  guter  Christ, 
weil  er,  wie  er  sich  einst  ausgedrückt  hat,  in  dem  Christenthum  den  Felsen 
sah,  an  dem  das  Narrenschiff  der  Zeit  scheitern  müsse.  Dogmatischen  Erörte- 
rungen aber  entzog  er  sich. 


FUrst  Bismarck. 


41 


Er  ist  der  Schöpfer  des  deutschen  Reiches.  Den  Gedanken,  ein  deutsches 
Reich  aufzurichten,  haben  Andere  vor  ihm  gehabt,  verkündet  und  dafür  ge- 
litten. Diesen  Gedanken  erfunden  hat  er  nicht.  Aber  er  hat  die  unüber- 
windlich erscheinenden  Hindernisse  beseitigt,  die  sich  der  Aufrichtung  des 
deutschen  Reiches  entgegen  stellten.  Um  diese  Hindernisse  zu  überwinden, 
])edurfte  es  eines  Mannes  von  seiner  Art,  und  in  seiner  Eigenart  ist  er  mit 
keiner  anderen  historischen  Persönlichkeit  zu  vergleichen.  Dass  er  einen 
Kaiser  Wilhelm  fand,  der  ihn  an  die  richtige  Stelle  stellte,  und  einen  Moltke, 
der  ihn  unterstützte,  war  ein  Glück  für  ihn;  noch  grösser  aber  das  Glück 
für  diese  Männer,  dass  sie  einen  B.  fanden,  der  ihnen  Raum  schaffte,  sich 
zu  entfalten. 

Er  hat  Gewaltiges  geleistet  und  dem  deutschen  Volke  das  Staatswesen 
geschaffen,  nach  welchem  es  ein  Jahrhundert  vergeblich  gerungen,  und  hat 
den  Zoll  der  Verehrung  und  Bewunderung,  der  ihm  zu  Theil  geworden, 
ehrlich  verdient.  Allein  er  war  ein  Mensch,  und  hat  auch  menschlich 
geirrt.  Zu  scheiden,  was  an  ihm  gross  und  was  fehlerhaft  war,  ist  heute  noch 
Niemand  berufen.  Die  Auseinandersetzung  darüber  wird  vielleicht  nach  Jahr- 
hunderten noch  nicht  beendigt  sein.  Aber  das  lässt  sich  voraus  sehen,  dass 
im  Laufe  der  Zeit  das  edle  Metall,  das  in  ihm  war,  immer  heller  strahlen 
und  die  Schlacke  immer  mehr  vergessen  werden  wird. 

Die  Litteratur,  die  sich  an  seinen  Namen  knüpft,  aufzuzählen  und  zu  beurtheilen, 
würde  einen  Raum  erfordern,  der  grösser  ist,  als  hier  einer  ganzen  Biographie  zugestanden 
werden  kann.     Nur  das  Wichtigste  kann  Erwähnung  finden. 

In  der  Zeit  seiner  Müsse  hat  er  zwei  Bände  »Gedanken  und  Erinnerungen« 
geschrieben,  die  alsbald  gedruckt  worden  sind.  Ein  dritter  Band,  der  sein  Verhältniss 
zum  jetzigen  Kaiser  würdigt,  wird  vielleicht  der  Oeffentlichkcit  noch  lange  vorenthalten 
werden.  Als  geschichtliche  Quelle  bedarf  das  Werk  strenger  Kritik;  als  Beitrag  zur  Kennt- 
niss  seines  Geistes  gehört  es  der  Weltlitteratur  an. 

Die  Reden,  die  er  im  Parlament  gehalten  hat,  sind  mehrfach  gesammelt  und  ge- 
druckt worden;  handlich  liegen  sie  vor  in  der  zwölf  Bände  umfassenden  Reclam'schcn 
Sammlung. 

Im  Jahre  1867,  als  dann  sein  Ruhm  begründet  war,  erschienen  zwei  Werke  von  Wichtig- 
keit: Hesekiels  »Buch  vom  Grafen  Bismarck«  (in  den  späteren  Auflagen  vom  Fürsten 
Bismarck)  ist  von  einem  kleinen  Geiste  geschrieben,  aber  es  enthält  aus  Familien-Mitthei- 
lungen unschätzbares  Material  über  die  Jugendjahre.  Ludwig  Bambergers  »Herr 
von  Bismarck«,  ursprünglich  in  französischer  Sprache  geschrieben,  dann  in  deutscher  Uebcr- 
Setzung  in  Bambergers  gesammelte  Schriften  aufgenommen,  liefert  das  erste  Charakter- 
bild, dessen  wunderbare  Richtigkeit  durch  die  Geschichte  der  folgenden  Zeit  bestätigt 
wurde.  Posch ingers  »Preussen  im  Bundestage«  tbeilt  in  vier  Bänden  die  Staatsschriften 
mit,  die  B.  in  der  Zeit  von  18 51  bis  1859  geschrieben,  ein  merkwürdiges  Beispiel  früher 
Oefihung  der  Archive.  Zur  Ergänzung  muss  aber  hinzugezogen  werden  »B.'s  Briefe 
an  Genera]  Leopold  von  Gerlach«,  in  denen  die  ausseramtlichen  Gedanken  des  Schreibers 
aus  derselben  Zeit  enthalten  sind.  Was  Poschinger  später  noch  an  Materialien  veröffent- 
licht hat,  kann  übergangen  werden.  Ludwig  Hahns  »Fürst  Bismarck,  Sein  politisches 
Leben  und  Wirken  in  Thatsachen  und  des  Fürsten  eigene  Kundgebungen«  enthielt  in  fünf 
Bänden  Reden  und  Aktenstücke  aus  der  Zeit  von  B.'s  ministerieller  Wirksamkeit,  mit  er- 
gänzenden Anmerkungen.  Moritz  Busch  hat  in  »Fürst  Bismarck  und  seine  Leute«, 
»Unser  Reichskanzler«,  »Bismarck«  some  secret  pagcs  ofhis  history  aus  täglichem 
Zusammensein,  mit  grosser  Indiscrction,  aber  ohne  Zweifel  in  zuverlässiger  Weise,  Aeusse- 
ningen  und  Vorgänge  mitgetheilt.  Von  dem  englischen  Werk  existirt  ein  deutsche  Aus- 
gabe, die  neben  jenem  selbstständige  Bedeutung  hat.  Discreter  und  sehr  ausprechend  sind 
Christoph  von  Tiedemanns  »persönliche  Erinnerungen  an  den  P'ürsten  Bismarck«. 
Heinrich  von  Sybels  »Die  Begründung  des  deutschen  Reiches  durch  Wilhelm  I.« 
hat  B.  zum  eigentlichen  Haupthelden,  und  entspricht  den  Anforderungen  an  hohe  Geschichts- 
schreibung, bedarf  aber  auf  Grund  ermittelter  Thatsachen  einer  Revision.  Zum  grossen 
Theil  ist  sie  gegeben    in   Friedjungs  »Der  Kampf  um  die  Vorherrschaft  in  Deutschland«. 


4 2  Fürst  Bismarck.     Meyer. 

Ludwig  Bambergers  »Bismarck  Posthumus«  Übt  an  den  Gedanken  und  Erinnerungen 
eine  zutreffende  Kritik.  Schmoller,  Lenz  nnd  Marcks  haben  vereinigt  glänzende 
Charakteristiken  herausgegeben,  die  jeder  von  den  Dreien  zuvor  einzeln  veröffentlicht  hatte, 
unter  dem  Titel:  »Zu  Bismarcks  Gedächtniss«,  von  warmer  Begeisterung  getragen,  aber 
ohne  unhistoriscbe  Schönfärberei.  Horst  Kohl  »Denkwürdige  Tage  aus  dem  lieben  des 
Fürsten  Bismarck«  ist  ein  fleissiges  und  übersichtliches  Registerwerk,  zum  Nachschlagen 
unentbehrlich. 

Derselbe  Schriftsteller  giebt  seit  dem  Jahre  1894  ein  »Bismarck- Jahrbuch«  heraus, 
in  welchem  neu  vcröfientlichtes  Material  zum  Abdruck  kommt. 

Alexander  Meyer. 

Meyer,  Conrad  Ferdinand,  Dichter,  ♦  ii.October  1825  im  sogenannten 
Stampfenbach  zu  Unterstrass-Zürich,  f  28.  November  1898  in  Kilchberg  bei 
Zürich. 

Die  Familie  des  Dichters,  der  keinen  Sohn  hinterliess,  reicht  in  der  Stadt 
Zürich  hinauf  bis  zu  dem  aus  dem  Städtchen  Eglisau  eingewanderten  Hans 
Meyer,  der  sich  161 4  in  Zürich  niederliess,  wo  seine  Nachkommen  bald  zu 
einem  beträchtlichen  bürgerlichen  Wohlstand  gelangten,  eine  politische  Rolle 
aber  erst  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  zu  spielen  begannen.  Der  Oberst 
und  Rathsherr  Johann  Jacob  Meyer,  der  in  Folge  der  politischen  Wirren  nach 
dem  Siege  der  Franzosen  vorübergehend  die  Heimath  hatte  meiden  müssen, 
vertheidigte  die  Stadt  im  Jahre  1802  siegreich  gegen  die  helvetischen  Truppen; 
er  ist  der  Grossvater  des  Dichters,  ein  aufrechter,  hochverdienter  Mann,  und 
erwarb  sich  als  Oberamtmann  von  Grüningen  später  während  der  schweren 
Nothjahre  die  Anhänglichkeit  des  Volkes.  Der  jüngste  der  vier  Söhne,  die 
ihm  von  neun  Kindern  geblieben  waren,  Ferdinand,  der  Vater  des  Dichters, 
war  von  zarter  Gesundheit  und  kurzer  Lebensdauer  (1799 — 1841).  Seine 
strenge  Gewissenhaftigkeit,  seine  angeborenen  P'ähigkeiten  für  Verwaltung  und 
Organisation,  seine  juristischen  Kenntnisse  machten  ihn  zu  einem  musterhaften 
und  von  seinen  Mitbürgern  hochgeschätzten  Staatsbeamten;  wenige  Jahre 
Staatsschreiber,  wurde  er  1825  Regierun gsrath  und  sah  sich  bald  mit  Aemtern 
und  Aufgaben  überhäuft;  seine  privaten  Studien  und  Bestrebungen  machten 
ihn  zum  tüchtigen  Historiker,  der,  seinem  bewunderten  Vorbilde  Ranke  mit 
Erfolg  nachstrebend,  mehrere  Partien  aus  der  Zeit  der  Gegenreformation 
glücklich  behandelte;  seine  Frau,  Betsy  Ulrich,  die  begabte  und  gemüthstiefe 
Tochter  des  um  das  Taubstummenwesen  verdienten  Oberrichters  Johann 
Conrad  Ulrich,  die  er  1824  heimführte,  erscheint  als  eine  der  feinsten  und 
anziehendsten  Frauengestalten,  die  Zürich  jemals  hervorgebracht  hat,  von  leb- 
haften litterarischen  und  philanthropischen  Interessen,  fromm  und  überaus 
wohlthätig,  nicht  ohne  Anflüge  von  Melancholie,  sodass  sie  zu  sagen  pflegte; 
»ich  habe  einen  heiteren  Geist,  aber  ein  trauriges  Herz«.  Betsy  Meyer 
schenkte  ihrem  Gatten  zwei  Kinder,  Conrad  und  die  sechs  Jahre  jüngere 
Tochter  Betsy.  Ohne  seinen  Lehrern  besonders  aufzufallen,  aber  immerhin 
ein  sehr  begabtes,  feines,  sensibles  Kind,  durchlief  Conrad  die  Schulen  seiner 
Vaterstadt,  das  untere  und  das  obere  Gymnasium  bis  an  die  Schwelle  der 
obersten  Klasse  und  begab  sich  dann  auf  den  Wunsch  der  Mutter  nach  Lau- 
sanne, wo  er  an  dem  Freunde  des  inzwischen  gestorbenen  Vaters,  dem  Histo- 
riker Louis  Vulliemin,  einen  Berather  fand,  der  sich  seiner  hingebend  und 
verständnissvoll  annahm.  Nach  Zürich  zurückgekehrt,  begann  er  auf  den  Rath 
J.  K.  Bluntschlis  juridische  Studien  ins  Auge  zu  fassen.  Bald  aber  zog  er 
sich  aus  den  Hörsälen  und  allmählich  auch  von  den  Menschen  zurück.    Eine 


Meyer.  43 

lange  Jahre  dauernde  Zeit  ziemlich  planloser,  aber  eifrig  betriebener  und  nicht 
unfruchtbar  gebliebener  historischer  Studien,  ausgedehnter  Leetüre  und  schwer- 
lastender, unreifer  poetischer  Pläne  begann  damit,  eine  Einsamkeit,  ein  Ringen, 
das  Niemand  ahnte,  Niemand  verstand,  ausser  der  hochbegabten  Schwester, 
die  ihm  bis  zur  Verheirathung  Freundin,  Genossin,  Beratherin  und  lange 
Jahre  die  einzige  Wissende  seiner  Pläne  und  poetischen  Arbeiten  war.  Das 
langsam  und  schwer  sich  entfaltende  poetische  Talent  bedrängte  ihn  mehr, 
als  es  ihn  beglückte,  und  vorübergehend  tauchte  der  Plan  auf,  sich  der 
Malerei  zuzuwenden.  Diese  Unsicherheit,  die  engen  heimischen  Verhältnisse, 
die  Fragen  und  Rathschläge  derer,  »die  etwas  geworden  waren«,  wurden  ihm 
unerträglich  und  erzeugten  in  dem  Reizbaren  einen  nervösen  Zustand,  der  es 
gerathen  scheinen  Hess,  dass  er  sich  für  einige  Wochen  in  die  Heilanstalt  Prefargier 
begab  (1852).  Als  geheilt  entlassen,  blieb  er  in  der  französischen  Schweiz, 
um  so  mehr,  als  auch  die  Hoffnungen  der  geliebten  Mutter  auf  eine  beruf- 
liche Ausbildung  dahin  wiesen:  sein  Ziel  ging  zunächst  auf  eine  gründliche 
Kenntniss  der  französischen  Sprache  und  historische  Studien.  Vulliemin  ver- 
anlasste ihn,  Augustin  Thierrys  »R^cits  des  temps  m^rovingiens«  zu  tiber- 
tragen, und  er  führte  die  umfängliche  Arbeit  (über  fünfhundert  Druckseiten) 
genau  und  fleissig  durch.  Sie  erschien  1855  ohne  den  Namen  des  Ueber- 
setzers  unter  dem  Titel:  »Erzählungen  aus  den  merovingischen  Zeiten«.  Die 
Uebersetzung  einer  kleineren  historischen  Arbeit  Guizots  folgte  bald.  Aber 
irgend  eine  Aussicht  auf  eine  eigentliche  Berufsthätigkeit  zeigte  sich  nicht, 
und  auch  die  poetische  Production,  nach  der  die  ganze  Sehnsucht  des  bald 
Dreissigj ährigen  ging,  wollte  ihm  nicht  gedeihen,  so  sehr  der  Aufenthalt  in 
der  französischen  Schweiz  seine  geschichtlichen  und  litterarischen  Kenntnisse 
vermehrt,  seine  Einsicht  in  das  Wesen  der  Poesie  gesteigert  hatte.  Nach  etwa 
anderthalb  Jahren  (Juni  1852  bis  Ende  December  1853)  kehrte  er  wieder 
nach  Zürich  zurück.  Auch  hier  blieb  seine  Lage  die  gleiche  und  kam  bei 
allem  innern  Gewinn  über  litterarische  und  praktische  Anläufe  —  er  gedachte 
Mommsen's  römische  Geschichte  ins  Französische  zu  übersetzen,  er  gab,  mehr 
der  Richtung  der  mütterlichen  Wünsche  als  dem  eigenen  Drang  folgend,  zwei 
unbemittelten  Schülern  Privatunterricht  —  nicht  hinaus.  Karg,  wie  früher, 
blieb  auch  jetzt  sein  Verkehr  nach  Aussen;  hie  und  da  ein  Besuch,  eine  Ein- 
ladung, einsame  Spaziergänge  und  noch  mehr  einsame  Kahnfahrten  auf  dem 
See,  der  auch  dem  rüstigen  Schwimmer  ungezählte  Stunden  der  Erholung 
und  Erfrischung  gewährte.  Dann  führten  Krankheit  und  Tod  eine  Aenderung 
herbei.  Zu  Beginn  des  Jahres  1856  erkrankte  »der  Herr«,  der  langjährige, 
etwas  geistesschwache  Pflegling  des  Meyer'schen  Hauses,  Antonin  Mallet,  der 
Sprössling  einer  befreundeten  Genfer  Familie,  und  lag  monatelang  angestrengter 
Pflege  bedürftig;  Frau  Betsy  Meyer,  die  sie  ihm  mit  aller  Selbstaufopferung 
erwies,  kam  dabei  selbst  zu  Schaden  und  erlag  ihren  physischen  und  seelischen 
Leiden  im  September  1856  zu  Prefargier.  Es  war  ein  furchtbarer  Schlag  für 
die  Geschwister;  Conrad  suchte  Erholung  von  dem  tiefen  Leid  um  die  Nie- 
vergessene, die  in  seinen  »Gedichten«  fortlebt,  durch  einen  Aufenthalt  in 
Paris ;  er  trat  ihn  abermals  mit  dem  Plane  an,  ein  Brodstudium,  das  juridische, 
zu  ergreifen,  nachdem  die  Hoflhung,  einen  Lehrstuhl  für  französische  Sprache 
und  Litteratur  am  eidgenössischen  Polytechnikum  in  Zürich  zu  erlangen,  sich 
als  trügerisch  erwiesen  hatte.  Zwei  Jahre  wollte  er  sich  für  Paris  und  seinen 
speciellen  Zweck  gönnen ;  aber  es  wurden  nur  etwa  vier  Monate  daraus,  dann 
zwangen    ihn    die  Sommerhitze  (1857)    und    ernstliches  Unwohlsein  —  Paris 


44  Meyer. 

war  damals  choleragetährlich  —  zur  Rückkehr.  Zur  Jurisprudenz,  die  niemals 
seine  Neigung  gewesen  war,  hatte  er  nun  freilich  kaum  einen  Anlauf  ge- 
nommen; aber  er  brachte  aus  der  unvergleichlichen  Kunststadt  die  reichsten 
Anregungen  nach  Hause,  und  gewaltig  regten  sich  die  poetischen  Geister. 
Sie  wiesen  nach  Italien,  in  das  Land,  das  den  Dichter  in  ihm  eigentlich  ge- 
löst hat,  obwohl  es  ihn  nicht  endgültig  von  der  Seelenlast  zu  befreien  ver- 
mochte, aus  Pflichtgefühl  eine  gelehrte  oder  sonstige  bürgerliche  Berufsarbeit 
versehen  zu  sollen.  Das  Jahr  1857  füllte  noch  ein  Erholungsaufentlialt  in  Engel- 
berg und  in  den  Octobertagen  eine  Reise  nach  München. 

Im  März  1858  unternahm  M.  mit  der  treuen  Schwester  die  erste  italie- 
nische Reise  über  Genf  nach  Marseille  und  zu  Schiff  nach  Civitavecchia;  sie 
kamen  in  den  Ostertagen  in  Rom  an.  Fast  jede  Seite  seiner  Gedichte  ver- 
räth,  was  dieser  Aufenthalt,  was  hauptsächlich  Rom  für  den  Dichter  geworden 
ist.  Nachdem  sie  mit  dem  alten  Freund  ihrer  Familie,  dem  durch  die  poli- 
tischen Kämpfe  seines  Vaterlandes  bekannt  gewordenen  Baron  Bettino  Ricasoli 
noch  einige  interessante  toscanische  Tage  verlebt  hatten,  kehrten  die  Ge- 
schwister über  Genua,  Turin,  den  Comersee,  den  Gotthard  und  Vier^'ald- 
städtersee  in  die  Heimath  zurück.  Wie  im  Vorjahr  ging  M.  dann  noch  ins 
Engelberger  Thal. 

In  Zürich  führte  das  Geschwisterpaar  so  ziemlich  dasselbe  eingezogene, 
einsame  Leben,  wie  früher;  näher  trat  ihnen  von  den  Freunden  nach  dem 
Tode  der  Mutter  besonders  Mathilde  Escher,  deren  Lebensbild  M.  gezeichnet 
hat.  Aufenthalte  in  den  Bergen  und  im  Welschland,  angestrengte  Studien 
und  Uebersetzerarbeit  füllten  die  Tage.  Einmal  trug  sich  M.  mit  dem  Ge- 
danken, seinen  bleibenden  Wohnsitz  in  Graubünden  aufzuschlagen,  das  ihm 
durch  Sommeraufenthalte  und  Wanderungen  lieb  wurde,  und  wohin  ihn  immer 
wieder  die  räthselhafte  Gestalt  des  Georg  Jenatsch  lockte.  Aber  die  Freunde 
redeten  ihm  dieses  Vorhaben  aus. 

Jahrelang  war  dem  Dichter  kein  grösseres  poetisches  Manuscript  gediehen ; 
in  den  ersten  sechziger  Jahren  aber  versuchte  er  nach  langem  Zögern  vor 
die  deutsche  Lesewelt  zu  gelangen,  indem  er  die  inzwischen  angewachsene 
Sammlung  seiner  Gedichte  unter  dem  Pseudonym  »Ulrich  Meister«  auf  Be- 
treiben der  Schwester  einem  deutschen  Verleger  anbot;  noch  wollte  er,  halb 
aus  Scheu,  halb  um  einer  Verwechslung  mit  dem  Zürcher  Dichter  Conrad 
Meyer  auszuweichen,  mit  seinem  Namen  nicht  hervortreten.  Die  Sammlung 
wurde  zurückgewiesen,  und  erst  im  Jahre  1864,  als  M.  beinahe  das  vierzigste 
Lebensjahr  erreicht  hatte,  gelang  der  erste  Schritt  in  die  Oeffentlichkeit ;  es 
waren  die  »Zwanzig  Balladen  von  einem  Schweizer«,  die,  noch  immer  anonym, 
wenigstens  im  nächsten  Kreis  einen  Erfolg,  ja  eine  förmliche  Auferstehung 
fiir  den  Verfasser  bedeuteten  und  seinen  Muth  und  sein  Selbstvertrauen  hoben. 

Das  kam  auch  der  Arbeit  am  »Jenatsch<^  zu  gut,  den  der  Dichter  in 
seiner  Seeeinsamkeit  unter  die  Feder  nahm  und  immer  und  immer  wieder 
umwendete.  Schon  1866  folgte  er  in  den  Graubündner  Bergen  wochenlang 
den  Fährten  seines  Jenatsch.  Eine  schöne  Ernte  von  Gedichten  fiel  so  neben- 
her dabei  ab.  Ausflüge  und  Fahrten,  die  sich  bis  ins  Veltlin  erstreckten, 
verlängerten  die  schöne  und  an  poetischem  Gut  so  ergiebige  Sommerfrische 
dieses  Jahres;  im  folgenden  Sommer  hielten  sich  die  Geschwister  hauptsächlich 
in  Silva  Plana  und  Thusis  längere  Zeit  auf;  von  Thusis  aus  durchstreifte  M. 
das  Domleschg  mit  seinen  Jenatschstätten  Riedberg,  Scharans,  Katzis  und  in 
nächster  Nähe  fand  er  das  Lokal,  das  er  später  in  der  Richterin  verwertliete, 


Meyer.  45 

die  Burg  Hohenrhätiqg  und  die  Viamala.  Der  Aufenthalt  dehnte  sich  diesmal 
in  den  Herbst  hinein  aus,  da  in  Zürich  die  Cholera  hauste. 

Bald  darauf  verliessen  die  Geschwister  die  Stadt  überhaupt,  um  sich 
nicht  wieder  dauernd  in  ihr  anzusiedeln.  Sie  bezogen  den  sogenannten  »See- 
hof« in  Küsnach,  der  dem  Dichter  ein  auf  die  geliebte  blaue  Seefluth 
schauendes  Arbeitszimmer  und  einen  Garten  gewährte,  welchen  die  "Wellen 
bespülten;  später  bewohnte  er  ein  gleichnamiges  Heim,  den  »Seehof«  zu 
Meilen. 

Zwei  Güter  schenkte  das  stille  Seegelände  von  Küsnach  dem  Dichter: 
mit  dem  Zauber  der  Fluth  und  ihrer  wechselnden  Beleuchtungen  die  Einsam- 
keit und  vor  Allem  aber  einen  Freund,  der  ihm  bieten  konnte,  was  ihm  ausser 
der  geliebten  treuen  Schwester  kein  Mensch  geboten  hatte:  Rath,  Fördenmg, 
Ermuthigung.  Das  fand  der  werdende  und  oft  verzweifelnde  Dichter  bei 
Fran^ois  Wille  und  dessen  Gattin  Eliza  Wille,  geb.  Sloman.  Hier  traten 
Conrad  und  Betsy  in  einen  gesellschaftlichen  Kreis,  der  auf  dem  schönen 
Gute  Mariafeld  in  Meilen  unter  dem  originellen,  hochgebildeten  Hausherrn 
und  der  geistvollen,  auch  schriftstellerisch  begabten  Frau  Alles  umschloss, 
was  Zürich  damals  dauernd  oder  vorübergehend  an  hervorragenden  Menschen 
barg:  hier,  bei  W^ille,  erschienen  Gottfried  Keller,  Gottfried  Semper,  Gottfried 
Kinkel,  Ettmüller,  Köchly,  Benndorf,  der  Graf  Plater  und  seine  Gemahlin,  die 
frühere  Schauspielerin  Caroline  Bauer;  Franz  Liszt  durfte  der  Hausherr  seinen 
Duzfreund  nennen,  und  welche  grossherzige  Gastfreundschaft  Richard  Wagner 
hier  fand,  ist  bekannt.  Vor  Frangois  und  Eliza  Wille  breitete  M.  zunächst 
ein  neues  Bändchen  Gedichte  aus,  das  1869  bei  Hermann  Hassel  in  Leipzig 
herauskam,  das  erste  Werk,  das  seinen  um  den  Vornamen  des  Vaters  be- 
reicherten Namen  in  die  Welt  trug:  »Romanzen  und  Bilder  von  Conrad 
Ferdinand  Meyer«.  Die  kleine  Sammlung  enthielt  schon  eine  ganze  Anzahl 
Stücke  in  nahezu  der  Vollendung,  in  welcher  sie  später  in  die  »Gedichte« 
aufgenommen  wurden;  aber  so  werthvoll  sie  war,  sie  ging  in  dem  Getöse  des 
deutsch-französischen  Krieges  völlig  unter. 

Ein  anderer, ^stärkerer  Klang  wurde,  als  die  Waffen  eben  vertosten,  ge- 
hört: der  »Hütten«.  Er  hat  den  Namen  M.'s  mit  der  weltgeschichtlichen 
Wandlung  der  deutschen  Dinge  für  immer  verknüpft;  er  hat  dem  Dichter  die 
lang  und  heiss  ersehnte  Gloriole  des  Ruhmes  aufleuchten  lassen.  Unter  seinen 
Balladen  befand  sich  eine,  die  den  sterbenden  Hütten  zeigte.  Sie  gab  den 
Anstoss  zu  dem  grösseren  Werke,  über  dessen  Entstehen  und  Werden  er  selbst 
in  der  »Deutschen  Dichtung«  (1891)  berichtet  hat:  wie  sich  das  deutsche 
Element  in  ihm  über  das  französische  erhob,  wie  sich  die  Ballade  zum  histo- 
rischen und  heroischen  Idyll  ausweitete,  welchen  Antheil  die  Persönlichkeit 
Willes  an  dem  Werk  hatte,  das  er  und  seine  Gattin  Stück  für  Stück  mit 
innigster  Theilnahme  entstehen  sahen  und  das  der  Dichter  ihnen  zueignete. 
Vier  Elemente  verliehen  der  Schöpfung  die  Stärke  und  Färbung:  die  an- 
ziehende Gestalt  des  Ritters;  der  ausgeprägte  deutsche  Sinn,  den,  wie  M. 
selbst  bekannte,  der  deutsch-französische  Krieg  in  ihm  auflodern  Hess,  nach- 
dem er  lange  starken  Einflüssen  der  französischen  Litteratur  unterworfen  ge- 
wesen; der  landschaftliche  Zauber  des  von  ihm  in  allen  Stimmungen  be- 
lauschten Sees  und  seiner  Gelände,  und  endlich  die  in  den  Schicksalen  und 
Aeusserungen  des  Helden  mitklingenden  persönlichen  Erlebnisse  und  Empfin- 
dungen des  Dichtere.  Dieser  kam  eben  aus  den  grünen  Bündner  Bergen 
zurück,   als   ihn   ein  erstes  Echo   des    »Hütten«   erreichte:    es  war  eine  ein- 


46  Meyer. 

gehende  Besprechung  von  Johannes  Scherr;  ein  ganzer  Cfior  anderer  Stimmen 
folgte. 

Noch  im  gleichen  Herbst  (1871)  brach  der  Dichter  mit  der  Schwester 
wieder  nach  Italien  auf:  die  Reise  ging  über  Verona  nach  Venedig.  Dort 
brachten  die  Beiden  den  Winter  zu,  zwischen  eifriger  Arbeit  und  begeistertem 
Kunstgenuss  und  gegen  das  Frühjahr  mit  dem  Wille' sehen  Ehepaar  vereint. 
Ueber  Bologna,  Turin,  Genf,  I^ausanne,  wo  sie  Vulliemin  sahen,  kehrten  sie 
dann  in  den  Seehof  nach  Küsnach  zurück,  den  sie  unlang  nachher  mit  dem 
zu  Meilen  vertauschten. 

In  den  Aufenthalt  zu  Venedig  tällt  die  abschliessende  Arbeit  an  »Engel- 
berg«, das  auf  den  »Hütten«  folgte,  wie  eine  idyllische  Klage  nach  der 
heroischen,  weniger  geschlossen  in  der  Handlung,  aber  von  einem  wunder- 
samen Reiz  der  landschaftlichen  Schilderung,  sodass  der  Dichter  mit  Recht 
von  seinem  Werklein  sagen  konnte,  es  sei  die  Seele  des  Gebirgsthales,  die 
hier  Gestalt  genommen  habe.  Trotz  der  unausgeglichenen  Elemente  des 
Legendarischen  und  des  Realistischen  gewinnt  es  immer  wieder  durch  die 
Kette  seiner  einzelnen  Schönheiten, 

Unter  der  schwarzschattenden  Kastanie  im  Garten  des  Meilener  Seehofes 
entstand  dann  die  Niederschrift  des  »Jenatsch«.  Aber  vor  den  Abschluss  des 
Romans  drängte  sich  ein  alter  Plan,  »das  Amulet«,  das  der  Dichter  1872/73 
der  Schwester  in  die  Feder  diktirte;  es  gedieh  zu  einem  Cabinetstücke  histo- 
rischer Erzählungskunst  und  bot  ausser  der  Grösse  des  Stoffes  und  der  Linien 
schon  alle  Vorzüge  seiner  grossen  späteren  Novellen.  In  den  Jahren  1873 
und  1874,  während  das  »Amulet«  in  die  Welt  zog,  ging  die  Arbeit  am 
»Jenatsch«  weiter,  endlich  im  Sommer  1874  schloss  er  ihn  zu  Chiamutt  am 
Oberalppass  ab.  Die  erste  Drucklegung  des  Werkes  ging  freilich  ohne  grosse 
Wirkung  vorüber  —  es  war  in  eine  wenig  verbreitete  Zeitschrift,  »Die  Litte- 
ratur«,  gerathen,  wo  es  nicht  recht  sichtbar  wurde.  Und  die  Buchausgabe 
verzögerte  zuletzt  ein  wichtiges  Lebensereigniss,  Verlobung  und  Hochzeit  mit 
I^uise  Ziegler,  der  Tochter  des  aus  dem  Schweizerischen  Sonderbundskrieg  rühmlich 
bekannten  Obersten  Ziegler;  sie  fand  im  October  1875  statt.  Ein  an  poetischen 
Eindrücken  reicher  Aufenthalt  im  Süden,  hauptsächlich  auf  Corsica,  hielt  die 
Glücklichen  beinah  ein  halbes  Jahr  von  der  Heimath  fern,  bis  sie  das  eigene 
Heim,  zuerst  im  sogenannten  Wangensbach  bei  Küsnach,  dann  in  Kilchberg 
bezogen,  wo  der  Dichter  bis  zu  seinem  Lebensende  in  dem  prachtvoll  ge- 
legenen, auf  die  Seefluth  herabblickenden  Gut  hauste,  das  sich  das  Paar  1877 
gekauft  und  ausgebaut  hatte. 

Ende  1876  erschien  der  »Jenatsch«  in  Buchform  und  brach  sich  erst 
zögernd,  dann  aber  mit  einem  Ruck  Bahn;  der  Zahl  der  Auflagen  nach  zu 
schliessen,  ist  er  das  beliebteste  der  M.' sehen  Werke  geblieben,  was  sich  wohl 
daraus  erklärt,  dass  er  noch  nicht  die  ganze  Strenge  und  Knappheit  des 
späteren  Stiles  zeigt,  sondern  mit  dem  reicheren  Beiwerk  einen  behaglicheren, 
epischen  Gang  aufweist,  wie  ihn  ein  grösserer  Leserkreis  vorzieht.  Jenatsch 
war  die  erste  unter  den  grossen  historischen  Gestalten  M.'s,  welche  die 
Schicksalswendung  eines  ganzen  Volkes  tragen  und  damit  im  Zusammen- 
hange dem  psychologischen  Eindringen  Räthsel  und  Geheimnisse  entgegen- 
stellen. Solche  Gestalten  —  Jenatsch,  der  Heilige,  Pescara  —  haben  die 
Phantasie  des  Dichters  vor  allen  mächtig  angeregt.  Den  Jenatsch  hob  er 
durch  den  glühenden  Patriotismus,  den  er  ihm  verlieh,  über  die  Sphäre  des 
blossen  politischen  Intriguenspiels  weit  hinaus  und   brachte   in    sein  Schicksal 


Meyer.  ^j 

und    seinen    tragischen  Untergang    die  Elemente    der  Grösse,    denen    er    die 
stärksten  poetischen  Wirkungen  fortan  dankte. 

Denn  nun  beginnt,  während  das  äussere  Leben  ziemlich  gleichmässig 
verläuft  und  Reisen,  Besuche,  Familienereignisse  wenig  tiefe  Abschnitte  ein- 
kerben, die  Zeit  der  grossen  Ernte  für  den  Dichter,  zwölf  fruchtbare  Schaffens- 
jahre,  von  der  Uebersiedelung  nach  Kilchberg,  wo  ihm  im  Jahre  1879  ^^"^ 
Tochter  geboren  wurde,  bis  zu  seiner  Erkrankung  (1879 — 189^)5  ^s  war  die 
hohe  Zeit  seines  Lebenswerkes,  welche  die  angestrengteste,  alle  Kräfte  bis 
zur  Erschöpfung  anspannende  Arbeit  und  eine  ungemessene  Fülle  von  Schaffens- 
glück in  sich  schloss.  Schon  die  Jahreswende  1876/7^  traf  ihn  über  der 
Arbeit  am  »Heiligen«,  neben  dem  andere  Pläne  und  Vorwürfe  herliefen, 
darunter  der  lustige  »Schuss  von  der  Kanzel«,  der  im  »Zürcher  Taschenbuch« 
zuerst  gedruckt  wurde  und  alte  halbverschollene  Sagen  vom  Zürchersee  ver- 
band, belebte  und  ausgestaltete,  »Plautus  im  Nonnenkloster«,  der  wie  ein 
Renaissancegegenstück  zu  der  fröhlichen  Seeidylle  erscheint,  als  Facetie  des 
Paggio  gedacht,  unübertrefflich  durch  die  Verdeutiichung  der  verschiedenen 
Haltung,  die  das  germanische  und  das  romanische  Gemüth  zu  den  Fragen  der 
Reformation  und  des  Gewissens  überhaupt  einnimmt.  Indessen  war  der 
»Heilige«  publicirt,  nach  dem  »Jenatsch«  die  erste  der  monumentalen  histo- 
rischen Erzählungen.  Hier  trat  er  zum  ersten  Mal  in  den  Ideenkreis  des  Mittel- 
alters ein,  zum  ersten  Mal  bediente  er  sich  der  Technik  der  Rahmenerzählung; 
gleich  bewundernswürdig  erschien  die  Vertiefung  der  problematischen  Natur  des 
Heiligen  und  die  plastische  Herausarbeitung  der  historischen  Verhältnisse  und 
Figuren.  Ein  wahrer  Sturm  der  Anerkennung  brach  los,  und  unter  den 
Ehrungen,  die  dem  Dichter  zufielen,  befand  sich  auch  der  Doctorhut  der 
Zürcher  Hochschule. 

Zwischen  dem  »Heiligen«  und  der  nächsten  grossen  historischen  Er- 
zählung liegen  vier  kleinere  Novellen,  kleiner  dem  Stoff,  dem  Motiv  nach 
und  kleiner  an  Umfang,  nicht  an  Kunst:  ausserdem  »Schuss  von  der  Kanzel« 
und  dem  »Plautus«  die  zwei  Pendants,  die  eine  muthstrahlende  Mädchen- 
stim und  ein  unendlich  rührendes  Knabenantlitz  zeigen,  »der  Page  Lcubel- 
fing«  und  »das  Leiden  eines  Knaben«,  besonders  die  letztere  ein  auserwähltes 
Kleinod  der  psychologischen  Schilderung  und  des  überaus  fein  behandelten 
historischen  Milieus,  eine  ergreifende  Kindergeschichte,  der  man  aus  dem 
weiten  Gebiet  der  deutschen  Litteratur  nur  noch  etwa  Gottfried  Kellers  Ge- 
schichte vom  armen  Meretlein  zur  Seite  stellen  kann. 

Dann  schenkte  der  Dichter  der  Welt  sein  grösstes  und  vollendetstes 
Werk:  »Die  Hochzeit  des  Mönchs«;  hier  löste  er  drei  künstlerische  Probleme 
gleich  meisterhaft:  er  entwarf  ein  grossartiges  Bild  Dantes,  er  entwickelte  die 
Technik  der  Novelle  und  behandelte  das  erschütternde  Problem  des  ent- 
kutteten  Mönchs,  der  in  den  Aufgaben  und  den  Leidenschaften,  in  die  er 
geworfen  wird,  rettungslos  zusammenbricht;  vor  Allem  aber  hat  er  hier  zuerst 
der  Handlung  jene  straffe,  auf  wenige  grosse  Scenen  concentrirte  Schürzung 
gegeben,  die  er  nachher  nicht  mehr  verliess:  er  hat  den  Stoff,  obwohl  er  ihn 
noch  in  eine  Rahmenerzählung  einschloss  —  zum  letztenmal  —  als  Drama 
concipirt. 

In  »Plautus  im  Nonnenkloster«  findet  sich  das  episodisch  verwendete 
Bild  der  für  den  Giftmord  des  (xatten  büssenden,  in  der  Klosterkapelle  dar- 
gestellten allemannischen  Herzogin:  der  Keim  der  »Richterin«,  mit  der  er 
seine  Bewunderer  1885  überraschte.    Er  hatte  zuerst  die  Absicht  gehabt,  die 


48  Meyer. 

Handlung  auf  dem  modernen  Corsica,  das  ihm  seit  seiner  Hochzeitsreise  lieb 
geworden  war,  oder  aber  in  der  Engelsburg  zur  Zeit  der  Renaissance  spielen 
zu  lassen;  es  zeigt  seine  durchdringende  künstlerische  Ueberlegung,  dass  er 
sich  entschloss,  sie  nach  Graubünden  und  in  die  Zeit  Karls  des  Grossen  zu 
verlegen,  um  die  fast  über  Menschenmass  hinauswachsende  Grösse  seiner 
Figuren  nicht  durch  bestimmte,  scharf  umrissene  und  durch  die  Geschichte 
hellbeleuchtete  Verhältnisse  einschränken  zu  müssen;  die  Freiheit,  die  er  sich 
dadurch  errang,  die  Grösse  und  Einfachheit  der  Linien  gerade  in  dieser 
Schöpfung  wirkt  mit  der  Gewalt  und  dem  Phantasiezauber  der  alten  Heldensage. 

Ein  geheimer  Faden  spann  sich  von  der  »Richterin«  zum  nächsten  Werke, 
zur  »Versuchung  des  Pescara« :  zwei  gewaltige  Herrscherfiguren,  dort  ein  Weib, 
hier  ein  Mann,  verbergen  mit  fast  übermenschlicher  Selbstbeherrschung  ein 
schicksalsvolles,  ein  verderbliches  Geheimniss:  die  Richterin  ein  Jugendver- 
brechen, das  in  ihrem  Innern  nach  Sühne  verlangt,  die  sie  aus  freien  Stücken 
mit  ihrem  Leben  auslöst;  der  Feldherr  Karls  V.  eine  tötliche  Körperwunde, 
die  sein  Schicksal  und  das  seines  zerrissenen  Landes  zugleich  ist.  Die  grossen 
Contraste  der  Personen,  der  Nationalitäten,  die  tragische  Ironie  der  Verhält- 
nisse, der  dramatische  Gang,  Alles  ist  hier  in  die  höchsten  Masse  getrieben 
und  die  gewaltigste,  erschütterndste  Wirkung  erreicht,  nicht  zum  wenigsten 
dadurch,  dass  über  dem  rasenden  Lauf  der  Verhängnisse  der  rührende  Schimmer 
einer  schmerzlichen  Resignation  schwebt. 

Schon  nach  der  Vollendung  des  »Pescara«  suchte  den  Dichter  ein  längeres 
Leiden  heim,  das  unbedingten  Stillstand  der  Arbeit  gebot:  Zustände  quälten 
ihn,  die  nicht  ausser  Zusammenhang  mit  Ermüdung  und  Ueberarbeitung 
standen.  Aber  noch  einmal  siegte  seine  Energie,  und  er  breitete  mit  unge- 
schwächten Kräften  ein  neues  wnmderbares  Renaissancebild  aus,  in  dessen 
Mitte  die  männerberückende  Lucrezia  Borgia  stand.  Es  war  ein  Stoff,  der 
bei  allen  Entsetzlichkeiten  hervorragende  dichterische  Qualitäten  an  sich  trug: 
die  Grösse  und  Macht  der  italienischen  Renaissance,  verlockende,  räthselhafte 
psychologische  Probleme,  besonders  das  merkwürdige  der  Lucrezia  selbst,  die 
als  das  vollendete  weibliche  Gegenbild  des  »Heiligen«  am  Ende  seines  Schaffens 
steht,  wie  jener  am  Anfang.  Was  der  Dichter  an  wunderbar  empfundenen 
Einzelheiten  in  dieses  in  mancher  Beziehung  unerreichte  Werk  hineingearbeitet 
hat,  lässt  sich  hier  kaum  andeuten:  überraschend  ist  vor  Allem  der  Uebergang 
von  dem  ersten  in  den  zweiten  Theil  und  die  fast  ermattete,  stille  Lösung 
der  Gräuel,  die  einen  tragischen  Untergang  erwarten  Hessen,  wie  ihn  freilich 
auch  die  Geschichte  nicht  bot.  Ob  man  recht  thut,  hier  ein  Ueberwiegen 
des  ethischen  und  persönlichen  Bedürfnisses  nach  einer  ruhigen  Auslösung 
über  die  künstlerischen  Erfordernisse  zu  constatiren,  mag  hier  ununtersucht 
bleiben:  Thatsache  ist,  dass  das  Entsetzen  über  die  Gräuel  seiner  »Angela 
Borgia«  in  die  beginnende  Krankheit  des  Dichters  hinübergespielt  hat.  Denn 
er  brachte  das  Werk  noch  gerade  unter  Dach. 

Anfänglich  schien  es  sich  nur  um  eine  geistige  Ermüdung  zu  handeln, 
herbeigeführt  durch  die  strenge  Arbeit  an  der  »Angela  Borgia«.  Aber  dieser 
Trost  des  Dichters  und  seiner  Angehörigen  hielt  nicht  lange  vor.  Schlimmere 
Symptome  traten  hinzu  und  Hessen  den  Aerzten  die  Ueberführung  in  eine 
Heilanstalt  geboten  erscheinen;  von  Juli  1892  bis  zum  September  1893  fand 
der  Dichter  in  der  grossen  kantonalen  Heil-  und  Pflegeanstalt  Königsfelden 
bei  Brugg  Zuflucht  und  sorgfältige  ärztliche  Behandlung  und  gelangte  zu  einem 
solchen  Grad  der  Genesung,  dass  er  von  nun  an  bei  den  Seinen  in  Kilchberg 


Meyer.  4q 

weilen  konnte.  Unter  ihrer  zärtlichen  Pflege  hob  sich  sein  Befinden  mit  den 
Jahren  dermassen,  dass  er  Femerstehenden  beinahe  als  ein  Geheilter  erscheinen 
mochte.  Aber  es  blieb  ihm  verwehrt,  im  Ernste  an  die  Ausführung  eines 
seiner  grossen  Entwürfe  zu  denken. 

Unter  diesen  Entwürfen  stand  obenan  der  Conflikt  zwischen  dem  Hohen- 
staufen  Friedrich  II.  und  seinem  Kanzler  Petrus  de  Vinea.  Mindestens  eben- 
solang beschäftigte  ihn  die  Gestalt  des  letzten  Grafen  von  Toggenburg,  über 
dessen  Erbe  in  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  der  blutige  schweizerische 
Bürgerkrieg  entbrannte.  Lange  auch  bildete  er  an  dem  Charakter  und  den 
Schicksalen  des  Comthurs  Schmid,  der  in  einer  Ballade  und  im  »Hütten« 
auftaucht;  auch  eine  lustige  Klosteraufhebung  erwog  er,  ebenso  eine  Dar- 
stellung der  Liebesschicksale  Petrarcas  und  der  Frau  Laura;  indessen  sah  er 
von  dem  zuletzt  genannten  Vorhaben  ab,  da,  wie  er  meinte,  ein  Dichter  doch 
nicht  der  richtige  Held  für  eine  Novelle  sei.  Ueberraschend  scheint,  dass 
er  auch  einen  ganz  modernen  Stoff  ins  Auge  fasste,  ein  Eheproblem. 

Manche  Verehrer  und  Kenner  der  Meyerschen  Muse  stellen  seine  Lyrik 
noch  über  seine  Erzählungen;  Gottfried  Keller  gehört  zu  diesem  Trüpplein. 
Eine  seltene  Gunst  des  Schicksals  wurde  ihm  zu  Theil:  ihm  blieb  die  lyrische 
Kraft  so  lange  treu,  als  die  epische,  in  Jahren,  in  denen  sie  sonst  abzunehmen 
oder  aufzuhören  pflegt:  zu  seinen  schönsten  lyrischen  Gaben  gehören  die 
zwischen  »Pescara«  und  »Angela  Borgia«  entstandenen  Gedichte,  also  zu  einer 
Zeit,  da  er  den  Siebzigen  schon  sehr  nahe  rückte.  In  seinen  rein  lyrischen 
Schöpfungen,  so  reich  und  gross  ihr  Schatz  ist,  findet  sich  beinahe  nichts, 
das  blosses  Spiel  der  Phantasie,  blosse  Construction  der  Erfindung  wäre; 
sondern  sie  tragen  in  ungewöhnlichem  Masse  den  Stempel  des  eigenen  Er- 
lebnisses und  Schicksals  und  zeichnen  sich  überdies  aus  durch  eine  solche 
Tiefe  und  Feinheit  der  Empfindung,  durch  einen  solchen  Adel  der  Gesinnung, 
durch  eine  solche  Plastik  und  Reinheit  der  Linie  und  durch  soviel  Klang- 
schönheit, dass  sie,  die  Liebesgedichte  zumal,  ein  unvergängliches  Besitzthum 
der  deutschen  Litteratur  bleiben  werden. 

Es  war  in  seinem  siebenundfünfzigsten  Lebensjahre  (1882),  als  M.  seine 
Gedichte  in  die  letzte,  in  späteren  Auflagen  um  eine  kleinere  Anzahl  Stücke 
bereicherte  Sammlung  zusammenlegte.  Vieles  davon  war  neu  und  erst  in 
seinen  fünfziger  Jahren  entsprossen;  ein  beträchtlicher  Theil  dagegen  bestand 
aus  Stücken  der  beiden  früheren  Sammlungen,  der  »Balladen«  und  der 
»Romanzen  und  Bilder«;  sie  waren  in  einer  Weise  umgeformt  und  umge- 
schmolzen worden,  wie  nur  er  umzugiessen  pflegte. 

Seine  künstlerische  Entwicklung  und  sein  Schicksal  hingen  an  einem 
erstaunlich  späten  Sichselbstfinden,  einem  äusserst  langsamen  Reifen ;  das  schloss 
ein  rastloses  Fortschreiten  und  Vorwärtsdrängen,  wie  es  Goethe  an  Schiller 
bewunderte,  nicht  aus.  Hand  in  Hand  mit  der  äussersten  technischen  Sorg- 
falt ging  die  hohe,  sozusagen  ethische  Schätzung  der  Kunst  und  hielt  ihn  ab, 
etwas  aus  der  Werkstatt  zu  geben  und  vor  die  Oeflfentlichkeit  zu  bringen, 
dem  er  nicht  das  Aeusserste  seiner  Kräfte  und  seines  Könnens  zugewendet 
hatte.  Das  dichterische  Schaffen  war  für  ihn  eine  priesterliche  Handlung;  er 
sagte  einmal  zu  mir:  »Wenn  Macchiavell  sich  ans  Schreiben  begab,  so  legte 
er  seine  Feiertagskleider  an;  mir  ist  es  oft,  wenn  ich  mich  an  meinen  Schreib- 
tisch setze,  als  ob  ich  die  Schwelle  eines  Tempels  überschreite«,  und:  »Die 
Kunst  ist  eigentlich  das  Einzige,  was  uns  über  die  Trivialitäten  dieses  Lebens 
hinweghebt«.     Damit  hing  es  zusammen,   dass  ihn  eigentlich   nur  das  grosse 

Blogr,  Jahrb.  n.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  ^ 


CO  Meyer. 

Tragische  beglückte:  als  ihn  ein  Freund  zu  dem  heiteren  »Schuss  von  der 
Kanzel«  beglückwünschte,  lehnte  er  das  Lob  halbwegs  ab  und  bekannte,  dass 
ihm  wesentlich  nur  bei  der  ernsten  Muse  wohl  sei.  Es  beunruhigte  ihn,  dass 
er  im  »Thomas  a  Becket«  bezüglich  der  ethischen  Fragen  anscheinend  nicht 
Partei  genommen  habe:  in  der  »Versuchung  des  Pescara«  wollte  er  ihre 
Macht  und  Bedeutung  mit  »Tubenstössen«  betonen. 

Zur  Arbeit  bot  er  alle  seine  Kräfte  auf,  und  sie  wurde  ihm  nicht  leicht. 
Schwer  und  mühsam  rückten  gewöhnlich  seine  Schöpfungen  vor,  und  selbst 
die  Entwürfe  seiner  Meisterjahre  veränderten  sich  in  der  Regel  so  gründlich, 
dass  kein  Stein  auf  dem  andern  blieb.  Die  Beispiele  hierfür  Hessen  sich 
häufen:  es  geschah,  dass  er  bei  Neuauflagen  einzelne  Nummern  des  »Hütten« 
bis  zu  zehnmalen  überging;  das  ergreifende  Gedicht  »Ein  Pilgrim«,  das  in 
der  vierten  Auflage  als  »Epilog«  erscheint,  Hess  er  Jahre  vorher  in  einer 
Fassung  drucken,  die  den  Zauber  der  endgültigen  Gestaltung  noch  kaum 
ahnen  Hess;  von  der  »Richterin«  wusste  er  selbst  kaum  mehr  zu  sagen,  wie 
viele  Wandlungen  sie  durchgemacht  hatte.  Ueber  die  Sprödheit  der 
historischen  Stoffe  klagte  er  häufig;  aber  er  Hess  nicht  ab  und  mühte  sich 
immer  wieder,  sie  aus  der  Trivialität  des  bloss  Historischen  heraus  und  in 
das  Reich  der  Poesie  zu  rücken,  er  kämpfe  mit  seinem  Stoff,  wie  Jacob  mit 
dem  Engel,  sagte  er  einmal:  »Ich  ringe  mit  Dir  und  lasse  Dich  nicht,  Du 
segnest  mich  denn!« 

Es  hing  mit  dieser  Schwere  und  Gewissenhaftigkeit  zusammen,  dass  er, 
obwohl  er  sich  Zeit  seines  Lebens  darnach  sehnte,  nicht  zum  Drama  gelangen 
konnte;  der  epischen  Technik  fühlte  er  sich  sicher,  der  dramatischen  nicht, 
und  —  er  hatte,  wie  er  im  Hinblick  auf  seine  Jahre  wohl  sagte,  »nicht  mehr 
viel  weisses  Papier  zu  beschreiben«.  Das  beunruhigte  ihn.  Aber  es  sind 
wohl  wenige  seiner  grösseren  Arbeiten,  die  er  nicht  zu  dramatisiren  beabsich- 
tigt hatte:  den  Jenatsch,  noch  bevor  er  mit  der  Erzählung  zu  Ende  war. 
Besonders  beschäftigten  ihn  die  deutschen  Kaiser  Heinrich  IV.  und  V.  als 
Helden  einer  Tragödie  oder  eines  TragÖdiencyclus  Jahre  lang.  Als  er  die 
»Angela  Borgia«  abschloss,  dachte  er  sogar  einmal  daran  —  er  hätte  es  wohl 
nicht  ernstlich  unternommen  —  den  nächsten  Stoff  dramatisch  und  episch 
nebeneinander  zu  behandeln. 

Die  künstlerische  Arbeit,  mochte  sie  ihn  auch  manchmal  bis  zur  Er- 
schöpfung anspannen,  empfand  er  als  das  eigentliche  Glück  seines  Lebens; 
ein  Künstlerernst  eignete  ihm,  der  wohl  nicht  angehalten  hätte,  wäre  er  nicht 
mit  der  genialen  Fruchtbarkeit  des  geborenen  grossen  Dichters  gepaart 
gewesen,  einer  Fruchtbarkeit,  die  ihm  erlaubte,  nach  der  grossen  Schöpfung 
des  »Jenatsch«  in  einem  Jahrzehnt  den  »HeiHgen«,  »Die  Hochzeit  des  Mönchs«, 
»Die  Richterin«,  »Pescara«,  daneben  vier  kleinere  Novellen  und  einen  Band 
Gedichte  der  Welt  zu  schenken. 

Das  Grosse  war  ihm  ein  eigentliches  Naturbedürfniss :  daher  zog  es  ihn 
so  sehr  nach  der  Renaissance,  daher  spielt  Michel  Angelo  in  seinen  Gedichten 
eine  so  hervorragende  Rolle;  daher  machte  er  es  sich  zur  Aufgabe,  den  Stil 
der  grossen  Tragödie  in  die  Novelle  einzuführen.  Alles  Kleinliche,  Unbedeutende, 
GewöhnHche  an  Menschen  und  Dingen  war  ihm  zuwider,  und  von  seinen 
Jünglingsjahren  bis  ins  Mannesalter  hinein  empfand  er  eigentlich  die  Wirklich- 
keit als  etwas  Feindliches,  als  etwas,  das  seine  hohen  Ideale  verletzte. 

Sein  Urtheil  in  künstlerischen  Dingen  war  ein  strenges,  denn  er  legte 
die  höchsten  Massstäbe  an;  Laune  oder  Stimmung  sprachen  nicht  mit,  er  hat 


Meyer.     Hinschius.  c  i 

immer  Alles  aufs  Sorgfältigste  überdacht,  geprüft  und  wieder  geprüft,  bis  er 
mit  sich  selbst  vollständig  im  Klaren  war.  Auch  die  völlige  Klarheit  war 
ihm  ein  unabweisbares  Bedürfniss,  vielleicht  mehr  ein  errungenes,  erworbenes; 
denn  durch  lange  Jugendjahre  hindurch  litt  er  daran,  dass  sie  ihm  versagt 
blieb.  Wie  oft  hörte  ich  ihn  sagen:  »Man  muss  seinen  Stoff  klar  durch- 
denken!« 

Er,  den  in  jungen  Jahren  der  starke  Idealismus  der  eigenen  Natur  die 
Menschen  scheuen  und  wohl  sehr  oft  schwer  verstehen  liess,  er  wurde  mit 
dem  vorrückenden  Lebensalter  ein  seltener  Menschenkenner.  Und  diese 
Menschenkenntniss  erwarb  er,  wie  er  an  seinem  väterlichen  Freunde  Vulliemin 
rühmte,  unschuldig.  Er  war  gerecht;  da  er  die  Menschen  zu  verstehen  suchte, 
lag  ihm  richterliches  Wesen  fern,  und  er  redete  bedeutenden  Naturen  gerne 
das  Wort.  Seine  Feinheit  und  Liebenswürdigkeit,  die  angeborene  Vornehmheit 
seiner  Natur  Hessen  ihn  sozusagen  Keinen  abweisen;  aber  er  wusste  dabei  seine 
Reserve  inne  zu  halten.  Verleumdungen,  Geschwätz  und  Zuträgereien  fanden 
bei  ihm  keinen  Boden ;  er  pflegte  zu  sagen,  er  habe  manchen  bösen  Funken, 
der  ihm  zugeweht  worden  sei,  ausgetreten.  Das  hing  auch  mit  seinen  reli- 
giösen Ueberzeugungen  zusammen,  denn  er  war  ein  aufrichtig  frommer  Christ 
und  ein  entschiedener  Protestant.  Er  errang  sich  »in  Harmesnächten«  eine 
gewisse  Gelassenheit  dem  Kommenden  gegenüber,  und  obwohl  ihn  die  ver- 
loren gegangenen  Jahre  schmerzten  und  die  Missstände  und  Ungerechtigkeit 
der  Welt  oft  wie  ein  persönliches  Leid  quälten,  so  getröstete  er  sich  doch 
im  Innersten  der  Ueberzeugung,  dass  zuletzt  »etwas  wie  Gerechtigkeit  webe 
und  wirke«. 

Es  war  sein  Schicksal,  dass  er  in  Folge  einer  aussergewöhnlich  späten 
Entwicklung  auf  reifes  Können,  auf  Ruhm  und  Erfolg  harren  musste,  lange 
Jahre  hindurch.  Als  ihn  aber  das  Glück  der  Künstlerschaft  endlich  »warm 
mit  unbekannter  Fülle«  überströmte,  blieb  er  sich  treu  in  seinem  Streben 
nach  der  höchsten  Kunst:    er  ist  als  ein  Vollendeter  geschieden. 

Bibliographie:  Anton  Reitler,  Conrad  Ferdinand  Meyer,  2.  Aufl.,  1885:  darin 
S.  II  eine  autobiographische  Skizze  Meyers.  Conrad  Ferdinand  Meyer:  »Mein 
Erstling  »Huttens  letzte  Tage«  (Deutsche  Dichtung,  IX.  Bd.,  1891).  Lina  Frey,  C.  F. 
Meyers  Gedichte  und  Novellen  (»Deutsche  Rundschau«  und  1892  sep.).  Hans  Trog, 
C.  F.  Meyer,  sechs  Vorträge,  Basel  1897.  K.  E.  Franz os,  C.  F.  Meyer,  Berlin  1899. 
Adolf  Frey,  C.  F.  Meyer.  Ein  Lebensbild  (unter  der  Presse);  zahlreiche  Aufsätze  und 
Recensionen  von  Andern  und  mir  lasse  ich  hier  unberücksichtigt,  da  sie  kein  oder  wenig 
biographisches  Material  bieten. 

Ikonographie:  Die  bekannte  Radirung  von  Carl  St  au  ff  er -Bern  ist  in  den  Punkten 
nicht  ganz  richtig,  giebt  aber  den  Ausdruck  des  Gesichtes  gut  wieder;  von  der  Hand 
Wilhelm  FUesslis  existirt  eine  gute  Rothstiftzeichnung  aus  dem  Winter  1891/92;  alle 
übrigen  Bilder  (Holzschnitte  und  dergl.)  haben  insofern  nur  einen  beschränkten  Werth,  als 
sie  lediglich  nach  Photographien  hergestellt  sind,  die  übrigens  den  Dichter  fast  ausnahmslos 
vorzüglich  trafen;  die  meisten  —  so  auch  das  Urbild  der  Heliogravüre  unseres  Bandes  — 
stammen  aus  dem  vortrefflichen  Atelier  von  R.  Ganz,  Zürich.  Ein  Oelgemälde  von 
W.  Ftiessli  blieb  unvollendet. 

Adolf  Frey. 

Hinschius,  Franz  Karl  Paul,  Kirchenrechtslehrer,  *  25.  Dezember  1835 
zu  Berlin,  f  13.  Dezember  1898  daselbst  nach  längerem  schweren  Leiden. 
Nach  eigener  Aufzeichnung  (vgl.  F.  v.  Schulte,  die  Gesch.  d.  Quellen  u. 
Liter,  d.  Canon.  Rechts,  II.  u.  III.  Theil,  Stuttg.  1880,  S.  240)  studirte  er 
auf   der  Berliner    und    der  Heidelberger  Universität   1852  —  55    die    Rechts- 

4* 


5« 


Hinschius. 


Wissenschaft,   promovirte  in  Berlin  am   lo.  Februar  1855    zum  Doktor  beider 
Rechte,    trat   in   die  Gerichtspraxis   ein,    wurde  1859  Assessor,    in   gleichem 
Jahre  Privatdozent  in  Berlin,   war  1863 — 65    ausserordentlicher  Professor  der 
Rechte  in  Halle,   1865 — 68  in  Berlin,  1868 — 72  in  Kiel  ordentlicher  Professor, 
seit    1872    wieder    in   Berlin.      1872  —  76    arbeitete    er   im   Kultusministerium 
unter  Minister  Falk  mit  an  der  Ausarbeitung  der  Kirchengeselze  dieser  Jahre 
und  wurde  1884  zum   Geh.  Justizrath   befördert.      Von   grossem  Einfluss  auf 
seine  wissenschaftliche  Richtung  war  einerseits  sein  hoch  erfahrener  Vater,  der 
Rechtsanwalt  und  Notar,  spätere  Geh.  Justizrath  Dr.  Franz  H.,  f  4.  Dez.  1877, 
der  ihn  in  die  Praxis  des  preussLschen  Rechts  einzufiihren  geeignet  war,  an- 
dererseits   der   Kirchenrechtslehrer    Aemilius   Ludwig  Richter,    der    sein 
Interesse  für  kirchenrechtliche  Studien  weckte.    Nach  Herausgabe  einer  ersten 
Schrift  »Das  landesherrliche  Patronatrecht  gegenüber  der  katholischen  Kirche«, 
Berl.   1856,   bereiste   er   1860/61    studienhalber  Italien,    Spanien,   Frankreich, 
Grossbritannien,  Holland   und  Belgien.      Als  Frucht  dieser  Reisen   veröffent- 
lichte  er  die   erste    und   bis  jetzt  einzige   kritische  Ausgabe  der    »Decretales 
Pseudo-Isidorianae   et  capitula  Angilramni«,    Lips.   1863,    die   in   ihrer   treff- 
lichen  Einleitung  über  Ursprung,    Zeit  und   Zweck   der  Fälschung  sich  ver- 
breitete.    Inzwischen  waren  »Beiträge  zur  Lehre   von   der  Eidesdelation   mit 
besonderer   Rücksicht  auf  das    canonische  Recht«,    Berl.    1860,    erschienen. 
Als  scharfer  Gegner  des  Ultramontanismus   erwies   sich  H.  in  Kommentirung 
der  Kirchengesetze:    »Die   preuss.  Kirchengesetze   des  J.  1873«,  Berl.  1873; 
»Die  preuss.  Kirchengesetze   der  Jahre  1874  und  1875    nebst  dem  Reichsge- 
setze   vom    4.   Mai    1874«,    Berl.    1875;     »Das    preuss.    Kirchengesetz    vom 
14.  Juli   1880  nebst  den  Gesetzen  vom  7.  Juni  1876  und  13.  Februar  1878«, 
Berl.  Lpz.   1881;   »Das  preuss.  Kirchengesetz  betr.  Abänderungen  der  kirchen- 
politischen   Gesetze    vom    21.  Mai    1886«,    Berl.   Lpz.    1886;     »Das    preuss. 
Kirchengesetz   betr.   Abänd.    d.   kirchenpolit.   Gesetze    vom    29.  April   1887«, 
Berl.  Lpz.   1887.     In   der  zuletzt  genannten  Schrift  setzte  sich  der  Verfasser 
mit  Dr.  F.  Heiners  Gegenschrift  »Wo  stehen  wir  jetzt?«,  Dessau  1886,  ausein- 
ander, nachdem  er  schon  früher  in  den  Schriften  »Die  Stellung  der  deutschen 
Staatsregierungen    gegenüber    den    Beschlüssen    des    vatikanischen    Concils«, 
Berl.    187 1,    »Die    päpstliche    Unfehlbarkeit    und    das    vatikanische    Concil«, 
Kiel  1871   und   »Die  Orden  und  Kongregationen  der  kath.  Kirche  in  Preussen«, 
Berl.   1874  seine  Anschauungen  entwickelt  hatte.     Später  that  er  dies  wieder 
in  den   kirchenrechtlichen  Beiträgen   zu  von  Holtzendorffs  Rechtsencyclo- 
pädie    und    zum    Handbuch    des    öffentlichen    Rechts    der    Gegenwart    von 
Marquardsen  (Freib.  1883  und  1887).      Das   preussische   Kirchenrecht  be- 
handelte er  in  »Die  evangelische  Landeskirche   in  Preussen   und  die  Einver- 
leibung der  neuen  Provinzen«,  Berl.   1867;  »Das  preussische  Gesetz  über  die 
Beurkundung    des  Personenstandes    und    die    Form   der  Eheschliessung   vom 
9.  März  1874«,  Berl.   1874;    »Das  Preussische   Kirchenrecht  im  Gebiete  des 
Allg.  Landrechts«  (Abdr.  von  Theil  II  Tit.  1 1  aus  der  8.  Aufl.  des  Kommen- 
tars  zum  Allg.  L.-R.  von  Koch),    Berl.  1884,    wie   er  auch   Richters  Bei- 
träge z.  Preuss.  Kirchenrecht  1865  herausgegeben  hatte.     Es  schloss  sich  an 
»Das  Reichsgesetz  über  die  Beurkundung  des  Personenstandes  und  die  Ehe- 
schliessung vom  6.  Februar  1875«,  Berl.  1875,  3.  Aufi.  1890.  —  Sein  Lebens- 
werk war  die  Abfassung  eines  nach  den  Grundsätzen  der  historisch-kritischen 
Methode  juristisch  gefassten    Lehrbuches    des    Kirchenrechts    der  Katholiken 
und  Protestanten  in  Deutschland.     Er  verliess  hierin  das  von  seinem  Lehrer 


Hinschius.     Stricker. 


53 


Richter  überlieferte  System  und  beabsichtigte  eine  Anordnung  des  Stoffes 
in  drei  Hauptabschnitten:  i)  Hierarchie  und  Leitung  der  Kirche  durch  die- 
selbe, 2)  Rechtsverhältnisse  der  Kirchenglieder,  3)  Stellung  der  katholischen 
Kirche  im  Staate.  Von  diesem  grossartigen,  wenn  wohl  nicht  zweckmässig 
angelegten  Werke  erschienen  B.  I  Berl.  1869, •  Bd.  II  1878,  Bd.  III  1883, 
Bd.  IV  1888,  Bd.  V  1895,  Bd.  VI  Abth.  I  1897.  Man  wird  zugeben  können, 
dass  hier  für  die  künstlerische  Gestaltung  des  Stoffes  nicht  genug  gethan  ist 
und  mag  sich  vielleicht  an  vielen  zu  Monographien  ausgewachsenen  Materien 
(Bischofswahlen,  Patronatrecht,  Synoden,  Strafrecht  und  Strafverfahren)  stossen, 
auch  bedauern,  dass  trotz  riesiger  Arbeit  noch  nicht  einmal  der  erste  Haupt- 
abschnitt des  ursprünglichen  Planes  erledigt  ist,  indem  speziell  leider  das 
kirchliche  Vermögensrecht  unbehandelt  blieb  —  dennoch  wird  man  bei  Ein- 
gehen in  die  Einzelheiten  die  seltene  Gelehrsamkeit,  die  staunenswerthe 
Gründlichkeit,  den  tiefen  kritischen  Blick  und  die  meisterliche  Beherrschung 
des  ungeheueren  Materials  bewundern  müssen.  Auch  ist  der  nie  ver- 
leugnete Gerechtigkeitssinn,  der  selbst  vor  unliebsamen,  dem  Gegner  zugut- 
kommenden  Resultaten  nicht  zurückschreckt,  besonders  anerkennenswerth.  — 
Auch  als  Lehrer  für  die  Fächer  des  Kirchenrechts,  des  Civilprozesses  und  des 
Preussischen  Civilrechts  hat  H.  Treffliches  geleistet.  Seinen  aus  den  ver- 
schiedensten Ländern  zusammenströmenden  Schülern  bewies  er  stets  opfer- 
williges Interesse.  Scharf  in  seinem  Urtheil,  war  er  voll  offener  Anerkennung 
wirklich  guter  Leistungen  und  gern  bei  den  Arbeiten  unterstützend.  Als 
juristischer  Berather  war  er  hochgeschätzt  und  den  gewandtesten  Praktikern 
gewachsen.  Diesen  praktischen  Scharfsinn  hatte  er  im  Verkehr  mit  seinem 
Vater  ausgebildet,  mit  dem  er  1862 — 66  die  Preuss.  Anwaltszeitung  heraus- 
gab. —  Als  Parlamentarier  war  er  an  gesetzgeberischen  Arbeiten,  obwohl 
für  Politik  weniger  sich  interessirend  (vgl.  z.  B.  seinen  Aufsatz  über  die 
Camorra  und  die  Camorristen  in  den  »Grenzboten«  Bd.  XV)  lange  betheiligt. 
Er  vertrat  als  nationalliberaler  Abgeordneter  im  Reichstage  den  Kreis  Flens- 
burg-Apenrade  1872 — 78  und  1880/81,  seit  1889  die  Universität  Berlin  im 
preuss.  Herrenhause.  Er  war  längere  Zeit  stellvertretender  Vorsitzender  des 
litterarischen  und  Mitglied  des  gewerblichen  Sachverständigenvereins,  widmete 
sich  mit  grosser  Sachkunde  den  Verwaltungsgeschäften  der  Universität,  war 
auch  Mitglied  des  Universitätsgerichts.  Mit  der  eigenen  Ueberzeugung  hielt 
er  nie  zurück,  ohne  durch  Rücksicht  auf  Gunst  oder  Ungunst  irgend  welcher 
Kreise  sich  beirren  zu  lassen.  In  seiner  Rektoratsrede  (1889)  sprach  er  über 
Svarez,  den  Schöpfer  des  preuss.  Landrechts  und  den  Entwurf  eines  bürgerl. 
G.-B.  f.  d.  deutsche  Reich,  Berl.  1889  (auch  in  den  Preuss.  Jahrbb.  Bd.  65). 
Von  Statur  klein,  aber  lebhaft,  mit  scharfem,  klugen  Blick,  fesselte  er  alle, 
die  in  intimere  Beziehungen  zu  ihm  traten. 

Emil  Friedberg  in  der  Deutschen  Ztsch.  f.  Kirchen  recht  Bd.  9  (1899);  Ulrich 
Stutz  in  der  Sonntags  -  Beilage  der  Basler  Allg.  Schweizer  Zeitung  Nr.  52  vom  25.  De- 
zember 1898;  lUustrirte  Leipziger  Zeitung  1898  II  896/7  mit  Bild;  Beilage  zur  Allg.  Zei- 
tung Nr.  283  vom  14.  Dezember  1898  S.  7;  Tidsskrift  for  Retsvidenskab  1899  p.  92—94; 
De  Gubernatis,  dictionnaire  international  des  ecrivains  du  jour,  Florence  1888 — 91 
p.  1187;  Deutsche  Juristen-Zeitung  1899  S.  14/15  (E.  Seckel);  Kukula,  Allg.  deutscher 
Hochschalen- Almanach,  Wien  1888  S.  339. 

A.  Teichmann. 

Stricker,  Salomon,  Universitäts-Professor  der  allgemeinen  und  experi- 
mentellen   Pathologie    in  Wien,    *  in    Waag-Neustadtl    am    i.  Januar  1834, 


54 


Stricker. 


f  2.  Ai^ril  1898  in  Wien,  studirte  die  Medicin  in  Wien,  war  Secundararzt  des 
allgemeinen  Krankenhauses  daselbst,  habilitirte  sich  für  Entwickelungsgeschichte, 
wurde  dann  Assistent  an  der  Lehrkanzel  für  Physiologie  (unter  Brücke),  hierauf 
Adjunct    an    der  Klinik  Oppolzer,  wurde    am  18.  Februar  1868   zum  ausser- 
ordentlichen Professor  der  Ekperimentalpathologie  und  am   i.  März  1873  zum 
Ordinarius    der    allgemeinen    und  experimentellen  Pathologie  ernannt,  welche 
Lehrkanzel    er    bis    zu  seinem  Tode  versah.     Für    diese  Lehrkanzel,    die    an 
deutschen   Universitäten    nicht    besteht,    aber    an    den    österreichischen  creirt 
wurde,  und  nun  hie  und  da  in  nichtdeutschen  Landen  eingeführt  wird,  baute 
S.  das  Fach  aus.     Wie  nicht  sobald  ein  Anderer    dazu  vorbereitet  (Histolog, 
Physiolog,  Kliniker  nach  dem  Gange  seiner  Entwickelung)  wollte  S.  methodisch 
das  weiter  ausbauen,  was  Rokitansky  mit  der  Begründung  der  pathologischen 
Anatomie    begonnen:    der    practischen  Medicin    als    einer  ausübenden  Kunst 
sollte    ein  System  von  Wissenschaften    gegenüberstehen,   aus  denen  die  Heil- 
kunde das  volle  Verständniss  ihres  Objectes  und  in  weiterem  Ausgreifen  auch 
Regeln    ihres  Handelns    zu    gewinnen    hätte.     Rokitansky    hat    in  der  patho- 
logischen Anatomie  den  fundamentalen  morphologischen  Bau  ausgeführt  und 
die    pathologische    Histologie    vertiefte    seitdem    diese    Richtung    durch    die 
mikroskopische  Untersuchungsmethode;  die  pathologische  Chemie  machte  sich 
an  die  Lösung    der    auftauchenden    chemischen  Probleme;  die  Experimental- 
pathologie    sollte    alle    jene  Fragen    lösen,   die  sich  weder  aus  dem  morpho- 
logischen noch  aus  dem  chemischen  Studium,  noch  aus  der  Beobachtung  am 
Krankenbette    heraus    beantworten    lassen,    sondern    den  Versuch   am  Thiere 
(ev.  Menschen)  nothwendig    machen;    eine  in   gleichem  Sinne    concipirte  Ex- 
perimental  therapie    hätte    dann    den  Kreis    der    theoretischen  Disciplinen  ge- 
schlossen, welche    im  Vereine   mit  der  klinischen  Beobachtung  (und  Statistik, 
Geographie    und  Geschichte    der  Krankheiten  etc.)  Alles    umfasst    hätte,    um 
eine   Theorie    der    Krankheiten    und  Anhaltspunkte    für    ihre  Behandlung    zu 
liefern.     Ein    besonderes  Kapitel   der  Pathologie  wäre  dann   die   »Allgemeine 
Pathologie«  gewesen,  eine  Theorie  der  Krankheitsformen,  eine  Kritik  der  all- 
gemeinen  pathologischen  Begriffe.     Im  Einverständnisse   mit  Rokitansky,    der 
in  S.  einen  bahnbrechenden  Mann  erkannte  und  ihm  sein  Vertrauen  schenkte, 
wurde  dieser  Arbeitplan  für  die  österreichischen  Facultäten  durchgesprochen. 
In  der  ersten  Hälfte  seiner  Amtswirksamkeit  lebte  S.   mehr   dem  Ausbau  der 
allgemeinen,    in   der  zweiten  mehr  der  Ausgestaltung  der  Experimentalpatho- 
logie.     Die  Grenze  zwischen  diesen  zwei  Phasen  seiner  wissenschaftlichen  und 
beschränkten  Thätigkeit  war  nicht  durch  ein  äusseres  Moment  bedingt,  sondern 
durch  ein  bemerkenswerthes  inneres.     Die  durch  Koch  begründete  und  in  so 
vielen  Richtungen  auch  noch  persönlich  ausgebaute  Bacteriologie  hatte  einen 
Umschwung    in    der  Pathologie    hervorgebracht,    den    man  wirklich    epochal 
nennen    darf.       Die    pathologische  Anatomie  Rokitanskys    und    die    Cellular- 
pathologie  Virchows    konnte  S.  in   ihren   theoretischen  Resultaten    noch  voll- 
kommen beherrschen ;  ja  die  Cellularpathologie  bereicherte  S.  noch  mit  eigenen, 
höchst  werthvoUen  Funden    und  Methoden.     Aber    die  Bacteriologie  kam   in 
einem  Zeitpunkte  auf,  in  welchem  S.  nicht  mehr  in  der  Lage  war,  so  mitzu- 
wirken, dass  er  Hervorragendes  hätte  leisten  können;  nach  einigen  Versuchen 
auch  auf  diesem  Gebiete  mitzusprechen,  gab  er  die  Hoffnung  auf,  in  die  neue, 
ausserordentlich  fruchtbare  und   zahllose  jüngere  Arbeiter    lockende  Richtung 
irgendwie    bestimmend    einzugreifen.      Die  Methoden    waren    ganz    neu    und 
so    lohnend    sich    die  Aussichten    für   jeden    halbwegs    begabten    Mitarbeiter 


Stricker. 


5S 


herausstellten,  für  S.  war    die  Zeit    um,  sich  in  die   ganz  überraschende  neu- 
artige Richtung    einzuleben.     Er  verwendete    nun    seine    ganze   Energie    und 
seine     ganze    Zeit    dazu,     die    Experimentalpathologie    zu     fördern,     besser 
gesagt,     das     physiologische     und      das     pathologische     Experiment.       Und 
hierin    brachte    er  es    zu  einer    nicht    ganz    neidlos    anerkannten   Bedeutung. 
Während    früher  C.  Ludwig  an    dem    einstigen  Josefinum   eine  Experimental- 
schule    ersten    Ranges    geschaffen    hatte    für     die     Physiologie,    wurde     das 
S.'sche  Laboratorium    zu    einer    gleich    hohen    Pflegestätte  des    Experimentes 
für    die  Pathologie;   dass    daneben  viel  Physiologisches    erledigt  wurde,    geht 
aus  der  Natur  der  Sache  hervor;  man  könnte  demnach  von  S.  als  einen  be- 
deutenden Vertreter  der  Experimentalmedicin  sprechen,  umsomehr  als  in  seiner 
Schule   auch    experimentelle    Toxicologie    und    Pharmacologie  von    einzelnen 
jüngeren  Arbeitern    sehr    methodisch    betrieben  wurde.     So   war    das   S.'sche 
Institut  dem  Programm  gemäss  eine  Stätte,  wo  auf  dem  Wege  des  Versuches 
alle   jene  Fragen    behandelt  werden  konnten,  welche   die   practische  Medicin 
iiufwerfen    oder  ausnutzen  konnte;  im  räumlichen  Verbände  des    allgemeinen 
Krankenhauses  stehend,  war  sie  mit  der  pathologischen  Anatomie  unter  Kundrat 
und  der    medicinischen  Chemie    unter  E.  Ludwig    ein  wichtiges  Glied    jenes 
Systems  theoretischer  Wissenschaften,  welches  den  klinischen  Fächern   gegen- 
überstand,   um  von  ihnen  Fragen  zu  erhalten  und  ihnen  Antwort    zu  geben, 
ihnen  Fragen  zu  stellen  und  ihre  Antworten  weiter  zu  bearbeiten.    Dass  sich 
nun   an  die  Glieder  dieses  Systems  noch  die  Bacteriologie  und  Hygiene    an- 
schliesst,  ist  nur  eine  Erweiterung  des  Programmes  und    zwar    eine    der    an- 
sehnlichsten   und    —    fast    möchte    man    sagen  —  am  wenigsten  erwarteten. 
Darum  aber  blieben  die  früheren  Glieder  des  Systems  in  ihrer  alten  Geltung. 
So  wenig    als    die    pathologische  Anatomie    oder    die  Chemie  überflüssig  ge- 
worden sind,  so  wenig  ist    die  Experimentalmedicin  entbehrlich;    im  Vorder- 
grunde   des  Interesses    steht    dermalen    die  aetiologische,  vor  Allem  also  die 
bacteriologische  Forschung,    aber  die  alten  Geleise  können  nicht    abgeschafft 
werden,  weil  auch  noch  neue  gelegt  worden  sind.     Das  waren  wohl  die  Er- 
wägungen, welche  S.    bestimmten,  alle  ihm  noch    zu  Gebote    stehende  Kraft 
der  Experimentalmedicin  zu  widmen.     Selbst  ein  Meister  des  Versuches,    ein 
ebenso  kritischer,  wie    auch    aufspürender  Kopf,  suchte  er  nun  noch  in  zwei 
Richtungen  zu  wirken.    Einmal  auf  den  engeren  Kreis  der  jüngeren  Forscher, 
die  sich  um  ihn  gruppirten  und  in  dieser  Beziehung  war  er,  wie  sich  v.  Wagner 
treffend    ausdrückte,    ein  Lehrer    der  Lehrer,   er  erzog  eine  grosse  Zahl    von 
selbstständig    forschenden  Schülern  auch   auf  dem  Gebiete  des  Experimentes, 
er  machte  Schule  in  eminentem  Maasse.     Das  andere  Mal  auf   den  weiteren 
Kreis    der  Studenten,    die    ihn    hörten,    und  da  wurde   er  nicht  müde,  seine 
I>emonstrirkunst,  das  Schulexperiment  in  einer  Weise  zu  entwickeln,  dass  die 
Experimentalmedicin  keinen  gleichen  Lehrer,  keine  gleich  entwickelten  Lehr- 
methoden   auf  der  Welt  hatte.     (Daran  verschlägt  nichts  der  Umstand,    dass 
die  S.'sche  Methode  des  Schulexperiments  von    der  akademischen  Jugend  in 
den  letzten  Jahren  nicht  nur  nicht  entsprechend  gewürdigt,  sondern  zu  Zeiten 
auch  stark  verkannt  und  entwürdigt  wurde.)     Die  von  S.  in  der  angedeuteten 
Weise    entwickelte  Schöpfung    ist    für   die  Zukunft  nicht  voll  gesichert.     Das 
Verhältniss  der  allgemeinen  Pathologie  zur  Experimentalmedicin  kann  erst  in 
der  Zukunft  genauer  geklärt  werden,  und  hier  wird  offenbar  die  Entwickelung 
der  aetiologischen  Forschung  bestimmend  wirken;  die  Bacteriologie  vor  Allem 
\^ird    die  Richtung    der  allgemeinen  Pathologie  und  Therapie  wesenthch  be- 


56 


Stricker. 


einflussen;    die    Experimentalmeclicin    wird    aber    stets    das    alte    Bedürfniss 
bleiben. 

In  seinen  ersten  Jahren  war  S.  Histolog  und  auch  auf  diesem  Gebiete 
war  er  eine  ganz  hervorragende  Kraft.  Er  blieb  einer  der  ersten  Histologen 
sein  ganzes  Leben  lang.  Eben  diese  seine  Bedeutung  unterstützte  sein  Wirken 
in  der  allgemeinen  Pathologie  und  machte  ihn  zu  einer  hervorragenden  Indi- 
vidualität in  jener  Zeit,  wo  er  die  Experimentirkunst  nicht  zur  Hauptaufgabe 
seiner  Thätigkeit  machte.  Man  muss  dabei  noch  hinzufügen,  dass  er  nicht 
nur  ein  hervorragender  Histologe,  sondern  auch  ein  Fachmann  auf  dem  Ge- 
biete der  Entwickelungsgeschichte  war.  Und  dann  begreift  man  diese  eigen- 
thümliche  Individualität,  welche  Histologie,  Entwickelungsgeschichte  und  Phy- 
siologie nach  ihren  Methoden  beherrschte  und  diese  Vielseitigkeit  auf  patho- 
logische Probleme  anzuwenden  verstand.  Er  wurde  Experimentalhistolog,  wie 
ihn  Spina  treffend  genannt.  »Das  war  das  Instrument,  auf  dem  S.  spielte.« 
Er  fing  an,  das  lebende  Gewebe,  nicht  das  todte  Präparat,  mikroskopisch  zu 
verfolgen.  Und  hier  thaten  sich  vor  ihm  die  grundlegenden  Probleme  der 
Zelle  und  des  Zellkernes,  der  Proliferation  der  Zellen,  der  intercellularen  Substan- 
zen, der  Capillaren  und  der  Diapedesis  auf.  In  weiterer  Folge  tauchten  die 
Probleme  der  Entzündung,  der  Secretion  und  Resorption  auf.  Und  auf  allen 
diesen  Gebieten  ging  S.  originelle  Wege,  überraschte  mit  neuen  Funden  und 
neuen  Aufdeckungen  von  Beziehungen,  die  allen  Jenen  in  die  Quere 
kamen,  welche  eben  nur  das  Eine  oder  das  Andere  der  herkömmlichen  Schul- 
gebiete kannten.  Gerade  diese  Thätigkeit  S.'s  kann  als  sein  Blühen  bezeichnet 
werden.  Noch  werden  viele  Jahre  vergehen  und  immer  wird  man  auf  S.'s 
Beobachtungen  und  Bemerkungen  zurückkommen;  sein  Geist  wird  noch  öfters 
citirt  werden.  Man  sah  es  ja  vor  wenigen  Jahren  in  der  Frage  der  Inter- 
cellularsubstanzen.  Noch  lange  wird  er  in  diesen  Fragen  mitreden,  wenn 
viele  seiner  Gegner  verstummt  sein  werden. 

Eine  ungewöhnlich  stärkere  Natur,  machte  er  sich  selbstverständlich  Viele 
zu  Gegnern.  Und  da  wurde  gegen  ihn  eine  ewig  banale,  aber  doch  ärger- 
liche Methode  angewendet;  man  suchte  ihn  dafür  todt  zu  schweigen.  In 
dieser  Beziehung  verfuhr  man  von  vielen  Seiten  so  consequent,  dass  hier  ein 
Beispiel  vorliegt,  wie  die  Kastenpsychologie  auch  noch  in  unserer  Zeit  be- 
merk enswerth  inferiore  Erscheinungen  aufweist,  deren  Nachwirkungen  erst 
nach  Jahren  vollkommen  verschwinden  werden. 

Gerade  die  histologischen  Arbeiten  waren  es,  welche  in  S.  die  Ueber- 
zeugung  festigten,  dass  in  den  histologischen  Wissenschaften  manche  fundamen- 
tale Anschauung  bei  eingehender  Prüfung  sich  nicht  ganz  stichhältig  erweise, 
und  dass  neue  Methoden  Thatsachen  aufdecken,  welche  eine  Verschiebung 
der  Fundamente  bewirken.  Diese  Ueberzeugung  leitete  S.  dazu,  auf  allen 
Gebieten,  die  er  betrat,  die  grundlegenden  Anschauungen  auf  ihre  Festigkeit 
zu  prüfen.  Da  er  viele  Gebiete  betrat,  so  kam  er  selten  aus  den  Zweifeln 
heraus,  und  es  war  ein  eigenthümlicher  Zug  in  ihm,  dass  er  nicht  ruhte,  bis 
er  endlich  glaubte,  einen  unbedingt  festen  Boden  unter  sich  zu  haben.  So 
betrat  er  das  Gebiet  der  Electricitätslehre,  der  Philosophie,  und  suchte  überall 
bis  zu  den  Wurzeln  der  Lehre  vorzudringen.  Ein  einzelner  Mann  kann  bei 
diesem  Beginnen  manche  Enttäuschung  erfahren,  indem  er  übersieht,  dass 
die  Geschichte  des  Faches  das  bereits  erledigt  hat,  was  er  zu  prüfen  unter- 
nimmt, und  dass  Andere  bei  dieser  Prüfung  schon  tiefer  eingedrungen  waren. 
Immerhin  hat  S.  diese  Excurse  auf  entlegene  Gebiete  mit  dem  tiefsten  Ernste 


Stricker.  t*r 

unternommen  und  hie  und  da  Gedankenreichthum  und  originelle  Auffassung 
bekundet. 

Das  Meritorische  der  S.'schen  Leistungen  zu  erfassen,  dazu  gehört  aller- 
dings eine  eingehende  fachliche  Vorbildung  und  desshalb  möge  die  Aufzählung 
hier  unterbleiben.  Es  möge  nur  ein  Spruch  ihren  Werth  andeuten:  »Schon 
die  Entdeckung  der  Contractilität  der  Capillaren,  der  Diapedesis  und  der 
Umwandlung  von  Grund'substanz  in  Wanderzellen  sind  Thaten  eines  wahrhaften 
Genies  in  seinen  glücklichsten  Stunden,  sie  sichern  S.  unvergänglichen  Ruhm«. 
Der  Spruch  rührt  von  A.  Spina,  Professor  der  allgemeinen  und  experimen- 
tellen Pathologie  an  der  czechischen  Universität  in  Prag  her,  und  wenn  man  von 
dem  dankbaren  Tone  absieht  und  dagegen  en^'ägt,  dass  es  ein  sehr  mass- 
gebender Fachmann  ist,  der  da  mitspricht,  so  kann  man  sich  kaum  dem  Ein- 
druck verschliessen,  dass  S.'s  Leistungen  zu  den    ungewöhnlicheren    gehören. 

An  dem  Tage,  wo  S.  das  25jährige  Jubiläum  seines  Ordinariats  feierte, 
tiberreichten  ihm  seine  Schüler  und  Freunde  eine  kleine  Festschrift,  welche 
S.'s  Leistungen  nach  jeder  Richtung  bespricht  und  ein  sehr  gelungenes  Bild- 
niss  enthält.  Es  wird  dort  angegeben,  dass  von  den  engeren  Schülern  45  als 
Professoren,  1 7  als  Docenten  an  medicinischen  Facultäten  des  Inlandes,  aber 
auch  in  Deutschland,  Frankreich,  England,  Italien,  Russland,  Norwegen  und 
Amerika  wirken.  Die  Schrift  enthält  auch  ein  genaues  Verzeichniss  aller  Ar- 
beiten, die  von  S.  und  aus  S.'s  Institut  von  seinen  Schülern  veröffentlicht 
wurden.  Es  sind  392  Arbeiten.  Von  S.'s  eigenen  grösseren  Pubhcationen 
seien  angeführt:  Handbuch  der  Lehre  von  den  Geweben  der  Menschen  und 
derThiere.  Unter  Mitwirkung  herausgegeben.  Leipzig,  Engelmann  1 871  — 1873.  — 
Vorlesungen  über  allgemeine  und  experimentelle  Pathologie,  Wien,  Braumüller 
1877  — 1883.  —  Studien  über  das  Bewusstsein,  Wien,  Braumüller  1879.  — 
Studien  über  die  Sprachvorstellungen,  Wien,  Braumüller  1880.  —  Studien 
über  die  Bewegungs Vorstellungen ,  Wien,  Braumüller  1882.  —  Studien  über 
die  Association  der  Vorstellungen,  Wien,  Braumüller  1883.  —  Neuroelectrische 
Studien,  Wien,  Braumüller  1883.  —  Physiologie  des  Rechts,  Wien,  Töplitz 
und  Deuticke  1884.  —  Allgemeine  Pathologie  der  Infectionskrankheiten,  Wien, 
A.  Holder  1886.  —  Ueber  die  wahren  Ursachen.  Eine  Studie.  Wien,  A.  Holder 
1887.  —  Ueber  strömende  Electricität.  Eine  Studie.  Leipzig  und  Wien, 
F,  Deuticke  1892,  1894.  —  Studien  zur  Cholerafrage,  Leipzig  und  Wien, 
F.  Deuticke  1893.  — 

Nebstdem:  Studien  aus  dem  Institute  für  experimentelle  Pathologie  in 
Wien  aus  dem  Jahre  1869,  Wien,  Braumüller  1870.  —  Mittheilungen  aus 
dem  Institute  für  allgemeine  und  experimentelle  Pathologie  der  Wiener  Uni- 
versität, Wien,  A.  Holder  1886.  —  Arbeiten  aus  dem  Institute  für  allgemeine 
und  experimentelle  Pathologie  der  Wiener  Universität,  Wien,  A.  Holder  1890.  — 
Skizzen  aus  der  Lehranstalt  fiir  experimentelle  Pathologie  in  Wien,  A.  Holder 
1892.  Fragmente  aus  dem  Gebiete  der  experimentellen  Pathologie,  i.  Heft, 
Wien  und  Leipzig,  F.  Deuticke  1894.  — 

Zahlreiche  Abhandlungen  in  den  Schriften  der  k.  k.  Academie  der  Wissen- 
schaften in  Wien,  deren  correspondirendes  Mitglied,  und  ebenfalls  zahlreiche 
Abhandlungen  in  den  Jahrbüchern  der  k.  k.  Gesellschaft  der  Aerzte  in  Wien, 
deren  Redacteur  S.  durch  mehr  als  ein  Decennium  war,  wie  auch  in  mehreren 
der  Wiener  medicinischen  Wochenschriften.  Auch  einige  Feuilletons  in  der 
N.  Fr.  Presse. 

Für  S.'s    Art    des  wissenschaftlichen  Streites    zeugen    mehrere  Titel  von 


rg  Stricker.     SchuUerus. 

Streitschriften:  Offener  Brief  an  Herrn  Professor  Axel  Key  in  Stockholm. 
(Wiener  med.  Jahrb.  1873.)  —  Das  Zuckungsgesetz.  Eine  Anklageschrift  gegen 
Herrn  Professor  v.  Fleischl  (Wiener  med.  Blätter  1882),  Nachtrag  z.  A.  gegen 
Prof.  V.  Fleischl  (eb.  1882).  —  Offener  Brief  an  den  Herrn  Hofrath  Prof.  Dr. 
Ernst  V.  Brücke,  Wien,  C.  Fromme  26.  März  1885.  —  Offener  Brief  an  den 
Herausgeber  des  Archivs  für  Physiologie,  Prof.  Dr.  E.  du  Bois-Reymond  in 
Berlin,  Wien,  C.  Fromme  30.  April  1885.  —  Aus  den  Niederungen  der 
Wissenschaft,  Wien,  Gistel  &  C.  December  1892.  —  Von  Stufe  zu  Stufe, 
Wiener  klin.  Wochenschrift  1897.  — 

S.  hat  nie  eine  Auszeichnung  erhalten,  und  lehnte  im  Voraus  jede  ab; 
er  nahm  auch  keine  academische  Würde  an;  er  hatte  sich  in  den  letzten 
Jahren  von  jedem  gesellschaftlichen  Verkehr  zurückgezogen,  während  er  früher 
mit  einigen  hervorragenden  Künstlern  und  Gelehrten  freundschaftlichen  Verkehr 
gepflegt  hatte.  Kinderlos  starb  er  nach  längerer  Krankheit  (Insufficienz  der 
Aortaklappen)  in  Wien  (Döbling),  wo  er  begraben  liegt.  Seine  von  ihm  selbst 
verfasste  (jrabesinschrift  besagt,  ungern  sei  er  vom  Leben  geschieden,  aber  süss 
sei  es,  von  der  Arbeit  zu  träumen.  Er  war  thatsächlich  einer  der  rastlosesten 
Arbeiter. 

Prof,  E.  Albert. 

Schullerus,  Fritz,  Maler,  *  22.  Juni  1866  in  Fogarasch  in  Siebenbürgen, 
f  22.  December  1898.  Die  Kunst  hat  in  früheren  Zeiten  auch  unter  den 
Sachsen  in  Siebenbürgen  eine  freundliche  Pflege  gefunden.  Noch  jetzt  kann 
der  Wanderer  an  den  prächtigen  Goldschmiedearbeiten  sich  erfreuen,  die 
nicht  nur  im  Brukenthalischen  Museum  in  Hermannstadt  zu  sehen  sind, 
sondern  auch  im  Besitz  zahlreicher  sächsischer  Kirchen  sich  befinden. 
Neben  der  Goldschmiedekunst  blühte  zu  Zeiten  auch  die  Malerei.  Das 
schöne  Bild  der  Kreuzigung  in  der  Hermannstädter  Pfarrkirche  aus  dem 
Jahr  1445  ^^"  Magister  Johannes  aus  Rosenau  hat  nicht  nur  einen  kunst- 
geschichtlichen Werth.  In  den  schweren  Zeiten  der  Türkenkriege  ging  die 
Kunst  natürlich  rückwärts  und  unserm  Jahrhundert  ist  es  vorbehalten  ge- 
wesen, nicht  nur  das  Interesse  für  die  Kunst  in  weiteren  Kreisen  zu  erwecken, 
sondern  vor  Allem  auch  inmitten  des  sächsischen  Volkes  selbst  Künstler  zu 
erwecken,  die  nach  dieser  Richtung  hin  bildend  auf  die  Volksgenossen  zu 
wirken  berufen  sind.  Es  hängt  gewiss  mit  dem  Doppelzug  der  jüngsten  Ent- 
wickelung  des  sächsischen  Volkes  zusammen,  dass  in  der  Gegenwart,  auch 
diese  Bethätigung  des  Lebens  in  ihm  erwacht,  einmal  mit  dem  Zusammen- 
hang seines  Geisteslebens  mit  der  deutschen  Cultur  überhaupt,  dann  ins- 
besonders  mit  der  bewussten  Arbeit  an  der  Vertiefung  und  Läuterung 
ebenso  des  nationalen  als  des  religiösen  Lebens.  Solche  Gedanken  ruft  das 
leider  so  kurze  Leben  und  Wirken  Seh. 's  wach.  Beide  Elemente  haben  den 
Knaben  umgeben,  da  er  auf  dem  Pfarrhof  in  Schönberg  aufwuchs,  wo  sein 
Vater  Pfarrer  war.  Letzterer,  ein  ungewöhnlich  gemüthstiefer  geistreicher  Mann, 
der  selbst  zeichnete  und  malte,  Mutter  und  Geschwister  gehoben  durch  einen 
Zug,  der  den  Staub  des  Tages  durch  den  Blick  zur  Höhe  überwindet,  —  das 
war  die  Luft,  in  der  der  Junge  aufwuchs,  dessen  liebster  Wunsch  schon  früh 
war,  einmal  Maler  zu  werden.  Er  besuchte  das  Hermannstädter  Gymna- 
sium 1881  — 1885,  wo  die  Brukenthalische  Bildergallerie  mannigfache  An- 
regung bot,  ging  dann,  um  das  Diplom  für  die  Anstellung  als  Zeichenlehrer 
zu  erwerben,  nach  Pest  1885  — 1889  und  wandte  sich  von  dort  nach  München, 


Schullerus.     Riecke. 


59 


wo  er  die  Malerakademie  zwei  Jahre  besuchte.  Nachdem  er  zwei  Jahre 
Zeichenlehrer  in  Bistritz  gewesen  war,  ging  er  wieder  nach  München,  um 
ganz  der  Kunst  zu  leben.  Er  hatte  nämlich  den  Auftrag  erhalten,  für  den 
Schässburger  Comitatssaal  ein  grosses  Bild  zu  malen:  die  Union  der  ständi- 
schen Nationen  auf  dem  Landtag  in  Schässburg  1506,  ein  Gemälde,  das  er 
in  der  That  ausführte,  und  das  unser  erstes  heimisches  historisches  Bild  ist, 
an  dem  künstlerische  Auffassung  und  lebensvolle  Charakteristik  erkennbar 
sind.  Aber  der  junge  Maler  lebte  mehr  in  der  Gegenwart  als  in  der  Ver- 
gangenheit. Das  sächsische  Leben,  wie  es  ist,  in  seinen  religiösen  und 
nationalen  Aeusserungen,  zog  ihn  an.  Und  da  wurden  die  Bilder  des  sächsi- 
schen Dorfes,  die  seine  Seele  aus  den  Knabenjahren  bewahrte,  ihm  Grundlage 
zum  künstlerischen  Schaffen.  So  entstand  das  »Abendmahl  in  einer  sächsi- 
schen Kirche«,  so  durchaus  eine  Verkörperung  des  eigenartigen  Volkslebens, 
dass  Niemand  es  ohne  Rührung  sehen  kann.  Der  Entwurf  für  die  »Beisetzleiche« 
ist  gleichfalls  dem  Dorfleben  entnommen.  Das  Honterusjubiläum  gab  ihm 
Veranlassung,  das  Bild  zu  schaffen,  in  dem  nun  die  nationalen  und  religiösen 
Momente  zusammenfliessen :  wie  die  Hundertmannschaft  in  Kronstadt  auf 
des  Honterus  Reformationsbüchlein  den  Eid  ablegt.  Historisch  treu,  voll 
Leben  und  Bewegung  bezeichnet  es  einen  Höhepunkt  aus  der  sächsischen  Ver- 
gangenheit. Auch  als  Porträtmaler  hat  Seh.  Tüchtiges  geleistet.  Aber  seine 
Hauptkraft  lag  augenscheinlich  in  der  Darstellung  sächsischen  evangelischen 
Lebens.  So  gehört  er  zu  den  Männern,  die  mitgewogen  werden  müssen, 
wenn  Bildungs-  und  Entwickelungsgang  des  letzten  Menschenalters  inmitten 
des  sächsischen  Volkes  beurteilt  werden  will.  Er  schien  berufen,  die  Eigenart 
seines  Volkes  auch  in  der  Malerei  festzuhalten  und  jene  selbst  dadurch  in 
reinere  Höhe  zu  heben. 

Fr.  Teutsch. 

Riecke,  Karl  Victor  von,  *  27.  Mai  1830  in  Stuttgart,  f  9.  März  1898 
ebenda.  Mit  dem  Tode  des  Königlich  württembergischen  Staatsministers  Dr. 
von  Riecke  fand  ein  hochbedeutsames,  reiches  und  gesegnetes  Leben  seinen 
viel  zu  frühen  Abschluss.  —  Einer  alten,  vor  200  Jahren  aus  Mecklenburg  ein- 
gewanderten Familie  entstammend,  war  R.  als  Sohn  des  damaligen  Rechts- 
consulenten  Dr.  jur.  Riecke  geboren,  verbrachte,  da  der  Vater  inzwischen  als 
Universitätsamtmann  nach  Tübingen  versetzt  war,  dort  seine  ersten  Schuljahre, 
durchlief,  nach  der  Berufung  des  Vaters  zur  Königl.  Hofdomänenkammer,  das 
Stuttgarter  Gymnasium  und  machte  dann,  wie  damals  bei  den  Anwärtern  für 
den  höheren,  namentlich  den  Finanzverwaltungsdienst  noch  sehr  gebräuchlich, 
zunächst  ein  Praktikantenjahr  auf  dem  Cameralamte  zu  Heilbronn  durch.  — 
Ein  einjähriger  Aufenthalt  auf  der  landwirthschaftlichen  Akademie  Hohenheim 
(1848/49)  ging  dem  Besuche  der  heimischen  Hochschule  (Herbst  1849  bis 
1852)  vorauf,  wo  er  die  Rechte  und  Cameralwissenschaften  einschl.  der 
(iewerbeökonomie,  Maschinenlehre  und  Technologie  studierte.  Nach  glänzender 
Ablegung  der  beiden  höheren  Finanzdienstprüfungen  im  Herbste  1852  bezw. 
1853  trat  er  als  zunächst  provisorischer  Cameralamtsbuchhalter  in  Heilbronn  in 
den  Finanzdienst,  dem  er  dann  nahebei  45  Jahre  lang  in  unentwegter,  erfolg- 
reicher Thätigkeit  angehören  sollte.  Zuerst  nebenamtlich  auf  dem  Hauptzoll- 
amte zu  Heilbronn  mitbeschäftigt,  Hess  er  sich,  um  sich  endgültig  dem  Zoll- 
dienste zu  widmen,  später  (1857)  den  Hauptzollämtern  Heilbronn  und  nachher 
Friedrichshafen   als  Assistent  zutheilen.     Zur  weiteren  Vorbereitung  für  seine 


6o  Riecke. 

neue  Laufbahn  trat  er  im  Herbste  1854  zunächst  eine  fünfmonatige  wissen- 
schaftliche Urlaubsreise  durch  Sachsen,  Norddeutschland,  Belgien  und  Frank- 
reich an,  um  Land  und  Leute  kennen  zu  lernen.  Im  Jahre  1857  lernen  wir  ihn 
zuerst  schriftstellerisch  in  einem  Aufsatze  »Ueber  die  Arbeiterwohnungen  in 
Heilbronn«  kennen.  Im  Jahre  1858  wurde  R.  zum  Finanzministerium  ab- 
geordnet, wo  er  schnell  vom  Secretär  (November  1858)  zum  Assessor  (Septem- 
ber 1859)  und  Finanzrath  (August  1861)  aufrückte,  um  im  September  1864 
zum  wirklichen  Finanzrath  ernannt  zu  werden.  Zuerst  aushilfsweise,  1859  mit 
dem  selbständigen  Referate  für  Zoll-  und  Handels-,  Geld-  und  Münzwesen  be- 
traut, ward  er  bald  berufen,  bei  den  wichtigsten  Fragen  nicht  nur  der  Zoll- 
und  Finanz  Verwaltung,  sondern  des  deutschen  Zollvereins  und  der  deutschen 
Einheit  mitzuwirken.  Klaren  Auges  blickte  er  in  jener  Zollvereins-Konfliktszeit 
zu  Anfang  der  sechziger  Jahre,  wo  der  deutsch -französische  Handelsvertrag 
die  Gemüther  erregte,  in  die  Zukunft  und  war  an  erster  Stelle  mitthätig  bei 
den  Vorbereitungen  des  dann  von  ihm  mitabgeschlossenen  letzten  Zollvereins- 
vertrages vom  16.  Mai  1865.  Aus  damaliger  Zeit  stammt  sein  von  wissenschaft- 
licher Durchdringung  des  Stoffes  zeugender,  weitsichtiger  Aufsatz  »Die  Tarif- 
reform im  Zollverein«  (Zeitschrift  für  die  gesammte  Staatswissenschaft,  Band  XIX, 
Seite  319  ff.),  dem  sich  eine  von  R.  bei  den  württembergischen  Industriellen 
persönlich  unternommene  »Enquete  über  die  Lage  der  Industrie  und  den 
Einfluss  der  Tarifverhältnisse«  unmittelbar  anschloss.  Nach  Errichtung  des 
Norddeutschen  Bundes  und  dem  Abschlüsse  der  Schutz-  und  Trutzbündnisse 
mit  den  süddeutschen  Staaten  erhielt  der  Zollverein  durch  den  von  R.  mit- 
unterzeichneten Vertrag  vom  8.  Juli  1867  eine  neue  staatsrechtliche  Grund- 
lage. Noch  im  gleichen  Jahre  zum  Oberfinanzrath  befördert,  rückte  er  schon 
nach  Jahresfrist  zum  wirklichen  Oberfinanzrath  auf  und  wurde  im  Januar  1 868 
als  württembergischer  Bevollmächtigter  in  den  Bundeszollrath  entsandt.  Eine  in- 
zwischen erfolgte  Einigung  mit  Baden  wegen  Beseitigung  der  lästigen  Wasser- 
zölle auf  den  bezüglichen  Wasserstrassen  u.  s.  w.  sowie  der  Abschluss  eines 
Handelsvertrages  zwischen  dem  Zollvereine  und  der  Schweiz  waren  gleichfalls 
wesentlich  sein  Werk,  nicht  minder  der  so  wichtige  Eintritt  Württembergs  in 
den  Norddeutschen  Bund.  Im  neubegründeten  Deutschen  Reiche  betheiligte 
sich  R.  als  württembergischer  Bevollmächtigter  noch  iV,  Jahre  an  den 
Arbeiten  des  Bundesrathes. 

Neben  seiner  sonstigen  Berufsthätigkeit  ward  R.  schon  1863  i"^  Neben- 
amte zum  ordentlichen  Mitgliede  des  württembergischen  statistisch-topographi- 
schen Bureaus  berufen  und  wohnte  als  solches  der  Mehrzahl  der  Versammlungen 
des  internationalen  statistischen  Kongresses  bei,  wie  er  denn  auch  mit  der 
internationalen  Statistik  durch  seine  1886  erfolgte  Ernennung  zum  Ehrenmit- 
gliede  des  1885  an  Stelle  des  Kongresses  getretenen  internationalen  statisti- 
schen Instituts  dauernd  verbunden  wurde.  Von  1873  ab  leitete  er  das  Bureau 
nach  wie  vor  nebenamtlich,  behielt  nach  seiner  Ernennung  zum  Director  des- 
selben (1877)  aber  nur  das  Ministerialreferat  über  Statistik  bei.  Hohe  An- 
forderungen an  sich  selbst  stellend,  Hess  er  sich  vorwiegend  die  Pflege  der 
Verwaltungsstatistik  angelegen  sein,  während  sein  Amtsvorgänger  (G.  von  Rümelin) 
hauptsächlich  die  Bevölkerungsstatistik  ausbaute.  Zahlreiche  Arbeiten  des 
Verstorbenen  geben  davon  Zeugniss.  Wir  erwähnen  nur  seinen  Vortrag  »Die 
Aufgaben  des  topogr.-statistischen  Bureaus«  (Württemberg.  Jahrbücher,  Jahrg. 
1872),  seine  »Beiträge  zur  allgemeinen  Statistik«,  aus  denen  später  das 
»Statistische  Handbuch«    erwuchs,   die    »Statistik   der  Universität  Tübingen«, 


Riecke.  6 1 

welche  er  mit  Hartmann  herausgab,  und  seine,  mit  Camerer  bearbeiteten 
»directen  Steuern  vom  Ertrag  und  Einkommen  in  Württemberg«  (Jahrg.  1877, 
III  und  1879,  I  a.  a.  O.)  sowie  seinen  Aufsatz  »Verfassung  und  Landstände« 
(ebenda).  Die  Zeitschrift  des  Bureaus  und  die  württembergischen  Jahrbücher 
wurden  von  ihm  erweitert  und  die  »Württembergischen  Vierteljahrshefte  für 
Landgeschichte«  neu  gegründet,  welche  von  1878  ab  als  Beihefte  zu  den 
Jahrbüchern  erschienen,  1892  aber  an  die  »Historische  Kommission«  über- 
gingen. Auf  Grund  seiner  wissenschaftlichen  schriftstellerischen  Leistungen 
ernannte  die  Tübinger  staatswissenschaftliche  Facultät  den  Verstorbenen  1876 
zum  Ehrendoctor.  Auch  das  Kartenwesen  hatte  sich  seiner  thatkräftigen 
und  verständnissvollen  Förderung  zu  erfreuen.  Endlich  führte  er  die  dritte 
»Beschreibung  des  Königreichs  Württemberg«  (1882/86)  durch,  dessen 
von  ihm  bearbeiteter  Theil  (II  *,  der  Staat)  1887  in  zweiter  vermehrter 
Auflage  unter  selbständigem  Titel  erschien.  Aus  dieser  gesammten,  seine 
historische  und  staatsrechtliche  Begabung  erweisenden  Thätigkeit  wurde 
er  im  November  1880  durch  seine  Ernennung  zum  Director  des  Steuer- 
koHegiums  abberufen.  Auch  hier  bewährte  er  sich  glänzend,  seine  schrift- 
stellerische Thätigkeit  fortsetzend,  so  dass  er  schon  nach  wenig  über 
fiinf  Jahren  in  den  obersten  Rath  der  Krone,  den  »Geheimen  Rath«,  im 
März  1886  zunächst  als  ausserordentliches,  noch  in  demselben  Jahre  aber, 
bei  Ernennung  zum  Wirklichen  Staatsrathe,  als  ordendiches  Mitglied  be- 
rufen wurde. 

Neben  seinen  jeweiligen  Hauptämtern  lagen  R.  auch  noch  umfassende 
parlamentarische  Pflichten  ob.  Unter  dem  24.  October  1872  wurde  er  Mit- 
glied der  Kammer  der  Standesherren  und  gehörte  dieser  hohen  Körperschaft 
fast  19  Jahre  lang  an;  1874  wurde  er  landesherrliches  Mitglied  der  Evan- 
gelischen Landessynode  zu  deren  IL,  später  auch  deren  III.  und  IV.  Tagung; 
schon  1876  zum  Synodalausschusse  berufen,  wurde  er  1878  zum  Präsidenten 
der  Synode  erwählt,  unvergesslich  Allen  durch  die  umsichtige,  massvolle  und 
doch  entschiedene  Führung  der  Geschäfte.  Im  October  1891  übertrug  König 
Wilhelm  IL  dem  Dr.  von  R.  an  Stelle  des  Staatsministers  Dr.  v.  Renner  die 
Leitung  des  Finanzdepartements,  die  er  bis  zu  seinem  Tode  behielt,  segens- 
reich wirkend  in  der  württembergischen  Finanzreform  frage,  die  er  nahe  dem 
Abschluss  brachte,  sowie  in  der  Ordnung  des  Staatshaushalts,  die  er  gleich- 
falls nach  Möglichkeit  förderte. 

Schon  im  Jahre  1896  bedenklich  an  einer  Verkalkung  der  Arterien  er- 
krankt, raffte  er  sich,  um  sein  ernstlich  gefährdetes  Werk  nicht  liegen  zu 
lassen,  immer  wieder  auf,  bis  er  im  Januar  des  laufenden  Jahres  einen 
Erholungsurlaub  antreten  musste,  der  ihn  zum  Krankenbette  und  auf  das 
Sterbelager  führte. 

Eine  nahebei  vierzig  Jahre  währende  schriftstellerische  Thätigkeit,  der 
wir  nur  z.  Th.  oben  näher  getreten  sind,  beendete  R.  mit  einer  als  Manuskript 
gedruckten,  am  15.  November  1896  abgeschlossenen  pietätvollen  Erinnerungs- 
schrift »Meine  Eltern,  ihre  Geschwister  und  ihre  Freunde«,  eine  Arbeit,  welche 
uns  einen  Einblick  in  das  innere  Wesen  des  Verfassers  bietet,  der  alles  Ein- 
zelne auf  das  Ganze  bezog,  für  den  das  Besondere  nur  als  Glied  des  grossen 
Ganzen  Recht  und  Pflicht  des  Daseins  hatte,  und  der  wiederum  im  Einzelnen 
Gesetz  und  Geist  des  Ganzen  fand.  Im  Jahre  1861  mit  Theophanie  Haug, 
der  Tochter  des  bekannten  Tübinger  Geschichtsforschers,  verheirathet,  führte 
er  eine  geistig  reiche  und  beglückende,  aber  kinderlose  Ehe. 


62  Riecke.     Born. 

Die  höchsten  Ehrungen  wurden  ihm  zu  Theil,  und  die  »Schwäbische 
Kronik«  durfte  ihm  mit  Recht  in  ihrer  No.  124  vom  i.  Juni  1898  nach- 
rufen: Er  war  ein  seltener  Mann:  »ich  durfte  nimmer  Seinesgleichen  sehen«. 

E.  Blenck. 

Born,  Stephan,  Redacteur  und  Professor,  *  28.  Dec.  1824  in  Lissa, 
f  4.  Mai  1898  in  Basel.  B.  hat  selber  in  einem  in  seinem  Todesjahre  (bei 
G.  H.  Meyer  in  Leipzig)  erschienenen  Buche  »Erinnerungen  eines  Achtund- 
vierzigers«, das  auch  mit  seinem  Bildniss  geschmückt  ist,  seine  vielbewegten 
Jugendjahre  erzählt.  Der  in  Lissa  (preuss.  Provinz  Posen)  Geborene  kam 
schon  in  jimgen  Jahren  nach  Berlin,  um  als  Schriftsetzer  sein  Brod  zu  ver- 
dienen; seinem  Wissenstrieb  bot  die  Universität,  an  der  er  einige  Vorlesungen 
hörte,  Nahrung;  zugleich  behielt  er  seine  Augen  offen  für  die  politischen 
Vorgänge.  Er  kam  mit  den  hauptsächlichsten  Wortführern  der  Bewegung, 
die  dann  1848  acut  wurde,  in  persönliche  Berührung  und  gerieth  so  in  das 
revolutionäre  Fahrwasser  hinein.  Das  blieb  so,  als  er  von  Berlin  nach  Paris 
und  Brüssel  kam.  Männer  wie  Friedrich  P^ngels  und  Karl  Marx  erhalten 
aus  eigener  Bekanntschaft  heraus  in  dem  genannten  Buche  B.'s  ihre  Charak- 
teristik. Nach  den  Märztagen  1848  kehrte  B.  nach  Berlin  zurück,  und  nun 
widmete  er  sich  mit  Eifer  der  Sache  der  arbeitenden  Klassen,  deren  Eintritt 
in  die  politische  Welt  B.  als  das  eigentliche  Merkmal  des  Jahres  1848  be- 
zeichnet. Er  wurde  Redacteur  einer  diese  Interessen  verfechtenden  Zeitung 
und  einer  Zeitschrift,  die  er  recht  eigentlich  mit  seiner  eigenen  Feder  ali- 
mentirt  hat.  Als  Redner  trat  er  in  Versammlungen  auf;  die  Organisation 
eines  Buchdruckerausstandes  war  sein  Werk;  er  wurde  dann  auch  einer  der 
Präsidenten  des  ersten  deutschen  Arbeiter-Congresses  in  Berlin  und  nahm  als 
Delegirter  Theil  an  den  Verhandlungen  der  Centralcommission  für  die  deut- 
schen Arbeiter  in  Leipzig,  Die  Barrikadentage  in  Dresden,  Mai  1849,  ^^^ 
B.  als  Kämpfender  und  als  einer  der  Leiter  des  Strassenkampfes  mitgemacht. 
Die  Folgen  dieser  Theilnahme  an  der  Revolutionsbewegung  Hessen  denn  auch 
für  B.  nicht  auf  sich  warten:  er  musste  flüchten  und  wandte  sich,  wie  da- 
mals so  viele  und  so  bedeutende  Achtundvierziger,  nach  der  Schweiz,  um  hier 
ein  Asyl  zu  suchen.  In  Murten  Hess  er  sich  nieder,  erwarb  dort  eine  Buch- 
druckerei, kam  aber  auf  keinen  grünen  Zweig,  da  nach  seinem  eigenen  Ge- 
ständniss  der  praktische  Sinn  bei  ihm  mit  dem  idealen  nicht  Schritt  hielt. 
B.  nahm  dann  vorübergehend  Aufenthalt  in  Bern  und  Zürich,  an  welch  letz- 
terem Orte  er  zwei  Jahre  am  Küsnacher  Seminar  als  Lehrer  wirkte.  1857 
trat  er  in  die  Redaction  des  »National  Suisse«  in  La  Chaux-de-Fonds  ein, 
kurze  Zeit  war  er  hierauf  als  Lehrer  in  Schaffhausen  thätig,  und  schliesslich 
erhielt  er  1860  eine  Professur  für  deutsche  Sprache  und  Litteratur  an  der 
Neuenburger  Industrieschule;  später  rückte  er  auch  zum  Professor  an  der 
Neuenburger  Academie  vor.  Bis  1878  blieb  er  in  dieser  Stellung,  die  er 
sodann  mit  der  eines  Auslandsredacteurs  der  »Basler  Nachrichten«  in  Basel 
vertauschte.  Damit  hatte  B.'s  Wanderleben  sein  Ziel  erreicht;  in  der  Rhein- 
stadt, die  ihm  recht  eigentlich  zu  einer  zweiten  Heimath  wurde,  ist  er  ge- 
storben.    Ein  Herzschlag  machte  seinem  Leben  ein  Ende. 

Neben  seiner  Thätigkeit  als  Redacteur,  die  er  mit  vielem  Geist  und  ge- 
wandter, feiner  Feder  ausübte,  widmete  sich  B.  auch  der  Basler  Universität. 
1878  habilitirte  er  sich,  schon  im  folgenden  Jahr  wurde  ihm  der  Titel  eines 
Extraordinarius  verliehen    und    auch   die  Ernennung    zum  Ehrendoctor    blieb 


Born.     Hertslet.  63 

nicht  aus.  B.  trug  an  zwei  Wochenstunden  in  öffentlichen  Vorlesungen  über 
Shakespeare,  Goethe,  Schiller  und  die  deutschen  Romantiker  vor.  Seinen 
Collegien  verlieh  er  den  Hauptreiz  durch  die  Vorlesung  von  Stellen  aus  den 
Dichterwerken;  er  verstand  sich  trefflich  auf  diese  Kunst;  daher  vor  Allem 
auch  der  zahlreiche  Besuch,  dessen  sich  seine  Stunden  erfreuten.  Wissen- 
schaftliche Originalforschung  bot  er  seinen  Hörern  kaum;  dagegen  war  alles 
getragen  von  warmer,  schöner  Begeisterung  fiir  das  poetisch  Werthvolle.  Auch 
seine  Vorträge  vor  gemischtem  Hörerkreise  trugen  diesen  Charakter,  sie  waren, 
wie  alles  was  B.  schrieb,  sorgfältig  und  elegant  stilisirt  und  fesselten  durch 
den  geistvoll  pointirten  Vortrag.  Die  meisten  dieser  Vorträge  sind  im  Druck 
erschienen,  wir  nennen  die  über  H.  Heine,  Lord  Byron,  Nie.  Lenau,  H.  2^chokke, 
Andr^  Chdnier,  Beaumarchais;  sie  finden  sich  veröffentlicht  in  der  Sammlung 
»Oeffentiicher  Vorträge,  gehalten  in  der  Schweiz«  (bei  Benno  Schwabe  in 
Basel).  Für  die  Heine-Ausgabe  in  der  Cotta'schen  Weltlitteratur  schrieb  B.  die 
Einleitung.  Sein  langer  Aufenthalt  im  französischen  Sprachgebiet  der  Schweiz 
verschaffte  B.  eine  genaue  Kenntniss  der  französischen  Sprache;  er  machte 
sie  nutzbar  in  einer  Anzahl  ganz  vorzüglicher  Uebersetzungen.  So  verdanken 
wir  B.  die  Uebertragungen  von^Daudets  kleinen  Erzählungen,  die  unter  dem 
Titel  »Provengalische  Geschichten«  und  »Montagsgeschichten«  von  B.  heraus- 
gegeben wurden;  desselben  Schriftstellers  »Tartarin  in  den  Alpen«  und 
»Dreissig  Jahre  in  Paris«  fanden  durch  B.  eine  gewandte  Verdeutschung;  von 
weiteren  Uebertragungen  seien  die  von  Renans  »Souvenirs  de  jeunesse  et  d'en- 
fance«  und  des  bekannten  Buches  des  P.  Didon  »lieber  die  Deutschen«  ge- 
nannt. Die  Erinnerungen  J.  D.  H.  Temmes  fanden  1883  in  B.  ihren  Heraus- 
geber; das  Vorwort  B. 's  ist  von  1882  datirt.  Von  den  dichterischen  Arbeiten 
des  phantasiebegabten  Mannes  ist  nicht  sehr  vieles  an  die  Oeffentlichkeit  ge- 
treten; am  Ende  seines  Lebens  ward  ihm  noch  die  Freude  bescheert,  ein 
Opemlibretto  »Kudrun«  von  dem  bekannten  Componisten  Hans  Huber  in 
Basel  in  Musik  gesetzt  zu  sehen;  die  Aufführung  des  Werkes  im  Basler  Stadt- 
theaters war  ein  Freudentag  seines  Alters. 

In  der  Oeffentlichkeit  trat  B.  wenig  hervor;  er  war  auch  kein  freisinniger 
Parteimann  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes;  in  der  Beurtheilung  der 
deutschen  Politik  stand  er  freilich  stets  im  antibismarckischen  Lager;  Bismarck 
stets  bekämpft  zu  haben,  hat  er  selbst  einmal  ausdrücklich  betont.  Durch 
sein  feines  Wesen  und  seine  persönliche  Liebenswürdigkeit  hatte  sich  B.  in 
Basel  viele  Sympathieen  erworben,  die  sich  auch  in  seiner  Berufung  in  die 
Kunstcommission,  in  eine  Schulinspektion  u.  s.  w.  kundgab;  auch  das  Ehren- 
bürgerrecht wurde  ihm  verliehen.  Die  grosse  Pflichttreue  in  seinem  Beruf, 
sein  chevalereskes,  jeder  gehässigen  Polemik  abholdes  Wesen  machten  B.  zu 
einem  hochangesehenen  Gliede  der  schweizerischen  Journalistik;  sein  70.  Ge- 
burtstag wurde  denn  auch  von  den  Männern  der  Presse  in  ehrenvollster  Weise 
begangen;  aber  auch  Regierung  und  Universität  in  Basel  unterliessen  es  nicht, 
dem  viel  verdienten  Manne  ihre  Gratulation  darzubringen. 

H.  Trog. 

Hertslet,  W.  L.,  Schriftsteller,  ♦21.  November  1839  in  Memel,  f  2.  Mai 
1898  zu  Friedenau  bei  Berlin.  Ueber  seine  Jugend,  seinen  Bildungsgang  und 
Lebenslauf  wussten  selbst  die  wenigen,  in  den  Blättern  nach  seinem  Tode 
erschienenen  Nekrologe  nichts  zu  sagen.  Es  wird  eben  das  stille,  ereignisslose 
und  beschauliche  Leben  und  Schaffen  eines  deutschen  Schriftstellers  gewesen 


64  Hertslet. 

sein,  der  zeitlebens  auf  keinen  grünen  Zweig  gekommen  ist,  obwohl  das,  was  er 
uns  hinterlassen,  seinen  Namen  —  aber  auch  nur  diesen  ohne  jeden  aben- 
teuerlichen  Lebensaufputz  —  auf  die  Nachwelt  bringen  wird.  Er  muss  ein 
universales  Wissen,  einen  ungeheuren  Fleiss  und  eine  ganz  ungewöhnliche 
Belesenheit  besessen  haben,  und  es  ist  ganz  begreiflich,  dass  Name  und  Per- 
sönlichkeit des  Verfassers  der  drei  Bücher,  die  wir  von  ihm  haben,  ganz  und 
gar  hinter  diesen  zurückgetreten  sind,  denn  sie  sind  alle  drei  von  der  Art, 
dass  sie  —  wie  es  bei  brauchbaren  Nachschlagewerken  meist  geht  —  mehr  be- 
nützt, auch  ausgenützt  und  gelesen,  als  nach  Verdienst  gerühmt  werden.  —  Sie 
haben  —  es  ist  beschämend  für  unser  deutsches  Schriftthum  —  dem  Autor 
zeitlebens  zwar  die  reiche  Anerkennung  der  dankbaren  Kenner,  aber  keine 
Reich thümer  eingetragen.  —  Das  erste  seiner  Bücher,  der  jetzt  in  vierter,  neu 
bearbeiteter  Auflage  (1895)  vorliegende  »Treppenwitz  der  Weltgeschichte« 
erschien  zum  ersten  Mal  1882  in  dem  bekannten  Büchmann -Verlage  von 
Haude  &  Spener  (F.  Weidling)  und  machte  H.'s  Namen  bekannt.  Damals 
etwa  150  Seiten  stark,  ist  es  inzwischen  auf  469  Seiten  angeschwollen  — 
ein  merkwürdiges  Buch.  Etwas  ungeordnet,  enthält  es  eine  überraschende 
Fülle  des  interessantesten  historischen  und  anekdotischen  Materials  und  reiche 
psychologische  Hinweise  auf  den  Geist  der  OefTentlichkeit  und  das  Volks- 
bewusstsein.  H.  hat  das  bis  dahin  nur  im  Französischen  vorhandene  Wort 
»esprü  dCescaliei^iü  trefflich  ins  Deutsche  umgeprägt  und  bei  uns  eingebürgert, 
ganz  ähnlich  wie  Büchmänn  das  Homerische  Wort  für  seine  »Geflügelten 
Worte«  in  Anspruch  genommen  hat.  Dabei  verbreitet  sich  H.  aber  in  seinem, 
in  einem  höchst  persönlichen  Stil  verfassten  Buche  über  sämmtliche  alte  und 
neue  Litteraturen  aller  Culturvölker.  Die  »Nationalzeitung«  hat  sein  Buch 
passend  characterisirt  in  den  Worten:  »H.  geht  von  der  durch  Büchmann 
gemachten  Beobachtung  aus,  dass  es  ein  untrügliches  Kennzeichen  eines  all- 
gemein gewordenen  Citates  sei,  wenn  eine  Veränderung  seiner  ursprünglichen 
Form  eintritt.  In  derselben  Weise  sind  die  meisten  der  bekannten  historischen 
grossen  Paradewörter  —  Stichwörter  sagt  H.  unrichtiger  Weise  —  unwahr, 
unhistorisch,  fable  convenue.  »Der  Geschichte  fällt«  —  so  erklärt  er  den 
esprit  d'escalier  sehr  hübsch  —  »geradeso  wie  dem  von  der  Audienz  die 
Treppe  herunterkommenden  Bittsteller,  ein  pikantes,  gerade  passendes  Wort 
fast  immer  erst  hinterdrein  ein.  Nur  wird  es  ihr  leichter  als  dem  Bittsteller, 
das  Versäumte  nachträglich  in  das  Protokoll  eintragen  zu  lassen,  was  sie 
denn  auch  thut.«  Nach  der  etwas  gewagten  Prämisse  »die  Geschichte  ist 
unpoetisch«  führt  H.  in  seinem  Buch  eine  Reihe  von  geschichtlichen  Per- 
sönlichkeiten vor,  um  die  gähnende  Kluft  zwischen  der  Wahrheit  der  Ge- 
schichte und  dem  idealisirenden  Nebel  der  Dichtung  zu  kennzeichnen.  Fein- 
fühlig kommt  er  dann  auf  einen  zweiten  leitenden  Grundsatz,  dass  nämlich 
die  Geschichte  auch  nicht  malerisch  sei.  Auch  die  volksetymologischen  Be- 
zeichnungen von  Orten,  Strassen,  Bildwerken,  Symbolen,  Sitten,  Sprüchen 
u.  s.  w.  zieht  der  Verfasser  geschickt  in  das  Gebiet  seiner  Betrachtungen  und 
erklärenden  Richtigstellungen,  wie  z.  B.  den  heiligen  Christophorus  (der  den 
Christus  trägt,  ursprünglich  bildlich  genommen),  bei  dem  die  bekannte  Sage 
erst  aus  der  Erklärung  des  Namens  entstanden  ist,  dann  Bezeichnungen  wie 
»Mäusethurm«  (eigentlich  Mauththurm),  Pilatus-Berg  (richtiger  mons  pileatus, 
der  Berg  mit  einem  Hut,  einer  Nebel-  oder  Wolkenkappe),  zu  dem  dann  eine 
phantastische  Sage  von  Pontius  Pilatus  erfunden  wurde.  Des  ersten  Napo- 
leon bekannte  romantische  Darstellungen   im  Bilde,    seine  eigenen  Bulletins, 


Hertslet  6j 

seine  grossen  »mots«  u.  A.  m.  werden  von  H.  mit  kritischer  Schärfe  ge- 
mustert und  auf  Grund  guter  geschichtlicher  Detail-Kenntnisse  zu  ihrem 
wahren  Mass  zurückgeführt.«  —  Mit  seinem  »Treppenwitz«  wird  H.*s  Name 
viel  sicherer  verbunden  bleiben  als  mit  seinem  zweiten  Buche,  das  sich  an 
ein  weit  kleineres,  an  das  Publikum  der  Schopenhauer -Forscher  und  Ver- 
ehrer wendet:  es  ist  das  1890  im  Verlage  von  F.  A.  Brockhaus  erschienene 
»Schopenhauer-Register,  ein  Hülfsbuch  zur  schnellen  Auffindung  aller 
Stellen,  betreffend  Gegenstände,  Personen,  Begriffe,  sowie  der  Citate,  Ver- 
gleiche und  Unterscheidungen,  welche  in  Arthur  Schopenhauer's  Werken, 
ferner  in  seinem  Nachlasse  und  in  seinen  Briefen  enthalten  sind«.  Ein 
Werk  ungeheuren  Sammelfieisses,  wie  wir  es  leider  kaum  für  einen  andern 
Philosophen,  Gelehrten  oder  Dichter  besitzen.  Wessen  er  nur  habhaft 
werden  konnte,  hat  er  für  dieses  sein  Lieblingsbuch  benützt.  Die  neue 
Grisebach'sche  Schopenhauer-Ausgabe  war  damals  noch  nicht  erschienen,  noch 
auch  die  neuesten  Brief-Publicationen ,  aber  bei  den  gewissenhaften  Angaben 
der  Seitenzahlen  in  den  alten  Frauenstädt'schen  Ausgaben  ist  das  Register 
auch  für  jene  brauchbar.  Für  ziemlich  viele  Citate,  die  Schopenhauer  bringt, 
gelang  es  H.  Anfangs    nicht,    ihre    Herkunft    nachzuweisen.     Er    hat    später 

—  im  Feuilleton  der  ^> Frankfurter  Zeitung«  vom  24.  December  1892  — 
eine  Nachlese  gehalten  und  die  Sorge  der  letzten  Wochen  galt  noch  den 
Vorarbeiten  für  eine  später  in  Aussicht  genommene  zweite  Auflage.  Er  sollte 
sie  nicht  mehr  erleben.  Als  der  Schreiber  dieser  Zeilen  in  seinem  Hand- 
exemplar dieses  ihm  unentbehrlich  gewordenen  Buches  etliche  von  H.  über- 
sehene Stellen  in  Schopenhauer'schen  Briefen  eingetragen  und  H.  davon  er- 
fahren hatte,  ruhte  dieser  nicht,  bis  er  ihm  das  Exemplar  zur  Ergänzung  über- 
liess,  wofür  er  sich  dann  ebenso  liebenswürdig  als  aufopfernd  durch  die 
handschriftliche  Eintragung  aller  der  von  ihm  gefundenen  Ergänzungen  re- 
vanchirte,  so  dass  ich  nun  gewissermaassen  im  Besitze  dieser  zweiten  Auf- 
lage bin,  die  vielleicht  nie  erscheinen  wird,  und  die  noch  herauszubringen, 
wie  H.  mir  wenige  Monate  vor  seinem  Tode  schrieb,  sein  »lebhaftester  Wunsch« 
gewesen,  da  sie  »unendlich  besser  sein  wird«.  —  Ganz  vereinzelt,  scheint  es, 
ist  ein  Flugblatt  geblieben,  das  bei  Trowitzsch  &  Sohn  in  Berlin  gedruckt, 
mir  im  Januar  1898  von  ihm  zugesandt  worden  und  —  ein  Beweis  für  H.'s 
Vielseitigkeit  —  ein  rein  mathematisches  Problem  mit  Ausblicken   auf  Kants 

Metaphysische  Anfangsgründe  der  Naturwissenschaft«,  auf  Schopenhauers 
'Tafel  der  Praedicabilia  der  Zeit,  des  Raumes  und  der  Materie«,  sowie  auf 
Zöllners  »Natur  der  Kometen«  behandelt:  die  »Spiegelungen  zwischen  Arith- 
metik und  Geometrie«.  Aber  noch  nicht  genug:  das  dritte  der  Bücher  H.'s 
bewegt  sich  wieder  auf  einem  anderen  Arbeitsfelde,  und  es  ist  charakteristisch, 
dass  sich  auch  die  Fachleute  dieses  Gebietes  mit  höchster  Anerkennung  über 
H.  und  seine  nimmermüde,  scheinbar  ganz  wieder  nur  in  dieser  einen  Arbeit 
aufgehende  Thätigkeit  äussern.  Es  ist  dies:  »Salings  Börsen -Papiere 
vSalings  Börsen -Jahrbuch).  Ein  Handbuch  für  Bankiers  und  Kapitalisten. 
Bearbeitet  von  W.  L.  Hertslet  (Berlin,  Haude  u.  Spener'sche  Buchhandlung)«. 
In  dem  Vorwort  zu  dem  Jahrgang  1897/98  spricht  H.  den  einen  Wunsch 
aus  —  >nicht  meinetwegen,  denn  für  mich  käme  dessen  Erfüllung  doch  zu 
spät    (er  hatte  leider  damit  Recht),    sondern  des   allgemeinen   Besten   wegen 

—  nämlich,  dass  dem  Gesetz  gegen  den  unlautern  Wettbewerb  noch  ein 
Paragraph  hinzugefügt  werde  zum  Schutze  nur  zusammengetragener  Schriften, 
wie  der  »Saling«  eine  ist  und  nothwendiger  Weise   sein   muss«.     Bitter  klagt 

Biogr.  Jahrb.  n.  Deutscher  Nekrolog.  3.  Bd.  c 


66  Hertslet.     von  Proskowetz. 

H.  Ȇber  das  Ausstrecken  gieriger  Krallen  solcher,  die  selbst  nichts  schaffen 
können,  nach  den  Früchten  meines  jahrelangen  Fleisses«  und  über  die  Ver- 
leumdungen des  von  ihm  im  25.  Jahrgang  herausgegebenen  »Saling&  durch 
schmutzige  Wettbewerber.  Dieser  Jubelband  sollte  sein  letzter  sein.  Den 
Jahrgang  x 898/99,  den  H.  noch  vorbereitet  hatte,  musste  ein  Anderer 
vollenden.  Die  Verlagshandlung  aber  stellte  dem  alten  Mitarbeiter  in  ihrem 
Vorwort  ein  ebenso  schönes  wie  gerechtes  Zeugniss  aus ,  wenn  sie  schreibt : 
»Mit  nie  rastender  Sorgfalt  und  Treue,  mit  hingebendem  Fleisse  und  eiserner 
Ausdauer  hat  H.  seines  freiwillig  übernommenen  Amtes  in  selbstlosester  Weise 
im  Interesse  der  deutschen  Bank-  und  Börsenwelt  und  des  deutschen  Capita- 
listenpublikums  gewaltet;  ihm  hat  er  seine  Zeit  und  seine  beste  Lebenskraft 
geopfert.  Von  lauterstem  Charakter,  unbestechHch  und  unbeeinflussbar,  war 
er  unzugänglich  ftir  alle  Versuchungen,  wie  sie  an  den  Herausgeber  eines 
solchen  Unternehmens  nur  zu  häufig  herantreten;  nie  hat  er  seinen  scharfen 
Blick  für  das  Schlechte  und  Unredliche  sich  trüben,  nie  seine  scharfe  Feder 
von  andern  Erwägungen,  als  denen  der  Treue  und  Ehrlichkeit  führen  lassen. 
Blank,  wie  er  den  Schild  des  Buches  von  Saling  vor  fünfundzwanzig  Jahren 
übernahm,  hat  er  ihn  bei  seinem  Tode  zurückgelassen  und  manch  gefähr- 
licher Feind  ist  im  Laufe  der  Jahre  seinen  Streichen  erlegen.  Oft  hob  H. 
hervor,  dass  es  die  allererste  Pflicht  eines  derartigen  Nachschlagewerkes  wäre, 
gegen  notorischen  Schwindel  derbe  vorzugehen.  Mit  Stolz  konnte  er  noch 
in  der  Vorrede  zum  vorigen  Jahrgang  sagen,  dass  durch  seine  Thätigkeit  viel 
Unheil  verhütet  und  manche  grossen  und  kleineren  Capitalien  vor  der  Ueber- 
leitung  in  unreine  Taschen  bewahrt  worden  seien.«  Mitten  nun  in  den  Vor- 
bereitungen zum  neuen  »Saling«  und  daneben  emsig  fiir  sein  »Schopenhauer- 
Register«  sammelnd  ist  H.  im  Alter  von  58  Jahren  plötzlich  einem  Gehirn- 
schlag erlegen.  Andere  werden  nach  ihm  kommen  und  seine  Unternehmen, 
hoffentlich  in  seinem  Geiste,  fortsetzen,  denn  kein  Mensch  ist  unersetzlich, 
aber  die  ausserordentliche  Universalität  dieses  stillen  Geistesarbeiters  wird 
doch  in  seinen  wenigen,  aber  gediegenen  Büchern  fortzeugend  nur  Gutes  ge- 
bären, und  desshalb  sei  ihm  auch  in  diesen  Blättern  ein  bescheidener  Platz 
gewidmet. 

Alfred  Freiherr  v.  Mensi. 

Proskowetz,  Max  Ritter  von,  Dr.  jur.,  k.  u.  k.  österr.-ungar.  Consul  in 
Chicago,  *  4.  Novb.  185 1  zu  Kwassitz,  Mähren,  f  19.  Septemb.  1898  zu 
Fort  Wayne,  Indiana,  Ver.-St.,  —  der  zweite  Sohn  des  Grossindustriellen  und 
Nestors  des  österr.  Abgeordnetenhauses,  Emanuel  R.  v.  Proskowetz.  —  Als 
Knabe  verletzte  er  sich  durch  einen  Sturz  die  linke  Kniescheibe;  um  das 
kranke  Bein  gesund  zu  machen,  bedurfte  es  vieljähriger  Curen  und  der  ganzen 
Aufopferung  seiner  in  jeder  Hinsicht  um  ihn  verdienten  Mutter.  Erst  im 
Alter  von  18  Jahren  hatte  er  den  freien  Gebrauch  des  Beines  wiedererlangt, 
ohne  welchen  es  ihm  nicht  möglich  gewesen  wäre,  sich  den  zum  Theile 
grossen  Anstrengungen,  die  seine  vielen  Reisen  erforderten,  auszusetzen.  — 
Die  durch  sein  Leiden  erzwungene  Ruhe  legte  wohl  den  Grund  zu  einer 
schon  in  jüngeren  Jahren  erworbenen  ernsten  Anschauung  der  Welt  und  des 
Menschenlebens,  sowie  zu  umfassenden  und  gründlichen  Sprachkenntnissen  — 
er  beherrschte  neben  seiner  Muttersprache  das  Französische  und  Englische 
vollkommen,  sprach  und  schrieb  auch  italienisch,  böhmisch,  russisch  und 
spanisch  —  und  zu  seltener  Belesenheit  in  den  Litteraturen  aller  Culturvölker. 


von  Proskowetr.  67 

Er  verfügte  über  ein  ausgezeichnetes  Gedächtniss,  brachte  es  zu  nicht  un- 
bedeutender Fertigkeit  im  Zeichnen  und  Malen  und  war  durch  einen  liebens- 
würdigen Charakter  ausgezeichnet.  Im  J.  1869  absolvirte  er  das  Wiener 
Schottengymnasium,  besuchte  die  Wiener  Universität,  um  die  Rechte  zu 
Studiren,  betrieb  aber  daneben  fleissig  Culturgeschichte,  Litteratur  und  Malerei. 
1874  zum  Doctor  der  Rechte  promovirt,  arbeitete  er  im  folgenden  Jahre  in 
der  Canzlei  des  Wiener  Advocaten  Dr.  Dollenz.  Einen  Winter  über  lernte 
er  als  Volontär  auf  der  Muster-Domäne  des  Grafen  Bellegarde  in  Gross- 
Herrlitz  in  österr.  Schlesien  die  Praxis  der  Landwirthschaft  und  landwirth- 
schaftlichen  Brennerei  kennen,  besuchte  dann  (1875/6)  die  landwirthschaftliche 
Hochschule  in  Wien  und  vollendete,  nachdem  er  den  Gedanken,  sich  dem  Staats- 
dienste in  der  diplomatischen  Laufbahn  zu  widmen,  der  ihn  schon  damals 
lebhaft  beschäftigte,  wieder  aufgegeben  hatte,  seine  theoretischen  landwirth- 
schaftlichen  Studien  auf  der  Hochschule  zu  Halle  a.  S.  Der  Altmeister  der 
Landwirthschaft,  Prof.  Dr.  Julius  Kühn,  der  P.  stets  ein  wahrer  Freund  blieb, 
hat  mit  seinem  milden  Wesen  und  seinem  umfassenden  Wissen  bestimmenden 
Einfluss  auf  P.'s  Character  genommen.  Der  Verkehr  mit  vielen  bedeutenden 
Männern,  u.  a.  den  Proflf.  Volkmann,  Gräfe,  Dümler,  v.  Nathusius,  der  Besuch 
intensiv  und  verschiedenartig  geführter  Landwirthschafts-  und  Industriebetriebe, 
der  Aufschwung  des  jungen  deutschen  Reiches,  all  das  wirkte  erhebend  und 
aneifemd  auf  ihn  ein,  so  dass  der  2jährige  Aufenthalt  in  Halle  als  die  glück- 
lichste Epoche  seines  Lebens  anzusehen  ist. 

Es  begann  nun  eine  neue  Epoche  grosser  und  seinen  Anschauungskreis 
in  fruchtbarster  Weise  erweiternder  Reisen:  1878  bereiste  er  mit  seinem 
Bruder,  dem  bekannten  Landwirth  und  Industriellen  Emanuel  v.  P.,  Belgien, 
die  Niederlande,  Grossbritannien,  die  pyrenäische  Halbinsel,  Frankreich, 
Algier  und  Italien;  eine  Frucht  dieser  Reise  sind  die  von  beiden  Brüdern 
veröffentlichten  »Land wir thschaftlichen  Reisebriefe«.  Eine  zweite  Reise, 
die  ihn  nach  Aegypten  (bis  Wadi  Haifa),  Palästina,  Syrien,  KJeinasien  und 
Griechenland  führte,  veranlasste  ihn  zur  Herausgabe  eines  die  Land-  und 
Volkswirthschaft,  wie  die  Statistik  dieser  Länder  behandelnden  Buches: 
»Streifzüge  eines  Landwirths  (1881)«  und  der  »Landwirtschaftlichen 
Reisebriefe  aus  dem  Orient  (1881)«.  Der  Gedanke  zu  dieser  anmuthigen  Be- 
handlung des  Stoffes  rührt  von  de  Gourcy  her.  —  Nachdem  er  England  zum 
zweiten  Male  besucht  hatte,  trat  er  1888  seine  grosse  Reise  durch  Russland,  den 
Kaukasus,  Transkaspien  bis  Merw,  Samarkand  und  Meschhed  an,  auf  welcher 
er,  der  erste  Oesterreicher,  die  neuerbaute  transkaspische  Militärbahn  benützte. 
Dieser  Reise  verdankt  sein  grösseres  Werk  »Vom  Newastrand  nach 
Samarkand«  seine  Entstehung  (Wien  1889).  Es  zeichnet  sich  durch  scharfe 
Beobachtung  und  sicheres  Urtheil  über  wirthschaftliche,  Industrie-  und 
Handelsverhältnisse  aus  und  ist  mit  zahlreichen  eigenhändigen  Zeichnungen, 
Naturaufnahmen  des  Verfassers,  geschmückt.  —  Wir  finden  darin  den  mäch- 
tigen wir  thschaftlichen  Aufschwung  Russlands  und  das  zielbewusste  Vorgehen 
seiner  Staatsverwaltung  in  den  neugewonnenen  asiatischen  Ländern  in  einer 
damals  noch  überraschenden  Weise  gewürdigt.  Zu  diesem  Werk  schrieb  der 
Orientreisende  Vamb^ry  das  würdige  Vorwort.  Als  I890  in  Wien  der  inter- 
nationale land-  und  forstwirthschaftliche  Congress  tagte,  konnte 
nicht  leicht  ein  besserer  als  P.  als  Sekretär  des  Congresses  thätig  sein;  ihm 
widmete  er  den  deutsch  und  französisch  erschienenen  »Führer  durch  die 
Land-   und  Forstwirthschaft    Oesterreichs«;    auch    erschienen    damals 

s* 


68  von  Proskowetz. 

die  Monographien  über  Wischau  und  Schöllschitz,  zwei  von  den  Congressmit- 
gliedern  besuchte  Musterwirtschaften. 

Im  Jahre  1894  trat  P.  mit  seinem  jüngeren  Bruder  Felix  eine  Weltreise 
an,  die  durch  Canada,  die  Vereinigten  Staaten,  Neu-Süd- Wales,  Queensland, 
dann  Java,  Birma  und  Vorder-Indien  führte.  —  Hiermit  schloss  die  Reihe 
seiner  Studienreisen  ab.  —  Er  folgte  1896  einem  an  ihn  ergangenen  Rufe 
und  trat  in  das  Ministerium  des  Aeusseren  ein,  um  im  österreichischen 
Consularwesen  Verwendung  zu  finden;  trotz  der  kurzen  Zeit,  die  ihm  hier 
bis  zu  seinem  frühen  Tode  gegönnt  war,  sollte  er  sich  hier,  wie  ein  ihm  in 
der  amtlichen  Wiener  Zeitung  gewidmeter  Nachruf  hervorhebt,  durch  seine 
rastlose  Schaffensfreudigkeit  und  reiche  Productivität  in  diesem  Dienste  als 
eine  Kraft  ersten  Ranges,  welcher  eine  glänzende  Laufbahn  vorbehalten 
schien,  erweisen,  —  Zunächst  wurde  er,  um  den  formalen  Geschäftsgang 
kennen  zu  lernen,  dem  k.  u,  k.  Generalconsulate  in  Smyma  zugetheilt,  schon 
am  26.  März  1897  in  Folge  seiner  aussergewöhnlichen  Eignung  zum  k.  u.  k. 
Consul  ernannt  und  zur  Dienstleistung  in  New- York  dirigirt,  wo  er  vom 
7.  August  bis  9.  September  das  Technische  des  amerikanischen  Dienstes 
kennen  lernte,  und  noch  im  September  1897  mit  der  Führung  des 
Consulates  in  Chicago,  welches  bald  darauf  zum  Generalconsulat  er- 
hoben wurde,  betraut.  —  Nach  einjähriger,  an  Mühen  und  Anerkennung 
reicher  Arbeit  trat  er  eine  Urlaubsreise  nach  Europa  an,  auf  welcher  er 
seinen  Tod  finden  sollte.  Auf  der  Fahrt  von  Chicago  nach  New-York  stürzte 
er  in  Fort  Wayne  von  der  Plattform  seines  Waggons  uud  erlag  kurz  darauf 
den  schweren  Verletzungen  im  Hospital.  Welche  Beliebtheit  er  sich  in 
Chicago  in  der  kurzen  Zeit  seiner  Amtsführung  erworben  hatte,  zeigte  die 
rege  Betheiligung  an  der  ergreifenden  Leichenfeier;  der  Leichnam  wurde 
von  seinem  Bruder  Felix  v.  P.  nach  Europa  gebracht  und  in  dem  mährischen 
Heimathsorte  P.'s  bestattet.  P.  war  seit  1891  corresp.  Mitglied  der  Geograph. 
Gesellsch.  in  Wien,  ferner  war  er  Mitglied  der  Royal  Geographical  Society  in 
London,  der  Royal  Agricultural  Society  ebendort,  und  vieler  anderer  Gesell- 
schaften und  Vereine.  Ein  Gedanke,  welchen  er  durch  lange  Jahre  verfocht, 
und  welcher  in  jüngster  Zeit  in  Deutschland  Verwirklichung  fand,  ist  die 
Einführung  landwirthschaftlicher    Attaches   der  diplomatischen  Vertretungen. 

Ein  dauerndes  Verdienst  hat  sich  P.  auch  durch  die  Gründung  des 
österreichischen  Vereins  gegen  Trunksucht  erworben.  Angeregt  durch  seinen 
Vater,  welcher  die  Schädigung  des  mährischen  Landvolkes  durch  den  zu- 
nehmenden Branntwein  verbrauch  zu  beobachten  reichlich  Gelegenheit  hatte, 
und  durch  die  im  Jahre  1883  erfolgte  Gründung  des  deutschen  Vereins  gegen 
den  Missbrauch  geistiger  Getränke,  unternahm  es  P.  in  den  Jahren  1883  und 
1884,  in  den  weiten  Kreisen,  mit  welchen  er  in  gesellschaftlichem  und  ge- 
schäftlichem Verkehr  stand,  Mitglieder  für  einen  in  Oesterreich  zu  bildenden 
Verein  zu  werben,  welchem  die  Bekämpfung  der  Trunksucht  zum  Zwecke 
gesetzt  werden  sollte.  —  In  überraschend  kurzer  Zeit  gelang  es  ihm,  nicht 
nur  Geldbeträge  zu  sammeln,  welche  die  Gründung  des  Vereins  und  die  Her- 
ausgabe von  Druckschriften  möglich  machten,  sondern  auch  durch  Zeitungs- 
artikel für  diese  in  Oesterreich  noch  gar  nicht  beachtete  socialpolitische  An- 
gelegenheit weitere  Kreise  zu  interessiren.  Im  April  1884  wurde  der  Verein, 
dessen  Satzungen  er  im  Vereine  mit  dem  späteren  Geschäftsführer  des  Vereins, 
Dr.  Daum,  verfasst  hatte,  constituirt.  —  Für  die  Mittheilungen,  die  derselbe 
zuerst  in  unregelmässigen  Zeitabschnitten,  seit   1890  aber  monatlich  (in    Ver- 


von  Proskowetz.     von  Erb.  69 

bindung  mit  den  sächsischen  Bezirksvereinen  gegen  den  Missbrauch  geistiger 
Getränke)  erscheinen  lässt,  schrieb  er  eine  grosse  Zahl  von  Aufsätzen;  theils 
statistische  Mittheilungen,  insbesondere  über  die  mährischen  Verhältnisse  und 
über  Russland  und  Amerika,  theils  auf  eigene  Beobachtung  gegründete 
Schilderungen  socialer  Verhältnisse;  unter  diesen  ist  besonders  »Alkoholismus 
im  Salon«  (in  Nr.  8  vom  Jahre  1892)  bemerkenswerth,  P.  war  Präsident 
dieses  Vereines,  welcher  sich  allmählich  eine  geachtete  Stellung  und  Ansehen 
bei  den  Behörden  und  autonomen  Körperschaften  erwarb,  und  dessen  An- 
regungen und  Gutachten  über  verschiedene,  mit  der  Bekämpfung  der  Trunk- 
sucht zusammenhängenden  Fragen  von  bleibendem  Werthe  sind,  und  bemühte 
sich,  soweit  es  seine  Anwesenheit  im  Vaterlande  gestattete,  mit  grossem  Eifer 
im  Interesse  dieser  so  wichtigen  Alkoholfrage.  Er  vertrat  den  Verein  auf  dem 
internationalen  Congresse  in  Zürich  1887  und  wurde  als  Vertreter  Oester- 
reichs  in  das  internationale  Comitö  gegen  die  Demoralisation  der  Naturvölker 
durch  den  Branntweinhandel  gewählt;  für  den  internationalen  Congress  gegen 
den  Alkoholismus  in  Basel  (1896),  und  für  den  Congress  in  Chicago  lieferte 
er  Arbeiten  über  den  Stand  der  Alkoholfrage  in  Oesterreich  und  über  die 
Aufgaben  des  Staates  gegenüber  dem  Alkoholismus. 

»Ein  Ritt  ins  heilige  Land«  (1881);  Von  Usunada  nach  Samarkand  (1889);  Tristan 
da  Cincha  (1891);  Neues  Über  das  militärische  Russland  (1891);  Ein  Ausflug  zum  Kudial 
Batura  (1896).  —  Alt-Krakau  (1896);  Die  Trockenlegung  des  Kopaisees  (1881);  In  Meschhed 
(1S89);  Neue  Nachrichten  über  die  Colonie  Süd -Australiens  (1890);  Die  Urbarmachung 
der  Dünen  in  Sud-Holland;  Vom  australischen  Horizont  (1895);  Das  Landschaftliche  im 
Bilde  Karlsbads   etc.  etc. 

Quellen:  Nachruf  in  der  Wiener  Ztg.  vom  21.  Sept.  1898.  —  Familien-  und  Freundes- 
Mittheilungen. 

— a — 

Erb  Ferdinand,  Freiherr  von  Rudtorffer,  k.  und  k.  wirkl.  Geh.  Rath 
und  k.  k.  Sections-Chef  in  Pension.  Grosskreuz  des  Franz  Josephs-Ordens, 
Eiserne  Krone  II.  Kl.,  Ritter  des  Leopold-Ordens,  Ritter  des  preussischen 
Kronen-Ordens*  I.  Kl.,  Commandeur  des  italienischen  Kronen-Ordens,  Gross- 
kreuz des  serbischen  Takowo-Ordens,  Grosskreuz  des  rumänischen  Kronen- 
ordens, Ehrenbürger  von  Wien,  etc.,  *  Wien  am  23.  November  1833,  f  da- 
selbst am  19.  März  1898. 

E.  war  der  Sohn  des  Hofrathes  von  E.,  des  Kanzleidirectors  des  Erz- 
herzogs Franz  Karl  und  späteren  Directors  des  Hof-  und  Staatsarchivs.  Noch 
nicht  zwanzig  Jahre  alt  trat  er  in  den  Staatsdienst.  Eine  kaiserliche  Ent- 
schliessung  vom  9.  Juli  1853  gestattete,  dass  er  als  Rechtshörer  schon  nach 
dem  vollendeten  sechsten  Semester  als  absolvirt  betrachtet  werden  dürfe. 
Zunächst  (27.  October  1853)  trat  E.  als  Conceptspractikant  bei  der  nieder- 
österreichischen  Statthalterei  ein,  wurde  dann  nach  kaum  2 '/^ monatlicher 
Thätigkeit  der  Bezirkshauptmannschaft  in  Klostemeuburg  zugewiesen,  im 
September  1854  zur  Dienstleistung  bei  der  k.  k.  Statthalterei  nach  Ofen  ver- 
setzt, bald  darauf  zum  provisorischen  Statthai terei-Concipisten  ernannt,  und 
wenige  Tage  später  der  Civilsection  des  Militär-  und  Civil-Gouvemements  in 
Ofen  zugetheilt.  Dieser  rasche  Wechsel  in  seiner  Amts  Wirksamkeit  hielt  auch 
weiterhin  an.  Mitte  October  1855  wurde  er  provisorischer  Comitatscommissär 
ni.  Kl.  für  das  Kaschauer  Verwaltungsgebiet,  am  Ende  desselben  Monates 
der  k-  k.  Saröser  Comitatsbehörde  in  Eperies  zugetheilt  und  im  September 
des    folgenden  Jahres    definitiv    in    die  Klasse    der   Comitatscommissäre    ein- 


70 


von  Erb. 


getheilt.  Das  Jahr  1857  brachte  für  E.'s  Leben  und  Wirken  die  entschei- 
dende Wendung.  Am  10.  August  wurde  er  zur  Dienstleistung  im  Ministerium 
des  Innern  (unter  Schmerling)  einberufen,  woselbst  er  bis  zum  Jahre  1870 
verblieb.  Während  dieser  Zeit  war  er  fast  durchgehends  im  Präsidialbureau 
des  jeweiligen  Ministers  thätig.  Hier  wurde  er  im  Juli  1859  zum  Ministerial- 
concipisten  und  im  Juni  1864  zum  Ministerialsecretär  ernannt.  In  der  Folge- 
zeit war  er  zweimal  —  März  1868  bis  Mai  1869  und  December  1869  bis 
März  1870  —  bei  Belassung  in  der  sonstigen  Verwendung  Schriftführer  im 
Herrenhause  des  österreichischen  Reichsrathes.  Ende  Februar  1870  verliess  er 
das  Ministerium  des  Innern,  nachdem  er  schon  vorher  (im  Januar  1869)  zum 
Sectionsrathe  ernannt  worden  war,  und  übernahm  als  Ministerialrath  die  Press- 
leitung im  Ministerrathspräsidium.  Er  wurde  jedoch  schon  im  Beginne  des 
April  desselben  Jahres  in  das  Ministerium  des  Innern  zurück  versetzt  und 
verblieb  in  dieser  Stellung  unter  dem  Ministerium  Hohenwart  bis  zum  Ende 
des  Jahres  1871.  Im  December  wurde  er  abermals  zum  Pressleiter  und  mit 
kaiserlicher  EntSchliessung  im  Mai  1872  zum  Vorstande  des  Departements 
für  Pressangelegenheiten  im  Ministerrathspräsidium  ernannt.  In  dieser  Stellung 
blieb  E.  während  der  ganzen  Regierungsdauer  des  Ministeriums  Auersperg 
und  war  des  Ministerpräsidenten  rechte  Hand.  Nach  dem  Rücktritte  Auers- 
pergs  nahm  er  einen  längeren  Urlaub,  den  einzigen,  den  er  w^ährend  seiner 
ganzen  Dienstzeit  genoss.  Seit  Juli  1879  gehörte  er  wieder  dem  Ministerium 
des  Innern  an.  Als  Graf  TaafTe  die  Regien\ng  übernahm,  schien  es,  als  ob 
er  den  bewährten  Rathgeber  seiner  Vorgänger  bei  Seite  setzen  wollte.  Allein 
bald  überzeugte  sich  der  Minister,  dass  E.  thatsächlich  ein  unentbehrlicher 
Mitarbeiter  geworden  war.  Er  schenkte  ihm  denn  auch  sein  vollstes  Ver- 
trauen und  stand  auch  in  intimerem  persönlichen  Verkehr  mit  ihm.  Von 
diesem  Zeitpunkte  an  war  E.  nahezu  ausschliesslich  mit  Agenden  administra- 
tiver Natur  beschäftigt.  Zunächst  blieb  er  auf  seinem  Posten  als  Ministerial- 
rath, dann  (Juli  1882)  wurde  ihm  Titel  und  Charakter  eines  Sectionschefs 
verliehen;  im  August  1885  erfolgte  seine  Ernennung  zum  wirklichen  Sectionschef. 

Schon  im  Jahre  1887  wurde  E.  in  den  erblichen  Freiherrnstand  erhoben; 
nachträglich  wurde  ihm  noch  dasPrädicat»  von  Rudtorffer«  verliehen,  der  Familien- 
name seiner  Gattin  Alexandrine,  der  Tochter  des  k.  k.  Hauptmannes  Eduard 
Ritter  von  Rudtorffer,  mit  welcher  er  sich  im  Jahre  1863  vermählt  hatte. 
In  seinem  Gesuche  um  die  Prädicatsverleihung  stellte  E.  die  »ergebenste  und 
dringendste  Bitte«,  dass  seinen  Nachkommen,  welche  um  die  Bewilligung  zur 
Ablegung  des  Familiennamens  «Erb«  einschreiten  sollten,  diese  Bitte 
unter  keinerlei  Umständen  gewährt  werden  möge.  Er  war  auf  diesen  Namen 
nicht  minder  stolz  wie  auf  seinen  Wappenspruch :  »Integritate  et  adsiduitate«. 
—  Die  Geheimraths würde  wurde  ihm  im  Januar  1893  verliehen. 

Auch  unter  den  folgenden  österreichischen  Ministern  war  E.'s  Stellung 
eine  starke  und  gesicherte.  Den  grössten  Einfluss  hatte  er  unter  Bacquehem. 
Seit  Taaffe  war  er  der  eigentliche  Leiter  des  Ministeriums  des  Innern  in  allen 
administrativen  Angelegenheiten.  Von  den  politischen  Fragen  hielt  er  sich 
jedoch  stets  und  grundsätzlich  fern. 

Mit  dem  Ministerium  Badeni  kam  die  Entlassung  E.'s.  Die  Geschichte 
derselben  reicht  in  das  Jahr  1894  zurück  und  nahm  einen,  man  könnte  fast 
sagen,  romantischen  Verlauf.  Ueber  die  Gründe  derselben  schreibt  die 
>' Montags-Revue«  in  Nummer  12  vom  21.  März  1898:  »Im  Jahre  1893  brach 
in  Russland  die  Cholera  aus  und  drang  über  die  Grenze  nach  Galizien.     Sie 


von  Erb.  yi 

erlosch  im  Winter,  um  jedoch  im  Jahre  1894  daselbst  wieder  mit  verstärkter 
Gewalt  aufzulodern,  namentlich  im  östlichen  Theile  des  Landes.  Die  dort 
garnisonirenden  Regimenter  litten  sehr  und  mussten  dislocirt  werden,  die  vor- 
bereiteten grossen  Kavallerie-Manöver  wurden  sistirt.  In  demselben  Jahre  fand 
aber  in  Lemberg  die  Landesausstellung  in  Verbindung  mit  der  Kosciuszko- 
Feier  statt,  die  nach  Wunsch  des  Statthalters  möglichst  glanzvoll  verlaufen 
sollte,  zumal  für  den  Spätsommer  der  Besuch  des  Kaisers  in  Aussicht  stand. 
Die  anfänglich  genauen  und  detaillirten  amtlichen  Bulletins  über  die  Cholera 
wurden  immer  unklarer,  dann  hörten  sie  im  Lande  selbst  ganz  auf  und  nur 
die  > Wiener  Abendpost«  brachte  kärgliche  Mittheilungen.  Das  Militärärar, 
so  lebhaft  interessirt,  N^oirde  unruhig,  der  Referent  im  Sanitätsdepartement, 
Hofrath  Dr.  von  Kusy,  begab  sich  persönlich  nach  Galizien,  um  ein  genaues 
Bild  der  Situation  zu  gewinnen,  wobei  es  ihm  passirte,  dass  der  ihn  geleitende 
Landes-Sanitätsreferent  auf  dem  Bahnhofe  in  Lemberg  wieder  umkehren  musste, 
weil  in  der  Hauptstadt  selbst  die  Cholera  ausgebrochen  war.  Die  oberste 
Sanitätsbehörde  im  Ministerium  des  Innern  mit  ihrem  Chef,  dem  Sectionschef 
Freiherm  von  E.  war  in  steter  Unruhe  über  das  vom  Statthalter  anbefohlene 
Vertuschungssystem,  denn  ihm  oblag  die  Wahrung  der  Gesundheit  der  Monar- 
chie und  seines  eigenen,  europäischen  Ansehens,  vor  Allem  aber  musste  man 
eben  wegen  der  geplanten  Kaiserreise  alle  mögliche  Vorsicht  üben.  Vielleicht 
erinnern  sich  unsere  Leser  noch,  wie  wir  damals  publicistisch  eingriffen  und 
geradezu  unverschämte  Insulten  der  officiösen  »Presse«,  die  nichts  als  von 
Lemberg  an  das  Ministerium  eingeschickte  Lügen  und  Ableugnungen  waren, 
abzuwehren  hatten.  Dem  Ministerium  des  Innern  wurde  die  Sorge  endlich 
allzugross  und  Freiherr  von  E.  sandte  ein  geharnischtes  Telegramm  an  den 
Statthalter  Dr.  Grafen  Casimir  Badeni,  mit  dem  Auftrage,  der  vorgesetzten 
Behörde  die  volle  Wahrheit  zu  sagen.  Der  allmächtige  Graf,  in  seinem  Lande 
der  Pascha,  gerieth  ausser  sich  und  schickte  eine  von  Eigenliebe  schäumende 
Antwort.  Als  der  Kaiser  in  Begleitung  des  damaligen  Ministers  des  Innern, 
Marquis  Bacquehem,  nach  Lemberg  kam,  forderte  der  Statthalter  seine  Ent- 
lassung in  Form  eines  Aut-aut.  Er  oder  Baron  E.  Als  der  Minister  nach 
Wien  zurückkehrte,  kam  die  Angelegenheit  zwischen  ihm  und  seinem  Sections- 
chef zur  Sprache,  Baron  E.  reichte  sein  Pensionirungsgesuch  ein.  Aber  Mar- 
quis Bacquehem  war  nicht  der  Mann,  der  seine  beste  Arbeitskraft  so  leicht  ent- 
behren konnte,  insbesondere  auch,  weil  der  geplante  Ersatz  nicht  eintraf.  Graf 
Badeni,  dem  indessen  seine  Macht  doch  besser  gefallen  und  sogar  die  Aussicht 
auf  sein  Ministerpräsidium  eröffnet  worden  sein  mochte,  blieb  Statthalter  und 
das  Pensionsgesuch  des  Baron  E.  in  der  Lade  des  Ministers  des  Innern  liegen, 
während  der  Restzeit  .  der  Coalition ,  unter  dem  kurzathmigen  Ministerium 
Kielmansegg  und  auch  unter  dem  Grafen  Badeni.  Baron  E.  wollte  es  aus  leicht 
erklärlichen  Gründen  nicht  zurückziehen,  er  klebte  nicht  an  seinem  Amte. 
Die  Beziehungen  zwischen  dem  Grafen  Badeni  und  seinem  ersten  Sections- 
chef gestalteten  sich  anscheinend  auffallend  freundlich,  so  freundlich,  dass 
Baron  E.  schon  an  die  Möglichkeit  eines  friedlichen  Zusammenlebens  glaubte 
und  sich  mit  Verstärktem  Eifer  seiner  aufreibenden  Arbeit  hingab.  Plötzlich 
fuhr  der  Blitz  nieder.  Eines  Tages  trat  Graf  Badeni  bei  seinem  Sectionschef 
ein,  hielt  ihm  das  ein  Jahr  alte  Pensionsgesuch  unter  die  Augen  und  theilte 
ihm  mit,  dass  es  angenommen  sei  ...  .  So  fiel  Baron  E.  So  nahm  Graf 
Badeni  seine  Revanche.« 

Aus    seiner    gewohnten   regelmässigen   und  anstrengenden  Arbeit  heraus- 


*j2  von  Erb. 

gerissen,  fand  E.  keinen  gleichwerthigen  Ersatz  für  dieselbe.  Die  aufreibende 
Arbeit  war  ihm  Bedürfniss  geworden.  Er  stürzte  sich  in  das  politische  Leben 
und  wurde  von  der  social  politischen  Partei  als  Candidat  für  das  Reichsraths- 
mandat  im  zweiten  Wiener  Gemeindebezirke  Leopoldstadt  aufgestellt.  In  Folge 
der  Aussichtslosigkeit  seiner  Wahl,  vielleicht  auch  aus  anderen  Gründen,  zog 
er  jedoch  seine  Bewerbung  zurück.  Nicht  lange  genoss  Baron  E.  seinen  Ruhe- 
stand. Seit  seiner  Pensionirung  nahm  seine  körperliche  und  geistige  Kraft 
ab.  »Nicht  dass  er  pensionirt  wurde,  brach  ihn;  er  war  ja  schon  sechzig 
Jahre  alt,  hatte  seine  Kinder  versorgt  und  lebte  in  sehr  guten  Vermögens- 
verhältnissen, sondern  die  Art,  wie  er  fiel,  zerwühlte  ihn,  den  Mann  von  einem 
Riesengeiste,  vom  klarsten  Verstände,  von  stählernem  Leib  und  unzerstörbarer 
Gesundheit.«  —  »Eine  Genugthuung  hatte  er  doch«,  schrieb  die  »Montags- 
Revue«,  »er  sah  den  Grafen  Badeni  so  fallen,  wie  wir  Alle  es  gesehen.«  Eine 
Genugthuung  filr  kleinliche  Menschen! 

Anfangs  März  1 898  erkrankte  E.  an  heftiger  Bronchitis ;  eine  acute  Lungen- 
entzündung trat  hinzu,  und  in  den  Morgenstunden  des  19.  März  schied  er 
aus  dem  Leben.  E.  war  ein  echt  Österreichischer  Bureaukrat  im  besten  Sinne 
des  Wortes.  Seine,  besondere  Vertrautheit  mit  den  so  verschiedenartigen  öster- 
reichischen Landesverhältnissen,  seine  umfassende  Gesetzes-  und  Personal- 
kenntniss  befähigten  ihn  in  hervorragender  Weise  für  seine  Stellung,  nicht 
minder  auch  seine  Sprachenkenntnisse.  Er  beherrschte  mehr  oder  weniger 
alle  in  der  Monarchie  gebräuchlichen  Idiome,  neben  der  deutschen,  franzö- 
sischen und  russischen  auch  die  ungarische,  italienische,  czechische,  polnische, 
ruthenische,  slovakische,  croatische,  serbische  und  rumänische  Sprache. 

Unter  und  seit  dem  Ministerium  Taaffe  leitete  E.  die  österreichischen  Volks- 
zählungen. Seine  Hauptthätigkeit  jedoch  entfaltete  er  auf  dem  Gebiete  des 
Sanitäts-  und  Veterinärwesens,  welches  er  vom  Grund  auf  reorganisirte.  Grosses 
Verdienst  erwarb  er  sich  um  das  Zustandekommen  der  Sanitätsconventionen 
von  Venedig  und  Dresden.  Unterstützt  von  dem  Fachreferenten,  Ministerial- 
rath  Sperk,  traf  er  einschneidende  Massnahmen  zur  rationellen  Bekämpfung 
der  Lungenseuche,  unbekümmert  um  alle  Zweifel  und  Einwendungen;  der 
Erfolg  rechtfertigte  ihn  in  glänzender  Weise.  Er  nahm  auch  die  Fragen  des 
Marktwesens  und  der  Approvisionirung  auf,  um  deren  gedeihliche  Entwickelung 
anzubahnen. 

Auch  schriftstellerisch  war  E.  thätig.  Seine  Brochüre  über  das  Volks- 
zählungswesen enthält  bemerk enswerthe  Rathschläge.  Seine  beiden  letzten 
Arbeiten  erschienen  in  der  »Montags-Revue«:  »Kaiserjubiläum  und  W^ahl- 
reform.     Vom  vorletzten  Oesterreicher«. 

Als  Mensch  war  E.  von  nicht  besonders  wohlwollender  Natur;  seine 
Weltanschauung  und  tiefe  Menschenkenntniss  haben  ihm  wohl  einen  etwas 
pessimistischen  Zug  verliehen.  Er  verband  damit  jedoch  ein  starres  Festhalten 
an  seinen  bewährten  Grundsätzen,  nahm  aber  auch  die  Erfahrungen  Anderer 
bei  der  Durchführung  seiner  Pläne  auf.  Die  unbedingte  Gerechtigkeit  gegen 
Jedermann  leitete  ihn. 

Persönliche  Mittheilungen.  —  Montags-Revue  21.  März  1898.  —  Wiener  Abend- 
post 19.  März  1898.  —  Wiener  Abendblatt  19.  März  1898.  —  Approvisionierungszeitung 
21.  März  1898.  —  Viehverkehrszeitung  21.  März  1898.  —  Thierärztliches  Centralblatt 
20.  März  1898  u.  A.  m.  —  Porträt  im  Besitze  der  Familie.  —  Curriculum  vitae  und 
Adelsbriefe  sammt  Wappen  im  Adels-Archive  des  k.  k.  Ministeriums  des  Innern  in  Wien. 

Dr.  Carl  Huffnagl. 


Hendel.     Prinzessin  Katherine.  y^ 

Hendel,  Otto,  Buchhändler,  *  14.  September  1820  in  Halle  a.  S.,  f  da- 
selbst 13.  December  1898.  H.  entstammte  einer  alten,  seit  Anfang  des 
18.  Jahrhunderts  als  Buchdrucker  und  Verlagsbuchhändler  in  Halle  ansässigen 
Familie.  —  Das  nach  dem  Tode  seines  Vaters  mit  17  Jahren  übernommene 
und  wenig  prosperirende  Geschäft  wusste  er  durch  unermüdliche  Thätigkeit 
und  vorwiegend  autodidaktisches  Wissen  allmählich  zu  heben,  hauptsächlich 
durch  Verbindung  mit  der  Universität,  für  die  er  fast  alles  druckte.  Den 
kleinen  Verlag  erweiterte  er,  Neuauflagen  bearbeitete  er  selbst,  schrieb  auch 
ein  Handbuch  der  Oelmalerei,  die  er  selbst  betrieb.  Nachdem  er  zwei  Jahre 
eine  conservative  Zeitung  gedruckt  hatte,  gründete  er  1867  den  »Boten  für 
für  das  Saalthal«,  aus  dem  dann  später  die  »Saale-Zeitung«  hervorging.  Noch 
1894  schuf  er  ausserdem  den  weitverbreiten  »Halleschen  Centralanzeiger«. 
Sein  Hauptuntemehmen  aber  war  die  bereits  gegen  1300  Nummern  um- 
fassende »Bibliothek  der  Gesammtlitteratur  des  In-  und  Auslandes«.  Im  pri- 
vaten und  geschäftlichen  Leben  zeichneten  H.  spartanische  Einfachheit,  ener- 
gisches, arbeitsfreudiges,  dabei  in  jeder  Hinsicht  humanes  Wesen  aus.  Wenige 
Monate,  nachdem  er  seine  Schöpfungen  anderen  Händen  käufUch  überlassen 
hatte,  wurde  er  vom  Tode  hinweggeraffl. 

Börsenblatt  f.  d.  dt.  BuchhdL  1898  Nr.  294  (mit  Nachruf  aus  d.  Saalezeitung),  Hand- 
schriftliche Notizen  v.  Dr.  Justus  Hendel.  H.  £  Hissen. 

Prinzessin  Katherine  Friederike  Charlotte  von  Württemberg,  *  Stutt- 
gart 24.  August  1821,  f  Stuttgart  6.  December  1898.  Das  älteste  Kind 
König  Wilhelms  I.  von  Württemberg  aus  dessen  dritter  Ehe  mit  der  Herzogin 
Pauline  von  Württemberg,  genoss  sie  unter  der  treuen  Obhut  ihrer  Mutter 
eine  sorgsame  Erziehung  und  vermählte  sich  am  20.  November  1845  mit 
ihrem  Vetter,  dem  Prinzen  Friedrich  von  Württemberg.  Im  sogenannten 
Prinzenbau  am  Schillerplatz  in  Stuttgart  verbrachte  die  Prinzessin  fortan  ihr 
Dasein,  nahe  der  Königlichen  Residenz,  näher  noch  dem  Wittwenpalast  ihrer 
Mutter,  mit  der  sie  stets  die  innigste  Herzens-  und  Lebensgemeinschaft  hielt, 
deren  Sommeraufenthalte  sie  theilte,  deren  Reisebegleiterin  sie  war.  Am 
25.  Februar  1848  gab  sie  einem  Sohne  das  Leben,  der  auf  den  Namen 
seines  königlichen  Grossvaters  getauft  ward:  dem  jetzt  regierenden  König 
Wilhelm  IL  von  Württemberg.  Der  Gemahl  der  Prinzessin,  Prinz  Friedrich, 
war  ein  tüchtiger  Officier,  der  1865  zum  General  der  Cavallerie  emporstieg 
und  bei  der  Neuorganisation  der  württembergischen  Armee  zum  Korps- 
commandeur  ernannt  wurde.  Bald  nach  dieser  Beförderung  stürzte  auf  einer 
Jagdfahrt  sein  W^agen  um,  ein  Glassplitter  des  Fensters  verursachte  eine 
leichte  Verletzung  im  Gesicht,  die,  anfangs  wenig  beachtet,  den  Grund  zu 
den  langwierigen  Leiden  gelegt  haben  soll,  denen  seine  kräftige  Natur  am 
9.  Mai  1870  erlag.  Die  Gattin  hatte  ihm  die  liebevollste  Pflege  gewidmet. 
Am  10.  März  1873  wurde  ihr  auch  die  theuere  Mutter  durch  den  Tod  ent- 
rissen. Immer  stiller  gestaltete  sich  nun  ihr  Leben,  das  fast  ganz  in  der  Sorge 
für  den  einzigen  Sohn  und  dessen  Familie  aufging.  Im  Sommer  pflegte  sie 
für  einige  Monate  die  Residenz  zu  verlassen,  um  an  den  Ufern  des  Boden- 
sees in  dem  von  ihrer  Mutter  ererbten  Landhaus  Seefeld  bei  Rorschach  Hof 
zu  halten.  Das  letzte  frohe  Ereigniss  ihres  Lebens  war  die  Vermählung  ihres 
einzigen  Enkelkindes,  der  Prinzessin  Pauline  von  Württemberg,  mit  dem  Erb- 
prinzen zu  Wied.  Ende  November  1898  erkrankte  Prinzessin  Katherine  in 
Folge  Erkältung  an  Bronchitis,    die    bald    eine    bedrohliche  Wendung  nahm. 


74 


Prinzessin  Katherine. 


Im  Laufe  des  5.  December  stellten  sich  Herzschwächen  ein,  und  in  der  fol- 
genden Nacht  entschlummerte  die  hohe  Kranke  um  27,  Uhr  sanft.  Ihre 
Schwiegertochter,  die  Königin  Charlotte  von  Württemberg,  hatte  ihr  bis  zum 
letzten  Athemzuge  die  sorgsamste  Pflege  angedeihen  lassen.  Drei  Tage  vor- 
her war  ihre  allein  noch  übrig  gebliebene  Schwester,  die  Prinzessin  Auguste 
von  Sachsen-Weimar  in  Stuttgart,  heimgegangen,  und  sie  hatte  deren  Ab- 
scheiden noch  mit  tiefem  Schmerz  erfahren.  Die  Leiche  der  Prinzessin  Ka- 
therine wurde  am  9.  December  von  Stuttgart  nach  Ludwigsburg  übergeführt 
und  in  der  dortigen  Familiengruft  an  der  Seite  des  Prinzen  Friedrich  und  der 
Königin  Pauline  beigesetzt. 

Prinzessin  Katherine  erfreute  sich  nicht  nur  als  Mutter  des  Königs, 
sondern  auch  als  eine  Frau  von  edlen  Charaktereigenschaften  und  Wohlthäterin 
der  Armen  allgemeiner  Hochachtung  im  ganzen  Lande,  obgleich  sie  bei  mehr 
zurückhaltendem  Wesen  die  Gabe,  sich  in  den  Vordergrund  zu  stellen  und 
auf  diese  Weise  oberflächliche  Popularität  zu  erhaschen,  nicht  besass.  Unn 
so  innigere  Gefühle  der  Verehrung  und  Liebe  weckte  sie  bei  Allen,  die  ihr 
näher  treten  durften.  Sie  hat  ihr  Glück  zeitlebens  im  trauten  Familienleben 
gesucht  und  gefunden,  hat  mit  den  Ihrigen  irdisches  Leid  und  Freud  redlich 
getheih.  Hierin  hatte  sie  ganz  dieselben  Neigungen  wie  ihre  Mutter,  ihr 
Engel,  wie  sie  zu  sagen  pflegte.  Ueberhaupt  schwebte  ihr  diese  edle  Frau, 
an  deren  Andenken  sie  mit  rührender  Pietät  hing,  in  allen  Stücken  als  Vor- 
bild vor  Augen.  Nach  dem  Beispiel  der  Königin  Pauline  war  sie  eine 
fromme  Christin,  eine  strenggläubige  Protestantin  von  Jugend  auf.  Als  Be- 
schützerin zahlreicher  Wohlthätigkeits-Anstalten  und  Vereine  trat  sie  in  die 
Fusstapfen  jener.  Doch  entsprach  es  mehr  noch  ihrem  Geschmack,  im  Stillen 
Gutes  zu  wirken  und  die  Thränen  der  Armen  zu  trocknen.  Sie  umfasste  das 
ganze  Württemberger  Land  und  Volk  mit  warmer  Liebe.  Ein  stark  aus- 
geprägtes dynastisches  Gefühl  eignete  ihr.  Sie  hielt  etwas  auf  ihre  fürstliche 
Würde  und  wahrte  die  alten  Traditionen  ihres  Standes  auch  in  Handhabung 
der  Etiquette,  die  für  sie  nicht  bloss  äussere,  sondern  auch  innere  Bedeutung 
besass.  Nicht  minder  hoch  stand  ihr  die  weibliche  Würde.  Sie  strebte  nie- 
mals über  die  Sphäre  der  Frau  hinaus  und  vermied,  auch  nachdem  ihr  Sohn 
den  Thron  bestiegen  hatte,  mit  feinem  Takt  Alles,  was  als  Beeinflussung  ge- 
deutet werden  konnte.  Es  gab  w'ohl  Leute,  die  ihren  Geist  darum  unter- 
schätzten, weil  ihr  die  Lust  am  Intriguenspiel  völlig  fern  lag.  Ehrlichkeit 
und  Wahrhaftigkeit  stellte  sie  über  jede  andere  Rücksicht.  Bei  aller  Herzens- 
güte hatte  sie  viel  Charakter.  Entschieden  in  ihren  Sympathien  und  Anti- 
pathien, hielt  sie  an  den  Ansichten,  die  sich  bei  ihr  gebildet  hatten,  mit 
Zähigkeit  fest.  Sie  brachte  es  nicht  über  sich,  ihre  Gesinnungen  zu  verbergen, 
und  zog  sich  durch  ihre  Oflenheit  in  Hofkreisen  manche  Feindschaft  zu. 
Sie  wusste  eben  Nichts  von  Menschenfurcht.  Und  wem  sie  einmal  ihre  Liebe 
geschenkt,  ihre  Huld  zugewandt  hatte,  der  konnte  sich  versichert  halten,  dass 
dies  für  alle  Zeiten  gelte,  konnte  auch  auf  die  thatsächlichen  Beweise  ihres 
Wohlwollens,  ihrer  Anhänglichkeit  zählen.  So  darf  man  ohne  Uebertreibung 
sagen,  dass  in  ihrem  schlichten  und  vornehmen  Wesen  der  alte  Wahlspruch 
ihres  Hauses   »Furchtlos  und  treu!"   seine  Verkörperung  gefunden  hat. 

Schwäbische  Kronik  vom  6.  — 10.  December  1898,  Staats -Anzeiger  für  Württemberg 
vom  6.  December  1898,  (Stuttgarter)  Neues  Tagblatt  vom  selben  Tag  (Unterhaltungs- 
beilage, mit  Bild),  Blätter  für  das  Armenwesen  1898  No.  52,  Schwabenland  1898  No.  24 
(mit  Bild),  Daheim  1899  No.   14  (Beilage).  Rudolf  KraUSS. 


Curti. 


75 


Curti,  Franz,  Componist,  *  i6.  November  1854  in  Cassel,  f  6.  Februar 
1898  in  Dresden.  Seine  Jugendzeit  verlebte  C.  in  seiner  schweizerischen 
Heimath,  der  schön  gelegenen  St.  Gallischen  »Rosenstadt«,  Rapperswyl  am 
Ufer  des  Ztirchersees,  wo  sein  Vater,  der  spätere  Hofopernsänger  Anton  C. 
den  Knaben  bei  dessen  Onkel,  dem  musikbegeisterten  Sanitätsrath  Alexander  C. 
unterbrachte.  Den  festen  Grund  zu  seiner  musikalischen  Ausbildung  legten 
die  Musikdirectoren  Karl  Attenhofer,  der  allbekannte  Männerchor- 
Componist,  und  G.  Surläuly,  die  den  von  Kindheit  an  mit  Leib  und  Seele  der 
Kunst  der  Töne  Ergebenen  im  Klavier-  und  Geigenspiel  unterrichteten,  aber 
auch  seine  schöne  Stimme  entdeckten  und  so  erfolgreich  cultivirten,  dass 
Franz  C.  Vorsänger  in  Schule  und  Kirche  wurde  und  sogar  vielfache  Ver- 
wendung als  Solist  in  Concerten  fand.  Zu  Freiburg,  im  Uechtland,  machte 
C.  das  Gymnasium  durch  und  nahm  daneben  Orgelstunden  bei  dem  treff- 
lichen Virtuosen  auf  diesem  Instrument  Prof.  Voigt.  Nach  dem  1871  er- 
folgten Tod  des  Rapperswyler  Onkels  bezogen  Franzens  Eltern  das  Heim 
des  Verstorbenen,  während  er  selbst  nach  St.  Gallen  tibersiedelte,  um  hier 
seine  Gymnasialstudien  zu  vollenden.  Anfänglich  gedachte  er  Augenarzt  zu 
werden,  gewann  indess  als  Hospitant  im  Operationszimmer  des  berühmten 
Zahnarztes  Dr.  Locher  grössere  Neigung  für  diesen  Zweig  medicinischer 
Thätigkeit  und  lernte  durch  den  Genannten,  der  eifriges  Mitglied  des  Comitds 
für  das  St.  Gallen- Stadt theater  war,  auch  die  Bühne  näher  kennen.  Nach- 
dem ihm  ein  längerer  Aufenhalt  in  San  Remo  Genesung  von  einem  Lungen- 
leiden gebracht,  bezog  C.  die  Universität  Berlin  und  studirte  daselbst  haupt- 
sächlich Anatomie.  Die  Absicht,  sich  nach  Amerika  zu  begeben  und  dort 
in  der  zahnärztlichen  Kunst  zu  vervollkommnen,  vereitelte  ein  neuer  Krank- 
heitsanfall, der  ihn  zwang,  in  Hävre  das  Schiff  zu  verlassen.  Von  hier  kam 
er  nach  Paris  und  an  die  Universität  nach  Genf,  wo  er  seine  Berufsstudien 
abschloss.  Nach  wohlbestandenem  Staatsexamen  Hess  sich  der  junge  Zahn- 
arzt in  Dresden  nieder,  wohin  inzwischen  die  Eltern  ihren  Wohnsitz  verlegt 
hatten.  Hier  trat  C.'s  Vorliebe  für  die  Musik  immer  mehr  hervor,  so  dass 
sein  ferneres  Leben  den  eigenartigsten  Dualismus  zeigt.  Ein  Vokal-Quartett 
»Wenn  ich  war  der  Mondenschein«,  das  während  seiner  ersten  Dresdener 
Zeit  als  Op.  2  erschien,  gefiel  so  sehr,  dass  der  Autor  sich  an  Edmund 
Kretschmer,  den  Componisten  der  »Folkunger«  wandte,  um  sein  Theorie- 
schüler zu  werden.  Mit  Feuereifer  studirte  er  unter  dem  Genannten  Har- 
monielehre und  Kontrapunkt,  und  schrieb  zugleich  eine  Reihe  von  Quartetten 
und  Liedern,  welch'  letztere  sein  Freund,  der  berühmte  Tenor  Emil  Götze, 
überall  mit  glänzendem  Erfolg  sang.  Bald  schlössen  sich  kleinere  und 
grössere  Männerchöre  an,  wie  Op.  8  »Zwiefacher  Frühling«,  dessen  Vortrag 
der  Bochumer  »Eintracht«  beim  Gesangswettstreit  zu  Essen  1885  als  I.  Preis 
die  goldene  Kaisermedaille  eintrug.  Anfangs  der  80  er  Jahre  hatte  C.  seinen 
eigenen  Hausstand  gegründet,  indem  er  sich  mit  Frl.  Eugenie  von  Bötticher 
vermählte  und  in  der  trefflichen  Gattin  das  höchste  Glück  seines  Lebens  fand. 
Eine  Freundin  derselben,  Frl.  Marg.  Wittich,  schrieb  ihm  nach  einer 
Schweizersage  den  Text  zu  dem  Tonwerk  »die  Gletscherjungfrau«  und 
lieferte  dem  Componisten  auch  das  Libretto  zu  seiner  ersten  Oper  »Hertha«, 
die  am  9.  Jan.  1887  zu  Coburg  ihre  Premiere  erlebte  und  einen  so  grossen 
Beifall  errang,  dass  der  kunstsinnige  Herzog  Ernst,  dem  das  Werk  gewidmet 
ist,  den  Tondichter  durch  Verleihung  der  goldenen  Verdienstmedaille  für 
Kunst  und  Wissenschaft  auszeichnete.     Inzwischen  hatte  C.  seine  Kenntnisse 


^6  Curti.     Lempertz. 

in  der  Compositionstechnik  bei  dem  Dresdener  Theoretiker  Schulz-Beuthen 
vervollkommnet,  und  verschiedene  neue  Schöpfungen  waren  die  Frucht  dieser 
Studien,  so  eine  noch  nicht  publicirte  Symphonie  und  die  reizvolle  Musik  zu 
Schillers  »Semele.«  Die  Oper  »Reinhardt  von  Ufenau«,  die  1889  über  die 
Bühne  des  Zürcher  Stadttheaters  ging,  scheiterte  an  dem  mangelhaften  Text, 
während  ihre  Melodik  und  Instrumentation  volle  Anerkennung  fanden.  i8qo 
schrieb  C.  eine  stimmungsvolle  Musik  zu  Wolfgang  Kirchbachs  Bühnen- 
märchen »Die  letzten  Menschen«,  und  zu  Holger  Drachmanns  »Schwan- 
fried«, deren  Hauptstücke  der  Autor  später  zu  einer  beliebten  Orchestersuite 
vereinigte.  Die  folgenden  Jahre  zeigten  eine  Anzahl  Männerchor-Composi- 
tionen,  so  den  Chor  »Im  Sturm»,  die  beiden  Schweizerlieder  »St.  Jakob«  und 
»S'  ist  net  lang«,  die  zwei  »Männerchöre  im  Volkston«  Op.  37,  und  vor 
Allem  das  dramatische  Tonwerk  »Die  Schlacht«  für  Männerstimmen  und 
Orchester,  worin  die  poetischen  Bilder,  die  das  Schiller' sehe  Gedicht  ent- 
rollt, eine  höchst  charakteristische  Darstellung  gefunden  haben.  Dies  gilt 
übrigens  auch  von  den  in  C.'s  letztem  Lebensjahr  entstandenen  Preischören 
»Hoch  empor«  und  »Den  Todten  vom  Iltis«,  deren  Aufführung  durch  den 
Dresdener  Lehrer-Gesangverein  Anfangs  1898  das  Publikum  begeisterte. 
Eine  sehr  gute  Aufnahme  fand  Curti's  dramatischer  Einakter  »Erlöst«,  der 
Frühjahr  1895  im  Mannheimer  Hoftheater  aus  der  Taufe  gehoben  wurde, 
und  einen  noch  glücklicheren  Wurf  that  der  Autor  mit  dem  anmuthigen 
Capriccio  »Lilitsee«  (Text  von  Wolfg.  Kirchbach),  das  1896  in  Mannheim, 
Frankfurt,  Dresden  etc.  aufgeführt  wurde  und  sich  seitdem  auch  die  Opern- 
Bühnen  der  Neuen  Welt  .erobert  hat.  Wie  C.  seiner  geliebten  Heimath 
schon  in  der  1892  entstandenen  Orchestersuite  »die  Schweiz«  eine  sinnige 
künstlerische  Huldigung  dargebracht  hatte,  so  sollte  sein  letztes  und  be- 
deutendstes Bühnenwerk  dem  Vaterlande  geweiht  sein,  wir  meinen  das  »Rösli 
vom  Säntis«,  das  der  Componist  ausdrücklich  als  »Schweizer -Oper«  be- 
zeichnet hat  und  zu  dem  er  sich  selbst  in  edler  Sprache  den  Text  schrieb. 
Obwohl  es  sich  um  Empfindungen  subjectiver  Natur,  um  das  Schicksal  der 
Hirtentochter  Rösli  und  ihres  Verlobten,  des  armen  Bauernburschen  Franz 
handelt,  geht  ein  hochdramatischer  und  ausgeprägt  idealistischer  Zug  durch 
die  ganze  Oper.  Die  Erstaufführung  des  Werkes  im  Zürcher  Stadttheater 
vom  II.  Februar  1898  gestaltete  sich  zu  einer  wehmüthigen  aber  zugleich 
auch  erhebenden  Erinnerungsfeier  für  den  Componisten,  den  eine  Rippenfell- 
entzündung 5  Tage  vorher  dahingerafft  hatte.  »Als  Künstler  und  Mensch, 
schrieb  des  Heimgegangenen  Freund,  der  Musikkritiker  Friedrich  Brandes  im 
»Dresdener  Anzeiger«,  —  war  F.  C.  Aristokrat.  Seiner  vornehmen  Gesinnung 
widerstrebte  es,  siqh  irgendwie  vorzudrängen.  Wer  ihm  aber  näher  treten 
durfte,  der  hing  mit  inniger  Liebe  an  diesem  Manne  mit  dem  sonnigen 
Gemüth,  aus  dem  das  Genie  die  Bescheidenheit  nie  hat  verdrängen  können.. 

A.  Niggli. 

Lempertz,  Heinrich  Kaspar  Joseph,  Buchhändler  und  Antiquar  (Buch- 
und  Kunsthandlung  J.  M.  Heberle\  Bibliograj)h  und  Sammler,  *  am  2.  October 
181 6  in  Köln  a.  Rh.,  f  daselbst  am  7.  Februar  1898.  Vierzehnjährig  trat 
L. ,  nachdem  er  einige  (rymnasialklassen  besucht  hatte,  im  Herbst  des  Jahres 
1830  in  die  von  J.  M.  Heberle  1802  in  Köln  gegründete  Druckerei  ein,  mit 
welcher  Antiquariat  und  Auctions-Anstalt  verbunden  war.  Sein  Lehrherr  wurde 
sein  väterlicher  Freund  und  von  ihm  übernahm  L.  nach  dem  Tode  desselben 


Lempertz.  7  y 

(gestorben  8.  März  1840),  zunächst  gemeinsam  mit  dessen  Schwiegersohn 
Wilhelm  Osterwald,  die  Firma.  Am  19.  März  1842  verheirathete  sich  L.  mit 
Emilie  Friederike  Heussner  und  wurde  bald  darauf  alleiniger  Leiter  des 
Cieschäfts.  1845  gründete  er  das  heute  noch  bestehende  Lem]>ertz'sche  Anti- 
quariat in  Bonn  als  Filiale,  welches  er  1854  seinem  Bruder  Mathias  überliess. 
Auch  in  Brüssel  errichtete  er  1849  ^^^  Zweiggeschäft,  welches  aber  nicht 
lange  bestanden  hat.  Grosse  Bücher-Auctionen  und  vortrefflich  ausgearbeitete 
Cataloge  verschafften  L,  bald  einen  geachteten  Namen  unter  den  Antiquaren. 
Auf  dem  Kunstmarkte  hat  er  durch  seine  bedeutenden  Kunst-Auctionen 
geradezu  bahnbrechend  gewirkt  und  den  Weltruf  der  Firma  Heberle  begründet, 
den  dieselbe  sich  bis  heute  zu  erhalten  gewusst  hat.  Der  Leiter  des  grossen 
Kunst-  und  Bücher-Antiquariats  wurde  ein  Kenner,  zugleich  auch  ein  Sammler 
ersten  Ranges.  Die  Sammlungen,  welche  L.  in  seinem  langen,  arbeitsamen 
Leben  zusammengebracht  hat,  umfassen  fast  alle  Gebiete  der  Künste  und 
Wissenschaften,  und  werden  in  ihrer  Eigenart  von  einem  Privatmanne  wohl 
kaum  jemals  wieder  erreicht  werden.  Laut  testamentarischer  Bestimmung 
kommen  dieselben  unter  den  Hammer,  ausführliche  Cataloge  über  die  einzelnen 
Gruppen  ermöglichen  aber  der  Nachwelt,  sich  wenigstens  einen  Ueberblick 
über  die  hervorragende  Sammelthätigkeit  L.'s  zu  verschaffen.  —  Der  viel  be- 
schäftigte Antiquar  hat  auch  noch  Zeit  und  Müsse  zu  litterarischer  Thätigkeit 
gefunden.  Schon  in  jungen  Jahren  veröffentlichte  L.  in  den  drei  ersten  Bei- 
blättern der  Kölnischen  Zeitung  vom  Jahre  1836  eine  Abhandlung  »lieber 
die  erste,  zu  Köln  gedruckte  deutsche  Bibel«.  Practische  Versuche,  die  er 
in  der  Xylographie  machte,  führten  zwei  Jahre  später  bei  Gelegenheit  der 
Kunstausstellung  des  Gewerbevereins  zur  Herausgabe  der  »Bibliographischen 
und  xylographischen  Versuche«,  Heft  i,  welches  auf  dem  Umschlage  auch 
den  Titel  führt:  »Sechs  Blätter  Insignien  berühmter  Druckereien  des  ersten 
typographischen  Jahrhunderts  ...  in  Holz  nachgebildet  und  nebst  anderen 
Beiträgen  zur  Geschichte  der  Typographie  und  Xylographie,  herausgegeben 
von  Heinrich  Lempertz«.  Im  folgenden  Jahre  erschien  eine  neue,  durch  die 
schon  erwähnte  Abhandlung  über  die  Kölner  Bilderbibel  vermehrte  Auflage 
unter  dem  Titel :  »Beiträge  zur  älteren  Geschichte  der  Buchdruck-  und 
Holzschneidekunst«.  Das  angekündigte  zweite  Heft  ist  nicht  erschienen.  L.'s 
bedeutendstes  Werk  sind  »Bilderhefte  zur  Geschichte  des  Buchhandels  und 
der  mit  demselben  verwandten  Künste  und  Gewerbe«  (1853 — 1865).  Sie 
bilden  eine  illustrirte  Geschichte  des  Buchdrucks  und  Buchhandels  und  um- 
fassen 65  Tafeln  mit  280  Abbildungen  in  Kupferstich,  Lithographie,  Farben- 
druck und  Holzschnitt.  Der  kurze  beigegebene  Text  ist  mit  grosser  Sorgfalt 
und  Genauigkeit  bearbeitet.  Im  Jahre  1891  erschien  unter  dem  Titel: 
»Beiträge  zur  Geschichte  des  Leinenpapiers«  eine  Mappe  mit  Wasserzeichen- 
proben. Dieser  Festgabe  für  den  historischen  Verein  für  den  Niederrhein  Hess 
L.  bei  Gelegenheit  der  Jahresversammlung  des  Hansischen  Geschichtsvereins 
in  Köln  1894  eine  andere  ähnliche  folgen:  »Geschichte,  Papierstudien,  Wasser- 
zeichen«. —  Auch  der  L.'sche  Verlag  war  bedeutend.  Er  enthält  die  zahl- 
reichen Arbeiten  von  Anton  Fahne,  die  zum  Theil  in  theuren  Prachtausgaben 
erschienen  sind,  femer  die  Werke  von  E.  F.  von  Mering,  Bianco,  Merlo,  und 
zahlreichen  anderen,  vornehmlich  rheinischen  und  kölnischen  Gelehrten.  Im 
Jahre  1872  hat  sich  L.  vom  Geschäfte  zurückgezogen.  Er  war  Ehrenmitglied 
des  historischen  Vereins  für  den  Niederrhein,  des  Centralvereins  für  das  ge- 
sammte  deutsche  Buchgewerbe    und    des    Ex -libris -Vereins.      Von    Friedrich 


^8  Lempertz,     Bühlcr  Georg. 

Wilhelm  IV.  erhielt  er  im  Jahre  1850  mit  einem  »seine  Bestrebungen,  durch 
Schriften  ernsteren  Inhalts  dem  so  verderblichen  Missbrauch  der  Presse  ent- 
gegenzuwirken« anerkennenden  Schreiben  die  grosse  goldene  Medaille  für 
Kunst  und  Wissenschaft,  und  vom  Fürsten  Anton  von  Hohenzollem  wurde 
ihm  die  goldene  Verdienstmedaille  (bene  merenti)  verliehen. 

Chrysostomus,  Super  psalxno  quinquagesimo  liber  prirnus.  Nacbbildang  der  ersten 
Kölner  Ausgabe  des  Ulrich  Zell  vom  Jahre  MCCCCLXVI.  Herausgegeben  von  der  Stadt- 
bibliothek in  Köln.  Köln  1896.  (H.  Lempertz  gewidmet.)  —  Kölnische  Zeitung  vom 
II.  Februar  1898.  —  Heinrich  Lempertz.  Ein  Lebensbild  von  G.  Hölscher.  Sonder-Abdr. 
aus  dem  Börsenblatt  für  den  deutschen  Buchhandel  1898  Nr.  57/58.  —  Die  Lempertz'schen 
Sammlungen:    Kölner  Tageblatt  vom  26.  November  1898. 

Otto  Zaretzky. 


Bühler ,  Johann  Georg,  Universitäts-Professor  der  altindischen  Philologie 
und  Alterthumskunde  in  Wien,  *  19.  Juh  1837  zu  Borstel  bei  Nienburg  a.  d.  \V. 
in  Hannover,  f  8.  April  1898,  bei  einer  von  Lindau  aus  unternommenen 
Kahnfahrt  im  Bodensee  verunglückt.  —  B.  war  (wie  Professor  Kaegi  mit 
Recht  bemerkt  hat)  nicht  nur  »ein  hervorragender  Sanskritist«,  »er  war  viel- 
mehr seit  Jahren  der  unbestrittene  Leiter  der  indischen  Philologie,  derjenige 
Gelehrte,  der  zur  Zeit  als  Mittelpunkt  aller  ihr  gewidmeten  Forschungen 
dastand.«  »Wenn  irgend  einer,  so  kann  B.  zu  den  Unersetzlichen  gerechnet 
werden«,  schrieb  Albrecht  Weber,  der  Nestor  der  deutschen  Indologen.  — 
B.  besuchte  das  Gymnasium  zu  Hannover,  wo  er  durch  die  Philologen 
H.  L.  Ahrens  und  Raphael  Kühner  vielfach  angeregt  wurde.  Ostern  1855 
bezog  er  die  Universität  Göttingen,  um  klassische  Philologie  und  orientalische 
Alterthumswissenschaft  zu  studiren.  Zu  seinen  Lehrern  zählten  Hermann  Sauppe, 
Ernst  Curtius,  Heinrich  Ewald  und  insbesondere  Theodor  Benfey.  Die  ersten 
Arbeiten  B.'s  bewegten  sich  noch  auf  dem  Gebiete  dieses  Lehrers  und  Meisters, 
der  Sprachvergleichung  und  der  vedischen  Mythologie.  Sie  erschienen  in  der 
von  Benfey  herausgegebenen  Zeitschrift  »Orient  und  Occident«  (1862  und 
1864),  so  ein  Aufsatz  über  den  Gott  Parjanya,  ein  Artikel  über  öeoc  u.  A. 
Doch  bald  regte  sich  in  ihm  die  Begeisterung  für  die  Sanskritforschung  als 
eine  unabhängige  Wissenschaft.  Um  Anknüpfungspunkte  für  Indien  zu  finden, 
ging  er,  nachdem  er  1858  zu  Göttingen  promovirt  hatte,  im  Jahre  1859  nach 
England.  Drei  Jahre  verbrachte  er  in  England  mit  Studien  an  den  Bibliotheken 
zu  Oxford  und  London,  trat  zum  ersten  Male  in  Beziehungen  zu  Professor 
Max  Müller,  mit  welchem  er  bis  an  sein  Lebensende  eng  befreundet  blieb, 
und  verkehrte  auch  viel  mit  dem  genialen,  allzu  früh  verstorbenen  Sanskritisten 
Theodor  Goldstücker.  Eine  Zeit  lang  bekleidete  er  die  Stelle  eines  Bibliothekars 
an  der  königlichen  Bibliothek  zu  Windsor.  Er  kehrte  dann  zu  kurzem  Aufenthalt 
nach  Göttingen  zurück,  wo  er  eine  Zeit  lang  an  der  Bibliothek  angestellt 
war,  bis  sich  ihm  die  langersehnte  Aussicht  auf  einen  Posten  in  Indien  zu 
bieten  schien.  Er  ging  sofort  ab,  um  —  in  Bombay  angelangt,  zu  finden, 
dass  die  angebliche  Stelle  gar  nicht  frei  war.  Glücklicherweise  brauchte  man 
damals  fortwährend  pAiropäer  für  das  Unterrichtswesen.  Sir  Alexander  Grant, 
der  Vorsteher  des  Elphinstone  College  in  Bombay,  setzte  es  bald  durch,  dass 
B.  als  Professor  der  orientalischen  Sprachen  an  dem  College  angestellt 
wurde.  Im  Februar  1863  begann  seine  ausserordentlich  fruchtbare  Thätigkeit 
an  dieser  Anstalt.  Unermüdlich  arbeitete  er  nun  daran,  die  Eingeborenen 
mit  europäischen  Methoden  und  europäischer  Wissenschaft  vertraut  zu  machen, 


Bühler   Georg.  yn 

verkannte  aber  nie  den  hohen  Werth,  welchen  das  von  Jahrhundert  zu  Jahr- 
hundert vererbte  traditionelle  Wissen  der  eingeborenen  Gelehrten  für  den 
Fortschritt  des  Sanskritstudiums  sowohl  in  Europa  als  in  Indien  haben  könne. 
Sein  Streben  war  es,  das  Gute  der  klassischen  europäischen  Erziehung  mit 
dem  Guten  der  traditionellen  indischen  Lehrmethode  zu  vereinigen.  Im 
Verein  mit  Kielhorn  gab  B.  seit  1866  die  »Bombay  Sanskrit  Series« 
heraus  —  eine  Serie  von  ausgezeichneten  Textausgaben,  welche,  obwohl 
zunächst  für  indische  Hochschulen  bestimmt,  für  das  Studium  des  Sankrit  in 
Europa  von  der  grössten  Wichtigkeit  geworden  ist.  B.  selbst  betheiligte  sich 
an  der  Herausgabe  von  Texten  in  dieser  Serie  durch  vorzügliche  Ausgaben 
des  Pantschatantra  und  anderer  wichtiger  Texte. 

Auch  in  seiner  Eigenschaft  als  Inspektor  für  das  Erziehungswesen 
(>^Educational  Inspector«)  in  der  nördUchen  Abtheilung  der  Bombay  Presidency 
hat  sich  B.  (seit  1869)  um  das  Erziehungswesen  in  Indien  ausserordentlich 
verdient  gemacht.  Er  hatte  in  dieser  Eigenschaft  Hunderte  von  Schulen  zu 
verwalten,  zu  examiniren  und  Berichte  über  das  Schulwesen,  über  Prüfungs- 
resultate u.  s.  w.  an  die  Regierung  zu  senden.  Viele  dieser  Berichte  sind 
in  den  »Reports  of  the  Department  of  Public  Instruction  in  the  Bombay 
Presidency«  abgedruckt,  und  sie  legen  davon  Zeugniss  ab,  mit  welchem  Feuer- 
eifer sich  B.  die  Hebung  des  Schulwesens  in  dem  ihm  anvertrauten  Gebiet 
(von  ca.   55  000  engl.  Quadratmeilen)  angelegen  sein  liess. 

Im  Jahre  1866  begannen  die  grossen  und  wichtigen  Reisen  B.'s  zur 
Durchforschung  der  indischen  Bibliotheken,  und  Jahre  lang  war  nun  B.  in 
dieser  Richtung  mit  ausserordentlichem  Erfolg  thätig.  So  hatte  man  vor  B. 
nur  die  nothdürftigste  Kenntniss  von  der  hochwichtigen  Litteratur  der 
Dschainas.  Die  Durchforschung  der  »Schatzhäuser  der  Göttin  der  Rede« 
(wie  die  Dschainas  ihre  Bibliotheken  nennen)  ist  von  B.  erst  angebahnt  und 
energisch  fortgeführt  worden.  Die  im  Jahre  1874  von  B.  durchforschte 
Bibliothek  von  Dschesalmir  war  die  erste  Dschaina- Bibliothek,  die  einem 
Europäer  zur  Durchsuchung  geöffnet  wurde.  Diesem  Umstände  ist  es  zu 
danken,  dass  wir  jetzt  über  die  Geschichte  und  das  religiöse  System  dieser 
Secte,  über  die  man  bis  dahin  nur  die  spärlichsten  Nachrichten  besass, 
ziemlich  eingehend  unterrichtet  sind. 

Die  Resultate  dieser  unermüdlichen  Thätigkeit  B.'s  sind  in  zahlreichen 
officiellen  Berichten  an  die  Regierung  und  Katalogen  von  Handschriften 
niedergelegt,  so  namentlich  in  dem  1871  —  73  erschienenen  »Catalogue  of 
Sanskrit  MSS.  contained  in  the  private  libraries  of  Gujarät,  Käthiäväd, 
Kachchh,  Sind  and  Khändes«.  Ihren  Höhepunkt  aber  erreichten  alle  diese 
Forschungen  in  dem  berühmten  Bericht  B.'s  über  seine  Reisen  in  Kaschmir, 
Radschputana  und  Zentralindien.  (»Detailed  Report  of  a  Tour  in  Search  of 
Sanskrit  Manuscripts  in  Kasmir,  Rajputäna  and  Central  India«,  Bombay  1877.) 
Dieser  Reisebericht  enthält  die  Ankündigung  von  einer  Unmasse  neuge- 
fundener Schriften  aus  allen  Litteraturk reisen,  von  denen  man  bisher  nur  die 
Namen  gekannt,  und  viele,  von  denen  man  nicht  einmal  die  Namen  wusste. 
B.  war  indessen  nicht  nur  ein  glücklicher  Finder  und  eifriger  Sammler  von 
Handschriften,  sondern  auch  der  Eifrigsten  einer  in  der  Verwerthung  seiner 
Funde.  Nie  verlor  er  das  eine  grosse  Ziel  aus  den  Augen,  das  Dunkel  der 
altindischen  Geschichte  zu  erhellen  und  das  Chaos  der  altindischen  Litteratur- 
geschichte  zu  entwirren. 

Mit   der  sogenannten    »inneren  Chronologie«,    die  auf  Vergleichung  des 


8o  Bühler  Georg. 

Inhalts  der  verschiedenen  Litteraturwerke  gegründet  ist  und  auf  diese  Weise- 
eine Art  chronologische  Folge  der  Werke  festzustellen  sucht,  wobei  doch 
allzuviel  auf  subjectives  Ermessen  ankommt,  konnte  sich  Bühler  nie  zufrieden 
geben.  Es  lag  in  seiner  durchaus  praktisch  angelegten  Natur,  dass  er  ein 
gesichertes  Datum  einem  Band  voll  Spekulationen  vorzog.  Woher  waren 
aber  diese  Daten  zu  gewinnen?  Wenn  nicht  aus  Werken  der  Litteratur,  so 
doch  aus  Monumenten  von  Stein  und  Metall.  Dies  hatte  B.  bald  erkannt 
und  mit  dem  ihm  eigenen  Enthusiasmus  warf  er  sich  auf  die  Erforschung, 
Entzifferung,  Erklärung  und  historisch-geographische  Verwerthung  von  In- 
schriften. Diesen  Forschungen,  deren  Resultate  in  zahlreichen  Abhandlungen 
des  »Indian  Antiquary«,  der  »Epigraphia  Indica«  und  anderer  orientalischer 
Zeitschriften  niedergelegt  sind,  verdanken  wir  wichtige  Zeitbestimmungen  über 
hervorragende  indische  Schriftsteller  und  Litteraturwerke,  und  sie  gestatten 
uns  auch  einen  Einblick  in  die  Geschichte  von  ganzen  Litteraturgattungen 
und  Religionssystemen.  In  seiner  epochemachenden  Abhandlung  über  »die 
indischen  Inschriften  und  das  Alter  der  indischen  Kunstpoesie«  (^Sitzungs-^ 
berichte  der  Wiener  Akademie,  1890)  hat  B.  an  einem  Beispiele  gezeigt, 
welche  reichen  Aufschlüsse  sich  über  die  Geschichte  der  klassischen  Sanskrit- 
litteratur  aus  den  Inschriften  gewinnen  lassen. 

Aber  nicht  nur  auf  dem  Gebiete  der  classischen  Sanskritiitteratur  haben 
die  epigraphischen  Untersuchungen  B.'s  zu  neuen  und  wichtigen  Resultaten 
geführt,  sondern  auch  auf  dem  der  indischen  Religionsgeschichte.  Ihm  gelang; 
es,  durch  unwiderlegliche  inschriftliche  Zeugnisse  den  Nachweis  zu  liefem,^ 
dass  die  Secte  der  Dschainas  eine  vom  Buddhismus  unabhängige,  mit  dem- 
selben gleichzeitige  Secte  war,  und  dass  beide  Secten  in  derselben  Gegend 
von  Indien  entstanden  sind.  Die  Ergebnisse  von  B.'s  Untersuchungen,  welche 
in  einer  Reihe  von  Artikeln  »On  the  authenticity  of  the  Jaina  tradition«  (in 
der  »Wiener  Zeitschrift  für  die  Kunde  des  Morgenlandes«,  1887 — 90)  nieder- 
gelegt sind,  wurden  durch  weitere  Untersuchungen  Jacobis  und  Leumanns  voll- 
auf bestätigt.  In  seiner  bedeutenden  Abhandlung  »Ueber  das  Leben  des  Jaina- 
Mönchs  Hemachandra«  (Denkschriften  der  Wiener  Akademie,  1889)  hat  uns 
B.  das  Leben  eines  berühmten  Dschaina-Mönchs  geschildert,  der  in  den  welt- 
lichen Wissenschaften,  besonders  als  Grammatiker  und  Lexicograph,  eine  ausser- 
ordentliche Thätigkeit  entfaltete.  Schon  vorher  hatte  er  in  seinem  in  der 
feierlichen  Sitzung  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Wien  (am 
26.  Mai  1887)  gehaltenen  Vortrag  »Ueber  die  indische  Secte  der  Jaina«  eine 
lichtvolle  und  populäre  Darstellung  der  Dschaina-Religion  und  der  historischen 
Bedeutung  der  Dschaina-Secte  gegeben. 

Aber  diese  grundlegenden  und  bahnbrechenden  Untersuchungen,  zu 
welchen  B.  die  Erforschung  der  Inschriften  führte,  fielen  doch  nur  sozusagen 
nebenbei  ab.  Sein  Hauptaugenmerk  war  immer  auf  die  politische  Geschichte 
gerichtet.  Zahlreiche  epigraphische  und  historische  Untersuchungen  (im 
»Indian  Antiquary«,  in  der  »Epigraphia  Indica«,  in  der  »Wiener  Zeitschrift 
für  die  Kunde  des  Morgenlandes«,  in  der  »Zeitschrift  der  deutschen  morgen- 
ländischen Gesellschaft«,  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  und 
in  einzelnen  Bänden  des  »Archaeological  Survey  of  India«)  legen  davon  Zeug- 
niss  ab.  Namentlich  hat  er  sich  um  die  Erforschung  und  Erklärung  der 
berühmten  Inschriften  des  Königs  Asoka  die  grössten  Verdienste  er- 
worben. 

Nicht  minder  wichtig  als  die  Inschriften  waren  ihm  die  spärlichen,  aber 


Bühler  Georg.  gl 

um  so  werthvolleren  historischen  Werke  der  Inder,  sowie  die  Berichte  der 
chinesischen  und  arabischen  Reisenden  über  Indien.  Ihm  verdanken  wir  die 
Entdeckung  und  Herausgabe  der  von  dem  Dschaina  Bilhana  verfassten  Chronik 
Vikramänkadevatscharita,  sowie  wichtige  Untersuchungen  über  die  Chronik 
der  Könige  von  Kaschmir  (Räjatarangini)  und  über  Alberünis  Indica. 

Seine  genaue  Bekanntschaft  und  langjährige  Beschäftigung  mit  Hand- 
schriften und  Inschriften  machten  B.  zu  einer  Autorität  ersten  Ranges  für  alle 
Fragen  der  Paläographie,  und  wir  verdanken  ihm  gerade  in  letzterer  Zeit 
lAachtige  Beiträge  zur  Geschichte  der  indischen  Schrift.  Vor  drei  Jahren  er- 
schien seine  Abhandlung  »On  the  Origin  of  the  Indian  Brahma  Alphabet« 
(Indian  Studies  Nr.  III,  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  1895),  von 
welcher  unmittelbar  nach  seinem  Tode  eine  zweite,  noch  von  ihm  selbst  um- 
gearbeitete Auflage  erschienen  ist,  und  vor  zwei  Jahren  erschien  das  grund- 
legende Werk  »Indische  Paläographie«. 

So  giebt  es  kaum  ein  Gebiet  der  indischen  Philologie  und  Alterthums- 
forschung,  auf  dem  B.  nicht  neue  Wege  gewiesen,  auf  das  er  nicht  neues 
und  unerwartetes  Licht  geworfen  —  und  viele  Gebiete  sind  überhaupt  von 
ihm  zum  ersten  Mal  für  die  Wissenschaft  erschlossen  worden.  Wenngleich  er 
sich  mehr  mit  der  classischen  Litteratur  als  mit  dem  Veda  beschäftigte,  so 
interessirte  er  sich  doch  lebhaft  für  alle  vedischen  Fragen.  Für  den  Athar- 
vaveda  und  den  Yadschurveda  verdanken  wir  B.  wichtige  handschriftliche 
Funde.  Vor  Allem  aber  interessirte  ihn  —  und  hierin  zeigt  er  sich  wieder 
als  Historiker  —  die  Geschichte  der  vedischen  Schulen,  und  er  gab  nie  die 
Hoffnung  auf,  dass  sich  mit  Hülfe  der  Inschriften  auch  über  die  Entstehung  und 
das  Alter  des  Veda  Licht  gewinnen  lassen  werde.  Diese  Fragen  erörterte  B.  öfters 
im  Zusammenhang  mit  seinen  bahnbrechenden  Forschungen  über  die  indische 
Rechtslitteratur.  Schon  im  Jahre  1 867  schrieb  er  die  bedeutende  Einleitung  »Sources 
of  the  Hindu  Law«,  welche  einen  Ueberblick  über  die  gesammte  indische  Rechts- 
litteratur enthält,  zu  dem  von  Sir  Raymond  West  herausgegebenen  »Digest 
of  the  Hindu  Law  of  Inheritance,  Partition  and  Adoption«  (im  Jahre  1884 
in  dritter  Auflage  erschienen).  Bald  darauf  (1868  und  1871)  erschien  die 
Ausgabe  eines  der  ältesten  indischen  Gesetzbücher,  die  »Aphorisms  on  the 
Sacred  Laws  of  the  Hindus,  by  Apastamba«  (1892  bis  1894  in  zweiter  Auf- 
lage), das  erste  Werk  der  Art,  welches  kritisch  herausgegeben  wurde.  Für 
die  von  Max  Müller  herausgegebenen  »Sacred  Books  of  the  East»  übersetzte 
er  die  ältesten  und  wichtigsten  Gesetzbücher,  zunächst  in  den  1879  ^"^  '^^^ 
erschienenen  Bänden  »The  Sacred  Laws  of  the  Aryas«  (Band  II  und  XIV 
der  Serie;  von  Band  II  erschien  1897  die  zweite  Auflage).  Die  Ueber- 
setzungen  sind  zumeist  nach  von  B.  selbst  entdeckten  Handschriften  gemacht, 
die  Texte  wurden  erst  später  herausgegeben.  Die  Einleitungen  zu  diesen 
beiden  Bänden  enthalten  wichtige  Untersuchungen  über  das  Alter  der  über- 
setzten Werke  und  ihr  Verhältniss  zu  einander.  Im  Jahre  1886  lieferte  B. 
für  dieselbe  Serie  eine  Uebersetzung  von  Manus  Gesetzbuch,  dem  populärsten 
aller  indischen  Gesetzbücher.  Diesem  Band,  der  sich  nicht  mit  der  Uebersetzung 
des  Werkes  begnügt,  sondern  auch  reichliche  Auszüge  aus  den  zahlreichen 
Commentaren  enthält,  nebst  Appendices,  welche  das  Verhältniss  Manus  zu 
der  ganzen  übrigen  Rechtslitteratur  beleuchten,  geht  eine  138  Seiten  starke 
Einleitung  voraus,  welche  auch  viele  andere  Gebiete  der  indischen  Litteratur 
einbezieht,  u.  A.  die  epische  Litteratur  der  Inder,  das  chronologische  und 
litterarische  Räthsel   des  Mahäbhärata.    Auch  hier  wollte  er  von  der  »inneren 

BiogT.  Jahrb.  u.  DeuUcher  Nekrolog.     3.  Bd.  5 


82  Bühler  Georg. 

Kritik«  Nichts  wissen,  sondern  suchte  emsig  nach  inschriftlichen  und  littera- 
rischen Zeugnissen,  aus  welchen  sich  irgendwelche  sichere  Daten  für  die 
Geschichte  des  Epos  gewinnen  Hessen.  In  den  »Contributions  to  the  History 
of  the  Mahäbärata«,  die  er  zusammen  mit  Kirste  (in  den  Sitzungsberichten 
der  Wiener  Akademie  1892)  veröffentlichte,  hat  er  in  einer  bahnbrechenden 
Untersuchung  gezeigt,  dass  auch  in  dieses  Dunkelste  aller  Probleme  der 
indischen  Litteratur  durch  Vergleichung  der  Inschriften  und  durch  Unter- 
suchungen von  verwandten  und  einigermassen  datirten  Litteraturgebieten  Licht 
gebracht  werden  könne. 

B.'s  Finder-  und  Forschergltick  war  nicht  blosser  Zufall.  Edle  Begeiste- 
rung für  seine  Wissenschaft  war  die  Triebfeder,  die  ihn  nach  immer  neuen 
Schätzen  suchen  Hess.  Ferner  hatte  er  sich  eine  gründliche  Kenntniss  der 
Sprachen  angeeignet,  in  denen  er  sich  mit  den  eingeborenen  Gelehrten 
zwanglos  unterhalten  konnte.  Ueberdies  verstand  er  es  wie  Wenige  durch 
tactvolle  Rücksicht  auf  die  religiösen  Vorurtheile  der  Eingeborenen  deren 
Liebe  und  Freundschaft  zu  gewinnen.  So  zählte  er  unter  den  gelehrten 
Brahmanen  sowohl  wie  unter  den  Dschaina -Mönchen  Freunde,  die  ihm 
herzlich  zugethan  waren.  Nie  wurde  er  müde,  die  ihm  von  den  Pandits  er- 
wiesenen Dienste  rühmend  anzuerkennen.  Persönlicher  Contact  und  reger 
Gedankenaustausch  mit  den  eingeborenen  Pandits  schienen  ihm  überhaupt 
für  das  Gedeihen  der  Wissenschaft  unerlässHch.  Im  Hinblick  auf  seine  in- 
dischen Freunde  schrieb  er  auch  noch  in  Europa  die  meisten  seiner  Arbeiten 
in  englischer  Sprache. 

Im  Jahre  1880  musste  B.  aus  Gesundheitsrücksichten  Indien  verlassen, 
und  bald  darauf  (188 1)  wurde  er  als  Professor  der  indischen  Philologie 
und  Alterthumskunde  nach  Wien  berufen.  Und  von  da  an  datirt  seine 
ausserordentlich  erfolgreiche  Lehrthätigkeit  in  Europa.  Es  gelang  ihm,  durch 
eine  neue  praktische  Methode  (welche  in  seinem  1883  erschienenen  »Leit- 
faden für  den  Elementarkursus  des  Sanskrit«  allgemein  bekannt  ge- 
worden ist)  das  Studium  des  Sanskrit  verhältnissmässig  leicht  zu  machen. 

Als  Professor  an  der  Universität  war  er  auch  eifrig  bemüht,  Wien  zu 
einem  Centrum  für  orientalische  Studien  zu  machen.  In  diesem  Sinne  be- 
theiligte er  sich  im  Verein  mit  seinen  Collegen  an  der  Herausgabe  einer 
»litterarisch-kritischen  Beilage«  zu  der  vom  orientalischen  Museum  in  Wien 
herausgegebenen  »Monatsschrift  für  den  Orient«  (1884 — 86),  in  welcher  er 
manche  wichtige  Recensionen  erscheinen  Hess.  Ebenso  regen  Antheil  nahm 
er  an  der  Begründung  der  »Wiener  Zeitschrift  für  die  Kunde  des  Morgen- 
landes«, in  deren  Bänden  (seit  1887)  zahlreiche  Abhandlungen  B.'s  erschienen. 
Als  wirkliches  Mitglied  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  hat 
B.  nicht  nur  die  Sitzungsberichte  und  Denkschriften  der  Akademie  um  zahl- 
reiche wichtige  Beiträge  zur  Indologie  bereichert,  sondern  auch  die  Akademie 
zur  Förderung  und  Unterstützung  der  Sanskritstudien  bei  mehr  als  einer  Ge- 
legenheit bewogen,  so  erst  in  den  letzten  Jahren  zur  Herausgabe  der  wich- 
tigen  »Quellen werke  der  altindischen  Lexikographie«. 

Als  Vertreter  der  Wiener  Universität  fehlte  er  auf  keinem  Orientalisten- 
congress,  und  nicht  zum  Wenigsten  seinem  Einfluss  ist  es  zu  danken,  dass 
die  verschiedenen  an  die  indische  Regierung  gerichteten  Resolutionen,  welche 
von  der  »Indischen  Sektion«  der  Orientalistencongresse  ausgingen  und  so 
viel  zur  Förderung  der  archäologischen  und  epigraphischen  Forschungen  in 
Indien  beigetragen  haben,  auf  fruchtbaren  Boden  gefallen  sind.     Seinem  Ein- 


Bühler  Georg.  83 

fluss  und  seinem  energischen  Auftreten  ist  es  zuzuschreiben,  dass  Regierungen, 
Akademien  und  gelehrte  Gesellschaften  die  Mittel  dazu  hergaben,  Aus- 
grabungen zu  veranstalten,  die  zu  wichtigen  archäologischen  und  epigraphi- 
schen Entdeckungen  führten,  dass  die  Veröffentlichung  mancher  kostspieliger 
Drucke  ermöglicht  wurde,  ja  dass  mehr  als  eine  neue  Lehrkanzel  für  Indo- 
logie an  deutschen  und  österreichischen  Universitäten  gegründet  wurde. 
Dabei  war  er  aber  auch  immer  und  jederzeit  bereit,  zu  rathen  und  zu  helfen. 
Nicht  nur  seinen  ihm  näherstehenden  Freunden  und  Schülern  war  er  ein 
uneigennütziger  Berather  und  Helfer  —  kein  Sanskritist  wandte  sich  vergebens 
an  ihn,  und  ich  kenne  Viele,  die  sich  B.'s  Schüler  nennen,  die  nie  ein 
Collegium  bei  ihm  gehört.  Wer  einen  Text  herausgeben  wollte,  wandte  sich 
an  B.,  um  Handschriften  zu  bekommen.  Wer  über  irgendeinen  Punkt  Auf- 
schluss  haben  wollte,  wandte  sich  —  es  schien  dies  das  Natürlichste  —  an  B. 

Diese  Führerrolle  sollte  ganz  besonders  in  dem  Werke  zur  Geltung 
kommen,  welches  ihn  in  den  letzten  Jahren  beschäftigte,  in  dem  von  ihm 
herausgegebenen  »Grundriss  der  indo-arischen  Philologie  und  Alterthumskunde«. 
Gegen  30  Gelehrte  aus  Deutschland,  Oesterreich,  England,  Holland,  Indien 
und  Amerika  hatten  sich  um  ihn  geschaart,  um  nach  dem  von  ihm  ent 
worfenen  Plan  die  verschiedenen  Zweige  der  Indologie  in  systematischen 
Darstellungen  zu  behandeln  und  so  zum  ersten  Mal  einen  Gesammtüberblick 
über  unser  Wissen  von  Indien  zu  geben.  Die  schwierigsten  Gegenstände 
hatte  B.  sich  selbst  zur  Bearbeitung  vorbehalten.  Nur  einen  aber  der  von 
ihm  versprochenen  Beiträge  zu  diesem  grossen  Werk  sollte  ihm  vergönnt  sein, 
vollendet  zu  sehen,  die  schon  erwähnte  »Indische  Paläographie«.  Er  wollte 
auch  zusammen  mit  J.  Jolly  und  Sir  R.  West  die  Staats-  und  Privatalter- 
thümer  behandeln  und  hätte  gewiss  hier  seine  umfassende  Kenntniss  des 
modern -indischen  Lebens  zur  Geltung  gebracht.  Zusammen  mit  Dr.  Stein 
wollte  er  die  Geographie  Indiens  darstellen,  mit  der  er  durch  seine  sich  über 
fast  alle  Theile  Indiens  erstreckenden  Reisen  so  vertraut  war.  Vor  Allem 
aber  sollte  hier  endlich  der  Plan,  der  Jahre  lang  in  seinem  Kopfe  gereift 
w^ar,  die  Geschichte  Indiens  zu  schreiben,  zur  Erfüllung  kommen.  Er  wollte 
den  Abschnitt  über  die  Geschichtsquellen,  die  litterarischen  und  die  inschrift- 
lichen, und  die  »politische  Geschichte  bis  zur  mohammedanischen  Eroberung« 
schreiben.  Unermesslich  und  unersetzlich  ist  der  Verlust,  den  die  Wissen- 
schaft dadurch  erlitten  hat,  dass  diese  Arbeiten  unvollendet  geblieben. 

Glücklicher  Weise  ist  die  Fortsetzung  des  »Grundrisses«  wenigstens  ge- 
sichert, nachdem  Professor  Kielhom  (in  Göttingen)  die  Leitung  desselben 
übernommen  hat. 

W'as  B.  in  so  hervorragender  Weise  befähigte,  ein  Unternehmen  wie 
den  Grundriss  zu  leiten,  war  der  Umstand,  dass  er  einer  der  wenigen  »uni- 
versellen Indologen«  (um  einen  Ausdruck  von  B.  selbst  zu  gebrauchen)  war, 
die  wir  noch  besitzen.  So  sehr  B.  die  Specialisirung  als  nothwendig  erkannte, 
so  übersah  er  doch  nie  die  Gefahr,  die  in  allzugrosser  Specialisirung  liegt, 
und  er  warnte  seine  Schüler  oft  vor  allzu  grosser  Beschränkung  auf  ein 
Specialgebiet.  Er  vergass  nie  und  liebte  es,  darauf  hinzuweisen,  wie  die 
einzelnen  Zweige  der  Indologie  und  die  einzelnen  Perioden  der  indischen 
Kulturentwicklung  aufs  Innigste  zusammenhängen.  Aber  auch  den  Zusammen- 
hang zwischen  den  verschiedenen  Völkern  des  Orients  und  den  verschiedenen 
Zweigen  der  orientalischen  Wissenschaften  verlor  B.  nie  aus  den  Augen.  Und 
wenn  er  sich  auch  in  seinen  Schriften  möglichst  auf  das  Gebiet  beschränkte, 

6* 


84  Bühler  Georg,     von  Liezen-Mayer. 

in  dem  er  wie  kein  Anderer  zu  Hause  war,  so  reichte  sein  Blick  doch  weit 
über  die  Grenzen  Indiens  hinaus,  und  di^  Geschichte  von  Indiens  Kultur 
und  Litteratur  war  ihm  immer  nur  ein  Act  in  dem  grossen  Drama  der 
Menschheitsgeschichte,  — 

An  äusserer  Anerkennung  fehlte  es  B.  nicht.  Um  der  Verdienste  willen, 
die  er  sich  im  anglo- indischen  Regierungsdienste  erworben,  wurde  ihm  der 
Titel  eines  »Companion  of  the  order  of  the  Indian  Empire«  (C.  I.  E.)  ver- 
liehen ;  er  war  ferner  Comthur  des  Franz- Josef-Ordens,  Ritter  des  preussischen 
Kronenordens  III.  Kl.;  wirkliches  Mitglied  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  in  Wien,  Ehren -Jur.  Dr.  (D.  C.  L.)  der  Universität  Edin- 
burgh etc.  etc. 

Quellen.  Dem  Vorstehenden  liegt  ein  unmittelbar  nach  B.'s  Tode  geschriebener 
längerer  Artikel,  der  in  der  Beilage  zur  »Allgemeinen  Zeitung«  Nr.  113  und  114  vom 
21.  und  23.  Mai  1898  erschienen  ist,  zu  Grunde,  dessen  Benützung  die  Redaktion  freund- 
lichst gestattet  hat.  Nekrologe  erschienen  ferner  von  Prof.  A.  Kaegi  in  der  »Neuen 
Zürcher  Zeitung«  (April  1898),  Prof,  C.  B endall  im  »Athenaeum«,  23.  April  1898, 
Bibliothekar  C.  H.  Tawney  in  »Luzac's  Oriental  List«,  April  1898,  pp.  96—98,  und  von 
Prof.  F.  Max  Müller  im  »Journal  of  the  Royal  Asiatic  Society«  (July,  1898,  pp.  695 — 707). 
Eine  demnächst  erscheinende  Nummer  (»BUhler  Memorial  number«)  der  in  Bombay  er- 
scheinenden Zeitschrift  »Indian  Antiquary«  ist  ganz  dem  Andenken  B.'s  gewidmet  und 
enthält  Beiträge  von  verschiedenen  Gelehrten.  Eine  ausführliche  Biographie  B.'s  von 
Prof.  J.  Jolly  soll  im  »Grundriss  der  indo-arischen  Philologie  und  Alterthumskunde«  er- 
scheinen. 

M.  Winternitz. 

Liezen-Mayer^  Alexander  von,  Historienmaler,  *  24.  Januar  1839  ^^ 
Raab  in  Ungarn,  f  19.  Februar  1898  zu  München;  bethätigte  frühe  eine 
Neigung  für  Waffen,  Soldaten  und  Pferde,  ohne  jedoch  bis  zu  seinem  elften 
Jahre  eine  Vorliebe  für  das  Zeichnen  zu  äussern.  Dann  aber  begann  gleich 
die  Kundgabe  seines  Talents,  welches  vorerst  ein  Zimmer-  und  Decorations- 
maler cultivirte,  bis  ein  Oheim  des  Knaben  rechtzeitig  eingriff  und  denselben 
1855  nach  Wien  auf  die  Academie  brachte,  wo  C.  Meier,  der  vielseitige 
Carl  von  Blaas  (181 5 — 94)  und  der  gewandte  Joh.  Nep.  Peter  Geiger  (1805 
bis  80)  als  die  ersten  Lehrer  den  Sinn  zum  historischen  Gebiete  weckten 
und  nährten.  Aber  schon  nach  anderthalbjähriger  Schulung  wagte  sich  L.-M. 
nach  München,  wo  der  Unterricht  systematisch  begann:  er  zeichnete  bei 
J.  G.  Hiltensperger  (1806 — 1890)  nach  der  Antike,  erhielt  die  erste  Anregung 
zur  Farbe  in  der  Malschule  des  Prof.  Herrn.  Anschütz  (1802 — 1880),  um  dann 
1862  durch  Pilotys  (1826 — 86)  coloristischer  Begabung  in  das  rechte  Fahr- 
Wasser  zu  treiben.  L.-M.  machte  sich  durch  sein  erstes  grosses  Historienbild 
(Königin  Maria  von  Ungarn  mit  ihrer  Mutter  Elisabeth  am  Grabe  Ludwig  des 
Grossen  1385)  sowohl  in  München,  wie  insbesondere  in  seiner  Heimath  sehr 
vortheilhaft  bekannt.  Die  virtuose  Befähigung  Pilotys,  jedes  Thema  als 
Farben-Experiment  zu  denken  und  zum  möglichst  dramatisch-wirksamen  Aus- 
druck zu  bringen,  machte  sich  L.-M.  alsbald  zu  eigen  und  damit  die  ganze 
Licht-  und  Schattenseite  dieser  zu  theatralischen  Effecten  neigenden  Schule. 
Dazu  wählte  er  seine  Stoffe  mit  Vorliebe  aus  der  Geschichte  seines  Vater- 
landes, wobei  edle  und  schöne  Frauengestalten  eine  besondere  Rolle  spielen. 
Dazwischen  malte  L.-M.  viele  Portraits,  darunter  das  Bildniss  seiner  Mutter, 
seines  gleichstrebenden  treuen  Freundes  und  Landsmannes,  des  damals  schon 
hohe  Achtung  geniessenden  Malers  Alexander  von  Wagner  (geb.  16.  April 
1838,  seit  1866  Academie-Professor  in  München),  des  damaligen  Bischofs  Simon 


von  Lietzen-Mayer.  85 

von  Raab,  nachmals  Cardinal  und  Fürstprimas  von  Ungarn,  welcher  immerdar 
unsem  Künstler  als  Mäcen  förderte,  auch  ein  als  »Demaskirt«  vielgerühmtes 
Damenportrait.  Im  Jahre  1865  errang  L.-M.  gelegentlich  einer  academischen 
Skizzen-Concurrenz  den  ersten  Preis  mit  einer  »Heiligsprechung  der  Land- 
gräfin Elisabeth  von  Thüringen«,  ein  Oelbild  in  sorgfältiger  Durchbildung 
(im  Besitz  des  Mr.  W.  H.  Maxwels  Blews  in  Birmingham).  Kurz  vorher  hatte 
er  mit  Alex.  Wagner  ein  grosses,  mehr  decorativ  behandeltes,  die  »Heimkehr 
von  der  Jagd«  darstellendes  Tableau  für  den  Speisesaal  eines  russischen 
Fürsten  vollendet.  Darauf  folgte  mit  klug  berechneter  Technik  in  origineller 
Composition  ein  Vorhang  zum  Volkstheater  am  Gärtner-Platz.  Den  grössten 
Beifall  erhielt  1867  das  insbesondere  durch  die  virtuose  Durchführung  der 
Stoffe  ausgezeichnete  Bild,  wie  »Maria  Theresia  im  Garten  zu  Schönbrunn« 
das  Kind  einer  armen  kranken  Frau  an  ihre  Brust  legt  und  stillt  —  eine 
Scene,  welche  durch  Hanfstängls  Photographie  und  A.  Schul theiss'  eflfect- 
vollen  Stich  die  weiteste  Verbreitung  fand.  Erst  jetzt  (1867)  verliess  der 
Künsder  die  Schule  Pilotys,  welchem  er  in  unverbrüchlicher  Hochachtung 
und  Freundschaft  zugethan  blieb;  er  hatte  sich  als  Maler  glänzend  bethätigt 
und  konnte  nun  daran  denken,  sich  als  Illustrator  der  bedeutendsten 
Lieblingsdichter  zu  bethätigen.  So  entstanden,  in  Sepia  sorgsam  zur  photo- 
graphischen Reproduction  ausgetönt,  die  ersten  Scenen  zu  Goethes  »Faust«, 
welche  das  Interesse  des  damals  noch  in  Amerika  ansässigen  Verlegers  Th. 
W.  Stroefer  erregten,  welcher  nun  eigens  nach  Deutschland  übersiedelte,  um 
die  Ausführung  des  grossen  Unternehmens  zu  leiten.  Der  erste  Theil  des 
»Faust«  wurde  durch  einen  Cyclus  von  50  Bildern  illustrirt,  die  zuerst  durch 
Photographie,  dann  in  effectvollen  Suchen  (von  J.  Bankel,  J.  F.  Deininger, 
Goldberg,  Ludy,  Forberg)  und  durch  Rudolf  Seitz  mit  Initialen  und  Orna- 
menten in  Holzschnitt  geschmückt,  ein  Prachtwerk  bildeten,  welches  allmäh- 
lich in  dreierlei,  auch  verschiedenartigen  Ausgaben  erschien  und  den  Namen 
des  Künstlers  in  die  weitesten  Kreise  trug.  (Die  Illustration  des  zweiten 
Theiles  übernahm  nicht  zum  Besten  des  einheitlichen  Ganzen  Maximilian 
Klinger).  Daran  reihten  sich  in  gleicher  Ausstattung  das  »Lied  von  der 
Glocke«  und  weitere  Scenen  zu  Schillers  »Maria  Stuart«  —  aus  dem  Jahre 
1873  stammt  auch  das  grosse  Oelbild  mit  der  das  Todesurtheil  unterzeichnen- 
den Königin  Elisabeth  —  zu  Shakespeares  »Cymbeline«,  zu  den  Romanen  von 
G.  Frey  tag  und  Scheffels  »Ekkehard«.  Bei  dem  Letzteren  gelang  ihm  weniger 
den  specifischen  Charakter  des  frühen  Mittelalters  zu  erreichen  —  auch  das 
»Barmherzigkeit«  betitelte  Oelbild  (wie  die  heilige  Elisabeth  mit  ihrem  Her- 
melinmantel eine  arme  Frau  bekleidet)  kommt  über  ein,  der  ganzen  Schule 
eigenes  theatralisches  Costüm-Pathos  nicht  hinaus,  woran  auch  die  Compositon 
mit  dem  Fussfall  der  »Philippine  Welser«  vor  Kaiser  Ferdinand  leidet.  Im 
Jahre  1870  ward  L.-M.  nach  Wien  berufen,  das  Portrait  des  Kaiser  Franz 
Joseph  zu  malen  (auch  1897  erfolgte  eine  gleiche  Einladung,  doch  machte 
die  Krankheit  des  Künstlers  die  Annahme  unmöglich);  daran  schlössen  sich 
viele  weitere  Bestellungen  auf  Bildnisse,  die  den  Maler  fast  zwei  Jahre  in 
Oesterreich-Ungam  festhielten.  Zu  seinen  späteren  Zeichnungen  auf  diesem 
Gebiete  zählen  auch  das  Portrait  des  als  geistreichen  Zeichners  und  Dichters 
so  wohlbekannten  Grafen  Franz  von  Pocci.  Im  Jahre  1872  ehelichte  L.-M. 
eine  schöne  Amerikanerin;  von  Glück  und  Anerkennung  getragen,  nahm  sein 
Schaffen  neuen  Aufschwung.  Zahlreiche  Schüler  und  Schülerinnen  fanden 
sich  ein;    er  wurde  der    verehrte  und    umschwärmte  Mittelpunkt   einer  origi- 


g5  von  Litzen-Mayer.     Ebers. 

nellen  und  gewählten  Maleracademie,  deren  nicht  selten  den  höchsten  Lebens- 
stellungen angehörige  Mitglieder  mit  der  grössten  Begeisterung  an  ihrem 
Lehrer  hingen  und  im  edelsten  Wetteifer  Alles  daran  setzten,  ihm 
Ehre  zu  bereiten.  Seine  eigenen  Arbeiten  litten  nicht  unter  seiner  Lehrer- 
thätigkeit,  seine  Productionskraft  schien  zu  wachsen.  L.-M.  malte  vier 
»Märchen«,  viele  anziehende  Genrebilder,  wie  die  auch  durch  Stiche  ver- 
breiteten »Erste  Liebe«  (Mädchen  mit  einem  Kätzchen),  »Treue  Freundschaft« 
(Knabe  mit  seinem  Hunde),  die  sich  »Vor  dem  Spiegel«  putzende  Dorf- 
schöne, ein  »Plauderstündchen«,  »Die  goldene  Zeit  der  ersten  Liebe«,  ausser- 
dem auch  etliche  religiöse  Bilder,  darunter  eine  »Flucht  nach  Aegypten« 
(1887).  Natürlich  erfolgten  verschiedene  Ehrentitel  und  Auszeichnungen,  1880 
eine  Berufung  als  Director  nach  der  neu  organisirten  Kunstakademie  in  Stutt- 
gart, woselbst  L.-M.  jedoch  nur  drei  Jahre  verweilte,  um  nach  München 
zurückzukehren,  wo  seiner  eine  Bestallung  als  Professor  und  erfreuliche  Wirk- 
samkeit an  der  Königlichen  Akademie  wartete,  so  dass  er  verschiedene  andere 
Anträge  z.  B.  die  Berufung  vom  ungarischen  Ministerium  als  Nachfolger 
Pulszkis  in  Budapest  (1896)  ablehnen  konnte.  Dafür  entschädigten  ihn  grosse 
Aufträge  fiir  historische  Darstellungen  z.  B.  die  »Erhebung  des  Martin  Cor- 
vinus  zum  König«  eine  Arbeit,  welche  auf  der  Exposition  zu  Pest  mit  em- 
phatischer Anerkennung  begrüsst  wurde,  für  Kaiser  Wilhelm  11.  die  Pracht- 
lieferung eines  Vorhanges  für  das  Theater  zu  Hannover  1897),  wofür  der 
hohe  Maecen  den  Künstler  durch  eine  besondere  Auszeichnung  beehrte, 
welche  ihn  jedoch  erst  kurze  Zeit  vor  dem  Tode  überraschte.  Seine  zahl- 
reichen Freunde  hielten  ihn  hoch  und  werth.  Krauskopf  radirte  sein  inter- 
essantes Portrait,  Fülop  Laszlo  malte  dasselbe  in  Oel.  —  L.-M.  war  ein 
edler,  liebenswürdiger  Character  und  ein  begeisterter  Pfleger  der  Kunst. 

Vgl.  Wurzbach  Biogr.  Lexicon  1866.  XV,  299,  Schorers  Familienblatt  x88i 
Nr.  16.  Berggruen:  Die  Graphischen  Künste  1886  IX,  37 ff.  Pecht,  Gesch.  der  Mtin- 
chener  Kunst  1888  S.  253.  Nekrolog  in  51  Allg.  Ztg.  21.  Febr.  1898.  Kunst  f.  Alle, 
I.  April  1898.  Kunst  unserer  Zeit,  IX.  Jahrg.  4.  Heft.  S.  95  ff.  u.  ebendas.  X.  Jahrg. 
3.  Heft.  S.  33  —  56  (von  G.  H.  Horst)  mit  Portrait  u,  15  Reproductionen. 

Hyac.   Holland. 

Ebers,  Georg,  Professor  der  Aegyptologie  an  der  Universität  Leipzig, 
*  I.  März  1837  zu  Berlin,  f  7.  August  1898  zu  Tutzing  bei  München. 
Georg  Ebers'  Vorfahren  gehörten  zu  den  zahlreichen  jüdischen  Familien 
Berlins,  welche  schon  am  Ausgang  des  vorigen  Jahrhunderts  zu  Ansehen  und 
bedeutendem  Wohlstand  gelangt  waren.  Innerlich  und  äusserlich  war  die 
Familie  früh  über  die  Enge  der  ererbten  Traditionen  hinausgewachsen. 
Wie  sie  das  Christenthum  angenommen  und  sich  mit  preussischen  und 
sächsischen  Adelsgeschlechtern  verschwägert  hatte,  so  stand  ihr  Haus,  wie 
das  der  Mendelssohn's,  der  Hitzig's,  der  Beer's  uud  so  mancher  anderer,  in- 
mitten des  regen  litterarischen  und  künstlerischen  Lebens,  das  sich  seit  der 
Erhebung  Preussens  aus  der  Katastrophe  der  napoleonischen  Zeit  in  Berlin 
entwickelte.  Mit  Hegel,  Schleiermacher,  A.  v.  Humboldt,  Rauch  führte  der 
gesellige  Verkehr  und  zumal  die  Whistpartie  die  Eltern  vielfach  zusammen. 
Den  Vater,  Leiter  eines  Bankgeschäftes  und  einer  Porzellanfabrik,  hat 
Georg  nie  gesehen;  vierzehn  Tage  vor  der  Geburt  des  Knaben  war  er  ge- 
storben. Er  hatte  schon  in  sehr  jungen  Jahren  eine  schöne  Holländerin,  die 
Perle  von  Rotterdam,  wie  sie  beim  Abschied  von  der  Heimath   der  Bürger- 


Ebers.  87 

meister  nannte,  heimgeführt,  die  auch  in  Berlin  bald  alle  Herzen  gewann. 
Ihr  fiel  jetzt  die  Erziehung  der  fünf  Kinder  zu.  Oft  genug  hat  der  Sohn 
mit  warmen  Worten  ausgesprochen,  wieviel  er  ihr  verdankt:  eine  Jugend  voll 
Leben  und  Anregung  im  Innern  wie  von  Aussen,  eine  gesunde  und  wahre 
geistige  und  sittliche  Erziehung,  und  einen  festen  Halt  auch  in  den  schwersten 
Lebenslagen,  Er  selbst  hat  uns  im  Jahre  1392  eine  lebendige  und  fesselnde 
Schilderung  gegeben  (»die  Geschichte  meines  Lebens  vom  Kind  bis  zum 
Mann«)  von  der  frohen  Kinderzeit  in  der  Lenndstrasse,  wo  die  Mutter  mit 
Jakob  und  Wilhelm  Grimm  unter  demselben  Dach  wohnte,  von  den  Schul- 
jahren in  Keilhau,  der  von  Fröbel  in  den  Bergen  Thüringens  (unweit 
Rudolstadt)  gegründeten  Erziehungsanstalt,  der  Ebers  1848  kurz  nach  den 
Märztagen  überwiesen  wurde,  von  der  Gymnasialzeit  in  Cottbus  —  denn  die 
Schule  in  Keilhau  reichte  nur  bis  zur  Secunda.  Manches  Abenteuer  und 
manchen  wilden  Streich  weiss  er  zu  berichten;  denn  mit  seinem  regen,  jedem 
Eindruck  sich  willig  hingebenden  Geist  und  seinem  kräftig  entwickelten  und  in 
allen  gymnastischen  Künsten  geschulten  Körper  war  er  wie  geschaffen,  mit 
vollen  Zügen  zu  geniessen,  was  immer  das  Leben  bieten  mochte.  Aber  wo 
es  sein  musste,  bewährte  er  sich  als  eine  ganze,  ebenso  wahre  wie  muthige 
Natur,  bei  Händeln  mit  den  Kameraden  nicht  minder  wie  bei  ernsteren 
Conflicten  in  der  Schule;  und  als  es  galt,  bei  einer  Feuersbrunst  ein  paar 
erstickende  Mädchen  zu  retten,  war  er  der  erste,  der  sich  durch  Qualm  und 
stürzende  Balken  den  Weg  zu  ihnen  bahnte.  Dabei  fehlte  es  nicht  an  ernster 
Arbeit.  Der  Grund  zu  einer  tüchtigen  klassischen  Bildung  war  in  Keilhau 
gelegt,  vor  Allem  durch  Langethal,  den  E.  den  geliebtesten  und  einflussreichsten 
seiner  Lehrer  nennt,  der,  obwohl  erblindet,  die  Knaben  wie  kein  Anderer  zu 
fesseln  und  zu  begeistern  verstand.  Später  hat  die  strenge  Zucht  des  zur 
Reform  des  Gymnasiums  nach  Cottbus  gesandten  Direktors  Tzschirner  gegen 
die  mancherlei  geselligen  Versuchungen  ein  heilsames  Gegengewicht  gebildet. 
Auch  der  poetische  Trieb  begann  sich  zu  regen  und  fand  seine  Befriedigung 
in  dramatischen  Versuchen  und  in  Gedichten  für  die  Schulfeste  —  dadurch 
gewann  er  die  Bekanntschaft  des  Fürsten  Pückler,  der  seine  dichterische 
Begabung  wohl  erkannte  und  seine  zukünftigen  Erfolge  voraussagte  — ;  noch 
eifriger  aber  sass  er  Jahre  lang  an  einem  grossen  »Weltgedicht«,  das  das 
Entstehen  des  kosmischen  und  menschlichen  Lebens  darstellen  und  alle 
Welträthsel  lösen  sollte. 

Im  Herbste  1856  bestand  E.  das  Maturitätsexamen  zu  Quedlinburg, 
wo  er  das  letzte  Primanerhalbjahr  verbracht  hatte,  weil  er  in  Folge  eines  an 
sich  harmlosen  aber  falsch  gedeuteten  Ausflugs  mit  einer  jungen  Schau- 
spielerin Cottbus  hatte  verlassen  müssen.  Wie  so  viele,  hatte  auch  er  sich 
ohne  innere  Neigung,  ja  ohne  ernsthafte  Prüfung  der  Frage,  welchen  Lebens- 
beruf er  ergreifen  solle,  für  das  Studium  der  Jurisprudenz  entschieden.  So  war 
es  natürlich,  dass  das  erste  Semester  in  Göttingen  ganz  dem  flotten  Leben  im 
Corps  gewidmet  war  und  die  FachcoUegia  kaum  besucht  wurden;  dagegen 
zogen  ihn  die  Vorlesungen  Lotzes  und  des  Kunsthistorikers  Unger  lebhaft 
an.  Mit  pliilosophischen  Fragen  hat  E.  sich  damals  im  Verkehr  und  im  Selbst- 
studium eifrig  beschäftigt.  Unger  aber  verdankt  er  eine  Anregung,  die  für 
sein  ganzes  Leben  entscheidend  wurde :  die  Besprechung  der  ägyptischen  Kunst 
und  der  Entzifferung  der  Hieroglyphenschrift  durch  Champollion  fesselte  ihn 
so,  dass  er  sich  sofort  die  wichtigsten  Bücher  besorgte  und  in  seinen 
Mussestunden  ein  Studium-  begann,  das  ihn  nicht  wieder  freigeben  sollte. 


88  Ebers. 

Doch  die  Hauptzeit  des  Wintersemesters  war  durchaus  den  vielseitigen 
Vergnügungen  gewidmet,  welche  das  Corpsleben  und  daneben  ein  reger 
Familienverkehr  bot,  der  dem  gut  empfohlenen,  alle  Herzen  gewinnenden 
jungen  Studenten  nirgends  fehlte.  Auch  Ausflüge  waren  nicht  selten,  und 
daneben  wurde  eifrig  getanzt.  Sein  starker  Körper  schien  allen  körperlichen 
und  geistigen  Anstrengungen  gewachsen.  Da  geschah  es,  dass  ihm  bei  einem 
studentischen  Feste,  bei  dem  eifrig  getrunken  und  getanzt  wurde,  der  Ueberrock 
vertauscht  ward  und  er  dadurch  um  seinen  Hausschlüssel  kam.  Erhitzt 
kehrte  er  heim,  aber  er  musste  in  leichter  Ballkleidung  in  der  kalten  Winter- 
nacht lange  warten,  bis  ihm  die  Hausthür  geöffnet  wurde.  Die  Folge  war 
nicht  nur  ein  heftiger  Blutsturz,  sondern  der  Ausbruch  eines  schweren  Rücken- 
markleidens, das  an  Intensität  fortwährend  zunahm  und  sich  mit  einer 
qualvollen  Ischias  verband.  Er  musste  zur  Mutter  zurückkehren.  Das  so 
fröhlich  begonnene  Studentenleben  war  jäh  und  für  immer  abgebrochen,  ja 
bald  nahm  das  Leiden  eine  so  bedrohliche  Gestalt  an,  dass  lange  Zeit  das 
Schlimmste  zu  befürchten  schien.  Jede  Bewegung  im  Bette  wurde  aufs  Strengste 
untersagt,  und  dabei  quälten  ihn  ununterbrochen  die  heftigsten  Schmerzen 
namentHch  in  dem  gelähmten  linken  Bein,  und  waren  die  angewandten 
energischen  Heilmittel  kaum  weniger  schmerzhaft  als  das  Leiden  selbst.  Endlich 
gelang  es  der  liebevollen  Behandlung  des  grossen  Nervenpathologen  H.  M.  Rom- 
berg, die  durch  die  unverwüstliche  Natur  des  Kranken  und  seine  ausserordentliche 
Selbstbeherrschung,  so'me  durch  die  sorgende  Pflege  der  Mutter  unterstützt 
wurde,  eine  Wendung  zum  Bessern  herbeizufuhren.  Bis  er,  dank  der  Heilkraft  des 
in  jedem  Sommer  aufgesuchten  Wildbades,  den  vollen  Gebrauch  seiner  Glieder 
wiedergewann,  vergingen  freilich  noch  Jahre ;  aber  der  Kranke  war  doch  dem  ihm 
unentbehrlichen  Verkehr  mit  Menschen  wiedergegeben,  und,  was  noch  wichtiger 
war,  er  konnte  beginnen  wieder  zu  arbeiten.  Seit  ihn  der  Ernst  des  Lebens 
so  furchtbar  gepackt  hatte,  stand  sein  Entschluss  fest.  Seine  alten  Manuskripte 
wanderten  ins  Feuer,  er  war  entschlossen,  sich  ganz  der  Wissenschaft  zu  widmen, 
die  es  schon  im  Trubel  des  Göttinger  Semesters  ihm  angethan  hatte.  Er 
war  so  gestellt,  dass  es  für  ihn  kein  Hindemiss  bildete,  dass  die  Aegyptologie, 
nach  Champollions  Ausspruch,  »ein  schönes  Mädchen  ohne  Mitgift«  ist. 
Jakob  Grimm  führte  ihm  den  Lehrer  zu,  der  vor  Allen  anderen  Champollions 
Werk  fortgesetzt  und  mächtig  gefördert  hatte  und  damals  noch  fast  allein 
in  Deutschland  die  Aegyptologie  wissenschaftlich  vertrat,  Richard  Lepsius; 
und  der  grosse  Gelehrte  hat  es  nicht  verschmäht,  allwöchentlich  den  lern- 
eifrigen Schüler  an  seinem  Krankenlager  aufzusuchen  und  zu  unterrichten. 
Zugleich  wirkte  er  mit  Nachdruck  und  gutem  Erfolg  darauf  hin,  dass  der 
angehende  Aegyptologe  die  Gefahren  des  Special istenthums  mied,  durch 
eifrige  philologische  und  archäologische  Studien  eine  breite  Grundlage  gewann, 
und  sich  auch  in  die  Elemente  des  Sanskrit  und  der  semitischen  Sprachen 
hineinarbeitete. 

Im  Winter  1 860/61,  nach  drei  schweren  Krankheitsjahren,  war  die  Ge- 
nesung soweit  fortgeschritten,  dass  er  in  Berlin  die  Vorlesungen^  die  Bibliothek, 
und  vor  Allem  das  unvergleichliche,  von  Lepsius  geschaffene  ägyptische 
Museum  besuchen  konnte.  So  konnte  er  neben  Lepsius  auch  H.  Brugsch 
hören,  der  damals  noch  Privatdocent  war,  aber  bereits  eins  seiner  hervor- 
ragendsten Werke,  die  für  die  Geschichte  der  Aegyptologie  Epoche  machenden 
»geographischen  Inschriften«,  geschaffen  hatte.  Die  beiden  Forscher  standen 
dam^ds  auf  sehr  gespanntem  Fusse,  wie  denn  ihr  Naturell  und  gerade  die  Vorzüge 


Ebers. 


89 


der  Begabung  eines  Jeden  ein  innerliches  Zusammengehen  völlig  unmöglich 
machten.  Lepsius  war  ein  klarer  Kopf,  ein  streng  methodischer,  ruhig  über- 
legender Gelehrter,  der  Schritt  für  Schritt  vom  Sicheren  zum  Unbekannten 
vorzudringen  suchte,  dessen  Bedeutung  vor  Allem  darin  bestand,  dass  er 
Zucht  und  Ordnung  in  die  nach  ChampoUions  frühem  Tode  (1832)  vielfach 
verwilderte  Aegyptologie  gebracht  und  dem  Dilettantismus  die  Wege  gewiesen 
hatte.  Brugsch  dagegen  war  eine  geniale  Persönlichkeit,  welche  intuitiv 
gerade  das  Dunkelste  und  Schwierigste  zu  erfassen  suchte  und  oft  genug 
mit  geradezu  wunderbarer  Divination  erfasst  hat,  durchaus  impulsiv  und 
sprunghaft  in  Allem,  was  er  angriff,  und  daher  trotz  seiner  erstaunlichen  Arbeits- 
kraft und  der  ungeheuren  Sammlungen,  welche  er-  anlegte,  zu  streng 
methodischer  Arbeit  wenig  geeignet.  Dabei  haftete,  wie  es  bei  solchen 
Naturen  unvermeidlich  ist,  an  seinem  wissenschaftlichen  wie  an  seinem  Privat- 
leben mancherlei  Bedenkliches.  Das  war  dem  correcten  Lepsius  ebenso  zu- 
wider, wie  ihm  seine  kühnen  Combinationen  und  die  überraschenden  Resultate, 
die  er  gewann,  unheimlich  waren.  Er  hatte  sich  fast  nur  mit  den  in- 
schriftlichen Texten  beschäftigt,  und  mit  begreiflicher  Scheu  von  dem  schwer 
zu  lesenden  handschriftlichen  Nachlass  der  Aegypter,  den  zahlreichen,  in 
hieratischer  Cursive  geschriebenen  Papyrusrollen,  ferngehalten,  während  Brugsch 
(wie  in  Frankreich  de  Rougd  und  Chabas,  in  England  Goodwin  u.  A.)  auch 
diese  zu  durchforschen  begonnen  hatte  und  in  Folge  dessen  weit  tiefer  in  das 
Verständniss  der  ägyptischen  Sprache  eingedrungen  war,  als  der  ältere 
Meister.  So  war  es  für  E.  von  unschätzbarem  Gewinn,  dass  er  von  Beiden 
lernen  konnte. 

Von  anderen  Docenten  hat  vor  Allem  Böckh  auf  E.  gewirkt.  Im 
Jahre  1862  war  er  soweit  gekommen,  dass  er  mit  einer  Dissertation  über 
Memnon  und  die  Memnonssage  promoviren  konnte.  In  den  nächsten  Jahren 
konnte  er  zur  Vollendung  seiner  Ausbildung  wissenschaftliche  Reisen  unter- 
nehmen, die  ihn  in  alle  Culturländer  Europas  führten  und  mit  den  in  ihren 
Museen  aufgespeicherten  Schätzen  des  ägyptischen  Alterthums  vertraut  machten 
sowie  die  Bekanntschaft  der  meisten  Fachgenossen  verschafften. 

Inzwischen  war,  wie  die  Genesung  fortschritt,  auch  der  poetische  Trieb 
von  Neuem  erwacht.  E.  musste,  was  er  trieb,  nicht  nur  mit  dem  Verstände, 
sondern  auch  mit  der  Phantasie  erfassen;  was  ihn  innerlich  beschäftigte, 
gestaltete  sich  ihm  zu  plastischen  und  lebensvollen  Bildern.  So  erstanden 
ihm  auch  die  alten  Aegypter  aus  ihren  Särgen  und  aus  den  steifen  Statuen 
und  Reliefs  der  Tempel  und  Gräber  zu  lebendigen  Menschen  von  Fleisch 
und  Blut  und  warmer  Empfindung.  So  ernsthaft  er  entschlossen  war,  sich 
^anz  der  Wissenschaft  zu  widmen,  so  wenig  vermochte  er  der  Versuchung  zu 
widerstehen,  in  den  Pausen,  die  die  Arbeit  ihm  liess,  die  Gestalten  festzu- 
halten und  aufs  Papier  zu  bannen.  Die  Geschichte  des  Unterganges  des 
Pharaonenreichs,  das  in  jäher  Katastrophe  dem  Angriff  des  jugendfrischen 
Perservolkes  erliegt,  die  sagenhafte  Erzählung  Herodots  von  der  ägyptischen 
Königstochter  Nitetis,  die  König  Amasis  dem  persischen  Freier  Kambyses  als 
seine  eigene  Tochter  zum  Weibe  gsp,  während  sie  doch  das  Kind  seines  von 
ihm  gestürzten  Vorgängers  Hophra  war,  bot  den  äusseren  Rahmen;  der  Stoff 
war  um  so  reizvoller,  weil  er  die  Möglichkeit  gewährte,  alle  die  verschiedenen 
Nationen  und  Culturen  der  damaligen  Welt,  Aegypter  und  Babylonier,  Juden 
und  Kleinasiaten,  Perser  und  Griechen,  lebendig  vorzuführen  im  Ringen  um 
eine    welthistorische  Entscheidung.     So    ist    in    den  Jahren  1861  bis  63  E.'s 


90 


Ebers. 


erster  Roman  entstanden.  Der  ernste  Lehrer  freilich  machte  ein  sehr  bedenk- 
liches Gesicht,  als  der  Schüler  ihm  sein  Unterfangen  beichtete;  aber  als  er 
das  Manuscript  gelesen  hatte,  da  hat  Lepsius  ihm  seine  unumwundene  An- 
erkennung ausgesprochen.  Ihn  fesselte  ebenso  sehr  die  reiche,  in  der  Durch- 
arbeitung hervortretende  und  in  den  Anmerkungen  niedergelegte  Gelehrsam- 
keit, wie  die  hervorragende  poetische  Gestaltung.  Er  gab  den  mit  Recht 
befolgten  Rath,  bei  einer  nochmaligen  Ueberarbeitung  das  griechische  Element 
noch  stärker  hervortreten  zu  lassen,  als  bisher  geschehen  war,  da  ein  zu 
starkes  Dominiren  des  spröden  und  monotonen  Aegypterthums  ermüdend 
wirken  würde.  Im  Jahre  1864  ist  dann  die  »ägyptische  Königstochter«  er- 
schienen im  Verlage  Hallbergers,  mit  dem  E.  bereits  in  Wildbad  eine  Freund- 
schaft fürs  Leben  geschlossen  hatte. 

E.  konnte  sich  jetzt  als  völlig  gesund  betrachten;  seine  Lemzeit  war 
beendet,  er  durfte  daran  denken,  selbst  als  Lehrer  aufzutreten.  Im  Sommer 
1865  hat  er  sich  in  Jena  mit  einer  Dissertation  über  die  sechsundzwanzigste 
Dynastie,  das  Königshaus,  dem  die  Pharaonen  seines  Romans  entstammten, 
habilitirt.  Unmittelbar  vorher  hatte  er  die  Lebensgelährtin  gewonnen,  die 
ihm  fortan  in  allen  Wechselfällen  und  Prüfungen  als  die  vertraute  Genossin 
zur  Seite  stehen  sollte,  der  jede  Faser  seines  Innern  sich  in  voller  Hingabe 
erschloss,  Antonie  Lösevitz,  die  Tochter  des  Bürgermeisters  Beck  aus  Riga. 
Sie  brachte  ihm  aus  erster  Ehe  zwei  kleine  Töchter  ins  Haus ;  sechs  Kinder,  von 
denen  drei  Söhne  und  zwei  Töchter  am  Leben  blieben,  sind  der  Ehe  entsprungen. 

In  Jena  hat  E.  mit  steigendem  Erfolge  über  ägyptische  Sprache  und 
Litteratur,  Denkmäler  und  Geschichte  gelesen;  im  Jahre  1869  wurde  er  zum 
ausserordentlichen  Professor  ernannt.  Im  Jahre  vorher  war  das  erste  seiner 
grösseren  wissenschaftlichen  Werke  erschienen,  der  erste  (und  einzige)  Band 
von  »Aegypten  und  die  Bücher  Mose's«.  Der  Verfasser  hatte  sich  die 
dankenswerthe  Aufgabe  gestellt,  die  zahlreichen  Angaben  über  Aegypten, 
weiche  das  alte  Testament  und  zunächst  die  Genesis  enthält,  aus  den  ägyp- 
tischen Denkmälern  eingehend  zu  erläutern.  Das  Werk  hat  rasch  allgemeine 
Anerkennung  gefunden,  denn  es  bot  mehr,  als  der  Titel  besagt:  eine  auf 
gründlicher  Forschung  beruhende  Einführung  in  die  verschiedensten  Seiten 
des  ägyptischen  Alterthums  überhaupt ,  welche  zahlreiche  Ergebnisse  der 
jungen,  damals  noch  mehr  angestaunten,  oft  auch  in  ihrer  Zuverlässigkeit 
bezweifelten,  als  wirklich  bekannten  Wissenschaft  zum  ersten  Male  dem  grösseren 
wissenschaftlichen  Publicum  zugänglich  machte. 

Im  Winter  1869/70  konnte  er  das  Land  seiner  Studien,  von  dem  er  in 
seiner  Königstochter  bereits  eine  so  lebendige  Schilderung  gegeben  hatte, 
zum  ersten  Male  betreten.  Besonderes  Interesse  wandte  er  den  Landschaften 
zu,  welche  der  biblische  Bericht  als  Schauplatz  des  Aufenthaltes  und  des 
Auszuges  der  Israehten  nennt:  er  hat  das  östliche  Delta  und  die  Strasse  zum 
Sinai  durchwandert.  Daraus  ist  sein  Werk  »Durch  Gosen  zum  Sinai«  (1872, 
2.  Aufl.  1881)  hervorgegangen,  welches  an  der  Hand  des  Reiseberichtes  die 
geschichtlichen  und  namentlich  die  topographischen  Fragen  eingehend  erörtert. 
Besonders  lebhaft  trat  er  für  die  Ansicht  von  Lepsius  ein,  der  biblische  Sinai 
sei  nicht  der  Mosesberg,  den  die  Mönche  jetzt  dafür  ausgeben,  sondern  der 
majestätische  Serbai.  Diese  Untersuchungen  führten  den  Verfasser  zugleich  zu 
einem  eingehenden  Studium  der  frühchristlichen  Litteratur  und  einer  Versenkung 
in  das  Treiben  der  Anachoreten  des  Sinai  —  daraus  ist  später  sein  Roman 
Homo  sum  erwachsen. 


Ebers. 


91 


Inzwischen  hatte  E.  einen  Ruf  als  ausserordentlicher  Professor  nach 
Leipzig  erhalten.  Im  Herbst  1870  konnte  er  sein  neues  Amt  antreten,  das  ihm 
einen  bedeutend  erweiterten  Wirkungskreis  bot:  Leipzig  war  damals  der 
Mittelpunkt  der  orientalischen  Studien  in  Deutschland  und  genoss  weit  über 
dessen  Grenzen  hinaus  auf  diesem  Gebiete  das  höchste  Ansehen.  Zu  E.  aber 
zog  nicht  nur  der  Ruf  des  Forschers,  sondern  auch  der  Name,  den  er  als 
Dichter  gewonnen  hatte,  und  wer  seine  Vorlesungen  einmal  besucht  hatte, 
den  fesselte  dauernd  die  lebendige  Art  seines  Vortrages,  der  rege  und  be- 
geisternde Forschungseifer,  der  in  jedem  Worte  hervortrat,  und  nicht  minder 
die  liebenswürdige  und  aufopfernde  Art,  mit  der  er  sich  eines  Jeden  annahm, 
der  ihm  näher  trat.  Zu  den  allgemeinen,  meist  zweistündigen  Vorlesungen 
über  Geschichte,  Denkmäler,  Sitten  und  Gebräuche  der  Aegypter  fanden  sich 
in  der  Regel  über  hundert  Hörer  aus  allen  Facultäten;  daneben  aber  fehlte 
es  nie  an  solchen,  welche  sich  unter  seiner  Leitung  eine  eindringendere  Kennt- 
niss  der  ägyptischen  Sprache  und  Litteratur  erwerben  wollten,  sei  es,  dass  sie 
sich  ganz  diesem  Fache  zu  widmen  gedachten,  sei  es,  dass  sie  wenigstens 
ein  selbständiges  Urtheil  gewinnen  und  in  den  Stand  gesetzt  werden  wollten, 
den  Fortschritten  der  Wissenschaft  theilnehmend  und  prüfend  als  Philologen, 
Historiker,  Theologen  zu  folgen.  Seinem  Beruf  lebte  er  mit  ganzerHingebung, 
und  er  war  zum  akademischen  Lehrer  geschaffen,  wie  wenige.  Gerade  dass 
er  nicht  sowohl  etwas  Fertiges  und  Abgeschlossenes  gab,  sondern  den  Schüler 
in  das  lebendige  Fortschreiten  der  jungen,  allmählich  erst  zu  fester  Gestaltung 
sich  auswachsenden  Wissenschaft  einführte,  dass  er  selbst  ununterbrochen 
lernte,  während  und  indem  er  lehrte,  gab  seinem  Unterricht  einen  ungemeinen 
Reiz  und  erleichterte  dem  Anfänger  das  Einleben  in  die  zahlreichen  Probleme, 
die  hier  noch  der  Lösung  harrten.  E.  ist  der  erste  Aegyptologe  gewesen, 
der  die  Aufopferungsfähigkeit  und  vor  Allem  den  Muth  —  denn  der  gehörte 
damals  noch  dazu  —  besass,  nicht  nur  die  Anfangsgründe  der  Aegyptologie 
zu  lehren,  sondern  mit  seinen  Schülern  die  schwierigsten  Texte  durchzuarbeiten, 
bei  denen  nur  zu  oft  bekannt  werden  musste,  dass  ein  vollständiges,  allseitig 
gesichertes  Verständniss  noch  nicht  erreicht  sei.  Damit  waren  der  unter 
seiner  Leitung  heranwachsenden  Generation  zugleich  die  wichtigsten  Aufgaben 
gestellt,  an  denen  sie  ihre  Kräfte  versuchen  mochte.  So  ist  E.  —  da 
Lepsius  sich  auf  diese  Dinge  nie  eingelassen  hatte  und  Brugsch  in  seinem 
unstäten  Leben  nie  dauernd  an  einer  Universität  wirkte  —  der  erste  und 
lange  Zeit  der  einzige  Lehrer  der  Aegyptologie  in  Deutschland  gewesen,  bis 
die  bedeutendsten  seiner  Schüler,  vor  Allem  Adolf  Erman  in  Berlin,  ihm 
gleichberechtigt  zur  Seite  traten.  Und  dabei  war  E.  von  einer  wahrhaft  be- 
wunderungswürdigen Freiheit  und  Uneigennützigkeit  des  wissenschaftlichen 
Geistes  auf  einem  Gebiete,  wo  bei  anderen  nur  zu  oft  Eifersüchteleien  und 
persönliche  Interessen  sich  geltend  gemacht  hatten.  Immer  war  er  bereit, 
die  Leistungen  eines  Fachgenossen  unumwunden  anzuerkennen  —  in  zahl- 
reichen Recensionen,  namentlich  im  Litterarischen  Centralblatt,  hat  er  dem 
Ausdruck  gegeben  — ,  neidlos  acceptirte  er  jeden  Fortschritt  der  Wissenschaft 
auch  da,  wo  er  über  ihm  lieb  gewordene  Anschauungen  hinwegging  und  ihn 
zwang,  umzulernen,  ja  gerade  in  solchen  Fällen  war  er  der  erste,  der  den 
Ruhm  der  neuen  Entdeckung  verkündete.  Wieder  und  wieder  hat  er  seine 
grammatische  Vorlesung  von  Grund  aus  umgearbeitet.  Diese  Elasticität  des 
Geistes,  dieses  freudige  Fortleben  mit  der  Wissenschaft  hat  er  sich  bis  ans 
Ende  bewahrt,  auch  als  schweres  Leiden  ihm  die  thätige  Mitwirkung  vielfach 


92 


Ebers. 


beschränkte.  Ein  solcher  Mann  musste  das  Vertrauen  aller  Fachgenossen  und 
im  höchsten  Grade  das  seiner  Schüler  gewinnen.  Und  dabei  gab  er  ihnen 
Allen  nicht  nur  von  seinem  reichen  Wissen,  sondern  öffnete  ihnen  auch  einen 
Platz  in  seinem  Herzen.  Einem  Jeden,  der  sich  an  ihn  wandte,  war  er  ein 
treuer  Freund  und  Berather  in  allen  Nöthen,  nicht  nur  der  Wissenschaft, 
sondern  auch  des  Lebens;  wie  viele,  denen  er  in  den  schwersten 
Tagen  mit  Rath  und*  That  beigestanden  hat ,  die  ihm  allein  es  ver- 
danken, dass  die  Wogen  sich  geebnet  haben,  die  sie  schon  zu  verschlingen 
drohten!  —  Den  Dank,  den  sie  ihm  in  so  reichem  Masse  schuldeten,  haben 
seine  Schüler  und  Enkelschüler  ihm  in  einer  Festschrift  zu  seinem  sechzigsten 
Geburtstag  (Aegyptiaca  1897)  auch  vor  der  Oeffentlichkeit  abzustatten  gestrebt. 

Die  Lehrthätigkeit  in  Leipzig  wurde  gleich  im  Winter  1872/3  durch  eine 
zweite  Reise  nach  Aegypten  unterbrochen,  die  der  Vorbereitung  eines  Bädeker- 
schen  Reisehandbuches  für  Aegypten  dienen  sollte.  Als  Begleiter  nahm  er 
den  jungen  Aegyptologen  Ludwig  Stern  mit,  der  sich  seitdem  durch  hervor- 
ragende Arbeiten  einen  hochgeachteten  Namen  unter  den  Fachgenossen  ge- 
wonnen hat.  Diese  Reise  führte  zu  zwei  Funden  von  höchster  Bedeutung. 
In  Theben  entdeckte  E.  das  Grab  des  Feldhauptmanns  Amenemheb,  das 
einen  der  wichtigsten  Texte  aus  der  Zeit  Thutmosis'  III.  (um  1500  v.  Chr.) 
enthält,  den  E.  sofort  herausgab  und  später  eingehend  und  vortrefflich  com- 
mentirte.  Noch  wichtiger  war,  dass  es  ihm  gelang,  eine  der  grössten  und 
wichtigsten  Papyrushandschriften,  die  auf  uns  gekommen  sind,  das  im  J.  1554 
V.  Chr.  geschriebene  medicinische  Handbuch,  das  jetzt  E.*s  Namen  trägt,  für 
die  Leipziger  Universitätsbibliothek  zu  erwerben.  So  gab  es  nach  der  Rück- 
kehr vollauf  zu  thun.  Den  Papyrus  Ebers  hat  er  im  J.  1875  ^^  einer  grossen 
lithographirten  Ausgabe  im  Verlag  von  W.  Engelmann  mustergültig  publicirt,  mit 
ausführlicher  Einleitung  und  Inhaltsübersicht.  Uebersetzung  und  Commentar 
sollten  folgen,  weitere  wissenschaftliche  Pläne  schlössen  sich  daran  an.  Auch 
die  äussere  Anerkennung  fehlte  nicht:  am  29.  Mai  1875  '^'urde  er  zum 
ordentlichen  Professor  ernannt,  schon  vorher  war  er  Mitglied  der  sächsischen 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  geworden. 

Inzwischen  hatte  die  »ägyptische  Königstochter«  ihren  Weg  durch  die  Welt 
gemacht,  zuerst  mit  langsamem,  dann  aber  mit  um  so  grösserem  und  dauer- 
hafterem Erfolge.  Nach  vier  Jahren,  1868,  war  die  zweite  Auflage  erschienen, 
bald  folgten  weitere  und  daneben  Uebersetzungen  in  fremde  Sprachen.  Ein 
solcher  Erfolg  hätte  wohl  locken  können,  und  oft  genug  waren  E.,  nament- 
lich in  Aegypten  und  in  der  Wüste,  neue  poetische  Conceptionen  vor  die 
Seele  getreten  und  hatten  sich  zu  lebendigen  Gestalten  und  Scenen  verdichtet. 
Aber  er  wies  die  Versuchung  von  sich;  er  wollte  fortan  nur  Gelehrter  sein 
und  seinen  grossen  Aufgaben  seine  ganze  Fähigkeit  und  Kraft  uneingeschränkt 
widmen. 

Da  meldete  sich  Anfang  März  1876  das  alte,  seit  mehr  als  einem  Jahr- 
zehnt scheinbar  überwundene  Leiden  aufs  Neue;  und  diesmal  hat  es  den 
Mann,  der  so  kerngesund  und  kräftig  schien,  nicht  wieder  losgelassen.  Bald 
konnte  er  sich  selbst  der  Erkenntniss  nicht  mehr  verschliessen,  dass  er  die 
volle  Gesundheit  nicht  wieder  erlangen  würde.  Aber  E.  war  nicht  der  Mann, 
den  auch  das  schwerste  und  hartnäckigste  Leiden  je  hätte  besiegen  können. 
Waren  zahlreiche  alte  Pläne  zu  Grabe  getragen,  so  fand  er  dafür  um  so 
reicheren  Ersatz.  Wenn  er  lange  Wochen  ans  Bett  gefesselt  war,  wenn  ihm 
auch  in  bessern  Stunden  die  Lähmung  des    einen  Beines,    die  Schwäche  des 


Ebers. 


93 


Rückenmarks  und  die  langen  Badereisen  im  Frühjahr  und  Sommer  eine  an- 
gestrengte und  andauernde  ^wissenschaftliche  Arbeit  unmöglich  machten,  so 
war  sein  Geist  frisch  und  seine  Phantasie  rege  wie  immer,  und  die  Wissens- 
schätze, die  er  gewonnen  hatte,  standen  ihm  jederzeit  zur  freien  Verfügung. 
So  kehrte  er  zur  Dichtung  zurück.  Gleich  in  dem  ersten  schweren  Leidens- 
jahre schrieb  er  den  dreibändigen  Roman  »Uarda«,  und  diesmal  auch  äusser- 
lich  mit  sofortigem  durchschlagendem  Erfolge,  wie  er  bis  dahin  in  Deutsch- 
land kaum  seinesgleichen  gehabt  hatte.  Schon  im  ersten  Jahre  wurden  fünf 
starke  Auflagen  vergriffen,  und  Jahr  für  Jahr  folgten  neue.  Von  da  an  war 
die  zukünftige  Gestaltung  seines  Lebens  entschieden.  Fast  jedes  Jahr  hat 
fortan  einen  neuen  Roman  aus  seiner  Feder  gebracht  —  im  Ganzen  nach  der 
Uarda  noch  fünfzehn,  dazu  im  Anschluss  an  ein  Gemälde  seines  Freundes 
Alma  Tadema  das  Idyll  »eine  Frage«,  ferner  den  in  Stanzen  gedichteten 
»Wüstentraum«  ElifSn,  die  »drei  Märchen  für  Jung  und  Alt«,  das  Märchen 
»die  Unersetzlichen«,  die  schon  erwähnte  »Geschichte  meines  Lebens«,  und 
zum  Abschluss  aus  seinem  Nachlasse  die  dramatische  Erzählung  »das 
Wanderbuch«. 

Von  E.'s  Romanen  spielen  die  ersten  fünf  in  Aegypten  und  auf  der  be- 
nachbarten Sinai-Halbinsel.  Uarda  führt  uns  den  Höhepunkt  der  ägyptischen 
Geschichte  unter  Ramses  II.  lebendig  vor  Augen,  die  Königstochter  schildert  den 
Untergang  des  alten  Pharaonenreichs,  »die  Schwestern«  (1879)  ^^^  Ptolemaeer- 
zeit,  »der  Kaiser«  (1880)  die  römische  Herrschaft  auf  ihrer  Höhe  unter  Hadrian, 
als  schon  das  junge  Christen thum  einen  bedeutenden  Einfluss  auf  Empfinden 
und  Leben  des  Volkes  zu  gewinnen  begann;  »Homo  sum«  (1877)  endlich  zeigt  das 
innere  Leben  des  Christenthums  in  der  Zeit,  als  es  eben  unter  Constantin 
zur  herrschenden  Religion  geworden  ist,  in  dem  Treiben  der  Einsiedler  am 
Sinai.  Damit  schien  die  Reihe  geschlossen;  »der  Kaiser«,  so  meinte  er  in 
der  Vorrede,  würde  der  letzte  seiner  Romane  sein,  dem  er  das  alte 
Aegypten  zum  Schauplatz  anweise.  Und  in  der  That  wandte  er  sich  zunächst 
anderen  Stoffen  zu.  Aber  bald  zog  es  ihn  aufs  Neue  unwiderstehlich  zu  dem 
Lande  seiner  Liebe.  Den  Gedanken  freilich,  bis  in  die  Pyramidenzeit,  zu  den 
Anlangen  der  ägyptischen  Geschichte,  hinaufzusteigen,  wies  er  ab,  so  lebendig 
dieselbe  in  zahlreichen  Monumenten  uns  entgegentritt;  dazu,  so  meinte  er,  seien 
diese  Gestalten  uns  do\:h  zu  fernstehend,  zu  gespenstisch.  Auch  fehlte  hier 
jede  Berührung  mit  einer  anderen,  lebensfrischeren  Cultur,  die  ein  Gegen- 
bild hätte  liefern  können.  Aber  um  so  mächtiger  reizte  ihn  der  Ausgang 
der  ägyptischen  Geschichte,  die  ptolemäische  und  römische  Zeit,  die  in 
Arachne  (1897,  unter  dem  zweiten  Ptolemäus),  Kleopatra  (1893,  der  Ge- 
liebten des  Antonius),  Elif(§n  (1887,  unter  Hadrian),  Per  aspera  (1891,  mit 
der  düsteren  Gestalt  Caracallas  als  Mittelpunkt)  behandelt  sind.  Daran 
schliesst  sich  in  Serapis  (i  884)  der  letzte  Schlag,  den  das  siegreiche  Christen- 
thum  gegen  das  Heidenthum  führt,  die  Zerstörung  des  grossen  Serapisheil ig- 
thums  von  Alexandria  392  n.  Chr.,  und  in  der  Nilbraut  (1886)  der  Sieg  des 
Islams  über  das  christliche  Aegypten.  In  frühere  Zeiten  greift  nur  der  Roman 
»Josua«  (1889)  zurück.  —  Die  übrigen  Romane  behandeln  sämmtlich  Episoden 
aus  der  Uebergangsepoche  vom  Mittelalter  zur  Neuzeit,  und  versetzen  uns 
theils  in  die  Niederlande,  die  Heimath  der  Mutter,  zur  Zeit  des  Be- 
freiungskampfes, so  »Die  Frau  Bürgemeisterin«  (1881;  behandelt  die  Be- 
lagerung von  Antwerpen  1574),  Barbara  Blomberg  (die  Mutter  Don  Juan 
d'Austria's,   1896),    und    theilweise  wenigstens   der  unter  Philipp  11.  spielende 


94 


Ebers. 


Roman  »ein  Wort«  (1882);  theils  auf  deutschen  Boden,  vor  Allem  nach 
Nürnberg,  so  »Im  Schmiedefeuer«  (1894,  unter  Rudolf  von  Habsburg),  »Die 
Gred«  (1888,  im  fünfzehnten  Jahrhundert),  »Im  blauen  Hecht«  (1895,  Anfang 
des  sechszehnten  Jahrhunderts)  und  der  Eingang  von  »Ein  Wort«.  Neben 
dem  Streben,  vergangenen  Zeiten  und  Cuituren  und  die  Fragen,  die  sie  bewegt 
haben,  anschaulich  zu  gestalten,  sind  es  vor  Allem  zwei  Probleme,  die  in 
diesen  Romanen  immer  aufs  Neue  angeschlagen  werden,  nicht  selten  innig 
mit  einander  verschlungen:  einmal  das  religiöse  Problem,  das  Werden  und 
Wachsen  der  Religion,  der  Kampf  der  neuen  Religion  mit  der  alten,  das 
Verhältniss  der  Religion  zu  dem  einzelnen  Menschen  und  seinen  Idealen,  so- 
dann aber  das  Problem  des  Künstlerlebens.  Von  Jugend  auf,  seit  er  als 
Kind  in  Drakes  Werkstatt  verkehrte,  hatte  er  ein  nahes  Verhältniss  zur  bil- 
denden Kunst  gewonnen,  und  immer  aufs  Neue  hat  er,  in  Aegypten  wie  in 
der  Renaissancezeit,  das  Werden  und  Wachsen  des  Künstlers,  seine  Befreiung 
aus  den  Fesseln  einer  die  freie  Bewegung  erstickenden  Tradition  zu  zeichnen 
versucht. 

Alle  diese  Dichtungen  sind  im  Bade  und  auf  den  Reisen  im  Sommer  und 
Herbst  geschrieben  worden.  Die  übrige  Zeit  dagegen  blieb  nach  wie  vor 
der  Wissenschaft  und  der  Lehrthätigkeit  gewidmet.  Denn  wenn  er  auch 
wieder  zum  Poeten  geworden  war,  ein  Gelehrter  und  ein  Lehrer  wollte  er 
doch  bleiben.  Freilich  bereitete  ihm  gerade  hier  die  Krankheit  die  schwersten 
Hindernisse.  Auch  wenn  die  Schmerzen  nachli essen  und  zeitweilig  ganz  auf- 
hörten, wenn  er  sich  auf  den  Stock  gestützt  im  Zimmer  bewegen  konnte,  so  war 
ihm  doch  eine  Benutzung  der  Museen,  und  was  noch  weit  schlimmer  war, 
die  Benutzung  eines  grossen  Theils  der  ägyptologischen  Werke  versagt,  trotz 
der  ausgezeichneten  Bibliothek,  die  er  sich  erworben  hatte,  und  in  der  aus 
der  Fachlitteratur  wohl  kein  einziges  Buch  fehlte.  Denn  zahlreiche  dieser 
Werke,  und  gerade  die  wichtigsten  von  Allen,  waren  Folianten  grössten 
Formats,  und  mit  ihnen  zu  hantiren,  ja  sie  auch  nur  nachzuschlagen,  war 
für  ihn  zur  Unmöglichkeit  geworden.  So  hat  er  zwar  die  wissenschaftliche 
Arbeit  seines  Fachs  nach  wie  vor  mit  regstem  Eifer  verfolgt  und  sich  zu 
eigen  gemacht,  sie  auch  besprochen,  und  bis  an  sein  Ende  nicht  selten  mit 
einzelnen  Aufsätzen,  namentlich  in  der  »Zeitschrift  für  ägyptische  Sprache  und 
Alterthumskunde«  und  in  Referaten  für  ein  grösseres  Publikum  in  sie  ein- 
gegriffen; aber  eine  führende  Mitarbeit  war  ihm  nur  in  beschränktem  Umfange 
möglich.  Auch  sein  »Aegypten  und  die  Bücher  Moses«  hat  er  nicht  fort- 
gesetzt, es  auch  abgelehnt,  eine  neue  Auflage  zu  bearbeiten,  wenngleich  ihn 
der  Stoff  immer  aufs  Neue  reizte  und  sich  schliesslich  1889  ^^  ^^^  Roman 
»Josua«  verdichtete.  Aber  E.  empfand,  dass  es  bei  den  gewaltigen  Fort- 
schritten der  alttestamentlichen  Wissenschaft  nicht  mehr  möglich  war,  den 
verwickelten  Fragen  der  höheren  Kritik  in  der  Weise  aus  dem  Wege  zu 
gehen,  wie  er  es  in  der  ersten  Auflage  gethan  hatte  und  thun  durfte.  Apo- 
logetische Tendenzen  hatten  ihm  immer  ganz  fern  gelegen  —  er  stand  in 
seinen  wissenschaftlichen  Ueberzeugungen  und  in  seiner  Betrachtung  der  Re- 
ligionsgeschichte allerdings  auf  dem  Boden  des  Christenthums,  aber  durchaus 
nicht  auf  dem  einer  buchstabengläubigen  Orthodoxie.  So  war  es  ihm, 
wie  er  mir  1886  schrieb,  »klar  geworden,  dass  ich  nicht  mehr  der  naive 
Commentator  des  vorliegenden  Textes  sein  dürfe,  sondern  gehalten  sei,  ganz 
andere  kritische  Massstäbe  als  früher  anzulegen«,  und  dafür  seine  »spärliche 
Arbeitszeit^,    auf   lange    hinaus    festzulegen,    fehlte    ihm    die  Neigung.     Aber 


Ebers. 


95 


wenigstens  Commentar  und  Uebersetzung  seines  Papyrus  hoffte  E.  fertig 
stellen  zu  können,  und  mehrere  Vorarbeiten  dazu  hat  er  auch  veröffent- 
licht; das  Werk  zum  Abschluss  zu  bringen,  ist  ihm  nicht  mehr  vergönnt  ge- 
wesen. 

Aber  auch  hier  wusste  E.  sich  Ersatz  zu  schaffen.  Wenn  er  in  seinen 
Romanen  das  Land  seiner  Studien  in  poetischer  Verklärung  schilderte,  so 
sollte  es  daneben  dem  Leser  in  seiner  gegenwärtigen  Gestalt  lebendig  vor 
Augen  geführt  werden  —  nicht  nur  die  Fülle  der  Monumente  des  Alterthums, 
sondern  nicht  minder  die  grossen  Schöpfungen  der  islamischen  Zeit  und  vor 
Allem  das  Leben  und  Treiben  des  heutigen  Volkes  in  all  seinen  Schichten, 
wie  es  sich  dem  Auge  des  Forschers  wie  des  Künstlers  darstellt.  Die  Auf- 
gabe war  um  so  lohnender,  weil  nur  zu  rasch  auch  in  Aegypten  die  nivelli- 
rende  Cultur  des  Abendlandes  hereinbricht  und  unerbitterlich  Altes  und 
Neues  verschlingt,  neben  vielem  Morschem  und  Verfallenem  auch  Vieles,  was 
dauernd  weiter  zu  bestehen  verdiente  und  noch  mehr,  was  alle  Zeit  das 
Interesse  nicht  nur  der  Gelehrten,  sondern  der  ganzen  gebildeten  Welt  in 
Anspruch  nehmen  wird.  So  verband  sich  E.  mit  einer  grossen  Schaar  von 
Künstlern  zur  Schöpfung  eines  grossen  Prachtwerkes.  Sein  Name,  seine 
Verbindungen  und  noch  mehr  sein  tiefdringendes  Kunstverständniss  und  der 
fesselnde  Zauber  seiner  Persönlichkeit  gewannen  zahlreiche  der  hervorragendsten 
Künstler  für  das  Unternehmen;  unter  den  Mitarbeitern  erscheinen  Namen 
wie  Gustav  Richter,  Hans  Makart,  Wilhelm  Gentz,  Ferdinand  Keller,  Carl 
Werner,  Leopold  Carl  Müller,  Rudolf  Huber  und  zahlreiche  Andere ;  die  künst- 
lerische Leitung  übernahm  Adolf  Gnauth.  »Aegypten  in  Bild  und  Wort«,  er- 
schienen 1878 — 1880,  ist  das  Vorbild  zahlreicher  Prachtwerke  geworden,  von 
denen  keines  ihm  gleichkommen  dürfte.  Eines  derselben  hat  E.  selbst  bald  darauf 
in  Verbindung  mit  Hermann  Guthe  geliefert,  »Palästina  in  Bild  und  Wort« 
(1882 — 84),  die  freie  Bearbeitung  einer  englischen  Vorlage,  zu  der  E.  vor 
Allem  die  Beschreibung  der  Sinaihalbinsel  beisteuerte.  —  Den  Text  seines 
Prachtwerkes  hat  E.  später  als  »Cicerone  durch  das  alte  und  neue  Aegypten« 
{1884)  weiteren  Kreisen  bequem  zugänglich  gemacht.  Dagegen  ist  sein  Reise- 
handbuch für  Aegypten  in  Folge  mancher  äusserer  Störungen  nicht  zum  Ab- 
schluss gelangt.  Doch  liegt  den  älteren,  seit  1877  erschienenen  Auflagen  des 
Bädekerschen  Handbuchs  in  weitem  Umfange  ein  E.'sches  Manuskript  zu 
Grunde,  bis  die  fortschreitende  Umgestaltung  des  Landes  und  die  zahlreichen 
neuen  Entdeckungen  eine  vollständige  Umarbeitung  nöthig  machten,  die  1897 
G.  Steindorff  vorzüglich  ausgeführt  hat. 

Von  anderen  wissenschaftlichen  Arbeiten  ist  ausser  Abhandlungen  über 
die  Grafschen  Mumienporträts  und  über  die  koptische  Kunst  vor  Allem  noch 
das  eingehende  und  warm  geschriebene  Denkmal  zu  nennen,  das  er  nach 
Lepsius'  Tode  seinem  Lehrer  setzte  (Richard  Lepsius,  ein  Lebensbild,  1885), 
zugleich  eine  fesselnde  Biographie  und  ein  werth voller  Beitrag  zur  Geschichte 
der  W^issenschaft.  Gewissermassen  eine  Ergänzung  bildet  der  Nekrolog  auf 
Gustav  Seyffarth  (1796— -1885),  ^^"  erbitterten  Gegner  Champollions,  der  eine 
bessere  Methode  der  Lesung  der  Hieroglyphen  gefunden  zu  haben  glaubte, 
an  der  er  neben  anderen  seltsamen  Schrullen  mit  zäher  Hartnäckigkeit  fest- 
hielt. Die  Abhandlung  (in  der  Zeitschrift  der  deutschen  morgenl.  Gesellschaft, 
Bd.  41,  1887)  ist  um  so  anziehender,  da  E.  dem  Gegner,  der  ihn  selbst  auf 
das  Schärfste  angegriffen  hatte,  in  unparteiischer  Weise  gerecht  zu  werden 
und    ihm  womöglich    inmitten    all    seiner   abenteuerlichen  und  verschrobenen 


q6  Ebers. 

Ideen  doch  noch  einige  für  die  Entwicklung  der  Wissenschaft  förderliche  Ge- 
danken zu  retten  sucht. 

Neben  dieser  umfassenden  Thätigkeit  hat  E.,  so  lange  sein  Befinden  es 
irgend  zuliess,  seine  Lehrthätigkeit  fortgesetzt.  Freilich  grössere  Vorlesungen 
in  der  Universität  hat  er  nie  wieder  halten  können ;  aber  in  seiner  Studirstube, 
um  seinen  Krankenstuhl,  ja  nicht  selten  um  sein  Bett,  versammelte  er  noch 
ein  Jahrzehnt  lang  den  engeren  Kreis  der  Studenten,  welche  in  die  Aegypto- 
logie  tiefer  eindringen  wollten.  Freilich  brachten  heftigere  Krankheitsanfälle 
und  die  unentbehrlichen  Erholungs-  und  Badereisen  vielfache  Unterbrechungen^ 
und  bald  zeigte  es  sich,  dass  das  schlechte  Klima  von  Leipzig  seiner  Gesund- 
heit so  unzuträglich  war,  wie  möglich.  So  hatte  er  schon  den  Winter  1879/80 
in  Nizza  zugebracht  und  im  Sommer  mehrfach  Urlaub  genommen.  Schliess- 
lich Hess  er  sich  1887  den  Urlaub  auf  zwei  Jahre  verlängern,  und  allmählich 
rang  sich  ihm  die  schwere  Erkenntniss  durch,  dass  er  nach  Leipzig  nicht 
wieder  zurück  dürfe.  Im  Herbst  1889  kam  er  um  seinen  Abschied  ein.  Es 
war  für  ihn  vielleicht  der  schwerste  Schlag,  dass  er  der  Lehrthätigkeit, 
der  er  so  viele  Freude  verdankte  und  in  der  er  so  Hervorragendes  ge- 
leistet hatte,  für  alle  Zeit  entsagen  musste.  Fortan  hat  er  die  Winter  in 
München,  die  Sommer  in  Tutzing  verlebt,  wo  er  schon  im  Jahre  1882  eine 
freundliche  Villa  in  herrlichster  Lage  am  Stamberger  See  erworben  hatte. 
In  München  hat  ihn  im  Jahre  1895  die  Akademie  der  Wissenschaften  in 
ihren  Kreis  aufgenommen. 

Zweiundzwanzig  Jahre  lang  ist  E.  ein  schwerkranker  Mann  gewesen. 
Die  Geschichte  seiner  Krankheit  im  Einzelnen  zu  erzählen,  ist  nicht  dieses 
Ortes,  so  interessant  sie  den  Medicinem  sein  mag,  deren  düstere  Voraussagen 
sie  glücklicherweise  zwei  Jahrzehnte  lang  immer  auf's  Neue  widerlegt  hat. 
Mit  dem  Hauptleiden,  einer  langsam  fortschreitenden  Erkrankung  der  Rücken- 
markshäute, war  eine  hochgradige  Ischias  verbunden,  die  periodisch  zu  den 
heftigsten  Schmerzan fällen  führte.  Schliesslich  wurden  die  Anlälle  so  häufig  und 
die  Qualen  so  arg,  dass  ein  operativer  Eingriff  nothwendig  wurde.  Durch  die  vom 
Obermedicinalrath  Burckhardt  in  Stuttgart  1886  ausgeführte  blutige  Nervendeh- 
nung, eine  Zerrung  des  blossgelegten  Nervenstranges,  wurde  die  Kraft  der  Ischias 
gebrochen;  seitdem  nahm  sie  allmählich  mehr  und  mehr  an  Heftigkeit  ab. 
Für  das  Hauptleiden    allerdings    gab    es  nur  Linderung,   aber  keine  Heilung. 

Wenn  der  Verlauf  der  Krankheit  zeigt,  welch  gewaltige  Widerstandskraft,, 
welche  Fülle  von  gesundem  Leben  trotz  alledem  in  E.'s  Körper  wohnte,  so 
gilt  das  in  noch  höherem  Maasse  von  seinen  geistigen  Eigenschaften.  Er 
war  eine  durch  und  durch  gesunde  Natur,  von  geradezu  unverwüstlicher 
Lebensfrische  und  Lebenskraft.  Das  Leiden,  das  über  ihn  verhängt  war,  be- 
trachtete er  als  eine  Schickung,  in  die  er  sich  fügen  musste ;  aber  nie  hat 
es  ihn  auch  nur  für  einen  Moment  missmuthig  oder  unzufrieden  gemacht, 
oder  gar  ihm  die  tiefe  und  reine  Heiterkeit  der  Seele  getrübt.  Wohl  sprach 
er  mit  Bedauern  von  dem,  was  ihm  fortan  versagt  war;  aber  nur  um  so  fester 
hielt  er,  was  ihm  geblieben.  Und  wie  verstand  er,  das  Leben  zu  gemessen, 
den  Moment  voll  auszukosten!  Nichts  lag  ihm  femer  und  war  seinem  ganzen 
Wesen  fremder,  ja  unfasslicher,  als  die  blasirte  Art  des  Genussmenschen,  der 
sich  gegen  fremdes  Leiden  abstumpft  und  nur  die  eigenen  Bedürfnisse  kennt; 
mit  innigster  Theilnahme  durchlebte  er  mit  Jedem,  der  ihm  näher  stand, 
Freude  wie  Schmerz.  Aber  wie  er  das  eigene  Leiden,  auch  wenn  ihn  der 
qualvollste  Anfall  packte,    im  nächsten  Moment    abzustreifen,    ja  fast  zu  ver- 


Ebers. 


97 


gessen  vennochte,  so  hat  er  tiberall  das  Böse  und  Widrige  getragen,  das  Gute 
und  Schöne  ergriffen  und  ausgestaltet.  In  seiner  Lebenshaltung  blieb  er 
einfach  und  anspruchslos,  trotz  des  durch  den  Ertrag  seiner  Werke  sich  fort- 
dauernd mehrenden  Wohlstandes;  aber  jeden  geistigen  Genuss,  jede  Bereiche- 
rung seines  Wissens  und  seiner  Anschauung  ergriff  er  und  hielt  er  fest.  Bis 
in  sein  letztes  Jahr  ist  er  gern  und  viel  gereist,  trotz  aller  Beschwerden,  ja 
in  einzelnen  besonders  günstigen  Momenten  hat  er  noch  in  Leipzig 
oder  Wiesbaden  das  Theater  oder  in  Berlin  das  durch  Erman  umgestaltete 
und  bedeutend  erweiterte  ägyptische  Museum  besuchen  können.  Vor  Allem 
aber  war  es  der  Verkehr  mit  den  Menschen,  der  ihm  zum  tiefsten  Lebens- 
bedürfniss  geworden  war;  und  magnetisch  wusste  er  sie  anzuziehen  und  fest- 
zuhalten: die  Vormittage  hielt  er  sich  frei,  aber  Nachmittags  wurde  sein 
Zimmer  nicht  leer  von  Besuchern,  bis  die  sorgende  Gattin  einschreiten  und 
zum  Aufbruch  mahnen  musste.  Jeder  erschloss  sich  ihm,  weil  er  sich  ihm 
liingab,  weil  er  mit  Keinem,  der  üim  irgend  etwas  bot,  in  Berührung  treten 
konnte,  ohne  ihn  in  warmen  und  herzlichen  Beziehungen  an  sich  zu  knüpfen. 
So  stand  er,  wo  er  auch  weilte,  ununterbrochen  in  einem  weiten  Freundes- 
kreis, in  den  kaum  je  eine  Trübung  gefallen  ist.  Er  war  ein  Meister  lebendiger 
und  anregender  Conversation,  niemals  gesucht,  aber  immer  den  Besuchern 
viel  gebend,  weil  er  immer  sich  selbst  ganz  und  ungeschminkt  gab;  jede 
Unterhaltung  mit  ihm  war  ein  hoher  geistiger  Genuss.  Mit  den  abwesenden 
Freunden  unterhielt  er  die  regste  Correspondenz,  und  seine  Briefe  waren 
fesselnd  und  inhaltreich  wie  seine  Gespräche,  weil  er  schrieb,  wie  er  im  nie 
stockenden  Gespräch  die  Unterhaltung  führte.  Den  Mittelpunkt  seiner  Welt 
aber  bildete  der  Kreis  der  Familie,  der  sich,  wie  die  Kinder  heranwuchsen, 
durch  die  hinzutretenden  Schwiegersöhne  und  Schwiegertöchter  rasch 
und  glücklich  erweiterte.  Schwere  Schicksalschläge  sind  ihm  auch  hier 
nicht  ganz  erspart  geblieben;  aber  ein  glücklicheres  und  harmonischeres 
Famüienleben  könnte  Niemand  ersinnen  als  das  des  E.' sehen  Hauses.  So  hat 
er  das  Leben  geniessen  können  wie  wenig  andere  Menschen.  Aber  wenn  ihm 
das  Schicksal  viel  gewährt  hat  und  sein  Loos  trotz  aller  Leiden  beneidens- 
werth  erscheinen  könnte,  so  ist  das  Hauptverdienst  sein  eigenes:  er  selbst  hat 
sich  das  Leben  so  reich  und  so  freudenvoll  gestaltet.  Ungetrübt  und  uner- 
schüttert erhielt  er  sich  bis  zum  letzten  Athemzug  den  Glauben  an  die 
Ideale,  die  sein  Innerstes  bewegten,  den  Glauben  an  das  Gute,  das  in 
jedem  Menschen  lebt  und  trotz  reicher  Fülle  und  arger  Auswüchse,  die 
es  zu  ersticken  drohen,  zum  Durchbruch  kommen  kann  und  muss,  und  vor 
Allem  den  Glauben  an  die  Allmacht  der  Liebe. 

Das  ist  der  Gesichtspunkt,  unter  dem  auch  seine  Dichtwerke  betrachtet 
werden  müssen.  Seine  Romane  wollen  zugleich  Cultur-  und  Zeitbilder  sein 
und  Schilderungen  des  unter  den  verschiedensten  Erscheinungsformen  und  zu  den 
verschiedensten  Zeiten  in  seinem  Kern,  in  den  Empfindungen  und  Leidenschaften, 
die  es  bewegen,  gleichartigen  Menschenlebens.  Unter  dem  ersten  Gesichtspunkt 
haben  sie  allgemeine  Anerkennung  nicht  nur  in  Deutschland  gefunden;  unter 
dem  zweiten  sind  sie,  trotz  des  gewaltigen  äusseren  Erfolgs,  nicht  selten  auch 
auf  entschiedenen  Widerspruch  gestossen.  Namentlich  hat  man  ihm  zum 
Vorwurf  gemacht,  er  trage,  zumal  in  seinen  Liebesscenen,  in  das  Alterthum 
moderne  Empfindungen  hinein  über  die  Grenzen  hinaus,  die  dem  Dichter  ge- 
stattet sind;  seine  Gestalten  seien  moderne  Menschen  in  antikem  Gewände. 
Nicht  ohne  Geschick    hat  sich  E.  dagegen   namentlich   in   der  Vorrede   zur 

Btogr.  J«hrb.  u.  DeaUcber  Nekrolog.    3.  Bd.  *j 


gS  Ebers. 

zweiten  Auflage   der  Königstochter  vertheidigt;   mit  vollem  Recht  konnte  er 
darauf  verweisen,  dass  die  Grund  triebe  und  die  beherrschenden  Empfindungen 
im  menschlichen  Leben  immer   dieselben  geblieben  sind    trotz  der  verschie- 
denen Gewandung,    dass  auch    im  Alterthum    uns   viele  Zeugnisse  nicht  nur 
von  glühender  Liebesleidenschaft,  sondern  auch  von  inniger  Gattenliebe  be- 
richten.     Wenn   ich   mich   nicht   täusche,    trifft  Einwand   und  Vertheidigung 
nicht  ganz   den  Kern  der  Frage.      E.  hatte   den  Ernst   des  Lebens  kennen 
gelernt,  er  hatte  erfahren,  dass  Leben  Leiden  ist,  und  er  ist  allezeit  bestrebt 
gewesen,  dem  wie  in  seiner  eigenen  Lebensführung  so  in  seinen  Dichtungen 
Rechnung  zu  tragen.      Aber  so  weit  er  von  einem  naiven  Optimismus,    von 
der  Meinung,  dass  Alles  gut  sei,  entfernt  ist,  noch  femer  lag  ihm  als  Mensch 
wie    als    Dichter    der    Pessimismus    und    die   Weltflucht.      Vielmehr    ist    der 
Grundzug  seines  Wesens  überall  ein  sehr  energischer  Wille  zum  Leben,  eine 
freudige  Bejahung    der  Welt.     Am  Ergreifendsten    und  Packendsten  tritt  das 
wohl  in  Homo  sum  hervor,  wo  er  sich  bemüht,  die   Entsagung  des  Mönchs, 
die  Ertödtung  des  Fleisches  zu  erfassen  und  fiir  seine  Helden  als  Ideal  fest- 
zuhalten.    Aber  nur  um  so   energischer  lässt    er  hier  immer  aufs  neue  den 
natürlichen  Trieb  zum  Leben  und  zum  Genuss  hervorbrechen  und  die  Helden 
straucheln  und   fallen,   gerade  wenn  sie  glauben  ihr  Ziel  erreicht  zu  haben. 
Ihr  Ideal  ist  nicht  das  Seine;   er  bekennt,  dass  wir  Menschen  sind  und  sein 
müssen  und  sollen,   dass  wir  das  Leben  nicht  fliehen,   sondern  uns  ihm  hin- 
geben,    aber    es     sittlich    und    geistig    durchdringen    und    erheben    sollen: 
in  der  praktischen  Thätigkeit  des  seine  Aufgaben  erfüllenden  Menschen,   des 
Mannes  und  des  Weibes,  und  in  der  Alles  durchdringenden  Liebe  liegt  sein 
Ideal.      Was  er  hier  lehrt,   was  in  ganz   anderer  Ausfuhrung  das  Lebensbild 
»ein  Wort«  verkündet,  das  aus  den  Wirren  eines  wilden  Lebens  den  Helden 
vom  »Glück«  zur  »Kunst«,  von  dieser  zum  »Ruhm«  und  weiter  zur  »Macht« 
führt,    bis  er  in  der  »Liebe«    die  Erlösung  findet  —  das  giebt  die  Grund- 
stimmung  auch   in   den   anderen   Romanen.      Darauf  beruht  der  idealistische 
Zug,  der  durch    alle  seine  Werke  hindurch  geht:    er  umfasste  die  Menschen 
mit    liebendem    Herzen    und    musste    sie    demgemäss    schildern.      Aber   im 
Bereich  der  Dichtung  hat  auch  die  Phantasie  ein  Recht  zu   walten;  sie  darf 
die  menschlichen  Verhältnisse   idealisiren  und,    trotz  aller  Anerkennung    der 
realen  und  der  finsteren  Mächte,    hinausheben    in   eine   höhere  Region.      So 
kommt  ein  starkes  romantisches  Element  in  all  seine  Schöpfungen.     Ihm  ge- 
hören die  Scenen  an,    gegen  die  der  Widerspruch   in  erster  Linie  sich  ge- 
richtet hat.     Nicht  um  antik  oder  modern  handelt  es  sich:  dass  ein  Pentaur 
und  gar  ein  Nebsecht  Gedanken  äussern,  die  auf  ägyptischem  Boden  niemals 
erwachsen  sind,  dass  ein  in  den  Banden  der  Priesterschaft  von  Philae  aufge- 
wachsener junger  Bildhauer,   wie  Hör  in  »ElifiSn«,   unmöglich  ein  Kunstwerk 
schaffen  konnte,    das  den    höchsten  Leistungen    griechischer   Künstier  eben- 
bürtig an  die  Seite  tritt,  dass  in  Caracallas  Zeit  thatsächlich  die  Kunst  schon 
in  vollster  Decadence  stand,  und  zahlreiche  ähnliche  Abweichungen  von  der 
historischen  Wahrheit  ertragen  wir  willig,  weil  in  ihnen  eine  höhere  Lebens- 
wahrheit   zum    Ausdruck    kommt.      Aber    die    Liebe    des  persischen  Prinzen 
Bartja  zu  dem  griechischen  Mädchen  Sappho,  der  ägyptischen  Prinzessin  Bent- 
anat    zu    dem   rebellischen    Priester  Pentaur,   des  vornehmen  Römers  Scipio 
zu  der  Tempel dienerin  Klea  und  die  Ehe,   welche  sie  schliessen,  gehören  so 
wenig    wie   etwa    die  Umwandlung  des    schwäbischen   Schmiedesohns  Ulrich 
(in  »ein  Wort«)   zugleich  in  einen    erfolgreichen  Heerführer  und  einen  vor- 


Ebers,     v.  Kaltenbom-Stacbau. 


^9 


trefflichen  Maler  der  irdischen  Welt  an,  sondern  der  Wunderwelt  der  Phan- 
tasie, die,  um  ein  höchstes  Ideal  in  die  Farben  der  Wirklichkeit  zu  kleiden, 
sich  über  die  engen  Schranken  hinwegsetzt,  an  die  das  menschliche  Leben 
gebunden  ist.  Man  mag  streiten,  wie  weit  das  in  einem  historischen  Roman 
zulässig  ist;  dass  der  Dichter  Tausende  von  Lesern  dadurch  gewonnen  hat, 
ist  zweifellos.  Nicht  der  am  Wenigsten  glänzende  Beweis  dieses  Erfolgs  war, 
dass  sich  elf  hervorragende  Künstler  zusammenfanden,  um  die  Glanzscenen 
seiner  ersten  acht  Dichtungen  durch  die  prächtigen  Bilder  der  »Ebers-Gallerie« 
zu  illustriren.  — 

Symptome  des  Fortschreitens  der  Krankheit  hatten  sich  wiederholt  ge- 
zeigt, namentlich  in  Lähmungserscheinungen  der  linken  Seite.  Aber  der  Geist 
war  frisch  und  schaffensfreudig  wie  immer,  die  Körperkraft  noch  ungebrochen. 
Eifrig  war  er  für  das  grosse  Unternehmen  einer  Sammlung  des  gesammten 
Wortschatzes  der  ägyptischen  Denkmäler  und  Schriftwerke  thätig,  welches 
unter  Leitung  der  deutschen  Akademien  in  Angriff  genommen  ist;  auch 
kleinere  wissenschaftliche  Aufsätze  hat  er  noch  im  Frühjahr  1898  geschrieben. 
Da  trat  im  Juni  die  Krisis  ein:  die  Krankheit  hatte  das  Herz  ergriffen.  Es 
folgten  Tage  schwersten  Leidens,  die  nur  dadurch  gemildert  wurden,  dass  er 
vielfach  in  traumhafte  Zustände  versank.  Dann  hob  sich  das  Bewusstsein 
noch  einmal,  die  Schwäche  nahm  ab,  die  Seinen  konnten  leise  Hoffnung 
schöpfen.  Es  war  das  letzte  Aufflackern  seiner  Lebenskraft.  Seinem  Wunsche 
gemäss  wurde  am  3.  August  die  Trauung  der  jüngsten  Tochter  stül  vollzogen. 
Dann  nahm  er  von  allen  den  Seinen  ergreifenden  Abschied.  Am  4.  August 
versank  er  in  einen  ruhigen  Schlaf,  aus  dem  er  nur  noch  für  kurze  Momente 
erwachte,  am  Nachmittag  des  7.  August  1898  ist  er  sanft  entschlafen. 

Fftmilien-Mittheilungen  uod  eigene  ErinneruDgen.  Das  Buch  von  R.  Gosche  (1884) 
behandelt  nur  die  bis  dahin  erschienenen  Romane  E.'s;  biographisch  ist  es  ohne  Belang.  — 
Gemalt  ist  Ebers  von  Lepsius  und  in  späteren  Jahren  von  Franz  von  Lenbach;  eine 
Marmorbüste  hat  Joseph  Kopf  geschaffen.  Alle  drei  Werke  befinden  sich  im  Besitz  der 
Familie.  Ein  Bronceabguss  der  Kopf  sehen  Büste  ist  am  Grabdenkmal  auf  dem  nördlichen 
Friedhof  in  München  angebracht.  Das  Lenbach'sch  Bildniss  ist  in  »Ueber  Land  und 
Meer«,  Jahrgang  39  No.  22,  reproducirt. 

Eduard  Meyer. 

V.  Kaltenbom-Stachau,  Hans  Karl  Georg,  Kgl.  Preussischer  General 
der  Infanterie  z.  D.,  ä  la  suite  des  Kaiser  Alexander  Garde-Grenadier-Regi- 
ments No.  I,  ♦  am  23.  März  1836  in  Merseburg,  f  am  15.  Februar  1898  in 
Braunschweig  in  Folge  von  Blinddarmentzündung  und  Herzschlag.  —  K.  erhielt 
seine  erste  Bildung  auf  dem  Magdeburger  Domgymnasium.  Dann  folgte  der 
Besuch  der  Kadettenhäuser  Bensberg  und  Berlin.  18  Jahr  alt  —  am 
29.  April  1854  —  trat  er  bereits  als  Seconde-Lieutenant  in  das  Magde- 
burgische Inf.  Rgt.  No.  27  ein.  Immer  bemüht,  sich  weiter  zu  bilden, 
machte  er  das  Examen  zur  Allgemeinen  Kriegsschule  (jetzt  Kriegsakademie), 
welche  er  von  1857 — 1860  mit  gutem  Erfolge  besuchte.  1861  zum  Premier- 
lieutenant befördert,  wird  er  in  das  4.  Magdeburgische  Inf.  Regt.  No.  67 
versetzt  und  bis  1863  zur  topographischen  Abtheilung  des  Grossen  General- 
stabs commandirt.  Während  des  Krieges  1864  fungirte  er  von  Mai  bis  De- 
cember  als  militärisches  Mitglied  der  Eisenbahnlinien-Commission  in  Altona 
und  nahm  Theil  an  der  Eroberung  der  Insel  Alsen.  Dann  wurde  er  als 
Generalstabsofficier  zum  Generalcommando  des  VI.  Armeecorps  conunandirt 
und     im    April    1865    als    Hauptmann     definitiv     in    den    Generalstab     des 

7* 


lOO  V-  Kaltenbom-Stachau. 

VI.  Armeecorps  versetzt.    Als  solcher  machte  er  den  Krieg  gegen  Oesterreich 
mit,    in    dem    er    sich    den  Kronenorden  IV.  Klasse    mit  Schwertern  erwarb. 
Vom  September  1866  bis  November  1868  gehörte    er  dem  Generalstabe  der 
II.  Infanterie-Division  an,  wurde  dann  dem  5.  Thüringischen  Inf.  Rgt.  No.  94 
(Grossherzog  von  Weimar)    zugetheilt    und  1869   in  den  Grossen  Generalstab 
versetzt     und     dem     Generalstab     des     VII.    Armeecorps     zugetheilt.       Am 
10.  Mai  1870  wurde  er,   noch  nicht  34  Jahre  alt,    zum  Major  befördert.     Im 
Kriege  gegen  Frankreich  1870/71  nahm  er  an  folgenden  Schlachten  und  Be- 
lagerungen   Theil:    Spichern,    Colombey-Nouilly,    Bois    de  Vaux,    Gravelotte, 
Belagerung  von  Metz    und    Diedenhofen,    Schlachten    bei    Marnay    und  Pon- 
tarlier.     Für    seine    ausgezeichneten  Dienste    und    seine  Tapferkeit  erhielt  er 
das  Eiserne  Kreuz  I.  Klasse.     1874  erfolgte  seine  Versetzune  in  das  Grenadier- 
Regiment  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  (i.  pommersches)  Wo.  2,    1875  seine 
Ernennung  zum  Oberstlieutenant,  am  18.  April  1878  zum  Oberst;  im  Mai  1878 
wurde  er    dann  Commandeur  des  5.  Westphälischen  Inf.  Rgts.  No.  53.     Am 
20.  September  1881  wurde  er  zum  Commandeur  des  Kaiser  Alexander  Garde- 
Grenadier-Regiments  No.  I    ernannt.     Als  solcher  wohnte    er   im  April  1883 
den  Krönungsfeierlichkeiten  des  russischen  Kaisers  in  Moskau  bei  und    nahm 
später    an    einer  Uebungsreise    des  Grossen  Generalstabes  Theil.     1884    zum 
C^neralmajor  befördert,  wurde   er  Chef   des    Generalstabes    des    Gardecorps, 
Mitglied     der     Ober  -  Militär -Studiencommission     der    Kriegsakademie.       Am 
24.  November  1885  wurde   er  Commandeur  der  2.   Garde-Infanterie-Brigade, 
im  Januar  1888  mit  der  Führung  der  3.  Infanterie-Division  beauftragt,  erhielt 
er  am  7.  Juni  1888  die  Führung  der  2.  Garde-Infanterie-Division    und  wurde 
am  4.  August  1888  Generallieutenant  und  Commandeur  der  2.  Garde-Infanterie- 
Division.     Bis  zum  Jahre  1890  nur  militärischen  Kreisen  als  tüchtiger,  kennt- 
nissreicher Officier  bekannt,  sollte  er  in  diesem  Jahre  auch  weiteren,  nament- 
lich   politischen  Kreisen    näher    treten.     Im    Herbst   1890    demissionirte    der 
General  von  Verdy  du  Vernois    als  Kriegsminister,    da    er  den  Reichstag  für 
seine  weitgreifenden  Armee-Reorganisations-Pläne  nicht  zu  gewinnen   verstand 
und  sich  auch  mit  seinen  Ideen    in  Gegensatz  zu  den  leitenden   militärischen 
Kreisen  setzte.    Sein  Nachfolger  wurde  am  4.  October  1890  Generallieutenant 
von  K.,    dem  die  Aufgabe  zufiel,    die  Ideen    des  Reichskanzlers  von  Caprivi 
betreffs  Einführung  der  zweijährigen  Dienstzeit  bei  den  Fusstruppen  praktisch 
auszuarbeiten.     Zugleich  wurde  er  auch  Vorsitzender  des  Ausschusses  für  das 
Landheer    und  die  Festungen    und  Chef   der  Direction    des    grossen  Militär- 
Waisenhauses    in  Potsdam.     Noch   im  Jahre  1890  legte  er  als  Kriegsminister 
dem    Reichstage    das  Militärgesetz    betreffs    der  Erhöhung    der  Präsenzstärke 
unter  Einführung  der  zweijährigen  Dienstzeit  für  die  Fusstruppen  vor,  welches 
im  Reichstag  heftige  und  erregte  Debatten  hervorrief.    Namentlich  vermochten 
sich  weite  Kreise    mit    der  Einrichtung    der  4.  Halbbataillone   bei  den  Regi- 
mentern nicht  zu  befreunden,  welche    als  Bedingung    für   die  Einführung  der 
zweijährigen  Dienstzeit    gefordert  wurden.     In    den    erregten  Debatten  zeigte 
sich  der  Kriegsminister    als    ein    streng  sachlicher  Redner,  dem  es  allerdings 
an  der  glänzenden  und  bestechenden  Redegabe   seines  Vorgängers    mangelte, 
sodass    die  Hauptvertretung    des  Gesetzes    im  Reichstage   dem   Reichskanzler 
V.  Caprivi  zufiel.     Dennoch  wurde    das  Gesetz    abgelehnt  und  der  Reichstag 
aufgelöst.     In    dem    neuen    Reichstage  wurde    dann    das    Gesetz    mit    einem 
Compromissantrage    des    Abgeordneten    Freiherm    v.    Huene    (Centrum)    am 
13.  JuH    1891    angenommen.      Am    2.   September    1892    wurde    v.   K.    zum 


I 

V.  Kaltenborn-Stachau.     Dahn.  lOi 

General  der  Infanterie  ernannt  und  am  17.  October  1892  auf  sein  Ansuchen 
unter  Verleihung  des  Grosskreuzes  des  Rothen  Adler-Ordens  mit  Eichenlaub 
und  Krone  zur  Disposition  gestellt.  1897  erhielt  er  noch  die  Brillanten  zum 
Grosskreuz.     Seine  letzten  Lebensjahre  verlebte  er  in  Braunschweig. 

O.  Elster. 

Dahn,  Ludwig,  kgl.  Hofschauspieler  zu  München,    *  am  12.  März  1843, 
f    20.  October    1898.       Er   war    ein    Sohn    des    berühmten    Künstlerpaares 
Friedrich  Dahn  und  Constanze,  geb.  Legaye  und  hatte  als  solcher  schon  eine 
gewisse  Anwartschaft  auf  Theaterblut.     In  der  That  erregte  schon  der  acht- 
zehnjährige Jüngling  die  Aufmerksamkeit  Dingelstedts,   der  ihn  nach  Weimar 
brachte  und  sich  auch  persönlich  seiner  annahm.     Er  soll  dort  zum  Liebling 
des  Publicums  geworden  sein.     Am  i.  Januar  1861  wurde  D.  für  das  zweite 
Liebhaberfach    an    die    Münchener    Hofbühne    engagirt,    und    1865    zog    ihn 
Herr  von  Hülsen  an  das  Berliner  kgl.  Schauspielhaus.     Er  trat  dort  u.  a.  als 
Schiller  in  Laube's  »Karlsschülern«,  als  Bugslaff  in  Paul  Heyse's  »Hans  Lange«, 
als  Mortimer  und  Gringoire  auf.     Von  Dingelstedt,  Laube,  Putlitz  wurde  der 
Brakenburg  im  Egmont  als  seine  beste  Rolle  bezeichnet.     Leider    und    nicht 
zu  seinem  Heile  verliess  D.  Berlin  nach  mehrjährigem  Aufenthalt  und    folgte 
einem  Rufe  an  das    kaiserl.  Deutsche  Hof-Theater   in  St.  Petersburg.     Dort, 
mitten  in  der  Vollkraft  seines  künstlerischen  Schaffens,  befiel  ihn  eine  tückische 
Halskrankheit,  deren  Folgen  er  zeitlebens  "nicht  überwunden  hat.    Die  hervor- 
ragende   Stellung,    die    er    als    erster  Held  und  Liebhaber  einnahm,  war  für 
immer  verloren,  Kraft  und  Mark  der  Stimme  dahin,  das  Organ  blieb   spröde 
und  gehorchte  selbst  der  schönsten  Intention  nicht  mehr.     So  kam  D.  nach 
München  zurück,    so   nahm  ihn    am  15.  Februar  1878  die  heimatliche  Bühne 
als    »gesetzten  Liebhaber«    auf,    nur  so  hat  ihn  die  gegenwärtige  Generation 
gekannt,  als  eine  halbe  Utility,    eine    repräsentative  Aushilfsperson,    denn  D. 
hatte  eine  gute  Figur  und  ein  classisches  Profil.    Es  gehörte  gewiss  viel  Selbst- 
überwindung für  den  einst  gefeierten  Künstler  dazu,  neidlos  die  Erfolge  Anderer 
zu  sehen  und  sich  mit  unbedeutenden  Aufgaben  zufrieden  zu  geben ;  D.  scheint 
sie  besessen  zu  haben,  denn  er  wurde  als  guter  Kamerad  geschätzt.     Er  hat 
den  Brakenburg  nie  mehr  spielen  dürfen  und  ist  doch  im  anderen  Sinne  der 
Brakenburg    der  Münchener  Hofbtihne    geblieben.     Ein  langes,  schmerzvolles 
I-eiden  nahm  ihn  von  den  Brettern  weg,  und  es  war  nicht  einmal  nöthig,  sich 
nach  einem  Ersatz  fllr  ihn  umzusehen.     Er  hinterliess  eine  Wittwe  und  einen 
Sohn,  dem  er  den  Taufnamen  seines  Bruders,  des  Dichters  Felix  D.,  gegeben 
hatte,  und    der    sich    in   jungen  Jahren    der  Oper   zugewendet    hat.  —  »Ich 
wünsche,  dass  mein  lieber  Ludwig  einmal  bei  mir  im  Grabe  liegen  soll!«  — 
waren  die  letzten  Worte  der  berühmten  Constanze  Dahn.    Als  Ludwig  D.  vor- 
zeitig   an    ihre  Seite    gebettet  wurde,    sprach    sein  Freund  und  Vorgesetzter, 
Intendant  v.  Possart,    am    offenen  Grabe  u.  A.    die  kennzeichnenden  Worte: 
»Es    ist  der  Träger  eines  stolzen  Namens,  dem  wir  die  Gruft  seiner  grossen 
Mutter    öffnen,    es    ist    der  Sprössling    eines  Künstlergeschlechts,  welches    in 
ruhmvollem  Wirken    dem   königlichen  Schauspiel  ein  halbes  Jahrhundert  hin- 
durch weittragenden  Glanz  und  erhöhte  Bedeutung  lieh.    Zwar  die  zwingende 
Genialität  der  geistsprühenden  Mutter  war  dem  Dahingeschiedenen  nicht  ge- 
geben, auch  nicht  die  herrlichen  äusseren  Mittel  seines  vielbewunderten  Vaters, 
dessen  markige  Kraft  und    souveräne  Noblesse    uns    alten  Münchenem    noch 
heute  unvergesslich  sind;  allein  ein  Erbe  seiner  Eltern  hat  er  voll  und  ganz 


I02  Dahn.     von  Fitting.     Baron, 

angetreten:  die  hohe  Begeisterung  für  seine  Kunst  und  eine  wandellose  Pflicht- 
erfüllung. Durchdrungen  von  der  Heiligkeit  seines  Berufes  trat  der  Dahin- 
geschiedene auch  flUr  die  kleinste  Aufgabe  mit  Ernst  und  Eifer  ein,  und  selbst 
da,  wo  er  in  zweiter  Linie  stehen  musste,  bewies  er  durch  neidlose  Unter- 
ordnung und  unversiegbaren  Fleiss,  dass  echtes  Ktinstlerblut  in  seinen  Adern 
rollte.«  D.  hinterlässt  kein  grosses  Andenken,  aber  ein  liebenswürdiges,  das 
manchem  grossen  Namen  fehlt. 

Alfred  Freiherr  v.  Mensi. 

Fitting,  Jakob,  Ritter  von,  Oberlandesgerichtspräsident  zu  Zweibrücken, 
*  21.  Januar  1831  zu  Tiefenthal  im  pfälzischen  Bezirksamt  Frankenthal  als 
Sohn  eines  Gutsbesitzers,  f  5.  Mai  1898  zu  Zweibrücken.  Er  widmete  sich 
seit  1848  der  juristischen  Laufbahn  auf  den  Universitäten  Heidelberg,  München 
und  Würzburg,  bestand  das  Staatsexamen  mit  sehr  gutem  Erfolge  und  wurde 
1855  in  Kaiserslautem  funktionirender  Staatsprokurator-Substitut,  1860  Bezirks- 
gerichtsassessor in  Franken thal,  i862Staatsprocurator-Substitut  in  Kaiserslautem, 
1866  Bezirksrichter,  1871  erster  Staatsanwalt  daselbst,  1875  Rath  am  Appel- 
lationsgericht in  Zweibrücken,  1878  Rath  am  Handelsappellationsgericht  allda, 
1879  Oberstaatsanwalt  am  königl.  Oberlandesgericht,  1890  Senatspräsident, 
endlich  30.  April  1896  an  die  Spitze  der  pfälzischen  Justizverwaltung  be- 
fördert und  10.  Oktober  1897  zum  lebenslänglichen  Reichsrath  ernannt. 
Eine  Berufung  ins  Ministerium  lehnte  er  ab.  Durch  Liebenswürdigkeit  und 
Bescheidenheit  des  Wesens,  wie  durch  Milde  des  Urtheils  ausgezeichnet,  ver- 
einte er  juristischen  Scharfblick  mit  Gründlichkeit  und  Bedachtsamkeit,  sodass 
er  in  hohem  Masse  zur  Mitwirkung  bei  gesetzgeberischen  und  organisatorischen 
Arbeiten  befähigt  war.  Er  bewies  dies  durch  eine  in  den  weitesten  Kreisen 
hochgeschätzte  Thätigkeit  bei  Neuordnung  der  Verhältnisse  nach  Einführung 
der  Reichsjustizgesetze,  namentlich  auf  dem  Gebiete  des  Hypotheken-  und 
Gefängniss Wesens.  Als  in  kurzer  Frist  Ueberleitungs-  und  Ausftihrungsbe- 
stimmungen  aus  Anlass  der  bevorstehenden  Einführung  des  bürgerlichen  Ge- 
setzbuches speciell  für  die  Pfalz  zu  treffen  waren,  war  er  unermüdlich  hiefür 
thätig,  wobei  er  sich  als  trefflichen  Kenner  des  geltenden  wie  des  kommenden 
Rechts  erwies.  In  den  Gesetzgebungsausschuss  der  Kammer  der  Reichsräthe 
berufen,  betheiligte  er  sich  bis  zum  letzten  Augenblick  an  diesen  weitschich- 
tigen Arbeiten.  Schriftstellerisch  hatte  er  sich  durch  Herausgabe  eines  werth- 
vollen  Kommentars  über  das  Personenstandsgesetz  vom  6.  Februar  1875 
(1876,  Zweibrücken,  Verlag  von  Aug.  Kranzbühler,  2.  Aufl.  1878)  hervorge- 
than.  Mitten  in  der  Arbeit  noch  zu  später  Stunde  begriffen,  wurde  er  durch 
den  Tod  dahingerafft. 

Nach  gef.  Mitth.  der  »Zeitbilder,  zugleich  Illustr.  Ztsch.  f.  d.  Fremden-  und  Touristen- 
verkehr in  der  Pfalz,  7.  Jahrg.  Nr.  24  vom  12.  Juni  1898  mit  BUd<  durch  Herrn  Ober- 
sekretSr  Merck  in  Zweibrttcken.  —  Vgl.  Krit.  Vierteljahresschrift  Bd.  2Z  S.  443/4  und 
H.  V.  Sicherer,  Reicbs-Gesetz  über  d.  Beurk.  d.  Personenstandes  und  die  Eheschliessung 
V.  6.  Febr.   1875,  Erl.  1878  p.  XV. 

A.  Teichmann. 

Baron,  Julius,  Universitätsprofessor  der  Rechte,  ♦  i.  Januar  1834  zu 
Festenberg  in  Schlesien,  f  7.  Juni  1898  zu  Bonn.  Er  besuchte  1845 — 5^ 
die  Gymnasien  in  Oels  und  St.  Maria  Magdalena  zu  Breslau,  studirte  die 
Rechtswissenschaft  in  Breslau  und  Berlin,  promovirte  14.  Juni  1855  zu  Berlin 


Baron. 


103 


zum  Doctor  beider  Rechte,  wurde  1859  Assessor  und  habilitirte  sich  4.  April 
1860   in   der  juristischen   Facultät    der   Universität  Berlin.     Theoretisch   und 
practisch  in  seinem  Fache  thätig,  wurde  er  theils  beim  Stadtgericht  daselbst, 
theils  im  Justizministerium  beschäftigt,   hier  namentlich   bei  Arbeiten   für  die 
Civilprocessordnung,   bis  er  1866   seine  Entlassung  nahm,   um  sich  ganz  der 
academischen  Laufbahn  zu  widmen.    ^Er  wurde  1869  ausserordentlicher  Pro- 
fessor und  ging   Ostern    1880    als    ordentlicher    Professor    der  Rechte    nach 
Greifswald.      Seine  schriftstellerische  Thätigkeit    war    dem   preussischen   und 
römischen  Rechte  zugewandt.      Er   schrieb  »Abhandlungen  aus   dem  preussi- 
schen Recht«,  Berl.  1860;  »Die  Gesammtrechtsverhältnisse  im  römischen  Recht«, 
Marb.    1864;     »Das  Heirathen  in  alten    und  neuen  Gesetzen«,    Berl.  1874; 
»Abhandlungen  aus  dem  römischen  Civilprocess«,   Berl.   1881 — 87,  3  Bände; 
»Geschichte  des  römischen  Rechts  I.  Institutionen   und  Civilprocess«,    Berl. 
1884  und  namentlich  sein  für  akademische  Kreise  bestimmtes,   sehr  beifällig 
aufgenommenes  Werk  über  »Pandecten«,  i.  Aufl.  Leipz.   1872,  9.  Aufl.  1896. 
Der  Richtung  der  Kathedersocialisten  zugethan,   veröffentlichte  er  in  diesem 
Sinne  »Angriffe  auf  das  Erbrecht«  (Deutsche  Zeit-  und  Streitfragen,  Heft  85) 
Berl.   1877;    »Zur  Fortbildung  des  Haftpflichtgesetzes«    (Schriften  d.  Vereins 
f.  Socialpolitik,  Heft  19);  »lieber  Erbschaftssteuern«  (Hildebrand's  Jahrbb.  f. 
Nat.-Oekon.  Bd.  26),    Jena  1888.      Er  folgte   1883  einem  Rufe  an  die  Uni- 
versität Bern,   1888  einem  weiteren  an  die  Friedrich- Wilhelms-Universität  in 
Bonn,   der  er  bis  zu  seinem  Tode  als  trefflicher  Heranbilder  junger  Juristen 
angehört  hat.    In  den  letzten  Jahren  wandte  er  seine  Thätigkeit  dem  deutschen 
bürgerlichen  Gesetzbuche  zu,  dessen  Kenntniss  er  auch  in  Vorträgen  für  weitere 
Kreise  zu  verbreiten  bestrebt  war.      Er  behandelte  das   »Erbrecht  des  Ent- 
wurfs«   im  Arch.  f.  d.   civil.  Praxis  Bd.  75,    »das  römische  Vermögensrecht 
und  die  sociale  Aufgabe«    in  den  Jahrbb.  f.  Nat.-Oekon.  u.  Statistik,    N.  F. 
Bd.  19,    »Die  Börsenenquete«    im  Archiv  f.  bürgert.  Recht  Bd.  9.      Bei  der 
Universitätsfeier  in  Bologna  überreichte  er  seine  interessante   Arbeit   »Franz 
Hotmans  Antitribonian«    als  Bemer  Festschrift,   Bern  1888.      Noch  seien  er- 
wähnt »Gutachten  in  Streitsachen  der  Tunnelbauunternehmung  Favre«,  Bern 
1885;  »Gutachten   betr.  die  Ansprüche  aus   dem   Mönchensteiner  Eisenbahn- 
unglück vom    14.  Juni  1891«,    Bern   1892;    ein    Beitrag    zur  Festschrift    der 
Berliner  Jurist.  Facultät    für  Heffter,    Berl.   1873;    »Peregrinenrecht  und  jus 
gentium«  Lpz.  1892    (zu  Jherings  Jubiläum);    viele  Aufsätze   in  juristischen 
und    andern   Zeitschriften,    zuletzt    in    der   Deutschen   Juristen-Zeitung    1898, 
S.  49 — 51  (Diebstahl  von  Electricität?).  —  B.  war  den  mannigfachsten  Inter- 
essen zugänglich;   namentlich  liebte   er  Musik   und  die  Freuden  der  Gesellig- 
keit, suchte  aber  sonst  seine  Wege  abseits  der  Allgemeinheit.     Wo  immer  er 
konnte,    linderte  er  in  grösster  Wohlthätigkeit  fremde  Noth    und   bekundete 
seine    streng  beobachteten    Anschauungen    als  Vegetarianer    durch    testamen- 
tarische Einsetzung  der  Stadtgemeinde  Berlin  (oder  Breslau  oder  Festenberg) 
zur   Universalerbin    seines    bedeutenden  Vermögens    behufs    Gründung    eines 
seinen   Namen   tragenden    vegetarianischen   Kinderhauses,    welche  Vergabung 
von  der  Berliner  Stadtverordnetenversammlung  abgelehnt,   dagegen   von  der- 
jenigen der  Stadt  Breslau  angenommen  wurde  (vgl.  Deutsche  Juristen-Zeitung 
1899   S«  105/6,  215;    Grenzboten  1899   ^^  55)«      Seine  juristische  Bibliothek 
vermachte  er  der  Universität  Bern. 

Vgl.  Leipziger   Illustrirte   Zeitung   1898   11  25   (mit   Bild);    Beilage  der   Allgemeinen 
Zeitung  Nr.  129  vom  ii.  Juni  1898  S.  8;  Zeitschrift  der  Savigny-Stiftung,  Roman,  Abth.  VI 


I04  Baron,     v.  Teicfamann-Logischen.     Huber. 

1885  S.  278/9  (Schollmeyer);  Archivio  giuridico  VIII  604— 606;  Kukala,  Allg.  deutscher 
Hochschulen -Almanach,  Wien  1888  S.  21;  Tidsskrift  for  Retsvidenskab  1898  p.  518.  — 
Drucksachen  (Referate)  zu  den  Sitzungen  der  Breslauer  Stadtverordneten -Versammlung, 
Nr.  168  vom  J.  1899  S.  64 — loi. 

A.  Teichmann. 

V.  Teichmann-Logischen,  Kgl.  Pr^ussischer  Generallieutnant  z.  D.,  *  am 
12.  April  1829  zu  Kreisau,  Kreis  Militsch,  f  am  18.  Januar  1898  in 
Berlin.  Ein  wissenschaftlich  und  technisch  hochgebildeter  Officier,  hat  sich 
V.  T.  sehr  um  die  Entwickelung  des  Artillerie-Wesens  verdient  gemacht. 
Seine  Ausbildung  erhielt  er  in  dem  Kadettencorps,  das  er  am  22.  April  1847 
verliess,  um  als  aggregirter  Seconde-Lieutenant  der  damaligen  8.  Artillerie- 
Brigade  zugetheilt  zu  werden.  1847  — 1849  folgte  der  Besuch  der  vereinigten 
Artillerie-  und  Ingenieur-Schule,  nach  deren  Absolvirung  er  im  October  1849 
mit  Patent  vom  15.  September  1847  ^^^  etatsmässigen  Artillerie-OffFcier 
ernannt  wurde.  1851  bis  1852  war  er  Lehrer  und  Erzieher  der  Prinzen 
Hermann  und  Alexander  zur  Lippe. 

Im  Jahre  1853  ward  T.  Mitglied  der  Artillerie-Revision-Commission  in 
Deutz,  1854  zur  Geschützgiesserei  ebenda  commandirt,  dann  Erzieher  am 
Kadettenhaus  in  Berlin,  von  1855  bis  57  Directionsofficier  und  Lehrer  an 
der  Vereinigten  Art.-  und  Ingenieurschule  und  vier  Jahr  lang  Lehrer  des 
Prinzen  von  Schwarzburg-Sondershausen.  Im  Mai  1858  Premierlieutenant, 
am  I.  Oct.  1860  Hauptmann,  ward  er  im  August  1861  Chef  der  i.  See- 
Artillerie-Compagnie  und  im  April  1865  Compagniechef  im  Festungs-Artillerie- 
Rgt.  No.  6.  In  den  Jahren  1866  bis  1868  war  er  Mitglied  der  Artillerie- 
Prüfungscommission,  indem  er  ä  la  suite  des  Feldartillerie-Rgts.  No,  9  gestellt 
wurde.  Im  April  1868  ward  er  auf  47,  Monate  nach  England  zur  Bei- 
wohnung von  Schiessversuchen  commandirt,  wo  er  seine  artilleristischen 
Kenntnisse  sehr  erweiterte.  Im  November  1868  ward  T.  Batteriechef  im 
Feldartillerie-Rgt.  No.  8  und  führte  während  des  deutsch  -  französischen 
Krieges  1870/71  die  Colonnen-Abtheilung  des  Regiments.  Am  24.  Juni  1871 
zum  Major  beifördert,  wurde  er  im  October  desselben  Jahres  Commandeur 
des  Fuss-Art.-Rgts.  No.  4,  22.  März  1877  Oberstlieutenant,  16.  Sept.  1881 
Oberst  und  1884  Commandeur  der  i.  Fuss-Art.-Brigade.  Im  November  1887 
ward  er  zum  Mitglied  der  Studien-Commission  für  Kriegsschulen  und  der 
Prüfungscommission  für  Hauptleute  und  Premierlieutenants  der  Artillerie 
ernannt  unter  Beförderung  zum  Generalmajor  (15.  i.  1887).  Er  ward  Inspecteur 
der  I.  Fuss-Art.-Inspection,  Mitglied  der  2.  Abtheilung  des  General-Art.- 
Comitt^s  und  der  Ober-Mil.-Studiencommission.  Am  17.  Juni  1889  zum 
Generallieutenant  befördert,  ward  er  am  15.  Juli  1890  auf  sein  Ansuchen  zur 
Disposition  gestellt. 

Am  22.  April  1897  feierte  v.  T.  sein  fünfzigjähriges  Militärdienst- Jubi- 
läum. Unter  anderen  Ehrenzeichen  besass  er  den  Stern  zum  Rothen  Adler- 
Orden  2.  Kl.  mit  Eichenlaub  und  das  Eiserne  Kreuz  2.  Kl.  v.  T.  war  Ehren- 
ritter des  Johanniterordens.  O.  Elster. 

Huber,  Alfons,  Professor  der  allgemeinen  und  österreichischen  Geschichte 
an  der  Universität  in  Wien,  *  am  14.  Oct.  1834  in  Fügen,  f  23.  Nov.  1898 
in  Wien.  —  H.  war  der  Sohn  eines  kleinen  Bauern  auf  dem  Schlitterer  Berg 
im  Zillerthal.     Im  bäuerlichen  Leben  wuchs  er  heran,  hütete  als  junger  Bube 


Huber. 


loS 


die  Ziegen  und  besuchte  die  weitentlegene  Dorfschule.  Beim  Pfarrer,  wo  er 
über  Mittag  bleiben  durfte,  entdeckte  er  die  alte  gute  Weltgeschichte  von 
Annegarn,  und  sie  hat  in  ihm  die  erste  Liebe  zur  Geschichte  erweckt. 
Der  talentirte  Knabe  kam  mit  13  Jahren  an  das  Gymnasium  in  Hall.  Als 
armer  Student,  der  sich  von  den  ersten  Klassen  an  schon  mit  Stundengeben 
sein  Brod  verdiente,  hat  er  mit  bestem  Erfolg  das  Gymnasium  in  den  Jahren 
1847  ^is  1855  (die  letzten  zwei  Klassen  in  Innsbruck)  durchgemacht,  gerade 
in  der  Zeit,  als  die  österreichischen  Mittelschulen  ihre  gründliche  Neu- 
organisirung  erfuhren.  Und  als  er  die  Universität  in  Innsbruck  bezog,  konnte 
er  bereits  auch  die  ersten  Früchte  der  Universitätsreformen  geniessen.  Neben 
gar  manchem  Halbfertigen,  das  begreiflicherweise  beim  schnellen  Umschwung 
der  Unterrichtsverhältnisse  seit  1849  ^^  spüren  war,  hatte  doch  im  Ganzen 
für  unsere  Universitäten  eine  Zeit  neuen,  frisch  erblühenden  Lebens  begonnen. 
Es  darf  das  nicht  vergessen  werden  gegenüber  dem  dumpfen  Drucke,  der  die 
politische  Athmosphäre  der  fünfziger  Jahre  in  Oesterreich  mehr  und  mehr 
erfüllte.  Der  centralisirende  Absolutismus  jener  Zeit  hatte  doch  das  Gute, 
dass  ihn  ein  bedeutender  und  energischer  Mann  wie  Graf  Leo  Thun  zu  einer 
mächtigen  Entfaltung  geistiger  Kräfte  des  Reiches  benutzen-  konnte.  Die 
politischen  Eindrücke  der  fünfziger  Jahre  und  ihres  Polizeiregimes  hat  übrigens 
H.  niemals  vergessen.  Nicht  selten  erzählte  er  später  charakteristische  Epi- 
soden aus  jener  Zeit,  um  vor  den  voreiligen  Wünschen  nach  Rückkehr  zum 
Absolutismus  zu  warnen,  die  bei  den  tristen  Erfolgen  unseres  neueren 
Parlamentarismus  nicht  selten  laut  werden.  Jene  Eindrücke  machten  H. 
zum  politisch  liberalen  Mann,  der,  zwar  festhaltend  an  seiner  positiven  reli- 
giösen Ueberzeugung,  sich  doch  den  Tendenzen  der  politischen  Parteien  der 
Clericalen  oder  Conservativen  gegenüber  immer  ablehnend  verhielt.  Als  seine 
Berufung  nach  Wien  im  Zuge  war,  erschien  eines  Tags  in  einer  Wiener 
Zeitung  dieser  letztgenannten  Richtung  ein  Artikel,  der  H.'s  Geschichte 
Oesterreichs  als  einseitig  und  parteiisch  hinstellte  und  besonders  auch  darauf 
hinwies,  dass  sie  in  Gotha,  im  Gotha  der  Kleindeutschen,  erscheine!  Nichts 
war  ehrenvoller  für  H.'s  gerechte  Sache,  als  dass  gegen  diesen  Angriff  ein 
Franziskaner  sich  erhob  und  im  »Tiroler  Boten«  das  Werk  seines  Lehrers 
vertheidigte. 

Für  den  jungen  Historiker  war  es  von  günstigster  Fügung,  dass  er  an 
der  Universität  in  Julius  Ficker  einen  menschlich  wie  wissenschaftlich  geradezu 
idealen  Lehrer  fand.  Um  den  jungen,  bald  berühmten  Professor  scharten 
sich  seit  Mitte  der  fünfziger  Jahre  eine  Reihe  tüchtiger  Schüler.  Sie  lernten 
bei  Ficker  kritische  Exactheit,  sie  lernten  mit  Urkunden  umgehen,  während 
man  sonst  dazumal  allenthalben  fast  ausschliesslich  sich  mit  den  »Scriptores« 
beschäftigte;  sie  lernten  reine  Sachlichkeit,  strenge  Unbefangenheit  der 
Forschung.  Ficker  lenkte  seine  Schüler  gern  auf  das  Feld  der  Territorial- 
geschichte, das  damals  wie  heute  noch  dankbare  Stoffe  darbot.  Auch  H. 
empfing  die  ersten  Anregungen  nach  dieser  Richtung,  doch  waren  es  Pro- 
bleme, deren  Bedeutung  weit  über  engere  Grenzen  hinausreichte,  und  die 
bereits  die  mannigfachsten  Erörterungen  erfahren  hatten.  Es  waren  die 
Arbeiten:  »Ueber  die  Entstehungszeit  der  österreichischen  Freiheitsbriefe« 
(Sitzungsb.  d.  Wiener  Ak ad.  1860)  und  »Die  W^aldstädte  Uri,  Schwyz,  Unter- 
waiden bis  zur  festen  Begründung  ihrer  Eidgenossenschaft«  (Innsbruck  1861). 
Die  erstere  bezeichnet  den  Abschluss  der  Frage,  die  zweite  war  eine 
w*illkommene  Präcisirung    der    bisherigen  Forschung,    beide  Schriften   zeigen 


lo6  Huber. 

schon     die    Vorzüge     von     H.'s    Leistungen:      Scharfsinn,     Unbefangenheit, 
Klarheit. 

Inzwischen  hatte  sich  H.  1859  an  der  Universität  Innsbruck  für  Ge- 
schichte habilitirt.  Im  Jahre  1863  war  er  bereits  für  eine  Professur  in 
Lemberg  in  Aussicht  genommen,  als  durch  den  Uebertritt  Fickers  an  die 
juristische  Facultät  ihm  ein  Platz  im  Heimathland  geschaffen  wurde  und  er 
die  Lehrkanzel  für  allgemeine  Geschichte  in  Innsbruck  als  ordentlicher  Pro- 
fessor erhielt.  Dieses  selbe  Jahr  ward  auch  für  seine  wissenschaftliche 
Thätigkeit  von  langhin  wirkender  Bedeutung.  Damals  feierte  man  in  Tirol 
das  Fest  der  500jährigen  Vereinigung  des  Landes  mit  Oesterreich.  H.  spendete 
als  werth volle  Festgabe  eine  gediegene  »Geschichte  der  Vereinigung  Tirols 
mit  Oesterreich«  (Innsbruck  1864),  welche  diese  wechselreiche,  tief  in  die 
deutsche  Geschichte  eingreifende  Reihe  von  Ereignissen  in  geradezu  ab- 
schliessender Weise  geschildert  hat.  In  engstem  Zusammenhang  damit  schrieb 
er  dann  die  »Geschichte  Herzog  Rudolfs  IV.  von  Oesterreich«  (Innsbruck 
1865),  welche  die  feste  Grundlage  für  alle  weiteren  Forschungen  über  diesen 
merkwürdigen  Fürsten  ward  und  bleiben  wird.  In  den  Jahren  1864  bis 
1868  war  H.  mit  Durig,  Ladurner,  Schönherr  und  J.  V.  Zingerle  Heraus- 
geber des  »Archivs  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  Tirols«  und  hat 
im  I.  und  3.  Bande  desselben  Verzeichnisse  der  über  Geschichte  Tirols  von 
1858  bis  1868  erschienenen  Schriften  geliefert.  Um  dieselbe  Zeit  bearbeitete 
er  auch  für  die  »Oesterreichische  Geschichte  für  das  Volk«  das  Bändchen 
über  die  ersten  Habsburger  (1866). 

Auf  die  Geschichte  des  14.  Jahrhunderts,  welche  H.  so  in  seinen  ersten 
Werken  erfolgreich  gepflegt  hatte,  wurde  er  noch  intensiver  hingeführt 
durch  die  Aufgaben,  die  ihm  aus  dem  wissenschaftlichen  Nachlass  Joh.  Fr. 
Böhmers  erwuchsen.  Böhmer,  der  Schöpfer  der  deutschen  Kaiserregesten, 
war  1863  gestorben;  Ficker  übernahm  die  Hauptsorge  filr  den  Nachlass. 
Böhmer  hatte  selber  noch  in  grossmüthiger  Weise  H.  die  Mittel  zu  Reisen  nach 
München  und  Wien  verschafft,  welche  die  Herausgabe  der  »Geschichte  der 
Vereinigung  Tirols«  ermöglichten.  Nunmehr  nahm  H.  die  Vollendung  des 
schon  von  Böhmer  vorbereiteten  4.  Bandes  der  »Fontes  rerum  Germanicarum« 
auf  sich.  Er  erschien  1868  und  enthält  eine  Reihe  der  wichtigsten  Quellen 
des  14.  Jahrhunderts.  Eine  weit  grössere  Aufgabe  aber  war  die  Bearbeitung 
der  Regesten  Kaiser  Karls  IV.  (1346 — 1378),  welche  H.  die  folgenden  Jahre 
hindurch  beschäftigte.  Mit  seiner  rastlosen  Arbeitskraft  vollendete  er  das 
gewaltige  Werk  binnen  verhältnissmässig  kurzer  Zeit;  die  Regesten  Karls  IV. 
erschienen  von  1874  bis  1877.  Die  eingehende  Einleitung  bot  einen  wich- 
tigen Beitrag  zur  Kaiserdiplomatik  des  späteren  Mittelalters,  die  Regesten 
sind  die  sorgfältig  gearbeitete  kritische  Grundlage  fUr  diese  ganze  Periode 
deutscher  Geschichte.  H.  hat  späterhin  aus  neu  gefundenem  Material  noch 
ein  Ergänzungsheft  zu  den  Regesten  Karls  IV.  herausgegeben  (1889).  Zu 
diesen  bedeutenden  Leistungen  gesellten  sich  noch  wertvolle  kleinere 
Arbeiten  über  österreichische  Münzgeschichte  des  13.  und  14.  Jahrhunderts 
(Archiv  f.  Oest.  Gesch.  187 1),  über  Rudolf  von  Habsburg  vor  seiner  Thron- 
besteigung (Almanach  der  Akad.  1873),  ü^^'*  ^^^  Politik  Kaiser  Josefs  II. 
(Rectoratsrede,  Innsbruck  1877),  Aufsätze  in  der  Wiener  Abendpost  über 
Wallenstein-Litteratur  und  über  die  französischen  Revolutionskriege.  Dazu 
zahlreiche  Recensionen,  die  meist  im  Litterar.  Central blatt  erschienen.  H.  war 
unbestritten  schon  einer  der  tüchtigsten  Historiker    speciell   auf  dem  Gebiete 


Huber. 


107 


der  österreichischen  Geschichte  geworden.  Die  Akademie  der  Wissenschaften 
in  Wien  hatte  ihn  1867  zum  correspondirenden,  1872  zum  wirklichen,  die 
ba)rrische  Akademie  1878  zum  auswärtigen  Mitglied  gewählt,  die  gelehrten 
Gesellschaften  in  Prag  und  Brunn  zum  Ehrenmitglied. 

H.  hatte  inzwischen  seit  dem  Abgang  des  alten,  vormärzlichen  Glax  (1870) 
die  Professur  für  österreichische  Geschichte  in  Innsbruck  übernommen,  was 
ja  seiner  Studienrichtung  aufs  beste  entsprach.  Und  nun  trat  auch  die  grosse 
Aufgabe  an  ihn  heran,  welche  erst  ganz  und  gar  das  ihm  eigenthümliche 
Können  herausforderte.  Eben  war  er  mit  Trientiner  Bischofsurkunden  be- 
schäftigt, die  ihm  Durig  zur  Publica tion  überlassen  hatte,  als  er  Ende  der 
siebziger  Jahre  die  Aufforderung  Giesebrechts  erhielt,  für  die  Sammlung  der 
europäischen  Staatengeschichten  die  Geschichte  Oesterreichs  zu  übernehmen. 
Büdingers  ausgezeichnete  österreichische  Geschichte  ist  nur  bis  ins  11.  Jahr- 
hundert geführt.  Dann  waren  gerade  in  den  siebziger  Jahren  zwei  Werke 
erschienen:  das  von  F.  M.  Mayer,  verdienstlich  durch  die  besondere  Berück- 
sichtigung der  Culturentwicklung,  und  die  Geschichte  Oesterreichs  von 
F.  v.  Krones,  lebhaft  geschrieben,  die  einzige  ausfuhrliche  und  zu  Ende 
gefiihrte  Darstellung.  Aber  keines  dieser  beiden  Werke  wollte  eine  aus  den 
Quellen  herausgearbeitete  und  doch  zusammenfassende  Darstellung  sein.  Das 
hat  H.  sich  als  Ziel  gesteckt  und  das  hat  er  in  den  fünf  Bänden  seiner 
»Geschichte  Oesterreichs«,  die  von  1885  bis  1896  erschienen  und  bis  1648 
führen,  in  meisterhafter  Weise  erreicht.  In  einer  langen  Reihe  von  Ab- 
handlungen hat  er  seinem  grossen  Werke  stets  aufs  Neue  werthvolle  kritische 
Detail  Untersuchungen  vorausgeschickt,  (in  den  Mittheilungen  d.  Instituts  f. 
Ost.  Geschichtsforschung  Bd.  i,  2,  4,  6  und  Ergänzungsbd.  4  und  im  Archiv 
f.  Ost.  Geschichte  Bd.  63,  65,  66,  68,  72,  75,  82,  85),  welche  an  zahlreichen 
Punkten  der  österreichischen  Geschichte  von  der  ältesten  Zeit  bis  ins 
17.  Jahrhundert  Klarheit  schafften.  Sie  zeigen,  wie  überaus  gründlich  und 
selbständig  H.  allüberall  in  dem  weiten  Gebiete  gearbeitet  hat.  Die  Abhand- 
lungen über  die  Entstehung  der  weltlichen  Territorien  von  Brixen  und  Trient, 
über  die  älteste  Verfassung  Krains,  über  die  österreichische  Reimchronik, 
über  die  financiellen  Verhältnisse  Oesterreichs  unter  Ferdinand  I.  und  nament- 
lich die  Studien  über  ungarische  Geschichte  vom  11.  bis  zum  16.  Jahrhundert 
werden  dauernden  Werth  behalten.  Wie  aber  nun  H.  den  ganzen  Ungeheuern 
Stoff  an  Quellen  und  Litteratur  beherrscht,  zusammengefasst  und  zu  seiner 
Geschichte  Oesterreichs  verarbeitet  hat,  ist  bewundemswerth.  Hier  zeigt  sich 
mehr  als  Scharfsinn  und  Kritik.  Das  ist  das  Werk  einer  starken  Geisteskraft. 
Wenn  H.'s  Geschichte  wegen  der  einfachen  Schlichtheit  ihrer  Darstellung  ab 
und  zu  etwas  von  oben  herab  angesehen  wurde,  so  mögen  geistreiche  Leute 
bedenken,  dass  die  energische  Durchdringung,  klare  Erfassung  des  Wesent- 
lichen und  die  durchsichtige  Darstellung  eines  so  gewaltigen  und  verwickelten 
Stoffes  doch  wohl  auch  des  Geistes  bedarf.  H.  ist,  um  anderwärts  gebrauchte 
Worte  zu  wiederholen,  kein  feuriger  Darsteller,  wie  er  auch  kein  lebhafter  Vor- 
tragender war,  er  schreibt  nicht  glänzend,  nicht  hinreissend,  nicht  Pathos 
und  Raisonnement  darf  man  bei  ihm  suchen,  wohl  aber  unübertreffliche 
Klarheit  in  der  Disposition  des  schwierigen  Stoffes,  scharfe,  sicher  treffende 
Kritik,  einfach  schlichte,  durchsichtige  Erzählung.  Nirgends  nebensächliches, 
hemmendes  Beiwerk,  überall  das  Wesendiche  und  Entscheidende,  überall  ein 
reifes  Urtheil  und  unwandelbare  Gerechtigkeit.  Hat  H.  den  inneren  Verhält- 
nissen der  Staaten  und  Völker,  dem  Zustand  der  Cultur  eine  im  Verlauf  des 


lo8  Huber. 

Werkes  eigentlich  immer  geringer  werdende  Beachtung  geschenkt,  so  müssen 
wir  es  doch  als  ein  wahres  Glück  bezeichnen,  dass  er  mit  seiner  Meisterhand 
vor  Allem  einmal  den  sicheren  Grund,  den  vertrauenswürdigen  Führer  in  der 
äusseren  Geschichte  Oesterreichs  und  seiner  Dynastie  geschaffen  hat.  Die 
Darstellung  der  Geschichte  Oesterreichs  ist  an  sich  schon  schwierig  durch 
die  ganz  eigenartige  Entstehung  der  Monarchie;  sie  wird  noch  schwieriger 
durch  die  Vielsprachigkeit  der  Länder,  ihrer  historischen  Quellen  und  neueren 
Litteratur.  H.  hat  eigens  ungarisch  gelernt,  und  Ungarn  mag  ihm  dankbar  sein 
für  diese  Mühe.  Denn  er  hat  erst  für  viele  Partien  der  ungarischen  Geschichte 
des  Mittelalters  die  wahrhaft  kritische  Grundlegung,  für  das  i6.  und  17.  Jahr- 
hundert geradezu  die  erste  zusammenfassende,  unparteiische  und  zugängliche 
Geschichte  Ungarns  geschaffen.  Die  äussere  Anerkennung  dafür  ward  H. 
durch  die  Wahl  zum  auswärtigen  Mitglied  der  ungarischen  Akademie 
und  durch  die  seltene  Ehre,  dass  sein  Werk  in  das  Magyarische  über- 
setzt wird. 

Wir  haben  etwas  vorgegriffen.  Die  beiden  ersten  Bände  der  Geschichte 
Oesterreichs  erschienen  1885,  der  dritte  1888.  Dazwischen  lag  die  Berufung 
H.'s  an  die  Universität  Wien  im  Jahre  1887  als  Nachfolger  von  Ottokar 
Lorenz.  Nicht  ganz  leichten  Herzens  verliess  er  die  engere  Heimath,  die 
Stätte  langjährigen  Wirkens,  den  Kreis  alter  Freunde,  den  er  allabendlich 
in  der  rauchigen  Ecke  beim  »Breinössl«,  im  »Noricum«,  treffen  konnte.  Er 
hatte  in  Innsbruck  ein  überaus  glückliches  Familienleben  gegründet  und  sich 
im  Professorenviertel  in  Wilten  ein  freundliches  Haus  gebaut.  Sehr  ungern 
sah  man  ihn  in  Innsbruck  scheiden.  Ein  grosser  Abschiedscomraers  im  Juli 
1887,  den  die  Universität  ihm  gab,  brachte  die  Gefühle  allgemeinster  Ver- 
ehrung zu  beredtem  Ausdruck.  Eine  Säule  der  Universität  nannte  ihn  ein 
Redner  jenes  Abends.  Und  das  war  H.  nicht  bloss  in  wissenschaftlicher 
Beziehung.  Er  besass  scharfes  Urtheil  auch  in  praktischen  Dingen;  bei  ver- 
wickelten Berathungen  und  Debatten  wusste  er  mit  wenigen  klaren  Worten 
den  Ausschlag  zu  geben.  Zwei  Mal  war  er  Rector  der  Innsbruck  er  Uni- 
versität, das  Museum  Ferdinandeum  wählte  ihn  1881  zum  Vorstand,  und  er 
hat  in  einer  schwierigen  Uebergangszeit,  als  der  Neubau  des  Hauses  und  die 
Neuordnung  der  Sammlungen  durchgeführt  wurde,  das  Institut  mit  Umsicht 
geleitet.  Aber  dies  Ansehen  und  Vertrauen  ist  ihm  auch  in  seinem  grösseren 
Wirkungskreis  in  Wien  sehr  bald  zu  Theil  geworden.  Die  neuen  Collegen 
an  der  Universität  und  in  der  Akademie  wussten  H.  in  kurzer  Zeit  zu  schätzen. 
Sie  ehrten  ihn  durch  die  ausser  der  Reihe  erfolgte  Wahl  zum  Decan  (1896), 
durch  die  Wahl  zum  Secretär  der  historisch -philosophischen  Klasse  (1891), 
dann  zum  Generalsecretär  der  Akademie  (1893).  Freunde  und  Schüler 
feierten  im  November  1893  sein  30 jähriges  Professorenjubiläum.  Ende  1895 
wurde  er  ordentliches  Mitglied  des  neu  errichteten  Archivrathes,  1897  nach 
dem  Tode  Ameths  Vorsitzender  der  neuen  Commission  für  Herausgabe  von 
Quellen  zur  neueren  Geschichte  Oesterreichs.  Sein  Ansehen  wuchs  weit  über 
Oesterreichs  Grenzen  hinaus  und  manifestirte  sich  in  vielfachen  wissenschaft- 
lichen Ehrungen;  in  besonderer  Weise,  als  ihm  1893  der  erste  deutsche 
Historikertag  in  München  den  Vorsitz  übertrug.  Es  ist  beschämend,  sagen 
zu  müssen,  dass  dieser  Mann,  der  wahrhaftig  für  sein  Vaterland  genug  ge- 
leistet, keine  andere  äussere  Auszeichnung  in  seinem  Leben  erhalten  hat,  als 
einen  verspäteten  Hofrathstitel  (1897). 

Trotz  der  mannigfachen  Ansprüche,  welche  die  neue  Stellung,  alle  diese 


Huber. 


109 


Ehren  und  Würden  mit  sich  brachten,  verfolgte  H.  auch  in  Wien  seine 
wissenschaftlichen  Arbeiten  mit  rastloser  Kraft.  Ja,  man  darf  sagen,  dass  er 
gerade  in  diesen  Jahren  seine  ganze  bewundernswerthe  Leistungsfähigkeit  ent- 
faltet hat.  Von  1888  bis  1896  erschienen  der  3.,  4.  und  5.  Band  der  Ge- 
schichte Oesterreichs  und  die  zahlreichen  aus  den  Vorarbeiten  herausge- 
wachsenen Abhandlungen.  Daneben  veröffentlichte  H.  zur  Feier  des  50 jäh- 
rigen Bestandes  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  im  Jahre  1897  deren 
Geschichte,  welche  einen  interessanten  Ausschnitt  aus  Oesterreichs  geistigem 
Leben  im  letzten  halben  Jahrhundert  darstellt.  Im  Jahre  1898  war  H.  noch 
thätig  als  Obmann  des  Redactionscomitds  fiir  die  zum  50jährigen  Regierungs- 
jubiläum des  Kaisers  von  der  Universität  Wie»  dargebrachte  Geschichte  der- 
selben von  1848  bis  1898. 

Und  neben  all  dem  hat  nun  H.  gerade  in  diesen  letzten  Jahren  noch 
Zeit  gefunden,  um  ein  bestimmtes  Gebiet  österreichischer  Geschichte  be- 
sonders zu  pflegen,  die  österreichische  Verfassungs-  und  Verwaltungsge- 
schichte. Schon  in  einer  akademischen  Rede  vom  Jahre  1883  hatte  er  die 
Umrisse  der  österreichischen  Verwaltungsorganisation  bis  zum  Ende  des 
18.  Jahrhunderts  gezogen.  Auch  in  der  Geschichte  Oesterreichs  hatte  er 
dieser  Seite  eine  rege  Aufmerksamkeit  zugewendet.  Die  Einführung  der 
österreichischen  Reichsgeschichte  als  eigenes  Fach  in  den  juristischen  Studien- 
gang im  Jahre  1893  gab  ihm  nun  den  Anlass,  sich  speciell  diesem  Gebiete 
zuzuwenden.  Denn  es  gab  nun  wohl  auf  einmal  ein  officielles  Fach  der 
österreichischen  Reichsgeschichte,  aber  keine  zusammenhängende,  übersicht- 
liche Bearbeitung  derselben.  H.  hat  nun  als  der  erste  den  ganzen,  bisher 
nur  da  und  dort  angerührten  Stoff  in  der  »Oesterreichischen  Reichsgeschichte« 
(Wien  1895)  zusaramengefasst.  Niemand  kann  von  einem  ersten  Wurf  Voll- 
kommenheit verlangen.  Aber  durch  die  Fülle  des  verlässlich  zurechtgelegten 
Stoffes,  durch  die  eingehende  Behandlung  auch  Böhmens  und  Ungarns  ist  H.'s 
Werk  ein  unentbehrliches  Buch  geworden.  Schon  stellte  sich  eine  zweite 
Auflage  als  nothwendig  heraus,  und  H.  war  mit  derselben  beschäftigt,  als  ihn 
der  Tod  ereilte.  Zugleich  vollendete  er  noch  ein  anderes  in  dieser  Richtung 
bedeutsames  Werk.  Er  hatte  durch  Vermäch tniss  den  Nachlass  des  im  Jahre 
1865  verstorbenen  Appellationsgerichtsrathes  Ignaz  Beidtel  zur  Publicirung 
überkommen.  Aus  diesen  weitläufigen  Schriften  schälte  er  nun  eine  »Ge- 
schichte der  österreichischen  Staatsverwaltung  1740 — 1848«  (Innsbruck,  2  Bände 
1896  u.  1898)  heraus,  welcher  er  eine  auf  den  Memoiren  Beidtels  beruhende 
Biographie  desselben  voranstellte.  Ignaz  Beidtel  war  fast  50  Jahre  im  Staats- 
dienst gewesen  und  hatte  sich,  von  Hause  aus  ein  selbstständiger  Kopf,  ein 
oft  eigenartiges,  immer  beachtenswerthes  Urtheil  über  Oesterreichs  innere 
Verhältnisse  gebildet.  All  das  ist  in  dem  Werke  niedergelegt,  welches  man 
darum,  wie  H.  sagt,  eine  Geschichte  des  Geistes  der  österreichischen  Staats- 
verwaltung nennen  könnte. 

So  ist  es  denn  eine  erstaunliche  Fülle  von  Arbeit  und  Leistung,  die 
dieses  Forscherleben  umschliesst.  Von  seiner  ersten  Abhandlung  bis  zum 
allerletzten  Aufsatz  zeigen  alle  Arbeiten  H.'s  dieselbe  Gediegenheit.  Keine 
von  ihnen  enthält  blendende  Resultate,  aber  eine  jede  bedeutet  einen  sicheren 
Schritt  vorwärts.  Wie  im  Leben,  wie  in  seinen  Vorlesungen  und  Uebungen 
war  H.  auch  in  seinen  Schriften  ein  abgesagter  Feind  der  Phrase.  Aber 
was  er  darum  vielleicht  an  augenblicklicher  Anziehungskraft  vermissen  liess, 
das  ersetzte    mit    nachhaltiger   Wirkung    seine    erprobte    Zuverlässigkeit    und 


HO  Huber.     Knies. 

Klarheit.  Kein  Anderer  hat  wie  H.  die  Erkenntniss  österreichischer  Geschichte 
so  vielseitig  und  so  gründlich  im  Einzelnen  gefördert  und  kein  Andrer  hat  ein 
so  vortrefflich  zusammenfassendes  Bild  der  Staatsgeschichte  gegeben  wie  er. 
Darin  besteht  H.'s  Bedeutung. 

Nur  eine  harmonische  und  durch  und  durch  gesunde  Natur  vermochte 
diese  Fülle  von  Arbeit  zu  leisten.  H.'s  kräftige,  mehr  untersetzte  Gestalt, 
sein  sicherer  Gang,  sein  klares  braunes,  ruhig  und  doch  scharf  blickendes 
Auge,  Alles  vereinigte  sich,  um  schon  äusserlich  den  Eindruck  des  in  sich 
Gefesteten  hervorzurufen.  Er  hatte  nie  eine  ernstliche  Krankheit  durchzu- 
machen. Es  war  daher  erschreckend,  als  er  im  Jänner  1897  von  einem 
schweren  Ohnmachts-  und  Schinrächeanfall  betroffen  wurde.  Allein  er  erholte 
sich  anscheinend  so  vollkommen,  dass  Familie  und  Freunde  sich  beruhigten. 
Gerade  im  letzten  Jahre  fühlte  er  sich  wieder  so  recht  frisch  und  wohl. 
Mit  voller  Kraft  wollte  er  an  die  Fortsetzung  seiner  österreichischen  Ge- 
schichte gehen,  von  der  er  durch  alle  die  andern  Arbeiten  und  Pflichten 
vielfach  abgehalten  worden  war.  Da  riss  jäh  und  viel  zu  früh  das  Geschick 
den  unermüdlichen  Mann  mitten  aus  der  reichsten  Wirksamkeit.  Am  23.  No- 
vember, Mittags  um  i  Uhr,  wurde  er  auf  dem  Wege  von  der  Universität 
nach  Hause  von  einem  Gehirnschlag  getroffen.  Nach  wenigen  Secunden  war 
er  verschieden.   • 

Ein  österreichischer  Historiker.  Wiener  Zeitung  vom  29.  Nov.  1893  Nr.  273.  — 
Nekrologe  in  N.  Tiroler  Stimmen  vom  29.  Nov.  1898  Nr.  272  von  H(im),  in  der  Wiener 
Zeitung  vom  24.  Dec.  1898  von  Dr.  G.  L.,  in  der  (Mttnchener)  Allgem.  Zeitung  vom 
4.  Jan.  1899  Beilage  Nr.  3  von  Osw.  Redlich,  in  den  Mittheilungen  d.  Instituts  f.  Ost. 
Geschichtsforschung  (1899)  20,  189— 191  von  E.  M(ühlbacher),  in  der  Histor.  Vierteljahrs- 
schrift (1899)  2,  294 — 296  von  A.  Dopsch.  —  Eigene  Erinnerungen. 

Oswald  Redlich. 

Knies,  Karl  Gustav  Adolf,  *  29.März  1821  zu  Marburg,  f  am  3.  August  1898 
zu  Heidelberg  im  77.  Lebensjahre,  der  bekannte,  schon  im  November  1896 
todtgesagte  Professor  der  Staatswissenschaften  und  ehemalige  Director  des 
badischen  Oberschulraths,  ein  Mann,  der  schon  früh  als  akademischer  Lehrer  auch 
der  Theorie  der  Statistik  näher  trat.  K.  besuchte  die  Gymnasien  in  Marburg 
und  zu  Fulda,  lag  von  1841  bis  1845  ^^  ^^^  Universität  Marburg  dem  Studium 
der  Staats-  und  Rechtswissenschaften  ob,  promovirte  und  habilitirte  sich 
1846  als  Privatdocent  fiir  Geschichte  und  Staatswissenschaften.  Im  Jahre 
1849  ward  er  an  die  polytechnische  Schule  zu  Kassel  berufen  und  übernahm, 
nachdem  er  unter  dem  Ministerium  Hassenpflug  seines  Amtes  verlustig  ge- 
gangen, 1852  eine  Lehrerstelle  an  der  Kantonschule  zu  Schaffhausen,  von 
wo  er  auf  Grund  seiner  hervorragenden  Staats  wissenschaftlichen  und  stati- 
stischen Arbeiten  1855  als  ordentlicher  Professor  der  Kameralwissenschaften 
nach  Freiburg  i.  B.  berufen  wurde.  Hier  verfasste  er,  kurz  vor  Abschluss 
des  badischen  Konkordates,  das  »Promemoria  der  protestantischen  Professoren 
an  der  badischen  Landesuniversität  Freiburg«,  bekleidete  von  1862  bis  1865 
die  Direktorstelle  des  neuen  badischen  Oberschulrathes  für  Mittel-  und  Volks- 
schulen, bearbeitete  das  Specialgesetz  über  die  nicht  confessionellen  Aufsichts- 
behörden für  die  badischen  Volksschulen  vom  29.  Juli  1864  und  vertrat 
dasselbe  auch  als  ausserordentliches  Mitglied  des  Ministeriums  des  Innern 
vor  den  badischen  Landständen,  denen  er  seit  1861  als  Mitglied  der  vierten 
Kammer  angehörte.  Meinungsverschiedenheiten  mit  der  Regierung  über  die 
Ausführung  des  Gesetzes  veranlassten  seinen  Rücktritt,  worauf  er  1865   die 


Knies.  1 1 1 

ihm  angetragene  Professur  der  Staatswissenschaften  an  der  Ruprecht-Karls- 
Universität  übernahm.  Später  war  er  wiederholt  Mitglied  und  1882  auch 
Vicepräsident  der  I.  Kammer.  Die  juristische  Fakultät  zu  Tübingen  ernannte 
ihn  1877  beim  einhundertjährigen  Universitätsjubiläum  zum  Ehrendoktor. 
Am   I.  April  1896  trat  er  in  den  wohlverdienten  Ruhestand. 

K.  war  ein  Hauptvertreter  der  historischen  Schule,  dessen  tiefe  geschichts- 
philosophische  Auffassung  der  Volkswirthschaft  Ad.  Wagner  (S.  »Staats- 
wissenschaftl.  Wörterbuch  von  Bluntschli  und  Brater«,  Band  X,  S.  455.  — ) 
rühmt  und  dessen  Critik  S.  Cohn  der  Herrmann'schen  Logik  (S.  S.  Cohn, 
»Grundriss  der  Nationalöconomie«  (Stuttgart  1855),  S.  2090*.)  weit  voran- 
stellt. Auf  dem  Gebiete  der  Statistik  trat  er  1850  mit  seiner,  in  Kassel  er- 
schienenen, epochemachenden  Arbeit  »Die  Statistik  als  selbstständige  Wissen- 
schaft« u.  s.  w.  (das  Werk  ist  nach  dem  vollen  Titel  bestimmt  »Zur  Lösung 
des  Wirrsals  in  der  Theorie  und  Praxis  dieser  Wissenschaft.  Zugleich  ein 
Beitrag  zu  einer  kritischen  Geschichte  der  Statistik  seit  Achenwall«)  hervor, 
in  welcher  er,  auf  dem  Boden  der  politischen  Arithmetik,  als  Grundlage  für 
die  statistischen  Operationen  bei  Ausschluss  der  Wortsprache  nur  die  zahlen- 
mässig  genau  feststehende  Thatsache  zulässt.  Die  Statistik  hat  sich  nach  K. 
nicht  auf  die  Gegenwart  zu  beschränken ;  keine  Rücksicht  auf  Staatliches  oder 
Politisches  soll  ihren  Stoff  bestimmen,  sondern  nur  die  unerlässliche  Bedingung 
der  genauen  Zahlenangabe.  Der  für  die  alte  historische  Schule  wesentliche 
Begriff  des  Dauernden  und  Zuständlichen  ist  K.  daher  für  die  Statistik  be- 
deutungslos, welche  ihm  eine  zahlenmässig  verbürgte  Detailkenntniss  ver- 
mitteln und  ihn  als  neue  greifbare  Vertreterin  der  vollen  Wahrheit  der  Dinge, 
auf  deren  Grundlage  allein  ein  sicheres  Heil  für  die  Leiden  und  Besserung 
der  Erscheinungen  des  öffentlichen  Lebens  zu  erwarten  steht,  zu  einer  Phy- 
siologie der  Gesellschaft  führen  soll.  Die  nur  auf  diesem  Wege  und  mit 
diesen  Mitteln  mögliche  Erkenntniss  des  gesetzlichen  Organismus  jener  Er- 
scheinungen ist  die  letzte  Aufgabe  der  Statistik  als  einer  ganz  selbstständigen 
und  eigenthümlichen  Wissenschaft,  welche  auch  über  eine  besondere  Methode 
verfügt. 

K.  fordert  in  seinem  Buche  mit  Entschiedenheit  eine  Trennung  der  ver- 
schiedenartigen Dinge,  welche  unter  dem  Namen  »Statistik«  zusammengefasst 
werden.  Nach  ihm  haben  sich  unter  diesem  Namen  zwei  Gruppen  oder 
Richtungen  nebeneinander  ausgebildet,  die  Nichts  mit  einander  gemein  haben 
als  eben  den  Namen;  diese  Gruppen  müssten  in  zwei  Disciplinen  geschieden 
werden.  K.  sprach  damit  die  Leichenrede  der  Achen wall- Seh lÖzer*schen 
Schule;  den  theoretischen  Statistikern  die  Augen  geöffnet  zu  haben,  war  sein 
grosses  Verdienst. 

Von  den  zahlreichen  selbstständigen  staatswissenschaftlichen  Schriften  des 
Verstorbenen  heben  wir  hier  noch  hervor:  »Die  politische  Oeconomie  vom 
Standpunkte  der  geschichtlichen  Methode«,  Braunschweig  1853,  in  zweiter 
Auflage  ebenda  1883  u.  d.  T.  »Die  politische  Oeconomie  vom  geschicht- 
lichen Standpunkte«  u.  s.  w.  erschienen.  —  »Die  Eisenbahnen  und  ihre 
Wirkungen«,  Braunschweig  1853.  —  »Der  Telegraph  als  Verkehrsmittel.  Mit 
Erörterungen  über  den  Nachrichtenverkehr  überhaupt«,  Tübingen  1857.  — 
»Die  Dienstleistung  der  Soldaten  und  die  Mängel  der  Conscriptionspraxis. 
Eine  volkswirthschafüich-financielle  Erörterung«,  Freiburg  i.  Br.  1860.  —  »Zur 
Lehre  vom  volkswirthschafdichen  Güterverkehr«,  Freiburg  i.  B.  1862.  —  »Finanz- 
politische Erörterungen»,   Heidelberg  187 1.  —   »Weltgeld   und  Weltmünzen«, 


112  Knies.     Hartmann  Hans. 

Berlin  1874.  —  Sein  Hauptwerk  ist:  »Geld  und  Credit«,  Abtheilung  I  und  11  in 
zwei  Bänden,  Berlin  1873 — ^^79»  ^i^  zweite  Auflage  der  I.  Abtheilung  »Das 
Geld«  erschien  ebenda  1885.  —  Im  Auftrage  der  badischen  historischen 
Commissi on  gab  K.  ferner  das  zweibändige  Werk  »Carl  Friedrich's  von 
Baden  brieflicher  Verkehr  mit  Mirabeau  und  Dupont«,  Heidelberg  1892, 
heraus. 

Ausserdem  veröffentlichte  er  eine  grosse  Menge  von  staatswissenschaftiichen 
Arbeiten  in  Sammelwerken  und  Zeitschriften,  so  in  den  Jahrgängen  1848  bis 
1855  von  Brockhaus'  Gegenwart  (über  »den  deutschen  Bund  bis  1830  bezw. 
bis  zur  Auflösung  des  Bundestages«,  über  »die  Statistik  auf  ihrer  jetzigen 
Entwickelungsstufe«  (Band  VII  (1855),  S-  ^5^ — ^^f  ^^"^  ^^^^  eingehende  Be- 
leuchtung, bei  welcher  er  seinen  früheren  Standpunkt  unverändert  festhält), 
über  »das  Eisenbahnwesen«  und  das  heutige  »Bank-  und  Creditwesen«,  in 
der  Germania  (Heidelberg),  in  der  allgemeinen  Monatsschrift  für  Wissenschaft 
und  Litteratur  (Braunschweig),  in  den  Preussischen  Jahrbüchern  (Berlin),  in 
der  Protestantischen  Monatsschrift  (Gotha),  in  Unserer  Zeit,  in  der  Tübinger 
Zeitschrift  für  Staatsw.   und  in  der  Züricher  wissenschaftlichen  Monatsschrift. 

K.  lebte  in  langer  glücklicher  Ehe;  er  hinterliess  ausser  seiner  Gattin 
einen  Sohn,  der  Augenarzt  und  a.  o.  Professor  in  Freiburg  i.  B.  ist.  Wir 
haben  in  dem  Verstorbenen  einen  Mann  verloren,  der  mit  hohem  Idealismus 
bei  gewaltiger  Arbeitskraft  ein  umfassendes  Wissen  verband  und  als  Lehrer 
der  Nationalöconomie  und  Statistik  Bedeutendes  leistete. 

E.  Blenck. 

Hartmann,  Hans,  Maler,  *  24.  Februar  1845  ^^  Berlin,  f  8.  Juni  1898 
im  Bade  Nauheim.  Sein  Vater,  Dr.  Wilhelm  Hartroann,  Professor  am  Ber- 
linischen Gymnasium  zum  Grauen  Kloster,  der  selbst  ein  geschickter  Zeichner 
und  Kunstfreund  war,  hatte  in  seinem  ältesten  Sohne  schon  früh  die  Liebe 
zur  Malerei  angeregt,  wie  er  auch  trotz  beschränkter  Mittel  eine  kleine 
Sammlung  guter  Bilder  zusammengebracht  hatte.  Trotzdem  der  Sohn  als 
Secundaner  an  Gelenkrheumatismus  und  Herzbeutelentzündung  schwer  er- 
krankte, gelang  es  ihm  dennoch  Ostern  1864  das  Zeugniss  der  Reife  am  Grauen 
Kloster  zu  erhalten.  Er  hörte  als  Student  einige  Vorlesungen  über  Kunstge- 
schichte und  Aesthetik,  trat  aber  zugleich  in  das  Atelier  des  Landschafts- 
und Marinemalers  Eschke  ein.  Behufs  Erlangung  sicherer  Einnahmen  schloss 
er  sich  bald  als  Decorationsmaler  den  Königlichen  Theatern  an,  wo  er 
mehrere  Jahre  hindurch  unter  Lechner  arbeitete.  Gleichzeitig  wurde  er 
des  Abends  von  dem  ihm  befreundeten  Christian  Willberg  in  anregendster 
Weise  unterrichtet.  Früher  schon  hatte  er  auch  drei  Monate  bei  Heinrich 
Stövesandt  in  seinem  architektonischen  Zeichenunterricht  gründliche  perspec- 
tivische  Studien  gemacht.  —  Im  Jahre  1869  trat  er  als  artistischer  Hilfs- 
arbeiter in  das  photographische  Atelier  der  Firma  Löscher  und  Petsch  ein, 
deren  Mitinhaber  er  nach  dem  baldigen  Ausscheiden  Petschs  wurde.  Hier 
suchte  er  im  Verein  mit  Löscher  bei  klarer  Erkenntniss  der  Schranken  der 
Photographie  sie  auf  ihrem  eigenen  Gebiete  zu  möglichst  künstlerischer  Voll- 
kommenheit zu  bringen,  und  jede  freie  Stunde  verwandte  er  auf  das  Studium 
der  Alten,  auf  das  Zeichnen  nach  Köpfen,  anatomischen  Präparaten  und 
anderen  für  seine  Zwecke  nützlichen  Gegenständen.  Die  Firma  gelangte  bald 
zu  hohem  Ansehen,  und  die  Inhaber  hatten  die  Genugthuung,  ihre  Arbeiten 
mehrfach  prämiirt,  und  was  ihnen  besonders  werthvoU  war,  von  vielen  Kunst- 


Hartmann  Hans.     Hartmann  Helene. 


113 


lern  anerkannt  zu  sehen.  Aber  im  Stillen  sehnte  sich  H.  nach  rein  künst- 
lerischer Thätigkeit  zurück,  und  so  schied  er  1888  aus  der  Firma  Löscher 
und  Petsch  aus,  um  sich  wieder  ganz  der  Kunst,  und  im  Besonderen  der 
Architekturmalerei  zu  widmen.  Mit  grösstem  Ernste  ging  er  zu  Werke  und 
besuchte  jetzt  noch  fünf  Jahre  die  akademische  Hochschule,  um  sich  unter 
Brachts  Leitung  in  der  Landschafts-  und  Architekturmalerei  zu  vervollkommnen. 
Nach  Beendigung  dieser  abermaligen  Ausbildungszeit  kehrte  er  zur  Deco- 
rationsmalerei zurück  und  gründete  mit  Heinrich  Härder  in  Steglitz  ein 
grosses  Atelier,  aus  dem  in  den  letzten  Jahren  seines  Wirkens  viele  bedeutende 
Decorationen  für  die  Königlichen  Theater  und  die  Urania  hervorgingen.  In 
den  weitesten  Kreisen  fand  unter  ihren  Decorationsmalereien  das  grosse  Bild 
vom  alten  Berliner  Schloss  und  Dom  auf  der  Berliner  Gewerbeausstellung 
von  1896  (in  der  Abtheilung  Alt-Berlin)  besondere  Anerkennung.  Von 
seinen  zahlreichen  Oelbildern  befinden  sich  einige  auch  in  öffentlichen  Samm- 
lungen, so  zwei  im  Museum  in  Altenburg.  Das  grosse  Prachtwerk:  Zur 
Jubelfeier  der  Königl.  Akad.  Hochschule  für  bildende  Künste  1696 — 1896, 
zeigt  auf  S.  256  die  Abbildung  seines  Oelbildes  der  Moritzburg  in  Halle 
a.  S.  —  H.  war  in  den  Kreisen  seiner  Freunde  und  Kunstgenossen  be- 
liebt und  angesehen  wegen  seines  ernsten  Strebens,  seiner  Biederkeit  und 
Treue  und  seines  sprudelnden,  harmlos  behaglichen  Witzes,  der  nie  ver- 
letzte. Bei  vielen  künstlerisch  belebten  Festen  hat  er  durch  Bild  und 
Wort  die  Fröhlichkeit  der  Feststimmung  erst  auf  ihren  Gipfel  gebracht, 
trotzdem  er  schon  seit  Jahren  herzkrank  war  und  oft  genug  sich  erst  in  der 
Hingabe  an  die  Freunde  die  Macht  des  Gemütes  über  den  widerstrebenden 
Körper  erkämpfen  musste.  Im  Jahre  1876  hatte  er  sich  mit  der  ältesten 
Tochter  des  Professors  am  Grauen  Kloster  Rudolf  Franz  verheirathet,  die 
jetzt  mit  drei  Kindern  seinen  zu  frühen  Tod  betrauert.  Seine  mehr  als  halb- 
jährige qualvolle  Todeskrankheit  hat  er  mit  bewundernswürdiger  Geduld  er- 
tragen und  auch  sonst  sind  ihm  schwere  Prüfungen  in  der  Familie  nicht  er- 
spart geblieben.  Aber  doch  lebt  im  Andenken  seiner  Freunde  sein  Bild  als 
das  eines  immer  strebenden,  lebensfrohen  und  frischer  Lust  sich  gern  hin- 
gebenden Mannes  fort. 

Fritz  Jonas. 

Hartmann,  Helene,  Hofschauspielerin  am  Burgtheater,  *  Mannheim  14.  Sep- 
tember 1844,  t  Wien  12.  März  1898.  Als  Sechzehnjährige  betrat  Helene 
Schneeberger  zum  ersten  Male  die  Bühne  ihrer  Vaterstadt,  an  der  sie  vier 
Jahre  bHeb;  Maurice  berief  sie  1864  an  das  Hamburger  Thaliatheater;  1865 
lud  sie  Laube  zu  einem  Gastspiel  an  das  Burgtheater;  sie  kam  und  siegte 
als  Lorle  in  »Dorf  und  Stadt«,  »Aline«  in  »Fesseln«,  Jeanne  in  »Lady  Tartuffe..; 
sofort  engagirt,  begann  sie  Juli  1867  ihre  Thätigkeit  am  Burgtheater;  1868 
vermählte  sie  sich  mit  dem  ausgezeichneten  Mitglied  des  Burgtheaters  Ernst 
Hartmann.  In  Mädchen-,  Frauen-,  Mutter-Rollen,  von  Anfang  bis  zu  Ende 
ihrer  Laufbahn,  war  sie  (wie  der  Nachruf  in  der  Münchener  Allgemeinen 
Zeitung  sagte)  »das  Wunderwesen,  dessen  Name  täglich  und  stündlich  in  allen 
Schauspielhäusern  aller  Länder  eitel  genannt  wird:  eine  Naive  oder  richtiger 
die  Naive,  die  Naturwüchsige«.  Immer  wieder  wurde  sie  mit  Bernhard  Bau- 
meister in  Eine  Reihe  gestellt:  deutsche  Art,  deutsches  Gemüth  verkörperten 
die  Beiden  mit  unübertroffener  Kraft  und  Wahrhaftigkeit.  Ihr  Lorle  ist  nach 
Speidels  Zeugniss  typisch  geworden.   Ihre  Margarethe  in  Ifflands  »Hagestolzen« 

Biogr.  Jabrb.  u.  Deutscber  Nekrolog.    3.  Bd.  3 


114 


Hartman n  Helene. 


erschien  Minor  im  Vergleich  mit  der  Leistung  der  Raabe  in  derselben  Rolle 
wie  ein  deutsches  Dorfkind  in  echtem  niederländischen  Stil  neben  einer  aus 
der  französischen  Schule  stammenden  Bauernmaskerade.  Ihre  Franziska  in 
»Minna  von  Barnhelm«  war  Baumeisters  "Wachtmeister  ebenbürtig:  sie  gehört 
»zu  den  unsterblichen  Leistungen,  auf  denen  der  Ruhm  des  alten  Burg- 
theaters beruht,  und  mit  Recht  ist  sie  in  dieser  Rolle  in  die  Bildergalerie 
des  Burgtheaters  aufgenommen  worden  (Minor).«  »Entztickend  im  ersten 
Jahrzehnt  ihrer  Burgtheater-Laufbahn  als  Puck,  Franziska,  Dörte  in  »Hans 
Lange«,  in  Doczi'schen  romantischen  Komödien  und  als  Margarethe  in  IfFlands 
»Hagestolzen«  hat  sie  die  Erinnerung  an  diese  Frtihzeit  niemals  getrübt. 
Vorzeitig  gab  sie  ihre  besten  jugendlichen  Rollen,  ja  das  ganze  Rollenfach 
der  Backfische  ab.  Aus  der  besten  munteren  Liebhaberin  wurde  die  erste 
Charakterspielerin  des  Deutschen  Theaters,  eine  komische  Alte,  die  der 
Haizinger  ebenbürtig  war  und  zugleich  eine  bürgerliche  Heldenmutter,  die 
über  Töne  gebot  und  in  Regionen  reichte,  die  der  Haizinger  unbekannt  und 
unerreichbar  geblieben  waren« :  als  Bärbel,  als  Frau  Piepenbrinck  so  köstlich, 
wie  zuvor  als  Lorle  und  Adelheid  von  Runeck;  im  neueren  deutschen  Drama 
als  Mutter  Vockerat  in  Hauptmanns  »Einsame  Menschen«,  als  Diakonissin  in 
»Hannele«,  als  Frau  Hergentheim  in  Sudermanns  »Schmetterlingsschlacht«  so 
überzeugend,  wie  im  französischen  Conversationsstück,  z.  B.  der  Komödie 
»Nur  Mutter«  von  Najac.  Mit  am  Grössten  in  den  kleinsteh  Episoden:  so 
zumal  als  Frau  Dr.  Stockmann  in  Ibsens  »Volksfeind«.  Reichste  Zukunft, 
schönste  Entwicklung  lag  vor  der  Einzigen,  als  sie  —  unmittelbar  vor  der 
ersten  Aufführung  eines  Wiener  Schauspiels  »Neigung«  von  David,  dessen 
Hauptcharakter  sie  tragen  sollte  —  von  Herzkrämpfen  heimgesucht  und  weg- 
gerafft wurde.  Schwere  Schicksale  hatten  die  aufopfernde  Mutter  getroffen: 
ihr  bildschöner,  grundguter  Sohn  wurde  von  langjährigem,  qualvollem  Siech- 
thum  erfasst,  das  ihre  hingehendste  Pflege  nur  zu  lindern,  nicht  zu  bannen 
vermochte.  Diesen  Verlust  hat  sie  niemals  verschmerzt,  obwohl  ihre  beiden 
Töchter,  Baronin  von  Ferstel  vnd  Frau  Max  v.  Gutmann,  in  Beweisen  der 
Liebe  für  die  verehrungswürdige  und  allverehrte  Frau  wetteiferten.  Als 
Mädchen,  Gattin,  Mutter  und  Grossmutter  genoss  sie  bei  aller  Welt  besonderes 
Ansehen.  Ihr  alter  und  ihr  neuer  Landesherr,  der  Grossherzog  von  Baden 
und  Kaiser  Franz  Joseph,  begnügten  sich  nicht  damit,  sie  mit  Orden  auszu- 
zeichnen; sie  bezeugten  dem  lauteren  Wesen,  der  ungewöhnlichen  Frau, 
ungewöhnlichen  persönlichen  Antheil.  Der  Kaiser  von  Oesterreich  Hess  ihr 
nach  dem  Tode  ihres  Sohnes  sein  Beileid  aussprechen  und  überraschte  sie 
eines  Tages  durch  die  Uebersendung  seines  Bildes  im  Silberrahmen  mit  der 
eigenhändigen  Widmung:  ^>Der  trefflichen  Künstlerin  Frau  Hartmann  —  Franz 
Joseph.«  In  Kunst  und  Leben  wirkte  sie  wohlthuend  durch  echte  Weiblich- 
keit, gleich  empfänglich  für  Lebensemst  und  Lebensfreude,  voll  Mutterwitz 
und  Laune,  tiefer,  reiner  Empfindung  so  fähig  und  mächtig,  wie  saftigen 
Humors;  dauernden  Andenkens  werth  und  sicher  in  der  alten  und  neuen 
Heimath,  in  ihrer  Häuslichkeit  und  in  der  Geschichte  der  deutschen  Schau- 
spielerkunst. 

Laube:  Das  Burgtheater.  —  Decamerone  vom  Burgtheater.  —  Wilbrandt:  Neue 
Gedichte.  Aus  dem  Burgtheater.  —  J.  Minor:  Sonntagsbeilage  zur  Vossischen  Zeitung 
Nr.  167,  10.  April  1898;  ihr  Repertoire  soll  nach  Minors  Angaben  180  Rollen  umfasst 
haben.  —  Ludwig  Speidel:  Neue  freie  Presse  13.  März  1898.  —  Max  Kalbeck:  Neues 
Wiener  Tagblatt  vom  13.  März  1898.  —  Ludwig  Hevesi:  Fremdenblatt  vom  13.  März 
1898  und  »Wiener  Todtentanz«  (Stuttgart,  Bonz,  1899).  —  Alexander  v.  Weilen:  Montags* 


Hartmann  Helene.     Egler.  1 1  c 

Revue  vom  14.  März  1898.  —  Anton  Bettelheim:  MUnchener  AUg.  Ztg.  (wiederholt: 
Acta  diurna,  Wien,  Hartleben,  1899).  —  Leichenfeier  (mit  den  Reden  von  Paul  Schlenther 
und  Sonnenthal)  in  den  Wiener  Zeitungen  vom  15.  März  1898.  —  Bilder  in  der  Gallerie 
des  Burgtheaters  und  im  Familienbesitz:  das  letzte  Porträt  von  Leopold  Horovitz. 

Anton  Bettelheim. 

Egler,  Ludwig,  Seifensieder,  Redacteur,  Dichter  und  Schriftsteller, 
*  24.  August  1828  zu  Hechingen,  f  2.  August  1898  zu  Hechingen.  E.  war 
der  Sohn  des  Seifensieders  Karl  E.,  dessen  Grossvater  Gottfried  im  18.  Jahr- 
hundert aus  der  deutschen  Schweiz  nach  Hechingen  einwanderte.  Ludwig 
E.  musste  das  Gewerbe  des  Vaters  ergreifen,  wiewohl  er  mit  viel  grösserer 
Freude  sich  den  Studien  gewidmet  hätte.  Das  Jahr  1850  führte  ihn  als 
Gesellen  auf  die  Wanderschaft  durch  Württemberg,  den  Rhein  hinab  bis 
nach  Westfalen,  dann  nach  Hannover,  Braunschweig,  Berlin.  Ueber  Sachsen 
und  Thüringen  kehrte  er  in  seine  schwäbische  Heimath  zurück.  Seine  Reise 
war  aber  keinesweges  die  gewöhnliche  Walze  wandernder  Handwerksburschen. 
Der  Seifensiedergeselle,  der  da  mit  dem  Felleisen  auf  dem  Rücken  durch 
deutsche  Lande  zog,  reiste,  um  den  starken  Drang  nach  geistiger  Nahrung, 
das  unbewusste  Sehnen  nach  dem  Schönen  in  Natur  und  Kunst,  die  heiss- 
erstrebte  Bereicherung  seines  Wissens  zu  befriedigen.  Seine  Aufzeichnungen 
aus  jener  Zeit  legen  Zeugniss  hierfür  ab.  Mit  dem  Jahre  1854  musste  er 
das  Geschäft  seines  Vaters  übernehmen.  Für  die  geistigen  Bedürfnisse  des 
eifrig  an  seiner  Bildung  arbeitenden  jungen  Seifensiedermeisters  genügte  ihm 
sein  prosaisches  Handwerk  nicht.  Wo  er  nur  Etwas  erhaschen  konnte,-  das 
ihn  zu  belehren  vermochte  über  sein  geliebtes  Heimathland,  da  ruhte  er 
nicht,  bis  es  in  seinem  Besitze  war  und  er  es  gelesen  hatte,  gleichviel  welches 
Gebiet  des  Wissens  es  behandelte.  E.  war  von  ernster,  grübelnder,  aber 
nicht  kopfhängerischer  Art.  Vor  Allem  fühlte  er  in  sich  den  Drang,  seine 
Empfindungen,  seine  Beobachtungen,  seine  Studien  in  dichterische  Formen 
zu  bringen.     Hören  wir  ihn  selbst: 

Wia  om  d*  Versle  kommet. 

Miar  sitzt's  so  warm  im  Heaza  drinn 

S'thuat  wunderbarlich  treiba; 

Gedanke  kummt  miar  in  Sinn 

Ka'  saga  kaum  und  schreiba. 

Au  wechslet's  oft  —  bald  ischt  es  trUab 

ßald  hell,  wia  Summermorga, 

'S  ischt,  wie  wenn  oas  a  schtille  Liab 

Im  Heaza  hält  verborga. 

Im  Jahre  1855  erschien  sein  erstes  Gedicht,  und  hatte  es  vorher  in 
seinem  Innern  geknospt,  getrieben,  so  begann  es  nun  auch  zu  blühen. 
Geistige  Beschäftigung  ward  ihm  zur  Nothwendigkeit,  und  war  er  der  Arbeit 
seines  Handwerkes  ledig,  dann  sass  er  über  den  Büchern  oder  sammelte 
geistige  Schätze  im  Volke.  Als  erste  grössere  Frucht  seines  still  emsigen 
Strebens  erschien  1861:  »Aus  der  Vorzeit  Hohenzollerns«,  eine  Sammlung 
von  Sagen  und  Legenden  in  dichterischer  Form  und  kulturgeschichtliche 
Erzählungen.  Diese  Arbeit  erwarb  ihm  viele  Freunde  in  Gelehrtenkreisen: 
Anton  Birlinger,  Michael  Bück  (der  meines  Erachtens  vieles  Aehnliche  mit 
Ludwig  E.  hatte),  Graf  StiUfried  u.  a.  m.  Der  Briefwechsel  mit  solchen 
Männern,  der  Besuch  von  Gelehrten,  die  Zuwendung  ihrer  Bücher,  das  bildete 

8* 


1 1 6  Egler. 

sein  Glück,  seinen  Stolz.  Schon  vorher,  1857,  war  sein  eigentliches  Erstlings- 
werk erschienen :  »Sonnettenkranz  zur  Erinnerung  an  die  Fürstin  Eugenie  von 
Hohenzollern-Hechingen«,  worin  er  der  Dankbarkeit  und  Verehrung  für  diese 
durch  ihre  Herzenseigenschaften  hervorragende  Frau  Ausdruck  gab.  Ausser 
vielen  dichterischen  Versuchen  und  kleineren  Gelegenheitsgedichten  schrieb 
er:  »Führer  durch  Hechingen  und  die  Burg«,  1862;  »Kurort  Imnau  und  Stadt 
Haigerloch,  1864;  »Schwefelbad  Sebastiansweiler  und  Umgebung«,  1886. 
Höher  als  diese  Sachen  steht  als  ein  Product  emsigen  Fleisses,  guter  Anord- 
nung und  verständiger  Sichtung  seine  »Chronik  der  Stadt  Hechingen«,  1887; 
eine  Arbeit  von  bleibendem  Werthe,  wenn  ihr  auch  die  kritische  Sonde  des 
geschulten  Historikers  mangelt.  Für  E.'s  gewissenhaftes  Ringen  nach  Ver- 
vollkommnung seines  Könnens  und  Wissens  spricht  die  Wiederauf  läge  und 
Umarbeitung  seines:  »Aus  der  Vorzeit  Hohenzollerns«,  die  1895  als  »Mytho- 
logie, Sage  und  (beschichte  der  Hohenzollern'schen  Lande«  erschien,  nachdem 
er  1881  schon:  »Aus  'm  Zolleriändle« ,  Gedichte  in  schwäbischer  Mundart 
herausgegeben  hatte.  Auch  auf  einem  anderen  Gebiete  war  er  schriftstelle- 
risch thätig,  als  Redacteur  der  »Hohenzollern'schen  Blätter«.  Er  musste 
hierbei  erfahren,  dass  »ein  politisch  Lied,  ein  hässlich  Lied«  sei,  und  es 
wurde  für  ihn,  den  Mann  mit  dem  empfindlichen,  sensitiven  Gemüthe,  das 
viel  mehr  zum  sinnigen  Versenken  in  die  Wunder  der  Natur  und  zum 
Studium  der  Volksseele  veranlagt  war,  als  zum  Rufer  im  Streite  der  politi- 
schen Kämpfe,  besser  gewesen  sein,  wenn  er  von  dieser  ihn  sicher  nicht  be- 
friedigenden Thätigkeit  fern  geblieben  wäre. 

Es  war  Anfang  der  80er  Jahre,  als  ich  E.  persönlich  kennen  lernte. 
Die  Art  dieses  Mannes  war  keine  gewöhnliche.  Er  fesselte  mich  sofort,  und 
recht  charakteristisch  war,  dass  er  mich  zunächst  in  seine  sehr  dunkle  Schatz- 
kammer führte  und  mir  alle  seine  litterarischen  Schätze  zeigte  und  dann 
mich  mit  seiner  gesammten  Familie  in  und  ausser  dem  Hause  bekannt 
machte,  an  der  er  mit  warmer  Liebe  hing.  Seine  Erscheinung  war  selbst- 
bewusst,  aber  durchaus  nicht  hochmüthig.  Von  ernstem,  gemessenem  Be- 
nehmen, schien  er  kaum  lächeln  zu  können.  Er  besass  ein  merkwürdiges, 
fesselndes  Auge,  voll  Tiefe  und  versteckter,  innerer  Wärme.  Wie  leuchtete 
es  auf,  wenn  er  seine  vorgenannten  Schätze  zeigte:  Briefe  und  Werke  be- 
deutender Männer,  die  ihm  nahe  getreten  in  Folge  seiner  dichterischen 
Arbeiten.  Und  wenn  wir  dann  durch  die  Umgegend  von  Hechingen  streiften 
auf  den  Spuren  vor-  und  früh  geschichtlicher  Erinnerungen  oder  wir  den  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  entstandenen  Kunst-  und  Baudenkmälern  nachgingen, 
er  als  Führer,  dann  strahlte  sein  Auge,  und  mit  fast  beschämender  Bescheiden- 
heit forschte  er  nach  Belehrung,  wiewohl  ihm  das  selbstbewusste  Gefühl  des 
Autodidakten  nicht  fehlte.  Aeussere  Anerkennungen  von  fiirstlichen  Gönnern 
und  Vertrauensstellen  im  Dienste  der  Stadt  und  des  Landes  haben  E.  nicht 
gefehlt.  Aber  ich  glaube,  dass  er  das  höchste  Glück  empfand,  wenn  ihm 
wieder  eine  geistige  Arbeit  gelungen,  wenn  sich  aus  seinem  Innern  hervor- 
gerungen, was  da  geglüht  und  nach  Werden  gerufen,  wie  er  es  in  dem  oben 
angezogenen  Gedichte,  dessen  zwei  letzten  Strophen  noch  Raum  finden 
mögen,  andeutet: 

Ma  möcht's  nau  saga  jederma 

Sei  Glück,  sei  Innras,  zeiga; 

Doch  will  ma's  thoa  und  kummt's  druf  a, 

So  thuat  ma  lieber  schweiga. 


Egler.     Gsell-Fels.  117 

Nur  hie  oder  do,  am  reachtan  Oat 
Und  au  zua  gwissa  Schtunda, 
Do  kama's  saga,  findt  ma  d'Woat 
Zu  dem,  was  's  Heaz  empfunda. 

Do  ischt  es  grad,  als  ob  ses  Gemüat 

Uflaisa  wöt  in  Reima, 

Es  ischt,  wie  wenn's  im  FrUaling  blüat 

Und  schprossa  tbuat  und  keima. 

Schön  reiht  ses  anander  a, 

Was  aus'ro  Heaza  klunga; 

So  geit's  halt  no  a  Liadle  na 

Wia  des,  wo  grad  i  gsunga. 

Schwäbischer  Merkur,  2.  August  1898.  Tübinger  Chronik,  2.  August  1898.  Frank- 
furter Zeitung.  Hohenzol  lern 'sehe  Volkszeitung  4.  August.  Hobenzollern'sche  Blätter 
3.  August  Schwarzwälder  Bote  2.  Aug.  Blätter  des  Schwäbischen  Albvereins.  A.  Holder 
im  Schwabenland,  No.  17,  1898  mit  dem  Bilde  Egler's.  Derselbe  in  Alemannia,  1898, 
Heft  II. 

Karl  Theodor  Zingeler. 

Gsell-Fels,  Johann  Theodor,  Dr.  med.,  philos.  und  theol.,  Kunst- 
und  Reiseschriftsteller,  *  14.  März  18 18  zu  St.  Gallen,  f  12.  October  1898 
zu  München.  Derselbe  stammte  aus  der  seit  vielen  Jahrhunderten  im  Canton 
St.  Gallen  angesessenen  Familie  Gsell,  welche  schon  15 16  das  Schweizer 
Bürgerrecht  erlangt  hat.  Seine  Eltern  waren  der  Kunstmaler  Jacob 
Laurenz  Gsell  und  dessen  Ehegattin  Susanna  Martha  von  Schobinger.  Dieser 
Ehe  waren  drei  Söhne  entsprossen :  Job.  Gaspard,  später  Kunstmaler  zu  Paris, 
Jacob  Laurenz  und  unser  Johann  Theodor.  Die  drei  Brüder  erhielten  ihren 
ersten  Unterricht  im  TobIer*schen  Institute  zu  St.  Gallen;  die  dortselbst  von 
Stähelin  mit  feuriger  Beredsamkeit  gehaltenen  Religions-Vorträge  ergriffen 
auch  ihre  jugendlichen  Herzen  so  gewaltig,  dass  sie  den  Entschluss  fassten, 
dermaleinst  Geistliche  zu  werden.  Sodann  kam  Johannes  Theodor  an  das 
Gymnasium  von  St.  Gallen,  nach  weiteren  drei  Jahren  an  das  von  Laquai 
und  Scheittin  geleitete  Collegium  humanitatis,  das  später  zu  einem  höheren 
Gymnasium  umgebildet  wurde.  Nachdem  seine  Eltern  in  die  Erfüllung  seines 
Wunsches,  den  geistlichen  Beruf  zu  erwählen,  eingewilligt,  bezog  er  die  Uni- 
versität Basel,  oblag  hier,  während  5  Semester,  den  philologischen  und  theo- 
logischen Studien,  gewann  bei  Lösung  einer  philosophischen  Preisaufgabe  den 
obersten  Preis,  und  setzte  dann  auf  der  Universität  Berlin,  insbesondere  im 
Seminar  Strauss,  in  jenem  von  Theremin,  dann  bei  Schelling  seine  akade- 
mischen Studien  fort.  Schon  hatte  er  seine  erste  Predigt  gehalten,  da  bewog 
ihn  ein  Kehlkopfleiden  zur  Aufgabe  des  theologischen  Berufes;  er  widmete 
sich  nunmehr  dem  Studium  der  Kunstgeschichte,  unternahm  dann  eine  Fuss- 
reise  durch  ganz  Italien  und  oblag  von  1845  — 1848  zu  Paris  auch  natur- 
wissenschaftlichen Studien.  1848  in  seine  Vaterstadt  zurückgekehrt,  erhielt 
er  dortselbst  das  Amt  eines  Staatsarchivars,  welches  er  bis  1852  bekleidete. 
1850  verehelichte  er  sich  mit  der  Tochter  des  Regierungspräsidenten  von 
St.  Gallen,  Luise  von  Fels,  deren  Familie  aus  Val  d'Aosta  in  Piemont  stammte 
und  1595  der  damaligen  adeligen  Genossenschaft  des  Notveststeins  einverleibt 
worden  war.  Nach  seiner  Verehelichung  nahm  er  den  Doppelnamen  »(jsell- 
Fels«  an  und  erhielt  durch  Regierungsbeschluss  die  Genehmigung,  dass  diesen, 
durch  seine  Werke    berühmten  Doppelnamen  in    erblicher  Weise  auch  seine 


Il8  Gsell-Fels. 

Nachkommen  führen  dürfen.  1852  zog  er  nach  Würzburg,  dann  nach  Wien 
und  Berlin,  um  sich  dem  Studium  der  Medizin  zu  widmen,  erlangte,  wie  in 
der  Philosophie  und  Theologie,  so  auch  in  der  Medicin  den  Doctorhut  und 
oblag  dann  zu  Nizza,  Rom,  Pisa  und  Zürich  als  ein  besonders  in  der  grossen 
Welt  vielgesuchter  Arzt  der  ärztlichen  Praxis  und  las  in  Pisa  und  Zürich  als 
Privatdocent.  1870  Hess  er  sich  in  Basel  nieder,  ward  zum  Grossrath  ge- 
wählt und  las  an  der  dortigen  Universität  über  Kunstgeschichte.  1880  siedelte 
er  ganz  nach  München  über,  übernahm  die  Präsidentenstelle  beim  Aufsichts- 
rathe  der  Jod-Quellen  Toelz-Krankenheil,  lebte  aber  fortan  nur  mehr  der 
Schriftstellerei,  während  er  den  ärztlichen  Beruf  nur  vorübergehend  in  den 
Sommern  1887 — 1895  als  Badearzt  in  der  Schweiz  ausübte.  In  München 
verlor  er  (i.  J.  1887)  seine  Gattin  durch  den  Tod.  Ihrem  Ehebunde  waren 
drei  Kinder  entsprossen,  zwei  Söhne:  Wilhelm  Jacob  und  Dr.  Victor  Theodor, 
welche  beide  seit  20  und  10  Jahren  in  Buenos  Ayres  in  Südamerika  ansässig 
und  verheirathet  sind,  und  eine  Tochter,  Ida,  welche  dem  Verstorbenen  eine 
treue ,  liebevolle  Stütze  geworden,  bis  der  Tod  ihn  aus  seinem  Schaffens-  und 
erfolgreichen  Leben  abberufen.  Sein  Hingang  hat  nicht  bloss  in  seinem 
Heimathlande  Schweiz  und  in  seiner  neuen  Heimath  München,  wo  er  sich 
grosser  Beliebtheit  erfreute,  sondern  allüberall,  selbst  über  dem  Ocean  schmerz- 
liches Bedauern  hervorgerufen,  und  das  mit  Recht;  denn  was  G.-F.  während 
des  30  jährigen  Zeitraums  von  1868 — 1898  als  Schriftsteller  geleistet,  das  sichert 
ihm  einen  dauernden  Namen.  Belangreich  war  schon  sein  erstes  grosses 
Werk  über  Italien,  zu  dem  er  durch  gründliche  Kenntniss  des  Landes,  seiner 
Geschichte  und  Kunstschätze  in  aussergewöhnlicher  Weise  berufen  und  be- 
fähigt war.  Meyer's  Bibliographisches  Institut  zu  Leipzig  war  es,  welches 
seine  Werke:  Oberitalien,  —  Mittelitalien,  —  Rom  und  die  Campagna,  — 
Unteritalien  und  Sicilien,  —  die  Riviera  mit  Nordafrika  und  Südfrankreich 
herausgegeben  hatte,  während  die  illustrirten  Prachtwerke  »Venedig«  und 
die  »Schweiz«  bei  Bruckmann  (Vater)  erschienen  waren.  Caesar  Schmidt 
in  Zürich  edirte  »die  klimatischen  Curorte  der  Schweiz  und  jener  von 
Deutschland«,  sowie  ein  kleines  Prachtwerk  über  die  Schweiz.  Im  Ver- 
lag von  Bruckmann  jun.  zu  München  Hess  er  seine  »100  Ausflüge  von 
München«,  —  »das  Bayerische  Hochland«,  —  der  »Bodensee«,  —  »Dresden^, 
»München«,  —  »Graz«,  —  »Nordtyrol«,  —  »Steiermark«  —  und  noch 
kurz  vor  seinem  Ableben  sein  letztes  Werk  »Tyrol,  Vorarlberg  und  Allgäu« 
erscheinen.  Für  die  ausserordentliche  Verbreitung  und  Beliebtheit  seiner 
Werke  spricht  die  Thatsache,  dass  eine  grosse  Zahl  derselben  ein  halb- 
dutzend  Auflagen  erlebt  hat.  Bis  an  sein  Lebensende  hatte  er  sich 
seine  geradezu  ausserordentliche  Arbeitskraft  und  Schaffensfreudigkeit  be- 
wahrt; hatte  doch  erst  im  Jahre  1896  der  damals  Sechsundsiebenzig- 
jährige  noch  eine  beschwerliche  Bereisung  von  Tunis  und  Algier  u.  s.  w. 
ausgeführt. 

Quellen:  Familiennachrichten  aus  dem  St.  Galler  Bürgerbuch,  Familienpapieren  u. 
Privatmittheilungen.  Nekrologe  brachten  u.  a.  »Die  Schweiz«  illustr.  Zeitschrift  in  Zürich, 
»Die  Gartenlaube«,  die  »Deutsche  Rundschau  f.  Geographie  u.  Statistik«,  die  »Münchner 
Neuesten  Nachrichten«,  »Die  Post«  (Berlin),  der  »Figaro«  (Paris),  »la  Tribüne  de  Geneve«, 
»rindcpendance  beige«  (Bruxelles),  »Stambul«  (Constantinopel),  »AdeveruU  (Bukarest), 
»British  Medical  Journal«  (London),  »Deutsche  La-Plata-Zeitung«  (Buenos- Ayres)  u.  a.  m. 
Sein  sehr  gelungenes  Bildniss  befindet  sich  in  der  Volksausgabc  des  Prachtwerkes  über 
die  Schweiz. 

München.  Ernst  von  Destouches. 


Benz. 


119 


Benz,  Severin,  Historien-  und  Landschaftmaler,  *  14.  März  1834  zu 
Marbach  (St.  Gallen),  f  2.  November  1898  in  München.  Nach  dem  Vorgang 
eines  älteren  Bruders  ergriff  B.  die  Kunstschlosserei,  besuchte  zur  weiteren 
Ausbildung  1853  die  Polytechnische  Schule  in  München,  wo  seine  längst  ge- 
fühlte Begabung  zur  Malerei  neue  Nahrung  fand.  Kurze  Zeit  weilte  B.  in  der 
Malschule  von  Prof.  Anschütz,  1857  trat  er  zu  Piloty  über;  hier  erreichte  sein 
Farbensinn  die  erwünschte  Förderung.  Schon  1860  brachte  er  ein  grosses 
Oelbild  »Christus  als  Gärtner«  in  den  Kunstverein;  dem  überaus  günstig  auf- 
genommenen Erstlingswerke  folgten  bald  weitere,  religiöse  Darstellungen:  eine 
»Madonna«,  ein  »hl.  Joseph«  (fiir  Kochel)  und  eine  »Auferstehung  Christi« 
(1861,  nachmals  1863  in  grossem  Format  wiederholt),  welche  von  H.  Merz 
durch  Stahlstich  vervielfältigt  wurde  (vgl.  Na  gl  er  Monogrammisten  1861  IV, 
II 08  Nro.  3962),  Weitere  Bilder  (»Kommet  Alle  zu  mir,  die  ihr  mühselig 
und  beladen«  1866,  eine  »Kreuzabnahme«  1867  und  ein  Altarblatt  mit  den 
»Heiligen  drei  Königen«)  begründeten  seinen  guten  Namen  als  gewiegter 
Techniker  und  Componist.  Schon  früher  hatte  Benz  mit  einigen  Genrestücken 
seine  coloristische  Begabung  bewiesen,  darunter  ein  »Mutterglück«  und  zwei 
im  tiefen  Röhricht  auf  ihre  Beute  lauernden  »Banditen«  (1862).  Als  tüchtiger 
Frescomaler  bewährte  er  sich  1865  im  National-Museum  (»Max  Emanuel  be- 
lagert 1691  Carmagnola  in  Piemont«),  auch  assistirte  er  seinem  Lehrer  Piloty 
bei  den  leider  schon  zerstörten  Fresken  auf  der  Westseite  des  sog.  Athenaeums. 
Mit  der  ihm  eigenen  Vielseitigkeit  versuchte  sich  B.  mit  gleich  günstigem 
Erfolge  im  Gebiete  der  Landschaft  und  des  Porträts.  In  seiner  Heimath 
malte  B.  eine  stattliche  Reihe  von  Bildnissen,  aber  auch  ganze  Serien  von 
anziehenden  landschaftlichen  Studien,  Erinnerungen  an  seine  Sommerfrischen 
in  der  Schweiz,  am  Inn  und  an  der  Salzach.  Ein  sonniger  »Tag  an  der  Elm« 
erschien  als  grosses  Oelbild  1884  im  Kunstverein.  Eine  treffliche  Landschaft 
leuchtete  aus  dem  anziehenden  Bild  mit  der  »Flucht  nach  Aegypten«  (1879 
und  1883).  Zwischendurch  erfolgte  wieder  eine  »Kreuzigung«  für  Waller- 
stadt, eine  »Kreuzabnahme«  mit  wohlberechneten  Farben eflfecten  (gestochen 
von  J.  Burger),  eine  »Samariterin  am  Brunnen«  u.  dgl.  Im  fortwährenden 
Wechsel  seiner  Stoffe  hielt  sich  der  Maler  frisch,  obwohl  eine  zeitweise  auf- 
tretende Kränklichkeit  den  Fleiss  des  Künstlers  lähmte,  welcher  in  einer 
liebevollen,  behaglichen  Häuslichkeit  vollen  Ersatz  und  Pflege  fand  für  die 
seine  unverwüstlich  scheinende  Constitution  allmählich  doch  untergrabenden 
Anfälle  von  Asthma,  wozu  sich  auch  ein  beängstigendes  Augenleiden  gesellte. 
Die  Gegenwart  und  Nachwelt  wird  seinem  über  die  engere  Heimath  hinaus- 
reichenden Namen  eine  freundliche  Erinnerung  bewahren.  B.  war  eine  echte, 
anspruchslose  Künstlernatur,  welche  an  sich  die  strengsten  Anforderungen 
stellte  und  die  Leistungen  aller  ehrlich  mitstrebenden  Kollegen  in  gerechter 
Würdigung  gerne  anerkannte.  Am  12.  März  1899  erschienen  60  Bilder 
architektonischer  Skizzen,  Landschaften  und  Interieurs  aus  seinem  Nachlass  im 
Münchener  Kunstverein,  darunter  auch  das  ernste  Selbstporträt  des  Künstlers, 
mehrere  sehr  ausgeführte  Studienköpfe  und  ein  früher  nicht  bekannt  ge- 
wordenes, eine  »Obstverkäuferin«  in  ländlicher  Umgebung  behandelndes,  1884 
gemaltes  in  Form  und  Farbe  etwas  hart  gehaltenes  Genrebild. 

Vgl.  Julius  Meyer,  Allgcm.  Künstier-Lcxikon  1885,  III.  565.  Pacht,  Gesch.  der 
Mttnchener  Kunst  im  XIX.  Jahrb.  1888.  S.  260.  No.  306  »Allgemeine  Zeitung«  4.  No- 
vember 1898.     Kunstvereinsbericht  1898.     S.  71. 

Hyac.  Holland. 


j  20  Linsenixiann. 

Linsenmann,  Franz  Xaver  (von),  Dr.  theöl.,  Bischof  von  Rottenburg, 
*  28.  November  1835  ^^  Rottweil,  f  21.  September  1898  zu  Lauterbach 
bei  Schramberg.  Er  erhielt  im  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  seine  Vorbildung 
und  im  Tübinger  Wilhelmsstifte  seine  theologische  Ausbildung,  wurde  des 
Fakultätspreises  für  würdig  erachtet,  den  er  jedoch  im  Loose  mit  seinem 
Kursgenossen  und  intimen  Freunde  Reiser  verlor,  empfing  am  10.  August  1859 
die  Priesterweihe  und  versah  einige  Zeit  die  Stelle  eines  Vicars  zu  Obern- 
dorf am  Neckar.  Am  29.  October  1861  erhielt  er  die  Ernennung  zum 
Repetenten  am  Wilhelmsstifte.  Während  der  6  folgenden  Tübinger  Jahre 
warf  er  sich  namentlich  auf  die  Dogmatik.  Am  11.  April  1867  wurde  er 
zum  ausserordentlichen  Professor  der  Moraltheologie,  am  18.  Mai  desselben 
Jahres  zum  Licentiaten  der  Theologie  befördert.  Ehe  er  sein  akademisches 
Lehramt  antrat,  unternahm  er  mit  Reiser  eine  längere  wissenschaftliche  Reise, 
um  die  bedeutenderen  theologischen  Lehranstalten  Deutschlands  und  Oester- 
reichs  kennen  zu  lernen.  Verhandlungen  wegen  einer  Berufung  an  die 
Bonner  Universität  im  Jahre  1871  zerschlugen  sich.  Am  11.  Juni  1872 
rückte  er  in  Tübingen  zum  ordentlichen  Professor  für  Moral-  und  Pastoral- 
theologie vor,  nachdem  er  am  25.  Februar  zum  Dr.  theol.  promovirt  worden 
war.  1887/8  bekleidete  er  das  Rectorat  der  Universität.  Er  bewährte  sich 
nicht  bloss  als  einen  Gelehrten  von  gediegenem  Wissen,  sondern  auch  als 
einen  Lehrer  von  grosser  pädagogischer  Geschicklichkeit.  Als  solcher  trat  er 
zu  seinen  Schülern  auch  in  persönliche  Beziehungen  und  übte  so  auf  die 
Ausbildung  des  württembergischen  Clerus  starken  Einfluss  aus.  Am  29.  Sep- 
tember 1889  wurde  er  zum  Domcapitular  von  Rottenburg  gewählt.  Seit  1895 
Vertreter  des  Domkapitels  in  der  Abgeordnetenkammer,  schloss  er  sich  der 
Centrumspartei,  die  sich  im  württembergischen  Landtage  später,  als  anderswo, 
organisirt  hatte,  an.  Auf  kirchenpolitischem  Gebiete  die  Anschauungen  der 
gegenwärtigen  katholischen  Hierarchie  fest  vertretend,  zeigte  er  sich  dabei 
als  einen  Mann  von  ernstem,  loyalem  Charakter,  der  jede  verletzende  Polemik 
und  Verschärfung  der  confessionellen  Gegensätze  vorsichtig  vermied.  So 
wurde  seine  Wahl  zum  Nachfolger  Reisers  auf  den  Rottenburger  Bischofestuhl 
am  20.  Juli  1898  auch  von  den  Evangelischen  Württembergs  günstig  auf- 
genommen. Doch  starb  er  noch  vor  der  Konsecration,  kurz  nachdem  die 
päpstliche  Bestätigung  eingetroffen  war.  Eine  Krankheit,  die  schon  im  April 
1898  aufgetreten,  aber  glücklich  vorübergegangen  war,  stellte  sich  in  Folge 
der  Aufregungen  und  Anstrengungen  der  Bischofswahl  von  Neuem  ein.  Es 
war  eine  latente  Brustfellentzündung,  die  das  Herz  ergriff.  Er  begab  sich 
zur  Erholung  in  den  Schwarzwald -Luftkurort  Lauterbach.  Durch  eine  Ope- 
ration wurde  das  Wasser  abgezapft,  das  sich  um  das  Herz  angesammelt  hatte. 
Scheinbar  auf  dem  W^ege  der  Besserung,  ordnete  der  Bischof  auf  den 
22.  September  die  Uebersiedelung  nach  Rottenburg  an.  Doch  am  Vormittag 
des  21.  stellte  sich  Athemnoth  von  Neuem  ein,  und  um  12  Uhr  Mittags  ver- 
schied er.  Er  wurde  am  26.  in  der  Gruft  der  Rottenburger  Sülchenkirche 
neben  seinen  Vorgängern  beigesetzt,  obgleich  er  noch  nicht  feierlich  von 
der  Diöcese  Besitz  ergriffen  hatte.  —  Als  Gelehrter  zählte  L.  zu  der 
jüngeren  Generation  der  sogenannten  Tübinger  Schule,  die  das  Recht  freier 
wissenschaftlicher  Forschung  mit  der  Pflicht  strenger  Orthodoxie  möglichst  zu 
vereinigen  bestrebt  ist.  Er  veröffentlichte  folgende  selbstständige  Schriften: 
I.  Michael  Bajus  und  die  Grundlegung  des  Jansenismus.  Eine  dogmen- 
geschichtliche Monographie  (Tübingen,  1867).     2.  Der  ethische  Character  der 


Linsenmann.     v.  Sandberger.     Bruckmann.  I2i 

Lehre  Meister  Eckhards  (Tübinger  Programm,  1873).  3.  Worte  der  Erinne- 
rung an  Moritz  von  Aberle,  Doctor  und  Professor  der  Theologie  (Tübingen, 
1875).  4.  Conrad  Summenhart.  Ein  Culturbiid  aus  den  Anlangen  der 
Universität  Tübingen.  Festschrift  bei  der  4.  Säcularfeier  der  Gründung  dieser 
Universität  (Tübingen,  1877).  5.  Lehrbuch  der  Moraltheologie  (Freiburg,  1878). 

6.  Die  sittlichen  Grundlagen  der  akademischen  Freiheit.  Rectoratsrede  zur 
Feier     des    Geburtstages    Seiner    Majestät     des    Königs    (Tübingen,     1888). 

7.  Denkschrift  über  die  Frage  der  Männerorden  (Stuttgart,  1892).  Ausserdem 
schrieb  er  seit  1865  viele  Recensionen  und  Aufsätze  für  die  von  den  katho- 
lischen Tübinger  Professoren  herausgegebene  Theologische  Quartalsohrift, 
arbeitete  am  Bonner  Litteraturblatt  und  anderen  Zeitschriften,  an  Kirchen- 
lexika, an  der  Allgemeinen  Deutschen  Biographie  mit.  An  der  Vollendung 
einer  begonnenen  Biographie  Bischofs  Hefele  von  Rottenburg  hinderte  ihn 
der  Tod. 

St.  J.  Neher,  Personal-Catalog  der  seit  1813  ordinirten  und  in  der  Seelsorge  ver- 
wendeten Geistlichen  des  Bisthums  Rottenburg,  3.  Auflage  (Schw.  Gmünd,  1894)  S.  149  f., 
Deutsches  Volksblatt  vom  22.-27.  September  1898,  Nr.  214 — 218,  Schwäbische  Kronik 
vom  21.  September  1898  (Abendblatt)  No.  220,  Staats-Anzeiger  für  Württemberg  vom 
22.  September  1898    No.  220,   A.  Koch   in  Theologische   Quartalschrift   81.  Jahrg.  (1899) 

s.  375—396. 

R.  Krauss. 


V.  Sandberger,  Carl  Ludwig  Fridolin,  Geheimrath,  ord.  Professor  der 
Mineralogie  und  Geologie  an  der  Universität  Wtirzburg,  *  22.  November  1826 
zu  Dillenburg  in  Nassau,  f  11.  April  1898  zu  Würzburg.  S.  absolvirte  das 
Gymnasium  in  Weilburg,  wo  sein  Vater  seit  1826  Gymnasiallehrer  war; 
studirte  dann  in  Bonn,  Heidelberg,  Giessen  und  Marburg  und  promovirte 
1846  unter  Liebig  in  Giessen.  Von  1849  ^^^  ^^55  ^^^  ^^  Director  des 
naturhistorischen  Museums  zu  Wiesbaden,  1855  bis  1863  Professor  der  Mine- 
ralogie und  Geologie  in  Karlsruhe,  1863  bis  1896  in  Würzburg.  Seine  Haupt- 
werke beziehen  sich  auf  die  Erforschung  des  rheinischen  Schiefergebirges,  von 
welchem  er  einige  mit  seinem  Bruder  Guido  S.  zusammen  veröflfentlichte. 
Namentlich  mögen  erwähnt  werden: 

»Uebersicht  der  geologischen  Verhältnisse  des  Herzogthums  Nassau.  1847.  —  I^'c  Ver- 
steinerungen des  rheinischen  Schichtensystems  in  Nassau  (gemeinschaftlich  mit  Guido  S. 
verfasst),  1850 — 1856.  —  Untersuchungen  über  das  Mainzer  Tertiärbecken  und  dessen 
Stellung  im  geologischen  Systeme  1853.  —  Die  Conchylien  des  Mainzer  Tertiärbeckens 
1863.  —  Die  Land-  und  SUsswasser-Conchylien  der  Vorwelt«  1870—1875.  —  »Unter- 
suchungen über  Erzgängec  1882  — 1885.  —  Eine  auslührliche  Lebensbeschreibung  Sand- 
bergers,  mit  dem  Bildniss  desselben,  ist  von  J.  Beckencarap  in  den  Sitzungsberichten  der 
Phys.-med.  Gesellschaft  zu  Würzburg  (Jahrg.  1898,  S.  80—120)  veröffentlicht  worden. 
Dieselbe  ist  auch  separat  von  der  Stahel'schen  Verlags-Anstalt  zu  Würzburg  zu  beziehen. 
Sie  giebt  als  Anhang  ein  chronologisches  Verzeichniss  der  Publicationen  S.'s;  es  werden 
darin  aufgezählt  7  selbstständige,  grössere  Werke  und  327  in  verschiedenen  Zeitschriften 
erschienene  Arbeiten. 

J.  Beckencamp. 

Bruckmann,  Friedrich,  Buch-  und  Kunsthändler,  *  4.  Juni  1814  zu  Deutz 
bei  Köln,  f  17.  März  1898  zu  Arco  in  Südtirol.  B.  wandte  als  Sohn  wohl- 
habender Eltern  sein  Interesse  schon  frühzeitig  der  Kunst  zu  und  halte  Ge- 
legenheit,   grössere  Reisen  zu  unternehmen.     Zu  S^vres  bei  Paris  erlernte  er 


12  2  Bruckraann. 

die  Bemalung  und  Glasur  des  Porzellans  und  betrieb  diese  dann  in  einer 
mit  seinem  älteren  Bruder  an  seinem  Heimathsort  errichteten  eigenen  Werk- 
stätte. Deren  Zerstörung  durch  Feuer  veranlasste  ihn,  sich  in  Frankfurt  a.  M. 
der  Herstellung  künstlerischer  Broncen  zu  widmen.  Leider  hatte  dieser  Be- 
trieb keinen  erspriesslichen  Erfolg,  und  B.  versuchte,  nach  weiterem  mehr- 
jährigen Wanderleben,  dem  er  u.  A.  die  einflussreiche  Bekanntschaft  mit 
hervorragenden  Männern,  wie  Gottfried  Semper,  zu  danken  hatte,  sein  Glück 
mit  dem  Buch-  und  Kunstverlag.  Seine  1858  in  Frankfurt  gegründete  Ver- 
lagshandlung führte  die  Firma:  »Verlag  für  Kunst  und  Wissenschaft«.  Die 
damaligen  Verhältnisse  nöthigten  B.,  sich  als  Mittelsperson  des  gelernten  Buch- 
händlers E.  Suchsland  zu  bedienen.  Zu  seinen  ersten  Verlagswerken  gehörten  u.  a. 
Daniels  Handbuch  der  Geographie,  Werke  von  O.  Roquette  und  G.  Sempers 
»Stil«.  Später  wandte  er  sich  fast  ausschliesslich  dem  Kunstverlag  zu,  und 
wurde  so  der  erste  und  bedeutendste  Vertreter  eines  in  seiner  Art  neuen 
Industriezweiges  in  Deutschland.  Seine  1859  in  München  angeknüpfte  nach- 
haltige Freundschaft  mit  Wilhelm  von  Kaulbach  gab  die  Anregung  zur 
Schaffung  der  21  grossen  Cartons  zu  Goethes  Frauengestalten,  die  Bruck- 
mann  1860  mit  Hülfe  Josef  Alberts  in  photographischen  Nachbildungen  in 
der  damals  unerhörten  Grösse  von  68  :  46  cm  herstellen  Hess  und  verlegte. 
Diese  Goethe-Gallerie  fand  im  Auslande  kaum  geringere  Bewunderung,  als  in 
Deutschland.  Die  einzelnen  Kunstblätter  sind  in  verschiedenen  Formaten  und 
Ausgaben  in  mehr  als  einer  Million  Exemplaren  verbreitet.  Von  Mandel, 
Raab,  Stang,  Fr.  Weber  wurden  sie  in  Kupfer  gestochen.  1861  siedelte  B. 
nach  Stuttgart,  wo  er  u.  a.  Verleger  der  »Süddeutschen  Zeitung«  wurde, 
1863  nach  München  über,  nachdem  er  schon  vorher  auch  Blätter  von  Peter 
V.  Cornelius  und  Moritz  von  Schwind  verlegt  hatte.  Durch  Lindenschmitt 
Hess  er  unter  dem  Titel  »Ruhmeshallen«  weitverbreitete  Porträttableaux 
zeichnen.  Später  folgte  »B.'s  Porträt-Collection«  und  das  »Allg.  histor. 
Porträtwerk«.  Der  Goethe-Gallerie  schloss  sich  eine  Schiller-Gallerie  und 
viele  Bilder-Cyclen  zu  Werken  unserer  Classiker  an.  Hauptzierden  des  Ver- 
lages wurden  femer  die  herrlichen  Farbendruck -Ausgaben  der  Preller' sehen 
Odyssee-Landschaften  und  der  Rottmann'schen  Italienischen  Landschaften, 
das  »Werk  Adolf  Menzels«,  das  »Böcklin-Werk «  und  manches  andere 
Prachtwerk,  wie  die  von  Heinrich  von  Brunn  herausgegebenen  »Denk- 
mäler griechischer  und  römischer  Sculptur«  und  ähnliche  von  Wilhelm 
Bode  u.  a.  herausgegebene  Werke,  die  B.'s  besondere  Verdienste  um  die 
archäologisch -kunsthistorische  Wissenschaft  bekunden.  In  den  siebenziger 
Jahren  war  B.'s  auch  durch  glückliches  Familienleben  gesegnetes  gastfreies 
Haus  der  Sammelplatz  der  künstlerischen  und  wissenschaftlichen  Haupt- 
grössen  Münchens.  —  Schon  1864  hatte  B.  ein  eigenes  photographisches 
Atelier  errichtet,  1875  ^^^  ^^^  Engländer  W.  Woodbury  das  Verfahren  des 
Woodbury-Drucks  erworben,  später  wandte  er  sich  dem  practischeren  Licht- 
druck zu,  für  dessen  Verfahren  er  eins  der  ersten  Institute  der  Welt  schuf; 
Im  Jahre  1883  wurde  die  Bruckmann'sche  Verlagshandlung  zwar  in  eine 
Privat -Actiengesellschaft  umgewandelt,  doch  blieb  B.  als  Vorsitzender  des 
Aufsichtsrathes  bis  an  sein  Ende  eine  der  einflussreichsten  und  mass- 
gebendsten  Persönlichkeiten  seiner  Schöpfung. 

Vgl.  Börsenblatt    f.    d.    dt.    Buchhandel   1898,    No.  65.     Dasselbe   No.  68   (A.  Van- 
selow).    Beilage  zur  Allg.  Zeitung  No.  64  v.  21.  März  (Dr.  P.  Arndt). 

H.  EUissen. 


.  Koeppen.     Hebler.  123 

Koeppen,  Karl  Friedrieh  Albert,  Universitätsprofessor  der  Rechte, 
*  17.  December  1822  zu  Goldberg  in  Mecklenburg-Schwerin,  f  12.  Mai  1898 
in  Lichtenthai  bei  Baden-Baden.  Er  erhielt  seine  erste  Schulbildung  auf  dem 
Gymnasium  in  Lübeck,  dann  in  Wismar  und  Schwerin,  studirte  seit  1842  in 
Berlin  die  Rechtswissenschaft  und  trat  1 847  in  den  preussischen  Justizdienst, 
widmete  sich  aber  bald,  aus  ihm  ausgetreten,  seit  1849  der  akademischen 
Laufbahn.  Am  11.  Mai  1850  promovirte  er  in  Berlin  zum  Doctor  beider 
Rechte  und  habilitirte  sich  1853  mit  der  Schrift  »De  vi  quam  retro  exerceat 
aditio  hereditatis«  in  Jena  als  Privatdocent,  wurde  Michaeli  1856  ausser- 
ordentlicher Professor  daselbst,  folgte  im  Herbst  1857  einem  Rufe  als  ordent- 
licher Professor  des  römischen  Rechts  nach  Marburg,  ging  1865  nach  Würz- 
burg und  1872  an  die  neu  errichtete  Universität  Strassburg,  der  er  bis  Ostern 
1895  angehörte.  Gesundheitshalber  zog  er  sich  nach  Lichtenthai  bei  Baden- 
Baden  zurück,  wo  ihn  der  Tod  ereilte.  —  Seine  Studien  galten  namentlich 
dem  römischen  Erbrecht.  Neben  seiner  Inaugural-Dissertation  »De  natura 
hereditatis  nondum  aditae«,  Berlin  1850,  veröffentlichte  er  »Die  Erbschaft. 
Eine  civilistische  Abhandlung«,  Berlin  1856;  »System  des  heutigen  römischen 
Erbrechts«,  Jena  1864;  »Der  obligatorische  Vertrag  unter  Abwesenden«, 
Jena  1871;  »Der  Fruchterwerb  des  bonae  fidei  possessor«,  Jena  1872  (Fest- 
schrift flir  K.  G.  von  Wächter),  sowie  namentlich  »Lehrbuch  des  heutigen 
römischen  Erbrechts.<,  Würzb.  1886 — 95. 

Vgl.  Dr.  Joh.  Günther,  Lebensskizzen  der  Professoren  der  Universität  Jena  seit  1558, 
Jena  1858  S.  iio;  Beilage  zur  Allg.  Ztg.  No.  109  vom  16.  Mai  1898  S.  8;  Kritische 
Vierteljahresschrift  Bd.  39  S.  103—129  (Baron);  Da?  Stiftungsfest  der  kaiserl.  Wilhelms- 
Universität  Strassburg  am  i.  Mai  1895,  Strassb.  1895  S.  8;  Kukula,  allg.  deutscher 
Hochschulen- Almanach,  Wien  1888  S.  448. 

A.  Teichmann. 

Hehler^  Rudolf  Albrecht  Carl,  Universitätsprofessor  der  Philosophie 
in  Bern,  *  18.  December  1821  in  Bern,  f  4.  September  1898  in  Bern. 
H.  stammte  aus  einer  seit  1578  in  Bern  eingebürgerten  Familie.  Sein 
Vater,  Charles  H.,  war  von  Beruf  Notar,  aber  in  wirthschaftlichen  Dingen 
nicht  eben  geschickt,  träumerisch,  beschäftigte  sich  gerne  mit  Astronomie, 
redete  von  Büchern,  die  andern  gleichgültig  waren,  machte  auch  Gedichte. 
Während  er  dann  in  Paris  eine  neue  Wirksamkeit  suchte,  stand  der 
Knabe  in  Bern  unter  der  Obhut  zweier  Tanten,  deren  eine  eigenthüm- 
lich  begabt  war  und  griechisch  lernte.  Und  als  die  beiden  Damen  na<^h 
Kornthal  (Württemberg)  übersiedelten,  wurde  der  Knabe  mitgenommen  und 
trat  hier  sechsjährig  in  die  berühmte  Erziehungsanstalt.  Nachdem  er  aber 
einmal  hieher  in's  Ausland  gelangt  war,  schien  es  besser,  ihn  auch  hier 
das  Gymnasium  besuchen  zu  lassen;  er  genoss  den  Unterricht  vortreflf- 
lichei  Lehrer  am  G)rmnasium  zu  Stuttgart.  Daher  rührt  nun  gewiss  sein 
Verständniss  für  alles  deutsche  Wesen,  für  deutsche  Gemüthsart,  deutsche 
Bildung,  flir  die  geschichtliche  Entwicklung  Deutschlands.  Den  Schweizer 
und  den  Bemer  Bürger  vergass  er  nicht,  und  wenn  er  auch  im  späteren 
Leben  lieber  hochdeutsch  sprach,  so  beherrschte  er  doch,  soviel  wir 
merkten,  das  gute  Berndeutsch  mit  wünschenswerthester  Vollkommenheit. 
Aber  er  sprach  auch  in  Bern  lieber  hochdeutsch,  und  bis  an  sein  Ende  war 
der  schwäbische  Merkur  sein  lieber  täglicher  Berichterstatter.  Nur  gab  er 
nicht  zu,  dass  in  den  grossen  Jahren  Bismarcks  nur  aus  dieser  zu  lall  igen  An- 
wesenheit   in  Deutschland    und    nicht  aus  vernünftigen  Gründen  seine  Theil- 


124 


Hehler. 


nähme  hervorgegangen  sei.  Aber  die  Erziehung  in  Kornthal  suchte  auch 
den  religiösen  Sinn  zu  befestigen.  Er  dachte,  nach  dem  Wunsch  seiner 
Verwandten,  das  Studium  der  Theologie  daran  zu  schliessen.  Für  ein  Semester 
nach  Bern  zurückgekehrt,  stand  er  vor  der  Frage,  Lehrer  oder  Theologe  zu 
werden.  Er  entschied  sich  für  das  Letztere.  »Wenn  Herr  Pfarrer  sagt  — 
so  begründet  er  diesen  Entschluss  —  ich  werde  mich  gewiss  in  spätem 
Jahren  nach  einer  Pfarrstelle  sehnen,  so  ist  es  i.  ungewiss,  ob  ich  spätere 
Jahre  erlebe,  2.  ungewiss,  ob  diese  Sehnsucht  wirklich  kommt,  3.  wäre,  wenn 
sie  kommt,  dieselbe  vielleicht  ohne  allzu  grosse  Mühe  zu  befriedigen.«  Aber 
in  Bern  könnte  er  nur  theologische  Vorlesungen  hören;  »ich  werde  also  vom 
nächsten  Herbste  an  wieder  eine  deutsche  Universität  besuchen,  wahrschein- 
lich eine  norddeutsche.«  Er  ging  nach  Berlin,  um  nun  die  weiten  Gebiete 
der  Philosophie  in  voller  Freiheit  zu  durchwandern  und  zu  erforschen.  Aber 
er  kehrte  nach  Bern  zurück  und  verliess  die  Universität,  ohne  seine  Studien 
förmlich  abgeschlossen  zu  haben,  ohne  sich  einer  Prüfung  unterzogen  und 
sich  den  Grad  eines  Doctors  verschafft  zu  haben.  Man  mag  das  für  eine 
Aeusserlichkeit  ansehen;  aber  doch  zeigt  sich  auch  darin  die  angeborene 
Schüchternheit.  Sein  Ziel  war  zwar  eine  Professur  der  Philosophie;  aber  da 
er  nun  genöthigt  war,  »ausser  seinen  Studien  auch  für  seinen  Unterhalt  zu 
sorgen,  entschloss  er  sich  zum  »Schreiberleben«  und  wurde  am  20.  März  1844 
»vom  Berner  Regierungsrath  auf  den  Antrag  des  Erziehungsdepartements 
(d.  h.  von  Schultheiss  Neuhaus)  zum  zweiten  Secretär  des  Letzteren  ernannt.« 
Er  begann  bereits  am  21.  sein  neues  »Geschäft«,  muthig  und  gewissenhaft 
»mit  Leetüre  der  betreffenden  Gesetze!«  Die  geschichtlichen  Tagesereignisse 
beschäftigten  ihn  lebhaft  bis  in  sein  Alter;  aber  er  schwamm  nicht  mit  im 
reissenden  grossen  Strome.  »Feind  (so  schrieb  er)  des  bernischen  Brutal- 
Radicalismus  von  1846,  aber  voll  Sympathie  mit  den  meisten  europäischen 
Freiheitsbewegungen  — .  Dies  ist  in  kürzesten  Worten  die  beste  Bezeichnung 
meiner  politischen  Denkart.«  Die  Hauptsache  aber  waren  ihm  seine  Studien. 
»Mein  eigentliches  geistiges  Interesse  nun«,  so  schreibt  er  seiner  Pflegemutter, 
»machen  Gegenstände  aus,  welche  nach  meiner  Ansicht  ebenso  wohl  religiöse 
als  philosophische  zu  nennen  sind,  Gott,  Welt,  Mensch,  Erziehung  des  Menschen 
durch  Gott  d.  h.  Geschichte  u.  s.  w.  Nach  meiner  (und  vieler  Andern) 
Ansicht  ist  die  wahre  Weltweisheit  zugleich  Gottesweisheit,  die  Philosophie 
zugleich  Theologie.«  Man  wird  nun  erstaunt  sein,  in  seinen  Schriften  im 
Allgemeinen  diese  religiöse  Richtung  nicht  zu  finden;  aber  auch  nichts  ihr 
Entgegengesetztes,  und  das  Gespräch  (um  1861  entstanden)  »Lessing  und 
Neumann«  in  den  »philosophischen  Aufsätzen«  1869  S.  91  enthält  eigenthüm- 
liche  antireformerische  Gedanken;  seine  nächsten  Bekannten  bezeugen  auch 
(laut  der  Parentation) ,  er  habe  »nie  geduldet,  dass  in  seiner  Gegenwart 
anders  als  ernst  über  religiöse  Fragen  gesprochen  werde.« 

Im  Jahre  1850  erschien  sein  erstes  Werkchen:  »Spinozas  Lehre  vom 
Verhältniss  der  Substanz  zu  ihren  Bestimmtheiten  dargestellt  von  C.  H  —  r.« 
Nur  mit  einer  Andeutung  seines  Namens  wagte  er  also  vor  die  Oeffentlichkeit 
zu  treten.  Aber  Kuno  Fischer  sah  in  der  Abhandlung  die  Arbeit  »eines  mit 
Spinozismus  vertrauten  und  diese  Lehre  kritisch  penetrirenden  Kopfes«, 
entwickelte  ausführlich  seine  abweichenden  Ansichten,  erklärte  sich  aber  »in 
den  Hauptpunkten  einverstanden.«  »Leibnitz  (so  lautet  in  zierlichem  Witz, 
der  ihm  immer  zu  Gebote  stand,  der  letzte  Satz  der  Schrift)  Leibnitz  ist  der 
rückwärts   gelesene   Spinoza.«       Aber    neben   den  Aufgaben   der  Philosophie 


Hebler.  1 2  c 

zog  ihn  die  Poesieforschung  an,  vor  Allem  die  Erforschung  und  Deutung 
Shakespeares.  Seine  Shakespeare-Studien,  so  schrieb  Dr.  J.  V.  Widmann 
in  einem  Nekrolog  des  »Bemer  Bund«,  »gehören  zum  Feinsten  und  Besten, 
was  seit  Göthe  bis  auf  Georg  Brandes  jemals  zur  psychologischen  Erkenntniss 
und  zur  ästhetischen  Würdigung  der  Dramen  des  grossen  Briten  geschrieben 
wurde.«  Die  erste  Probe  derselben  war  1854  das  Büchlein  »Shakespeares 
Kaufmann  von  Venedig.  Ein  Versuch  über  die  sogenannte  Idee  dieser 
Komödie.  Von  R.  A.  C.  Hebler.«  Die  Idee  besteht  für  ihn  in  der  Lehre, 
dass  Schein  und  Wesen,  wie  in  allen  Dingen,  so  auch  in  Bezug  auf  den 
persönlichen  Werth  einander  entgegengesetzt  sind.  Ein  tüchtiger  Mensch 
ist,  wer  sich  nicht  besser  darzustellen  sucht  und  braucht,  als  er  ist.«  Aber 
er  giebt  zu,  dass  damit  nur  die  abstracte  Idee  ausgesprochen  sei;  die  wirk- 
liche Idee  sei  diese  allgemeine  Idee  zusammen  mit  ihrer  Individualisirung 
u.  s.  w.  Und  in  der  vorausgehenden  Deutung  der  Auftretenden  freut  uns  be- 
sonders diejenige  Shylocks  als  einer  »komischen  Person«,  im  Gegensatz  zu 
der  unserer  Schauspieler,  welche  aus  ihm  eine  tragische  Partie  machen. 
»Von  der  Grossartigkeit  .eines  tragischen  Bösewichts  keine  Spur.  Man  er- 
leichtert sich  überhaupt  das  Verständniss  Shylocks,  wenn  man  sich  ihn  als  eine 
Art  Bestie  vorstellt,  die  in  blinder  Wuth  anrennt  und  mit  Schaden  abfährt.« 
Sehr  richtig;  aber  welcher  Schauspieler  wagt  es,  ihn  so  als  Gegenstand  des 
Hohns  darzustellen?  H.  sah  gerade  1854  in  Bern  den  Neger  Ira  Aldridge 
als  Othello  und  als  Shylock,  und  er  musste  in  einer  längeren  Aufzeichnung 
auch  von  diesem  berühmten  Darsteller  sagen:  »Die  Grundauflfassung  schien 
mir  aber  verfehlt;  er  hob  viel  zu  sehr  die  Parialage  und  die  edeln  Elemente 
in  Shylock  hervor.«  Die  Schrift  H.'s  wurde  von  einheimischen  Kennern 
mit  Beifall  besprochen.  Auch  im  Ausland  erwarb  sich  der  Verfasser  neue 
Freunde;  Karl  Rosenkranz  in  Königsberg  und  Friedrich  Vischer  bezeugten 
freudige  Zustimmung.  Nur  Einer  in  Frankfurt  a/M.  schien  nicht  ganz  be- 
friedigt und  erbaut  zu  sein.  »Mit  dem  Wunsch  (heisst  es  in  seinem  Briefe), 
dass  Ihre  ästhetischen  Bestrebungen  allmälig  noch  höheren  Aufschwung  nehmen 
und  Sie  selbst  einen  höheren  Standpunkt  gewinnen  mögen,  bin  ich  hoch- 
achtungsvoll Ihr  ergebener  Diener  Arthur  Schopenhauer.«  Diese  Kund- 
gebungen eines  ernsten  wissenschaftlichen  Strebens  bewirkten,  dass  ihn 
die  philosophische  Fakultät  der  Erziehungsdirection  für  die  Erlaubniss,  an 
der  Universität  Vorlesungen  zu  halten,  empfahl,  ohne  eine  vorherige  Doctor- 
prüfung  zu  verlangen.  »Ich  würde  mich  zu  einer  solchen  auch  kaum  haben 
entschliessen  können,  da  ich  schon  damals  nicht  mehr  in  dem  Alter  stand, 
wo  man  den  zu  einer  solchen  Unternehmung  gehörenden  Muth  hat.«  »Am 
21.  November  1854  Abends  67,  —  7V2  niein  erstes  Colleg.  Ich  kam  mir 
ungefähr  vor,  wie  Einer,  der  eine  sehr  ernsthafte  Rede  hält  an  Leute,  von 
denen  er  nicht  weiss,  ob  sie  seine  Sprache  verstehen.  —  Ueberdiess  war  ich 
befangen,  hielt  mich  fast  ganz  an  mein  Heft,  von  dem  ich  mich  nur  selten, 
in  einzelnen  Bemerkungen,  entfernte  (wie  bei  einer  ängstiichen  Küstenfahrt).« 
Aber  erst  Winter  1856/57  findet  sich  sein  Name  im  Lectionskatalog  —  man 
wollte  zuerst  noch  eine  Probe  sehen  —  mit  »Geschichte  der  griechischen 
Philosophie«.  Und  diesem  Gegenstand  folgen  dann  bis  Sommer  1891:  Die 
Philosophie  Kants,  seit  Kant,  Lotzes  Allgemeine  Geschichte  der  Philo- 
sophie, Logik,  Erkenntnisslehre,  Psychologie,  Religionsphilosophie,  Ethik, 
Willensfreiheit,  in  philosophischen  Uebungen  Plato,  Aristoteles,  Cartesius, 
|f.ant  —  und  in  seiner  andern  Richtung:   über  Shakespeare,    ästhetische  Er- 


126  Hebler. 

klärung  Shakespearescher  Dramen,  Lessing  als  Philosoph  und  Dramatiker, 
Goethes  Faust,  Aesthetik. 

1858  —  vielleicht  im  Zusammenhang  mit  einem  neuen  Sieg  der  Radi- 
calen,  2.  Mai  1858,  und  mit  der  Wahl  eines  neuen  Regierungsraths  —  trat 
er  von  der  Stelle  eines  Secretarius  zurück,  um  sich  jetzt  bloss  als  Privat- 
docent  und  schriftstellerisch  zu  bethätigen.  Er  gab  1861  »I.essingstudien« 
heraus,  in  deren  letztem  Stück:  »Lessings  Gedanken  über  Nationalität  und 
Staat«,  wo  bestritten  wird,  dass  Lessing  Republikaner  gewesen  sei,  auch 
wieder  seine  Heiterkeit  und  sein  Witz  aufs  Anmuthigste  zu  Worte  kommen, 
und  die  einem  Fachgenossen  im  Ausland  als  Ganzes  »schon  desshalb  aus- 
nehmend zusagten,  weil  sie  keine  Zeile  enthielten,  die  überflüssig  sei«.  Und 
19.  Mai  1862  zum  hundertsten  Geburtstag  Fichtes  hielt  er  einen  öffent- 
lichen Vortrag  und  besprach  dessen  »Grundsätze  über  Wesen  und  Bestim- 
mung des  Gelehrten«.  1863  wurde  er  a.  o.  Professor;  zugleich  wurde 
ihm  der  Doctortitel  honoris  causa  ertheilt  mit  Wyss,  Franck,  Mendel  und 
dem  grossen  Berner  Mathematiker  Ludwig  Schläfli.  Er  war  damals  College 
von  M.  Lazarus,  der  mit  Ris  die  ordentliche  Professur  inne  hatte,  und 
eng  befreundet  mit  Hermann  Usener  und  Ludwig  Tobler.  Die  Ferien 
führten  ihn  (Herbst  1874)  nach  Italien  bis  Rom,  nach  München,  Tirol,  natür- 
lich aber  je  und  je  in  die  Schweizerberge;  es  ziemt  sich  wohl,  dass  der 
Schweizer  seine  Berge  kennt,  und  er  kannte  ihre  Namen  gut  und  Weg  und 
Steg,  wanderte  gern,  bestieg  mit  Usener  den  Titlis  und  umkreiste  in  fröh- 
licher Wanderung  mit  Ludwig  Tobler  die  Blümlisalp;  in  Prosa  und  Poesie 
wurde  die  Erinnerung  an  diese  schönen  Tage  von  beiden  Freunden  festge- 
halten. W.  Fetscherin,  Lehrer  an  der  Kantonsschule,  Prof.  Ludwig  Hirzel, 
Prof.  med.  Langhans,  Prof.  Alfred  Stern,  Hermann  Löhnert,  in  der  Feme  Pfr. 
Rector  Herold  in  Chur  und  Pfr.  Dr.  Kitt  in  Bergamo,  wenige  Andere  hatten 
das  Glück  aus  seinem  wohlgeordneten,  sehr  zuverlässigen  Wissen  Nutzen  zu 
ziehen  und  sein  freundliches  Wesen  und  seinen  köstlichen  feinen  Witz  zu  ge- 
niessen.  Und  die  Familie  von  Dr.  Leo  Weber-Perty,  Bundesrichter,  war 
für  ihn  ein  zweites  Heim. 

1864,  vermehrt  1874,  erschienen  nun  als  Fortsetzung  und  Vollendung 
des  1854  Begonnenen,  seine  »Aufsätze  über  Shakespeare«.  Es  belustigte 
H.,  dass  sein  Name  auch  im  grossen  griechisch- deutschen  Wörterbuch  von 
Passow  vorkommt,  und  er  schrieb  sich  die  Stelle  heraus.  »Passow  s.  v. 
[lo-yrXsü'nQ^  (»der  mit  dem  Hebel  Hebende  und  Bewegende«)  übersetzt  die 
aristophanischen  Worte  xatvwv  iirmv  xivt^ttjc  xal  jioyXsüXT^;:  neuer  Wörter 
Beweger  und  Hebler.«  Wir  meinen  zwar,  dass  Hamlet  nicht  zu  tadeln  ist, 
wenn  er  vor  der  Ermordung  eines  Betenden  zurückschrickt,  und  glauben 
mehr  an  wirklichen  als  an  bloss  vorgegebenen  Wahnsinn;  wir  haben  aber 
schon  erwähnt,  mit  welcher  Ehrerbietung  die  Kritik  diese  Aufsätze  behandelt; 
also  möchte  der  Verf.  gerade  in  diesem  Werke  ein  ^^Hebler«  gewesen  sein, 
nicht  von  Wörtern,  sondern  von  neuen  Ansichten  über  Shakespeare,  vor 
Allem  über  dessen  seltsam  geheimnissvollen  Hamlet.  Jedenfalls  trägt  aber 
zur  Freude  des  Lesers  auch  der  nie  schwülstige,  sondern  je  und  je  scherzende, 
immer  natürliche  Ton  bei,  der  Rosenkranz  und  Vischer  schon  in  dem  Ver- 
such über  den  Kaufmann  von  Venedig  anzog.  In  einem  Aufsatz  der  Zeit- 
schrift »Im  neuen  Reich«  1875  führte  er  seine  Ansichten  im  Gegensatz  zu 
Werder  noch  weiter  aus. 

Die  nächsten  Schriften  gehörten  wieder  dem  philosophischen  Gebiet  an: 


I  Hehler.  12  7 

! 

1868  (in  zweiter  Auflage  1874)  »Die  Philosophie  gegenüber  dem  Leben  und 
den  Einzelwissenschaften«  und  1869  die  »philosophischen  Aufsätze«;  nur 
deren  anziehender  letzter  »Jeanne  d'Arc  bei  Shakespeare,  Voltaire  und  Schiller« 
behandelte  eine  ästhetische  Frage.  Zwei  eingehende  Briefe  F.  Ueberwegs 
in  Königsberg  bekundeten  die  aufmerksame  Theilnahme,  welche  Nr.  V 
»Kantiana«  in  Fachkreisen  erregte. 

Aber  wir  würden  gar  zu  unvollständig  über  den  verehrten  Mann  be- 
richten, wenn  wir  nicht  erwähnten,  mit  welcher  Freude  er  nun  1870  die 
Siege  Deutschlands  und  in  den  folgenden  Jahren  die  in  dem  Sinne  der  »Ele- 
mente einer  philosophischen  Freiheitslehre«  S.  122  wahrhaft  republikanische 
Staatskunst  des  grossen  Reichskanzlers  verfolgte.  Die  politisirenden  Gespräche 
auf  gemächlichen  Wanderungen  Abends  oder  Nachmittags  vor  der  Stadt  ge- 
hören zu  des  Ref.  liebsten  Erinnerungen. 

Erst  1872,  50 jährig,  »auf  Anlass  ihm  von  Seiten  ausw^ärtiger  Universitäten 
gemachter  und  von  ihm  abgelehnter  Anerbietungen«,  wurde  er  ordentlicher  Pro- 
fessor. 1877  verfasste  er  die  »Lessingiana«  als  Beilage  des  Glückwunsches, 
den  die  Bemer  Universität  Tübingen  zum  400jährigen  Feste  darbrachte.  Er 
war  in  Würtemberg  als  Kind,  als  Knabe  nnd  als  Jüngling  Schüler  und 
Tübinger  Student  gewesen ;  er  liebte  das  gemüthvolle  und  tüchtige  Schwaben- 
land, die  Heimath  D.  F.  Sti'auss',  Ed.  Zellers,  Fr.  Vischers,  und  er  Hess 
sich  nichts  entgehen  von  Erinnerungen  und  Beiträgen,  welche  das  Lebens- 
bild der  Dichter  Uhland,  Kemer,  Mörike  vervollständigten;  immer  wieder 
verweilte  er  im  Gespräch  bei  ihnen;  seine  Schrift  war  also  eine  Art  Threp- 
teria,  ein  persönlicher  Dank,  und  gerne  übernahm  er  es,  auch  als  Abge- 
ordneter dem  Feste  beizuwohnen,  und  freute  sich,  mit  Vischer,  Rümelin, 
Sigwart  wissenschaftliche  und  freundschaftliche  Worte  zu  tauschen. 

Erst  1878  finden  wir  im  Lectionscatalog  von  ihm  »Lehre  der  Willens- 
freiheit« angekündigt.  Wie  die  Süsswasserquellen  im  Meer  drang  jetzt  eine 
Frage,  die  schon  den  Knaben  geängstigt  hatte,  durch  die  Gedanken  aller 
der  Jahre  hindurch  und  verlangte  eine  Lösung.  Anfang  1887  waren  die 
»Elemente«  fertig,  und  Sigwart  und  Usener  wünschten  freudig  zur  Vollen- 
dung Glück;  Usener  vermittelte  einen  Verleger,  und  noch  in  demselben 
Jahre  erschienen  sie  bei  Reimer  in  Berlin:  »Elemente  einer  philosophischen 
Freiheitslehre«.  Deterministische  Freiheit  ist  sein  Bekenntniss,  nicht  Deter- 
minismus, nicht  Indeterminismus,  aber  deterministische  Freiheit;  nur  dass  er 
sich  lieber  Determinist  nennt,  als  Indeterminist.  Und  Fr.  Jodl  sah  in  H.'s 
Schrift  den  erfreulichen  Beweis,  dass  endlich  die  allein  natürliche  und  wissen- 
schaftlich brauchbare  Ansicht,  nämlich  ein  (richtig  verstandener)  Determi- 
nismus wieder  zum  Durchbruch  zu  kommen  beginne. 

Mit  diesem  Buche  schloss  H.'s  Schriftstellerei  ab,  und  er  hatte  nun  wohl 
gesagt,  was  er  auf  Erden  sagen  sollte.  Auch  seine  Thätigkeit  an  einer  Uni- 
versität klang  allmälig  aus,  und  1891,  7ojährig  geworden,  Hess  er  sich  in  den 
Ruhestand  versetzen.  Aber  noch  etliche  Jahre  edler  Müsse  bei  leidlicher 
Gesundheit  waren  ihm  beschieden.  Taines,  Sybels,  Treitschkes  Werke  be- 
schäftigten und  erfreuten  ihn.  Dann  starb  1896  sein  Freund  Ludwig  Tobler 
in  Zürich,  und  die  Familie,  mit  der  allein  er  später  verkehrte,  zog  weg.  Er 
war  sehr  einsam;  aber  er  ertrug  die  Einsamkeit  mit  wunderbarer  Selbstge- 
nügsamkeit und  Heiterkeit,  und  man  verliess  ihn  nie,  ohne  einen  reizenden 
Scherz  und  einen  treffenden  Gedanken  mitzunehmen. 

Aber  auch  sein  äusserliches  Leben  rundete  sich  seltsam  ab.     Umgeben 


128  Hebler.     Müller. 

und  liebevoll  gepflegt  von  Familie  Dr.  Weber,  starb  er  in  dem  Hause,  wo 
er  seine  ersten  Jahre  zugebracht  hatte,  den  4.  September  1898,  7 6 jährig. 
Er  ruht  auf  dem  Bremgartenfriedhof  bei  Bern.  Aber  er  lebt  in  unserem 
Andenken  als  ein  Lehrer  echter  deutscher  Geistesbildung. 

Werke:  Spinozas  Lehre  vom  Verhältniss  der  Substanz  zu  ihren  Bestimmtheiten 
dargestellt  von  C.  H — r.  Bern,  Verlag  von  Jenni  Vater  1850.  —  Shakespeares  Kaufmann 
von  Venedig.  Ein  Versuch  über  die  sogenannte  Idee  dieser  Komödie.  Von  R.  A.  C 
Hebler.  Bern,  Verlag  von  Huber  1854,  —  Lessing-Studien.  Von  C.  Hebler,  Privatdocent 
der  Philosophie  an  der  Hochschule  Bern.  Bern,  Verlag  von  Huber  (Körber)  1862.  — 
Zum  hundertsten  Geburtstag  Fichtes.  Seine  Grundsätze  über  Wesen  und  Bestimmung 
des  Gelehrten.  Von  Privatdocent  Hebler.  Abdruck  aus  dem  »Schweizerischen  Museum«. 
Bern,  Haller'sche  Buchdruckerei  1862.  —  Aufsätze  über  Shakespeare  von  C.  Hebler,  Pro- 
fessor an  der  Universität  Bern  1864.  Zweite,  beträchtlich  vermehrte  Ausgabe  1874. 
Verlag  der  J.  Dalp'schen  Buchhandlung.  —  Die  Philosophie  gegenüber  dem  Leben  und 
den  Einzelwissenschaften,  in  den  Vorträgen  von  Virchow  und  Holtzendorif,  Berlin  1868, 
2.  Auflage  1874.  —  Philosophische  Aufsätze  von  C.  Hebler.  Leipzig,  Fues*  Verlag  1869. 
—  Lessingiana,  Berner  Universitätsschrift  1877.  —  Elemente  einer  philosophischen  Frei- 
heitslehre. Berlin,  Reimer  1887.  —  Kleine  Aufzeichnungen.  Beilage  der  AUg.  Schweizer 
Zeitung  1899,  Nr.  22  fF.  —  Ein  Besuch  bei  Arthur  Schopenhauer.  Deutsche  Rundschau 
August  1899. 

Nekrologe:    Neue  Züricher  Zeitung  6.  Sept.   1898.     Bund  7.  Sept.   1898. 

Bern.  Karl  Frey. 

Müller,  Carl  Otto,  Universitätsprofessor  der  Rechte,  *  12.  Mai  18 19  zu 
Wittenberg  als  Sohn  eines  Architekten,  f  13. 'Dezember  1898  zu  Leipzig.  Er 
studirte  auf  den  Universitäten  Leipzig  und  Halle  die  Rechtswissenschaft,  ha- 
bilitirte  sich  1843  mit  der  Schrift  »De  plagio«  in  Halle,  siedelte  1850  nach 
Greifswald  über,  kehrte  aber  schon  185 1  nach  Leipzig  zurück  und  wurde  1859 
Ordinarius  des  römischen  Rechts,  1869  Ordinarius  des  sächsischen  Rechts  daselbst. 
Er  besass  in  hohem  Masse  die  Fähigkeit,  seinen  Zuhörern,  denen  sein  Herz  ge- 
hörte, selbst  trockene  juristische  Fragen  anschaulich  und  interessant  zu 
machen.  Während  fast  47  Jahren  hat  er  mit  reichem  Erfolge  seinem  Lieb- 
lingsberufe, der  akademischen  Lehrthätigkeit,  obgelegen.  Von  konservativer 
Richtung  und  Neigung,  erstrebte  er  Entwicklung  auf  der  Basis  des  Vor- 
handenen und  war  gleich  tüchtig  als  Praktiker,  als  Gelehrter  und  als  Lehrer. 
Ein  treffliches  Werk  ist  sein  leider  nicht  weiter  bearbeitetes,  sehr  bald  ver- 
griffenes »Lehrbuch  der  Institutionen  des  römischen  Rechts«,  Leipzig  1854  bis 
1858,  dem  sich  später  »Das  sächsische  Privatrecht,  in  seinen  Grundzügen 
systematisch  dargestellt«,  Abth.  I  Leipzig  1892,  Abth.  II  1895  anreihte.  Von 
früheren  Arbeiten  seien  genannt  »De  auctorum  et  ministrorum  criminis  diffe- 
rentia«,  Halle  1842;  »Ueber  die  Verbrechen  gegen  die  materielle  Integrität 
der  Eisenbahnen«,  Leipzig  1846;  »Die  Lehre  des  römischen  Rechts  von  der 
evictio«,  Halle  185 1;  »De  falsa  demonstratione  heredis  institutioni  vel  legato 
adjecta  comment.  I  et  II,  Lips.  1861  und  1865.  —  Ein  besonders  enges 
Verhältnis  knüpft^  ihn  an  die  akademischen  Gesangvereine;  er  war  37  Jahre 
lamg  Ehrenvorsteher  des  »Arion«  und  andererseits  Ehrenmitglied  des  »Paulus«, 
gehörte  auch  fast  50  Jahre  der  Loge  »Minerva«  an,  deren  Saal  mit  seinem 
Bild  geschmückt  werden  soll,  sowie  endlich  seit  1859  zuerst  als  ausserordent- 
licher Beisitzer,  seit  1863  als  Rath  dem  Appellationsgericht  an.  Im  Jahre 
1892  feierte  er  sein  50  jähriges  Doktorjubiläum,  wobei  ihm  von  der  juristischen 
Fakultät  eine  Festschrift  mit  Arbeiten  von  Windscheid  und  Kuntze  tiber- 
reicht wurde.     Geehrt  wurde  er  durch  Verleihung    des  Geheimrathtitels    und 


Müller.    Bennecke.     Fürst.  I2q 

die  Auszeichnung  als  Comthur  2.  Kl.  des  Verdienstordens,  sowie  andere 
Orden.  Bis  zuletzt  erfreute  er  sich  einer  wunderbaren  geistigen  Frische  und 
Spannkraft. 

Vgl.  erste  Beilage  zur  Leipziger  Zeitung  Nr.  289  vom  I4.  Dezember  1898  S.  4888, 
erste  Beilage  Nr.  291  vom  16.  Dezember  1898  S.  4935.  —  Beilage  zimi  Leipziger  Tage- 
blatt und  Anzeiger  Nr.  637  vom  16.  Dezember  1898  S.  9519.  —  Dr.  theol.  Wilhelm  Haan, 
Sächsisches  Schriftsteller-Lexicon,  Leipzig  1875  S.  224/5.  —  Deutsche  Juristen-Zeitung  III 
(1899)  S.  15/16.  —  Kukula,  Allgemeiner  deutscher  Hochschulen-Almanach,  Wien  1888 
S.  597. 

A.  Teichmann. 

Bennecke.  Hans,  Universitätsprofessor  des  Straf  rechts  in  Breslau, 
*  24.  April  1859  als  Sohn  eines  Domänenpächters  in  Kloster  Mansfeld  (Prov. 
Sachsen),  f  4.  April  1898  in  Nervi.  Er  studirte  in  Leipzig,  Kiel  und  Halle 
die  Rechte,  bestand  1881  in  Naumburg  die  Referendariatsprüfung,  promovirte 
29.  März  1882  zum  Doctor  juris,  arbeitete  am  Amtsgericht  in  Braunfels  bei 
Wetzlar,  dann  am  Landgericht  in  Neuwied,  habilitirte  sich  in  Marburg  mit 
der  Schrift  »Die  strafrechtliche  Lehre  vom  Ehebruch  in  ihrer  historisch-dog- 
matischen Entwicklung!.  Abth.«,  Marburg  1884  als  Privatdocent,  wurde  1887 
Ordinarius  in  Giessen  und  1890  nach  Breslau  berufen.  Ein  Vorkämpfer  der 
v.  Lisztschen  Richtung  auf  dem  Katheder  wie  im  geschriebenen  Wort,  war 
er  ein  thätiges  Mitglied  der  Internationalen  kriminalistischen  Vereinigung  und 
Mitherausgeber  der  Zeitschrift  für  die  gesamte  Strafrechtswissenschaft  von 
V.  Liszt,  sehr  anregend  als  Universitätslehrer.  Sein  Hauptwerk  ist  das  für 
akademische  Kreise  bestimmte  »Lehrbuch  des  deutschen  Reichs-Strafprozess- 
rechts«,  Breslau  1888 — 95.  Weitere  werthvolle  Arbeiten  sind  die  Schriften: 
»Zur  Geschichte  des  deutschen  Strafprozesses«,  Marburg  1886  und  »Be- 
merkung zur  Kriminalstatistik  des  Grossherzogthums  Hessen«,  eine  Giessener 
Festschrift  (auch  in  Bd.  X  der  Zeitschrift  von  v.  Liszt)  1889,  sowie  die  »Fälle 
aus  dem  Strafprozessrecht  zum  akademischen  Gebrauch«  (mit  E.  Beling), 
Jena  1895.  Unter  dem  Pseudonym  Dr.  Johannes  Neckeben  veröffentlichte 
er  einen  gefängnisswissenschaftlichen  Zukunftstraum  »Ein  Vorblick  auf  das 
Jahr  2000  oder  ein  Tag  in  einer  Strafanstalt  des  21.  Jahrhunderts«,  Breslau 
1891.  Mit  mehreren  Kollegen  begründete  er  eine  »Sammlung  strafrechtlicher 
Abhandlungen«,  Breslau,  seit  1893  ff. 

Vgl.  Nekrolog  von  E.  Beling  in  Bd.  XVIII  der  Zeitschrift  von  v.  Liszt;  Tidsskrift 
for  Retsvidenskab  1898  p.  519;  Kukula,  Allgemeiner  deutscher  Hochschulen- Almanach, 
Wien  1 888,  S.  44. 

A.  Teichmann. 

Fürst,  Alexander,  Arzt,  der  zuerst  in  Ostpreussen  die  Lepra  entdeckte 
und  zu  den  Ersten  gehörte,  die  daselbst  die  granulöse  Augenentzündung  be- 
kämpften, *  am  15.  April  1844  in  Braunsberg,  f  am  25  Mai  1898  in  Berlin. 
Er  stammte  aus  einer  in  Ostpreussen  verbreiteten  jüdischen  Familie.  Nach- 
dem er  auf  dem  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  die  Schulbildung  erlangt  hatte, 
studirte  er  in  Königsberg  Medizin,  bestand  dann  als  2 3  jähriger  in  Berlin  die 
Doktor-  und  Staatsprüfung,  wirkte  als  Assistent  an  der  maison  de  santt^ 
in  Schöneberg  bei  Berlin,  in  derselben  Eigenschaft  an  der  Augenheilanstalt 
des  Dr.  Schneller  in  Danzig.  1869  wurde  er  Arzt  in  Memel,  das  Jahr  darauf 
machte  er  den  Feldzug  in  Frankreich  als  Arzt  mit.  Nach  Beendigung  des 
Krieges  blieb   er  in  Memel,   wo   er  durch  sein  reiches   Wissen,   sowie  durch 

BiogT.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  9 


I^o  Fürst.     Meves. 

seltene  Menschenfreundlichkeit  allgemeiner  Achtung  genoss.  Er  gehörte 
auch  zu  den  Begründern  eines  kleinen  Krankenhauses  in  Memel.  Sein  Ruf 
als  Augenarzt  drang  weit  über  die  Grenzen  der  Stadt:  selbst  aus  dem  Innern 
Russlands  kamen  Hilfesuchende  zu  ihm.  Dabei  fand  er  noch  zu  wissenschaft- 
lichen Arbeiten  Zeit,  unter  denen  besonders  die  über  die  oben  genannten 
Krankheiten  hervorzuheben  sind.  Wenn  heute  die  preussische  Regierung 
ihrer  Ausbreitung  geeignete  Massregeln  entgegenstellt,  so  ist  das  im  Wesent- 
lichen sein  Verdienst.  Die  sich  in  neuester  Zeit  mit  jenen  Krankheiten 
beschäftigten,  erhieltpn  die  Auszeichnungren,  nach  denen  Dr.  Fürst  nie  begierig 
war.  1884  siedelte  er  nach  Berlin  über;  als  Gewerksarzt  hat  er  tausenden 
von  Arbeitern  und  Arbeiterinnen  im  Norden  Berlins  mit  unermüdlicher, 
selbstloser  Hingebung  seine  ganze  Kraft  geweiht.  'Materiell  sicher  gestellt, 
war  er  nicht  auf  Vermehrung  seines .  Vermögens  bedacht,  sondern  auf  Befrie- 
digung seines  tiefen  Bedürfnisses,  mit  seiner  Kunst  zu  helfen  ohne  Ansehen 
der  Person,  des  Standes,  des  Glaubens.  Seine  wissenschaftliche  Thätigkeit 
ruhte  auch  nicht  in  Berlin:  werthvolle  Aufsätze  lieferte  er  u.  A.  auch  für  die 
Zeitschrift  des  Augenarztes  Prof.  Hirschberg. 

F.  war  ein  ausgezeichneter  Arzt,  ein  Mann  von  umfassender  Büdung, 
ein  liebenswerther  Mensch.  So  scharf  und  kritisch  sein  Geist  war,  im  persön- 
lichen Verkehr  war  er  gegen  Jeden  ohne  Schärfe  und  Herbigkeit.  Besonders 
den  Armen,  vom  Glück  Ausgestossenen  war  er,  und  nicht  bloss  als  Arzt,  ein 
helfender  Tröster  zu  jeder  Zeit.  Er  verstand  sie,  er  kannte  ihre  Bedürfnisse 
und  verkehrte  mit  ihnen  wie  mit  seinesgleichen  ohne  jede  Spur  von  Ueber- 
legenheit  und  Ansprüchen,  daher  achteten  und  liebten  sie  ihn  aufrichtig.  Die 
Heiterkeit  und  Frische  seines  Wesens  beruhten  auf  einem  selbstlosen,  gütigen 
Herzen  und  der  arbeitsfrohen  Pflichttreue.  Auch  die  schwersten  Prüfungen 
des  Lebens  konnten  seine  innere  Harmonie  nicht  dauernd  stören.  Er  über- 
wand die  Uebel  des  Lebens  durch  wahrhaft  philosophischen  Humor,  Klagen 
hat  daher  wohl  keiner  von  ihm  gehört,  am  wenigsten  über  eigene  Leiden. 
So  sehr  war  er  gewohnt  an  Andere  zu  denken,  dass  jer  selbst  in  der  letzten 
schweren  Krankheit,  die  sich  schon  auf  seiner  Reise  zum  Aerztekongress  in 
Moskau  Herbst  1897  drohend  anmeldete  —  er  litt  an  Carcinom  im  Unter- 
leib —  von  sich  wie  von  einer  fremden  Person  reden  konnte,  dass  er  noch 
am  Todestage  über  das  bevorstehende  Ende  Bemerkungen  diktirte.  Er  war 
ein  Volksarzt  im  besten  Sinne  des  Wortes.  So  nannte  ihn  mit  Recht  die 
»Medizinische  Reform«.  »F.«,  heisst  es  dort,  »war  unser  Gegner«  —  er 
trat  gegen  die  freie  Arztwahl  auf  —  »aber  einen  wackereren  Kollegen,  einen 
gewissenhafteren  Arzt  als  ihn  haben  wir  nicht  gekannt.  Ehre  seinem  An- 
denken!« 

Medizinische  Reform  Nr.  23.  1898.  —  Deutsche  med.  Wochenschrift.  Vereins- 
Beilage  Nr.  17.    1898. 

Daniel  Jacoby. 

Meves,  Oskar,  Reichsgerich tsrath,  *  8.  Februar  1828  zu  Sorau  in  der 
Niederlausitz  als  Sohn  des  dortigen  Land-  und  Stadtgerichtsdirector  Gustav  M., 
f  3.  October  1898  zu  Berlin.  Er  bezog  nach  Besuch  der  Schule  zu  Pforta  1848 
die  Universität  Berlin  und  widmete  sich  unter  ungünstigen  Verhältnissen  mit 
eisernem  Fleisse  dem  juristischen  Studium,  trat  im  Appellationsgerichts-Bezirk 
Frankfurt  a.  O.  in  den  Justizdienst,  erhielt  1857  in  Heilsberg  eine  Richter- 
stelle, 1860   die  des  Staatsanwalts,  dann  in  Löbau    und    später    in    Naugard 


Meves.     v.  Cuny.  l^I 

und  Anklam.  1873  ging  er  nach  Tilsit,  im  Früjahr  1874  als  Appellations- 
gerichtsrath  nach  Insterburg.  Bei  der  Justizorganisation  kam  er  i.  Oktober 
1879  an  das  Oberlandesgericht  in  Posen,  i.  Januar  1883  an  den  IV.  Strafsenat 
des  Reichsgerichts  in  Leipzig.  Dieser  neue  Wirkungskreis  sagte  ihm  ganz 
besonders  zu.  Bei  sehr  grosser  Arbeitslast  lebte  er  mit  grösstem  Pflichteifer 
seinem  Amte  und  war  hocherfreut,  als  bei  der  Einweihung  des  neuen  Reichs- 
gerichtsgebäudes die  juristische  Fakultät  der  Universität  Leipzig  ihn  1895  zum 
Ehrendoktor  ernannte.  Ein  schmerzliches  Magenleiden  zwang  ihn  zu  Ende 
1896  um  Versetzung  in  den  Ruhestand  einzukommen,  die  ihm  auch  unter 
Verleihung  des  Roten  Adlerordens  IL  Klasse  gewährt  wurde,  worauf  er  am 
I.  April  1897  nach  Berlin  sich  zurückzog.  Dort  erlag  er  unsäglichen,  mit 
Geduld  ertragenen  Leiden.  Neben  seiner  amtlichen  Wirksamkeit  entfaltete  er 
eine  ausgedehnte  litterarische  Thätigkeit.  Er  gab  treffliche  Ausgaben  von 
Reichsgesetzen  heraus  in  der  von  Ernst  Bezold  besorgten  »Sammlung  der 
Gesetzgebung  des  deutschen  Reiches  mit  Erläuterungen«  (Theil  III  Bd.  I 
Heft  2  [Markenschutz],  Heft  3  [Wechselstempelsteuer],  Heft  4  [Postwesen], 
Heft  5  [KauffarteischifFe] ;  Bd.  II  Heft  i — 4  [Strafgesetznovelle  vom  26.  Febr. 
1876],  Heft  6  [Gewerbeordnung],  auch  »Das  Gewerbe  im  Umherziehen  nach 
der  Bundes-und  preuss.  Landes-Gesetzgebung« ,  Berl.  1872,  sowie  »das  Straf- 
verfahren nach  der  deutschen  Strafprozess-Ordnung  vom  i.  Febr.  1877«, 
Berl.  1879  ^"  3  Auflagen;  »Schutz  der  Waarenbezeichnungen  nach  dem  Gesetz 
vom  12.  Mai  1894«  Berl.  1894  und  eine  Ausgabe  der  Concurs- Ordnung 
(in  Schmidts  Lehrb.  d.  preuss.  Rechts),  Breslau  1881.  In  v.  Holtzen- 
dorffs  Handbuch  d.  deutschen  Strafprocessrechts  bearbeitete  er  in  Bd.  II 
(1879)  die  besonderen  Arten  des  Verfahrens  und  die  Strafvollstreckung.  Im 
J.  1887  übernahm  er  die  Leitung  des  Goltdammerschen  Archivs  für  Straf- 
recht, wobei  er  die  von  ihm  ausgewählten  Reichsgerichts-Entscheidungen  öfters 
mit  eingehenden  Anmerkungen  versah.  Dem  deutschen  bürgerlichen  Gesetz- 
buche widmete  er  in  Bd.  46  (1898)  zwei  Erörterungen.  Von  Aufsätzen  in 
Zeitschriften  seien  genannt  »Gerichtssaal«  XXIV  (thätige  Reue),  XXVI  (Eisen- 
bahnwesen), XXVII  (Religion),  XXIX  (Amtsdelicte)  und  »Archiv  für  Strafrechtc 
Bd.  XXXVII  (Anstifter),  XXXVIII  (§264  StPO),  XXXIX  (Pressgesetz  und 
Vertheidigung). 

Nach  dem  Nekrolog  in  Bd.  46  (1898)  des  > Archivs  für  Strafrecht«.  —  Vgl.  »Gerichts- 
saal«  Bd.  28,  S.  397,   559;  »Ztsch.  von  t.  LiszU  VIII  403,  XI  287. 

A.  Teichmann. 

Cuny,  Ludwig  von,  Jurist  und  Parlamentarier,  aus  einer  von  einge- 
wanderten Hugenotten  stammenden  Familie,  *  14.  Juni  1833  zu  Düsseldorf  als 
Sohn  des  Regierungspräsidenten  C.  in  Aachen,  f  20.  Juli  1898  zu  Berlin.  Er 
studierte  1850 — 53  in  Bonn  und  Berlin  die  Rechte,  trat  1853  in  den  Staats- 
dienst, war  1858 — 70  Assessor  in  Cleve,  Cöln  und  Bonn,  wurde  nach  der 
Uebergabe  von  Strassburg  vom  Dezember  1870  bis  Oktober  Vorsitzender  des 
Kriegsgerichts  für  Elsass-Lothringen  daselbst,  dann  Rath  am  Appellationsgericht 
in  Colmar,  schied  1873  2i"s,  um  sich  der  akademischen  Laufbahn  zu  widmen, 
wurde  19.  Januar  1875  ausserordentlicher  Professor  an  der  juristischen  Fakultät 
in  Berlin,  1883  Mitglied  der  preussischen  Justizprüfungskommission,  1889 
ordentlicher  Honorarprofessor.  Sehr  ausgedehnt  war  seine  parlamentarische 
Thätigkeit.  Er  vertrat  seit  1873  den  Kreis  Solingen-Lennep-Remscheid  im 
Abgeordnetenhause,    1873 — 81    im  Reichstage    den  Kreis  Dessau-Zerbst,    seit 


1^2  V.  Cuny.     Braunmüller. 

1884  Kreuznach-Simmern.  Er  war  eines  der  hervorragendsten  und  befähigsten 
Mitgheder  der  nationalliberalen  Partei,  ein  Mann  von  sehr  ausgedehntem 
und  höchst  exaktem  Wissen,  in  seiner  financiell  unabhängigen  Stellung  einer 
der  fleissigsten  und  unermüdlichsten  Arbeiter,  eines  der  geschäftsgewandtesten 
Mitglieder  parlamentarischer  Commissionen,  zugleich  während  der  Zeit  des 
Culturkampfes  einer  der  heftigsten  Gegner  der  Katholiken  und  des  Centrums, 
doch  bei  vornehmer  Gesinnung  ehrlich  bemüht,  den  Gegnern  entgegen- 
zukonmien.  So  unterstützte  er  namentlich  die  Bestrebungen  einiger  Ab- 
geordneten behufs  Erlangung  der  Erlaubniss  konfessioneller  Kirchhöfe  für  die 
Rheinprovinz  und  einige  andere  preussische  Landestheile.  Weitere  treffliche 
Dienste  leistete  er  als  Mitglied  der  preuss.  Hauptstaatsschulden- Verwaltung  und 
machte  sich  um  das  Zustandekommen  des  deutschen  bürgerlichen  Gesetz- 
buches in  der  mit  der  zweiten  Lesung  betrauten  Commission  verdient.  Für 
gemeinnützige  Werke  hatte  er  stets  offene  Hand,  besonders  auch  auf  dem 
Gebiete  des  Colonialwesens.  —  Für  den  XXI.  deutsch.  Juristentag  begutachtete 
er  die  Stellung  des  Entwurfs  betr.  der  Testamentsvollstrecker  (Bd.  I  43 — 54). 
Ein  Legat  von  300000  Mark  für  die  Universität  wurde  landesherrlich  be- 
stätigt. 

Vgl.  »lllustrirte  Leipziger  Zeitung«  1898  II.  mit  Bild;  »Centralblatt  für  Rechtswissen- 
schaft« Bd.  X  S.  97  (Heinsheimer) ;  >Kölnische  Volkszeitung«  N.  646  vom  28.  Juli  1898; 
Schulthess,  Europ.  Geschichtskalender  für  1898,  München  1899,  S.  5,  140;  Deutsche 
Juristen-Zeitung  1899,  S.  169/170  (letzte  Arbeit  über  reichsgesetzlicbe  Regelung  des  Prü- 
fungswesen), u.  324  (nekrol.  Notiz). 

A.  Teichmann. 


Braunmüller,  Benedict,  Dr.,  Historiker,  *  12.  März  1825  zu  Rotz  (Ober- 
pfalz), f  12.  Juni  1898  zu  München,  absolvirte  mit  Auszeichnung  das  Gymnasium  zu 
Regensburg  1845,  machte  seine  philosophischen  Studien  amLyceum  zu  Regensburg 
und  an  der  Universität  München,  wo  besonders  die  Vorträge  von  Döllinger, 
Constantin  Höfler,  Ernst  von  Lasaulx  u.  A.  seine  spätere  historische  Richtung 
anbahnten;  widmete  sich  1848  der  Theologie,  wurde  1850  zu  Regensburg 
Priester,  trat  in  die  Seelsorge  zu  Böhmischbruck  und  1852  in  das  Benedictiner- 
stift  zu  Metten,  wo  er  als  Studienlehrer  an  der  Lateinschule,  Präfect  am 
bischöflichen  Knabenseminar  (1855)  und  Lector  der  Theologie,  dann  auch  im 
Kloster  Lambach  in  Oesterreich  und  bei  S.  Bonifaz  in  München,  verwendet 
wurde.  Nachdem  B.  abermals  als  Professor  an  der  Oberklasse  des  Gym- 
nasiums,  als  Pfarr- Vikar  zu  Neuhausen  und  Director  des  bischöflichen 
Knabenseminars  sich  bewährt  hatte,  wurde  er  nach  dem  Ableben  des  Abtes 
Utto  1884  einstimmig  als  Abt  des  Benedictinerstiftes  Metten  erwählt.  Sein 
vielseitiges,  ganz  autodidaktisch  gebildetes  Wissen  legte  er  in  zahlreichen,  hier 
nur  theil weise  genannten  Abhandlungen  und  Schriften  nieder.  1855:  Beiträge 
zur  Geschichte  der  Bildung  in  den  drei  ersten  christlichen  Jahrhunderten. 
1856:  Bildungszustand  der  Klöster  des  IV.  und  V.  Jahrhunderts.  1870:  Ueber 
liturgischen  Gesang  im  Verhältniss  zum  Volkslied.  1871:  Kleine  Chorallehre  mit 
Beispielen.  1872 — 75:  Beiträge  zur  Geschichte  des  östlichen  Donaugaues. 
I)  Der  Natternberg;  Beschreibung  und  älteste  Geschichte.  II.  Die  Domvögte 
von  Regensburg.  III)  Die  lobsamen  Grafen  von  Bozen.  IV)  Die  bescholtenen 
Grafen  von  Natternberg.  1873:  Ueber  Römerstrassen  in  Rhätien  und  die 
Castra  Petrensia.  1876:  Abt  Hermann  von  Niederaltach.  1877:  Sossau, 
seine  Kirche  und  Wallfahrt.     1879:    Geschichtliche  Nachrichten  über  die  hl. 


Braunmüller.     Le  Feubure.     Rossbach  Adolf.  133 

Hostien  in  der  Grabkirche  zu  Deggendorf.  1880  und  1881:  Namhafte  Bayern 
im  Kleide  des  hl.  Benedikt.  1882:  Beiträge  zur  Geschichte  von  Prüfening. 
1883:  Reihenfolge  der  Aebte  von  S.  Emmeran  zu  Regensburg.  Wichrammi 
monachi  S.  Galli,  Opusculum  de  computo.  1884:  Monumenta  Windbergensia 
(Traditiones)  und  in  vielen  kleineren  Aufsätzen. 

Hyac.  Holland. 

Le  Feubure,  Ferdinand,  Porzellanmaler,  *  21.  September  1815  zu  München, 
f  19.  December  1898.  Als  der  Sohn  eines  königlichen  Rechnungs-Kommissärs, 
war  derselbe  erst  zum  Studium  bestimmt,  erhielt  aber  von  seinem  Bruder 
•Carl  Friedrich  die  Anregung  zur  »Kunst  und  den  ersten  Unterricht,  bezog 
1832  die  Akademie,  um  sich  unter  Heinrich  von  Hess  zum  Historienmaler 
zu  bilden,  trat  dann  aber  nach  dem  Vorgange  seines,  als  Porzellanmaler 
damals  schon  geschätzten  Bruders,  zu  dieser  ihm  sehr  zusagenden  Technik 
über  und  erhielt  in  der  neuorganisirten  königlichen  Porzellan-Manufactur  als 
Künstler  bleibende  Stellung.  Seine  Arbeiten  zeichneten  sich  aus  durch  grosse 
Delicatesse  bei  markiger  und  kräftiger  Durchbildung.  Für  König  Ludwig  I. 
schuf  er  ein  Tafel-Service  mit  Copien  nach  den  Glyptothek-Fresken  des  Cor- 
nelius (nun  in  der  kgl.  Silberkammer);  für  den  Kronprinz  Maximilian  malte 
L.  ein  Service  mit  Bildern  nach  Schnorrs  Nibelungen.  Für  die  in  der  neuen 
Pinakothek  befindliche  Sammlung  von  Porzellan-Gemälden  (in  Plattenform) 
copirte  unser  Künstler  drei  Pferdebilder  nach  Philipp  Wouwerman,  einige 
Thierstücke  nach  Snyders  und  eine  Landschaft  (mit  der  Staffage  von  Hagars 
Verstossung)  nach  Claude  Lorrain,  welche  Carl  Friedrich  Heinzmann  (1795, 
t  1846)  begonnen  hatte.  Auch  als  Glasmaler  leistete  L.  gute  Dienste.  Für 
König  Ludwig  IL  fertigte  er  gleichfalls  ein  Service  mit  Ansichten  von  fran- 
zösischen Gärten,  Fontainen  und  Schlössern.  Im  Januar  1899  erschien  im 
Münchener  Kunstverein  eine  aus  50  Aquarellen  bestehende  Collection  land- 
schaftlicher Darstellungen,  meist  mit  Motiven  aus  dem  bayerischen  Gebirge 
oder  der  Umgegend  von  München,  alle  aus  der  früheren  Zeit  des  Malers, 
sehr  sorgfältig  und  subtil,  ganz  im  Style  der  früheren  feierlichen  Porzellan- 
malerei ausgeführt.  Eine  andere  Sammlung  von  Handzeichnungen,  Skizzen 
und  altbayerischen  Trachtenbildem  zeigte  bald  darauf  der  Kunstverein  zu 
Augsburg. 

Vgl.  Seubert,   Lexikon  1878.   II,  426.  —  Nr.  354  ^>Allgem.  Ztg.«  vom  22.  Decbr. 
1898.     Bericht  des  »Münchener  Kunstverein«  für   1898.  S.  74. 

Hyac.   Holland. 

Rossbach,  Christian  Adolf,  Buchhändler,  *  26.  December  1822  zu 
Mühltroff  im  Voigtland,  f  6.  Januar  1898  in  Leipzig.  R.  trat  nach  dem 
Besuch  der  Leipziger  Handelsschule,  als  Schwiegersohn  von  B.  G.  Teubner, 
bereits  1845  ^^^  Mitarbeiter  in  dessen  berühmtes,  18 11  gegründetes,  Buch- 
druckerei und  Verlagsbuchhandlung  umfassendes  Geschäft  ein,  insbesondere 
wurde  er  geschäftsführender  Theilhaber  des  1832  in  Dresden  gegründeten 
Zweiggeschäftes,  das  neben  vielen  anderen  Arbeiten  auch  den  Druck  des 
officiellen  »Dresdner  Journals«  besorgte.  Am  i.  October  1853  wurde  er 
(bis  1854  neben  seinem  Schwager  Eduard  Koch)  Theilhaber  sämmtlicher 
Geschäfte  in  Leipzig,  während  Albin  Ackermann,  ein  anderer  Schwiegersohn 
Teubners,  die  Leitung  des  Dresdener  Geschäfts  übernahm.  Nach  Teubners 
1856  erfolgtem  Tode  gingen  die  Geschäfte  in  Leipzig  und  Dresden  an  diese 


i^^,  Rossbach  Adolf.     Liebeskind.     Alvary. 

beiden  Schwiegersöhne  über.  Weitere  Theilhaber  wurden  1875  Arthur  Ross- 
bach (t  1882),  1882  Alfred  Ackermann  und  1893  ein  Enkel  Adolf  R.'s, 
Dr.  Alfred  Gieseke;  ausserdem  war  1872 — 93  Theilhaber  der  Ehrendoctor 
August  Schmitt.  Adolf  R.  war  nicht  nur  für  das  Wachsen  und  Gedeihen  der 
eignen  Geschäfte  thätig,  sondern  auch  in  weiteren  Kreisen  eine  vielseitig 
wirkende  und  angesehene  Persönlichkeit.  —  So  war  er  Vorsitzender  im  Auf- 
sichtsrathe  der  Leipziger  Bank  und  Schatzmeister  des  von  ihm  mitbegründeten 
Leipziger  Rennklubs.  Seine  vielfachen  Verdienste  wurden  u.  A.  durch  die 
Verleihung  hoher  sächsischer  und  russischer  Orden  geehrt. 

Vgl.  »Deutscher  Buch-  und  Steindrucker«  1898.  S.399  (m.  Portr.),  »Börsenblatt  f.d. 
dtsch.  Buchhandel«  1898.  Nr.  6  und  7.     Zahlreiche  Nachrufe  in  politischen  u.  a.  Zeitungen« 

H.  Ellissen. 

Liebeskind,  Felix,  Buchhändler,  *  14.  Januar  1837  ^^  Leipzig,  f  17.  März 
1898  daselbst,  wurde  zuerst  von  Privatlehrem  unterrichtet,  besuchte  dann  die 
Teichmannsche  Schule  in  Leipzig  und  erlernte  1851  —  54  bei  Himmer 
(Riegersche  Buchhandlung)  in  Augsburg,  mit  dessen  Familie  er  lebenslänglich 
in  freundschaftlicher  Verbindung  blieb,  den  Buchhandel.  Er  war  femer  u.  A. 
als  Gehtilfe  thätig  bei  Masson  &  Co.  in  Paris  (1855  —  56)  und  bei  L.W.Seidel 
in  Wien  (1857 — 59).  1863  trat  er  dauernd  in  die  schon  1794  von  seinem 
Grossvater  gegründete  angesehene  Commissions-  und  Verlagsbuchhandlung 
A.  G.  Liebeskind  in  Leipzig  ein,  deren  Theilhaber  er  1865  wurde,  und  die 
er  nach  dem  Tode  seines  Vaters  am  15.  October  1870  allein  übernahm. 
Zunächst  sein  Aufenthalt  in  Bayern  hatte  L.  zu  einem  eifrigen  Alpinisten  und 
dadurch  zum  Verleger  gediegener  alpiner  Werke  gemacht.  Dies  wieder  führte 
seine  Befreundung  mit  dem  Dichter  Rudolf  Baumbach  herbei.  Wie  sehr  er, 
bei  allem  eigenen  Werthe  der  Dichtungen,  durch  reizende  Ausstattung  zur 
Verbreitung  von  dessen,  auch  J.  Lohmeyers,  Heinrich  Seidels,  Maximilian 
Schmidts,  Trojans  u.  a.  Schriften  beigetragen  hat,  ist  dem  Buchhändler  besser 
bekannt  als  dem  Laien.  Auch  über  das  eigene  Geschäft  hinaus  machte  sich 
L.  in  beruflichen,  künstlerischen  und  humanen  Interessen  vielfach  verdient. 
1884  gab  er  die  Initiative  zu  dem  prachtvollen  Jubiläumskatalog  der  Oster- 
mess- Ausstellung  des  damals  50  Jahre  bestehenden  Börsenvereins  der  Deutschen 
Buchhändler.  Als  Alpinist  lieferte  er  werthvolle  Beiträge  zu  in-  und  aus- 
ländischen Reiseschriften.  An  mancherlei  Anerkennungen  für  seine  Verdienste 
fehlte  es  ihm  nicht.  Die  Verlagsbuchhandlung  ging  nach  seinem  Tode  an  die 
J.  G.  Cotta'sche  Buchhandlung  in  Stuttgart,  das  Commissionsgeschäft  an 
Carl  Cnobloch  in  Leipzig  über. 

Vgl.  »Börsenblatt  f.  d.  dt.  Buchhandel«  1898.  Nr.  63.  Pfau,  Biogr,  Lex.  d.  D, 
Buchhdlr.  1890.     Persönliche  Mittheilungen  von  F.  L.  Liebeskind-Platzmann. 

H.  Ellissen. 

Alvary  (Achenbach)  Max,  Kammersänger,  *  1857  zu  Düsseldorf,  f  7.  No- 
vember 1898  in  Grosstabarz  (Thüringen).  A.  war  der  Sohn  des  bekannten 
Malers  Andreas  Achenbach.  Das  elterliche  Haus  war  eine  Heimstätte  der 
Kunst,  und  so  prägte  sich  künstlerisches  Empfinden  früh  in  die  Seele  des  fiir 
alles  Schöne  sehr  empfänglichen  Knaben  und  blieb  darin  haften,  obschon  er 
sehr  jung  der  Jesuitenschule  zu  Paris  als  Zögling  übergeben  wurde.  Der 
kleine  Maximilian  zeichnete  sich  schon  damals  durch  eine  so  wunderbare 
Stimme  aus,  dass  er  in  den  grossen  Messen  mitsang.    Später  besuchte  er  ein 


AI  Vary,  135 

als  vorzüglich  bekanntes  Colleg  in  der  Nähe  Londons,  und  aus  diesem  Um- 
stand erklärt  sich,  dass  ihm  die  französische  wie  die  englische  Sprache  ge- 
läufig wurden  wie  die  Muttersprache.  A.  drängte  es,-  ein  Künstler  wie  sein 
Vater  zu  werden,  oder  doch  wenigstens  ein  künstlerisches  Studium,  wie 
das  der  Architektur,  zu  treiben,  obwohl  er  sich  am  liebsten  dem  Gesang  ge- 
widmet hätte.  Sein  Vater  hatte  aber  'andere  Pläne  mit  ihm :  ein  Vetter  von 
ihm,  der  in  Moskau  eine  Weltfirma  besass,  sollte  den  Sohn  in  die  Geheim- 
nisse des  Kaufmannsstandes  einweihen  —  doch  dies  war  ganz  gegen  die  Nei- 
gungen des  jungen  A.  und  mit  Widerstreben  fügte  er  sich  darein,  bis  er  mit 
seiner  schon  damals  stark  entwickelten  Energie  es  durchsetzte,  sich  einem  ihm 
zusagenden  Beruf  widmen  zu  können.  Bald  sehen  wir  ihn  in  Aachen,  wo  er 
sich  architectonischen  Studien  hingiebt,  und  wo  seine  Leistungen  zu  so  schönen 
Hoffnungen  berechtigen,  dass  sein  Vater  eine  höhere  Ausbildung  in  Mailand 
bei  Mengoni,  dem  berühmten  Erbauer  der  Galleria  Vittorio  Emanuele,  für 
ihn  wünscht.  Nichts  konnte  A.  erwünschter  sein.  Lebte  doch  Lamperti, 
der  grosse  Meister  des  Gesangs,  in  Mailand,  und  bei  ihm  hoffte  er  seine 
Stimme  ausbilden  lassen  zu  können.  Lamperti  fand  das  Material  des  jungen 
Mannes  vorzüglich  und  rieth  ihm,  sich  als  Concertsänger  auszubilden,  was 
er  auch  that,  indem  er  nach  und  nach  seine  Baustudien  einstellte  und  sich 
während  seines  zweijährigen  Aufenthaltes  ganz  der  Ausbildung  seiner  Stimme 
hingab.  Von  Mailand  aus  begab  sich  A.  nach  Frankfurt  a.  M.  zu  Meister 
Julius  Stockhausen,  bei  dem  er  den  Oratoriengesang,  das  Studium  der  alten 
Meister  pflegte  und  sich  nur  mit  Bach,  Händel,  Mozart,  Haydn  u.  s.  w.  be- 
schäftigte. Inzwischen  hatte  der  Kunstjünger  bei  einem  Aufenthalt  im  elter- 
lichen Hause  ein  ganz  junges,  kaum  15  jähriges  Mädchen  aus  dem  Riesenge- 
birge kennen  gelernt,  das  seine  Eltern  früh  verloren  hatte  und  mit  dem 
Grossvater  nach  Düsseldorf  gekommen  war.  Die  Herzen  der  jungen  Leute 
flogen  sich  zu,  sie  verlobten  sich,  aber  ihrer  Verbindung  standen  von  beiden 
Familien  die  grössten  Hindemisse  im  Wege.  Zwei  Jahre  warteten  die  Lie- 
benden, schliesslich  heiratheten  sie  sich  gegen  den  Willen  der  Verwandten. 
Nun  galt  es,  für  den  eigenen  Herd  zu  sorgen.  Ohne  Jemands  Wissen  studirte 
A.  binnen  acht  Tagen  für  sich  allein  den  Stradella,  fuhr  nach  Weimar,  stellte 
sich  dem  Intendanten,  Frhrn.  v.  Loen,  unter  dem  Namen  Anders  vor  und 
bat  um  ein  Gastspiel.  Es  ward  gewährt  —  aber  schon  nach  dem  ersten 
Probesingen  vor  der  Aufführung  erhielt  er  ein  mehrjähriges  Engagement  für 
das  Hoftheater.  Nun  begann  eine  herrliche  Zeit  für  A.,  Jahre  des  naiven, 
ungetrübten  Glücks,  denn  hier  ward  der  Grundstein  für  seine  Laufbahn  ge- 
legt und  an  den  Vorbildern,  die  mit  ihm  wirkten:  Milde,  Scheidemantel, 
Fichtner- Spohr,  entfaltete  sich  auch  sein  Können.  Besonders  werth  aber 
machte  ihm  jene  Zeit  die  Gunst  des  Grossherzogs  von  Sachsen -Weimar, 
der  ihm  persönliches  Interesse,  Auszeichnung  und  fürstliche  Gunst  bewies. 
Schweren  Herzens  nur  trennte  er  sich  von  der  lieben  Stätte,  aber  seine  Natur 
drängte  ihn  zu  grösserem  Wirkungskreis  und  er  folgte  einem  Engagement  des 
alten  Damrosch  an  das  Metropolitan-Theater  unter  Leitung  von  Anton  Seidl 
nach  New- York,  wo  er  in  ein  Ensemble  eintrat,  das  aus  den  ersten  Kunst- 
grössen  gebildet  war:  Albert  Niemann,  Marianne  Brandt,  Lilly  Lehmann  und 
dem  Dresdner  Bassisten  Emil  Fischer.  In  den  ersten  zwei  Jahren  theilte  sich 
A.  in  das  Rollenfach  mit  Niemann,  dem  er  die  heroischen  Parthien  überlassen 
musste,  während  er  die  lyrischen  sang.  Erst  später  trat  er  als  Wagner- 
Sänger  auf.     Aber  mit  den  Erfolgen  wuchs  auch  A.'s  Selbstkritik.     Er  erwog. 


136  Alva^)^ 

dass  er  nur  in  Deutschland,  wo  Wagners  Geist  einzig  und  voll  lebendig  ist, 
ernsthafte  Proben  seiner  Künstlerschaft  ablegen  könne,  und  so  entschloss  er 
sich  denn  Amerika  zu  verlassen  und  in  die  alte  deutsche  Heimath  zu- 
rückzukehren. Der  Abschied  drüben  gestaltete  sich  zu  einem  wahren 
Triumph  für  ihn  und  doch  stand,  er  einige  Wochen  danach  zagend  und 
herzklopfend  auf  der  Bühne  des  Münchener  Hoftheaters;  wie  einem  An- 
fänger war  ihm  zu  Muthe,  als  er  zum  ersten  Male  als  Wagner- Sänger 
vor  das  Münchener  Publikum  treten  sollte.  Nun  trat  er  sehr  erfolgreich 
fast  in  allen  Wagner-Opern  auf,  und  die  Münchener  Tage  prägten  sich  ihm 
als  eine  der  schönsten  Lebenserinnerungen  für  alle  Zeit  ins  Gedächtniss. 
Freilich  den  masslosen  Enthusiasmus,  den  die  Amerikaner  und  besonders  die 
Amerikanerinnen  mit  A.  trieben,  konnte  er  im  kälteren  Deutschland  nicht  er- 
warten und  nicht  finden.  Englisch-amerikanische  Blätter  brachten  das  Kunst- 
stück zustande,  spaltenlange  Artikel  über  den  Kuss  zu  bringen,  mit  dem  A. 
als  Siegfried  Brünnhilde  aus  dem  Zauberschlafe  erweckt,  und  Amerikanerinnen 
der  besten  Familien  bildeten  nach  den  New-Yorker  Vorstellungen  vor  dem 
Theater  Spalier,  um  einen  Blick  oder  Händedruck  des  Sängers  zu  erhaschen 
—  des  Sängers,  von  dem  alle  Welt  wusste,  dass  er  mit  seiner  Frau  Thekla 
eine  äusserst  glückliche  Ehe  führe,  und  dass  ihm  zu  Hause  ein  Dutzend 
Kinder  —  eine  Schaar  wahrer  Liebesgötter  —  erblühe.  Auch  Andreas 
Achenbach,  dem  zu  Liebe  der  Sohn  einen  Theaternamen  angenommen  hatte, 
söhnte  sich  mit  ihm  später  aus,  als  er  sich  nach  einer  Aufführung  von  Glucks 
Iphigenie,  in  der  der  Sohn  den  Pylades  gesungen  hatte,  von  dessen  ernst- 
hafter Künstlerschaft  überzeugt  hatte.  Pollini,  dem  es  niemals  auf  das  Geld 
ankam,  wenn  es  sich  darum  handelte,  einen  »Star«  für  sein  Hamburger 
Theater  zu  ergattern,  bot  ihm  fabelhafte  Gagen,  nützte  ihn  aber  auch  nach 
Kräften  aus.  A.  führte  in  seinem  Heim  in  Hamburg  und  auf  seiner  glänzenden 
Besitzung  zu  Grosstabarz  in  Thüringen  einen  wahrhaft  fürstlichen  Haushalt. 
Auf  einem  der  zahllosen  Gastspiele  im  Dienste  Pollini's,  am  Stadttheater  zu 
Mannheim,  traf  ihn  das  Unglück,  in  einer  Probe  zu  »Siegfried«,  da  er  nicht 
verständigt  worden,  dass  Fafners  Höhle  dort  nur  imitirt  wird,  durch  den 
cachirten  Boden  derselben  zu  stürzen.  Durch  diesen  Fall  mag  er  sich  das 
schwere  Darmleiden,  an  dem  er  nach  manchen  nutzlosen  Operationen  starb, 
entweder  zugezogen  oder  es  mindestens  beschleunigt  haben.  Ein  desshalb 
gegen  die  Mannheimer  Intendanz  von  ihm  geführter  Entschädigungsprocess 
schloss  nach  seinem  Tode  mit  einem  für  seine  Hinterbliebenen,  für  die  er 
übrigens  fast  ahnungsvoll  reichlich  gesorgt  hatte,  günstigen  Vergleich.  —  So 
endete  vor  der  Zeit  eine  Künstlerlaufbahn,  die  glänzend  und  kurz  war  wie 
selten  eine.  Gleich  einem  Meteor  kam  und  verschwand  A.,  der  reich  begabte 
Künstler,  ein  edler,  liebenswürdiger  Mensch,  dem  es  heiliger  Ernst  war  mit 
seiner  Kunst  und  dem  alles  Komödiantenhafte  meilenfern  lag.  Nur  eine  be- 
deutende künstlerische  Erscheinung  wie  die  Alvary's  konnte  solche  Be- 
geisterung und  solchen  —  Widerspruch  wecken;  denn  sein  Ruhm  ist  ihm 
nicht  unbestritten  geblieben.  Aber  selbst  wer  die  eigenthümliche  Gesangs- 
weise A.'s  nicht  goutierte,  Hess  sich  willig  von  der  genialen  Darstellung  seiner 
Wagnerschen  Heldengestalten,  eines  Siegfried,  eines  Tannhäuser  gefangen 
nehmen.  Der  Wagnersche  Siegfried  war  seine  Lieblingsgestalt.  Wenn  er 
mit  dem  Bären  in  der  ersten  Scene  des  »Siegfried«  jugendfroh  auf  die  Bühne 
stürmte,  glaubte  man  den  jugendlichen  Recken,  wie  ihn  Wagner  geträumt, 
wirklich  vor  sich  zu  sehen.      Minder  gut  lagen   ihm  nichtwagnersche  Rollen, 


Alvary.     Streccius.     Lang. 


137 


die  er  in  späterer  Zeit  auch  weniger  pflegte;  doch  erinnern  wir  uns  dankbar 
seines  meisterhaften  »Josephs  in  Aegypten«.  Am  27.  September  1894 
haben  wir  ihn,  als  Siegfried,  zum  letztenmal  gesehen.  A.'s  Stern  erblich  so 
schnell  wie  er  seinen  höchsten  Glanz  erreicht  hatte.  In  den  letzten  Jahren 
hörte  man  nur  mehr  von  seiner  Krankheit  und  dem  Prozess.  Der  kurze 
Künstlertraum  war  ausgeträumt;  vielleicht  wäre  er  minder  glanzvoll  gewesen, 
wenn  er  hätte  länger  dauern  können.  In  der  Geschichte  der  Oper,  ins- 
besondere aber  in  der  des  Wagnerschen  Musik-Dramas,  darf  A.'s  Name  nicht 
ungenannt  bleiben,  wenn  auch  sein  rasch  vorübergehendes  Debüt  in  Neu- 
Bayreuth  in  Folge  von  Differenzen,  die  auch  Andern  heute  dort  beschieden 
sind,  für  die  Lebens-  und  Entwicklungsgeschichte  des  Künstlers  selbst  ohne 
Bedeutung  geblieben  ist. 

In  unserer  Skizzirung  derselben  sind  wir  unserem  (im  Feuilleton  der  »Allgemeinen 
Zeitung«  vom  8.  Nov.  1898,  Abendblatt)  erschienenen  Nachruf  und  einer  früher  in  dem- 
selben Blatte  (No.  247  vom  6.  Sept.  1893)  enthaltenen  liebevollen  Schilderung  der  ersten 
KUnstlerjahre  und  der  thüringschen  Besitzung  Alvarys  durch  Olga  Arendt,  als  den  aus- 
führlichsten und  authentischesten  Darstellungen,  die  bis  jetzt  über  A.  vorliegen,  in  der 
Hauptsache  gefolgt. 

Alfred  Freiherr  v.  Mensi. 

Streccius,  Johannes,  Kgl.  Preussischer  Generallieutenant  z.  D.,  ♦  5.  März 
1831  in  Stendal,  f  26.  Januar  1898  in  Cassel,  Militärschriftsteller,  übersetzte 
namentlich  militärische  und  historische  Schriften  aus  dem  Russischen.  Seine 
Ausbildung  erhielt  er  in  dem  Cadettencorps,  das  er  am  28.  April  1849 
verliess,  um  als  Seconde- Lieutenant  in  das  Inf.-Regt.  No.  17  einzutreten. 
1855  wurde  er  Erzieher  im  Cadettenhause  zu  Berlin,  1857  Premier-Lieutenant, 
1859  Hauptmann  3.  Klasse,  December  1860  Compagnie-Chef.  Im  März  1861 
ä  la  suite  des  Regts.  gestellt,  ward  er  zum  grossen  Militär- Waisenhause  in 
Potsdam  commandirt.  Am  16.  März  1869  zum  Major  befördert,  ward  er 
Commandeur  des  Cadettenhauses  zu  Braunsberg,  im  Mai  desselben  Jahres  je- 
doch bereits  Director  der  Kriegsschule  in  Cassel,  unter  Stellung  ä  la  suite 
des  Generalstabes  der  Armee.  Als  bei  Ausbruch  des  deutsch-französischen 
Kriegs  die  Kriegsschule  aufgelöst  wurde,  ward  St.  während  der  Dauer  des 
Krieges  Generalstabsofficier  bei  dem  Generalgouvernement  im  Bereiche  des 
7.,  8.  und  II.  Armeecorps  und  tibernahm  im  August  187 1  wieder  das 
Directorium  der  Kriegsschule  in  Cassel.  1874  zum  Oberstlieutenant  befördert, 
erhielt  er  im  Januar  I875  ein  Bataillon  im  4.  Thüringischen  Infanterie  Regt. 
No.  72  und  ward  am  12.  Dec.  1876  Commandeur  des  2.  Hessischen  Inf.- 
Reg.  No.  76.  Am  22.  März  1877  Oberst  und  am  15.  Mai  1883  General- 
major erhielt  er  das  Commando  der  59.  Infanterie-Brigade  und  ward  am 
16.  April  1887  Commandant  von  Karlsruhe.  Noch  in  demselben  Jahre 
erhielt  er  den  Charakter  als  Generallieutenant,  am  19.  Sept.  1888  das 
Patent  seiner  Charge  unter  Versetzung  als  Commandant  nach  Rastatt. 
Am  18.  April  1891  ward  er  zur  Disposition  gestellt.  St.,  der  den  Rothen 
Adler  Orden  2.  Kl.  und  den  Kronen  Orden  2.  Kl.  mit  Schwertern  am  Ringe 
besass,  war  ein  wissenschaftlich  ausserordentlich  gebildeter  Offtcier  und  bei 
allen  seinen  Untergebenen  geschätzer  und  beliebter  Vorgesetzer. 

O.  Elster. 


Lang,  Paul,  Dichter,  *  9.  September 
bergischen  Oberamt  Crailsheim), 


1846  zu  Wildenstein  (im  württem- 
19.  März  1898    zu  Urach.     Sein  äusseres 


138  Lang. 

Leben  ist  in  keinem  Stück  aus  dem  gewöhnlichen  Geleise  des  württem- 
bergischen Theologen  gewichen.  Ein  Pfarrerssohn,  kam  er  mit  fünf  Jahren 
nach  Asch  (Oberamt  Blaubeuren),  wohin  sein  Vater  versetzt  worden  war,  und 
verbrachte  die  Knabenzeit  in  dieser  reizvollen,  an  poetisch-romantischen  An- 
regungen reichen  Gegend.  Seit  dem  11.  Jahre  besuchte  er  die  Lateinschulen 
in  Münsingen  und  Lauffen  am  Neckar.  Nach  erstandenem  Landexamen  be- 
zog er  1860  das  Seminar  Schönthal  und  1864  behufs  Studiums  der  Theo- 
logie das  Tübinger  Stift.  Nach  Beendigung  der  Universitätsjahre  war  er  drei 
Jahre  lang  Vicar  in  Eningen  bei  Reutlingen  und  Ulm,  seit  1871  Stiftsrepetent 
in  Tübingen,  während  welcher  Zeit  er  zugleich  an  der  Universität  Vor- 
lesungen über  Platonische  Philosophie  hielt.  1872/73  unternahm  er  eine 
wissenschaftliche  Reise  nach  Südrussland,  wo  sein  älterer  Bruder  Hermann 
damals  Pfarrer  war,  Herbst  1873  erhielt  er  seine  erste  definitive  Anstellung 
als  Diaconus  in  Leonberg.  Er  vermählte  sich  jetzt  mit  Selma  Macken.  1878 
wurde  er  zum  Pfarrer  in  Maulbronn,  1883  zum  zweiten  Stadtpfarrer  in  Lud- 
wigsburg, 1889  zum  Decan  in  Urach  befördert.  Hier  wurde  er  im  besten 
Mannesalter  seiner  zahlreichen  Familie  durch  einen  raschen  Tod  entrissen. 

Nicht  als  Theologe  hat  sich  L.  ein  Anrecht  auf  Nachruhm  erworben, 
obwohl  er  auch  hier  seinen  Mann  gestellt  und  seine  Pflichten  redlich  erfüllt 
hat,  vielmehr  als  Dichter,  insbesondere  als  Erzähler.  Er  veröffentlichte  in 
Buchform  nachstehende  Novellen  oder  Novellensammlungen:  i)  Gärung  und 
Klärung.  Ein  Stück  aus  Schillers  Leben.  (Neue  Volks-Bibliothek.)  Stuttgart, 
bei  Levy  &  Müller,  o.  J.  (1878).  2)  Auf  schwäbischem  Boden.  Vier  Er- 
zählungen. Stuttgart,  bei  Adolf  Bonz  &  Comp.,  1881.  (Inhalt:  a.  Heimo. 
Eine  Geschichte  aus  dem  Zehntiande.  282.  b.  Regiswindis.  Eine  Heiligen- 
geschichte aus  der  Karolingerzeit.  837.  c.  An  der  Wiege  eines  Philosophen. 
1775.  d.  Der  Vicar  von  Enzweihingen.  1798.  Eine  zweite  durchgesehene 
Auflage  erschien  1898.  Einzeln  wurde  daraus  1886  Regiswindis  gedruckt, 
von  Theodor  Schmidt  illustrirt.  3)  Kirschenblüthe.  Erzählung.  Stuttgart,  bei 
Bonz,  1882.  4)  Die  Kastellanin  und  ihre  Tochter.  Erzählung.  Stuttgart,  bei 
Bonz,  1882.  5)  Rusenschloss.  Eine  Geschichte  aus  dem  15.  Jahrhundert. 
Stuttgart,  bei  Bonz,  1882.  6)  Im  Nonnenämtlein.  Eine  Geschichte  aus  dem 
15.  Jahrhundert.  Stuttgart,  bei  Bonz,  1883.  7)  Der  Bildhauer  von  Kos.  Eine 
Geschichte  aus  dem  Alterthum.  Stuttgart,  bei  Bonz,  1884.  8)  Mechthildis 
von  Hohenburg.  Eine  Geschichte  aus  der  Hohenstaufenzeit.  Stuttgart,  bei 
Bonz,  1884.  9)  Bündner  und  Schwaben.  Eine  Geschichte  aus  Schillers 
Jugendzeit.  Stuttgart,  bei  Bonz,  1886.  10)  Aus  schwäbischen  Gauen.  Zwei 
Erzählungen  aus  Schwabens  Vergangenheit  von  Dr.  R.  Weitbrecht  und  Paul 
Lang.  Stuttgart,  bei  Emil  Hänselmann  (Süddeutsches  Verlagsinstitut),  o.  J. 
(1887).  Darin  von  L.  (aufS.  iii — 316):  Durch  Sturm  und  Wetter.  Lebens- 
schicksale eines  Zeitgenossen  Friedrich  von  Schillers.  11)  Maulbronner  Ge- 
schichtenbuch. Stuttgart,  bei  Bonz,  1887.  (Inhalt:  a.  Angelus  pacis.  1433. 
b.  Gerhard  von  Enzberg.  151 8.  c.  Der  Türkenknabe.  1688.  d.  Der  Kloster- 
schlüssel. 1800.)  12)  Neue  Erzählungen.  Stuttgart,  bei  Bonz,  1892.  (Inhalt: 
a.  Vier  Säcke.  1492.  b.  Das  Grab  Mose's.  1640.  c.  In  zwölfter  Stunde.  1733. 
d.  Wieder  gut.  1758.  e.  Künstlers  Ostern.  1771.)  13)  Wilder  Uilaub.  Eine 
Erzählung  aus  alter  Zeit.  Heilbronn,  bei  Max  Kielmann,  1897  (zuerst  in 
Velhagen  &  Klasing's  Monatsheften   1894/95.  Heft  8,  S.   122  ff".). 

Wenn  man  von  dem  Bildhauer  von  Kos  absieht,  so  hat  L.  alle  seine 
Stoffe   der  Geschichte  seiner  schwäbischen  Heimath   entnommen.     Und  zwar 


Lang.  13g 

durchmisst  er  sie  in  allen  ihren  Theilen  von  den  Tagen  der  römisch-germa- 
nischen Grenzkämpfe,  der  Heimo  und  Wilder  Urlaub  zugehören,  bis  zur  Ge- 
genwart, die  durch  eine  artige,  an  die  Muse  der  Wildermuth  gemahnende 
Dorfgeschichte  »Kirschenblüthe«  vertreten  ist.  Dazwischen  verweilt  er  bei  den 
Epochen  der  Karolinger,  der  Staufer,  der  Erfindungen  und  Entdeckungen, 
des  Humanismus  und  der  Reformation,  des  dreissigjährigen  Krieges.  Besondere 
Vorhebe  zeigt  er  für  das  Zeitalter  Schillers.  In  den  verschiedensten  Er- 
zählungen lässt  er  den  grossen  schwäbischen  Dichter  auf  den  verschiedensten 
Altersstufen  theils  als  Helden,  theils  als  Nebenfigur  auftreten.  Seine  Ge- 
schichten aus  älterer  Zeit  spielen  sich  häufig  hinter  Klostermauern  ab.  Ueber- 
haupt  bevorzugt  er  das  kulturhistorische  Element  vor  dem  rein  historischen. 
Man  kann  femer  in  L.'s  gesammter  Novellistik  die  Spuren  seines  eigenen 
Daseins  verfolgen.  Die  Erinnerungen  an  die  Blaubeurener  Gegend,  die  er 
als  Knabe  durchstreift  hatte,  bescheerten  ihm  das  Rusenschloss.  Als  Lauffener 
Lateinschüler  tummelte  er  sich  häufig  um  die  hoch  über  dem  Neckar  ge- 
legene Regiswindiskapelle,  und  die  davon  empfangenen  Eindrücke  haben  ihn 
später  zu  der  Heiligengeschichte  Regiswandis,  einer  seiner  besten  Gaben,  an- 
geregt. Schellings  Philosophenwiege,  der  er  eine  kleine  Erzählung  gewidmet 
hat,  stand  unter  dem  Dache  des  Leonberger  Pfarrhauses,  das  er  selbst  fünf 
Jahre  lang  bewohnte.  Das  poetische  Ergebniss  seiner  Maulbronner  Amtszeit 
war  das  Maulbronner  Geschichtenbuch.  Auf  seinen  Wanderungen  in  Urachs 
prächtiger  Umgebung  stieg  in  ihm  der  Gedanke  zu  seinem  Wilden  Urlaub 
auf.  Ueberall  war  es  ihm  eine  Lust,  den  Erinnerungen  vergangener  Ge- 
schlechter nachzugehen.  Auf  diese  Weise  fusst  seine  ganze  Erzählungskunst 
auf  dem  festen  Boden  der  Wirklichkeit,  obwohl  er  in  durchaus  idealistischer 
Weise  stilisirt  und  sich  vom  Naturalismus  völlig  fern  gehalten  hat.  Seine 
kulturhistorischen  Bilder  sind  mit  sicherer  Hand  und  sauberem  Griffel  ent- 
worfen, verrathen  stets  den  gebildeten  Mann,  der  mit  den  Geschichtsepochen, 
die  er  gerade  schildert,  wohl  vertraut  ist.  Am  meisten  gefällt  er  da,  wo  er 
kleinere  episodische  Ausschnitte  aus  der  Geschichte  giebt.  Grosse  zeitbe- 
wegende Conflicte  hat  er  nicht  sonderlich  tief  zu  fassen  vermocht;  so  ist  im 
Bildhauer  von  Kos  der  Kampf  zwischen  Heidenthum  und  Christenthum  nur 
ganz  oberflächlich  berührt.  Gern  spinnt  L.  seine  Fäden  von  Schwaben  aus 
nach  fernen  Ländern  und  Zonen  hinüber  und  bringt  dadurch  Bewegung  und 
Abwechslung  in  seine  Handlungen.  Ueber  üppige  Phantasie  gebietet  er  nicht. 
Doch  reicht  seine  Erfindungsgabe  immerhin  für  die  Zwecke  aus,  die  er  an- 
strebt. Denn  nicht  um  starke  Wirkungen,  um  Spannung  und  Aufregung,  um 
Entwicklung  mächtiger  Leidenschaften  oder  auch  nur  um  Entfaltung  psycho- 
logischer Künste  ist  es  ihm  zu  thun.  Er  bescheidet  sich  damit,  anspruchslose 
Leser  in  anspruchsloser  Weise  anzuregen,  zu  erfrischen,  zu  erheitern.  Be- 
dächtig entwirft  er  seine  Erzählungen,  planmässig  führt  er  sie  aus,  ohne  Hast 
und  Ueberstürzung,  mit  offenbarem  Behagen  und  liebevollem  Eindringen  in 
die  Details.  Er  ist  in  der  Technik  des  Romans  bewandert,  doch  erscheint  nicht 
alles  bei  ihm  gleichmässig  durchgebildet,  manches  von  vornherein  zu  skizzen- 
haft angelegt.  Seinen  interessantesten  Stoff  hat  er  nicht  völlig  bewältigt:  die 
Geschichte  des  Vicars  von  Enzweihingen,  eines  Tübinger  Stiftiers,  der  1798  in 
die  französisch-republikanische  Propaganda  hineingezogen  wird  und  so  um 
sein  Amt  und  um  seine  Braut  kommt.  L.'s  Darstellungsmittel  sind  eben  nicht 
glänzend,  aber  durchaus  solid;  er  schreibt  einen  volksthümlich  kräftigen,  sorg- 
sain  ausgefeilten  Stil.   Manches  hat  einen  moralisirenden  Beigeschmack.   Doch 


l^o  Lang.     Feldhüter. 

hält  seinen  belehrenden  Tendenzen  ein  harmlos  freundlicher  Humor  das  Gegen- 
gewicht. L.'s  Erzählungen  spiegeln  in  ihrer  Gesammtheit  das  Bild  eines 
gemüthvoll  veranlagten  und  durchaus  wohlwollenden  Menschen  wider.  Seine 
ganze  Poesie  trägt  den  Stempel  des  Gesunden,  Tüchtigen,  Gediegenen;  das 
Herz  zu  bezwingen,  hinzureissen,  zu  begeistern  vermag  sie  freilich  nicht. 
Einiges  bleibt  sogar  an  geistigem  Gehalt  unter  dem  Durchschnitt,  macht 
einen  dürftigen,  ja  ärmlichen  Eindruck.  Trotzdem  sind  L.'s  sittlich  reine 
Novellen  für  die  reifere  Jugend,  für  das  deutsche  Haus  willkommene  Gaben, 
die  weiterer  Verbreitung  wohl  werth  wären. 

L.  hat  auch  von  der  Knabenzeit  an  Verse  gemacht  und  eine  Anzalil 
seiner  Erzeugnisse  in  Zeitungen,  Zeitschriften,  Sammelwerken  niedergelegt. 
Doch  hat  er  niemals  eine  Buchausgabe  seiner  Gedichte  veranstaltet,  so  dass 
auf  ein  zusammenfassendes  Urtheil  über  den  Lyriker  verzichtet  werden  muss. 
Er  neigte  mehr  zur  Beschauung  und  Betrachtung,  als  zum  unmittelbaren  Ge- 
fühlsausdruck. Das  Lyrisch-Epische  war  sein  Element.  Dann  wieder  verfasste 
er  launige  Stimmungsbildchen,  theilweise  im  Dialect.  Auch  in  Zeitfragen 
erhob  er  manchmal  die  Stimme,  seinem  patriotischen  Empfinden,  insbesondere 
seiner  Bismarck- Verehrung  beredte  Worte  leihend.  Aus  seinem  Nachlasse 
wurden  poetische  »Sonntagssprüche«  veröffentlicht.  Auch  zu  Lebzeiten  ist  er 
wiederholt  als  christlicher  Erbauungs-Schriftsteller  hervorgetreten,  so  mit  »Merk- 
versen zu  Luthers  Werden  und  Wirken«,  mit  der  Schrift  »Mein  Glaube.  Eine 
Gabe  zur  Erinnerung  an  die  Konfirmation«  u.  s.  w.  Endlich  ist  L.  als  Kritiker, 
namentlich  von  Büchern  aus  dem  Bereiche  der  schönen  Litteratur,  für  ver- 
schiedene Journale,  den  Schwäbischen  Merkur,  die  Blätter  für  litterarische 
Unterhaltung  u.  s.  w.  thätig  gewesen. 

»Schwäbische  Kronik«  vom  23.  März  1898  (Mittagsblatt),  »Schwabenland«  1898.  Nr.  9 
(mit  Bild),  Richard  Weitbrecht  in  »Kirchlicher  Anzeiger  für  Württemberg«  1898,  Nr.  14, 
S.  116  f.,  Rudolf  Assmus  (»Paul  Lang  als  £rzählerc<)  in  »Die  Grenzboten«  1898,  Nr.  46, 
S.  352  —  357,  Franz  Brummer,  Lexikon  der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  neun- 
zehnten Jahrhunderts  (4.  Ausgabe),  II.  S.  374. 

R.  Krauss. 


Feldhüter,  Ferdinand,  Landschaftmaler,  *  7.  April  1842  zu  München, 
f  9.  December  1898  ebendaselbst.  Zum  Decorationsmaler  bestimmt,  bahnte 
er  sich  mit  der  den  Autodidakten  eigenen  Energie  den  Weg  zur  Kunst;  er 
wählte  nach  dem  Vorgange  des  gewandten  Julius  Lange  (181 7,  f  1878")  die 
idyllische  Landschaft  und  sammelte  seine  Stoffe  aus  der  Gebirgswelt  Altbayems, 
Tyrols,  der  Schweiz  und  Oberitaliens.  F.  liebte  die  Wiedergabe  eines  heiteren 
Morgens,  eines  sonnigen  Nachmittags;  entsprechend  seinem  fröhlichen  Sinne 
erschien  ihm  die  Natur  immer  in  heiterer,  verklärter  Stimmung;  Abendbilder, 
Nachtscenen  oder  Regentage  und  Stürme  wurden  sorgsam  vermieden.  Seine 
Schöpfungen  trugen  den  Stempel  seines  jovialen  Temperaments,  womit  er  in 
jeder  Gesellschaft  als  Sänger,  Dichter,  Erzähler  und  Humorist  excellirte. 
Unter  seinen  zahlreichen,  von  den  Kunstvereinen  gern  erworbenen  Bildern 
erinnern  wir  nur  an  einen  »Walchen-«  (1877)  und  ^^Vierwaldstätter-See«. 
(1881);  eine  »Gebirgsschlucht«  (1884)  und  eine  Parthie  »Bei  InzelU  und 
»Mauthhäusel« ;  den  »Hohen  Göll  bei  Berchtesgaden«  brachte  ein  Holzschnitt 
in  »Vom  Fels  zum  Meer«  XL  Jahrg.  26.  Heft  und  »Die  Kuhflucht  in  Ober- 
bayern« No.  49  »Ueber  Land  und  Meer«  74.  B.  1895.  Einen  »Hallstätter- 
See«   erwarb   1898    der  Münchener  Kunstverein;    daselbst    erschien    auch    im 


Feldhüter,   .v.  Hagn.  141 

Januar  1899  ein  trefflicher  Blick  auf  den  Lago  Maggiore«.  F.  erlag  einem 
Herzleiden.  Eine  reiche  Ausstellung  von  sehr  anziehenden  fertigen  Bildern, 
von  Skizzen  und  Studien,  erfolgte  aus  des  Künstlers  Nachlass  im  Kunstverein 
Anfangs  Mai  1899. 

Vgl.  Kunstvereinsbericht  f.   1898.    S.  72. 

Hyac.  Holland. 

Hagn,  Ludwig  von,  Genremaler,  ♦  23.  November  18 19  zu  München, 
•h  15.  Januar  1898  daselbst.  Ein  jüngerer  Bruder  der  ihrer  Zeit  so  berühmten 
Heroine  Charlotte  von  Hagn  (1809 — 91),  erhielt,  erst  zum  Militärdienst  be- 
stimmt, seine  Erziehung  im  Cadettencorps  zu  München,  kam  nach  Berlin  und 
daselbst  durch  die  Bekanntschaft  mit  dem  Marinemaler  Wilhelm  Krause 
(1803,  f  1864)  zur  Kunst;  besuchte  die  Münchener  Akademie  und  zählte 
alsbald  zu  den  jungen  Malern,  die  unter  Albert  Zimmermann  (1809,  t  1888) 
und  dessen  Brüdern  zu  Eberfing  und  Fölling  landschaftliche  Studien  nach 
der  Natur  betrieben.  Zur  weiteren,  insbesondere  koloristischen,  Ausbildung 
wendete  sich  H.  nach  Antwerpen,  schulte  sich  hier  unter  Gustav  Baron  von 
Wappers  und  Eugenius  Frans  de  Block,  ging  dann  über  Brüssel  nach  Berlin 
(1851),  wo  ihn  Menzels  Vorbild  und  die  Interieurstudien  in  den  Schlössern 
Potsdam  und  Sanssouci  zum  Rococogenre  leiteten.  Nach  längerem 
Aufenthalt  zu  Paris  (1853 — 1855)  kehrte  H.  nach  München  zurück,  wo 
er  »unter  den  Sittenbildmal em  der  erste,  eigentliche  Colorist  der  Schule  wurde 
und  besonders  die  Rococozeit  in  die  Mode  brachte«  (Pecht).  Dazu  gehören 
ein  «Antiquar«  (1861)  und  ein  »Alchymist«,  das  »letzte  Kleinod  der  Witt^^e«, 
ein  »Conversationsstück«  (vergl.  Eggers:  Deutsches  Kunstblatt  1856.  VII,  391). 
Freilich  entstanden  nebenbei  auch  andere  Bilder  mit  den  landläufigen  Scenen, 
wie  »Eindringliche  Ermahnungen«  (gegen  Vogelnest-Raub;  vgl.  Julius  Grosse 
in  Nr.  27  »Neue  Münchener  Ztg.«  1857),  »Inneres  einer  Bauemhütte«  (vgl. 
Julius  Grosse  in  Nr.  128  »Neue  Münchener  Ztg.«,  29.  Mai  1858).  Weitere 
Förderung  erhielt  seine  Kunst  durch  mehrfache  Reisen  nach  Oberitalien  und 
durch  einen  längeren  Aufenthalt  zu  Rom  und  Florenz  (1863 — 1865).  Nun 
folgten  seine  bedeutendsten  Leistungen:  »Eine  im  Park  versammelte  Gesell- 
schaft unterhält  sich  mit  Musik«  (Neue  Pinakothek),  der  »Vorlesende  Dichter«, 
die  meisterhafte,  mehrfach  wiederholte  »Römische  Bibliothek«  (radirt  von 
W.  Unger,  in  Lützow's  Zeitschrift  1870,  V.  122),  die  »Feier  des  Gründonnerstag 
in  einer  italienischen  Basilika«  (als  Holzschnitt  in  Nr.  29  »UeberLand  und  Meer« 
1886,  56.  Bd.  S.  633),  das  »Cavalier-Duell«,  die  »Fahrenden  Musikanten«,  viele 
Interieur-  und  Gartenscenen  im  Styl  des  vorigen  Saeculums,  darunter  auch 
ein  »Münchener  Sommervergnügen  im  XVIII.  Jahrh.«  mit  kegelnden  Herren, 
die  »Contraste«  (Bettelleute  vor  einem  Schlosse),  die  Darstellung  der  »Fron- 
leichnams-Procession  in  München  1760«  (im  Besitz  des  Stadt-Magistrats.  Vgl. 
Lützow's  Zeitschrift  1884.  XIX,  352  und  »Gartenlaube«  1885  S.  356.  57) 
und  »Kirchen-Interieur«  (ein  Geistlicher  zeigt  zwei  fremden  Eminenzen  ein 
kunstvolles  Sakramentenhäuschen,  1883).  H's.  Bilder  können  als  wahre 
culturhistorische  Novellen  gelten,  welche  in  anziehender,  leichtverständlicher 
Weise  durch  ihre  liebevolle  Ausführung,  in  feiner  Farbe  und  Form  den 
Beschauer  gewinnen  und  fesseln.  Dazu  gehören  auch  die  »Partie  aus 
dem  Garten  Colonna  in  Rom«  und  eine  »Italienische  Parkscene«  (Galerie 
Schack),  die  »Audienz  im  Vatican«  (1881)  und  »Tintorett  in  der  Scuola  di 
S.'  Rocco«.      Der    Künstler    erfreute    sich    nach    einer   harten    Jugend    bald 


IJ.2  ▼•  Hagn,     Audorf. 

einer  glücklichen  Unabhängigkeit,    die    ihm    auch    ein    stilles,    nur   Wenigen 

bekanntes    Mäcenatenthum    ermöglichte.       Sein    Portrait    malte    Franz    von 

Lenbach  1867. 

Vgl.  »MUnchener  Propyläen«  1869.  K.  27  S.  625  —  28  (Regnet).  Graf  Schack  >Meiiie 
Gemäldesammlung«  1881  S.  173.  Berggruen  »Die  Graphischen  Künste«  1883.  V.  Jahrg^. 
Pecht  »Gesch.  der  Münchener  Künste«  1888  S.  248.  Nekrolog  im  Morgenblatt  18  »All- 
gemeine Zeitung«  19.  Januar  1898  (abgedruckt  im  Rechenscbafts-Bericht  des  Münch. 
Kunstvercins  1898  S.  68  und  Kunst  für  Alle«  15.  Febr.   1898  S.   160). 

Hyac.  Holland. 

Audorf,  Jakob,  socialistischer  Schriftsteller  und  Dichter,  *  i .  August  1835 
zu  Hamburg,  f  20.  Juni  1898  ebenda.  Er  war  der  Sohn  eines  Haartuchwebers 
—  ein  ausgestorbenes  Kleingewerbe  —  des  »alten«  Jakob  A.,  der  in  den 
Anfängen  der  deutschen  Socialdemokratie,  ja  schon  in  der  radikal-demokra- 
tischen Bewegung  von  1848/49,  bereits  stark  kommunistisch  angehaucht,  eine 
hervorragende  Rolle  gespielt  hat.  Der  Vater,  Sendling  der  deutschen  revo- 
lutionären Demokratie  bei  deren  Emigranten  in  London  und  in  der  »freien 
Hansestadt«  Märtyrer  seiner  Ueberzeugung,  hatte  die  letztere  dem  Sohne  ein- 
geimpft, als  dieser,  schon  eifriges  Mitglied  des  heimathsstädtischen  Arbeiter- 
Bildungsvereins  gewesen,  nach  fünfjähriger  Lehre  in  einer  Schlosser-  und 
Mechaniker-Werkstätte  im  Herbste  1857  als  Junggeselle  mit  drei  Thalem  in  der 
Tasche  auf  die  Wanderschaft  ging.  Sie  führte  ihn  in  die,  den  deutschen  Hand- 
werksburschen laut  Legitimation  verbotene  Schweiz,  wo  er  in  den  blühenden 
deutschen  Arbeitervereinen,  den  Pädagogien  der  entstehenden  Socialdemo- 
kratie, bald  zu  leitender  Stellung  kam  und  1858  Präsident  desjenigen  zu 
Winterthur  wurde.  Als  solcher  besuchte  er  1859  Zürich  zu  Schillers  Jahr- 
hundertfeier, wo  er  den  grossen  Freiheitssänger  in  zündender  Rede  erhob 
und  Georg  Herwegh,  sowie  den  nachherigen  Bismarckschwärmer  Hans  Blum, 
Roberts  Sohn,  als  Gesinnungsfreunde  kennen  lernte  und  letzteren  unter- 
stützte. A. ,  in  Mussestunden  Autodidakt  in  der  französischen  Sprache, 
wanderte  1861  über  Mülhausen  i.  E.  nach  Paris  (wo  er  ebenfalls  dem 
»deutschen  Arbeitervereine«  angehörte),  dann  nach  London.  1863  kehrte 
er  in  die  Heimath  zurück,  wo  eben  sein  Vater  als  einer  der  ersten  Lassalle 
Bahn  brach.  Der  junge  A.  wurde  nach  Leipzig  zur  Konstituirung  des 
»Allgemeinen  deutschen  Arbeitervereins«  delegirt  und  sogleich  mit  in  dessen 
Vorstand  berufen,  auch  zu  seinem  Bevollmächtigten  in  Hamburg.  Bis  zu- 
letzt hat  A.  den  LassaJleschen  Standpunkt  mit  dessen  nationaler,  d.  h.  ge- 
meindeutscher Farbe  vertreten,  beiderseits  sowohl  gegenüber  der  exaltirten 
Internationale  als  nach  1866  dem  sächsischen  und  süddeutschen  Partikularis- 
mus. Die  Agitation  Lassalles  weckte  in  ihm  die  Poetenader.  »Unter  dem 
gewaltigen  Eindruck  dieser  Bewegung  schuf  er  sein  gewaltiges  Lied,  die 
deutsche  Arbeiter -Marseillaise.  Unter  den  Klängen  dieses  Liedes  hat  das 
deutsche  Proletariat  die  Kämpfe  aufgenommen  mit  allen  den  Mächten,  die 
ihm  entgegenstanden«,  rief  ihm  sein  Parteigenosse  Frohme  ins  Grab  nach. 
Diese  Strophen,  einfach,  aber  packend,  erwuchsen  ihm  anlässlich  der  Todten- 
feier  Lassalles  1864.  A.  besass  seiner  Natur  nach  Überhaupt  mehr  eine 
sensible  Poetenader  als  politisch-diplomatische  Talente.  Letztere  nutzte  er 
rasch  ab.  Während  der  Kinderkrankheit  der  Partei  1864/65  hielt  er  treu  an 
der  Lassalleschen  Organisation  und  dem  Präsidenten  Bemh.  Becker:  dies 
bekundet  seine  lange  Erklärung    im  »Socialdemokrat«  vom  7.  Juli  1865  und 


Audorf.     Bielz. 


143 


das  Auftreten  bei  der  Centralfeier  am  22.  Mai  zu  Frankfurt  a.  M.,  wo  er  den 
Delegirten  vorsass.  Die  inneren  Streitereien  der  nächsten  Jahre  vergällten 
ihm  mit  seinem  Idealismus  die  energische  Theilnahme,  und  so  wandte  er 
sich  1868  nach  Russland.  Erst  nach  der  1875  ^^^  ^^^  Gothaer  Kongress 
stattgehabten  Union  der  zwiespältigen  Parteigenossen  kehrte  A.,  auf  eine,  von 
August  Geib  angeregte  Einladung  hin,  nach  Hamburg  zurück,  wo  er  in  die 
Redaktion  des  eben  gegründeten  »Hamburg- AI tonaer  Volksblatts«  eintrat. 
Aber  nachdem  er  bei  der  Reichstagsstichwahl  1877  in  Lennep-Mettmann  mit 
5527  Stimmen  gegen  den  Nationalliberalen,  den  Historiker  H.  Sybel  unterlag, 
begab  er  sich  wieder  nach  Russland.  1881  wurde  er,  in  Hamburg  kaum  ange- 
langt, auf  Grund  des  »kleinen  Belagerungszustandes«  ausgewiesen,  ging  nach 
Moskau,  fand  aber  jetzt  bei  der  dortigen  deutschen  Colonie  eine  kühle  Aufnahme. 
Für  eine  deutsche  Fabrik  (wohl  in  Lodz)  bereiste  er  das  Riesenreich  bis  nach 
Sibirien.  1887  gestattete  der  Senat  Hamburgs,  durch  den  Moskauer  deutschen 
Konsul  veranlasst,  A. 's  Heimkehr,  und  im  April  1888  trat  er  in  die  Redaktion 
des  dritten  der  einander  ablösenden  Partei-Organe,  des  »Hamburger  Echo«, 
ein.  Ungeachtet  längeren  Siechens,  während  dessen  seine  ihm  erst  in  reiferen 
Jahren  angetraute  Gattin  Anastasia  Djakow,  die  stets  Südrussin  und  so  seiner 
Gedankenwelt  ziemlich  fern  blieb,  liebevollste  Pflegerin  und  Trösterin  war, 
hat  er  dies  Amt  mit  Eifer  und  Hingabe  geführt  und  ist  durch  seine  regel- 
mässigen Wochenplaudereien  allein  schon  als  wirkungsvoller  Journalist  be- 
kannt geworden.  Publicist  im  höheren  Sinne  muss  er  aber  wegen  seiner 
socialdemokratischen  I-»ieder  und  Gedichte  heissen.  Die  politischen  Dich- 
tungen seiner  jüngeren  Jahre,  auf  das  Heidelberger  Schloss  (»Unsere 
Schmach,  die  klebt  an  den  Ruinen«),  vor  Römer  und  Paulskirche  in  Frank- 
furt u.  s.  w.,  sind  noch  strenger  national;  später  äussert  er  sich  theils 
satirisch-ironisch  (»Die  Petroleure«,  ein  vielgesungenes  Pamphlet),  theils  ge- 
legenheitlich, und  da  verkündet  er  schon  1864:  »Das  freie  Wahlrecht  ist 
das  Zeichen,  in  dem  wir  siegen.«  In  vielen  Wander-  und  Liebeslied em 
trifft  er  mit  glücklicher  Empfindsamkeit  volksmässige  Klänge  und  steht 
da  ästhetisch  über  den  einschneidenden  socialistischen  Streit-  und  Fest- 
gesängen. 

Eine  Auswahl  Gedichte  1893  in  »Deutsche  Arbeiter-Dichtung«  (Stuttgart),  die  meisten 
vorher  einzeln  in  Zeitungen  u.  s.  w. ,  auch  von  Mund  zu  Mund  verbreitet.  Bei  vorstehen- 
dem Nekrolog  lagen  ausser  den  Nummern  des  »Hamburger  Echo«  vom  21.  bis  23.  Juni 
1898,  die  ich  nebst  Notizen  grossentheils  dessen  Redakteur  G.  Stengele  (plant  eine  Samm- 
lang der  Gedichte  A.  s.)  verdanke,  die  pietätvolle  Lebens-  und  Charakterskizze  aus  der 
Feder  des  Reichstagsabgeordneten  Ignaz  Auer  für  den  »Neuer -Welt -Kalender«  1899  im 
Bürstenabzug  vor.  Ueber  die  Dichtungen  gut  orientirende  Notiz  in  der  Berliner  »Vossi- 
schen Zeitung«  1898  No.  289,  3.  Beilage.  Vgl.  E.  Kreowskis  Artikel  »Deutsche  Arbeiter- 
dichtung«, i.  d.  «Gegenwart«  XLVII  Nr.  15  (angeschlossen  an  obige  Anthologie),  beson- 
ders S.  231;  Schweichel  i.  d.  »Neuen  Zeit«  IX  2,  624;  F.  Mehring,  Gesch.  d.  dtsch.  Sozial- 
demokratie II  543. 

Ludwig  Fränkel. 

Bielz,  Albert  Eduard,  *  4.  Februar  1827  in  Hermannstadt,  f  ebenda 
26.  Mai  1898,  siebenbürgisch- sächsischer  Naturforscher.  Das  Haus  stammt 
aus  Birthälm,  einem  Marktflecken  im  Siebenbtirger  Sachsenland,  der  drei- 
hundert Jahre  lang  der  Sitz  der  evangelischen  Bischöfe  war.  Der  Vater 
Mich.  B.  war  zuerst  Prediger  dort,  dann  Pfarrer  in  Neudorf,  doch  legte  er 
182 1  die  Stelle  nieder    und    übersiedelte   nach  Hermannstadt,  der  Erziehung 


144  Bielz. 

der  Kinder  wegen  und  errichtete  dort  eine  lithographische  Anstalt.  Im 
Suchen  nach  geeigneten  Steinen  erwachte  das  wissenschaftliche  Interesse,  das 
sich  vor  allem  im  Sammeln  und  im  Briefwechsel  mit  auswärtigen  und 
heimischen  Gelehrten  kundgab,  und  so  wurde  er  mit  dem  Kreis,  der  sich 
um  ihn  gebildet  hatte,  1849  einer  der  Hauptbegrtinder  des  siebenbürgischen 
Vereins  für  Naturwissenschaften  in  Hermannstadt.  Der  Geist  des  väterlichen 
Hauses  übte  nachweisbaren  Einfluss  auf  den  Sohn,  der  frühe  schon  gleiches 
Interesse  am  Sammeln  heimischer  Naturprodukte  fand.  Kaum  15  Jahre  alt, 
durchstreifte  er  mit  den  Freunden  des  Vaters  halb  Siebenbürgen,  und  es 
wuchs  die  Neigung  für  die  naturgeschichtlichen  Studien  in  ihm  auf.  Nachdem 
er  1846  das  Hermannstädter  Gymnasium  absolvirt  und  die  juristische  Facultät 
ebenda  besucht  hatte,  trat  er  1848  bei  der  Communal -Forstverwaltung  in 
Hermannstadt  ein,  dann  bei  Eintritt  der  Revolution  in  die  kaiserliche  Armee. 
Der  nach  Steinen  und  Pflanzen,  Schnecken  und  Käfern  suchende  Lieutenant 
war  eine  auffallende  Erscheinung  im  Kreis  der  Kriegskameraden.  Nach 
Wiederherstellung  des  Friedens  trat  B.  wieder  zum  Civildienst  über,  wurde 
Finanzsecretär,  1869  Mitglied  des  statistischen  Landesbureaus  in  Pest,  wo  er 
hervorragenden  Antheil  an  der  Volkszählung  1870  nahm.  Vom  Amt  des 
I.  Ministerial-Secretärs,  das  er  1871  erhalten  hatte,  wurde  er  Schulinspector 
für  das  Sachsenland,  dann  des  Hermannstädter  Comitats;  eine  Erblindung, 
die  zuletzt  beide  Augen  ergriff,  zwang  ihn,  in  Ruhestand  zu  treten  (1878). 
Gerade  diese  Zeit  aber  hat  er  in  einer  geradezu  wunderbaren  Weise  zu 
wissenschaftlichen  Arbeiten  ausgenützt.  Es  ist  ein  Zeichen  für  sein  aufmerk- 
sames Beobachten  und  Sehen,  für  die  sichere  Herrschaft  in  seinem  Wissens- 
gebiet, dass  er  im  Stande  war,  weiter  zu  arbeiten.  Er  kannte  sich  nicht 
nur  in  seiner  Bibliothek  wie  ein  Sehender  aus,  selbst  Holz  spalten  konnte  er 
und  sich  Feuer  anmachen. 

Seine  wissenschaftliche  Arbeit  umfasst  sein  ganzes  Leben  und  das  ganze 
Gebiet  der  heimischen  Naturwissenschaft.  Er  war  vor  allem  ein  bedeutender 
Sammler  nach  wissenschaftlichen  Gesichtspunkten.  In  ausgebreitetem  Brief- 
und  Tauschverkehr  mit  zahllosen  Gelehrten  des  In-  und  Auslandes  gelang 
es  ihm,  nicht  nur  die  eigenen  Sammlungen  auszudehnen,  sondern  auch  im 
Ausland  Interesse  für  die  heimische  Naturwissenschaft  zu  erwecken.  Die 
Conchyliologie  stand  im  Vordergrund  seiner  Sammelthätigkeit.  Grosse  Samm- 
lungen verkaufte  er  an  öffentliche  Institute,  eine  Käfersammlung  sammt  der 
dazu  gehörigen  Bibliothek  an  den  naturv\'issenschaftlichen  Verein  in  Hermann- 
stadt, vollständige  Sammlungen  der  Land-  und  Süsswasser-Mollusken  an  das 
Nationalmuseum  in  Pest,  an  die  geologische  Reichsanstalt  u.  s.  f.  Ebenso 
interessirten  ihn  die  Wirbelthiere,  die  Klasse  der  Fische  hat  er  mit  einzelnen 
neuen  Species  bereichert.  Auf  dem  Gebiet  der  Fauna  war  er  nicht  bloss 
Sammler,  sondern  auch  Forscher:  Zeuge  dessen  die  Arbeiten  über  all  die 
genannten  Gebiete.  Dazu  eine  staun enswerthe  Kenntniss  aller  anderen  Ge- 
biete: Pflanzen  und  Thiere  kannte  er  gründlich  und  war  immer  in  der 
Lage,  immer  bereit.  Freunden  und  Genossen  beizustehen.  Im  Jahre  1854 
veröffentlichte  er  die  erste  geognostische  Karte  Siebenbürgens.  Als  die 
geologische  Reichsanstalt  in  Wien  1859  ^"^  1860  die  Uebersichts-Aufnahme 
Siebenbürgens  unternahm,  da  war  neben  Hauer,  Stäche,  Richthofen  und  Schur 
vor  Allem  B.  dabei  thätig,  und  seine  Verdienste  wurden  von  allen  Betheiligten 
offen  anerkannt.  Die  Hauer-Stache'sche  Geologie  Siebenbürgens  verdankt  seiner 
Mitwirkung  viel.    Die  umfassende  Kenntniss  des  Landes  —  durch  fortwährende 


Bielz.     Schultze. 


145 


Bereisungen  vermehrt,  darunter  ihm  selbst  besonders  werthvoll  die  amtliche 
Begehung  der  Grenzgebirge  —  befähigte  ihn  vor  Allem  für  zusammenfassende 
Darstellungen  des  Landes.  So  erschien  1856  eine  kurzgefasste  Erd- 
beschreibung von  Siebenbürgen  für  den  Schulgebrauch,  1857  sein  Handbuch 
der  Landeskunde  Siebenbürgens,  ein  Buch,  das  seine  Stellung  in  der  sieben- 
bürgischen  Wissenschaft  für  immer  hat,  ebenso  das  188 1  erschienene  (2.  Aufl.  1885) 
Reisehandbuch  für  Siebenbürgen.  Neben  diesen  grossen  Arbeiten  laufen  eine 
Menge  Einzel arb eiten ,  die  sich  über  das  ganze  naturwissenschaftliche  Gebiet 
erstrecken:  Mineralogie  und  Geologie,  Botanik  und  Zoologie,  —  die  Wissen- 
schaft zählt  etliche  70  auf,  das  Zeichen  rastlosen  Fleisses  und  ungebrochenen 
Forschertriebs.  Die  Arbeiten  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  in  Hermann- 
stadt sind  im  letzten  Menschenalter  um  ihn  gruppirt  gewesen,  es  gab  keine, 
an  der  er  nicht  mehr  oder  weniger  Antheil  gehabt  hätte:  in  den  Sammlungen, 
den  Publikationen,  dem  Museumsbau  des  Vereins  begegnet  man  seinen 
Spuren.  Er  bildete  den  Mittelpunkt  der  heimischen  naturwissenschaftlichen 
Forschung,  seit  1874  war  er  Vorstand  des  naturwissenschaftlichen  Vereins, 
seit  der  Gründung  des  Karpathenvereins  (1880)  Vorstand-Stellvertreter,  seit 
1854  Ausschussmitglied  des  Vereins  f.  sieb.  Landeskunde  u.  s.  f.  Aber  auch 
für  die  ausländische  Wissenschaft  war  er  ein  Mittelpunkt  alles  dessen,  was  die 
naturkundliche  Erforschung  Siebenbürgens  betraf:  Die  Herausgabe  der  Käfer- 
fauna Siebenbürgens  durch  Seidlitz  (1891)  geht  wesentlich  auf  seine  An- 
regung zurück  und  ist  unter  seiner  Mitwirkung  zu  Stande  gekommen.  So 
repräsentirt  er  ein  wesentliches  Stück  sächsischer  Culturarbeit  der  Gegen- 
wart. Dass  deutsche  Forschung  in  Siebenbürgen  auf  dem  Gebiete  der  Natur- 
geschichte in  der  ersten  Reihe  steht,  ist  mit  auch  sein  Verdienst.  B.  war 
in  glücklichster  Ehe  mit  Josephine  Bergleiter  vermählt.  Schwere  Schicksals- 
schläge der  letzten  Jahre,  Krankheit  und  Tod  im  engeren  Familienkreis, 
trug  er  wie  das  eigene  Leiden  heldenmüthig. 

Quellen:  Trausch:  Schriftstellerlexicon  II.  S.  133.  Vor  Allem  Dr.  Josef  Capcsius: 
E.  A.  Bielz  in  den  Verhandlungen  und  Mittheilungen  des  siebenb.  Vereins  f.  Naturwissen- 
schaften. Hermannstadt,  1899.  Als  Anhang  ein  Verzeichniss  der  von  £.  A.  B.  veröffent- 
lichten litterarischen  Arbeiten.  p       Tentsrh 

Schultze,  Theodor,  Oberpräsidialrath  a.  D.,  *  22.  Juni  1824  zu  Oldenburg 
in  Holstein,  f  6.  April  1898  zu  Potsdam.  Als  Knabe  frühreif,  •  las  er  schon 
zu  12  Jahren  fliessend  Homer  und  Horaz.  Durch  einen  Hauslehrer  —  frei- 
sinniger Theologe  —  von  Hörn  vorgebildet,  bezog  er  später  das  Gymnasium 
zu  Lübeck,  welches  er  im  Frühjahr  1842  verliess.  Schultze  hatte  besondere 
Begabung  fiir  Mathematik,  studirte  jedoch  auf  dringenden  Wunsch  seines 
Vaters  Jura  in  Kiel,  wo  er  Burschenschafter  war,  und  in  Berlin.  In  Kiel  be- 
stand er  sein  Examen  und  zwar  so  glänzend,  dass  die  Universität  an  seinen 
Vater  einen  reitenden  Boten  zur  Beglückwünschung  sandte.  1848  trat  er  als 
Auscultant  am  Schleswigschen  Landesgerichte  ein;  1856  wurde  er  Chef  des 
dritten  Departements,  1857  Etatsrath  und  1863  Rath  der  holsteinischen  Re- 
gierung. Nach  der  Besetzung  der  Herzogtümer  durch  Preussen  blieb  er  pro- 
visorisch in  der  Verwaltung  beschäftigt,  wurde  aber  aus  preussischen  Diensten 
entlassen,  weil  er  am  i.  Juli  1864  zum  König  Christian  IX.  von  Dänemark 
gegangen  war,  um  sich  seines  Eides  persönlich  von  diesem  entbinden  zu 
lassen.  Darauf  ging  S.  nach  Oldenburg,  wo  er  Geheimer  Hofrath  wurde; 
dort  verfasste  er  in  Gemeinschaft  mit  Professor  Pemice  (der    allein    als  Ver- 

Biogr.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  I O 


146  Schul  tze. 

fasser  genannt  ist)  das  Buch:  »Kritische  Erörterungen  zur  Schleswig-Hol- 
steinischen  Successionsfrage,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Schriften  des 
Herrn  von  Warnstedt.«  Cassel  1866.  Verlag  von  Theodor  Fischer.  Auf 
Grund  dieser  Schrift  bezahlte  Preussen  dem  oldenburgischen  Hause  eine 
Million  Thaler  zur  Abfindung.  Bald  darauf  verliess  S.  Oldenburg,  trat  aufs 
Neue  in  die  preussische  Verwaltung  ein  und  wurde  1866  Regierungsrath  in 
Kiel.  1868  wurde  er  nach  Potsdam  versetzt.  1874  bemühte  sich  Bismarck, 
ihn  für  sein  Ministerium  zu  gewinnen,  jedoch  lehnte  S.  ab.  1881  wurde  er 
Oberpräsidialrath  und  Hess  sich  1888  wegen  andauernder  Kränklichkeit  pen- 
sioniren.    In  den  letzten  10  Jahren  lebte  er  ganz  seiner  litterarischen  Thätigkeit. 

S.  war  in  Bezug  auf  Charaktereigenschaften,  durchdringenden  Intellect 
und  bedeutendes  Wissen  gleich  hervorragend.  Sein  Arbeitsgebiet  umfasste 
—  von  seiner  Berufs-Thätigkeit  abgesehen  —  vor  Allem  Philosophie,  Alter- 
thumswissenschaft,  besonders  Indologie,  Mathematik  und  Physik.  Im  letzten 
Jahrzehnt  seines  Lebens  wandte  er  sich  mehr  und  mehr  der  indischen  Welt- 
anschauung zu;  er  ist  als  einer  der  Ersten  von  denen  zu  betrachten,  welche, 
an  Schopenhauer  anknüpfend,  die  Weltanschauung  des  Abendlandes  durch 
Verbreitung  der  Philosophie-  und  Religionssysteme  Indiens  zu  regeneriren 
versuchen.  Persönlich  hat  er  auf  dem  Standpunkt  eines  geläuterten  Buddhis- 
mus gestanden;  vom  Christenthum  hat  er  sich  schon  früh  abgewandt.  S.  hat 
zeitlebens  sehr  zurückgezogen  gelebt  und  ausser  seiner  Familie  sind  es  nur 
ganz  Wenige  gewesen,  die  ihm  nahe  standen. 

Seine  Publikationen  umfassen  folgenden  Werke: 

1.  Eine  Uebersetzung  des  buddhistischen  Werkes  Dhammapada,  unter 
dem  Titel:  Das  Dhammapada.  Eine  Verssammlung,  welche  zu  den  kano- 
nischen Büchern  der  Buddhisten  gehört.  Aus  der  englischen  Uebersetzung 
von  Professor  F.  Max  Müller  in  Oxford,  Sacred  books  of  the  East  Vol.  X, 
metrisch  ins  Deutsche  übertragen.  Mit  Erläuterungen.  Leipzig,  Otto  Schulze, 
II  Querstrasse,  1885.  (S.  hat  sich  nur  unter  dem  Vorwort  als  Verfasser  ge- 
nannt).    Jetzt  im  Verlag  von  Willi.  Friedrich  in  Leipzig. 

2.  Berichtigungen  zu  Dr.  Franz  Mischeis  deutscher  Uebersetzung  von 
Anquetil  Duperron's  Oupnek'hat.  Aus  einem  hinterlassen en  Manuscript  des 
Verfassers.     Dresden,  Commissions-Verlag  und  Druck  von  E.  Heinrich,   1887. 

3.  Vedanta  und  Buddhismus  als  Fermente  für  eine  künftige  Regeneration 
des  religiösen  Bewusstseins  innerhalb  des  europäischen  Culturkreises  von 
Th.  Schultze.  Oberpräsidialrath  a.  D.  Leipzig,  Verlag  von  Wilhelm  Friedrich. 
(Dieses  Buch  war  zuerst  in  2  Bändchen  unter  den  Titeln:  »Das  Christenthum 
Christi  und  die  Religion  der  Liebe;  ein  Votum  in  Sachen  der  Zukunfts- 
religion« und  »Das  Rollende  Rad  des  Lebens  und  der  feste  Ruhestand«  im 
Jahre  1891  erschienen). 

4.  Buddhas  Leben  und  Wirken.  Nach  der  chinesischen  Bearbeitung 
von  A^vagoshas  Buddha-Carita  und  deren  Uebersetzung  in  das  Englische 
durch  Samuel  Beal  in  deutsche  Verse  übertragen  von  Th.  Schultze,  Ober- 
präsidialrath   a.  D.      Leipzig.      Druck    und  Verlag  von    PhiHpp  Reclam  jun. 

5.  Ueber  den  menschlichen  Verstand.    Eine  Abhandlung  von  John  Locke. 

Aus    dem    Englischen    übersetzt    von    Th.  Schultze,    Oberpräsidialrath    a.  D. 

2  Bde.     Leipzig.     Druck  und  Verlag  von  Philipp  Reclam  jun.     1898. 

Eine  Biographie  Theodor  Schultze's  aus  der  Feder  des  Unterzeichneten  erschien  in 
Fr.  Frommanns  Verlag  (E.  Häuft)  in  Stuttgart  unter  dem  Titel:    »Ein  deutscher  Buddhistc. 

Dr.  x\rthur  Pfungst. 


Herzog.     Fein.  I  ^*j 

Herzog,  Heinrich,  Lehrer  und  Jugendschriftsteller,  *  23.  Januar  1822  in 
Reckingen  (Bezirk  Zurzach,  Canton  Aargau),  f  den  7.  Januar  1898  in  Aarau. 
Als  Sohn  eines  wohlhabenden  Bauern,  dem  er  nach  Beendigung  seiner  Schul- 
zeit in  der  heimathlichen  Gemeindeschule  bei  der  Bestellung  der  Landwirth- 
schaft  behülflich  war,  brachte  es  H.  durch  fleissiges  Selbststudium  dahin, 
dass  erj  1841  in  das  unter  der  Leitung  Augustin  Kellers  stehende  Lehrer- 
seminar in  Lenzburg  eintreten  konnte,  dem  er  bis  zum  Jahre  1844  an- 
gehörte. Am  6.  Januar  1845  übernahm  er  die  Führung  der  Gemeinde- 
schule in  Gebensdorf  (Bezirk  Baden),  von  wo  er  185 1  an  die  Aarauer 
Gemeindeschule  gewählt  wurde.  Unablässig  bemüht,  sein  im  Seminar 
erworbenes  Wissen  zu  erweitem  und  zu  vertiefen,  legte  er  auch  die  Prüfung 
eines  Lehrers  der  Bezirksschule  ab,  als  welcher  er  von  1860  bis  1866  an  der 
Bezirksschule  in  Aarau  amtete.  Nach  der  im  letztgenannten  Jahre  erfolgten 
Reorganisation  dieser  Schule  trat  er  wieder  in  seine  frühere  Stellung  an  der 
Gemeindeschule  zurück,  in  der  er  (später  als  Oberlehrer)  bis  zum  Herbste 
1895  mit  trefflichem  Erfolge  wirkte.  Fast  45  Jahre  hindurch  ist  er  den 
Schulen  Aaraus  treu  geblieben,  und  in  welchem  Geiste  er  als  Lehrer  und  als 
Erzieher,  Strenge  mit  Milde  paarend,  hier  seines  Amtes  gewaltet  hatte,  zeigte 
sich  deutlich  an  der  erhebenden  Feier  seines  Lehrerjubiläums  am  6.  Januar 
1895.  Nur  ein  ganz  kurzes  Otium  cum  dignitate  war  dem  unermüdlichen 
Jugendbildner  vergönnt,  der  Zeit  seines  Lebens  bestrebt  war,  die  reichen  Er- 
fahrungen, die  er  in  seiner  Schule  und  in  unverdrossenem  Selbststudium  ge- 
sammelt, auch  einem  weitern  Kreise  zugänglich  zu  machen.  Seine  reiche 
und  fruchtbare  schriftstellerische  Thätigkeit,  deren  Erstlingsfrüchte  sein  Lehrer 
Augustin  Keller  mit  einem  Vorworte  begleitet  hatte,  galt  in  erster  Linie  der 
schweizerischen  Jugend,  die  ihm  gleichzeitig  fiir  die  ein  volles  Vierteljahrhundert 
hindurch  im  Vereine  mit  Otto  Sutermeister  geleitete  Redaction  der  mit  vielen 
Beiträgen  aus  seiner  Feder  bereicherten  »Schweizerischen  Jugendblätter«  zu 
fortdauerndem  Danke  verpflichtet  ist.  Lange  Zeit  (und  die  zehn  letzten  Jahre 
als  Präsident)  gehörte  er  der  Jugendschriftenkommission  des  schweizerischen 
Lehrervereins  an,  welche  von  Zeit  zu  Zeit  ein  zuverlässiges  Verzeichniss  wirk- 
lich empfehlenswerther  Schriften  für  die  Jugend  herausgiebt,  das  für  Eltern 
und  Erzieher  ein  gleich  willkommener  Führer  durch  die  massenhafte  Litteratur 
geworden  ist.  Aber  nicht  nur  der  schweizerischen  Jugend,  sondern  auch  dem 
schweizerischen  Volke,  dem  er  gesunde  und  nahrhafte  geistige  Speise  vor- 
setzte, wird  der  Schriftsteller  Herzog  in  bestem  Andenken  bleiben. 

Quellen:  R(emigius)  S(auerläDder)  in:  Ulustr.  Jugendblätter,  Jahrgg.  25,  Seite  266 
bis  268  (8.  Aarau,  1897).  —  (Rudolf  Hunziker  in)  Aargauer  Schulblatt,  Neue  Folge,  Jahrgg. 
17,  pag.  14 — 15  (4.  Aarau,  1898).  —  (Hans  Kaeslin  in  der)  Schweiz.  Lehrerzeitung,  Jahrgg. 
45»  P^S'  303 — 304  (4.  Zürich  1898).  —  Eidgenössischer  National -Kalender  auf  d.  Jahr 
1899,  pag.   54 — 56  (4.  Aarau,   1898). 

Hans  Herzog. 

Fein,  Emil  Wilhelm,  Elektrotechniker,  *  Ludwigsburg  (in  Württemberg), 
16.  Januar  1842,  f  Stuttgart,  6.  October  1898.  Von  seinem  Vater,  einem 
frühe  pensionirten  Präceptor,  gründlich  unterrichtet,  bildete  er  sich  in  einer 
feinmechanischen  "Werkstätte  und  in  einer  Maschinenfabrik  zu  seinem  Berufe 
practisch  heran.  Da  die  Vermögenslage  der  Familie  den  Besuch  einer  tech- 
nischen Hochschule  nicht  gestattete,  war  er  in  verschiedenen  mathematisch- 
mechanischen und  elektrotechnischen  Instituten  thätig,  zu  Berlin,  Karlsruhe, 
Göttingen,    abermals    Berlin,    London.     1867  errichtete  er  in  Karlsruhe  eine 

10* 


I  ^.8  Fein.     Schulin. 

Werkstätte  zur  Herstellung  von  physikalischen,  namentlich  elektrotechnischen 
Apparaten.  Im  Juli  1869  vermählte  er  sich  mit  Anna  Regina  Stückle  aus 
Leutkirch,  die  ihm  im  Laufe  der  Jahre  vier  Söhne  schenkte.  1870  verlegte 
er  sein  Geschäft  nach  Stuttgart  und  begründete  die  noch  bestehende  Firma 
»C.  &  E.  Fein«,  die  sich  die  Herstellung  von  physikalischen  Instrumenten^ 
elektromedicinischen  Apparaten,  elektrischen  Uhren,  Telephonapparaten,  Feuer- 
meldeeinrichtungen u.  s.  w.  zur  Aufgabe  setzte.  Besondere  Verdienste  en\'arb 
sich  F.  um  die  Einführung  des  Telephons.  Schon  Ende  1877  ^^^  ®'  ^^^ 
einem  eigenen  Apparat  in  handlicher  Form  hervor,  dessen  Anordnung  später 
allgemein  angenommen  wurde.  In  den  folgenden  Jahren  Hess  er  hauptsäch- 
lich Dynamomaschinen  und  Elektromotoren  für  die  verschiedensten  industriellen 
Zwecke  anfertigen.  Auch  an  der  Einführung  des  elektrischen  Lichts  in  Stutt- 
gart war  er  in  hervorragender  Weise  betheiligt.  Seine  Constructionen,  die  er 
1888  in  dem  illustrirten  Buche  »Elektrische  Apparate,  Maschinen  und  Ein- 
richtungen« (Stuttgart,  bei  Julius  Hoflfmann)  veröflfentlichte,  bewährten  sich  in 
der  Praxis  vorzüglich,  wie  auch  alle  Apparate  und  Maschinen,  die  aus  seiner 
Werkstätte  hervorgingen,  gediegen  ausgeführt  waren.  F.  nahm  an  vielen 
deutschen  und  ausserdeutschen  Ausstellungen  Antheil.  Die  Frankfurter  Aus- 
stellung des  Jahres  1891  trug  ihm  als  Anerkennung  seiner  Wirksamkeit  von 
Seiten  seines  Landesherrn  die  goldene  Medaille  für  Kunst  und  Wissenschaft 
ein.  Auch  wurde  durch  F.  ein  grosser  Nachwuchs  für  den  elektrotechnischen 
Beruf  tüchtig  herangebildet. 

Schwäbische  Kronik  vom  10.  October  1898  (Mittagsblatt),  Nr.  236. 

R.  Krauss. 

Schulin,  Johann,  Friedrich,  Paul,  Universitätsprofessor  des  Römischen 
Rechts,  *  4.  August  1843  ^^s  ältester  Sohn  des  Senators  Dr.  jur.  et  phil. 
Philipp  Schulin  und  dessen  Ehefrau  Caroline  geb.  Erb  zu  Frankfurt  am 
Main,  -f  31.  März  1898  in  Dornach  bei  Basel.  Er  erhielt  seine  erste  Bildung 
durch  Privatunterricht  und  durch  seinen  der  Erziehung  die  treueste  Sorgfalt 
widmenden  Vater,  dann  auf  dem  Gymnasium,  wo  er  sich  durch  besondere 
Begabung  und  grossen  Fleiss  vor  seinen  Mitschülern  auszeichnete.  Schon 
mit  17  Jahren  zum  Abgang  auf  die  Universität  reif,  verblieb  er  doch  auf 
Wunsch  des  Vaters  noch  ein  Jahr  auf  dem  Gymnasium,  besuchte  darauf  die 
Universitäten  Heidelberg,  Tübingen,  Berlin  und  Marburg,  an  welchen  letzten 
Ort  sich  die  Eltern  wegen  angegriffener  Gesundheit  des  Vaters  (f  10.  Juni  1874) 
zurückzogen.  Nach  glänzend  bestandenem  Doctorexamen  (29.  Mai  1869) 
habilitirte  er  sich  mit  der  Schrift  »De  rebus  sub  resolutiva  in  diem  addictionis 
vel  commissoria  lege  venditis«,  Marb.  1869  in  Marburg  als  Docent  des 
römischen  Rechts,  wurde  12.  Mai  1874  ausserordentlicher  Professor  und 
folgte  Michaeli  1874  einem  Rufe  als  ordentlicher  Professor  des  römischen 
Rechts  nach  Basel,  wo  er  sich  mit  seiner  Familie  bald  einlebte.  Schon  1876 
trat  er  daneben  als  Richter  in  das  Appellationsgericht,  dem  er  bis  1891, 
dann  wieder  1893  —95  angehörte  und  bekleidete  1878  das  Rectorat  der 
Universität.  An  ihn  ergehende  Berufungen  nach  Rostock,  Greifswald  und 
Kiel  lehnte  er  ab  und  wurde  von  der  Acad^mie  de  l^gislation  de  Toulouse 
1881  zum  Mitgliede  ernannt.  1888  nahm  er  als  einer  der  Abgesandten  der 
Universität  am  Universitätsjubiläum  zu  Bologna  theil.  1892  erhielt  er  den 
Ehrenbürgerbrief  der  Stadt  Basel,  6.  Nov.  1896  den  Ehrendoctortitel  der 
philosophischen  Fakultät  der  Universität  Basel.     Seine  Studien   waren  haupt- 


Schu}in.     Pressel.  I^n 

sächlich  dem  römischen  und  später  besonders  dem  griechischen  Rechte,  wie 
noch  älteren  Perioden   gewidmet.     Sein   höchstes  Streben  ging  dahin,  immer 
mehr  und  mehr  dem  von  den  grossen  römischen  Juristen  aufgestellten  Muster- 
bilde   eines    echten    und    wahren    »jurisconsultus«    zu    entsprechen.     Leider 
wurde  in  den  letzten  Jahren  seine  emsige  Thätigkeit  öfters  durch  Kränklich- 
keit gestört.     Da  ein  schleichendes  Herzleiden  sich  stetig  verschlimmerte,  sah 
er  sich  genöthigt,  1895  aus  dem  Appellationsgerichte  und  Ostern  1896   aus 
seiner    akademischen  Stellung  auszuscheiden    und  ruhigen  Landaufenthalt  in 
Dornach  bei  Basel  aufzusuchen.     Hier  erlag  er  langen,  schweren,   mit  mann- 
hafter Geduld  ertragenen  Leiden.     Seiner  ihn  treu  pflegenden  Familie  war  er 
ein  steter,  ihr  verbleibender  Segen  geworden,   seinen  Freunden  eine  kräftige 
Stütze,    dem   Gemeinwesen    ein    nützlicher  Bürger.  —   Von    seinen   Schriften 
seien  zuerst  genannt:    »Ueber  einige  Anwendungsfälle  der  Publiciana  in  rem 
actio<s  Marb.  1873  (seinem  Vater  als  treuem  Lehrer  seiner  Jugend  gewidmet) ; 
»Ueber  Resolutivbedingungen  und  Endtermine«,  Marb.  1875;   ^^^  Pandectarum 
titulum  de  origine  juris  commentatio«,  Basil.   1876  (für  K.  Witte);   »Zur  Lehre 
vom  Erfüllungsort  und   vom   Gerichtsstand   der  Obligationen  nach  römischem 
Recht«,    Basel    1879    (Festschrift    für    den    Schweiz.    Juristenverein);     »Drei 
akademische    Vorträge    rechtswissenschaftlichen    Inhalts«    Basel    1881;    »Das 
griechische  Testament  verglichen  mit  dem  römischen«  Basel  1882  (Rectorats- 
programm);    »Ueber    den    Irrthum    nach    schweizerischem    Obligationsrecht« 
(Zeitschrift  f.  Schweiz.   Recht  Bd.  31,    N.  F.  Bd.  9).     Sein  Hauptwerk  bildet 
das  durch   viele   sprachwissenschaftliche   Ausführungen   und  interessante  Ver- 
gleiche mit  dem  griechischen  Recht  hervorragende  »Lehrbuch  der  Geschichte 
des  Römischen  Rechts«  Stuttg.  1889  (Andreas  Heusler  gewidmet  zum  2 5  jähr. 
Professorjubüäum  1888,  in  das  Russische  übersetzt  von  Schtschukin,  Moskau 
1893).     Die    Ausarbeitung    eines  grösseren  Werkes    über  griechisches  Recht 
wurde  durch  Krankheit  gehindert. 

Vgl.  »Allgemeine  Schweizer  Zeitung«  No.  78  vom  2.  April  1898;  »Basler  Nachrichten« 
No.  90  vom  2.  April  1898,  No.  91  vom  3.  April  1898;  Zur  Erinnerung  an  Prof.  Dr.  Fried- 
rich Schulin.  Burhdruckerei  Wackernagel,  Basel  1898;  Beilage  zur  Allgem.  Ztg.  No.  77 
vom  6.  April  1898  S.  8;  Nouv.  Revue  histor.  XV.  (1891)  126 — 128;  Tidsskrift  for  Rets- 
videnskab  1891  p.  361;  1898  p.  518;  Revue  de  droit  international  et  de  legislation  com- 
paree  vol.  XXX  1898  p.%520;  Kritische  Vierteljahresschrift  XVI  251  (Brinz),  466;  XVII 
622;  XVni  175—198  (Holder);  526 ff.;  618;  XIX  625;  N.  F.  Bd.  XV  (1892)  161  —  171 
(Kipp);  Grünhuts  Zeitschrift  XI  233 — 244  (Tewes)  XVIII  452/3;  Zeitschrift  von  v.  Liszt 
X  461;  Der  Gerichtssaal  Bd.  42  S.  319;  Zeitschrift  der  Savigny-Stiftung,  Rom.  Abth.  III 
(1882)  S.  238  —  240  (Pemice);  De  Gubernatis,  dictionnaire  international  des  ecrivains  du 
jour,  Flor.  1888 — 91  p.  1755;  Kukula,  bibliogr.  Jahrbuch  der  deutschen  Hochschulen, 
Innsbr.  1892  S.  840.  —  Ueber  seinen  Vater  vgl.  R.  Jung  in  der  Allg.  Dtsch.  Biographie 
Bd.  34  S.  743. 

A.  Teichmann. 

Pressel,  Paul,  Theologe,  Politiker  und  Dichter,  *  16.  Juni  1824  in  Tü- 
bingen, f  4.  April  1898  daselbst.  Sein  Vater  war  der  Tübinger  Dekan 
Johann  Gottfried  P.  Als  mitderer  unter  5  Brüdern,  die  alle  durch  die  Pforte 
des  sogenannten  Landexamens  in  das  Paradies  der  Seminarerziehung  und  des 
Theologiestudiums  eingezogen  sind,  besuchte  unser  P.  von  1838  bis  1842  das 
niedere  Seminar  Urach  und  von  1842  bis  1846  das  Tübinger  Stift.  Als 
Student  gehörte  er  mit  Leib  und  Seele  der  Königsgesellschaft  an,  einer  Stifts- 
verbindung, die  burschenschaftlichen  Ideen  huldigte,  und  schwärmte  für 
deutsche  Einheit  und  Freiheit.    Obgleich  er  seine  theologischen  Studien  nicht 


ICO  Pressel, 

sehr  gründlich  genommen  hatte,  verhalf  ihm  seine  glückliche  Begabung  doch 
noch  zu  einem  erfolgreichen  Examen.  Er  trieb  dann  noch  ein  Jahr  lang  in 
Tübingen  Germanistik  und  hielt  sich  ein  halbes  Jahr  in  Paris  auf.  Während 
der  Bewegung  des  Jahres  1848,  die  P.  unberührt  Hess,  war  er  Pfarrvicar  in 
Alfdorf  (württ.  Oberamt  Welzheim).  Nachdem  er  kurze  Zeit  die  Stelle  eines 
Hofmeisters  in  einem  adeligen  Hause  versehen  hatte,  wurde  er  Stadtvicar  in 
Reutlingen  und  Vorstand  der  dortigen  höheren  Töchterschule.  Bald  siedelte 
er  als  Stadtvicar  nach  Stuttgart  über.  Hier  dichtete  er,  der  schon  früher 
der  Muse  mannigfach  gehuldigt  hatte,  das  1860  (Leipzig,  Verlag  von 
Wilhelm  Engelmann)  im  Druck  erschienene  erzählende  Gedicht  aus  dem  Re- 
formationszeitalter »Franz  von  Sickingen«.  Nur  langsam  kommt  das  Epos  in 
Fluss,  hat  aber  dadurch  den  Vorzug  der  Steigerung  und  erreicht  gegen  Schluss 
mit  der  Belagerung  und  Eroberung  der  Burg  Landstuhl  und  dem  Tode 
Sickingens  eine  ansehnliche  Höhe.  Dieser  wird  zum  tragischen  Helden:  alles, 
was  er  erstrebt  hat,  bricht  zusammen,  selbst  von  den  Reformatoren,  deren 
Absichten  sein  keckes  Dreinschlagen  durchkreuzt,  wird  er  aufgegeben.  Die 
Erfindungsgabe  des  Dichters  ist  nicht  üppig,  seine  Gestaltungskraft  nicht 
hervorragend,  aber  er  schlägt  einen  schlichten,  treuherzigen  Ton  an,  und 
warme  Liebe  zum  deutschen  Vaterlande,  zur  evangelischen  Sache  spricht  aus 
seinen  Versen.  Nach  dem  Muster  der  Uhlandschen  Eberhardrhapsodien  ist 
die  Nibelungenstrophe  verwendet.  Uhland  ist  überhaupt  das  unverkennbare 
Vorbild  Presseis.  »Franz  von  Sickingen«  ist  seine  einzige  selbständige 
poetische  Schöpfung  geblieben.  Dagegen  trat  er  wiederholt  als  Volksschrift- 
steller hervor.  Schon  in  jungen  Jahren  hatte  er  sich  an  einem  Familienblatte 
»Die  Spinnstube«  betheiligt  und  einen  »Kalender  für  Alle  in  Stadt  und  Land« 
(1852  f.)  herausgegeben.  Als  5.  Band  von  Klaibers  Evangelischer  Volksbiblio- 
thek behandelte  er  ferner  die  geistliche  Dichtung  von  Luther  bis  Klopstock 
(Stuttgart,  1863),  eine  geschickte  Compilation,  und  verfasste  Jubelschriften  aul 
Calvin  (Elberfeld,  1864)  und  »Christoph,  Herzog  zu  Württemberg«  (in  der 
Steinkopfschen  Deutschen  Jugend-  und  Volksbibliothek  Nr.  19,  Stuttgart,  1868). 
—  1860  wurde  P.  zum  Helfer  in  Brackenheim  ernannt  und  vermählte  sich 
nunmehr  mit  Elisabeth  Wellin  aus  Bremen.  Die  Politik  verfolgte  er  mit  dem 
grössten  Interesse.  Er  zeigte  sich  dabei  durchaus  als-  Realpolitiker.  Ganz 
von  den  Ideen  Paul  Pfizers  eingenommen,  gehörte  er  zu  den  wenigen 
Württembergern,  die  es  damals  schon  entschieden  mit  Preussen  und  Bismarck 
hielten.  Nachdem  er  1866  als  Helfer  nach  Geislingen  versetzt  worden  war, 
half  er  diesen  Bezirk  zu  einer  Hochburg  des  nationalen  Gedankens  um- 
gestalten, ohne  sich  um  die  Ungnade  des  grossdeutsch  gesinnten  Cultus- 
ministers  zu  kümmern.  In  Geislingen  war  P.  zugleich  Schulinspektor  und  er- 
warb sich  als  solcher  die  Sympathien  des  Lehrerstandes.  1869  wurde  er  zur 
ersten  Landessynode  gewählt.  1870/71  bemühte  er  sich  eifrig  um  die 
Krankenpflege,  was  ihm  den  Olgaorden  eintrug.  1871  rückte  er  zum  Dekan  in 
Neuenstadt  am  Kocher  (an  der  Linde)  vor,  1872  wurde  ihm  zugleich  das  dortige 
Schulinspectorat  übertragen.  Seine  politische  Thätigkeit  setzte  er  fort,  Hess 
sich  aber  nie  bestimmen,  sich  um  ein  Abgeordnetenmandat  zu  bewerben. 
1874  kam  er  in  die  zweite  Landessynode  und  wurde  Mitglied  des  Synodal- 
ausschusses. Er  erwarb  sich  in  dieser  Stellung  bedeutenden  Einfluss  und  be- 
währte sich  hauptsächlich  als  Meister  in  der  Kunst,  klug  zu  vermitteln  und 
praktischen  Gesichtspunkten  zum  Siege  zu  verhelfen.  In  Neuenstadt  wirkte 
er  an  der  Organisation    des    auf  seine  Anregung  von  dem  wohlthätigen  Ehe- 


Prcssel.     Cabisius.  ^  e  j 

paare  Mörike  begründeten  bekannten  Frauenstiftes  mit.  1876  kam  er  als 
erster  Mtinsterpfarrer  und  Decan  nach  Ulm.  Hier  machte  er  sich  um  die 
Restauration  des  Münsters,  hauptsächlich  um  den  Ausbau  des  Hauptthurmes 
verdient.  1879  vertrat  er  Ulm  in  der  3.  Landessynode  und  wurde  wiederum 
in  den  Ausschuss  berufen.  1884  erhielt  er  zugleich  das  Ulmer  Schulinspectorat. 
Ein  Schlaganfall  setzte  im  Jahre  1887  seiner  Thätigkeit  ein  Ziel.  1888  Hess 
er  sich  pensioniren  und  erhielt  bei  dieser  Gelegenheit  den  württembergischen 
Kronorden..  Er  lebte  nun  im  Hause  seines  Schwiegersohnes,  Landgerichts- 
rathes  Schumann,  des  Gatten  seines  einzigen  Kindes  Frieda,  in  Ellwangen; 
seine  Frau  hatte  er  schon  in  Neuenstadt  verloren.  Nach  Schumanns  Tod 
zog  er  mit  der  Tochter  und  deren  Kindern  nach  Esslingen,  dann  nach  Tü- 
bingen, wo  er  im  eigenen  freundlichen  Hause  mit  Garten  am  Oesterberg 
seine  Tage  beschloss.  Ein  gebrochener  Mann,  vom  Gedächtnis  verlassen, 
führte  er  eine  stille,  zurückgezogene  Existenz.  Anfangs  war  er  noch  einiger- 
massen  litterarisch  beschäftigt,  aber  bald  reichten  ihm  die  Kräfte  auch  hie- 
fiir  nicht  mehr  aus.  P.  hat  deutliche  Spuren  seines  Wirkens  in  der  evange- 
lischen Kirche  Württembergs  zurückgelassen. 

»Kirchlicher  Anzeiger  für  Württemberg«  1898,  Nr.  16  S.  132— 134,  »Schwäbische  Kronik« 
vom  14.  April  1898  (Mittagsblatt)  Nr.  85  und  sonstige  Zeitungsnotizen,  Franz  Brummer, 
Lexikon  der  deutschen  Dichter  und  Prosaisten  des  neunzehnten  Jahrhunderts.  4.  Ausgabe 
III,  S.  249. 

R.  Krauss. 

Cabisius,  Julius,  Cellist,  ♦  Halle  a.  S.,  15.  October  1841,  f  Stuttgart, 
3.  April  1898.  Er  verbrachte  seine  Jugend  in  Bremen  und  wurde  von  seinem 
Vater,  der  gleichfalls  ein  trefflicher  Cellist  war,  in  die  Anfangsgründe  seines 
Instruments  eingeweiht.  Seine  weitere  musikalische  Ausbildung  erhielt  er  am 
Prager  Conservatorium,  wo  er  zu  den  hoffnungsvollsten  Schülern  Julius 
Goltermanns  gehörte.  Nach  Vollendung  seiner  Studien  wurde  er  alsbald 
durch  Kapellmeister  Max  Seifriz  als  erster  Cellist  in  die  Kapelle  des  kunst- 
liebenden Fürsten  von  Hohenzollern-Hechingen  zu  Löwenberg  in  Schlesien 
berufen.  Hier  hatte  er  reiche  Gelegenheit  zum  Solospiel  und  componirte 
auch  verschiedene  Solostücke  für  sein  Instrument.  Als  die  Kapelle  1864  auf- 
gelöst wurde,  siedelte  C.  zunächst  nach  Meiningen  als  Mitglied  der  dortigen 
Hofkapelle  über  und  trat  am  i.  September  1865  ^^^  Hofmusikus  in  den  Ver- 
band des  Hoftheater-Orchesters  in  Stuttgart.  Hier  fand  er  seine  bleibende 
Heimath.  1876  nach  Krumbholz'  Tode  rückte  er  zum  ersten  Violoncellisten 
vor,  wurde  noch  im  selben  Jahre  Kammermusiker  und  später  Kammervirtuos. 
Er  entfaltete  eine  ausgedehnte  Wirksamkeit.  Ausser  seiner  Thätigkeit  im 
Theaterorchester  und  in  den  Abonnementskonzerten  betheiligte  er  sich  an 
den  Kammersoireen  des  Singerschen  Quartetts,  des  Prucknerschen  Trios, 
ausserdem  an  einem  Quartettvereine,  der  sich  hauptsächlich  ausserhalb  Stutt- 
gart hören  Hess.  In  früheren  Jahren  besuchte  er  auch  als  willkommener 
Concertgast  viele  andere  Musikstädte.  Seitdem  er  als  Lehrer  des  Violoncell- 
sp>iels  am  Stuttgarter  Conservatorium  für  Musik  wirkte,  schränkte  er  seine 
Gastreisen  sehr  ein.  Seine  Berufung  dorthin  war  1877  erfolgt;  1889  wurden 
seine  Verdienste  durch  Verleihung  des  Professorstitels  gewürdigt.  C.  besass 
grosses  Lehrgeschick  und  durfte  sich  der  Achtung  und  Anhänglichkeit  seiner 
zahbreichen  Schüler  in  hohem  Grade  erfreuen.  Durch  natürliche  Anlagen  und 
rastlosen  Fleiss  hatte  er  sich  zu  einem  der  tüchtigsten  Vertreter  seines  Faches 


15« 


Cabisius.     Kober-Gobat. 


emporgeschwungen.  Er  verfügte,  wie  ein  Kenner  urtheilt,  über  ein  »gediege- 
nes, technisch  ebenso  vollendetes  wie  fein  musikalisches  Spiel,  das  sich 
gleichmässig  durch  Weichheit,  Seele  und  hinreissenden  Gesang  auszeichnete.« 
Dabei  unterstützte  ihn  ein  vortreffliches  Gedächtniss,  so  dass  er  die  grössten 
Concerte  und  Solostücke  ohne  Noten  wiederzugeben  vermochte.  Auch  als 
Mensch  war  der  mit  kräftigem  Humor  ausgestattete  Künstler  allgemein  beliebt. 
Das  traurige  Schicksal,  das  ihn  in  verhältnissmässig  jungen  Jahren  ereilte, 
begegnete  desshalb  in  weiten  Kreisen  herzlicher  Theilnahme.  Ein  fortschrei- 
tendes Augenleiden  hatte  ihm  nämlich  schon  lange  die  Ausübung  seines  Be- 
rufes erschwert.  Am  i.  September  1890  hatte  er  das  fünfundzwanzig  jährige 
Jubiläum  seiner  Thätigkeit  in  der  Stuttgarter  Hofkapelle  gefeiert.  Nach 
Jahresfrist  trat  er  in  den  Ruhestand.  Am  17.  März  1893  nahm  er  in  einem 
Concerte  vom  Stuttgarter  Publikum  Abschied  und  verzog  nach  Bremen,  wo 
noch  Verwandte  von  ihm  lebten.  Doch  schon  im  Frühjahr  1894  verlegte  er 
seinen  Wohnsitz  nach  Tübingen,  um  sich  in  Behandlung  des  ihm  befreundeten 
Augenarztes  Professor  Nagel  zu  begeben.  Jetzt  stellte  sich  aber  auch  ein 
Leiden  am  Knie  ein,  und  Professor  Bruns  musste  das  linke  Bein  amputiren. 
Mit  Geduld  und  Gemüthsruhe  trug  er  sein  schweres  Missgeschick,  von  Gattin 
und  Töchtern  treu  verpflegt  und  im  Umgang  mit  den  Seinigen  Trost  findend. 
Herbst  1895  siedelte  er  wieder  ganz  nach  Stuttgart  über.  Er  schien  herge- 
stellt zu  sein  und  unternahm  mit  einem  künstlichen  Beine  glückliche  Gehver- 
suche. Aber  im  November  1897  warf  ihn  die  tückische  Krankheit  von 
neuem  aufs  Schmerzenslager,  von  dem  er  sich  diesmal  nicht  wieder  er- 
heben sollte. 

»Neue  Musikzeitung«,  XIX.  Jahrgang  (1898),  Nr.  9,   S.  108  f.,    »Schwäbische  Kronikc, 
vom  4.  April  1898  (Abendblatt),  Nr.  78,  (Stuttgarter)    Neues  Tagblatt  vom  4.  April  1898. 

R.  Krauss. 

Kober-Gobat,  Paul,  Buchhändler,  *  30.  Juli  1842  als  Sohn  des  Pfarrers 
K.  in  Oethlingen,  Württemberg,  f  22.  October  1898  auf  dem  Meere  vor 
Alexandria,  besuchte  vom  zehnten  Jahre  ab  die  Lateinschule  in  Kirchheim, 
dann  in  Esslingen  und  in  Herrenberg,  bestand  von  1856  bis  1860  eine  kauf- 
männische Lehre  in  dem  Manufacturwaarengeschäft  Winter  in  Gingen  a.  d. 
Brenz  und  trat,  nachdem  er  1861  in  der  Anstalt  Glay  bei  Montbdiard  mit 
der  französischen  Sprache  sich  vertraut  gemacht,  als  Gehilfe  in  die  angesehene, 
18 16  gegründete  Buchhandlung  seines  Grossonkels  C.  F.  Spittler  in  Basel 
ein.  1863 — 67  war  ihm  ein  Posten  in  dem  Zweiggeschäfte  C.  F.  Spittler  &  Co. 
in  Jerusalem  anvertraut.  Nach  einem  Aufenthalt  in  England  nach  Basel 
zurückgekehrt,  übernahm  er  1869,  nach  Spittlers  Tod,  mit  Fräulein  S.  Spittler 
und  J.  L.  Jaeger  die  Buchhandlung  C.  F.  Spittler  und  vermählte  sich  mit 
einer  Tochter  des  Bischofs  Gobat  in  Jerusalem.  Wesentlich  unter  K.'s 
geschäftstüchtiger  und  thatkräftiger  Leitung  gelangte  die  damals  unter  dem 
Namen  »Zum  Fälkli«  bekannte  Buchhandlung  zu  hoher  Blüte.  Im  Verlag 
pflegte  er  besonders  populäre  Theologie,  Volks-  und  Jugendschriften,  sowie 
biblische  Bilder  und  Wandsprüche  in  Farbendruck.  Seine  Thätigkeit  auf 
letzterem  Gebiete  wird  als  bahnbrechend  bezeichnet  und  fand  bei  Glaubens- 
genossen vielen  Beifall.  Weit  über  das  eigene  Geschäft  hinaus,  bethätigte  er 
sein  frommes  Gemüth  in  regem  Mitwirken  an  christlichen  Anstalten  aller 
Art.  So  leitete  er,  um  nur  eins  von  vielem  zu  erwähnen,  mit  besonderem 
Eifer    die    Industrie    (Buchdruckerei    und    Buchbinderei)     der     Pilgermission 


Kobcr-Gobat.     Meissner.     Haeberlin. 


153 


St.  Chrischona  bei  Basel.  Mit  Gesinnungsgenossen  gründete  er  1886  den 
Verein  von  Verlegern  christlicher  Litteratur.  Auch  sonst  aber  war  ihm  die 
Verbreitung  guter  Litteratur  mehr  Herzens-  als  Geschäftssache.  Nach  dem 
Tode  seines  alten  Genossen  Jaeger,  1897,  wurde  K.  Alleininhaber  des  Ge- 
schäfts. —  Einer  Aufforderung  in  Jerusalem,  das  ihm  s.  Z.  zur  zweiten 
Heimat  geworden  war,  an  der  Einweihung  der  Erlöserkirche  th eilzunehmen, 
hatte  er  nicht  widerstehen  können.  Jäh  aber  ereilte  ihn  an  Bord  der 
»Midnightsun«  kurz  vor  der  Landung  in  Alexandria  ein  von  seinen  vielen 
Freunden  tief  beklagtes  Ende. 

Zur  Erinnerung  an  Paul  Kober-Gobat.  Gedächtnissfeier  in  Basel  am  i.  Nov.  1898. 
(Mit  Portr.  u.  Nachrufen  in  Prosa  und  Versen).  —  »Börsenblatt  f.  d.  dt  Buchhdl.«  1898. 
Nr.  248,  251.  —  Handschriftliche  Biographie  von  Kresting. 

H.  Ellissen. 

Meissner,  Carl,  Buchhändler,  *  12.  April  1836  in  Marien werder,  als 
Sohn  des  Offiziers  M.,  f  20.  März  1898  in  Elbing,  bestand  in  den  fünfziger 
Jahren  seine  Lehrzeit  in  der  Plahnschen  Buchhandlung  in  Berlin,  war  einige 
Jahre  als  Gehülfe  der  Schulbuchhandlung  in  Braunschweig  beschäftigt  und 
w^urde  1859  Geschäftsführer  der  Neumann-Hartmannschen  Buchhandlung  in 
Elbing.  Nachdem  er  kurze  Zeit  mit  Edwin  Schloemp  zusammen  Inhaber 
dieses  Geschäftes  gewesen,  gründete  er  1863  eine  eigene  Buchhandlung.  Von 
1867  —  71  gab  er  das  nationalliberale  »Elbinger  Volksblatt«  heraus.  Als  Mit- 
arbeiter standen  ihm  u.  A.  Max  v.  Forckenbeck  und  Fr.  Kreyssig  zur  Seite. 
Seit  1874  gehörte  er  als  hervorragendes  Mitglied  der  Stadtverordneten-Ver- 
sammlung an,  deren  stellvertretender  Vorsitzender  er  später  wurde,  und  als 
deren  sachkundigster  und  bester  Redner  er  bezeichnet  wird.  Grosse  Ver- 
dienste erwarb  sich  M.  als  Vorstandsmitglied  des  Gewerbevereines.  —  M. 
war  auch  langjähriger  Vorsitzender  des  Kreisvereines  ost-  und  westpreussischer 
Buchhändler  und  gehörte  (1890 — 96)  als  einflussreiches  Mitglied  verschie- 
denen Ausschüssen  des  Börsen  Vereins  der  deutschen  Buchhändler  an.  Seine 
auf  den  Zusammenschluss  des  gesammten  Sortiments  zu  einem  organisirten 
Bunde  gerichteten  Bestrebungen  scheiterten  leider  an  zu  grosser  Theilnahm 
losigkeit. 

Vgl.  »Börsenblatt  f.  den  dt.  Buchhdl.«  1898  Nr.  66  und  75  (mit  Nachrufen  der  »Alt- 
preussischen«  und  der  »Elbinger  Zeitung«  v.  21.  März   1S98). 

H.  Ellissen. 

« 

Haeberlin,  Carl  Franz  WolflF  Jeröme,  Universitätsprofessor  der  Rechte, 
*  4.  September  18 13  als  Sohn  des  Forstmeisters  Franz  Ludwig  H.  auf  Jagd- 
schloss  Bracht  bei  Marburg  im  Kgr.  Westfalen,  f  28.  Februar  1898  zu 
Greifswald.  Er  studirte  die  Rechtswissenschaft  1832 — 36  in  Bonn  und 
Berlin,  wurde  12.  September  1837  i"  Berlin  Dr.  jur.,  habilitirte  sich  dort 
15.  Juni  1839  ^  öffentliches  Recht  und  deutsche  Rechtsgeschichte,  ging 
Ostern  1852  als  ausserordentlicher  Professor  nach  Greifswald,  wo  er 
21.  Mai  1862  zum  ordentlichen  Professor  befördert  wurde.  1857 — 1876 
lehrte  er  zugleich  Landwirthschaftsrecht  an  der  Akademie  Eldena,  wurde 
1886  zum  Geh.  Justizrath  ernannt  und  feierte  1887  sein  fünfzigjähriges,  1897 
sein  sechzigjähriges  Doktorjubiläum.  Seine  Lehrthätigkeit  umfasste  die  Fächer 
des  Strafrechts,  des  Staats-  und  Verwaltungsrechts  und  der  deutschen  Rechts- 
geschichte.    Sein    Hauptinteresse    war    dem    Strafrecht    zugewandt.      So    be- 


154 


Haeberlin.     Tomaschek. 


handelte  er  in  seiner  Promotionsschrift  »Juris  criminalis  ex  speculis  Saxonico 
et  Suevico  adumbratio«,  Hai.  1837  (auch  Lips.  1838)  einen  wichtigen  Ab- 
schnitt der  mittelalterlichen  Strafrechtsgeschichte  und  lieferte  in  dem 
umfassenden  Werke  »Grundsätze  des  Criminalrechtes  nach  den  deutschen 
Strafgesetzbüchern«,  Bd.  I — IV,  Lpz.  1845 — 49  ^^^^  werthvolle  Vorarbeit  zur 
einheitlichen  deutschen  Strafgesetzgebung,  ebenso  in  einer  »Sammlung  der 
neuen  deutschen  Strafprocessordnungen«,  Greifsw.  1852  —  53.  Vorher  hatte 
er  eine  »Systematische  Bearbeitung  der  in  Meichelbecks  Historia  Frisingensis 
enthaltenen  Urkundensammlung  I.  Theil:  Rechtsgeschichte«,  Berl.  1842  heraus- 
gegeben, während  er  später  ein  »Lehrbuch  des  Landwirthschaftsrechtes  nebst 
einer  encyklopädischen  Einleitung  in  dasselbe«  Lpz.  1859  veröflfentlichte. 
Werthvolle  Aufsätze  sind  die  »Ueber  dolus  generalis«  (Goltdammers  Archiv 
Bd.  11)  und  »Ueber  Rechtswahn  imd  Wahnverbrechen«  (ebenda  Bd.  13), 
sowie  »Ueber  den  Versuch«  (Gerichtssaal  Bd.  16  und  24)  und  »Ueber  den 
Irrthum  im  Strafrecht«  (ebenda  Beilage  zu  Bd.  17)  und  Bemerkungen  zu  dem 
österr.  Entwurf  eines  Strafgesetzes«  (^ebenda  Bd.  24).  Mannigfache  Berück- 
sichtigung fanden  seine  »Kritische  Bemerkungen  zu  dem  Entwurf  eines  Straf- 
gesetzbuches für  den  norddeutschen  Bund«,  Erl.  1869.  Bis  in  sein  höchstes 
Alter  war  er  von  unermüdlicher  Lehrfreudigkeit]  und  äusserster  Pflicht- 
treue. Zum  Jubiläum  im  Jahre  1897  wurde  er  durch  Verleihung  des 
Kronenordens  2.  Kl.  ausgezeichnet.  Wiederholte  Schlaganlälle  zogen  den  Tod 
nach    sich. 

Nach  der  »Chronik  der  KOnigl.  Universität  Greifswald  für  das  Jahr  1897/98.  Heraus- 
gegeben vom  zeitigen  Prorector  Prof.  Dr.  Jakob  Weismann«,  Greifswald.  Druck  von 
F.  W.  Kunike  1898  S.  4 — 6;  vgl.  Marquardsen  in  der  »Krit.  Ztschr.  f.  d.  ges.  Rechts- 
wissensch.«  I  102;  v.  Schwarze  im  »Gerichtssaal«  Bd.  22  S.  179  ff.;  De  Gubernatis, 
dictionnaire  international  des  ecrivains  du  jour,  Flor.  1888 — 91  p.  2001;  »Die  Kgl.  Friedrich- 
Wilhelms-Universität  Berlin  in  ihrem  Person albestan de  seit  ihrer  Einrichtung  Michaelis  iSio 
bis  Michaelis  1885,  Berlin  1885  S.  13,  19;  Kukula,  bibliogr.  Jahrbuch  der  deutschen 
Hochschulen,  Innsbruck  1892  S.  302. 

A.  Teichmann. 

Tomaschek,  Johann  Adolf  Edler  von  Strato wa,  Universitätsprofessor 
der  Rechte,  *  16.  Mai  1822  zu  Iglau,  als  ältester  von  fünf,  sämmtlich  wissen- 
schaftlich hervorragenden,  Söhnen  des  Gymnasiallehrers  Johannes  T.  f  1849 
im  Ruhestand  in  Iglau),  f  9.  Januar  1898  zu  Wien.  Die  Familie  T.  fuhrt 
ihren  Ursprung  zurück  auf  einen  sagenhaften  »Kleinen  Thomas«  (tschechisch 
T.),  einen  der  zwölf  Apostel  oder  Heerführer,  welche  die  Schaaren  von 
Prokopius  dem  Jüngeren  in  den  hussitischen  Kriegen  befehligten,  und  nach 
der  Pacificierung  des  Landes  geköpft  wurden;  dieser  soll  bereits  den  Namen 
«de  Stratowa»  geführt  haben.  Aufzeichnungen  in  deutscher  Sprache  bezeugen, 
dass  die  Familie  seit  Karl  VI.  und  Maria  Theresia  viele  Glieder  des  deutschen 
Beamtenstandes  in  der  Umgebung  von  Iglau,  Meseritsch,  Budwitz,  Neustadt 
und  Saar  aufwies.  Nach  Vollendung  der  juridischen  Studien  erhielt  er  eine 
Stelle  als  Beamter  beim  Magistrat  der  Stadt  Olmütz,  widmete  sich  bei  seiner 
Liebe  zu  den  Wissenschaften,  die  ihn  wie  seine  Brüder  erfüllte,  dem  Lehr- 
fache und  wurde  1847  zum  Gymnasial-Professor  in  seiner  Vaterstadt  ernannt. 
1848  ging  er  als  Abgeordneter  der  deutschen  Stadt  Iglau  in  das  Parlament 
zu  Frankfurt,  wo  er  die  Richtung  Schmerlings  auf  Seiten  des  Reichsver- 
wesers Erzherzogs  Johann  vertrat.  Zeit  seines  Lebens  war  er  gemässigt 
freisinnig,    .soweit    es    seine  Stellung  zuliess,    in    religiösen    Fragen    ziemlich 


Tomaschek. 


155 


konsen-ativ,  da  er  auch  der  Kirche  Actionsfreiheit  zusprach.  Er  schwärmte  für 
einen  organischen  Ausbau  der  Zünfte  und  Gilden,  doch  mit  modernen 
Neuerungen  im  Geiste  der  Zeit.  Offenbar  führte  ihn  das  Studium  mittel- 
alterlicher Rechtsquellen  zu  dieser  Vorliebe  für  den  gewerblichen  Mittelstand 
und  das  Bürgertum.  Noch  als  Lehrer  der  klassischen  Philologie  und  der  Ma- 
thematik am  Iglauer  Gymnasium  beschäftigte  er  sich  mit  rechtshistorischen 
Forschungen  im  dortigen  Staatsarchiv  und  wurde  1857  in  das  geheime  Haus-, 
Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien  berufen.  1860  habilitirte  er  sich  als  Privat- 
docent  für  deutsches  Recht  an  der  Universität  daselbst,  wo  er  1861  zum 
ausserordentiichen,  187 1  zum  ordentlichen  Professor  der  österr.  Rechts- 
geschichte und  Rechtsalterthümer  mit  Lehrverpflichtung  für  juristische  Ency- 
klopädie  und  Methodologie  ernannt  wurde.  1880  wurde  ihm  auch  eine 
Lehrkanzel  für  deutsche  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  und  deutsches  Privat- 
recht übertragen.  Den  bestehenden  Gesetzen  nach  trat  er  1893  in  den  Ruhe- 
stand, bei  welcher  Gelegenheit  er  in  den  Adelsstand  mit  dem  Prädikate 
»von  Stratowa«  erhoben  wurde.  Die  Untersuchungen  Rösslers  über  die 
Form  und  Verbreitung  des  deutschen  Rechts  in  den  böhmischen  Ländern 
weiterführend,  behandelte  er  in  seinem  ersten  Werk  »Deutsches  Recht  in 
Oesterreich  im  13.  Jahrhundert.  Auf  Grundlage  des  Stadtrechts  von  Iglau« 
Wien  1859.  Es  folgten  »Ueber  zwei  ältere  Rechtsgutachten  der  Wiener 
Universität«,  Wien  1860;  »Ueber  die  ältere  Rechtsentwickelung  der  Stadt 
und  des  Bisthums  Trient«,  Wien  1860;  »Recht  und  Verfassung  der  Mark- 
grafschaft Mähren  und  seine  Schöffensprüche  aus  dem  XIIL  bis  XVI.  Jahr- 
hundert« Innsbr.  1868;  »Das  Heimfallsrecht« ,  Wien  1882  (mit  Unterstützung 
der  kaiserlichen  Akademie);  »Das  alte  Bergrecht  von  Iglau  und  seine  berg- 
rechtlichen Schöffensprüche«,  Innsbr.  1897.  Im  J.  1876  erschien  im  83.  Bande 
der  »Sitzungsberichte«  seine  Abhandlung  über  »die  beiden  Handfesten  König 
Rudolfs  I.  für  die  Stadt  Wien  vom  24.  Juni  1278  und  ihre  Bedeutung  für 
die  Geschichte  des  österreichischen  Städtewesens«,  worin  er  die  von 
O.  Lorenz  angefochtene  Echtheit  nachwies.  Einer  Aufforderung  der  Stadt 
Wien  folgend,  gab  er  »die  Rechte  und  Freiheiten  der  Stadt  Wien«  in  2  Bänden 
1877 — 79  heraus,  einen  Bestandtheil  der  im  Auftrage  des  Gemeinderats  ver- 
öffentlichten Geschichts-Quellen  der  Stadt  Wien,  denen  er  eine. sehr  werth- 
voUe  Einleitung  über  die  Entwicklung  des  Stadtrechts  und  der  Stadtverfassung 
vorausschickte.  Noch  andere  Arbeiten  sind  in  den  Schriften  der  Akademie, 
die  ihn  1867  zu  ihrem  correspondierenden  Mitgliede  wählte,  enthalten,  so 
7' die  ältesten  Statuten  der  Stadt  und  des  Bisthums  Trient  in  deutscher  Sprache« 
(Archiv,  26.  Band);  »Ueber  eine  in  Oesterreich  in  der  ersten  Hälfte  des 
14.  Jahrh.  geschriebene  Summa  legum  incerti  auctoris  und  ihr  Quellen- 
verhältniss  zu  dem  Stadtrechte  von  Wiener-Neustadt  und  dem  Werböczyschen 
Tripartitum«  (Sitzungsberichte,  105.  Band).  Die  deutsche  Rechtsgeschichte 
behandelt  die  Schrift  »Die  höchste  Gerichtsbarkeit  des  deutschen  Königs  und 
Reiches  im  15.  Jahrhundert«  (Sitzungsberichte,  49.  Band).  —  Zu  seinen 
Freunden  gehörten  namentiich  Wattenbach,  O.  Lorenz,  Chlumetzky, 
Schmerling,  zuletzt  Maassen.  Völlig  zurückgezogen  lebte  er,  gegen  Aus- 
zeichnungen kühl,  einzig  seiner  Forschung  und  seiner  Familie. 

Nach  gütigen  Mittheilungen  des  Bruders,  Herrn  Prof.  Wilhelm  Tomaschek  in 
Wien.  —  Almanach  der  kaiserl.  Akademie  für  1898  S.  293 — 95;  Geschichte  d.  Wiener 
UniTcrsität  von  1848  bis  1898,  Wien  1898  S.  142,  151;  v.  Wurzbachs  ßiogr.  Lexikon 
d.  Kaiserthums  Oesterreich  Bd.  46  S.  45—47;  Beilage  zur  »Allgem.  Zeitung«  No.  7  vom 
II.  Januar  1898  S.  8;  W.  E.  Wahlberg,  Ges.  klein.  Schriften    Bd.  II  Wien  1877  S.  62: 


ie6  Tomaschek.     Grasberger. 

ZarDckes  Liter.  Centralblatt  1869  S.  546;  1879  S.  1254;  Kakula,  bibliogr.  Jahrbuch  der 
deutschen  Hochschulen,  Innsbruck  1892  S.  932.  —  Ein  hübsches  Motto  von  ihm  im  (auto- 
graphischen) »Parlaments- Albumcc  Frankfurt  a.  M.   1849,  S.  73. 

A.  Teichmann. 

Grasberger,  Hans,  Schriftsteller,  *  2.  Mai  1836  zu  Obdach  in  Steiermark, 
f  II.  December  1898  zu  Wien.  Sohn  eines  Weissgärbers,  kam  er  1849  mit 
seinem  engsten  Landsmanne  Rudolf  Falb  an  das  Benedictinerstift  Lambrecht ; 
nach  vierjährigem  Aufenthalt  im  KJoster,  fand  er  in  Klagenfurt  Aufnahme  in 
der  siebenten  Lateinschule ;  nach  der  mit  Auszeichnung  bestandenen  Maturitäts- 
prüfung kam  er  1855  nach  Wien.  An  der  Universität  trieb  er  bei  Arndts, 
Phillips,  Unger,  Glaser  etc.  Jura;  tüchtig,  doch  ohne  Herzensdrang;  Ostern 
(1859)  betheiligte  er  sich  an  der  österreichischen  Pilgerfahrt  nach  Jerusalem. 
In  demselben  Jahre  erschienen  auch  seine  ersten  Gedichte  in  dem  von  Wiener 
Studenten  herausgegebenen  »Album  zur  Schillerfeier«.  Als  Publicist  war  er 
bis  zum  Jahre  1864  beim  »Volksfreund«  thätig;  1867  trat  er  mit  dem  Dichter 
Carl  Beck  eine  Fahrt  nach  Italien  an.  Bald  nachher  ging  er  als  Correspondent 
mehrerer  deutscher  Blätter  nach  Rom;  1870  that  er  sich  als  Concils-Bericht- 
erstatter  der  »Presse«  hervor,  in  deren  Verband  er  1873  als  Kunst-Referent 
und  Feuilleton-Redacteur  nach  Wien  berufen  wurde.  1883  verliess  er  das  ge- 
nannte regierungsfreundliche  Blatt,  »da  ihm  die  nationale  Bedrängniss  nicht  gleich- 
giltig  bleiben  konnte«,  und  war  fortan  als  Mitarbeiter  der  »Deutschen  Zeitung c. 
und  Kunst-Referent  der  »Wiener  Zeitung«  thätig.  —  Als  Poet  war  G.  1869 
mit  der  Sammlung  »Singen  und  Sagen«,  1873  mit  den  »Sonetten  aus  dem 
Orient ^<  und  dem  »Carneval  der  Liebe«  hervorgetreten;  als  Uebersetzer  ver- 
deutschte er  die  Rime  di  Michelangelo  (1872).  —  Zu  seiner  eigenen 
Ueberraschung  entdeckte  er  bei  einem  Ferien-Ausflug  in  die  heimathlichen 
Berge,  veriiältnissmässig  spät,  einen  Dialektdichter  in  sich:  die  drei 
Bände  »Zan  Mitnehm«  1880,  »Nix  für  unguet«  1884,  »Plodersam,  Geistli'n- 
g'schicht'n«  1885  bleiben  voraussichtlich  sein  dauerhaftestes  litterarisches 
Denkmal.  —  Eine  Reihe  hochdeutscher  Novellen  »Aus  der  ewigen  Stadt<< 
(1887),  Allegorien  »Allerlei  Deutsames«  (1888),  »Neues  Novellenbuch  (1894)«, 
^>Maria  Buch,  eine  Wallfahrtsgeschichte«  1895,  »Maler  und  Modell«  1895, 
sowie  seine  letzten  Gedichte  »Licht  und  Liebe«,  »Triptychon«  etc.  werden 
mit  den  mundartlichen  und  einer  Auswahl  von  hochdeutschen  Versen  in  vier 
von  Georg  Heinrich  Meyer  verlegten,  von  Rosegger  bevorworteten  Bänden 
seiner  gesammelten  Werke  erscheinen.  —  Eine  Frucht  seiner  kunstgeschicht- 
lichen Studien  ist  die  Schrift:  »Die  Gemäldesammlung  im  kunsthistorischen 
Hofmuseum«.  —  Für  das  Kronprinzen  werk  »Oesterreich  in  Wort  und  Bild<. 
hat  G.  eine  meisterhafte  Abhandlung  beigesteuert  über  die  Dialekte  und 
Dialektdichter  der  Steiermark.  —  Eine  seiner  letzten  und  gehaltvollsten  Gaben 
war  sein  Nekrolog  Heinrich  No^'s  im  II.  Bd.  unseres  Jahrbuches.  —  So  reich 
sein  Wissen,  so  reich  sein  Wirken  war:  reicher  noch  war  sein  Wesen.  »Wer 
im  Bereiche  seiner  Persönlichkeit  stand« ,  so  heisst  es  in  einem  Nachruf 
Roseggers,  »der  konnte  nicht  abirren,  der  wurde  so  recht  kunstfroh  und 
schaffensfreudig.  Aber  nicht  bloss,  so  weit  die  Kunst  reicht,  war  er  dem 
Heimathlande  treu,  er  liebte  es  bedingungslos.  Wenn  er  die  Rednerbühne 
bestieg,  um  Werke  und  Erfolge  des  (von  ihm  mitbegründeten)  Steirervereins 
in  W^ien  zu  verkünden,  um  bei  Betheiligungen  armer  Steirerkinder  zu  diesen 
zu  sprechen;    da  musste  man    sein  vor  Begeisterung    glühendes   Auge  sehen. 


Grasbergcr.     Vogel.  I  q  y 

dieses  liebe  Auge,  das  gleichsam  ein  Fluidum  von  Freude  ausstrahlte«.  Ehr- 
liche, ehrlich  verdiente  Auszeichnungen  zu  seinem  60.  Geburtstage  (die  Stadt 
Wien  beglückwünschte  G. ;  Rosegger  charakterisirte  den  Mann  und  sein  Schaffen 
in  der  »Gartenlaube«)  nahm  er  tiefbewegt  und  tiefbescheiden  auf:  »Du  hast 
Weltruhm«,  so  schrieb  er  Rosegger  in  seinem  Dankbrief,  »ich  bin  ein  dürf- 
tiges Spanlicht.  Du  könntest  die  Poesie  neu  erfunden  haben  —  ich  schreibe 
mehr  aus  der  allgemeinen  Bildung  heraus.«  Liebe  und  Treue,  die  er  den 
Freunden  und  Landleuten  zeitlebens  bewälirt,  ist  ihm  über  das  Grab  hinaus 
redlich  vergolten  worden.  Die  ersten  Dichter,  Künstler  und  Kenner  Deutsch- 
österreichs haben  dafür  gesorgt,  dass  auf  dem  Mödlinger  Friedhof  ein  würdiges 
Denkmal  des  viel  zu  früh  Geschiedenen  sich  erheben  wird. 

Mein  Lebensgang.  Von  Hans  Grasberger.  (Roseggers  »Heirogarten«  XV.  Jahrg. 
Heft  8).  —  Ein  deutschösterreichischer  Dichter.  Von  Peter  Rosegger.  Wie  ich  meine 
Mundart  entdeckte  von  Hans  Grasberger.  (»Die  Gartenlaube«  1896.  No.  34).  —  Briefe 
▼on  Hans  Grasberger  an  Rosegger  (Heimgarten,  März  1899).  —  Ferdinand  Kürnberger: 
Litterarische  Herzenssachen  1877;  S.  128  ff.  Le  Rime  di  Michelangelo  Buonarotti.  Nach- 
dichtungen von  Hans  Grasberger.  —  Nekrologe:  Beilage  zur  »MUnchener  Allgemeinen 
Zeitung«  13.  Dec.  1898  (von  Anton  Bettelheim).  —  »Neue  Freie  Presse«  No.  12339,  1898 
(von  Karl  v.  Thaler).  —  »Neues  Wiener  Tagblatt«,  December  1898  (von  Z.  K.  Lecher).  — 
»Grazer  Tagespost«  vom  13.  April  1899:  Hans  Grasberger  und  die  Steirer  von  Rosegger.  — 
Verzeichniss  seiner  Schriften  in  Kürschners  Litteratur-Kalender  1898.  —  Gesammelte 
Werke  (4  Bände)  in  Vorbereitung  bei  Georg  Heinrich  Meyer.  —  Vorzügliche  Bildnisse  des 
edlen  Charakterkopfes  danken  wir  Blaas  und  dem  Plastiker  Schwartz;  gute  Lichtdrucke 
in  den  Ausgaben  seiner  Schriften  (bei  Liebeskind  und  Meyer). 

Anton  Bettelheim. 

Vogel,  Wilhelm  Hermann,  ordentlicher  Professor  an  der  Technischen 
Hochschule  zu  Charlottenburg,  *  1834,  f  17.  December  1898  zu  Berlin,  war 
seit  1860  Assistent  bei  G.  Rose  am  mineralogischen  Museum  zu  Berlin;  auf 
die  Photographie  wurde  er  durch  die  Aufgabe  geführt,  Meteordtinnschliffe 
authentisch  abzubilden.  Seine  photographischen  Forschungen  auf  dem  Ge- 
biet des  Pigmentdruckes,  vor  allen  Dingen  aber  seine  Entdeckung  der 
optischen  Sensibilisatoren,  ferner  seine  Thätigkeit  auf  dem  Gebiet  der  photo- 
graphischen Aesthetik  sichern  ihm  einen  ersten  Platz  unter  den  photographischen 
Forschem.  V.  gab  seit  1864  das  seinerzeit  bedeutendste  deutsche  photo- 
graphische  Journal  »Die  photographischen  Mittheilungen«  heraus,  welches 
noch  heute  existirt.  Seine  Veröffentlichungen  über  Kohledruck,  sein  Lehr- 
buch der  Photographie  sind  sehr  verbreitet  und  mehrfach  aufgelegt.  Ein  Lehr- 
stuhl fiir  Photographie  wurde  ihm  an  der  damaligen  Gewerb eacademie  zu 
Berlin  errichtet,  später  siedelte  er  als  Professor  an  die  technische  Hochschule 
zu  Charlottenburg  über,  seit  1876  hatte  er  auch  den  Lehrstuhl  für  Spectral- 
analyse  daselbst  inne  und  dehnte  später  seine  Thätigkeit  seit  1887  auch  auf 
die  Vorlesungen  über  Farbenlehre,  Beleuchtungswesen  etc.  aus.  V.  war  Ehren- 
mitglied vieler  wissenschaftlicher  Vereine,  u.  A.  der  Königl.  Photographischen 
Gesellschaft  zu  Grossbritanien.  Er  ist  Gründer  des  Photographischen  Vereins 
zu  Berlin  (1863),  femer  war  er  auf  vielen  Ausstellungen  und  Weltausstellungen 
als  Juror  auch  im  Auftrag  des  Staates  thätig.  Zweimal  besuchte  er  aus 
diesem  Anlass  Amerika,  1871  und  1883.  Durch  eine  grosse  Anzahl  von 
einzelnen  Abhandlungen  auf  dem  Gebiet  der  Photographie,  Spectralana- 
lyse  und  Farbenlehre  hat  er  sich  fernerhin  weit  bekannt  gemacht  und  auch 
eine  rührige  Thätigkeit  im  Interesse  der  Berufsphotographie  entwickelt.  Er 
war  ein  Mann    von  grossen  Geisteskräften,    besonderer  Originalität    und  von 


jrg  Vogel.     V.  Alvensleben.     Ubbelohde. 

lebhaftem  impulvisen  Temperament.  Sein  Hauptwerk,  die  Entdeckung  der 
optischen  Sensibilisatoren,  bedeutet  einen  der  wichtigsten  Fortschritte  in  der 
Photographie.  In  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  beschäftigte  er  sich 
wesentlich  mit  dem  Problem  der  Photographie  in  natürlichen  Farben,  dem 
er  eine  wichtige  Lösungsform  in  Gestalt  des  auf  wissenschaftlicher  Basis  ver- 
vollkommneten Dreifarbendruckes  gab. 

A.  Miethe. 

V.  Alvensleben,  Alkmar,  Kgl.  preussischer  Generallieutenant,  Commandant 
von  Breslau,  *  am  i6.  November  1841,  f  10.  November  1898  in  Naumburg, 
entstammend  dem  alten  altmärkischen  Adelsgeschlecht,  welches  noch  jetzt  in 
der  Altmark  und  in  der  Provinz  Sachsen  blüht  und  grösseren  Grundbesitz 
inne  hat.  Frühzeitig  trat  er  in  das  Cadettencorps,  das  er  am  17.  Mai  1859 
verliess,  um  als  charakterisirter  Portep^efähnrich  in  das  Garde-Jäger-Bataillon 
zu  Potsdam  einzutreten.  Am  i.  Juli  1860  wurde  er  zum  Seconde-Lieutenant 
befördert,  machte  den  Krieg  von  1866  in  Böhmen  mit  und  bekleidete  vom 
November  1866  bis  October  1870  die  Stelle  des  Bataillonsadjutanten.  In- 
zwischen zum  Premierlieutenant  befördert,  führte  er  im  deutsch-französischen 
Kriege  eine  Compagnie  und  wurde  am  i.  April  187 1  zum  Hauptmann  und 
Compagniechef  ernannt.  1881  wurde  er  unter  Beförderung  zum  überzähligen 
Major  in  das  4.  Garde-Regiment  z.F.  versetzt,  um  im  October  1884  Commandeur 
des  Magdeburgischen  Jägerbataillons  No.  4  zu  werden.  1888  avancirte 
er  zum  Oberstlieutenant;  am  20.  November  1890  ward  er  zum  Commandeur 
des  Grenadier-Regiments  Prinz  Carl  von  Preussen  (2.  Brandenburgisches) 
No.  12  und  zum  Oberst  ernannt.  Generalmajor  vom  14.  Mai  1894,  ward  er 
Commandeur  der  2.  Garde-Inf.-Brigade  und  1896  Commandant  von  Breslau. 
Als  solcher  erhielt  er  am  27.  Januar  1898  den  Character  als  Generallieutenant. 
Ein  schweres  Leiden  befiel  ihn,  das  ihn  im  Alter  von  58  Jahren  hinweg- 
raflfte.  v.  A.  besass  ausser  anderen  Ehrenzeichen  den  Rothen  Adlerorden 
II.  Klasse  mit  Eichenlaub  und  Schwertern  am  Ringe  und  das  Eiserne 
Kreuz  II.  Klasse.  O.  Elster. 

Ubbelohde,  August,  Universitätsprofessor  des  Römischen  Rechts,  ♦18.  No- 
vember 1833  zu  Hannover  als  vierter  Sohn  des  am  5.  December  1849  ^^^' 
storbenen  Ober-Finanzrathes  U.  daselbst,  f  30.  September  1898  zu  Marburg. 
Er  empfing  in  seinem  allen  geistigen  Interessen  offenen  elterlichen  Hause  und 
auf  dem  Lyceum  seiner  Vaterstadt  eine  treffliche  Ausbildung.  Schon  früh 
wurde  er  von  einem  Knieleiden  befallen,  das  eine  Operation  nöthig  machte 
und  erfuhr  später  bei  einem  Eisenbahnunfall  das  weitere  Unglück,  dass  das 
steif  gebliebene  Knie  eine  Quetschung  erlitt,  was  eine  dauernde  Schädigung 
nach  sich  zog.  In  jenen  ernsten  Tagen  widmete  er  sich  mit  angestrengtestem 
Fleisse  bildender  Leetüre  und  erhielt  hiebei  durch  seinen  auch  philosophisch 
hochgebildeten  Vater  die  beste  Förderung.  Die  Erfahrungen  der  Leidenszeit 
dürften  den  Grund  zu  seiner  Gründlichkeit  und  Zähigkeit  in  der  Arbeit,  wie 
auch  zur  Hinneigung  zu  scharfer  Kritik  und  einiger  Empfindlichkeit  gelegt 
haben.  Nach  einer  allseitig  ausgenutzten  Studienzeit  und  einer  kurzen 
Thätigkeit  als  Auditor  in  Lüneburg  habilitirte  er  sich  1857  in  Göttingen 
für  römisches  Recht,  wurde  1862  daselbst  ausserordentlicher  Professor,  1865 
ordentlicher  Professor  in  Marburg,  welcher  Universität  er  bis  an  sein  Lebens- 
ende treu  blieb,  in  den   letzten  Jahren  als  Senior  der    akademischen  Lehrer- 


Ubbelohde.     Merseburger.  i  c  o 

Schaft.  Er  erlebte  die  Einverleibung  des  KurfÜrstenthums  Hessen  in  Preussen 
und  konnte  bei  der  Neuordnung  der  Universitätsverhältnisse  gute  Dienste 
leisten,  ebenso  wie  er  im  Nebenamte  für  das  aufblühende  Communalwesen 
der  Stadt  Marburg  Jahre  lang  mit  Hingebung  und  Erfolg  thätig  war.  Mehr 
als  ein  Jahrzehnt  hat  er  die  Universität  im  Herrenhaus  vertreten  und  dabei 
mit  den  Vertretern  der  Städte  zusammengehalten,  auch  speciell  der  Land- 
wirthschaft  grosses  Interesse  dargebracht.  Politisch  war  er  ein  eifriges  Mitglied 
der  nationalliberalen  Partei,  in  kirchlicher  Beziehung  regsames  Mitglied  des 
Presbyteriums  der  reformirten  Gemeinde.  Seiner  Ehe  mit  der  Tochter  des 
Göttinger  Rechsgelehrten  und  späteren  Kunsthistorikers  Fr.  W.  Unger  (f  22. 
Dec.  1876,  vgl.  AUg.  deutsche  Biographie  Bd.  39,  289  —  291)  entspross  ein 
Sohn,  der  als  Maler  durch  Schaffensfreudigkeit  und  Erfolg  die  letzten  Lebens- 
jahre des  Vaters  verschönte.  Er  wurde  1886  zum  Geh.  Justizrath  ernannt 
und  erhielt  1891  den  Rothen  Adlerorden  3.  Klasse.  Für  Schönheit  und 
Geist,  Phantasie  und  Witz  empfänglich,  war  er  doch  wesentiich  eine  ruhige, 
nüchtern  abwägende  Natur,  gütig  und  hilfreich,  begeistert  von  seinem  Lehr- 
fach und  von  ernster  Arbeit,  gewissenhaft  im  Kleinen  und  Grossen,  voll 
Vaterlandsliebe  und  unerschütterlichem  Gottvertrauen.  Seine  wissenschaftliche 
Thätigkeit  war  sehr  ausgedehnt.  Es  seien  genannt  die  Schriften  »Ueber  den 
Satz:  ipso  jure  compensatur« .  Gott.  1858;  »Die  Lehre  von  den  untheilbaren 
Obligationen«,  Hannover  1862;  »Ueber  das  im  Kgr.  Hannover  geltende 
Recht  der  Entwässerung  und  Bewässerung«,  Hannover  1862;  Ueber  die 
rechtlichen  Grundsätze  des  Viehhandels«  (Abdr.  a.  d.  Joum.  f.  Landwirthsch.), 
Gott.  1865;  »Erbrechtliche  Competenzfragen«,  I.  Abth.,  Marb.  1868;  »Zur 
Geschichte  der  benannten  Realcontracte  auf  Rückgabe  derselben  Species«, 
Marb.  1870:  »Ueber  Recht  und  Billigkeit«  (Heft  16  d.  Samml.  gemeinverst. 
wiss.  Vorträge  v.  R.  Virchow  und  Fr.  v.  Holtzendorff,  N.  F.,  zweite  Serie), 
Hamb.  1887).  Besonders  werthvoll  ist  seine  Fortsetzung  des  Pandekten- 
commentars  von  Glück  für  die  Bücher  43/44:  »Die  Interdicte«,  5  Theile, 
Erlangen  1889 — 96,  sowie  die  Herausgabe  von  Hartmanns  »Ordo  judiciorum«, 
Gott.  1886,  endlich  die  Schriften  »Ueber  das  Verhältniss  der  bonorum  ven- 
ditio  zum  ordo  judiciorum«,  Marb.  1890  (für  Wetzell)  und  »Ueber  die  Be- 
rechnung des  tempus  utile  der  honorarischen  Temporalklagen«,  Marb.  1891. 

Nach  gef.  Notizen  des  Herrn  Prof.  Dr.  theol.  W.  Bornemann  in  Basel.  —  Vgl.  De 
Gubernatis,  dictionnaire  international  des  ecrivains  du  jour,  Flor.  1888 — 91  p.  1857; 
Kukula,  allg.  deutscher  Hochschulen- Almanach,  Wien  1888,  S.  874;  Krit.  Vierteljahres- 
schrift, Bd.  35,  S.  358—395  (Hellmann):  Zeitschrift  der  Savigny-Stiftung,  Rom.  Abth.  XIII 
384 — 387  (Biermann);  Deutsche  Juristen-Zeitung  1898  S.  431;  Tidsskrifi  for  Retsvidenskab 
1898  p.  518.  —  Ueber  den  Vater  vgl.  »Zum  Andenken  an  den  Oberfinanzrath  Ubbe- 
lohde«, Hannover  1850  und  F.  Frensdorff  in  der  Allg.  Dtsch.  Biographie  Bd.  39«  S.  X16/7. 

A.  Teichmann. 

Merseburger,  Otto,  Maler  und  Buchhändler,  *  18.  December  1822  in 
Leipzig,  f  14.  November  daselbst,  widmete  sich  ursprünglich  dem  Künstler- 
beruf und  besuchte  die  Akademien  zu  Düsseldorf  und  Dresden.  Durch  zahl- 
reiche und  sehr  geschätzte  Portraits  —  er  fertigte  deren  als  selbstständiger 
Maler  und  später  in  Mussestunden  mehrere  Tausende  an  —  hat  M.  sich  einen 
Namen  gemacht.  Sein  Eintritt  in  die  1835  ^^^  K-  ^^'  Meusel  in  Weissen- 
fels  gegründete  und  von  seinem  Bruder,  Carl  Merseburger  in  Leipzig,  er- 
worbene Verlagshandlung,  deren  Chef  O.  M.  in  den  letzten  Jahren  war, 
geschah  in  Folge  privater  Verhältnisse.     Der  Verlag  umfasst  vorwiegend  sehr 


x6o  Merseburger.    Blihler  Christian. 

verbreitete  Schulbücher  und  Musikalien.  —  Als  eifriger  Sammler  brachte  M. 
u.  A.  eine  zuletzt  ii  ooo  Stücke  umfassende  sehr  werthvolle  Sammlung 
sächsischer  Münzen  zusammen,  die  er  1894  durch  Zschiesche  &  Köder  in 
Leipzig  verkaufen  Hess. 

(Näheres  über  den  ausführlichen  Katalog  der  Münzensammlung  s.  »Nachrichten  a.  d. 
dt.  Buchhdl.«  1894  Nr.  18).  Vgl.  »Börsenblatt  f.  d.  dt.  Buchhdl.«  1898  Nr.  266  und  Ver- 
lagskatalog von  Carl  Merseburger  1849 — 89  (m.  Portr.  v.  O.  M.). 

H.  Ellissen. 

Bühler,  Christian,  *  29.  December  1825  in  Bern,  f  in  Bern  am  3.  Fe- 
bruar 1898.  »Ein  grosser  heraldischer  Künstler,  einer  der  allerhervorragendsten 
Jünger  der  edeln  Heroldskunst,  ein  wahrer  Künstler«  ist  B.  in  den  heraldischen 
Zeitschriften  genannt  worden.  Zwar  eine  kunstakademische  Anleitung  und 
Erziehung  erhielt  er  nicht;  er  musste  1846  von  München  nach  einem  kurzen 
Aufenthalt  wegen  Krankheit  wieder  heimkehren ;  aber  schon  als  Kind  schaute 
er  mit  Bewunderung  auf  die  Equipagen  aus  aller  Herren  Ländern,  die  in  dem 
benachbarten  ersten  Gasthof  Berns  anhielten.  Sodann  war  sein  erster  Meister 
der  Flachmaler  Rohr,  der  dort  eine  Sammlung  von  »alten  Ornamentstücken,  Kunst- 
blättern, Copien  von  guten  Glasgemälden«  besass.  Bedeutende  Sammler  und 
Besteller  zwangen  dann  den  Künstler  in  späteren  Jahren  zu  immer  grösserer 
Vollendung.  Besonders  aber  wirkte  der  Sinn  für  Wappenmalerei,  der  seit 
alten  Zeiten  in  Bern  die  Strassen  mit  den  "Wappen  der  Familien,  mit  den 
Wappen  und  Abzeichen  der  Zünfte  und  überall  mit  dem  Wappen thier  der 
Stadt  so  fröhlich  schmückte,  in  B.  nach. 

Die  beste  Schule  Hess  ihm  seit  1850  der  tüchtige  Glasmaler  und  Heraldiker 
Dr.  Ludwig  Stantz  angedeihen.  Mit  ihm  malte  B.  1853  die  Costüme  zu  dem 
historischen  Festzug,  und  Stantz  gab  B.  auch  Gelegenheit,  in  der  Ausführung 
der  von  ihm  entworfenen  kalligraphischen  und  heraldischen  zwölf  Wandtafeln 
im  Speisesaal  des  Schlosses  des  Grafen  Friedrich  von  Pourtal^s  zu  Oberhofen 
sein  eigentliches  Meisterstück  zu  liefern;  man  denkt  unwillkürlich  an  die 
Kronen  und  alle  die  Einzelheiten  auf  den  Bildern  Jan  van  Eycks. 

Im  Jahre  1854  erhielt  B.  eine  sehr  bescheidene  öffentliche  Anstellung  als 
Conservator  des  Kunstmuseums. 

Die  Arbeit  in  Oberhofen  führte  ihm  neue  Bestellungen  zu,  zunächst  von 
Seiten  der  Familie  Pourtal^s.  Dann  fingen  die  Zünfte  an,  ihm  Aufträge  zu 
Titelblättern  der  Zunftbücher,  zu  Wappen,  Fahnen,  Bechern  zu  geben.  Ihnen 
folgten  viele  andere  Berner  Bürger,  patricische  und  gutbürgerliche.  Er 
sah  in  seinem  Beruf  eine  von  Gott  ihm  zugetheilte  Aufgabe.  Seine  Freunde 
mussten  den  Menschen  in  ihm  noch  mehr  achten,  als  den  Künstler;  auf  den 
Vorwurf,  dass  er  zu  peinlich  in  jeder  Arbeit  sei,  erwiderte  er  in  vollem  Ernst: 
»Wenn  er  einmal  Gott  mit  seinen  Werken  müsse  Rechenschaft  ablegen,  und  die- 
selben wären  nicht  recht?«  So  arbeitete  der  Mann  in  seiner  Klause,  die  nach  hinten 
auf  ein  allzu  häusliches  Höfchen  schaute,  zwei  Treppen  hoch  am  Komhaus- 
platz,  vom  Morgen  bis  zum  Abend,  in  grösster  Zurückgezogenheit  und  Ein- 
fachheit, ohne  sich  jemals  grössere  Geselligkeit  zu  gönnen,  mit  einer  Andacht, 
fast  wie  ein  Fiesole. 

1864  beginnt  diese  festlich  geschmückte  Reihe;  aber  auch  die  Zeichnung 
zu  einer  Banknote  wurde  in  diesem  Jahr  von  ihm  verlangt,  später  Zeichnungen, 
zu  Gold-  und  Silbermünzen;  er  habe  sich  nicht  zu  gut  erachtet,  Zeichnungen 
zu  den  Abzeichen  der  Käppi  zu  liefern. 


Bühler  Christian.  i6i 

In  das  Ende  der  sechziger  Jahre  fallt  dann  die  Entstehung  der  Sammlung 
(berühmten  und  traurigen  Andenkens)  des  Stadtraths  F.  Btirki,  »eines  Schatzes 
von  Glasgemälden  aus  dem  14.  bis  18.  Jahrhundert  und  von  Handrissen  alter 
Meister  zu  Glasgemälden,  ausschliesslich  schweizerischen  Ursprungs,  einzig  in 
der  Schweiz«.  (A.  Grenser).  Der  Sammler  nahm  den  Künstler  auf  mehreren 
Reisen  ins  Ausland  mit. 

Im  Jahre  1870  Hess  sich  Hauptmann  Klose  von  Karlsruhe  in  Thun  nieder; 
er  sah  die  Wandtafeln  in  Oberhofen;  einen  ähnlichen  Schmuck  wünschte  er 
für  seinen  Saal,  und  so  begann  ein  sehr  fruchtbarer  und  thätiger  Verkehr  mit 
diesem  Kunstfreund.  1875  erschien  nun  als  Gast  Kloses  dessen  Jugendfreund, 
J.  V.  Scheffel.  B.  wurde  nach  Thun  gebeten,  und  so  knüpfte  sich  eine  Ver- 
bindung des  Heraldikers  mit  dem  Dichter,  von  der  mehrere  herzliche  Briefe, 
Geschenke  zu  Weihnachten  (die  Bergpsalmen,  die  Landschaftsstudien  von  1852, 
kunstgeschichtliche  Prachtwerke)  und  wohl  acht  grosse  und  kleine  Arbeiten  B.'s 
Zeugniss  ablegen.  Am  28.  März  1876  dankt  ihm  der  Dichter  für  die  »schöne 
heraldische  Composition«,  die  B.  ihm  zum  50.  Geburtstag  zu  widmen  die 
Güte  gehabt  habe.  »Die  Correctheit  der  P'ormen  und  die  harmonische  Farben- 
gebung  hat  allgemeine  Anerkennung  gefunden.«  Scheffel  bittet  ihn  zugleich,  da  er 
in  den  erblichen  Adelstaiid  erhoben  worden  sei,  ein  gleiches  Blatt  —  aber  mit  der 
endgiltigen  Aufnahme  des  neuen  Wappens  (Taube  im  Schild  und  Pegasus  als 
Helmzier),  sowie  des  inzwischen  erhaltenen  Ehrenbürgerrechts  von  Radolfzell 
—  als  Familiendocument  für  alle  Zukunft  zu  entwerfen.  1878  und  1879  ent- 
standen die  Entwürfe  zu  zwei  Glasgemälden:  das  Trauwappen  v.  Scheflfel- 
V.  Malsen  und  »unten  im  Kneipzimmer  der  Mettnau  der  sei.  Radolf  mit  dem 
Wappen  von  Radolfzell.  1884  noch  die  grosse  friesartige  im  Styl  des  15.  Jahr- 
hunderts ornamentirte  Schrifttafel  des  heil.  Wolfgang  in  dem  Saal  des  ersten 
Stockes.«  (Aufzeichnung  Ch.  B.)  Besonders  das  letzte  Werk  freute  wieder 
den  Sänger  des  Mittelalters:  »Die  Sorgfalt  der  Detailausführung  und  die 
monumentale  Haltung  des  Ganzen  wirken  zusammen ;  das  weisse  Benedictiner- 
habit  hat  etwas  Lichtes,  Verklärendes.  Empfangen  Sie,  verehrter.  Meister, 
meinen  herzlichen  Dank  für  das  schöne  Werk,  mit  welchem  Sie  sich,  wie  dem 
heil.  Wolfgang  einen  bleibendes  Andenken  auf  der  Mettnau  gesichert  haben.« 
Dazwischen  gab  es  1881  ein  schönes  Geschenk  für  das  fursdiche  Brautpaar, 
den  Kronprinzen  v.  Schweden  und  Victoria  von  Baden,  herzustellen,  ein 
Doppelwappen  der  Verlobten;  v.  Seh.  schrieb  darüber  2.  Mai  1881:  »Das 
prächtige  Allianzwappen  habe  ich  in  einfacher,  aber  sehr  eleganter  Mappe 
letzten  Sonnabend  30.  April  überreicht,  und  sowohl  die  Braut  Prinzessin  Vic- 
toria als  der  Grossherzog,  sprachen  ihre  Freude  und  Anerkennung  aus.« 
Schon  im  Januar  1881  hatte  er  zum  zweiten  Mal  aufgefordert:  »Ich  wünsche, 
dass  Sie  im  nächsten  Sommer  sich '  auf  Mettnau  überzeugen,  wie  die  Berner 
Glasgemälde  zu  den  Stuben,  Vertäfelungen  und  zur  Abendsonne  stimmen.« 
Der  Einladung  folgend,  brachte  B.  im  September  1881  acht  Tage  am  Unter- 
see zu;  aber  er  konnte  auch  hier  dem  hoch  verehrten  Wirthe  wieder  einen 
Dienst  leisten,  indem  er  schnell  in  ein  Album  ein  Gastgeschenk  für  Gross- 
herzogin und  Tochter,  die  am  Tage  der  Abreise  B.'s  zum  Besuch  auf  der 
Mettnau  erwartet  wurden,  das  grossherzogliche  Wappen  malte.  »Alles  vortreff- 
lich gegangen  (schrieb  v.  Seh.  am  Tage  nachher),  vom  besten  Wetter  be- 
günstigt. Album  hat  grosse  Ueberraschung  bereitet  .  .  ich  danke  nochmals 
herzlich  für  Ihre  Mühe.« 

1878   entschloss    sich  B.,    »dem  Drängen    eines  Freundes    nachgebend«, 

Biogr.  Jahrb.  n.  Deutseber  Nekrolog.   3.  Bd.  II 


102  Bühler  Christian. 

eines  seiner  Wappen  auf  die  Heraldische  Ausstellung  nach  Wien  zu 
senden.  Im  Fachbericht  schien  nirgends  seiner  gedacht  zu  sein,  bis  am 
Ende  zu  lesen  stand:  »Das  Beste  haben  wir  uns  für  zuletzt  aufgehoben. 
Wir  meinen  das  durch  meisterhaft  schöne  Composition  und  tadellose  Aus- 
führung von  jedermann  —  Laien  wie  Fachleuten  —  bewunderte  WattenwyFsche 
Wappen  von  dem  Schweizer  Maler  Herrn  Christian  Bühler.«  Scheffel  schrieb : 
»Nehmen  Sie  auch  von  mir  einen  freundlichen  Glückwunsch  entgegen  für  das 
Ehrendiplom  von  Wien,  das  mich  übrigens  nicht  überraschte,  denn  an  feinem 
heraldischen  Stylgefühl  und  Wissen,  verbunden  mit  vollkommen  sicherer  tech- 
nischer Ausfuhrung  werden  sie  wenig  Wettbewerber  in  Alteuropa  finden.« 
Das  war  nun  einmal  ein  grosser  Erfolg,  in  seinem  52.  Jahre.  Leider  ver- 
hinderte derselbe  nicht,  dass  B.  1880  seine  Stelle  als  Inspector  des  Kunst- 
museums in  Bern  verlor.  Auch  sonst  gab  es  Rosen  und  Passionsblumen,  wie 
er  sich  einmal  malend  ausdrückte,  in  seinem  Leben.  1881  wurde  er  von  der 
heraldischen  Akademie  zu  Pisa  zum  correspondirenden  Mitglied  ernannt,  und 
1882  auf  der  heraldischen  Ausstellung  in  Berlin  mit  dem  ersten  Preis  aus- 
gezeichnet. 

Unterdessen  ging  die  Arbeit  für  Bemer  Behörden,  Gesellschafter\,  Bürger 
unermüdlich  fort.  Der  Bundesrath  bat  ihn  um  die  Anfertigung  von  kostbaren 
Glückwunsch-  und  Anerkennungsschreiben  für  Schiess,  Kern,  B.  Studer, 
G.  Keller  1889;  letzteres  lag  in  einer  Mappe,  die  von  B.  mit  einer  prächtigen 
Aufschrift  geschmückt  war.  Aber  der  Empfanger  habe  es  etwas  gleichgültig 
und  brummig  bei  Seite  gelegt.  Hoch  im  Norden  bestellte  der  Senat  von 
Lübeck  die  Zeichnung  eines  Glasgemäldes  mit  dem  Doppeladler,  für  die 
Kriegsstube  des  Rathhauses. 

Das  Bundesfest  und  die  Berner  Gründungsfeier  1891  machten  auch  an 
B.  ihre  Ansprüche,  und  jetzt  wurde  ihm  auch  in  der  Heimath  eine  öffentliche 
Anerkennung  zu  Theil:  er  wurde  mit  Prof.  Blösch,  Dr.  Karl  Munzinger,  Pfr. 
Weber  Ehrenbürger  Berns  und  Zunftgenosse  der  Zunft  zu  Obergerwem. 

Den  Sommer  1897  brachte  er  mit  lieben  Freunden  einige  Wochen  an 
der  Lenk  zu;  dann  kehrte  er  nach  Bern  zurück,  wo  er  mit  zwei  Schwestern, 
von  denen  Fräulein  Kathrine  sich  durch  die  Herstellung  des  Niederländer 
Teppichs,  eine  Arbeit  von  zwanzig  Jahren,  als  Stickerin  wohlverdient  gemacht 
hat,  in  brüderlicher  Liebe  gemeinsam  wohnte  und  jede  Pflege  fand,  soweit 
grosse  Anspruchslosigkeit  sie  gestattete.  Und  er  arbeitete  wieder  fleissig 
weiter.  Dennoch  war  er  auf  den  Tod  vorbereitet.  Kurz  vor  seinem  Ende 
schrieb  er:  »Wartet  einer  auf  das  Oeflfnen  der  Thore  der  Ewigkeit  —  so 
achtet  er  sich  nicht  mehr  der  irdischen  Zeit.«  Grosse  Schwäche  nöthigte  ihn 
endlich,  sich  zu  Bett  zu  legen,  nicht  eine  schwere  Krankheit.  Die  guten 
Schwestern  dachten  gar  nicht,  dass  ihnen  das  Schlimmste  bevorstehe,  als  er 
sagte:  »Lasst  mich  jetzt  schlafen«  und  für  immer  sanft  entschlief,  axn 
3.  Februar  1898. 

Er  hatte  sich  einmal  bei  Graveur  Franz  Homberg,  der,  wie  alle  seine 
Freunde,  seine  Kunst  ebenso  hoch  verehrte,  wie  die  Bescheidenheit  und  Rein- 
heit seines  Herzens,  ein  Stahlsiegel  machen  lassen,  keinen  ritterlichen  Schmuck, 
nur  ein  B  mit  der  Umschrift:  nüt  über  die  edel  kunst.  Man  hat  das 
Siegel  mit  diesen  schönen  und  wahren  Worten  in  Erz  an  seinen  Grabstein 
geheftet. 

»Adler«,  Jahrgang  V  1878,  S.  24  ff.  von  Alfred  Grenser.  —  Graveur-Zeitung  1SS4, 
Nr.  I  von  F.  Warnecke.  —  Adressbuch  für  Freunde  der  Wappenkunde,  1884,  von  A.  Grenser, 


Bühler  Christian.     Baedeker.     Schütze.  163 

I,  20.  —  V.  Eberstein.  Handbuch  für  den  deutschen  Adel,  1891,  Abtheil.  I,  S.  172.  — 
Oberländer  Volksblatt,  5.  Febr.  1898.  —  Bund,  6.  Febr.  1898  von  F.  Homberg.  —  Neue 
Züricher  Zeitung,  6.  Febr.  1898  von  Dr.  Walthard.  —  Sonett  von  E.  Lauterburg,  Bund, 
12.  Febr.   1898. 

W.  F.  V.  Mülinen  in  den  Archives  heraldiques  1898. 

Alex.  Frhr.  v.  Dachenhausen  in  den  »Herald.  Mittheilungen«  des  Vereins  »Zum  Klee- 
blatt« in  Hannover,  Jahrgang  1898,  Nr.  4,  5  und  6.  Der  Verf.  giebt  ein  sehr  dankens- 
werthes  Verzeichniss  der  Arbeiten  B.'s.     Wir  fügen  noch  folgende  bei: 

1877  Titelblatt  für  Graveur  Homberg  —  1878  Wappen  Haaf  —  1879  Titel  der  Fest- 
Schrift  zur  Eröffnung  des  Kunstmuseums  in  Bern  —  1879  ff.  Einbanddecken  zu  Sänger  aus 
Helvetiens  Gauen,  der  letzte  Zähringer,  Cäsarentraum  von  Ernst  Heller  —  1881  TeUer  für 
B.  Haller,  »Basilisk  u.  Berner  Mutz  Sind  vereint  zu  Schutz  und  Trutz«  —  x888  Wappen 
Hofer-Neukomm  —  1890  Wappen  Baumann,  Ott-Schön,  Hirzel  auf  Holz  für  die  Gesell- 
schaft der  Böcke  in  Zürich  —  1891  Berner  Gründungsfeier-Medaille  —  1895  Haussegen 
für  M.  v.  M.   —  Titel  eines  Albums  in  Pension  Schönberg  bei  Thun.  — 

Eine  Arbeit  über  seine  Technik  von  seinem  Schüler  Rudolf  Münger  soll  noch  in  den 
Archives  heraldiques  und  eine  Biographie  von  Robert  v.  Diesbach  in  den  Berner  Biographien 
erscheinen. 

Porträt  Bühlers  in  Oel,  von  Albert  Anker-Ins,  nach  dem  Tode  nach  einer  Photographie 
und  aus  der  Erinnerung  geroalt,  im  Berner  Kunstmuseum.  Von  Graveur  Homberg  ist  eine 
BUhler-Medaille  beabsichtigt. 

Bern.  Karl  Frey. 

Baedeker,  JuHus,  Buchhändler,  *  21.  August  1821,  f  22.  November  1898 
in  Essen.  J.  B.  war  der  jüngste  von  sechs  Söhnen  des  Begründers  der  Firma 
G.  D.  Baedeker  in  Essen.  Seine  Lehrzeit  bestand  er  bei  seinem  Bruder 
Karl  B.  in  Coblenz.  Bereits  1844  übernahm  er  mit  seinem  Bruder  Eduard 
das  elterliche  Geschäft,  das  Buchhandlung,  Buchverlag  und  Buchdruckerei  um- 
fasste  und  später  durch  technisch  verwandte  Geschäftszweige  erweitert  wurde. 
Seine  Hauptthätigkeit  widmete  er  u.  A.  der  Pflege  eines  vorwiegend  päda- 
gogischen Verlags,  dem  Autoren  wie  Krummacher,  Diesterweg,  Kellner,  Koppe, 
Spiess,  Erk  und  Greef  angehören,  in  dem  auch  zuerst  (1854)  Wilhelms  Com- 
position  der  »Wacht  am  Rhein«  erschien.  Auf  J.  B.'s  Anregung  erschienen 
die  »Gesammten  Naturwissenschaften«,  der  »Berg-  und  Hütten-Kalender«,  der 
»Ingenieur-Kalender«  u.  s.  w.  Nicht  minder  eifrig  widmete  er  sich  der  Re- 
daction  der  bereits  1738  gegründeten  »Essener  Zeitung«,  zu  welchem  Titel 
das  Blatt  1860  zurückkehrte,  nachdem  es  lange  Jahre  hindurch  unter  dem 
Titel  ^> Allgemeine  politische  Nachrichten«  erschienen  war.  Nach  Verschmelzung 
mit  der  »Westfälischen  Zeitung«  in  Dortmund,  nahm  die  »Essener  Zeitung« 
1883  den  Titel  »Rheinisch-Westfälische  Zeitung«  an.  B.  führte  die  Redaction 
in  liberalem  Sinne  bis  1884,  den  zu  hohem  Ansehen  gelangten  Buchverlag, 
nachdem  schon  1879  sein  Bruder  Eduard  gestorben  war,  bis  1894  fort.  Erst 
dann  schied  er  aus  der  Firma  ganz  aus,  sein  arbeits-  und  segensreiches  Leben 
im  glücklichen  Familienleben  beschliessend. 

Vgl.  Börsenblatt  f.  d.  dt.  Buchh.  1898,  Nr.  276  (mit  etwas  verkürztem  Nachruf  aus 
der  »Rheinisch-Westfälischen  Zeitung«). 

H.  Ellissen. 

Schütze,  Wilhelm,  Genremaler,  *  1840  zu  Kaufbeuren,  f  31.  Mai  1898 
zu  München.  Anfangs  Lithograph,  kam  Seh.  nach  München,  auf  die  Akademie 
zu  Alexander  von  Wagner  und  machte  sich  alsbald  einen  geachteten  Namen. 
Mit  Vorliebe  wählte  Seh.  Darstellungen  aus  der  Kinderwelt,  wobei  er  Genre, 
Thierstticke  und  Landschaft  in  gleicher  Wechselwirkung  vereinte.     In  seinen 

II* 


l54  Schütze.     Ruprecht.     Marold. 

Kinderscenen  ftihlt  man  das  Vorbild  von  Ludwig  Richter  und  Oscar  Fletsch. 
Damit  verband  er  aber  auch  eine  sehr  scharf  beobachtende,  durchweg  von 
heiterem  Humor  angehauchte  Darstellung  der  Thierwelt,  insbesondere  der 
Katzen,  wobei  er  unwillkürlich  an  Henriette  Ronner  gemahnt.  Die  meisten 
seiner  immer  gesuchten  kleinen  Oelbilder  wurden  durch  Photographie  und 
Holzschnitt  vervieltältigt  und  durch  zahlreiche  Clich^s  verbreitet.  Der  treff- 
liche Künstler  schied  nach  langem,  mit  Erblindung  verbundenem  Leiden. 

Vgl.  Pecht  Gesch    der  Münchener    Kunst  1888,    S.  350.     Abendblatt  150  »AUgem. 
Ztg.c  2.  Juni  1898. 

Hyac.  Holland. 

Ruprecht,  Carl  Joh.  Fr.  Wilh.,  Buchhändler,  ♦  13.  Sept.  1821  in  Göttingen, 
f  8.  Januar  1898  in  Berlin,  trat  nach  gründlicher  wissenschaftiicher  und  fach- 
männischer Vorbildung,  1848  als  Theilhaber  in  das  berühmte  väterliche  Ge- 
schäft, die  1735  gegründete  Buchhandlung  von  Vandenhoeck  &  Ruprecht  in 
Göttingen  ein,  deren  Alleinbesitzer  er  nach  dem  Tode  seines  Vaters,  1861, 
wurde.  Das  schon  vorher  unter  der  selbstständigen  Firma  Akademische 
Buchhandlung  von  V.  &  R.  betriebene  Sortiment  ging  1874  käuflich  in 
andere  Hände  über.  R.  widmete  sich  nach  wie  vor  mit  regstem  Eifer  dem 
durch  viele  berühmte  Autoren  und  gediegene  Werke,  besonders  aus  den  Ge- 
bieten der  Theologie,  Philologie,  Pharmacie,  Bibliographie  u.  s.  w.  aus- 
gezeichneten Verlage.  Ein  besonderes  Verdienst  erwarb  sich  R.  u.  A.  durch 
die  Schaffung  und  theilweise  eigene  Bearbeitung  fachwissenschaftlicher  perio- 
discher Weltkataloge  in  systematischer  Anordnung  (1847  ff-)-  I"  ^^^  Jahren 
1853 — 61  redigirte  er  das  » Unterhai tungs-  und  Anzeigeblatt  für  Göttingen €. 
Vielseitig  war  sein  Mitwirken  bei  communalen  und  buchhändlerischen  An- 
gelegenheiten, wie  er .  besonders  auch  zeitweilig  an  der  Leitung  des  Börsen- 
vereins betheiligt  war.  Das  Geschäft  ging  in  den  Besitz  seiner  schon  1888 
eingetretenen  Söhne,  Dr.  Wilhelm  und  Gustav  Ruprecht,  über. 

Vgl.  »Börsenblatt  f.  d.  dt.  Buchhdl.c  1885  Nr.  38  u.  248  (H.  Ellissen),  1898  Nr.  7 
u.   15  u.  Pfau,  Biogr.  Lex.  d.  dt.  Buchhdls,  1890. 

H.  Ellissen. 

Marold  Ludek  M.,  Maler  und  Zeichner,  ♦  7.  August  1863  zu  Prag, 
f  30.  November  1898  daselbst,  lieferte  frühzeitig  Illustrationen  zum  »Svötozor«, 
besuchte  1881  die  dortige  Academie,  1882  die  Schule  von  Gysis  und  Löfftz 
in  München,  wo  er  die  ersten  Aufträge  (Holzschnittzeichnungen  zu  Hack- 
länders  kleineren  humoristischen  Erzählungen)  erhielt  und  damit  das  seiner 
Natur  am  meisten  zusagende  Gebiet  betrat.  Alsbald  folgten  weitere  Be- 
stellungen für  Buchhändler  und  Zeitungsverleger.  So  finden  wir  seinen  Namen 
unter  einer  Scene  »Vor  der  alten  Residenz  in  München  während  der  Auf- 
bahrung König  Ludwig  II.«  Damals  scheint  M.  schon  in  Beziehungen  zu 
der  berühmten  Firma  »Braun  &  Schneider«  getreten  zu  sein.  In  Prag  bildete 
er  sich  weiter  1887 — 88  bei  Max  Pimer  und  machte  durch  seine  Oelbilder 
viel  Aufsehen,  insbesondere  durch  den  »Eiermarkt  in  Prag«  (angekauft  für 
die  Gallerie  des  Rudolfinums  1888)  —  ein  Werk,  womit  der  Künstler  seine 
Eigenart  schon  völlig  bekundete.  »Das  Concept  (denn  Composition  kann  man 
nicht  gut  sagen,  es  ist  ja  ein  Ausschnitt  aus  der  Wirklichkeit)  sehr  pikant, 
die  Zeichnung  virtuos,  die  Figuren,  Prager  Typen,  scharf  charakterisirt  und 
lebendig  gezeichnet,  Luft  und  Farbengebung  wahr  und  kühl,    kurz  die  ganze 


Marold.     Keitzel.  165 

Stimmung  treffend,  frisch  und  köstlich  wiedergegeben.«  Das  Bild  mag  als  ein 
wahres  Programm  fiir  die  Vorzüge  des  Künsders  gelten,  der  mit  einem 
Stipendium  nach  Paris  gesendet  wurde,  um  sich  in  Gallands  Atelier  als 
Lehrer  iur  die  Kunstgewerbeschule  auszubilden.  M.,  welcher  längst  schon 
in  Jean  Beraud  sein  Ideal  gefunden  hatte,  ging  in  Paris  seine  eigenen 
Wege,  er  erhielt  neue  Anregung  von  allen  Seiten,  machte  sich  in  kurzer 
Zeit  als  Illustrator  bekannt,  gewann  einen  guten  Namen,  wurde  von 
Verlegern  gesucht.  Er  lieferte  regelmässige  artistische  Beiträge  zu  Zeit- 
schriften, wie  »Illustration«,  zu  »Figaro«  u.  dgl.,  auch  eine  französische 
Edition  von  Goethes  »Werther«  erhielt  durch  M.  künstlerischen  Schmuck. 
Seine  eigentliche  Domaine  aber  wurde  das  sog.  »Salongenre«.  In  ununter- 
brochener, immer  neuer  Folge  schuf  er  Scenen  aus  den  aristokratischen 
Salons  der  modernen  Haute-Volde,  mit  ihren  unentbehrlichen,  wechselbunten 
Moden,  mit  ihrem  Trick  und  Sport;  er  schilderte  das  zu  allen  Zeiten  immer 
gleiche  blasirte  Treiben  der  stets  neu  nachwachsenden  goldenen  Jüngelchen; 
die  Allüren  des  geldbehäbigen  Bankerthums;  den  fascinirenden  Chic  der 
Demi-monde  mit  dem  ganzen  ohrbetäubenden  Hautgout  des  leichtbeweglichen 
Pariser  Treibens:  dieses  echte  Herzblut  der  bestrickenden,  ewig  jungen  Seine- 
stadt rollte  durth  M.'s  Schöpfungen,  und  zwar  dargestellt  in  einer  ihm  wie 
angeboren  geläufigen,  einzig  adäquaten,  virtuosen  und  doch  so  grundsoliden 
Technik  von  Guasch,  Aquarell  und  Stift.  Mit  öfter  wechselndem  Aufenthalt 
zwischen  Paris,  München  und  Prag  entstanden  diese  farbigen  Zeichnungen, 
welche  dem  Künstler  volle  Sympathie  und  Bewunderung  er^'arben,  welche 
durch  das  Panorama  »Die  Schlacht  bei  Lipany«  noch  gesteigert  wurde.  M. 
erhielt  die  goldene  Medaille  auf  der  Berliner  Ausstellung;  in  München  wurden 
drei  seiner  Aquarelle  auf  Staatskosten  für  das  kgl.  Kupferstich -Cabinet  an- 
gekauft. Einen  Schatz  von  fünfzig  köstlichen  Blättern  erwarb  die  Verlags- 
buchhandlung Braun  &  Schneider,  welche  (Januar  1899)  im  Münchener  Kunst- 
verein zur  Ausstellung  kamen;  einige  davon  wurden  in  den  »Fliegenden  Blättern« 
und  die  ganze  Collection  als  »Marold -Album«  1899  bei  Braun  &  Schneider 
in  Holzschnitt  reproducirt;  ein  eminentes  Blatt  »Krankenbesuch«  (ein  alter 
Arzt  am  Krankenlager  einer  jugendlichen  Sängerin)  findet  sich  als  Helio- 
gravüre in  Hanfstängl  »Die  Kunst  unserer  Zeit«  (München  1899,  III.  Heft). 
M.'s  Kunst  »ging  nicht  in  die  Tiefe,  aber  sie  bewegt  sich  an  der  Oberfläche 
mit  soviel  Sicherheit  und  Grazie,  in  so  weiser  Selbstbeschränkung,  dass  Nie- 
mand ihm  den  Vorwurf  der  Oberflächlichkeit  machen  wird.« 

Vgl.  Fr.  V.  Bötticher,  Malerwerkc,  1895,  I-  940-  MUUer-Singer's  Künstler-Lexikon 
1897,  III.  114.  »Kunst  für  Alle«  8.  Hft  XIV.  B.  vom  15.  Januar  1899.  S.  122  (mit  Portr.). 
F.  Popp  »Bayer.  Kurier«  21.  Januar  1899. 

Hyac.  Holland. 

Reitzely  Robert.  Redacteur  in  Detroit  im  Staate  Michigan,  Vereinigte 
Staaten  von  Nordamerika,  *  27.  Januar  1849  ^^  Schopf  heim  in  Baden, 
t  31.  März  1898  in  Detroit.  Seinen  ersten  Unterricht  erhielt  er  von  seinem 
Vater,  der  Schullehrer  in  seinem  Geburtsort  war.  Dann  war  er  der  Reihe 
nach  auf  den  Gymnasien  zu  Karlsruhe,  Mannheim  und  Konstanz;  endlich 
auf  der  Universität  Heidelberg,  um  protestantische  Theologie  zu  studiren.  Er  gab 
jedoch  das  theologische  Studium  bald  auf  und  widmete  sich  der  Litteratur 
und  Philosophie.  Ohne  formellen  Abschluss  seiner  Universitätszeit  durch  ein 
Examen  wanderte  er  im  Jahre  187 1  nach  Amerika  aus.     Er  kostete  die  Leiden 


i66  Reitzel. 

eines  mittellosen  Einwanderers  ohne  Beruf  wacker  aus  und  führte  zumeist  in 
New- York  und  Baltimore  ein  ruheloses,  ungeregeltes  Leben.  In  Baltimore 
arbeitete  er  eine  Zeit  lang  in  einer  Tabakfabrik.  In  Washington  gelang  es 
ihm,  sich  eine  angemessenere  Stellung  zu  erwerben.  Er  legte  vor  der  dortigen 
deutsch-reformirten  Synode  das  vorgeschriebene  theologische  Amtsexamen  ab 
und  wurde  zum  Prediger  ordinirt.  Er  erhielt  ein  Predigtamt  in  der  Bundes- 
hauptstadt, dem  er  eine  Zeit  lang  vorstand,  bis  seine  freieren  Anschauungen 
einen  Bruch  mit  der  orthodoxen  Kirchenbehörde  herbeiführten.  Seine  liebens- 
würdige, beredte  und  magnetische  Persönlichkeit  vermochte  es  jedoch,  dass 
fast  seine  ganze  Gemeinde  sich  auf  seine  Seite  stellte  und  mit  ihm  eine  freie 
Gemeinde  gründete,  was  durch  die  fast  autonome  Stellung  der  einzelnen  kirch- 
lichen Gemeinden  Amerikas  wesentlich  erleichtert  wurde.  Als  freireligiöser 
Wanderredner  besuchte  er  seit  1874  alle  grösseren  Städte  des  Landes,  und 
überhaupt  alle  Orte,  wo  sich  eine  in  den  Traditionen  des  48  er  Liberalismus 
lebende,  eingewanderte  deutsche  Bevölkerung  befand.  Hier  unter  den  durch 
die  politischen  Wirren  der  deutschen  Revolution  nach  Amerika  verschlagenen 
Deutschen  fand  er  einen  günstigen  Boden  für  die  Verbreitung  Feuerbachischer 
und  radical-politischer  Ideen.  Allerorten  fand  er  die  freundlichste  Aufnahme 
bei  den  politisch  oder  religiös  radicalen  Elementen  desDeutsch-Amerikanerthums. 
Zum  nicht  geringen  Theile  wurde  der  Umschwung  in  seinen  Anschauungen 
durch  seine  Bekanntschaft  mit  Karl  Heinzen  beschleunigt.  1876  kam  er  zum 
ersten  Male  nach  Detroit  und  hielt  im  Hause  des  Sozialen  Turnvereins  daselbst 
Sonntagsvorträge,  und  Ende  der  70  er  Jahre  siedelte  er  ganz  dahin  über.  Von 
hier  aus  bereiste  er  die  mittleren  und  westlichen  Staaten,  überall  in  den 
deutschen  Freidenker-  und  Turnvereinen  Vorträge  über  religionsphilosophische 
und  späterhin  immer  mehr  auch  über  litterarische  Fragen  haltend.  1884 
gründete  er  mit  Hülfe  seiner  Freunde  eine  litterarische  Wochenschrift,  der  er 
den  Namen  »Der  arme  Teufel«  gab.  Der  Erfolg  dieser  ganz  eigenartigen 
Zeitschrift  ermöglichte  es  ihm,  sich  ganz  und  gar  seinem  Blatte  zu  widmen, 
dessen  Inhalt  er  im  Wesentlichen  allein  verfasste.  »Der  arme  Teufel«  wurde 
das  geistige  Bindemittel  vieler  Hunderte  überallhin  verstreuter  freigeistiger 
deutscher  Männer  und  Frauen.  Dies  Blatt  redigirte  er  ununterbrochen  bis 
an  sein  Lebensende.  Ein  reicher  Detroiter  Brauer,  Robert  Lieber,  aus  Süd- 
deutschland stammend,  gab  ihm  die  Mittel,  um  1889  eine  längere  Reise  nach 
seiner  Heimath  und  nach  der  Schweiz  zu  machen,  wo  er  mit  einer  Reihe 
jüngstdeutscher  Dichter  radicaler  Tendenz  (Henckell,  Mackay,  M.  v.  Stern, 
Oskar  Panizza  u.  A.)  intimere  Bekanntschaft  machte.  1893  wurde  er  von 
einem  Rückenmarksleiden  befallen,  das  sich  1894  so  sehr  verschlimmerte, 
dass  ihm  die  Beine  lahm  wurden  und  er  bis  zu  seinem  Tode  ans  Bett  ge- 
fesselt blieb.  Der  Tod  erfolgte  unter  grossen  Qualen,  die  von  R.  mit  helden- 
hafter Standhaftigkeit  ertragen  wurden,  an  Rückenmarksschwindsucht,  kurz 
vor  Mitternacht  des  31.  März.  Die  Leiche  wurde  am  2.  April  darauf  zu 
Detroit  verbrannt.  Es  überlebte  ihn  seine  Wittwe,  Anna  geb.  Martin,  aus 
Washington,  mit  der  er  seit  1872  verheirathet  war,  und  von  seinen  8  Kindern, 
2  Töchter  und  ein  Sohn. 

Mit  ihm  ist  eine  in  mancher  Hinsicht  typische  und  doch  auch  >^ieder 
ganz  eigenth  um  liehe  Gestalt  deutschamerikanischen  Lebens  dahingegangen. 
Durch  Tradition  (seine  heiss  geliebte,  früh  verstorbene  Mutter  sympathisirte 
stark  mit  den  badischen  Revolutionären  von  1848)  und  persönliche  Anlage 
für  die  Freiheit  Nordamerikas  gleichsam  prädestinirt,  hat  er  Zeit  seines  Lebens 


Reitzel.     Waldow,  l5y 

durch  Wort  und  That  die  Freiheit  des  Individuums  nach  allen  Richtungen 
zu  fördern  gesucht.  Auf  religiösem  Gebiete  hat  er  dogmatischen  Zwang  und 
Intoleranz  bekämpft,  doch  nie  die  wahrhaft  religiösen  Gefühle  beleidigt  oder 
verletzt.  Keiner  politischen  und  socialen  Partei  angehörig,  ist  er  mit  freudigem 
Eifer  für  die  Befreiung  der  modernen  Lohnarbeiter  aus  unwürdiger,  mach t- 
und  rechtloser  Stellung  eingetreten.  Für  das  Recht  der  Frau  auf  Individualität 
und  grössere  Selbstständigkeit  brach  er  manche  Lanze,  wie  er  überhaupt  für 
natürlichere,  weniger  heuchlerisch-moralische  Beziehungen  zwischen  den  beiden 
Geschlechtem  plädirte.  Als  Mittel  zur  Propaganda  seiner  Bestrebungen  diente 
ihm  das  gesprochene  Wort  und  seit  Gründung  des  »Armen  Teufels«  noch 
mehr  seine  journalistische  Thätigkeit. 

R.  ist  auch  öfter  mit  Gedichten  hervorgetreten.  Aber  seine  eigentliche 
Kraft  lag  auf  dem  Gebiete  einer  blendenden,  gehaltvollen  Prosa.  Mit  Recht 
konnte  er  von  sich  sagen,  dass  er  der  deutschen  Sprache  in  Amerika  einen 
kleinen  Tempel  errichtet,  dass  er  unter  Handelsbotokuden,  Zeitungskaffern  und 
-mir  und  mich«  Biedermännern  die  Sprache  Lessings,  Goethes  und  Schillers 
geredet  habe.  In  feinsinnigen  Essays  vermittelte  er  den  Deutschamerikanern 
die  intime  Kenntniss  seiner  litterarischen  Lieblinge:  die  Klassiker,  G.  Keller, 
Heine,  Scheffel,  Anzengruber,  Storm,  von  Nichtdeutschen  namentlich  die  Ameri- 
kaner Emerson,  Thoreau,  Wm.  Curtis,  Walt  Whitman,  den  Franzosen  Claude 
Tillier,  und  von  der  jungen  Dichtergeneration  die  radicalen  Tendenzpoeten 
sowie  Friedrich  Nietzsche.  Ein  hoch  entwickeltes  Naturgefühl  und  eine  leiden- 
schaftliche Liebe  zu  seiner  alemannischen  Heimath,  seinem  Volke,  war  ihm 
eigen.  Dies  äusserte  sich  auch  in  seiner  Vorliebe  für  die  Dialectpoesie,  Reuter, 
Rosegger  u.  A. 

Eine  ausgewählte  Sammlung  von  R.*s  Essays,  Gedichten,  Skizzen  und  Aufsätzen  be- 
reitet der  jetzige  Redacteur  des  »Armen  Teufels«,  Dr.  Martin  Drescher  in  Detroit,  vor. 
Sie  wird  R.  R.  auch  in  Deutschland  bekannt  machen. 

»Der  arme  Teufel«  1884— 1898;  die  »Gesellschaft«,  Jahrgang  1898,  Aufsatz  von  Wil- 
helm Spohr;  »Der  Sozialist«  (Berlin).  VIII.  Jahrg.,  Nr.  19  (»Robert  Reitzel-Nummer«,  hat 
auch  ein  Bildniss);  »Liberty«  (Herausgeber  Benjamin  Tucker)  New-York,  15.  April  X898. 
Ein  Bild  findet  sich  in  Nr.  697  des  »Armen  Teufels«. 

Karl  Detlev  Jessen. 

Waldow,  Alexander,  Buchdrucker  und  Verlagsbuchhändler,  *  5.  Februar 
1834  zu  Stolp  in  Pommern,  f  8.  October  1898,  Sohn  wohlhabender  Eltern, 
beendete  seine  Schulzeit  in  Dresden  und  widmete  sich  der  Buchdruckerei, 
die  er  bei  Meinhold  &  Söhne  und  Liepsch  &  Reichhardt  in  Dresden  er- 
lernte. Später  war  er,  besonders  als  Accidenzsetzer,  in  bedeutenden  Druckereien 
in  Dessau,  wieder  in  Dresden  und  in  Leipzig  beschäftigt.  1857  übernahm 
er  die  Leitung  der  J.  D.  Sauerländer' sehen  Buchdruckerei  in  Frankfurt  a.  M. 
Nach  Leipzig  zurückgekehrt,  gründete  er  am  i.  Juli  1860  eine  eigene  Buch- 
und  Kunstdruckerei,  mit  der  er  bald  eine  Verlagsbuchhandlung  für  typographische 
Litteratur  und  eine  Buchdruck -Utensilienhandlung  verband.  Mit  einer  »Taschen- 
Agenda  für  Buchdrucker«  (1862)  eröffnete  er  seine  verdienstliche  fachschrift- 
stellerische Thätigkeit  und  führte  sie  unablässig  fort  in  dem  1864  gegründeten 
^Archiv  für  Buchdruckerkunst«.  Andere,  zumeist  aus  seiner  Feder  hervor- 
gegangene Werke  sind  die  »Lehre  vom  Accidenzsatz«,  die  »Anleitung  zum 
Farbendruck  auf  der  Buchdruck  presse«,  das  »Grosse  Lehrbuch  der  Buch- 
druckerkunst«,   das  »Lehrbuch  für  Schriftsetzer«,    »Die  Buchdruckerkunst    in 


i68  Waldow.     Dodge.     Volkening. 

ihrem    technischen  Betriebe«    und    die    umfassende  illustrirte    »Encyclopädie 
der  graphischen  Künste«. 

Vgl.  »Zeitschrift  f.  Deutschlands  Buchdruckerc  1898,  Nr.  41  (Nekrolog  v,  H.  Schwarz, 
m.  Portr.),  »Archiv  f.  Buchdnickerkunst«  1898,  H.  11  (m.  Portr.),  »Börsenblatt  f.  d.  dtsch. 
Buchhdl.«  1898,  Nr.  236  und  Pfau,  K.  F.,  Biogr.  Lex.  d.  dtsch.  Buchhdls.  Lpzg.  1890 
(m.  Portr.). 

H.  Eliissen. 

Dodge,  Emest,  Landschaftsmaler  und  Radirer,  *  26.  August  1863  zu 
Boston,  f  21.  August  1898  zu  Mitterndorf  bei  Dachau;  kam  1892  nach 
München,  besuchte  nur  kurze  Zeit  die  Akademie,  bildete  sich  dann  aber,  wie 
sein  jüngerer  Kunst-  und  Gesinnungsgenosse  und  Landsmann  Sion  Longly 
Wenban  (vgl.  unser  Jahrbuch  1898  S.  216  ff.)  in  eigensinniger,  autodidaktischer 
Zurückgezogenheit  und  entbehrungsvoller  Entsagung.  »Er  war  ein  Träumer 
und  Sinner,  dem  die  Stimmungen  und  Farben  des  Dachauer  Moores,  die 
stillen  Wasserspiegel  im  Abendlichte,  zitterndes  Birkenlaub  am  Wiesenrain, 
graues  Rohr  im  Herbstwinde  zu  lyrischen  Stücken  wurden.«  Aber  seine  un- 
gelenke Hand  blieb  hart  und  rauh  und  vermochte,  auf  beirathende  Hülfe 
verzichtend,  die  in  ihm  lebende  Poesie  nicht  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Im 
Ringen  um  die  Formgebung  erkalteten  seine  Gedanken  und  Gefühle.  Es  blieb 
ihm  etwas  Unbeholfenes;  Schönheit  war  ihm  versagt:  so  erging  sich  sein 
Geist  in  absurden  Experimenten  und  Reproductionen.  Die  schlichten  Blumen 
der  Haide  und  des  Waldes  gestaltete  er  zu  willkürlichen,  dürftigen  Orna- 
menten, die  er  in  der  Münchener  »Jugend«  spärlich  zu  Markte  trug.  Da 
ihm  nichts  genügte,  brachte  er  wenig  zur  Reife.  Auf  der  Ausstellung  der 
Münchener  Secession  erschien  1898  (Nr.  237)  ein  unschöner  »Mädchenkopf<: 
als  Aquarell.  Das  Ungewohnte  und  Seltsame  Hess  das  Publikum  begreiflich 
kalt.  Er  tastete  so  lange  an  seinen  Productionen,  als  hätte  er  selbst  keine 
Freude  daran.  So  kostete  er  der  »Sorgen  und  Mühen«  genug  und  fand  doch 
noch  Zeit,  draussen  im  Moor  den  Leidenden  in  allerlei  Gebrest  Rath  und 
Hilfe  zu  bringen.  Er  liebte  die  »bayerische  Haide«,  er  fuhr  sein  selbst- 
gebautes Malerzelt  an  sonnigen  wie  an  rauhen  Tagen  hinaus  über  schmale 
Wege  und  braunen  Moorgrund  und  manche  Nacht  lag  er  träumend  unter 
freiem  Himmel.«  Der  anfangs  November  1898  im  Kunstverein  ausgestellte 
Nachlass  des  Künstiers,  welcher  zeitlebens  dem  Publikum  so  sorgsam  aus 
dem  Wege  ging,  fand  kaum  die  verdiente  Theilnahme.  D.  war  ein  herzens- 
guter, liebenswürdiger  Mensch;  um  seinen  Verlust  trauern  Weib  und  Kind 
und  viele  Freunde, 

Vgl.  Nr.  395  »Neueste  Nachrichten«  vom  28.  August  u.  Nr.  507  ebendas.  vom  3.  No- 
vember 1898.     Fr.  Popp  in  Nr.  311  »Bayer.  Kurier«  11.  November  1898. 

Hyac.  Holland. 

Volkening,  August  Heinrich,  Buchhändler,  *  16.  Juli  1834  als  der 
vierte  Sohn  des  Goldschmieds  und  Landwirths  V.  zu  Minden  in  Westfalen, 
f  13.  Juni  1898  in  Leipzig,  besuchte  die  Bürgerschule  und  das  Gymnasium 
in  Minden,  kam  dann  in  eine  kaufmännische  Lehre  und  hatte  Gehilfen- 
stellungen in  Rinteln,  Bremen  und  Herford  inne.  An  letzterem  Ort  war  mit 
dem  Geschäft  eine  Buchhandlung  verbunden,  was  bestimmend  für  V.'s 
späteren  Lebensberuf  wurde.  Zu  seiner  weiteren  Ausbildung  arbeitete  er  in 
einem    Leipziger    Commissionsgeschäfte ,    dann    in    einer    Buchhandlung    in 


Volkening.     Fränkel.     Märtens.  169 

Aschersleben,  wo  er  zugleich  mit  dem  Buchdruckwesen  sich  gründlich  ver- 
traut machte,  sodass  er  das  damals  geforderte  Examen  in  Magdeburg  be- 
stehen konnte.  Im  October  1861  gründete  er  eine  Buchhandlung  in  Minden. 
Durch  seine  Verbindung  mit  bedeutenden  Schulmännern,  wie  Jütting, 
L.  W.  Seyffarth  und  W.  Fricke,  wurde  er  bald  auch  zu  Verlagsuntemehmungen 
angeregt.  Durch  Erweiterung  des  Verlags  wurde  V.  1871  zur  Abtretung  des 
Sortiments  und  Uebersiedelung  nach  Leipzig,  dann  auch  zur  Gründung  eines 
Commissionsgeschäftes  und  einer  Buchdruckerei  veranlasst.  Ein  gleichzeitig 
eintretender  Theilhaber,  Berthold  Siegismund,  schied  bereits  1873  wieder  aus. 
Viele  und  grosse  Verlagsunternehmungen  danken  den  siebenziger  und  späteren 
Jahren  ihre  Entstehung,  so  eine  Biographische,  eine  Pädagogische  Bibliothek 
(die  Klassiker  der  Pädagogik  in  gediegenen  Ausgaben)  ausserordentlich  ver- 
breitetete  Schüler-  und  Lehrerkalender  (seit  einigen  Jahren  Verlag  von 
Ed.  Volkening,  Lpz.),  Anthologien,  speciell  für  den  Buchhandel  wichtige 
Bibliographien,  pädagogische  Zeitschriften  u.  s.  w.  Wie  V.  vorwiegend  der 
Schöpfer  dieser  Unternehmungen  war,  so  legte  er  auch  bei  der  Ausarbeitung 
vielfach  selbst  Hand  mit  an.  Gewöhnt  bis  tief  in  die  Nacht  zu  arbeiten, 
ist  er  solcher  Ueberanstrengung  leider  allzufrüh  erlegen. 

Vgl.  »Scbttler-Kalender  f.  1899c  (m.Portr.)  u.  »Börsenblatt  f.  d.  dt.  Buchh.  1898«  Nr.  135. 

H.  Ellissen. 

Fränkel,  Ferdinand,  Schriftsteller,  *  16.  November  181 5  zu  München, 
t  15.  Mai  1898,  erst  Buchbinder,  dann  Schauspieler  und  dramatischer  Dichter, 
machte  sich  durch  seine  vielversprechenden,  nach  dem  Vorbilde  von  Raimund 
und  Nestroy  verfassten  Volksschauspiele  einen  Namen;  dazu  gehören  »Der 
Goldsee«  (Originalzauberposse),  »Der  Schwärzer  und  sein  Dirndl«  (Charakter- 
bild aus  dem  bayer.  Hochland),  »Adelheid,  die  Soldatenbraut«  (auch  »Die 
Beterin  an  der  Mariensäule«,  Schauspiel),  »Fürst  und  Volk«  (Lebensbild), 
München  1852  in  4  Bändchen.  Dann  warf  sich  F.  auf  die  kleine  Journalistik, 
schrieb  für  Tagesblätter,  begründete  selbst  ähnliche  Unternehmungen,  wie  die 
nach  Wiener  Mustern  gehaltene  und  illustrirte  »Stadtfraubase«  (1862  fF.)  und 
die  spätere  «Hofbräuhaus-Zeitung«,  etablirte  eine  Buchdruckerei,  bethätigte 
sich  an  allerlei  Unternehmungen  und  Projekten,  verfasste  viele  Flugblätter, 
Brochuren,  auch  weitere  Dramen,  Possen  und  eine  Menge  »Gelegenheits- 
Gedichte«. 

Hyac.  Holland. 

MärtenSy  Hermann,  Eduard,  Kgl.  Baurat,  *  16.  August  1823  zu  Halber- 
stadt, f  3.  November  1898  zu  Bonn,  Sohn  des  Halberstädter  Superintendenten 
Märtens,  studirte  an  der  Berliner  Akademie  Baufach,  war  in  den  verschieden- 
sten Städten  Preussens  amtlich  thätig,  eine  Zeit  lang  in  den  50er  Jahren  Docent 
an  der  landwirthschaftlichen  Akademie  in  Poppeisdorf  bei  Bonn,  später  in 
Cöln  Gamisonbaumeister  (er  baute  dort  den  Glaspalast  des  Floragartens) 
und  zuletzt  amtlich  in  Aachen  angestellt.  1870  zog  er  sich  ins  Privatleben 
nach  Bonn  zurück,  wo  er  noch  die  Synagoge  erbaute,  im  übrigen  lebte  er 
vorherrschend  seiner  litterarischen  Thätigkeit.  An  der  Entwickelung  der  auf- 
blühenden Stadt  Bonn  nahm  er  stets  regen,  thätigen  Antheil,  politisch  und 
religiös  war  er  ein  entschiedener  Verfechter  des  liberalen  protestantischen 
Gedankens.  Sein  litterarisches  Bestreberi  war  darauf  gerichtet,  die  Ergebnisse 
der  Helmholtzschen  Untersuchungen  über  physiologische  Optik  für  die  bildende 


lyo 


Märtens.     Bonde. 


Kunst  nutzbar  zu  machen.  Er  folgerte  aus  der  Arbeit  dieses  grossen  Phy- 
sikers, dass,  wie  das  Auge  in  seiner  Thätigkeit  an  streng  mathematisch 
formulirbare  Gesetze  gebunden  sei,  so  auch  der  Künstler,  dessen  Werke 
durch  das  Auge  dem  Menschen  zum  Bewusstsein  gebracht  werden,  ganz  be- 
stimmte Gesetze  seiner  Thätigkeit  zu  Grunde  legen  müsse.  Ohne  im  mindesten 
zu  leugnen,  dass  das  wahre  Genie  in  vielen  Fällen  unbewusst  solchen  Ge- 
setzen folge,  betonte  er  doch  entschieden,  dass  damit  diese  Gesetze  nicht 
entbehrlich  würden  und  bemühte  sich  in  seinem  »Optischen  Maassstab«  oder 
*Die  Theorie  und  Praxis  des  ästhetischen  Sehens  in  den  bildenden  Künsten« 
(I.  Auflage,  Bonn,  Fr.  Cohen,  1877;  II.  gänzl.  umgearbeitete,  Beriin,  Wasmuth 
1884),  die  Gesetze  des  Näheren  zu  entwickeln  und  auf  die  Praxis  anzuwenden. 
Vor  Allem  wendete  er  seine  Aufmerksamkeit  den  Grössenverhältnissen  antiker, 
mittelalterlicher  und  moderner  Sculpturen  und  Bauwerke  zu,  die  er  in  Be- 
ziehung zu  ihrer  landschaftlichen  und  sonstigen  Umgebung  kritisch  studirte. 
Um  auch  dem  Laien  und  dem  Kunsthandwerker  seine  Theorien  verständlich 
zu  machen,  verfasste  M.  im  J.  1881  zwei  kleinere  Brochuren,  gewissermaassen 
Auszüge  seines  grösseren  Werkes  und  Anwendungen  auf  einzelne  Fälle  des 
praktischen  Lebens:  i)  Zwei  Elementarpunkte  der  Kunstbetrachtung  und 
Kunstübung,  Bonn,  Fr.  Cohen,  1881.  2)  Ueber  Deutlichkeit  und  Harmonie 
der  Druckschriften  mit  ihren  pflanzlichen  und  figürlichen  Ornamenten,  Bonn, 
Fr.  Cohen,  1881.  Im  Jahre  1885  folgte  dann  die  »Skizze  zu  einer  prakt. 
Aesthetik  der  Baukunst  und  der  ihr  dienenden  Schwester-Künste  in  einem 
neuen  System  zusammengestellt«,  Berlin,  Wasmuth,  1885,  ein  Werk,  das  im 
J.  1887  in  II.  Auflage  als  »Praktische  Aesthetik  der  Baukunst  und  der  ge- 
werblichen Künste«  als  Compendium  bearbeitet  bei  Fr.  Cohen,  Bonn,  her- 
auskam. In  einer  kleineren  Arbeit  »Ueber  die  Grössenmaasse  und  über  den 
Stil  des  in  Berlin  am  Lustgarten  zu  erbauenden  Domes«  (als  Manuskr.  gedr.), 
nahm  M.  zu  dieser  Frage  Stellung,  um  im  Jahre  1890  sein  »Optisches  Maass 
für  den  Städtebau«  (Bonn,  Fr.  Cohen)  folgen  zu  lassen.  Den  Abschluss  seiner 
Thätigkeit  bildete  das  illustrirte  Prachtwerk:  »Die  deutschen  Bildsäulendenk- 
male des  XIX.  Jahrhunderts.     (Stuttgart.    Jul.  Hoffmann  1892.) 

Nekrologe  veröffentlicht  in  der  »Bonner  Zeitungc  VII,  Jahrg.  Nr.  265  vom  8.  Nov. 
1898  und  der  »Vossischen  Zeitungc  1898  Nr.  533  (13.  November). 

Bünde,  Oskar,  Buchhändler  etc.,  *  17.  Nov.  1825  als  Sohn  des  Oberförsters 
B.  in  Zschemichen  bei  Altenburg,  f  15.  Juli  1898  in  Altenburg,  erlernte  den 
Buchhandel  bei  K.  F.  Koehler  in  Leipzig,  in  dessen  Geschäft  er  dann  noch  bis 
1845  als  Gehilfe  thätig  war.  Weitere  Gehilfenstellungen  hatte  B.  in  Prag, 
Zürich,  Pest  und  >\ieder  bei  K.  F.  Koehler  inne.  Von  Ende  1852  bis  1856 
war  er  Geschäftsführer  bei  Friedrich  Brandstetter  in  Leipzig.  In  diesem  Jahre 
erwarb  er  die  1850  gegründete  J.  H.  Jacob'sche  Buchhandlung  in  Altenburg, 

1860  auch    den  Verlag    der  1847   gegründeten  »Altenburger  Zeitung«.     Seit 

1861  wurde  das  Geschäft  unter  der  Firma  »Oskar  Bonde«  fortgeführt,  all- 
mählich auch  durch  den  Verlag  gediegener  und  weitverbreiteter  Lehrbücher 
und  anderer  Werke,  von  denen  nur  H.  Kluges  in  vielen  Auflagen  erschienene 
und  in  mehrere  Sprachen  übersetzte  »Geschichte  der  deutschen  Litteratur^: 
erwähnt  sei,  erweitert.  Eine  1872  gegründete  eigene  Buchdruckerei  übernahm 
bald  auch  Druckaufträge  vieler  ausNyärtiger  Verlagsfirmen  und  gewann  1886 
den  ersten  Preis  der  Altenburger  Landesausstellung.    Das  Personal  der  Druckerei 


Bonde.     Halbreiter. 


171 


besteht  aus  70,  das  Gesammtpersonal  der  Firma  aus  90  Personen.  Von 
äusseren  Anerkennungen,  die  B.  zu  Theil  wurden,  möge  nur  erwähnt  sein, 
dass  er  1862  zum  Sachsen -Altenburgischen  Hofbuchhändler,  1890  zum 
Commissionsrath  ernannt  wurde.  Auch  sein  humanitäres  und  gemeinnützig 
buchhändlerisches  Wirken  wurde  entsprechend  gewürdigt.  Jahrelang  war  er 
u.  A.  Vorstandsmitglied  des  Buchhändler- Verbandes  für  Sachsen  und  Sachsen- 
Altenburg.  Als  Gelegenheitsschriftsteller  trat  B.  u.  A.  auf  mit  »Erinnerungen 
eines  Lehrlings  aus  der  K.  F,  Koehler' sehen  Schule«,  sowie  mit  einer  Reihe 
bes.  in  der  » AI tenburger  Zeitung«,  veröffentlichter  Gedichte,  Reisefahrten,  Um- 
schauen und  humoristischen  Wochenplaudereien. 

Vgl.  Börsenblatt  f.  d.  dt.  Buchh.  1898,  Nr.  180  (Nekrolog  v.  Franz  Volger). 

H.  Ellissen. 

Halbreiter,  Adolf,  Bildhauer  und  Ciseleur,  *  13.  Mai  1839  ^^  Rosen- 
heim, f  28.  Juni  1898  zu  München.  Sein  Vater  war  der  als  Arzt  damals  zu 
Rosenheim  practicirende  Dr.  Michael  H.,  welcher  in  Folge  seines  unruhigen 
Wandertriebes  ein  gut  Stück  Welt  gesehen  und  für  seine  im  Sanitätsfach  bei 
der  Belagerung  von  Sebastopol  den  Russen  geleisteten  Dienste  die  silberne 
Kriegsmedaille  und  den  Stanislausorden  erhalten  hatte.  H,  lernte  zuerst  bei 
seinem  Oheim,  dem  durch  seine  Fresken  in  der  kgl.  Residenz  zu  Athen  und 
durch  seine  Reisen  nach  Constantinopel,  Kleinasien,  Palästina,  Aegypten  und 
Italien  wohlbekannten  Historienmaler  Ulrich  H.,  welcher  als  Inhaber  der  da- 
mals frisch  aufblühenden  Firma  Sanctjohanser  seinen  Neffen  bei  dessen  so 
frühzeitig  hervorbrechender  Begabung  zum  Silber-  und  Goldschmied  ausbildete. 
Hier  machte  sich  der  äusserst  strebsame  junge  Mann  mit  dem  ganzen  Umfang 
der  Technik  bekannt  und  bewies  damals  schon  seine  feinfiihhge  Vorliebe  für 
Emaille  in  Verbindung  von  Perlen-  und  Edelsteinfassung,  dann  besuchte  er  die 
unter  der  Direction  des  geistvollen  Hermann  Dyck  (*  1812  fi874)  florirende 
Kunstgewerbeschule  und  arbeitete  ausserdem  als  Bildhauer  an  der  Akademie 
im  Wetteifer  mit  Fritz  von  Miller,  Anton  Hess,  Lorenz  Gedon  u.  A.  Nach 
solcher  Vorbereitung  ging  H.  nach  Paris  und  arbeitete  vier  Jahre  lang  in  den 
besten  Ateliers  als  Ciseleur.  Zurückgekehrt  gründete  er  in  München  eine 
eigene  Werkstätte  für  kunstgewerbliche  Metallarbeiten,  aus  welcher  bald  die 
treffhchsten  Erzeugnisse,  Brochen,  Nädelchen,  Tafelzier,  Poeale  aller  Art, 
Lüsterweibchen,  Schatzkästchen,  darunter  auch  ein  vielbewunderter  Braut- 
schmuck (1875)  hervorgingen.  Infolge  dieser  Leistungen  erhielt  H.  1878  einen 
Ruf  als  Professor  und  Leiter  der  Modellir-  und  Ciseleurabtheilung  an  die 
Kunstgewerbeschule  in  Dresden;  König  Ludwig  II.  wünschte,  dass  eine  so 
befähigte  Kraft  für  Bayern  erhalten  bleibe,  ertheilte  ihm  Titel  und  Rang  eines 
kgl.  Professors  und  fesselte  den  Künstler  durch  eigene  Aufträge.  Dazu  ge- 
hörte beispielsweise  der  herrliche  Tafelaufsatz,  welchen  König  Ludwig  II.  der 
Universität  Würzburg  zur  dritten  Saecularfeier  stiftete.  (Abbildung  in  der 
Zeitschrift  des  Kunstgewerbe- Vereins  zu  München  1886,  Tafel  i  und  2  und 
in  Pechts  Geschichte  der  Münchener  Kunst  1888,  S.  473).  Obwohl  H. 
sonst  mehr  auf  den  ornamentalen  als  den  figürlichen  Theil  Gewicht  legte,  so 
waren  hier  die  in  Silber  gegossenen  Figuren  der  Alma-Julia  mit  den  vier 
Facultäten  vortrefflich  gearbeitet.  Für  Riedinger  in  Augsburg  fertigte  H.  nach 
Hauberrissers  Zeichnung  in  stilvoller,  reichster  Gothik  einen  gewaltigen  Kron- 
leuchter mit  24  Armen  und  120  Flammen  (1880).  Andere  Arbeiten  waren 
ein  Halsgehänge  (Abbildung  in  der  Zeitschrift  des  Kunstgewerbevereins  1880, 


1^2  Halbreiter.     Werner. 

Taf.  i6),  ein  schmiedeeiserner  Lüster  (nach  Rudolf  Seitz,  ebendas.  1881 
Taf.  37),  ein  Lüster  für  Gas  für  Herrn  J.  C.  Schön  in  Worms  (nach  G.  Seidl, 
das  Figürliche  von  Gramer,  ebendas.  1882,  Taf.  5),  ein  Becher  aus  einer 
Cocosnuss,  ein  anderer  aus  einer  Muschel,  ein  Pocal  im  Stile  der  Früh- 
renaissance als  Ehrengabe  des  Prinzen  Ludwig  von  Baiern  zum  deutschen 
Bundesschiessen  (1881).  Femer  zwei  Poeale  als  Ehrengeschenk  einer  Kegel- 
geselischaft  in  Form  eines  Kegels  (nach  Rud.  Seitz,  ebendas.  1882,  Taf.  13) 
und  in  Gestalt  einer  Kugel  (nach  Barth  und  Gedon,  ebendas.  Taf.  14),  ein 
Lüsterweibchen  mit  Hirschgeweih  und  einer  Syringen-spiel enden  Meerfei  (nach 
L.  Herterich,  ebendas.  Taf.  24),  im  Auftrage  des  Kaisers  von  Oesterreich  der 
Schmuck-  und  Ordensschrein  fiir  Prinz  Leopold  von  Baiem  (1882),  für  den 
Prinzregenten  Luitpold  die  Prachtgruppe  mit  dem  im  Jagdhabit  neben  seinem 
aufgezäumten  Ross  vor  dem  Hirsche  knieenden  St.  Hubertus  (Abb.  ebendas. 
1883,  Taf.  25),  alles  mit  bewunderungswürdiger  Sicherheit  in  weichen  Formen, 
die  den  Meissel  und  das  Material  ganz  vergessen  lassen.  Ebendaselbst  finden 
sich  die  Abbildungen  von  silbernen  Leuchtern  (1883,  Taf.  30  für  Prinz  Leo- 
pold), die  Diplomdecke  zur  Adresse  für  den  hochverdienten  Erzgiesser  Fer- 
dinand von  Miller  (1884,  Taf.  12),  ein  getriebener  Lüsterarm  mit  Verzierungen 
von  ausgeschliffenem  Crystall  (1885,  Taf.  25),  ein  Kronleuchter  für  electrische 
Glühlichter  (1889,  Taf.  4),  ein  Tafelaufsatz  aus  oxydirtem  Silber  mit  Lapisla- 
zuli  und  Crystallglas  (1889,  Taf.  13)  u.  s.  w.,  ganz  originelle  Schöpfungen, 
welche  das  Können  des  erfindungsreichen  Künstlers  im  ehrendsten  Sinne  in 
die  Welt  trugen.  Die  weitere  Ausführung  seiner  Pläne  und  Projecte  lähmte 
ein  bösartiger  Gelenkrheumatismus,  welcher  nach  langem  Leiden  den  Künstler 
seinem  glücklichen  Familienleben  und  seinen  zahlreichen  Freunden  durch  einen 
allzufrühen  Tod  entriss.  Stets  neidlos,  offenherzig,  edel  und  wahr,  hatte  er 
keinen  Feind. 

Vgl.  Das  Geistige  Deutschland    (1898),  S.  264.     No.   185  Allgem.  Ztg.   7.  VII,  1898. 
Kunstvereinsbericht  f.  1898,  S.  70. 

Hyac.  Holland. 

Werner,  Karl,  Landesschulinspector,  *5.  Mai  1828  in  Wien,  f  26.  März 
1898  in  Meran.  Er  war  ein  Sohn  des  ehemaligen  Schullehrers  und  späteren 
Wiener  Magistratsbeamten  Johann  W.  und  seiner  Frau  Josepha,  geb.  Conrad, 
besuchte  die  Schulen  seiner  Vaterstadt,  1884  die  sogenannte  »Philosophie« 
und  bezog  1846  die  juridische  Fakultät  in  Wien.  Im  Jahre  1848  nahm  er 
wegen  seiner  körperlichen  Kleinheit  an  der  akademischen  Legion  nur  als 
Mitglied  der  Adjutantur  Theil  und  begab  sich  im  Herbste  dieses  Jahres  zur 
Fortsetzung  seiner  Studien  nach  Graz,  kehrte  aber  schon  im  Winter  1849 
wieder  nach  "Wien  zurück  und  legte  im  Jahre  1850  in  Olmütz  das  erste 
juridische  Rigorosum  ab.  Eine  tiefe  Neigung  zu  Rosine  Heller  in  Iglau, 
wohin  er  mit  seinem  Studiengenossen  und  Freunde  Vincenz  Heller  zum 
Ferienbesuch  gekommen  war,  weckte  den  sehnsüchtige  Wunsch,  bald  ein 
eigenes  Heim  zu  gründen.  Das  bestärkte  ihn  in  seinem  Entschlüsse,  das  ohne 
Vorliebe  gewählte  juridische  Studium  aufzugeben  und  sich  dem  Gymnasial- 
lehramte zu  widmen,  das  gerade  damals  der  Reform  unterzogen  wurde.  Sein 
Interesse  für  die  Litteratur  war  früh  rege  geworden  und  hatte  ihn  zu  eigener 
Bethätigung  angeregt.  Er  verfasste  Novellen  und  Gedichte,  kritische  und 
journalistische  Aufsätze  und  lebte  im  Kreise  mehrerer  angehender  Schriftsteller, 
die  sich  zur  sogenannten    »Glaserei«    vereinigten;    im    Hause    des    späteren 


Werner.  ly^ 

Justizministers  Julius  Glaser  versammelten  sich  ausser  Werner  die  beiden 
Brüder  Angelo  und  Emil  Kuh,  der  Componist  Carl  Debrois  van  Bruyk  und 
einige  andere  zu  litterarischen  Abenden.  Die  meisten  waren  Verehrer  Friedrich 
Hebbels  und  traten  begeistert  fiir  seine  Werke  durch  ihre  Schriften  ein. 
W.  wurde  mit  Hebbel  genauer  bekannt,  da  er  ihm  als  Feuilletonredakteur 
der  Wiener  Reichszeitung  einen  Aufsatz  über  Erzherzog  Johann  einschickte, 
der  auch  erschien.  Hebbel  schätzte  die  Darstellungsgabe  des  jungen  Wieners 
sehr  hoch  und  beurtheilte  sie  desshalb  besonders  günstig,  weil  er  sie  frei  von 
den  ihm  unleidlichen  Unarten  der  Wiener  Schreibweise  fand.  Für  Hebbels 
»Rubin«  suchte  W.  in  einer  Reihe  von  Aufsätzen  der  Wiener  Zeitung 
Stimmung  zu  machen.  Ein  Beitrag  zu  Kolatscheks  Monatsschrift  hatte  zur 
Folge,  dass  Kolatschek  einen  Contrakt  mit  ihm  schloss,  der  ihn  gegen  ein 
glänzendes  Honorar  zu  regelmässigen  Berichten  aus  Wien  verpflichtete. 
So  war  Aussicht  vorhanden,  dass  sich  W.  eine  Schriftstellerexistenz  be- 
gründe, doch  sein  Wunsch,  die  Braut  bald  heimzuführen,  veranlasste  ihn, 
sich  um  die  gesicherte  Stellung  eines  Mittelschullehrers  zu  bewerben.  So  kam 
er  als  supplirender  Lehrer  ans  Obergymnasium  in  Olmütz  und  lehrte  dort 
Deutsch,  Geographie  und  Geschichte.  Die  Situation  war  keinesfalls  leicht, 
denn  die  Umwandlung  der  ehemaligen  »Philosophie«  in  die  zwei  letzten 
G3nnnasialklassen  erregte  die  betroffenen  jungen  Leute,  die  nun  statt  der 
»Herren«  Studenten  weiter  Schüler  bleiben  mussten.  W.  hatte  doppelte 
Schwierigkeiten,  da  ihm  von  der  Natur  eine  imponirende  Gestalt  versagt 
worden  war,  und  er  noch  sehr  jung  aussah.  Einer  seiner  damaligen  Schüler, 
der  jetzige  Oberlandesgerichtspräsident  Eduard  Senft  in  Brunn,  erzählte  mir, 
dass  die  Klasse  geglaubt  hatte,  mit  W.  rasch  fertig  zu  werden,  dass  er 
ihr  aber  durch  seine  Ruhe,  sein  Wissen  und  seinen  Tact  imponirte  und  bald 
ihr  Liebling  wurde.  Natürlich  machte  das  neue  Amt  viel  zu  schaffen  und 
gestattete  litterarisches  Arbeiten  nur  wenig.  W.  kehrte  noch  einmal  nach 
Wien  zurück,  um  bei  A.  Jäger  im  historischen  Seminar  zu  arbeiten  und  seine 
Lehramtsprüfung  (1853)  abzulegen.  Hierauf  wurde  er  zum  Gymnasiallehrer 
in  Iglau  ernannt,  heirathete  im  November  1853  und  begründete  dadurch  eine 
Ehe,  die  nahezu  40  Jahre  glücklich  währte. 

In  Iglau  entfaltete  nun  W.  eine  sehr  rege  Thätigkeit.  Als  Lehrer 
gehörte  er  zu  den  beliebtesten  Professoren  und  förderte,  wie  es  in  einem 
Programme  des  G3annasiums  heisst,  durch  seine  pädagogische  Umsicht,  wissen- 
schaftliche Gründlichkeit  und  erfolgreiche  Entschiedenheit  Ansehen  und  Ruf 
des  Iglauer  Gymnasiums.  An  dem  geselligen  Leben  der  Stadt  nahm  er  leb- 
haften Antheil  und  suchte  durch  öffentliche  Vorträge,  durch  Veranstaltung 
von  »Academien«,  durch  Förderung  des  Vereinslebens  eine  tiefere  Geselligkeit 
anzubahnen.  Er  zählte  zu  den  Gründern  des  Iglauer  Männerturnvereins  und 
trug  dazu  bei,  dass  auch  die  Schüler  des  Gymnasiums  Turnunterricht  genossen. 
Er  war  auch  Lehrer  des  Französischen  am  Gymnasium  und  trat  oft  mit  Ein- 
setzung seiner  Stellung  für  Fortschritt  und  Liberalismus  ein,  so  dass  ihm 
seine  Mitbürger  sogar  das  Abgeordnetenmandat  antrugen;  er  nahm  es  jedoch 
nicht  an,  sondern  verhalf  Dr.  Eduard  Sturm  zur  Wahl,  was  dieser  immer 
dankbar  hervorhob.  Auch  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  trug  er  zum  Ruhm 
seiner  neuen  Heimath  bei:  über  den  Meistergesang  in  Iglau,  über  die  Ge- 
werbsverhältnisse im  15.  Jahrhundert,  über  die  Verbreitung  des  Humanismus 
in  Mähren  schrieb  er  Zeitschriften-  und  Programmaufsätze,  indem  er  durchaus 
auf  die  Quellen  und  Archivalien  zurückging.     1856  ernannte  ihn  desshalb  der 


174 


Werner. 


mährische  Landesausschuss  zum  Landesarchivs-Correspondenten.  Für  seine 
»Urkundliche  Geschichte  der  Iglauer  Tuchmacherzunft  (Leipzig  1861)  erhielt 
er  den  Preis  der  fürstl.  Jablonowskischen  Gesellschaft  in  Leipzig  und  wurde 
er  zum  correspondirenden  Mitglied  der  Oberlausitzischen  Gesellschaft  der 
Wissenschaften  in  Görlitz  ernannt.  Dieses  preisgekrönte  Werk  schilderte  mit 
Ausbeutung  der  von  W.  gesammelten  Urkunden  die  Schicksale  der  in 
Iglau  massgebenden  Tuchmacherzunft  von  ihren  Anfängen  bis  zu  ihrem  Auf- 
hören, verwerthete  durchgehend  die  politischen  Verhältnisse  und  die  ähnlichen 
Erscheinungen  in  anderen  Industrieorten  zur  Erklärung  der  Thatsachen  und 
gelangte  dadurch  zu  einer  Darstellung  der  inneren  Veränderungen,  nicht  bloss 
der  äusseren  Ereignisse.  Ein  Stück  Wirthschaftsgeschichte,  damit  aber  zu- 
gleich das  hauptsächlichste  Geschick  der  Iglauer  Stadtgeschichte  wurde 
entfaltet,  und  es  wurde  nur  bedauert,  dass  W.  nicht,  wie  er  es  so  leicht 
hätte  thun  können,  ein  Urkundenbuch  der  Iglauer  Tuchmacherzunft  anschloss. 
Im  Jahre  1861  begann  W.  eine  Geschichte  des  Iglauer  Gymnasiums  zu 
schreiben,  zu  der  er  mit  der  Unterstützung  des  Unterrichtsministeriums  eine 
wissenschaftliche  Reise  nach  Sachsen  unternahm;  das  Werk  fand  sich  im 
Nachlasse  des  Verfassers  handschriftlich  vor,  nur  ein  Theil  wurde  in  den  Mit- 
theilungen der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  ver- 
öffentlicht. Im  Jahre  1863  publicirte  er  in  der  populären  Sammlung 
»Oesterreichische  Geschichte  für  das  Volk«  die  Geschichte  des  Kaisers  Franz  IL 
bis   1803. 

Nach  nahezu  fiinfzehnj ähriger  Wirksamkeit  schied  er  1868  von  Iglau, 
weil  er  ans  deutsche  Obergymnasium  nach  Brunn  als  Professor  versetzt 
worden  war.  Auch  hier  erwarb  er  sich  rasch  allgemeine  Beliebtheit  und 
habilitirte  sich  an  der  technischen  Hochschule  durch  eine  Probevorlesung 
für  allgemeine  Welt-  und  österreichische  Geschichte,  zudem  war  er  in  der 
Redaktion  des  »Mährischen  Correspondenten«  thätig,  den  er  gelegentlich 
während  der  Ferien  schon  selbständig  geleitet  hatte.  Schon  nach  fünf 
Monaten  wurde  W.  zum  Director  des  Obergymnasiums  in  Znaim  ernannt. 
In  dieser  Stadt  legte  er  bald  nach  seinem  Eintreffen  dem  Gemeinderathe  den 
Plan  zu  einer  Mädchenfortbildungsschule  vor  und  hatte  die  Freude,  seine 
Vorschläge  angenommen  und  die  Anstalt  unter  seiner  Leitung  entstehen  und 
gedeihen  zu  sehen.  Durch  einen  zum  Besten  des  Wiener  Schiller-Denkmals 
gehaltenen  Vortrag  über  »Charles  Sealsfield  und  den  politischen  Roman«,  der 
auch  im  Druck  erschien,  lenkte  er  die  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Sohn  der 
Znaimer  Gegend  und  weckte  das  Interesse,  das  anhielt,  auch  in  weiteren 
Kreisen.  Bei  der  Einführung  der  neuen  Volksschulgesetze  wurde  W.  vom 
Znaimer  Gemeinderath  einstimmig  zum  provisorischen  Bezirksschulinspector 
gewählt,  und  als  solcher  vom  Ministerium  bestätigt.  Im  Jahre  1 869  ernannte 
ihn  der  Kaiser  zum  Landesschulinspector  für  die  deutschen  Volksschulen 
Böhmens,  wo  unter  heissen  nationalen  und  religiösen  Kämpfen  die  Volks- 
schulreform durchgeführt  werden  musste.  Aufreibende  drei  Jahre  blieb  W^. 
in  dieser  Stellung,  bald  auf  den  Inspectionsreisen  und  bei  den  Maturitäts- 
prüfungen der  Lehrerbildungsanstalten  durchs  ganze  Kronland  gefuhrt,  bald 
mit  erdrückender  Bureauarbeit  und  endlosen  Landesschulratsitzungen  in  Prag 
überbürdet.  Seine  grösseren  wissenschaftlichen  Arbeiten  blieben  liegen,  er 
verfasste  nur  eine  kleine  Heimathskunde  von  Böhmen  für  Volksschulen  und 
redigirte  die  »Litterarische  Beilage«  zu  den  »Mittheilungen  des  Vereins  für 
Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen«,  dessen  Mitglied  er  von  der  Gründung 


Werner,     v.  Riess. 


175 


gewesen  war.  Auf  die  Dauer  hätte  W.s  Gesundheit  den  Mühen  und  Kämpfen, 
Intriguen  und  Anfeindungen  in  Prag  nicht  Stand  halten  können,  deshalb  bat  er 
um  seine  Versetzung  und  kam  1872  nach  Salzburg  als  Landesschulinspector  und 
administrativer  Referent  des  Landesschulraths.  Hier  wirkte  er  bis  zum  Abschlüsse 
seiner  Dienstzeit  zum  Segen  des  Volksschulwesens,  nahm  sich  fördernd  der 
gewerblichen  Schulen  an,  war  Director  der  Prüfungskommission  für  Volks- 
und Bürgerschulen  und  Vorsitzender  der  Commission,  die  der  Grossherzog 
Ferdinand  IV.  von  Toscana  für  die  Prüfungen  der  Prinzen  des  grossherzoglichen 
Hauses  eingesetzt  hatte.  Allmählich  begann  er  auch  wieder  litterarisch  zu 
produciren  und  veröffentlichte  in  einer  Reihe  von  Zeitschriften  und  Zeitungen 
kritische  Aufsätze  in  grosser  Zahl.  Im  Jahre  1889  wurde  er  auf  seinen  Wunsch 
in  den  bleibenden  Ruhestand  versetzt  und  zog  1893  nach  dem  Tode  seiner 
Gattin  nach  Wien,  wo  er  bis  zu  seinem  Ende  geistig  ganz  frisch  und  fast 
jugendlich  lebhaft  als  Schriftsteller  wirkte  und  mit  unverholenem  Grimm  dem 
Umschwünge  der  politischen  Verhältnisse  in  Oesterreich  folgte.  Am  wichtigsten 
sind  seine  zahlreichen  Beiträge  zur  Erkenntniss  und  Kritik  Hebbels.  Bei  einer 
Erholungsreise  nach  Meran  erlag  W.  einem  Schlaganfall  und  wurde  am 
29.  März  unter  allgemeiner  Theilnahme  der  Lehrerschaft  in  Salzburg  zur  Erde 
bestattet.  »Er  war  ein  Kämpfer  für  die  gute  Sache«,  diese  Worte  aus  einem 
erst  nach  seinem  Tode  erschienenen  Aufsatz  über  die  Gymnasial  reform,  kann 
man  auch  auf  Karl  Werner  anwenden. 

Vgl.  Wurzbach    Biogr.    Lexicon.  —  Emil  Kuh,    Hebbelbiographie.    —    F.   Bamberg, 
Hebbels  Briefe  mit  Freunden  und  Zeitgenossen  II.  Bd.  —    Handschriftliche  Quellen. 

Lemberg.  Richard  Maria  Werner. 

Riess,  Richard  (von),  Dr.  phil.,  Domcapitular,  geographischer,  Schriftsteller, 
*  Schw.  Gmünd  19.  März  1823,  f  Rottenburg  6.  October  1898.  In  Tübingen 
zum  katholischen  Theologen  herangebildet,  1845  für  Lösung  der  Preisaufgabe 
der  Speyerschen  Stiftung  öffentlich  belobt,  1846  ordinirt,  versah  er  seit  1849 
das  Amt  eines  Repetenten  in  Ehingen  a.  d.  D.,  war  von  1850  bis  1856 
Lehrer  der  Mathematik  und  Geographie  am  Lichtensteinschen  Erziehungs- 
institute Neutrauchburg  (im  württ.  Oberamt  Wangen)  und  trat  dann  in  den 
württembergischen  Kirchendienst  ein,  zunächst  als  Kaplan  ei  verweser  in  Ratzen- 
riedt  (Oberamt  Wangen),  als  Pfarrverweser  in  Merazhofen  (Oberamt  Leutkirch) 
und  Ochsenhausen  (Ob6ramt  Biberach).  Am  i.  October  1858  erhielt  er  seine 
Ernennung  zum  Pfarrer  von  Unterboihingen  (Oberamt  Nürtingen).  Gleich- 
zeitig wurde  ihm  das  Schulinspectorat  für  den  Stuttgarter  Bezirk  übertragen, 
das  er  bis  zu  seinem  Eintritt  in  das  Domcapitel  beibehielt.  Am  2.  August 
1864  rückte  er  zum  Stadtpfarrer  von  Ludwigsburg  und  zugleich  zum  ausser- 
ordentlichen Mitgliede  des  katholischen  Kirchenrathes  in  Schulsachen  mit  dem 
Titel  eines  Oberschulraths  vor.  Am  27.  October  1879  wurde  er  an  Stelle  des 
verstorbenen  Domcapitulars  von  Scharpff  in  das  Rottenburger  Domcapitel  ge- 
wählt und  am  30.  November  desselben  Jahres  installirt.  Von  1886  bis  1895 
sass  er  als  Vertreter  des  Domcapitels  in  der  württembergischen  Abgeordneten- 
kammer, wo  er  wiederholt  die  Rechte  seiner  Kirche,  namentlich  in  Bezug 
auf  die  Schule,  nachdrücklich  zu  betonen  Gelegenheit  hatte.  In  seiner  letzten 
Lebenszeit  war  er  von  Leiden  des  Alters  heimgesucht,  die  schliesslich  in 
Wassersucht  übergingen.  —  Als  wissenschaftliches  Specialfach  pflegte  er  die 
biblische  Geographie  und   Cartographie,    worin  er  eine   anerkannte  Autorität 


1^6  V.  Riess.     Beaulieu-Marconnay. 

war.  Er  verfasste:  i)  Karte  von  Palästina  nach  den  zuverlässigsten  Quellen 
mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Lebens  Christi,  von  K.  A.  Emmerich 
entworfen  (Regensburg,  1861).  2)  Die  Länder  der  Heiligen  Schrift.  Histo- 
risch-geographischer Bilder-Atlas.  Nach  den  neuesten  und  besten  Quellen 
dargestellt  in  7  Karten  (Freiburg,  1864).  3)  Biblische  Geographie.  Voll- 
ständiges biblisch-geographisches  Verzeichniss  als  Wegweiser  zum  erläuternden 
Verständniss  der  Heiligen  Schrift  (als  Beigabe  zu  Nr.  2).  4)  Wandkarte  von 
Palästina  (1889,  2.  Ausgabe  1892).  Ausserdem  lieferte  er  Beiträge  zur 
(Tübinger)  Theologischen  Quartalschrift  und  anderen  katholischen  Fachzeit- 
schriften. Auch  der  württembergischen  Geschichte  und  Alterthumskunde 
widmete  R.  rege  Theilnahme.  Er  war  langjähriger  Vorstand  des  Sülchgauer 
Alterthumsvereins  und  Mitglied  der  1891  ins  Leben  gerufenen  Württem- 
bergischen Kommission  für  Landesgeschichte.  Von  Seiten  des  Königs  wurde 
seine  vielfache  verdienstliche  Wirksamkeit  durch  Verleihung  hoher  Orden,^ 
namentlich  das  mit  dem  Personaladel  verbundenen  Ehrenkreuzes  des  Kron- 
ordens und  des  Comthurkreuzes  2.  Klasse  des  Friedrichsordens,  belohnt. 

St.  J.  Neher,  Personal-Katalog  der  seit  181 3  ordinirten  und  in  der  Seelsorge  ver- 
wendeten Geistlichen  des  Bisthums  Rottenburg,  3.  Auflage  (Schw.  Gmünd  1894)  S.  105  f. ^ 
Deutsches  Volksblatt  vom  7.  und  11.  October  1898  Nr.  226  und  229  (wiederholt  im  Staats- 
Anzeiger  für  Württemberg  vom  8.  October  1898  Nr.  233),  Schwäbische  Kronik  vom 
7.  October  1898  (Miltagsblatt). 

R.  Krauss. 

Beaulieu-Marconnay^    Eugen,  Carl,    Theodor,    Levin,    Freiherr    von» 

*  16.  Februar  181 5  zu  Nizza,  f  23.  August  1898  zu  Oldenburg,  war  der  Sohn 
des  Grossherzoglichen  Ministers  und  Obermundschenks  von  Beaulieu-Marconnay, 
wurde  wegen  Kränklichkeit  in  den  Kinderjahren  von  Hauslehrern  unterrichtet, 
und  besuchte  dann  die  Gymnasien  in  Oldenburg  und  Rinteln  und  dieUniverrsitäten 
Göttingen  und  Berlin.  1837  ward  er  als  Amtsauditor  in  Eutin  angestellt,  war 
1842  bis  1844  Landgerichtsassessor  in  Ovelgönne,  dann  in  Jever  und  kam 
1845  in  gleicher  Eigenschaft  nach  Oldenburg.  Nachdem  er  1853  Obergerichts- 
assessor, 1858  Oberappellationsgerichtsrath  und  1874  Oberappellationsgerichts- 
Vicepräsident  geworden  war,  ward  er  1877  Präsident  dieses  Gerichtes  und 
war  seit  1879  Präsident  des  Oberlandesgerichts.  Seit  1878  war  er  auch 
Präsident  des  Oberschulkollegiums  und  von  1878  bis  1896  Vorstand  der 
Commission  für  die  Angelegenheiten  der  Grossherzoglichen  öffentlichen 
Bibliothek.  Er  verfasste:  »Das  bäuerliche  Grunderbrecht.  Oldenburg  1870«,, 
Das  »Grundbuchrecht  des  Herzogthums  Oldenburg.  1876c,  und  das  »Parti- 
kularrecht des  Herzogthums  Oldenburg  (einschl.  des  Fürsten thums  Birken- 
feld) in  V.  Holtzendorffs  Rechtsencyklopädie.  1884  erhielt  er  das 
Prädicat  »Excellenz«  und  trat  1892  in  den  Ruhestand.  S.  K.  H.  der 
Grossherzog  hatte  seine  hohen  Verdienste  auch  durch  die  Verleihung  des 
Grosskreuzes  des  Haus-  und  Verdienstordens  mit  der  goldenen  Krone  an- 
erkannt. Seit  1845  war  von  B.  mit  Isidore  geb.  von  Schletter  aus 
Leipzig  vermählt  und  erfreute  sich  mit  ihr  des  Heranwachsens  eines  Sohnes 
und  zweier  Töchter.  1884  traf  ihn  der  schwere  Schlag,  diesen  trefflichen 
Sohn,  der  zuletzt  Amtsrichter  in  Norden  und  Reichstagsabgeordneter  war,  zu 
verlieren.  Der  tiefe  Schmerz  konnte  aber  seine  elastische  Natur  nicht  brechen. 
Er  kämpfte  ihn  durch  und  blieb  bis  an  sein  Ende,  das  ihn  von  mancherlei 
körperlichen  Leiden  erlöste,  voll  geistiger  Frische  und  Theilnahme.  Wie  er 
schon    in    seinen  Jugendjahren    sich  an  den  Werken  der  Classiker  begeistert 


Beaulieu-MarcoDnay.     Angerer.  I  y  y 

hatte,  so  wusste  er  sich  die  Begeisterung  für  alles  Schöne  in  der  Litteratur 
und  Kunst  zu  bewahren  und  seine  freudige  Anerkennung  neuer  Schöpfungen 
sprach  er  immer  offen  und  unbefangen  aus.  Eine  sonnige  Heiterkeit  und  Frische 
lag  über  seinem  ganzen  Wesen,  durch  die  er  auch  seine  Umgebung  zu  er- 
heitern undzu  erfrischen  wusste.  So  gehörte  er  zu  demkleinen  Kreise  von  Freunden, 
die  sich  seit  1852  jeden  Donnerstag  bei  dem  kranken  Dichter  Julius  Moscn 
versammelten  und  ihn  durch  (besprach  und  Vorlesen  unterhielten.  Besonders 
lebhaftes  Interesse  brachte  er  an  der  Musik  und  dem  Theater  entgegen,  doch 
empfand  er  die  innigste  Freude  wohl  immer  wieder  an  den  Werken  (loethes, 
Schillers  und  Shakespeares  und  gedachte  bis  in  das  hohe  Alter  hinein  noch 
gern  der  persönlichen  Erinnerungen  an  Goethe,  die  ihm  seine  Tante,  Julie 
von  Beaulieu  geb.  von  Egloffstein,  Goethes  Liebling,  übermittelt  hatte. 

Dr.  R.  Mosen. 

Angerer,  Eduard,  Erzbischof,  Weihbischof  und  Generalvicar  der  Erz- 
diöcese  Wien,  *  6.  December  181 6  in  der  Vorstadt  Leopoldstadt  zu  Wien, 
f  22.  August  i8g8  ebenda.  A.  war  der  Sohn  einer  armen,  aber  geachteten 
Bürgerfamilie.  Sein  Vater,  ein  Schuhmacher,  hatte  sieben  Kinder  zu  ernähren. 
Nachdem  Eduard,  von  kleiner,  schwächlicher  Constitution,  aber  voll  regen 
Geistes,  seine  Gymnasialstudien  und  den  theologischen  Cursus  an  der  Wiener 
Universität  mit  Auszeichnung  zurückgelegt  hatte,  wurde  er  am  24.  Juli  1841 
zum  Priester  geweiht  (seine  geliebte  Mutter  war  sechs  Wochen  vor  seiner 
Priesterweihe  gestorben)  und  war  zunächst  zwei  Jahre  als  Cooperator  an  der 
Pfarre  Brunn  am  Gebirge  bei  Wien  thätig.  ¥Af  Monate  nach  seiner  Primiz 
starb  auch  sein  Vater  und  dem  jungen  Priester  oblag  bei  seinem  geringen 
Einkommen  die  schwere  Aufgabe,  für  seine  jüngeren  Geschwister  zu  sorgen. 
Fürsterzbischof  Milde,  welcher  die  Talente  dieses  jungen  Priesters  kennen 
lernte,  ernannte  ihn  im  Jahre  1843  zu  seinem  Ceremoniär  und  später  zum 
Secretär  und  Consistorialrath.  In  dieser  Stellung  blieb  er  auch  unter  Mildes 
Nachfolger,  Fürsterzbischof  Othmar  Ritter  von  Rauscher,  den  er  anlässlich  der 
Concordatsverhandlungen  zweimal  nach  Rom  begleitete,  wo  er  bei  denselben 
das  Amt  eines  Schriftführers  versah.  Nach  dem  Abschlüsse  des  Concordats 
wurde  er  vom  Kaiser  mit  dem  Orden  der  Eisernen  Krone  IIL  Kl.  ausge- 
zeichnet und  vom  Papste  unter  die  geheimen  päpstlichen  Kämmerer  einge- 
reiht. Als  in  Folge  des  Concordates  das  geistliche  Ehegericht  wiederhergestellt 
wurde,  ernannte  Cardinal  Rauscher  seinen  Secretär  zugleich  zum  Ehcgerichts- 
rathe  und  im  Jahre  1857  zum  Ehrendomherrn  zu  St.  Stephan.  Papst  Pius  IX. 
ernannte  A.  im  Jahre  1859  zum  Hausprälaten.  Im  Jahre  1862  zum  Dom- 
herrn ernannt,  rückte  er  im  Capitel  im  Jahre  1867  zur  Domcantorei  und 
1871  zur  Domdechantei  vor. 

Erzbischof  Kutschker,  der  Nachfolger  des  Cardinais  Rauscher,  ernannte 
den  Domdechant  A.  im  Jahre  1876  zum  Generalvicar  und  Weihbischof  der 
Wiener  Erzdiöcese,  welches  wichtige  und  schwierige  Amt  er  durch  22  Jahre 
unter  drei  Erzbischöfen  bis  zu  seinem  Tode  verwaltete.  Im  Consistorium 
vom  26.  Juni  1876  zum  Titular-Bischof  von  AlaHa  präconisirt,  erhielt  er  im 
folgenden  Jahre  von  der  Wiener  Universität  das  Ehrendiplom  eines  Doctors  der 
Theologie  und  wurde  im  Jahre  1878  zum  päpstlichen  Thronassistenten  und  römi- 
schen Grafen  ernannt.  Nachdem  unter  seiner  Intervention  das  fürs  terzbischöf- 
liche Knabenseminar  von  Wien  nach  Oberhollabrunn  verlegt  worden  war,  ehrte 
ihn  die  dortige  Gemeinde  im  Jahre  1882  durch  die  Verleihung  des  Ehren- 
Bio^.  Jahrb.  a.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  1 2 


lyS  Angercr. 

bürgerrechtes.  Nach  dem  Tode  des  Cardinais  Ftirsterzbischofes  Dr.  Kutschker 
wählte  das  Metropolitan-Capitel  A.  einstimmig  zum  Capitularvicar.  Für  die 
während  der  Sedisvacanz  geleisteten  grossen  Verdienste  erhielt  er  im  Jahre 
1881  das  Commandeurkreuz  des  österr.  Leopoldordens  und  im  Jahre  1884 
die  Würde  eines  wirklichen  Geheimen  Rathes.  Nach  dem  Ableben  des 
Cardinal  Ganglbauer  w^urde  A.  neuerdings  zum  Capitularvicar  gewählt,  nach 
der  Besetzung  des  erzbischöflichen  Stuhles  zum  Dompropsten  ernannt,  von 
Sr.  Majestät  mit  dem  Grosskreuze  des  Kaiser-Franz-Josefs-Ordens  ausgezeichnet 
und  vom  Papste  Leo  XIIL  zum  Titularbischofe  von  Selimbria  erhoben,  eine 
Auszeichnung,  die  sonst  selten  einem  Weihbischofe  zu  Theil  wird. 

Ueberdies  versah  A.  auch  noch  andere  Aemter.  Als  Dompropst  war  er 
Kanzler  der  theologischen  Facultät  der  Wiener  Universität  und  Dechant  von 
Kiemberg  (Diöcese  St.  Polten),  ferner  Präses  des  f.  e.  Consistoriums  und  des 
Diöcesangerichtes,  Centraldirector  der  Leopoldinenstiftung,  und  seit  1881  Curator 
des  f.  e.  Knabenseminars.  Schon  am  ELnde  der  achtziger  Jahre  trat  bei  ihm 
eine  ernstliche  Schwächung  der  Augen  ein,  welche  auch  durch  zwei  Staar- 
operationen  in  den  Jahren  1890  und  1891  nicht  ganz  behoben  wurde.  Nichts- 
destoweniger waltete  er  unverdrossen  und  mit  seltener  Pflichttreue  seines 
Amtes,  so  dass  er  bis  spät  in  die  Nacht  hinein  die  Acten  erledigte.  Am 
24.  Juli  1891  feierte  er  im  Stefansdome  seine  goldene  Jubelmesse,  bei  deren 
Anlass  er  durch  ein  von  Ischl  am  23.  Juli  datirtes  Handschreiben  des  Kaisers 
ausgezeichnet  wurde.  Am  7.  August  1898  wohnte  er  noch  Vormittags  einer 
von  seinem  Ceremoniär  in  der  Hauskapelle  celebrirten  Messe  bei,  musste 
aber  Nachmittags  wegen  zunehmender  Schwäche  zu  Bette  gebracht  werden. 
Nachdem  er  noch  mit  den  Sterbesacramenten  versehen  worden  war,  den 
ai)ostoli sehen  Segen  des  heiligen  Vaters  mit  innigstem  Danke  entgegenge- 
nommen sowie  einen  Besuch  des  Cardinais  Gruscha  erhalten  hatte,  entschlief 
er  Abends  '/^lo  Uhr,  umgeben  von  dem  Ordinariatssecretär  Dr.  Pfluger  und 
seinem  Secretär  Msgr.  Friedrich.  Am  25.  August  fand  das  feierliche  Leichen- 
begängniss  statt,  an  welchem  ausser  dem  Metropolitancapitel  an  200  Geist- 
liche aus  dem  Weltclerus  und  dem  Ordensstande  nebst  einer  grossen  Menge 
Volkes  sich  betheiligten.  Cardinal  Fürsterzlischof  Dr.  Gruscha  hielt  das 
feierliche  Requiem.  Der  Leichnam  wurde  hierauf  auf  dem  Heiligenstädter 
Friedhof  in  einer  Gruft  beigesetzt,  vom  Prälat  Domcustos  Dr.  Horny  unter 
Assistenz  von  drei  Domcapitularen  und  der  f.  e.  Curgeistlichkeit  nochmals 
eingesegnet.  Seine  Verwandten  liessen  über  der  Gruft  desselben  ein  schönes 
(irabmonument  errichten. 

Mit  Erzbischof  A.  hat  ein  an  Erfahrungen  und  unermüdlicher  Arbeit 
reiches  Leben  seinen  Abschluss  gefunden.  Selbst  während  seiner  kurzen  Krank- 
heit, durch  welche  der  Körper  zwar  gebrochen  wurde,  indessen  der  Geist  eine 
staunenswerthe  Lebhaftigkeit  bewahrt  hatte,  erledigte  er  noch  die  Acten  bis 
kurz  vor  seinem  Tode.  Ausser  den  zahllosen  Cieschäften  eines  Generalvicars 
der  so  grossen  Wiener  Erzdiöcese,  unterzog  er  sich  ebenso  mit  freudiger  Be- 
reitwilligkeit den  mannigfiichen  bischöflichen  Functionen  im  Stephansdome 
und  ausser  demselben.  Hunderten  von  Clerikern  spendete  er  die  heiligen 
Weihen,  und  Hunderttausenden  die  heilige  Firmung;  denn  während  der 
Pfingstoctave  allein  firmte  er  alljährlich  12  bis  15000  Kinder  und  Erwachsene. 
Bei  allen  feierlichen  Anlässen  in  und  ausser  dem  Stephansdome  vollzog  er 
die  kirchlichen  Handlungen  mit  grosser  Würde  und  erfreute  sich,  selbst 
musikalisch  veranlagt,  eines  klangvollen  Organs.     Seitdem  er  mit  der  bischöf- 


Angerer,     Schmid,  ly^ 

liehen  Würde  bekleidet  war,  nahm  er  in  den  meisten  Frauenklöstern  Wiens 
die  Einkleidung  und  Professablegung  der  Candidatinnen  vor,  wobei  er  stets 
nach  Form  und  Inhalt  vollendete,  ergreifende  Ansprachen  hielt.  Als  General- 
\icar  suchte  er  mit  den  Staatsbehörden,  ohne  dem  kirchlichen  Prinzipe  etwas 
zu  vergeben,  in  P'rieden  und  Harmonie  zu  leben,  ^^ie  er  überhaupt  im  Ver- 
kehr mit  Jedermann  von  gewinnender  Freundlichkeit  war,  und  jeder  Liebes- 
dienst, den  er  erweisen  konnte,  ihm  eine  Herzensfreude  bereitete.  Gegen 
Arme,  die  sich  oft,  besonders  an  Freitagen,  an  seiner  Thüre  einfanden,  hatte 
er  stets  eine  offene  Hand,  so  wie  auch  die  vielen  Vereine  und  Wohlthätig- 
keitsanstalten  an  ihm  einen  Förderer  und  Gönner  verloren.  —  Das  Wiener 
Diözesanblatt  (1898,  Nr.  16)  hebt  in  einem  kurzen  Nachrufe  die  Pflichttreue 
und  die  gewissenhatte  unermüdliche  Arbeit  des  Generalvicars  A.  hervor.  —  Von 
seinem  bescheidenen  Vermögen  bestimmte  er  testamentarisch  100  fl.  zur  Ver- 
theilung  an  die  Armen  der  Pfarre  St.  Stephan,  1000  fl.  zu  einer  Messenstiftung, 
30000  fl.  zu  der  Milde-Stiftung  für  arme  Seelsorger  und  Schullehrer  der  Wiener 
Erzdiöcese,  Legate  für  seine  Bediensteten,  und  einen  Brillanten  ring,  welchen 
Erzbischof  Milde  vom  Kaiser  Franz  L  erhalten  und  bei  seinem  Tode  seinem 
Secretär  übergeben  hatte,  zu  einer  Monstranz. 

Sein  Leben  war  eine  Kette  von  Arbeiten  und  Mühen  zum  Besten  der 
Erzdiöcese,  wesshalb  auch  diese  ihrem  langjährigen  Generalvicar  ein  dankbares 
Andenken  bewahren  wird. 

Wien.  Dr.  Zschokke. 

Schmidy  Ludwig  Carl,  Dr.,  Historiker  *  Vaihingen  a.  d.  Enz  in  Württem- 
berg 17.  Januar  181 1,  f  Tübingen  2.  April  1898.  Er  widmete  sich  realistischen 
Studien,  wurde  Hofmeister  im  Hause  des  Kriegsministers  von  Hügel  zu  Stutt- 
gart und  gehörte  dann  nahezu  4  Jahrzehnte  lang  als  Reallehrer,  zuletzt  titu- 
lirter  Professor  der  Tübinger  Realanstalt  an.  ¥jT  hatte  als  Lehrer,  wie  einer 
seiner  Collegen  an  seinem  Grabe  bezeugte,  etwas  Bestimmtes,  Abgegrenztes, 
fast  Militärisches.  Er  zeigte  auch  für  turnerische  Angelegenheiten  lebhaftes 
Interesse  und  war  Gründer  und  langjähriger  Commandant  der  Tübinger 
Jugendwehr.  Ueberhaupt  nahm  er  am  öffentlichen  Leben  Antheil.  1874  Hess 
er  sich  in  den  Ruhestand  versetzen  und  zog  sich  nun  mehr  und  mehr  in  die 
Stille  seiner  Studirstube  zurück.  Am  15.  April  1893  konnte  er  das  Fest  seiner 
fünfzigjährigen  Doctorwürde  begehen.  Sich  geistiger  Rüstigkeit  erfreuend, 
blieb  der  Greis  an  der  Arbeit,  bis  ihm  ein  sanfter,  schmerzloser  Tod  die 
Feder  aus  der  Hand  nahm.  Länger  als  ein  halbes  Jahrhundert  vertiefte  er 
sich  in  Forschungen  über  die  Geschichte  und  Kulturgeschichte  des  schwäbischen 
Mittelalters.  1843  doctorirte  er  mit  einer  kritisch-historischen  Untersuchung 
über  die  älteste  Geschichte  der  Pfalzgrafen  von  Tübingen.  1853  folgte  über 
diesen  Gegenstand  ein  ausführliches,  von  Uhland  freundlich  anerkanntes  Werk : 
»Geschichte  der  Pfalzgrafen  von  Tübingen,  nach  meist  ungedruckten  Quellen, 
nebst  Urkundenbuch«.  Sowohl  dieses  Buch  als  die  1862  erschienene  »Cie- 
schichte  der  Grafen  von  Zollern-Hohenberg  und  ihrer  Grafschaft  nach  meist 
ungedruckten  Quellen«  mit  einem  dazu  gehörigen  »Monumenta  Hohenbergica« 
betitelten  Urkundenbuche  sind  noch  heute  unentbehrliche  Hilfsmittel  für  alle, 
die  sich  mit  der  Geschichte  dieser  Häuser  und  dieser  Gegenden  befassen. 
Schmids  wissenschaftliche  Hauptleistung  war  »Die  älteste  Geschichte  des  er- 
lauchten Gesamthauses  der  Königlichen  und  Fürstlichen  Hohenzollern  bis 
zur  Erwerbung  der  Burggrafscliaft  Nürnberg«  (3  Theile,   1884/88).     Im  dritten 

12* 


j  3o  Scbmid.     Schmitz. 

Bande  wurde  der  Beweis  erbracht,  dass  die  Könige  von  Preussen  wirkliche 
Hohenzollern  seien  und  nicht  von  den  fränkischen  Grafen  von  Abenberg  ab- 
stammen, wie  andere  Cielehrte  behauptet  hatten.  Schmids  Ansicht  blieb 
nicht  unangefochten,  aber  er  wusste  sie  in  mehreren  weiteren  Schriften  gegen 
seine  Widersacher  glücklich  zu  vertheidigen.  Ausserdem  lieferte  er  nament- 
lich noch  folgende  Beiträge  zur  zollernschen  Geschichte:  »Belagerung,  Zer- 
störung und  Wiederaufbau  der  Burg  Hohenzollern  im  fünfzehnten  Jahr- 
hundert« (1867),  »Der  heilige  Meinrad  in  der  Ahnenreihe  des  erlauchten 
Hauses  Hohenzollern«  (1874),  »Das  Schloss  Alt-Rotenburg  oder  die  Weiler- 
burg von  Einst  und  Jetzt.  Kultur- historische  Zeit-  und  Landschafts- 
bilder aus  Schwaben«  (1877),  »Die  Heimat  der  Hohenzollern.  Land  und 
Leute  derselben  in  den  ältesten  Zeiten«  (1889),  »Die  Grafen  von  Hohenberg 
zoUerischen  Stammes  und  das  Minnesänger-Denkmal  auf  der  Weilerburg« 
(1891).  Andere  Arbeiten  Seh. 's  bezogen  sich  auf  andere  Abschnitte  der 
mittelalterlichen  Geschichte,  so  »Der  Kampf  um  das  Reich  zwischen  dem 
römischen  König  Adolf  von  Nassau  und  Herzog  Albrecht  von  Oestreich« 
(1858),  »Die  Geschichte  der  Herzoge  von  Teck,  der  Grafen  von  Achalm 
und  Urach,  von  Calw,  Vaihingen  und  Löwenstein  in  gedrängten  Abrissen 
dargestellt«  (1865),  »Die  Wahl  des  Grafen  Adolf  von  Nassau  zum  römischen 
König  1292«  (1870).  Als  Culturhistoriker  beschäftigte  er  sich  insbesondere 
mit  den  Minnesängern.  So  stellte  er  1874  eine  kritisch-historische  Unter- 
suchung über  »Des  Minnesängers  Hartmann  von  Aue  Stand,  Heimath  und 
Geschlecht«  an.  1879  veröffentlichte  er  einen  stark  ins  Romanhafte  schillernden 
Cyklus  von  culturhistorischen  Bildern  aus  dem  13.  Jahrhundert  »Graf  Albert 
von  Hohenberg,  Rotenburg  und  Haigerloch  vom  Hohenzollern-Stamme.  Der 
Sänger  und  Held«.  1877  Hess  er  sogar  eine  kulturhistorische  Novelle  als 
Manuscript  drucken:  »Des  Pfalzgrafen  Götz  von  Tübingen  nächtlicher  Besuch 
im  Kloster  Bebenhausen  1280«.  Ohne  zu  den  grossen  Meistern  historischer 
Auffassungs-  und  Darstellungskunst  zu  zählen  oder  auch  nur  überall  geläuterten 
Geschmack  zu  bewähren,  hat  sich  Schmid  doch  als  Special  forscher  unleug- 
bare Verdienste  erworben,  die  ihm  ein  bleibendes  Plätzchen  in  der  deutschen 
Geschichtswissenschaft  sichern.  Das  Haus  Hohenzollern  hat  sich  ihm  gegen- 
über nicht  undankbar  bewiesen.  Kaiser  Wilhelm  L  und  hauptsächlich  die 
Fürsten  von  Hohenzollern-Sigmaringen  zeichneten  ihn  mannigfach  aus.  Er 
versäumte  niemals,  seine  sieben  Orden  und  sonstigen  Ehren  den  ohnehin  allzu 
weitschweifigen  Titeln  seiner  Werke  anzuhängen. 

Zerstreute  Zeitungsnotizen,  namentlich  in  der  »Tübinger  Chronik«  vom  5.  und  7.  April 
1898  und  in  der  »Schwäbischen  Kronik«  vom  4.  und  6.  April  1898  (je  Abendblatt). 

R.  Krauss. 

Schmitz,  Wilhelm,  Philologe,  *  2.  August  1828  im  Dorf  lein  Kalkum,  das 
im  Landkreise  Düsseldorf  liegt,  f  zu  Köln,  17.  Juni  1898,  Sohn  eines  Elementar- 
lehrers, erhielt  seine  Vorbildung  auf  dem  katholischen  Gymnasium  an  Mar- 
zellen  zu  Köln,  das  er  im  Herbste  1849  verliess,  um  sich  in  Bonn  vornehm- 
lich philologischen  und  geschichtlichen  Studien  zu  widmen.  Dort  schloss  er 
sich  bald  an  Friedrich  Ritschi  an.  Mit  der  Dissertation  »Quaestiones  orthoe- 
picae  Latinae«  1853  erwarb  er  den  philosophischen  Doctorgrad  und  unterrichtete 
darauf  zu  seiner  praktischen  Ausbildung  theils  am  Gymnasium  zu  Bonn,  theils 
an  der  gleichartigen  Anstalt  zu  Düsseldorf.  Im  Herbste  1855  wurde  er  dem 
Gymnasium    zu    Coblenz    und    zu    Ostern  1856    dem  Gymnasium    zu  Düren 


Scbmitz.  l8i 

behufs  commissarischer  Beschäftigung  zugewiesen.  Der  letztgenannten  An- 
stalt gehörte  er  dann  auch  nach  seiner  im  Herbste  1856  erfolgten  definitiven 
Anstellung  bis  zum  Herbste  1860  als  ordentlicher,  darauf  als  Oberlehrer 
an.  In  gleicher  Eigenschaft  seit  Herbst  1865  an  das  katholische  Gymnasium 
an  Marzellen  in  Köln  versetzt,  wurde  ihm  vom  i.  October  1868 
ab  das  Rectorat  des  damals  ebendaselbst  neu  eröffneten  katholischen  Pro- 
gymnasiums und  bei  der  im  Herbste  1871  stattfindenden  Erweiterung  dieser 
Anstalt  zum  vollberechtigten  Gymnasium  die  Direction  des  nunmehrigen 
Kaiser  Wilhelm-Gymnasiums  übertragen.  Die  ersten  Studien  von  Seh.  waren 
orthoepischer  und  orthographischer  Art.  1863  wurde  seine  erste  tachy- 
graphische  Untersuchung  bekannt.  Ritschi  hatte  Seh.  schon  während  seiner 
Studienzeit  auf  das  über  Gebühr  vernachlässigte  Studium  der  Tironischen 
Noten  und  ihrer  Litteratur  aufmerksam  gemacht.  Am  15.  Juli  1862  schrieb 
ihm  sein  Lehrer:  »Sehen  Sie  sich  doch  einmal  im  Gruter,  nach  den  In- 
dices  und  Corrigenda,  die  »Notae  Tironis  ac  Senecae«  an,  nicht  auf  die 
Notae,  sondern  auf  ihre  Erklärungen.«  Damit  kam  der  Stein  ins  Rollen. 
Der  erste  Aufsatz  von  Seh.  über  die  altrömische  Stenographie  hatte  den 
in  zwiefacher  Beziehung  interessanten  Titel:  „Zu  den  sog.  »Notae  Tironis 
ac  Senecae«".  Umfangreicher  ist  schon  der  zweite  Aufsatz  »Tironiana«  in 
den  »Symbola  philologorum  Bonnensium  in  honorem  Ritschelii  collecta 
(Leipzig  1864)«.  Hier  bespricht  Seh.  den  Codex  Cassellanus.  Für  den  »Pan- 
stenographikon«  lieferte  Seh.  im  Jahre  1869  einen  Beitrag,  »De  Romanorum 
tachygraphia«  betitelt.  Bald  darauf  erschien  von  ihm  eine  eingehende 
Würdigung  von  Oscar  Lehmanns  »Quaestiones  de  Notis  Tironis  et  Senecae« 
(Leipzig  1869).  Die  Jahre  1870  und  187 1  brachten  Untersuchungen  über 
^>die  Strassburger  Handschrift  der  Tironischen  Noten«.  Durch  den  Brand 
der  Strassburger  Bibliothek  (1870),  war  auch  den  Flammen  der  platzenden 
Granaten  ein  Notencodex  zum  Opfer  gefallen.  Jetzt  machte  Seh.  der  Gelehrten- 
welt die  Mittheilung,  dass  er  den  Text  des  genannten  Codex  in  Folge  einer 
in  den  Tagen  vom  4.  bis  8.  September  1869  vorgenommenen  Collation  nach 
dem  Gruterschen  Druck  gerettet  hätte.  Untersuchungen  über  »die  Lei- 
dener Handschriften  der  Tironischen  Noten«  und  über  »die  Pariser  Hand 
Schriften  der  Tironischen  Noten  schlössen  sich  in  den  folgenden  Jahren  der 
Publication  über  den  Strassburger  Notencodex  an.  Ausser  diesen  Aufsätzen 
befindet  sich  dann  im  »Rheinischen  Museum«  noch  eine  grössere  Anzahl 
kleinerer  Untersuchungen  zur  Erklärung  und  Emendation  der  tironischen 
Noten.  In  den  Jahren  1863 — 1877  erschienen  30  solcher  Artikel.  Alle  die 
bis  jetzt  besprochenen  Abhandlungen  waren  in  verschiedenen  Zeitschriften 
zerstreut.  Wiederum  war  es  Friedrich  Ritschi,  der  Seh.  schrieb:  »Mir  ist 
dieser  Tage  der  Gedanke  gekommen,  dass  Sie  doch  sehr  gut  thäten,  wenn 
Sie  ihre  bisher  gedruckten  Beiträge  zur  lateinischen  Sprach-  und  Litteratur- 
kunde  sammelten.  Sie  thäten  damit,  wie  ich  glaube,  unseren  Studien  einen 
recht  namhaften  Gefallen  .  .  .«  Wenige  Jahre  später  war  Ritschis  Wunsch 
erfüllt  in  dem  Bande  »Beiträge  zur  lateinischen  Sprach-  und  Litteraturkunde 
(Leipzig,  1877)«.  ^^^  nächsten  Erzeugnisse  seiner  Feder  waren  »Studien  zur 
lateinischen  Stenographie,«  deren  erster  Theil  Madrider,  deren  zweiter  Berner 
Noten  behandelte.  Weiteren  Kreisen  wurden  seine  Untersuchungen  besonders 
durch  zwei  populäre  Vorträge  »Ueber  tironische  Notenu  bekannt.  Von  nun 
ab  mehren  sich  seine  Aufsätze  in  überaus  schneller  Weise.  Den  »Studien  zur 
lateinischen  Tachygraphic«  folgten  die  als  selbstständiges  Werk  erscheinenden 


l82  Schmitz.     Montemczzo. 

>^Monumenta  tachygraphica  codicis  Parisiensis  latini  2718«.  Dann  durchmusterte 
er  die  Handschriften  der  Kölner  Dombibliothek.  Er  fand  hier  13  Handschriften 
mit  tironischen  Noten.  Auf  die  Existenz  derselben  hatte  bereits  Wilhelm  Watten- 
bach  hingewiesen.  Zum  Andenken  an  Gabelsberger,  »den  Kenner  tironischer 
Noten«,  veranstaltete  Seh.  zu  dessen  Säcularfeier  eine  Ausgabe  der  regula  cano- 
nicorum  Chrodegangs  von  Metz  (742  bis  766)  nach  einer  Leidener  Hand- 
schrift. 1893  erschien  das  Hauptwerk  von  Seh.,  die  »Commentarii  notarum 
Tironianaruni« .  Das  Buch  ist  die  Frucht  eines  ganzen  Menschenlebens. 
Palaeographen  und  Philologen,  Geschichtsforscher  und  Litteraturhistoriker, 
Stenographen  und  Grammatiker  spendeten  dem  Werke  uneingeschränktes 
Lob.  Neben  seinen  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  lateinischen  Tachygraphie 
hat  Seh.  noch  manche  andere  wissenschaftliche  Arbeit  von  W^erth  geliefert.  In 
den  Programmen  des  Kaiser  Wilhelm-Gymnasiums  von  1878,  1879,  1882  und 
1883  hat  er  »Mittheilungen  aus  den  Akten  der  Universität  Cöln«  veröffentlicht, 
denen  eine  Untersuchung  über  den  »Bauernkrieg  und  die  mit  demselben  zusam- 
menhängenden stadtkölnischen  Unruhen«  auf  Grund  eines  Berichtes  des  Decans 
an  der  Kölner  Universität,  Wilhelm  von  Zons,  aus  dem  Jahre  1525  folgte. 
Als  Schlussergebniss  dieser  fiir  die  Genealogie  wichtigen  Vorarbeiten  erschien 
im  Jahre  1892  die  in  Gemeinschaft  mit  Dr.  Keussen  herausgegebene  Matrikel 
der  Universität  Coeln  (1389 — 1559)« 

Als  Lehrer  hat  Seh.  der  Anstalt,  der  er  siebenundzwanzig  Jahre  vorstand, 
das  (lepräge  seiner  eigenen,  energischen,  eigenartigen  Persönlichkeit  auf- 
gedrückt. Als  Grundsatz  seines  pädagogischen  Bekenntnisses  hat  er  in  einer 
Abschiedsrede  die  Forderung  aufgestellt:  ohne  Schablone,  aber  nicht  ohne 
Princi])  die  Jugend  zu  erziehen,  als  Princip  habe  aber  zu  gelten  Gottesfurcht, 
Königstreue  und  Vaterlandsliebe,  Sittlichkeit  und  ernstes  wissenschaftliches 
Streben. 

Nach  dem  Gedenkblatt  von  Cur!  Dewischcit  (S.-A.  aus  dem  »Archiv  für  Steno- 
graphie«, 1S98),  Berlin,  H.  Schumann,  1898.     Ebenda  ein  Bild  von  Seh. 

Montemezzo,  Antonio,  Thier-  und  Landschaftsmaler,  *  11.  December  1841 
zu  S.  Paolo  di  Piane  bei  Treviso,  f  11.  September  1898  zu  München,  war 
der  Sohn  eines  Apothekers,  besuchte  zuerst  die  Volksschule  in  seiner  Heimath, 
dann  in  Venedig  die  Academie,  wo  er  drei  Diplome  und  ein  Stipendium  zu 
einer  Studienreise  errang.  Im  Jahre  1870  ging  M.  nach  Wien  und  Hess  sich 
1871  bleibend  zu  München  nieder,  wo  sein  künstlerisches  Talent  in  Beob- 
achtung des  Thun  und  Treibens  unserer  Hausthiere  zur  vollen  Blüthe  gelangte. 
Insbesondere  liebte  er,  Hühner  und  Gänse  in  lebendiger  Weise  und  in  glänzen- 
der Farbengebung  darzustellen.  Aber  auch  die  sonnige  Landschaft  gelang  es 
ihm  wiederzugeben  oder  die  regenfeuchten  W'olken  über  den  frühlingsfrohen 
Isarauen.  Eine  »Dorfparthie  mit  Staffage«  erschien  1875  zuerst  im  Kunst- 
vcrcin,  welcher  in  der  Folge  beinahe  alljährlich  seine  meist  in  kleinem  Format 
gehaltenen,  sehr  ansprechenden  Thierstücke  erwarb,  darunter  eine  »Junge 
Pflegerin.  (Henne  mit  ausgebrüteten  Entlein),  die  in  verschiedenen  Dar- 
stellungen wiederholte  »Ciänsehirtin«  (1876),  und  »Dachauerin«  (1885), 
eine  vGänseheerde«  (1886),  ein  Pferdemarkt«  (1889),  »Grasende 
Kühe^^  (1896),  reizende,  geschäftige  ^> Hühner«  (1897)  und  ein  »Hahnen- 
kampf«. Während  er  im  Juli  1898  an  seinem  letzten  Bildchen  »Heu- 
ernte^ arbeitete,  fiel  ihm  plötzlich  vor  der  Staffelei  der  Pinsel  aus  der  Hand 
—   das  erste  Zeichen   einer  rasch  weitergreifenden,  auch  das  Sprachvermögen 


Montemezzo.     v.  Sager.  igj 

raubenden  Lähmung;  so  erschien  der  Tod  als  eine  Erlösung.  Seine  durch 
heiteren  Humor,  packende  Individualisirung  und  blühendes  Colorit  immer  an- 
sprechenden Bilder  bekundeten  ihre  Vorzüge  in  Photographie  und  Holzschnitt, 
in  letzterer  Reproduction  erschienen  z.  B.  eine  »Entenjagd«  (No.  2674  ^>IllustT. 
Ztg.«,  I.pz.,  29.  September  1894),  »Wildenten«  (Reclam's  »Universum«  1898. 
XIV.  Jahrg.  i.  Heft),  »Glückliche  Reise!«  (winkt  ein  Gänsehirt  einem  vorbei- 
sausenden Eisenbahnzug,  in  No.  i,  »lllustr.  Welt«  1897).  Sein  Name  wird 
lange  noch  in  guter  Erinnerung  bleiben.  Nachträglich  erschien  (März  1899) 
ein  hübscher  »Geschirrmarkt«  im  Kunstverein. 

Vgl.  Bericht  des  Münchener  Kunstverein  für  1898.     S.  71. 

Hyac.  Holland. 

Sager,  Michael  von,  'bayerischer  Oberbaurath,  Ingenieur,  ein  Pionier  der 
deutschen  Technik,  *  13.  September  1825  zu  Holzhäusel  bei  Gaindorf 
(Bezirksamt  Vilsbiburg  in  Niederbayern),  f  6.  Januar  1898  zu  München.  Die 
Lebensgeschichte  dieses  merkwürdigen  Mannes  ist  ein  neuer  Beleg  für  die 
anerkannte  Thatsache,  dass  nicht  allein  Albions  Millionäre  und  die  amerika- 
nischen Dollar-Nabobs,  sondern  auch  die  grössten  Erfinder  und  industriellen 
Arbeitgeber  sich  von  unten  herauf  emporgearbeitet,  mit  nichts  angefangen  und 
nur  durch  Fleiss  und  Genie  es  vorwärts  gebracht  haben.  S.  war  der  Sohn 
eines  Schmiedegesellen  in  einem  weltentlegenen  Flecken;  zwei  Kreuzer,  welche 
er  als  Ministrant  beim  Messedienst  einmal  geschenkt  erhielt,  bildeten  seine 
erste  Baarschaft.  Er  besuchte  die  Volksschule  in  Frontenhausen  und  trat 
dann  zu  Landshut  bei  einem  Tuchscheerer  in  die  Lehre  mit  der  bescheidenen 
Hoffnung,  einmal  ein  kleiner  Handwerksmeister  zu  werden.  In  der  kurzen 
Freizeit  befasste  er  sich  mit  der  lateinischen  Grammatik  unter  der  Beihülfe 
eines  Gymnasiasten  und  zwar  mit  solcher  Lernbegierde,  dass  S.  in  einem 
Jahre  an  der  Lateinschule  die  nöthigen  Zeugnisse  errang,  um  in  die  Gewerbe- 
schule einzutreten.  Von  da  führte  der  Weg  an  die  Polytechnische  Schule 
nach  München  (1850).  Es  gab  aber  genug  zu  kämpfen  mit  den  widerstrebend- 
sten  Verhältnissen.  Beim  Tode  des  Vaters  war  ihm  ein  kleines  Anwesen  zu- 
gefallen, welches  S.  zu  Geld  machte;  um  die  Mittel  zu  verlängern,  befliss  er 
sich  der  härtesten  Entbehrungen  und  behalf  sich  durch  Ertheilung  von  Privat- 
unterricht. Der  Kampf  ums  Dasein  war  hart  und  schwer.  Aber  die  Kraft 
der  Jugend  und  das  brennende  Verlangen  nach  Bildung  stählte  seine  Energie; 
so  wurde  S.  im  strengsten  Sinne  des  Wortes  der  »seif  made  man«.  Bald 
gewann  er  durch  seine  Fassungsgabe  und  die  grossen,  überraschenden  An- 
lagen und  den  leuchtenden  Fleiss  die  Aufmerksamkeit  des  damaligen  Rectors 
H.  Alexander  und  seiner  Lehrer,  darunter  auch  E.  von  Bauernfeind.  Nach- 
dem S.  die  theoretischen  Vorbedingungen  zum  Eintritt  in  den  Staatsdienst  er- 
füllt hatte,  begann  er  seine  Thätigkeit  als  Practicant  beim  Strassen-  und  Fluss- 
bauamt Weilheim,  machte  nach  zwei  Jahren  mit  Auszeichnung  das  Staatsexamen 
zu  München  (1858),  bethätigte  sich  aber  nicht  im  Staatsdienst,  sondern  als 
Hülfs-Ingenieur  der  Privatgesellschaft  zum  Bau  der  Bayerischen  Ostbahn.  Hier 
erregte  sein  praktischer  Blick  und  unermüdlicher  Fleiss,  insbesondere  aber 
seine  trotz  der  solidesten  Ausführung  auffällige  Oekonomie,  alsbald  die  Auf- 
merksamkeit der  massgebenden  Persönlichkeiten;  in  Folge  davon  wurden  ihm 
als  Sections-Ingenieur  rasch  grössere  Arbeiten  anvertraut  und  seine  Leistungen 
in  Wernberg  und  Eger  durch  entsprechende  Remunerationen  belohnt.  Da  in 
Eger  das  damalige  Bauprogramm   der  Ostbahn   endete,   sah  sich    S.   vor   die 


l84  ^-  Sager. 

Wahl  gestellt,  entweder  in  den  Betriebsdienst  der  Ostbahn  überzutreten  oder 
sich  zum  Eintritt  bei  der  k.  b.  obersten  Baubehörde  zu  melden.  Obwohl 
er  kurz  vorher  einen  eigenen  Hausstand  begründet  hatte,  wollte  er  sich  zu 
keinem  T^ienstverhältniss  entschliessen,  verzichtete  also  auf  seine  wohlerworbenen 
Rechte  zu  einer  Anstellung  im  Staatsdienste  und  begann  als  freier  Mann  auf 
eigene  Faust  seine  Bahn  zu  verfolgen.  Mit  seinen  Ersparnissen  kaufte  er  in 
günstiger  Lage  einige  Bauplätze  in  München ,  errichtete  etliche  höchst 
praktisch  eingerichte,  grosse  Privathäuser  und  wartete  ruhig  auf  weitere 
(ielegenheit,  seine  bisherigen  Erfahrungen  selbstständig  auszunützen  und  zu  ver- 
wcrthen.  Bei  seiner  Gewissenhaftigkeit  als  Bauführer  hatte  er  die  Leistungen 
seiner  Arbeiter  und  Accordanten  mit  dem  ihm  eigenen  Scharfblick  beobachtet 
und  dadurch  eine  ausserordentlich  praktische  Technik  gew^onnen,  so  dass  er 
bei  höchster  Solidität  viele  Arbeiten  in  Regie  und  Kleinaccord  zu  wesentlich 
niederen  Preisen  im  Interesse  der  Ostbahn  durchzuführen  verstand,  als  die 
darauf  reflectirenden  Accordanten  veranschlagten.  Während  er  seiner  Gesell- 
schaft sehr  erhebliche  Ersparnisse  machte,  hatte  er  sich  zum  eigenen,  selb- 
ständigen Unternehmer  ausgebildet.  Der  Bau  der  Staatsbahnstrecke  München- 
in golstadt-Treuchtlingen  bot  die  erste  günstige  (Gelegenheit  als  Mindest- 
nehmer  in  der  Nähe  von  Ingolstadt  ein  Bauloos  zu  erstehen,  womit  auch  die 
Ausführung  eines  Vorwerkes  verbunden  war,  welches  in  der  Umgebung  dieser 
Festung  durch  die  Kriegsereignisse  des  Jahres  1866  möglichst  rasch  hergestellt 
werden  sollte,  deren  Vollendung  jedoch  in  Folge  des  kurzen  Verlaufes 
dieses  Krieges  bald  wieder  sistirt  wurde.  So  konnte  S.  mit  voller  Kraft 
zu  seinen  Bahnl)au-Arl)eiten  zurückkehren.  Inzwischen  war  der  Grossindustrielle 
und  Reichsrath  Dr.  Theodor  von  Cramer-Klett  auf  S.  aufmerksam  geworden  und 
l)0t  ihm  Credit  an,  wodurch  er  in  Stand  gesetzt  wurde,  die  Ausführung  der  Bau- 
loose  in  der  Nähe  von  Eichstätt  zu  erstehen,  w' eiche  die  Anschaffung  von  sehr  um- 
fangreichen und  kostspieligen  Werkzeugen  benöthigten.  Nach  Lösung  dieser 
Verpflichtungen  hatte  S.  soviel  erreicht,  dass  sein  gewaltiges  Inventar  verdient 
war  und  sein  nächstes  Augenmerk  desshalb  darauf  gerichtet  sein  musste,  zur 
weiteren  Ausnützung  desselben  neue,  entsprechende  Arbeit  zu  bekommen. 
Da  nun  damals  in  Oesterreich  eine  lebhafte  Thätigkeit  im  Eisenbahnbau  be- 
gann und  dort  die  Vergebung  von  ganzen  Linien  im  Pauschalaccord  allgemein 
üblich  war,  mussten  diese  Verhältnisse  unseren  S.  lebhaft  interessiren,  um  so 
mehr,  als  dort  sich  Gelegenheit  bot,  um  auch  als  Ingenieur  bei  den  Unter- 
suchungen in  den  Detailprojectirungen  und  Ausführungen  zur  Geltung  zu  ge- 
langen. >^Es  glückte  ihm  (1868)  durch  die  Uebernahme  der  Linie  Neumarkt- 
Ried-Braiuiau  (^61  Kilometer),  den  nächsten  Schritt  über  die  Grenze  zu  thun 
und  seine  Thätigkeit  in  Oesterreich  mit  einem  grösseren  Bahnbau  zu  be- 
ginnen.« Doch  schon  im  folgenden  Jahre  (1869)  »betheiligte  sich  die  in 
Oesterreich  noch  kaum  bekannte  Firma  (S.  hatte  sich  inzwischen  mit  zwei 
ehemaligen  CoUegen  von  der  bayer.  Ostbahn  associirt)  an  der  Concurrenz  der 
Pusterthal-Bahn  »Lienz-Franzensfeste'<,  einer  sehr  schwierigen  Gebirgsstrecke 
von  107  Kilometern,  deren  Voranschlag  ohne  Grundeinlösung,  Schienen  und 
Hochhau  von  Seite  der  Priv.  Oesterr.  Südbahn  mit  mehr  als  11  Millionen 
(nilden  erhoben  worden  war.  Die  Offerten  der  ausser  S.  mitconcurrirenden 
(iencralbau-LTntcrnehmungcn  waren  sämmtlich  höher  als  der  Voranschlag  der 
Südbahn,  dagegen  unterbot  das  Oft'ert  S.  dieselben  um  fast  2  Millionen 
Guklcn,  so  dass  sich  zu  Gunsten  der  Südbahn  gegenüber  dem  Aufgebot  der 
Mitroncurrenten  Sagers  Offerte  um  nahezu  3  Millionen   billiger  stellte.     Dieses 


V.  Sager.  185 

auffallende  Ergebniss  musste,  da  S.  noch  unbekannt  war,  bei  der  Südbahn 
begründetes  Bedenken  erregen  und  zur  äussersten  Vorsicht  in  der  Entscheidung 
mahnen,  denn  dieselbe  hatte  ja  schon  viele  schwierige  Gebirgss trecken  gebaut 
und  wusste,  was  diese  sie  gekostet  hatten;  es  w^r  also  das  Misstrauen  diesen 
unsolid  niedrig  erscheinenden  Offerten  gegenüber  nicht  unbegründet;  doch 
lauteten  die  financiellen  Erkundigungen  über  die  Firma  so  günstig  und  S.  be- 
harrte so  entschieden  auf  seinem  Offert,  dass  man,  wenn  auch  mit  unverhohlener 
Besorgniss,  sich  entschloss,  ihm  diesen  bedeutenden  Bau  zur  Ausführung  zu 
übertragen.«  »Als  S.  dann  (wie  ein  Augenzeuge  berichtet)  mit  seinen  Vor- 
bereitungen zum  Bau  begann  und  die  Aufsichtsorgane  der  Südbahn  staunend 
die  ungeheuren  Massen  von  bestem  Werkzeug,  Hülfsschienen,  Rollwagen, 
Maschinen  u.  dgl.  ins  herrliche  Pusterthal  kommen  sahen,  da  ahnten  sie  wohl, 
dass  S.  sich  seiner  gewaltigen  Aufgabe  voll  bewaisst  sein  müsse,  allein  ob  sich 
trotzdem  seine  rastlose  Mühe  und  unbeugsame  Energie  auch  für  ihn  lohnen 
könne,  darüber  erlaubten  sie  sich  noch  einstweilen  ihre  eigenen  Zweifel. 
Doch  als  sich  das  Pusterthal  mit  dichten  Arbeiterschaaren  belebt  hatte  und 
überall  ein  emsig  Schaffen  begann,  da  gewahrten  die  Ingenieure  der  Südbahn 
viel  Praktisches  und  Neues,  ihre  Besorgniss  wuch  einem  gerechten  Erstaunen, 
die  Leistungen  eilten  gewaltig  den  Erwartungen  voraus  und  als  dann  gar  noch 
die  Objecte  besser  ausgeführt  wairden,  als  sie  nach  den  Bedingnissen  verlangt 
werden  konnten,  musste  man  sich  zum  Bekenntniss  herbeilassen,  dass  diese 
Unternehmung  in  Leistung  und  Solidität  alles  Erwarten  und  Verlangen  weit 
überboten  habe.«  Fünf  Tunnels  von  946  m  Länge  und  371  Brücken  und 
Durchlässe  mit  1330  m  Lichtweite,  fast  4  Mill.  cbm  Erdbewegung  und  gross- 
artige Schutzbauten  gegen  Wasserangriffe  und  Rutschungen  w^aren  nothwendig, 
und  dennoch  gelang  es,  die  Bahnstrecke  14  Monate  vor  dem  Termine  dem 
Betrieb  zu  übergeben  und  dadurch  um  so  \iel  früher  für  Oesterreich  eine 
directe,  eminent  strategisch  wichtige  Bahnverbindung  mit  Tyrol  zu  vollenden. 
Die  Südbahn  hatte  aber  noch  dazu  durch  eine  Verlegung  der  Trace  im  Drau- 
thal  bei  Mittenwald,  welche  durch  S.  bei  der  Detailtracirung  gewählt  und  von 
der  Südbahn  acceptirt  worden  war,  eine  weitere  Million  an  Baukosten  erspart, 
wodurch  sich  die  Offertsumme  S.  um  diese  reducirte  und  sich  auf  8  Millionen 
bei  der  Abrechnung  stellte,  während  die  anderen  Generalbauunternehmer 
I  2  Millionen  verlangt  hatten.  Diese  phänomenale  Leitung  S's.  war  jedenfalls 
die  beste  Empfehlung.  Nun  folgte  alsbald  eine  stattliche  Reihe  von  anderen 
Aufträgen.  Der  Bau  einer  31  km  betragenden  Linie  bei  Wien  und  einer 
108  km  langen  Linie  in  Nordböhmen  gegen  Breslau  füllte  die  Jahre  1873 
bis  1875  aus,  worauf  die  verkehrspolitische  wichtige  und  technisch  bedeutende 
194  km  lange  Linie  Temesvar-Orsova  in  Angriff  genommen  und  bis  Frühjahr 
1878  vollendet  wurde.  Wieder  waren  es  grosse  Schutzbauten,  viele  Brücken 
und  vier  Tunnels,  die  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  bewältigt  werden  mussten, 
vor  Allem  aber  bereitete  grosse  Schwierigkeiten  der  8q8  m  lange  Ratkonya- 
Tunnel,  der  wegen  seines  Wasserreichthums  und  des  blähenden  Tegels  in  der 
Tunnelbaukunde  Berühmtheit  erlangte.  Forderte  schon  bei  der  Linie  Temesvar- 
Orsova  die  Unterbringung  und  Verpflegung  der  von  epidemischer  Krankheit 
heimgesuchten  Arbeiter,  welche  S.  mit  humaner  Sorgfalt  behandelte,  grosse 
Opfer,  so  wurde  in  dieser  Beziehung  und  in  Hinsicht  auf  Beischaffung  von 
Cicräthen  und  Materialien  Alles  übertroffen  beim  Bau  der  Schmalspurbahn 
Forod-Serajewo,  die  1878  die  Durchführung  der  Occupation  von  Bosnien 
unterstützen    sollte.     Ein    unkultivirtes,    im   Aufstand    befindliches    Land,    die 


l86  V-  Sager. 

militärischen  Operationen  und  eine  gewaltige,  das  Savethal  auf  15  km  Breite 
bedeckende  Ueberschwemmung  erschwerten  den  Fortschritt  der  Arbeit  ausser- 
ordentlich. Und  dennoch  wurde  die  Bahn  vom  September  1878  bis  9.  Juni 
1879  von  Brod  bis  Zenica  auf  190  km  betriebsfähig  hergestellt.  Dieser  ausser- 
ordentlichen technischen  Leistung  folgten  nach  einer  kurzen  Pause  in  der 
Bauthätigkeit,  die  aber  durch  Projectirungsarbeiten  in  Bosnien  und  der  Herze- 
gowina ausgefüllt  wurde,  von  1882  bis  1888  der  Bau  verschiedener,  zu- 
sammen 365  km  langer  Eisenbahnlinien  in  Mähren  und  längs  der  mährisch- 
ungarischen Grenze,  die,  obwohl  von  einem  mehr  normalen  Charakter,  doch 
auch  sehr  bedeutende  Objecte,  insbesondere  Viaducte  umfassten.  Die  Ge- 
sammtheit  der  von  S.  in  Oesterreich-Ungarn  ausgeführten  Bahnlinien  ergiebt 
eine  Länge  von  1050  km  mit  151  Stationen,  140  Brücken  und  11  Tunnels  von 
3123m  Länge.  Die  Erd-  und  Kiesbewegung  betrug  19.5  Mill.  cbm  und  die 
Gesammt-Abrechnungssumme  55  Millionen  Gulden. 

Ein  Anderer  hätte  sich  wohl  nach  solchen  unermesslichen  Aufregungen, 
Anstrengungen,  Mühen  und  Erfolgen  zur  Ruhe  gesetzt.  Auch  ihm  war  das  Glück 
nicht  frei  von  Sorgen  und  Leiden  genaht.  Der  Tod  seiner  Frau  —  auf  ihren 
Namen  taufte  er  später  sein  Schiff  »Charlotte«  im  Kaiser-Wilhelm-Canal  —  fiel 
schwer  in  die  Wagschaale  seines  Lebens.  Seinen  zu  einer  wahren  Muster- 
schule eingerichteten  Landsitz  zu  Wessobrunn  verlassend,  trat  S.,  trotz  seiner 
vorgeschrittenen  Jahre,  an  das  seine  volle  Thatkraft  herausfordernde  Problem 
beim  Bau  des  Kaiser-Wilhelm-Canals  —  ein  Project,  welches  schon  162g 
kein  geringerer  als  Albrecht  von  Waldstein  und  mit  ihm  der  Kriegsbaumeister 
Alexander  Marchese  de  Borri  geplant  und  damals  auf  die  Summe  von  acht 
Millionen  Mark  (500,000  Reichsthaler)  angeschlagen  hatte.  Das  ihm  voll- 
kommen neue  Gebiet  reizte  unseren  S.  durch  seine  nationale  Bedeutung 
zum  Wettbewerb.  Um  Zeugniss  abzulegen,  was  deutsche  Einigkeit  vermag, 
blieb  er  als  Bayer  nicht  zurück.  Als  sich  der  einfache  Mann  zu  Berlin 
um  die  Ausführung  des  VL  Looses  am  Nord- Ostsee -Canal  bei  Grünen- 
thal bewarb  —  es  w^ar  gerade  die  schwierigste  Stelle,  wo  es  galt,  ganze 
Anhöhen  abzugraben  und  eine  riesige  Brücke  über  die  Wasserbreite  zu 
schlagen  —  da  gab  man  ihm  zu  bedenken:  es  gelte  nicht  bloss  wohlfeile 
mündliche  Versicherungen  zu  ertheilen,  sondern  auch  Caution  zu  leisten.  Da 
griff  der  unscheinbare  Unbekannte  in  die  Brusttasche  und  präsentirte  einen 
gerade  verfügbaren,  auf  eine  Million  lautenden  Check  mit  der  Frage:  ob  das 
vorläufig  genüge?  Dadurch  wohl  etwas  betreten,  nahmen  die  Herren  von 
der  Commission  mit  der  Hälfte  vorlieb.  Und  nun  ging  S.  mit  dem  Eifer 
eines  Jünglings  daran,  eine  ungeheuere,  auf  kurze  Strecken  zusammengedrängte 
P>darbeit  zu  verwirklichen.  Er  begann  mit  der  Errichtung  einer  Post-  und 
Telegraphenstation,  mit  Wohnstätten  und  Herbergen  für  die  Tausende  von 
Arbeitern  aus  allen  deutschen  (iauen,  namentlich  aus  Ostpreussen,  aber  auch 
aus  Polen,  Russland,  Italien;  es  entstand  ein  ganzes  Dorf  mit  mehreren  Gast- 
höfen, aber  auch  mit  einem  Capellenbau  und  einem  Pfarrer.  Zuerst  erfolgte 
die  Fundamentirung  der  4  Thürme,  welche  die  Widerlager  bilden  zu  der 
einhundert  und  sechszig  Meter  überspannenden  Riesenbrücke;  das  dazu  nöthige 
Eisenwerk  mit  einmalhundertdreissigtausend  Centnern  lieferte  die  Fabrik  Cramer- 
Klett  von  Nürnberg,  die  Bautjuadem  das  Fichtelgebirge.  Daneben  galt  es 
(He  ganz  aussergewöhnlichen  Canalarbeiten  zu  bewältigen.  Es  waren  hier 
auf  12  km  Länge  eine  der  Insel  Helgoland  entsprechende  Masse  von  14  Mill. 
cbm  Erde  auszuheben  und  grösstentheils  in  Ablagerungen,  zum  Theil  in  zwei 


V.  Sager.  187 

bis  zu  25  m  hohe  Eisenhahndämme  zu  erbringen.  Daran  arbeiteten  gleich- 
zeitig 8  Trockenbagger,  3  Nassbagger,  16  Lokomotiven,  600  Transportwagen 
von  3  cbm  Inhalt  auf  30  km  Eisenbahn  geleis  und  3  grosse  Pumpenanlagen 
—  ein  Material  und  Werkzeug,  welches  auf  drei  Millionen  Mark  Werth  sich 
bezifferte.  Es  gab  bei  der  fast  unübersehbaren  Fülle  von  Arbeit  genug  Auf- 
regungen und  schlaflose  Nächte,  kein  Wunder,  dass  über  S.  ein  schlagähnlicher 
Zustand  hereinbrach,  der  durch  Billroths  Kunst  zwar  wieder  gehoben  wurde, 
aber  doch  die  Folge  hatte,  dass  S.'s  grosse  Erfahrung  den  Arbeitsdispositionen 
eine  Zeit  lang  entzogen  w^ar  und  dass,  da  später  noch  durch  Naturereignisse 
einige  unvorhergesehene  Schwierigkeiten  hereinbrachen,  der  Lohn  der  Arbeit 
schliesslich  nicht  so  ganz  ihren  Mühen  und  Sorgen  entsprach.  Das  Riesen- 
werk selbst  hatte  darunter  freilich  nicht  gelitten,  S.  brachte  es  rechtzeitig 
nach  sechsjähriger  Arbeit  vollständig  und  richtig  zur  Vollendung.  Daniit 
verband  S.  eine  feinfühlige  Huldigung  für  den  Kanzler,  welcher  die  Gründung 
des  Deutschen  Reiches  vollbrachte,  indem  der  Bauherr  zur  P'eier  des  vollendeten 
achtzigsten  Geburtstages  Bismarcks  den  Durchstich  des  letzten  Erddammes 
vornahm  und  so  die  Vermählung  der  Nordsee  mit  der  Ostsee  einleitete,  ein 
Ereignis,  welches  sofort  telegraphisch  dem  Manne  zuflog,  welcher  den  (ilanz 
der  alten  Kaiserkrone  wieder  erhoben  und  das  Reich  geeint  hatte.  Bei  der 
Eröffnungsfahrt  machte  S.  mit  allerhöchster  Erlaubniss  den  Schluss,  auf  seinem 
eigens  erbauten  Dampfer  »Chcarlotte«,  mit  seinem  Generalstab  von  Technikern 
und  Ingenieuren  ebenso  begrüsst  und  bejubelt  von  den  Uferanwohnern  wie 
die  Weltpotentaten  mit  ihren  stolzen  Orlogs.  —  Auch  jetzt  noch  gönnte  er 
sich  keine  Ruhe,  sondern  war  schon  wieder  bei  der  Lösung  eines  neuen 
Projects  in  der  österreichischen  Kaiserstadt  in  voller  Thätigkeit.  Die  schwierige 
Aufgabe  der  Regulirung  und  Einwölbung  des  Wienflusses  war  dem 
Siebenzigjährigen  wieder  auf  dessen  Mindestgebot  zugefallen,  der  sein  Pensum 
ebenso  ehrenvoll  löste  und  kein  anderes  Vergnügen  kannte,  als  Mühe  und 
Arbeit.  Zuletzt  trug  er  sich  noch  mit  Plänen,  dem  Ludwigs-Donau-Main- 
Canal  durch  Nivellirung  mehr  Wasser  zuzuführen.  —  Was  S.  als  Techniker  aus- 
zeichnete, war  sein  eminenter  Blick  für  Arbeitsein theilung.  Stets  fand  er,  was 
nicht  Jeder  sieht,  das  Naheliegende  und  Einfache;  die  rechtzeitige  Beschaffung 
aller  Materialien  und  Geräthe,  die  Inangriffnahme  der  einzelnen  Theile  in 
solcher  Reihenfolge,  dass  niemals  der  Nachfolgende  durch  den  Vorhergehenden 
aufgehalten  wurde,  die  Auswahl  und  Vertheilung  der  Hülfskräfte  auf  die  für 
sie  geeigneten  Stellen,  das  war  bei  allen  Bauten  sein  eigenes  Werk  und  stützte 
sich  auf  eine,  keine  Stunde  des  Tages  und  der  Nacht  scheuende  Beobachtung 
des  Arbeits-Fortganges.  Als  Geschäftsmann  verfügte  S.  über  eine  mit  der 
Wahrnehmung  der  eigenen  Interessen  wohl  vereinbare,  unerschütterliche  Red- 
lichkeit. Die  Güte,  ja  selbst  die  Schönheit  seiner  Bauten  stand  ihm  höher 
als  der  eigene  Gewinn;  nie  Hess  er  das  Ziel  aus  den  Augen,  die  rechtzeitige 
Vollendung  des  begonnenen  Werkes  herbeizuführen.«  »Als  Mensch  war  S. 
von  der  grössten  Anspruchslosigkeit  für  sich  selbst  und  von  einer  unerschöpf- 
lichen Güte  gegen  Andere,  die  Nothwendigkeit  und  Gewohnheit  zu  befehlen, 
hatte  seinGemüth  nicht  verhärtet.  In  seinen  Ingenieuren,  Aufsehern  und  Arbeitern 
erblickte  er  nie  blosse  Maschinen,  er  betrachtete  sie,  wenn  auch  auf  ver- 
schiedenen Stufen,  als  Mitarbeiter.  Als  er  den  T^ohn  seiner  Thätigkeit  in 
reichlichem  Maasse  gefunden  hatte,  suchte  er  stets  nach  neuer  Arbeit,  weniger 
um  des  eigenen  Gewinnes  oder  der  eigenen  Arbeitsgewohnheit  willen,  als  um 
jenen  minder  Bevorzugten    ferneren  Verdienst   bieten  zu  können  imd  in  dem 


l88  V.  Sager.    Keiter.    Fussenecker. 

tief  innerlichen  Gefühle,  dass  seine  Thätigkeit  nicht  eine  flüchtige  und  vorüber- 
rauschende sei,  sondern  der  fortschreitenden  Entwickelung  der  ganzen  Mensch- 
heit zugute  komme.«  Ausser  vielen  schönen  Zinshäusern  hatte  S.  auch  das 
frühere  Klostergut  Wessobrunn  erworben,  wo  er  eine  Musterökonomie  etablirte 
und  sich  Ruhe  gönnen  wollte.  In  Erinnerung  an  seine  schwere  Jugendzeit 
bewährte  der  biedere  Mann  immer  eine  offene  Hand.  In  Wessobrunn  ver- 
sorgte er  seinen  Stiefvater,  verpfründete  seine  Altersgenossen,  schenkte  der 
(icmeinde  ein  prächtiges  Krankenhaus  und  errichtete,  um  die  Dorfbewohner 
von  fremdem  Kapital  unabhängig  zu  machen,  eine  Sparkasse.  Für  Titel, 
Würden  und  Auszeichungen  besass  S.  kein  Verständniss ;  er  war  kein  Streber 
und  Glücksjäger.  Der  Kaiser  von  Oesterreich  hatte  ihn  geadelt;  er  machte 
keinen  Gebrauch  davon.  In  seinem  Drange  nach  wahrer  Bildung  verkehrte 
er  mit  (Jelehrten,  Fachgenossen  und  Künstlern.  Hingerissen  von  der  grandiosen 
Schönheit  Bosniens  berief  er  die  Landschaftsmaler  Emil  Kirchner  und  Karl  Ebert, 
um  diese  gewaltige  Natur  durch  ihre  Bilder  zur  weiteren  Kenntniss  zu  bringen. 
An  Caspar  von  Zumbusch  ertheilte  er  den  Auftrag,  seiner  verstorbenen  Gattin 
ein  Denkmal  auf  dem  südlichen  Campo  Santo  zu  München  zu  setzen.  Zum- 
busch modellirte  gelegentlich  auch  die  Büste  S's.;  weitere  Bildnisse  desselben 
sind  uns  nicht  bekannt  geworden.  Ein  Sohn,  Heinrich  S.,  trat  als  Ingenieur 
in  die  Fusstapfen  des  Vaters. 

Vgl.  Prof.  Dr.  Sepp  im  Morgenblatt  204  »Allgemeine  Ztg.«  25.  Juli  1895,  No.  94 
des  Augsburger  »Sammler«  6.  August  1895  und  No.  8  »Augsburger  Postzeitung«  12.  Januar 
1S98  (Ein  bayrischer  Lesscps).  No.  59  »Unterhaltungs-Blatt«  zur  »Agsbr.  Postztg.«  23.  Juli 
1895  (mit  Portr.).  Oberingenieur  Heinrich  Müller  in  No.  254  »Allgem.  Ztg.«  13.  Sept. 
1895  ^^^  Richard  Reverdy's  Nsichruf  im  »MUnchener  Architekten-  u.  Ingenieur-Verein«, 
abgedruckt  im  Morgenblatt  26  »Allgem.  Ztg.«  27.  Januar  1898. 

Hyac.  Holland. 

Keiter,  Heinrich,  Literarhistoriker  und  Publicist,  *  17.  Juni  1853  zu 
Paderborn,  f  30.  August  1898  zu  Regensburg,  wurde  mit  guter  elementarer 
Vorbildung  bei  einem  Buchhändler  zu  Paderborn  in  die  Lehre  gegeben,  bildete 
sich  mit  eisernem  Fleisse  und  ungewöhnlichem  Talente  zum  Schriftsteller, 
lieferte  Beiträge  für  R.  v.  Gottschall's  »Blätter  ftir  litterar.  Unterhaltung«  und 
dessen  Revue  »Unsere  Zeit«,  und  wagte  sich,  als  Buchhandlungsgehülfe  bei 
Fcrd.  Schöningh,  zuerst  mit  einer  »Theorie  des  Romans«  (1876)  in  die 
Oeffentlichkeit.  Als  Geschäftsführer  und  Mitredacteur  am  »Westfälischen 
Merkur«  1884  nach  Münster  berufen,  übernahm  er  1889  die  Redaction  des 
»Deutschen  Hausschatz«  (Regensburg  bei  Pustet).  Ausser  vielen  kleineren 
Volkscrzählungen  veröffentlichte  K.  biographische  Studien,  Brochuren  etc. 
K.  begründete  auch  den  in  fünf  Jahrgängen  laufenden  »Katholischen  Literatur- 
kalender« (1891 — 97). 

Vgl.  Kürschner,  deutscher  Lit.-Kalender  1898.  Nekrologe  von  Hüls  kam  p  in 
Nr.  439.  »Westfälischer  Merkur«,  4.  September  1898  und  in  Nr.  693  des  »Litcrar. 
Hand  weiser«  1898,  S.  384  ff.  —  »Deutscher  Hausschatz«  1898,  18.  Hft.  —  Nr.  278 
»Augsburger  Postzeitung«  vom  10.  December  1898. 

Hyac.  Holland. 

Fussenecker,  Joh.  Georg,  Dr.,  Schriftsteller,  ♦  17.  November  181 4  zu 
Nürnberg,  f  29.  Mai  1898  in  Augsburg.  F.  redigirte  das  »Regensburger 
Volksblattvc,  dann  zu  Augsburg  1858 — 1874  die  im  Katholischen  Clerus  da- 
mals vielverbreitete  Fachzeitung    »Sion«,    wobei    ihm    seine    theologisch    wie 


Fussenecker.     Dahn-Fries.     Waagen.  xgo 

juridisch  durchgebildeten  historischen  Kenntnisse  gut  zu  Statten  kamen.  Er 
veröffentlichte  eine  grosse  Reihe  von  Artikeln  und  Arbeiten  kirchen-  und 
socialpolitischen,  volkswirthschaftlichen,  moralphilosophischen  und  i)ädagogi- 
schen  Inhalts.  Daneben  erschienen  eigene  Abhandlungen,  z.  B.  »Zur  Wieder- 
geburt des  volkswirthschaftlichen  Lebens  für  Freunde  wie  Gegner  der  (ie- 
werbefreiheit«  (1861).  Auch  entstanden  »Gedichte«  (1841),  ein  grösseres 
Kpos  »Das  entschleierte  Leben«  (1874)  und  die  Dramen  »Lottospieler« 
(1850),   »Mädchen  von  Esslingen«  (1852)  und   »Der  Rentmeister«  (1874.) 

Vgl.  s.  Biographie    in    Nr.  265    »Augsburger  Postzeitung«    vom   16.  November  1894 
u.  s.  Portr.  in  Nr.  96  »Unterhaltungsblatt  zur  Augsb.  Postztg.«    vom  27.  November  1894. 

Hyac.  Holland. 

Dahn-Fries,  Sophie,  Malerin,  *  13.  April  1835  zu  München,  f  daselbst 
23.  Januar  1898,  Gattin  des  Dichters,  Geheimen  Justizraths  und  Universitäts- 
professors Dr.  Felix  Dahn.  Ausgestattet  mit  einem  hervorragenden  Talent 
fiir  Gesang,  Musik  und  Malerei,  widmete  sie  sich  nach  vollendeter  Erziehung 
ihres  einzigen  Sohnes  ganz  der  Kunst  und  cultivirte  mit  schönem  Erfolg  das 
Gebiet  der  Landschafts-  und  Blumenmalerei.  Im  Jahre  1887  trat  sie  mit 
zwei,  »Erntezeit«  und  »Waldinneres«  benannten,  Bildern  in  die  Oeffentlichkeit, 
auch  mit  kleinen,  wohl  arrangirten  Stillleben  und  Blumenstücken.  Insbe- 
sondere wendete  sie  ihre  Obsorge  auf  die  seit  1868  durch  Frau  Staatsrath 
von  Weber  in  München  entstandene  »Kunstschule  für  Mädchen«  und  förderte 
diese  rasch  aufblühende  Anstalt,  welche  jetzt  ein  schönes  Haus,  ein  wahres 
> Künstlerinnen-Heim«  mit  prächtigen  Ateliers  besitzt.  Sie  veranstaltete  nicht 
nur  die  fröhlichen  Vereinsabende,  sondern  auch  die  Ausstellungen  von  Arbeiten 
der  Schülerinnen,  insbesondere  bei  den  zweckmässigen  und  gedeihlichen 
^Weihnachtsmärkten«,  sie  förderte  jederzeit  die  gemeinsamen  Interessen  (Vor- 
schussfond, Krankenversicherung)  und  widmete  den  Interessen  dieser  Anstalt 
ihre  ganze  Arbeitskraft.  Als  1886  eine  financielle  Krisis  drohte,  trat  sie  mit 
opfenÄ'illiger  Zuversicht  mit  ihrem  Credit  in  die  Bresche  und  rettete  das  junge 
Unternehmen.  Mit  feinem  Takte  wusste  sie  jene  falsche  Emancipation,  welche 
nur  zu  häufig  eine  gefährliche  Klippe  der  Frauenfrage  bildet,  ferne  zu  halten. 

Vgl.  Nr.  57  »Neueste  Nachrichten«   5.  Februar  1898. 

Hyac.  Holland. 


t 


Waagen,  Adalbert,  Landschaftsmaler,  *  30.  März  1834  zu  München, 
15.  April  1898  zu  Berchtesgaden.  Die  Familie  Waagen  stammt  aus 
Hamburg  und  hatte  sich  schon  früher  mit  der  Kunst  befasst.  Der  Gross- 
vater Fr.  Ludwig  Heinrich  war  ein  Maler  (vgl.  Wolfgang  Menzel,  Denk- 
würdigkeiten, 1877,  S.  38),  ebenso  der  Vater  Carl  (*  1800");  dieser  erwarb 
in  allen  Gebieten  der  neueren  Fresko-  und  Oeltechnik,  auch  als  Lithograph 
schöne  Kenntnisse,  malte  vielerlei  Bilder  und  bethätigte  sich  im  Wetteifer 
und  Verkehr  mit  Ludwig  Tieck,  M.  Rellstab,  H.  Steffen  als  Dichter  und 
Schriftsteller;  nach  mannigfachen  Studienreisen  in  Breslau,  Wien  und  Italien 
heirathete  er  zu  München  die  berühmte  Sängerin  Nanette  Schechner  (*  1806, 
f  1860,  vgl.  W.  Chezy,  Erinnerungen  1863,  III,  5if.;  Grandauer,  Chronik 
des  Hof-  und  Nat.-Theaters,  1878),  und  schied  am  26.  November  1873  als 
kgl.  preuss.  Geheimer  Hofrath  aus  dem  Leben  (vgl.  Raczynsky,  Geschichte 
der  neueren  Kunst,  1840,  II,  446;  Nagler,  Künstler-Lexikon,  XXI,  28;  Ham- 
burger Künstler-Lexikon,    1854,   S.  279).     Sein  Bruder,  Dr.  Gustav  Friedrich 


190  Waagen, 

(*   1794   zu  Hamburg),  errang  als  Gelehrter,  Kritiker  und  Kunstschrtftsteller 
einen  ausgezeichneten  Namen;  er  starb   13.  Juli  1868  auf  einer  Kunstreise  zu 
Kopenhagen.     Adalbert  W.   erhielt  zu  München    eine    vorzügliche   Erziehung 
und  Bildung,    besuchte  das  Gymnasium,    wendete    sich    aber    mit    eminenter 
Begabung,  erst  unter  der  Anleitung  des  Aquarellisten  Fritz  Zeiss,  dann   1850 
bei  Albert  Zimmermann,    zur  Landschaft    und    folgte    seinem    hochverehrten 
Meister    1858   nach   Mailand.     Als  die   Kriegsereignisse  des   folgenden  Jahres 
diese  junge  Akademie    vernichteten,    schmückte  W.  für   den   damaligen   Erb- 
prinzen (jeorg  von  Sachsen-Meiningen  einen  Saal  der  am  Comersee  erbauten 
Villa  Carlotta    mit    idealen    Landschaften.     Nach    seiner    Rückkehr    etablirte 
W.  (1860)  zu  München  im  Hause  seines  Freundes  Karl  Miliner  (1825 — 1895) 
ein    Atelier    für    Landschaftsmaler    und    unternahm    mit    seinen    zahlreichen 
Schülern  nicht  allein  regelmässige  Ausflüge  nach  den  Bergen  Altbayerns  und 
Tyrols,   sondern  auch  eine  längere,   über  Cöln,  nach  Antwerpen  und  Brüssel 
ausgedehnte  Studienreise.     Hierbei   machte  sich  der  Künstler  auch    mit  der 
breiteren   realistischen   Richtung  nach  Möglichkeit   vertraut;    es    kostete    ihm 
viele  Mühe,    aus   dem  Rahmen    der    bisherigen  Bestrebungen   herauszutreten, 
um  mit  objectiver   Freiheit    die  Natur    anzuschauen   und  die  Schönheit  der- 
selben in  Farbe,  Stimmung  und  Wahrheit  wiederzugeben.     Doch  verliess  ihn 
nie   seine  echt  dichterische  Empfindung,    welche   mit  feinfühligem  Takt  seine 
Schöpfungen    vor    Ausschreitung    und    Verirrung    bewahrte.     Die    Gunst    des 
Publicums    lohnte,    sein    Name    gewann    guten    Klang    und    die  Bestellungen 
häuften    sich.     Damals    trat    W.    auch    in    den    Mittelpunkt    der    fröhlichen 
Künsdergesellschaft    »Jung- München«,    welche    durch    sinnreiche    Maienspiele 
und  Faschingsfeste  dem  früheren,    altgewordenen  Regiment  den  Vorrang  ab- 
lief.   Nächst  dem  unermüdlichen  Otto  Stöger,  dem  stets  opferwilligen  Theodor 
Pixis    und    dem    begabten    Komponisten    Georg    Kremplsetzer    (1826 — 1871) 
stellte    W.    mit    August    Spiess,    Fritz    Lossow,    Christian    Jank    und    vielen 
Anderen   seine  geselligen  Fähigkeiten   als   Sänger  und  Acteur  zur  Verfügung. 
Im  Jahre  [868  heirathete  W.  und  übersiedelte  dann  im  folgenden  Jahre  nach 
Berchtesgaden ,    wo  jeder  Blick  und  Schritt  von   seiner  unmittelbar  vor  dem 
Watzmann   liegenden  Villa   neue  Ueberraschung  und    köstliche  Ausbeute    ge- 
währte.   Hier,  im  glücklichen  Schaffen,  wozu  zahlreiche  Aufträge  aus  England, 
Amerika  und  Russland  eintrafen,  schilderte  W.  nicht  nur  die  Schönheit  seiner 
neuen  Heimath,  sondern  verarbeitete  auch  die  Ausbeute,  welche  der  Künstler, 
um  sich  zu  jungen  und  frisch  zu  erhalten,  auf  oftmaligen  Fahrten  durch  ganz 
Italien,    aus  den  Donauländern   und  dem   Schwarzwald   zusammentrug.     Sein 
unermüdlicher  Wandertrieb  sammelte  ein  köstliches  Material,  welches  reichlich 
für   eine  doppelte   Lebenszeit   ausgereicht    hätte.    —    Bisweilen    gestaltete    er 
dann    mit    diesen    sorgfältig    zu   selbstständigen  Bildern  ausgeführten  Skizzen 
eine  eigene  Ausstellung,  so  z.  B.  im  August  1879    mit  einer  wahren  Gallerie 
von     anderthalbhundert     »Erinnerungen     aus    dem    Berchtesgadener    Land*. 
Längere  Zeit  beschäftigte  ihn  auch  das  Project  König  Ludwigs  IL,  nach  dem 
Vorgang  von  Preller's  Odyssee -Bildern   einen  Cyclus  von    »Nibelungen-Land- 
schaften« zu  entwerfen,  wozu  Reisen  nach  dem  hohen  Norden,  an  den  Rhein, 
die  Donau   und   nach  Ungarn   in  Aussicht  standen.     Auch    hegte    der  König 
die  herrliche   Idee,    im  unteren  Schlossgang  zu   Schwanstein   die   noch  von 
keinem   Maler  behandelte   grossartige    epische    Dichtung    Gudrun    in    einem 
T^^   m   langen    Fries   durch  Th.  Pixis   ausmalen  zu  lassen.     W.  entwarf  einige 
Kühlen-Cartons,  aber  die  Krankheit  und  der  Tod  des  hohen  Mäcen  vereitelte 


Waagen.     Weber.  '  jox 

dieses  schöne  Beginnen.  Arges  Missgeschick  bedrohte  zeitweise  seine  Thätig- 
kcit:  ein  bösartiger  Vipernbiss,  dessen  Folgen  sich  jahrelang  bemerklich 
machten;  in  Mailand  wurde  W.  1859  von  dem  Dolchstoss  eines  deutsch- 
wüthigen  Italianissimo  nur  durch  die  Geistesgegenwart  und  Riesenkraft  des 
Tyroler  Bildhauers  Gottfried  Flora  gerettet;  ein  herziges  Mädchen  cntriss 
1877  der  Tod  den  trostlosen  Eltern;  zu  Genua  kam  W.  in  unliebsamen 
l)olizeilichen  Gewahrsam  wegen  Ausgabe  eines  falschen  Papiergeldes,  welches 
ein  Veroneser  Bankier  bei  Flüssigmachung  eines  Wechsels  dem  ahnungs- 
losen Künsder  escamolirte;  glücklicherweise  wusste  sich  W.  genau  aus- 
zuweisen über  den  Tag  und  die  Stunde  der  Zahlung,  über  die  Firma  und 
l^crson  des  Kassirers,  dessen  Conterfey  er  mit  photographischer  Treue  aus 
dem  Gedächtniss  zeichnete,  wodurch  der  Betrüger  in  die  Hände  der  Nemesis 
fiel  und  der  inz>\ischen  in  schwerer  Haft  eingekerkerte  Maler  die  Freiheit 
erhielt.  Hierbei  und  bei  seiner  späteren  Erkrankung  kam  ihm  zu  Statten, 
dass  er  die  italienische  Sprache  meisterlich  zu  handhaben  verstand.  Auf  der 
Rückkehr  aus  Sicilien  lauerte  in  einem  calabresischen  Neste  die  Cholera  auf 
den  ganz  vereinsamten  und  hülflosen  Maler  und  brachte  ihn  nahezu  an  den 
Rand  des  Grabes.  Bald  darauf  streifte  zu  München  unseren  Vielgeprüften 
ein  rieht  unbedenklicher  Schlaganfall.  Der  Winter  1881  schuf  neue,  schwere, 
fast  arbeitsunfähig  machende  Nerven-  und  Augenleiden;  die  letzteren  im  Laufe 
der  nächsten  Jahre  wiederkehrend,  drohten  mit  Erblindung.  Der  Ausspruch 
des  griechischen  Tragöden  »nur  flüchtige  Zeit  wandeln  wir  frei  vom  Leide« 
bewährte  sich  an  dem  vielgeprüften  Dulder,  der  nur  durch  seine  wunderbare 
Energie  und  Liebe  zur  Kunst  sich  immer  wieder  siegreich  emporrang,  bis 
seine  im  Kampf  um  das  Leben  gestählte  Natur  endlich  einem  krebsartigen 
Uebel  unterlag.  Vielfache  Anerkennung  und  Auszeichnungen  (Titel  eines 
kgl.  Professors  u.  s.  w.)  waren  ihm  zu  Theil  geworden;  Berchtesgaden  hatte 
ihm  in  Anbetracht  seiner,  auch  als  Feuerwehr-Commandant,  um  die  Gemeinde 
erworbenen  Verdienste  das  Ehrenbürgerrecht  zuerkannt.  —  Eine  aus 
180  Nummern  bestehende  Ausstellung  von  W.'s  Landschaften  (im  November 
1898  im  Münchener  Kunstverein)  fand  überraschenden  Anklang  und  in  kurzer 
Zeit  bereitwillige  Käufer;  ein  grosses,  historisch  componirtes  Oelbild  wurde 
auf  Staatskosten  für  die  Neue  Pinakothek  erworben.  —  Brüder  des  Malers 
sind  der  k.  b.  Generalleut.  Gustav  Ritter  v.  W.  und  der  k.  k.  Oberbergrath 
Dr.  Wilhelm  W.,  Professor  der  Paläontologie  an  der  Universität  zu  Wien. 
Eine  Schwester  stirb  als  Freifrau  von  Tautphöus  1882  zu  München. 

Vgl.  Abendblatt  108  »Allgem.  Zeitg.«,  20.  April  1898.  »Kunstvereins- Bericht«f  für 
1898,  S.  68. 

Hyac.  Holland. 

Weber,  Heinrich^  Dr.,  Historiker,  *  21.  Juni  1834  zu  Euerdorf  an  der 
fränkischen  Saale  (Unterfranken),  f  18.  Januar  1898  zu  Bamberg;  studirte  zu 
Bamberg  und  Würzburg,  erhielt  1857  die  Priesterweihe,  pastorirte  in  Euer- 
dorf, Ansbach  und  Würzburg,  wurde  daselbst  1866  Religionslehrer  und  (xe- 
schichtsprofessor  am  k.  Gymnasium,  1871  Professor  der  Geschichte  am 
Lyceum  zu  Bamberg.  Durch  zahlreiche,  meist  die  Geschichte  der  Stadt 
Bamberg  oder  des  Frankenlandes  behandelnde  Publicationen  erwarb  W.  als 
(belehrter  einen  geachteten  Namen.  Die  Universität  Würzburg  ehrte  ihn 
durch  Verleihung  des  Doctortitels  honoris  causa.  Von  ihm  erschienen  1872: 
:^Die  sog.  Gebetbücher  des  Kaisers  Heinrich  II.  und  seiner  Gemahlin  Kune- 


IQ2  Weber.     Hagen. 

gundis« ;  1878:  Geschichte  des  Collegiatstiftes  zum  hl.  Stephan  in  Bamberg; 
1880  und  1882  die  umfangreiche,  hochverdienstliche  Geschichte  der  gelehrten 
Schulen  im  Hochstift  Bamberg  von  1007 — 1803,  in  zwei  Bänden.  1880: 
Das  Freiherrl.  von  Aufsesssche  Studien -Seminar  in  Bamberg.  1883:  Die 
St.  Georgenbrüder  am  alten  Domstift  Bamberg.  Geschichte  des  Chri.sten- 
lehr-Unterrichts  und  des  Katechismus  im  Bisthum  Bamberg  zur  Zeit  des 
alten  Hochstifts.  1884:  Bamberger  Beichtbücher  aus  dem  XV.  Jahrhundert. 
Bamberger  Weinbuch.  Vierzehnheiligen  in  Franken thal.  Da.s  alte  Franzis- 
canerkloster  zu  Bamberg.  Die  ehem.  Benedictiner-Propstei  St.  Getreu  in 
Bamberg.  1885:  P.  Marquard  von  Rotenhan.  Alt-Bamberg,  ein  Reise-  und 
Sittenbild  aus  dem  Anfang  deh  XVII.  Jahrhunderts.  1886:  Die  Verehrung 
der  hl.  14  Nothhelfer.  Bamberg  im  dreissigjährigen  Kriege.  1887:  Ein  Ost- 
fränkisches Namenbuch.  Die  Altenburg  bei  Bamberg.  Die  »Sündenwagc^ 
zu  Wilsnack.  1889:  Johann  Gottfried  von  Aschhausen,  Fürstbischof  von 
Bamberg  und  Würzburg.  1891:  Die  Trappistenmission  in  Südamerika.  Die 
Martinskirche  zu  Bamberg.  Der  Name  >'Bamberg«  eine  historisch  etymolo- 
gische Studie.  1892:  Die  Kaiseridee  des  Mittelalters.  1893:  Der  Kirchen- 
gesang im  Fürstbisthum  Bamberg.  1894:  Bunte  Bilder  aus  dem  alten  Zunft- 
leben. 1895:  Die  Klostcrsuppe,  ein  Beitrag  zur  socialen  Frage.  Die  Diöcese 
Bamberg  in  der  Geschichte  ihrer  administrativen  Organisation  und  ihrer 
Patronats  verhäl  tnisse . 

Vgl.  Hülskamp,  Lit.  Handweiser  No.  271  (1880),  320  (1882),  357(1884),  463(1888), 
540  (1891).  »Ilistor.  Pol.  Blätter«  86,  479  ff.  H.  Keiter:  Littcratur  -  Kalender  1897. 
Kürschner  1898. 

Hyac.  Holland. 

Hagen,  Hermann,  Philologe,  *  31.  Mai  1844  i"  Heidelberg,  f  20.  Sept. 
1898  in  Bern.  Der  Tod  hat  in  der  letzten  Zeit  unter  den  Vertretern  der 
klassischen  Philologie  auf  deutschen  Kathedern  reiche  Ernte  gehalten.  Ferd. 
Dümmler,  Erw.  Rohde,  Otto  Ribbeck,  Aug.  Rossbach  und  H.  sind  in  nicht 
voll  zwei  Jahren  einer  fruchtreichen  akademischen  Wirksamkeit  und  einer 
rastlosen  Forschungsarbeit  entrissen  worden.  In  ihrer  die  Kunde  vom  klassi- 
schen Alterthum  nach  den  verschiedensten  Richtungen  hin  fördernden  Viel- 
seitigkeit ist  die  Thätigkeit  dieser  Männer  recht  ein  Bild  des  deutschen  Be- 
triebes der  klassischen  Philologie.  Der  wissenschaftlichen  Biographie  aber 
stellt  sie  ein  besonders  reizvolles  Problem,  insofern  diese  die  Fäden  aufzu- 
decken hat,  welche  die  eigenartigen  Leistungen  eines  jeden  mit  seinen  be- 
sonderen Lebcnsschicksalen  und  den  auf  ihn  einwirkenden  individuellen  Im- 
pulsen verknüpfen.  Bei  H.  ist  diese  Aufgabe  verhäl tnissmässig  leicht.  Einer 
einfachen  Lebensgestaltung  entspricht  hier  eine  bei  allem  Reichthum  doch 
durchaus  einheitlich  gerichtete  w'issenschaftliche  Production,  die  ihrem  wesent- 
lichen Inhalte  nach  in  H.'s  dauerndem  Aufenthalte  in  Bern  und  seiner  Be- 
schäftigung mit  der  Berner  Handschriftensammlung  begründet  ist.  — 

H.  war  nicht  Berner  von  Geburt.  Als  Sohn  des  Geschichtsprofessors 
Karl  H.  verlebte  er  seine  Kinderjahre  und  erste  Schulzeit  in  seiner  Heimath- 
stadt Heidelberg.  Infolge  seiner  politischen  Stellungnahme  wurde  der  Vater 
seines  Amtes  entsetzt  und  nahm  1855  ^'"^^  Berufung  nach  Bern  an.  Hier 
spielte  sich,  von  einigen  in  Heidelberg  und  Bonn  verbrachten  akademischen 
Studiensemestern  abgesehen,  das  ganze  weitere  Leben  auch  des  Sohnes  ab. 
1865    habilitirte    er    sich    als  Privatdocent   an    der  Berner  Universität,    1866 


Hagen.  IQ3 

nahm  er  neben  dieser  Stellung  noch  die  eines  Lehrers  der  alten  Sprachen 
am  dortigen  Gymnasium  an.  Das  Jahr  1873  brachte  ihm  eine  ausserordent- 
liche, 1878  eine  ordentliche  Professur  für  klassische  Philologie.  Damit  war 
H.  in  der  Lage,  seine  Stellung  am  Gymnasium  aufzugeben  und  seine  Lehr- 
thätigkeit  fortan  ausschliesslich  der  Universität  zu  widmen.  Verhandlungen, 
die  ihn  nach  Erlangen  und  Petersburg  führen  sollten,  zerschlugen  sich,  und 
so  blieb  H.  bis  zu  seinem  Tode  der  Berner  Hochschule  erhalten. 

Wohl  noch  in  die  Bemer  Studienzeit  zurück  gehen  die  ersten  Anregungen 
zu  H.'s  fruchtbringender  Beschäftigung  mit  den  handschriftlichen  Schätzen  der 
Berner  Stadtbibliothek.     H.  sass  damals  zu  Füssen  Usener's,    der   selbst   den 
Bemer  Handschriften  die  Gegenstände  mehrerer  Publikationen  entnahm.    Ihm 
ist   denn  auch   die   erste   grössere  Arbeit  H.'s  auf  diesem  Gebiete  gewidmet, 
die    auf   directe    Anregung    Fleckeisen's    unternommene  Ausgabe   der  Berner 
Scholien  zu  Vergils  Bucolica  und  Georgica  (Leipzig  1867),   nach   einer  isolirt 
stehenden  Erstlingsarbeit  über  den  xenophon tischen  (nach  H.  pseudoxenophon- 
tischen)  Agesilaos  (Bern  1865)  die  erste  grössere  Veröffentlichung  H.'s  über- 
haupt.     Vom    Beginn    seiner    akademischen   Wirksamkeit    an    verwandte    H. 
zehn  Jahre    hindurch    einen    grossen   Thcil    seiner  Mussezeit  auf  die   genaue 
Durchmusterung  der  Berner  Codices  zum  Zwecke  der  Abfassung  eines  neuen 
Handschriftenkatalogs,   der  zu  Bern   1875    erschien.     Sein  Hauptinteresse  galt 
dabei  den  gerade  in  dieser  Sammlung  zahlreich  und  in  wichtigen  Exemi)laren 
vertretenen  Arbeiten  zur  lateinischen  Grammatik.    In  dieser  Richtung  bewegte 
sich 'auch  der  grösste  Theil  der  im  Zusammenhange  mit  seiner  Thätigkeit  für 
den  Katalog    stehenden    sonstigen    PubHcationen    H.'s.     Mit    der    erwähnten 
Scholien  ausgäbe   verknüpft  sich   seine  Betheiligung  an  der  Thilos  und  seinen 
Namen    tragenden    grossen   Serviusausgabe   (Leipzig  1881   ff.),    für  welche  H. 
ursprünglich    die    Recension    der    Serviusscholien    zu    Vergils    Bucolica    und 
Georgica  übernahm.     Später  wurde  bei  einer  aus  äusseren  Gründen  erfolgten 
Aenderung  des  Planes  sein  Antheil   anders   abgegrenzt.     Das  Erscheinen  des- 
selben    sollte     H.     nicht     mehr     erleben.       Das     Jahr    1870     brachte     als 
Supplement    der  Keil'schen    Grammatici  latini    die    umfangreichen    Anecdota 
Helvetica,    zu  welchen    neben    den  Berner  Handschriften  auch  die  zu  Zürich 
und  Einsiedeln  das  Material   lieferten,    ein  Werk,    welches    zunächst    für    die 
Geschichte  der  grammatischen  Studien   des   früheren  Mittelalters,    dann    aber 
auch  fiir  die  Erforschung  der  antiken  lateinischen  Grammatik  von  Bedeutung 
ist,  insofern  in  den  mittelalterlichen  Tractaten  fiir  uns  verlorene  grammatische 
Schriften    des  Alterthums    verwerthet    sind.     Das    weitschichtige    einschlägige 
Material   der  drei   Bibliotheken    ist    in    der    Einleitung    aufs    gewissenhafteste 
gesichtet,  das  Werthvolle  aus  der  grossen  Masse  des  Werthloseh  ausgesondert 
und    durch    fortlaufende  Inhaltsangaben    und  Auszüge    eine  Uebersicht    über 
diese  ganze  Litteratur  geschaffen,  die  es  dem  Benutzer  ermöglicht,  sich  rasch 
zurechtzufinden.    Wichtigere  Inedita  in  kritischer  Bearbeitung  bilden  den  Kern 
des  Werkes.     Die  Durchsicht  der  Handschriften   in  Einsiedeln   führte   zu  der 
hübschen  Entdeckung  zweier  bis  dahin  unbekannter  bukolischer  Gedichte  der 
Neronischen  Zeit    (Philol.  28  [1869]  S.  338  ff.).     Weit   reicher   war  die  Aus- 
beute an  mittelalterlichen  Gedichten,  welche  die  Bibliotheken  zu  Bern,   Genf 
und  Einsiedeln   lieferten.     Interessantere  Stücke  daraus  bietet  die  Sammlung 
Carmina  medii  aevi  maximam  partem  inedita  ...  edid.  Herm.  Hagenus,  Bernae 
1877.     Zur  Mittheilung  weiterer  Früchte  dieser  Bibliothekstudien  boten  neben 
den  philologischen  Zeitschriften  Programme    der  Berner  Universität  Gelegen- 

Biogr.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.     3.  Bd.  j? 


194  Hagen. 

heit.  Aus  der  Zahl  dieser  Arbeiten  mögen  hier  Erwähnung  finden  die  Ab- 
handlungen über  eine  Berner  lateinische  Oribasiostibersetzung,  die  durch 
zahlreiche  vulgärlateinische  Formen  ein  besonderes  Interesse  bietet  (1875), 
über  die  Placidusglossen  einer  Bemer  Handschrift  (1879)  und  über  die  Tironi- 
schen  Noten  des  cod^  Bern.  109  (1880),  letztere  Arbeit  ein  schätzenswerther 
Beitrag  zur  Kenntniss  der  römischen  Stenographie.  Die  Reihe  dieser  Publi- 
cationen  über  Berner  Handschriften  reicht  bis  in  das  Jahr  vor  Hagens  Tode 
herab :  zu  der  damals  unter  Leitung  von  de  Vries  veranstalteten  photographi- 
schen Reproduction  des  cod.  Bern.  ^6^^  der  ältesten  erhaltenen  Horazhand- 
Schrift  (saec.  VIII),  schrieb  H.  die  Einleitung.  Anzuschliessen  ist  hier  endlich 
ein  zunächst  den  Zwecken  des  akademischen  Unterrichts  dienendes,  Gradus 
ad  criticen  betiteltes  Werk  (Leipzig  1879),  insofern  hier  für  Uebungen  in  der 
sogenannten  niederen  Kritik  Musterbeispiele  aus  Glossensammlungen,  an 
welchen  gerade  die  Bemer  Handschriftenbibliothek  besonders  reich  ist,  zu- 
sammengestellt sind. 

Bewegten  sich  die  bisher  genannten  Arbeiten  ihrem  Gegenstande  nach 
in  Alterthum  und  Mittelalter,  so  wurde  H.  durch  die  gleichen  handschrift- 
lichen Studien  auch  ins  16.  und  17.  Jahrhundert  geführt.  Die  Anfertigung 
des  neuen  Kataloges  lenkte  die  Aufmerksamkeit  seines  Verfassers  auch  auf 
die  Schicksale  der  Sammlung  und  die  Person  ihrer  Begründer,  Peter  Daniel 
und  Jacob  Bongars.  Auch  hier  bot  die  Bibliothek  in  Gestalt  ausgedehnten 
Briefwechsels  noch  werthvolles  unbenutztes  Material.  Die  sorgtältig  gearbeiteten 
Biographien  beider  Männer  erschienen  zuerst  in  Berner  Programmen  (die 
Daniels  in  der  Festschrift  der  Universität  1873,  ^^^  ^^n  Bongars  im  Pro- 
gramme der  Kantonsschule  1874)  und  wurden  später  mit  anderen  Arbeiten 
des  Verfassers  zu  einem  besonderen  Bande  vereinigt  (Zur  Gesch.  d.  Philol.  u. 
z.  röm.  Litter.,  Berlin  1879).  Wohl  schon  durch  die  Vorarbeiten  für  diese 
Biographien  wurde  H.  auf  anderweitige,  zu  Bern  im  Original  bewahrte  Briefe 
aus  annähernd  gleicher  Zeit  aufmerksam  und  so  in  den  Stand  gesetzt,  der 
Heidelberger  Universität  mit  der  zur  Feier  ihres  ftinfhundertjährigen  Bestehens 
im  Auftrage  der  Berner  Hochschule  überreichten  Festschrift  »Briefe  von  Heidel- 
berger Professoren  und  Studenten  verfasst  vor  dreihundert  Jahren«  eine  für 
die  Geschichte  der  Ruperto-Carola  und  für  die  (»eistesgeschichte  der  damaligen 
Zeit  überhaupt  wichtige  Gabe  darzubieten. 

Die  mehrjährige  Beschäftigung  mit  schwierigen  lateinischen  Sprachdoku- 
menten mochte  H.  reizen,  seine  dadurch  erworbene  kritische  Schulung  auch 
in  den  Dienst  der  Epigraphik  zu  stellen.  Sein  Wohnort  Bern  führte  ihn 
dabei  auf  die  leichter  erreichbaren  Inschriften  der  Schweiz.  Zunächst  be- 
theiligte er  sich  im  »Anz.  f.  schweizer.  Alterth.«  u.  a.  a.  O.  an  den  Verhand- 
lungen über  die  vielbesprochenen  Amsoldinger  Inschriften.  Aber  sein  Plan 
ging  weiter.  Seit  Mommsens  Sammlung  hatte  .sich  das  Inschriftenmaterial 
der  Schweiz  durch  Neufunde  beträchtlich  vermehrt,  manche  Steine  hatten 
ihren  AufsteHungsort  geändert,  und  so  fasste  H.  eine  neue  Sylloge  inscriptionum 
Latinarum  Helveticarum  ins  Auge,  als  deren  Vorläuferin  eine  Sammlung  der 
Inschriften  von  Aventicum  und  Umgegend  im  Universitätsprogramm  1878 
erschienen  ist.  — -  Neben  H.'s  eigenen  Arbeiten  verdienen  auch  seine  Be- 
sprechungen fremder  Leistungen  auf  seinem  Specialgebiete  und  den  Nachbar- 
gebieten eine  Erwähnung.  In  den  Bursian'schen  Jahresberichten  behandelte 
er  für  einen  Zeitraum  die  Litteratur  zu  Gellius  (Bd.  2  S.  1408  ff.)  und  zu 
den  lateinischen   Grammatikern   (ebenda  S.   141 7  flf.,  Bd.  3  S.   709  ff.,  Bd.  6 


Hagen.  I^g 

S.  336  ff.).  Vor  Allem  aber  gehören  hierher  seine  zahlreichen  Recensionen  im 
»Litterarischen  Centralbl.«  (unter  H.  H.),  dem  er  etwa  ein  Jahr  vor  seinem 
Tode  den  siebzigsten  Beitrag  zugehen  Hess. 

Bei  diesen  für  Fachkreise  bestimmten  litterarischen  Arbeiten  blieb  H. 
nicht  stehen.  Er  suchte  geeignete  Gegenstände  seines  engeren  und  weiteren 
Feldes  in  gemeinverständlicher  Darstellung  auch  einem  grösseren  Publikum 
nahe  zu  bringen.  Die  meisten  der  hier  in  Frage  kommenden  Aufsätze  sind 
aus  Vorträgen  hervorgegangen,  welche  in  Bern  in  einem  weiteren  Kreise  ge- 
halten wurden,  so  die  Arbeiten  über  Aventicum  (in  den  »Alpenrosen«  1876), 
über  den  Roman  vom  König  ApoUonius  von  Tyrus  in  seinen  verschiedenen 
Bearbeitungen  (Berhn  1878),  über  litterarische  Fälschungen  (Hamburg  1889), 
über  Wesen  und  Bedeutung  der  Homerfrage  (Hamburg  1889),  ^^^^^  antike 
Gesundheitspflege  (Hamburg  1892),  über  die  Lebensweisheit  des  Euripides 
(Bern  1897).  Daran  schliessen  sich  die  weiteren  populären  Aufsätze  »Klassi- 
sches« (über  falsche  Schreibung  antiker  Wörter  [Alpenrosen  1883]),  »Aus 
Handschriften«  (ebenda  1885)  u.  A.  An  grössere  Kreise  der  Gebildeten 
wenden  sich  ferner  auch  die  im  Druck  erschienene  Rectoratsrede  über  »die 
Richtungen  der  klassischen  Philologie  seit  Fr.  A.  Wolf«  (Bemer  Intelligenzbl. 
1895),  die  beiden  die  Geschichte  der  bernischen  Universität  und  die  bernische 
Gelehrtengeschichte  berührenden  Arbeiten:  Flores  semiseculares  Bernenses, 
eine  Erinnerungsschrift  an  das  Universitätsjubiläum  (1884)  und  die  Biographie 
des  Historikers  Karl  Hagen  (Samml.  bern.  Biogr.  3.  Bd.  S.   275  ff.)  u.  A. 

Zur  richtigen  Würdigung  dieser  für  ein  früh  abgeschlossenes  Gelehrten- 
leben reichen  Production  ist  zu  bedenken,  dass  dieselbe  nicht  nur  auf  einer 
längeren  Strecke  neben  der  doppelten  practischen  Wirksamkeit  des  Universi- 
täts-  und  des  Gymnasiallehrers  einherging,  sondern  dass  sie  auch  je  länger 
desto  mehr  einem  durch  dauernde  Krankheit  geschwächten  Organismus  abge- 
rungen werden  musste.  Der  eiserne  Fleiss,  mit  dem  H.  schon  in  frühen 
Jahren  ohne  Rücksicht  auf  seine  Gesundheit  nach  wissenschaftlichen  Erfolgen 
strebte,  hatte  ein  schweres  Nervenleiden,  wenn  auch  nicht  hervorgerufen,  so 
doch  jedenfalls  verschlimmert.  Es  lag  eine  bittere  Tragik  darin,  wie  im 
Kampfe  mit  diesem  Leiden  H.'s  unter  so  glänzenden  Auspicien  der  Wissen- 
schaft geweihte  Schaffenskraft  mehr  und  mehr  aufgezehrt  wurde.  Aber  auch 
in  diesen  Leidensjahren  hielt  ihn  der  Idealismus  aufrecht,  der  den  Grundzug 
seines  Wesens  bildete.  H.  war  eine  von  den  Gelehrtennaturen,  die  in  der 
Beschäftigung  mit  dem  Gegenstande  ihrer  Forschung  völlig  aufgehen  und  in 
der  idealen  Welt  ihrer  geistigen  Bethätigung  einen  Ersatz  dafür  finden,  dass 
sie  in  dem  realen  Leben  stets  nur  Fremdlinge  bleiben. 

Diese  Eigenart  prägte  sich  auch  in  H.'s  Lehrthätigkeit  aus.  Auch  hier 
wirkte  er  vor  Allem  durch  die  völlige  Hingabe  an  seinen  Gegenstand.  Was 
er  leistete,  leistete  er  auch  hier  mehr  als  Gelehrter,  denn  als  Lehrer  im 
engeren  Sinne  des  Wortes.  Auch  reifere  Gymnasialschüler  pflegen  für  ein 
solches  Wirken  empfänglich  zu  sein,  und  so  erzählt  denn  mancher,  der  im 
bemischen  Gymnasium  H.  zum  Lehrer  hatte,  wie  seine  Begeisterung  für  die 
Alten  die  Schüler  mitriss  und  sie  selbst  an  der  von  ihm  stark  betonten 
Grammatik  Geschmack  gewinnen  Hess.  Viel  mehr  noch  passte  diese  Art  auf 
die  Universität.  Hier  hat  H.,  solange  er  im  Zenith  seiner  Schaffenskraft  und 
Schaffensfreudigkeit  stand,  höchst  anregend  gewirkt.  Später  verlor  er  unter 
der  Einwirkung  seiner  Krankheit  mehr  und  mehr  an  Fühlung  mit  seinem 
Auditorium.     Aber  immer  ging  von  ihm  jene  ethische  Wirkung  aus,   wie  sie 

13* 


Ig6  Hagen,     v.  Reiser. 

eine  in  strenger  Selbstzucht  gereifte,  mit  aller  Hingabe  die  Wahrheit  suchende 
Persönlichkeit  ausüben  muss.  So  wird  sein  Andenken  in  den  Kreisen 
derer  fortleben,  die  als  Schüler  zu  ihm  in  persönliche  Beziehung  getreten 
sind.  Noch  weniger  aber  wird  er  im  Bereiche  seiner  Wissenschaft  vergessen 
werden.  Wer  immer  mit  der  Geschichte  der  lateinischen  Grammatik  sich 
befasst,  kann  an  seinen  Arbeiten  nicht  vorübergehen,  und  die  Gelehrten  von 
Nah  und  Fern,  die  sich  an  der  Hand  seines  Katalogs  in  dem  Schatze  der 
bernischen  Handschriftensammlung  zurechtgefunden  haben,  werden  H.  als 
hocherfahrenen  Wegweiser  dankbar  und  mit  Ehren  nennen. 

Weitere  Nekrologe  sind  an  folgenden  Orten  erschienen:  Intelligenzbl.  (der  Stadt 
Stadt  Bern)  1898  Nr.  224  (anonym),  Schweiz,  pädag.  Zeitschr.  9  (1899)  S.  112  — 114 
(K.  Praechter). 

Bern.  Karl  Praechter. 

Reiser,  Wilhelm  (von),  Dr.  phil.  et  theol.,  4.  Bischof  von  Rottenburg, 
*  13.  Mai  1835  2^  Egesheim  (im  württ.  Oberamt  Spaichingen),  f  n.  Mai  1898 
zu  Ellwangen.  Sein  Vater  war  Schul theiss  in  Egesheim.  Er  besuchte  das 
Rottweiler  Gymnasium  und  Convict  und  studirte  seit  1854  im  Tübinger 
Wilhelmsstifte  Theologie.  1857  hatte  er  mit  seinem  Studiengenossen  und 
künftigen  Nachfolger  auf  dem  Bischofssitz,  Linsenmann,  um  den  wissenschaft- 
lichen Preis  der  katholisch-theologischen  Fakultät  zu  losen,  wobei  er  gewann. 
Herbst  1858  trat  er  in  das  Rottenburger  Priesterseminar  ein  und  empfing  am 
10.  August  1859  die  Priesterweihe  durch  Bischof  Lipp.  Hierauf  wurde  er 
Vicar  in  Spaichingen,  seit  October  1861  Repetent  am  Tübinger  Wilhelms- 
stifte, welche  Stellung  er  bis  Mai  1867  inne  hatte.  Dann  nahm  er  einen 
längeren  Urlaub,  den  er  zu  einer  wissenschaftlichen  Reise  in  Gemeinschaft 
mit  Linsenmann  benutzte.  Am  17.  August  desselben  Jahres  machte  ihn  die 
Tübinger  Fakultät  zum  Licentiaten  der  Theologie.  Acht  Tage  vorher  war 
er  zum  Präfecten  des  neu  gegründeten  Martinihauses  in  Rottenburg  ernannt 
worden,  eines  Knabenseminars  für  Untergymnasiasten,  dessen  Entwicklung 
Reiser  in  glückliche  Bahnen  lenkte.  Am  30.  April  1869  wurde  er  provi- 
sorischer, am  4.  Januar  1870  definitiver  Director  des  Wilhelmsstiftes  in  Tü- 
bingen, daneben  Stadti)farrer,  seit  December  1875  Garnisonspfarrer  daselbst. 
In  schwieriger  Zeit  füllte  er  den  Posten  eines  Convictsvorstandes  trefflich  aus 
und  erwarb  sich  bei  den  ihm  untergebenen  Studenten  viele  Sympathieen. 
Er  war  nicht  nur  ein  geschickter  Pädagoge,  sondern  auch  ein  tüchtiger 
Gelehrter.  Sein  Wissen  umspannte  das  gesammte  Gebiet  der  Theologie,  mit 
Vorliebe  pflegte  er  das  Fach  der  Kirchengeschichte  und  der  kirchlichen 
Kunst.  Doch  beschränkte  sich  seine  litterarische  Thätigkeit  auf  eine  im  Jahr- 
gang 1866  der  (Tübinger)  Theologischen  Quartalschrift  erschienene  Studie 
»Praxeas  und  Kallistus< ,  kleinere  Beiträge  und  Recensionen  für  dieselbe,  das 
Bonner  Litteraturblatt  und  andere  Zeitschriften.  Trotzdem  genoss  er  in  ganz 
Deutschland  wissenschaftliches  Ansehen.  Herbst  1876  erhielt  er  einen  Rui 
an  die  Akademie  Münster  in  Westfalen,  den  er  ablehnte.  Beim  Tübinger 
Universitätsjubiläum  des  Jahres  1877  creirte  ihn  die  katholisch-theologische 
Fakultät  zum  Ehrendoctor.  Auch  sonst  hat  er  im  Verlaufe  seines  Lebens 
hohe  Orden  und  andere  Ehrenzeichen  nicht  entbehren  müssen.  —  Am 
29.  März  1879  '^'urde  er  in  das  Rottenburger  Domcapitel  berufen  und  am 
25.  Mai  als  Domcapitular  installirt.  Bis  November  1879  versah  er  zugleich 
das  Amt  eines  Stadtdecans,  Dom-  und  Stadtpfarrers  in  Rottenburg,  Juli  1881 


V.  Reiser.     Hepke.  loy 

fiel  ihm  die  Vorstandschaft  des  Curatoriums  des  Martinihauses  zu.  Von  1880 
bis  1886  vertrat  er  das  Domcapitel  in  der  Abgeordnetenkammer,  eine  nicht 
allzu  schwierige  Aufgabe,  da  in  Württemberg  kirchenpolitischer  Friede 
herrschte.  Im  Domcapitel  selbst  hatte  er  hauptsächlich  das  Referat  über  die 
Bildungs-  und  Erziehungsanstalten  des  Clerus,  wofür  ihn  seine  Vergangenheit 
besonders  befähigte.  Am  31.  August  1886  wurde  R.  durch  apostolisches 
Breve  unter  königlicher  Zustimmung  Coadjutor  Bischofs  Hefele  cum  jure 
succedendi  und  Titularbischof  von  Enos  (in  Thrakien),  am  4.  October  1886 
(ieneralvicar;  am  14.  November  desselben  Jahres  wurde  er  zum  Weihbischof 
consecrirt  und  am  17.  März  1887  als  solcher  präconisirt.  Somit  war  er  nach 
Hefeies  Tod  am  5.  Juni  1893  ohne  Weiteres  Bischof  von  Rottenburg,  über- 
nahm sofort  die  Leitung  der  Diöcese  und  liess  sich  am  11.  Juli  inthronisiren. 
Fast  noch  mehr  als  sein  Vorgänger  handelte  er  in  seiner  Amtsführung  nach 
versöhnlichen  Grundsätzen.  Er  bemühte  sich,  jede  Verschärfung  der  con- 
fessionellen  Gegensätze  zu  hindern  und  die  guten  Beziehungen  zwischen  Staat 
und  katholischer  Kirche  aufrecht  zu  erhalten.  Dabei  wusste  er  aber  doch 
die  Interessen  seiner  Diöcese  nach  allen  Seiten  hin  energisch  zu  wahren. 
Er  genoss  allgemeine  Achtung  im  ganzen  Lande.  —  Auf  einer  Firmungsreise 
im  Mai  1898  wurde  R.  zu  Wasseralfingen  von  einem  Unwohlsein  befallen. 
Er  setzte  dennoch  seine  Reise  nach  Ellwangen  fort.  Hier  stellten  sich  Magen- 
blutungen ein,  und  er  hauchte  am  11.  Mai  8'/^  Uhr  Abends  im  dortigen 
Stadtpfarrhaus  seine  Seele  aus.  Die  Leiche  wurde  nach  Rottenburg  überführt 
und  hier  am   16.  Mai  mit  dem  üblichen  Pompe  beigesetzt. 

St.  J.  Neher,  Personal-Katalog  der  seit  181 3  ordinirten  und  in  der  Scelsorge  ver- 
wendeten Geistlichen  des  Bisthums  Rottenburg,  3.  Auflage  (Schw.  Gmünd,  1894)  S.  150, 
»Deutsches  Volksblatt«  vom  12. — 21.  Mai  1898  Nr.  106 — 113,  Nekrologe  in  der  >^Schwäbischen 
Kronik«  vom  12.  Mai  1898  (Mittagsblatt),  im  »Staats- Anzeiger  für  Württemberg«  und  >> Neuen 
Tagblatt«  vom  selben  Tag. 

R.  Krauss. 

Hepke,  Robert,  Geheimer  Legationsrath  z.  D.,  *  9.  Januar  1820 
Posen,  f  21.  December  1898  Berlin.  Nachdem  er  1839 — 42  sich  in  Berlin 
philologischen  Studien  und  namentlich  auch  der  vergleichenden  Sprach- 
forschung gewidmet  hatte,  kehrte  er  nach  Posen  zurück,  wo  er  zunächst  als 
Hülfslehrer,  dann  als  Oberlehrer  am  Mariengymnasium  angestellt  wurde.  In 
die  national-polnische  Bewegung,  welche  die  Verhältnisse  des  Grossherzog- 
thums  Posen  erschütterte  und  die  Verbindung  mit  dem  neuen  Deutschen 
Reiche  in  Frage  stellte,  trat  der  junge  Oberlehrer  in  preussisch-conservativem 
Sinne  energisch  ein,  und  wurde  in  Folge  dessen  als  Deputirter  der  Stadt 
Posen  zum  Deutschen  Parlament  nach  Frankfurt  entsandt,  wo  er  für  die  Er- 
haltung Posens  beim  Reiche  wirkte.  Hier  wurde  Joseph  von  Radowitz  auf 
ihn  aufmerksam,  er  nahm  ihn  in  das  auswärtige  Ministerium,  wo  H.  bereits 
1852  zum  Legationsrath,  dann  später  zum  Wirklichen  und  zum  Geheimen 
Legationsrath  ernannt  wurde.  Hier  bearbeitete  H.  in  erster  Linie  die  öster- 
reichischen Angelegenheiten;  nach  25  Jahren  angestrengter  Berufsthätigkeit 
wurde  er  im  Sommer  1874  zur  Disposition  gestellt.  Seine  Kenntniss  der 
Verhältnisse  der  Oesterreichischen  Monarchie  fand  einen  willkommenen  Bundes- 
genossen in  dem  Deutschen  Schulverein,  zu  dessen  Gründung  er  bereits  am 
28.  Juni  188 1  seinen  Glückwunsch  sandte,  und  von  dem  er  den  grössten  Er- 
folg erhoffte,  wenn  —  was  thatsächlich  eintrat  —  »dem  ersten  nationalen 
Handeln  auf  diesem  Gebiete    die  Nachfolge    der  wissenschaftlichen  Welt    zu 


log  Hepke.     v.  LrCibbrand. 

Theil  werde«.  —  Am  23.  October  1882  in  die  Hauptleitung  gewählt,  über- 
nahm er  bereits  in  der  nächstfolgenden  Sitzung  zusammen  mit  Wattenbach 
die  Ausarbeitung  einer  »nichtigen  Denkschrift.  Bei  allen  Massnahmen,  welche 
in  den  folgenden  Jahren  zum  Schutze  des  Deutschen  Schulwesens  in  Ungarn 
und  Siebenbürgen  vom  Schulverein  unternommen  wurden,  wirkte  H.  mit. 
»Das  Deutschthum  im  Auslande,«  Januar  1899. 

Leibbrand,  Carl  (von),  Brückenbaumeister,  *  Ludwigsburg  (in  Württem- 
berg)  n.  November  1839,   t  Stuttgart  14.  März  1898.     Sein  Vater  war    In- 
haber eines  bekannten  Officier-Ausstattungsgeschäfts  in  Ludwigsburg.    Auf  der 
dortigen  Realschule  vorgebildet,    bereitete    er    sich   von  1855 — 60    auf   dem 
Stuttgarter  Polytechnicum  zum  Ingenieur  und  Architecten  aus.     1860  erstand 
er  die  erste,   1865  die  zweite  Staatsprüfung  im  Baufache  mit  ausgezeichnetem 
Erfolg.     In  der  Zwischenzeit  war    er    beim  Eisenbahnbau    in  Heilbronn    und 
Hall  beschäftigt  und  versah  die  Stelle  eines  Assistenten  für  Strassen-,  Brücken-, 
Eisenbahn-  und  Wasserbau  am  Polytechnicum  in  Stuttgart.     Im  Herbst  1864 
führte  ihn  eine  wissenschaftliche  Reise  nach  Belgien  und  Holland,   1867    be- 
suchte er  Paris  und  London,  wie  er  auch  später  nicht  selten    fremde  Städte 
und  Länder  im   Interesse   des   einheimischen  Bauwesens   bereiste.     1866   trat 
er  vom  Eisenbahnbau    zur  Strassen-  und  Wasserbauverwaltung  über  und    er- 
hielt am   19.  April   1866  das  Amt    eines  Strassenbauinspectors    zu  Oberndorf. 
Jahrs  darauf  gründete  er  sich  einen  eigenen  Hausstand  mit  Amalie  Brandacker, 
der    Tochter    des    Herausgebers    des    »Schwarzwälder  Boten«    in   Obemdorf. 
April   1875    wurde    L.    Strassen-    und  Wasserbauinspector    in    Stuttgart,    De- 
cember  1875  Baurath    bei    der  Ministerialabtheilung    für    den   Strassen-    und 
Wasserbau,   1882  titulirter,  December  1888  wirklicher  Oberbaurath,  Juni  1891 
Vorstand    der    genannten  Ministerialabtheüung.     Im    September  1893  verlieh 
ihm  der  König   bei  Gelegenheit    der  Vollendung    der  König-Carl-Brücke    bei 
Cannstatt  den  Titel  und  Rang  eines  Präsidenten.    L.  hat  fiir  das  einheimische 
Bauwesen  in  vielfacher  Hinsicht  Erspri  esslich  es  geleistet.     Namentlich   hat  er 
die  Unterhaltung  der  Staatsstrassen  durch  Einführung  des  Dampfwalzenbetriebs 
verbessert.     Sein  eigenthümliches  Verdienst  liegt  jedoch  auf  dem  Gebiete  des 
Brückenbaus.     Durch    ein    besonderes,    in    den    Culturstaaten    allgemein    an- 
erkanntes   und  weit  verbreitetes  Verfahren    gelang    es   ihm,  Steinbrücken  mit 
demselben    Kostenaufwand  wie    eiserne    zu    bauen,    deren  Unterhaltung  weit 
grössere  Sorgfalt  und  Mühe  erfordert.     Ferner  benutzte   er    zuerst  Beton    für 
Brücken  von  beträchdicher  Spannweite.     Als  Muster    für    dieses  System    galt 
die  1893  vollendete  Donaubrücke    bei  Munderkingen    mit  50  m  Spannweite. 
Ingenieure    aus  aller  Herren  Ländern  stellten   sich  ein,  um  das  Werk  zu  be- 
sichtigen und   zu   Studiren,    und    dem  Erfinder    des    neuen  Verfahrens  wurde 
im  December  1895    der  Telford-Preis    der  Institution    of  Civil  Engineers    zu 
Theil.     Eine  Anzahl  weiterer  Brückenbauten  in  den  verschiedensten  Ciegenden 
des    württem])ergischen    Landes    zeugen  von    seiner  Kunst,    deren  Wesen    in 
einer    glücklichen  Verbindung  von    kühner  Eigenart    und    besonnener  Gründ- 
lichkeit bestand.     P>  wirkte  auch  bei  vielen  Concurrenzen  für  Brückenbauten 
als  Preisrichter  mit.     Auch  als  Schriftsteller    trat    er    mit    grösseren  Abhand- 
lungen in  Fachzeitschriften  auf  den  Plan.    Seine  praktische  Thätigkeit  in  der 
sonstigen  Architectur  beschränkte  sich  auf  einige  Gebäude    im  Schwarzwald- 
städtchen   Schramberg.     Am  Vereinswesen    nahm    L.    regen  Anteil.      Er  war 
langjähriges  Ausschussmitglied   des  württembergischen  Vereins    ftir  Baukunde, 


V.  Leibbrand.     AmmermUller. 


199 


Von  1876 — 1894  vertrat  er  das  Oberamt  Oberndorf  in  der  württembergischen 
Abgeordnetenkammer,  wo  er  sich  der  sogenannten  Landespartei  (Regierungs- 
partei) anschloss  und  durch  Redegewandtheit  wie  verbindliches  Wesen  Ein- 
fluss  gewann.  Er  hatte  viele  Jahre  das  Referat  für  die  Eisenbahnen  und 
das  staatliche  Bauwesen  überhaupt.  An  äusseren  Ehren  fehlte  es  ihm  nicht. 
Hohe  Orden,  darunter  das  mit  dem  Personaladel  verbundene  Ehrenkreuz  des 
württembergischen  Kronordens,  fielen  ihm  zu,  viele  Gemeinden  des  Landes, 
um  die  er  sich  in  seiner  amtlichen  Eigenschaft  Verdienste  erworben  hatte, 
ernannten  ihn  zu  ihrem  Ehrenbürger.  —  Im  Mai  1897  erkrankte  L.,  eine 
Badecur  im  Wildbad  brachte  nicht  die  erhoffte  Besserung.  Seit  August  1897 
war  er  fast  7  Monate  an  das  Schmerzenslager  gefesselt.  Der  ärztliche  Be- 
fund lautete  auf  leukämieähnliche  Erkrankung  mit  Verhärtung  des  Knochen- 
marks. Dem  Entschlummerten  wurden  die  seinem  Ansehen  entsprechenden 
Begräbnissehren  zu  Theil.     Er  hinterliess  eine  Wittwe  mit  6  Kindern. 

»Schwäbische  Kronik«  vom  14.,  16.  und  22.  März  1898  (je  Mittagsblatt),  (Stutt- 
garter) »Neues  Tagblatt«  vom  15.  Mhrz  1898,  »Staats-Anzeiger  für  Württemberg«  vom 
14.  März  1898,  »Ueber  Land  und  Meer«  80.  Bd.  (1898)  Nr.  27  (mit  Bild).  »Wiener  Abend- 
post«  1898,  Nr.  62. 

R.  Krauss. 

Ammennüller,  Friedrich,  Dr.,  Nationalökonom  und  Politiker,  *  6.  No- 
vember 1809  im  damals  württembergischen,  jetzt  badischen  Städtchen  Stockach, 
f  Stuttgart,  2.  August  1898.  Er  verbrachte  seine  Jugend  in  Tübingen,  wohin 
sein  Vater  als  Universitätscameralverwalter  versetzt  wurde,  und  studirte  dort 
Naturwissenschaften  und  Medicin.  Nachdem  er  1832  Dr.  med.  geworden 
war,  ging  er  ganz  zu  den  Naturwissenschaften  über,  da  er  sich  von  diesen, 
zumal  der  Chemie,  stark  angezogen  fühlte.  1835  erhielt  er  die  Stelle  eines 
Lehrers  an  der  Gewerbeschule  in  Schaffhausen  und  verheirathete  sich  mit 
Marie  Reuchlin.  1838 — 52  wirkte  er  als  Oberreallehrer  in  Reutlingen.  Hier 
gehörte  er  zu  den  Leitern  der  liberalen  Bewegung,  wurde  unter  der  Reaction 
gemassregelt  und  zur  Strafe  1852  nach  Isny  versetzt.  Er  nahm  sofort  seine 
Entlassung  aus  dem  Schuldienste,  wandte  sich  nach  Stuttgart  und  war  hier 
10  Jahre  lang  in  der  grossen  Siegleschen  Farbwaarenfabrik  thätig.  Von  1855 
bis  1897  sass  er  im  Verwaltungsrath  der  Allgemeinen  Rentenanstalt.  A.,  der 
schon  in  ReutHngen  Vorstand  des  dortigen  Gewerbevereins  gewesen  war, 
spielte  bald  im  gewerblichen  Leben  der  Residenz  eine  hervorragende  Rolle. 
Er  war  lange  Zeit  einer  der  Vormänner,  zeitweise  Ausschussmitglied  und 
Vorstand  des  Stuttgarter  Gewerbe  Vereins,  viele  Jahre  Präsident  der  Wander- 
versammlung der  württembergischen  Gewerbevereine,  einer  der  24  Beiräthe 
der  1848  begründeten  Centralstelle  für  Gewerbe  und  Handel.  Mit  tüchtigen 
Kenntnissen  auf  diesem  Gebiet  ausgerüstet,  förderte  er  mannigfach  die  ein- 
heimische Industrie,  trat  für  Befreiung  der  Gewerbe  von  Zunftwesen  und  ähn- 
lichem Zopf  ein,  hing  jedoch,  gleich  seinem  Freunde  und  Gesinnungsgenossen 
Moritz  Mohl,  den  schutzzöllnerischen  Ideen  Friedrich  Lists  an.  Auch  als 
Tagesschriftsteller  in  nationalökonomischen  und  gewerblichen  Fragen  trat  A. 
auf.  1855 — 57  und  1860 — 62  sass  er  im  Bürgerausschuss,  1865  —  71  im 
Gemeinderath  der  Hauptstadt.  In  der  zweiten  sogenannten  verfassungsbe- 
rathenden  Landesversammlung  des  Jahres  1850  vertrat  er  das  Oberamt  Urach. 
1862  —  70  gehörte  er  der  Kammer  als  Abgeordneter  von  Heidenheim  an  und 
nützte  durch  Fleiss  und  Kenntnisse  ihr,  namentlich  ihrer  volkswirthschaftlichen 


200  Ammerraüller.     Taschenberg. 

Kommission.  Auch  in  Eisenbahnbaufragen  sprach  er  gerne  mit.  Obgleich 
er  sich  eine  Zeit  hing  an  den  Einheitsbestrebungen  betheiHgt  hatte,  schloss 
er  sich  doch  bei  der  Trennung  der  württembergischen  Liberalen  den  Gross- 
deutschen und  folglich  den  Demokraten  an.  1868 — 70  war  er  Mitglied  des 
Zollparlaments  in  Berlin  für  den  15.  württembergischen  Wahlkreis  (Reutlingen- 
Tübingen),  und  gesellte  sich  der  süddeutschen  Fraction  zu.  1877  wurde  er 
nochmals  von  Oehringen  in  die  Abgeordnetenkammer  entsandt;  seine  Wahl 
wurde  jedoch  für  ungiltig  erklärt,  und  bei  der  Nachwahl  fiel  er  durch.  A. 
erfreute  sich  bis  in  das  höchste  Alter  einer  seltenen  geistigen  und  körper- 
lichen Frische;  erst  in  den  letzten  Monaten  seines  Lebens  zerfielen  seine 
Kräfte  rasch.  Der  freundliche  imd  human  gesinnte  Mann  genoss  in  Stuttgart 
viele  Sympathien.     Er  hinterliess  keine  Nachkommenschaft. 

Zeitungsnekrologe  in  der  »Schwäbischen  Kronik«  vom   3.  Augus  11898  (Mittags-  und 
Abendblatt),   »Frankfurter  Zeitung«   1898  Xr.  213  (Abendblatt)  u.  s.  w. 

R.  Krauss. 

Taschenberg,  Ernst  Ludwig,  Universitätsprofessor  für  Flntomologie  in 
Halle  a/S.,  *  10.  Januar  1818  in  Naumburg  a/S.,  f  19.  Januar  1898  in  Halle  a/S. 
Als  der  Sohn  eines  Privatlehrers,  der  in  Naumburg  eine  Schule  für  die  Töchter 
besserer  Stände  unterhielt,  erwarb  er  sich  die  Gymnasialbildung  in  der  Landes- 
schule Pforte  und  studirte  Mathematik  und  Naturwissenschaften  in  Berlin  und 
Leipzig.  Als  Hilfslehrer  an  den  Francke'schen  Stiftungen  in  Halle  fand  er 
Gelegenheit,  1845  "^^^  ^^^^^  zoologischen  Museum  der  Universität,  dessen 
entomologische  Abtheilung  durch  Burmeisters  Thätigkeit  einen  hohen  Auf- 
schwung genommen  hatte,  in  Beziehung  zu  treten.  Nach  zwei  Jahren  ver- 
liess  er  Halle  und  war  erst  in  Seesen  an  der  Jakobson'schen  Schule  als 
erster  Lehrer  und  dann  in  Zahna  als  Rector  thätig.  1855  kehrte  er  indess 
zurück  und  wurde  endgiltig  als  Inspector  am  Museum  angestellt.  In  die 
Lehrerzeit  fallen  einige  botanische  Veröffentlichungen.  Die  eigentliche, 
äusserst  fruchtbringende  Lebensaufgabe  beginnt  mit  seiner  Custodenstellung, 
die  er  mit  grösster  Gewissenhaftigkeit  bis  zu  seinem  Tode  ausgefüllt  hat. 
Die  Pfiichtstunden  des  Vormittags  waren  ausnahmslos  dem  Dienste  der  Samm- 
lung gewidmet.  Der  Nachmittag  wurde,  so  oft  es  ging,  namentlich,  solange 
ihn  sein  Sohn  Gtto  zu  begleiten  Zeit  hatte,  zu  Excursionen  verwendet,  zu 
biologischen  Beobachtungen  und  eifrigem  Sammeln,  wobei  die  grösste  Sonnen- 
hitze nicht  störte.  Erst  in  späteren  Jahren  wurden  sie  eingestellt  und  durch 
kürzere  Spaziergänge  mit  der  Frau  oder  durch  den  Aufenthalt  in  den  Räumen 
der  Loge  ersetzt.  Das  Leben  floss  regelmässig  dahin  in  bescheidenen  Bahnen, 
soweit  es  das  Aeussere  anlangt.  Nur  zweimal  führten  Reisen  in  die 
Ferne  nach  der  Schweiz  und  Tyrol,  sonst  wurden  die  Ferien  mit  der  Familie 
im  Harz  oder  Thüringer  Walde  verbracht.  Eine  gleichmässig  ausgezeichnete 
(Gesundheit,  welche  ihn  bis  zuletzt  im  Vollbesitz  seiner  körperlichen 
Kräfte  erhielt,  so  dass  er  noch  wenige  Wochen  vor  seinem  Tode  die 
schwierigsten  Bestimmungen  mit  der  Lupe  ausführen  konnte,  sowie  über- 
haupt Ebenmass  und  Ruhe  in  seinem  Wesen  bildeten  die  Grundlage  für  seine 
ununterbrochene  officielle  Arbeit  und  für  eine  sehr  bedeutsame  litterarische 
Thätigkeit.  Sie  erstreckte  sich  auf  die  verschiedensten  Zweige  der  Ento- 
mologie, vorwiegend  auf  die  Insecten  der  Heimath;  sie  war  theils  populär, 
theils  rein  wissenschaftlich,  theils  practisch.  Von  der  ersteren  sind  »die 
Bilder  aus  dem  Insectenleben«   und  »die  Insecten«  in  Brehms  Thierleben  die 


Taschenberg.  20I 

bekanntesten  Friichte;  die  zweite  pflegte  fast  alle  Kerbthierordnungen,  mit 
Vorliebe  aber  die  Hymenopteren ;  die  dritte  knüpfte  an  eine  Preisarbeit  über 
die  schädlichen  Insecten  an,  welche  vom  preussischen  Ministerium  aus- 
geschrieben war  (1856).  Sie  steigerte  sich  allmählich  zu  einer  sehr  umfang- 
reichen und  nachhaltigen  Wirksamkeit,  die  ebensowohl  in  massenhaften, 
grösseren  und  kleineren  Publicationen,  als  in  einer  regen  Correspondenz  mit 
land-  und  forstwirthschaftHchen,  pomo-  und  oenologischen  Kreisen  ihren 
Ausdruck  fand  und  von  dieser  Seite  auch  manche  verdiente  Anerkennung 
einbrachte;  denn  T.'s  freundliches  Wohlwollen  war  stets  zu  eingehendem 
Rathe  bereit.  Hierher  gehört  auch  seine  Thätigkeit  als  Reblaus-Commissar 
für  die  Provinz  Sachsen.  Dazu  kommt  noch  seine  Lehrthätigkeit  seit  187 1, 
wo  er  zum  ausserordentlichen  Professor  ernannt  wurde.  Er  konnte  sie  bis 
zur  25  jährigen  Jubelfeier  fortführen.  Seine  Vorlesungen  erstreckten  sich  bald 
auf  die  allgemeine  Entomologie,  bald  auf  die  Biologie,  meist  mit  Rücksicht 
auf  die  landwirthschaftliche  Praxis,  bald  auf  einzelne  Ordnungen,  bald  wurden 
Bestimmungsübungen  und  Excursionen  dazu  genommen. 

So  war  das  Leben  T.'s  nach  aussen  arm  an  sensationellen  Ereignissen, 
aber  in    seiner    Thätigkeit    gesund,    folgerecht   und   harmonisch    abgerundet. 

Von  den  Schriften,  die  sich  durchweg  durch  Zuverlässigkeit  auszeichnen, 
kann  aus  Raummangel  nur  eine  Anzahl  angeführt  werden: 

Entomologie  f.  Gärtner  u.  Gartenfreunde,  od.  Naturgeschichte  d.  dem  Gartenbau 
schädlichen  Insecten,  Würmer  u.  s.  w.,  sowie  ihrer  natürlichen  Feinde,  nebst  Angabe  d. 
gegen  erstere  anzuwendenden  Schutzmittel.  M.  123  liolzschn.  Leipzig,  1871,  gr.  8  (VI 
586  S.). 

Dasselbe  ins  Russische  übersetzt. 

Forstwirthschaftliche  Insectenkunde  od.  Naturgeschichte  d.  d.  deutschen  Forsten 
schädl.  Insecten,  Angabe  der  Gegenmittel  nebst  Hinweis  auf  die  wichtigsten  WaldbeschUtzer 
unt.  d.  Thicren.     M.  vielen  (eingedr.)  Holzschn.  Leipzig,  Kummer,  1875.  ß^-  8  (VI,  548  S.). 

Practische  Insectenkunde  od.  Naturgeschichte  aller  derjenigen  Insecten,  m.  welch. 
wir  in  Deutschland  nach  d.  bisherigen  Erfahrungen  in  nähere  Berührung  kommen  können. 
Nebst  Angabe  d.  Bekämpfungsmittel  gegen  die  schädlichen  unter  ihnen,  i  —  5.  ThI.  Bremen, 
Heinsius,  1879—80.  gr.  8. 

Was  da  kriecht  und  fliegt!  Bilder  aus  d.  Inscctenleben  m.  besonderer  Berück- 
sichtigung ihrer  Verwandlungsgeschichte.  Berlin,  1861,  8.  (VII,  632  S.  m.  Holzschn.)  — 
2.  neu  bearb.  Auflage  m.  85  Holzschn.  (10  Lfgn.)  Berlin,  Wiegandt,  Hempel  u.  Parcy, 
1878.  gr.  8  (VIII,  656  S.). 

Die  d.  Hopfen  schädl.  Insecten,  in:  Festschr.  gewidmet  d.  Besuchern  d.  internat. 
Ausstellung  v.  Hopfen  etc.  z.  Nürnberg.  1877.  p.  99—113. 

Ueber  Insectenschwärme  od.  Insectenzüge,  in:  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturw.  53.  Bd. 
(3.  F.  6.  Bd.)  1880.  p.  903 — 905. 

Das  Ungeziefer  d.  landwirthschaftl.  Culturgewächse.  M.  36  Abbildgn.  (in  eingedr. 
Holzschn.)  BerHn  und  Leipzig,  H.  Voigt,  1874.  8.  (VII,  230  S.). 

Die  d.  W^ein-  u.  Obstbau  schädl.  Insecten.  Wirthschaftl.  Ergänzungsblätter  in: 
Verhandl.  d.  naturhistor.  Ver.  d.  preuss.  Rheinl.  u.  Westf.  29.  Jhg.  (3  F.  9.  Jhg.)  1872. 
p.  147-234. 

Taschenberg  u.  Ed.  Lucas,  Schutz  d.  Obstbäume  u.  deren  Früchte  gegen  feindliche 
Thiere  u.  gegen  Krankheiten.     2  Bde.  Stuttgart,  Ulmer,  1879.  gr.  8. 

Insecten  in  Brehm's  Thierleben. 

Schlüssel  zur  Bestimmung  der  bisher  in  Deutschland  aufgefundenen  Gattungen  und 
Arten  der  Mordwespen  (Sphex  L.).  (Mit  i  Taf.)  in:  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturwiss.  Halle. 
Bd.   12.   1858.  p.  57 — 122. 

Schlüssel  zur  Bestimmung  unserer  heimischen  Blatt-  und  Holzwespen-Gattungen  und 
Verzeichniss  der  bisher  in  der  Umgegend  v.  Halle  aufgefundenen  Arten.  X.  Bd.  1857. 
p.  113 — 118. 

Heimische  Gallen  und  ihre  Erzeuger,  in:  Jahresber.  d.  Gartenbau-Ver.  zu  Halle  a/S. 
Illustr.  Garten-Ztg.  (Lebl.)  1877,   p.  234—236;  252—255. 


202  Taschenberg.     v.  Zimmermann. 

Ueber  Spinner  und  Weber  unter,  d.  Gliederthieren  in:  Zeitsclir.  f.  d.  ges.  Naturw. 
40.  Bd.  1872.  p.  500. 

Chilenische  Insecten,  besonders  Käfer,  ebd.  38.  Bd.   1871.  p.  38—42. 

Orthopterologische  Studien  aus  d.  hinterlassenen  Papieren  d.  Oberlehrers  Carl  VVanckel 
zu  Dresden  in  ebd.  38.  Bd.   1871.  p.  i — 28. 

Das  sog.  Befallen  der  Obststämme.  (Blattläuse)  in:  Zeitschr.  d.  landw.  Centralver. 
d.  Prov.  Sachsen.  27.  Bd.  1870.  p.  84—87.  —  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturwiss.  35.  Bd. 
(N.  F.   I.  Bd.)   1870.  p.  95—96. 

Neue  Beobachtungen  üb.  d.  Reblaus.  (M.  Abbild,  im  Text)  in:  Natur  (Müller.) 
(N.   F.  3.  Bd.   1877.  p.  269—279). 

Wandtafeln  zur  Darstellung  d.  Reblaus  u.  d.  Blutlaus  f.  Schule  u.  Haus.  Chromlith. 
gr.  Fol.  M.  erklär.  Texte.     Stuttgart,  1878.  gr.  8.  (29  S.). 

Ueber  die  sog.  Giftfliegen  in:  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Naturwiss.  53.  Bd.  1880  p.  197 
bis    199. 

Die  Spargelbohrfliegc,  Platyporea  (Musca)  poeciloptera  Schrank,  Low,  Schiner.  in: 
Schles.  landw.  Ztg.  7.  Jhg.   1866.  p.  153. 

Zwitter  v.  Acberontia  Atropos    in:   Zeitschr.    f.  d.   ges.   Naturwiss.  22.  Bd.   1863.   p.* 
520—521. 

Erfahrungen  bei  d.  Aufzucht  d.  Bombyx  Cynthia-Raupen.  ebd.  24.  Bd.  1864.  p.  372. 

Der  »Traubenwurm«  (Cochylis  ambiguella),  seine  Naturgesch.  u.  Bekämpfung  in: 
Anm.  d.  Oenologie.   i.  Bd.  Hft.  2/3.  1870.  p.  198  —  203. 

Tödtet  d.  Sauerwurm  1  in:  Weinbau  IV.  Jahrg.  1878.  p.  355.  —  Fränkischer  Wein- 
bau.    1879.  p.  93— 96.  —  Rheingauer  Weinbl.   3.  Jhg.  1879.  Beil.  zu  Nr.   11. 

Traubenwickler  (Cochylis  ambiguella)  u.  Springwurmwickler  in:  Rheingauer  Weinbl. 
3.  Jhg.  1879.  P-  129— 131.  —  Weinlaubc.   ii.  Jhg.   1879.  p.  330  —  332. 

Zur  Vertilgung  d.  Sauerwurms  durch  Abreiben  d.  Reben  in:  Weinbau  V.  Jhg.  1879. 
p.  141  — 142. 

Zur  Vertilgung  d.  Sauerwurms  an  d.  Mosel  u.  in  Rheinbayern  ebd.  V  Jhg.  1879.  p. 
10 — II. 

Die  Vögel  als  Sauerwurmvertilger  in:  Oester.  ung.  Wein- und  Agricult.-Ztg.  10  Jhg. 
1879.  p.  85.  —  Weinbau  V  Jahrg.   1879.  p.  30. 

Biologische  Notizen  über  einige  zum  Theil  neue  Hymenopteren  aus  Port  Natal  in: 
Ztschr.  f.  d.  ges.  Naturwiss.  39.  Bd.  1872.  p.  i — 20. 

Einige  neue  südeuropäische  H}inenopteren.  ebd.  38.  Bd.  187 1.  p.  30.  5 — 311. 

Die  Hymenopteren  Deutschlands  nach  ihren  Gattungen  und  theilweise  nach  ihren 
Arten  als  Wegweiser  f.  angehende  Hymenopterologen  u.  gleichzeitig  als  Verzeichniss  d. 
Hallischen  Hymenopterenfauna  analytisch  zusammengestellt.  Leipzig,  Kummer,  1866.  gr. 
8.  (VI,  277  S.). 

Hymenopterologischer  Sammelbericht  in:  Berlin.  Ent.  Zeitschr.  5  Bd.  1861.  p.  194 
bis  197. 

Einige  neue  tropische,  namentlich  südamerikanische  Cryptiden  in:  Ztschr.  f.  d.  ges. 
Naturwiss.  48.  Bd.  1876.  p.  61 — 104. 

Die  Schlupfwespenfamilie  Cryptides  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  deutschen 
Arten,  ebd.  25.  Bd.   1865.  p.   i  — 142. 

Die  Schlupfwespenfamilie  Pimplariae  der  deutschen  Fauna,  mit  besonderer  Rücksicht 
auf  die  Umgegend  von  Halle  in:  ebd.  21.  Bd.   1863.  P*  245 — 305. 

Ueber  den  Nestbau  einiger  Wespen  in:  ebd.  Bd.   1873.  Correspb.  p.  565. 

Neue  Käfer  aus  Columbien  u.  Ecuador  in:  ebd.  35.  Bd.  1870.   p.   177—199. 

Ueber  den  Linsenkäfer,  Bruchus  lentis  in:  ebd.  47.  Bd.   1876.  p.  294—295. 

Die  grünen  Rüsselkäfer  Ratzeburgs  in:  Deutsch.  Forst-  und  Jagdkalender  III.  2. 
1875.   p.  32—42. 

Coloradobillcn.  Kjöbenhavn.  1878. 

Ein  gutes  Bildniss  T.'s  Leipziger  Illustrirte  Zeitung  No.  2849.  S.  132. 

H.  Simroth. 

Zimmermann,  Robert  von,  ordentlicher  Universitätsprofessor  der  Philosophie 
in  Wien,  *  am  2.  November  1824  zu  Prag,  f  am  31.  August  1898  daselbst. 
Z.  entstammte  einer  Familie,  die,  früher  zu  Ruhla  in  Thüringen  heimisch,  mit 
dem  Grossvater  des  Philosophen  nach  Oesterreich  einwanderte  und  zuerst  in 


¥•  Zirnmermann.  20^ 

lilcinercn  böhmischen  Orten,  dann  in  Prag  ihren  Wohnsitz  nahm.  Ein 
Oheim  Roberts,  ein  zweiter  Sohn  des  erstem  in  Oesterreich  naturalisirten  und 
zum  Katholicismus  übergetretenen  Z.,  Karl,  that  sich  als  Maler  hervor,  während 
der  Vater  des  Philosophen,  Johann  August,  1793  zu  Bilin  geboren,  als  Schul- 
mann und  als  Dichter,  besonders  als  Schöpfer  geistlicher  Lieder,  ausgezeichnet, 
durch  seinen  Freund  und  Lehrer  Bolzano,  den  berühmten  Logiker  und 
Mathematiker  in  Prag,  auch  zu  philosophischen  Studien  angeregt  wurde. 

Dieses  ganze  Geistesleben  der  früheren  Generation,  die  Familientradition, 
wenn  man  so  sagen  darf,  muss  man  in  Rücksicht  ziehen,  um  die  geistige 
Individualität  Robert  Z.'s  voll  zu  begreifen.  Den  Mittelschulunterricht  in 
Prag  empfing  er  unter  der  Leitung  seines  Vaters,  der  zu  den  angesehen- 
sten Schulmännern  Oesterreichs  zählte,  im  Auftrage  des  Ministers  Grafen 
Kolowrat  einen  Plan  zur  Reform  der  österreichischen  Gymnasien  ausarbeitete, 
wiederholt  mit  Exner,  Bonitz  u.  A.  an  den  diesbezüglichen  Wiener  Conferenzen 
der  sog.  »Studien-Hofcommission«  Theil  nahm  und  später  sich  hauptsächlich 
nur  desshalb  von  der  Schulmanns-Thätigkeit  zurückzog,  weil  ihm  die  völlige 
Ersetzung  des  Classen-  durch  das  Fachlehrersystem  pädagogisch  bedenklich 
schien.  Wahrscheinlich  ist  der  junge  Robert  schon  durch  diesen  mit  Bolzano 
so  befreundeten  und  überdies  philosophisch  schriftstellernden  Vater  auf  die 
Philosophie  hingeführt  worden;  indessen  hätte  es  der  väterlichen  Lenkung 
kaum  bedurft:  waren  doch  in  Prag  Bolzano  selbst  und  Exner,  dem  der 
Herbartianismus  die  Jahrzehnte  lang  währende  Präponderanz  in  Oesterreich 
dankte,  seine  Lehrer,  und  hieraus  im  Vereine  mit  den  P'amilienanregungen 
ergiebt  sich  wohl  unmittelbar  jene  Doppelneigung,  welche  auch  für  die  äussere 
Gestaltung  seines  künftigen  Lebens  bestimmend  werden,  sich  namentlich  in 
dem  Wechsel  der  Berufswahl  bedeutsam  ausprägen  sollte.  Denn  dass  ein 
Schüler  Bolzano's  sich  zunächst  der  Mathematik  und  strengen  mathematischen 
Naturwissenschaft  zuwandte,  dass  es  ihn  trieb,  seine  in  Prag  begonnenen 
Universitätsstudien  in  Wien  unter  dem  Chemiker  Schrötter,  dem  Physiker 
Ettingshausen  und  dem  Astronomen  Littrow  fortzusetzen,  und  dass  er,  nach- 
dem er  in  Wien  am  26.  Mai  1846  zum  Doctor  der  Philosophie  promovirt 
worden  war,  im  März  des  folgenden  Jahres  eine  Stelle  als  Assistent  an  der 
Wiener  Sternwarte  annahm,  ist  gewiss  nicht  verwunderlich;  noch  selbstver- 
ständlicher aber  erscheint  es,  dass  in  einem  von  der  Natur  mit  ingenium 
philosophicum  ausgestatteten  Jünglinge,  dessen  Geist  so  früh  schon  die  Ein- 
wirkung von  Philosophen  und  Liebhabern  der  Philosophie  erfahren  hatte,  das 
Interesse  an  den  höchsten  und  allgemeinsten  Fragen  lebendig  blieb.  So  war 
denn  Z.  fast  um  dieselbe  Zeit,  da  seine  Thätigkeit  an  der  Sternwarte  begann, 
schon  mit  einer  Uebersetzung  von  Leibnitz'  »Monadologie«,  an  die  er  eine 
Abhandlung  ȟber  Leibnitz'  und  Herbarts  Theorien  des  wirklichen  Ge- 
schehens« schloss,  hervorgetreten;  im  selben  Jahre,  1847,  nahm  er  an  der 
Philosophen- Versammlung  theil,  welche  zu  Gotha  unter  dem  Protectorate  des 
Herzogs  von  Sachsen-Coburg  abgehalten  wurde,  und  der  letzte  Tag  des 
nächsten  Jahres  brachte  ihm  für  seine  »Comparatio  monadologiae 
Leibnitzii  et  Herbar tii«  den  Preis  der  königlich-dänischen  Academie  der 
Wissenschaften  in  Kopenhagen  ein,  so  dass  nach  Veröffentlichung  einer 
deutschen  Uebersetzung  dieser  preisgekrönten  Schrift  seiner  Habilitation  im 
März  1849  ^^s  Privatdocent  für  Philosophie  an  der  Wiener  Universität  nichts 
im  Wege  stehen  konnte.  Nun  ging  es  in  seiner  academischen  Carri^re  mit 
raschen  Schritten  vorwärts.     Er  wnirde  Professor,   nachdem   er  kaum  erst  die 


204 


V.  Zimmermann. 


venia  legendi  erlangt  hatte.  Noch  in  das  Jahr  1849  nämlich  tällt  seine 
Ernennung  zum  Extraordinarius  für  Philosophie  in  Olmütz  und  drei  Jahre 
darauf  (1852)  vertauschte  er  diese  ausserordentliche  Olmützer  Lehrkanzel  mit 
der  ordentlichen  in  Prag,  die  er  9  Jahre  inne  hatte,  um  endlich  1870  an  die 
Wiener  Universität  berufen  zu  werden.  Hier  wirkte  er  fortan  mehr  als  3'/^ 
Decennien;  hier  beschloss  er  auch  seine  academische  Thätigkeit:  als  er  sein 
70.  Jahr  erreicht  hatte  und  daher  nach  den  Bestimmungen  des  österreichischen 
(Gesetzes  in  den  Ruhestand  treten  sollte,  wurde  ihm  noch  ein  auf  3  Semester 
verlängertes  Ehrenjahr  bewilligt,  infolgedessen  er  erst  zum  Schlüsse  des 
Sommersemesters  1896  von  seinem  Lehrstuhle  Abschied  nahm.  Inzwischen 
aber  war  ihm  eine  Fülle  äusserer  Ehrungen  zu  Theil  geworden.  1866  er- 
folgte seine  Berufung  als  Mitglied  des  damals  creirten  Unterrichtsrathes. 
1870  verlieh  ihm  der  Kaiser  den  Regierungsraths-,  1874  den  Hofrathstitel ; 
1889  wurde  er  durch  das  Ritterkreuz  des  Leopold-Ordens  und  am  7.  Mai  1896 
anlässlich  seiner  bevorstehenden  Pensionirung  durch  Erhebung  in  den  Adel- 
stand ausgezeichnet.  Die  königlich-böhmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
zu  Prag  wählte  ihn  1854,  die  kaiserliche  Academie  der  Wissenschaften  in 
Wien   1869  zu  ihrem  Mitgliede. 

Dieser  officiellen  Anerkennung  scheint  das  Maass  der  allgemeinen 
Sympathien,  deren  er  sich  erfreute,  entsprochen  zu  haben.  Die  Liebens- 
würdigkeit seines  Wesens  musste  ihm  die  Herzen  Aller  gewinnen,  die  mit 
ihm  in  persönliche  Berührung  kamen,  lieber  seinen  Collegen,  den  seither 
längst  verstorbenen  Herbartianer  Nahlowsky  in  Graz,  wurde  einmal  geäussert, 
er  sei  selber  die  Verkörperung  jener  »Idee  des  Wohlwollens«  gewesen,  welche 
er  in  seinen  Vorlesungen  über  »practische  Philosophie«  zu  entwickeln  pflegte. 
Der  Ausspruch  passt  auch  auf  Z.  In  einem  der  Nekrologe  heisst  es:  es  habe 
»niemals  einen  angenehmeren  Prüfer  gegeben  als  ihn,  nicht  etwa,  dass  er  gar  so 
wenig  gefordert  hätte.  Aber  er  wusste  dem  Candidaten  das  Gefühl  der  Sicher- 
heit und  des  Wissens  einzuflössen.  War  Einer  gar  zu  verzagt,  an  dessen  Kennt- 
nisse er  dennoch  zu  glauben  Grund  hatte,  so  lautete  die  erste  Frage  etwa: 
,Also,  Herr  Doctor,  was  können  Sie  mir  sagen  .  ,  .?*  da  musste  wohl  jede 
natürliche  Befangenheit  weichen«.  »Umgang  mit  der  Jugend<.,  heisst  es  an 
einer  anderen  Stelle  dieses  Nachrufes,  >^war  ihm  Bedürfniss.  Er  konnte  bei 
weitverzweigten  Verbindungen  helfen,  half  gerne  und  Vielen.  Ein  Wort  der 
F^muthigung  mindestens  fand  jedes  Streben  bei  ihm«.  Unter  diesen  Um- 
ständen erscheint  es  fast  seltsam,  dass  er  nicht  eigentlich  Schule  gemacht  hat, 
dass  er  ausser  Stande  war,  den  Herbartianismus  fortzupflanzen  und  ihm 
weiterhin  die  lange  behauptete  Herrschaft  auf  den  österreichischen  Universitäten 
zu  sichern,  die  schon  viele  Jahre  vor  Z.'s  Tode  F>anz  Brentano  an  sich  riss. 
Vielleicht  trug  ausser  tieferen  psychologischen  Gründen,  welche  in  der 
formalen  Eigenart  gerade  der  Brentanoschen  Richtung  liegen,  an  der  merk- 
wäirdigen  Thatsache  ein  wenig  Z.'s  Vortrag  Schuld,  der  nach  dem  Zeug- 
nisse ehemaliger  Hörer  wohl  rhetorisch  schön  und  formvollendet  war,  dem 
aber  jener  frische,  ursprüngliche,  gleichsam  naive  Zug  gefehlt  zu  haben 
scheint,  welcher  die  Studenten  mehr  gefangen  nimmt  und  hinreisst  als 
sorgtältig  gewählte  Bilder  oder  kunstvoll  abgezirkelte  Perioden.  Auch  die  Art, 
jede  Vorlesung  mit  einer  Recapitulation  des  in  der  letzten  Stunde  Aus- 
einandergesestzten  zu  beginnen,  mochte  vielleicht  dem  ungeduldig  vorwärts- 
drängenden Sinne  der  Jugend  nicht  zusagen.  Und  überhaupt  war  in  Z.'s 
ganzer  Persönlichkeit  etwas  Bedächtiges,  Gemessenes,  vorsichtig  zurückhaltendes, 


V.  Zimmermann. 


205 


das  einer  tiefergreifenden  Wirkung  auf  die  studentischen  Kreise  möglicher 
Weise  entgegen  stand. 

Hat  aber  auch  Z.  keinen  philosophischen  Nachwuchs  herangezogen,  so 
war  sein  Einfluss  auf  das  allgemeine  geistige  Leben  Wiens  und  Oesterreichs 
um  so  grösser.  Er  stand  vielfach  im  Mittelpunkte  dieses  Lebens.  Z.  als 
Theoretiker  der  Aesthetik  hat  vornehmlich  litterarisch  und  unpersönlich,  auf 
weitere  Entfernung  gewirkt;  dem  practischen  Aesthetiker  aber  crschloss  sich 
an  Ort  und  Stelle  reiche  Gelegenheit  für  nutzbringende  Arbeit.  Als  Kunst- 
und  Litterarkritiker  erfreute  er  sich  des  höchsten  Ansehens.  Grillparzer 
fand  sich  durch  den  Aufsatz  »Von  Ayrenhoff  bis  Grillparzer«,  welcher  später 
in  die  Sammlung  »Studien  und  Kritiken«  aufgenommen  worden,  »sehr 
befriedigt«  und  zwar  nach  den  Worten  des  grossen  Dichters  nicht  bloss 
deshalb,  weil  es  »immer  angenehm«  sei,  »von  gescheiten  Leuten«  »ge- 
lobt« zu  werden,  sondern  auch,  weil  er  mit  dem  Philosophen  »beinahe  in 
Allem«  einer  Meinung  war;  Hebbel  gestand,  wie  Laurenz  Müllners  schöne 
Ciedenkrede  in  der  Grillparzer-Gesellschaft  mittheilt,  dem  ästhetischen  Kritiker 
ein  tiefes  Verständniss  seiner,  d.  h.  der  Hebbel'schen  Dichternatur  zu  und 
Hamerling  erklärte  nach  derselben  Quelle  die  von  Z.  herrührende  Kritik  des 
»König  von  Sion«  »für  die  wissenschaftlich  tiefste  und  historisch  eingehendste, 
die  dem  Werke  geworden^'.  Und  so  hat  Z.  noch  viele  andere,  zumal  öster- 
reichische Werke  voll  der  feinsten  EmpfängHchkeit  für  die  Eigenart  und  die 
Vorzüge  eines  Jeden  analysirt.  Mit  nicht  minder  offenem  Auge  und  warm- 
fühlendem Sinn  trat  er  den  Malern  gegenüber.  »Dass«,  sagt  Müllner  in 
seinem  ausgezeichneten  Vortrage,  »die  antikisirende  Linienführung  eines 
Carstens  und  Rahl  stark  auf  Z.  gewirkt,  lässt  sich  bei  seinem  ästhetischen 
Standpunkt  leicht  einsehen,  aber  die  volle  Unbefangenheit  seines  Urtheils 
tritt  in  seinen  nicht  minder  warmen  Aeusserungen  über  Overbeck  und  Führich 
zu  Tage.  In  gleicher  Weise«,  fährt  Müllner  fort,  »verrathen  gelegentliche 
parenthetische  Bemerkungen  über  die  Musik  Richard  Wagners,  dass  er  über 
die  von  Herbart  hergeleitete  und  namentlich  von  der  Gleichsetzung  des 
musikalisch  Schönen  mit  den  musikalischen  Formen  auch  zu  thetisch  be- 
strittenen Reizen  der  Musik  einen  Weg  zu  finden  vermochte«. 

Wen  könnte  es  nach  alledem  in  Erstaunen  setzen,  dass  Z.  nicht  nur 
seit  1878  in  der  Ministerial-Commission  für  Verleihung  von  Künstler- 
stipendien sass,  sondern  1884  auch  Curator  der  Schwestem-Fröhlich-Stiftung 
und  Mitglied  des  Grillparzer-Preisgerichtes  wurde?  Gerade  in  der  letzteren 
Eigenschaft  erwarb  er  sich  die  grössten  Verdienste  um  Würdigung  junger, 
neuerungslustiger  und  aus  den  gewohnten  Bahnen  herausstrebender  Talente. 
Dass  er  für  Gerhart  Hauptmann's  »Hannele«  den  Grillparzer-Preis  durch- 
setzte, kennzeichnet  wohl  am  besten  seine  Vorurtheilslosigkeit  und  die  bis 
ins  Greisenalter  ihm  treubleihende  Jugendfrische  des  Geistes  und  Gemüths. 
Aber  fast  ebenso  sehr  als  durch  seine  Entscheidungen  als  Preisrichter  ist  durch 
das,  was  er,  ein  meisterhafter  Uebersetzer  und  zahlreicher  Sprachen  kundig, 
von  zeitgenössischer  Poesie  anderer  Völker  der  Uebertragung  ins  Deutsche 
für  werth  hielt,  sein  modernes  Fühlen  bezeugt  worden:  er  hat  uns  Gedichte 
von  Ada  Negri,  die  »Sclavenlieder«  von  Svatopluk  Czech  vermittelt  und  hie- 
mit  allein  schon  jenes  thöricht-einseitige  Urtheil,  welches  in  ihm  nur  den 
»Hofrath«  sehen  wollte,  Lügen  gestraft.  Seine  Gerechtigkeit  gegen  die 
»Moderne«  hinderte  indess  glücklicherweise  nicht  seinen  klaren  Blick  und  sein 
tiefes  Gefühl  dafür,  wie  sehr    uns    die  Pflege   des   Classischen  in   Kunst  und 


2o6  ^'  Zimmermann. 

Litteratur  noth  thun.  Die  Schöpfung  der  »Grillparzer-Gesellschaft«  war  sein 
Werk;  im  Jahre  1890,  rief  er  sie,  von  dem  jüngeren  Fachgenossen  Dr.  Emil 
Reich  unterstützt,  ins  Leben;  er  war  ihr  erster  Vorstand,  und  er  wurde 
immer  wieder  an  die  Spitze  dieser  Gesellschaft  berufen,  mit  deren  Gründung  er 
zugleich  seiner  Begeisterung  für  die  Dichtkunst  und  seinem  warmen  patriotischen 
Empfinden  ein  schönes  Denkmal  setzte.  War  es  doch  seine  ausgesprochene 
Intention,  in  ihr  »eine  Heimstätte  und  einen  Mittelpunkt  für  alle  Bestrebungen 
zur  Förderung,  Verbreitung  und  Würdigung  der  poetischen  Hervorbringungen 
Deutsch-Oesterreichs  zu  schaffen!« 

Das  beste  Bild  von  Z.'s  Vielseitigkeit  erhält  man  durch  eine  Umschau 
in  der  Menge  seiner  Publicationen.  Der  Belletrist  tritt  da  gegenüber  dem 
Gelehrten  in  den  Hintergrund  ;  aber  doch  wären  auch  Z.'s  poetische  Schöpfungen 
allein  zahlreich  und  werthvoll  genug,  um  zu  verhindern,  dass  sein  Name 
gänzlich  der  Vergessenheit  anheim  fiele.  Der  Siebzehnjährige  bereits  hatte 
in  Zeitschriften  wie  »Ost  und  West«  Gedichte  drucken  lassen,  welchen  dann 
die  Novelle:  »Eine  alte  Wiener  Geschichte«  und  andere  Erzählungen  folgten, 
und  die  heisse,  politisch-bewegte  Atmosphäre  der  40er  Jahre  war  der  Ent- 
faltung der  dichterischen  Anlagen  des  jungen  Mannes  so  günstig,  dass  er 
schon  im  Alter  von  21  Jahren  (1845)  ^'^^  Sammlung  politischer  Gedichte 
herausgeben  konnte.  Man  muss  bedauern,  dass  Z.,  hier  überstreng  gegen 
sich  selbst,  seine  poetischen  Frühproducte  aus  dem  Buchhandel  zurückzog. 
Denn  ein  prächtiges  Gedicht  aus  dem  Jahre  1848,  das  fünfzig  Jahre  später 
eine  österreichische  Zeitung  wieder  veröffentlichte,  zeigt,  wie  begabt  Z., 
welcher  auch  der  Wiener  academischen  Legion  angehörte,  auf  dem  Felde  der 
politischen  Lyrik  war.  Ob  sein  Epos  »König  Wenzel  und  Susanna«  (1849^ 
auf  gleicher  Höhe  mit  seinen  Zeitgedichten  stand,  ist  nicht  einmal  zu  er- 
rathen,  da  auch  dieses  Werk  von  dem  rigorosen  Selbstkritik  er  dem  Buchhandel 
entzogen  wurde. 

Von  Z.'s  gelehrten  Arbeiten  betrifft  eine  grosse  Anzahl  die  Geschichte 
der  Philosophie.  Zunächst  ist  es  die  Leibnitz-Forschung,  die  durch  viele 
vortreffliche  Schriften  Z.'s,  selbstständige  Werke  sowohl  als  Abhandlungen, 
gefördert  erscheint.  Hierher  gehört  ausser  seiner  ersten  grösseren,  von 
Feuchtersieben  mit  warmem  Lobe  begrüssten  philosophischen  Schrift  »Leib- 
nitz'  Monadologie.  Deutsch  mit  einer  Abhandlung  über  Leibnitz*  und  Herbarts 
Theorien  des  wirklichen  Geschehens«  (Wien  1847),  noch  die  Uebersetzung 
der  von  der  Kopenhagener  Akademie  veranlassten  Preisschrift  »Leibnitz  und 
Herbart.  Eine  Vergleichung  ihrer  Monadologien«  (Wien  1849),  ferner  »Das 
Rechtsprincip  bei  Leibnitz«  (Wien  1852),  ^Leibnitz'  Verhältniss  zur  Be- 
gründung einer  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien«  (Sitz.-Ber. 
d.  k.  böhm.  Ges.  d.  W.  20.  Nov.  1854),  die  in  den  Schriften  der  Wiener 
kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften  publicirten  Abhandlungen:  »Der  Cardinal 
Nicolaus  Cusanus  als  Vorläufer  Leibnitz'«  (1852),  »Ueber  Leibnitz'  Conceptua- 
lismus«  (1854)  und  »Leibnitz  und  Lessing«  (1855);  die  Ergänzung  zu  dieser 
letzteren  Arbeit  »Ueber  seine«  (Z.'s)  »Abhandlung:  Leibnitz  und  Lessing«. 
(S.-B.  d.  k.  böhm.  Ges.  d.  W.  31.  Dec.  1855);  der  Essay  »Leibnitz  und  die 
Gründung  der  Akademie  der  Wissenschaften«  (S.-B.  d.  Ak.  d.  W.)  und  endlich 
die  Akademieschrift  »Leibnitz  bei  Spino'za«  (1890).  Spinoza  allein  sind  ge* 
widmet  die  Abhandlungen  »Ueber  einige  logische  Fehler  der  spinozistischen 
Ethik.  I,  n.«  (Schriften  der  W.  kais.  Ak.  d.  W.  1850-51)  und  der  Aufsatz 
»Spinozas    Sterbehaus«.     Mit    Lessing    beschäftigten    sich  überdies  noch    die 


V.  Zimmermann. 


207 


Studien  »Lessing  und  die  neuesten  Ausleger  der  Aristotelischen  Katharsis« 
(S.-B.  d.  k.  b.  G.  d.  W.  3.  Dec.  1860  u.  4.  März  1861),  »Lessings  Lemnius« 
(Beil.  z.  Wien.  Ztg.)  und  »Gottsched  und  Lessing«  (S.-B.  d.  k.  Ak.  d.  W.). 
Von  vornherein  lässt  sich  erwarten,  dass  eine  besonders  grosse  Zahl  von 
Schriften  Herbart  gewidmet  ist,  so;  »Zwei  Briefe  Herbarts«  (1872),  «Uebe  den 
Einfluss  der  Tonlehre  auf  Herbarts  Philosophie«  (1873),  «Ueber  Trendelen- 
burgs  Einwürfe  gegen  Herbarts  praktische  Ideen«  (1873)  und  »Perioden  in 
Herbarts  philosophischem  Geistesgang«  (1876),  der  Artikel  der  Wiener 
»Deutschen  Zeitung«  »Zu  Herbarts  hundertjährigem  Geburtstag«  (1876)  und 
die  selbstständige  Veröffentlichung  »Ungedruckte  Briefe  von  und  an  Herbart. 
Aus  dessen  Nachlass  herausgegeben«  (Wien  1876).  An  der  Kant-  und  Hume- 
Litteratur  betheiligt  sich  Z.  durch  die  Akademie-Abhandlungen  »Ueber  Kants 
mathematisches  Vorurtheil  und  dessen  Folgen«  (1871),  »Ueber  Kants  Wider- 
legung des  Idealismus  von  Berkeley«  (1871),  »Kant  und  die  positive  Philo- 
sophie« (1874),  »Lambert,  der  Vorgänger  Kants.  Ein  Beitrag  zur  Vor- 
geschichte der  Kritik  der  reinen  Vernunft«  (1878),  »Kant  und  der  Spiritismus« 
(1879),  »Ueber  Humes  Stellung  zu  Berkeley  und  Kant«  (1883),  »Ueber 
Humes  empirische  Begründung  der  Moral«  (1884),  »Kant  und  Comte  in  ihrem 
Verhältniss  zur  Metaphysik«  (1885);  durch  die  Essays  »Ein  neuer  Anti-Kant« 
(Litter.  Beilage  zur  »Wiener  Zeitung«),  »der  Jude  Kants  (Salomon  Maimon)« 
(«Deutsche  Revue«  1878),  »Kant  in  England«  (Ebenda  1882),  »Eine  neue 
Wendung  des  Neokantianismus«  (Ebenda  1884)  und  schliesslich  durch  das 
Vorwort  zur  Neuauflage  der  »Kritik  der  reinen  Vernunft«  in  Meyers  Volks- 
büchern (1890).  Aber  auch  den  speculativen  Philosophen,  seinen  Wider- 
sachern auf  dem  Gebiete  der  Aesthetik,  schenkt  er  seine  Aufmerksamkeit,  vor 
Allem  Schelling  und  Schleiermacher,  welche  ihm  durch  ihre  Vorliebe  für 
ästhetische  Studien  und  ihre  ganze  sozusagen  ästhetische  Geisteshaltung  näher 
gebracht  sind.  Vgl.  die  »Darstellung  und  Kritik  der  Schleiermacherschen 
Aesthetik«  (S.-B.  d.  k.  böhm.  G.  d.  W.  2.  März  1857)  und  die  1875  ^"  ^^^ 
Akademieschriften  erschienene,  als  »Ein  Nachtrag  zu  seiner«  (Z.'s)  »Geschichte 
der  Aesthetik«  bezeichnete  Abhandlung,  »Ueber  Schellings  Kunstphilosophie« 
nebst  der  Recension  »Ueber  Dilthey's  Leben  Schleiermachers«  (»W.  Fr.  Pr.«) 
und  den  Aufsätzen  »Ueber  Schellings  Weltalter«  (S.-B.  d.  Ak.  d.  W.)  und 
»Schelling  und  seine  Frau«  (»Oesterr.  Wochenschr.  f.  Kunst  u.  Litteratur«). 
Dass  er  an  Schopenhauer  nicht  gleichgültig  vorüberging,  wie  seine  Vorrede 
zu  der  Singerschen  deutschen  Uebersetzung  von  Foucher  de  Careils  »Hegel 
et  Schopenhauer«  und  ein  allgemeinerer,  neben  Schopenhauer  insbesondere 
auch  Hartmann  behandelnder  Aufsatz  »Die  philosophische  Litteratur  der 
Gegenwart!  (»Oest,  Wochenschr.  f.  K.  u.  L.«)  beweisen,  ist  ebenso  verständ- 
lich, als  da.ss  der  österreichische  Philosoph  Denkern  seines  Vaterlandes  be- 
sondere Theilnahme  entgegenbrachte,  dass  er  nicht  nur  dem  Gedächtnisse 
seines  Lehrers  Bolzano  die  Akademieabhandlung  »Ueber  den  wissenschaftlichen 
Charakter  und  die  philosophische  Bedeutung  Bernhard  Bolzanos«  (1849) 
widmete,  so  wie  er  (1852)  fiir  die  Würzburger  »Allgemeine  akademische 
Monatsschrift«  einen  Nekrolog  seines  anderen  Lehrers  Franz  Exner  verfasste, 
sondern  auch  in  der  Beilage  zur  »Wiener  Zeitung«  »Ueber  Schenachs  Meta- 
physik« berichtete  und  sowohl  in  diesem  nämlichen  Organ,  als  in  der  »Presse« 
Gesammtbilder  von  Leben  und  Lehre  des  Wiener  Philosophen  Anton  Günther 
entwarf.  Die  Entwicklung  des  philosophischen  Geistes  in  Oesterreich  verfolgte 
er  überhaupt  mit  besonderem  Eifer.    Er  schrieb  schon  vor  1848  über  »Philo- 


2o8  V»  Zimmermann. 

Sophie  in  Oesterreich«  (Schmidls  »Oest.  Blätter«),  dann  »Ueber  die  Stellung 
der  Philosophie  in  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften«  (»Frankls 
Sonntagsblätter«),  führte  in  ^er  »Oest.-ung.  Revue«  »Philosophie  und  Philo- 
sophen in  Oesterreich«  vor,  erstattete  »Ueber  ein  bisher  unbekanntes  rechts- 
philosophisches Manuscript  eines  österreichischen  Verfassers«  Bericht  in  den 
Schriften  der  k.  böhmischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  (1854)  beleuchtete 
»Die  Anlange  der  mathematischen  Psychologie  in  Wien«  (Oest.  Wochenschr. 
f.  K.  u.  L.),  hielt  1886  seine  Rectoratsrede  »Ueber  den  Antheil  Wiens  an 
der  deutschen  Philosophie«  und  schilderte  noch  kurz  vor  seinem  Tode, 
1898,  die  Schicksale  der  akademischen  Vertretung  der  Philosophie  in  Wien 
während  des  letzten  halben  Jahrhunderts.  Auch  den  jeweiligen  Stand  ganzer 
philosophischer  Disciplinen  und  die  mannigfachen  Tendenzen,  welche  in  den- 
selben nach  Geltung  ringen,  zu  kennzeichnen,  war  ihm  ein  gem  geübtes 
Geschäft,  dem  er  theils  in  der  Beilage  zur  »Wiener  Zeitung«,  theils  in  den 
Ergänzungsheften  zu  »Meyers  Conversationslexikon«,  für  dessen  3.  u.  4.  Auf- 
lage er  sämmdiche  philosophischen  und  ästhetischen  Artikel  neubearbeitete, 
theils  in  Lützows  »Zeitschrift  für  bildende  Kunst«  nachging,  in  dem  ersteren 
Blatte  »Die  ethischen  Richtungen  der  Gegenwart«  und  »Die  psychologischen 
Richtungen  der  Gegenwart«,  in  den  Ergänzungsheften,  welche  1884  seinen 
Aufsatz  »Philosophische  Schulen  der  Gegenwart«  brachten,  ausserdem  »Die 
ästhetischen  Richtungen  der  Gegenwart«  (1880)  und  »Die  logischen  Richtungen 
der  Gegenwart«  (1882),  in  der  Lützowschen  Zeitschrift  gleichfalls  »Die 
Aesthetik  der  Gegenwart«  darstellend.  Daneben  aber  liefen  philosophie- 
geschichtliche Arbeiten  isolirten  Charakters  einher.  So  schrieb  er  »Ueber 
die  Lehre  des  Pherekydes  von  Syros«  (Zeitschrift  fiir  Philosophie  und  philo- 
sophische Kritik,  1854),  so  stellte  er  sich  mit  einem  Festartikel  »Zum  Fichte- 
Jubiläum«  ein,  wurde  »Schiller  als  Denker«  (Vortrag,  veröffentlicht  in  den 
Schriften  d.  k.  böhm.  G.  d.  W.  1859),  »Bernoulli  als  Logiker«  (Schriften  d. 
Ak.  d.  W.  1885)  und  »Diderot  als  Pädagog«  (Deutsche  Revue,  1880)  von 
ihm  gewürdigt. 

Einen  verhältnissmässig  schmalen  Raum  nehmen  die  allgemein  philo- 
sophischen, weder  ästhetischen  noch  philosophiegeschichtlichen  Schriften  ein. 
Die  »Philosophische  Propädeutik.  Prolegomena.  Logik.  Empirische  Psycho- 
logie. Zur  Einleitung  in  die  Philosophie«  (Wien  1852,  2.  Aufl.  1860,  3.  Aufl. 
1867)  erlebte  zwar  mehrere  Auflagen  und  wurde  ins  Czechische,  Polnische, 
Ungarische,  Holländische  und  Italienische  übersetzt;  allein  sie  hat  doch  nicht 
einmal  als  Schulbuch  in  Oesterreich  neben  den  viel  lieber  benützten  Büchern 
von  Lindner  und  Drbal  sich  zu  behaupten  vermocht,  geschweige  denn  als 
Facharbeit,  als  wissenschaftliche  Darstellung  der  Logik  und  Psychologie  vom 
Herbartschen  Standpunkte,  den  berühmten  Werken  der  Herbartianer  Drobisch 
und  Volkmann  den  Rang  abgelaufen.  Auch  die  Antrittsvorlesungen  in  Prag 
und  Wien  »Was  erwarten  wir  von  der  Philosophie«  (1852)  und  »Philosophie 
und  Erfahrung«  (1861),  deren  zweite  wegen  der  Verurtheilung  des  speculativen 
Unwesens  und  der  Vertheidigung  der  Empirie  sogar  bei  Louis  Büchner  Bei- 
fall fand,  sind  trotz  dieser  theilweisen  Begegnung  mit  populären  Zeitströmungen 
>\issenschaftlich  einflusslos  geblieben  und  selbst  dem  letzten,  systematisch-zu- 
sammenfassenden  Werke  Z.'s,  der  »Anthroposophie.  Entwurf  eines  Systems 
idealer  Weltanschauung  auf  realistischer  Grundlage«  (Wien  1882)  kann  man 
einen  grösseren  oder  gar  durchschlagenden  Erfolg  nicht  nachrühmen.  Unleugbar 
ist  es  ein  interessantes,  geistreiches  Buch,  das  nach  verschiedenen  Richtungen 


V.  Zimniermann. 


209 


die  Neugierde  reizt  und  zu  lehrreichen  Vergleichungen  anregt.  Wenn  der 
Titel  im  Zusammenhange  mit  dem  Fehlen  jedes  eigentlich  supernaturalistischen 
Hintergrundes  im  Weltbilde  fast  unvermeidlich  den  Gedanken  an  die  »Anthro- 
pologie« d.  h.  an  den  Positivismus  Feuerbachs  weckt,  so  erscheinen  gewisse 
Ideen,  wie  der  kühne  Versuch  einer  Auflösung  aller  psychischen  Qualitäten 
in  Quantitätsunterschiede,  recht  eigentlich  aus  dem  Geiste  Herbarts  heraus- 
geboren. Jedoch  eben  die  Herbart-Treue  ist  ungeachtet  der  Wendung  nach 
dem  Positivismus  hin  viel  zu  gross  geblieben,  die  ethischen  »Ideen«  sind  viel 
zu  unverändert  angenommen  und  die  ästhetischen,  welche  Z.,  ohne  sich  um 
den  inzwischen  durch  Fechner  gemachten  Fortschritt  zu  kümmern,  gerade  so, 
wie  sie  in  seinem  Hauptwerke  entwickelt  worden  waren,  hinzufügte,  viel  zu 
ängstlich  nach  dem  Muster  der  ersteren  gebildet,  als  dass  der  gleichsam 
fossile  Eindruck  des  Ganzen  durch  jene  Zugeständnisse  an  den  modernen 
philosophischen  Geist  hätte  verwischt  werden  können.  Kurz,  diese  Schriften- 
gruppe scheint  nach  Umfang  und  Bedeutung  am  wenigsten  hervorragend  und 
nur  nebenher  verdient  es  Erwähnung,  dass  Z.,  der  zur  Geschichte  der  Rechts- 
philosophie ausser  der  schon  angeführten  Publication  die  Abhandlung  »lieber 
ein  rechtsphilosophisches  Manuscript:  Com.  de  Hoditz  libellus  de  hominis 
convenientia«  (S.-B.  d.  k.  böhm.  G.  d.  W.  12.  Febr.  1855)  beisteuerte,  auch 
»lieber  die  Bedeutung  der  Rechtsphilosophie  für  das  Rechtsstudium«  (S.-B. 
d.  k.  böhm.  G.  d.  W.  30.  März  1857)  seine  Meinung  zum  Ausdrucke  gebracht 
hat.  Das  lebhafte  Interesse  freilich  verschloss  er  keiner  der  philosophischen 
Zeit-  und  Streitfragen;  er  besprach  in  einer  Artikelserie  der  »Wiener  Zeitung« 
die  »naturwissenschaftliche  Methode  in  der  Philosophie«  und  er  bot  in  Hallers 
»Prager  Vierteljahrsschrift  für  praktische  Heilkunde«  »Ueber  medicinische 
Psychologie  von  Lotze  und  medicinische  Logik  von  Oesterlen«  ein  kritisches 
Referat;  er  durfte  so  mit  Recht  von  sich  sagen,  dass  ihn,  wenn  sich  gleich 
seine  Veröffentlichungen  vorzugsweise  auf  bestimmten  Gebieten  bewegten, 
darum  doch  auch  alle  übrigen  Partieen  des  grossen  Gesammtfaches,  welches 
er  als  akademischer  Lehrer  vertrat,  allezeit  gefesselt  und  beschäftigt  haben. 
Weitaus  die  wichtigsten  Arbeiten  Z.'s  sind  die  in  die  Aesthetik  ein- 
schlagenden. Schon  in  den  50  er  Jahren  erschienen  das  Buch  »Ueber  das 
Tragische  und  die  Tragödie«  (Wien  1856)  und  die  Essays  »Die  speculative 
Aesthetik  und  die  Kritik«  (»Wiener  Zeitung«  1854),  »Ueber  die  von 
A.  Zeising  aufgestellte  neue  Proportionslehre  des  menschlichen  Köq>ers« 
(S..B.  d.  k.  böhm.  G.  d.  W.  28.  Januar  1856)  und  »Eine  neue  Eintheilung 
der  Künste  vom  Standpunkte  reiner  Form«  (S.-B.  d.  k.  böhm.  G.  d.  W. 
31.  Mai  1858).  Ebenfalls  noch  in  den  50  er  Jahren  machte  er  sich  daran, 
eine  grosse,  aus  einem  historisch-kritischen  und  einem  systematischen  Theil 
bestehende  Gesammtdarstellung  der  Aesthetik  in  Herbartschem  Geiste  zu 
liefern,  wobei  er  sich  allerdings  auf  eine  bedeutende  Vorarbeit  stützen  konnte. 
Zwei  Herbartianer  hatten  schon  vor  ihm  allgemeinere  ästhetische  Werke  ver- 
fasst:  Bobrik  und  Griepenkerl.  Nun  finden  sich  gewisse  inhaltliche  Grund- 
gedanken, welche  dann  von  Z.  weiter  ausgebildet  wurden,  unstreitig  auch  bei 
Bobrik.  Aber  das,  was  Z.  Bobrik  allenfalls  hätte  entlehnen  können,  erscheint 
geringfügig  und  unwesentlich  gegenüber  dem,  was  er  Griepenkerl  ohne  Frage 
wirklich  entnommen  hat.  Denn  nicht  nur  das  ganze  methodische  Princip,  die 
(iesetze  des  Schönen  in  Form  von  sog.  »Ideen«  darzulegen,  welche  die  Be- 
dingungen der  Wohlgefälligkeit  eines  Verhältnisses  ebenso  aus  dem  eigentlich 
ästhetischen  Gebiete    vorstellen,    wie    durch    Herbarts    ethische  Ideen    diese 

Biogr.  Jahrb.  n,  DenUcher  Nekrolog.    3.  Bd.  I  a 


210  V«  Zimmermann. 

selben  Bedingungen  in  der  specifisch  moralischen  Sphäre  ausgedrückt  werden, 
stammt  von  Griepenkerl;  der  Letztere,  dessen  »Lehrbuch  der  Aesthetik«  1827, 
7  Jahre  vor  Bobrik's  »freien  Vorträgen  über  Aesthetik«  erschien,  hat  viel- 
mehr auch  schon  fast  alle  die  einzelnen  Ideen,  welche  bei  Z.  vorkommen, 
aufgestellt,  nur  in  etwas  anderer  Ordnung  und  theilweise  mit  anderen  Be- 
zeichnungen. Indess  eine  der  ästhetischen  Ideen  d.  h.  der  unmittelbar  wohl- 
gefälligen und  somit  schönheitbegründenden  Relationen  verkannte  er  und  zwar 
gerade  die  für  die  Kunstästhetik  wichtige,  bedeutungsvollste;  von  »Nach- 
bildung« hielt  er  wenig,  »die  charakteristische  Darstellung«  schien  ihm  »nur 
eine  Bedingung  der  Aeusserungen  des  Geschmacksurtheils,  aber  kein  Be- 
stimmungsgrund für  dasselbe,  folglich  auch  kein  ästhetisches  Element«  und 
hier  unterlag  er,  wiewohl  er  durch  Aufstellung  der  »Idee  der  Wahrheit<v 
mit  sich  selbst  in  einen  nur  mühsam  zu  verhüllenden  Widerspruch  gerieth, 
offenbar  dem  verhängnissvollen  Einflüsse  des  Meisters  Herbart,  welcher  es 
nicht  glauben  mochte,  dass  eine  Nachahmung  jemals  höheren  Reiz  sollte  ent- 
halten können,  als  ihrem  Urbilde  eigen  ist.  Wenn  nun  Z.  durch  Begründung 
der  »Idee  des  Charakteristischen«  seine  Vorgänger  so  weit  überholte  und 
deren  Irrthum  mit  so  glänzendem  Scharfsinn  richtig  stellte,  so  dankte  er  dies 
grossen theils  vielleicht  auch  dem  Umstände,  dass  er  seine  eigene  systematische 
Arbeit  erst  begann,  nachdem  alle  die  geschichtlich  hervorgetretenen  Versuche 
zur  Bewältigung  des  Problems  des  Schönen  von  ihm  dem  sorgfältigsten 
Studium  und  der  eindringendsten  Kritik  unterzogen  worden  waren.  1858  gab 
er  die  Summe  dieser  historischen  Vorstudien  in  gerundeter,  stylistisch 
vollendeter  Darstellung  als  ersten  Band  seiner  Aesthetik  heraus:  »Aesthetik. 
Erster,  historisch-kritischer  Theil:  Geschichte  der  Aesthetik  als  philosophischer 
Wissenschaft«.  (Wien,  1858).  Dieses  Buch,  mehr  als  800  Seiten  stark,  ist 
nicht  nur  an  und  für  sich  ein  Meisterwerk,  unentbehrlich  für  Jeden,  welcher 
die  Geschichte  der  Aesthetik  kennen  lernen  oder  gar  auf  diesem  Gebiete  ar- 
beiten will;  es  stellt  sich  in  dem  angegebenen  Sinne  auch  als  die  Voraus- 
setzung der  selbstständigen  Unternehmung  Z.'s  dar,  welche  7  Jahre  später 
unter  dem  Titel:  »Aesthetik.  Zweiter,  systematischer  Theil:  allgemeine 
Aesthetik  als  Form  Wissenschaft«  (Wien,  1865)  vollendet  wurde.  Wer  nämlich 
die  Unterscheidung  der  relativen  von  der  absoluten  Schönheit  und  die  Begriflfs- 
bestimmung  der  ersteren  bei  Hutcheson  so  meisterhaft  in  historischer  Dar- 
stellung hervorgehoben  hatte,  wie  Z.,  dem  konnte  das  Ungenügende  der 
Herbart -Grünentharschen  Auffassungsart  natürlich  nicht  entgehen.  Aber  die 
Bedeutung  der  Aesthetik  Z.'s  gegenüber  derjenigen  Griepenkerls  liegt  nicht 
bloss  in  der  Verkündung  des  Princips  des  Charakteristischen,  wie  gross  auch 
die  Wichtigkeit  dieses  Fortschritts  gewesen  sein  möge,  sondern  vor  allem 
darin,  dass  sie  zum  richtigen  Zeitpunkt  kam.  Der  erste  Versuch  einen  syste- 
matisch durchgeführten  Formästhetik  musste,  obschon  er  sich  in  den  grund- 
legenden Conceptionen  nur  sehr  wenig  von  dem  späteren,  erfolgreichen  unter- 
schied, unbeachtet  bleiben  und  in  der  von  Jahr  zu  Jahr  höher  anschwellenden 
Flut  philosophischer  Hervorbringungen  bis  eben  zur  Wiederaufnahme  durch  Z. 
sj)urlos  versinken,  weil  damals  die  Alleinherrschaft  des  Fichte-Schelling-Hegel- 
schcn  Idealismus  keine  andere  Denkweise  aufkommen  Hess;  seine  Erneuerung 
von  Seiten  Z.'s  erwies  sich  dagegen  als  nützliches  Ferment  der  philosophisch- 
ästhetischen Bewegung,  da  nun  jene  Alleinherrschaft  in  allen  übrigen  Bereichen 
schon  gestürzt  und  somit  für  eine  neue  Theorie  der  Boden  bereitet  war.  Ks 
ist  ein  ähnliches  Verhältniss    wie   dasjenige    zwischen   Lamarck   und   Darwin, 


▼.  Zimmermann.  211 

wenn  man  nur  auf  das  diesen  Beiden  gemeinsame  Descendenzprincip  Rück- 
sicht nimmt  und  den  Gegensatz  der  Selectionslehre  zur  Lehre  von  der  Ge- 
brauchs- und  Nichtgebrauchs  Wirkung  ignorirt,  der  freilich  weit  grösser  erscheint 
als  der  Unterschied  der  Z. 'sehen  und  der  Griepenkerlschen  Aesthetik.  Im 
Uebrigen  aber  muss  Z.'s  Philosophie  des  Schönen  wirklich  vor  Allem  als  ein 
brauchbares  Ferment  gelten,  dem  auch  heute  die  anregende  und  zu  weiteren 
Untersuchungen  spornende  Kraft  nicht  abhanden  gekommen.  Ihr  Haupt- 
verdienst machte  die  seinerzeit  so  nöthig  gewesene  Opposition  gegen  jene 
speculative  Aesthetik  aus,  die  Dank  Vischer,  Schasler  etc.  noch  immer  blühte, 
als  der  Verfall  der  »speculativen«  Geistes  in  allen  anderen  Sphären  längst 
offenkundig  geworden  war;  sie  wirkte  insofern  epochemachend  durch  Fort- 
schaflfung  des  die  gesunde  Entwicklung  Hindernden,  während  sie  in  positiver 
Richtung  von  Lotze^  Fechner  und  einigen  modernen  Engländern  übertroflfen 
wurde  und  selbst  ihre  grösste  positive  Leistung,  die  Formulirung  der  »Idee« 
d.  h.  des  Princips  des  Charakteristischen,  keineswegs  als  abschliessend  zu  be- 
trachten, sondern  noch  mit  einzelnen  sehr  in  die  Augen  springenden  Fehlern 
behaftet  ist. 

Als  höchst  werthvolle  Ausführungen  zum  besseren  Verständnisse  der 
wahren  philosophisch -ästhetischen  Grundabsichten  der  Herbartschen  Schule 
überhaupt  und  Z.'s  insbesondere  sind  die  theils  kurz  vor,  theils  bald  nach 
dem  zweiten  Bande  der  Aesthetik  veröffentlichten  Abhandlungen  »zur  Reform 
der  Aesthetik  als  exacter  Wissenschaft«  (Zeitschrift  für  exacte  Philosophie, 
1863)  »Zur  Abwehr«  (Ebenda,  1868)  und  »Ueber  Lotzes  Kritik  der  forma- 
listischen Aesthetik«  (Zeitschrft.  f.  d.  österr.  Gymnasien,  1868)  anzusehen, 
die  in  den  »Studien  und  Kritiken«  wieder  abgedruckt  wurden.  Gewisse  letzte 
Motive  der  ästhetischen  Conceptionen  des  Formalismus  treten  hier  klarer  und 
schärfer  als  selbst  in  dem  Hauptwerke  hervor;  auch  Missverständnissen  des  von 
Z.  vertretenen  Standpunkts  wird  hier  bestimmter  als  anderswo  begegnet,  so 
namentlich  der  durch  die  häufigen  objectivistischen  Wendungen  der  Schule 
so  nahegelegten  Ansicht,  als  wolle  diese  das  Gefühl  als  unerlässliche  Grund- 
lage jedes  ästhetischen  Werthurtheils  in  Abrede  stellen.  Aber  auch  in  anderen 
der  vielen  ästhetischen  Aufsätze  Z.'s  und  seiner  oft  überaus  gründlichen  und 
ausführlichen  Recensionen  ästhetischer  Werke  wird  auf  die  Principienfragen 
eingegangen,  und  führt  schon  der  Gegenstand  von  diesen  Fragen  allzu  weit 
ab,  so  bietet  der  Philosoph  dafür  doch  eine  Fülle  sonstiger  Belehrung.  Von 
solchen  Essais  und  Kritiken  seien  noch  genannt  die  Academieschrift :  »Glaube 
und  Geschichte  im  Lichte  des  Dramas.  Ein  Beitrag  zur  Philosophie  des 
Dramas«  (1877),  die  Aufsätze  in  der  Beilage: zur  Wiener  Zeitung:  »Ueber 
ästhetische  Proportionslehre«,  »Ueber  Hanslicks  Schrift  vom  Musikalisch- 
Schönen«,  »Ueber  Ambros',  Grenzen  der  Musik  und  Poesie«,  »Hamlet  und 
Vischer«,  die  Artikel  »Aesthetik«  und  »das  Musikalisch-Schöne«  in  den  Er- 
gänzungsblättern zu  12.  Aufl.  des  Meyerschen  Conv.-Lexikons  und  die  in  den 
> Philosophischen  Monatsheften«  (1873)  publicirte  Studie:  »Ueber  R.  Vischers 
optisches  Fonngefiihl«.  Auch  diese  Aufsätze  sind  theilweise  in  den  »Studien 
und  Kritiken«  enthalten. 

Ungemein  mannigfaltig  und  ausgedehnt  ist  jener  Zweig  der  litterarischen 
Thätigkeit  Z.'s,  welcher  die  angewandte  Aesthetik  im  Sinne  der  Kunst-  und 
Litteraturkritik  und  die  kritischen  Anzeigen  belletristischer  Bücher  umfasst.  In 
einer  Reihe  österreichischer  und  reichsdeutscher  Zeitschriften  recensirte  Z.  von 
den  40er  Jahren  dieses  Jahrhunderts  an  neue  litterarische  Erscheinungen  und  seit 

14* 


212  V.  Zimmermann.     Erzherzog  T^eopold. 

1 840  lieferte  er  die  Jahresberichte  über  die  deutsche  Litteratur  für  das  Londoner 
»Athenaeum«.  Nicht  weniger  emsig  verfolgte  er  die  Entwicklung  der  bildenden 
Künste.  Als  Kunstausstellungsreferent  für  zwei  Tagesblätter:  »'Bohemia«  (1854 
bis  1860)  und  »Presse«  (1863,  1864)  und  an  anderen  Orten  besprach  er  viele 
Schöpfungen  moderner  Maler  und  überdies  bezeugen  das  Werk:  »Die  Tempel 
von  Pästum«  (Prag,  1858)  und  die  Abhandlung  »Beschreibung  und  Auslegung 
der  Statue  Laokoons«  (S.  B.  d.  königl.  böhm.  G.  d.  W.  10.  Nov.  1856)  die 
Vielseitigkeit  seiner  Kunstinteressen.  Aber  neben  der  Kunstkritik  findet  sich 
unter  Z's.  Arbeiten  auch  die  Kritik  dieser  Kritik,  neben  der  Betrachtung  von 
Kunstwerken  auch  die  von  Werken  der  Kunstwissenschaft  vertreten.  Die 
Lützowsche  Zeitschrift  brachte  ausser  vielen  derartigen  Recensionen  die  Ab- 
handlungen »Winckelmann«  und  »Ueber  Lützows  Geschichte  der  Academie 
der  bildenden  Künste«,  während  in  der  »Deutschen  Rundschau«  Z.  sich 
»Ueber  Werders  Hamlet-Vorlesungen«,  »Ueber  Bernays'  jungen  Goethe«  (1876) 
und  »Ueber  Grimms  Goethevorlesungen«  (1877)  verbreitete. 

Zahlreiche  Schriften  endlich  haben  es  mit  Fragen  der  Didaktik  oder  mit 
der  Universitätsgeschichte  zu  thun,  so  die  Olmützer  Antrittsvorlesung:  »Ueber 
die  Stellung  der  philosophischen  Facultät«  (1850),  die  Aufsätze:  »Ueber  geist- 
liche Gymnasien»,  »Ueber  den  Auszug  der  Deutschen  von  der  Prager  Uni- 
versität«, »zur  Säcularfeier  der  Wiener  Universität«  (sämmtlich  in  d.  »N.  fr. 
Presse«),  »Ueber  philosophische  Propädeutik«,  »Zeitschr.  f.  österr.  Gymnasien« 
(185 1),  »Ueber  die  Instruction  zum  Unterricht  in  der  philosophischen  Propä- 
deutik« (Ebenda  1854)  und  jene  anlässlich  des  Kaiserjubiläums  verfasste 
Uebersicht  über  die  Jahre  1848 — 1898  an  der  Wiener  Universität,  deren  schon 
oben  gedacht  wurde.  Eine  andere  Jubiläums-Arbeit  ist  die  Skizze:  »Wissen- 
schaft und  Litteratur  1848 — 1888«,  die  Z.  zur  Festschrift  des  Wiener  Gemeinde- 
rathes  beitrug. 

Quellen:  Wurzbach,  Biographisches  Lexikon  des  Kaiserthums  Oesterreich.  60.  Theil. 
1891,  und  die  im  Texte  angeführten  Nekrologe:  Laurenz  MUllner,  »Zu  Robert  Zimmer- 
manns Gedächtnisse,  Neue  freie  Presse,  10.  November  1898  und  Notker  Labeo,  »Robert 
Zimmermann«,  Neue  Revue:  die  Wage,  No.  37,  10.  Sept.  1898,  ferner  der  anonym  er- 
schienene Nachruf  »Robert  v.  Zimmermann«,  Beilage  zur  allgemeinen  Zeitung,  Jahrgang 
1898,  Heft  40,  No.  224,  4.  Octob.  1898.  Von  schroff  gegnerischem  Standpunkte  hat  sich 
Vischer  im  6.  Heft  der  »Kritischen  Gänge«,  1873  (Neue  Folge,  2.  Band)  über  Z.'s 
Aesthetik  ausgelassen;  eine  objcctive  Würdigung  der  wissenschaftlichen  Leistungen  Z.'s,  Kenn- 
zeichnung seiner  Stellung  zu  gewissen  Grundfragen  der  Aesthetik  und  Beleuchtung  der 
Fortschritte,  welche  ihm  die  Philosophie  des  Schönen  dankt,  hat  der  Verf.  dieser  Biographie 
versucht:  »Robert  Zimmermann«,  Wiener  Zeitung,  28.  und  29.  Mai  1896  und  »Kritische 
Studien  zur  Aesthetik  der  Gegenwart«  (Leipzig  und  Wien,  1897).  Porträts  brachten  die 
»Neue  illustrirte  Zeitung«  (No.  15,  .6.  Januar  1884*),  Wiener  »Extrablatt«  und  »Morgenpost«^ 
(14.  Octob.   1886). 

Hugo  Spitzer. 

Leopold,  Erzherzog  von  Oesterreich,  *  6.  Juni  1823  zu  Mailand, 
f  24.  Mai  1898  auf  Schloss  Hörnstein,  der  älteste  Sohn  des  Erzherzogs 
Rainer  und  der  Prinzessin  Maria  Elisabeth,  Tochter  des  Herzogs  Carl 
Emanuel  Ferdinand  von  Savoyen-Carignan,  erhielt  eine  vortreffliche,  (ieist 
und  Herz  bildende  Erziehung.  Schon  in  der  Kindheit  ernst  und  sinnend, 
kannte  er  keine  grösseren  Vergnügungen,  als  militärische  Uebungen,  zu  denen 
später  ernste  Studien  traten,  die  sich  mit  Vorliebe  den  technischen  Wissen- 
schaften zuwendeten.  Im  Jahre  1835  ^-""^  Oberstinhaber  des  Infanterie-Regi- 
ments Nr.  53  ernannt,  wurde  er  zehn  Jahre    später    dem  Husaren-Regimcnte 


Erzherzog  Leopold.  213 

Nr.  5  zugetheilt,  um  unter  der  Leitung  des  damaligen  Oberstlieutenants 
Meszdros,  des  nachmaligen  ersten  ungarischen  Kriegsministers,  in  den  Reiter- 
dienst eingeführt  zu  werden.  Am  14.  September  1846  wurde  Erzherzog  L. 
zum  Generalmajor  ernannt  und  auf  seinem  besonderen  Wunsch  dem  Genie- 
haupt-Amte zugetheilt.  Bei  Santa  Lucia  empfing  der  Erzherzog  unter  den 
Augen  Radetzkys  die  Feuertaufe,  besondere  Verdienste  aber  erwarb  er  sich 
im  Jahre  1849,  ^^^  es  galt,  das  Fort  Malghera,  den  wichtigsten  Offensivpunkt 
des  Feindes  zu  bezwingen.  Die  technischen  Schwierigkeiten  bei  der  Be- 
lagerung des  Platzes  waren  ungeheuer,  ein  vierzehntägiger  Regen  verhinderte 
die  Eröffnung  von  Tranchtien,  zudem  hatte  der  Feind  mit  Hilfe  von  Schleusen 
den  Wasserspiegel  der  Canäle  gehoben  und  das  vorliegende  Terrain  künstlich 
überschwemmt.  Vom  Thurme  von  Mestre  aus  leitete  der  Erzherzog  die  Be- 
wegungen der  Genietruppen,  liess  Durchstiche  machen  und  Dämme  bauen, 
am  24.  Mai  konnten  endlich  alle  Batterien  in  Wirksamkeit  treten  und  drei 
Tage  später  war  das  Fort  von  den  Oesterreichern  erobert.  Nach  dem  Feld- 
zuge zum  Feldmarschall-Lieutenant  ernannt,  wirkte  P>zherzog  L.  im  Jahre  1850 
bei  der  Pacification  Schleswig-Holsteins  mit  und  fungirte  1854  als  Divisionär 
bei  dem  damals  in  Galizien  aufgestellten  Armee-Corps.  Das  Jahr  1855  führte 
den  Erzherzog  wieder  zu  seiner  Lieblingswaffe  zurück,  indem  er  am  24.  No- 
vember zum  General-Genie-Director  ernannt  wurde  und  die  Leitung  der  ge- 
sammten  Geniewaffe  übernahm.  Die  Friedensjahre  vor  und  nach  dem  Feld- 
zuge benutzte  der  Erzherzog  zur  Erprobung  und  Nutzbarmachung  militär- 
technischer Erfindungen.  Die  ersten  Versuche  im  Minen-  Sceminen-  und 
Torpedo wesen  sind  auf  seine  Anregung  zurückzuführen.  Ein  von  einem 
österreichischen  Genieofficier  eingerichteter  electrischer  Feldzündapparat 
wurde  unter  des  Erzherzogs  unmittelbarer  Einflussnahme  bei  der  Genietrui)pe 
eingeführt;  ihm  dankt  auch  die  neu  eingeführte  wichtige  Feldtelegraph ie  ihre 
auf  der  Höhe  der  Zeit  stehende  Organisation  und  durch  eine  lange  Reihe 
von  practischen  Versuchen  wurden  der  Einführung  des  Dynamits  die  Wege 
geebnet  und  dessen  practische  Anwendung  in  Oesterreich  dadurch  ermöglicht. 
Theoretisch  sorgte  der  Erzherzog  für  eine  erweiterte  wissenschaftliche  Aus- 
bildung der  Genieofficiere,  für  Erhöhung  der  Lerndauer  an  der  Geniefach- 
schule, Einführung  von  Instnictionsreisen  von  Frequentanten  etc.  Der  Stadt 
Wien  leistete  der  Erzherzog  wesentliche  Dienste  durch  Ausarbeitung  der 
Stollen  der  neuen  Wasserleitung  durch  die  Genietruppe.  In  Anerkennung 
dieser  hervorragenden  Verdienste  verlieh  der  Kaiser  dem  Erzherzoge,  der 
gelegentlich  der  Reorganisation  der  Geniewaffe  (1860)  zum  General-Genie- 
Jnspector  ernannt  worden  war,  im  Jahre  1862  das  Grosskreuz  des  St.  Stephans- 
Ordens  und  übertrug  ihm  1865  auch  die  Geschäfte  eines  Marine-Truppen- 
und  Flotten-Inspectors.  In  dieser  Stellung  legte  der  Erzherzog  besonderes 
Gewicht  auf  die  kriegstüchtige  Ausbildung  des  Marinepersonals  und  bekundete 
dabei  klaren  Blick  für  die  Aufgaben  der  Flotte,  so  dass  er  wesentlich  zur 
Schaffung  der  Bedingungen  beitrug,  welche  der  k.  u.  k.  Marine  während  des 
Seekrieges  von  1866  eine  von  glänzendem  Siege  gekrönte  Offensive  ermög- 
lichten. Die  Thätigkeit  des  Erzherzogs  als  Commandant  des  8.  Armee-Cori)s 
der  Nord- Armee,  wird  in  der  einschlägigen  Litteratur  nicht  günstig  beurtheilt; 
doch  wird  wohl  ein  abschliessendes  Urtheil  hierüber,  sowie  über  die  Be- 
ziehungen des  Erzherzogs  zu  seinen  Unterführern  einerseits  und  zu  Benedek 
andererseits,  der  Zukunft  vorbehalten  bleiben  müssen. 

Am    16.  Januar  1867    wurde  Erzherzog  L.    zum  General    der  Cavallerie 


214  Erzherzog  Leopold,     v.  Schönfeld. 

ernannt,  doch  war  es  ihm  nicht  lange  mehr  beschieden,  im  activen  Dienste 
zu  bleiben.  Nach  einem  Schlaganfalle  im  Jahre  1868  erbat  und  erhielt  er 
seine  Entlassung  und  zog  sich  in  das  Privatleben  zurück.  So  lange  es  sein 
Gesundheitszustand  gestattete,  oblag  er  noch  mit  Vorliebe  dem  edlen  Waid- 
werke, die  letzten  Lebensjahre  aber  verbrachte  er,  durch  wiederholte  Schlag- 
anfälle fast  gelähmt,  an  den  Lehnstuhl  gefesselt  auf  seinem  Schlosse  Hörn- 
stein, das  er  zu  einem  wahren  Wunderwerke  gestaltet  hatte.  Immer  mehr 
langsamer,  aber  stetig  fortschreitender  Paralyse  verfallen,  starb  unvermälnlt, 
einsam  und  fast  vergessen  von  der  Mitwelt  dieser  einst  so  thatkräftige  Prinz, 
dessen  Name  mit  der  österreichischen  Militärtechnik  immerdar  ehrenvoll  ver- 
knüpft bleiben  wird. 

Haus  Habsburg-Lothringen.  Herausgeg.  v.  G.  Grtinhut.  »Die  Reichswehr«,  Abend- 
blatt, Nr.  1541  Yom  24.  Mai  1898.  »Armeeblatt«  Nr.  21  vom  25.  Mai  1898.  »Wiener 
Abendpost«,  Nr.  117  vom  24.  Mai  1898. 

Oscar  Criste. 

Schönfeld,  Anton  Freiherr  von,  k.  und  k.  Feldzeugmeister,  *  in  Prag  am 
3.  Juli   1827,  f  in  Wien  am  7.  Januar  1898,  entstammte  einer  in  Böhmen  und 
Niederösterreich  ansässigen,    im  Jahre  1594  von  Kaiser  Rudolph  II.    in    den 
Reichsritterstand  erhobenen  Familie    und  erhielt  seine  erste  militärische  Aus- 
bildung  während  der  Jahre  1838 — 1846  in  der  Theresianischen  Militär-Akademie, 
die  er  mit  Vorzug  absolvirte.      Als  Lieutenant  in  das  Inf.  Regiment  No.  42 
eingetheilt,  kam  Seh.   im  Feldzuge  des  Jahres  1848,    nachdem    er  vorher  an 
den  Gefechten  am  Stilfser  Joche  theilgenommen    und    auch    bei   dessen  pro- 
visorischer Befestigung    thätig  gewesen   in  die   Operationskanzlei    unter  FZM. 
Freih.  v.  Hess.     Noch  in  demselben  Jahr  zum  Oberlieutenant  befördert,   war 
Seh.  bei  Beginn  des  Feldzuges  1849  ^^  Italien  Generalstabsofficier  der  Avant- 
garde-Brigade des  2.  Corps   und    zeichnete  sich    besonders    bei  Mortara  und 
Novara  hervorragend  aus,  wurde  aber  auch  durch  eine  Bersaglierekugel ,   die 
ihm  Kinnlade  und  Zahnkiefer  zerschmetterte,  schwer  verwundet.     Nach  seiner 
Genesung  wurde  Seh.  wieder  in  den  Generalquartiermeisterstab  des  5.  Armee- 
Corps,  Mailand,  eingetheilt  und  bildete  bald  dessen  vorzüglichste  Arbeitskraft. 
Im  November  1850  zum  Hauptmann  befördert,  im  Frühjahr  1856  als  Mappeur 
in    die  Walachei    entsendet,    kehrte    er    nach  Jahresfrist  wieder    in   das  alte 
Dienstverhältniss  zurück  und  wurde  am  21.  April   1859    aussertourlich  Major 
im  Inf.  Regimente  No.  33,  bei  welchem  er  den  Feldzug  in  Italien  mitmachte, 
ohne  jedoch  in  ein  Gefecht  zu  kommen.     Nachdem  Seh.  wieder  2  Jahre  dem 
Generalstabe  zugetheilt  gewesen,  am  7.  März   1862  zum  Oberstlieutenant  be- 
fördert worden  war  und  als  Generalstabschef  beim  7.  Corps  in  Italien  fungirt 
hatte,  erfolgte  seine  Berufung    in  die  Centralkanzlei   des  Kriegs-Ministeriunis, 
wo  er    das  Referat    über    die    deutschen  Bundesangelegenheiten    und  später, 
1863,    auch    sieben  Monate    die  Leitung    der  Centralkanzlei    übernahm.     Im 
December  jenes  Jahres  dem  Erzherzog  Wilhelm  bei  Inspicirung  des  7.  bayerischen 
Bundescorps  zugetheilt,    ward  ihm  in  den   ersten  Tagen  des  Jahres  1864  die 
wichtige  Aufgabe,  den  Aufmarsch    der  österreichischen  Truppen  an  der  Eider 
vorzubereiten.      Nachdem    er  hiezu  drei  Wochen  angestrengter  Thätigkeit  in 
Berlin  zugebracht,  erhielt  er  die  Bestimmung  als  k.  k.  Militärbevollmächtigter 
beim  preussischen  Obercommando    der    alliirten  Truppen,    wohnte    in  dieser 
Eigenschaft    dem  Treffen    bei  Oeversee,    sowie    allen   grösseren  Actionen  des 
preussischen  Corps  bei  und  wurde    im  Sommer    des    nämlichen  Jahres    nach 


V.  Schönfeld.  215 

Wien  berufen,   um  den  beginnenden  Friedensverhandlungen  mit  Dänemark  bei- 
zuwohnen. 

Im  Januar   1865  wurde  Seh.  aussertourlich    zum  Obersten  befördert  und 
wirkte  ein  Jahr  lang  als  Commandant  des  Inf.  Regiments  No.  6^,  dann  kam 
er  als  Militärbevollmächtigter  zum  8.  deutschen   Bundescorps,    um  nach  dem 
Feldzuge  das  Infanterie-Regiment  No.  47,    bei  Ausbruch    des  Aufstandes    in 
Süddalmatien  1869  aber  eine  Gebirgsbrigade    zu  commandiren.      Als    er    im 
Frühjahr  1870  Budua  verliess,    um    das  Commando    der    1.  Inf.  Brigade  der 
31.  Truppen-Division  zu  übernehmen,    ernannte    ihn    jene  Stadt  zum  Ehren- 
bürger   »für    entwickelte  heldenmüthige  Tapferkeit    und  menschenfreundliche 
Gefühle«.     Am  29.  October  1870  zum  General-Major  befördert  und  in  dem- 
selben Jahr  in  den  Freiherrstand  erhoben,  wurde  Seh.  am   i.  November  1875 
Feldmarschalllieutenant,    nachdem    er     1874    an    dem    in    Brüssel    tagenden 
Congresse  über  das  Völkerrecht  im  Kriege  theilgenommen  und  seit  Juni   1875 
schon    das    Commando    der    5.   Inf.    Truppen-Division    in    Olmütz    geführt. 
Nach  dem  unerwarteten  Tod  des  Feldzeugmeisters  John  wurde  Seh.  an  seiner  Stelle 
zum  Chef  des  Generalstabs  ernannt  (4.  Juni   1876)  und  ihm  die  Würde  eines 
Wirklichen  Geheimen   Rathes  verliehen.      Die  Lösung    der    bosnischen  Frage 
rückte  zu  dieser  Zeit  heran,  der  russisch-türkische  Krieg  erheischte  gespannte 
Aufmerksamkeit  und   eine  P'ülle  anderer  interner  Arbeiten  erwartete  ihn  hier; 
aber  er  wusste  sie  während  seiner    fünfjährigen  Thätigkeit  in  dieser  Stellung 
mit  emsiger  Hand,  mit  Beharrlichkeit  und  klarer  Einsicht  zu  bewältigen.     Die 
Folgeübel  einer  überstandenen  schweren  Krankheit,    die  drückende  Sorge  um 
den  kaum  in  das  Heer  eingetretenen,  unheilbarem  Siechtum  verfallenen  Sohn, 
aber  auch    andere  Umstände,    veranlassten  Seh.,    um  Enthebung    von    seiner 
Stellung     zu     bitten.       Nachdem    er    im    September     1881     als    Chef    einer 
österreichisch-ungarischen  Mission    an   den  Manövern  des  10.  und   11.  Corps 
der    französischen  Armee    theilgenommen  hatte,   wurde  Seh.  Ende  November 
jenes  Jahres  Commandant  der  7 .  Inf.  Truppen-Division  und  Militärcommandant 
in  Triest,  ein  Jahr  später  Militär-Commandant  in  Hermannstadt,  Inhaber  des 
neuerrichteten  Inf.  Regiments  No.  82  und  am    i.  Januar   1883  Commandant 
des  XII.  Corps  (Siebenbürgen).     Nach  Enthebung  des  Feldzeugmeisters  Freih. 
V.Kuhn  von  seiner  Stellung  als  Commandant  des  3.  Corps,  commandirenderGeneral 
und  Landwehr-Commandant  in  Graz,    wurde  Seh.  im  Jahre   1888  sein  Nach- 
folger, um  wenige  Monate  später,    am    13.  September  1889    das  Commando 
des   2.   Corps   in  Wien    zu    übernehmen.      Fünf   Jahre    bekleidete    er    diesen 
Posten,  dann  wurde  er,  am   14.  September  1894,  zur  Disposition  des  General- 
Inspectors  des  Heeres,  Erzherzog  Albrecht,  gestellt  und  am  19.  März  1895  ^""^ 
General-Truppen-Inspector  ernannt,    in  welcher  Stellung    ihn    der   Tod    nach 
kaum  achttägigem  Krankenlager  ereilte. 

Seh.  war  eine  bedeutende  und  hervorragende  Individualität,  welche  überall 
Spuren  ihres  Wirkens  oder  fnichtbare  Anregungen  zu  förderlicher  Thätigkeit 
zurückgelassen  hat,  und  die  glänzende  Carri^re,  welche  sich  dem  jungen, 
eleganten Officiere  schon  w^ährend  desKrieges  gegen  Sardinien  eröffnete, entsj^rach 
in  ihrer  fortschreitenden  Entwickelung  durchaus  den  Leistungen,  nicht  dem 
Glück  allein.  Schon  in  dem  jugendlichen  Alter  von  21  Jahren  in  Radetzkys 
Hauptquartier  mit  Arbeiten  betraut,  die  weit  über  die  enge  Sphäre  eines 
Sabal ternofficiers  hinausreichten,  trug  er  dazu  bei,  den  Generalquartirmeister- 
stab  unter  der  genialen  Leitung  des  Fzm.  Hess  zu  jener  Elitetruppe  zu 
machen,    in    welcher  Radetzkys  Geist    und   Ueberlieferungen    das   Gemeingut 


2i6  V.  Schönfeld.     Ebner  Adalbert. 

Aller  waren.  Durch  und  durch  Soldat,  in  der  eisernen  Schule  der  alten 
»kaiserlichen  Armee«  erzogen  und  aufgewachsen,  mit  ihr  um  so  inniger  ver- 
bunden, je  mehr  häusliches  Leid  zeitweilig  schwer  «auf  ihn  drückte,  verschluss 
er  sich  den  Ideen  und  Forderungen  der  neuen  Zeit  nie  und  gerade  er  war 
einer  derjenigen,  welche  aus  der  alten  Armee  die  neue  schufen  und  diese 
neue  Armee  mit  dem  belebenden  Hauche  selbstständiger  Ideen  zu  erfüllen,  den 
Glauben  und  die  Hoffnung  auf  eine  grosse  Zukunft  zu  stärken  vermochte. 
»Die  Kriegswissenschaft  war  ihm  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen«  so 
schrieb  ein  militärisches  Blatt  treffend  über  ihn  »er  war  ein  Weiser,  ein 
Gelehrter,  ohne  damit  zu  prunken,  ohne  an  seinem  Wissen  mühevoll  zu 
tragen  und  im  entscheidenden  Augenblick  die  Bürde  zu  verlieren.  Kr  spendete 
mit  Eleganz  aus  dem  reichen  Borne  seiner  Wissenschaft,  er  war  ja  ein  Crösus 
an  Talent,  eine  grosse  That  hätte  vielleicht  bewiesen,  dass  dieses  Talent 
Genie  bedeutete.  Auf  dem  Manöverfelde  ahnte  man  es,  da  sprühte  sein 
glänzender,  schöpferischer  Geist  Funken,  da  zauberte  er  das  Bild  meister- 
hafter Operationen  mit  genialer  Sicherheit  auf  den  Plan«.  Seine  besondere 
Sorgfalt  widmete  er  stets,  mit  in  die  Zukunft  gerichtetem  Blick,  der  Jugend 
des  Heeres,  und  jederzeit  hatte  er,  der  von  eiserner  Strenge  zu  sein  wusste, 
ein  gutes,  ermunterndes  Wort  für  den,  den  er  als  strebsam  erkannt,  und  selbst 
als  er  die  höchste  im  P'rieden  zu  erreichende  Stufe  der  militärischen  Hierarchie 
erklommen,  scheute  er  die  Mühe  nicht,  in  freundlichen  Zuschriften  von 
eigener  Hand  niederen,  jungen  Officieren,  auch  wenn  sie  seinem  eigenen 
dienstlichen  Commando  nicht  unterstanden,  Worte  der  Anerkennung  und 
Aufmunterung  zu  spenden.  Von  bezwingender  Liebenswürdigkeit  im  per- 
sönlichen Verkehr,  als  geistvoller  Causeur,  der  über  eine  universelle  Bildung 
verfügte,  geradezu  bestrickend,  beherrschte  er  meisterhaft  das  Wort,  wenn  er 
erheben,  entflammen  wollte. 

Als  Mensch  gut,  vornehm  denkend,  für  alles  Schöne  und  Edle 
empfänglich;  als  Soldat  hervorragend  tapfer  und  ritterlich,  das  vielverzweigte 
Gebiet  der  Kriegswissenschaften  mit  überlegenem  Geist  umfassend:  so  schwebt 
sein  Bild  Allen  vor  Augen,  die  ihn  gekannt! 

Oskar  Criste. 

Ebner,  Adalbert,  Professor  der  Patristik  und  I>iturgik  am  bischöflichen 
Lyceum  und  Domvicar  in  Eichstätt,  *  i6.  Dezember  1861  zu  Straubing, 
f  25.  Februar  1898  zu  Eichstätt.  Nach  Absolvirung  des  Gymnasiums  seiner 
Vaterstadt  wendete  sich  E.  dem  Studium  der  Theologie  am  kgl.  I^yceum  in 
Regensburg  zu.  Zum  Priester  geweiht,  widmete  er  sich  kurze  Zeit  der  Seel- 
sorge und  wurde  dann  als  Chorvikar  an  das  Kanonicatsstift  der  »dten 
Kapelle«  zu  Regensburg  berufen  (1887).  Ein  längerer  Urlaub  ermöglichte 
ihm  den  Besuch  der  Universität  München,  an  welcher  er  sich  1889  den 
theologischen  Doktorgrad  erwarb.  Unterstützt  durch  ein  bayerisches  Staats- 
stipendium unternahm  er  zwei  littcrarische  Reisen  nach  Italien.  An  seinem 
Stifte  machte  er  sich  verdient  durch  die  Catalogisirung  der  Stiftischen  Biblio- 
thek, unter  deren  handschriftlichen  Beständen  er  »eine  zweite  Handschrift  des 
Registrum  auctorum  von  Hugo  von  Trimberg«  (Hist.  Jahrb.  d.  Görres-Gesell- 
schaft  XI,  283 — 290)  entdeckte.  Zugleich  ordnete  er  das  Stiftsarchiv  mit 
seinen  zahlreichen  (ungefähr  2500)  Urkunden.  1892  siedelte  er  nach  Eich- 
stätt über  und  trat  in  jene  Stellungen  ein,  die  er  bis  zu  seinem  Tode  inne- 
hatte.    Trotz    einer  von  Jugend    auf  schwankenden  Gesundheit   entfaltete  E. 


Ebner  Adalbcrt.     Graf  v.  d.  Schulenburg.  217 

auf  dem  Gebiete  der  archäologischen  und  kirchengeschichtlichen  Forschung 
eine  sehr  erfolgreiche  Thätigkeit.  (Seine  sämmtl.  Aufsätze  und  Schriften  bis 
zum  Jahre  1894  siehe  in  »Personalstatistik  und  Biographie  des  bischöflichen 
Lyceums  Eichstätt«  von  F.  S.  Romstöck,  Ingolstadt  1894,  S.  118 — 120.) 
^Die  ältesten  Denkmale  des  Christenthums  in  Regensburg«  (Archäol.  F^hren- 
gabe  zu  De  Rossis  70.  Geburtstag,  Rom  1892),  »Propst  J.  G.  Seidenbusch, 
und  die  Einführung  der  Kongregation  d.  hl.  Phil.  Neri  in  Bayern  u.  Oester- 
reich«  Cöln  1891,  die  werthvoUen  Parerga  seiner  Studien  auf  den  italieni- 
schen Reisen,  so:  »Der  liber  vitae  und  die  Nekrologien  von  Remiemont  in 
der  Bibliotheca  Angelica  zu  Rom«  (Neues  Archiv  XIX,  47  ff.),  »Historisches 
aus  liturgischen  Handschriften  Italiens«  (Hist.  Jahrb.  d.  Görres-Ges.  XIII, 
748  ff.),  »Handschriftliche  Studien  über  das  Praeconium  i)aschale«  (Kirchen- 
musikal.  Jahrb.  v.  Haberl  1893,  73  ff.),  seine  Beiträge  zu  Mehlers  hist.  F'est- 
schrift  zum  Wolfgangs-Jubiläum,  Regensburg  1894,  116  ff.,  163  ff.,  182  ff., 
liefern  einen  Beweis  seiner  vielseitigen  und  gründlichen  Arbeit.  FL.'s  eigent- 
liche Domaine  war  die  Geschichte  der  Liturgie.  Bereits  seine  Dissertation: 
»Die  klösterl.  Gebetsverbrüderungen  bis  zum  Ausgange  des  karoling.  Zeit- 
alters« (Regensburg  1890)  lenkte  in  dieses  Gebiet  ein.  Später  gab  er  den 
ersten  Halbband  von  Thalhofers  »Handbuch  der  Liturgik«  in  zweiter  Auflage 
heraus  (1894).  Im  Jahre  1896  erschien  sein  Hauptwerk:  »Quellen  und 
Forschungen  zur  Geschichte  und  Kunstgeschichte  des  Missale  Romanum  im 
Mittelalter.  Iter  Italicum.  Mit  einem  Titelbilde  und  30  Abbildungen  im 
Texte«  (Freiburg,  Herder),  eine  Beschreibung  und  Würdigung  der  bedeutend- 
sten Sacramentar-  und  Missal handschriften  Italiens.  Der  letzte  Aufsatz,  welchen 
er  schrieb,  nämlich:  »Ueber  die  gegenwärtigen  Aufgaben  und  Ziele  der 
liturgisch-historischen  Forschung«  (Compte  rendu  du  4.  congr^s  scientif. 
Internat,  des  catholiques,  F>ibourg  1898)  gewährt  uns  einen  Einblick  in  die 
grossen  Pläne,  welche  ihn  noch  in  seinen  letzten  I.ebenstagen  beseelten,  die 
Inangriffnahme  eines  Codex  liturgicus  ecclesiae  cath.  latinae.  Bis  zum  Ende 
unermüdlich  thätig,  erlag  der  bescheidene,  durch  eine  seltene  Liebenswürdigkeit 
ausgezeichnete  Gelehrte  einem  Lungenleiden,  das  seit  Jahren  an  seiner  Lebens- 
kraft gezehrt  hatte. 

Vgl.  Ad.  Ebner,  Biograph.  Skizze  zum  ersten  Jahrestage  seines  Todes  von  einem 
Freunde  i.  d.  Beil.  z.  »Augsb.  Postzeitung«   1899,  Nr.  14  u.  15. 

Dr.  J.  A.  Endres. 

Schulenburg,  Hans  Daniel  Grafv.  d.,  k.  u.  k.  P>ldzeugmeister,  *  am 
24.  Juni  1834  in  Hohenliebenthal  in  Pr.  Schlesien,  f  als  Commandant  des 
II.  Corps  und  commandirender  General  in  Lemberg  am  2.  Mai  1898.  Seh. 
diente  vom  Jahre  1853  bis  1858  in  der  k.  preuss.  Armee,  trat  dann  als 
Cadett  in  das  kais.  Heer  und  machte  als  Lieutenant  das  Treffen  bei  Monte- 
bello  und  die  Schlacht  bei  Solferino  mit.  Als  Hauptmann  im  Generalstabe 
erfocht  sich  Seh.  bei  Custoza  das  Militär-Verdienstkreuz  und  wurde  nach  viel- 
seitigen erfolgreichen  Verwendungen  im  Truppendienste  und  beim  General- 
stabe, Generalstabschef  beim  4.  Armee-Corps,  in  welcher  Eigenschaft  er  an 
den  Gefechten  bei  Samac,  Brcka  und  auf  der  Maljevica-Planina  Theil  nahm 
und  für  seine  hervorragenden  I>eistungen  das  Ritterkreuz  des  Leopoldsordens 
erhielt.  Im  October  1879  ^"^  Obersten  und  Reserve-Commandanten,  1882 
zum  Regiments-Commandanten  ernannt,  erwarb  sich  Seh.  für  seine  umsichts- 
volle Führung  während  der  Streifungen  und  Expeditionen  in  der  Herzegowina 


2i8  Graf  V.  d.  Schulenburg.     Sprinzl.     v.  Montluisant. 

die  Allerhöchste  Anerkennung.  Im  Jalire  1884  übernahm  Seh.  das  Commando 
einer  Brigade,  fünf  Jahre  später  die  Führung  der  33.  In  f. -Truppen-D  ivision ; 
im  Octobcr  1890  wurde  er  zum  Feldmarschalllieutenant  ernannt,  im  Jahre  1893 
durch  Verleihung  des  Ordens  der  eisernen  Krone  zweiter  Klasse  ausgezeich- 
net. Im  Februar  1895  erfolgte  seine  Ernennung  zum  Kommandanten  des 
1 1 .  Corps  und  commandirenden  General  in  Lemberg,  in  welcher  Stellung  der 
verdiente  General  einem  Gehirnschlag  erlag. 

Die  »Vedette«,  Nr.   108,  vom  8.  Mai  1898.  Criste. 

Sprinzl,  Josef,  Professor  Dr.,   Kanonikus,  *  Linz  9.  März  1839,  t  Prag 

8.  November  1898,    promovirte  in  Wien,  war  dann  Professor  der  Theologie 

in  Linz,  hierauf  in   Salzburg  und   wurde    1882    an   die  theologische  Facultät 

der    deutschen  Universität    nach  Prag    berufen.      Im  Jahre  1891    erhielt    er 

eine    Domherrenstelle    im    Prager     Collegiatkapitel    Allerheiligen,     im    Jahre 

1897  den  Titel  eines  Regierungsrathes.      S.  hat  sich   vielfach   litterarisch    be- 

thätigt.      Es   erschienen    von  ihm    eine  Fundamcntaltheologie,    ein   Compen- 

dium    der  Dogmatik,    ein  Werk    über    die    Lehre    der    Apostolischen    Väter, 

welches  auch  ins  Ungarische  übersetzt  wurde,  u.  A.  m.     Das  Vertrauen  seiner 

Collegen  genoss  er  in  vollem  Masse;    er    wurde  wiederholt  zu  akademischen 

Würden    berufen    und    stand    im  Jahre    1890    als  Rector   an   der  S]>itze  der 

deutschen  Universität  in  Prag.     Ein  biederer   und   fester  Character,   fühlte  er 

sich  unter  allen  Verhältnissen  als  deutscher  Mann  und  stand   allezeit  treu  zu 

seinem  Volke. 

Rechenschaftsbericht  der  Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst 
und  Litteratur  in  Böhmen. 

Montluisant,  Bruno,  Freiherr  von,  k.  u.  k.  Generalmajor  des  Ruhe- 
standes *  181 5  in  Enzersdorf  am  Gebirge,  f  1898  in  Graz.  M.  war  der 
Sohn  eines  Officiers  und  wurde  bereits  in  jungen  Jahren  für  den  militärischen 
Beruf  bestimmt.  Seine  erste  Erziehung  erhielt  er  im  Regimen ts-Knaben- 
erziehungshause  des  49.  Infanterie-Regiments,  das  er  am  16.  December  1832 
als  Regimentscadet  mit  der  Eintheilung  im  12.  Infanterie-Regimente  verliess. 
Bis  zum  Jahre  1848  diente  er  als  Unterlieutenant,  später  als  Oberlieutenant 
im  Tyroler-Kaiser- Jäger- Regimente  und  machte  mit  diesem  den  Feldzug 
48/49  gegen  Piemont  mit;  er  kämpfte  während  der  genannten  Jahre  in  allen 
grösseren  Gefechten,  so  bei  Pastrengo  am  28.,  29.  und  30.  April,  bei  Curta- 
tone  am  29.  Mai,  bei  Vicenza  am  10.  Juni,  ferner  in  den  Schlachten  bei  Sona, 
Somacampagna  und  Custoza  am  23. — 25.  Juli.  Bald  nach  dem  kurzen  Feld- 
zuge des  Jahres  49  wurde  M.  zum  Hauptmann  und  sechs  Jahre  später  zum 
Major  befördert.  Auch  das  Jahr  1859  verbrachte  er  im  Verbände  der 
Kaiser- Jäger  auf  dem  Kriegsschauplatze;  bei  Magenta  und  Solferino  kämpfte 
er  mit  schönen  Erfolgen.  Als  der  Feldzug  im  Jahre  1866  ausbrach,  war  M. 
Oberst.  In  der  Natur  der  Dinge  lag  es,  dass  die  Tyroler  Kaiser-Jäger,  in 
deren  Verband  sich  M.  auch  jetzt  noch  befand,  und  dem  er  bis  zu  seinem 
Rücktritt  vom  activen  Dienste  angehörte,  bei  jener  Armee-Gruppe  verwendet 
wurden,  die  unter  Commando  des  damaligen  G.  M.  Freiherm  von  Kuhn  zur 
Vertheidigung  Tyrols  gegen  die  aus  dem  Mailändischen  und  Venetianischen 
eindringenden  italienischen  Freischaaren  und  Reguläre  bestimmt  waren.  Im 
Verbände  dieser  Armee-Gruppe  commandirte  M.  während  der  Vertheidigung 
Tyrols  eine  Brigade,  deren  Stärke  2600  Mann  und  12  Geschütze  betrug. 
An  der  Spitze  dieser  Truppen    fiel  dem  Oberst  M.  in  der  zweiten  Julihälfte 


V.  Montluisant. 


219 


die  Aufgabe  zu,  im  Verein  mit  anderen  Truppen  des  Generals  Kuhn  die  im 
Ledrothale  vordringenden  Schaaren  Garibaldis  zurückzuwerfen.  Der  strate- 
gische Grundgedanke  dieser  an  der  Westgrenze  Tyrols  einzuleitenden  Kämpfe 
gipfelte  in  der  Absicht  Kuhns,  zuerst  die  Freischaaren  Garibaldis  aus  dem 
Felde  zu  schlagen,  um  sich  dann,  ohne  eine  fortwährende  Störung  aller 
weiteren  militärischen  Massnahmen  befürchten  zu  müssen,  gegen  die  reguläre 
Division  Medici,  die  durch  das  Val  Sugana  gegen  Trient  vorrückte,  mit  ver- 
einten Kräften  wenden  zu  können.  In  der  Durchführung  der  zur  Erreichung 
der  genannten  Absicht  nothwendigen  Operationen  gegen  Garibaldi  erwies 
sich  M.  als  besonders  geschickt  und  tüchtig.  Der  ihm  ertheilte  Befehl 
lautete:  Am  20.  Juli  hat  die  Colonne  Oberst  M.  aus  Judicarien  aufzu- 
brechen, am  Abend  dieses  Tages  am  Passo  Vichea  zu  lagern  und  am  21. 
in  Verbindung  mit  den  Truppen  der  Nachbarcolonne  Major  Graf  Grünne 
gegen  das  Ledrothai  und  zwar  mit  der  Hauptkraft  gegen  das  Fort  Ampola 
vorzugehen.  Die  siegreiche  Durchführung  dieses  Auftrages  hätte  schon  an 
sich  Zeugniss  von  der  militärischen  Befähigung  M.'s  gegeben;  noch  mehr  war 
dies  aber  der  Fall,  als  es  sich  am  20.  Abends  herausstellte,  dass  das  Fort 
AmpoLi  bereits  in  Händen  des  Feindes  sei,  somit  die  Verhältnisse,  unter 
denen  Kuhn  am  Tage  vorher  den  Befehl  erlassen  hatte,  sich  wesendich  ge- 
ändert hatten.  Dazu  kam  noch  die  unangenehme  Ueberraschung,  dass 
der  Feind  viel  stärker  war,  als  man  Anfangs  vermuthete,  und  dass  mit  Rück- 
sicht auf  die  schwierigen  Verhältnisse  bei  den  Nachbarcolonnen  die  von  Riva, 
aus  in  das  Ledrothai  vorzugehen  hatte,  auf  eine  Unterstützung,  deren  Möglich- 
keit Kuhn  noch  am  19.  Juli  angenommen,  nicht  gerechnet  werden  konnte. 
Trotz  dieser  zu  seinen  Ungunsten  veränderten  Verhältnisse  zauderte  jedoch 
M.  keinen  Augenblick  in  der  Durchführung  des  erhaltenen  Auftrages.  Ein 
voller  Erfolg  krönte  das  muthige,  mit  vieler  Umsicht,  Geschick  und  zäher 
Tapferkeit  geleitete  Unternehmen.  Im  Laufe  des  21.  wurde  nach  einem  um 
4  Uhr  früh  angetretenen,  sehr  anstrengenden  Marsche  von  den  aus  den 
Truppen  M.'s  gebildeten  zwei  Colonnen  unter  Major  Grünne  und  v.  Krynicki 
zuerst  der  vom  Feinde  besetzte  Ort  Locca  und  bald  darauf  das  von  der 
feindlichen  Uebermacht  zäh  vertheidigte  Bececa  erobert,  iioo  Gefangene, 
sowie  ein  heilsamer,  noch  lange  nachwirkender  Schrecken  bei  den  Freischaaren 
war  der  Erfolg  des  unter  schwierigen  Verhältnissen,  wie  sie  nur  das  Gebirge 
bietet,  aus  eigener  Initiative  des  Obersten  M.  geführten  Kampfes.  Leider 
musste  von  einer  totalen  Ausnutzung  des  Sieges  bei  Bececa  in  Anbetracht 
der  bei  Tirano  und  Ampola  concentrirten  feindlichen  Uebermacht  von  12 
bis  15  000  Mann  abgesehen  werden.  Oberst  M.  trat  noch  am  21.  den  Rück- 
zug nach  dem  Monte  Vichea  an.  Grösser  noch,  als  der  locale  Erfolg  dieser 
Waffenthat  war  der  strategische.  Was  Kuhn  sich  von  einem  kurzen  energischen 
Schlage  gegen  die  Freischaaren  versprochen  hatte,  traf  ein:  er  konnte  un- 
belästigt  von  ihnen  seine  Streitkräfte  bei  Trient  versammeln  und  der  Division 
Medici,  die  aus  dem  Val  Sugana  debouchirte,  entgegentreten.  Die  musterhafte 
Haltung  M.'s  wurde  durch  Verleihung  des  höchsten  militärischen  Ordens,  des 
Maria-Theresien-Kreuzes,  anerkannt.  Bald  darauf,  im  Jahre  1870  zog  sich  M. 
nach  40 jähriger  Dienstzeit  vom  activen  Dienste  zurück.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit wurde  dem  damals  noch  in  der  Oberstencharge  stehenden  der  General- 
majors-Charakter zuerkannt. 

Quellen:    Lukes,  Militär.    Maria-Theresien-Orden. 

Wollanka. 


2  20  V.  Stransky.    v.  Lindner.    v.  Gustas.    v.  Oesterreich.    v.  Maywald.    v.  Pokomy. 

Stransky,  Carl  v.,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant,  *  am  3.  September 
1837  zu  Neustadtl  in  Krain,  f  am  29.  August  1898  in  Wien,  erwarb  sich 
durch  seine  erfolgreichen  Leistungen  im  Truppendienste  sowohl,  als  auch  in 
seiner  Verwendung  als  Lehrer  das  Ritterkreuz  des  Leopoldordens,  des  Ordens 
der  eisernen  Krone  dritter  Klasse  und  das  Militärverdienstkreuz. 

Swoboda,  die  Theresianische  Akademie  zu  Wiener  Neustadt  und  ihre  Zöglinge. 
Die  »Vedettet-,  Nr.  125,  vom  4.  September  1898. 

Criste. 

Lindner,  Carl  Ritter  v.,  k.  u.  k.  Contre-Admiral ,  *  im  Jahre  1830  in 
Brunn,  f  am  28.  September  1898  in  Graz,  trat  1849  ^"  ^^^  Kriegs-Marine, 
erwarb  sich  bereits  wenige  Monate  si)äter  die  silberne  Tapferkeits-Medaille 
I.  Kl.,  focht  hervorragend  tapfer  in  dem  Feldzuge  gegen  Dänemark  und 
nahm  1866  als  Stabs-Adjutant  an  Tegetthoffs  Seite  auf  der  Commandobrücke 
des  »Ferdinand  Max«  an  der  Schlacht  bei  Lissa  Theil.  Nach  mannigfacher 
Verwendung  zu  Wasser  und  zu  Land  trat  L.  am  i.  Juli  1883  "^  ^^^ 
Ruhestand. 

Die  »Vedette«,  Nr.  131,  vom  16.  October  1898.  Criste. 

Gustas,  Leopold  Edler  v.,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant,  *  am  14.  Juni 
1840,  f  am  26.  Juli  1898  in  Aussee,  war  in  verschiedenen  Verwendungen  beim 
Generalstabe  thätig,  wurde  im  October  1886  Brigadier,  im  November  1891 
Feldmarschall-Lieutenant  und  Divisionär. 

Swoboda,  die  Theresianische  Akademie  zu  Wiener-Neustadt  und  ihre  Zöglinge. 
Die  »Vedettc«,  Nr.  120,  vom  31.  Juli  1898. 

Criste. 

Oesterreich,  Franz  Ritter  v.,  k.  u.  k.  Generalmajor,  *  am  24.  Dccember 

1830  zu  Braunschweig,   f  am  2.  Januar  1898  zu  Perchtoldsdorf  in  N.-Oest., 

trat    nach  Absolvirung    der  Ingenieur-Akademie    1851    als  Lieutenant  in  die 

Armee    und    war    bis    zu    seinem    im  Mai  1885    erfolgten  Uebertritt    in  den 

Ruhestand  besonders  als  Lehrer  und  Bildner  hervorragend  thätig. 

Die  »Vedette«,  Nr.  92,  vom  16.  }anuar  1898,  ^,    . 

v«'  1  1  s  d  e. 

Maywald,  Carl  Ritter  v.,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant,  ♦  am  i2.r)e- 
cember  181 4  zu  Neu-Bccse  im  Banat,  f  am  19.  Februar  1898  im  Schlosse 
Heltyhof  bei  Krems.  Im  Mineurcorps  am  i.  September  1840  zum  Lieute- 
nant befördert,  zeichnete  sich  M.  als  Major  in  der  Schlacht  bei  Magenta, 
1866  als  Geniedirector  in  Josephstadt  besonders  aus,  war  dann  durch  drei 
Jahre  Sectionschef  im  Kriegs-Ministerium  und  trat  1 880  als  Truppen-Divisionär 
in  den  Ruhestand. 

Die  »Vedette«,  Nr.  98,  vom  27.  Februar  1898.  Criste. 

Pokorny,  Alois  Ritter  v.,  k.  u.  k.  Viceadmiral,  *  1826  zu  Neuhaus  in 
Böhmen,  f  am  24.  Februar  1898  in  Wien.  Hervorragend  thätig  als  Professor 
am  Marine-Collegium,  sj)äter  auch  Commandant  der  Marine-Akademie,  nahm 
P.  besonderen  Antheil  an  den  organisatorischen  Schöpfungen  der  k.  u.  k. 
Kriegs-Marine. 

Die  »Vedette«,  Nr.  99,  vom  6.  März  1898.  Criste. 


V.  Friedel.     v.  Nenwirth.     v.  Handel-Mazzetti.     Haas.     v.  Baumgarten.  2  2 1 

Friedel,  Johann  Ritter  v.,  k.  u.  k.  Generalmajor,  *  am  6.  Januar  181 6 
zu  Sanok  in  Galizien,  f  am  18.  September  1898  in  Wien,  erwarb  sich  in 
den  Feldzügen  in  Ungarn  1848 — 49  das  Militärverdienstkreuz  und  kam  im 
November  1849  in  die  Militärkanzlei  des  Kaisers,  woselbst  er,  hauptsächlich 
seines  geradezu  phänomenalen  Gedächtnisses  und  seines  gewandten  Stiles 
wegen  durch  achtzehn  Jahre  überaus  schätzenswerthe  Dienste  leistete,  welche 
der  Kaiser  durch  Verleihung  des  Ordens  der  eisernen  Krone  3.  Kl.  und  des 
Ritterkreuzes  des  Leopoldordens  lohnte. 

Die  »Vedette«,  No.  128,  vom  25.  September  189S. 

Criste. 

Nenwirth,  Theodor  Edler  v.  Neufels,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant, 
*  am  8.  April  1830  in  Chrudim,  f  am  13.  October  1898  in  Pössnitz  bei 
Marburg,  kämpfte  mit  Auszeichnung  in  Italien  1849  und  1866  in  Böhmen 
und  erwarb  sich  grosse  Verdienste  anlässlich  der  Reorganisation  der  k.  k. 
Landwehr. 

Die  »Vcdette«,  Nr.  134,  vom  6.  November  1898. 

Criste. 

Handel-Mazzetti,  Eduard  Freiherr  v.,  k.  u.  k.  Feldzeugmeister,  *  am 
26.  Januar  1838,  f  am  25.  Juli  1898  in  Völs  (Bezirk  Bozen).  Im  Jahre  1854 
als  Lieutenant  in  das  Heer  eingetreten,  machte  H.  die  Feldzüge  der  Jahre 
1859,  1864  und  1866  mit  Auszeichnung  mit,  wurde  dann  im  GeneralsCabs- 
dienste  vielfach  verwendet,  übernahm  als  Oberst  die  Leitung  des  Directions- 
bureaus  des  Generalstabes,  wurde  1884  Generalmajor  und  Brigadier,  1889  Feld- 
marschalllieutenant und  Divisionär  und  1892  unter  Verleihung  des  Ritterkreuzes 
des  Leopoldordens  Stadt-Commandant  von  Wien.  H.  starb  als  Präsident  des 
obersten  Militärgerichtshofes. 

Die  »Reichswehr«  vom  26.  September  1898. 

Criste. 

Haas,  Stephan,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant,  *  im  Jahre  181 9  in 
Vinkovce,  f  am  27.  Januar  1898  in  Agram,  trat  am  5.  Mai  1835  ^^^  Cadett 
in  das  Heer,  nahm  mit  Auszeichnung  Theil  an  den  Feldzügen  1848/49,  dann 
1866  in  Italien  und  wurde  am  i.  November  1876  Oberst  und  Regiments- 
Commandant.  Anlässlich  seines  50jährigen  Dienstjubiläums  erhielt  H.  am 
30.  April  1881  den  Orden  der  eisernen  Krone,  wurde  im  September  des- 
selben Jahres  Brigadier  und  am  i.  Mai  1882  zum  Generalmajor  befördert. 
Für  seine  hervorragenden  Leistungen  in  Dalmatien,  Bosnien  und  der  Herze- 
gowina erhielt  er  das  Ritterkreuz  des  Leopoldordens  mit  der  Kriegsdecoration 
und  anlässlich  seines  Uebertrittes  in  den  Ruhestand,  am  i.  August  1886,  den 
Feldmarschalllieutenant-Charakter. 

Die  »Vedette«.  Nr.  96,  vom   13.  Februar  1898. 

Criste. 

Baumgarten,  Maximilian  v.,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant,  *  26.  Febr. 
1820  in  Mähr.-Neustadt,  f  26.  März  1898  in  Wien.  Nach  Absolvirung  der 
Theresianischen  Akademie  trat  B.  am  2.  September  1839  in  das  Heer,  nahm 
1846  an  den  Operationen  zur  Bewältigung  des  polnischen  Aufstandes,  1848/49 
an     den    Feldzügen     in     Italien     und   Ungarn    Antheil,     en^'arb     sich     bei 


222  V.  Baumgarten.     Vautier. 

Solferino  als  Major  das  Militärverdienstkreuz  und  focht  1864  als  Oberstlieute- 
nant gegen  Dänemark.  Für  seine  hervorragenden  Leistungen  in  der  Schlacht 
bei  Königgrätz  mit  dem  Orden  der  eisernen  Krone  ausgezeichnet,  wurde  B.  187 1 
Brigadier,  1873  Generalmajor,  1878  Divisionär  und  Feldmarschalllieutenant.  Im 
August  1879  ^^^^  ^r  wegen  Schwächung  des  Sehvermögens  in  den  Ruhestand. 

Swoboda,  die  Theresianische  Militär-Akademie  zu  Wiener-Neustadt  und  ihre  Zöglinge. 
Die  »Vedette«,  Nr.  103,  vom  3.  April  1898.  Criste. 

Vautier,  Benjamin,  Maler,  *  24.  April  1829  in  Morges  am  Genfer 
See,  als  Sohn  eines  Pfarramtscandidaten ,  f  25.  April  1898  zu  Düssel- 
dorf. Die  phantasievolle  Mutter  scheint  in  dem  Sohn  die  Frohnatur  und 
Lust  zum  Fabuliren  geweckt  zu  haben.  Er  verlebt  die  Jugendzeit  in  No- 
ville  (Rhonethal)  und  besucht  dann  das  Gymnasium  in  Lausanne.  Der 
Vater  wünscht,  dass  er  Pfarrer  wird,  w^illigt  dann  aber,  widerstrebend, 
darein,  dass  der  Sohn  1847  nach  Genf  geht,  wo  er  bei  Ht^bert  zeichnen 
lernt,  dann  aber  sich  zwei  Jahre  lang  als  Emailmaler  durchschlagen  muss. 
Dann  erneutes  Studium  bei  dem  Historienmaler  Lugardon  und  bei  Alfred 
van  Muyden;  ersterer  ein  Schüler  von  Gros  und  Ingres;  1850  Uebersied- 
lung  nach  Düsseldorf,  wo  der  2 1  jährige  in  Rudolf  Jordan  seinen  eigent- 
lichen Lehrer  findet.  1853  Reise  in  die  Schweiz,  Bekanntschaft  mit  dem 
Landschaftsmaler  Carl  Girardet,  auf  dessen  Anregung  hin  V.  einen  Sommer 
lang  Studien  nach  der  Natur  macht.  Tiefere  Bedeutung  gewinnt  Ludwig  Knaus 
für  V.,  mit  dem  er  1856  nach  Paris,  allerdings  nur  auf  sechs  Monate,  geht* 
Das  hier  entstandene  Bild  »In  der  Kirche«  erzielt  1858  auf  der  Münchener 
Ausstellung  den  ersten  durchschlagenden  Erfolg,  nachdem  er  schon  1857  im 
Haag  mit  der  silbernen  Medaille  ausgezeichnet  worden  w^ar.  Ein  Ausflug 
nach  Herrischried  im  Hauensteiner  Land  wird  insofern  entscheidend,  als  V. 
seitdem  Land  und  Leute  des  Schwarzwaldes  fast  ausschliesslich  für  seine 
Motive  verwendet;  seine  Abstammung  erklärt  das  Verständniss  und  die  Vor- 
liebe für  Menschen  und  Sitten  des  Oberrheins  und  der  Schweiz.  Die  in  den 
sechziger  Jahren  entstandenen  Illustrationen  zu  Immermanns  Oberhof  dagegen 
werden  aus  den  Eindrücken  bestritten,  die  er  unter  dem  westphälischen 
Bauernvolk  macht.  Wilhelm  Lübke  schreibt  darüber:  »Seit  Jahren  wurde 
V.  uns  von  Zeit  zu  Zeit  durch  Genrebilder  bemerkenswerth,  welche  ihren 
Stoff  meistens  den  einfachen  Kreisen  des  ländlichen  Lebens  und  der  Kinder- 
welt entlehnen,  aber  mit  so  tief  eindringendem  Blick  und  mit  so  feiner 
Seelcnkunde  solche  Charaktere  behandeln,  wie  wir  nur  ausnahmsweise  es 
sonst  antreffen«.  Andere  Illustrationen  im  Flemmingschen  »Boten«  1866, 
zu  Auerbachs  »Baarfüssele«  und  zu  »Hermann  und  Dorothea«,  beide  1869; 
im  Anschluss  an  die  letzte  Arbeit  entsteht  sein  »Toast  auf  die  Braut«  1870 
(Hamburg,  Kunsthalle).  Schon  1868  war  »Die  erste  Tanzstunde«  (Berlin, 
National gallerie)  und  das  sensationelle  Bild  »Eine  Verhaftung«  gemalt  worden. 
Die  Mehrzahl  der  bis  1870  entstandenen  Bilder  schildert  das  Bauernleben, 
aber  nicht  in  seinen  alltäglichen  Zuständen,  nicht  bei  der  Arbeit  im  Feld 
oder  Ernteglück,  sondern  in  den  besonderen  Gelegenheiten  froher  und  trauriger 
Feste.  Als  Humorist  und  wohlwollender  Menschenfreund,  mit  der  herzlichen 
Freude  am  frischen  Leben  dieser  gesunden  Menschen  in  glücklichen  Thälern, 
nimmt  er  an  diesen  Festen  theil,  die  sich  meist  um  den  Pfarrer  des  Dorfes 
gruppircn,  dessen  Tliätigkeit  dem  Pfarrersohn  ja  besonders  bekannt  sein 
musste.     Ein  ganzer  Cyklus  dörflicher  Sittengeschichte,  der  in  den    siebziger 


Vjyutier.     Kronast.  223 

Jahren  entstand,  schildert  dann  Lust  und  Leid  des  alamannischen  Bauern 
von  der  Wiege  bis  zum  Grabe.  Er  bevorzugt  auch  hier  die  lichten  Stunden 
im  Leben  dieser  Menschen,  wenn  er  auch  das  tragische  Verhängniss,  das 
über  den  Einzelnen  über  Nacht  hereinbrechen  kann,  in  Bildern  wie  dem 
»Schuldenbauer«  und  der  »Verhaftung«  ergreifend  geschildert  hat.  Die  acht- 
ziger Jahre  bevorzugen  dann  die  komischen  Stoffe,  deren  Held  der  Künstler 
nicht  selten  selber  war,  wenn  er  uns  vom  »entflohenen«  und  »willigen 
Modell«  erzählt;  hierher  gehören  auch  »der  galante  Professor«,  »der  Taschen- 
spieler« u.  A.  Liebesscenen  hat  V.  so  gut  wie  gar  nicht  gemalt;  das  Empfind- 
same, wie  das  Leidenschaftliche  entsprechen  seiner  Natur  nur  wenig.  Gerne 
porträtirt  er  dagegen  hie  und  da  eine  einzelne  Dorfschöne,  die  er  in  blanker 
Sonntagstoilette  oder  als  einfache  Genrefigur  darstellt.  Im  Allgemeinen  aber 
interessirt  sich  V.  weniger  für  die  einzelne  Gestalt,  als  für  ihr  Verhältniss 
zur  Umgebung  und  Situation.  Der  poetische  Gedanke  seiner  Bilder  ergreift 
in  der  Regel  mehr  als  die  Kraft  der  künstlerischen  Darstellung.  Die  I^iebens- 
würdigkeit  seiner  Natur  schreckte  vor  der  unmittelbaren  Wiedergabe  der 
Wirklichkeit,  leider  auch  im  formalen  Sinne,  zurück.  An  der  grossen  Licht- 
bewegung, die  von  Paris  ausgehend,  die  deutsche  Kunst  seit  fast  30  Jahren 
beschäftigt,  hat  V.  ebensowenig  theilgenommen,  wie  an  dem  Bestreben,  durch 
die  plastische  Betonung  der  Einzelform,  die  künstlerische  Sprache  bedeutender 
zu  gestalten.  »Der  zarte  Schönheitssinn  eines  vornehmen,  feinfühligen  und 
liebenswürdigen  Naturells  äusserte  sich  in  seiner  ganzen  Frische  indessen  erst 
in  den  zahlreichen  Kreidestudien,  die,  selbst  der  Familie  des  Künstlers  un- 
bekannt, nach  dem  Tode  zum  Vorschein  kamen.  Sie  übertreffen  alles,  was 
man  von  diesem  gefeierten  Meister  bisher  gekannt  hat.« 

V.'s  Bilder  waren  bis  vor  Kurzem  sehr  begehrt.  Fast  jede  grössere 
Gallerie  moderner  Bilder  besitzt  ein  Stück  von  ihm  (Berlin,  Breslau,  Düssel- 
dorf, Hamburg,  Karlsruhe,  Königsberg).  Ein  Selbstbildniss  vom  Jahre  1888 
besitzt  Herr  Regierungs-Rath  von  Wätjen. 

Littcratur:  Der  obenerwähnte  Aufsatz  von  W.  Lübke  in  d.  »Zeitschr.  f.  bild.  Kunst« ; 
Pccht  in  verschiedenen  Schriften,  Adolf  Rosenberg  (»KUnstlermonographien«,  herausgeg. 
von  n.  Knackfuss  XXIII);  endlich  der  Catalog  zu  der  Ausstellung,  die  die  Nationalgallerie 
in  Berlin  December  1898  veranstaltet  hat,  die  einen  Ueberblick  übes  das  gesammte 
Schaffen  des  Meisters  durch  19  Oelbilder,  18  Oelskizzen,  19  Oelstudien  und  163  Zeich- 
nungen gab. 

Paul  Schubring. 

Kronast,  Joseph,  päpstlicher  Hausprälat,  infulirter  Dompropst  des  Metro- 
politankapitels  München,  *  den  i.  November  1827  zu  Sölhuben  (Oberbayern), 
t  den  2.  December  1898  zu  München.  Aus  einfachen  Verhältnissen  erwach- 
sen, zeigte  K.  während  seiner  Studienjahre  an  der  Universität  München  (i  846 
bis  49)  regen  wissenschaftlichen  Eifer.  Durch  seine  schwächliche  Constitution 
nicht  selten  behindert,  nahm  er  im  Lehramt  und  in  der  Seelsorge  verschie- 
dene Stellungen  ein,  bis  er  im  Jahre  1866  Mitglied  des  Metropolitankapitels 
in  München  wurde.  Mit  voller  Hingebung  widmete  er  sich  den  Obliegen- 
heiten seines  Amtes,  die  rauhe  Aussenseite,  die  er  gewöhnlich  zeigte,  um- 
schloss,  wie  viele  seiner  Handlungen  beweisen,  ein  warmfiihlendes  Herz.  Im 
Jahre  1890  erhielt  K.  die  erste  Stelle  im  Münchener  Domkapitel,  die  Dignität 
des  Dompropstes;  gleichzeitig  ward  er  vom  Papste  zum  Doctor  der  Theologie 
promovirt;  in  dem  nämlichen  Jahre  ward  er  vom  Erzbischof  Antonius  von 
Thoma  zum  General vicar  der  Erzdiöcese  München-Freising  ernannt,  ein  Amt, 


224 


Kronast.     Gundlacli.     Reiser,     v.  Machek.     v.  Hermann.     MoUik.     Furtner. 


das  er  bis  zum  Tode  des  Erzbischofs  (1897)  behielt.  In  den  letzten  Jahren 
seines  Lebens  hatte  K.,  der  im  Jahre  1897  durch  die  Verleihung  des  Ritter- 
kreuzes des  Verdienstordens  der  bayerischen  Krone  in  den  persönlichen  Adels- 
stand erhoben  wurde,  schwer  mit  Krankheit  zu  kämpfen;  mit  grosser  Stand- 
haftigkeit  trug  er  sein  überaus  schmerzhaftes  Leiden. 

S.  Amtsblatt  für  die  Erzdiöcese  München  und  Freising.    Jahrg.   1899.  Beilage  Nr.   3. 

Dr.  H.  M.  Gietl. 

Gundlach,  Georg,  Dr.  theol.,  Domcapitular  in  Passau,  *  12.  Mai  1848 
zu  München,  f  den  28.  October  1898  zu  Passau,  von  1884 — 1892  Director 
des  Clericalseminars  in  Freising.  S.  Schematismus  der  Geistlichkeit  des  Bis- 
thums  Passau  für  das  Jahr  1899  S.  179 — 183.  Dr.  H.  M.  Gietl. 

Reiser,  Job.  B.,  Domcapitular  zu  Passau,  *  27.  Juni  1828  zu  Ingolstadt, 
f  10.  December  1898  zu  Passau,  verdienter  Canisius-Forscher.  S.  Schematismus 
der  GeistHchkeit  des  Bisthums  Passau  für  das  Jahr  1899  ^-  '^7  —  ^9^- 

Dr.  H.  M.  Gietl. 

Machek,  Ernst  Ritter  v.,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant,  ♦  im  Jahre 
1829  in  Venedig,  f  29.  October  1898  in  Graz,  erwarb  sich  bei  Magenta  und 
Solferino  die  Allerhöchste  Anerkennung,  bei  Custoza  das  Militär  verdienst- 
kreuz, war  als  Generalmajor  Sectionschef  im  Reichs-Kriegsministerium  und  wurde 
am  I.  November  1882  unter  Verleihung  des  Leopoldordens  Feldmarschall- 
Lieutenant  und  Divisionär. 

Die  »Vedette«,  Nr.  134,  vom  6.  November  1898.  Criste. 

Hermann,  Joseph  Edler  v.,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant,  *  im  Jahre 
1836  zu  Graz,  f  am  15.  Juni  1898  in  Stein  bei  Laibach.  H.  erhielt  seine 
erste  militärische  Ausbildung  in  der  Artillerie-Akademie,  machte  als  Lieute- 
nant den  Feldzug  1859  in  Italien  mit  und  erfocht  sich  1866  in  Böhmen  das 
Militärverdienstkreuz.  Nach  diesem  Feldzuge  erfolgte  seine  Zutheilung  zur 
7.  Abtheilung  des  Reichs-Kriegsministeriums,  deren  Vorstand  er  als  Oberst- 
lieutcnant  im  Jahre  1884  wurde.  Im  October  1890  zum  Sectionschef  im 
Reichs-Kriegsministerium  ernannt,  wirkte  er  als  solcher,-  im  November  1894 
zum  Feldmarschall  ernannt,  bis  zu  seiner  Uebersetzung  in  den  Ruhestand, 
am  I.  November   1895. 

Die  »Vedette«,  Nr.  115,  vom  26.  Juni  1898.  Criste. 

Mollik,  Heinrich,  k.  u.  k.  Feldmarschall-Lieutenant,  *  am  4.  Juli  1838  zu 
Mähr. -Weisskirchen,  f  als  Artillerie-Director  beim  14.  Corps-Commando  am 
26.  Juli  1898  zu  Hochfilzen  in  Tyrol.  M.  war  sowohl  im  Truppendienste, 
als  auch  in  seiner  Verwendung  im  technischen  und  administrativen  Militär- 
Comitt§,  dann  als  Lehrer  am  höheren  Artillerie-Curse  und  im  Stabsoffizier- 
Curse  hervorragend  thätig. 

Die  »Vedette«,  Nr.  121,  vom  7.  August  1898.  Criste. 

Furtner,  Ernest,  Dr.  theol.,  päpstlicher  Hausprälat  und  Domkapitular  in 
München,  ♦  den  27.  Januar  1832  zu  Teisenham  bei  Endorf  (Oberbayern\ 
f  den  3.  November  1898  zu  München.  Nachdem  F.  die  Gymnasialstudien 
zu  Freising  vollendet  hatte,  bezog  er  die  Universität  München,  an  der  er  drei 
Jahre  lang  1851/52  — 1853/54  Vorlesungen  aus  der  Philosophie  und  der 
Theologie  hörte.     An    dem    gelehrten  Generalvicar  der  Erzdiöcese  München, 


Furtner.    Batsch.  ±2< 

Dr.  Windischmann,  fand  F.  einen  erfahrenen  Förderer  seiner  Studien.  Nach- 
dem F.  noch  zwei  Jahre  im  Clericalseminar  zu  Freising  zugebracht  hatte, 
empfing  er  am  15.  Juni  1856  die  Priesterweihe ;  kurz  darauf  wurde  er,  um  den 
Studien  fernerhin  zu  obliegen,  an  das  Seminar  berufen,  dessen  Schüler  er 
bisher  gewesen  war.  Im  Jahre  1860  erlangte  F.  die  theologische  Doctor- 
würde,  im  darauffolgenden  Jahre  ward  er  zum  Professor  des  Kirchenrechts 
und  der  Kirchengeschichte  am  k.  Lyceum  in  Freising  ernannt.  Nur  drei  Jahre 
lang  nahm  F.  diese  Stelle  ein.  Nach  dem  Willen  des  damaligen  Erzbischofs 
von  München  Gregor  von  Scherr  übernahm  F.  im  Herbste  des  Jahres  1864 
die  Leitung  des  Clericalseminars  in  Freising.  Achtzehn  Jahre  lang  versah 
F.  das  Amt  eines  Directors  des  Seminars;  die  Verpflichtungen  der  Stelle 
waren  mannigfacher  Art;  F.  musste  Vorlesungen  über  Pastoraltheologie  und 
Pädagogik  halten,  die  sittliche  Ausbildung  der  Zöglinge  des  Seminars  über- 
wachen, in  der  Seelsorge  vielfach  thätig  sein.  Zu  all  diesen  Lasten  kam 
noch  die  mühselige  Vermögensverwaltung  eines  grossen  Hauses.  Ein  Amt, 
das  nach  so  verschiedenen,  ja  entgegengesetzten  Seiten  in  Anspruch  nimmt, 
lässt  wenig  Befriedigung  im  eigenen  Herzen  aufkommen;  nichtsdestoweniger 
suchte  F.  mit  voller  Hingebung  den  Obliegenheiten  seiner  Stellung  gerecht 
zu  werden;  in  der  Liebe,  die  ihm  die  Zöglinge  des  Seminars  entgegen- 
brachten, fand  er  Trost  für  das  Harte,  das  seine  Stellung  hatte.  Eine 
ruhigere  Thätigkeit  war  ihm  beschieden,  als  er  im  Jahre  1882  vom  Dom- 
kapitel zu  München  zum  Mitgliede  gewählt  wurde;  allerdings  nahmen  ihn 
auch  jetzt  die  Amtsgeschäfte  so  in  Anspruch,  das  wenig  freie  Zeit  übrig 
blieb.  Nach  dem  Tode  des  Erzbischofs  Antonius  von  Thoma  (1897)  ward 
F.  zum  Capitularvicar  gewählt;  unter  dem  Nachfolger  des  Erzbischofs  wurde 
er  Generalvicar  der  Erzdiöcese  München-Freising.  Von  kräftiger  Constitution 
hatte  F.  jahrelang  ohne  Nachtheil  die  Mühen  seiner  amdichen  Thätigkeit 
ertragen ;  seit  einigen  Jahren  fühlte  er  sich  geschwächt,  eine  kleine  Verletzung 
am  Fusse,  die  eine  Entzündung  hervorrief,  nahm  bald  eine  gefährliche  Wen- 
dung; der  Kranke  blieb  geistig  frisch,  doch  die  körperliche  Schwäche  steigerte 
sich  in  deutlicher  Weise;  am  3.  November  1898  entschlief  er  ruhig.  Wohl 
hatte  F.  in  seiner  Doctordissertation :  Das  Verhältniss  der  Bischofsweihe  zum 
hl.  Sacramente  des  Ordo  (München  1861)  mit  Umsicht  und  Geschick  ein 
dogmen geschichtliches  Thema  behandelt;  die  Stellungen  aber,  die  er  später 
bekleidete,  nahmen  ihn  sehr  in  Anspruch,  so  fand  er  keine  Müsse  zu  grösseren 
schriftstellerischen  Arbeiten;  er  musste  sich  begnügen,  sein  Wissen  im  Dienste 
seines  Amtes  zu  verwenden.  In  der  Bescheidenheit,  die  ihm  eigen  war  und 
die  ihn  auch  den  Rath  anderer  gerne  suchen  Hess,  ertrug  F.  dies  leicht;  er 
war  umsomehr  bestrebt,  den  sittlichen  Menschen  in  sich  auszubilden  und  zu 
vollenden. 

S.  Amtsblatt  für  die  Erzdiöcese  München  und  Freising.    Jahrg.  1899.  Beilage  Nr.  i. 

Dr.  H.  M.  Gietl. 

Batsch,  Carl  Ferdinand,  Kaiserlich  deutscher  Viceadmiral,  *  10.  Januar 
1831  zu  Eisenach,  f  am  22.  November  1898  zu  Weimar.  In  der  Geschichte 
der  Entstehung  und  Entwicklung  der  preussisch-deutschen  Flotte  nimmt  B.  eine 
hervorragende  Stelle  ein:  er  hat  ihr  in  den  ersten  35  Jahren  ihres  Bestehens 
als  activer  Seeofficier  angehört  und  nach  seinem  Ausscheiden  sowohl  durch 
bedeutende  fachmännische,  wie  historische  Schriften  in  ihrem  Interesse  eine 
hervorragende    Thätigkeit    entfaltet.     B.  stammte    aus   einer  binnenländischen 

Biogr.  Jahrb.  a.  Deatachtr  Mtkrolog.  3.  Bd.  X  5 


'2  26  Batsch. 

Gelehrten-Familie.  Sein  Grdssvater  war  Professor  der  Medicin  und  Botanik 
an  der  Universität  Jena  und  gehörte  zu  dem  engeren  Kreise  Goethes,  der  in 
seinen  botanischen  Studien  vielfach  zu  dem  bescheidenen,  tüchtigen  Gelehrten 
in  Beziehung  gestanden  hat.  B.'s  Name  kehrt  häufig  in  seinen  Aufzeichnungen 
und  Briefen  aus  den  letzten  zwei  Jahrzehnten  des  vorigen  Jahrhunderts  wie- 
der. Er  starb  1802  im  43.  Lebensjahre.  Der  Vater  des  Admirals,  anfänglich 
Officier  in  Grossherzoglich  Weimarischen  Diensten,  wandte  sich  der  Technik 
zu.  Sein  Werk:  »Hydrotechnische  Wanderungen  in  Bayern,  Baden,  Frank- 
reich und  Holland  in  dem  Jahre  1821«  (Weimar  1822)  war  Veranlassung, 
dass  er  später  als  Director  der  Kommission  für  Chaussee-  und  Wasserbau  in 
Weimarischen  Staatsdienst  trat.  Bei  Erbauung  der  Thüringischen  Eisenbahn 
ward  er  Bevollmächtigter  dieser  Regierung  in  der  Direction  zu  Erfurt.  Sein 
Sohn  Carl  Ferdinand  besuchte  die  Gymnasien  in  Eisenach  und  Erfurt, 
verliess  die  letztere  Anstalt  aber  bereits  als  Secundaner  im  Alter  von  fünf- 
zehn Jahren,  um  sich  der  seemännischen  Laufbahn  in  der  Hamburger  Han- 
delsmarine zu  widmen.  Seine  erste  Reise  —  nach  Ostindien  —  stellte  seine 
Befähigung  nach  der  moralischen  und  physischen  Seite  gleich  auf  eine  schwere 
Probe ;  das  Schiff  litt  Havarie  und  konnte  drei  Monate  lang  nur  durch  Pumpen 
über  Wasser  gehalten  werden.  Nach  der  Rückkehr  im  Jahre  1848  trat  er  am 
I .  October  desselben  Jahres  in  die  preussische  Marine,  zu  der  damals  in  sehr 
bescheidenen  Verhältnissen  der  Grund  gelegt  ward,  als  Matrose  IL  Kl.  ein.  Der 
Siebzehnjährige  ward  zunächst  auf  einige  Zeit  zu  weiterer  Ausbildung  auf  ein 
amerikanisches  Kriegsschiff  entsendet,  nach  elf  Monaten  jedoch  bereits  zurück- 
berufen (20.  Nov.  1849),  zum  Seecadetten  i.  Kl.  ernannt  und  bald  mit  dem 
Commando  eines  Kanonenbootes  betraut.  Bei  einer  Besichtigung  desselben 
durch  den  Prinzen  Adalbert  von  Preussen  erregte  sein  entschlossenes  und 
mannhaftes  Verhalten  die  Aufmerksamkeit  des  Prinzen  4.  September  1852 
Leutnant  zur  See  IL  Kl.  Als  Wachofficier  an  Bord  der  Corvette  Danzig, 
mit  welcher  der  Prinz  am  7.  August  1856  die  recht  blutig  verlaufene  Exj)e- 
dition  von  Tres  Forcas  gegen  die  Beni  Zulefa-Kabylen  an  der  marokka- 
nischen Küste,  unternahm,  nahm  er  an  dieser  Thcil  und  bewährte  auch  hier 
seine  kaltblütige  Besonnenheit.  Der  Prinz  berief  den  tüchtigen  Officier  in 
seinen  Stab.  Von  jenem  Zeitpunkte  an  datiren  die  nahen,  niemals  getrübten 
Beziehungen  B.'s  zu  dem  Schöpfer  der  preussisch-deutschen  Marine:  er  hat 
diesem  in  seinem  Werke:  »Admiral  Prinz  Adalbert  von  Preussen  —  ein 
Lebensbild«  (Berlin  1890)  ein  würdiges  Denkmal  gesetzt.  Dieses  auf  Grund 
der  Akten  und  aus  eigener  Mitwirkung  am  Organisationswerk  gewonnenen 
intimen  Kenntniss  der  Personen  und  Vorgänge  geschriebene  Buch  ist  ein 
werthvoller  Beitrag  zur  Entstehung  der  Geschichte  der  preussischen  Flotte 
überhaupt,  in  der  der  Verfasser  sich  nicht  nur  als  ein  kenntnissreicher  und 
tüchtiger  Seemann  erweist,  sondern  auch  als  trefflicher  Character  durch  die 
Unbefangenheit  seines  Urtheils  und  die  selbstlose  Bescheidenheit,  mit  der  er 
die  eigene  Person  durchaus  in  den  Hintergrund  stellt.  Als  Lieutenant  zur 
See  I.  Kl.  (27.  Nov.  1856)  zur  englischen  Marine  commandirt,  in  der  er 
fast  zwei  Jahre  Dienst  that,  ward  er  1864  (25.  April)  Corvettenkapitän 
und  nahm  an  Bord  der  »Grille«,  auf  der  sich  der  Oberbefehlshaber,  Prinz 
Adalbert,  befand,  an  den  Kämpfen  gegen  die  dänischen  Kriegsschiffe  Theil, 
die,  wenn  sie  auch  eine  grössere  Bedeutung  wegen  der  Schwäche  der 
preussischen  Streitkräfte  zur  See  nicht  haben  konnten,  doch  die  Tüchtig- 
keit   der    Mannschaften    und    Officiere    bezeugten.        Nach    einer    längeren 


Batsch. 


Ä27 


Überseeischen  Fahrt  als'  Commandant  des  Cadettenschiffes  »Niobe«  ward 
er  1867  zum  Chef  des  Stabes  beim  Obercommando  der  Marine,  (1870 
(25.  Jan.)  zum  Kapitän  zur  See  ernannt.  Die  Berufung  in  diese  Stelle  war 
ein  besonderer  Beweis  des  Vertrauens,  das  der  Prinz  in  ihn  setzte:  er  ward 
der  Theilnehmer  an  der  rastlosen,  mühe-  und  sorgenvollen  Arbeit  des  Prinzen, 
der,  wie  B.  schreibt,  oftmals  schwer  geprüft  ward  im  Kampf  gegen  alle  Arten 
von  Ungunst  der  Verhältnisse  und  Widerwärtigkeiten.  Denn  war  es  nur  mühsam. 
Schritt  fiir  Schritt,  seit  1848  gelungen,  dem  Verständniss  für  die  Bedeutung 
und  Nothwendigkeit  einer  starken  Machtstellung  Preussens  auch  zur  See  in 
den  massgebenden  Kreisen  Raum  zu  schaffen,  so  fehlte  es  auch  nach  1864  und 
1866  nicht  an  solchen,  die  die  militärische  Aufgabe  Preussens  trotz  der  Neuge- 
staltung der  politischen  Verhältnisse  nur  in  der  Kräftigung  der  Landarmee  sahen. 
Dazu  kamen  in  Folge  von  Mängeln  in  der  Organisation  mancherlei  Hemm- 
nisse und  Weitläufigkeiten,  so  dass  »Reibungen«  nicht  ausblieben.  In  späteren 
historischen  und  fachmännischen  Aufsätzen,  die  in  seinem  Werke:  »Nautische 
Rückblicke«  (Berlin  1892)  gesammelt  vorliegen,  hat  B.  Manches  über  diese 
Verhältnisse  unbefangen  berichtet.  In  dieser  Stellung  als  Chef  des  Stabes 
beim  Oberkommando  der  Marine  verblieb  er  auch  während  des  Krieges  gegen 
Frankreich  und  trat  erst  im  nächsten  Jahre  in  den  Flottendienst  wieder  ein. 
Eine  22monatige  Fahrt  in  den  westindischen  Gewässern  gab  ihm  u.  A.  Ge- 
legenheit, energisch  und  erfolgreich  deutschen  Reichsangehörigen  gegen  Haiti 
zu  ihrem  Rechte  zu  verhelfen.  Im  Jahre  1873  übernahm  er  abermals  die  Ge- 
schäfte des  Stabschefs,  die  jetzt  mit  der  Admiralität,  nicht  mehr  mit  dem  Ober- 
commando in  organischem  Zusammenhang  standen,  doch  trat  er  zwei  Jahre 
später  wieder  in  den  unmittelbaren  Flottendienst,  befehligte,  zum  Contre- 
Admiral  ernannt  (18.  Jan.  1875),  in  den  Jahren  1876 — 78  das  Panzer-Uebungs- 
geschwader  und  leitete  die  Expedition  nach  Saloniki  im  Jahre  1876,  wo  er 
Genugthuung  von  der  türkischen  Regierung  für  die  Ermordung  des  deutschen 
Consuls  mit  grosser  Energie  durchsetzte.  Im  Frühjahr  1878  ward  er  zum 
Stationschef  in  Wilhelmshaven  ernannt.  Als  das  Uebungsgesch wader  wieder 
unter  seinem  Befehl  die  Fahrt  antrat,  ereignete  sich  der  Zusammenstoss 
zwischen  dem  Panzer  »Grosser  Kurfürst«  und  dem  Panzer  »König  Wilhelm«, 
der  den  Untergang  des  Ersteren  herbeiführte.  B.  ward  in  Folge  dessen  vor 
ein  Kriegsgericht  gestellt.  Sein  Verhalten  nach  der  Katastrophe  war  in 
höchstem  Maasse  anerkennenswerth  gewesen:  sein  Flaggschiflf  »König  Wilhelm« 
war  nicht  minder  schwer  verletzt  als  der  »Grosse  Kurftirst«,  aber  das  be- 
stimmte und  umsichtige  Eingreifen  B.'s  ermöglichte  nicht  nur  eine  Be- 
theiligung seines  Schiffes  bei  der  Rettung  von  Mannschaften  des  »Grossen 
Kurfürsten«,  sondern  auch  die  glückliche  Ueberführung  des  »Wilhelm«  in  den 
Hafen  von  Portsmouth.  Aber  hatte  er  auch  als  Geschwaderchef  das  Richtige 
gethan?  Es  wurde  gegen  ihn  die  Anklage  erhoben,  dass  nicht  auf  die  er- 
forderliche Distancirung  der  auf  der  Fahrt  befindlichen  Schiffe  geachtet  wor- 
den sei.  Das  Kriegsgericht  sprach  den  Admiral  frei.  Kaiser  Wilhelm  I. 
glaubte  indessen  das  Urtheil  nicht  sanctioniren  zu  können,  sondern  überwies 
die  Sache  einem  zweiten  Kriegsgericht,  das  im  Juli  1879  zusammentrat.  B. 
ward  zu  einer  sechsmonatlichen  Festungshaft  verurtheilt,  die  er  in  Magdeburg 
antrat.  Nach  14  Tagen  jedoch  erfolgte  bereits  seine  Begnadigung  durch 
den  Kaiser,  der  ihn  am  3.  Febr.  1880  unter  Beförderung  zum  Viceadmiral 
zum  Director  der  Admiralität  ernannte.  Im  Jahre  1881  erfolgte  seine  Be- 
rufung zum  Chef  der  Ostseestation   in  Kiel.     Als    nach    dem  Rücktritte    des 

15* 


2  28  Batsch. 

Generals  von  Stosch  von  dem  Posten  des  Marineministers  General  von  Caprivi 
zu  dessen  Nachfolger  ernannt  ward,  erbat  B.  seine  Entlassung,  die  ihm  unter 
Stellung  ä  la  suite  des  Seeofficierkorps  am  21.  Juli  1883  gewährt  ward.  Es 
sind  sicher  nicht  persönliche  Gründe  gewesen,  die  den  verdienten  Mann  ver- 
anlassten, aus  dem  activen  Dienst  zu  scheiden,  sondern  die  sachlich  wohl 
begründete  Ueberzeugung,  dass  die  volle  Selbstständigkeit  der  Marine,  für  die 
B.  stets  eingetreten  war,  auch  dadurch  bezeugt  werden  müsse,  dass  ein  aus 
ihrer  Mitte  hervorgegangener,  mit  ihren  Bedürfnissen  wohl  vertrauter  Mann 
an  ihrer  Spitze  stehen  müsse. 

Die  Bedeutung  des  Admirals  B.  für  die  Entwicklung  der  deutschen  See- 
kraft wird  sich  erst  später  im  Einzelnen  feststellen  lassen,  wenn  das  akten- 
mässige  Material  vorliegt.  In  seinen  eigenen  zahlreichen  Schriften  findet  sich 
nicht  viel  darüber.  Mit  der  nämlichen  Bescheidenheit,  die  oben  in  Bezug 
auf  die  Biographie  des  Prinzen  Adalbert  gerühmt  werden  durfte,  ist  er  auch 
sonst  bestrebt,  seinen  Antheil  an  dieser  Entwickelung  hinter  der  allgemeinen 
sachlichen  Darstellung  zurücktreten  zu  lassen.  Für  die  Beurtheilung  der  Ver- 
hältnisse und  Vorgänge  im  Allgemeinen  bringt  seine  bereits  erwähnte  Samm- 
lung von  Aufsätzen  »Nautische  Rückblicke«  werthvolle  Beiträge.  B.  bewährt 
sich  in  diesen  Ausführungen  als  ein  ebenso  einsichtsvoller  und  kenntnissreicher 
Fachmann  wie  als  ernster  und  unbefangener  Kritiker,  der  mit  unerschütterUcher 
Wahrheitsliebe  seiner  Anschauung  Ausdruck  giebt,  stets  nur  erfüllt  von  der 
Sache,  der  er  dienen  will,  und  frei  von  allen  persönlichen  Sympathien  und 
Antipathien.  In  seinem  Buch  »Deutsch-Seegras«  (Berlin  1892)  zeigt  er  im 
ersten  Abschnitt:  Seemacht  und  Flottenfrage,  die  Bedeutung  und  die  Noth- 
wendigkeit  einer  starken  Seemacht  für  eine  kraftvolle  nationale  Politik;  der 
zweite  Abschnitt  giebt  dann  den  Beweis  dafür  gewissermassen  im  Negativ 
durch  die  Geschichte  der  »ersten  deutschen  Flotte«,  jener  Schöpfung  der 
48er  Vorgänge,  die  ihr  unrühmliches  Ende  in  der  Auction  fand,  eine  Tragödie, 
die  in  innigster  Beziehung  stand  zu  den  kläglichen  politischen  Verhältnissen 
des  damaligen  Deutschlands.  »Was  für  die  Einheit  des  Reiches  die  politische 
Zerrissenheit  war,  das  ist  für  eine  Seegeltung  (d.  h.  für  Macht  und  Einfluss 
zur  See)  die  mangelnde  Einheit  und  noch  mehr  die  Ungewohnheit  an  über- 
seeische Macht  und  überseeische  Politik«  sagt  B.  einmal  (»Deutsch-Seegras« 
Seite  25).  Er  hat  mit  dieser  Ungewohnheit  anfänglich  in  der  preussischcn 
Generalität  viel  zu  thun  gehabt,  aber  auch  in  den  politischen  Kreisen  des 
Volks  hat  sich  diese  in  starkem  Maasse  gezeigt  und  zeigt  sich  noch  heute 
vielfach,  auch  bedingt  durch  mangelndes  Verständniss  für  diese  Dinge. 
»Kommt  im  Reichstag  die  Flotte  auf  die  Tagesordnung,  dann  kann  ein  er- 
heblicher Theil  der  Volksboten  sich  eines  Gefühls  der  Beängstigung  nicht 
erwehren«  heisst  es  sehr  treffend  ebendort.  Scheint  es  jetzt  in  diesen  Be- 
ziehungen besser  zu  werden,  so  hat  jedenfalls  B.  sich  durch  seine  Schriften 
ein  grosses  Verdienst  daran  erworben.  Unermüdlich  ist  er  bestrebt  gewesen, 
für  das  Verständniss  des  inhaltvollen  und  treffenden  Wortes  des  Prinzen 
Adalbert,  das  er  seiner  Biographie  vorgesetzt  hat,  zu  arbeiten:  »Für  ein 
wachsendes  Volk  kein  Wohlstand  ohne  Ausbreitung,  keine  Ausbreitung  ohne 
überseeische  Politik  und  keine  überseeische  Politik  ohne  Flotte.«  Auch  zwei 
andere  grosse  Arbeiten  von  ihm  dienen  mittelbar  demselben  Gedanken:  fiir 
das  Werk  »Heer  und  Marine  der  Grossmächte  (Berlin  1898)  gab  er  die  Dar- 
stellung der  russischen  und  der  französischen  Flotte  und  das  bedeutende  Werk 
des    amerikanischen  Kapitäns  Mahan    »Einfluss    der    Seemacht    auf  die    Ge- 


Batsch. 


229 


schichte«  fand  wenigstens  zum  grössten  Theil  in  ihm  den  berufensten  Ueber- 
setzer  (BerJin  1898).  Noch  auf  seinem  schweren  Schmerzenslager  war  er 
unablässig  mit  dieser  Arbeit  beschäftigt.  Erst  der  Tod  nahm  ihm  die  Feder 
aus  der  Hand  und  hinderte  ihn  auch  an  der  Vollendung  einer  »Geschichte  der 
deutschen  Kriegsmarine,«  die  nur  bis  zum  Jahre  1856  geflihrt  ist.  Für  seine 
schriftstellerischen  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  des  Flottenwesens  und  der  Ge- 
schichte derselben  ward  ihm  am  5.  Mai  1898  der  Kronenorden  i.  Kl.  ver- 
liehen. Der  Blick  des  Seemanns  schärft  sich  auf  den  überseeischen  Fahrten 
und  im  Verkehr  mit  den  fremden  Völkern  ganz  ungemein  für  das,  was  dem 
eigenen  Volke  Noth  thut,  für  die  grossen  Fragen  der  Wirthschafts-  und  Ver- 
kehrspolitik. B.,  ein  ebenso  warmherziger  Patriot,  wie  scharfer,  kühler  und 
unbefangener  Beobachter,  verfolgte  mit  dem  lebhaftesten  Interesse  diese  Pro- 
bleme. Verschiedene  Abhandlungen  über  Seeverkehr  und  Schiflffahrtsfragen, 
ebenfalls  in  den  »Nautischen  Rückblicken«  gesammelt,  bezeugen  seine  Ein- 
sicht auch  in  diesen  Dingen.  Ganz  besonders  fesselte  seine  Aufmerksamkeit 
die  Erbauung  der  Transsibirischen  Bahn  und  die  Maassnahmen,  die  Deutsch- 
land namentlich  durch  Entwickelung  der  Wasserwege  zwischen  Berlin  und 
Stettin  ergreifen  müsse,  um  von  der  grossen  Verschiebung  der  Verkehrsver- 
hältnisse zwischen  der  westlichen  und  östlichen  Hemisphäre,  die  durch  jene 
Bahn  bedingt  werde,  Vortheil  zu  ziehen.  Unter  dem  Titel  »Nordeibisch- 
Dänisches«  hat  die  »Marine-Rundschau«  noch  im  Jahre  1898  eine  Folge  von 
Artikeln  aus  seiner  Feder  gebracht. 

Ein  kurzer  Nachruf  in  jenem  Blatt  characterisirt  knapp  und  treffend  den 
ganzen  Mann:  »Wer  ihn  gesehen,  wie  er  auf  der  Commandobrücke  stand, 
von  Kopf  zu  Fuss  ein  Gentleman  und  Seemann,  wer  ihn  gehört  in  seiner 
knappen  Ausdrucksweise;  wer  ihn  gekannt,  der  wird  sich  seiner  erinnern  als 
eines  Mannes  von  kaltem  Blut,  von  Kühnheit,  Energie,  Unerschrockenheit, 
Erfahrung  und  Belesenheit,  von  gewaltiger  Arbeitskraft,  strenger  Selbst- 
beherrschung und  Originalität,  als  eines  Mannes  ohne  Furcht  und  Tadel.« 

Schlicht  und  bescheiden  in  seinem  Wesen,  aber  von  echter  Vomehmheit 
der  Gesinnung,  und  jener  ernsten  Zurückhaltung,  die  so  oft  am  Seemann  sich 
zeigt,  erschloss  er  denen,  die  zu  ihm  in  nähere  Beziehungen  traten,  eine  un- 
gewöhnliche Fülle  des  Wissens  und  eine  seltene  geistige  Kraft,  die  den  Ver- 
kehr mit  ihm  äusserst  anregend  gestalteten,  anregend  in  erster  Linie  für  das 
Seeofficiercorps  selbst.  Denn  eine  Persönlichkeit,  wie  die  seinige,  musste  auf 
die  Officiere  der  Marine,  die  zur  grossen  Mehrzahl  nicht  nur  unter  seinem 
Commando  gestanden,  sondern  vielfach  ihre  seemännische  Ausbildung  von 
ihm  empfangen  haben,  einen  grossen  Einfluss  ausüben  und  jene  »fördernde 
Kraft«  bethätigen,  die  nach  dem  Zeugniss  Kaiser  Wilhelms  II.  in  seinem 
Beileidstelegramm  an  die  Wittwe,  »von  seinen  Schülern  in  der  Marine  fort- 
getragen werden  wird.«  Zu  diesen  Schülern  durfte  er  auch  den  Prinzen 
Heinrich  von  Preussen  rechnen,  der  1881  bereits  zu  B.  in  dienstliche  Be- 
ziehungen trat  und  in  dauernder  Verbindung  mit  ihm  geblieben  ist.  Ein 
letzter  Sonnenblick  war  B.,  der  damals  bereits  seit  Jahr  und  Tag  an  einem 
schweren  und  äusserst  schmerzhaften  Leiden  erkrankt  war,  der  Abschieds- 
besuch, den  ihm  der  Prinz  im  December  1897  vor  der  Ausfahrt  nach 
Kiautschou  abstattete. 

Seit  1873  mit  Fräulein  Faltin,  einer  Deutsch-Russin,  vermählt,  fand  der 
unermüdlich  thätige  Mann  in  seinem  Familienleben,  dessen  Glück  freilich 
durch  den  Tod  einer  eben  erwachsenen  Tochter  getrübt  ward,  Erholung  und 


230 


Batscb.     Benz.     Berberich.     Lorenz.     Schmieder.     Walli. 


Kräftigung  für  seine  Arbeiten.     Von  zwei  Söhnen  hat  der  Ael teste  die  Lauf- 

des  Vaters  gewählt  und  ist  in  die  Marine  eingetreten. 

Dr.  A.  Mirus:  Zur  Erinnerung  an  den  Kaiserlichen  Viceadmiral  C.  F.  Batsch. 
Weimar  1899.  Als  Manuscript  gedruckt.  Marine-Rundschau.  IX.  Jahrg.  Die  Jahres- 
zahlen seiner  Beförderungen  nach  gütiger  Mittheilung  des  Kais.  Reichs-Marine-Amts. 

P.  von  Bojanowski. 

Benz,  Joseph,  Katholischer  Stadtpfarrer  in  Karlsruhe  (Baden)*  16. März  1825 
in  Konstanz,  f  30.  November  1898  in  Karlsruhe.  Am  10.  August  1848  zum 
Priester  geweiht,  war  B.  Pfarrer  an  verschiedenen  kleineren  Orten  des  badischen 
Oberlandes,  bis  er  i.  J.  1872  die  Stadtpfarrei  zu  Karlsruhe  erhielt.  Er  gehörte, 
als  einer  der  wenigen  der  jüngeren  Generation  des  badischen  Klerus,  noch  der 
Wessenbergischen  Richtung  an  und  hielt  sich  von  jeder  Betheiligung  am 
politischen  Leben  fern.  Als  Wohlthäter  der  Armen  war  B.  besonders  hoch- 
geschätzt.    Im  Jahre  1898  konnte  er  sein    50 jähriges  Priesterjubiläum  feiern. 

Berberich,  Lorenz,  Katholischer  Pfarrer,  ♦  zu  Hainstadt  in  Baden 
II.  August  1814,  f  3.  April  1898  in  Rothenberg.  1840  ordinirt,  war  B.  an 
verschiedenen  kleinen  Orten  des  badischen  Unterlandes  als  Vicar  und  Pfarr- 
verweser, kurze  Zeit  auch  als  Lehrer  am  Paedagogium  in  Tauberbischofsheim 
thätig.  Von  1848  an  war  B.  22  Jahre  lang  Pfarrer  in  Waldstetten,  von  1870 
bis  zu  seinem  Ableben  Pfarrer  in  Rothenberg.  Ein  würdiger,  frommer,  be- 
scheidener Priester,  seinen  Pfarrkindern  ein  Berather  und  Helfer  in  allen 
Lagen  des  Lebens,  in  seinen  Mussestunden  ein  eifriger  Musiker  und  stets 
bestrebt,  seinen  Schülern  zur  Erwerbung  einiger  musikalischen  Kenntnisse  be- 
hilflich zu  sein. 

Lorenz,  Johann  Georg,  Kathol.  Pfarrer,  *  zu  Bruchsal  i.  Januar  1832, 
f  19.  November  1898  in  Neusatz.  1850  zum  Priester  geweiht,  erhielt  L. 
nach  mehrjähriger  Wirksamkeit  an  verschiedenen  Orten  Badens  im  Jahre  1867 
die  Pfarrei  Neusatz,  wo  er,  trotz  schwacher  Gesundheit,  eine  sehr  ausgedehnte 
Thätigkeit  als  Seelsorger  bis  zu  seinem  Ableben  entwickelte.  Grosse  Ver- 
breitung in  9  Auflagen  von  zusammen  220000  Exemplaren  fand  sein  »kleines 
Gebet-  und  Gesangbuch«. 

Schmieder,  Conrad,  Historienmaler,  *  am  12.  November  1859  zu  Uebel- 
bach  bei  Wolfach  im  badischen  Kinzigthale,  f  5.  Juli  1898  zu  Mannheim.  Er 
zeigte  schon  in  der  Volksschule  Lust  und  Anlage  zum  Zeichnen,  die  er  zuerst 
in  der  Kunstgewerbeschule,  dann  in  der  Kunstakademie  zu  Karlsruhe  aus- 
bildete. Er  wandte  sich  der  kirchlichen  Kunst  zu  und  leistete  bald  sehr 
Anerkennenswerthes  auf  diesem  Gebiete,  insbesondere  auch  durch  Entwürfe 
von  Cartons  zu  Glasgemälden.  Eben  waren  ihm  von  kirchlicher  Seite  die 
Ausführung  des  Bilderschmuckes  der  neu  erweiterten  Barockkirche  zu  Maisch 
bei  Wiesloch  und  von  der  Regierung  die  Ergänzung  der  grossen  Treppenhaus- 
bilder des  Mannheimer  Schlosses  übertragen  worden,  als  ihn  ein  Unglücksfall- 
(Sturz  vom  Gerüste  in  Mannheim)  am  5.  Juli  1898  plötzlich  der  Kunst  entriss, 
die  von  ihm  unzweifelhaft  noch    bedeutende  Leistungen  erwarten  durfte. 

Walli,  Anton,  Grossh.  Badischer  Geheimer  Rath,  *  am  8.  November  181 6  zu 
Rastatt,  f  8.  Januar  1898  in  Karlsruhe,  studierte  auf  den  Hochschulen  Heidelberg 


Walli.     Lindau.  2^1 

und  Freiburg  die  Rechtswissenschaft  und  trat,  nachdem  er  die  Staatsprüfung  mit 
der  Note  »vorzüglich  befähigt«  bestanden  hatte,  Ende  1838  in  den  Staats- 
dienst, zunächst  bei  den  Aemtern  Rastatt  und  Rheinbischofsheim  auf  dem 
damals  noch  ungetrennten  Gebiete  von  Justiz  und  Verwaltung  thätig.  Von 
1842  bis  1849  hatte  W.  als  Rechtsanwalt  in  Boxberg  und  Gerlachsheim  ge- 
wirkt, dann  trat  er  wieder  in  den  Staatsdienst  und  wurde  184Q  Assessor, 
1851  Amtmann  beim  Bezirksamte  Buchen.  1852  wurde  W.  als  Assessor  an 
das  Hofgericht  Bruchsal  berufen,  1854  zum  Ministerialassessor,  1855  ^^"^ 
Ministerialrath  beim  Finanzministerium  ernannt.  1866  wurde  er  in  gleicher 
Eigenschaft  zum  Justizministerium  versetzt  und  1874  durch  Verleihung  des 
Titels  und  Ranges  eines  Geheimen  Rathes  ausgezeichnet,  1881  trat  er  in  den 
Ruhestand.  In  seinem  langjährigen  amtlichen  Wirken  zeichnete  W.  sich  durch 
einen  in  den  Pflichten  seines  Berufes  völlig  aufgehenden  Fleiss,  durch  nie 
erlahmende  Arbeitskraft,  durch  ein  gründliches  Wissen  und  dessen  gewissen- 
hafte Anwendung  rühmlich  aus.  Der  reichen  Erfahrung,  die  er  sich  in  der 
Ausübung  seiner  amtlichen  Thätigkeit  erwarb,  stand  eine  strenge  Rechtlichkeit 
zur  Seite.  Das  Vertrauen  des  41.  Wahlkreises  (Wertheim)  entsandte  W.  im 
Jahre  1859  in  die  zweite  Kammer,  welcher  er  bis  1860  angehörte.  Bei  den 
Verhandlungen  über  das  Concordat  gesellte  W.  sich  aus  rechtlichen  und 
politischen  Erwägungen,  zu  dessen  Gegnern.  Diese  Stellungnahme  hatte 
indess  keinen  Einfluss  auf  sein  persönliches  Verhältniss  zu  der  katholischen 
Kirche,  welcher  er  als  überzeugter  Gläubiger  bis  an  sein  Lebensende 
angehörte. 

Vgl.  »Karlsruher  Zeitung«  1898,  No.  13. 

F.  V.  Weech. 

LindaUy  Jakob,  Kaufmann  und  Abgeordneter  der  badischen  Zweiten 
Kammer,  *  10.  Mai  1833  in  Heidelberg,  f  daselbst  am  15.  August  1898. 
Der  Einfluss  frommer  katholischer  Eltern  war  für  seine  streng  kirchliche 
Richtung  massgebend,  welche  sich  zuerst  im  Jahre  1864  in  der  Oeffentlichkeit 
äusserte,  als  er  gegen  die  Schulgesetzgebung  der  badischen  Regierung  eine 
lebhafte  Agitation  zu  organisiren  unternahm.  Ein  von  ihm  verfasstes  Flug- 
blatt hatte  zur  Folge,  dass  bei  den  Wahlen  zum  Ortsschulrath,  der  auf  Grund 
des  neuen  Gesetzes  einzusetzenden  Localschulbehörde,  in  Heidelberg  nur 
264  Katholiken  an  der  Wahlurne  erschienen.  Sein  nächstes  politisches 
Unternehmen  war  die  Gründung  des  sogenannten  »wandernden  Casinos«, 
Volksversammlungen,  die  an  verschiedenen  Orten  des  Grossherzogthums  zu- 
sammentraten, um  durch  Resolutionen,  durch  Adressen  und  Abordnungen  an 
den  Grossherzog  die  Missstimmung  zum  Ausdruck  zu  bringen,  welche  in  den 
streng  katholischen  Kreisen  gegen  die  liberale  Schulgesetzgebung  herrschte. 
Diese  Versammlungen  riefen  begreiflicher  Weise  den  Widerspruch  der  Anhänger 
der  Schulgesetzgebung  und  der  gesammten  liberalen  Richtung  in  der  badischen 
Gesetzgebung  und  Verwaltung  hervor,  und  den  »wandernden  Casinos«  traten 
da  und  dort,  am  heftigsten  wohl  in  Mannheim  am  23.  Februar  1865,  sehr 
energische  und  von  Gewaltthätigkeiteri  der  Volksmassen  begleitete  Proteste 
entgegen.  Die  Ruhestörungen,  zu  denen  es  an  mehreren  Orten  kam,  ver- 
anlassten die  badische  Regierung,  die  Casinos  zu  verbieten.  Durch  dieses 
Auftreten  war  L.  in  weiteren  Kreisen  bekannt  geworden  und  wurde  1867  als 
erster  und  einzigerAbgeordneterder  als  »katholische  Volkspartei ^  in  die  politischen 
Bewegungen  eingreifenden  streng  kirchlichen  Katholiken  Badens  in  die  zweite 


232 


Lindau.     Bechert. 


Kammer  gewählt,  wo  ihm  1869  Baumstark,  Bissing,  Lender  und  Rosshirt  als 
Parteigenossen  zur  Seite  traten  und  mit  ihm  vereint  die  liberale  Regierung 
und  Kammermehrheit  bekämpften.  187 1  entsagte  L.  vorübergehend  der 
Wirksamkeit  in  der  badischen  Kammer,  um  1875  noch  einmal  ein  Mandat 
anzunehmen.  1868  hatte  er  dem  Zollparlament  angehört  als  Vertreter  des  Wahl- 
bezirks Achern,  der  ihn  1 891  auch  in  den  deutschen  Reichstag  wählte.  In  Heidel- 
berg war  er  einer  der  Gründer  des  »Pfälzer  Boten«,  eines  der  streitbarsten 
Centrumsblätter.  Ein  Conflict  mit  den  Heidelberger  Altkatholiken,  wobei  L. 
aus  der  diesen  von  der  Regierung  eingeräumten  Heiliggeistkirche  die  der 
Marianischen  Sodalität  gehörende  Orgel  entfernen  Hess  und  an  eine  benach- 
barte römisch-katholische  Kirche  verkaufte,  führte  ihn  im  Frühling  1875  ^^^ 
die  Schranken  der  Mannheimer  Strafkammer,  die  ihn  zu  einer  Gefängnisstrafe 
von  2  Monaten  verurtheilte.  Seine  eifrige  Thätigkeit  für  die  Sache  des 
Centrums  beeinträchtigte  nicht  seine  Wirksamkeit  in  der  Leitung  des  von 
seinem  Vater  ererbten  kaufmännischen  Geschäftes,  in  die  er  sich  mit  seinem 
Bruder  theilte,  bis  1890  zunehmende  Kränklichkeit  ihn  zwang,  sich  aus  dem 
Geschäftsleben  zurückzuziehen. 

Vgl.  »Sterne  und  Blumen«,  Jahrgang  1893,  No.  38. 

F.  V.  Weech. 

Bechert,  Emil,  Grossh.  badischer  T^andescommissär,  *  zu  Mosbach  am 
9.  JuH  1843,  f  zu  Karlsruhe  am  6.  August  1898.  Ein  sehr  begabter  und 
fleissiger  Schüler,  absolvirte  B.  schon  mit  16  Jahren  das  Lyceum,  studirte 
die  Rechtswissenschaften  auf  den  Universitäten  Heidelberg,  Berlin  und  Frei- 
burg und  bestand  mit  20  Jahren  die  erste,  mit  22  Jahren  die  zweite  Staats- 
prüfung. Alsbald  widmete  er  sich  dem  Dienste  der  inneren  Verwaltung, 
zu  dem  Befähigung  und  Neigung  ihn  besonders  hinzogen.  Nach  mehrjähriger 
Thätigkeit  als  Polizeibeamter  in  Pforzheim,  wurde  er  1869  nach  Karlsruhe 
versetzt,  wo  die  Verwaltung  des  Landbezirkes  des  dortigen  grossen  Bezirks- 
amtes ihm  Gelegenheit  gab,  sich  mit  den  wirthschaftlichen  Fragen  eingehend 
bekannt  zu  machen  und  auf  dem  Gebiete  des  Landeskultun^^esens ,  wie  des 
damals  nur  erst  allmählich  sich  Bahn  brechenden  genossenschaftlichen  Wirkens 
eine  anregende  und  fördernde  amtliche  und  (in  den  landwirthschaftlichen 
Versammlungen  und  Besprechungen)  ausseramtliche  Thätigkeit  zu  entfalten. 
Das  Vertrauen,  das  er  sich  in  dem  Bezirke  erwarb,  fand  seinen  Ausdruck  in 
der  Wahl  zum  Abgeordneten  der  zweiten  Kammer,  welcher  er  von  1875  ^^^^ 
1878  angehörte.  Während  er  diese  amtliche  Stellung  einnahm,  wurde  B.  im 
September  1870  durch  den  Generalgouverneur  des  Elsasses  zur  Verwaltung 
der  Kreisdirectionen  Erstein  und  später  Schlettstadt  berufen,  wo  er  sich 
durch  Gerechtigkeit,  Wohlwollen  und  Tact  das  Vertrauen  der  Eingesessenen 
und  die  Anerkennung  der  Regierung  erwarb ,  welche  durch  Verleihung  des 
Eisernen  Kreuzes  ihren  Ausdruck  fand.  —  Im  April  1874,  erst  31  Jahre  alt, 
wurde  B.  als  Rath  in  das  Ministerium  des  Innern  berufen,  dem  er  von  da 
an  24  Jahre  lang  angehörte.  Die  Wirksamkeit,  die  er  in  dieser  Stellung  auf 
den  verschiedenen  Gebieten  der  Polizei  in  sachlicher  und  personeller  Be- 
ziehung entfaltete,  sowie  seine  Fürsorge  für  die  öffentliche  Gesundheitspflege  in 
ihren  mannigfachen  Erscheinungen  sichern  ihm  in  der  Geschichte  der 
badischen  Verwaltung  ein  bleibendes  ehrenvolles  Andenken.  Noch  ansehnlich 
enÄ^eitert  wurde  sein  Wirkungskreis  durch  die  Ernennung  zum  Landes- 
commissär  für  die  Kreise  Karlsruhe  und  Baden.     Für  den  nicht  immer  ganz 


Bechert.     GrUbl.  233 

leichten  Verkehr  mit  den  verschiedenen  Organen  der  Selbstverwaltung  war 
seine  Individualität  in  ganz  besonderer  Weise  geeignet,  und  auf  diesem  Boden 
zeigte  sich  am  deutlichsten  der  Erfolg  seiner  Begabung,  in  der  sich  lebhafte 
Initiative,  eine  stark  ausgeprägte  Betonung  der  beamtlichen  Autorität,  mit 
grosser  Leutseligkeit  und  gefälligem  Entgegenkommen  gegenüber  berechtigten 
Ansprüchen  sowie  der  feine  Takt,  der  ihn  zum  Vermittler  scheinbar  wider- 
strebender Meinungen  und  Interessen  besonders  geeignet  machte,  zu  einer  ebenso 
angesehenen  als  beliebten  Persönlichkeit  verbanden.  Den  übergrossen  Anforde- 
rungen seiner  amtlichen  Thätigkeit  konnte  er  nicht  die  genügende  körper. 
liehe  Widerstandskraft  entgegensetzen  und  dem  Leben  des  erst  55  Jahre  alten 
ausgezeichneten  Beamten  und  trefflichen  Menschen  machte  ein  Schlaganfall  zu 
früh  ein  von  den  näher  Befreundeten  und  von  der  grossen  Zahl  mit  B,  in 
dienstlichen  Beziehungen  Stehenden  schmerzlich  beklagtes  Ende. 

Vgl.  »Karlsruher  Zeitung«  1898,  No.  339.  F,   V.  Weech. 

Grübl,  Raimund,  Bürgermeister  der  Reichshaupt-  und  Residenzstadt  Wien, 
*  Wien  12.  August  1847,  t  daselbst  12.  Mai  1898.  Der  Sohn  eines  flirstlich 
Liiichtensteinschen  Beamten,  erwarb  nach  Vollendung  der  juridischen  Studien 
an  der  Wiener  Universität  den  Doctorgrad  und  widmete  sich  hierauf  der 
Advocatie.  Im  Jahre  1880  wurde  er  zum  ersten  Male  vom  2.  Wahlkörper 
des  III.  Gemeindebezirkes  in  den  Gemeinderath  entsendet,  dem  er  als  treuer 
Anhänger  der  liberalen  Partei  bis  zu  den,  wenige  Wochen  vor  seinem  Tode 
stattgehabten  Neuwahlen  angehörte.  Am  13.  October  1892  zum  Vicebürger- 
meister  gewählt  und  am  14.  März  1894  zum  Amte  des  Bürgermeisters  von 
Wien  berufen,  fungirte  er  in  dieser  Eigenschaft  bis  zum  14.  Mai  1895,  ^" 
welchem  Tage  er  in  Folge  des  für  die  liberale  Partei  ungünstigen  Ausganges 
der  Wahlen  in  dem  2.  Wahlkörper  seine  Würde  freiwillig  zurücklegte,  worauf 
schon  nach  wenigen  Wochen  die  Auflösung  des  Gemeinderathes  erfolgte.  In 
den  Jahren  1884— 1890  war  G.  auch  Vertreter  des  III.  Wiener  Gemeinde- 
bezirkes im  Niederösterreichischen  Landtage  und  von  1895  bis  zu  seinem 
Tode  Mitglied  des  Reichsgerichtes. 

Vom  Beginne  seines  Wirkens  als  Gemeinderath  an  stellte  es  sich  G.  zur 
Aufgabe,  eine  gedeihliche  Lösung  der  für  die  Stadt  so  wichtigen  Verzehrungs- 
steuerfrage  herbeizuführen.  Mit  unermüdlichem  Eifer  widmete  er  als  Referent 
dieser  Frage  die  vollste  Aufmerksamkeit  und  eingehende  Studien.  Aber  erst 
nach  jahrelangem  Bemühen,  als  die  Vorarbeiten  zur  Vereinigung  der  Vororte 
mit  W4en  in  Angriff  genommen  wurden,  gewannen  seine  Ideen  und  Vor- 
schläge hervorragenden  Einfluss  auf  die  Feststellung  der  Principien  fiir  das 
neue  Verzehrungssteuergesetz. 

Die  mannigfaltigsten  und  schwierigsten  wirthschaftlichen  wie  administra- 
tiven Fragen,  welche  gelegentlich  der  Vereinigung  der  Vororte  Wiens  mit  der 
Hauptstadt  sich  ergaben,  fanden  bei  ihm  als  einem  der  thätigsten  Mitglieder 
der  Commission  verständnissvolle  Auffassung  und  ein  überlegenes,  stets  zu- 
treffendes Urtheil.  Als  Referent  über  die  neue  Stadterweiterung  im  Gemeinde- 
rath bekundete  G.  bei  Lösung  dieser  schwierigen  Aufgabe  neuerlich  seine 
eingehenden  Kenntnisse  der  Verwaltung,  wofür  ihn  der  Kaiser  durch  Ver- 
leihung des  Franz-Josef-Ordens  auszeichnete. 

Besonders  erspriesslich  war  G.'s  Wirken  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichts- 
wesens. Stets  bestrebt,  die  Bürgerschule  als  höhere  Volkslehranstalt  zu 
fördern,    war   sein  Augenmerk    auf  die  Erhaltung  eines  arbeitstüchtigen  und 


234 


GrUbL 


arbeitsfreudigen  Lehrpersonales  gerichtet  und  als  Vertreter  des  niederöster- 
reichischen Landtages  im  Landesschulrathe  hatte  er  wiederholt  Gelegenheit, 
seine  eminent  schul-  und  lehrerfreundliche  Gesinnung  zu  bethätigen. 

Als  Bürgermeister  vertiefte  er  sich  in  alle  die  zahlreichen  Aufgaben  des 
grossen  Gemeindewesen  mit  peinlicher  Gewissenhaftigkeit  und  Genauigkeit. 
Unter  seiner  wirksamen  Förderung  machte  die  durch  die  Einverleibung  der 
Vororte  um  so  dringender  gewordene  Erweiterung  der  Kaiser  Franz  Josefs- 
Hochquellenleitung  wesentliche  Fortschritte.  Die  unter  seinem  Amtsvorgänger 
Dr.  Prix  eingeleitete  grosse  Action  der  Wiener  Verkehrsanlagen  und  die 
damit  im  Zusammenhange  stehenden  öffentlichen  Bauten,  insbesondere  die 
Wienfluss-Einwölbung  und  die  Herstellung  der  Sammelkanäle  längs  des  Wien- 
flusses und  des  Donaukanales  nahmen  unter  seinem  Regime  energischen  Fort- 
gang, die  Errichtung  electrischer  Bahnen  in  Wien  wurde  durch  Anregung 
eines  den  Bedürfnissen  der  Grossstadt  angepassten  neuen  Gesetzes  über  Klein- 
und  I^ocalbahnen  vorbereitet,  der  Schaffung  eines  Generalregulirungsplanes 
für  Wien  durch  Errichtung  eines  eigenen  Bureaus  für  diesen  Zweck  die  Wege 
geebnet.  Für  die  mit  Rücksicht  auf  den  Ablauf  des  Vertrages  mit  der  eng- 
lischen Gasgesellschaft  nothwendige  Entscheidung  des  Gemeinderathes  über 
die  künftige  Lösung  der  Gasfrage  wurde  durch  die  in  geschickter  und  glück- 
licher Weise  unternommene  Schätzung  der  Gaswerke  die  Grundlage  geschaffen. 
Auf  dem  Gebiete  des  Approvisionirungswesens,  der  Strassensäuberung  und 
der  Armenpflege  wurden  unter  seiner  Initiative  Reformen  angebahnt. 

Im  Februar  1895  ^^^^  ^^  Wien  der  von  G.  als  Bürgermeister  einberufene 
Oesterreichische  Städtetag  statt,  an  dessen  Berathungen  Vertreter  sämmtlicher 
österreichischer  Landeshauptstädte  mit  Ausnahme  von  Prag  theilnahmen,  um 
über  die  Frage  der  Reform  des  Heimathsgesetzes,  der  Vergütung  der  Kosten 
des  übertragenen  Wirkungskreises  und  der  Wirkung  der  im  Gesetzentwurfe 
vorliegenden  Steuerreform  auf  die  städtischen  Finanzen  Berathung  zu  pflegen 
und  sich  über  ein  gemeinsames  Vorgehen  im  Interesse  der  Landeshauptstädte 
zu  einigen.  Der  städtische  Beamtenstand  erfuhr  durch  Schaffung  eines  neuen 
Pensionsnormales  eine  erfreuliche  Förderung.  Die  Beilegung  eines  in  der  da- 
maligen regen  Bau-Epoche  für  die  Stadt  sehr  gefährlichen  Strikes,  des  Strikes 
der  Ziegelarbeiter,  ist  anerkanntermassen  wesentlich  auf  das  persönliche  Ein- 
greifen G.'s  zurückzuführen.  Ueberhaupt  machten  ihn  sein  angeborenes 
mildes  Wesen,  sein  Character,  sein  gesellschaftlicher  Tact  und  sein  conciliantes 
und  vornehmes  Gehaben,  besonders  geeignet,  als  Vermittler  aufzutreten,  wo 
schroffe  Parteigegensätze  zu  einem  leidenschaftlichen  und  erbitterten  Kampfe 
führten,  ohne  dass  er  selbst  je  seinen  Grundsätzen  und  Anschauungen  untreu 
geworden  oder  vor  dem  impetuösen  Angriff  der  Gegner  wankend  geworden 
wäre.  Als  Vorsitzender  des  Gemeinderathes  wuisste  er  den  Ton  der  Ver- 
handlungen zu  einem  der  Würde  der  Stadt  angemessenen  zu  gestalten  und 
durch  strenge  Objectivität  auch  die  Achtung  der  Oppositionspartei  zu  ge- 
winnen. Trotz  der  schweren  Berufspflichten,  die  seine  Kräfte  bis  zur  Uebcr- 
spannung  in  Angriff  nahmen,  unterhielt  G.  einen  lebhaften  Verkehr  mit  allen 
Kreisen  der  Wiener  Bevölkerung.  Ungemein  mildthätig  gegen  Arme  und  für 
Jedermann  mit  wohlwollendem  Rath  bereit,  war  sein  Heim  im  Rathhause 
zum  Mittelpunkt  wienerischer  Geselligkeit  geworden,  wo  Staatsmänner,  Ge- 
lehrte, Künstler  und  hervorragende  Bürger  sich  gerne  einfanden  und  da  so 
manche  Stunde  angenehmen  Zeitvertreibes  genossen. 

Unerschütterlich  treu  der  fortschrittlichen  Partei  seiner  Vaterstadt  dienend^ 


Grünbaum.  23  ^ 

hielt  er  es  für  seine  Pflicht,  auch  nach  seiner  Resignation  als  Bürgermeister 
im  Gemeinderathe  als  treuer  Mitkämpfer  für  Recht  und  Freiheit  auszuharren. 
Leider  nur  für  kurze  Zeit,  denn  zum  tiefen  Schmerz  seiner  Freunde  raffte  ihn 
gar  bald  eine  tückische  Krankheit  dahin. 

G.,  dessen  Gattin  (geb.  Beyfuss)  ihm  schon  1890  nach  kurzer  glücklicher 
Ehe  entrissen  worden  war,  hinterliess  zwei  unmündige  Kinder. 

Ein  Bild  G.'s  gemalt  von  dessen  Schwager  Beyfuss,  in  Familienbesitz.  Maler  Alberti 
hat  nach  G.'s  Tod  nach  einer  Photographie  ein  Porträt  vollendet,  das  G.  als  Bürgermeister 
mit  der  Kette  darstellt.  Dr.  Ludwig  Vogler. 

Grünbaum,  Max  (eigentlich  Maier),   Orientalist,  *  12.  August  181 7  zu 
Seligenstadt,  f  11.  I)ec.  1898  in  München.     Er  studirte  unter  misslichen  Ver- 
hältnissen Philologie  und  Philosophie  in  Giessen  (bei  M.  Carri^re)  und  Bonn. 
Seit  Ende  der  dreissiger  Jahre  fristete  er  sein  Dasein  als  Hauslehrer  bei  wohl- 
habenden Glaubensgenossen,  in  Ungarn,  Amsterdam,  London,  1857  in  Wien, 
bis  er  endlich  1858  Superintendent  eines  jüdischen  Waisenhauses  in  New- York 
wurde.     Dass  er   dadurch  äusserer  Sorge    ledig    und    in  den  Stand    gesetzt 
ward,    sein   aufgespeichertes  ausgedehntes  und  gründliches  Wissen  litterarisch 
zu  verarbeiten,  sah  der  bescheidene  Mann  als  gnädigste  Fügung  des  Schicksals 
an.     Mit   seiner   dort   gewonnenen  Gattin   und  einer  für  den  Anspruchlosen 
genügenden  Pension   übersiedelte  er  1870  nach  München,    wo   er  in   Müsse 
seine  Studien   mit  Hilfe   der  eigenen  Büchersammlung  und  der  einschlägigen 
Schätze   der  dortigen   Staatsbibliothek  weiter-    und    zu-  Ende    führen    wollte. 
Letztere  besuchte  er  bis  anfangs  der  Neunzigerjahre  fast  täglich  und  publicirte 
aus  ihren  Handschriften  werth volle  Belege  seines  Specialgebietes.     Seit  1892 
ans  Zimmer  gefesselt,   pflegte   er  lebendig  mit  Kopf  und  Feder  wie  im  Ver- 
kehre mit  verehrenden  Freunden  seine  gelehrten  Pläne  und  frische  Geisteskraft, 
bis    zum    Tode    durch    Altersschwäche.      Seine    in    jahrelanger   Sorgfalt    ge- 
sammelte   interessante  Bibliothek,   die   sein  ganzes  Wissensgebiet  umspannte 
und  besonders   durch    alte   hebräische  Drucke    werth  voll    war,    hat    er    dem 
Münchener  Verein  für  jüdische  Litteratur  und  Geschichte  vermacht.     G.*s  er- 
staunliche,   weit    ausgebreitete    Gelehrsamkeit    erstreckte    sich     zwar    haupt- 
sächlich   auf  orientalische   Sprach-   und  Sagenkunde,  jedoch    beherrschte    er 
auch    die    modernen   Hauptidiome  in   Wort    und  Schrift.     Er    forschte  nach 
zwei  Seiten  hin:  in    neuhebräischer  und  arabischer  Sagenkunde,    anderntheils 
in    der    jüdisch -europäischen    Mischlitteratur    (vgl.    seinen    Vortrag    »Misch- 
sprachen   und  Sprachmischungen«,   1885   in    der  Virchow-Holtzendorflf'schon 
Vorträge -Sammlung  Nr.  473).     Auf  ersterem  Felde  ward   er  eine  Autorität; 
fast  alle  seine  vielen  bezüglichen  Abhandlungen  erschienen  seit   1862  in  der 
>Ztschr.  d.  Dtschn.  morgenländisch.  Gesellschaft«,  als  erste  grössere  in  deren 
Bd.  31     die    »Beiträge    zur    vergleichenden    Mythologie    aus    der   Haggada« 
(1877)  woran  sich  in  Bd.  39 — 44   und   in   anderen  Fachorganen    eine  Reihe 
verwandter  schloss,    sowie    die  selbständig  zusammenfassenden    »Neuen  Bei- 
träge zur  semitischen  Sagenkunde«  (1893);    reichhaltige  Fundgruben   für  die 
nachbiblisch- talmudische,    auch    die    biblisch-mohamedanische    Legende,    der 
vergleichenden  Religionswissenschaft  trefflich  dienstbar,  zum  Theil   stoffüber- 
laden und  darum  etwas  schwerfällig,  durchgängig  sicher  stilisirt  theilweise  in  an- 
muthiger  Feuilletonschreibart;  »sie  erinnert  oft  an  die  Ludwig  Bamberger's,  mit 
dem  G.  bis  an  sein  Lebensende  eine  enge  Freundschaft  verband«  (Perles).    Ein 
specieller  Fachgenosse,  Hommel,  urtheilt:    »ausser  dem  weiten  talmudischen 
Gebiete  war  er  besonders  auch  im  Samaritanischen,  Syrischen  und  Arabischen 


236  Grünbaum.     Krebs. 

zu  Hause,  obwohl  ihm  auch  andere  Zweige  der  Alterthumskunde  nicht  ferne 
lagen«.  G.'s  zweites  Arbeitsgebiet,  später  von  ihm  betreten,  fiihrte  zu  einer 
»Jüdisch-deutschen  Chrestomathie.  Zugleich  als  Beitrag  zur  Kunde  der  hebrä- 
ischen Litteratur«  (1882),  woneben  fernere  Auszüge  mit  Hinweisen  für  weitere 
Kreise  in  der  kürzeren  Anthologie  »Die  jüdisch-deutsche  Litteratur  in  Deutsch- 
land, Polen  und  Amerika«  (1894)  traten,  und  zu  einer  »Jüdisch-spanischen 
Chrestomathie.«  Mit  Unterstützung  der  Zunz  -  Stiftung  in  Berlin  (1896), 
beide  nach  hebräisch  geschriebenen  Texten.  Letztgenanntes  Werk  bot  auch 
der  Romanistik  Materialien  dar,  deren  sie  sich  erst  ganz  neuerdings  be- 
mächtigt (vgl.  z.  B.  Jos.  Oestreicher's  Programm,  Beiträge  z.  Gesch.  d. 
jüd.-französ.  Sprache  u.  Lit.  im  Mittelalter,  Czemowitz  1896).  Hingegen 
verdient,  abgesehen  von  ihren  werth vollen  Textabdrücken,  die  dickleibige 
»Jüdisch -deutsche  Chrestomathie«  (nebst  genanntem,  S.  IV  f.  verheissenen 
Ergänzungsbändchen  von  1894,  das  aber  nur  ein  Sonderabdruck  aus:  Winter 
und  Wünsche,  Die  jüdische  Litteratur  seit  Abschluss  des  Canons,  III  S.  531  ff., 
ist)  nicht  voll  das  ihr  meist  ausgesprochene  Lob.  G.  hat  erstlich  nur 
jüdisch-deutsche  Uebersetzungen  hebräischer  Schriften  oder  directe  Be- 
arbeitungen solcher  und  wesendich  bloss  aus  Manuscripten  der  Münchener 
Kgl.  Hof-  u.  St.-B.  dargeboten,  sodann  aber  weiss  er  in  der  Geschichte  des 
jüdisch-deutschen  Schriftthums,  noch  mehr  aber  in  dessen  Jargon  selbst  ungleich 
Bescheid:  die  beiden  Specialistcn  F.  Rosenberg  (lieber  eine  Sammig.  dtschr. 
Volks- u.  Gesellschaftslieder  in  hebr.  Lettern,  Berliner  Diss.  1888,  S.  7,  Ztschr. 
f.  d.  Gesch.  d.  Juden  i.  Dtschl.  II  234)  und  viel  stärker  Leo  Wiener  (The 
history  of  yiddish  literature  in  the  19.  Century,  1899,  S.  IX,  g  u.  13) 
stellen  das  fest;  R.  Köhler's  Referat  Anzgr.  f.  dtschs.  Alterthum  IX  402  bis 
407  (=  R.  Köhler,  Kleinere  Schrft.  I  576—583)  betrifft  nur  die  Stoffe. 
Ferner  veröffentlichte  G.  mancherlei  mehr  feuilletonistische  Artikel  aus  seinem 
Fache,  z.  B.  »Geographische  und  ethnographische  Spitznamen  und  Spott- 
geschichten« im  »Ausland«  1883  Nr.  31,  S.  601.  Ohne  sie  ganz  zu  vollenden, 
unternahm  G.  die  Neucatalogisirung  der  hebräischen  Bestände  der  Münchener 
Kgl.  Staatsbibliothek,  welch'  letztere  17  längere  und  kürzere  Journal-Abhand- 
lungen von  ihm  als  »Schriften  über  jüdische  Litteratur«  sub  Jud.  23  1  als 
sein  allmähliches  Geschenk  besitzt. 

Nekrologe  auf  G.  von  Rabbiner  Dr.  Felix  Perles  in  Königsberg  (der  wohl  G.'s 
Schriften  edirt)  in  Nr.  285  d.  »Beilg.  z.  Allg.  Ztg.«  (die  auch  Aufsätze  G.'s  aus  dem  spanisch- 
jüd.  Gebiete  enthalten  hatte)  1898,  S.  5  f.  (sehr  panegyrisch)  und  Prof.  Fr.  Homroel,  »Münch. 
Nst.  Nchrcht.«   1898  Nr.  591,  S- 4.  Ludwig  Fränkel. 

Krebs,  Georg,  Ludwig,  Lehrerund  Gelegenheitsdichter,  *  7.  Nov.  1826  zu 
Aisheim  bei  Gronau  (Mutterstadt)  i.  Pf.,  f  1 5 .  Aug.  1 898  zu  Oppau  i.  Pf.,  in  welchem 
Rheinörtchen  er  seit  1 850,  seit  1 860  als  wirklicher  Lehrer,  pädagogisch  thätig  war, 
1857  —  84  auch  als  Gemeindeschreiber.  Aus  einer  Lehrersfamilie  und  selbst 
Lehrerssohn,  besuchte  er  1844 — 46  das  Seminar  flir  Volksschullehrer  zu  Kaisers- 
lautern und  wurde  danach  Schulgehilfe  zu  Iggelheim.  Wegen  angeblichen  Waffen- 
tragens »zum  Zwecke  der  provisorischen  Regierung«  1849,  <ieren  republikani- 
schen Tendenzen  er  gründlich  abgeneigt  war,  wurde  er  sofort  nach  deren  Unter- 
drückung entlassen  und  erst  nach  vieler  Mühe  von  der  Behörde  später  (in 
Oppau)  neu  bestätigt.  Nach  dem  70.  Geburtstage  in  den  Ruhestand  tretend, 
erhielt  er  die  goldene  Ehrenmünze  des  Ludwigsordens  für  50  jährigen  Schul- 
dienst. Bis  zuletzt  frischen  Humors,  wie  seine  beliebten  Dialectdichtungen 
bekunden,    erfuhr    er   als    Poet   ernster    wie    heiterer   Richtung    provincielle 


Krebs.     Hesse.  237 

und  der  Kollegen  Anerkennung,  zumal  alljährlich  in  den  Lehrerversammlungen. 
Gedruckt  traten  vor  die  weitere  Oeffentlichkeit  nur  das  Gedicht  »Andenken 
an  König  Max  IL  von  Bayern«  (1864),  die  Sammlung  »Krieg,  Sieg  und 
Frieden«  (187 1)  und  »Zwei  Dutzend  Imkerlieder«  (1894);  die  meisten  stecken 
in  Tagesblättern  oder  sind  nur  als  fliegende  Blätter  oder  gar  nur  hand- 
schriftlich verbreitet.-  Seit  1878  schrieb  er  allwöchentlich  unter  der  Aufschrift 
»Hannes  und  Michel«  mundartliche  Gedichte  und  Erzählungen  für  das  Unter- 
haltungsblatt des   »Frankenthaler  Tageblatts«. 

Mittheilung  verschiedener  Einblattdrucke  und  handschriftlicher  Poeme,  samrot  Zeitungs- 
nachrufen durch  Lehrer  Hnr.  Krebs  namens  der  Familie  an  mich.  Vgl.  »Pfälzische  Lehrerxtg.« 
1898  Nr.  39,  Nr.  40,  Nr.  44  u.  45:  »G.  L.  K.  Ein  Lebensbild  von  A.  Fuchs«;  »Zeitbilder«, 
Sonntgsblg.  z.  »Pfalz.  Presse«  VII  Nr.  35  (mit  Bild.);  »Frankenthaler Tagebl.«  v.  16.  8.  1898. 
Brummer  Lex.  dtsch.  Dchtr.  d.  19.  Jhrh.  H  342  f. 

Ludwig  Fränkel. 

Hesse^  Bernhard,  Dr.  th.,  Grossh.  Sachs.  General-Superintendent  und 
Wirkl.  Geheimer  Rath,  *  15.  März  181 8  zu  Reinswalde  bei  Sorau  in  der 
Niederlausitz,  f  i.  Oct.   1898  zu  Weimar. 

H.  entstammt  der  kindergesegneten  Familie  des  Cantors  uud  Land- 
Schullehrers  H. ;  er  war  der  dritte  von  sechs  Söhnen,  neben  denen  noch 
eine  Tochter  im  Elternhause  waltete.  Der  Vater,  ein  umsichtiger  und  tüchtiger 
Lehrer,  der  seine  Schülerzahl  von  fast  250  Köpfen  mit  Hilfe  seiner  Söhne 
und  einiger  befähigter  Schüler  vorzüglich  zu  leiten  wusste,  bereitete,  obwohl 
ihm  selbst  keine  Gymnasialbildung  zu  Theil  geworden  und  er  daher  durch 
eigenen  Unterricht  sich  die  nöthigen  Kenntnisse  erst  erwerben  musste,  vier 
seiner  Söhne,  darunter  auch  Bernhard,  so  weit  vor,  dass  sie  beim  Eintritt  in 
das  Gymnasium  die  Reife  für  die  Tertia  mitbrachten.  Bernhard  bezog  1832 
das  Gymnasium  in  Sorau;  um  seinem  Vater  die  Sorge  zu  seinem  Unterhalt  zu 
erleichtern,  ertheilte  er  jüngeren  Mitschülern  Unterricht  oft  drei  Stunden  am 
Tage.  Gleichwohl  konnte  er  bereits  nach  fünfjährigem  Besuch  die  An- 
stalt Ostern  1837  mit  dem  Reifezeugniss  ersten  Grades  verlassen.  Er  be- 
stimmte sich  dem  Studium  der  Theologie;  wie  er  selbst  sagt,  war  dabei  die 
Ueberzeugung,  dass  dieses  wohl  den  geringsten  Kostenaufwand  erfordern 
würde,  von  grösserem  Einfluss  als  eine  Kenntniss  der  verschiedenen  Berufs- 
arten und  dadurch  erzeugte  Vorliebe  für  die  eine  oder  andere.  Aber  seine 
intensive  Beschäftigung  mit  dieser  Wissenschaft,  die  in  verschiedenen  Arbeiten 
in  dem  theologischen  Seminar  und  durch  Lösung  von  Preisaufgaben  zum 
Ausdruck  kam,  erhöhte  in  ihm  bald  die  Lust  und  Liebe  zu  diesem  Studium. 
Nach  einem  halbjährigen  Aufenthalte  in  Halle,  wo  er  bei  Tholuck,  Gesenius, 
Rüdiger  und  Erdmann  hörte  und  namentlich  von  dem  Erstgenannten  mannig- 
fache Förderung  erfuhr,  bezog  er  die  Universität  Breslau  und  absolvirte  da- 
selbst das  akademische  Triennium.  Hier  war  es  namentlich  David  Schulz, 
der  seinen  Ueberzeugungen,  ja  seinem  ganzen  Leben  die  Richtung  gab: 
Schulz*  Auffassung  vom  Christenthum,  die  frei  von  aller  Buchstabengläubig- 
keit in  den  Geist  des  Evangeliums  und  der  Bekenntnissschriften  einzudringen 
suchte,  befreite  ihn  bald  von  allen  Schwankungen,  welcher  theologischen 
Partei  H.  sich  anschliessen  sollte;  er  ist  ein  fester  Anhänger  der  freien 
Richtung  geblieben.  Nach  Beendigung  des  Studiums  weilte  H.  mehr  als 
sechs  Jahre  hindurch  als  Hauslehrer  im  Hause  des  Barons  v.  Zedlitz-Leipa; 
1841  beziehungsweise  1842    legte    er  die   Prüfungen   pro   venia   concionandi 


2^8  Hesse. 

und  pro  ministerio  ab.  Im  Jahre  1844  erfolgte  seine  Wahl  in  die  dritte 
Predigerstelle  zu  Hirschberg.  Aber  das  damals  für  die  evangelische  Landes- 
kirche Preussens  gültige  Ordinationsformular  heischte  die  Verpflichtung  auf 
die  symbolischen  Bücher.  Diese  war  der  junge  Geistliche,  weil  mit  seinen 
Ueberzeugungen  unvereinbar,  entschlossen,  nicht  auf  sich  zu  nehmen,  obgleich 
die  Weigerung  gleichbedeutend  gewesen  sein  würde  mit  dem  Verzicht  auf  das 
Amt.  Die  schwere  Prüfung  blieb  ihm  indessen  erspart:  die  Ordination  er- 
folgte 1846  in  ungewöhnlicher  Form  durch  die  Beschränkung  der  Verpflich- 
tung auf  die  reine  Lehre  Jesu.  Er  konnte  daher  die  Stelle  in  Hirschberg 
antreten,  in  der  er  12  Jahre,  bis  1858,  verblieb,  nicht  ohne  Kämpfe,  denn 
wiederholt  kam  er  wegen  seiner  freien  Richtung  in  CoUisionen  mit  den  geist- 
lichen Vorgesetzten;  er  bestand  sie,  ohne  seiner  Ueberzeugung  etwas  zu  ver- 
geben. Auch  bei  seiner  1858  erfolgten  Wahl  zum  Diaconus  der  Haupt-  und 
Stadt-Pfarrkirche  zu  St.  Bernhardin  in  Breslau  gab  seine  Gastpredigt  der 
kirchlichen  Behörde  Anstoss;  das  Consistorium  versagte  die  Bestätigung  und 
auf  den  seitens  des  Magistrats  eingelegten  Rekurs  bei  dem  Oberkirchenrath 
wurde  H.  von  diesem  zu  einer  schriftlichen  Auslassung  über  die  anstössigen 
Punkte  seiner  Predigt  aufgefordert,  namentlich  Über  das,  was  er  unter  dem 
heiligen  Geiste  verstehe,  was  er  von  dem  natürlichen  Zustande  des  Menschen, 
der  Sünde  und  ihrem  Verderben  halte,  über  die  Lehre  von  der  Rechtfertigung 
und  über  seine  Ansicht  über  die  Person  des  Teufels.  H.  vertrat  eingehend 
und  fest  seinen  Standpunkt,  und  der  Oberkirchenrath  entschied,  dass,  obwohl 
in  seinen  Auslassungen  manche  Abweichungen  von  der  Kirchenlehre  zu  er- 
kennen seien,  das  positive  Christenthum  soweit  zu  seinem  Rechte  gelange, 
dass  von  einer  Verweigerung  der  Bestätigung  Abstand  zu  nehmen  sei.  H.'s 
Amtsthätigkeit  in  Breslau,  zunächst  als  Diacon,  seit  1867  als  Probst  zum 
heiligen  Geist  und  Pastor  von  St.  Benihardin,  Mitglied  des  städtischen  Con- 
sistoriums  und  städtischer  Schulinspector  umfasste  die  Jahre  von  1858  bis 
1872.  Neben  einer  eifrigen  Bethätigung  auf  dem  Gebiete  der  Seelsorge,  die 
zumal  während  der  Cholera-Epidemie  des  Jahres  1866  besondere  Anforderungen 
an  ihn  stellte,  ward  H.  auch  durch  die  politischen  Vorgänge  der  Zeit  in  An- 
spruch genommen,  namentlich  durch  die  von  der  constitutionellen  Partei  ein- 
geleitete Bewegung  gegen  die  preussischen  Schulregulative  von  1854  und  zu 
Gunsten  eines  Unterrichtsgesetzes.  Aus  seiner  Feder  stammte  die  von  den 
Anhängern  dieser  Partei  in  Breslau  1860  an  das  Abgeordnetenhaus  gerichtete 
Position.  Auch  das  Verhältniss  zur  katholischen  Kirche  nahm  seine  besondere 
Aufmerksamkeit  in  Anspruch;  namentlich  galt  es  auf  dem  Gebiete  der  ge- 
mischten Ehe  manche  Kämpfe  zu  bestehen.  Einen  schönen  und  für  beide 
Theile  ehrenvollen  Erfolg  hatte  H.  in  seiner  Bemühung,  dass  in  den  katho- 
lischen Krankenpflegeanstalten,  die  im  räumlichen  Bereich  seiner  Gemeinde 
lagen  und  die  Kranke  beider  Confessionen  aufnahmen,  den  Evangelischen  die 
von  ihm  beschafften  evangelischen  Andachts-  und  Erbauungsbücher  aus- 
gehändigt wurden,  sodass  er  sie  bei  seinen  Besuchen  in  den  rechten  (Gebrauch 
genommen  fand. 

Eine  Anregung,  sich  um  die  Dompredigerstelle  in  Bremen  zu  bewerben, 
hatte  H.  1866  abgelehnt,  da  die  in  Breslau  Seitens  des  Magistrats  und  seiner 
Gemeinde  bei  ihm  gethanen  Schritte  ihm  zeigten,  dass  man  ihn  nur  ungern 
ziehen  lassen  werde.  Aber  als  Ostern  1872  die  Aufforderung  kam,  das  Amt 
des  ersten  Landesgeistlichen  im  Grossherzogthum  Sachsen,  als  Oberhofprediger, 
Oberpfarrer,  erstes    geistliches  Mitglied    des   Kirchenraths    und   Director    der 


Hesse.     Reinwald. 


239 


Waisenanstalt  zu  übernehmen,  an  der  Stelle  zu  wirken,  an  der  einst  Herder 
und  später  Röhr  gewirkt  hatten,  glaubte  er  einem  solchen  Rufe  folgen  zu 
sollen.  Das  weimarische  Kirchenregiment  stand  durchaus  auf  dem  Boden 
der  freien  Richtung;  Conflicte  waren  daher  ausgeschlossen.  Vor  Allem  aber 
öffnete  sich  dort  Aussicht  auf  eingreifende  Theilnahme  an  die  Gestaltung  und 
Entwickelung  der  Landeskirche.  Denn  in  Weimar,  wo  er  nach  der  Trennung 
von  Breslau,  die  unter  ehrendsten  Zeichen  der  Theilnahme  erfolgte,  am  14.  Juli 
1872  eintraf,  war  die  Einftlhrung  einer  Synodal-Ordnung  in  Aussicht  ge- 
nommen. Nachdem  H.  mit  den  Aufgaben  seiner  ausgedehnten  Thätigkeit, 
zu  denen  auch  die  Leitung  der  theologischen  Prüfungen  gehörte,  vertraut  ge- 
worden, erfolgte  die  Ausgestaltung  der  Kirchenverfassung  durch  die  Synodal- 
Ordnung  von  1874;  an  den  Arbeiten  der  Synoden  selbst  und  der  Aus- 
führung der  von  ihr  gegebenen  Gesetze  auf  allen  Gebieten  des  kirchlichen 
Lebens  hat  H.  einen  seiner  Stellung  und  Persönlichkeit  entsprechenden 
bedeutenden  Antheil  genommen.  Auch  auf  dem  Gebiete  des  Gemeindelebens 
und  der  inneren  Mission  entwickelte  er  vielfach  eine  theils  das  Vorhandene 
fördernde,  theils  Neues  schaffende  Thätigkeit.  Ueber  die  Grenzen  des 
weimarischen  Landes  hinaus  erschloss  sich  ihm  eine  grössere  Thätigkeit  ein- 
mal durch  die  Zugehörigkeit  der  evangelischen  Kirche  in  Luxemburg  zum 
weimarischen  Kirchenregiment,  die  erst  1890  nach  Loslösung  Luxemburgs 
von  den  Niederlanden  gelöst  ward,  vor  Allem  durch  die  1884  in  Weimar 
unter  H.'s  Leitung  erfolgte  Gründung  und  Weiterführung  des  evangelisch- 
l)rotestantischen  Missionsvereins  vornehmlich  für  Japan,  China  und  Indien, 
über  den  der  Grossherzog  von  Sachsen  das  Protectorat  übernahm,  wie  denn 
auch  die  in  Tokio  geschlossene  evangelische  Gemeinde  dem*  weimarischen 
Kirchenregimen te  unterstellt  ward.  Durch  die  damit  verbundenen  Arbeiten 
erfuhr  der  Geschäftskreis  H.'s  selbstverständlich  eine  nicht  unwesentliche  Er- 
weiterung. Ebenso  nahm  er  lebhaften  Antheil  an  dem  Gustav-Adolf  Verein 
und  dem  evangelischen  Bunde  in  Thüringen. 

Nach  mehr  als  23  jähriger  Thätigkeit  in  Weimar  und  fast  50  jährigem 
Wirken  im  geistlichen  Amt  überhaupt,  trat  er  December  1895  in  den  Ruhe- 
stand, in  mannigfachster  Weise  geehrt  durch  Kundgebungen  der  Kirchen- 
behörden und  seiner  Amtsbrtider;  vom  Grossherzog  ward  er  am  50.  Jahres- 
tage seines  Eintritts  in  den  Kirchendienst  —  14.  August  1896  —  zum  Wirkl. 
Geh.-Rath  ernannt.     Er  starb  im  81.  Lebensjahre. 

Als  wissenschaftlicher  Schriftsteller  hat  H.  sich  nicht  bethätigt.  Veröffentlicht  sind 
von  ihm  »Fest-  und  Zeit-Predigten«  (1875),  die  der  Breslauer  Zeit  angehören  und  »Predigten 
und  Festreden  bei  besonderen  Veranlassungen  in  den  Jahren  1883— 1888  in  Weimar  ge- 
bähen«  (1889),  ein  »Leitfaden  zum  Confirmationsunterricht«  (1882),  sowie  sein  in  der 
constituirenden  Versammlung  des  Allg.  £v.  Protest.  Missions-Vereins  gehaltener  Vortrag 
(»8  Missionsvorträge«  1884).  Im  Jahre  1897  gab  er  heraus:  »Erinnerungen  aus  dem  amt- 
lichen Wirken  des  Wirkl.  Geh.-Raths  B.  Hesse,  Dr.  th.«.  Diese  Schrift  hat  für  unseren 
Artikel  wesentlich  als  Quelle  gedient. 

P.  V.  Bojanowski. 

Reinwald,  Joh.  Mich.  Gustav,  Pfarrer  und  Lokalhistoriker,  ♦  16.  März  1837 
als  Müllerssohn  zur  Heckenmühle  bei  Diesbach  unweit  Rothenburg  o.  d.  Tauber, 
t3o.  September  1898  zu  Lindau.  Erst  nach  der  Confirmation  ins  Gymnasium  ge- 
treten, studirte  er  ^859 — 63  in  Erlangen  und  Halle  protestantische  Theologie, 
daneben  mit  Vorliebe  die  philologisch-historischen  Fächer.  Vom  Pfarrverweser 
in  Pfuhl  und  bayrischen  Militärseelsorger  im  benachbarten  Ulm  wurde  er  1864 


240 


Reinwald.     Floerke. 


Pfarrvicar  in  Lindau,  1866  Pfarradjunct  und  Subrector  der  Lateinschule  da- 
selbst, war  1870/71  als  (Ober-)Diacon  im  französischen  Kriege  mit,  1880 
wurde  er  zweiter  protestantischer  Stadtpfarrer,  auch  Religionslehrer  der  beiden 
höheren  Lehranstalten,  dann  noch  Capitelssenior.  R.  hat  als  Bibliothekar 
und  aufopfernder  Archivar,  sowie  als  sorgsamer  Stadtchronist  von  Lindau, 
dazu  als  Vorstand  des  von  ihm  gegründeten  städtischen  Museums  Vereins  da- 
selbst, sich  um  das  geistige  Leben  dieser  seiner  zweiten  Heimath,  deren  Schul- 
und  Kirchendienst  er  sich  eifrig  widmete,  ungewöhnliche  Verdienste  erworben. 
Die  Stadt  verlieh  ihm  1891  beim  25jährigen  Amtsjubiläum  das  Ehrenbürger- 
recht  und  betrauerte  den  freundlichen,  rastlosen,  stets  hüfbereiten  Mann  wie 
hunderte  einzelne  den  Seelsorger,  den  Lehrer,  den  Forscher.  Als  Mitbegründer, 
langjähriger  erster  Secretär,  Vicepräsident  und  seit  1869  Redacteur  der 
Schriften  des  »Vereins  für  Geschichte  des  Bodensees  und  seiner  Umgebung«, 
leistete  er  als  Sammler  und  Verarbeiter  versteckten  oder  versprengten  Materials, 
als  Anreger  und  Organisator  gar  viel  und  schuf  den  betreffenden  Lokal-  und 
Territorialstudien  feste  Grundlagen.  Als  ständiger  Inhaber  obgenannter  Aemter 
musste  R.  alljährlich  Einleitung  und  Vorbericht  (auch  noch  im  1899  er  Heft 
nach  seinem  Tode)  zu  den  Vereinsschriften  abfassen;  ferner  enthalten  ausser 
dem  3.,  5.,  8. — 11.,  15.,  18.,  19.  alle  26  von  ihm  redigirten  Jahreshefte  der 
»Schriften«  Artikel,  dazu  Aufsätze  anderer  ergänzende  oder  bessernde  An- 
merkungen von  ihm.  Hervorzuheben  ist  im  12.  Hefte  R.'s  Vortrag  {1881) 
»Vom  Reichstage  in  Lindau  1496 — 97«,  wozu  eine  fesselnde,  geschichtliche 
Umschau  durch  die  Stadt  Lindau  beigegeben  ist,  gleichzeitig  Abhandlung  der 
von  ihm  damals  geleiteten  Lateinschule.  Unter  der  letzteren  Programmen 
gab  er  noch  1876 — 80  einen  Rückblick  über  die  Anstalt  von  Anfang  bis  1806 
und  »Aus  der  Stadtbibliothek  in  Lindau;  Beiträge  zur  Geschichte  der  Cie- 
schlechter  und  des  Bürgerthums«.  Joh.  Meyer  und  Chrn.  Kittler  übernehmen 
die  Herausgabe  von  des  Verblichenen  hinterlassenen  Arbeiten. 

»Lindauer  Tagbl.«  v.  i.  u.  4.  Oct.  1898;  »Lindauer  Volks-Ztg.«  v.  9.  und  11.  Oct. 
(A.  B.  V.  S.,  »Die  Verdienste  des  f  Stadtpfarrers  G.  R,  um  die  Geschichte  Lindaus«);  ein- 
gehend »Das  Bayerland«  1899  Nr.  4,  S.  47  (mit  Bild);  kurz:  »Münchn.  Nst.  Nachr.«  5.  Octb. 
Vorabendblatt  S.  4,  Augsbg.  Abdztg.  Nr.  269;  »Schwab.  Merkur«  Nr.  229,  Etliche  dieser 
Nekrologe  bot  die  Familie  durch  R.'s  Sohn,  Gymnasialassistent  Th.  Reinwald,  mir  dnr. 
Als  Beispiel  seiner  steten  bibliothekarischen  Hilfsbereitschaft  s.  A.  Englcrt  i.  d.  »Ztschr. 
des  Vereins  f.  Volkskunde«  VI,  1896,  S.  299.  Ausführliche  Biographie  im  »Korrespondenz- 
blatt des  Gesammtvereins  der  dtsch.  Geschichts-  und  Alterthumsvereine«  47  (1899),  S.  12 — 15 

von  E.  Graf  Zeppelin.  t     j     •      i^    ••     i      1 

^^  Ludwig  Frankel. 

Floerke,  Gustav,  Kunsthistoriker  und  Schriftsteller,  *  4.  August  1846  zu 
Rostock,  f  ebendaselbst  15.  November  1898.  Sohn  eines  Senators,  studirte 
er  in  Rostock,  Jena,  Berlin,  München  anfangs  Jurisprudenz,  dann  aber  bei 
seinem  engsten  Landsmann  Friedrich  P>ggers  in  Berlin,  Kunstgeschichte.  Nach 
der  Promotion  in  seiner  Vaterstadt  trat  er  in  München  als  Mitglied  des 
Dichterclubs  »Crocodil«  mit  J.  Grosse,  Lingg,  Heyse,  W.  Hertz  in  Verkehr. 
Als  Vicefeldwebel  im  30.  norddeutschen  Infanterieregiment  in  Frankreich, 
schickte  er  interessante  Brief  berichte  —  gesammelt  als  »Von  unsern  Truppen 
im  Felde«  (187 1)  —  heim.  Seitdem  lebte  er  in  Rom  kunstgeschichtlichen 
Studien  und  als  Feuilletonist  für  die  »Neue  Freie  Presse«,  ^ Gegenwart« 
u.  A.  1873  —  79  war  er  Professor  der  Kunstwissenschaften  und  Secretär 
der  Grossherzogl.  Kunstschule  zu  Weimar,  lebte  darauf,  mit  Arnold  Böcklin 
befreundet,    mehrere  Jahre    in  Florenz    und  Zürich  und   1886 — 94  als    freier 


Floerke.     l^eo. 


241 


Litterat  wieder  in  München,  seitdem  in  der  Geburtsstadt.  —  Ausser  fesselnden 
Kunstaufsätzen  hat  F.  anziehende  Bücher  über  Italien  geliefert.  »Das  Märchen 
von  den  sieben  Raben«  (1874)  hat  Moritz  v.  Schwind  illustrirt,  Fs.'  Erzählung 
in  Versen  »Schwarze  Bilder  aus  Rom  und  der  Campagna«  von  demselben 
Jahre  Fritz  Schulze.  1878  dichtete  er  für  Weimar  das  Gelegenheits-Festspiel 
»Lustiges  Mirakelstück  von  der  Malerei.«  Die  beiden  Bücher  »Die  Insel  der 
Sirenen.  Capresische  Dorfgeschichten«  (1879)  »Italisches  Leben.  Geschichten 
und  Abenteuer  aus  alten  Skizzenbüchern«  (1890)  und  »Sommerläden.  Hunds- 
tage in  Italien«  (1896),  sind  ein  Mittelding  zwischen  volkspsychologischer 
Skizze  und  Novelle,  ganz  letzteres  »Die  Volskerin«  (1886).  In  den  letzten 
Jahren  ruhte  seine  gewandte  Feder  fast  ganz,  so  wie  er  sich  von  wei- 
tem, auch  früheren  Beziehungen  zurückgezogen  hatte  (so  meinte  ihn  die 
Todtenliste  in  den  »Berichten  des  Freien  deutschen  Hochstiftes  zu  Frank- 
furt a.  M.«  N.  F.  XV  175,  im  Jahre  1898  noch  in  München  wohnhaft  ge- 
wesen). 

BrUmmcr,  »Lex.  d.  dtsch.  Dichter  u.  Pros.  d.  19.  Jhrli.«  4  I  367;  Kürschners  Litteratur- 
kalender;  238.  Beilage  zur  Allgem.  Ztg.  1898,  S.  8.     Nekrologische  Notizen  in  Zeitungen. 

Ludwig  Fränkel. 

Leo,  Friedrich  August,  Dichter,  Shakespeareforscher  upd  Uebersetzer, 
*  6.  December  1820  in  Warschau,  f  30.  Juni  1898  auf  der  Sommerreise  zu 
Glion  am  Genfersee.  Von  jüdischen  Eltern,  die  bald  nach  seiner  Geburt  nach 
Deutschland  übersiedelten,  verleugnete  er,  nach  des  mittellosen  Vaters  Tode 
(in  L.'s  4.  Jahre)  mit  der  Mutter  evangelisch  getauft,  die  Abkunft  nie,  leitete 
vielmehr  mancherlei  Gefühle  und  Gedanken  später  davon  her.  So  hat  er 
dann  nach  siebenjähriger  Kampf-  und  Wartezeit  Elisabeth  Friedländer,  eine 
Tochter  von  Heinrich  Heines  Base  und  Jugendliebe  Amalie,  ebenfalls  von 
doppelt  jüdischem  Ursprünge  und  im  Protestantismus  aufgewachsen,  ge- 
heirathet  und  mit  ihr,  trotz  allen  äusseren  Glanzes  aristokratischer  Geselligkeit 
und  Gastfreundschaft,  eine  ungemein  glückliche  Ehe  fast  alttestamentlichen  Stils 
geführt.  So  brach  er  auf  Anlass  von  Richard  Wagners  Schrift  »Das  Judenthum 
in  der  Musik«  in  mehreren  Artikeln  der  »Vossischen  Zeitung<v  eine  Lanze  für  das 
Judenthum,  dem  er  sich  innerlich  bis  zuletzt  zuzurechnen  liebte.  L.  fand  Erziehung 
im  Hause  seines  Vormunds,  des  Präsidenten  der  Seehandlung  Bloch,  Schwagers 
der  Mutter,  zu  Berlin,  welcher  Stadt  er  dann  fast  das  ganze  Leben  angehört 
hat.  Hier  bildeten  sich  seine  regen  geselligen  Gaben,  auch  die  Neigung  für 
Gelegenheitsdichtung,  für  theatralisches  Schaffen  und  Insceniren  kräftig  aus, 
und  daneben  kamen  in  Realschule  und  Studium  seine  hervorragenden  Talente 
zu  kurz.  Noch  nach  wohlgelungenen  Leistungen  schalten  ihn  lange  nachher 
Stubengelehrte  einen  Dilettanten,  und  noch  den  Greis  bekümmerte  es,  sein 
Können  und  Wissen  verzettelt  zu  haben.  Er  erlernte  den  Buchhandel  bei 
Besser  0etzt  Wilh.  Hertz)  in  Berlin,  trat  dann  in  ein  Leipziger  Geschäft,  das 
ihm  seine  Filiale  in  Teplitz  anvertraute,  endlich  in  die  Host' sehe  Buchhand- 
lung zu  Kopenhagen.  Hier  tauschte  der  des  materiellen  Berufs  Ueberdrüssige, 
schon  in  Leipzig  litterarischen  Kreisen  genähert  und  journalistischer  Debütant, 
wohl  unter  dem  Eindrucke  des  Verkehrs  mit  H.  Chr.  Andersen  und  Henrik 
Hertz  die  Schriftstellerei  ein.  Zurückgekehrt,  machte  er  mit  26  Jahren  das 
Abiturientenexamen  und  studirte  wider  des  Onkels  Willen,  somit  auf  Feder  und 
Unterricht  angewiesen,  in  Leipzig,  wo  er  auch  Dr.  phil.  wurde.  Seit  1846 
schriftstellerte  er  als  Uebersetzer,  Publicist  und  selbstständiger  Dichter   eifrig 

Blogr.  Jabrb.  n.  Deatteher  Nekrolog.    3.  Bd.  l5 


242 


Leo. 


und  gelangte  1854  durch  die  genannte  Vermählung  nicht  nur  in  glänzende 
Verhältnisse,  die  ihn  jeglicher  Sorge  enthoben  und  seinen  litterarischen  Lieb- 
habereien freien  Spielraum  Hessen,  sondern  auch  in  ausgesuchte  gesell- 
schaftliche Beziehungen.  Vielseitig  hat  er,  angesehen  und  persönlich  ganz  un- 
abhängig, an  vier  Jahrzehnte  gewirkt,  bis  ihm  die  einzige,  über  alles  theure 
Tochter  und  kurz  danach  die  geliebte  Gattin  gestorben  und  sich  der  betagte, 
doch  durchaus  rüstige  Mann  der  Verwendung  des  grossen  Vermögens  zu 
idealen  Verfügungen  hingab.  Das  Testament  setzte  zum  Haupterben  die 
Stadt  Berlin,  der  er  lange  als,  treu  der  freisinnigen  Sache  ergebener,  Stadt- 
verordneter, zumal  in  Schul-  und  Wohlfahrtsausschüssen,  auch  in  dem  Asyl- 
Verein  für  Obdachlose  und  in  dem  für  Volksbäder,  gedient  hatte,  für  humani- 
täre Zwecke  ein,  besonders  zur  Ausbreitung  und  Ausgestaltung  von  Volks- 
bibliotheken mit  einem  Jedermann  täglich  zugänglichen  Lesesaal  (vgl.  seine 
Flugschrift  »Volksbibliotheken  in  England«  1896).  Ferner  bedachte  er 
die  »Deutsche  Shakespeare-Gesellschaft«,  deren  emsiges  Mitglied,  auch  im 
Vorstande,  er  seit  der  Gründung  1864  gewesen,  mit  einer  beträchtlichen 
Stiftung,  sowie  seiner  umfänglichen  Shakespeare -Bücherei.  Seit  Jahren  trug 
er  den,  vom  Weimarer  Grossherzog  verliehenen,  Professor-Titel. 

Als  freischöpferischer  Belletrist  war  L.  insbesondere  lyrisch  thätig.    Seine 
»Gedichte«,  wohl  bis  vor   1843   hinaufreichend,   1870    gesammelt,   1872    und 
1886    vermehrt    aufgelegt    —    eine    4.   erweiterte    Ausgabe    verhinderte    der 
Tod   —   zeigen    Gewandtheit   und   Fülle,    Maass   in  Form,    Gedanke    (Sinn- 
sprüche)   und    Stimmung    (Halbballaden).      Als  Virtuosen    der    Gelegenheits- 
poesie bekundeten   ihn    z.  B.   die  1890,   1893,   1896   vertraulich   dargebotene 
»Reimchronik    der    Fraktion    der     Linken«    der    Berliner    Stadtverordneten- 
versammlung und  die  vielen  Lieder  des  »Meisters  vom  Stuhl«  zu  Freimaurer- 
festen.     L.'s  Freunde   erstaunte   1893    das    reizende    kinderkundige    Büchlein 
»Von    vielen    kleinen  Siebensachen,  die    Euren   Eltern    Sorge   machen«,    mit 
Zeichnungen  von  Wold.  Friedrich  (2.  Aufl.   1895).     1875  erschien  ein  kleines 
und    frisches  Lustspiel    in    2  Acten    »Ein  Hochverräther« ,   unter   dem   meta- 
thetischen  Pseudonym   Aug.  Olfer,  als   Bühnenmanuscript,  wie  1876  der  ein- 
fache,  knappe    einactige  Schwank,    frei    nach   dem  (?)  italienischen  Originale 
»Ein  Genie.<.     Seit    dem   Aufenthalte    in    Kopenhagen    hatte   sich   L.    nach- 
drücklich mit  den  skandinavischen  Sprachen  und  Litteraturen  beschäftigt  und, 
vornehmlich  aus  dem  Dänischen,  fleissig  und  gut  verdeutscht.     U.  a.  Henrik 
Hertz  »Kong   Rends  Datter«    mit   andauerndem   Erfolge   (seit    1846  über  ein 
Dutzend   Auflagen),    desselben    »Svend    Dyrings   Hus«    (1848),    ausser    diesen 
Dramen    mancherlei    von    Hertz'   Vorbild    Joh.    Lud.   Heiberg,    z.  B.    dessen 
apokalyptische  Comödie  »Eine  Seele  nach  dem  Todee  (1861),  mit  charakteri- 
sirender  Vorrede.   1856  agitirte  er  dafür,  die  berühmte  Handschrift  von  Ulfilas 
gothischer  Bibel  in  Upsala  photolithographisch  zu  vervielfältigen.     Die  Durch- 
führung zerschlug  sich  trotz  L.'s  Opferwilligkeit   an  den  durch  Subscribenten 
nicht    gedeckten    Kosten    und     seine    63    ergebnissreichen    (vgl.   L.'s    Artikel 
»Eine  Lesart  im  Codex  Argenteus  ,  Ztschr.  f.  vergleichende  Sprachforschung  VI, 
193  —  201)  Glasplatten   warten    in   der  Kgl.  Bibliothek   zu  Berlin  noch  heute 
der  Auferstehung.     Nordgermanische   Union    und    eine    Deutschlands    befür- 
wortet  das   Heft   »Deutsche  Einflüsse   in  Dänemark«   (1862),  ein  Vortrag  wie 
»Das  Weib  in  der  Gesellschaft«  (1881),  wo  seine  milde  Art  mit  geschichtlichen 
und  psychologischen  Gründen  vermittelt. 

Ti.'s  Theilnahme  und  Arbeit  gehörte  aber  seit  1853  in  erster  Linie  Shakc- 


Leo.     Unkart. 


243 


speare.  Indem  er  den  britischen  Dichterfürsten  menschlich  und  ästhetisch 
verehrte  und  verschiedene  Probleme  der  Shakespeare-Forschung  auch  philo- 
logisch in  Angriff  nahm,  hat  er  durch  eine  Reihe  eigener  Untersuchungen 
und  textkritische  Glossen,  durch  Drucklegung  wichtiger  Documente,  durch 
feinfühlige  Uebersetzungen,  durch  Anzeigen  und  Anregungen  anderer,  nament- 
lich auch  durch  die  seit  1879  »im  Auftrage«  besorgte  Redaction  des  »Jahr- 
buchs der  deutschen  Shakespeare-Gesellschaft  (XV — XXXIV)  unser  Wissen  und 
Verständniss  des  gewaltigen  Genius  vielseitig  gefördert.    Das  Wichtigste  davon: 

»Beiträge  und  Verbesserungen  zu  Shakespeares  Dramen  nach  handschriftlichen 
Aenderungen  in  einem  von  Collier  aufgefundenen  Exemplare  der  Folio- Ausgabe  von  1632 
für  den  deutschen  Text  bearbeitet«  (1853);  »Die  Dcliusschc  Kritik  der  von  Collier  auf- 
gefundenen alten  handschriftlichen  Emendationen  zum  Shakespeare  gewürdigt«  (1853); 
»Shakespeares  Coriolanus.  Die  Deliussche  Ausgabe  dieser  Tragödie  kritisch  beleuchtet« 
(i86i);  »Die  neue  englische  Textkritik  des  Shakespeare«  (Jhrbch.  I,  1864);  »W.  Shake- 
speare's  Coriolanus.  Edited  .  .  .«  (1864);  »Shakespeares  Frauen-Ideale«  (1869);  »Shake- 
speares Antonius  und  Cleopatra.  Auf  Grundlage  der  Tieckschen  Uebersetzung  neu  be- 
arbeitet und  für  die  Bühne  neu  eingerichtet«  (1870;  vgl.  K.  Frenzel,  Berliner  Dramaturgie, 
I  256—264);  »Shakespeares  Macbeth,  neu  übersetzt«  (mit  bedeutsamer  Einleitung,  1871; 
in  der  Neubearbeitung  des  Schlegel-Tieckschen  Uebersetzungswerks  der  Dtsch.  Sh.-Gsllsch. 
XII,  163  ff.);  »Four  chapter's  of  Norths  Plutarch  ...  as  sources  to  Shakespeare's  tragedies 
Coriolanus,  Julius  Caesar,  Antony  and  Cleopatra  and  partly  to  Hamlet  and  Timon  of 
Athens«  (1878);  »Shakespeare,  das  Volk  und  die  Narren«  (Jhrbch.  XV,  1880);  »Be- 
merkungen über  neue  Textausgaben  (ebd.);  »Shakespeares  Ovid  etc.«  (Jhrbch.  XVI,  1881); 
»Eine  Concordanz  der  Shakespeare-Noten«  (Jhrbch.  XX,  1885);  »Verzeichniss  noch  zu  er- 
klärender oder  noch  zu  emendirender  Text-Lesarten«  (ebd.);  »Shakespeare-Notes«  (1885); 
»Hilfsmittel  bei  Untersuchungen  über  Shakespeares  Sonette«  (Jhrbch.  XXIII,  1888); 
»Parallel-Zühlung  der  Globe  Edition  und  ersten  Folio«  (ebd.);  »Shakespeare  und  Goethe« 
(Jhrbch.  XXIV,  1889);  »Rückblick  auf  das  25  jährige  Bestehen  der  Deutschen  Shakespeare- 
Gesellschaft«  (ebd.);  »Rosenkrantz  und  Guldenstern«  (Jhrbch.  XXV,  1890);  »Geflügelte 
Worte  und  volksthUmlich  gewordene  Aussprüche  aus  Shakespeares  dramatischen  Werken 
zusammengestellt«  (Jhrbch.  XXVII,  1892);  »Kuno  Fischers  Hamlet«  (Jhrbch.  XXVIII,  1897). 
L.s  vielen  kleinere  Notizen,  Miscellen,  Referate,  Nekrologe  verzeichnen  die  Register  des 
»Jahrbuchs«,  dessen  periodisch  erneuertes  General-Register,  auch  der  Catalog  der  Bibliothek 
der  »Dtsch.  Sh.-Ges.«  Shakespeares  Sonette  18,  40,  71,  76  sind  verdeutscht  in  Leos 
»Gedichten«,  2.  Aufl.  S.  226—229,  in  der  3.  noch  weitere. 

Persönliche  Eindrücke.  Mittheilungen,  besonders  Leoscher  Schriften,  seitens  Frl.  He- 
lene Bril,  die  treu  und  verständnissvoll  dem  Wittwer  zur  Seite  stand  und  das  Hauswesen 
leitete.  Sorgfältiger  Nekrolog  von  seinem  langjährigen  Freunde  Albert  Cohn,  Shakespeare- 
Jbrbch.  XXXV  (davor  Bildniss)  281—294.     Notizen  der  Berliner  Zeitungsblätter  nach  dem 

'r^*^*-  Ludwig  Fränkel. 

Unkart,  Gustav,  kaufmännischer  Organisator,  *  25.  Juli  1842  zu  Leob- 
schtitz,  f  22.  Februar  1898  zu  Hamburg.  Sohn  eines  Pfarrers,  wuchs  er  zu 
Neuhaus  bei  Sonneberg  i.  Th.  auf,  ist  aber  durch  die  vielen  Arbeitsjahre, 
die  er  in  der  grossen  Handelsmetropole  an  der  Elbemündung  zugebracht  hat, 
und  die  umfängliche  einschneidende  Wirksamkeit  zu  Gunsten  der  dortigen 
Geschäftswelt  ganz  Hamburger  geworden.  1870  wurde  U.  in  die  »Verwaltung« 
(d.  i.  Vorstand)  des  »Vereins  für  Handlungscommis  von  1858  in  Hamburg« 
dem  er  sieben  Jahre  als  Mitglied  angehört  hatte,  gewählt.  Der  Verein  zählte 
damals  3000  Mitglieder,  eine  für  jene  Zeit  bemerkliche  Ziffer.  Bis  zu  U.'s  Tode 
war  diese  auf  55  000  gestiegen;  ausser  dem  allgemeinen  merkantilen  Auf- 
schwünge und  den  günstigen  Zeitverhältnissen  hauptsächlich  durch  U.'s  un- 
ablässige energische  Thätigkeit.  Denn  in  den  22  Jahren,  während  deren  er 
den  Vorsitz  geführt  hat,  entwickelte  sich  der  Hamburger  Verein  zum  grössten 
kaufmännischen  Institut    der  Erde,    an    den  unter  Zurechnung  seiner    Zweig- 

i6* 


244 


Unkart.     Heerklotz. 


gründungen  nur  wenige  menschliche  Genossenschaften  an  Mitgliederzahl  und 
Ausdehnung  des  Wirkungskreises  heranreichen.  Er  betrieb  zuerst  die  Stellen- 
vermittlung in  weitesten  Linien  und  zeigte  damit  einen  glatten  Weg,  der  prak- 
tischen Socialpolitik  des  Staates  mit  positiver  Hilfe  unter  die  Arme  zu  greifen.  Alle 
verwandten  Oegenseitigkeits-Unternehmungen  des  deutschen  Kaufmannsstandes 
lehnen  sich  daran  an.  Die  Pensionskasse  des  Hamburger  Vereins,  dessgleichen 
den  andern  Muster,  besass  bei  U.'s  Ableben  an  7000  Mitglieder  und  4V,  Mill. 
Mark  Vermögen.  In  dieser  vorbildlichen  Organisation,  die  ihre  Grösse  und 
Vollkommenheit  zum  besten  Theile  ihm  verdankt,  concentrirte  sich  sein 
Denken  und  Streben,  ruhte  und  nährte  sich  seine  Kraft.  Aber  U.'s  Umblick 
zog  auch  die  Tausende  von  Handelsangestellten  ins  Bereich  seiner  Sorge, 
die  nicht  dem  Hamburger  Verein  angegliedert  oder  ähnlich  zusammengefasst 
waren.  Sein  Werk  wird  fortdauern,  in  seinem  Sinne  wachsend,  und  eine 
»Unkart-Stiftung«    für  bedürftige  Handelsbeflissene    seinen  Namen  verewigen. 

Nachruf  (mit  Bildniss  nach  einer  Hamburger  Photographie)  von  A.  M.  i.  d.  »Garten- 
laube«  1898,  Nr.  17,  Beilage.     Nekrologe  in  den  Hamburger  Tageszeitungen. 

Ludwig  Fränkel. 

Heerklotz,  Adolf,  Politiker  und  Erzähler,  *  13.  Juni  1823  in  Bömchen 
bei  Oederan  im  Vogtld.  (der  Vater  Carl  Gottlob  war  Steiger  auf  der  nahen 
Orube  Johannes),  f  31.  (oder  30?)  Januar  1898  zu  Dresden.  Nach  Absol- 
virung  des  Gymnasiums  zu  Freiberg,  wohin  der  Vater  als  Obersteiger  ver- 
setzt worden,  besuchte  er,  vom  Studium  der  Bergwissenschaften  auf  der 
Freiberger  Akademie  schnell  abgekommen,  1844  —  47  als  Philolog  und 
Theolog  (dies  gab  er  später  auQ  die  Universität  Leipzig.  25  Jahre  alt 
wurde  H.  nach  dem  Staatsexamen  an  der  Realschule  zu  Annaberg  ange- 
stellt. Wie  fast  die  ganze  gebildete  Jugend  zog  ihn  die  damalige  Frei- 
heitsströmung in  ihren  Bann,  und  als  feuriger,  alle  begeisternder  Redner, 
zumal  als  Obmann  des  demokratischen  »Vaterlandsvereins«  für  Buchholz 
und  Annaberg,  spielte  er  eine  eindrucks-,  ihm  verhängnissvolle  Rolle. 
1849  rückte  er  beim  Ausbruche  des  Aufstandes  an  der  Spitze  von  Frei- 
schärlern nach  Dresden,  wurde  nach  Niederwerfung  der  Revolution  im 
Mai  1849  ^"  Annaberg  verhaftet  und  mit  Hitzschold,  Haustein,  Götz  und 
Stützner  auf  Schloss  Wolkenstein  internirt.  Wie  diese  entging  er  lang- 
jähriger Zuchthausstrafe  nach  einem  halben  Jahre  durch  die  Flucht.  Er 
schlug  sich  nach  Brüssel  durch  und  wirkte  da  mehrere  Jahre  als  Lehrer  der 
französischen  und  englischen  Sprache,  als  Privatdocent  an  der  Universität,  so- 
wie als  Schriftsteller.  Nach  dreijähriger,  ihn  nicht  befriedigender  Thätigkeit 
als  Professor  an  der  Akademie  zu  Lausanne  (1854 — 57)  lebte  er  wieder  in 
Brüssel  und  kehrte  1864  nach  der  General amnestie  ins  Heimathland  zurück. 
Er  fand  in  Dresden,  am  damals  weitberühmten  Dr.  Krauseschen  Institut  eine 
Lehrerstelle,  nach  dessen  Auflösung  aber  fristete  er  durch  neusprachlichen 
Unterricht  und  etwas  Schriftstellerei  nothdürftig  sein  Dasein.  1895  erst 
wandelten  sich  die  materiellen  Sorgen  des  bescheidenen,  längst  schwer  augen- 
leidenden Mannes  in  traute  liebe  Pflege  durch  Aufnahme  in  das  »Günzstift<^ 
der  Stadt  Dresden,  wo  er  arm,  aber  hochgeachtet  starb.  —  Ausser  in  Mit- 
arbeit an  wissenschaftlichen  Blättern  —  seine  Betrachtungen  über  die  Odyssee 
z.  B.  errangen  viel  Anerkennung  —  bekundete  sich  sein  hochstrebender  Geist 
mannigfach  belletristisch.  Insbesondere  sind  zu  erwähnen:  das  romantische 
Epos  »Janthe.     Episode  aus  dem  Tscherkessen-Kriege«  (Meissen  1858),  eine 


Hecrklotz.     Pirazzi.  245 

mit  Zugrundelegung  geschichtlicher  Angaben  in  Bodenstedts   »Die  Völker  des 

Kaukasus«  in  Ottave  Rime  geschriebene  Liebes-  und  Heldenhistorie  von  1841; 

»Ein  Frühling.      Novelle«    (Brüssel  und  Ostende  1861,  H.'s  Vater  gewidmet), 

ein    etwas    sentimental -sensationell    behandeltes    modernes    Abenteuer    vom 

Genfersee;  »Wallonisch  und  vlämisch.     Novelle«  (ebd.   1862),  wie  die  vorige 

aus  selbstgeschautem  Milieu  erwachsen,  Scenen  aus  dem  Belgien  des  vorigen 

Menschenalters,    leicht    zur   Dorfgeschichte    ansetzend,    etwas   weichlich    wie 

>Ein  Frühling«,  aber  auch  glatt  und  höchst  gewählt  stilisirt,    wie  alles,  was 

wir  von  H.  kennen.    Selbstständige  Bücher  Hess  er  sonst  nicht  drucken. 

Originalmittheilungen    des  Gatten    der  Schwester  H.,    die  1857-58  das  Exil   mit  ihm 

theilte,  Oberpostsccretär  C.  C.  Meyer  in  Dresden.    Notiz  i.  d.  Todtenschau  der  »lllustrirten 

Ztg.«   Nr.  2850  V.  10.  Febr.  1898,  S.  162;  kurzer  Artikel,  sichtlich  authentisch  i.  »Leipzg. 

Tagebl.«   Nr.  61  v.  4.  Febr.  1898,  4.  Big.,   S.  888.     Ein  Nekrolog  i.  d.  »Deutschen  Wacht« 

(Dresden)  blieb  mir  unzugänglich.  _.       ,     .      t-    ..     1     1 

^  **  Ludwig  Frankel. 

Pirazzi,  Emil,  politisch-religiöser  Publicist  und  Dramatiker,  *  3.  August 
1832  zu  Offenbach,  f  ebd.  8.  Januar  1898.  Enkel  eines  Piemontesen, 
(iründers  der  noch  bestehenden  P'irma  G.  Pirazzi  und  Söhne  zu  Offenbach, 
und  Sohn  von  Joseph  P.  (1799 — 1868),  der  sich  in  den  Dreissigern  und 
Vierzigern  durch  lyrische  Veröffentlichungen  in  Tagesblättern,  besonders  aber 
1845  durch  Begründung  der  ersten  deutschkatholischen  CJemeinde  Südwest- 
deutschlands in  Offenbach  (Schrift  P.'s  darüber  1895)  bekannt  machte.  Früh 
ins  Geschäft  der  Familie,  dessen  Theil-  und  Inhaber  er  später  ward,  ein- 
getreten, reiste  er  185 1  zur  Londoner  Weltausstellung,  1856-57  nach  Griechen- 
land und  Aegypten  mit  dem  berühmten  Ethnologen  Ad.  Bastian,  zurück  über 
Süd-Italien  und  -Frankreich,  1861-62  nach  Florenz  und  Rom.  Die  ersten 
Gedichte,  Platensche  Sonette,  schrieb  P.  während  einer  Cur,  Herbst  1851. 
In  die  Oeffentlichkeit  trat  er  zuerst  mit  einem  Vorspiel  zum  50.  Todestage 
Schillers,  9.  Mai  1855,  das  im  Berliner  Opernhause  von  Auguste  Crelinger 
und  anderwärts  vorgetragen  wurde,  dann  bei  der  Offenbacher  Feier  von  Schillers 
100.  Geburtstage  1859,  (wo  auch  ein  Hymnus  seines  Vaters,  gedruckt  Schiller- 
Denkmal«,  1860,  II  273  f.,  gesungen  wurde)  mit  der  Festrede.  Seitdem  war  P. 
im  öffentlichen  Leben  unermüdlich  thätig.  Seine  nachdrückliche  Theilnahme 
an  Entstehung  und  Ausbreitung  des  »National Vereins«  1859-60  zog  ihm  eine 
kurze  Gelängnissstrafe  zu.  1855  hatte  er  in  seiner  Vaterstadt  einen  Zweig- 
verein der  Schillerstiftung  begründet,  1858  rief  er  die  »Freireligiöse  Stiftung« 
mit  ins  Leben,  1861  den  »Deutschen  Schützenbund«  unter  der  Aegide 
Ernsts  von  Coburg-Gotha.  1864  und  1865  trat  er  zuerst  activ  politisch  auf, 
mit  einer  zweimaligen  litterarischen  Kundgebung  für  die  Schleswig-Holsteincr. 
1872  bekämpfte  er  mit  selbstgesammelten  »Stimmen  des  Mittelalters  wider 
die  Päpste  und  ihr  weltliches  Reich«  die  römische  Kirche.  Bei  allen  politischen 
Wahlen  seiner  Heimath  betheihgte  sich  P.  rege,  in  nationalliberaler,  anli- 
sotialischer  Richtung.  Um  seine  Geburtsstadt  hat  er  sich  auch  durch  die 
urkundlich  sorgsamen  »Bilder  und  Geschichten  aus  Offenbachs  Vergangen- 
heit« (Festschrift  zur  i.  hess.  Landesgewerbeausstellung  1879)  verdient  gemacht; 
über  ein  Drittel  handelt  nach  localen  Quellen  über  Goethes  Beziehungen  zu 
LiH  und  Offenbacher  Freunden.  —  Als  Dichter  war  P.  vorzugsweise  Drama- 
tiker; seine  Stücke,  deren  bedeutendstes  (Gottschall,  D.  dtsch.  Nationallitter. 
5.  Aufl.,  IV,  82)  >^Rienzi  der  Tribun <s  (1873),  verzeichnet  authentisch  Kürschners 
Utteraturkalen   der   (zuletzt  XX,   1898,  S.  1007)  mit  den  wichtigsten  übrigen 


2a6  Pirazzi.     Bingmann.     Böttcher. 

Schriften:    darunter    die    lyrisch -epische    Hauptsammlung    »Im    Herbste    des 
Lebens«   (1888)  und  freireligiöse  Agitationsschriften. 

Kurzer  Abriss  bei  Brummer,  »Lex.  dtsch.  Dichter  11.  Pros.  d.  19.  Jhrh.«  4  III  225. 
Zahlreiche  Zeitungsnotizen  unmittelbar  nach  dem  Tode  (ausführlicher  Nekrolog  »Offen- 
bacher Zeitung«  v.  10.  i.  1S98,  Nr.  7,  Feuilleton  von  rn),  mir  nebst  den  Schriften  meist 
durch  die  Wittwe  zugänglich,  desgleichen  eine  handschriftliche  »(auto)biographische  Skizze« 
von  1887.  Zum  Drama  »Gräfin  Chateaubrian«,  vgl.  F.  Wehl,  15  Jahre  Stuttgarter  Hof- 
theaterleitung, S.  539 — 542. 

Ludwig  Fränkel. 

Bingmann,  C.  F.,  Superintendent  der  Hessischen  lutherischen  Freikirche, 
*  22.  Februar  1822  in  Oberrossbach,  f  16.  Februar  1898  in  Höchst  a.  d.  Nidda 
Ein  Sohn    der  rauhen    oberhessischen  Berge    hat  B.  Zeit  seines  Lebens,  von 
Anfang    seiner    geistlichen  Thätigkeit    im  Sturmjahre   1848    an  bis  zu  seinem 
Ableben    als    Haupt    und    Superintendent    der     »lutherischen    Freikirche    in 
hessischen  Landen«,   das    Heil    und    Ideal    wahren    Christenthums    in    einem 
Lutherthum    gesucht  und  mit  glühendem  Eifer  vertreten,  dem  in  zähem  und 
starrem   Festhalten    an    rechtgläubiger    »Reinheit«    der  Lehre    nichts    so  ver- 
abscheuungswürdig  erscheint,  als  wie  der  Anschluss  an  die  friedlichen  Einheits- 
gedanken und  -Ordnungen  einer  landeskirchlichen  »Union«.     Schon  m  seinen 
ersten  Jahren,    als    er  1849  eben  Pfarrer  in  Höchst  an  der  Nidda  im  Bezirk 
Wiesbaden  geworden   war,    rief   er    mit    gleichgerichteten  Parteifreunden    die 
»lutherische  Einigung«,  einen  Bruderbund  streng  lutherisch  gesinnter  Geistlicher 
und  Laien  ins  Leben.     Nach  der  Annexion  Hessens  durch  Preussen  trieb  er 
den  Widerstand    gegen    die  unirte  Kirchenverfassung  zum  Aeussersten.    Nach 
mehrfacher  Suspension  von  Amt  und  Gehalt  erfolgte  endlich  am  25.  Juni  1875 
seine  Absetzung  wegen    Renitenz    gegen  die  neue  kirchliche  Verfassung  vom 
6.  Januar  1874.     Ein  Theil  der  Gemeinde  hielt  aber  an  ihm  fest  und  wurde 
von    ihm    ruhig  weiter    bedient.     Dass   er  wiederholt  wegen  unbefugter  Aus- 
übung von  Amtshandlungen    zur    Rechenschaft    gezogen    wurde,    konnte    ihn 
weiter  nicht  beirren.     Endlich  wurde  es  ihm  unmöglich  gemacht,    in  Höchst 
noch  eine  Wohnung  zu  finden.     So  zog  er  nach  dem  etwa  eine  Stunde  ent- 
fernten Dorfe  Stammheim    und    seine  Getreuen   kamen,  wenn   geistliche  Ver- 
richtungen vorlagen,    nach  wie  vor    zu   ihm.     Nach  10  Jahren  hatten  sie    es 
durch  ihre  Opferwilligkeit    und    brüderliche  Beihülfe  von  Aussen  so  weit  ge- 
bracht,   dass    ein    eignes  Pfarrhaus    und    eine  eigene  neue  Kirche  in  Höchst 
dem  Ausgesperrten  sich  aufthat.     So  kehrte  B.  im  Winter  1885  nach  Höchst 
zurück,  um  von  hier  aus  die  Leitung  der  gesammten,  sowohl  im  Grossherzog- 
thum    als    in  Kurhessen    bestehenden  altlutherischen  F'reigemeinden  weiterzu- 
führen, bezw.  neu  zu  übernehmen.     1877   war  er  von  den  ersteren  zu   ihrem 
Superintendenten   erwählt  worden;   1893    unterstellten    sich  ihm  die  letzteren 
und  bildeten  nun,  unter  ihm  oberhirtlich  zusammengeschlossen  »die  lutherische 
Freikirche  in  hessischen  Landen«.    Auch  im  hohen  Alter  noch  ungebeugt  und 
bekennerfreudig  wurde  er  kurz  vor  seinem  F^in tritt  ins  77.  Lebensjahr  seinem 
kämpfereichen  Leben  durch  den  Tod  entrissen. 

Kohlschmidt. 

Böttcher,  Karl  Julius,  Pastor  emer.,  *  11.  Mai  1831  in  Dresden, 
f  12.  März  1898  in  Niederlössnitz.  B.  begann  seine  geistliche  Laufbahn 
1858  als  Diaconus  in  Reichenbach  in  der  sächsischen  Kreishauptmannschaft 
Zwickau.      In    den  Kämpfen    der    sächsischen    Landeskirche    um    die    Abre- 


Böttcher.    .Ciaassen. 


247 


niintiationsformel  im  Taufritus:  P'ntsagest  Du  dem  Teufel  etc.  trat  er  als 
eifriger  Vertheidiger  ihrer  Beibehaltung  hervor,  »von  vielen  verlästert  und 
fast  von  allen  verlassen^«.  1865  übernahm  er  sodann  das  Pfarramt  in  Tannen- 
berg bei  Geyer,  von  wo  er  aber  bereits  1868  nach  Riesa  im  Dresdener  Bezirk 
übersiedelte.  Doch  auch  hier  kam  es  bald  zu  erbitterten  Kämpfen  zwischen 
ihm  und  dem  Kirchenvorstand,  die  erst  mit  seinem  Weggang  (1876)  nach 
Sachsenburg,  wohin  er  als  Pastor  und  Anstaltsgeistlicher  berufen  wurde,  ein 
Ende  nahmen.  B.  war  langjähriger  Redacteur  des  freilutherischen  »Pilger 
aus  Sachsen«,  der  unter  seiner  Leitung  zu  einem  vielgelesenen  Organ  des 
sächsischen  Lutherthums  emporgedieh.  Auch  wird  ein  zusammenfassendes 
Werk  von  ihm  über  die  deutschen  evangelischen  Kirchen  »Germania  sacra« 
als  werthvoll  gerühmt. 

»Ev.  luth.  Kirchenzeitung«  189S  Nr.  13,  »Sachs.  Kirchen-  u.  Schulblatt«  1898. 

Kohlschmidt. 

Ciaassen,  Johannes,  ♦  24.  October  1835  in  Königsberg  i.  Pr.,  f  Q.April 
1898  in  Calw.  Ein  litterarisch  ungemein  productives  Leben  hat  mit  dem 
Tode  des  bekannten  Theosophen  und  Herausgebers  des  »Calwer  Bibellexicons« 
C.  (Pseudonym:  Clara vallensis,  auch  Clarissa)  seinen  Abschluss  erreicht.  Be- 
reits seine  ersten  Publicationen  aus  dem  Jahre  1866  »Tragie  und  Triumph« 
und  ^Staat  und  Erziehungswesen«  verrathen  den  Probleme  suchenden  und 
religiös-ethisch  sie  vertiefenden  Geist.  Sein  erstes  und  eigentliches  Haupt- 
werk ist  seine  »Philosophie  der  Freiheit.  Eine  Weltanschauung  im  Lichte 
der  Wahrheit«  (Gtitersloh  1877,  Bertelsmann),  die  er  1887  in  IL  Auflage  er- 
scheinen Hess.  Zu  den  praktisch-kirchlichen  und  sittlichen  Fragen  der  Zeit 
nahm  er  das  Wort  in  seinen  Abhandlungen  »Der  Dom,  der  Kirchenbau  und 
die  Geisteskirche«  (1880),  der  vielgelesenen,  unter  obengenanntem  Pseudonym 
herausgegebenen  Broschüre  »Die  sechs  Giftbäume  im  deutschen  Felde  und 
der  Lebensbaum«  (1881),  einem  Essay  »Kunst  und  Schauspiel«  (1883),  seiner 
Kritik  »Die  drei  Grundschäden  der  evangelischen  Landeskirchen  und  der  Weg 
zu  ihrer  Heilung  (1886),  sein  Aufruf  »Reinheit,  Einheit!«  (1887),  endlich 
unter  dem  gleichen  Pseudonym  Claravallensis  eine  recht  kräftige  und  heftige 
theologische  Polemik  gegen  Albrecht  Ritschi  »Die  falschmünzerische  Theologie 
A.  Ritschis  und  die  christliche  Wahrheit«  (1891). 

Ein  dankenswerthes  Verdienst  hat  er  sich  unstreitig  weiter  erworben  durch 
die  Herausgabe  und  Bearbeitung  der  W^erke  Jacob  Boehmes,  des  Görlitzer 
Schuster-Theosophen  (1886/7),  sowie  der  des  »Magus  des  Nordens«  Hamann 
(IL  Aufl.  1888)  und  des  französischen  Theosophen  Louis  Claude  de  St.  Martin, 
(1891),  indem  er  mit  der  Wiedergabe  ihrer  Werke  immer  eine  Darstellung 
ihres  Lebens,  ihrer  Entwicklung  und  Bedeutung  im  Zusammenhang  ihrer 
Zeit  und  für  Heute  verband.  Ebenso  gab  er  eine  zweibändige  Bearbeitung 
von  »Franz  von  Baaders  Leben  und  theosophischen  Werken  als  Inbegriff 
christlicher  Philosophie.  Vollständiger  Auszug  in  geordneten  Einzelsätzen« 
heraus  (1886/7),  und  ferner,  als  besonderes  Schriftchen,  aus  sämmtlichen 
Schriften  des  Münchener  Naturtheosophen  ausgezogen  > Franz  von  Baaders 
Gedanken  über  Staat  und  Gesellschaft,  Revolution  und  Reform«  (1890). 
Schätzbare  Beiträge  zur  Litteraturgeschichte  aus  seiner  Feder  sind  die  Mono- 
graphien «Annette  von  Droste-Hülshoff  (1879,  ^^-  Aufl.  1883),  »Lessings  Leben, 
Theologie  und  Philosophie  (1881),  »Dantes  Leben  und  Liebe«  (1882), 
»Bogatzkys    Leben    und    Lieder    (1888).     In    eigenen    poetisch-prophetischen 


248  Ciaassen.    Förster. 

Stimmen  hat  er  seiner  Natur-  und  Weltanschauung  Ausdruck  gegeben  —  nach 
den  dichterischen  Anfängen  1873  —  75  »Lilienkranz<',  » Wüstenähren <v,  »Unver- 
klungen«  —  in  seiner  Abhandlung  »Siebenfältige  Natur-Betrachtung«  (1884) 
und  insbesondere  eingehend  in  den  Dichtungen  »Schöpfungsharfe«  (1893) 
»Himmelsschlüssel«  (1895),  in  dem  dreigetheilten  »Schöpfungsspiegel«  (1896/7), 
der  die  Welt  von  Licht  und  Farben,  der  Kräfte  und  Elemente,  der  Pflanzen 
zusammenschauen  und  durch  sie  hindurchschauen  lassen  will  zur  theosophischen 
Einheit  in  Gott.  Seine  letzten  Dichtungen,  in  denen  die  Töne  seiner  jungen 
Jahre  widerklingen,  er  aber  doch  sich  bereits  auf  den  Abschied  einrichtet, 
sind  die  »Leidensblumen«  (1896)  und^  die  »Heimathsstimmen«  (1897).  Speciell 
biblische  Themen  sind  von  ihm  im  gleichen  Geiste  behandelt  in  den  »Sieben 
Sendschreiben  der  Oflfenbarung  St.  Johannis  und  die  Kirchengeschichte« 
(1889)  und  in  seinem  letzten  Werke  »Das  Evangelium  nach  Johannes.  Ein- 
leitung. Erstes  Capitel  erläutert«  (1897).  Mag  auch  das  Meiste  von  seinen 
Werken  vom  Strome  der  Zeit  im  neuen  Jahrhundert  hinw^ggespült  sein,  seine 
fleissigen  monographischen  Reproductionen  und  vor  Allem  sein  Bibellexicon 
werden  sicher  in  Vieler  Hände  bleiben. 

Kohlschmidt. 

Förster,  Theodor,  Superintendent,  Oberpfarrer  und  Professor,  Dr.  theol., 
♦28.  Januar  1839  in  Lützen,  f  28.  August  1898  in  Halle  a.  S.  F.  entstammte 
einem  alten  Pfarrergeschlecht,  das  durch  6  Generationen  hindurch  in  ununter- 
brochener Linie  der  deutsch -evangelischen  Kirche  Sachsens  manch  wackeren 
Diener  gegeben  hat.  Doch  ist  wohl  bei  keinem  seiner  Vorväter  die  Lebensarbeit 
so  vielseitig  gewesen  und  der  frühe  Tod  noch  in  der  Fülle  der  Mannesjahre  so 
viel  betrauert  worden,  als  das  Hinscheiden  des  Hallenser  Superintendenten 
und  Professors,  dem  es  doch  vergönnt  war,  über  30  Jahre  —  und  ein  Viertel- 
jahrhundert in  leitender  Stellung  —  mit  reichen  Gaben  des  Geistes  und 
Charakters  seiner  Kirche  zu  dienen.  Nach  Abschluss  seines  Studiums  und 
weiterer  Vorbereitung  für  den  mit  begeisterter  Liebe  erwählten  Lebensberuf 
trat  er  1866  als  Prediger  und  Inspector  am  Domcandidatenstift  in  Berlin  ins 
geistliche  Amt  ein.  1869  übernahm  er  die  Stelle  eines  Archidiaconus  in  dem 
freundlichen  Städtchen  Stolberg  am  Südharz.  1872  erfolgte  seine  Berufung 
als  Pfarrer  und  Superintendent  in  Grossjena  bei  Naumburg,  1877  sein  Eintritt 
in  die  Stadtgeistlichkeit  von  Halle,  zunächst  als  Diaconus,  von  1880  an  als 
Oberpfarrer  an  der  Marienkirche  und  Stadtsuperintendent.  Zugleich  wurde 
ihm  als  Kreisschulinspector  die  Aufsicht  über  das  Schulwesen  der  Ephorie 
übertragen,  und  er  verstand  es,  mit  all  diesen  in  vorbildlicher  Pflichttreue 
verwalteten  Aemtern  auch  noch  eine  fruchtbare  akademische  Lehrthätigkeit  zu 
verbinden,  zu  der  ihm  durch  die  Ernennung  zum  ausserordentlichen  Professor 
die  Gelegenheit  gegeben  ward.  Unter  seiner  Leitung  als  Vorsitzender  des 
Kirchbauvereins  ist  Halle  um  zwei  neue  Kirchen,  das  Stephanus-  und  Johannes- 
kirchspiel, bereichert  worden;  die  Gründung  einer  dritten  Parochie,  zu 
St.  Paulus,  hat  er  noch  in  seinen  letzten  Jahren  angebahnt.  Was  er  durch 
geistvoll  packende  Predigten  und  in  unermüdlicher  Seelsorge,  insbesondere 
auch  in  Fürsorge  für  die  heranwachsende  Jugend  und  ihre  religiöse  Erziehung, 
zur  Hebung  des  Gemeindelebens  seiner  Heimathsstadt  beigetragen,  was  er 
w^eit  über  deren  Kreis  hinaus  als  einer  der  Führer  der  evangelischen  Mittel- 
partei am  kirchenpolitischen  Leben  seiner  Provinzialkirche  und  der  preussischen 
Landeskirche    mitgearbeitet    hat,    was    ihm    als    thatkräftigem    Mitgliede    des 


Förster. 


249 


Evangelischen  Bundes  und  des  Gustav  Adolph-Vereins  mitzuhelfen  vergönnt 
war ,  was  von  ihm  auch  der  gelehrten  Welt  durch  eine  reiche  Reihe  tüchtiger 
historischer  und  praktischer  Veröffentlichungen  geboten  worden  ist,  dem  ist 
bei  seinem  Ableben  in  ergreifenden  Nachrufen  dankbarer  Ausdruck  verliehen 
worden.  Eine  Aufzählung  seiner  zahlreichen  litterarischen  Arbeiten  wenigstens 
darf  doch  auch  hier  nicht  fehlen.  Eröffnet  wurden  sie  1865  mit  einer  Disser- 
tation »De  doctrinaDionysüMagni«,  der  1869  eine  Centenarschrift  zum  Gedächtniss 
des  reformfreundlichen  Papstes  Clemens'  XIV.  »Eine  Papstwahl  vor  100  Jahren« 
folgte.  Dasselbe  Jahr  brachte  noch  eine  verdienstliche  Arbeit  über  den  ersten 
der  grossen  griechischen  Kirchenväter,  Chrysostomus,  aus  seiner  Feder.  In 
einerweiteren,  1874  folgenden  Monographie  »Drei  Erzbischöfe  vor  1000  Jahren« 
brachte  er  die  drei  kraftvollen  fränkischen  Kirchenfürsten  und  Vorkämpfer 
für  kirchliche  Reform  und  nationale  Selbstständigkeit  gegen  römisch-päpstliche 
Arroganz  und  Idololatrie:  Claudius  von  Turin,  Agobard  von  Lyon  und 
Hinkmar  von  Rheims  zu  lebensvoller  Darstellung.  Mit  welcher  Antheilnahme 
er  auch  die  innerkatholische  romfreie  Bewegung  der  Gegenwart  verfolgte, 
bezeugt  ein  werthvoller  Aufsatz  in  den  »Deutsch-evangelischen  Blättern«  von 
1879  über  »Die  gegenwärtige  Lage  des  deutschen  Altkatholicismus.»  Eines 
seiner  wissenschaftlich  bedeutendsten  Werke  ist  die  »Darstellung  des  Lebens 
und  Wirkens  des  Bischofs  Ambrosius  von  Mailand«  (1884),  das  ihm  die  Er- 
nennung zum  Dr.  theol.  hon.  causa  von  der  Hallenser  Facultät  eintrug.  1887 
und  1892  gab  er  »Evangelische  Predigten,  eine  Gabe  für  die  Gemeinde«  her- 
aus, denen  sich  1895  »Neue  Predigten  über  das  Vaterunser«  unter  dem  Titel 
»Ihr  sollt  mein  Antlitz  suchen«  anschlössen.  Das  Jahr  1891  wurde  ihm  Anlass 
zu  einer  geschichtlich  wohlorientirten  polemischen  Broschüre  gegen  »Den 
Heiligen  Rock  von  Trier«  und  1895  behandelte  er  »Luthers  Wartburgjahr« 
nach  seiner  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  deutschen  Reformation  und 
die  Entwicklung  des  werdenden  Reformators. 

Von  dem,  was  er  für  die  Bereicherung  des  evangelischen  Religionsunter- 
richts in  Schule  und  Kirche  gewollt  und  geleistet  hat,  giebt  das  gemeinsam 
mit  Falke  von  ihm  bearbeitete  Religionsbuch  für  evangelische  Schulen«,  das 
1897  die  9.  Auflage  erlebte,  und  wohlausgewählte  »60  Geschichten  aus  dem 
Alten  Testament  für  Sonntagsschulen«  (1896)  Zeugniss.  In  den  Beyschlag'schen 
»Deutsch-evangelischen  Blättern«,  unter  deren  eifrigsten  Mitarbeitern  er  zählte, 
hat  er  nicht  selten  und  immer  massvoll  besonnen  und  gewichtig  zu  den 
zeitbewegenden  theologischen  und  kirchlichen  Tagesfragen  das  Wort  ge- 
nommen. Ausser  der  bereits  genannten  Arbeit  über  den  Altkatholicismus 
notiren  wir  sein  Votum  über  »Bedeutung  und  Gebrauch  des  apostolischen 
Bekenntnisses  im  Cultus«,  »Vier  Jahre  Culturkampf«,  »Ein  Capitel  preussischer 
Kirchenpolitik«,  »Katholische  und  evangelische  Heidenmission«,  »Land  und 
Staat  in  ihrem  Verhältniss  zum  geistlichen  Amt«.  Wie  auch  den  ausser- 
deutschen  kirchlichen  Dingen  sein  dauerndes  Interesse  zugewendet  war,  ist 
zu  ersehen  aus  den  Aufsätzen  »Die  theologisch-kirchliche  Entwickelung  in 
der  Schweiz  in  den  letzten  50  Jahren«  und  »Die  römisch-katholische  Kirche 
in  den  Niederlanden«  (im  Anschluss  an  Nippolds  gleichnamiges  Werk).  Aus 
der  Vergangenheit  für  die  Gegenwart  zu  lernen  und  zu  lehren,  ist  er  in  den 
Beiträgen  »Zur  Kirchengeschichte  des  18.  Jahrhunderts«  und  »Joseph  II.  und 
Pius  VI«  bemüht.  —  Erst  nach  langem  qualvollem  Leiden  hat  der  Tod 
diesem  vielthätigen  Leben  ein  Ziel  gesetzt. 

Vgl.  xHallesche  Zeitung«  1898  Nr.  401—405.  Kohlschmidt. 


250 


Goeschen.     Nitzsch. 


Goeschen  Adolph,  Generalsuperintendent,  Dr.  theol.,  *  am  20.  Februar 
1803  in  Königsberg,  f  am  27.  März  1898  in  Harburg.  Seine  Kindheit  und  Jugend 
verlebte  G.  in  Berlin  in  vielbewegter  Zeit,  in  der  die  Stürme  der  Freiheitskriege 
unvergesslich  an  dem  Gemüth  des  zehnjährigen  Knaben  vorüberzogen.  Zum 
Studium  der  Theologie  bezog  er  jedoch  die  Hannover'sche  Landesuniversität 
Göttingen,  wo  derzeit  der  jüngere  Planck  als  Exeget,  Stäudlin  als  Ethiker 
und  Eichhorn  als  Vertreter  der  Orientalia  das  Erbe  des  alten  Rationalismus 
mit  neuem  Geist  zu  beleben  verstanden.  23 jährig  empfing  G.  die  Ordination; 
in  den  nächsten  3  Jahren  (1827  — 1829)  war  er  als  Repetent  am  Göttinger 
Stifte  thätig  und  wurde  von  da  als  Anstaltsgeistlicher  an  das  Zuchthaus  in 
Celle  versetzt.  Hier  erwuchs  ihm  eine  besonders  schwierige  Aufgabe  gegen- 
über einer  grösseren  Anzahl  Hannover'scher  Beamten,  die  wegen  ihrer 
Opposition  gegen  die  vom  König  Ernst  August  vollzogene  Aufhebung  des 
Staatsgrundzehntes  dort  inhaftirt  waren.  Doch  hat  er  der  hieraus  erwachsenden 
eigenartigen  seelsorgerlichen  und  gesellschaftlichen  Pflichten  sich  getreulich 
angenommen  und  mit  viel  Geschick  und  Tact  entledigt.  Auch  hat  die  von 
Elisabeth  Fry  getragene  und  ihm  persönlich  von  ihr  selbst  bei  einem  Besuche 
in  Celle  nahe  gebrachte  Bewegung  zur  Fürsorge  für  Strafgefangene  und  ent- 
lassene Sträflinge  an  ihm  einen  warmen  Freund  und  Förderer  gefunden;  wie 
er  auch  die  damals  in  Deutschland  noch  wenig  vertretene  Sache  der  Heiden- 
mission durch  öffentliche  Vorträge  zu  heben  suchte.  1856  führte  ihn  sodann 
eine  ehrenvolle  Berufung  als  Generalsuperintendent  des  alten  Fürstenthums 
Lüneburg  und  Harburg  Dannenbergischen  Theils  nach  Harburg.  GÖttingen  ehrte 
ihn  dabei  durch  Verleihung  der  theologischen  Doctorwürde.  Nahezu  30  Jahre 
lang  hat  er  da  in  Segen .  gewirkt  und  sich  in  seinem  milden  und  doch  ent- 
schiedenen Character  viel  Liebe  und  Anerkennung  erworben.  82  Jahre  alt 
trat  er  endlich  bei  der  Neuorganisation  der  Hannover'schen  Kirchenbehörden 
im  Jahre  1885  in  wohlverdienten  Ruhestand,  blieb  aber  auch  von  da  an 
noch  als  Mitarbeiter  seines  in  Harburg  als  Landrath  thätigen  Sohnes  bei 
Erledigung  von  Kirchen-  und  Schulsachen  gerne  und  sachkundig  mitbetheiligt. 
Ein  sanfter  Tod  hat  seinem  Leben  das  Ende  gebracht. 

»Allg.  Ev.  luth.  Kirchenzeitg.«   1898,  No.   14. 

Kohlschmidt. 

• 

Nitzsch,  Friedrich  August  Berthold,  Professor,  Dr.  theol.,  *  19.  Februar 
1832  in  Bonn,  f  21.  December  1898  in  Kiel.  Der  Sohn  eines  als  Theolog 
wie  als  Kirchenmann  gleich  berühmten  und  hochgeachteten  Vaters,  schien  N. 
antänglich  doch  durchaus  nicht  das  schon  vom  Grossvater  her  überkommene 
Erbe  seines  gelehrten  theologischen  Hauses  übernehmen  zu  wollen.  Nach 
einer  lebhaft  angeregten  poesievollen  Jugend  in  der  rheinischen  Universität- 
stadt Bonn  und  ihrer  herrlichen  Umgebung,  wo  er  bis  zu  seinem  15.  Jahre 
inmitten  einer  Welt  voll  geistiger  Interessen  und  geistvoller  PersönUchkeiten 
aufwuchs,  war  er  entschlossen,  nachdem  er  mit  der  Uebersiedelung  seines 
Vaters  nach  Berlin  verpflanzt  war,  beim  Uebergang  in  das  akademische 
Studium  zunächst  der  Philologie  sich  zu  widmen.  Er  hörte  bei  Trendelenburg, 
Boeckh  und  Ranke  philosophische  und  historische  Collegien.  Doch  wusste  auch 
sein  Vater  den  jungen  vielseitig  emi)länglichen  Studenten  an  seinen  Hörsaal 
zu  fesseln.  Als  er  im  3.  Semester  nach  Halle  ging,  war  er  für  das 
theologische  Studium  gewonnen.  Neben  Tholuck  haben  dort  Hupfeld,  Julius 
Müller  und  Thilo  die  betretene  Bahn  ihn  weiter  geführt.     Nach  2  Semestern 


Nitzsch. 


251 


kehrte  er  nach  Berlin  zurück,  um  hier  unter  Hengstenberg,  Vatke  und  der 
Leitung  seines  Vaters,  so  heterogen  diese  Persönlichkeiten  waren,  getreulich 
und  fleissig  weiter  zu  arbeiten.  Dass  er  dabei  das  Interesse  für  das  humanistisch- 
historische Gebiet  nicht  verlor,  bezeugen  seine  ernsten  Studien,  denen  er  bei 
Curtius  oblag.  Als  eine  erfrischende  Bereicherung  schlössen  sich  zwei  Studien- 
semester in  seiner  lieben  rheinischen  Vaterstadt  an,  wo  Bleek  und  Steinmayer, 
Rothe  und  Ritschi  einen  verständnissvollen  Jünger  an  ihm  fanden,  ins- 
besondere Rothe  mit  seinen  feinsinnigen  Vorlesungen  über  Ethik  und  das 
Leben  Jesu,  Ritschi  mit  der  umfassenden  Art  seines  dogmatischen  Con- 
versatoriums.  Brandis  und  der  geistig  bewegte  Kreis  um  ihn  sorgten  für 
seine  Ideale  im  Reich  des  Schönen.  Weiter  folgten  zwei  Semester  in  Berlin, 
die  nun  dem  Abschluss  seiner  akademischen  Lehrjahre  galten.  1855  bestand 
er  die  theologische  Candidatenprüfung  und  übernahm  bald  danach  als  Colla- 
borator  am  Grauen  Kloster  in  Berlin  sein  erstes  vorbereitendes  geistliches  Amt. 
Doch  nur  für  ein  Jahr.  Seine  Veranlagung  wie  seine  vielseitige  Bildung  drängte 
ihn  zur  akademischen  Laufbahn.  Im  Juli  1859  habilitirte  er  sich  in  der 
theologischen  Facultät  der  Berliner  Hochschule  und  führte  sich  durch  eine  ein- 
dringende Arbeit  über  »das  System  des  Boethius  und  die  ihm  zugeschriebenen 
theologischen  Schriften«  (1860),  die  er  seinem  Vater  zur  Feier  seiner 
50jährigen  Lehrthätigkeit  widmen  konnte,  in  die  gelehrte  Welt  ein.  N. 
suchte  darin  den  seither  mannigfach  wiederholten  und  modificirten  Nachweis 
zu  führen  und  zu  erhärten,  dass  der  ehedem  als  Märtyrer  katholischer  Recht- 
gläubigkeit vielgefeierte  Verfasser  »der  Stunden  der  Andacht  des  Mittelalters,« 
der  Trostschrift  de  consolatione  philosophiae,  der  durch  seine  lateinische 
Uebersetzung  und  Commentirung  des  aristotelischen  Organon  der  eigentliche 
Wegbereiter  der  mittelalterlichen  Scholastik  geworden  ist,  vielmehr  eklektischer 
Philosoph  als  christlich  bestimmter  Theolog  ist,  dass  sein  System  durchaus  auf 
dem  Boden  der  antikheidnischen  Philosophie  erwachsen,  nichts  Christliches  an 
sich  hat,  ja  nicht  einmal  mit  der  christlichen  Lebensanschauung  recht  verträglich 
erscheint.  —  Eine  fünf  Jahre  später  von  N.  publicirte  Schrift  über  » Augustins 
Lehre  vom  Wunder«  war  gleichfalls  der  Bestreitung  und  Correctur  einer  her- 
gebrachten Ansicht  gewidmet,  dass  nämlich  Augustin  unter  dem  Wunder 
nicht  versteht  eine  nur  scheinbare  Ausnahme  vom  Naturgesetz,  das  wir  in 
seiner  ganzen  Tiefe  und  Weite  eben  nicht  verstünden,  sondern  einen  wirk- 
lichen »objectiven  Widerspruch  gegen  den  vorausgesetzten  geschlossenen  Zu- 
sammenhang der  Naturordnungen«;  doch  ist  das  Motiv  zu  diesem  Wider- 
spruch nicht  etwa  in  einer  Willkür  Gottes,  sondern  in  seinen  der  natur- 
gesetzlichen Ordnung  überlegenen  und  übergeordneten  Heilszwecken  zu  finden. 
Auf  diese  bedeutsame  Schrift  antwortete  die  theologische  Facultät  von  Greifs- 
wald 1866  mit  der  Verleihung  der  Doctorwtirde  und  zwei  Jahre  darauf 
wurde  N.  als  ordentlicher  Professor  nach  Giessen  berufen.  Hier  folgte  den 
beiden  genannten  Monographien  1870  ein  zusammenfassender  »Grundriss 
der  christlichen  Dogmengeschichte«,  bei  dessen  erstem,  nur  bis  zum  Eingang 
des  Mittelalters  führenden  Theil  es  jedoch  verblieb.  In  diesem  Compendium 
suchte  er,  wiederum  auf  neuem  eigenartigen  Wege,  im  Gegensatz  zu  der 
lisherigen  nach  loci  theologici  zergliedernden  Darstellungsweise  der  Dogmen- 
geschichte, den  gesammten  Stoff  um  die  Lehre  von  Person  und  W^erk  Christi 
zu  gruppiren  und  das  characteristische  Selbstgefühl  der  alten  katholischen 
Kirche  über  ihren  Lehrtypus  ans  Licht  zu  stellen.  1872  folgte  er  einem 
Rufe  nach  Kiel,    das  ihm  zu  einer  über  25jährigen  Lebensarbeit  die  eigent- 


252 


Nitzsch.     Polstorff. 


liehe  Heimath  werden  sollte.  Zum  Lutherjubiläum  1883  brachte  er  von  hier 
aus  eine  gediegene  Festschrift  über  Luthers  Verhältniss  zu  Aristoteles.  1889 
bot  er  in  einer  Rectoratrede  eine  feinsinnige  Untersuchung  über  »die  Idee  und 
die  Stufen  des  Opferkultus«  als  Beitrag  zur  allgemeinen  Religionsgeschichte. 
Zwischenein  floss  eine  Reihe  von  dogmenhistorischen  Artikeln  für  Herzogs 
Realencyclopädie  (sowohl  in  IL  als  in  III.  Auflage)  aus  seiner  Feder;  des- 
gleichen ein  Aufsatz  über  »die  Aufklärung  des  18.  Jahrhunderts«  (in  der 
»Zeitschrift  für  Kirchengeschichte«)  und  eine  Anzahl  kleinerer  Publicationen 
»voll  Bildungsfreundlichkeit,  Weltoffenheit  und  eines  tiefen  ethischen  Idealismus 
seines  durchaus  deutschen  Christenthums« ;  ein  liebenswürdiger  Aufsatz  in 
den  »Grenzboten«  über  »Poesie  und  Religion  in  der  neueren  deutschen 
Litteratur«  (1879)  mit  besonderer  Berücksichtigung  von  Novalis  und  der 
Romantik ;  eine  eindringende  Auslegung  der  »Schlussworte  des  Goetheschen 
Faust«  (Preussische  Jahrbücher  LVI) ;  eine  in  edlem  nationalen  und  liberalen 
Geist  gehaltene  Erörterung  »zur  Geschichte  der  Entwickelung  des  deutschen 
Nationalbewusstseins,  besonders  im  18.  Jahrhundert  (»Nord  und  Süd«  1893-; 
eine  kraftvolle  Kritik  der  »Weltanschauung  Friedrich  Nietzsche's«  (»Zeitschrift 
für  Theologie  und  Kirche«  1897),  dessen  Irrgänge  er  treffend  mit  dem  Bilde 
beschreibt:  »Der  Dichter,  vor  den  Wagen  der  Philosophie  gespannt,  ist  wie 
ein  wildes  Pferd  durchgegangen  und  hat  die  Philosophie  umgeworfen«.  Doch 
als  N.'s  eigentliches  litterarisches  Lebenswerk  ist  sein  1889 — 1892  publicirtcs 
»Lehrbuch  der  evangelischen  Dogmatik«  zu  bezeichnen,  von  dem  bereits 
1896  eine  II.  Auflage  zu  besorgen  ihm  die  Freude  ward.  In  der  That  ist 
Geist  und  Durchführung  dieser  echt  evangelisch  weitherzigen  und  in  die 
Tiefe  gehenden  Darstellung  des  christlichen  Glaubensinhalts  fast  in  allen 
theologischen  Parteilagern  gleich  sehr  anerkannt  worden;  man  rühmte  die 
Zuverlässigkeit  in  der  Bearbeitung  der  Litteratur,  die  klare  und  knajipc 
Fassung  der  Probleme,  die  genaue  Wiedergabe  der  zu  Wort  kommenden 
Autoren,  die  präcise  Herausstellung  der  Punkte,  in  wie  weit  ein  Consensus 
erzielt  ist,  die  solide  dogmengeschichtliche  Fundirung,  die  charactervolle 
Selbstständigkeit,  die,  wenn  auch  ohne  kräftig  impulsive  Einseitigkeiten  doch 
mit  den  Mitteln  der  Sprache  und  Gedanken  unserer  Zeit  im  besten  Sinne 
apologetisch  wirkt.  So  wird  sein  Werk  dem  edlen  frühvollendeten  Manne 
noch  auf  lange  hinaus  einen  Namen  unter  den  Besten  seiner  Zeit  bewahren 
helfen,  und  die  Art  seines  »freien  und  frommen,  nüchternen  und  tiefen,  vor 
allem  tief  ethischen  Christenthums«  wird  hoffentlich  noch  immer  im  deutschen 
Volke  treue  Freunde  und  Erben  finden. 

»Deutsch-evangelische  Blätter«   1899,  Heft  II,  S.  116  — 133. 

Kohlschmidt. 

Polstorff,  Johann  Friedrich  Theodor,  Superintendent  und  Consistorial- 
Rath,  Dr.  theol.,  *  21.  Februar  1824  in  Hemmendorf,  j  7.  März  1898  in 
Güstrow.  Von  Geburt  Hannoveraner  und  auf  dem  Gymnasium  in  Hildes- 
heim und  der  Göttinger  I^andesuniversität  vorgebildet,  hat  der  verstorbene 
Superintendent  von  (Güstrow  doch  in  seiner  ganzen  Lebenszeit  dem  Mecklen- 
burger Lande  angehört,  wohin  er  nach  Abschluss  seiner  Studien  ums  Jahr 
1848  als  Hauslehrer  kam.  Nach  kurzer  Thätigkeit  als  Pfarrverweser  wurde 
ihm  der  Posten  eines  Geistlichen  am  Criminal getan gniss  in  Bützow  über- 
tragen und  ihm  so  früh  reichlich  Gelegenheit  geboten,  das  geistliche  Amt  in 
einer  seiner  schwierigsten  Aufgaben   kennen   zu  lernen.     1853  erhielt  er  den 


PolstorfF.     Sombart.  253 

Ruf  als  Archidiaconus  nach  Parchim  und  führte  nun  eine  Schwester  Th.  Kliefoths 
als  Gattin  heim.  Hier  gestaltete  sich  bald  sein  Verhältniss  zu  seinem  Super- 
intendenten, dem  nachmaligen  Oberkirchenrath  Schliemann,  zu  einem  äusserst 
herzlichen.  So  wurde  er  auf  dessen  Vorschlag  bereits  1859,  erst  35  Jahre 
alt,  zum  Superintendenten  der  grossen  Diöcese  Güstrow  bestellt,  an  die  oberste 
Stelle  unter  70  Pfarrern,  deren  bei  weitem  grösserer  Theil  natürlich  an  Alter 
und  Amtserfahrung  ihm  weit  voraus  war.  Doch  fast  40  Jahre  lang  hat  er  dort 
mit  Umsicht  und  Energie  seinem  Amte  vorgestanden  und  für  die  gesammten 
kirchlichen  Angelegenheiten  Mecklenburgs  sich  Verdienste  erworben,  für  die 
ebenso  die  Landesgeistlichkeit  als  drei  seiner  Landesfürsten  warme  "Worte 
ehrender  Anerkennung  gefunden  haben.  Ins  Consistorium  und  insbesondere 
ins  oberste  Kirchengericht  berufen  und  mit  dem  Vorsitze  bei  den  Candidaten- 
prüfungen  betraut,  hat  er  jedenfalls  einen  bedeutsamen  Einfluss  auch  auf  den 
heutigen  Character  des  Mecklenburger  Kirchenwesens  auszuüben  verstanden. 
In  jugendlicher  Rüstigkeit  bis  in's  hohe  Alter  hinein,  wusste  er  vor  Allem  die 
jüngeren  Geistlichen  an  sich  zu  fesseln  und  durch  eignes  fleissiges  Studium 
zumeist  auf  dogmatischem  Gebiet,  auf  dem  Philippi  zunächst  bestimmend  auf 
ihn  einwirkte,  hielt  er  selbst  sein  unentwegtes  Lutherthum  von  einer  starren 
todten  Einseitigkeit  und  Verknöcherung  frei  und  auf  einer  angemessenen 
wissenschaftlichen  Höhe.  Er  hat  den  Doctorhut,  mit  dem  Rostock  ihn  ehrte, 
mit  wohlverdienten  Ehren  getragen.  Ein  leichter  Tod  nach  kaum  verspürtem 
und  beachtetem  Unwohlsein  hat  ihn  wenig  Tage  nach  seinem  74.  Geburts- 
tage abgerufen.  In  stattlichem  Leichenbegängniss,  bei  dem  auch  die  theolo- 
gische Facultät  und  zahlreiche  Behörden  seines  zweiten  Vaterlandes  vertreten 
waren,  ist  ihm  weit  über  die  Grenzen  seines  engeren  Wirkungskreises  hinaus 
ein  letztes  Ehrenzeugniss  nachgerufen  worden. 

»AUg.  Ev.-luth.-Kirchenzeitung«  1898  No.  12. 

Kohlschmidt. 

Sombart,  Anton  Ludwig,  Geometer,  Landwirth  und  Abgeordneter, 
*  14.  September  181 6  auf  dem  Rittergute  Haus-Bruch  bei  Hattingen  in 
Wcstphalen,  f  10.  Januar  1898  in  Elberfeld.  Seine  Vorfahren  väterlicher- 
seits sind  während  des  vorigen  Jahrhunderts  als  Kaufherrn  und  Rathsherrn 
in  Elberfeld  nachweisbar,  und  wahrscheinlich  als  Refugiös  aus  Frankreich 
Ende  des  17.  Jahrhunderts  eingewandert;  die  mütterlichen  Ahnen  (I)uisberg) 
gehen  auf  niederdeutschen-holländischen  Ursprung  zurück.  S.  hat  seine  Kind- 
heit, bis  zum  16.  Jahre,  auf  dem  Gute  seiner  Eltern,  wo  er  von  Hauslehrern 
unterrichtet  wurde,  verbracht,  und  ist  dann  noch  weitere  fünf  Jahre  in  West- 
phalen  verblieben,  zunächst  auf  dem  Realgymnasium  zu  Duisburg,  wo  er 
1835  ^^s  Abiturientenexamen  bestand,  dann  in  Essen,  wo  er  als  Baueleve 
beschäftigt  war.  Seine  persönliche  Eigenart  wird  wesentlich  durch  diese 
früheste  Umgebung  erklärt.  Er  blieb  der  Sohn  der  roten  Erde  sein  Leben 
lang  mit  dem  ausgeprägten  Sinn  für  festgefügte  Ordnung,  wie  er  sich  nirgends 
wieder  so  häufig  findet  als  im  Lande  des  Hofschulzen.  Sein  weiteres  Leben 
gehört  äusserlich  und  innerlich  der  Provinz  Sachsen,  in  der  er  vom  Jahre 
1837  bis  1875  gelebt  und  gewirkt  hat.  Als  Beruf  wählte  S.  zunächst  die 
in  der  Zeit  der  Separationen  und  Gemeinheitstheilungen  besonders  reizvolle 
und  einträgliche  Thätigkeit  des  Geometers,  die  er  bis  zum  Jahre  1848  in 
Genthin  und  Hettstädt  im  Mansfelder  Gebirgskreis  ausgeübt  hat,  und  die  er 
seines  sich  stetig  verschlimmernden  Augenleidens  wegen,  das    ihn   in  seinem 


254  Sombart. 

Alter  fast  erblinden  Hess,  schliesslich  aufgeben  musste.  Während  dieser 
Periode  seines  Lebens  erwarb  S.  die  feldmesserischen  Kenntnisse,  ohne  die 
er  die  Hauptaufgabe  seines  Lebens,  die  practische  Colonisationsthätigkeit, 
nicht  hätte  durchfiihen  können.  Eine  Kette  von  Umständen  fiihrten  S.  aus 
der  Beamtenlaufbahn  mit  dem  Jahre  1848  in's  politische  und  practische  Er- 
werbsleben hinein.  Im  Revolutionsjahr  wurde  er  zum  Bürgermeister  des 
Städtchens  Ermsleben  am  Harz  gewählt,  wo  er  dann,  zunächst  zwei  Jahre 
als  Bürgermeister,  dann  als  Landwirth  und  Zuckerindustrieller  bis  zum  Jahre 
1875  an  der  Spitze  der  von  ihm  begründeten  Zuckerfabrik  thätig  gewesen 
ist.  Eine  rege  Theilnahme  an  den  öffentlichen  Angelegenheiten,  vor  Allem 
auch  des  landwirthschaftlichen  und  zuckerindustriellen  Berufsstandes,  fand 
ihren  Ausdruck  in  der  umfassenden  Vereinsthätigkeit,  durch  die  die  Erms- 
lebener  Jahre  ausgezeichnet  sind.  In  diese  Zeit  fällt  auch  der  Eintritt  S.'s 
in  die  parlamentarische  Laufbahn:  im  Jahre  1861  wurde  er  zum  ersten  Male 
in  das  Abgeordnetenhaus  gewählt,  als  Vertreter  des  Mansfelder  Gebirgskreises. 
S.  nahm  seinen  Sitz  im  linken  Centrum  und  ist  der  damit  bekundeten 
Richtung  —  einem  gemässigten  Liberalismus  —  während  der  ganzen  Zeit 
seiner  parlamentarischen  Thätigkeit,  die  sich  seit  1867  mehrfach  auch  auf 
die  Mitgliedschaft  des  Reichstages  erstreckte  und  erst  im  Jahre  1893  ihr 
Ende  fand,  treu  geblieben.  Die  Wandlung  der  nationalliberalen  Partei  zu 
einer  Schutztruppe  des  ostelbischen  Agrarierthums,  wie  sie  in  den  1880  er 
Jahren  sich  vollzog,  hat  S.  nicht  mitgemacht:  er  blieb  gut  bürgerlich  gesinnt 
bis  zu  seinem  Ende.  S.'s  Antheilnahme  an  den  Arbeiten  des  parlamentarischen 
Lebens  blieb  auf  die  Erörterung  practischer  Fragen  der  Agrar-Industrie-  und 
Handelspolitik  beschränkt;  dafür  waren  auch  seine  Reden  und  seine  Anträge 
stets  durch  eine  grosse  Sachkenntniss  vortheilhaft  ausgezeichnet.  Den  Glanz- 
punkt im  parlamentarischen  Leben  S.'s  bildete  die  Mitgliedschaft  der  Depu- 
tation des  Norddeutschen  Reichstags,  welche  am  18.  December  1870  dem 
König  von  Preussen  Namens  des  deutschen  Volkes  in  Versailles  die  Kaiser- 
krone anzutragen  berufen  war.  Da  die  parlamentarische  Beschäftigung  in 
dem  späteren  Leben  S.  einen  immer  breiteren  Raum  einnahm,  so  entschloss 
er  sich  im  Jahre  1875  seine  Stellung  in  Ermsleben  aufzugeben  und  aus  dem 
Erwerbsleben  auszuscheiden.  Er  siedelte  ganz  jiach  Berlin  über,  wo  er  bis 
zum  Jahre  1897  gelebt  hat.  Nach  dem  Tode  seiner  Gattin,  an  deren  Seite 
er  55  Jahre  gelebt  hatte,  siedelte  er  im  Jahre  1897  nach  Elberfeld  über,  und 
starb  hier  im  Hause  seiner  verheiratheten  Tochter  Ehrenberg  im  Alter  von 
81   Jahren. 

Was  das  Andenken  S.'s  auch  in  weiteren  Kreisen  über  seinen  Tod 
hinaus  wach  erhalten  wird,  ist  —  neben  der  Specialfürsorge  für  einzelne 
Berufszweige,  wie  den  Geometerstand ,  die  Thierärzte  etc.,  deren  Interessen- 
vertretungen ihren  Dank  ihm  bei  Lebzeiten  schon  durch  seine  Ernennung 
zum  Ehrenmitgliede  ausgedrückt  haben  —  besonders  zweierlei.  Einmal  sein 
Verdienst  um  die  Hebung  der  Zuckerindustrie  und  die  aus  der 
Zuckerindustrie  sich  zu  vielfach  neuen  Formen  entwickelnde 
Landwirthschaft.  In  die  Jahre,  in  der  S.  seiner  Fabrik  und  seinen  dazu- 
gehörigen Gütern  vorstand,  fällt  die  hauptsächliche  Entfaltung  der  modernen 
zuckerindustriellen  Technik  und  der  intensiven  Landwirthschaft  in  Deutsch- 
land. S.  hat  beide  durch  seine  Sachkunde  und  seine  unermüdliche  Energie 
fördern  helfen.  Seine  Verdienste  um  die  Förderung  der  Landwirthschaft 
fanden  ihre  Anerkennung  in  seiner  Berufung  in  das  LandesökonomiekoUegium 


Sombart. 


255 


sowie  in  das  Directorium  der  i886  begründeten  Deutschen  Landwirthschafts- 
gesellschaft,  dem  er  bis  zu  seiner  Uebersiedlung  nach  Elberfeld  angehörte. 
Ueber  seine  Verdienste  um  die  deutsche  Zuckerindustrie  urtheilt  das  Organ 
des  »Vereins  der  Deutschen  Zuckerindustrie«  in  einem  Nachrufe  an  den  Ver- 
storbenen wie  folgt:  »Als  Theilhaber  der  Zuckerfabrik  Ermsleben  wurde  er 
Mitglied  unseres  Vereinsausschusses,  später  auch  des  Directoriums,  dessen 
Leitung  ihm  als  älterer  Beirath  kurze  Zeit  nach  Riedel's  Tode  oblag,  bis  der 
Nachfolger  in  Person  des  Geheimen  Ober-Finanzraths  Wollny  in  sein  Amt 
eingeführt  wurde.  Wie  gross  Sombart' s  Verdienste  waren  und  wie  sehr  ihn 
seine  Zeitgenossen  schätzten,  geht  daraus  hervor,  dass,  als  er  wegen  seines 
Rücktritts  von  der  Zuckerfabrik  Ermsleben  sein  Amt  niedergelegt  hatte,  so- 
wohl der  Vereinsausschuss,  als  auch  die  Zweigvereine  fiir  Anhalt,  Braun- 
schweig, Egeln,  Halle,  Halberstadt,  Süddeutschland,  Oderbruch  und  Pommern 
und  Schlesien  bei  der  Generalversammlung  beantragten,  Sombart  die  höchste 
Auszeichnung  zu  erweisen,  welche  der  Verein  überhaupt  ihm  ertheilen  konnte, 
indem  seine  Ernennung  zum  Ehrenmitgliede  vorgeschlagen  wurde.  Die 
Generalversammlung  zu  Magdeburg  erhob  am  16.  Mai  1876  einstimmig  diesen 
Antrag  zum  Beschluss.«  Eine  zweite  Reihe  von  Bestrebungen  S.'s,  die  seinen 
Namen  in  weiteren  Kreisen  bekannt  gemacht  haben  und  ihm  einen  dauernden 
Platz  in  der  Geschichte  Deutschlands  sichern,  sind  diejenigen,  die  auf  eine 
Förderung  der  inneren  Colonisation  in  Deutschland  gerichtet  waren. 
Obwohl  selbst  Grosslandwirth  und  Grossgrundbesitzer,  gehörten  die  Sympathien 
S.'s  doch  von  jeher  dem  Bauernstande,  wue  er  ihn  in  seiner  Heimath  lieben 
gelernt  hatte.  Den  Bauernstand  auf  Kosten  des  Grossgrundbesitzes  in 
Deutschland  zu  vermehren,  wurde  daher  immer  mehr  ein  lieblingsgedanke  S.'s. 
Va'  glaubte,  und  wohl  mit  Recht,  dass  nur  eine  planmässige,  zielbewusste 
Hinüberleitung  der  bäuerlichen  Bevölkerungsüberschüsse  Mittel-  und  West- 
Deutschlands  in  das  menschenleere  Ostelbien  dieses  zu  der  Stufe  west- 
europäischer Civilisation,  die  die  übrigen  Theile  Deutschlands  bereits  erreicht 
haben,  emporzuheben  vermöchte.  Als  ein  gesetzgeberisches  Mittel  zur  Er- 
reichung dieses  Zieles  erschien  die  Wiedererniöglichung  der  Begründung 
von  Rentengütern,  d.  h.  eine  Wiederzulassung  des  Besitzerwerbs  durch 
Rentenverpflichtung  statt  der  Kapitalzahlung:  eine  Erwerbsform,  die  seit  dem 
2.  März  1850  in  Preussen  nicht  mehr  zulässig  war.  Den  unermüdlichen  Be- 
strebungen S.'s,  dem  zur  Seite  vor  Allem  der  jetzige  Finanzminister  Miquel 
kämpfte,  ist  es  zu  danken,  dass  die  preussischen  Gesetze  vom  27.  Juli  1890 
und  7.  August  1891  nicht  nur  die  Form  des  Rentengutes  wieder  zuliessen, 
sondern  auch  die  Mitwirkung  des  Staates  bei  der  Errichtung  von  Renten- 
gütern, insbesondere  durch  das  vermittelnde  Eintreten  der  Rentenbanken,  in 
Aussicht  stellten.  Dann  waren  der  inneren  Colonisation  die  Bahnen  frei- 
gegeben, auf  denen  sie  im  letzten  Jahrzehnt  rüstig  fortgeschritten  ist.  W^as 
aber  noch  mehr  als  die  Förderung  der  Rentengutsgesetzgebung  den  Antheil 
S.'s  an  der  Entwickelung  der  inneren  Colonisation  in  Deutschland  zu  einem 
bedeutenden  macht,  ist  sein  erfolgreiches  Bestreben,  durch  practische  Ver- 
suche die  richtige  Methode  der  Auftheilung  grosser  Güter  in  Bauerngüter  zu 
finden.  Schon  in  einer  Schrift  aus  dem  Jahre  1874  betitelt  »Die  Fehler  im 
Parcellirungsverfahren  der  königlichen  preussischen  Staatsdomänen«  hatte  er 
den  Nachweis  zu  führen  versucht,  dass  das  Problem  der  Parcellirung  grösserer 
Güter  keineswegs  durch  die  schematische  Eintheilung  des  Are  als  in  eine 
beliebige  Anzahl  von  Bauerngütern    gelöst   sei,   sondern   dass  es  eingehender 


256  Sombart.     Jörger. 

Studien  und  mühsamer  Vornahmen  bedürfe,  um  aus  der  organischen  Einheit 
eines  Rittergutes  eine  Anzahl  neuer  lebensfähiger  Organismen  in  Form  grösserer, 
mittlerer  und  kleinerer  Bauerngüter  —  S.  hielt  diese  Hierarchie  für  jedes 
Bauerndorf  für  die  einzig  gesunde  Gestaltung  —  hervorwachsen  zu  lassen. 
Es  selbst  aber  an  einem  Experimente  zu  zeigen,  wie  es  richtig  angefangen 
werden  müsse,  war  ihm  stets  lebhafter  Wunsch  geblieben.  Ihm  sollte  Er- 
füllung gebracht  werden,  als  S.  im  Jahre  1885  gezwungen  wurde,  um  den 
Verlust  einer  daraufruhenden  Hypothek  zu  vermeiden,  das  Rittergut  Steesow 
in  der  Westpriegnitz  zu  erwerben.  Mit  unermüdlichem  Eifer  und  einer 
seltenen  Sachkenntniss,  die  auf  geometrisches,  landwirthschaftlich-technisches 
und  nationalökonomisches  Wissen  sich  gleichermaassen  stützte,  wurde  auf  diesem 
abgewirthschafteten  Gute  eine  Bauernkolonie  systematisch  angesiedelt,  die 
heute  zu  den  blühendsten  im  deutschen  Vaterlande  gehört,  und  ein  Muster 
und  Vorbild  für  alle  zukünftigen  Ansiedelungen  von  Bauernschaften  geworden 
ist.  Man  hat  S.  den  »Vater  der  Rentengüter«  genannt,  und  es  mag  nicht 
unberechtigt  sein,  ihn  mit  diesem  ehrenvollen  Beinamen  in  die  Annalen  der 
Geschichte  einzutragen,  wenn  man  seine  gleichmässig  theoretische  wie 
practische  Antheilnahme  an  dem  Colonisationswerk  in  Berücksichtigung  zieht. 

Nekrologe  beim  Tode  S.  brachten  zahlreiche  Tagesblätter,  u.  A.  die  »Kölnische 
Zeitung«  und  die  »Nationalzeitung«.  Einen  warm  empfundenen  Nachruf  veröffentlichte 
sein  langjähriger  Freund,  Oeconomialrath  Nobbc  in  der  Zeitschrift  »Das  Land«  (Jahrgang 
1898).  Der  Nekrolog  in  der  Zeitschrift  des  Vereins  der  deutschen  Zucker-Industrie 
(Band  48,  Heft  505)  wurde  bereits  erwähnt.  Daselbst  ist  auch  ein  gutes  Bildniss  des 
»alten  Sombart«  veröffentlicht. 

W.  Sombart. 

Jörger,  Schwester  Albana,  Generaloberin  der  barmherzigen  Schwestern 
in  Baden,  *  in  Gengenbach  am  17.  November  1839,  f  ^5*  April  1898  in 
PVeiburg.  Sie  erhielt  ihre  Erziehung  im  Hause  des  ihr  verwandten  Professors 
Alban  Stolz  in  Freiburg,  wurde  in  Strassburg  im  Jahre  1860  im  Mutterhause 
der  barmherzigen  Schwestern  eingekleidet,  bestand  ihr  Noviciat  im  grossen 
Spital  zu  Colmar  und  legte  1862  ihre  Gelübde  ab.  Dann  kam  Schwester  A. 
in  das  klinische  Hospital  nach  Freiburg  i.  Br.,  wo  sie  während  sechs  Jahren 
unter  der  Leitung  von  Professor  Kussmaul  thätig  war.  Von  da  wurde  sie 
als  Oberin  an  das  Krankenhaus  in  Baden  versetzt,  in  welcher  Stellung  sie 
besonders  während  der  Kriegsjahre  1870/71  eine  ebenso  aufopfernde  als 
segensreiche  Wirksamkeit  ausübte.  Nach  1 7  Jahren  ihrer  Thätigkeit  in  Baden 
wurde  Schwester  A.  zur  Generaloberin  der  Schwestern  vom  hl.  Vincenz  von 
Paul  gewählt  und  kehrte  in  dieser  Eigenschaft  nach  Freiburg  zurück,  wo  sie 
nun  vom  Oktober  1884  bis  zu  ihrem  Ableben  sehr  erfolgreich  wirkte,  eine 
Reihe  von  Filialanstalten  für  Krankenpflege  gründete  und  62  Stationen  behufs 
der  Krankenpflege  in  kleineren  Spitälern  des  Landes  sowie  zur  Privatkranken- 
pflege in  grösseren  und  kleineren  Landorten  ins  Leben  rief.  Ihre  Herzens- 
güte, ihr  Wohlthätigkeitssinn,  ihre  Gastfreundschaft  und  ihre  echte  Frömmigkeit 
erwarben  ihr  Verehrung  und  Liebe  weiter  Kreise.  Eine  unermüdliche  Arbeits- 
kraft befähigte  sie,  den  grossen  Ansprüchen  zu  genügen,  die  von  allen  Seiten 
an  sie  herantraten,  und  war  von  einem  hervorragenden  Organisationstalent 
unterstützt.  Unter  den  Vielen,  die  nach  Schwester  A.'s  Tode  der  Ordens- 
genossenschaft ihre  Theilnahme  aussprachen,  war  eine  der  ersten  die  Gross- 
herzogin Luise  von  Baden  in  einem  Schreiben,  das  die  ausgezeichneten 
Eigenschaften  der  Entschlafenen  in  vollem  Umfang  anerkannte. 


Rossbach. 


257 


Rossbach,  Georg  August  Wilhelm,  Universitätsprofessor  der  klassischen 
Philologie  und  Archäologie,  *  26.  August  1823  in  Schmalkalden,  f  23.  Juli  1898 
in  Breslau. 

Er  erhielt  den  ersten  Unterricht  in  der  Stadtschule  und  dem  Pro- 
gymnasium von  Schmalkalden,  wurde  sodann  von  seinem  Vater,  welcher 
Rector  des  Progymnasium  war,  weiter  gebildet,  bis  er  1840  in  die  Ober- 
secunda  des  Gymnasiums  von  Fulda  aufgenommen  wurde.  Hier  übte  unter  den 
Lehrern  Friedrich  Franke,  ein  vortrefflicher  Schüler  Gottfried  Hermanns  und 
nachmals  Rector  der  Landesschule  zu  Meissen,  den  grössten  Kinfluss  auf  ihn 
aus.  Ostern  1844  bezog  er  die  Universität  Leipzig,  um  Theologie  und  Philo- 
logie zu  Studiren,  wurde  jedoch  schon  im  ersten  Semester  durch  Gottfried 
Hermann  ganz  für  die  Philologie  gewonnen.  Dieser  nahm  ihn  schon  am 
Schlüsse  des  zweiten  Semesters  in  das  philologische  Seminar  und  am  Anfange 
des  dritten  in  die  griechische  Gesellschaft  auf.  Durch  Anton  Westermann 
wurde  er  zum  Studium  der  attischen  Redner,  Historiker  und  Alterthümer 
angeregt,  durch  Wilhelm  Adolf  Becker,  dessen  Amanuensis  er  eine  Zeit  lang 
war,  mit  Liebe  zur  alten  Kunst  erfüllt.  Von  Ostern  1846  an  setzte  er  seine 
Studien  an  der  Universität  Marburg  fort  und  zwar  nicht  bloss  unter  Theodor 
Bergk  auf  dem  Gebiete  der  klassischen  Alterthumswissenschaft,  sondern  auch 
zusammen  mit  seinem  nachmaligen  Freunde,  Collegen  und  Schwager  Rudolf 
Westphal  unter  Johannes  Gildemeister  auf  dem  Gebiete  der  vergleichenden 
Sprach-  imd  Religionswisseftschaft.  Letztere  Studien  setzte  er  auch  fort,  nach- 
dem er  im  Mai  des  Jahres  1848  das  Oberlehrerexamen  bestanden  hatte.  Ende 
1849  ^^^^  ^^  ^^  Lehrer  am  Gymnasium  zu  Hanau  ein,  nahm  jedoch  schon 
nach  einem  Jahre  den  Abschied,  um  die  akademische  Laufbahn  zu  verfolgen. 
Nachdem  er  sich  für  diese  mit  Westphal  im  Hause  der  Eltern  des  Letzteren 
zu  Obernkirchen  in  der  Grafschaft  Schaumburg  vorbereitet  hatte,  ging  er  mit 
diesem  zu  Pfingsten  des  Jahres  1851  nach  Tübingen.  Hier  wurde  er  am 
5.  Januar  1852  zum  Doctor  der  Philosophie  promovirt  und  am  25.  März 
desselben  Jahres  als  Privatdocent  der  klassischen  Philologie  und  indogerma- 
nischen Sprachwissenschaft  zugelassen.  Seine  Vorlesungen,  welche  er  im 
Wintersemester  1852  begann,  nahmen  einen  solchen  Fortgang,  dass  er  am 
7.  Februar  1855  zum  ausserordentlichen  Professor  ernannt  wurde.  Die  all- 
gemeine Anerkennung,  welche  seine  wissenschaftlichen  Arbeiten  fanden, 
brachte  ihm  am  27.  August  1856  die  Berufung  an  die  Universität  Breslau, 
an  welcher  er  zum  ordentlichen  Professor  der  klassischen  Philologie  und 
Archäologie,  sowie  der  Eloquenz,  zum  Mitdirector  des  philologischen  Seminars 
und  zum  Director  des  archäologischen  Museums  ernannt  wurde,  welche 
Aemter  er  bis  zu  seinem  Tode  bekleidet  hat,  nur  dass  er  sich  1862  von  der 
Professur  der  Eloquenz  entbinden  Hess.  Vor  seiner  Uebersiedelung  verheirathete 
er  sich  mit  der  Schwester  seines  Freundes  Westphal.  In  Breslau  wurde 
seine  Thätigkeit  nach  verschiedenen  Seiten  in  Anspruch  genommen,  am  stärk- 
sten durch  sein  akademisches  Amt.  Besondere  Verdienste  erwarb  er  sich 
um  das  archäologische  Museum  der  Universität;  er  vergrösserte  die 
Räume  ganz  erheblich,  brachte  die  Zahl  der  Gypsabgüsse  auf  mehr  als  das 
Doppelte,  führte  eine  Neuaufstellung  derselben  nach  kunstgeschichtlichen 
Gesichtspunkten  durch,  verfasste  Cataloge  der  Sammlungen  und  richtete  für 
die  Vorlesungen  und  Uebungen  ein  Auditorium  im  Museum  ein.  Von  be- 
sonderer Bedeutung  für  den  Bestand  des  Museums  und  die  Hebung  der 
archäologischen  Studien  wurde  es,  dass  es  ihm  gelang,  die  werthvolle  Samm- 

BlogT.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  jj 


258  Rossbach. 

lung  von  Originalen  der  griechischen  und  römischen  Kleinkunst,  welche  der 
Baudirector  des  Königs  von  Griechenland,  Eduard  Schaubert,  zusammen- 
gebracht hatte,  1867  ^^^  Museum  zuzuführen.  Um  solche  Hörer,  welche 
tieferes  Interesse  für  Archäologie  zeigten,  über  ihre  Studienzeit  hinaus  zu 
fördern,  gründete  er  1866  eine  archäologische  Section  in  der  schlesischen 
Gesellschaft  für  vaterländische  Cultur.  In  ihr  wurden  theils  Referate  über 
hervorragende  neue  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  Archäologie  erstattet, 
theils  selbstständige  wissenschaftliche  Untersuchungen  vorgelegt.  Im  Anschluss 
an  das  archäologische  Museum  vollzog  sich  auch  im  Winter  des  Jahres  1862 
unter  seiner  Leitung  die  Gründung  des  Vereins  für  Geschichte  der 
bildenden  Künste,  welcher  die  Förderung  wissenschaftlicher  Bildung  auf 
dem  Gebiete  der  bildenden  Künste  durch  Vorträge,  Vorlage  und  Publication 
von  Kunstwerken  und  kunstgeschichtlichen  Abhandlungen  erstrebte  und  sich 
rasch  zum  Mitteli)unkte  für  die  Mehrzahl  der  Kunstkenner,  Kunstfreunde  und 
Künstler  in  Breslau  entwickelte.  R.  leitete  den  Verein  wie  die  archäologische 
Section  bis  zum  Jahre  1869.  Ersterer  ernannte  ihn  im  Jahre  1886  zum 
fahren mitgliede.  In  den  Sitzungen  des  Vereins  verfolgte  er  auch  in  den 
Jahren  1864  und  1865  den  schon  von  Anderen  ausgesprochenen,  aber  immer 
wieder  fallen  gelassenen  Gedanken  der  Gründung  einer  schlesischen  Kunst- 
akademie und  eines  Museums  der  bildenden  Künste,  war  als  Rector 
der  Universität  Mitglied  der  Deputation,  welche  am  20.  November  1866 
König  Wilhelm  I.  eine  bezügliche  Bittschrift  überreichte,  und  erstattete  im 
Auftrage  des  Oberpräsidenten  Berichte  über  den  vorhandenen  Bestand  an 
Kunstwerken,  worauf  am  30.  November  1868  die  EntSchliessung  der  könig- 
lichen Staatsregierung  dahin  erging,  dass  ein  Provinzialmuseum  mit  Meister- 
ateliers in  Breslau  gegründet  werden  solle. 

Am  28.  Juni  1889  wurde  R.,  welcher  ein  Freund  der  musica  sacra  war, 
auch  zum  Director  des  akademischen  Instituts  für  Kirchenmusik  er- 
nannt. Auch  um  dieses  erwarb  er  sich  besondere  Verdienste  durch  Ein- 
richtung zweier  confessionell  geschiedener  Chöre,  des  evangelischen  Johannes- 
chors und  des  katholischen  Cäcilienchors.  Am  18.  Januar  1877  wurde  ihm 
der  rothe  Adlerorden  4.  Kl.,  am  5.  Mai  1888  der  Charakter  eines  Geheimen 
Regierungsrathes  verliehen. 

Unter  seinen  wissenschaftlichen  Leistungen  stehen  diejenigen  obenan, 
welche  sich  auf  dem  (iebiete  der  griechischen  Metrik  und  Rhythmik 
bewegen.  Schon  als  Student  hatte  er  sich  in  diese  Studien  vertieft,  auch 
wusste  er  Westphal  für  sie  zu  gewinnen  und  in  Tübingen  verband  er  sich 
mit  ihm  zur  gemeinsamen  Herausgabe  der  »Metrik  der  griechischen  Dramatiker 
und  Lyriker,  nebst  den  begleitenden  musischen  Künsten«,  deren  ersten  Theil 
die  von  ihm  allein  bearbeitete  »Griechische  Rhythmik«  Leipzig  1854,  bildete. 
Zwei  Jahre  darauf  erschien  der  mit  Westphal  verfasste  dritte  Theil: 
»Griechische  Metrik«  (Leipzig  1856),  welcher  die  einzelnen  Metra  nach  den 
Rhythmengeschlechtern  und  innerhalb  dieser  nach  den  Stil-  und  Dichtungsarten 
behandelte  und  zum  ersten  Male  den  Grundsatz  praktisch  durchführte,  dass 
»eine  jede  griechische  Strophe  ein  Kunstwerk  in  vollem  Sinne  des  Wortes 
sei,  wo  alles  auf  architectonischer  Gliederung  beruhe,  und  wo  es  nicht  bloss 
auf  den  einzelnen  Vers  ankomme,  sondern  vor  Allem  darauf,  wie  der  Vers 
zur  Totalität  der  rhythmischen  Composition  passe.«  Der  zweite  Band,  sowie 
die  zweite  Auflage  des  ganzen  Werkes  (1867  und  1868)  wurde  von  Westphal 
allein  besorgt.     Dagegen  betheiligte  sich  R.  wieder  an    der    dritten  Auflage, 


Rossbacb. 


259 


indem  er  die  zweite  Abtheilung  des  dritten  Bandes  unter  dem  Titel 
»Griechische  Metrik  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Strophengattungen  und 
die  übrigen  melischen  Metra,  Leipzig  1889«  allein  bearbeitete,  wobei  er  es 
sich  besonders  angelegen  sein  Hess,  die  speciell  metrische  Arbeit  in  den 
griechischen  Dichtern,  den  Ausbau  der  Lehre  von  den  Strophengattungen, 
die  Geschichte  und  den  Gebrauch  derselben,  sowie  die  Untersuchungen  über 
die  Eigenthtimlichkeiten  der  einzelnen  grossen  Dichter  weiter  fortzuführen. 
Das  Verhältniss  R.'s  zur  gemeinsamen  Arbeit  ist  vielfach  für  ihn  ungünstig 
beurtheilt  worden,  aber  Westphal  (Aristoxenus  von  Tarent,  Bd.  I,  Leipzig  1883 
S.  XVI)  hat  selbst  erklärt,  dass  »R.  nicht  nur  der  einzige  Urheber  der  ganzen 
Arbeit  sei,  sondern  dass  auch  fast  alle  allgemeinen  Gesichtspunkte,  alle 
fördernden  und  fruchtbringenden  Apercus  von  ihm  ausgegangen  seien«,  wo- 
gegen R.  anerkannte,  dass  Westphal  an  der  Ausführung  des  Einzelnen  mehr 
betheiligt  sei,  als  er  (Vorwort  zur  dritten  Auflage  der  »griechischen  Metrik« 
S.  L).  Kein  neueres  Werk  hat  sich  so  fruchtbar  an  Anregungen  und  Auf- 
forderung 2X1  erneutem  Durchdenken  der  Probleme  der  griechischen  Metrik  er- 
wiesen als  dieses.  Wie  der  Aufsatz  »Rhythmengeschlechter  und  Rhythmopoeie« 
aus  den  »Jahrbüchern  für  Philologie  und  Pädagogik«,  abgedruckt  als  Beilage 
zur  »Griechischen  Rhythmik«  Leipzig  1855  erschien,  so  behandelte  R.  die 
Metrik  der  aeschyleischen  Chorlieder  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Textkritik 
in  den  folgenden  Schriften  der  Universität  Breslau:  De  metro  prosodiaco 
(1857);  de  Choephororum  locis  nonnullis;  de  Eumenidum  parodo  (1859);  de 
Eumenidum  antichoriis  (1860);  de  Persarum  cantico  psychagogico  (1861);  de 
Choephororum  cantico  quinto  (1862).  Die  Geschichte  der  metrischen  Tra- 
dition untersuchen  die  zwei  akademischen  Schriften:  De  Hephaestionis 
Alexandrini  libris  (1857)  und  de  metricis  graecis  disputatio  altera  (1858). 

Dem  Gebiete  der  Textkritik  gehören  an,  die  für  die  Bibliotheca  Teub- 
neriana  besorgten  Ausgaben  des  Catull  und  Tibull.  Letztere  (zuerst  1855 
erschienen,  1866  wiederholt)  bot  nur  den  Text  mit  Angabe  der  Abweichungen 
von  Lachmanns  Lesungen,  (erstere  1854,  2.  Auflage  1860,  wiederholt  1867) 
auch  eine  Untersuchung  über  die  Grundlagen  der  Catullkritik,  in  welcher 
zuerst  auf  die  Bedeutung  eines  von  Sillig  hervorgezogenen  Codex,  des  Ger- 
manensis,  welcher  seitdem  eine  der  ersten,  wenn  nicht  die  erste  Stelle  unter 
den  Catullhandschriften  behauptet  hat,  hingewiesen  ist.  Auch  eine  Anzahl 
ansprechender  oder  anregender  Conjecturen  und  ein  neuer  Versuch,  die 
strophische  Composition  des  zweiten  Hochzeitsgedichtes  (62.)  nachzuweisen, 
war  beigefügt.  Die  Lesarten  der  Pariser  Codices  Catull iani  theilte  R.  aus  Silligs 
Papieren  in  dem  Universitätsprogramm  zur  Feier  von  Königs  Geburtstag 
1859  mit. 

Neu  war  die  Betrachtungsweise,  welche  er  in  den  »Untersuchungen 
über  die  römische  Ehe,  Stuttgart  1853«  in  die  Disciplin  der  sogenannten 
Privatalterthümer  einführte,  indem  er  den  bisherigen  antiquarischen  Standpunkt 
durch  den  historisch -vergleichenden  ersetzte.  Auch  dieses  Werk  ist  die 
Grundlage,  auf  welcher  sich  die  Untersuchungen  über  die  Ehe  Verhältnisse  bei 
andern  indogermanischen  Völkern  aufgebaut  haben,  sowie  das  Vorbild  für 
Forschungen  auf  verwandten  Gebieten  geworden.  Eine  Ergänzung  dieser 
»Untersuchungen«  nach  der  kunstgeschichtlichen  Seite  hin,  bilden  die 
»Römischen  Hochzeits-  und  Ehedenkmäler,  Leipzig  187 1«,  insofern  in  dieser 
Frucht  des  1869/70  in  Italien  verlebten  Winters  diese  Denkmäler  als  Erzeug- 
nisse griechisch-römischer  Kunst  behandelt  wurden. 

17* 


26o  Rossbacb.     Seidl. 

Während  das  »Verzeichniss  der  Gypsabgüsse  und  Originalien  antiker 
Bildwerke  im  Königlichen  Museum  für  Kunst  und  Alterthum  an  der  Uni- 
versität Breslau,  1861«  nichts  andres  als  ein  Verzeichniss  sein  wollte,  gab 
die  Neubearbeitung  desselben,  welche  unter  dem  Titel  »Das  archäologische 
Museum  an  der  Universität  zu  Breslau,  zweite  Auflage«,  Breslau  1877  erschien, 
zugleich  eine  kurze  Anleitung  zum  Verständniss  und  Genuss  der  Kunstwerke. 
Ueber  die  Bedeutung,  welche  R.  den  archäologischen  Museen  als  »ästhetischen 
Volksschulen«  beimass,  sprach  er  sich  in  einer  Reihe  von  Artikeln  der 
»Schlesischen  Zeitung«  von  1877  Q^^-  ^74»  i?^,   178,   180)  aus. 

Der  Mythologie  gehörte  seine  Habilitationsschrift  »Peirithoos  und 
Theseus«,  Tübingen  1852  an.  Sie  zeigt  ihn,  ähnlich  wie  Adalbert  Kuhn  und 
Max  Müller,  bemüht,  der  naturalistischen  Erklärung  der  griechischen  Mythen 
durch  Vergleichung  mit  denen  der  übrigen  indogermanischen  Völker  eine 
breitere  Basis  zu  geben.  Ein  grosses  Werk  über  »Griechische  Religions- 
gcschichte«,  zu  welchem  er  bald  nach  seiner  Rückkehr  aus  Italien  den  Plan 
fasste,  ist  unausgeführt  geblieben,  doch  giebt  die  Ankündigung,  welche  ei  für 
die  »Mittheilungen  der  Verlagsbuchhandlung  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  1871 
Nr.  3«  schrieb,  eine  ausführliche  Skizze  des  auf  drei  Bände  berechneten 
Werkes.  Der  erste  Band  sollte  die  Perioden  der  griechischen  Religions- 
geschichte,  der  zweite  das  Göttersystem  und  die  Heroensage,  der  dritte  die 
religiöse  Ethik  und  den  Cultus  behandeln.  Da  in  R.  die  theologische  Ader 
stark  schlug  und  er  gerade  auf  diesem  Gebiete  umfassende  Studien  gemacht 
hatte,  ist  das  Bedauern,  dass  das  Werk  ungeschrieben  geblieben  ist,  durchaus 
gerechtfertigt. 

Als  ein  treuer  Verfechter  und  beredter  Verkündiger  der  Ideale  klassischer 
Bildung  steht  R.  vor  dem  geistigen  Auge  einer  ungezählten  Schaar  verehrungs- 
voller Schüler  und  Freunde:  aber  auch  alle  andern,  welchen  die  Alterthums- 
wissenschaft  am  Herzen  liegt,  die  Universität  Breslau  und  weite  Kreise 
Schlesiens  werden  seiner  in  steter  Dankbarkeit  gedenken.  Schon  sind  die 
Vorbereitungen  getroffen,  sein  Bildniss  an  der  Stätte  seiner  Wirksamkeit,  im 
archäologischen  Museum  zu  Breslau,  zur  Aufstellung  zu  bringen. 

Eine  kurze,  zum  Theil  auf  AufzeichnuDgen  des  Verstorbenen  beruhende  Darstellung 
seines  Lebens  und  Wirkens  hat  der  Unterzeichnete  in  der  »Schlesischen  Zeitungc  1898, 
.Nr.  595,  eine  ausführlichere  in  der  »Chronik  der  Königlichen  Universität  zu  Breslau«, 
Jahrgang  13  (Breslau  1899)  S.  123— 146  gegeben.  Ueber  seine  Schul-  und  Universitäts- 
zeit thcilt  F.  Zwenger  im  7.  Jahrgang  der  Zeitschrift  »Hessenland«  (Cassel  1893)  S.  225 
einiges  mit. 

Breslau.  Richard  Foerster. 

Seidl,  Anton,  Capellmeister,  *  7.  Mai  1850  in  Budapest,  f  28.  März  1898 
in  New-York.  Genoss  seine  musikalische  Ausbildung  in  Leipzig,  dessen 
Conservatorium  er  1870 — 72  besuchte.  Auf  Empfehlung  R.  Wagners  engagirte 
ihn  A.  Neumann  als  Capellmeister  für  die  Leipziger  Oper;  auf  den  von 
Neumann  veranstalteten  Wagner-Ensemble-Reisen  wurde  S.  rasch  berühmt. 
Er  dirigirte  auf  einer  solchen  Reise  im  Victoria-Theater  zu  Berlin  zum  ersten 
Male  die  Nibelungen.  Nachdem  er  einige  Jahre  in  Bremen  gewirkt,  ging  er 
1885  nach  New-York,  wo  er  an  der  Spitze  des  dortigen  deutschen  Orchesters 
das  musikalische  Leben  dieser  Stadt  beherrschte  und  führte.  i886  und  1897 
betheiligte  er  sich  an  der  Leitung  der  Bayreuther  Festspiele.  Er  war  mit 
der  früheren  Wiener  Hofopernsängerin  Krauss  vermählt. 

Richard  Heuberger. 


Hager.     Zeller.     Mayer.  261 

Hager,  Johannes  (eigentlich  Johannes  von  Hasslinger- Hassingen) 
♦  24.  Februar  1822  in  Wien,  f  9.  Januar  1898  in  Wien,  Componist,  bildete 
sich  in  Wien  unter  Sechter,  machte  sich  zuerst  durch  melodiöse  Lieder  und 
Kammermusikwerke  bekannt  und  zählte  eine  Zeitlang  zu  den  Modecomponisten. 
Etliche  Opern  »Jolanthe«  (1849)  ^"^  »Marffa«  (Premiere  W^ien,  Hofoper  1886) 
konnten  sich  trotz  meisterhafter  Mache  keine  allgemeine  Geltung  verschaffen. 
Im  Anfange  der  90  er  Jahre  veröffentlichte  H.  noch  —  sehr  interessante  — 
Symphonische  Variationen  für  Orchester  und  eine  Serie  schätzbarer  Ciavier- 
sachen. —  H.  war  seines  Zeichens  eigentlich  Beamter  und  beschloss  seine 
diesbezügliche  Carri^re  als  Hofrath  und  Chef  des  Dechiffriramtes  des  k.  k. 
Ost.  Ministerium  des  Aeusseren.  Er  war  mit  der  Tochter  des  bekannten 
Componisten  Hoven    (eigentlich    Freiherr   Vesque   von  Püttlingen)    vermählt. 

Richard  Heuberger. 

Zeller,  Carl,  Dr.,  Componist,  ♦  1842  zu  St.  Peter  in  der  Au  (Niederöster- 
reich), f  17.  August  1898  in  Baden  bei  Wien.  Studirte  in  Wien  die  Rechte, 
promovirte  hier  und  trat  in  den  Staatsdienst,  in  dem  er  es  zum  Hofrath  im 
Unterrichtsministerium  brachte.  Seine  Thätigkeit  als  Componist  begann  Z., 
indem  er  für  den  Wiener  Academ.  Gesangverein  seine  Chorwerke  »Die 
Thomasnacht«  und  »Scenen  aus  dem  Cölner  Narrenfest«  schrieb.  Seine  erste 
Operette  »Joconde«  hatte  insofern  noch  einen  academischen  Anhang,  indem 
Studenten  (Mitglieder  des  genannten  Gesangvereins)  in  den  ersten  Aufführungen 
mitwirkten,  bis  die  Unterrichtsbehörde  Einsprache  erhob.  Weitere  Operetten 
von  Zeller  sind:  »Capitän  Nicol«,  »Der  Vagabund»,  »Der  Vogelhändler« 
(10.  Januar  1891  Theater  a.  d.  Wien)  und  »Der  Obersteiger«.  Die  zwei 
letzgenannten  Werke  sind  über  alle  Bühnen  gegangen.  Z.  schrieb  leicht 
und  gefällig. 

Richard  Heuberger. 

Mayer,  Benjamin  Wilhelm  (Pseudonym  W.  A.  Remy),  Componist  und 
Musikpädagog,  ♦  10.  Juni  1831  in  Prag  als  Sohn  eines  Advokaten, 
f  23.  Januar  1898  zu  Graz  in  Steiermark,  besuchte  das  Gymnasium  und 
nebenher  die  Orgelschule,  an  welcher  er  den  theoretischen  Unterricht 
C.  F.  Pietschs  genoss.  Schon  damals  trat  er  mit  einzelnen  Compositionen, 
u.  A.  mit  einer  Ouvertüre,  in  die  Oeffentlichkeit,  bezog  aber  dann  auf  Wunsch 
seines  Vaters  die  Universität  und  promovirte  1855  zum  Doctor  juris  (der 
berühmte  Aestetiker  Ambros,  damals  Staatsanwalt  in  Prag  war  sein  »Opponent« 
bei  der  »Disputation«),  wirkte  1856 — 1861  als  Staatsbeamter  in  Budapest 
und  wurde  erst  ausschliesslich  Musiker,  als  er  1862  nach  Graz  berufen  wurde, 
um  die  Direction  des  dortigen  »Steierm.  Musikvereins«  zu  übernehmen. 
Seine  Vorgänger  auf  diesem  Posten  waren  August  Pott  (provisorisch)  und 
vordem  Josef  Netzer.  M.  hatte  die  Orchester -Concerte  des  Vereins,  sowie 
die  Musik-Schule  desselben  zu  leiten  und  hat  sich  in  beiden  Richtungen 
mannigfaltige  Verdienste  erworben.  1870  trat  M.  von  seiner  Stellung  zurück 
und  widmete  sich  einzig  und  allein  dem  Unterrichte.  Als  Componist  schuf 
M.  in  erster  Linie  fürs  Orchester  —  Zeugen  dieser  Vorliebe  sind  3  Symphonien 
(davon  eine  für  kleines  Orchester),  eigenthümliche  Sachen,  die  einen  Mittel- 
weg zwischen  rein  formaler  und  ausgesprochener  Programm-Musik  suchen, 
eine  symphonische  Dichtung  »Helena«,  eine  Ouvertüre  zu  Byrons  »Sardanapal«, 
eine  Orchesterphantasie.    —   Feine,    geistreiche  Chorwerke    sind:    »Slavisches 


202  Mayer.     Schulhoff.     Oesterlein.     Klein. 

I.iederspiel«  (nach  Texten  von  Kapper),  »Oestliche  Rosen«  (nach  Rückert) 
»Wald-Fräulein«  (Text  nach  Zedlitz  von  Rob.  v.  Spiller).  Von  den  Schülern 
M.'s  sind  zu  nennen  F.  Busoni,  K.  Grengg,  R.  Heuberger,  Wilh.  Kienzl 
und  Felix  Weingartner.  Der  Unterricht  M.'s  war,  abgesehen  vom  rein 
Musikalischen,  überaus  anregend  durch  die  Freigebigkeit,  mit  der  M.  Jüngere 
an  den  Schätzen  seiner  tiefen  und  allgemeinen  Bildung  theilnehmen  Hess. 
Im  griechischen  Alterthume  z.  B.  war  M.  so  wohl  bewandert,  dass  er  Comödien 
des  Aristophanes  ohne  Commentar  mit  vollem  Verständnisse  aller  Anspielungen 
lesen  konnte.  M.  schrieb  eine  Zeitlang  gehaltvolle  Aufsätze  über  Musik  für 
die  Grazer  »Tagespost«.     1891   erhielt  M.  den  Franz  Josephorden. 

Richard  Heuberger. 

Schulhoff,  Julius,  Pianist  und  Pianofortecomponist,  ♦  2.  August  1825  in 
Prag,  t  15.  März  1898  in  Berlin.  Studirte  in  Prag  bei  Kisch  das  Clavierspiel, 
bei  Tomasch ek  Harmonielehre  und  Contrapunkt.  Thalberg  war  sein  Vorbild, 
dem  er  nachstrebte.  Mit  17  Jahren  begab  er  sich  nach  Paris,  wo  er  eifrig 
an  seiner  Ausbildung  arbeitete,  machte  ausgedehnte  Concertreisen  nach 
Oesterreich,  Deutschland,  Russland,  Frankreich  und  England,  zog  sich  aber 
bald  von  der  öffentlichen  Thätigkeit  zurück  und  richtete  sich  ein  Heim  in 
Paris  ein,  wo  er  bis  zum  Jahre  1870  als  vielgesuchter  Lehrer  wirkte.  Der 
Krieg  verscheuchte  ihn  aus  Frankreich.  Seh.  Hess  sich  in  Dresden  nieder, 
das  er  erst  wenige  Jahre  vor  seinem  Tode  verliess,  um  sich  in  Berlin  anzu- 
siedeln. Seh.  war  ein  eleganter,  sorgfältiger  Spieler  und  Componist.  Manche 
seiner  Saloncompositionen,  so  z.  B.  »Galop  di  bravura«,  »Walzer«,  »Carneval- 
Variationen«  etc.  sind  berühmt  geworden.  Richard  Heuberger. 

Oesterlein,  Nicolaus,  musikwissenschaftlicher  Sammler  und  Schriftsteller, 
*  4.  Mai  1842  zu  Wien,  f  8.  October  1898  zu  Wien.  Wählte  zuerst  die 
technische  Laufbahn,  widmete  sich  später  dem  kaufmännischen  Stande  und 
war  jahrelang  bei  einer  grossen  Wiener  Firma  als  Disponent  thätig.  Machte 
sich  als  eifriger  Anhänger  der  Wagner-Bewegung  zuerst  durch  lebhafte,  werk- 
thätige,  uneigennützige  Agitation  für  das  Zustandekommen  der  Bayreuther- 
Festspiele  bekannt;  1876  veröffentlichte  er  zwei  kleine  Schriften:  »Bayreuth, 
eine  Erinnerungsskizze«  und  »Die  Walküre  und  das  Rheingold  in  Wien  mit 
Einblick  auf  das  Bühnenfestspiel  zu  Bayreuth  1876«.  Nebenher  war  Oe. 
unablässig  thätig,  alles  auf  R.  Wagner  Bezügliche  nach  und  nach  zu  erwerben. 
Er  sammelte  Tausende  von  Zeitungen,  Bildern,  Büchern,  Partituren  u.  s.  w. 
und  vermochte  so  ein  Wagner-Museum  zusammenzubringen,  das  er  —  in 
einem  Theile  seiner  Privatwohnung  untergebracht  —  alsbald  (am  3.  April  1887) 
dem  öffentlichen  Besuche  zugänglich  machte.  Nach  langen  Bemühungen,  die 
für  einen  Einzelnen  nicht  mehr  zu  bewältigende  Fortfuhrung  des  angefangenen 
Werkes  in  andere  Hände  zu  legen  gelang  es  Oe.  vor  mehreren  Jahren 
(1897),  die  ganze  Sammlung  nach  Eisenach  zu  verkaufen.  Sein  Museum  hat 
er  in  einem  dreibändigen  Werke:  »Catalog  einer  Wagner- Bibliothek«  be- 
schrieben. Richard  Heuberger. 

Klein,  Carl,  Pfarrer,  Volksschriftsteller,  *  31.  Mai  1838  zu  Hirschland 
(Deutsch-Lothringen),  f  29.  April  1898  zu  Kaufbeuren.  Dem  Sohne  eines  armen 
Volksschullehrers  gelang  es  durch  entbehrungs vollen  Fleiss,  auf  dem  Pariser 
College  und  dem  theologischen  Studienstift  St.  Thomas  zu  Strassburg,  wo  er 


Klein.  263 

durch  Leetüre  Luthers  und  der  deutschen  Mystiker  sich  gegen  den  dortigen 
Rationalismus  zum  lebenslang  positiv  dogmenstarken  Geistlichen  festigte,  die 
gewählte  Laufbahn  durchzuführen.  1860  Pfarrverweser  in  Bühl  (U.-Elsass) 
geworden,  1862  Vicar  für  deutschsprechende  Evangelische  in  Paris,  in  Ge- 
fängnissen und  Spitälern,  während  der  Cholera  missionarisch  thätig,  ward  er 
für  die  Heimsuchungen  gestählt,  die  ihm  nach  der  Februar  1867  erfolgten 
Anstellung  zu  Fröschweiler  im  U.-Elsass  der  Krieg  von  1870  bringen  sollte. 
Dessen  Schrecken,  gerade  unmittelbar  neben  K.'s  Wirkungskreis  am  6.  August 
mit  der  Wörther  Schlacht  furchtbar  einsetzend,  zaubert  seine  unparteiische, 
aber  warmblütige,  theil weise  hinreissende  »Frosch weiler  Chronik«  vor  unsere 
Augen.  Die  Geschehnisse  jener  Tage  sind  der  Höhepunkt  in  K.'s  Lebens- 
drama. Im  September  1876  besuchte  Kaiser  Wilhelm  I.  die  auf  K.'s 
Betrieb  für  die  zerschossene  errichtete  »Friedenskirche« ,  und  des  Freih. 
V.  Löffelholz  daselbst  verwahrtes  künstlerisches  »Helden-  und  Todtenbuch« 
mit  K.'s  Kriegschronik  der  Frosch weiler  Ereignisse  erregte  sein  und  seiner 
Begleiter  Interesse.  Kurz  danach  (oder  eben  vorher)  gewannen  zwei  Nörd- 
linger  Pädagogen  beim  Besuche  der  Schlachtgegend  von  K.  die  Zusage  zur 
Veröffentlichung  des  Manuscripts,  die  noch  im  November  als  »Frosch weiler 
Chronik,  Kriegs-  und  Friedensbilder  aus  dem  Jahre  1870«  bei  Beck  in 
Nördlingen  (jetzt  München)  erfolgte.  Durch  letzteren,  ihm  dann  persönlich 
nahe  tretenden  Verleger,  der  sich  um  die  weiteste  Verbreitung  des  Büchleins 
bemühte,  und  jene  Herren  ward  K. ,  in  seiner  kirchlichen  Orthodoxie  bei 
aller  individuellen  Weichheit  von  den  bezüglichen  —  er  war  Diöcesanvor- 
stand  geworden  —  von  ihm  mitgeführten  Kämpfen  im  Heimathslande  hart 
getroffen,  auf  die  alte  Reichsstadt  am  Ries  hingewiesen:  1882  erhielt  er 
auf  Bewerbung  die  protestantische  Hauptpredigerstelle  daselbst,  kurz  darauf 
die  Function  als  Decan,  auch  als  Districtsschulinspector  und  Vorstand  einer 
Präparandenschule.  Aus  dieser  energisch  und  ergebnissreich  besorgten 
Wirksamkeit  entriss  ihn,  zum  tiefsten  Bedauern  aller  beteiligten  Kreise,  1885 
eine  alte  mit  Rothlauf  ausbrechende  Krankheit  für  immer  den  Seinen  im 
engem  und  weitem  Sinne.  Nach  13  jährigem,  öfters  durch  Lichtblicke  erhellten 
Aufenthalte  in  der  Irrenanstalt  zu  Kaufbeuren  starb  er;  in  Nördlingen  wurde 
er,  aus  hochachtungsvoller  Rücksicht  äusserlich  im  Amte  belassen,  äusserst 
feierlich  beigesetzt.  — 

K.'s  »Fröschweiler  Chronik«  schlug  vor  Weihnacht  1876  zündend  ein: 
in  14  Tagen  vergriffen,  erlangte  sie  bis  heute  16  Auflagen,  dazu  eine  (von 
Ernst  Zimmer  fast  congenial  und  aus  Augenschein)  illustrirte  Jubel(quart)aus- 
gabe  1897;  nach  Karl  Gerok  ist  sie  eine  eigenartige  tieferschütternde  Leetüre. 
K.'s  Buch  »Vor  dreissig  Jahren.  Eine  alte  Geschichte  für  unsere  neue  Zeit, 
unserm  Volk  zu  Nutz  erzählt«  (1880)  bietet  in  einer  zwischen  B.  Auerbach 
und  Rosegger  liegenden  Selbstständigkeit  höchst  ansprechende  Erinnerungen 
von  1848 — 52  in  Erzählungsform. 

»Zur  Erinnerung  an  den  k.  Dekan  und  Hauptprediger  Carl  Klein  in  Nördlingen, 
Verfasser  der  »Fröschweiler  Chronik«  (Nördlingen,  Privatdruck  von  C.  H.  Beck  1898: 
neben  drei  Einsegnungsreden  ein  »Lebenslauf,  verlesen  von  Vicar  Bruglocher«  S.  20—25). 
»Beilage  z.  Allgem.  Ztg.«,  No.  113  v.  21.  Mai.  Lebensskizze  mit  Bildnis  im  »Daheim«, 
34.  Jahrg.,  1898  Nr.  43  (von  Karl  Hackenschmidt,  aus  persönlicher  Bekanntschaft)  und 
danach  verkürzt  »Daheim-Kalender  1900«,  S.  251  f.  (hier  Geburtsort  verdruckt).  Ausführ- 
licheres Lebens-  und  Charakterbild  vom  Unterzeichneten  im  Druck.  Vgl.  das  Feuilleton 
Frz.  Servaes'  i.  d.  »Neuen  Fr.  Presse«  Wien  vom  31.  Mai  1899. 

Ludwig  Fränkel. 


264  Esser. 

Esser,  Hermann,  Grossh.  Badischer  Baudirector,  *  zu  Cöln  am  19.  Januar 
1840,  f  zu  Karlsruhe  am  2.  April  1898.  Auf  der  technischen  Hochschule 
zu  Hannover  und  unter  Redtenbachers  Einfluss  auf  dem  Karlsruher  Poly- 
technicum  lag  E.  mit  grossem  Eifer  dem  Studium  des  Maschinenbaues  ob 
und  vertiefte  und  erweiterte  während  eines  längeren  Aufenthaltes  in  England 
in  der  Praxis  die  erworbenen  soliden,  theoretischen  Kenntnisse.  Er  war  in 
verschiedenen  grossen  Maschinenfabriken  Englands  in  leitenden  Stellungen 
thätig,  als  deren  bedeutendste  wohl  jene  des  ersten  Constructeurs  in  der  Fabrik 
von  John  Hetherington  and  Sons  in  Manchester  anzusehen  ist.  Von  1867 
an  im  Dienst  der  badischen  Staats-Eisenbahn  Verwaltung,  wirkte  E.  zunächst 
als  Maschineningenieur  in  Heidelberg,  seit  1874  als  Obermaschinenmeister 
der  Eisenbahnhauptwerkstätte  in  Karlsruhe.  Das  seiner  Leitung  anvertraute 
Institut  bildete  er  in  dieser  Amtsstellung  so  vortrefflich  aus,  dass  es  im  In- 
und  Ausland  als  mustergiltig  betrachtet  wurde.  Nicht  minder  gross  war  E.'s 
Verdienst  durch  die  Art  und  Weise,  in  welcher  er  sein  Verhältniss  zu  der 
grossen  Schaar  der  ihm  untergebenen  Arbeiter  auszugestalten  verstand.  Ein 
aus  wahrer  Humanität  entspringendes  Wohlwollen,  eine  nie  in  Zweifel  gesetzte 
Gerechtigkeit,  eine  »schlichte  Vornehmheit«  —  wie  ein  Fachgenosse  sich 
treffend  ausdrückte  —  dabei  doch  eine  unbeugsame  Festigkeit  in  Durchführung 
des  als  nothwendig  Erkannten,  verbunden  mit  einer  unerschütterlichen  und 
—  weil  ungesucht  —  imponirenden  Ruhe  waren  die  Factoren,  welche  ihm 
Achtung,  Vertrauen  und  Zuneigung  der  Arbeiter  gewannen.  Durch  diese 
Eigenschaften  vermochte  er  mit  Erfolg  der  auch  in  diesem  staatlichen  Betriebe 
nicht  ausbleibenden  Agitation  entgegenzutreten,  so  dass  in  diesem  nie  eine 
ernstliche  Störung  eintrat.  Im  Jahre  1891  zum  Mitglied  der  Generaldirection 
der  badischen  Staatseisenbahnen  und  Vorstand  der  maschinentechnischen 
Abtheilung  dieser  Behörde  ernannt,  hatte  E.  sich  neue  wichtige  Aufgaben 
gestellt,  die  er  in  ausgezeichneter  Weise  löste.  Es  sei  davon  nur  hervor- 
gehoben die  Nothwendigkeit,  in  Folge  der  seit  Beginn  der  1890  er  Jahre 
erheblich  gesteigerten  Anforderungen  an  die  Schnelligkeit  der  Bahnzüge, 
besseres  Maschinenmaterial  zu  beschaffen  und  die  Berücksichtigung  der 
Fortschritte  der  Elektrotechnik,  die  auf  dem  gesammten  Bahnbetrieb  nicht 
ohne  Einfluss  blieben.  Mit  grosser  Umsicht  und  unerschütterlichem  Eifer 
widmete  er  sich  all  den  Vorkehrungen,  die  dabei  insbesondere  in  der 
Richtung  erforderlich  waren,  den  stets  neuen  Erscheinungen  auf  tech- 
nischem Gebiet,  deren  Prüfung  durch  Versuche  ihm  eine  Lieblingsbe- 
schäftigung war,  in  ihrer  Bedeutung  für  den  praktischen  Betrieb  gerecht 
zu  werden.  1896  übernahm  E.,  zum  Baudirector  ernannt,  die  Leitung 
der  gesammten  technischen  Abtheilung  der  Generaldirection  und  damit 
eine  wesentlich  erweiterte  Amtsthätigkeit  mit  der  gleichen  Intensität  des 
Wirkens,  die  er  in  allen  seinen  Stellungen  bewährt  hatte.  Aber  damit 
muthete  er  seinem  durch  ein  altes  Herzleiden,  das  sich  von  Zeit  zu  Zeit 
durch  peinliche  Anfälle  bemerklich  machte,  geschwächten  Körper  zu  viel 
zu.  Solche  Anfälle  wiederholten  sich  jetzt  öfter,  und  da  er  mit  seltener 
Willenskraft,  diesen  Mahnungen  zum  Trotz,  wie  ein  Gesunder  weiter 
arbeitete,  nahm  ihn  eines  Abends,  als  er  aus  seinem  Amt  nach  Hause  ge- 
kommen war,  fast  ohne  dass  er  des  nahenden  Endes  gewahr  wurde,  ein 
sanfter  Tod  hinweg.  Die  echte  Herzensbildung,  welche  dieses  Leben  ver- 
klärte, die  nie  versagende  Liebenswürdigkeit,  die  seinen  Verkehr  auszeichnete, 
hatte  ihm  viele  Freunde  gewonnen,  die   mit    der  Wittwe,  Mary  Steinhäusser, 


Esser.     Seemann.     Bäumer.  265 

mit   welcher    er    sich  1868  vermählt  hatte,    tieferschüttert    an    seinem  Sarge 
trauerten. 

Vgl.  »Karlsruher  Zeitung«   1898  No.  136. 

F.  V.  Weech. 

Seemann,  Theodor,  Kunstschriftsteller  und  Lehrer  der  Kunstgeschichte, 
*  Göttingen  17.  Juli  1837,  f  30.  Januar  1898  in  Dresden.  S.  studirte  in 
seiner  Vaterstadt  und  in  Halle  Theologie  und  Kunstgeschichte.  Hierauf  begab 
er  sich  für  längere  Zeit  auf  Reisen  und  übernahm  dann  mehrere  Hauslehrer- 
stellen in  vornehmen  Häusern.  Seit  dem  Jahre  1867  lebte  er  als  Schrift- 
steller in  Dresden.  Er  war  unter  Anderem  Redacteur  an  der  »Constitutio- 
nellen  Zeitung«  und  an  der  »Dorfzeitung«  und  begründete  die  »Deutschen 
Kunstblätter«  und  das  »Universum«.  Im  Jahre  1892  wurde  er  Mitarbeiter 
an  der  »Dresdener  Rundschau«,  für  die  er  unter  der  Maske  des  »Geheimen 
Commissionsraths  Pippich«  eine  lange  Reihe  satirischer  Briefe  schrieb,  die  im 
Wesentlichen  allerhand  Missstände  des  Dresdener  öffentlichen  Lebens 
geisselten.  Zerwürfnisse  mit  der  Leitung  des  Blattes  bestimmten  ihn,  diese 
Thätigkeit  aufzugeben  und  die  »Dresdener  Montagspost«  ins  Leben  zu  rufen, 
in  der  er  ähnliche  Tendenzen  weiter  verfocht,  bis  ihn  ein  rascher  Tod  von 
der  Fortführung  seiner  Gründung  abrief.  Neben  seiner  journalistischen  Arbeit 
betrieb  er  eifrig  den  Unterricht  in  der  Aesthetik,  Litteratur  und  Kunstgeschichte. 
Er  war  in  zahlreichen  Dresdener  Mädchenpensionaten  ein  geschätzter  Lehrer 
und  wusste  seine  Zuhörerinnen  durch  seine  populäre  Vortragsweise  zu  fesseln. 
Hand  in  Hand  damit  ging  eine  ausgebreitete  Wirksamkeit  als  Kunstschrift- 
steller, als  welcher  er  eine  lange  Reihe  von  Büchern  veröffentlichte,  deren 
Inhalt  allerdings  weder  tief  ist,  noch  an  überflüssiger  Genauigkeit  leidet.  Da 
sie  Kürschners  Deutscher  Litteratur-Kalender  auf  das  Jahr  1898  sämmtlich 
verzeichnet  und  keines  einen  höheren  wissenschaftlichen  Werth  beanspruchen 
kann,  ist  es  nicht  nöthig,  sie  hier  im  Einzelnen  anzuführen.  Auch  als  Kunst- 
kritiker versuchte  sich  S.  Er  schrieb  Jahre  lang  unter  dem  Zeichen:  77  ^^^^ 
den  »Dresdener  Anzeiger«,  und  erst  wenige  Wochen  vor  seinem  Ende  kam 
sein  Verhältniss  zu  dieser  Zeitung  zur  Lösung.  Da  S.  keine  feste  eigene  Ueber- 
zeugung  hatte  und  leicht  durch  die  verschiedenartigsten  Einflüsse  zu  bestim- 
men war,  hatte  seine  Thätigkeit  in  dieser  Richtung  keine  grosse  Bedeutung. 
Ein  Förderer  des  Fortschrittes  in  der  Dresdener  Kunstbewegung  war  er 
wenigstens  in  der  letzten  Zeit  seines  Lebens  nicht;  eher  Hesse  sich  das 
Gegen theil  davon  behaupten.  Dagegen  spielte  er  in  dem  gesellschaftlichen 
Leben  Dresdens  eine  gewisse  Rolle.  Er  war  in  vielen  Kreisen,  die  mit  der 
Presse  und  der  Kunst  in  Verbindung  stehen,  beliebt  und  geehrt,  da  sein 
unausgesprochenes  Wesen  und  seine  temperamentlose  Liebenswürdigkeit  wie 
geschaffen  für  die  Dresdener  Verhältnisse  war. 

Vgl.  »Dresdener  Rundschau«  1898,  VII,  Nr.  6,  S.  1  —  2.  —  »Kunstchronik«  Leipzig 
1897.9g,  N.  F.  IX,  Nr.  15,  S.  249. 

H.  A.  Lier. 

Bäumer,  Th.  Heinrich,  Bildhauer,  *  Warendorf  in  Westfalen  am 
25.  Februar  1836,  f  Dresden  am  26.  April  1898.  B.  war  der  Sohn  eines 
Tischlers  und  bildete  sich  ohne  eigentliche  künstlerische  Anleitung  vom 
Modelleur  zum  Bildhauer  fort.  Zuerst  in  Münster  und  seit  dem  Jahre  1859 
bis  1866  als  Gehülfe   und  Schüler    bei   dem  Bildhauer  Schwenk    in  Dresden 


266  Bäumer.     Zimmermann. 

thätig,  machte  er  sich  zuerst  durch  die  im  Auftrage  der  Königin  von  England 
gearbeitete  lebensgrosse  Figur  eines  Salomo  bekannt,  die  flir  das  Mausoleum 
des  Prinz-Gemahls  bestimmt  war.  Im  Sommer  1866  siedelte  er  nach  Rom 
über,  wo  er  mit  einer  kurzen  Unterbrechung  bis  zu  seiner  dauernden  Nieder- 
lassung in  Dresden  weilte.  Ausser  einer  humoristischen  Blumenfigur 
^>Männekenpiss«  schuf  er  in  jenen  Jahren  die  Gruppe  von  »Zeus  und  Prome- 
theus« für  das  Kgl.  Hoftheater  in  Dresden,  sowie  einige  Reliefportraits  und 
verschiedene  Figuren  für  Kirchen.  Für  den  Justiz-Palast  in  Dresden  lieferte 
er  im  Auftrage  des  Sachs.  Justiz-Ministeriums  die  Statuen  der  Gerechtigkeit, 
der  Schuld  und  der  Unschuld,  sowie  zwei  weitere  Einzelfiguren.  Aehnliche 
allegorische  Figuren  von  seiner  Hand  finden  sich  auch  im  Justiz-Gebäude  zu 
Chemnitz.  Aus  den  Mitteln  der  Hermann-Stiftung  wurde  die  Marmorgruppe: 
»Venus  droht  Amor  die  Flügel  zu  stutzen«  in  den  Anlagen  der  Dresdener 
Bürgervereine  hergestellt.  In  Folge  einer  von  der  Tiedge-Stiftung  aus- 
geschriebenen Concurrenz  erhielt  er  den  Auftrag  für  einen  Zierbrunnen  in 
Zittau,  der  die  Zittavia  und  die  vier  Nischenfiguren  des  Gartenbaues,  des 
Handels,  der  Wehrkraft  und  der  Industrie  darstellt.  Die  letzte  umfängliche 
Arbeit  des  Künstlers  war  eine  Überlebensgrosse  Büste  des  Königs  Albert  von 
Sachsen.  Sie  trug  ihm  noch  kurz  vor  seinem  Ende  die  Ernennung  zum  Kgl. 
Professor  ein.  —  B.  gehörte  seiner  künstlerischen  Richtung  nach  der  älteren 
Dresdener  Bildhauerschule  an,  die  weniger  Werth  auf  die  Charakteristik,  als  auf 
die  Schönheit  der  Linienführung  und  auf  die  Anmuth  den  Ausdruck  legte. 
Deshalb  gelangen  ihm,  wie  die  Ausstellung  seines  Nachlasses  im  sächsischen 
Kunstverein  deutlich  zeigte,  genrehafte  Figuren  und  Figtirchen  (Susanna, 
Amors  Freude  über  zwei  sich  schnäbelnde  Täubchen,  Sandalenbinderin 
u.  s.  w.)  weit  besser  als  monumentale  Aufgaben,  in  denen  er  meist  steif,  wenn 
nicht  sogar  langweilig  blieb. 

Vgl.  »Das  geistige  Deutschland  am  Ende  des  XIX.  Jabrhunders.«  i.  Bd.  Die  Bil- 
denden Künstler.  Leipzig,  Berlin  1898.  8*  S.  24.  —  »Dresdener  Anzeiger«  vom  28.  April 
1898.    S.  27  —  »Kunstchronik«,     Leipzig  1897/98  N.  F.  IX,  391,  406,  407,  410.  —  »Die 

Kunst  für  Alle.«     München  1897/98.     XIII,  S.  269.  tt     *     t  • 

JuL.  A.  Lier. 

Zimmermann,  Cuno  Moritz,  Pastor,  *  17.  März  181 5  in  Dresden, 
f  28.  Februar  1898  ebendaselbst,  war  der  Sohn  des  Stadtrichters  A.  B.  Zim- 
mermann. Nachdem  er  seinen  Vater  bereits  in  seinem  13.  Jahre  verloren 
hatte,  bezog  er  zu  Ostern  1829  die  Fürstenschule  zu  Meissen,  die  er  schon 
nach  sVj  Jahren  zu  Michaelis  1834  als  Primus  omnium  mit  den  besten  Zeug- 
nissen verliess.  Er  studirte  in  Leipzig  Theologie  und  nahm  dann  im  Jahre 
1838  eine  Hauslehrerstelle  bei  dem  Fürsten  Löwenstein-Wertheim  in  Berlin 
an,  wo  er  Gelegenheit  hatte,  Vorlesungen  Neanders  zu  hören,  und  sich  fleissig 
mit  dem  Studium  der  Philosophie  und  dem  der  Schriften  Schleiermachers 
beschäftigte.  Seit  dem  Jahre  1840  wirkte  er  als  Lehrer  an  dem  damals 
renomirten  Krauseschen  Institut  in  Dresden.  Erst  im  Jahre  1846  konnte  er 
in  das  geistliche  Amt  eintreten.  Er  wurde  Vicar  zu  St.  Nicolai  in  Chemnitz 
und  bald  darauf  Diaconus  bei  St.  Jacobi  und  von  dort  im  Jahre  1854  zum 
Pfarrer  nach  Döbeln  berufen.  In  seiner  religiösen  Ueberzeugung  stand  er 
auf  dem  Bekenntniss  des  strengsten  Lutherthums,  zu  dessen.  Vorkämpfer  er 
sich  berufen  fühlte.  In  diesem  Sinne  begründete  er  im  Jahre  1859  gemein- 
schaftlich mit  Leonhardi  ein  -  Monatsblatt  zum  homiletischen  Studium  und  zur 
Erbauung,  das  unter  dem  Titel:   »Gesetz  und  Zeugniss«  in  Leipzig  bei  Teubner 


Zimmermann.     Hermann.     Hammer.  267 

erschien.  Aus  ihr  entwickelten  sich  mit  dem  Jahre  1871  die  »Pastoralblätter«, 
die  er  bis  kurz  vor  seinem  Tode  redigirte.  Die  Zeitschrift  gewann  in  den  Kreisen 
der  strengen  Lutheraner  grossen  Einfluss,  da  die  sogenannten  Säulen  der 
lutherischen  Kirche  wie  Luthard,  Ahlfeld,  Stählin,  Langbein,  Delitzsch,  Harless, 
Meurer  und  Rüling  eifrige  Mitarbeiter  an  ihr  wurden.  In  den  Jahren  von 
1863— 1886  entfaltete  er  eine  reich  gesegnete  Amtsthätigkeit  als  Pfarrer  zu 
Seifersdorf  bei  Rabenau.  Auf  den  Conferenzen  und  kirchlichen  Versamm- 
lungen sowie  auf  der  Synode  spielte  er  unter  seinen  Amtsbrüdern  eine  be- 
deutende Rolle.  In  Anerkennung  seiner  Verdienste  verlieh  ihm  die  theolo- 
gische Facultät  der  Universität  Leipzig  den  Titel  eines  Licentiaten  der  Theo- 
logie. Auch  war  Z.  Ritter  des  Albrechtsordens  erster  Classe.  Nach  seiner 
Pensionirung  im  Jahre  1886  zog  sich  Z.  nach  Dresden  zurück,  wo  er  noch 
12  Jahre  geistig  rege  und  arbeitsfreudig  lebte  und  noch  im  Jahre  1897  seine 
goldene  Hochzeit  feiern  durfte. 

Job.  Cuno  Zimmermann,  Gedächtnissrede  beim  Begräbnisse  des  Herrn  Pastor  em. 
Lic.  theol.  Cuno  Zimmermann.  Leipzig  o.  J.(i898).  8^.  —  »Afranisches  Eccc«  1898.  3.  Heft. 
Bearbeitet  von  Gustav  Türk.  Meissen  1899.  8".  S.  16—21.  —  »Amtskalendcr  für  evangelisch- 
lutherische Geistliche  im  Königreich  Sachsen  auf  das  Jahr  1899«.     Frankenberg  o.  J.  (1898). 

^''    S-  2^3.  H.  A.  Lier. 

Hermann,  Wilhelm  Theodor,  Secretär  der  Handels-  und  Gewerbe- 
kammer in  Dresden,  *  i.  September  1839  ^^  Bautzen,  f  ^4'  J^"^  1868  in 
Dresden.  H.  war  der  Sohn  des  Kgl.  sächs.  Kreis -Amtmanns  Carl  Otto 
Ferdinand  H.  In  der  Knabenerziehungsanstalt  der  Brüdergemeine  zu  Niesky 
bei  Görlitz  und  auf  der  Fürstenschule  St.  Afra  zu  Meissen  vorgebildet,  bezog 
er  zu  Michaelis  1858  die  Universität  I^eipzig,  um  sich  dem  Studium  der 
Phüologie  zu  widmen,  vertauschte  dasselbe  jedoch  bereits  im  Jahre  1859  mit 
dem  der  Bergwissenschaften,  zu  welchem  Zwecke  er  nach  Freiberg  i.  S.  über- 
siedelte. Nach  Vollendung  seiner  Studien  ging  er  im  Jahre  1863  nach  Chile 
und  später  nach  San  Francisco,  wo  er  vorzugsweise  auf  dem  Gebiete  chemi- 
scher Erzbereitung  und  in  der  Schmelztechnik  thätig  war.  Nach  seiner  Rück- 
kehr nach  Deutschland  im  Jahre  1878  privatisirte  er  längere  Zeit  in  Dresden, 
übernahm  aber  am  i.  Januar  1884  eine  Hülfsarbeiterstelle  bei  der  Handels- 
und Gewerbekammer  in  Dresden,  die  er  inne  hatte,  bis  ihm  schon  im  Jahre 
i886  das  Secretariat  der  Kammer  übertragen  wurde.  Diesen  Posten  be- 
kleidete er  bis  an  sein  Ende  und  wusste  sich  durch  seine  gediegenen  Kennt- 
nisse und  seinen  practischen  Blick,  die  ihm  bei  der  Abfassung  der  Kammer- 
berichte sehr  zu  Statten  kamen,  einen  geachteten  Namen  bei  den  Kammer- 
mitgliedern und  Berufscollegen  zu  erwerben.  Mit  mehr  als  gewöhnlicher 
Fachbildung  ausgerüstet,  nahm  er  auch  an  Fragen  des  öffentlichen  Lebens 
und  wissenschaftlichen  Erörterungen,  die  seinen  verschiedenen  Berufen  zunächst 
fern  standen,  lebhaften  Anteil.  In  Gemeinschaft  mit  H.  Ermisch  verfasste  er 
den  Aufsatz:  »Das  Freiberger  Bergrecht«  im  Neuen  Archiv  für  sächs.  Ge- 
schichte und  Alterthumskunde  Dresden  1882  III,   118 — 151. 

Vgl.  »Afranisches  Ecce«  1898.  3.  Heft.  Bearbeitet  von  G.  Türk.  Meissen  1899. 
S.  51.  52.  —  Bericht  der  Handels-  und  Gewerbekammer  Dresden  auf  das  Jahr  1898. 
Dresden  1899.     L  70-71.  H.  A.   Lier. 

Hammer,  Guido,  Jagdmaler,  *  4.  Februar  1821  in  Dresden,  f  27.  Januar 
1898   ebendaselbst.     H.  war  der  Sohn  eines  sächsischen  Ministerialbeamtens. 


208  Hammer. 

Die  Schule  besuchte  er  nur  mit  Widerwillen,  da  ihm  ein  grämlicher  Rector 
die  Lust  am  Lernen  verleidete.  Schon  als  Knabe  trieb  er  sich  am  liebsten 
im  Walde  herum  und  eignete  sich  grosse  Geschicklichkeit  im  Fangen  von 
Fischen,  jungen  Vögeln,  Eichhörnchen,  Igeln  und  dergleichen  Gethier  mehr 
an.  Seine  liebsten  Gesellschafter  waren  Vogelsteller  von  Profession,  Feld- 
und  Waldhüter  und  sonstige  oft  recht  problematische  Naturen,  mit  denen  zu- 
sammen er  namentlich  in  der  Dresdener  Haide,  Sprenkel,  Dohnen  und  Fallen 
zu  stellen,  ja  gelegentlich  auch  schon  mit  dem  Gewehr  zu  jagen  pflegte. 
Wenn  es  nach  seinem  Wunsche  gegangen  wäre,  hätte  er  seiner  Neigung  zum 
Waidmannsberuf  nachgegeben.  Aber  sein  gestrenger  Vater  wollte  von  der- 
gleichen Plänen  durchaus  nichts  wissen,  gab  aber  nach,  als  H.'s  älterer  Bruder 
Julius,  der  später  als  Dichter  von  »Schau  um  Dich  und  schau  in  Dich«  be- 
kannt geworden,  den  Rath  ertheilte,  dass  Guido  die  Dresdner  Akademie  be- 
suchen sollte,  um  Maler  zu  werden.  Allein  anfänglich  wollte  ihm  dieser  Beruf 
gar  nicht  zusagen,  zumal  ihn  die  Möglichkeit  freierer  Bewegung  immer  wieder 
zum  Herumtreiben  in  Wald  und  zur  Jagd  verführte.  In  dem  unter  Rietschel's 
Leitung  stehenden  Antikensaal  schwänzte  er  unablässig,  so  dass  Rietschel  froh 
war,  den  ungefügen  Schüler  entlassen  zu  können.  Als  er  aber  beim  Act- 
zeichnen  unter  Julius  Hübner  statt  des  vorgeschriebenen  nackten  Körpers  einen 
Jäger  in  mittelalterlicher  Waidmannstracht  entwarf,  tadelte  Hübner  diese  Extra- 
vaganz keineswegs,  sondern  nahm  ihn,  nachdem  er  sich  von  seiner  eigen- 
thümlichen  Begabung  überzeugt  hatte,  unter  die  Zahl  seiner  Privatschüler 
auf,  um  ihn  trotz  seiner  eigenen,  ganz  anderen  Gebieten  der  Kunst  zugewandten 
Richtung  nach  Kräften  zu  fördern.  H.  hat  stets  anerkannt,  dass  er  das,  was 
er  als  Künstler  zu  leisten  vermochte,  der  Unterweisung  Hübners  verdankte. 
Er  hatte  das  Glück,  dass  sein  Erstlingswerk,  ein  Jäger  zu  Pferd,  der  über 
einen  erlegten  Hirsch  das  Halali  bläst,  vom  sächsischen  Kunstverein  angekauft 
wurde.  Auf  diese  Weise  wurde  er  sehr  bald  in  waidmännischen  Kreisen  als 
tüchtiger  Specialist  anerkannt  und  von  ihnen  in  seinem  Fortkommen  unter- 
stützt. Er  durfte  sich  an  den  Kgl.  Hofjagden  in  Moritzburg  unter  König 
Friedrich  August  IL  betheiligen  und  in  den  Kgl.  Wäldern  und  Weinbergen 
die  Jagdthiere  nach  Herzenslust  in  ihren  Schlupfwinkeln  beobachten.  Damals 
sammelte  er  das  Material  zu  seinen  »Hubertus-Bildern,  Album  für  Jäger  und 
Jagdfreunde«,  zu  dem  er  selbst  den  Text  schrieb,  während  sein  Freund 
H.  Btirkner  seine  Zeichnungen  in  Holz  schnitt.  Aus  dem  Erlöse  eines  von 
dem  Grafen  Hohenthal  angekauften  Bilde,  das  den  »Kampf  zweier  Hirsche« 
darstellte,  bestritt  er  im  Jahre  1847  die  Kosten  der  üblichen  italienischen 
Reise.  Wichtiger  als  diese  aber  wurde  es  für  ihn,  dass  er  Zeit  fand,  auf  der 
Rückreise  das  bayerische  und  steierische  Hochgebirge  zu  durchstreifen  und 
überall  daselbst  Studien  zu  machen.  In  die  Heimath  zurückgekehrt,  malte 
er  sein  letztes  Bild  in  Hübners  Atelier,  einen  Bär,  der  einen  verendeten  Hirsch 
findet.  Es  ging  in  den  Besitz  des  Herzogs  von  Anhalt-Dessau  über.  Dann 
machte  er  sich  selbstständig  und  fing  nun  an,  regelmässig  Beiträge  für  die 
»Gartenlaube«  zu  liefern,  indem  er  Schilderungen  aus  dem  Thierleben  ent- 
warf und  sie  mit  entsprechenden  Illustrationen  versah.  Von  einem  besonderen 
Gönner,  dem  Grafen  zu  Solms -Klitschdorf,  erhielt  er  den  Auftrag,  für  sein 
Schloss  in  Schlesien  und  seine  Villa  in  Dresden  eine  Reihe  von  Staffelei- 
Lildern  zu  malen.  Der  Wirth  eines  grösseren  Restaurants  in  Dresden,  das 
heute  noch  die  »Wolfsschlucht«  heisst,  bestellte  bei  ihm  einen  Cyclus  von 
sechs   grösseren  Wandgemälden,   die,   dem   Namen   des   Locals  entsprechend, 


Hammer.     Geselschap.  269 

sämmtlich  Wölfe  im  Kampfe  mit  Jagdthieren  darstellten.  H.  führte  sie  in 
Leimfarbe  aus,  die  leider  dem  Einfluss  der  Feuchtigkeit  nicht  Stand  hielt,  so 
dass  sie  von  ihm  später  erneuert  werden  mussten.  Ein  weiterer  Gönner 
des  Künstlers  war  der  Herzog  Ernst  II,  von  Coburg -Gotha.  H.  durfte  ihn 
auf  seinen  Jagdzügen  im  bayrischen  Gebirge  und  T)n-ol  begleiten  und  erbeutete 
bei  solchen  Gelegenheiten  stets  ganze  Mappen  von  Bildern  und  Zeichnungen. 
Durch  dieses  unermüdliche  Umherschweifen  in  Wald  und  Feld  hatte  sich  H. 
im  Laufe  der  Jahre  eine  überaus  sichere  Kenntniss  des  Wildes  und  seines 
Treibens  angeeignet.  Er  beobachtete  scharf  und  war  ein  vortrefflicher 
Zeichner,  stand  aber  nach  modernen  Anschauungen  mit  der  Farbe  einiger- 
massen  auf  dem  Kriegsfuss,  was  sich  namentlich  in  den  meist  ziemlich  harten 
landschaftlichen  Hintergründen  seiner  Bilder  zeigt.  Zwei  davon  sind  in  den 
Besitz  der  Dresdener  Galerie  übergegangen;  das  eine  im  Jahre  1852  voll- 
endete stellt  ein  »geflecktes  Windspiel«,  das  andere  im  Jahre  1866  entstandene 
»eine  Wildsau  mit  Frischlingen«  dar.  Von  seinen  Werken  sind  noch  zu 
er>Ä'ähnen:  »Jagdbilder  und  Geschichten«  aus  Wald  und  Flur,  aus  Berg  und 
Thal.  Mit  8  Bildern  in  Holzschnitt  ausgeführt  von  Hugo  Bürkner.  2.  Aufl. 
Glogau,  Carl  Flemming,  o.  J.  8°  und  »Wild-,  Wald-  und  Waidmannsbilder«. 
Mit  Illustrationen.     Leipzig,  Ernst  Keils  Nachfolger,   1891.     gr.  8". 

Vgl.  »Die  Gartenlaube«  1874.  No.  48,  S.  770—772.  (Kurze  Selbstbiographie  mit 
Bildniss.)  Wilhelm  Kaulen,  Freud'  und  Leid  im  Leben  deutscher  Künstler.  Frankfurt  a.  M. 
1878,  S^.  S.  225—230.  —  »Dresdner  Anzeiger«  vom  30.  Januar  1898,  S.  36.  —  »Dresdner 
Rundschau«    1896,  Nr.  30.  —  »Kunstchronik«,  Leipzig  1897/98  N.  F.  IX  Sp.  248—249. 

H.  A.  Lier. 

Geselschap,  Friedrich,  Historienmaler,  ♦s.Mai  1835  in  Wesel,  f  31.  Mai  1898 
in  Rom.  G.  war  der  Sohn  eines  Kaufmannes  aus  Wesel  am  Niederrhein, 
und  der  jüngere  Bruder  des  Genremalers  Eduard  G.  Da  er  beide  Eltern  schon 
als  Kind  verlor,  kam  er  zu  Verwandten  nach  Neisse  in  Schlesien.  Als  16 jähriger 
wurde  er  im  Jahre  1851  nach  Breslau  auf  das  Gymnasium  geschickt,  ging 
aber,  als  der  Portraitmaler  Resch  seine  künstlerische  Begabung  erkannt  hatte, 
auf  die  Dresdener  Akademie  über,  wo  sich  Julius  Schnorr  von  Carolsfeld 
seiner  annahm.  Doch  blieb  er  nur  zwei  Jahre  in  Dresden  und  wandte 
sich  zur  Fortsetzung  seiner  Studien  im  Jahre  1855  nach  Düsseldorf,  um  dort 
Schüler  Bendemanns  und  Schadows  zu  werden.  Im  Verkehr  mit  seinem 
Freunde  Theodor  Mintrop,  der  grossen  Einfluss  auf  ihn  gewann,  begeisterte 
er  sich  hier  fiir  die  Decorationsweise  und  Prunkmalerei  der  römischen  Re- 
naissance. Doch  musste  er  noch  geraume  Zeit  warten,  ehe  er  das  Ziel  seiner 
Sehnsucht,  Italien,  mit  eigenen  Augen  sehen  konnte.  Nachdem  er  11  Jahre 
lang  rastlos,  meist  als  Gehülfe  anderer  und  als  Portraitzeichner,  thätig  gewesen 
war,  konnte  er  im  Jahre  1866  nach  Rom  reisen.  Er  trat  hier  mit  O verbeck 
in  Verbindung  und  studirte  die  Fresken  des  Vaticans  auf  das  Eifrigste.  Seit- 
dem fühlte  er  sich  berufen,  selbst  als  Schöpfer  monumentaler  Werke  aufzu- 
treten. Den  ersten  glücklichen  Wurf  nach  seiner  im  Jahre  1871  erfolgten  Ueber- 
siedelung  nach  Berlin,  der  seinen  Namen  wenigstens  in  der  Oeffentlichkeit 
bekannt  machte,  that  er  in  seinen  gemeinschaftlich  mit  Bleibtreu  ausgeführten 
Concurrenzarbeiten  für  die  Ausschmückung  der  Kaiserpfalz  in  Goslar,  für  die 
ihnen  der  zweite  Preis  zu  Theil  wurde.  Erst  im  Jahre  1879,  nachdem  er 
bisher  im  Wesentlichen  nur  für  die  Decoration  von  Privathäusern  beschäftigt 
gewesen  war,   erhielt  er  auf  die  Verwendung  Fridrich  Hitzigs    hin    den  Auf- 


2^0  Geselscbap. 

trag,  die  Kuppel  und  vier  Bogenfelder  des  Berliner  Zeughauses  auszumalen 
und  so  zu  einer  Ruhmeshalle  umzugestalten.  Im  Anschluss  an  den  Styl  des 
Cornelius,  der  mehr  und  mehr  sein  Vorbild  wurde,  schuf  er  hier  mit  Casein- 
farben  vier  grosse  Bilder,  die  den  Krieg,  den  Frieden,  die  Wiederher- 
stellung des  deutschen  Reiches  und  Walhalla  darstellen.  Die  Arbeit  dauerte 
bis  zum  Jahre  1890  und  wurde  von  ihm  nur  mit  grösster  Anstrengung  zu 
Ende  geführt,  da  er  sich  durch  den  Sturz  vom  Gerüst  eine  unheilbare  Bein- 
wunde zugezogen  hatte.  Sein  künstlerischer  Ruf,  den  er  wenigstens  in  Berlin 
durch  die  Thätigkeit  im  Zeughause  fest  begründet  hatte,  verschaffte  ihm  auch 
nach  Vollendung  seines  Bildercyclus  eine  Reihe  weiterer  Aufträge.  Für  die 
Berliner  Gnadenkirche  entwarf  er  die  Glasfenster  mit  den  vier  Evangelisten 
und  der  Auferstehung  Christi;  in  der  Kaiserin  Augustakirche  rühren  die  Mosaik- 
bilder von  ihm  her,  zum  90.  Geburtstage  Kaiser  Wilhelms  I.  componirte  er 
einen  antik isirenden  Fries  für  das  Berliner  Akademiegebäude,  und  endlich  malte 
er  die  Anbetung  der  Magier  für  die  Kaiserloge  der  Kaiser  Wilhelm-Gedächt- 
nisskirche. Daneben  entstanden  eine  Reihe  kleinerer  Arbeiten,  z.  B.  eine 
thronende  Maria  mit  dem  Kinde,  die  in  Privatbesitz  übergegangen  ist,  und 
ein  Entwurf  zur  Ausschmückung  des  Beethovenhauses.  Auch  fehlte  es  ihm 
nicht  an  äusseren  Anerkennungen  seiner  Wirksamkeit.  Bereits  im  Jahre  1882 
zum  Mitglied  der  Berliner  Akademie  ernannt,  wurde  er  im  Jahre  1884  Senator 
und  im  Jahre  1885  Mitglied  der  Akademie  des  Bauwesens  und  der  Landes- 
kunstkommission.  Im  Jahre  1886  wurde  ihm  die  grosse  Medaille  auf  der 
internationalen  Jubiläumsausstellung  der  Akademie  zuerkannt,  und  im  Jahre  j  890 
erhielt  er  das  Offizierskreuz  des  belgischen  Leopoldordens.  Ein  grosser 
Theil  seiner  Studien  in  Blei,  Kreide  und  Rothstift  ging  in  den  Besitz  der 
Nationalgallerie  über  und  auch  für  Brüssel  wurden  mehrere  Cartons  vom 
belgischen  Staate  angekauft.  Auch  die  Münchner  Akademie  nahm  ihn  unter 
die  Zahl  ihrer  Ehrenmitglieder  auf  Um  sich  auf  die  Ausführung  der  ihm 
übertragenen  Ausmalung  der  Friedenskirche  in  Potsdam  und  des  Festsaales 
des  neuen  Hamburger  Rathhauses,  Arbeiten,  zu  denen  die  Entwürfe  schon 
ziemlich  weit  gediehen  waren,  vorzubereiten  und  zu  kräftigen,  begab  er  sich 
im  Herbste  des  Jahres  1897  nach  Rom.  Hier  scheint  sich  sein  Geist  aus 
Gründen,  über  die  kaum  mehr  als  Muthmassungen  vorliegen,  umnachtet  und 
sein  körperliches  Leiden  arg  verschlimmert  zu  haben.  Er  suchte  selbst  den 
Tod,  indem  er  sich  an  einem  Baum  in  den  Anlagen  nordwärts  von  der  Porta 
del  Popolo  erhängte,  wo  man  ihn  am  3.  Juni  1898  todt  auffand.  Bei  der 
Obduction  der  Leiche  ergab  sich,  dass  er  an  einer  schweren  Gehirnkranklieit 
litt,  die  seinen  Selbstmord  erklären  würde.  Das  Urtheil  über  die  künstlerische 
Bedeutung  G.'s  steht  noch  nicht  fest.  Während  ihn  die  Berliner  Akademie 
der  Künste,  die  im  Herbste  des  Jahres  1898  eine  allerdings  vom  Publikum 
kaum  beachtete  Ausstellung  seines  künstlerischen  Nachlasses  in  ihren  Räumen 
veranstaltete,  in  ihrem  öffentlichen  Nachruf  »als  den  genialsten  Vertreter  der 
deutschen  Monumentalmaler  unseres  Jahrhunderts«  bezeichnete,  werfen  ihm 
andere  Mangel  an  Selbstständigkeit  der  Erfindung  und  coloristische  Schwächen 
vor  und  stellen  seinen  Versuch,  die  Renaissancemalerei  im  Anschluss  an  die  Art 
des  Cornelius  neu  zu  heben,  als  vergeblich,  wenn  nicht  sogar  als  verfehlt  hin. 
Vgl.  Lionel  von  Donop,  Friedrich  Gcselschap  und  seine  Wandgemälde  in  der  Ruhmes- 
halle,  Berlin  1890  gr.  8  mit  5  Abbildungen.  —  Wolfgang  von  Oettingen,  Friedrich  Geselschap. 
Gedächtnissrede  bei  der  Feier  am  29,  X.  1898,  gr.  8° — »Die  Grenzboten«,  Leipzig  1S99, 
58.  Jahrg.  No.  i,  S.  38 -44.  »Zeitschrift  für  Bildende  Kunst«,  Leipzig  1886  Bd.  21  S.  253, 
1888   Bd.  23,  S.   II.  »Kunstchronik«,  Leipzig    1890/91.  N.  F.  II,   S.  131,   488.      1892/93. 


Geselschap.     Paul.     Ribbeck.  2  71 

N.  F.  S.  276.  1897/98.  N.  F.  IX.  454fg.,  488fg.  Vgl.  auch  die  Hauptregister.  —  »Deutsche 
Künste  Berlin  1898.  II,  327  fg.  —  »Kunst  für  Alle«,  München  1897/1898.  XV,  314.  — 
»Illustrirte  Zeitung«  Leipzig  1898.    iio.  Bd.  Nr.  2867,  S.  735. 

H.  A.  Lier. 

Paul,  Oskar,  ausserordentlicher  Professor  für  Musikgeschichte  in  der 
philosophischen  Facultät  der  Universität  Leipzig,  Lehrer  am  kgl.  Conservato- 
rium  für  Musik  daselbst  und  verantwortlicher  Redacteur  für  den  musikalischen 
Tlieil  des  »Leipziger  Tageblatts«,  *am  8.  April  1836  in  Freiwaldau  in  Schlesien, 
f  am  18.  April  1898  in  Leipzig.  P.  genoss  als  Sohn  eines  Predigers  eine 
vortreffliche  Erziehung  und  wurde  von  seinem  Vater  selbst  in  das  Studium 
der  klassischen  Sprachen  eingeführt,  in  denen  er  sich  hervorragende  Kenntnisse 
aneignete.  Nach  Absolvirung  des  Gymnasiums  in  Görlitz,  an  dem  er  durch 
den  Musikdirector  Klingenberg  Unterweisung  in  der  Musik  erhielt,  bezog  er 
im  Jahre  1858  die  Universität  Leipzig,  um  Theologie  zu  studiren.  Indessen 
fesselte  ihn  die  Musik  so  sehr,  dass  er  sich  am  Conservatorium  zu  einem 
vortrefflichen  Pianisten  ausbildete  und  sich  auf  das  Eingehendste  mit  der 
Theorie  der  Musik  vertraut  machte.  Nachdem  er  im  Jahre  1860  promovirt 
hatte,  habilitirte  er  sich  sechs  Jahre  später  mit  der  Schrift:  »Die  Harmonik 
der  Griechen«  als  Privatdocent  der  Musikwissenschaften  an  der  Universität 
Leipzig,  an  derer,  seit  1872  als  ausserordentlicher  Professor,  bis  an  sein  Lebens- 
ende wirkte.  P.  stand  in  dem  Ruf,  ebenso  tüchtig  als  Philolog  wie  als 
praktischer  und  theoretischer  Musiker  zu  sein,  und  hat  durch  seine  Schriften 
unser  Wissen  über  die  Musik  der  Griechen  wesenthch  erweitert.  P>  war  ein 
Anhänger  des  Hauptmann' sehen  Harmoniesystems  und  gab  dessen  »Lehre 
von  der  Harmonik«  heraus.  Im  Jahre  1868  rief  er  die  Musikzeitung:  »Ton- 
halle« ins  Leben  und  später  war  er  Redacteur  des  »Musikalischen  Wochen- 
blattes«, allerdings  nur  für  die  kurze  Zeit  des  ersten  Vierteljahrs.  Auf  das 
Leipziger  musikalische  Leben  gewann  er  als  Kritiker  des  Leipziger  Tageblattes 
grossen  Einfluss,  doch  bereitete  ihm  ein  Gehörleiden  schon  lange  vor  seinem 
Tode  in  der  Ausübung  dieses  Berufes  manche  Schwierigkeiten.  Als  Lehrer 
am  Conservatorium  hat  er  namentlich  durch  seinen  ausgezeichneten  Klavier- 
unterricht und  durch  seine  Vorlesungen  über  Geschichte  und  Harmonie  zahl- 
reiche, zum  Theil  überaus  tüchtige  Schüler  gebildet.  Ein  bis  zum  Jahre  1892 
reichendes  Verzeichniss  seiner  Schriften  findet  man  bei  Richard  Kukula, 
Bibliographisches  Jahrbuch  der  deutschen  Hochschulen.  Innsbruck  1892.  8® 
S.  684. 

Vgl.  Herrn.  Mendel,  Musikalisches  Convcrsationslcxikon.  Berlin  1877.  8  VIII,  36. — 
HugoRiemann,  Musik-Lexikon  Leipzig  1882,  8^  8,683.  —  »Neue  Zeitschrift  für  Musik«  1898. 
65. 'Jahrgang.  Bd.  94.  Leipzig  o.  J.  S.  189.  —  »Musikalisches  Wochenblatt«.  Hrgg.  von 
E.  W.  Fritzsch,  Leipzig  1898.  29.  Jahrg.  S.  252  b  —  »Signale  für  die  Musikalische  Welt«. 
Leipzig  1898,  56.  Jahrg.  S.  435. 

H.  A,  Lier. 

Ribbeck,  Johannes  Karl  Otto,  Professor  der  klassischen  Philologie  in 
Leipzig,  *  23.  Juli  1827  in  Erfurt,  f  18.  Juli  1898  in  Leipzig.  —  Mit  R.  ist 
ein  weit  über  die  Grenzen  seines  >\issenschaftlichen  Berufs  hinaus  bedeuten- 
der Gelehrter,  ein  Humanist  im  vornehmsten  Sinne,  eine  grossangelegte  Per- 
sönlichkeit im  besten  Schaffen  aus  dem  Leben  geschieden.  Mühevoll  war 
sein  Weg,  aber  er  führte  ihn  zu  reineren  Höhen.  Thüringen  scheint  ja,  wie 
R.  selbst  am  Anfang  der  Lebensbeschreibung  Ritschis  bemerkt,  zur  Heimstätte 


2^2  Ribbeck. 

philologisch  angelegter  Naturen  eigenthümlich  berufen.  Freilich  hat  er  selbst 
diese  Luft  nicht  lange  geathmet.  Denn,  als  er  fünf  Jahre  alt  war,  wurde  sein 
Vater,  der  Consistorialrath  Friedrich  R.  in  Erfurt,  als  Generalsuperintendent 
nach  Breslau  versetzt.  Von  seinem  sittenstrengen,  wissenschaftlich  hervor- 
ragenden, geistreichen,  für  alles  Dichterische  empfänglichen  Vater  hat  R. 
manches  geerbt.  Zugleich  war  er  der  Liebling  der  von  ihm  zärtlich  geliebten 
Mutter.  Er  genoss  zunächst  Privatunterricht  und  besuchte  dann  das  Friedrichs- 
gymnasium in  Breslau.  Er  soll  immer  ein  fleissiger  und  ausgezeichneter  Schüler 
gewesen  sein.  Von  1833 — 1839  wirkte  Ritschi  an  der  Universität,  der  zum 
R. 'sehen  Hause  von  Erfurt  her  Beziehungen  hatte.  Als  der  Vater  im  Früh- 
jahr 1843  als  wirklicher  Oberconsistorialrath  nach  Berlin  abgerufen  wurde, 
war  R.  bis  an  die  Schwelle  der  Prima  gelangt.  Mit  Vergnügen  gedachte  er 
immer  der  froh  verlebten  Knabenzeit  und  der  alterthümlichen  Stadt,  der 
schlesischen  Berge,  vor  allen  des  Zobten,  der  aus  blauer  Ferne  täglich  zu 
ihm  herübergegrüsst  hatte. 

Ein  Kreis  lieber  Verwandter  öffnete  sich  dem  stillen,  sinnigen  Jünglinge. 
Der  Director  des  Grauen  Klosters,  in  dem  er  seine  Gymnasiallaufbahn  ab- 
schloss,  war  sein  Oheim,  der  treffliche  Ferdinand  R.  R.  widmete  sich  der 
Philologie  zunächst  zwei  Semester  in  Berlin.  Namen  wie  Boeckh,  Bopp, 
Lachmann,  Trendelenburg,  Zumpt  und  Geppert  bezeichnen  ebensoviel  Rich- 
tungen der  reichgegliederten  Wissenschaft,  in  denen  sich  der  junge  Gelehrte 
bewegte.     Noch  aber  hatte  er  den  rechten  Mentor  nicht  gefunden. 

Ende  April  1846  bezog  er  mit  seinem  Bruder  Ferdinand,  dem  Studiosus 
theologiae,  die  Universität  Bonn,  um  Ritschi,  den  Gründer  der  »Bonner 
Schule«,  zu  hören.  Neben  diesem  lernte  er  Welcker  verehren.  An  dem 
studentischen  Treiben  nahm  er  nicht  Theil.  Seine  Leidenschaft  für  das  Drama 
suchte  er  in  einem  Lesekränzchen  zu  befriedigen.  Ein  paar  Ausflüge  auf  die 
nahen  Berge  und  in  das  Ahrthal  wurden  ohne  Rücksicht  auf  behaglichen 
Genuss  unternommen.  Das  Ende  des  Semesters  brachte  eine  kleine  Reise 
durch  den  Schwarzwald  in  die  Schweiz.  Als  dann  der  Herbst  kam  und  in 
den  Weinbergen  die  ausgelassenste  Fröhlichkeit  erwachte,  da  regte  sich  auch 
in  R.  die  Lebenslust.  Aber  alle  Hoffnungen  auf  Casinobälle  u.  dgl.  wurden 
durch  die  abweisende  Haltung  des  asketischen  Bruders  vereitelt.  Freilich 
waren  ernste  Verhältnisse  dazu  angethan,  R.'s  Jugendlust  zu  dämpfen.  Der 
Vater  litt  unter  der  Unthätigkeit,  zu  der  ihn  seine  Berliner  Stellung  verurtheilte. 
Die  Mutter  wurde  durch  körperliche  Leiden  vielfach  heimgesucht,  und  die 
Briefe  der  leicht  erregbaren  Frau,  malten  oft  (Jrau  in  Grau.  Da  zeigt  sich 
R.  als  Tröster  rührend  beflissen.  Immer  eifriger  vertieft  er  sich  in  seine 
Studien.  Ganze  Waschkörbe  voll  Bücher  muss  der  Stiefelputzer  fortwährend 
von  und  nach  der  Bibliothek  schleppen.  Endlich  las  Ritschi  sein  Plautus- 
colleg,  das  Genialste,  was  R.  in  der  Art  bisher  gehört  hatte.  Erleichtert 
athmete  er  auf,  als  er  durch  den  Meister  nach  langem  und  quälendem  Um- 
herstreifen auf  einen  bestimmten  Kreis  engerer  Studien  und  zwar  auf  die 
altlateinische  Tragödie  hingewiesen  wurde.  Täglich  lag  er  nun  in  Ritschl's 
Wohnung  seiner  Arbeit  ob.  Je  näher  aber  die  Stunde  kam,  da  er  ins  Vater- 
haus heimkehren  sollte,  desto  lebhafter  werden  trotz  der  herrlichen  Lage 
seiner  neuen  Wohnung  die  Aeusserungen  seines  Heimwehs.  Er  freut  sich, 
all  der  kleinen  Sorgen  seines  Studentenhaushalts  bald  enthoben  zu  sein.  In 
Breslau  nahm  er  mit  den  Eltern  an  einer  Hochzeit  Theil.  Und  nun  war  er 
wieder  daheim!    Wohl   sollten   seine  Wanderjahre   noch   nicht  zu  Ende   sein, 


Ribbeck. 


273 


wie  er  gedacht  hatte.  Aber  er  war  doch  ein  gutes  Stück  vorwärts  gekommen. 
Schon  damals  war  er  sich  bewusst,  dass  ein  offenes  Auge  für  das  Thun  und 
Treiben  um  ihn  her  für  einen  echten  Studiosus  der  Philosophie  nothwendig 
sei.  Von  den  Professoren,  die  er  ausser  Ritschi  und  Welcker  hörte,  Dahl- 
mann,  Loebell,  Nitzsch,  Urlichs,  Schleicher,  hat  keiner  tiefer  auf  ihn  gewirkt. 
Ritschi  war  und  blieb  das  A  und  O  seiner  Studien,  Frau  Ritschi  aber  hatte 
sichs  angelegen  sein  lassen,  die  etwas  ungeberdige  Art  des  jungen  Mannes  in 
ihre  Schule  zu  nehmen  und  war  seine  zweite  Erzieherin  geworden. 

Die  nächsten  Jahre  waren  nicht  frei  von  äusseren  und  inneren  Wirr- 
nissen. In  Berlin  hatten  Ritschis  Empfehlungen  R.  neue  Pforten  geöffnet. 
Gerhard  war  ihm  für  die  archaeologische  Seite  seiner  Studien  behilflich. 
Dann  kam  das  unruhvolle  Jahr  1848.  R.  zog  als  Student  selbst  mit  der 
Büchse  auf  Posten  zum  Schutze  der  bürgerlichen  Ordnung.  Inmitten  des 
Streits  der  Meinungen  hat  er  mit  reifem  Urtheil  die  Dinge  betrachtet.  Am 
25.  Mai  1849  erfolgte  die  Promotion  auf  Grund  der  Abhandlung  »In  tragicos 
Romanorum  poetas  coniectanea.  Specimen  I.«.  Die  Arbeit  war  nur  eine  Ab- 
schlagszahlung, wie  der  Verfasser  selbst  am  besten  fühlte.  Mit  einigem  Miss- 
behagen begann  er  sich  nun  auf  das  Staatsexamen  vorzubereiten.  Er  wünschte 
natürlich,  auf  dem  Gebiete  gewürdigt  zu  werden,  auf  dem  er  es  schon  zu 
etwas  gebracht  hatte.  So  unterzog  er  sich  denn  in  Bonn  der  Staatsprüfung 
unter  Ritschl's  Auspicien,  in  dessen  Hause  er  die  liebevollste  Aufnahme  fand. 
Ganz  nebenbei  hatte  Ritschi  ihm  den  Vorschlag  gemacht,  in  Bonn  das  Probe- 
jahr zu  erstehen,  und  damit  einen  Funken  in  R.'s  Seele  geworfen.  Alles 
schien  für  Bonn  zu  sprechen,  in  Berlin  nur  Vereinsamung  und  Verkümmerung 
zu  drohen.  Es  war  ihm  so  schwer  und  angstvoll  zu  Muthc  wie  einem,  der 
sich  selbst  aus  dem  Vaterhause  ausstossen  will.  Und  doch,  wenn  ihm  Gott 
jetzt  in  der  einen  Hand  den  ganzen  unermesslichen  Schatz  häuslicher  und 
kindlicher  Glückseligkeit  reichte  und  in  der  andern  das  Mittel  ein  tüchtiger 
Mann  zu  werden,  so  will  er  weinend  nach  diesem  greifen,  wenn  er  nur  die 
Liebe  und  Achtung  der  Eltern  behält.  Diese  sprachen  von  Unerkenntlich- 
keit,  und  so  verzichtete  R.  in  rührend  bescheidener  Weise  auf  die  Erfüllung 
seines  Herzenswunsches.  Das  Opfer  war  um  so  grösser,  als  er  eben  erst 
einen  Freund  gefunden  hatte  in  Paul  Heyse,  der  in  Bonn  zurückblieb.  Der 
Winter  ward  ausgefüllt  mit  emsiger  Arbeit  an  den  Fragmenten  der  Tragiker.- 
Da,  im  März  1850,  durfte  er  mit  fliegender  Hand  und  vor  Freude  hämmern- 
dem Herzen  Ritschi  melden:  Ich  komme.  So  verliess  er  denn  von  Neuem 
die  Heimath.  Hoffte  er  doch,  draussen  ungestört  und  ungelobt  eher  zu 
werden,  was  er  möchte,  »gut  und  fest  in  sich«.  Er  hatte  sich  bei  Heyses 
Wirthin  eingemiethet.  Aber  wie  ein  Donnerschlag  traf  es  ihn,  als  er  ver- 
nahm, der  Freund  komme  nicht.  Da  that  ihm  Beschäftigung  gut.  Er  fasste 
seine  Aufgabe  am  Gymnasium  gründlich  an  und  suchte  durch  Verse,  Sinn- 
sprüche u.  dgl.  den  Unterricht  zu  beleben.  Die  Bonner  Jugend  war  ziemlich 
wild.  Doch  fiel  es  R.  schwer,  die  Miene  »des  Eisenfressers«  aufzustecken, 
da  er  sich  zu  Kindern  besonders  hingezogen  fühlte.  In  der  reichlichen  Musse- 
zeit  versenkte  er  sich  mit  Lust  in  die  geliebten  alten  Autoren,  nicht  minder 
aber  in  die  neuern,  voran  Spinoza  und  Goethe.  Mit  Ritschi  ging  oder  fuhr 
er  öfter  spazieren,  doch  hinderten  schmerzliche  Ereignisse  in  dessen  Familie 
leider  die  rechte  Ausnützung  dieses  Verhältnisses.  Um  so  enger  ijchloss  sich 
R.  an  Jakob  Bernays  an,  an  dem  er  das  starke,  tiefe  Gemüth  und  den  um- 
fassenden   Geist    bewunderte.      Aber    immer    seufzt    er   nach    seinem   jungen 

BIogT.  Jahrb.  n.  DeutBcher  Nekrolog.    3.  Bd.  1 8 


274 


Ribbeck. 


Freunde,  in  dessen  Zimmer  er  tibergesiedelt  war.  In  dieser  sentimentalen 
Stimmung  ergriff  ihn  mit  Allgewalt  der  Zauber  der  schönen  Natur.  In  der 
warmen  Sommernacht  schwillt  ihm  das  Herz  vor  trunknem  Sehnen,  Mond 
und  Sterne  sind  seine  Vertrauten,  die  schale,  philisterhafte  Wirklichkeit  will 
er  gar  nicht  sehen.  Mehr  und  mehr  zieht  er  sich  auf  sich  selbst  zurück,  da 
die  Berührung  mit  Menschen,  die  ihm  nicht  innerlich  nahe  standen,  peinlich 
auf  ihn  wirkte.  Wenn  die  Eltern  besorgt  ob  solcher  Stimmungen  in  ihn 
drangen,  tröstete  er  sie  zärtlich:  »Glaubt  nur,  ich  werde  noch, einmal  gute 
Dieses  Lehrjahr  sollte  nach  seinem  eigenen  Willen  sein  Purgatorium  werden. 
Mehr  und  mehr  aber  gewann  der  Gedanke  in  ihm  die  Oberhand,  es  auf  die 
Hälfte  abzukürzen.  Und  als  er  vor  sich  selber  die  Ueberzeugung  gewann, 
dass  er  sich  der  ihm  zugetheilten  Aufgabe  mit  Ehren  entledigt  habe,  zögerte 
er  nicht  mehr.  In  der  Freude  seines  Herzens  gab  er,  als  er  schied,  seinen 
Schülern  besonders  gute  Censuren. 

Zunächst  wurde  R.  in  Berlin  am  Joachimsthalschen  Gymnasium  beschäftigt 
unter  Meineke,  dem  er  aufrichtige  Verehrung  zollte.  Von  den  Universitäts- 
lehrern nahm  sich  nun  auch  Ranke  seiner  an.  Den  Winter  1850/51  brachte 
er  in  stillem  Behagen  hin.  Doch  blieb  seine  Gesundheit  »eine  spröde  und 
wetterwendische  Donna«.  Als  er  nach  einem  Aufenthalte  in  Kissingen  und 
Ems  seine  pädagogische  Thätigkeit  wieder  aufnehmen  sollte,  konnte  er  sich 
einer  traurigen  Ahnung  nicht  erwehren,  dass  ihm  die  Schulstube  »ein  Grab 
sein  werde  und  kein  rosenbedecktes«.  Die  Sammlung  der  Tragikerfragmente 
war  fertig.  Freilich  fiel  es  R.  im  Hinblick  auf  die  von  Ritschis  Plautus- 
forschungen  noch  zu  erwartenden  Ergebnisse  schwer,  »auf  Reisen  zu  gehen 
mit  einer  Baarschaft  von  wechselndem  Kurs«.  Der  Meister  selbst  aber  be« 
richtet  dem  vorsichtigen  Verleger  über  das  Werk  alles  Gute:  Es  leben  wenige, 
die  das  Zeug  haben  ...  R.  ist  einer  dieser  wenigen  .  .  .  Das  kritische  Talent, 
das  auf  diesem  Gebiet  mehr  als  sonst  wo  sich  productiv  zu  bewähren  und 
aus  masslosen  Entstellungen  glatte  Form  und  reinen  Sinn  herauszuschälen 
hat,  giebt  sich  in  zahlreichsten  Emendationen  der  glänzendsten  Art  kund. 
1852  erschien  das  Werk.  Die  oft  drückend  empfundenen  Schwierigkeiten 
schreckten  R.  nicht  ab,  sich  nunmehr  sofort  an  die  Fragmente  der  römischen 
Komiker  zu  machen.  Immer  bittet  er  Ritschi,  ihn  anzuspornen.  Denn  so 
krank  ist  er  nicht,  dass  er  nicht  herzhaftes  Aufrütteln  vertrüge. 

Auf  Ritschis  Empfehlung  beschloss  die  Berliner  Akademie  1852,  R.  eine 
Unterstützung  zu  einer  Reise  nach  Italien  zu  bewilligen.  R.  hatte  eine 
kritische  Recension  des  Vergil  als  seinen  wissenschaftlichen  Zweck  in  den 
Vordergrund  gestellt.  Daneben  übernahm  er  verschiedene  andere  Aufgaben 
für  die  Akademie  oder  für  Bekannte,  besonders  für  Ritschi.  Er  fühlte,  diese 
Reise  sollte  und  musste  für  seine  Zukunft  entscheidend  werden.  Sie  führte 
ihn  und  Heyse  von  Montreux  über  Mailand,  Genua,  Pisa  nach  Florenz.  Nach 
einem  kurzen  Aufenthalte  in  dieser  Stadt  ward  Rom  am  14.  Oktober  erreicht, 
wo  die  Reisenden  blieben  bis  zum  31.  März.  R.  kehrte  nach  einem  Besuche 
von  Neapel  und  einem  längeren  Aufenthalte  in  Sorrent  allein  nach  Rom  zurück 
am  24.  April  und  blieb  bis  zum  9.  Juni.  Emsig  und  unverdrossen  lag  er  hier 
mit  bestem  Erfolge  seiner  Bibliotheksarbeit  ob.  Dann  wieder  vertiefte  er  sich 
in  die  Schriften  der  Alten,  las  aber  auch  italienische  Autoren  wie  Boccaccio 
und  Manzoni  und  neben  deutschen  Klassikern  Bücher  wie  Heinses  Ardinghello 
und  Rumohrs  Geist  der  Kochkunst.  Andächtig  lesend  ist  er  auch  in  einer 
Bleistiftzeichnung  Heyses  dargestellt.     Oft  sprach   er  bei  Heyses  Oheim  vor. 


Ribbeck. 


275 


dessen  CatuUübersetzung  er  in  eifrigen  Discussionen  förderte.  Von  den  Männern 
des  Capitols,  auf  dem  er  während  des  zweiten  Aufenthalts  auch  wohnte, 
wurden  ihm  Henzen  und  Brunn  eng  befreundet.  Auch  Welcker,  der  damals 
gerade  in  Rom  weilte,  verkehrte  gern  mit  ihm.  Andre  bekannte  Persönlich- 
keiten traten  in  seinen  Gesichtskreis,  Gregorovius,  Vischer,  Burckhardt,  vor- 
übergehend auch  Scheffel.  Er  befreundete  sich  mit  den  Künstlern  und  sah 
in  den  Ateliers  von  Overbeck,  Riedel,  Wittig,  Steinhäuser,  Riepenhausen 
und  vielen  andern  heute  noch  berühmte  Werke.  Unermüdlich  durchstreifte 
er  Kirchen  und  Museen.  Mit  Behagen  gab  er  sich  seiner  Neigung  für  das 
Theater  hin.  Alles  suchte  er  zu  verstehen,  die  Stücke,  aber  nicht  minder 
die  Schauspieler  und  ihre  Kunst  und  das  Publikum.  In  vollen  Zügen  genoss 
er  die  Schönheit  der  Umgebung  Roms.  Die  Rückreise  nahmen  die  Freunde 
über  Assisi  und  Perugia.  Nach  einem  längeren  Aufenthalt  in  Florenz  und 
kürzerem  Verweilen  in  Verona  —  in  beiden  Städten  arbeitete  R.  ileissig  auf 
Bibliotheken  —  waren  sie  Anfang  August  1853  in  Venedig. 

Die  Bedeutung  der  italienischen  Reise  ftir  R.'s  allgemeine  geistige  Ent- 
wicklung kann  nicht  hoch  genug  angeschlagen  werden.  Im  .Besondern  hatte 
er  das  altitalische  Volk  im  neuen  kennen  gelernt.  Findet  er  doch  z.  B. 
im  alten  Atella  Maccusgesichter  auf  den  Strassen.  Er  belauscht  das  Volk 
bei  seinen  Festen  und  Belustigungen,  auf  Markt  und  Strassen  und  in  der 
Häuslichkeit.  Und  überall  drängt  es  ihn,  Physiognomien  und  Charaktere 
fest  zu  halten.  Innig  versenkte  er  sich  auch  in  die  südliche  Natur.  So  geht 
ihm  beim  Anblick  des  Meeres  in  Sorrent  auf  einmal  die  Bedeutung  von 
Gleichnissen  und  mythologischen  Vorstellungen  auf.  Heyse  las  ihm  neue 
Schöpfungen  vor  wie  l'Arrabbiata,  er  selbst  fiihlte  sich  zum  dichterischen 
Schaffen  angeregt.  25  Jahre  später  erinnerte  Heyse  den  Freund  an  die  Zeit, 
wo  er  selbst  als  »fröhlicher  Idiot  herumstrich,  Sonn'  und  Lieder  und  Orvieto 
schlürfend,  die  du  freilich  denn  auch  zu  schätzen  wusstest.«  Er  schildert 
R.'s  Leben:  »Wohl!  unsterbliches  Werk  vom  Unrath  säubern.  Den  ihm  Thoren 
und  Klügler  angeheftet.  Aus  erblichener  Spur  des  Geistes  Wandeln,  Aus  zer- 
stückeltem Trümmerwerk  der  Dichtung  Uns  des  Lebens  Gestalt  herauszudeuten, 
Ist  des  Schweisses  der  Edlen  werth.«  Und  wie  er,  so  hat  auch  R.  zeitlebens 
»Heimweh  gespürt  nach  Ponte  Molle,  Nach  den  Villen,  Museen  und  Kirchen- 
hallen, Nach  dem  Hause  der  Dame  Rubicondi,  Wo  beim  strohernen  Fiasco 
sie  so  manche  Nacht  verplauderten  in  Lucians  Gesellschaft.« 

Nach  den  Tagen  ungestörten  künstlerischen  Genusses  wollte  natürlich  die 
Schulthätigkeit  nicht  recht  schmecken.  Als  Mitglied  des  kgl.  Seminars  fiir 
Gelehrtenschulen  hatte  R.  4  Unterrichtsstunden  an  einem  Gymnasium  wöchent- 
lich zu  ertheilen.  Ueber  die  Ergebnisse  seiner  Handschriften-Forschungen 
für  Vergil,  Terenz,  deren  Commentatoren  und  für  die  Senecatragödie  erstattete 
er  der  Berliner  Akademie  kurzen  Bericht.  Während  er  ungestört  von  aussen 
seine  Fäden  weiterspann,  reifte  eine  schon  lange  gehegte  innige  Zuneigung 
zur  Verlobung.  Die  Erwählte  war  die  zweite  Tochter  Emma  des  General- 
majors Baeyer,  »zart  an  Körper,  stark  an  Seele«,  wie  er  selbst  sie  nennt. 
Oleich  Teilheim  konnte  er  nun  sagen:  »Meine  ganze  Seele  hat  neue  Trieb- 
federn bekommen.«  Enerjgisch  suchte  er  jetzt  seine  wissenschaftlichen  Pläne 
zu  fördern,  zu  denen  sich  auch  der  einer  kritischen  Ausgabe  des  Vergil  ge- 
sellte. Mit  Freuden  nahm  er  die  durch  Ritschis  Vermittelung  ihm  angebotene 
Stelle  eines  zweiten  ordentlichen  Lehrers  am  Gymnasium  zu  Elberfeld  an. 
Ende   September  1854   war  die   Hochzeit  gefeiert  worden,    am  7.  Okt.  ward 

i8* 


276 


Ribbeck. 


R.  in  sein  neues  Amt  eingeführt.  War  auch  die  Wohnung  unbequem,  und 
Hess  auch  der  gesellige  Verkehr  unter  den  -fremden  Verhältnissen  vieles  zu 
wünschen  übrig,  so  erblühte  R.  doch  in  der  Häuslichkeit  volles  Glück,  und 
neben  den  treibenden  Kräften  in  seiner  eigenen  Brust  darf  man  nun  als  Sporn 
auch  seiner  edlen  Lebensgefährtin  verständniss volle  Theilnahme  an  allen 
seinen  Bestrebungen  bezeichnen.  1855  erschienen  die  Fragmente  der  Komiker. 
Für  die  kräftige  Förderung  seiner  Vergilarbeiten  fehlten  ihm  freilich  in  E. 
alle  Hilfsmittel.  Das  Schulprogramm  desselben  Jahres  enthielt  Lectiones 
Vergilianae  R.'s.  Femer  veröffentlichte  er  die  Ergebnisse  seiner  Prüfung  des 
Vahlenschen  Ennius.  Vor  Allem  aber  fühlte  er  jetzt  mit  freudiger  Genug- 
thuung,  welche  Wohlthat  und  welcher  Halt  ein  Amt  ist. 

Von  nun  an  bewegte  sich  sein  Leben  rascher  und  deutlicher  als  zuvor 
in  aufsteigender  Linie.  Unter  dem  26.  März  1856  ernannte  ihn  der  Regierun gs- 
rath  des  Cantons  Bern  mit  Rücksicht  auf  seine  ausgezeichneten  Leistungen 
als  Gelehrter  und  Lehrer  zum  a.  o.  Professor  der  klassischen  Philologie  an 
der  Hochschule  sowie  zum  Lehrer  am  oberen  Gymnasium.  In  der  rechten 
Erkenntniss,  dass  der  Schwerpunkt  des  philologischen  Studiums  in  der  Fähig- 
keit selbstständigen  Arbeitens  liege,  drang  R.  auf  Einrichtung  eines  philo- 
logischen Seminars.  Anfang  1859  wiirden  die  von  ihm  beantragten  Ein- 
richtungen genehmigt,  neben  denen  er  eine  gehörige  Dotirung  der  Seminaristen 
dringend  empfohlen  hatte.  Die  Studenten  fügten  sich  in  ihrem  republikanischen 
Selbstbew^usstsein  zunächst  nicht  leicht  dem  schärferen  Regimente.  Als  im 
Anfang  des  J.  1859  Aussichten  auf  eine  Professur  in  Giessen  auftauchten, 
ernannte  die  Regierung  R.  zum  ordentlichen  Professor  unter  Erhöhung  des 
Gehalts  und  Abminderung  der  Unterrichtsstunden  an  der  Cantonschule.  Auch 
ward  er  bald  darauf  zum  Mitglied  der  Maturitätsprüfungs-Kommission  ernannt. 
Aus  Anlass  der  bevorstehenden  Wegberufung  hatten  ihm  Gymnasiasten  und 
Studenten  den  Dank  fiir  sein  erfolgreiches  Bemühen,  ein  neues  Leben  auf 
der  Hochschule  zu  pflanzen,  in  treuherziger  Weise  ausgesprochen.  Sein 
Interesse  für  die  Hebung  der  philologischen  Studien  in  der  Schweiz  bethätigte 
R.  ferner  durch  die  mit  Fäsi,  Köchly  und  Rauchenstein  unternommene  Gründung 
einer  litterarischen  Zeitschrift,  die  eine  »gemeinnützige,  die  Früchte  wissen- 
schaftiicher  Forschung  ins  Licht  setzende  Richtung  einhalten  sollte«.  In  der 
am  13.  Mai  1860  in  Aarau  abgehaltenen  Versammlung  von  Schweizer  Professoren 
und  Schulmännern  betheiligte  er  sich  lebhaft  an  der  Debatte  und  wurde  an 
erster  Stelle  in  die  Commission  gewählt.  So  entstand  das  Neue  Schweizerische 
Museum,  das  R.  thatkräftig  förderte.  Auch  den  Verein  Schweizerischer 
Gymnasiallehrer  hat  er  gegründet.  Seine  rege  wissenschaftliche  Thätigkeit 
war  zeitweilig  durch  nervöse  Abspannung  unterbrochen,  da  das  Doppelamt 
hohe  Anforderungen  an  seine  Kräfte  stellte.  Erfrischung  boten  kleine  Reisen, 
Einkehr  lieber  Verwandter  —  besonders  seiner  Schwägerin  Nette  —  und 
Freunde.  Für  vieles  entschädigte  R.  die  herrliche  Natur,  die  er  mit  dem 
Sinn  eines  Künstlers  genoss.  Familienverkehr  unterhielt  er  namentlich 
mit  dem  Nationalökonomen  Hildebrandt,  Ritschis  Schwager,  und  mit  dem 
Physiker  Beetz,  zu  denen  später  noch  der  Musiker  Franck  und  der  Psycho- 
loge Lazarus  kamen.  Wenn  R.  Ostern  1861  die  Professur  in  Basel  an- 
nahm, so  geschah  es  in  der  Erwartung,  hier  einen  grösseren  und  lohnen- 
deren Wirkungskreis  zu  finden.  Das  war  denn  auch  der  Fall.  R.  wirkte  zu- 
sammen mit  Gerlach.  Befreundet  war  er  mit  W.  Vischer,  W.  Wackemagel 
und   Jacob    Burckhardt,    wenn    auch    dessen    Lebensgewohnheiten    nur   etwa 


Ribbeck. 


277 


alle  Monate  einmal  ein  gemüthliches  Beisammensein  in  der  Familie  ermög- 
lichten. 

Die  wissenschaftlichen  Arbeiten  dieser  Zeit  sind  mannigfaltig.  Vor  Allem 
förderte  R.  die  Ausgabe  des  Vergil.  Die  Bucolica  und  die  Georgica  erschienen 
1859,  die  beiden  Hälften  der  Aeneis  1860  und  1862.  In  Universitäts-  und 
Zeitschriften  behandelt  er  z.  B.  die  Frage  wiederholter  Recension  in  den  Ab- 
handlungen: »Vergili  eclogae  I  et  X«  und  »über  die  Composition  von  Vergilius 
Pxlogen«,  »Emendationes  Vergilianae«,  »Vermuthungen  zum  Culex  und  zur 
Ciris«.  Ferner  berichtet  er  sachdienlich  und  theilweise  recht  streitbar  über 
Ritschis  Forschungen  zur  lateinischen  Sprachgeschichte  und  über  die  »Prooemi- 
orum  Bonnensium  decas«.  In  Ritschis  Gebiet  schlugen  der  Artikel  Mezentius 
und  die  »Bemerkungen  zu  Plautus  Miles  gloriosus«  ein.  An  Vahlen  wandte 
sich  ein  Aufsatz  »Ueber  Varronische  Satiren«.  Mit  der  damals  lebhaft  er- 
örterten Frage  der  symmetrischen  Gliederung,  der  R.  auch  bei  Vergil  nach- 
ging, beschäftigten  sich  die  Universitätsschrift;  Qua  Aeschylus  arte  in  Prometheo 
fabula  diverbia  composuerit  und  die  »Theokriteischen  Studien«.  Die  ganze 
Frage  ward  in  der  Basler  Antrittsvorlesung  über  »die  symmetrische  Composition 
in  der  antiken  Poesie«  eingehend  und  umsichtig  behandelt.  Viel  Staub 
wirbelte  auf  die  Versversetzung  in  der  Abhandlung  »Ueber  die  Rede  des 
Königs  Oedipus.«  Die  erste  Kunde  von  seiner  luvenalhypothese  erhielt  die 
gelehrte  Welt  in  der  Ausgabe  des  Jahres  1859,  die  ihre  radicalen  Ergebnisse 
im  Scherz  mit  einer  alten  Ausgabe  deckte.  Endlich  gehören  in  diese  Zeit 
die  Abhandlung  M.  Porcius  Cato  Censorius  als  Schriftsteller  und  die  beiden 
Vorträge  »über  die  mittlere  und  neuere  attische  Comödie«  und  »Euripides 
und  seine  Zeit«. 

Am  20.  Oktober  1862  wurde  R.  nach  Kiel  berufen,  von  den  Vorposten 
deutscher  Wissenschaft  am  Fusse  der  Alpen  zur  Wacht  am  deutschen  Meer. 
Das  Leben  in  Kiel  heimelte  ihn  besonders  an.  Er  gewann  theure  Freunde 
fürs  Leben  besonders  an  Karl  Weinhold  und  Klaus  Groth.  Hier  erstand 
ihm  auch  der  erste  bedeutende  Schüler  in  Erwin  Rohde,  der  ihm  treu  ergeben 
geblieben  ist.  Da  sein  Specialkollege  Forchhammer  vielfach  als  Abgeordneter 
fern  war,  lastete  die  ganze  Arbeit  auf  R.,  und  das  Amt  eines  Professor  elo- 
quentiae  machte  ihm  auch  Beschwer.  Wiederum  wandte  er  besonders  dem 
philologischen  Seminar  seine  Sorge  zu.  Einen  Versuch,  das  1776  gestiftete 
»philologische  Stipendium«  auch  für  das  pädagogische  Seminar  in  Anspruch 
zu  nehmen,  wies  er  energisch  zurück.  Ferner  sah  er  sich  in  der  Frage  des 
Schassischen  Stipendiums  zu  einer  genauen  Interpretation  des  Begriffs  huma- 
niores  litterae  genötigt,  flir  deren  Pflege  es  bestimmt  war.  R.  glaubte,  um  so  treuer 
an  dieser  Bestimmung  festhalten  zu  müssen,  je  mehr  die  realistische  Zeit- 
strömung jenen  »edleren  Studien«  ihr  Gebiet  streitig  machte  und  sie  zum 
Schaden  der  Wissenschaft  sowohl  als  der  allgemeinen  Geisteskultur  in  die 
Schranken  einer  gewöhnlichen  Fachdisciplin  einzuzwängen  suchte.  Aus  seinem 
Gutachten  über  ein  neues  Prüfungsregulativ  spricht  ebenso  der  Ernst,  mit  dem 
er  die  Studien  betrieben  wissen  will,  wie  die  verständige  Humanität,  die  mit 
der  Wirklichkeit  rechnet.  Ueberall  will  er  an  Stelle  oberflächlichen  und  all- 
gemein encyclopädischen  Wissens  die  wissenschaftliche  Versenkung  in  einzelne 
Gebiete  gesetzt  sehen,  die  bei  dem  lebhaften  Ineinandergreifen  aller  Theile 
der  Wissenschaft  von  selbst  zur  Erweiterung  des  Gesichtskreises  führt.  Regen 
Antheil  nahm  er  an  den  Vorbereitungen  der  Jubilaeumsfeier  Ritschis  im 
Jahre  1864  und  war  an    der  »Symbola  philologorum  Bonnensium«  mit  einer 


278 


Ribbeclc. 


Abhandlung  »de  luvenaJis  satira  sexta«  betheiligt.  Als  Ritschi,  um  den 
Rheinischen  Alter thumsverein  fester  zu  begründen,  auswärtige  Sekretäre  er- 
nannte, erhielt  auch  R.  Titel  und  Würde  unter  dem  22.  September  1864. 
R.  arbeitete  damals  gerade  in  Bonn  und  hatte  in  manchem  interessanten 
Gespräche  mit  dem  Freunde  vor  Allem  Gelegenheit,  dessen  Entwicklungsgang 
deutlicher  zu  erkennen.  In  seiner  Ausgabe  des  Vergil  machten  ihm  die 
Prolegomena  besonders  zu  schaffen,  und  er  sehnte  sich  schmerzlich  nach  der 
Zeit,  wo  er  den  letzten  Karren  auf  seinen  Monte  Testaccio  werde  geschoben 
haben.  1866  war  das  mühsame,  aber  nützliche  Werk  endlich  fertig.  1868 
folgte  die  Appendix  Vergiliana.  Der  September  1869  brachte  die  Strapazen 
der  Philologenversammlung  in  Kiel,  zu  der  R.  die  gediegene  Schrift,  »Beiträge 
zur  Lehre  von  den  lateinischen  Partikeln«  geliefert  hatte.  Als  auch  der 
arbeitsreiche  Winter  von  1869/70  hinter  ihm  lag,  konnte  er  hoffen,  zu  Arbeiten 
zu  kommen,  »die  besser  als  andere  aliquam  partem  sui  flir  eine  Weile  conser- 
vieren  könnten«.  Im  Okt.  1870  bot  er  Teubner  den  Verlag  einer  Geschichte 
der  römischen  Tragödie  an,  die  zur  Hälfte  bereits  vollendet  sei,  und  in  der 
es  galt,  »aus  den  kritisch  gesichteten  und  verbesserten  Bruchstücken  mit 
Benutzung  anderweitigen  Materials  den  Inhalt  der  Dichtungen,  ihre  Composition 
und  die  Beziehung  der  Fragmente  zu  ermitteln«.  An  den  in  Schleswig-Holstein 
damals  tobenden  politischen  Kämpfen  betheiligte  sich  R.  nicht  agitatorisch. 
Seine  Ueberzeugung  aber,  dass  allein  von  Preussen  das  Heil  zu  erwarten  sei, 
verhehlte  er  nicht.  Diese  politischen  Verhältnisse  klingen  ja  leise  auch  nach 
in  den  Reden,  die  R.  an  den  Geburtstagen  des  Landesoberhauptes  damals 
hielt  und  die  in  den  »Reden  und  Vorträgen«  gross tentheils  wieder  abgedruckt 
worden  sind.  So  sucht  er  z.  B.  in  der  1867  gehaltenen  Rede  »Griechen- 
land und  Deutschland«  die  widerstrebenden  Elemente  zu  gewinnen  durch 
den  Hinweis  auf  Athens  segensreiches  Wirken  für  Griechenland.  Mit  ganzem 
Herzen  folgte  er  der  nationalen  Erhebung  von  1870.  Ein  Nachhall  seiner 
Stimmung  war  der  Vortrag  vom  Januar  1871:  »Die  Poesie  des  Krieges  im 
Epos  der  Griechen«. 

Die  weiteren  Arbeiten  dieser  Zeit  behandeln  unter  Andern  den  »Frauen- 
spiegel des  Simonides  von  Amorgos«  und  die  Charaktere  des  Theophrast,  Ge- 
dichte des  .Tibull  und  Properz,  die  Dirae  und  die  lateinische  Anthologie.  Als 
Probe  aus  einer  Geschichte  der  griechisch-römischen  Tragödie  gab  sich  die 
Untersuchung  »Philocteta  des  Accius«.  Schon  vorher  (1869)  hatte  R.  die 
schöne  Abhandlung  über  »Anfänge  und  Entwickelung  des  Dionysoscultus  in 
Attika«  veröffentlicht.  Seine  luvenalhypothese  suchte  er  durch  die  Schrift 
»Der  echte  und  der  unechte  luvenal«  (1865)  eingehend  zu  begründen.  Ver- 
schiedene kritische  Beiträge  bezogen  sich  auf  Horaz,  wie  denn  auch  die 
vielfach  einschneidende  Ausgabe  der  Episteln  1869  erschien.  In  der  Harmonie 
1863  und  1868  gehalten  waren  die  Vorträge  über  Catull  und  über  Sophokles. 

Für  seine  rastlose  Thätigkeit,  die  ihm  keine  Ablösung  gönnte,  vermisste 
er  die  Anerkennung,  die  auch  der  Edle  schwer  entbehrt.  So  zögerte  er,  als 
der  Ruf,  nach  Heidelberg  zu  kommen,  an  ihn  erging,  nicht  lange,  ihm  Folge 
zu  leisten,  obwohl  er  sich  inzwischen  in  Kiel  ein  Haus  gekauft  hatte.  Ausser 
der  geographischen  Lage,  die  ihn  in  die  nächste  Berührung  mit  einer  Anzahl 
Nachbaruniversitäten  brachte  und  ihm  reiche  Gelegenheit  zu  geistiger  An- 
regung und  Erfrischung  bot,  versprach  er  sich  auch  für  seine  amtliche  Thätig- 
keit dort  einen  ergiebigeren  Boden.  Als  Mitglied  des  badischen  Oberschulraths 
hoffte  er,  einen    noch   unmittelbareren   Einfluss   auf  das    Gelehrtenschulwesen 


Ribbeck. 


279 


Üben  zu  können.  In  Baden  kam  man  ihm  bereitwilligst  entgegen.  Besonders 
hatte  R.  auch  hier  wieder  die  Aufbesserung  der  Stipendien  verlangt.  In 
seiner  Ansprache  an  das  Seminar  stellte  er  eine  scharfe,  aber  wohlgemeinte 
Leitung  in  Aussicht  und  sagte  unter  anderem :  »Der  Schulmann,  welchem  seine 
Wissenschaft  nicht  eine  lebenslang  zu  umwerbende  Braut  bleibt,  ein  Schatz,  an 
dessen  Glanz  und  Segen  er  sich  nach  den  Mühen  des  Tages  erlabt,  ist  ein 
Handwerker,  der  sich  von  dem  gewöhnlichen  nur  dadurch  unterscheidet,  dass 
sein  Handwerk  keinen  goldenen  Boden  hat«.  Die  von  Köchly,  den  R.  von 
der  Schweiz  her  sehr  schätzte,  geschaffenen  Seminareinrichtungen  entsprachen 
R.'s  Wünschen  keineswegs,  da  sie  die  Studenten  auf  einem  halb  schüler-, 
halb  schulmeistermässigen  Standpunkte  festhielten.  Diese  Verhältnisse  führten 
zu  weitläufigen  amtlichen  Verhandlungen  und  in  Verbindung  mit  Anderem  zu 
einer  Entfremdung  zwischen  ihm  und  Köchly,  die  sich  mehr  und  mehr  ver- 
schärfte und  R.  seine  Berufsthätigkeit  oft  genug  verleidete.  Auch  sonst  Hessen 
die  kollegialischen  Verhältnisse  in  Heidelberg  zu  wünschen  übrig,  und  als  ein 
von  R.  in  bestem  Glauben  während  seines  Decanats  unternommener  Schritt 
in  einer  Berufungsangelegenheit  zu  unerquicklichen  Auseinandersetzungen 
führte,  legte  er  jenes  Amt  nieder  und  zog  sich  mehr  und  mehr  in  sein  schön- 
gelegenes und  behagliches  Heim  zurück.  An  Freunden  fehlte  es  ihm  auch  in 
Heidelberg  nicht.  Dazu  gehörten  vor  Allen  die  Familien  Windscheid, 
Treitschke  und  Hausrath.  Mit  einigen  Kollegen  kam  er  zu  einer  Zeit 
wöchentlich  einmal  zusammen,  um  ihnen  luvenal  zu  interpretiren.  Manches 
war  inzwischen  in  unermüdlicher  Arbeit  gefördert  worden,  die  Fragmente  der 
Tragiker  und  der  Komiker  waren  zum  zweiten  Male  1871  und  1873  er- 
schienen. Im  Juli  1874  war  »die  Römische  Tragödie  im  Zeitalter  der  Repu- 
blik« so  gut  wie  druckfertig,  so  dass  sie  1875  vom  Stapel  gehen  konnte. 
Femer  stammt  aus  dieser  Zeit  unter  Andern  ein  Aufsatz  über  »Einige  histo- 
rische Dramen  der  Griechen«,  Mehreres  zu  Euripides,  »Neue  Bemerkungen 
zum  Miles  gloriosus«,  Luciliana,  Kritisches  zum  Dialogus  de  oratoribus,  zu 
Apuleius  de  deo  Socratis,  zu  Dracontius  und  ein  populärer  Vortrag  über 
die  Idyllen  des  Theokrit. 

Als  Ritschi  am  9.  Nov.  1876  die  Augen  schloss,  erschien  R.  in  mehr 
als  einer  Beziehung  als  sein  berufener  Erbe.  Nicht  ohne  reifliche  Ueber- 
legung  folgte  er  dem  Rufe  nach  Leipzig.  Für  Heidelberg  sprach  das  Klima 
und  die  herrliche  Gegend,  fem  er  die  grössere  Bequemlichkeit  des  Arbeitens 
und  die  verständige  Würdigung  der  Bestrebungen  R.'s  durch  das  badische 
Ministerium,  die  sich  erst  kürzlich  in  der  Ernennung  zum  geheimen  Hofrath 
>Äieder  bekundet  hatte.  Nach  Leipzig  zog  die  Nachfolge  Ritschis,  der  Um- 
stand, dass  es  450  Philologen  hatte  und  die  friedlich  geordneten  Verhält- 
nisse. R,  stand  jetzt  auf  der  Höhe  seines  Lebens  und  Wirkens.  Seine 
CoUegien  zählten,  ehe  der  allgemeine  Rückgang  im  Studium  der  Philologie 
eintrat,  gegen  200  Hörer.  Für  das  Seminar  standen  damals  die  Tüchtigsten 
unter  den  Tüchtigen  zur  Auswahl.  Man  drängte  sich  in  R.'s  Societät  zu 
kommen.  Zu  alten  Beziehungen  knüpfte  er  jetzt  neue.  Cohnheim,  v.  Noorden, 
Springer,  Windscheid  u.  A,  waren  ihm  eng  befreundet.  In  Deutschlands 
Leidensjahr  1887/88  war  er  Rector  der  Universität,  In  der  sächsischen  Ge- 
sellschaft der  Wissenschaften  war  er  als  Secretär  seiner  Abtheilung  zugleich 
der  Sprecher  und  machte  sich  um  das  Zustandekommen  des  Cartells  der 
Academien  und  des  Thesaurus  linguae  latinae  besonders  verdient.  Femer 
ernannten  ihn  die  Petersburger,  die  Göttinger  und  die  Berliner  Academie  zu 


28o  Ribbeck. 

ihrem  Mitgliede.  Auch  sonst  durch  das  Vertrauen  der  Regierung  aus- 
gezeichnet, erhielt  er  hohe  sächsische  Orden;  ausserdem  besass  er  den  grie- 
chischen Erlöserorden  und  den  Maximiliansorden  für  Kunst  und  Wissenschaft. 
Ein  Jahr  vor  seinem  Tode  führte  er  den  Vorsitz  auf  der  Dresdener  Philologen- 
Versammlung.  Vor  Allem  sah  er,  wie  eine  jüngere  Generation  von  Schülern 
an  den  Gymnasien  Sachsens  und  im  übrigen  Deutschland  den  Ritschlschen 
Generationen  sich  anschloss,  ein  Nachwuchs,  der  sich  freudig  zu  ihm  bekannte 
und  dem  auch  Ausdruck  gab  an  seinen  Ehrentagen,  bei  der  Feier  des  60. 
Geburtstages  durch  eine  stattliche  Festschrift,  die  Commentationes,  und  am 
70.  Geburtstage  durch  Stiftung  einer  von  Seifner  geschaffenen  Marmorbüste. 
Aus  dem  Jahre  1886  stammt  die  wohlgetrofFene  Photographie,  die  seinen 
postum  (1899)  herausgegebenen  »Reden  und  Vorträgen«  vorangestellt  ist. 

R.  erschien  in  jenen  Jahren  wie  ein  Herold  der  Ritschl'schen  Philologie. 
Und  doch  waren  seine  letzten  Ziele  von  denen  Ritschis  weit  verschieden.  In 
diesem  hatte  sich  die  siegreiche  Kraft  der  philologischen  Methode,  wie  sie 
die  Bentley  und  Gottfried  Hermann  geübt  hatten,  noch  einmal  in  strahlendem 
Glänze  gezeigt.  Sie  begeisterte  um  so  mächtiger,  je  reichere  Erfolge  sie  er- 
zielte. Ward  doch  die  ganze  verschüttete  Welt  des  alten  Lateins  durch  sie 
wieder  ans  Licht  gebracht.  Wie  gut  R.  den  Meister  verstanden  hat,  zeigen 
nicht  nur  seine  eigenen  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete,  sondern  namentlich 
seine  Biographie  Ritschis  (1879 — ^^)'  Dieses  Werk  ist  nicht  nur  ein  unüber- 
treffliches Muster  einer  Philologen-Biographie,  es  ist  eine  monumentale  Dar- 
stellung der  philologischen  Wissenschaft  selbst.  Der  dieses  Buch  schrieb,  war 
nicht  in  einer  Sonderauffassung  befangen,  keine  Aeusserung  der  weitverzweigten 
philologischen  Arbeit  blieb  ihm  verborgen.  Im  Grunde  ist  die  Ritschl'sche 
Methode  ja  die  Lessingsche.  So  hat  auch  R.  nie  aufgehört,  Lessing  als 
Leitstern  zu  verehren.  In  seiner  Rede  über  L.'s  Verhältniss  zur  Wissenschaft 
(Kiel  1863)  redet  er  von  dem  »Vestafeuer  der  einen,  ewigen  Wahrheit,  zu 
deren  Hütern  und  Verbreitern  wir  alle  bestellt  sind,  der  lorbeerbekränzte 
Triumphator  wie  der  wackere  Triarier,  der  dem  Adler  der  welterobemden 
Macht  über  die  Grenzen  folgt«,  und  nennt  neben  so  vielen  anderen  Vor- 
zügen L.'s  »den  lebendigen  Umgang  mit  den  Geistern  der  Vergangenheit  und 
jene  wahre  tendenzlose  Popularität,  welche  unwiderstehlich  anzieht,  mit  zu 
denken,  auch  ungewohnte  Pfade  freudig  bis  ans  Ziel  mit  zu  gehen*.  Die 
Kritik,  die  R.  an  der  Ueberlieferung  übte,  war  kühn.  Die  Vorstellung,  die 
er  sich  in  eindringender  Arbeit  von  der  Kunst  eines  Schriftstellers  gebildet 
hatte,  stand  ihm  höher  als  die  Autorität  der  von  mannigfaltigen  Schicksalen 
heimgesuchten  Handschriften.  Hatte  er  es  als  »Fragmentist«  doch  auch  be- 
sonders mit  Material  zu  thun,  bei  dem  alles  Heil  von  scharfsinnigem  Errathen 
zu  erwarten  war.  Schon  seiner  Dissertation  hatte  er  als  Motto  die  Worte 
G.  Hermanns  vorgesetzt:  Hariolari,  ubi  nihil  scitur,  non  est  ineptum,  dum 
ne  ipsa  inepta  sit  hariolatio.  Und  diese  Kühnheit  war  schliesslich  doch  frucht- 
barer als  die  konservative  Buchstabengläubigkeit.  In  den  Ruf  massloser 
Kritik  hatte  ihn  besonders  seine  luvenalhypothese  gebracht.  Aber  war  die 
Annahme,  dass  speculative  Köpfe  eine  neue,  mit  Unechtem  stark  versetzte 
Ausgabe  des  vielgelesenen  Satirikers  veranlassten,  gar  so  phantastisch?  Jeden- 
falls führte  der  eingehende  Nachweis  zu  einer  sorgfältigen  Beleuchtung  der 
ganzen  Kunst  luvenals.  Und  gerade  jetzt  hat  ein  höchst  interessanter  Fund 
gezeigt,  dass  thatsächlich  noch  in  sjjätercr  Zeit  der  Text  des  Dichters  durch 
umfängliche  Zusätze  vermehrt  wurde.     Ernstem  Widerspruch    war  er  allezeit 


Ribbeck.  281 

zugänglich  und  prüfte  unparteiisch  des  Gegners  Argumente.  Nur  über  das 
Ignoriren  und  hämische  Begeifern  seiner  ehrhchsten  Bestrebungen  war  er 
ergrimmt.  Wehe  dann  dem,  den  er  mit  dem  sichern  Pfeil  seines  scharfen 
Geistes  traf. 

Auch  in  der  Leitung  des  Rheinischen  Museums  ward  R.  (mit  Bücheier) 
Ritschis  Erbe.  In  dieser  Zeitschrift  sind,  wie  schon  früher,  auch  nun  seine 
meisten  kritischen  Arbeiten  erschienen.  Ich  nenne  nur  Aufsätze  zu  Euripides 
und  Aristophanes,  zu  Herodot,  in  Sachen  der  Theophrastischen  Charaktere; 
Beiträge  zu  zahlreichen  Stücken  des  Plautus,  Abhandlungen  über  die  Delia- 
elegien  bei  Tibull,  zur  Erklärung  und  Kritik  des  Properz,  zu  den  Briefen  des 
Seneca.  Ritschis  Kunst,  kritische  Untersuchungen  zu  wahren  Cabinetstücken 
voll  dramatischen  Lebens  auszuarbeiten,  ahmt  er  nicht  nach.  Seine  kleineren 
kritischen  Aufsätze  wollen  nichts  sein  als  schlichte  Beiträge  zum  Verständniss 
der  Autoren.  Sie  traten  ihm  selbst  immer  zurück  hinter  den  grossen  Zielen, 
die  er  vor  Augen  sah.  Um  so  mehr  Anerkennung  verdient  es,  dass  er  einen 
grossen  Theil  seines  Lebens  Aufgaben  gewidmet  hat,  die,  so  nöthig  ihre  ge- 
diegene Ausführung  war,  ihm  die  künstlerische  Befriedigung  nicht  gewähren 
konnten,  die  ihm  Herzenssache  war.  Zum  zweiten  Male  erschien  sein  Vergil 
1894 f.,  zum  dritten  Male  seine  römischen  Dramatiker  1897  f.  Dass  er  die 
Dinge  ausreifen  Hess,  zeigt  auch  die  Ausgabe  des  Miles  gloriosus  (1881),  die 
Frucht  vielfacher  Durcharbeitung,  Was  aber  war  das  letzte  Ziel  seiner  ge- 
lehrten Thätigkeit?  In  der  Fähigkeit,  mit  Hilfe  der  Phantasie  und  durch 
scharfsinnige  Combinationen  aus  dürftigen  Bruchstücken  Verlorenes  zu  recon- 
struiren,  trat  er  in  Welckers  Fusstapfen.  Und  doch  ist  er  auch  wieder  von 
diesem  sehr  verschieden.  Seine  Behandlungsweise  hat  einen  viel  realistischeren 
Zug.  Nichts  Geringeres  war  sein  Ziel  als  die  antike  Welt,  die  antike  Mensch- 
heit plastisch  und  greifbar,  so  wie  sie  in  den  Werken  der  Alten  dargestellt 
war,  wieder  vor  uns  hinzustellen.  Nicht  zu  reden  von  der  Anhäufung  anti- 
quarischer Notizen,  selbst  die  Archäologie  sollte  zurückstehen  hinter  der 
geistigen  Hinterlassenschaft  des  Alterthums.  Er  hat  in  seiner  Rectoratsrede 
»über  die  Aufgaben  und  Ziele  einer  antiken  Litteraturgeschichte«  ausführ- 
lich gehandelt.  Aber  das  Beste,  was  zu  ihrer  Darstellung  nöthig  ist,  konnte 
er  nicht  lehren,  weil  es  angeboren  sein  muss.  R.  war  ein  Dichter  in  dem 
Sinne  wie  Piaton,  den  R.  auch  liebte  wegen  seiner  bezaubernden  mimischen 
Kunst.  Sein  Hauptwerk,  die  »Geschichte  der  römischen  Dichtung«  (3  Bde 
1887  —  92,  I'  1894)  ist  eine  Geschichte  der  geistigen  Entwicklung  Roms  und 
seiner  dichterischen  Individualitäten.  Immer  von  Neuem  bewundert  der  Leser 
den  universellen  Geist  des  Verfassers,  dem  nichts  Menschliches  fremd  ist. 
Von  Jugend  auf  hatte  R.  den  Sinn  für  charakteristische  Züge  ausgebildet, 
und  mancherlei  Lebenserfahrungen  hatten  diesen  Sinn  noch  geschärft.  So 
hat  er  denn  in  den  nach  Theophrasts  Grundlinien  unter  Heranziehung  der 
gesammten  antiken  Litteratur  reich  ausgeführten  Charakterbildern  des  Eiron 
(des  ironischen  Selbstverkleinerers  1876),  des  Alazon  (Prahlhans),  des  Kolax 
(Schmeichlers)  und  des  Agroikos  (Rüpels)  ganz  neue  Seiten  des  antiken 
Empfindens  aufgedeckt.  Seine  Beschäftigung  mit  dem  Alterthum  war  aber 
nicht  bloss  theoretisch,  sie  durchdrang  den  ganzen  Menschen.  Unerschütter- 
lich bewahrte  er  sich  den  Glauben  an  die  bildende  Kraft  des  Alterthums 
und  an  die  Nothwendigkeit,  es  verstehen  zu  lernen.  So  fehlte  es  auch  seiner 
Darlegung  moderner  Zustände  nie  an  geistvollen  Beziehungen  auf  das  Alter- 
thum.    Für  seine  Reden  an  den  Gedenkfeiern  der  Fürsten  pflegte  er  ihm  ein 


282  Ribbeck. 

Thema  zu  entnehmen.  Denn  »dem  stillen  Arbeiter  in  einer  vom  Leben  der 
Gegenwart  nicht  abgekehrten,  aber  unabhängigen  Wissenschaft  kommt  es  eher 
zu  betrachtend  und  vergleichend  aus  der  eigenen,  wenn  auch  fremdartigen 
Gedankenwelt  Mass  und  Licht  für  die  Würdigung  zeitgenössischer  Anschau- 
ungen und  Bestrebungen  zu  gewinnen.«  Als  Meister  der  Sprache  zeigte  er 
sich  auch  bei  solchen  Gelegenheiten.  Ueberhaupt  wusste  er  jedem  Gedanken 
den  ihm  gemässen  Ausdruck  zu  geben,  mochte  er  einen  Glückwunsch  epi- 
grammatisch prägen  oder  ein  Zeugniss  anschaulich  abfassen.  Seine  Briefe 
sind  von  beneidenswerther  Grazie.  Auch  war  er  ein  geschmackvoller  Ueber- 
setzer.  Er  traf  stets  den  rechten  Ton,  die  körnige  Derbheit  des  Plautus  (in 
seiner  Uebersetzung  des  Miles  gloriosus)  ebensogut  wie  die  elegantere  Manier 
des  Theokrit. 

Wie  an  sich,  so  stellte  er  auch  an  seine  Schüler  die  höchsten  Anforde- 
rungen. Grausam  unterbrach  er  den  behaglichen  Trott  des  wohlpräparirten 
Vortrags,  und  »debebas«  klang  es  wie  ein  kategorischer  Imperativ  von  seinen 
Lippen,  wenn  ein  Interpret  gestand,  etwas  nicht  festgestellt  zu  haben.  Sein 
Urtheil  erschien  manchmal  etwas  herb,  aber  er  heilte  die  Wunden,  die  er 
schlug,  und  stand  den  Tüchtigen  treulich  bei.  Fern  lag  ihm  jedes  Haschen 
nach  Effect.  Man  merkte  es  an  seiner  Rede,  wenn  ihn  der  Gegenstand  nicht 
ganz  erfüllte,  doch  packte  er  im  Innersten,  wenn  ihn  die  Sache  fortriss.  An 
seinen  Abendgesellschaften,  zu  denen  er  auch  seine  Schüler  zuzog,  las  er 
nicht  selten  nach  dem  Essen  mit  seiner  wohlklingenden  Stimme  eine  Dichtung 
vor.  Er  ging  keineswegs  auf  in  der  alten  Litteratur.  Von  den  Neueren 
schätzte  er  besonders  Keller  und  natürlich  Heyse.  Für  Musik  hatte  er  ein 
feines  Verständniss.  Sein  künstlerisch  ausgestattetes  Heim,  ein  wahres  Museum, 
zeugte  von  seinem  Sinn  auch  fiir  die  neuere  Kunst.  Nur  das  geist-  und  kunst- 
lose Treiben  des  modernen  Naturalismus  konnte  vor  ihm  nicht  Gnade  finden. 

Er  formte  sich  sein  Leben  als  Künstler  und  hatte  den  Muth,  ab- 
zulehnen, was  seine  Kreise  störte.  Besonders  hingezogen  fühlte  er  sich  zu 
einsamen  Menschen.  Kinder  waren  seiner  im  Uebrigen  ihn  vollbeglückenden 
Ehe  versagt.  Kein  Wunder,  wenn  er  bei  nahendem  Alter  den  unverbrauchten 
Besitz  väterlicher  Liebe  einem  Jünglinge  zuwandte,  der  mit  der  Triebkraft 
seiner  vulkanischen  Natur  Bedeutendes  zu  leisten  versprach.  Es  klingt  fast 
romantisch,  wie  R.  sich  1889  mit  ihm  nach  Griechenland  aufmacht  als  Braut- 
werber für  den  geliebten  Schüler.  Karl  Buresch  erlag  am  2.  März  1896 
seinem  tragischen  Geschick.  R.  hat  ihm  in  einem  Nekrolog  ein  rührendes  Denkmal 
gesetzt.  Anfang  1 898  starb  Erwin  Rohde.  So  oft  waren  R.  Schrecken  des  Todes 
nahe  getreten,  wenn  dieser  geliebte  Familienglieder  —  darunter  vier  Brüder  — 
wegmähte.  Was  R.  dabei  empfand,  verschloss  er  still  in  seinem  Innern. 
Stolz  und  unzufrieden  nur  dem  äussern  Anschein  nach,  war  er  im  Grunde 
seines  Herzens  bescheiden  und  keineswegs  Pessimist.  Er  sah  dem  Spiel  des 
Lebens  zu  mit  der  heiteren  Ruhe  und  der  klaren  Festigkeit  dessen,  der  den 
sicheren  Schatz  im  Busen  trägt.  Voll  edler  Humanität  war  er  ein  ganzer 
Mensch  nach  dem  Herzen  Lessings.  Sympathisch  betrachtete  er  selbst  Lukrez, 
der  seine  Römer  von  der  gravis  religio  befreite,  nach  dem  Schmerzlosigkeit 
des  Körpers  und  Sorglosigkeit  der  Seele  alles  ist,  was  des  Menschen  Natur 
bedarf,  »das  Süsseste  aber,  im  Tempel  der  Wissenschaft  zu  wohnen  und  von 
da  auf  die  Irrwege  des  Lebens  herabzublicken«.  Er  starb  nach  längerer 
Krankheit  kurz  vor  seinem  71.  Geburtstage.  Das  Herz  hatte  seine  Kraft  ver- 
braucht, ehe  der  reiche  Schatz  seines  Geistes  völlig  gehoben  war. 


Ribbeck.     Brockhaus.  283 

Meine  Quellen  sind  ausser  persönlichen  Erinnerungen  die  Papiere  R/s,  deren  Be- 
nutzung die  Wittwe  mir  gütigst  gestattete.  —  »Nationalzeitung«  1898  No.  4I5;0.  Crusius 
in  der  Beilage  zur  »Allg.  Zeit.«  X898  No.  180;  C.  Wachsmuth  in  den  »Berichten  über  die 
Verhandlungen  der  sächs.  Ges.  d.  Wiss.«  1898;  Dilthey  in  d.  Deutschen  Rundschau  1898 
Heft  12;  Wölfflin  im  »Archiv  für  lat.  Lexikographie«  1899  Heft  2.     31.  August  1899. 

Leipzig.  Richard  Opitz. 

Brockhaus,  Heinrich  Rudolf,  Verlagsbuchhändler,  *  Leipzig,  i6.  Juli  1838, 
f  daselbst  28.  Januar  1898.  Er  wurde  zu  seinem  späteren  Berufe  im  väterlichen 
(Geschäfte  und  in  grösseren  Buchhandlungen  in  Wien,  Paris  und  London  gebildet. 
Vom  I.  Juli  1863  bis  30.  Juni  1895  gehörte  er  als  Mitinhaber  und  als  einer 
der  Hauptleiter  der  Weltfirma  F.  A.  Brockhaus  an  und  betheiligte  sich  zuerst 
mit  seinem  Vater  Heinrich  (f  1874)  und  seinem  Bruder  Eduard,  dann  mit 
seinem  Neffen  Albert  und  seinem  Sohne  Rudolf  an  der  grossartigen  Ent- 
wicklung der  Handlung.  Er  beschäftigte  sich  hauptsächlich  mit  der  Druckerei 
und  verfolgte  deren  technische  Entwicklung  mit  besonderer  Sorgfalt  und 
Sachkenntniss.  Aber  während  Vater  und  Bruder  an  städtischen  und  staatlichen 
Angelegenheiten  sich  in  vorderster  Reihe  betheiligten,  dort  manches  Amt  und 
im  Verbände  der  Standesgenossen  manche  Ehrenstelle  einnahmen,  lebte 
Rudolf  mehr  seinem  Hause  und  seinen  litterarischen  und  künstlerischen 
Lieblingsneigungen. 

Er  war  ein  feinsinniger,  schlichter  Mann,  der  in  der  Mitte  der  Seinen 
und  seiner  Schätze  sich  am  wohlsten  fühlte.  Diese  Schätze  zu  zeigen  und 
aus  ihnen  zu  spenden,  war  ihm  ein  Hochgenuss.  Besonders  war  er  ein  eifriger 
und  verständnissvoller  Sammler  von  Autographen.  Die  Weltlitteratur,  besonders 
die  deutsche  lockte  ihn. 

Er  unterschied  Wort  und  Inhalt  seiner  Blätter,  so  dass  eigentlich  jedes 
Stück  seiner  Sammlung  ein  Prachtstück  war,  sowohl  durch  das  Aussehen  als 
durch  die  Bedeutsamkeit  des  darin  Stehenden. 

Aus  dieser  Sammlung  veröffentlichte  er  nur  ein  schlichtes  —  als  Hand- 
schrift —  gedrucktes  »Verzeichniss  der  Autographensammlung  von  Rudolf 
Brockhaus,  1853 — 80«,  40  Seiten,  das  aber  durch  mehrere  Facsimiles  be- 
sonderen Werth  erhielt. 

Ausser  an  dieser  Stelle  gab  er  nur  zweimal  selbst  Mittheilung  von  seinen 
Schätzen.  Das  eine  Mal  in  der  gleichfalls  nicht  im  Buchhandel  erschienenen 
Schrift  »zum  22.  März  1897«,  an  dem  hundertsten  Geburtstage  Kaiser  Wil- 
helms I.,  in  welchem  er  einen  interessanten  Brief  aus  der  Jugendzeit  Wil- 
helms I.  einem  kleinen  Freundeskreise  darbrachte,  das  andere  Mal  in  einem 
grössern,  schön  ausgestatteten,  mit  vortrefflich  ausgeführten  Facsimiles  ge- 
schmückten Buche:  »Theodor  Körner,  zum  23.  September  1831«,  das  63 
Schriftstücke,  1799 — 1843  enthält.  Es  ist  ein  wichtiger  Beitrag  zur  Körner- 
Litteratur,  die  sonst  so  viel  Unreifes  und  Phrasenhaftes  aufzuweisen  hat,  und 
legt  von  gründlicher  Kenntniss  und  geschmackvoller  Ven\'erthung  des  Materials 
ein  beredtes  Zeugniss  ab.  Ein  besonderes  schönes  Denkmal  stiftete  sich  der 
Verstorbene  ebenso  wie  seinem  Vater  in  dem  nur  als  Handschrift  gedruckten 
und  nur  einem  ausgewählten  Kreise  zugänglich  gemachten  Werke:  »Aus  den 
Tagebüchern  von  Heinrich  Brockhaus  als  Handschrift  gedruckt.  5  Bände 
1884 — ^7^r  einem  Werke  edler  Pietät  und  erlesenen.  Geschmackes,  voll 
reicher  Mittheilungen,  nicht  bloss  über  das  Leben  eines  ausgezeichneten 
Mannes,  sondern  über  die  Cultur-  und  Litteraturgeschichte  einer  wichtigen 
Zeit. 


284  Brockhaus.     Cohn. 

Noch  ein  anderes  Werk  hatte  er  zum  Drucke  vorbereitet  —  die  Vorrede 
ist  vier  Wochen  vor  seinem  Tode  datirt  — ,  das  anderthalb  Jahre  nach  seinem 
Tode  zu  Goethes  150.  Geburtstage  einer  kleinen  Gemeinde  zugänglich  ge- 
macht wurde.  Wie  das  Körner- Werk  führt  auch  dieses  in  seinem  Titel  nur 
den  Gedenktag  auf:  »Zum  28.  August  1899«,  und  wie  jenes  spendet  es  in 
ausgezeichneter  Ausführung  Facsimiles  inhaltreicher  Briefe,  Gedichte  und 
Dramenfragmente,  alle  mit  kurzen,  sachlich  erklärenden,  trefflich  orientirenden 
Anmerkungen  begleitet. 

Diese  vornehm  ausgestatteten,  inhaltlich  bedeutsamen  Publicationen  sichern 
B.  bei  den  Litteraturfreunden  ein  ehrenvolles  Andenken.  Ein  gleich  ehren- 
volles bereitete  er  sich  bei  allen  Denen,  welchen  er  privatim  seine  Schätze 
wies  und  spendete.  Denn  er  wollte  nichts  für  sich  allein  besitzen  und  geizte 
nicht  nach  dem  Ruhme  eines  Schriftstellers,  sondern  entsprach  in  liebens- 
würdigster Weise  jedem  Begehren,  ja  kam  dem  Begehren  zuvor,  indem  er 
das  von  ihm  Erworbene  denen  zuschickte,  von  denen  er  wusste,  dass  sie  sich 
mit  dem  Gegenstande  oder  der  Person  beschäftigten.  So  war  er  nicht  bloss 
ein  Bewahrer  todter  Papiere,  sondern  bemüht,  aus  scheinbar  Abgestorbenem 
neues  Leben  zu  erwecken. 

Ludwig  Geiger. 

Cohn,  Ferdinand,  Botaniker,  *  Breslau  24.  Januar  1828,  f  ebenda 
26.  Juni  1898.  Sein  Name,  in  der  Wissenschaft  einer  der  leuchtendsten  des 
zur  Rüste  gehenden,  an  bedeutenden  Männern  fast  überreichen  Jahrhunderts, 
ist  nicht  nur  in  den  Kreisen  der  Gelehrten,  welche  sich  der  biologischen 
Forschung  gewidmet  haben,  bewundert;  er  hat  sich  auch  die  Liebe  der  Besten 
unter  den  Gebildeten  aller  Nationen  errungen.  —  Als  Forscher  hat  er  der 
Wissenschaft  neue  Bahnen  gewiesen;  als  einer  der  ersten  deutschen  Stilisten 
hat  er  in  poetisch  schöner  Sprache  seiner  Zeit  das  Verständniss  für  die  ge- 
heimsten Wunder  der  belebten  Natur  erschlossen;  als  edler  Mensch  war  er 
geliebt  von  Allen,  die  ihn  kannten. 

Er  stammte  aus  einem  angesehenen  und  begüterten  Bürgerhause;  die 
Gunst  des  Schicksals  hat  ihm  reiche  Geistesanlagen  verliehen  und  dazu  das 
richtige  Maass  irdischer  Güter,  welches  den  Kampf  ums  Leben  nicht  kennt 
und  doch  den  Werth  der  Arbeit  schätzen  lehrt. 

Eine  aussergewöhnlich  früh  beginnende  und  während  seiner  ganzen 
Kindheit  wesentlich  auf  den  Erwerb  von  Kenntnissen  gerichtete  Erziehung 
machte  aus  dem  Knaben  fast  ein  »Wunderkind«:  im  zweiten  Lebensjahre 
konnte  er  bereits  lesen,  im  dritten  war  er  mit  den  Lehren  und  Erzählungen 
der  Raffschen  Naturgeschichte  völlig  vertraut,  im  vierten  begann  bereits  der 
Schulunterricht.  Vorzeitig  früh  (mit  6  Jahren)  wurde  C.  in  das  altberühmte 
Maria-Magdalenen-Gymnasium  seiner  Vaterstadt  aufgenommen  und  durcheilte 
die  unteren  Classen.  Erst  die  grossen  Anforderungen  der  späteren  Schul- 
jahre, insbesondere  aber  auch  die  dort  empfangene  Anregung  zu  eingehender 
Leetüre  heimischer  und  fremder  Litteratur  zügelten  das  ungestüme  Eilen  des 
Jünglings  zu  normalen  Fortschritten. 

Ohne  allen  Zweifel  hat  das  humanistische  Gymnasium  auf  C.'s  ganze 
Entwickelung  den  tiefgehendsten  und  wohlthätigsten  Einfiuss  ausgeübt.  Als 
der  16jährige  die  Universität  Breslau  bezog,  war  zwar  über  seine  Vorliebe 
für  Naturwissenschaften,  insbesondere  für  Botanik,  kein  Zweifel,  und  dem- 
entsprechend   sehen    wir    ihn    als  Schüler    von   Goeppert    und    Nees    von 


Cohn.  285 

Esenbeck;  zugleich  aber  besuchte  er  die  Vorlesungen  über  Geschichte  und 
(ieschichtsphilosophie,  über  Aesthetik  und  Litteraturgeschichte.  Noch  in 
Berlin,  wohin  ihn  der  damals  hell  strahlende  Ruhm  Kunth's  im  Jahre  1846 
zog,  finden  wir  in  dem  arbeitsreichen  Semester,  welches  der  Promotion  vor- 
ausgeht, ihn  in  Lepsius*  Vorlesung  »de  r6bus  aegyptiacis«. 

Dieses  eine  Berliner  Jahr  (1846 — 1847)  ist  für  C.'s  ganze  wissenschaft- 
liche Richtung,  ftir  seine  spätere  Forschung  und  seine  Erfolge  von  grund- 
legender Bedeutung  geworden.  In  Berlin  wurde  er  in  Ehrenberg's  Kreis 
gezogen,  und  nicht  Kunth,  sondern  Ehrenberg  ist  C.'s  Lehrer  geworden. 
Mit  ihm  hat  er  die  Umgebung  Berlins  durchstreift  und  hier  die  Urthiere,  die 
Algen  gesammelt,  welche  Ehrenberg  erforscht  und  in  seinen  classischen 
Arbeiten  dargestellt  hatte.  Bei  Ehrenberg  wurde  er  bereits  mit  den  nie- 
drigsten, kleinsten  und  doch  wichtigsten  Pilzarten  bekannt,  welche  er  später 
als  »Bakterien«   zusammen fasste  und  erforschte. 

Die  Inaugural-Dissertation  C.'s  »de  seminis  physiologia«  (gedruckt  in 
»P'lora«  1849,  Nr.  31,  32)  ist  völlig  unter  Breslauer  Einfluss  geschrieben.  Sie 
behandelt  eine  von  Goeppert  gemachte  Beobachtung,  dass  auch  unreife 
Samen  unter  Umständen  keimen  können,  und  erklärt  diese  Thatsache  dahin, 
dass  ein  Nachreifen  zu  normaler  Ausbildung  nicht  nur  an  der  Luft,  sondern 
noch  leichter  in  der  Erde  stattfindet.  Die  Thesen  dagegen,  welche  bei  der 
Promotion  vertheidigt  wurden,  zeigen  Gedanken,  welche  theil weise  wenigstens 
erst  der  Berliner  Aufenthalt  C.'s  gebracht  hat.  Für  C.'s  Geistesrichtung  sind 
diese  Thesen  so  bezeichnend,  dass  sie  hier  näher  beleuchtet  seien: 

1.  Systema  naturale  non  est  finis  botanices  —  eine  Absage  an  die  einseitig 
systematische  Richtung  jener  Tage,  welcher  die  Pflanze  abgethan  war,  wenn  sie 
richtig  etiquettirt  im  Herbarium  lag. 

2.  Natura  universa  progreditur  —  ein  Hinweis  auf  Lamarck's  Entwicke- 
lungstheorie,  zu  welcher  sich  der  junge  Forscher  schon  lange  vor  Darwin 's 
Auftreten  bekannte. 

3.  Doctrinae  physicae  ne  sint  metaphysicae  —  nur  exacte  Forschung,  nicht 
die  »Naturphilosophie«  bringt  die  Wissenschaft  voran. 

4.  Infusoriorum  perscrutatione  physiologia  generalis  maxiroa  promo- 
vetur  —  ein  Satz,  welcher  die  Cellular-Physiologie  als  Urgrund  und  Schlüssel 
der  Gesammt-Physiologie  bezeichnet  und  damit  der  Entwickelung  dieser  Wissen- 
schaft um  Jahrzehnte  vorauseilte. 

5.  Laboratoria  physiologica  in  hortis  botanicis  instituenda  censeo  — 
das  erste  Verlangen  nach  den  Instituten,  welche  heute,  mit  allen  Hulfsmitteln  der 
Technik  aufs  Reichste  ausgestattet,  an  allen  unsern  Universitäten  vorhanden  sind 
und  uns  die  grössten  Errungenschaften  gebracht  haben. 

Wie  in  der  Auswahl  der  angenommenen  Vorlesungen,  so  tritt  in  diesen 
Sätzen  der  Grundzug  von  C.'s  Geistesrichtung,  das  Streben  nach  Unterord- 
nung der  Einzelerscheinungen  unter  höhere  Gesichtspunkte,  der  dem  Special i- 
tätenthum  widerstrebende  Wunsch  nach  ausgebreitetem  Erkennen  hervor. 
Insbesondere  auf  seine  Wissenschaft,  die  Botanik,  bezieht  sich  die  erste  und 
die  letzte  These:  C.  ist  einer  der  ersten  Pflanzen-Physiologen,  ohne  doch 
die  Gesammtheit,  die  Unauflösbarkeit  der  Wissenschaft  jemals  zu  vergessen. 
Er  blieb  zugleich  Systematiker.  Sein  grösster  Erfolg  wurde  später  sein 
Bakterien-System;  bis  in  sein  Alter  blieb  er  dem  Brauch  der  Systematiker, 
mit  lateinischen  Diagnosen  neu  unterschiedene  Arten  zu  beschreiben,  treu. 
Entgegen  dem  Brauch  so  vieler  anderer  Zeitgenossen  kannte  er  keinen 
höheren  oder  niederen  Theil  der  Wissenschaft,  sondern  nur  die  eine,  hehre 
Göttin. 


286  Cohh. 

Sehr  charakteristisch  für  C.  ist  die  zweite  Mittheilung,  welche  er  der 
Oeflfentlichkeit  übergab.  Ehrenberg  hatte  (Monatsber.  d.  Kgl.  Preuss.  Acad. 
p.  115)  1849  darauf  hingewiesen,  dass  durch  Monas  (später  Bacterium) 
prodigiosa  die  durch  Aberglauben  und  Mysticismus  so  erschreckend  ein- 
flussreich gewordene  Bluterscheinung  auf  Speisen  (Hostien)  natürlich  erklärt 
werde.  Dazu  gab  nun  C,  gestützt  auf  eine  Stelle  des  Lucian  »(fabam) 
coctam  vero  si  lunae  exponas  coUustrandam  certo  numero  noctium,  sanguinem 
efficis«  den  ferneren  Commentar,  dass  wohl  auch  das  Pythagoräische  Verbot, 
Bohnen  zu  essen,  auf  die  gleiche  Erscheinung  zurückgeführt  werden  könnte 
(Verh.  Preuss.  Acad.  1850,  17.  Januar).  Schon  dem  jungen  Mann  eignete 
das  Interesse  für  Litteratur  und  die  Belesenheit,  welche  am  Greis  Bewunde- 
rung erregte;  sein  Streben  nach  höchster  Bildung  führte  ihn  dazu,  bei  der 
Habilitation  als  Privatdocent  an  der  Breslauer  Universität  (30.  X.  1850)  als 
Thema  des  öffentlichen  Vortrages  zu  wählen:  lieber  die  Beziehungen  der 
Pflanzenwelt  zur  Culturgeschichte  der  Menschheit. 

Es  kann  hier  nicht  der  Platz  sein,  C.'s  Veröffentlichungen  alle  zu  be- 
sprechen oder  auch  nur  aufzuzählen.  In  den  Zeitschriften  für  Botanik,  für 
Zoologie,  Medicin,  ja  selbst  für  Mineralogie  sind  dieselben  zerstreut;  ihre 
Zahl  beträgt  mehrere  Hundert.  Nur  die  Grossthaten,  welche  ihrem  Autor 
Unsterblichkeit  verleihen,  will  ich  an  dieser  Stelle  aufführen.  Dabei  ist  nun 
Eines  von^'eg  zu  bemerken:  fast  alle  wissenschaftlichen  Leistungen  allerersten 
Ranges  nehmen  nach  kurzer  Zeit  die  Eigenschaft  des  Columbus-Eies  an.  Sie 
gehen  in  unserer  Zeit  der  Bücherfluth  so  rasch  in  den  Allgemeinbesitz  über, 
dass  sie  bald  selbstverständlich  erscheinen. 

Zunächst  muss  hier  die  Abhandlung  über  Protococcus  pluvialis 
(Nov.  Act.  Nat.  Cur.  XXII  [1850])  ins  Auge  gefasst  werden.  Der  genannte 
Protococcus  ist  ein  höchst  merkwürdiges  Gebilde,  welches  in  Dachrinnen, 
in  kleinen  Vertiefungen  nackter  Felsen  nach  Regenfällen  gefunden  wird,  hier 
in  dem  rasch  verlaufenden  Wasser  oft  so  massenhaft  auftritt,  dass  dasselbe 
grün  oder  roth  gefärbt  ist,  dann  nach  dem  Vertrocknen  der  Flüssigkeit 
wieder  verschwindet,  um  beim  nächsten  Regen  wieder  zu  erscheinen.  Das 
Mikroskop  zeigt  den  Organismus  als  kleinstes,  elliptisches  Körperchen,  welches 
sich  mit  Hülfe  zweier  langer  Geisseifäden  wie  mit  Rudern  rasch  bewegt.  Dies 
Gebild  beobachtete  C.  in  allen  seinen  durch  Aufleben  aus  staubartig  trocke- 
nem Zustand,  durch  Vermehrung  und  Wiedereintrocknen  entstehenden  Er- 
scheinungsformen und  suchte  dabei  den  von  höheren  Organismen  früher 
durch  Schieiden,  Schwann  u.  A.  gewonnenen  Begriff  der  Zelle  anzuwenden. 
Speciell  kam  es  ihm  darauf  an,  die  Metamorphose  einer  Zelle  zu  studiren. 
Dabei  gewann  er  folgende  Sätze: 

»Nichtdieeinzelne,  vollständigeZelle,  nur  der  stickstoffhaltige, 
contrahirbare  und  nicht  starre  Zellinhalt  oder  Primordialschlauch 
in  derselben  ist  imStande,  das  Individuum  fortzupflanzen«  (pag.  713) 
und  ebenso  sind  (pag.  666)  die  Algen-Schwämmspore  als  membranlose  Zelle 
erklärt. 

Mit  der  Begründung  dieser  Ansicht,  welche  in  ausgedehntester  und  sorg- 
fältigster Weise  erfolgt,  wird  der  Elementar-Bestandtheil  des  Lebens,  nämlich 
die  Zelle,  richtig  verstanden.  Während  vorher  das  Nebensächliche  (die  ab- 
grenzende Wand)  als  Hauptsache  betrachtet  wurde,  wird  von  nun  an  der 
lebendigen  Substanz,  nämlich  Protoplasma  und  Zellkern  die  einzige  Bedeutung 
beigelegt;  Zell  wand  und  anderes  Beiwerk  dagegen  erscheinen  als  völlig  neben- 


Cohn.  287 

sächlich  für  den  Begriff  der  Zelle.  In  das  Verdienst  dieser  Entdeckung  theilt 
sich  C.  mit  Mo  hl.  —  Wie  bedeutend  diese  Entdeckung  ist,  geht  daraus  hervor, 
dass  1848  Koelliker  die  Infusorien  bereits  als  einzellige  Wesen  erkannt  hatte, 
dass  er  ihnen  allen  aber,  der  alten  Theorie  zu  lieb,  eine  Zellmembran  zuschrieb. 

Der  zweite  hier  besonders  hervorzuhebende  Satz  der  bezeichneten  Arbeit 
findet  sich  p.  664: 

»Hieraus  ergiebt  sich  mit  aller  der  Bestimmtheit,  die  über- 
haupt einer  empirischen  Deduction  auf  diesem  Gebiete  beiwohnen 
kann,  dass  das  Protoplasma  der  Botaniker  und  die  contractive 
Substanz  oder  Sarcode  der  Zoologen  wo  nicht  identisch,  so  doch 
in  hohem  Grade  analoge  Bildungen  sein  müssen.« 

Dieser  Satz  ist  vielleicht  der  grösste  und  weitesttragende,  welcher  in  den 
biologischen  Wissenschaften  überhaupt  existirt,  denn  er  lehrt  die  Ueberein- 
stimmung  alles  Lebens.  Nicht  mehr  principiell  getrennte  Reiche  stellen  die 
ungeheuer  mannigfaltigen  Formen  von  Thier  und  Pflanze  dar,  sondern  wie 
Ha e ekel  später  so  einleuchtend  gezeigt  hat,  Schwesterschosse,  die  aus  ge- 
meinsamer Wurzel  des  Urlebens  entspringen.  Seit  die  Identität  der  lebendigen 
Substanz  bei  Pflanze  und  Thier  anerkannt  war,  hat  die  Forschung  in  einem 
Zweig  der  Biologie  stets  Anregung  empfangen  von  den  Entdeckungen,  welche 
der  andere  Zweig  brachte.  Der  BefVuchtungsact  der  thierischen  und  der 
pflanzlichen  Eizelle  wurde  als  identisch  erkannt;  die  Theilung  der  Zellkerne 
in  thierischen  und  pflanzlichen  Objecten  wurde  in  ihrer  ohne  den  Cohn^schen 
Satz  unverständlichen  Gleichheit  erforscht.  Die  Ausbildung  der  Cellular-  und 
Protoplasma-Physiologie,  welche  der  Botanik  zu  danken  ist,  regt  zu  mächtigen 
Fortschritten  in  der  Thierphysiologie  an. 

Aus  keiner  andern  Entdeckung  C.'s  ist  so  sehr,  wie  hier,  die  Einwirkung 
des  kurzen  Studienaufenthalts  bei  Ehrenberg  zu  merken.  Nur  ein  Forscher, 
welcher  nach  dem  Vorbild  Ehrenbergs  in  gleich  ausgebreiteter  Weise  die 
niedersten  Formen  des  Thier-  und  des  Pflanzenreichs  beherrschte,  konnte  zu 
solchen  Forschungs-Ergebnissen  gelangen.  In  den  Thatsachen  nicht  ent- 
sprechender Weise  hat  später  Julius  Sachs  die  Entdeckung  der  Identität 
von  pflanzlichem  und  thierischem  Protoplasma  Unger  zugeschrieben. 

Ohne  mich  mit  den  weiteren  Ergebnissen  der  Arbeit  über  Protococcus 
pluvialis,  unter  denen  z.  B.  die  Entdeckung  des  Heliotropismus  und  Chemi- 
tropismus  dieser  niedern  Organismen  sich  findet,  aufzuhalten,  sei  als  nächste 
grosse  Arbeit  besprochen:  Untersuchungen  über  die  Entwickelungsgeschichte 
der  niederen  Algen  und  Pilze  (Act.  Ac.  Nat.  Cur.  XXIV,   1852). 

Diese  Arbeit  ist  die  erste,  in  welcher  C.  sich  mit  Bacterien  beschäftigt 
und  denselben  ihren  Platz  bei  den  Pflanzen,  und  zwar  bei  den  Pilzen  anweist. 
Seit  der  Entdeckung  der  Bacterien  waren  dieselben  ins  Thierreich  gestellt 
gewesen;  O.  F.  Müller  hatte  sie  zu  den  Würmern  gezogen,  Ehrenberg  und 
Duj ardin  sie  für  Infusionsthierchen  gehalten.  Cohn  erkannte  ihre  nächste 
Verwandtschaft  mit  gewissen  Formen  der  Wasserpilze  (z.  B.  Beggiatoa)  und 
vereinigte  sie  mit  diesen  zu  einer  Klasse.  Zugleich  wusste  er  in  höchst  geist- 
voller Weise  die  engen  Analogien  der  Pilz-  und  Algenklasse  darzustdlen,  ja 
er  ging  soweit,  diese  beide  ungeheueren  Familien  vereinigen  zu  wollen.  In 
diesem  Punkt  ist  ihm  die  Wissenschaft  nicht  gefolgt,  wenn  auch  alle  von  Cohn 
ermittelten  Thatsachen  heute  noch  zu  Recht  bestehen. 

In  derselben  Abhandlung  ist  aber  noch  eine  Untersuchung  enthalten, 
welche    eine    der    bedeutendsten    wissenschaftlichen    Thaten    darstellt:     die 


2  88  Colin. 

erste  Erforschung  einer  durch  Pilze  hervorgerufenen  Pflanzen- 
krankheit. 

Was  das  für  unser  theoretisches  und  nicht  weniger  practisches  Wissen 
bedeutet,  kann  nur  klar  gemacht  werden  durch  einige  die  Vorgeschichte  er- 
läuternde Worte.  Um  die  Wende  des  Jahrhunderts  bereits  hatte  Persoon 
die  hauptsächlichsten  auf  höheren  Pflanzen  (z.  B.  auf  unsern  Kulturgewächsen) 
sich  findenden  »Ausschläge«  als  Pilze  erkannt  und  beschrieben.  Aber  die 
Wirkung  dieser  Pilze  auf  ihr  Substrat  war  derart  unklar,  dass  noch  Schieiden 
der  Meinung  war,  die  Krankheiten  der  Pflanzen  würden  bedingt  durch  schlechten 
Standort,  fehlerhafte  Ernährung  etc. ;  als  Folgeerscheinung  erst  siedelten  sich 
auf  den  kranken  Pflanzen  die  Pilze  an.  Man  wird  dieselben  Anschauungen 
in  neuerer  Zeit  wiederfinden,  wenn  man  die  Einwände  der  Gegner  gegen  die 
neu  aufgefundenen  Erreger  der  Tuberkulose,  des  Typhus,  der  Cholera  etc. 
sich  ins  Gedächtniss  zurückruft.  Solche  Zweifel  konnten  klar  nur  gelösst 
werden,  wenn  es  gelang,  das  Befallenwerden  eines  gesunden  Organismus 
von  einem  Schmarotzer,  das  Erkranken  und  Absterben  direct  zu  sehen  und 
in  allen  Stadien  zu  beobachten.  Dies  ist  Cohn  als  Erstem  geglückt;  er  sah, 
wie  ein  mikroskopischer  Pilz  in  eine  gesunde  mikroskopische  Alge  (Closterium) 
eindrang,  wie  er  sich  entwickelte  während  die  Alge  kränker  und  kränker  wurde, 
wie  die  Alge  abstarb,  während  der  Pilz  seine  beweglichen  Fortpflanzungs- 
zellen bildete  und  nun  weitere  gesunde  Closterien  inficirte.  Damit  war  der 
feste  Boden  der  Beobachtung  gegeben,  auf  welchen  dann  in  Bezug  auf  unsere 
Kulturgewächse  insbesondere  durch  De  Bary  und  Kühne  weitergebaut 
werden  konnte.  Alle  die  tausend  segensreichen  Massregeln,  welche  heute 
gegen  Pflanzenkrankheiten  angewandt  werden,  basiren  auf  der  theoretischen 
Kenntniss  einer  Pflänzenkrankheit,  welche  wir  C.  verdanken.  Noch  viele  weitere 
Beobachtungen  enthält  diese  Arbeit,  so  z.  B.  die  Entdeckung  der  Plasmolyse; 
doch  sei  hier  auf  Wichtigeres  tibergegangen. 

Wie  C.  die  erste  Pilzkrankheit  einer  Pflanze  sicher  gestellt,  so  hat  er 
auch  die  erste  Pilzkrankheit  eines  Thieres  entdeckt  und  aufs  Genauste 
verfolgt. 

Jedermann  hat  im  Herbst  schon  die  kranken  Stubenfliegen  gesehen, 
welche  sich  an  Wänden  und  Fenstern  anklammern,  sterben  und  darauf  einen 
weissen  Staub  wie  einen  Mehlkreis  rings  um  sich  verbreiten.  Diese  Erscheinung 
hatte  schon  Goethe  Stoff"  zu  Betrachtungen  gegeben;  C.  nahm  die  Unter- 
suchung darüber  wieder  auf  und  wies  nach,  dass  aus  den  todten  Fliegen 
Unmengen  feinster  Pilzfäden  herauswachsen  und  ihre  weissen  Sporen  in  Menge 
abschleudern.  Bereits  1851  hatte  C.  die  Entwickelung  eines  ähnlichen  Pilzes, 
des  Pilobolus  crystallinus  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Zeil-Metamorphose 
verfolgt;  in  gleicher  Weise  bearbeitete  er  nun  den  Pilz  der  Fliegenkrankheit 
(Empusa  muscae)  dabei  zurückgehend  bis  auf  kleinste  Zellchen,  welche  sich 
im  Blute  der  erkrankten  Fliegen  fanden.  Nicht  ohne  Interesse  ist  nun,  zu 
sehen,  wie  sehr  unser  Forscher  sich  dagegen  sträubt,  diese  Zellen  als  durch 
Urzeugung  aus  dem  Blute  der  Fliege  hervorgegangen  anzusehen.  Aber  da 
alle  Versuche,  gesunde  Fliegen  mit  den  Sporen  des  Pilzes  zu  inficiren,  fehl- 
schlugen, da  die  Pilzkörperchen  in  unendlicher  Menge  sich  im  Blut  der 
kranken  Fliegen  fanden,  da  nach  allen  damals  vorhandenen  Kenntnissen  an- 
genommen werden  musste,  dass  jedes  Pilzkörperchen  aus  einer  eingedrungenen 
Spore  hervorgegangen  sei  und  die  zur  directen  Erzeugung  der  Millionen  von 
Pilzkörperchen  nöthigcn  Sporenmassen  äusserlich  an  gesunden  oder  im  Anfangs» 


Cohn. 


289 


Stadium  der  Krankheit  befindlichen  Fliegen  nirgends  auffindbar  waren  —  so 
schien  die  Annahme  der  Urzeugung  des  Pilzes  nicht  zu  umgehen.  Das  darf 
man  C.  nicht  übelnehmen,  denn  um  dieselbe  Zeit  glaubten  Mohl  und  Nägeli 
die  Entstehung  der  Hefezellchen  aus  dem  Traubensaft,  Pringsheim  die 
Bildung  der  Chrytridien  aus  dem  Inhalt  der  Spirogyra-Zelle  beobachtet 
zu  haben.  Und  doch,  die  Abneigung  gegen  die  Annahme  einer  Urzeugung 
war  bei  C.  so  gross,  dass  er  in  einem  der  Arbeit  über  Empusa  direct 
beigefügten  Anhang  auf  die  neuesten  von  Tulasne  gemachten  Entdeckungen 
bei  den  Uredineen  hinwies  und  die  Ueberzeugung  aussprach,  dass  doch 
eine  Infection  der  Fliegen  durch  Sporen  der  Empusa  der  Krankheit  voraus- 
gehen müsse.  Diese  Nachschrift  wurde  durch  die  spätem  Untersuchungen 
Krefelds  glänzend  bestätigt. 

Ueber  die  grosse  Bedeutung,  welche  diese  Arbeit  für  die  Kenntniss  der 
Krankheits-Ursachen  hat,  braucht  heute  nicht  viel  gesagt  zu  werden.  Die 
moderne  Wissenschaft  lehrt,  dass  eine  grosse  Zahl  der  schlimmsten  Krank- 
heiten (z.  B.  Typhus,  Cholera,  Tuberkulose,  Milzbrand,  Starrkrampf,  Actino- 
mycose  etc.  etc.)  durch  Pilze  verursacht  werden.  Da  ist  es  nicht  uninteressant, 
daran  zu  erinnern,  dass  der  Entdecker  der  zuerst  genau  erforschten  dem 
Menschen  gefährliche  Pilzkrankheit  (Milzbrand),  dass  Robert  Koch  erst  der 
Zustimmung  des  Entdeckers  der  ersten  pilzHchen  Thierkrankheit  sich  ver- 
sicherte, bevor  er  mit  seinem  wichtigen  Fund  ans  Licht  trat. 

Indem  rasch  weitereilend  darauf  hingewiesen  sei,  dass  C.  1860  als  Erster 
»contractile  Gewebe  im  Pflanzenreich«  aufgefunden  und  die  Verkürzung  der- 
selben durch  Reize  nachgewiesen  hat,  muss  nun  auf  eine  wenig  bekannte 
Schrift  aufmerksam  gemacht  werden.  Im  Aufsatz:  Neue  Infusorien  im  See- 
aquarium (Zeitschr.  f.  wissensch.  Zoologie  1866)  findet  sich  nämlich  der  Satz 

(P-  259): 

»Was  wir  gewöhnlich  als  Fäulniss  und  Verwesung,  also  als 
einen  rein  chemischen  Process  betrachten,  ist  der  Haupt- 
sache nach  nichts  anderes  als  ein  Aufgefressen  werden;  .  .  . 
gerade  die  kleinsten  (Organismen),  die  Monadinen  und  Bakterien, 
entnehmen  am  massenhaftesten  den  Stoff  zu  ihrem  Körper 
aus   der    abgestorbenen  Substanz    und   tragen   am  kräftigsten 

zu   ihrer  Auflösung  bei Die   durch  Pasteur   ermittelten 

Vorgänge  bei  der  Alkoholgährung  scheinen  mir  die  deut- 
lichsten Analogien  für  die  sogenannte  Fäulniss  darzubieten.« 
Wie  richtig  diese  Ansicht  ist,  haben  erst  die  beim  Fortschreiten  der 
Bakteriologie  gefundenen  Methoden  der  Sterilisation  und  der  sterilen  Gewinnung 
fäulnissfähiger  Substanzen  (z.  B.  Blut,  Fleisch  etc.)  erwiesen;  die  Erkenntniss, 
dass  Fäulniss  kein  rein  chemischer  sondern  ein  biologischer  Vorgang  ist,  muss 
als  wissenschaftliche  That  ersten  Ranges  anerkannt  werden. 

Für  den  Botaniker  von  grösstem  Interesse  war  der  Nachweis,  welchen 
C.  in  seiner  Arbeit  »Beiträge  zur  Physiologie  der  Phycochromaceen  und 
Florideen«  (Arch  f.  mikrosk.  Anat.  1867)  geliefert  hat,  dass  auch  die  blauen 
und  rothen  Algen  Chlorophyll  enthalten.  Bekanntlich  ist  Chlorophyll  der 
grüne  Farbstoff,  welchem  die  höhere  Vegetation  ihre  Farbe  verdankt  und 
mit  dessen  Hilfe  die  Kohlensäure  der  Luft  in  Kohlenstoff  und  Sauerstoff 
zerlegt  wird.  Nun  waren  längst  schon  Algen -Klassen  bekannt,  welche  gleich- 
falls die  Kohlensäure  zu  assimiliren  vermögen,  die  charakteristische  grüne  Fär- 
bung  aber  nicht  aufweisen,   sondern  blaue  und   rothe.     Der  Nachweis,    dass 

Biogr.  Jahrb.  a.  Deutacher  Nekrolog.     3.  Bd.  ig 


290 


Cohn. 


auch  bei  diesen  Algen  Chlorophyll  vorhanden  und  nur  durch  andere  Farbstoflfe 
verdeckt  wird,  ist  C.  gelungen. 

Ferner  ist  in  der  citirten  Schrift  eine  Betrachtung  enthalten,  welche  all- 
gemeine Aufmerksamkeit  beanspruchen  darf.  Es  wird  hier  nämlich  die  Frage 
aufgeworfen,  welcher  Art  wohl  die  Organismen  gewesen  sein  mögen,  die  in 
den  salzreichen,  heissen  Gewässern  der  frühesten  geologischen  Perioden 
lebten.  C.  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  Beggiatoen  und  Blau -Algen, 
welche  z.  B.  im  Karlsbader  Sprudelwasser  bei  fast  60°  zu  leben  vermögen, 
Relicte  aus  jener  Zeit  seien.  Diese  Ansicht  findet  durch  viel  spätere  Unter- 
suchungen Winogradski's  über  Beggiatoa  ihre  merkwürdige  Bestätigung. 
Handelt  es  sich  doch  hier  um  Organismen,  welche  nicht  nur  hohe  Tempera- 
turen aufs  Leichteste  ertragen,  sondern  auch  durch  ihre  abnorme  Lebens- 
thätigkeit  (Schwefel-Assimilation  statt  Kohle-Assimilation)  sich  von  allen  andern 
Organismen  unterscheiden.  —  Auffallend  ist,  dass  diese  Frage  nach  den  ersten 
Lebewesen  die  einzige  Quittung  ist,  welche  sich  auf  Darwins  »Entstehung 
der  Arten«  (1859)  ^^  ^-'^  Arbeiten  findet.  Dass  er  sich  der  Darwinschen 
Lehre  von  Anfang  an  mit  vollster  Ueberzeugung  angeschlossen  hat,  ist  mir 
aus  sicherster  Quelle  bekannt;  in  seinen  Vorlesungen  gründete  sich  C. 
schon  1860  auf  die  Descendenz-  und  Selectionstheorie,  aber  Thema  und 
Resultate  seiner  Veröffentlichungen  lassen  eine  klare  Einwirkung  Darwins 
auf  C.  erkennen. 

Eine  Erweiterung  unserer  Kenntnisse,  wie  nur  C.  uns  geben  konnte,  ist 
in  seiner  Arbeit  »Ueber  den  Brunnenfaden  (Crenothrix  polyspora)  mit 
Bemerkungen  über  die  mikroskopische  Analyse  des  Brunnenwassers«  (Beitr.  z. 
Biol.  der  Pflanzen  I,  18  70)  enthalten:  die  Begründung  der  mikroskopischen 
Wasseranalyse.  Während  in  den  Cholera- Jahren  1852  und  1866  Breslau 
weniger  durch  die  Seuche  als  durch  die  Flucht  all'  derer,  welche  über  die 
Mittel  dazu  verfügten,  sich  entvölkerte,  stellte  C.  seine  mikroskopischen  Kenntnisse 
in  den  Dienst  der  Allgemeinheit.  Er  untersuchte  die  Reiswasserstühle  der 
Cholera-Kranken,  doch  fand  er  den  Cholera-Vibrio  nicht;  diese  Entdeckung 
war  Robert  Koch  vorbehalten.  Und  ebenso  untersuchte  er  viele  Hundert 
Brunnenwasserproben,  um  an  den  darin  enthaltenen  Mikro-Organismen  An- 
haltspunkte für  die  sanitäre  Beurtheilung  des  Wassers  zu  erhalten.  Auf  die 
Resultate  dieser  Forschungen  kann  hier  nicht  näher  eingegangen  werden,  da 
dies  den  Raum  eines  Nekrologs  weit  überschreiten  würde,  aber  darauf  sei 
hingewiesen,  dass  in  dieser  Arbeit  zuerst  die  Unzulänglichkeit  der  chemischen 
Wasseruntersuchung  dargethan  und  die  Methoden  einer  besseren  Analyse  ge- 
lehrt wurden.  —  Eine  Ergänzung  fand  diese  Arbeit  über  das  Brunnenwasser 
durch  die  1881  erschienenen  Berichte  über  die  Untersuchung  von  Zucker- 
fabriks-Abwässern, in  welchen  die  Bedeutung  der  mikroskopischen  Wasser- 
analyse für  die  Abwasser-Beurtheilung  dargelegt  wird. 

Nun  beginnen  die  Arbeiten,  welchen  C.  Weltruhm  verdankt,  und  in 
denen  er  zum  Mitbegründer  der  Bakteriologie  wird.  Zwar  hatte  er  seit  1852 
niemals  die  kleinsten  Lebewesen,  die  Bakterien,  völlig  ausser  Acht  gelassen, 
aber  erst  zu  Beginn  der  70  er  Jahre  widmete  er  ihnen  seine  ganze  Aufmerksam- 
keit. Man  könnte  darin  die  Anregung  sehen,  welche  Pasteur's  chemisch- 
biologische Forschungen  auszuüben  begannen ;  in  Wirklichkeit  ist  es  aber  nicht 
dieser,  sondern  merkwürdiger  Weise  Hallier,  welcher  den  Anstoss  zu  C.'s 
Bakterien-Untersuchungen  gab. 

Eine  ganze  Reihe  von  Arbeiten  »Untersuchungen  über  Bakterien« 


Cohn.  20 1 

erscheinen  nun  in  den  »Beiträgen  zur  Biologie  der  Pflanze«  :  I  (1872),  11  (1875), 
von  C,  in.  von  Eidam  (C/s  Assistenten),  IV.  (1876)  wiederum  von  C., 
V,  VI  die  grundlegenden  Arbeiten  Robert  Kochs  enthaltend,  VII — XII  von 
anderen  Autoren,  theilweise  unter  Mitwirkung  C.'s  geschrieben. 

In  der  ersten  dieser  Abhandlungen  stellt  C.  das  erste,  im 
Wesentlichen  heute  noch  giltige  Bakteriensystem  auf. 

Wer  immer  sich  vorher  mit  den  Spaltpilzen  genauer  beschäftigt  hatte 
(Perty,  Hoffmann,  Karsten),  hatte  der  Ansicht  gehuldigt,  dass  alle  Formen 
derselben  Entwickelungszustände  eines  und  desselben  oder  doch  sehr  weniger 
Wesen  seien,  so  dass  man  leicht  genetische  Zwischenstufen  zwischen  den  in 
Bildung  und  Grösse  am  meisten  abweichenden  Gestaltungen  auffinden  könne. 
Pasteur  hatte  nur  physiologische  Wirkungen  seine  Forschungen  nicht  näher 
angehender,  niederster  Organismen  betrachtet;  mit  unglaublicher  Willkür  ver- 
fährt dieser  Autor  bei  der  Kennzeichnung  der  Erreger  verschiedener  Gäh- 
rungen:  bald  spricht  er  von  »vdg^taux  cryptogamiques« ,  bald  von  »animal- 
cules«,  dann  von  »Champignons«  oder  »Infusoires« ;  ohne  Unterscheidungs- 
merkmale führt  er  »Torulace^es,  Bactt3ries,  Vibrionies,  Monades«  auf;  identische 
oder  doch  nächst  verwandte  Gebilde  bezeichnet  er  als  »Mycoderma«,  als 
»Mucors,  Mucedindes«   oder  als  Hefe  (»levure«). 

Dass  bei  derartig  confusen  Anschauungen  die  Wissenschaft  nicht  weiter 
kommen  könne,  sah  Ehrenbergs  Schüler  ein;  er  spricht  dies  wie  folgt 
aus:  »Jedenfalls  verhält  sich  die  Sache  nicht  so,  dass  ein  und  derselbe  Bak- 
terien-Keim, je  nachdem  er  in  Harn  oder  Wein  geräth,  diesen  alkalisch,  jenen 
fadenziehend  macht,  oder  dass  dieselbe  Bakterie  hier  Buttersäure  bilden, 
dort  Milzbrand  übertragen,  hier  einen  rothen  Fleck  auf  einer  Kartoffel,  dort 
Diphtherie  in  der  Luftröhre  eines  Menschen  hervorrufen  kann.  Vielmehr  ist 
zu  erwarten,  dass  unter  vielen  scheinbar  gleichen  Organismen  vervoUkommnetere 
Mikroskope  auch  morphologische  Verschiedenheiten  werden  erkennen  lassen, 
welche  die  Annahme  primärer  Artverschiedenheiten  begründen«. 

Mit  der  in  der  citirten  Arbeit  gegebenen  Ausführung  dieses  Satzes,  mit 
der  Aufstellung  eines  auf  morphologischen  Kennzeichen  basirenden 
Bakterien-Systems  ist  die  Bakteriologie  erst  begründet,  sind  ins- 
besondere ihre  ungeheuren  praktisch  und  wissenschaftlich  staunenswerthen  Er- 
folge möglich  geworden.  Erst  wenn  die  Specifität  einer  im  kranken  Menschen- 
leib gefundenen  Bakterienform  erwiesen  ist,  und  wenn  zugleich  die  Möglich- 
keit sich  bietet,  diese  Form  in  die  Fächer  eines  Systems  einzureihen  und  sie 
dadurch  in  andern  Fällen  wieder  zu  erkennen :  erst  dann  ist  die  Erforschung 
der  Krankheitserreger  möglich. 

C.'s  damalige  Stellungnahme  hat  durch  die  wahrhaft  glänzenden  Fort- 
schritte der  medicinischen  Forschung  ihre  vollste  Bestätigung  erfahren;  auf 
seinen  Arbeiten  beruhen  die  Funde  über  die  Krankheits-Aetiologie  von  der 
Entdeckung  des  Milzbrand -Erregers  bis  zur  Auffindung  desjenigen  der  Beulen- 
pest und  des  gelben  Fiebers.  Auch  der  hartnäckigste,  fast  böswillig- un- 
gläubige Zweifel  musste  schwinden  nach  der  Entdeckung  specifischer  Toxine 
und  Antitoxine,  welche  die  krankheitserregenden  Bakterien  erzeugen.  Und 
doch,  so  selbstverständlich  uns  heute  ist,  dass  specifische  Kleinwesen  charakte- 
ristische Seuchen  hervorbringen,  dieser  Satz  musste  mehrmals  von  C.  schwer 
vertheidigt  werden.  Zuerst  griff  ihn  Billroth,  der  grosse  Chirurg,  an  und 
lehrte  die  vollkommene  Umwandlungstähigkeit  der  verschiedenen  Bakterien  in 
einander;  dann  noch  1878  sprach  sich  einer  der  grössten  Botaniker,  Naegeli, 

19* 


79'2 


Cohn. 


direct  gegen  C.  wife  folgt  aus:  »NacH  meiner  Vermuthung  könnte  jede  der 
wirklichen  Spaltpilz-Species  (deren  es  nur  einige  wenige  Arten  giebt)  nicht 
bloss  als  Micrococcus  und  als  Bacterium,  als  Vibrio  und  Spirillum 
auftreten,  sondern  auch  Milchsäurebildung,  Fäulniss  und  verschiedene  Formen 
der  Erkrankung  bewirken«. 

Gegen  alle  diese  Vermuthungen  und  ungenauen  Arbeiten  blieb  C.  zum 
Segen  der  Menschheit  siegreich,  denn  er  arbeitete  mit  den  exactesten  Mitteln 
der  Forschung.  Sein  Verdienst  ist  die  Einführung  der  Reincultur  in  die 
Bakteriologie,  insbesondere  die  erste  Benützung  fester  Nährsubstrate  (Kartoffeln) 
für  die  Bakterienforschung.  Durch  Verwendung  der  Reinculturen  war  C. 
imstande,  den  Satz  zu  beweisen:  »Die  von  mir  als  Gattungen  bezeichneten 
Formen  der  Spaltpilze  verhalten  sich  in  unzähligen  Generationen  und  unter 
den  verschiedensten  Kulturbedingungen  so  beständig,  wie  nur  irgend  welche 
Geschlechter  höherer  Thiere  oder  Pflanzen.  Sie  lassen  sich  bei  sorgfältiger 
Auslese  völlig  rein  züchten  und  haben  alsdann  niemals  solche  Uebergänge  in 
andere  Formen  gezeigt,  wie  sie  Naegeli  vermuthet«. 

Ganz  besonders  sei  hier  noch  bemerkt,  dass  ebenso  wie  der  Name  Ba- 
cillus von  C.  stammt,  er  es  auch  war,  welcher  die  ganze  Klasse  der  Spalt- 
pilze als  Bakterien  zusammenfasst  und  dazu  die  Bezeichnungen  schuf,  welche 
heute  in  der  gesammten  Bakteriologie  gebräuchlich  sind.  Wenn  heute  irgend- 
wo fern  von  Breslau  von  pathogenen  und  zymogenen,  von  photogenen  und 
chromogenen  Bakterien  gesprochen  wird,  ist  den  Wenigen  bewusst,  dass  dies 
Worte  sind,  welche  C.  geschaffen  und  erst  dann  ans  Licht  gebracht  hat,  als 
er  sie  sorgfältig  nicht  nur  nach  ihrer  sprachlichen  Richtigkeit,  sondern  auch 
nach  ihrer  Klangschönheit  geprüft  hatte. 

Endlich  muss  als  letzte  grosse  That  unseres  Forschers  gefeiert  werden, 
dass  er  den  phantastischen  Lehren  über  Urzeugung  den  letzten, 
vernichtenden  Stoss  versetzte. 

Die  Vorstellung,  das  Lebewesen  aus  den  Elementen,  soweit  solche  zu- 
fällig in  richtiger  Mischung  vorhanden  sind,  entstehen  könnten,  etwa  wie  der 
Crystall  aus  einer  Lösung  zusammenschiesst,  ist  uralt  und  hat  besonders  beim 
Beginn  mikroskopischer  Forschung  viele  beherrscht.  Dass  die  Arten  der 
höheren  Organismen  durch  Schöpferwort,  diejenigen  des  Mikroskops  durch  Ur- 
zeugung entstanden  seien,  das  war  Glaubenssatz.  Aber  mehr  und  mehr  Avnirde 
durch  exacte  Beobachtung  die  Annahme  der  Urzeugung  zurückgedrängt,  nur 
die  Bakterien  widerstanden  noch  dem  Satz  »omne  vivum  ex  ovo«.  Als 
Letzter  vertrat  noch  Bastian  in  England  die  Urzeugung  der  Bacillen,  indem 
er  nachwies,  dass  bei  Zufügung  von  Käse  auch  in  gekochten  Flüssigkeiten 
Wachsthum  eintrete.  Da  hat  C.  die  Sporen  der  Bacillen  entdeckt  (Unters, 
über  Bakterien  FV,  1876),  nachgewiesen,  dass  diese  Sporen  einige  Zeit  der 
Siedehitze  zu  widerstehen  vermögen  und  gerade  in  Käse  jederzeit  vorhanden 
seien.  Damit  war  die  Frage  der  Urzeugung  für  wissenschaftliche  Beobachtungen 
endgiltig  abgethan. 

Es  könnte  Verwunderung  erregen,  dass  ich  in  diesen  Zeilen  die  vielen 
interessanten  Ergebnisse,  welche  C.'s  Untersuchungen  über  die  Fortpflanzung 
von  Algen,  Flagellaten  und  Rädenthieren  ergeben  haben,  die  Entdeckung  von 
Aldrovanda  und  Utricularia  als  Insektenfressende  Pflanzen  etc.  etc.  kaum 
erwähne.  Aber  das  sind  Funde,  welche  auch  Andern  in  ähnlicher  Weise  ge- 
glückt sind.  Mein  Bestreben  war,  das  hervorzuheben,  was  C.  die  erste  Stelle 
unter  den  Botanikern  seiner  Zeit  sichert. 


Cobn.  2Q3 

Zu  diesen  wirklich  wichtigen  Errungenschaften  C.'s  gehören  aber  noch 
zwei  Daten  seines  Lebens,  nämlich  die  Gründung  des  ersten  pflanzen- 
physiologischen Instituts  und  die  Anregung  zur  Schaffung  der  ersten 
Cryptogamen-Flora. 

Wie  er  bei  seiner  Promotion  als  Erster  pflanzenphysiologische  Institute 
in  Verbindung  mit  den  botanischen  Gärten  forderte,  so  erreichte  er  auch  die 
Gründung  des  ersten  dieser  Institute.  Den  i6.  November  1866  überwies  das 
Kgl.  Landft'irthschafts-Ministerium  zu  diesem  Zweck  400  Thaler;  vom  i.  Januar 
1869  ab  ward  das  Institut  auf  den  Etat  der  Universität  Breslau  übernommen. 
Nachdem  C.  1859  ausserordentlicher  Professor  geworden  war,  wurde  dies 
Laboratorium  1871   der  Grund  seiner  Ernennung  zum  Ordinarius. 

Als  Festgabe  bei  Gelegenheit  des  50  jährigen  Doctor-Jubiläums  des  »alten« 
Goeppert  (it.  Januar  1875)  wurde  die  Herausgabe  der  »schlesischen  Crypto- 
gamenflora«  beschlossen  und  C.  übernahm  als  causa  movens  dieses  für  die 
Kenntniss  der  Cryptogamen-Formen  Deutschlands  epochemachenden  Werkes 
die  Redaktion.  Er  selbst  hatte  ursprünglich  die  Absicht,  die  Algen  zu  be- 
arbeiten, doch  stand  er  später  im  Drang  anderer  Geschäfte  davon  ab. 
Stenzel  übernahm  die  Gefäss-Cryptogamen,  Limp  rieht  die  Moose, 
Alexander  Braun  die  Characeen,  Kirchner  die  Algen,  Stein  die  Flechten 
und  endlich  C.'s  Freund  und  Mitarbeiter  Schroeter  die  Pilze.  Bis  auf 
einen  ganz  unwesentlichen  Rest  ist  das  Werk  fertig  geworden.  Diese  Flora 
ist  die  erste,  welche  Standortsangaben  für  alle  Crpytogamen  enthält;  sie  muss 
vorbildlich  werden   für  die  Erforschung  der  übrigen  Theile  Deutschlands. 

Zum  Schluss  darf  nicht  übergangen  werden,  dass  C.  durch  die  »Ent- 
deckung« z^'eier  hochbedeutender  Männer  sich  den  Dank  der  Wissenschaft 
verdient  hat.  Beide  waren  voll  ausgereifte  Forscher,  hatten  die  Resultate 
hochwichtiger  Untersuchungen  vollendet  und  wurden  durch  C.  zu  ihrer  Ver- 
öffentlichung veranlasst,  alle  beide  wurden  Begründer  neuer  Zweige  der 
Wissenschaft:  J.  Kühn  und  R.  Koch.  Ueber  den  Schöpfer  der  modernen 
Land wirthschafts- Wissenschaft  wurde  niemals  behauptet,  er  sei  der  Schüler  C.'s; 
das  war  bei  dem  gleichen  Alter  beider  nicht  gut  möghch.  Robert  Koch 
dagegen  wurde  öfters  als  C.'s  Schüler  bezeichnet.  C.  selbst  stellt  die 
Sache  (Bresl.  Zeitung  vom  17.  Dec.  1890)  richtig:  »Wenn  die  Zeitungen  be- 
richtet haben,  Koch  sei  mein  Schüler  gewesen,  habe  in  meinem  Laboratorium 
gearbeitet,  so  ist  dies  nicht  richtig.  Als  ich  Koch  kennen  lernte,  war  er 
bereits  der  grosse  Forscher,  den  jetzt  die  ganze  Welt  kennt  und  bewundert.» 
Immerhin  schreibt  sich  C.  in  Bezug  auf  Robert  Koch  ein  gewisses  Ver- 
dienst zu.  In  dem  Concept  eines  an  Virchow  gerichteten  Briefes  vom 
21.  IL  1879  heisst  es:  »Unter  den  wenigen  Verdiensten,  die  ich  mir  um 
die  Wissenschaft  erwerben  konnte,  ist  gewiss  das  grösste,  dass  ich  diesen 
Mann,  so  zu  sagen,  erfunden  habe.«  Auch  die  vielen,  lauter  kleine  Manu- 
scripte  darstellenden  Briefe,  welche  Koch  vom  22.  IV.  1876  bis  zum  17.  VII. 
1880  an  C.  gerichtet  hat,  welche  bis  in's  Kleinste  alle  Fortschritte,  alle 
Methoden  der  damaligen  Bakterien-Untersuchungen  schildern,  beweisen  un- 
zweideutig, welch'  grosse  Bedeutung  C.  für  R.  Kochs  wissenschaftliches 
Werden   besass. 

Von  nicht  geringem  Interesse  ist  überhaupt  C.'s  wissenschaftliche 
Correspondenz ,  welche  ihn  insbesondere  mit  Pringsheim,  Alexander 
Braun,  Hanstein,  Hofmeister,  De  Bary,  Darwin  und  vielen  anderen 
verband.     Durch  sie  wurde  C.  nicht  nur  Zeitgenosse,  sondern  auch  Arbeits- 


294  Cohn. 

genösse  der  bedeutendsten  Männer  seiner  Zeit.  Sehr  bemerk enswerth  ist, 
dass  C.  damals  die  Resultate  seiner  Untersuchungen  mit  diesen  Freunden 
brieflich  durchzusprechen  pflegte,  bevor  er  sie  der  Veröffentlichung  übergab, 
ebenso  wie  er  deren  Funde  zu  gegenseitiger  Förderung  freundschaftlicher 
Kritik  unterwarf. 

Sehr  viel  Mühe  verwendete  C.  auf  seine  Vorlesungen;  dafür  waren  diese 
aber  auch  die  geistvollsten  und  formvollendetsten,  welche  man  sich  denken 
kann.  Wie  aus  unerschöpflichem  Born  des  Wissens  immer  Neues  reichend, 
immer  weiter  die  Zuhörer  fortreissend  und  begeisternd,  sind  diese  Vorträge 
geradezu  Meisterstücke  gewesen.  Das  Feuer  der  Liebe  zur  Wissenschaft 
wusste  er  auf  seine  Schüler  zu  übertragen,  deren  viele  jetzt  von  der 
Lehrkanzel  der  Hochschulen  herab  seine  Entdeckungen  lehren.  Lange 
Zeit  konnten  sich  befreundete  Collegen,  ohne  eine  Ablehnung  fürchten  zu 
müssen,  an  C.  um  Ueberweisung  eines  Schülers  als  Assistenten  und  Docenten 
wenden. 

Gleichfalls  sehr  in  Anspruch  genommen  wurde  C.  durch  den  Vorsitz  in 
der  botanischen  Section  der  »Schles.  Gesellschaft  für  Vaterländische  Cultur.<i 
Wie  wusste  er  mit  interessanten  Fragen  die  Discussion  zu  eröffnen,  zu  lenken, 
zu  schönem  Ende  zu  bringen.  Wer  ihn  dort  gesehen  hat,  dem  wird  er  un- 
vergesslich  sein,  weil  er,  stets  gespannt  bei  der  Sache,  das  Beste  seiner  langen 
Erfahrungen  spendete.  Hier  vorzüglich  hat  C.  die  vielen  Aufgaben  be- 
sprochen, mit  welchen  die  Praxis  täglich  an  ihn  herantrat.  Der  Landwirth- 
schaft  seiner  Heimathprovinz  hat  C.  unendlich  genützt:  seine  Untersuchungen 
über  den  Kieferwickler,  die  Erdraupen-Krankheit,  über  Insektenschäden  des 
Getreides  und  Stocktäule  des  Klees,  über  Getreidekäfer  und  viele  andern  be- 
weisen dies. 

Haben  wir  bisher  unsere  Aufmerksamkeit  dem  wissenschaftlichen  Leben 
C.'s  zugewandt,  so  möchte  ich  nun  kurz  auch  noch  die  andere,  poetische 
Seite  seines  populären  Wirkens  hervorheben.  Es  ist  bewundernswerth,  wie 
sich  mit  der  exakten  Wissenschaft  des  Forschers  gleichzeitig  die  Begabung  zu 
dichterischem  Denken  und  formvollendeter  Ausdrucksweise  verband. 

Schon  als  Tertianer  begann  er,  angeregt  durch  die  Werke  unserer  grossen 
Dichter,  eigenen  Gefühlen  in  Versen  Ausdruck  zu  geben.  Ein  Gedicht, 
welches  der  18  jährige  Student  seinem  Lehrer  Goeppert  zum  Geburtstag 
widmete,  ist  erhalten  geblieben;  die  drei  ersten  Strophen  desselben  seien  hier 
mitgetheilt,  weil  sie  ein  schönes  Bild  geben  von  dem  hohen  Gedankenflug 
des  Jünglings  und  zugleich  zeigen,  wie  völlig  er  damals  bereits  die  dichterische 
Form   beherrschte: 

»Noch  ist  der  alte  Schleier  nicht  gefallen, 
Der  vor  dem  Angesicht  der  Isis  steht; 
Jahrtausende  sah  man  vorüberwallen, 
Doch  ist  noch  aller  Nebel  nicht  verweht  — 
Und  immer  noch  erscheint  Natur  uns  allen 
In  ernst  geheimnissvoller  Majestät; 
Doch  ist  sie  immer,  wie  sie  auch  erscheine 
Die  ewig  Schöne  und  die  ewig  Eine. 


Sie  lässt  die  Sonne  durch  den  Aethcr  schweben, 
Sie  hat  der  Sterne  Teppich  aufgerollt; 
Der  Erde  Fluren  füllt  sie  an  mit  Leben, 
Des  Falters  Fittiche  säumt  sie  mit  Gold. 


Cohn. 

Und  aus  der  Tiefe  auf  zum  Lichte  streben 

Lässt  sie  manch  duft'ges  BlUmchcn  wunderhold  — 

So  einet  die  Natur  zu  einem  Kranze 

Planet  und  Sonne,  Mensch  und  Thier  und  Pflanze. 


295 


Und  dieses  ist  ihr  ewiges  Gebot: 
Aus  jedem  Tode  muss  ein  Leben  spriessen, 
Und  wieder  ist  kein  Leben,  dem  der  Tod 
Nicht  schon  entgegenharrt,  es  zu  beschliessen. 
Tod,  Leben  sind  wie  Nacht  und  Morgenroth, 
Die  ewig  wechselnd  ineinander  fliessen  — 
Schon  manche  Welt  erlosch,  und  neue  haben 
Jetzt  ihre  Stätte  dort,  wo  sie  begraben.«  —  — 


Aus  dem  eigenen  dichterischen  Gefühl  heraus  verstehen  wir  C.'s  tiefe 
Bewunderung  für  Goethe.  Wie  kaum  einer  vor  ihm  die  Grösse  der  wissen- 
schaftlichen Phantasie  Goethes  begriffen  hat  und,  den  Wegen  des  Titanen 
nachwandelnd,  seine  Gedanken  dem  Verständniss  der  Nachwelt  näher  brachte, 
so  hat  in  noch  höherem  Masse  Goethe  als  Dichter  auf  C.  den  tiefstgehenden 
Kinfluss  ausgeübt.  Sein  Bestreben,  das  Wissen  der  Allgemeinheit  dienstbar 
zu  machen,  ist  verbunden  mit  der  Begeisterung  fiir  den  unendlichen  Zauber 
der  Natur.  In  Vorträgen  von  grosser  Schönheit  wusste  er  besonders  sein 
Forschungsgebiet,  die  Welt  der  kleinsten  Wesen,  der  Allgemeinheit  näher 
zu  bringen.  Die  Vorträge  sind  gesammelt  und  füllen  C.*s  schönstes  und 
bekanntestes  Buch  idie  Pflanze«  (Breslau,  i.  Aufl.  1882,  2.  Aufl.  1898). 
Mit  diesem  Buch  tritt  C.  in  die  Reihe  der  ersten  deutschen  Stilisten, 
und  zwar  trägt  der  Bau  seiner  fein  gegliederten  Sätze  durchaus  klassisches 
Gepräge. 

Froh  im  Freundeskreise,  hingebend  im  eigenen  Hause,  voller  Anregung 
für  alle,  die  ihm  nahten,  war  er  der  Mittelpunkt  eines  grossen  Kreises  ge- 
bildeter Menschen.  Welch'  ein  Genuss  war  es,  mit  ihm  sich  zu  unterhalten! 
Zwar  hinderte  ihn  öfters  ein  mit  den  Jahren  zunehmendes  Ohrenleiden  am 
vollen  Verstehen  der  Meinung  eines  Sprechers,  doch  kaum  je  zu  dessen  Nach- 
theil. Denn  geistreicher  stets  und  tiefer  kam  die  Antwort  auf  eine  Frage,  die 
er  selbst  dem  andern  unterschob,  und  oft  war  man  sich  bewusst,  durch  seine 
Antwort  darauf  hingewiesen  zu  sein,  was  man  einen  Ferdinand  Cohn 
fragen   müsse. 

Er  war  bekannt  als  einer  der  vielseitigsten  Menschen,  die  je  gelebt  haben ; 
sein  feines  Empfinden,  sein  reiches  inneres  Leben  dagegen  lernte  die  grosse 
Welt  kaum  kennen.  Als  liebevoller,  hilfreicher  Freund  bewies  er  sich  stets 
denen,  die  ihm  näher  standen.  Ich  habe  nie  gehört,  dass  er  Feinde  hatte; 
ein  so  ausgesprochener  Charakter  er  auch  war,  es  war  ihm  trotzdem  ein 
Herzensbedürfniss,  mit  Jedermann  in  Frieden  zu  leben. 

Allgeliebt,  hochverehrt  ist  C.  dahingegangen,  lieber  die  ganze  Welt, 
im  Ausland  fast  noch  mehr  als  in  Deutschland,  sind  seine  F'reunde  zerstreut. 
Seine  Mitbürger  ernannten  ihn  zum  Ehrenbürger  Breslaus;  die  Universität 
Tübingen  machte  ihn  zum  Ehrendoctor  der  Medicin.  Fast  allen  Akademien 
gehörte  er  als  Mitglied  an,  durch  viele  wissenschaftliche  Medaillen  wurde  er  ge- 
ehrt und  erfreut.  Kurz  vor  dem  Ausgang  seines  Lebens  war  es  ihm  noch 
vergönnt,  bei  Gelegenheit  der  F'eier  seines  50  jährigen  Doctor-Jubiläums  zu 
erfahren,  wie  viel  er  geliebt,  bewundert  und  verehrt  war. 


2o6  Cohn.     Fontane. 

Ein  halbes  Jahr  danach  setzte  ein  Herzschlag  diesem  reichen  Leben  ein 
jähes  Ende,  mitten  aus  freudiger  Lebens-  und  SchäfFens-Fülle  heraus.  Mit 
ihm  starb  einer  der  echten  Humanisten,  wie  sie  nur  noch  einzeln  aus 
früherer  Zeit  in  unsere  Welt  des  Speciali täten th ums  hineinragen. 

Breslau.  Professor  Mez. 

Fontane,  Theodor,  Dichter,  *  Neu-Ruppin  30.  December  18 19  f  Berlin 
20.  September  1898.  —  Im  Westen  Berlins,  dreihundert  Schritt  vom  Potsdamer 
Thor,  das  längst  kein  Thor  mehr  ist,  erhebt  sich  in  der  Potsdamerstrasse 
hinter  umgittertem  Vorgärtchen  würdig,  sauber  und  verschlossen  ein  drei- 
stöckiges Haus,  möglichst  fern  vom  Gewimmel  und  Gewirbel  dessen,  was  die 
Grossstadt  vorübertreibt.  Seine  Grundmauern,  welche  die  Jugend  längst 
überstanden  haben,  hüten  sich  mit  einer  gewissen  schalkhaften  Hartnäckigkeit 
vor  dem  speculierenden  Poltergeist,  der  manchmal  auch  ein  Foltergeist  ist, 
und  ringsumher  traulich  alte  Heimstätten  vom  Boden  reisst,  um  prunkende 
Paläste  an  ihre  Stelle  zu  hexen.  Jenes  stille  Haus  gleicht  einem  werthen 
älteren  Herrn,  der  andere  Zeiten  gekannt  und  geliebt  hat,  aber  mit  Humor 
und  schöner  Neubegier  sich  in  ein  jüngeres  Geschlecht  zu  fügen  weiss;  dem 
über  der  Andacht  zum  Alten  der  Sinn  fürs  Neue  wuchs,  und  der  in  laum'ger 
Wehmuth  das  Verdienst  seiner  Jahre  auf  sich  nimmt.  Mit  ironischer  Feier- 
lichkeit, wie  sie  solchen  älteren  Herrn  trefflich  kleidet,  trägt  jenes  stille  Haus 
sogar  eine  Art  von  Orden  auf  der  Brust:  ein  weisses  Kreuz  im  rothen  Felde, 
ein  Zeichen,  dass  hinter  diesen  Wänden  nicht  vergessen  wird,  wohlzuthun 
und  mitzutheilen.  Wir  steigen  drei  Treppen  empor,  schmal,  aber  blitzblank, 
von  vornehmer,  dunkler  Politur  und  niedlich  geschmückt  mit  Oleanderbäumen. 
Wir  kommen  an  allerlei  altmodischen  Hof-  und  Staatsämtern  vorüber  und 
stehen  dann  vor  einer  Thür,  die  18  Jahre  lang  auf  weissporzellanenem 
Schilde  einen  Dichternamen  trug.  Dieser  selbe  Dichtername  leuchtet  noch 
auf  einer  Broncetafel  draussen  an  der  Hausmauer  neben  dem  weissen  Kreuz 
im  rothen  Felde,  und  ungehindert  durch  die  alten  vollbelaubten  Bäume,  die 
dem  alten  Dichter  im  Tode  kurz  vorangegangen  sind,  kann  man  nun  lesen, 
dass  dort  oben  unter  dem  Dach  in  den  niedrigen,  engen  Stübchen  während 
seiner  eigentlichen  Dichterzeit  Theodor  Fontane  wohnte,  dass  er  hier  alle 
seine  Romane  vollendet  hat  und  dann  sanft  und  rasch  und  froh,  nahezu 
79  Jahre  alt,  gestorben  ist. 

Mit  kurzen  Unterbrechungen,  deren  letzte  ein  zweijähriger  Aufenthalt  in 
Grossbritannien  war,  hat  F.  mehr  als  zwei  Menschenalter  in  Berlin  gelebt. 
Als  er  Mitte  der  dreissiger  Jahre  hinkam,  hatte  die  Residenz  Friedrich 
Wilhelms  IIL  300000  Einwohner.  Als  sie  ihn  weit  oben  in  den  Industrie- 
bezirken des  Berliner  Nordens  neben  einen  grossen  Baum  auf  einem  kleinen 
»schmustrigen«  Kirchhof  zur  letzten  Ruhe  legten,  hatte  die  deutsche  Kaiser- 
stadt fast  zwei  Millionen  Einwohner.  Aus  seinem  Geburtsörtchen  Neu-Ruppin, 
der  Stadt  des  grossen  grauen  Sees  und  der  kleinen  bunten  Bilderbogen  war 
der  vierzehnjährige  Jüngling  mit  lockigem  Haar  eines  Tages  durch  die  Mark 
nach  Berlin  gewandert  und  hat  hier  seine  zweite  Heimath  gefunden.  Neu- 
Ruppin  ist  geblieben,  was  es  war;  es  zeugt  noch  heute  mehr  für  die  Zeiten 
des  Kronprinzen  Friedrich  als  für  die  Gegenwart.  In  Berlin  aber  und  mit 
Berlin  ist  F.  ein  Dichter,  ein  Weltbetrachter  und,  bei  mancher  altfränkischen 
Gebahrung,  ein  ganz  moderner  Geist  geworden.  Er  ist  für  die  moderne 
Weltstadt  der  klassische  Berliner  geworden,  wie  P'riedrich  Nicolai  der  klassische 


Fontane.  2()*J 

Berliner  der  Zopf-  und  Perrtickenzeit  war,  und  mit  Recht  hebt  Richard  M. 
Meyer  den  gewaltigen  Unterschied  zwischen  Beiden  zu  Gunsten  der  neuen 
Zeit  und  der  neuen  Stadt  "hervor.  Aber  noch  ehe  F.  nach  Berlin  kam,  lag 
schon  ein  Leben  hinter  ihm,  das  ihm  zwei  Menschenalter  später  Stoff  genug 
für  einen  ganzen  autobiographischen  Roman  bot.  Dieses  merkwürdige 
Dichtung-  und  Wahrheit-Buch,  das  der  Verfasser  »seine  Kinderjahre«  nennt, 
lässt  uns  im  Stich,  als  er  gerade  von  seiner  Mutter  nach  dem  Ruppiner 
Oymnasium  gebracht  worden  ist  und  sich  in  der  Quarta  gottergeben  nieder- 
lassen will,  ein  Bürschchen  von  dreizehn  Jahren.  Von  anderen  Knaben 
unterscheidet  sich  dieser  Knabe  Theodor  nicht  allzu  sehr.  Er  trug  seine 
langen  blonden  Locken  etwas  länger,  im  doppelten  Sinne  nach  Zoll  und  Zeit 
länger,  als  andere  Jungen,  er'  schlug  beim  Ballwurf  Fensterscheiben  ein,  er 
graulte  sich  wonnevoll  vor  der  Hütte,  wo  ein  Mord  geschah,  er  guckte  neu- 
gierig zu,  wie  ein  Baumkuchen  gebacken  wurde,  er  kokettirte  mit  der  Gefahr 
des  Ertrinkens;  bei  den  kriegerischen  Jugendspielen  wollte  er  Höchstkomman- 
dirender  sein,  und  wo  ein  Schlingel  ihn  neckte,  da  wehrte  er  sich.  Wer 
Alles  das  liest,  glaubt  die  eigene  Kindheit  an  sich  vorüberziehen  zu  sehen, 
denn  so  verfliesst  ein  Knabenleben  nicht  bloss  im  pommerschen  Seebad 
Swinemünde,  sondern  überall,  allüberall,  und  das  einzige,  was  den  kleinen 
Swinemünder  Apothekerssohn  von  Andern  unterschied,  war  die  ausserordent- 
lich feine  Beobachtungsgabe,  in  der  sich  schon  der  künftige  Land-  und  Leute- 
Schilderer,  der  künftige  Dichter  verrieth.  Zwar  haften  die  Jugendeindrücke 
am  sichersten  in  der  Erinnerung,  aber  wer  nach  65  Jahren  noch  so  genau  in 
Allem  Bescheid  weiss  und  so  deutlich  in  den  Seelen  der  erwachsenen 
Menschen  von  damals  zu  lesen  versteht,  muss  schon  als  Kind  den  prüfenden 
Blick  in  die  menschliche  Natur  gehabt  haben.  Ob  alle  diese  Honoratioren 
von  Swinemünde  sich  genau  so  ausgedrückt  haben,  ist  fraglich  und  darf  von 
Echtheitsphilistern  bezweifelt  werden.  Aber  ihre  Welt  stellt  sich  uns  so  dar, 
wie  sie  gewesen  ist,  sie  trägt  das  untrügliche  Zeichen  der  Richtigkeit.  Jeder 
kann  es  durch  seine  eigenen  Erfahrungen  belegen.  Der  Dichtermund  spricht 
für  Viele.  Der  Held  dieses  Romans  ist  aber  nicht  der  kleine  F.  selbst, 
sondern  sein  Vater,  Herr  Louis  Henri  Fontane,  zuerst  Löwen-Apotheker  in 
Neu-Ruppin,  dann  Stadt-Apotheker  in  Swinemünde.  Neben  ihm  und  oft 
auch  gegen  ihn  steht  die  Mutter  Emilie,  geb.  Labry,  Seidenhändlerstochter 
aus  Berlin.  Ihrer  Beider  Schicksal,  das  sie  sich  grössten  Theils  selbst  oder 
gegenseitig  schmiedeten,  ist  der  Kemgehalt  dieser  Kindheitserfahrungen  des 
ältesten  Sohnes;  und  gerade  über  dieses  Wesentlichste  aus  F.'s  Jugend- 
zeit möchte  ich  hier  nichts  sagen.  Wenn  uns  ein  Freund  sein  Herz  aus- 
schüttet, so  halten  wir  ihn  still  bei  der  Hand  und  schweigen.  Wir  gehen 
nicht  hin,  es  Anderen,  mit  anderen  Worten  einen  anderen  Eindruck  weckend, 
weiter  zu  plaudern.  Fragt  ihn  selbst  und  seht  zu ,  ob  er  es  Euch  auch  sagen 
wird.  Denn  auch  F.  sagt,  was  ihm  seit  jung  her  auf  der  Seele  gelegen  hat, 
nicht  Jedem,  obwohl  es  Jeder  lesen  kann.  Er  sagt  es  denen,  die  es  ganz 
verstehen,  wie  wundervoll  tief  und  zart  und  innig  das  alles  ist,  was  er  von 
Vater  und  Mutter  erzählt.  Wer  da  über  Pietätlosigkeit,  über  Verstösse  gegen 
das  vierte  Gebot  sittenrichtelt,  der  versteht  nicht  zu  lauschen,  wenn  ein 
Dichter  spricht.  Hier  ist  ein  Sohn,  der  seinen  Vater  ganz  genau  kennt,  der 
ihm  nicht  mit  allerhand  moralischen  Schönheitspflästerchen  auf  die  Beine 
schmeichelt,  der  ihn  genau  so  schildert,  wie  er  war:  in  seiner  ganzen  wider- 
spruchsvollen Menschlichkeit,    in  allen   seinen  Schwächen,   durch   die  er  nur 


2o8  Fontane. 

liebenswürdiger  wird.  Ein  Sohn,  der  seinen  Vater  gleichsam  unters  Kinn 
nimmt  und  zu  ihm  sagt:  Du  grosse^;,  lieber,  wunderlicher  Kerl,  Du  hast  mir 
keinen  Pfennig  hinterlassen,  Du  konntest  nicht  meiner  Frau  Mutter  das  Leben 
leicht  machen,  Du  hast  mir  im  tadellosen  Wandel  nicht  immer  das  beste 
Beispiel  gegeben.  Aber  Alles,  was  ich  hab  und  weiss  und  kann,  verdank  ich 
ja  doch  nur  Dir  allein,  und  wenn  ich  auch  nichts  weiter  von  Dir  gehabt 
hätte,  so  bleibt  mir  die  Erinnerung  an  Dich.  Dieser  Sohn  ehrt  diesen  Vater, 
dazu  verhilft  ihm  nicht  der  kalte  Pflichtbegriff  »Du  sollst«,  auch  nicht  die 
schliesslich  doch  bloss  auf  den  Selbsterhaltungstrieb  speculirende  Vertröstung 
»auf  dass  es  Dir  wohlgehe  und  Du  lange  lebest  auf  Erden«.  Dazu  verhilft 
allein  die  freie,  kindliche,  nicht  nur  blutsverwandte,  sondern  noch  mehr 
wahlverwandte  Zuneigung,  die  das  Bild  des  Vaters  umtängt.  Gewiss  hätte 
Goethe,  das  grosse  Maass  aller  Dichter,  von  seinem  Vater  nicht  so  gesprochen, 
denn  er  ist  über  ein  kühles  Respectsverhältniss  zu  seinem  Vater  nie  hinaus- 
gekommen. Aber  wohl  hätte  Goethe  von  seiner  Mutter  so  sprechen  können, 
denn  die  Frau  Rath  sass  ihm  zeitlebens  mitten  im  Herzen.  Wo  Vertrautheit 
ist,  ist  Offenheit,  und  in  dieser  Hinsicht  gehört  zum  schönsten,  was  ich  kenne, 
das  letzte  Zwiegespräch  zwischen  Louis  Fontane,  dem  Vater,  und  Theodor 
Fontane,  dem  Sohn.  Sie  sitzen  über  einer  gefüllten  Kalbsbrust  und  erörtern 
die  Frage,  ob  Kalbsbrust  etwas  Grosses  oder  etwas  Kleines  sei.  Sie  einigen 
sich  dahin,  es  sei  Beides.  Denn  alles  in  der  Welt  kann  bald  wichtig,  bald 
nichtig,  bald  angenehm,  bald  schrecklich  sein.  Diese  beiden  weisen,  alten 
Knaben,  der  eine  mit  71,  der  andere  mit  48  Jahren,  haben  es  herausgekriegt, 
dass  Nichts  an  sich  selbst  etwas  ist,  dass  Alles  erst  durch  seine  Beziehungen 
etwas  wird.  Diese  Erkenn tniss,  dass  es  ein  »Absolutes«  absolut  nicht  giebt, 
versöhnt  sie  mit  ihrem  Schicksal  und  mit  der  Welt.  Sie  scheiden  im  Frieden 
von  einander.  Durch  das  Bild  des  Vaters  schimmert  der  Sohn,  der  nicht 
aus  der  Art  geschlagen  ist,  in  dem  sich  nur  das  naive  Preisgeben  der 
ursprünglichen  Natur  durch  künstlerisch-kritische  Reflexion  verfeinert  hat; 
eine  Reflexion,    die  klüger,  aber  nicht  glücklicher  macht. 

Nach  Berlin  kam  F.  zunächst,  um  seine  Gymnasialstudien  zu  vollenden, 
und  dann,  um  den  Beruf  seines  Vaters  zu  erwählen  in  der  trügerischen 
Hoffnung,  dereinst  die  elterliche  Stadtapotheke  in  Swinemünde  erbeigen- 
thümlich  zu  übernehmen.  In  einem  zweiten  autobiographischen  Bande  »Zwischen 
Zwanzig  und  Dreissig«  kann  man  seiner  vielbewegten,  das  Ziel  freilich  ver- 
fehlenden Pharmaceuten-Laufbahn  folgen.  Zuerst  die  Lehrjahre  in  Berlin.  Dann 
die  Gehülfenzeit  in  Burg  bei  Magdeburg,  in  Leipzig,  in  Dresden  beim 
grossen  Selterser-Struve,  endlich  wieder  in  Berlin,  nach  Bestehung  des  Militär- 
dienstjahres beim  Kaiser  Franz-Garde-Grenadier-Regiment,  und  des  pharma- 
ceutischen  Staatsexamens,  zuerst  bei  Jung  in  der  Georgenkirchstrasse,  zuletzt  im 
Krankenhause  Bethanien.  Endlich  wäre  der  dreissigj ährige  Herr  Pro\isor  so 
weit  gewesen,  sich  selbstständig  zu  machen.  Aber  die  S\^Tinemünder  Stadt- 
apotheke war  längst  in  fremden  Händen,  Papa  Louis  Henri  sass  irgendwo 
auf  dem  Trocknen  oder,  wie  er  sich  auszudrücken  pflegte,  in  der  Brt^douille, 
und  Theodors  Erbtheil  war,  wie  er  zu  sagen  liebte,  ein  Löffelstiel,  auf  den 
hin  er  trotzdem  (am  16.  October  1849)  nach  fünijähriger  Brautschaft,  seine 
liebe  und  kluge  Frau  Emilie,  geb.  Rouanet-Kummer,  heirathete,  obwohl  er 
seinen  practischen  Beruf  aufgegeben  hatte.  Aus  dem  Ai)Otheker  war  ein 
Litterat  geworden.  Aber  so  ganz  ungestraft  wandelt  auch  unter  Palmölen 
niemand,     und    so    ist    dem    späteren    Schriftsteller    von    der    Receptirkunst 


Fontane. 


299 


wenigstens  eine  kleine,  bezeichnende  Stileigenthümlichkeit  hangen  geblieben. 
Wenn  F.  ein  Urtheil,  eine  Ansicht,  eine  Thatsache  ausgesprochen  hatte,  so 
suchte  er  es,  besonders  in  seinen  originellen  Theaterrecensionen,  durch  ein  »oder 
wenigstens«  oder  durch  ein  »beinahe«  bald  mildernd,  bald  stärkend  aufs 
richtige  Maass  zurückzuführen;  nicht  unähnlich  dem  vorsichtigen  Provisor, 
der  vor  der  Waage  steht  und  genau  aufs  Krümchen  nachstreut  oder 
wegschüttet,  was  dem  geforderten  Gewicht  widerspricht.  Einst  bekam  F. 
Resuch  von  Emil  Rittershaus,  dem  schlecht  und  rechten  Gartenlauben-Sänger. 
Das  Gespräch  kam  auf  Ibsen;  der  Gartenlauben-Sänger  war  als  solcher  schlecht 
und  recht  genug,  sich  gegen  den  nordischen  Aufrührer  zu  erbittern.  Er 
redete  ihm  viel  Uebles  nach,  u.  A.  auch,  dass  er  in  seiner  Jugend  einmal 
Apotheker  gewesen  sei  und  nun  in  seinen  Dramen  das  Apothekerhafte  nicht 
verleugnen  könne.  Nicht  ohne  lächelnde  Zustimmung,  von  der  freilich 
wieder  in  Gedanken  etwas  weggeschüttet  wurde,  verschwieg  F.  dem  guten 
Oaste,  dass  dieser  ahnungslos  »im  Hause  des  Gehängten  vom  Strick  geredet 
habe«.  Doch  ist  zuzugeben,  dass  F.  im  Uebrigen  den  Apotheker  gründlich 
von  sich  abgeschüttelt  hat,  und  schon  in  seiner  äusseren  Erscheinung  wirkte 
er  nach  dem  Zeugniss  des  darin  gewiss  kompetenten  Paul  Heyse  bereits  1848, 
(hl  er  unter  dem  Regimente  seines  Helden  Scherenberg  im  »Tunnel  über 
der  Spree«  bei  den  Dichtgenossen  erschien,  als  ein  ganzer  Poet;  unter  den 
scribelnden  Laien  einer,  der  seine  Kunst  verstand:  »Der  ist  ein  Dichter! 
wusst  ich  sofort.     Silentium!   Lafontaine  hats  Wort!« 

Was  Lafontaine-Fontane  damals  seinen  Kunstgenossen  vorlas,  konnten 
nur  schottische  und  märkische  Balladen  sein,  die  1850  zum  ersten  Mal  im 
Druck  erschienen  und  den  Namen  ihres  Dichters  früh  in  unsere  Anthologien 
und  Schulbücher,  ja  sogar  auf  dem  P^ittich  der  Löweschen  Melodie  in  den 
Concertsaal  trugen.  Manches  dieser  Gedichte,  wie  der  berühmte  Douglas, 
ist  ins  Volk  gedrungen.  Der  Dichter  selbst  aber  ging  ausser  Landes. 
Deutschland  konnte  dem  Poeten  kein  Brod  schaffen.  Er  ging  mit  Weib 
und  Kind  nach  London,  wo  er  journalistisch  thätig  war  und  Briefe  über 
englische  Kunst  und  englisches  Leben  nach  Hause  schrieb.  Damals  kam 
der  Balladendichter  auch  in  die  Balladenheimath  Schottland;  die  Eindrücke, 
die  er  dort  von  Land  und  Leuten  empfing,  blieben  in  seiner  empfänglichen 
Seele  für  Lebenszeit  haften.  Seinen  feinen,  jederzeit  sachlich  interessirten 
Blick  für  das  lebendige  Treiben  der  grossen  und  kleinen  Menschheit  hat  er 
im  geschäftigen  England,  seine  starke  Empfindung  für  den  Ernst,  die  Grösse 
einer  alten  Natur  und  einer  alten  Geschichte  im  einsamen  Schottland  gefestigt 
und  geschärft.  Als  er  mit  Familienzuwachs  nach  Berlin  heimkehrte,  verschaffte 
ihm  sein  alter  Tunnel-Gönner  George  Hesekiel  eine  Thätigkeit  in  der  Redaction 
der  Kreuzzeitung.  Und  nun  durchwanderte  er  seine  Mark  Brandenburg,  wo- 
von fünf  wackere  Bände  Zeugniss  ablegen.  Er  wollte  für  sein  Heimathland 
weder  ein  Bädeker  noch  ein  Ranke  sein  und  ist  in  dieser  seiner  einzig 
gearteten  Verquickung  des  Landschaftsbilds  mit  der  historischen  Erinnerung, 
der  Sitten-  und  Menschenstudien  mit  der  naturpoetischen  Betrachtung,  der 
allgemeinen  Beobachtung  mit  dem  persönlichen  Erlebniss  ein  F.  geworden, 
wie  ihn  Jedermann  der  eigenen  Heimath  wünschen  möchte,  wie  ihn  in 
gleicher  Originalität  kein  anderer  deutscher  Gau  besitzt.  Während  er  aber 
friedfertigen  Gemüths  durch  die  Marken  strich,  gährte  es  im  Vaterlande,  das 
Gleichgewicht  Europas  kam  ins  Schwanken.  Die  drei  grossen  Kriege  folgten 
einander,    und    F.   ist    dabei    gewesen,    zwar    nicht    als    Kämpfer,    aber   als 


300  Fontane. 

Schlachtenbummler  guter  Art,  der  sich  gelegentlich  auch  einmal  in  Krieg?»- 
gefangenschafl:  und  Todesgefahr  geratheh  sieht.  Grossie  Erlebnisse,  das  Gegen- 
wärtigsein bei  weltgeschichtlichen,  weltumwendenden  Begebenheiten  Schäften 
zwar  keine  dichterische  Kraft,  aber  wo  eine  solche  verborgen  liegt,  wird 
sie  hervorgelöckt.  F.  hat  die  Geschichte  aller  drei  Kriege  geschrieben, 
wiederum  nicht  wie  ein  Ranke  oder  wie  ein  Generalstäbler,  sondern  in  seiner 
Weise:  ohne  Scheu  vor  trockenen  Aufzählungen  und  Classificirungen ,  der 
Theilnahme  seines  Lesers  stets  sicher, '  weil  immer  bereit,  w4e  ein  Dichter 
zu  sprechen,  wo  sichs  lohnt.  Weder  die  Wanderungen  durch  die  Mark, 
noch  die  Kriegswerke  sind  das,  was  den  Namen  F. 's  gross  macht.  Aber 
hier  wie  dort  liegt  der  breite  und  tiefe  Grund,  woraus  seine  dichterische 
Kraft  emporwuchs.  Die  Wanderungen  stärkten  das  Gefühl  für  seine  Heimath, 
die  Kriege  das  Gefühl  für  seine  Zeit,  und  Zeit  und  Heimath  sind  die  beiden 
Mächte,  die  aus  den  Dichtern  immer  ihr  bestes  und  höchstes  herausgeholt 
haben.  F.,  der  märkische  Wanderer,  und  F.  der  Kriegskamerad,  traten  eines 
Tages,  als  •  es  in  Europa  ruhig  geworden  war,  zusammen  und  fassten  einen 
Entschluss.  Aus  diesen  Entschluss  ging  endlich  der  Dichter  hervor,  den  \vir 
nun  unter  die  Ersten  seiner  Nation  einzureihen  haben.  Lange  genug  hatte 
es  gewährt.  F.  näherte  sich  bereits  den  Sechzig.  Womit  hatte  er  seine 
schönsten  Jahre,  das  sogenannte  beste  Mannesalter  verthan?  War  es  nur  die 
Noth  ums  Brod,  die  in  den  RedactionstUben  der  Kreuzzeitung,  dann  auf 
dem  Referentensitz  der  Vossischen  Zeitung  im  königl.  Schauspielhaus,  eine 
kurze  Zeit  sogar  im  Sekretärsfrohndienste  der  königlichen  Kunstakademie  seinen 
Pegasus  so  lange  im  Joch  hielt?  Es  waren  noch  zwei  andere  Ursachen,  die 
einander  wundersam  ergänzten  und  in  ihrer  tiefen,  einheitlichen  Wirkung  ein 
Ganzes  endlich  schaffen  konnten. 

Das  Eine  mag  Sehnsucht  nach  menschHcher  Grösse,  das  Andere  Samm- 
lung kleiner  Lebenseindrücke    heissen.      Nie   ist    ein  Mensch   mit    schärferen 
Sinnen  durchs  Dasein   gegangen  als  F.      Dabei  beobachtete  er  nicht  minder 
liebevoll   als  scharf.      Gedächtniss  und  Phantasie  schienen  bei  ihm  Eins  ge- 
worden;  in   diesem   ungeheuren  Speicher  verdorrte   nichts;   Alles  blieb  friscli 
am  Leben  oder  lebte  gar  erst  auf.      Die  schmale  deutsche  Philisterwelt  der 
vormärzlichen   und    nachmärzlichen   Zeit;    das  Verdumpfen    und    Abstumpfen 
tapferer    Soldatenherzen    im    wechselnden    Einerlei    von    Gamisondienst    und 
Casino vergnügen,  das  Gethue  inferiorer  Literaten  und  Schöngeister,  die  Phrase 
kraftloser    Ideologen,    das    Bierbank geschwätz    politischer    Kannegiesser,    die 
Revolution  im  Schlafrock  und  andererseits  die  Liebedienerei  des  beschränkten 
Unterthanen Verstandes,    kleine   Widerwärtigkeiten    und   kleine  Possirlichkeiten 
im  engeren  P'amilienkreise ;  dann  wieder  ein  aufrechtes  Wandern  durch  Land 
und   Leute,    und   in   den   Tagen   des  Lenzes   das   wohlbekannte  Langen    und 
Bangen   eines   deutschen  Jünglings,    alles   dies   bildete  sich  fest   dem    dichte- 
rischen  Geiste  ein,    verdichtete   sich   in   ihm,   und  als  dann  endlich  die  Vor- 
rathskammern  dieses  Geistes   geöffnet  wurden,    lagen   die   poetischen  Schätze 
am   Licht.      Was   aber  den  Riegel   sprengte   und  den   Sonnenschein   einliess, 
war  doch  noch  etwas  anderes.     Hiezu  erst  musste  sich  jene  grosse  Sehnsucht 
erfüllen.      Früh   zog  den   humoristischen   Beobachter  kleiner  naher  Wirklich- 
keiten ein  mächtiger  Trieb   in   ideale  Fernen,   in   heldenhafte  Vergangenheit. 
Er  schlug  die  Bücher    der   Geschichte   auf,    und  wo    er    mitten    unter  lang- 
w'eilenden  Haupt-  und  Staatsactionen  auf  heroische  Anekdoten  stiess,  hielt  er 
still    und    vergegenwärtigte    sich    Momentbilder    menschlicher    Urkraft.      Am 


Fontane« 


301 


meisten  und  am  liebsten  fand  er  dergleichen  in  der  Geschichte  Alt-Englands, 
Alt-Schottiands,  Alt-Skandinaviens;  denn  Brandenburg .  und  Brandenburger 
lagen  ihm  noch  zu  nah.  Während  man  nach  dem  Rückschlage  der  Acht- 
undvierziger Zeit  in  deutschen  Landtagen  vergeblich  um  die  Misere  des  Daseins 
stritt,  las  F.  die  alten  überseeischen  Balladen,  dichtete  viele  davon  in  sein 
geliebtes  Deutsch  um  und  dichtete  neue  von  gleichem  Stoff  und  gleichem 
Stil.  Hier  fand  er  Alles,  was  er  im  umgebenden  Dasein  vermisste:  starken 
Willen,  Thatkraft,  rücksichtslos  stolzes  Schreiten  zum  Ziel,  Heldenmuth  und 
Heldengrösse.  Dass  er  auf  diesem  Wege  durch  Kerker  und  Grüfte,  über 
enthauptete  Menschenleiber  hinweg,  durch  Ströme  edelsten  Blutes  ging,  war 
für  die  kühne  Phantasie  des  jungen  Barden  nur  ein  neuer,  schaurig -schöner 
Reiz.  Aus  Sagenzeit  und  Sagenland  zurückkehrend,  wanderte  er  dann  in  der 
Sehnsucht  nach  Grösse  durch  die  alten  Schlösser  und  die  alten  Städte  seiner 
märkischen  Heimath,  die  er  später  alle  beschrieben  hat.  Und  siehe  da,  er 
fand,  was  er  suchte.  Wie  sein  Lebensfreund  Adolf  Menzel,  so  vergaffte  sich 
auch  er  in  den  alten  Fritz  und  dessen  Generale.  An  das  »Nordische«  und 
»Englisch-Schottische«  seiner  Bilder  und  Balladen  hing  sich  »Märkisch-Preussi- 
sches«.  Die  alten  festen  Junker,  die  dem  ersten  Hohenzoller  in  der  Kur- 
mark so  bös  zu  schaffen  machten,  interessirten  ihn  nicht  weniger  als  die 
Grössten  des  preussischen  Königsgeschlechtes.  Meisterhaft  übertrug  er  auf 
die  neueren  näheren  Stoflfe  jenen  alten  Balladenstil,  lieber  die  Quitzow  und 
Gans  von  Putlitz,  über  den  alten  Derfflinger,  den  alten  Dessauer,  den  alten 
Zieten,  über  Schwerin,  Keith,  Prinz  Louis  Ferdinand  gelangte  er  so  von  un- 
gefähr auf  seinem  »balladesken«  Poetenrösslein  bis  in  die  Zeit,  da  sein  Blick 
auf  ein  Knabenbildniss  Bismarcks  fiel. 

In  LockenfUlle  das  blonde  Haar, 
Allzeit  im  Sattel  und  neunzehn  Jahr, 
Im  Fluge  weltein  und  nie  zurück, 
Wer  ist  der  Reiter  nach  dem  GlUck? 

Jung-Bismarck. 


Was  ist  das  Glück?    Ist's  Gold,  ist's  Ehr', 
Ist's  Ruhm,  ist^s  Liebe?    Das  Glück  ist  mehr: 
»Leben  und  sterben  dem  Vaterland«   — 
Gott  segne  fUrder  deine  Hand, 

Jung-Bismarck. 


Dann  ist  er  von  »Jung-Bismarck«  zum  alten  Reichskanzler  den  weiten, 
weltgeschichtlichen  Weg  mitgegangen,  massvoll  in  seiner  Begeisterung,  vor- 
behaltlich in  seinem  Urtheil,  ironisch  gegen  Schwächen  der  Grösse,  gerecht 
auch  gegen  Feindes  Sache  und  Feindes  Herz.  Er  durfte  den  grossen  welt- 
geschichtlichen Begebenheiten  seiner  Zeit  als  Begleiter  des  tapferen,  leiden- 
schaftlich-absonderlichen, ihm  aber  wohlgesinnten  Prinzen  Friedrich  Carl  von 
Preussen  nahe  stehen.  In  seiner  Phantasie  an  die  Blutbäder  der  Stuarts  und 
der  Tudors  längst  gewöhnt,  wandelte  er  mit  wissbegierigen  Poetenaugen  ge- 
fassten  Herzens  über  die  Wahlstätten  Schleswig-Holsteins,  Böhmens,  Frank- 
reichs, und  als  er  bei  Toul,  der  Kriegsläufte  schier  vergessend,  dem  Ge- 
burtsdorfe  der  Jungfrau  von  Orleans,  gleichsam  in  Stellvertretung  Schillers, 
einen  Besuch  abstatten  wollte,  kam  er  bei  den  Einwohnern  von  Domr<!my  in 
den  Verdacht  der  Spionage,  wurde  verhaftet  und  zu  monatelanger  Kriegs- 
gefangenschaft   auf    die    Insel     Ol^ron     verschleppt.      Wie    so     Vieles     aus 


302 


Fontane. 


seinem  Leben,  hat  er  auch  dieses  Abenteuer  mit  einem  trocknen  und  einem 
feuchten  Auge  höchst  unterhaltlich  in  einem  kleinen  Büchlein  erzählt.  F., 
der  königstreue  Mann,  den  einst  der  Berliner  achtzehnte  März  in  seinen  un- 
mittelbaren Nach  wehen  verstimmt  hatte,  fasste  nach  Metz,  Sedan,  Paris 
neuen  Muth  für  sein  Land  und  seine  Leute,  Thaten  reizten  ihn  zu  Thaten, 
und  er  bethätigte  seinen  Muth  nach  wahrhafter  Dichterweise.  Er  mischte 
sich  nicht  in  den  Tross  phrasenhafter  Tyrtäen,  er  rief  nicht  »Heil«  und 
»Hurrah«  durch  die  Gassen,  sondern  er  ging  in  sich  und  begann  als  strammer 
Fünfziger  seine  eigentliche  Dichterlaufbahn. 

Zunächst  entstand  ein  vierbändiger  Roman.  Zeit  und  Ort  seiner  Hand- 
lung knüpfen  folgerichtig  an  F.'s  bisherige  Schriftstellerei  an.  Fünf  Bände 
Kriegsgeschichte  und  mit  diesen  ziemlich  gleichlaufend  drei  Bände  Wande- 
rungen durch  die  Mark  Brandenburg  waren  erschienen.  Hier  wie  dort  war 
der  Dichter  an  historisch  und  topographisch  Gegebenes  gebunden,  und  wenn 
er  sich  besonders  auch  bei  den  Wanderungen  gern  verleiten  Hess,  aus  der 
historischen  Vortragsweise  in  den  ursprünglichen  Plauderton  des  Touristen 
zurückzufallen,  so  Hess  sich  sehr  viel  später  der  wissenschaftliche  Werth  dieser 
Werke  von  der  Gelehrsamkeit  doch  so  weit  einschätzen,  dass  freie  Männer 
der  Berliner  Universität,  wie  Erich  Schmidt,  Theodor  Mommsen,  der  Geograj>h 
Ferdinand  v.  Richthofen  daraufhin  bei  zaghaft-zünftigeren  Fakultätsgen osscn 
es  durchsetzen  konnten,  die  Würde  des  philosophischen  Ehrendoctors,  die 
einem  blossen  Poetlein  nicht  gebühre,  als  Geburtstagsgeschenk  dem  Fünfund- 
siebzigiährigen  zu  bringen.  F.  nahm  die  Würde  freudig  dankend  an,  er- 
widerte aber  dem  erstaunt  lächelnden  Geographie-Professor,  der  als  Decan 
das  Diplom  überreichte:  mit  seinen  vielgepriesenen  märkischen  Wanderungen 
sei  eigentlich  nicht  viel  los;  er  selbst  erblicke  sein  wirkliches  Lebenswerk 
nun  doch  in  der  Romanschreiberei.  Man  hätte  ihm  darauf  entgegnen  können, 
dass  sich  seine  Romanschreiberei  aus  den  halbwegs  wissenschaftlichen  Arbeiten 
vielleicht  erst  entwickelt  habe.  Jener  erste  grosse  Roman  hielt  den  märkischen 
Wanderer  in  der  Mark  fest,  und  führte  den  Kriegsberichterstatter  in  kriege- 
rische Zeit,  in  die  Zeit,  bevor  nach  Körners  Wort  das  Volk  aufstand  und  der 
Sturm  losbrach.  Der  Roman,  1878  wie  die  Wanderungen  bei  Wilhelm  Hertz 
erschienen,  machte  in  seiner  Weitschichtigkeit  wenig  Eindruck.  Damals 
glaubte  ein  deutscher  Romancier,  noch  im  Bann  des  jungdeutschen  Beispiels, 
es  nicht  unter  vier  Bänden  thun  zu  dürfen.  Solch  ein  Roman  musste  für 
viele  Winterabende  reichen,  bevor  er  in  der  Leihbibliothek  umgetauscht 
wurde.  Der  Roman  F.'s  aber  war  doch  kein  Leihbibliothekenfutter,  und 
darum  hat  er  es  keiner  Leserpartei  recht  machen  können;  für  diejenigen,  die 
bloss  schmökern  wollen,  steckte  zuviel  socialer  und  psychologischer  Ernst 
darin,  und  wer  künstlerische  P'orderungen  stellte,  dem  war  er  zu  auseinander- 
gefahren, zu  wenig  geschlossen.  Die  Erzählungskunst  F.'s  hat  sich  in  diesem 
vierbändigen  Roman  weniger  erwiesen  als  erzogen:  ein  dichterisches  Talent 
begann  ihn,  ein  gebildeter  Künstler  legte  ihn  hin  und  schritt  mit  gestärktem 
Selbstvertrauen  zu  anderen  Aufgaben.  »Vor  dem  Sturm«  heisst  der  Roman. 
Ciemeint  ist  jener  Sturm,  der  zwischen  Moskau  und  Leipzig  lag.  Aber  man 
könnte  in  dem  Titel  auch  ein  unbewusstes  Sinnbild  für  den  Dichter  suchen. 
Denn  auch  in  seiner  Seele  brach  nun  endlich  ein  Sturm  los,  darin  ein  ganzer, 
ein  grosser  Dichter  aufstand,  eine  jugendliche  Kraft  mit  bleichenden  I^ocken 
und  gelichtetem  Scheitel,  ein  Jünglingsmuth  von  sechzig  Jahren.  Erst  jetzt, 
von  knapperen  und  künstlerisch  runderen  Dichtungen  zurückkehrend,  erkennt 


Fontane. 


303 


man  den  anecdotischen  Reiz  der  zahlreich  in  dem  Roman  verstreuten  Episoden 
und  Excurse.  Erst  jetzt  erkennt  man,  dass  hier  wie  in  einem  fruchtbaren 
Schlamm  alle  Keime  späterer  Kunst  bereit  liegen. 

Diese  Erzählungen  wurden  zunächst  mit  gewisser  Vorsicht  genommen. 
Es  war  etwas  Neues  darin,  dem  man  nicht  recht  traute,  und  das  zu  dem 
nicht  passen  wollte,  was  man  sonst  in  Berlin  unter  dem  Namen  F.  zu 
verstehen  glaubte.  Da  man  höchst  unbegründeter  Weise  den  zwar  etwas 
weltscheuen,  aber  keineswegs  weltfremden  Dichter  in  ein  gewisses  Grosspapa- 
thum  hinein  philistern  wollte,  weil  man  bei  Hoftheaterpremi^ren  an  einer 
Parkettecke  einen  Herrn  sitzen  sah,  der,  wenn  es  auf  der  Bühne  bei  Lubliner 
oder  Wildenbruch  gar  zu  schlimm  wurde,  sorgenvoll  und  mit  einem  Ausdruck 
inneren  Ringens  seinen  grauen  Excellenzenschnurrbart  zur  Decke  hob,  y>'ei\ 
ein  fader  Witz  Glasbrenners  die  Initialen  Th.  F.  als  »Theater-PVemdling« 
deutete,  weil  man  den  märkischen  Wanderer  zuweilen  in  der  Dämmerung, 
ängstlich  in  einen  Riesen- Wollenshawl  gemummt,  durch  den  Thiergarten  halb 
schreiten,  halb  schweben  sah,  so  argwöhnte  man  ohne  Weiteres  hinter  dieser 
so  plötzlich  aufblühenden  Production  die  Geschwätzigkeit  des  Alters  und  wollte 
nicht  recht  begreifen,  dass  hier  eine  lang  gehemmte,  nun  desto  frischer 
vorsprudelnde  Kraft  endlich  frei  wurde.  Je  weiter  unsere  Litteratur  ins 
zwanzigste  Jahrhundert  fortschreiten  wird,  desto  höher  im  Preise  werden  die 
Geschichten  F.'s  steigen,  die  er  im  Greisenalter  schrieb,  und  unter  denen 
einzelne  spielend  das  erreichten,  wonach  die  junge  Generation  meist  noch 
etwas  mühsam  strebt.  Nicht  aus  litterarischem  Princip,  sondern  aus  innerster 
Naturanlage  suchte  er  die  Dinge  so  zu  erkennen,  wie  sie  in  Wirklichkeit  sind. 
Jeder  Stoff  ist  ihm  genehm,  der  ihn  tief  in  menschliches  Seelenleben  hinein- 
führt. Bald  findet  er  diesen  Stoff  in  einer  alten  märkischen  Chronik,  wie 
>^Grete  Minde« ;  bald  in  einem  Harzer  Kirchenbuch,  wie  »Ellernklipp« ;  bald 
im  Gesellschaftsleben  der  grossen  Stadt  BerHn,  wie  »L'Adultera«,  bald  in  den 
Erlebnissen  einer  befreundeten  alten  Dame  aus  märkischem  Adel,  wie  »Effi 
Briest«.  An  der  Wahl  seiner  Stoffe  wurde  vielfach  Anstoss  genommen;  nir- 
gend geschah  das  mehr,  als  gegenüber  seinem  entschiedensten  und 
entscheidendsten  Werk  »Irrungen,  Wirrungen«.  1887  brachte  die  Vossische 
Ztg.  zur  Füllung  ihrer  Sommerspalten  diesen  Roman  und  erregte  dadurch  das 
Entsetzen  sorgsamer  P'amilienmütter.  Das  war  gamichts  für  die  reifere  Jugend, 
das  grenzte  in  der  freimüthigen  und  offenherzigen  Behandlung  illegitimer  Ver- 
hältnisse schon  an  den  verpönten  Zola.  Es  erregte  sittliche  Entrüstung,  dass 
der  Dichter  mit  köstlicher  Unbefangenheit  hier  den  Verkehr  der  Berliner  Lebe- 
welt mit  der  Berliner  Halbwelt  schildert  und  mitten  aus  diesem  gemüthlichen  und 
fast  gemüth vollen  Milieu  ein  Herzensschicksal  entwickelt,  bei  dem  der  Zwang 
und  Drang  der  Umstände  zwar  nicht  die  Herzen  brach,  aber  ihnen  doch 
einen  Riss  fürs  Leben  gab.  Selten  ist  von  einer  philisterhaften  Moralisterei 
lautere  Poesie  so  plump  verkannt  worden.  Gewisse  Aeusserungen  der  Spiess- 
bürger  über  sein  Meisterwerk  sind  auch  ans  Ohr  des  Dichters  gedrungen; 
unter  dem  Eindruck  dieser  Erfahrungen  gelangte  er  zu  dem  wundervoll  kühnen 
Satz:  »Dass  der  sogenannte  Sittlichkeitsstandpunkt  ganz  dämlich,  ganz  anti- 
quiert und  vor  Allem  ganz  lügnerisch  ist,  das  will  ich,  wie  Mortimer,  auf 
die  Hostie  beschwören«.  Der  nahezu  siebzigjährige  Dichter  musste  für  den 
verwegenen  Roman  lange  nach  einem  Verleger  suchen,  denn  im  Buchhandel 
waren  F.'s  Werke  wegen  ihres  schwachen  Absatzes  damals  noch  berüchtigt. 
Als  aber  »Irrungen,  Wirrungen«  endlich  bei  einer  kleinen  Dresdener  Winkel- 


304 


Fontane. 


firma  erscheinen  konnten,  ging  auch  der  litterarischen  Welt  über  diesen  Autor 
das  grosse  Licht  auf.  Man  sali  sich  einer  Dichtung  ersten  Ranges  gegenüber. 
Und  als  F.  zwei  Jahre  später  Siebzig  wurde,  feierte  ihn  »Tout-Berlin«. 
bereits  wie  einen  neu  aufgegangenen  Stern,  wie  einen  Mann  der  Mode.  Beim 
Festmahle  sass  ihm  zur  Seite  der  preussische  Cultusminister,  und  Ernst  v. 
Wolzogen  begrüsste  ihn  im  Namen  der  modernsten  Dichterjugend  als  den, 
der  das,  was  diese  will,  einfach  besser  macht.  Wie  F.  damals  der  Erste  war, 
der  die  dichterischen  Anfänge  Gerhart  Hauptmanns  ermuthigte,  so  ward  er 
allen  Jungen  und  Jüngsten  fortan  der  segenspendende  und  segenbringende 
Schutzpatriarch,  dem  freilich  diese  ungestüm  begehrliche,  nicht  immer  seiner 
werthe  Gefolgschaft  bisweilen  wenig  behagte.  Das  Oberhaupt  einer  Partei  zu 
seip,  war  seinem  geistigen  Frank tireurthum  unheimlich;  wenn  er,  der  feine 
Emigranten-Enkel,  je  hätte  unhöflich  oder  gar  grob  werden  können,  Einem 
oder  dem  Anderen  dieser  kleinen  Aufdringlinge  gegenüber  wäre  er  es  geworden. 
So  viel  wie  möglich  zog  er  sich  vom  litterarischen  Lärm  in  seine  eigene 
Dichterklause  zurück  und  schuf  mit  jugendlicher  Frische  Werk  auf  Werk. 
Alles,  was  er  schuf,  wurde  nun,  wenigstens  im  deutschen  Norden,  mit  Un- 
geduld erwartet,  mit  Bewunderung  gelesen.  In  der  gesammten  Weltlitteratur 
weiss  ich  kein  zweites  Beispiel,  dass  ein  grosser  Dichter  erst  nach  dem  sechzig- 
sten Lebensjahre  in  die  Zeit  seiner  Blüthe  und  seiner  Ernte  eintrat. 

F,  stand  im  sechzigsten  Lebensjahr,  als  sein  erster  Roman  herauskam. 
Nach  zwanzig  Jahren,  im  Todesherbst  erschien  zugleich  als  Bekenntniss  seiner 
ganzen  Weltanschauung  der  sechzehnte  Roman  »Der  Stechlin«  im  Buchhandel. 
Keines  seiner  Werke  hatte  aus  jüngeren  Tagen  her  auf  Lager  gelegen;  jedes 
ist  ein  frisches  Erzeugniss  seines  unvergleichlich  schaffenskräftigen  und 
schaffensfreudigen  Greisenalters.  Was  schon  äusserlich  an  diesen  Romanen 
auffällt,  ist  ihre  Knappheit  und  Kürze.  Durch  den  Geschmack  F.'s 
ist  die  Epoche  der  centnerschweren  Wälzer  und  Schmöker  überwunden. 
Wie  er  es  im  Leben  war,  so  ist  er  auch  in  seinen  Erzählungen  der  graziöseste, 
geistreichste,  munterste  Causeur,  der  uns  unversehens  auf  den  verschlungensten 
Seitenpfaden  des  Gesprächs  kreuz  und  quer,  doch  niemals  irre  führt;  am 
liebsten  durch  Conversation  enthüllt  er  Wesen  und  Schicksal  seiner  erdichteten 
Gestalten,  und  trotzdem  befreit  er  das  Nestor-Alter  vom  Rufe  der  geschwätzigen 
Breite,  weil  sein  Wort  fast  immer  zugleich  auch  ein  Bild  und  ein  Gedanke 
ist.  Diese  seltene,  bei  Deutschen  allzu  seltene  Gabe,  im  Erzählen  und  in  der 
Debatte  gleichzeitig  zu  reflectiren  und  doch  zu  gestalten,  mag  ihm  neben 
vielen  anderen  Eigenschaften  seines  beweglichen,  geschmeidigen  Geistes  die 
französische  Herkunft  beider  Eltern  in  die  Wiege  gelegt  haben.  In  diesen 
Formen  des  französischen  Esprits  überwand  er  Stoffe  von  ur germanischer 
Wucht  und  Volksthümlichkeit.  Er  wusste  den  Ton,  in  dem  die  Leute  des 
norddeutschen  Plattlandes  reden,  so  gut  zu  treffen  wie  Fritz  Reuter.  Er  war 
bei  den  alten  Weibern  und  kleinen  Mädchen  der  Berliner  Vorstadt  heimisch ; 
er  kannte  deren  Lust  und  deren  Leid,  und  einer  überraffinirten  Grossstadt- 
cultur  stellte  er  oft  genug  zustimmend  die  Weltweisheit  oder  auch  nur  den 
gesunden  Menschenverstand  des  niederen  Volkes  entgegen.  In  der  speciftsch 
norddeutschen,  wohl  gar  specifisch  märkischen  Art,  wie  das  Derbste  und 
Herbste  mit  dem  Zartesten  und  Anmuthigsten  zu  Eins  verschmilzt,  weiss  ich 
neben  Fontane  und  Bismarck,  diesen  beiden  grossen  Todten  des  Sommers 
1898,  keinen  dritten  zu  nennen.  So  tief  F.'s  Phantasie  in  die  Irrungen 
und  Wirrungen    der  Menschlichkeit  herabsteigt,   so  wenig  Scheu    er  hat,    die 


Fontane. 


305 


äussersten  Consequenzen  zu  ziehen,  so  athmet  man  doch  bei  keinem  Dichter, 
auch  bei  keinem  der  Wohlanständigkeits-Dichter,  reinere  Luft  als  bei  ihm. 
Nirgend  findet  sich  soviel  vornehme  Grazie  in  der  Behandlung  des  Stoffes, 
die  mehr,  als  es  der  moderne  Naturalismus  wünschen  möchte,  über  den 
Dingen  schwebt,  und  immer  stellt  sich  seine  Poesie  in  den  Dienst  einer 
persönlichen  sittlichen  Weltanschauung. 

Er  strebt  keinem  idealen  Ziel  nach,  wie  Ibsen,  sondern  im  Gegentheil: 
er  sucht  sich  in  der  bestehenden  Welt  so  gut  es  gehen  mag,  einzurichten, 
und  hält  sich  im  schönen  freien  Gleichgewicht  einer  Lage,  die  zwischen 
Weltfröhlichkeit  und  Weltgleichgültigkeit  schwebt.  Hieraus  erklärt  sich  sein 
ganzes  dichterisches  Schaffen.  Es  ist  der  Grundton  fast  aller  seiner  Ge- 
schichten. Auch  die  Welt  im  Ganzen,  aus  der  er  lebensvolle  Abschnitte 
giebt,  kann  er  nicht  feierlich  nehmen.  Er,  der  einmal  eingestanden  hat,  er 
habe  keinen  Sinn  fiir  Feierlichkeit.  Es  giebt  bei  ihm  keine  gewaltigen,  über- 
mächtigen Leidenschaften,  kein  zermalmendes  Schicksal,  höchstens  ein  allmäh- 
liches Hinsiechen  und  Verhauchen  kranker  Seelen.  Dort  der  hochgeborene 
Freier  des  Nähmädchens  Stine,  der  »ein  armes  krankes  Huhn«  ist,  hier  der 
alte  Graf  Petöfi,  der  sich  aus  dem  genossenen  Leben  entfernt,  um  seiner 
jungen  Frau  den  jungen  Geliebten  zu  gönnen,  dort  Effi  Briest,  die  das 
zweifelhafte  Glück  einer  Stunde  durch  ein  verfehltes  Leben  büsst.  Gesundere 
Naturen,  in  der  Vollkraft  des  Lebensbewusstseins,  wie  Botho  und  Lene,  das 
unvergleichliche,  modern-klassische  Liebespaar  aus  »Irrungen,  Wirrungen«, 
überwinden  den  Kampf  und  tragen  auch  mit  der  Wunde  das  Dasein  tapfer 
weiter;  denn  was  ist  schliesslich  das  Dasein?  In  einem  Falle  ist  nicht  viel 
verloren  für  den,  der  es  aufgiebt,  im  andern  für  den,  der  es  behält,  und  die 
kleinen  Freuden  des  Lebens,  die  täglich  am  Wege  liegen,  helfen  in  ihrer 
Summe  auch  einen  grossen  Gram  überwinden.  Sieh  die  Erde  an  in  ihrer 
begrenzten  Rundheit,  und  Du  wirst  sie  lieben,  ohne  sie  allzu  schwer  zu 
nehmen. 

F.  ist  ein  Kleinmaler  und  findet  den  poetischen  Kern  des  Lebens  in  der 
Andacht  zum  Unbedeutendsten:  »Was  ist  grosser  Stil?  Grosser  Stil  heisst  so- 
viel, wie  Vorbeigehen  an  Allem,  was  die  Menschen  eigentlich  interessirt.<t 
Das  Interesse  am  Menschen,  höher  als  Ideale,  ist  die  grosse  Sache,  die  den 
Künstler  F.  zu  kleinen  und  kleinsten  Dingen  liebevoll  hinführt,  und 
damit  offenbart  er  aus  seiner  zeitgemässen  Kunst  Principien  einer  Welt- 
richtung, die  auch  wissenschaftlich  aus  dem  Kleinsten  auf  das  Grösste  schliesst. 
Und  wie  versteht  er  es,  aus  dem  Kleinsten  Weltbilder  hervorzuzaubern !  Aus 
der  Anecdote,  die  ihn  auch  in  der  Geschichte  mehr  interessirt  als  die  grossen 
Haupt-  und  Staatsaktionen,  Leben  zu  gewinnen!  So  nur  gelangt  er  zu  den 
kleinsten  und  feinsten  Triebfedern  menschlichen  Handelns.  Und  diese  Art 
des  völligen  Interesses  am  unendlich  Kleinen  stimmt  überein  auch  mit  der 
Art  seiner  künstlerischen  Gestaltung.  Seine  Darstellung  ist  nichts  weniger 
als  pragmatisch.  Auch  in  den  Romanen  und  Novellen  verleugnet  sich  nicht 
die  sprunghafte  Art  des  Balladendichters.  Seine  von  Manierirtheit  nicht 
ganz  freie  Darstellungsmethode,  die  ganz  unmethodisch  erscheint  und  doch 
auf  feinst  erwogener  Composition  beruht,  verglich  er  einmal  mit  einem  Eisen- 
bahnzug, der  weite  Strecken  im  Nu  durchbraust,  um  dann  auf  einer  Station 
desto  länger  zu  verschnaufen,  neues  Wasser,  neue  Kohlen  einzuheimsen,  den 
Passagieren  Gelegenheit  zum  behaglichen  Frühstück  zu  geben  und  durch  desto 
beschleunigtere    Fahrgeschwindigkeit    die    versäumte   Zeit  wieder    einzuholen. 

Biogr.  Jalirb*  u.  D«utfch«r  Nekrolog.    U.  Bd.  20 


2o6  Fontane. 

Er  ist  kein  Ausmaler,  sondern  ein  Andeuten  Man  sieht  bei  ihm  keine  saf- 
tigen Farben.  Es  liegt  etwas  wie  Nebelstreif  und  Nebelreif  über  seinen  Dich 
tungen;  etwas  Verfliegendes,  Luftiges;  die  erste  Impression,  die  er  allen  fünf 
Sinnen  giebt,  ist  Odem,  Luft,  die  sichtbar  schwingt  und  flimmert,  die  hörbar 
weht  und  zieht.  In  dieser  Luft  erscheinen  Bauwerke,  Bäume,  Menschen,  wie 
hinter  Schleiern,  die  mehr  licht  sind  als  dicht.  So  legt  sich  auf  die  Gegen- 
stände etwas  matt  Dämpfendes,  Verhüllendes,  und  doch  wirkt  gerade  diese 
Trübung  der  Dinge  wie  eine  Verklärung  nicht  im  Sinne  der  vagen,  plumpen 
Schönfärberei,  sondern  im  Sinne  einer  schärferen  oder  feineren  Hervorkehrung 
dessen,  worauf  es  ankommt.  Dabei  wird  über  den  entscheidendsten  Moment 
rasch  hinweggehüpft,  wie  über  ein  Hindejniss  auf  der  Rennbahn.  Desto 
länger  wird  bei  den  Vorbereitungen  verweilt,  und  hier  öffnet  sich  dann  eine 
Fülle  von  scheinbar  ganz  überflüssigem  Detail,  das  aber  in  seiner  Ansamm- 
lung dazu  beiträgt,  die  rechte  Stimmung,  die  rechte  Luft  zu  schaffen.  Die 
äussere  Natur  wird  zum  Sinnbild  innerer  menschlicher  Vorgänge  und  scheint 
so  mitzuwirken  und  mitzuweben  am  Menschenschicksal;  und  jedes  Wesen 
steht  in  der  ihm  eigenthümlichen  Natur.  Hier  unterstützt  F.'s  historischer 
Sinn  seine  Fähigkeit,  sich  selbst  zum  Zeitgenossen  einer  vergangenen  Epoche 
umzuwandeln,  seine  lebendige  Anschauungskraft;  es  ist  unbeschreiblich  schön, 
wie  z.  B.  im  »Schach  von  Wuthenow«  die  Stimmung  der  Freiheitskriege  wie 
miterlebt  auf  Einen  übergeht.  Weniger  als  in  den  Geist  der  Zeiten  ver- 
stand er  sich  in  den  Geist  der  räumlichen  Feme  zu  versetzen:  das  beweisen 
die  minder  glücklichen  Schilderungen  Nordamerikas  in  »Quitt.«  Eine  ganz 
eigene  Mischung  von  volksthümlicher  Urkraft  und  elegantester  Culturfinesse 
ist  überall  da  und  wird  zur  künstlerischen  Einheit:  Es  ist  der  Neu-Rui> 
piner  und  der  Altfranzos,  die  da  zusammenwuchsen.  So  blieb  ihm  bis  zu- 
letzt Frische  zugleich  und  Bildung,  Natur,  die,  wie  er  sich  ausdrückt, 
stets  verwogen  ist,  und  edle  Sitte.  Es  wird  Einem  unendlich  wohl  in  seiner 
dichterischen  Nähe,  und  wer  ihn  auch  nur  aus  seinen  Werken  kennt,  musste 
es  wie  einen  persönlichen  Schmerz  empfinden,  als  er  erfuhr:  Theodor  Fontane 
sei  nicht  mehr. 

Wo  sich  F.'s  Figuren  in  ausgesprochenen  Worten  über  ihr  eigenes  Wesen 
klar  werden,  leiht  ihnen  der  Dichter  oft  einen  geistreichen  Zug,  der  ihnen 
im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  nur  geliehen  ist  und  nicht  angehört.  Ueber- 
haupt  wird  die  runde  Plastik  der  Gestalten  hin  und  wieder  dadurch  gestört, 
dass  ein  allzu  starker  Abglanz  von  der  originellen  Persönlichkeit  des  Dichters 
auf  sie  fällt.  Zolas  künstlerische  Grösse  besteht  darin,  dass  er  die  Natur 
zwar  durch  sein  Temperament  sieht,  aber  dieses  Temperament  völlig  ver- 
schwindet hinter  der  dargestellten  Natur;  die  Persönlichkeit  des  Dichters 
geht  im  Kunstwerk  auf  wie  nach  pantheis tischer  Vorstellung  die  schöpferische 
Gottheit  in  der  gewordenen  Natur.  F.  hingegen  wandelt  im  wahrnehm- 
baren Schattenriss  über  seinen  Werken  und  tritt  gelegentlich  unter  sie, 
wie  Mahadöh,  der  Herr  der  Erde,  zu  den  Menschen  kam.  Das  trennt  unsem 
Dichter  vom  Naturalismus  und  zeigt  an  ihm  ein  Erbtheil  derjenigen  Kunst- 
richtung, in  der  sich  der  moderne  deutsche  Roman  bisher  bewegt  hatte, 
welcher  seit  Goethes  Werthertagen  die  Subjectivität  des  Dichters  vor  Allem 
im  Helden,  dann  aber  auch  in  den  Nebenpersonen  verspüren  lässt.  Auch 
in  F.'s  Romanen  fehlt  es  nicht  an  humoristischen  Ansätzen  zum  Selbst- 
])orträt.  Wer  in  seinem  Antibourgeois-Roman  ^>Frau  Jenny  Treibet  vom 
Kränzchen  des  Gymnasialprofessors  Wilibald  Schmidt  liest,    kann    sich  einen 


Fontane. 


307 


Begriff  machen,  wie  F.  Jahrzehnte  lang  im  »Rütli«,  diesem  letzten  Rest  oder 
dauernden  Ableger  des  alten  Tunnels  über  der  Spree,  unter  seinen  Genossen 
sass,  in  deren  feinen,  zuweilen  auch  etwas  queren  Köpfen  das  Bild  der  Zeit, 
das  Bild  der  Welt  sich  spiegelte,  und  wo  über  manche  grosse  Frage,  auch 
wohl  über  manche  kleine,  eifriger  Streit  entbrannte.  Jeder  der  Genossen  ein 
Mann  für  sich,  Jeder  hatte  über  Jeden  seine  besondere  kritische  Meinung,  aus 
der  er  kein  Hehl  machte.  Sie  kannten  einander  zu  gut  und  urtheilten  zu 
scharf,  sie  hatten  zu  viel  übereinander  auf  der  beredten  Zunge,  um  gegen- 
seitig in  Reverenzen  aufzugehen ;  was  der  Eine  that  oder  sprach,  verwunderte 
den  Anderen;  aber  sie  sind  trotzdem  oder  eben  darum  länger  als  ein  Menschen- 
alter hindurch  beisammen  geblieben,  diese  weiser  und  weisser  gewordenen 
Häupter.  Im  kühlen,  klaren  Luftzug  ihrer  Ideen  und  Einfälle  hatten  sich 
diese  Geister  gegenseitig  jung  und  frisch  erhalten.  Am  jüngsten  und  am 
frischesten  bis  ins  Patriarchenalter  F. ;  ausser  Adolf  Menzel  und  Moritz  Lazarus 
hat  er  Alle  alten  Rütlifreunde  überlebt.  Kurz  vor  ihm  zogen  August  v.  Heyden 
und  Zöllner  hin.  Wenn  jener  Professor  Wilibad  Schmidt,  der  abgeblitzte 
Jugendfreund  Frau  Jenny  Treibeis,  den  Rütligenossen  F.  und  seine  ironische 
Antipathie  gegen  das  Bourgeoisie  -  Protzenthum  des  Geldes  und  des 
Gemüths  widerspiegelt,  so  giebt  ein  sehr  viel  runderes  Bild  der  F. 'sehen 
Persönlichkeit  sein  letzter  Roman,  den  er  selbst  als  den  eigentlichen  Beicht- 
roman betrachtete,  »Der  Stechlin«,  wo  die  beiden  Väter  des  jungen  Paares, 
der  märkische  Junker  Dubslav  v.  Stechlin  und  der  weltmännisch-diplomatische 
Graf  Barby,  die  einander  nach  dem  Urtheil  ihrer  eigenen  Kinder  ähnlich 
sehen,  das  Doppelwesen  im  Dichter,  den  Märker  und  den  Franzosen,  den 
Freund  der  Heimath  und  den  P>eund  des  PYemden,  den  Volksthümlichen 
und  den  Cultur-Feinen,  den  Einsiedler  und  den  Weltmann  höchst  wirksam 
contrastiren.  Auch  ihnen,  besonders  dem  alten  Junker,  leiht  der  Dichter 
manches  Wort  und  manche  Wendung,  die  nur  einem  Dichter  gehört,  und 
doch  ist  F.  in  dieser  lebensvollen  Doppelschöpfung  aus  dem  eigensten  Leben 
heraus  ein  vollkommener  Wirklichkeitsgestalter.  Auch  darin  war  er  vollkom- 
mener Realist,  dass  er  Charaktere  und  Schicksale  aus  dem  Milieu  herleitete;  da 
seinem  klaren,  historischen  Sinn  vergangene  Zeiten,  besonders  wo  sie  über  der 
Mark  lagen,  nicht  weniger  deutlich  waren,  als  seiner  allzeit  wachen  Beobachtung 
der  Gegenwart,  so  brauchte  er  sich  in  der  Wahl  seiner  Stoffe  nicht  aufs  Zeit- 
genössische zu  beschränken.  Aber  er  erfand  nicht  eigens  einen  müssigen  Stoff, 
um  uns  irgend  ein  mehr  oder  minder  gefärbtes  Bild  vergangener  Zeiten  zu 
geben,  sondern  er  meldete  uns  etwas,  was  sich  wirklich  zugetragen  hat  oder 
haben  soll,  und  suchte  diese  Begebenheit,  die  meist  eine  That  ist,  aus  dem  Cha- 
rakter des  Thäters,  den  Charakter  aus  seinem  Schicksal  und  das  Schicksal  aus 
den  Zeitumständen  zu  erklären.  Oft  glaubt  man,  dass  den  allgemeinen  Zeit- 
umständen ein  allzu  freier  Spielraum  gewährt  wird.  So  scheint  im  »Schach  von 
Wuthenow«  das  Zeitbild,  die  Stimmung  der  Berliner  Officierskreise  vor  der 
Schlacht  bei  Jena,  die  eigentliche  Handlung  zurück  zu  drängen.  Hat  sich  dann 
aber  die  Handlung  zu  Ende  gespielt,  hat  der  Offizier  vor  Jena,  anders  als  der 
Offizier  nach  Sedan,  ein  erworbenes  Ehrgefühl  an  die  Stelle  der  Pflicht,  zu 
leben,  gesetzt,  so  wird  man  des  Zusammenhangs  gewahr  und  erkennt  nachträglich 
die  wunderbare  künstlerische  Abhebung  des  Sonderschicksals  vom  allgemeinen 
Zeitenhintergrunde.  Ist  sonach  »Schach  von  Wuthenow«  eine  historische  Erzäh- 
lung, wie  sie  sein  soll  und  darf,  so  ist  » Unter' m  Birnbaum«  ein  Criminal- 
roman,  wie  er  sein  soll  und  darf;  denn  auch  hier  umspielt  und  umgrenzt  den 

20* 


2 1 0  Fontane. 

flihrte  sie  das  Kind  vom  Corridor  her  erst  in  die  Hinterstiibe  und  dann  bis  an 
die  nach  vorn  führende  Thür.«  Ganz  leise,  wie  wenn  ein  Kranker  im  Hause  wäre: 
das  ist  die  Art  F. 's,  sobald  er  uns  an  ein  schweres  Schicksal  —  Schuld  und 
Schicksal  sind  ihm  oft  identisch  —  herantreten  lässt.  Wir  dürfen  nicht  ins 
Krankenzimmer  selbst;  der  Geruch  der  Mixturen,  die  dumpfe  Luft,  Fieber- 
gluth  und  Schweiss  mit  allen  ihren  Widerwärtigkeiten  kommen  uns  nicht  zu 
nah.  Wir  bleiben  nebenan;  nur  unsere  Gedanken,  Wünsche,  Sorgen  schleichen 
durch  die  Thür.  Das  aber  gentigt;  wir  wissen  Bescheid  aus  den  Worten 
derer,  die  drinnen  waren.  Darum  ist  F. 's  Art  ein  »Erklären«  so  wenig, 
wie  ein  Entschuldigen  oder  Beschönigen.  Es  ist  Erzählen  im  Flüsterton, 
Andeuten  und  Winken.  In  dieser  Art,  in  der  etwas  vom  Samariter  liegt,  hat 
er  nichts  feiner,  zarter,  milder,  leiser  erzählt,  als  das  Schicksal  der  armen 
Effi  Briest.  Ihr  Schuldigwerden  und  ihr  Sterbenskranksein  sind  eines;  wie 
an  jedem  Todtenbett,  so  fragt  man  auch  bei  ihr:  hat  sie  sich  die  Krankheit 
selber  zugezogen,  oder  hat  man  ihr  etwas  zu  Leide  gethan?  Des  Dichters 
Antwort  ist  ein  Achselzucken.  Effis  Vater,  der  behäbige,  behagliche  Land- 
edelmann (zwischen  Rathenow  und  Friesack),  pflegt  sich  in  Fällen,  wo  er 
nicht  recht  ein  noch  aus  weiss,  mit  einem  ihm  nahliegenden  agrarischen 
Vergleich  abzufinden:  »Das  ist  ein  weites  Feld«.  Das  Schicksal  seiner  Effi, 
als  sie  schon  unter  dem  Leichenstein  liegt,  ist  für  ihn  ein  zu  weites  Feld. 
Und  doch  hat  der  Dichter  durch  dieses  Feld  Furchen  gezogen,  in  denen 
sich  die  menschliche  Spur  verfolgen  lässt.  Sie  führte  auch  auf  den  guten 
alten,  »unpassenden  Briest«  selber,  noch  mehr  auf  die  Mama,  die  einst  in 
den  Schwiegersohn  verliebt  war,  und  am  meisten  auf  diesen  Schwiegersohn, 
den  späteren  Ministerialdirector.  Er  ist,  obwohl  er  strebt,  kein  gemeiner 
Streber;  es  ist  nichts  gemein  an  ihm.  Er  ist  so  nobel,  dass  neben  ihm 
Noras  Helmer  wie  ein  Plebejer  neben  einem  Aristokraten  erscheint.  Die 
weltkundige  Frau  Ministerin  beurtheilt  ihn  richtig:  »er  ist  ein  Mann,  der  nicht 
nach  Stimmungen  und  Laune,  sondern  nach  Grundsätzen  handelt«.  Vielleicht 
ahnte  die  Frau  Ministerin,  dass  in  Effis  Ehe  ein  Grundsatz  mit  einer  Stimmung 
zwieträchtig  vermählt  gewesen  war.  Noch  richtiger  aber  als  die  Ministerin 
beurtheilt  ihn  Effi  selbst,  da  der  nahe  Tod  ihr  inneres  Auge  schon  hell- 
sehend gemacht  hat,  da  alles,  w^as  jahrelang  Problem  und  Räthsel  war,  plötzlich 
klar  vor  ihr  steht.  Sie,  die  Sterbende,  si)richt  vom  Ueberlebenden  wie  in 
einem  Nekrolog:  »er  hatte  viel  Gutes  in  seiner  Natur,  und  war  so  edel  wie 
Jemand  sein  kann,  der  ohne  rechte  Liebe  ist«.  Das  war  der  Punkt!  Eigent- 
lich nur  daran  ging  Effi  zu  Grunde.  Denn  vor  allem  Anderen  war  Effi  eine 
liebebedürftige  Natur,  die  dargebrachte  Liebe  auch  mit  Liebe  erwidern  musste, 
wo  irgend  sie  das  Maass  von  Liebe  fand,  dessen  sie  bedurfte.  Dieses  Maass 
von  Liebe  fand  sie  dort  am  Wenigsten,  wo  sie  es  am  Meisten  gesucht  hatte, 
bei  dem  stets  liebenswürdigen,  stets  höflichen,  stets  vornehmen,  stets  klugen, 
stets  kühlen  Herrn  Gemahl,  der  sich  auf  seine  reizende,  so  sehr  viel  jüngere 
Frau,  Effi  geb.  v.  Briest,  immer  etwas  zu  Gute  that  und  mit  feiner  Erzieher- 
hand bedacht  war,  das  Naturkind  auf  seine  eigene  Culturhöhe  zu  leiten. 
Dieses  civilisatorische  Unternehmen  scheiterte  an  Effis  siebzehn  Jahren,  an 
ihrer  vom  Vater  ererbten  Urwüchsigkeit,  an  einer  von  der  Mutter  ererbten 
Ueppigkeit  der  Phantasie  (auf  der  Schule  war  Mythologie  ihr  Bestes  gewesen^ 
Es  scheiterte  an  den  unausgeglichenen  Contrasten  in  Effis  jungem  Wesen;  konnte 
sie  daheim  ein  Schiffsjunge  sein,  dem  keine  Schaukel  zu  hoch  flog,  so  war 
sie    doch    ein    armes  Häschen,     wenn    es    in    einem   unheimlichen  Hause  zu 


Fontane. 


311 


spuken  schien.  Ein  Grauen  vor  dem  Unerlaubten  und  doch  eine  neugierige 
Lust  dazu  zehrten  an  ihrem  Kinderblut.  Sich  selbst  überlassen,  unversehens 
in  die  Irre  gelockt,  widerfuhr  ihr  der  Fehltritt,  sie  wusste  nicht  wie.  So 
lag  fortan  die  Schuld  auf  ihrer  Seele.  Und  der  Mitschuldige  war  ihr  nie  ein 
geliebter  Mann,  nie  ein  unwiderstehlicher  Verführer.  Er  war  für  sie  eigent- 
lich immer  nur  das,  als  was  er  ihrer  Erinnerung  erschien,  nachdem  er  sehr 
viel  später  jene  alte  Schuld  mit  dem  Tode  hatte  sühnen  müssen:  »ein  armer 
Kerl«.  Aber  es  war  in  ihm  .Temperament  gewesen.  Es  war  Sehnsucht  in 
ihm  gewesen,  wie  in  ihr.  Das  war  über  sie  gekommen.  Das  war  ihr  warm 
ins  Blut  gegangen,  als  es  sie  in  der  Kühle  der  eigenen  Ehe  fröstelte.  Effi, 
der  Liebe  bedürftig  und  an  Liebe  gewöhnt,  hat  im  Leben,  nur  nicht  dort, 
wo  sie  es  zumeist  begehrte,  genug  Liebe  empfangen.  Ihr  treuester  Kamerad, 
Beschützer  in  vielen  eingebildeten  Aengsten,  nur  nicht  dort,  wo  sie  des 
Schutzes  am  Meisten  bedurfte,  war  ein  alter  Hund;  als  sie  schon  unter  dem 
Steine  liegt,  müssen  Effis  eigene  Eltern,  denen  auch  die  Welt,  das  »tyranni- 
sirende  Gesellschafts-Etwas«,  höher  gegolten  hatte,  als  die  (Gegenwart  ihres 
eigenen  Kindes,  von  jenem  bis  in  den  Tod  getreuen  Hund  bekennen;  »Es 
ist  ihm  doch  noch  tiefer  gegangen  als  uns«.  Nächst  dem  Hunde  Rollo 
fand  Effi  die  treueste  Creatur  in  ihrer  Magd  Roswitha;  diese  war  der  einzige 
Mensch,  der  sie  im  Unglück  und  in  der  Schmach  nicht  allein  Hess,  ein  un- 
gebildetes, abergläubisches,  eigentlich  dummes  Wesen,  aber  stark  im  Gefühl, 
eine  Natur,  die  ihre  Herrin  von  den  Irn^'egen  des  Herzens  nicht  wegführen 
konnte,  die  aber  an  der  Herzensreinheit  ihrer  Herrin  nichts  zu  beirren  ver- 
mochte. 

Je  mehr  in  Effis  Umgebung,  beim  Gatten,  bei  der  Mutter,  selbst  beim 
eigenen  Kinde,  der  conventionelle  SchicklichkeitsbegrifF  Oberhand  gewinnt, 
desto  starrer  und  öder  wird  es  um  sie  her;  je  ungezügelter  dagegen  der 
natürliche  Instinct  einwirkt,  desto  weicher  weht  es  um  ihr  Herz,  denn  in  ihr 
selbst  waren  immer  nur  Instincte  mächtig,  oder,  wie  die  Ministerin,  die 
gewiss  Grundsätze  hat,  sagen  würde:  Stimmungen  und  Launen.  Daraus 
erklärt  sich  nicht  nur  die  Passionsgeschichte  dieser  holden,  nicht  allzu 
reuigen  Büsserin,  sondern  auch  ihr  Handeln.  Ihre  Schuld,  über  die  sie  mehr 
Angst  als  Scham  empfindet,  liegt  sieben  Jahre  lang  verborgen.  Ihr  Mann 
kommt  erst  durch  Briefe  dahinter,  die  Effi  aufbewahrt  hat,  und  die  er  durch 
eine  sonderbare  Verkettung  natürlicher  Umstände  findet.  »Wozu  giebt  es 
Oefen  und  Kamine?«  wird  manche  vorsichtigere  Leserin  mit  der  ausgelernten 
(ieheimräthin  Zwicker  fragen.  Aber  diese  »Unvorsichtigkeit«  ist  echteste 
Effi.  Wäre  sie  hierin  vorsichtiger  gewesen,  so  wäre  sies  auch  sonst  gewesen. 
Noch  viel  unvorsichtiger,  und  zwar  seinem  Wesen  zuwider  handelt  Effis 
(lemahl;  statt  dass  er  die  verr ätherischen  Briefe  verbrennt  und  den  »ver- 
jährten« Fehltritt  seines  jungen  Weibes  ein  Geheimniss  ihrer  kühlen,  nun 
eiskalt  gewordenen  Ehe  bleiben  lässt,  ruft  er  durch  einen  Zweikampf  mit 
tödtlichem  Ausgang  die  Welt  zur  Zeugin  des  sieben  Jahre  alten  Unrechts  an. 
Das  ist  nicht  echtester  Instetten,  und  er  bereut  auch  in  dem  wundervoll 
feinen,  tief  in  sociale  Probleme  grabenden  Zwiegespräch  mit  dem  Cartell- 
träger  sehr  bald  seine  Unüberlegtheit.  Aber  das  ist  gerade  das  Schöne  und 
Wahre,  die  psychologische  Tiefe  in  F. 's  Dichtungen,  da.ss  das  Psycho- 
logische auch  inconsequent  sein  kann,  dass  das  Antipodische  doch  noch  immer 
zu  ein  und  derselben  Welt  menschlicher  Empfindungen  und  Vorstellungen 
gehört.     Kein    absolutes    Schwarz   steht    einem    absoluten    Weiss    gegenüber. 


712  Fontane.     Jolly. 

sondern  die  Farben  mischen  sich  und  schillern  durcheinander.  Auf  der 
Grundsatzseite  regt  sich  Sinn  für  die  Stimmungen,  auf  der  Stimmungsseite 
Respect  vor  den  Grundsätzen.  Aber  ach,  es  reichte  nicht  zu!  Eben  desshalb 
konnte  Effi  von  so  Vielem  in  ihrem  Leben  sagen:  »beinah«!  Und  wenn  ich, 
wie  Ministerialdirector  v.  Instetten,  ein  Mann  der  Grundsätze  wäre,  so  stellte 
ich  für  alle  psychologische  Welt  und  ihre  dichterischen  Abbildungen  den 
folgenden  Grundsatz  auf:  in  guten  Romanen  herrscht  das  Beinah,  in  schlechten 
das  Voll  und  Ganz.  Auch  in  diesem  Sinne  sind  F.'s  Romane  gut.  Sie 
sind  es  noch  mehr  in  einem  andern  Sinne,  der  Dichter  selbst  steht  auf  der 
Stimmungsseite.  Und  es  gelingt  ihm  für  eine  arme  Seele,  wie  Effi,  die  nur 
einmal  sich  vergessen,  die  nicht  wusste,  dass  sie  fehle,  auf  zweierlei  Art 
Stimmung  zu  machen.  Einerseits  geschieht  es  durch  den  Eindruck,  den  sie 
auf  verschieden  geartete  Personen  macht.  Die  treuherzige  Mahnung  der 
alten  frumben  Landedel frau,  die  bitterlichen  Thränen  des  guten  Apothekers, 
der  sanfte  Beistand  des  alten  Arztes,  der  so  früh  ahnte,  was  los  sei,  auch 
das  »Dalbern«  des  hübschen  Vetters  vom  Alexanderregiment,  daheim  die 
Jugendfreunde  in  ihrer  Unterschiedlichkeit  —  Alles  das  wirft  Lichter  in  Effis 
innerstes  Wesen,  und  wir  lernen  sie  auch  aus  Anderm  kennen.  Wie  köstlich 
ist  der  Gegensatz  zur  mannhaften,  um  schlechten  Ruf  wenig  bekümmerten 
überaus  »freien«  und  doch  sich  selber  tapfer  beschützenden  Sängerin  Trippellil 
Die  andere  Art,  Stimmung  zu  machen,  ist  noch  Fontanischer.  Es  ist  das 
Symbolistische  in  seiner  Kunst.  Wald  und  Feld,  Hausgeräth  und  Tand,  Alles 
gewinnt  eine  lebendige  Beziehung  auf  Effi,  und  in  den  Tagen,  wo  ihr  Schicksal 
fällt,  hören  wir  bloss  ein  beunruhigendes  Raunen  und  Säuseln  und  Zischeln 
rings  umher,  wie  von  einem  geheimnissvollen  Naturereigniss,  das  nur  aus 
seinen  letzten  Wirkungen  zu  spüren  ist,  wie  aus  dem  einsamen  Stechlinsee 
eine  Wassersäule  aufbrodelt,  wenn  irgendwo  in  der  Welt  Vulkane  ausbrechen 
oder  die  Erde  bebt. 

Fast  jedesmal,  so  oft  dem  alten  Dichter  ein  Werk  ganz  besonders  ge- 
glückt war,  folgte,  wie  auf  die  Anstrengung  das  Erathmen,  ein  leichteres, 
loseres  oder  ausgesprochen  schwächeres  Product.  So  »Cecile«  auf  »L'Adulterae, 
so  »Quitt«,  das  nur  in  seinen  schlesischen  Theilen  auf  der  Höhe  steht,  auf 
»Irrungen,  Wirrungen«,  so  auf  »Effi  Briest«  die  »Poggenpuhls«.  Und  doch! 
Wie  viel  Köstliches  auch  in  diesen  kleinen  Erathmungswerkchen !  Die  Erholung, 
die  sich  im  saloppen  Stil  und  in  der  schwächeren  Erfindung  äussert,  kam 
dem  Dichter  dann  stets  wieder  zu  gute.  Denn  fast  regelmässig  folgte  nun 
erst  recht  wieder  ein  Meisterwerk.  So  auf  »Cecile«  »Graf  Petöfi«,  so  auf 
»Quitte  »Unüberwindlich«,  so  auf  »Die  Poggenpuhls«  endlich  »Der  Stechlin«, 
des  Dichters  Schwanengesang,  des  Dichters  Testament. 

Erich  Schmidt,  Theodor  Fontane.  Gedenkrede.  Deutsche  Rundschau,  November 
1898.  Otto  Brahm,  Theodor  Fontane.  Litterarisches  und  Persönliches.  Neue  Deutsche 
Rundschau  Jahrg.  X.  Heft  i.  R.  Sternfcld,  Theodor  Fontane.  Kirchliche  Monatsschrift, 
November  1898.    Rieh.  M.  Meyer,  Gesch.  der  deutschen  Litt,  im   19.  Jahrh.    Berlin  1899. 

Paul  Schlenther. 

Jolly,  Ludwig  Friedrich  Julius,  Dr.  jur.,  Geh.-Regierungsrath  und 
Chefredacteur  der  Münchener  »Allgemeinen  Zeitung«,  *  am  5.  Januar  1856 
zu  Heidelberg,  f  am  20.  Februar  1898  zu  München.  —  Sein  Vater,  der 
spätere  hochverdiente  badische  Staaisminister,  wirkte,  als  ihm  der  erste  Sohn 
geboren  wurde,  noch  als  Privatdocent  für  deutsches  Privatrecht  an  der  Ruperto- 
Carola;  die   Mutter,  Elisabeth,  war  eine  Tochter  des  preussischen  Geheimen 


Finanzraths  Fallenstein,  von  dessen  markanter  Persönlichkeit  sein  Schwieger- 
sohn Baumgarten  uns  eine  lebensvolle  Schilderung  gegeben.     Unter  den  Tauf- 
zeugen begegnet  als  bewährter  Freund  des  elterlichen  Hauses  Georg  Gottfried 
Gervinus.     Nach    der    Uebersiedelung   des    Vaters    nach   Karlsruhe    in   Folge 
seiner  Berufung   in  das  Ministerium  des  Innern  empfing  der  Knabe  den  ersten 
höheren  Unterricht    in    den   Jahren   1865 — 70    im    dortigen   Gymnasium,   be- 
suchte während  der  beiden  folgenden  Jahre  das   Gymnasium  zu   Hamm  i/W. 
und    kehrte    dann    wieder    nach  Karlsruhe  zurück,    wo   er  im  Juli  1874  das 
Zeugniss  der  Reife  erhielt.     Das  rege  Interesse  für  Geschichte,  Litteratur  und 
Philosophie,  das  ihn  durch   sein  ganzes  Leben  begleitete,  trat  schon  bei  dem 
jungen  Primaner  deutlich  hervor.     Ein  Sturz  vom  Pferde,   durch  den  er  sich 
eine  schmerzhafte,  in  ihren  Folgen  noch  lange  fühlbare  Muskel-  und  Nerven- 
zerreissung    am    rechten    Oberarm    zuzog,    zwang    den    Einjährig-Freiwilligen 
vor  Ablauf   seines   Dienstjahres    aus    der  Truppe   auszuscheiden.     Im  Herbst 
1875  bezog    er  die  Universität  Heidelberg,    setzte    seine    juristischen  Studien 
s])äter  zu   München    und   Leipzig    fort,    bis    er    im   October   1878    nach    der 
Musenstadt   am  Neckar  zurückkehrte  und  dieselben   dort    beschloss.     In  dem 
kleinen  Kreise  gleichgesinnter  Freunde,  der  ihn  dort  zu   den  Seinigen  zählte, 
bildete  er    den  Mittelpunkt;  sein  grosses,    lebensvolles  Auge   leuchtete,   wenn 
er  mit  beredtem  Munde  politische  oder  wirthschaftliche  Fragen   erörterte,  an 
Vielseitigkeit  der  Interessen  und  Gründlichkeit  der  Kenntnisse  that  er  es  Allen 
voran.     Mitten  in  der  Vorbereitung  zum  Staatsexamen,  sehr  zur  Unzeit,  wurde 
er  von  seinen    alten  Nervenschmerzen    wieder  heimgesucht,   in   Folge   dessen 
konnte    er  erst   im   December  1880    unter    die   Zahl   der  Rechtspractikanten 
aufgenommen  werden.     Als  solcher  genoss  er  die  erste  practische  Ausbildung, 
wie    üblich,    bei    einer  Anzahl  von   Gerichts-  und    Verwaltungsbehörden   des 
Landes;  überall,  wo  er  weilte,  rühmte  man  seine  rasche  Auffassung,  sein  ge- 
diegenes Wissen,    sein  objektives  Urtheil,  sowie    ein  grosses  Geschick   in  der 
Lösung    practischer  Aufgaben,    das   er  im  Verwaltungsdienste  bewährte.     Im 
März  1884  bestand  er  die  zweite  juristische  Staatsprüfung  als  einer  der  Ersten 
und  wurde  bald    darauf  als  Amtsanwalt  in  Karlsruhe    beschäftigt.     Sein   da- 
maliger Vorgesetzter,  ein  bekannter  Parlamentarier  des  Landes,  stellte  ihm  das 
Zeugniss  aus,  dass  er  unter  den  Juristen  der  jungen  Generation  einer  der  be- 
tähigsten  und  tüchtigsten  sei,    und  empfahl  ihn  dringend  zur  definitiven  Ver- 
wendung in  der  Staatsanwaltschaft.     Wirklich  wurde  er  auch,  nachdem  er  ein 
Jahr    lang  als  Amtsrichter  zu  Pforzheim  gewirkt,   im  März  1887    zum  Staats- 
anwalt   in    Waldshut  ernannt.     Schon  im  Juni    1886    hatte    er    durch    seine 
Vermählung  mit  Julie  Nicolai,   Tochter  des  Geh.  Raths  Aug.  Nicolai,    einen 
eigenen  Hausstand  begründet;  der  aus  der  aufrichtigsten  Herzensneigung  ent- 
sprungene Ehebund,  dem   in   der  Folge  zwei  Kinder  entsprossen,   ist  für    ihn 
eine  Quelle    reinsten  häuslichen  Glückes    geworden.     Im  Sept.   1889   erfolgte 
seine  Versetzung  nach  Offenburg,  im  Juni   1893  nach  Mannheim  und  noch  im 
Se])tember  desgleichen  Jahres    nach  Karlsruhe,  wo  er  —   der  Vater    war  in- 
zwischen   gestorben   —  wieder    in    der    Nähe    der    geliebten    Mutter    weilen 
konnte.     Bei    seinen    hervorragenden,     an    massgebender   Stelle    vollauf    ge- 
würdigten Fähigkeiten   schien  ihm  nach  menschlicher  Voraussicht  ein   rasches 
Aufsteigen,    eine  glänzende  Beamtenlaufbahn  sicher.     Allein    sein   Sinn  stand 
nicht  nach    solchen  Ehren.     Höher  däuchte    ihm    die  Aufgabe,  an  der  poli- 
tischen Erziehung  seines  Volkes  mitzuarbeiten,    ihm    ein   treuer  Berather   zu 
werden  in  dem  Streit  der  Meinungen  des  Tages:   war  er  doch  bei  dem  leb- 


314  Jo%- 

haften  Interesse  und  seltenen  Verständnisse,  das  er  allen  Fragen  der  Politik 
entgegenbrachte,  —  einem  Erbtheile  des  Vaters,  —  zu  solchem  Amte  wie  wenig 
andere  berufen.  Seine  dienstliche  Stellung  aber  und  die  eigenartigen  Ver- 
hältnisse in  der  nationalliberalen  Partei,  der  einzigen,  der  er  sich  anschliessen 
konnte,  wenngleich  er  mit  ihr  in  manchen  Punkten  nicht  einverstanden  war, 
mussten  ihm  als  lästige  Fesseln  erscheinen,  die  eine  freie  Entfaltung  seines 
politischen  Wirkens  hemmten.  So  kam  es,  dass  er  nur  selten  in  der  Oeffent- 
lichkeit  aufgetreten  und  weiteren  Kreisen  zum  ersten  Mal  bekannt  geworden 
ist,  als  er  es  übernahm,  bei  Bismarcks  achtzigstem  Geburtstage  in  der  Karls- 
ruher Festhalle  vor  einer  nach  Tausenden  zählenden  Menge  den  von  ihm 
hochverehrten  Helden  in  gedankenreicher,  formvollendeter,  begeisternder  Rede 
zu  feiern.  Um  so  eifriger  verfolgte  und  begleitete  er  die  Entwicklung  der 
politischen  Verhältnisse  mit  der  Feder  in  der  Hand.  Schon  seit  einer  Reihe 
von  Jahren  war  er  Mitarbeiter  verschiedener  Zeitungen,  die  Kölnische  Zeitung, 
für  die  er  hauptsächlich  schrieb,  hatte  ihn  während  seines  Offenburger 
Aufenthaltes  vergeblich  als  Mitglied  ihrer  Redaction  zu  gewinnen  gesucht. 
Seit  Juni  1895  trat  er  in  ein  näheres  Verhältniss  zu  der  altangesehenen 
Münchener  »Allgemeinen  Zeitung.«  Die  in  derselben  von  ihm  veröffentlichten 
n-Artikel  über  Baden  erregten  weithin,  auch  ausserhalb  des  Landes,  Aufsehen 
und  erwiesen  seine  publicistische  Befähigung  unwiderleglich.  Der  Verlag  der 
»Allg.  Zeitung«,  die  sich  eben  zu  ihrer  Säcularfeier  rüstete,  wurde  auf  ihn 
aufmerksam;  er  suchte  damals  einen  Mann,  der  das  an  stolzen  Erinnerungen 
reiche  Blatt  in  das  zweite  Jahrhundert  seines  Bestehens  überleiten  und  zu 
neuem  Aufblühen  bringen  sollte,  einen  Mann,  dessen  Name  ein  politisches 
Programm  bedeutete.  Im  Winter  1895/96  lud  er  J.  ein,  die  Oberleitung  zu 
übernehmen;  nach  kurzem  Schwanken  sagte  dieser  im  Frühjahr  1896  zu.  All 
die  verlockenden  Aussichten,  die  sich  ihm  bei  seinem  Verharren  in  der 
Beamtenlaufbahn  zu  bieten  schienen,  schlug  er  aus,  um  dem  mächtigen, 
innern  Impulse  zu  folgen,  der  ihn  zu  publicistisch-politischem  Wirken  trieb 
auf  einem  Wege,  der  ihm  ein  weites  Feld  fruchtbringender  Thätigkeit  zu  er- 
öffnen versprach.  Er  fühlte,  dass  dort  sein  Platz  war,  dass  er  mit  seinen 
reichen  Gaben  dem  engern  und  weitern  Vaterlande  dort  mehr  dienen  und 
nützen  konnte,  als  in  der  Robe  des  Staatsanwalts.  Am  i.  Juli  siedelte  er 
mit  seiner  Familie  nach  München  über,  nachdem  der  Grossherzog  ihm  zu- 
nächst einen  einjährigen  Urlaub  bewilligt  und  in  Anerkennung  seiner  Ver- 
dienste den  Charakter  eines  Geh.  Regierungsraths  verliehen  hatte.  War  er 
auch  kein  NeuHng  auf  dem  Gebiete  der  Journalistik,  so  war  ihm  doch  die 
rcdactionelle  Thätigkeit  mit  all  den  technischen  und  financiellen  Aufgaben, 
wie  sie  die  Herstellung  einer  grossen  Zeitung  mit  sich  bringt,  zunächst  etwas 
Ungewohntes,  Fremdes.  Aber  mit  der  ihm  eigenen  Gabe  sicheren  Blickes 
und  rascher  Auffassung  gelang  es  ihm  nach  dem  Urtheil  derer,  die  zur  Mit- 
arbeit mit  ihm  berufen  waren,  in  erstaunlich  kurzer  Zeit,  sich  die  nöthi^e 
Sach-  und  Geschäftskenntniss  anzueignen,  so  dass  sich  alle,  vom  Aeltesten  bis 
zum  Jüngsten,  vertrauensvoll  und  willig  seiner  Führung  unterordneten.  Man 
wurde  bald  gewahr,  dass  ein  neuer,  belebender  Geist,  der  alle  Vaterlands- 
freunde mit  Freude  erfüllte,  in  der  Redactionsstube  seinen  Einzug  gehalten. 
In  zahlreichen  Leitartikeln  nahm  J.  zu  den  politischen,  wirthschafdichen  und 
socialen  Fragen,  die  auf  der  Tagesordnung  standen,  Stellung:  vortrefflich  in 
der  Form,  gediegen  nach  ihrem  Inhalt,  beredte  Zeugnisse  eines  umfassenden 
Wissens    und    treffenden    Urtheils,    ragten    sie    hoch    empor    aus  der    Fluth 


JoUy.  315 

der  übrigen  Producte  der  Tagesf>resse.  Gleich  im  ersten  Leitartikel, 
der  seiner  Feder  entstammte  (12.  Juli  1896),  legte  er  sein  politisches  Pro- 
gramm dar,  in  der  Jubiläiimsnummer  vom  i.  Januar  1898  fasste  er  dasselbe 
nochmals  zusammen:  klar  und  eindringlich,  überzeugt  und  überzeugend.  Ein 
abgesagter  Feind  aller  einseitigen  Interessenpolitik,  das  Auge  stets  auf  das 
Gesammtwohl  gerichtet,  durch  Geburt  und  Erziehung  nord-  und  süddeutsches 
Wesen  in  glücklichster  Weise  in  sich  vereinigend,  wollte  er  in  seiner  Zeitung  deli 
Reichsgedanken  festhalten  und  pflegen,  das  gegenseitige  Verständniss  der  deut- 
schen Stämme  für  ihre  Eigenart  fördern  und  eintreten  für  die  Wehrhaftigkeit  des 
Reiches  und  die  hohen  Ziele  seiner  Weltpolitik.  Dagegen  kündigte  er  Kampf  an 
all  den  Elementen,  welche  die  einzelnen  Staaten,  Stände  und  Confessionen  in 
Kleingeisterei,  Verblendung  und  Unduldsamkeit  zu  verhetzen  suchten.  Dass  es 
ihm  damit  Ernst  war,  bezeugte  sein  gesammtes  publicistisches  Wirken,  das  in 
den  Dienst  des  grossen  deutschen  Vaterlandes  gestellt  war:  wo  es  galt,  die 
politisch  Trägen  aufzurütteln,  den  unfruchtbaren  Pessimismus,  der  sich  zu 
verbreiten  drohte,  zu  verscheuchen  und  die  Freude  am  Vaterlande  zu  wecken; 
wo  es  geboten  schien,  das  Verständniss  für  wichtige  politische  Aufgaben  zu 
fördern  und  zu  nationaler  Pflichterfüllung  anzuspornen,  war  er  stets  als  Warner 
und  Mahner  auf  dem  Platze  zu  finden,  und  manches  prächtige,  unvergessliche 
Wort  hat  er  dabei  gesprochen.  Der  Erfolg  blieb  nicht  aus;  was  er  schrieb, 
fand  weithin  Beachtung,  führte  der  von  ihm  geleiteten  Zeitung  neue  Mit- 
arbeiter und  Freunde  zu  und  trug  ihm  vielfältige  verdiente  Anerkennung  ein. 
Wiederholte  Besuche  in  Berlin  eröffneten  ihm  willkommene  Verbindungen  in 
einflussreichen  parlamentarischen  und  staatsmännischen  Kreisen,  der  rege  (ic- 
dankenaustausch,  zu  dem  sie  Anlass  gaben,  bot  eine  Fülle  neuer  Anregungen 
und  P^inblicke.  Feinem  Besuche  im  F'riedrichsruh,  bei  dem  er  bis  zum  späten 
Abend  in  lebhaftem  Gespräch  bei  dem  grossen  Kanzler  verweilte,  bewahrte 
dieser  stets  eine  freundliche  Erinnerung.  In  München  selbst,  an  seinem  neuen 
Wohnsitze,  wo  man  den  ehemaligen  Staatsanwalt  anfangs  nicht  ohne  ein  ge- 
wisses Misstrauen  empfangen,  hatte  er  sich  aus  eigener  Kraft  und  durch  die 
Ma(  ht  seiner  Persönlichkeit  in  Kurzem  eine  hochangesehene  Stellung  geschaffen 
und  das  Vertrauen  und  die  Achtung  Aller,  die  mit  ihm  in  Berührung  kamen, 
erworben.  Unter  diesen  Verhältnissen  entschloss  sich  J.  ohne  Zaudern,  dem 
Berufe,  dem  er  sich  zugewandt,  dauernd  seine  Kräfte  zu  widmen,  und  erbat 
seine  endgiltige  Entlassung  aus  dem  badischen  Staatsdienste,  die  ihm  am 
30.  Juni  1897  bewilligt  wurde.  Allein  es  war  ihm  leider  nur  noch  eine  kurze 
S])anne  Zeit  zu  wirken  vergönnt.  Die  Flottenvorlage  war  in  Sicht:  mit  aller 
Hingebung,  deren  sein  Patriotismus  fähig  war,  trat  er  in  einer  Reihe  von 
Artikeln  für  die  seiner  innersten  Ueberzeugung  nach  unerlässliche  Ver- 
stärkung der  Marine  in  die  Schranken.  Zu  ihren  Gunsten  Hess  er  zugleich 
gegen  das  Ende  des  Jahres  in  seiner  Zeitung  eine  Umfrage  ergehen,  die  bei 
allen  vaterländisch  gesinnten  Deutschen  die  günstigste  Aufnahme  fand;  aus 
«illen  Welttheilen  liefen  zustimmende  und  ermunternde  Kundgebungen  ein,  sie 
bildeten  für  die  Reichsregierung  zweifellos  eine  ebenso  willkommene  als 
werthvolle  moralische  Unterstützung  im  Kampfe  gegen  die  Opposition  und 
trugen  an  ihrem  Theil  gewiss  auch  zum  endgiltigen  Siege  der  nationalen 
Sache  im  Reichstage  bei.  Der  gesteigerten  Arbeit,  welche  die  Enquete  durch 
eine  umfangreiche  Correspondenz  mit  sich  brachte,  unterzog  J.  sich  freudig, 
in  zuversichtlicher  Erwartung  des  Erfolgs.  In  gleicher  Stimmung  verfasste  er 
noch  für  die  Morgennummer  vom  20.  Febr.  einen  Leitartikel,  in  welchem  er 


3i6  JoUy.     V.  Kugler. 

dem  Centrum  die  bedenklichen  P'olgen  einer  ablehnenden  Haltung  zu  er- 
wägen gab  und  auf  den  gesunden  Sinn  des  Volkes  hinwies,  der  in  solchen 
Fragen  stets  das  Richtige  zu  treffen  wisse;  er  ahnte  nicht,  dass  es  die  letzten 
Zeilen  waren,  die  er  für  die  Zeitung  schrieb.  Sein  zarter  Körper  erwies  sich 
auf  die  Dauer  den  Anstrengungen  und  Aufregungen  seines  Berufs  nicht  ge- 
wachsen; ein  Herzleiden  hatte  sich  unbemerkt  eingeschlichen;  am  frühen 
Morgen  des  20.  Februar  setzte  ein  Schlaganfall  vor  der  Zeit  dem  hoffnungs- 
vollen Leben  ein  Ziel ;  schmerzlos,  in  der  Blüthe  der  Jahre,  ein  Liebling  der 
Götter  im  Sinne  der  Griechen,  schied  er  dahin.  Aufrichtig,  tief  und  allge- 
mein war  die  Theilnahme  an  seinem  Geschicke;  in  der  Presse  aller  Partei- 
schattirungen  kam  es  zum  Ausdruck,  welch  unersetzlichen  Verlust  die  ge- 
sammte  deutsche  Journalistik  in  ihm  erlitten,  und  seine  politischen  Gegner, 
die  oft  genug  die  Schärfe  seiner  Klinge  zu  fühlen  bekommen,  aber  stets  in 
ritterlichem  Streit,  mit  offenem  Visir,  waren  unter  den  Ersten,  die  hierfür  be- 
redtes Zeugniss  ablegten.  Ein  Mann  von  glänzendem  Wissen  und  hoher 
politischer  Begabung,  von  vornehmer  Gesinnung  und  lauterem  Streben,  von  nie 
wankender  Ueberzeugungstreue  und  hingebender  Vaterlandsliebe,  und  bei  all 
dem  von  einer  rührenden  Bescheidenheit  und  Schlichtheit,  —  ganz  dazu 
geschaffen,  dereinst  in  leitender  Stellung  ein  geistiger  Führer  seines  Volkes  zu 
werden,  war  mit  ihm  dahingegangen.  »Sein  warmes  patriotisches  Eintreten 
für  Alles,  was  Deutschlands  Einigkeit  und  Grösse  stärken  konnte,  sichert  ihm 
ein  ehrenvolles  und  dauerndes  Andenken  bei  allen  deutschen  Männern«  (Bei- 
leidsschreiben des  Staatssekretärs  der  Marine,  von  Tirpitz). 

Quellen:    Dienstakten,  Briefe,   Zeitungsartikel,   Mittheilungen   der  Familie   und   des 
Chefrcdacteurs  Herrn  H.  Tournier,  sowie  persönliche  Erinnerungen. 

Karlsruhe.  K.  Obser. 

Kugler,  Bernhard  von,  Geschichtsforscher,  *  14.  Juli  1837  zu  Berlin, 
*  7.  April  1898  zu  Tübingen.  —  K.  war  der  Sohn  des  berühmten  Kunst- 
historikers Franz  K.,  dessen  Vater  der  Consul  Johann  Georg  Emanuel  K.  in 
Stettin  gewesen  und  der  Clara  K.  geb.  Hitzig,  einer  Tochter  des  auch  als 
Schriftsteller  namhaften  Criminaldirectors  Julius  Eduard  Hitzig.  Seine  ältere 
Schwester,  Gretchen  K.,  geb.  1834,  war  die  spätere  Gattin  von  Paul  Heyse, 
sein  jüngerer,  frühgeschiedener  Bruder  Hans  K.,  wurde  Maler.  Um  seinen 
Vater,  Professor  der  Kunstgeschichte  an  der  Berliner  Universität  und  vor- 
tragenden Rath  im  Kultusministerium,  und  seine  geistig  bedeutende  und  leb- 
hafte Mutter  sammelte  sich  ein  auserwählter  Kreis ;  Adolf  Menzel,  Heine,  Felix 
Mendelssohn,  Fanny  Hensel,  Chamisso,  Eggers,  Geibel,  Heise,  EichendorfF, 
Theodor  Storm,  Strack  und  Drake,  Richard  Lucae,  Ribbeck,  welcher  dann 
Franz  K.'s  Nichte  Baeyer  ehelichte,  Ernst  Curtius,  Baeyer,  Hitzig,  Grüneisen, 
Jacob  Burckhardt,  "Wilhelm  Lübke,  Theodor  Fontane,  B.  v.  Lepel,  Otto 
Gildemeister,  Ro(piette,  Felix  Dahn,  Adolf  Wilbrandt  u.  A.  gehörten  zu  den 
ständigen  Gästen  der  Familie  an  den  Abenden,  an  welchen  Franz  K.  während 
der  Unterhaltung  porträtirte,  während  auch  Adolf  Menzel  gelegentlich  eine 
Zeichnung  von  Bernhard  K.  als  Knabe  entwarf.  Ausser  Heyse  blieb  nament- 
lich auch  Adolf  Wilbrandt  von  den  Freunden  aus  dem  Eltemhause  Bernhard 
K.  bis  zu  seinem  Tode  innig  verbunden. 

Nach  Franz  K.'s  frühem  Tode  (1858)  siedelte  seine  Wittwe  mit  ihren 
beiden  Söhnen  nach  München  über,  wo  mit  ihrem  Schwiegersohn  Paul  Heyse 
ein  gemeinsamer  Haushalt  eingerichtet  wurde.     Eben  begann  sich  auch  hier 


V.  Kuglet.  317 

wieder  ein  schöner  Kreis  um  sie  zu  bilden,  als  ihre  Tochter,  Heyses  Frau, 
der  Schwindsucht  erlag  und  nicht  lange  nachher  auch  der  jüngere  der  beiden 
Söhne,  der  Maler,  ihr  folgte ;  nur  Bernhard  überlebte  die  treffliche  Mutter  und 
alle  (Geschwister.  Ihm  selbst  aber  waren  keine  Erben  beschieden,  so  dass 
sein  Geschlecht  mit  ihm  ausstarb. 

Vom  Vater  ging  auf  den  jungen  Bernhard  schon  sehr  früh  Neigung  und 
Sinn  für  Geschichte  über,  aber  wenigstens  vorübergehend  gewannen  doch  die 
wohl  von  Strack  und  seinem  Oheim  Hitzig  herrührenden  Einflüsse  die  Ober- 
hand, und  K.  trat,  um  Architect  zu  werden,  auf  die  Realschule  über.  Bald 
aber  bewogen  ihn  die  humanistischen  Neigungen  doch  wieder  der  ins  Auge 
gefassten  Technik  Lebewohl  zu  sagen,  seit  1854  wieder  an  das  Berliner 
Friedrich-Wilhelms-Gymnasium  zurückgetreten  und  von  Otto  Ribbeck  noch  im 
besonderen  gefördert,  ging  dann  K.  1858  nach  München,  um  sich  hier  als 
Jurist  einzuschreiben,  in  der  Hauptsache  aber  dem  Studium  der  Geschichte 
zu  widmen;  hier  hörte  er  zunächst  Bluntschli,  Prantl,  Spengel,  namentlich 
aber  Sybel,  der  ihn  von  Anfang  an  der  Kreuzzugsforschung  zuführte,  welche 
ja  dann  K.'s  eigentliche  Lebensarbeit  blieb.  Von  Anfang  seiner  Studienzeit 
warf  er  sich  auf  die  Untersuchung  »lieber  die  Quellenschriften  des  zweiten 
Kreuzzuges«,  welche  dann  auch  seine  Doctordissertation  abgab.  Nach  fast 
halbjähriger  Unterbrechung  der  Studien  infolge  einer  schweren  Typhus- 
erkrankung und  des  Todes  des  Vaters  nahm  K.  diese  wieder  auf,  ward  aber 
schon  nach  Jahresfrist  wieder  aus  ihnen  durch  den  Militärdienst  herausge- 
rissen; die  1859er  Mobilmachung  rief  ihn  als  Einjährig-Freiwilligen  nach 
Greifswald.  Nach  München  1860  zurückgekehrt,  promovirte  nun  K.  trotz  den 
Unterbrechungen  bereits  1861,  arbeitete  dann  jedoch  bis  1866  an  seiner 
wissenschaftlichen  Erstlingsarbeit  weiter.  Nachdem  Sybel  München  1861  ver- 
lassen hatte  und  ein  Versuch  K.'s,  sich  doch  zu  habilitiren,  an  Giesebrechts 
unfreundlicher  Haltung  gescheitert  war,  wandte  er  sich  1862  nach  Tübingen. 
Von  Pauli  gefördert,  habilitirte  sich  der  Fünfundzwanzigjährige  hier  unter 
Veröffentlichung  seiner  Erstlingsschrift  »Boemund  und  Tankred,  Fürsten  von 
Antiochien«,  mit  der  er  sich  alsbald  einen  guten  Namen  machte  und  kündigte 
dann  bereits  für  1862/63  seine  erste  Vorlesung  »Geschichte  der  Kreuzzüge 
und  ihrer  Zeit«  an. 

Vom  Mittelalter  drang  er  in  seinen  Vorlesungen  allmählig  bis  zur  »Ge- 
schichte des  18.  Jahrhunderts«  vor,  dank  seinem  hervorragenden  Talent  als 
Sprecher  und  seiner  Gestaltungskraft  unter  immer  steigendem  Beifalle  der 
Studentenschaft.  Neben  diesen  Vorlesungen  über  allgemeine  Geschichte  hielt 
er  seit  1863  auch  solche  über  »württembergische  Geschichte«,  und  aus  der 
Anfangs  schwer  genommenen  Beschäftigung  mit  diesem  ihm  ferner  liegenden 
Gebiete  ging  1865  die  hübsche  biographische  Studie  »Ulrich,  Herzog  zu 
Württemberg«  hervor;  dieser  folgte  1868  und  1872  das  zweibändige  Werk 
»Christoph,  Herzog  zu  Wirtemberg«,  in  welchem  sich  kritische  Forschung  mit 
allgemein  ansprechender  Darstellung  verbinden.  Der  Mitarbeit  an  der  landes- 
geschichtlichen Forschung  entzog  sich  aber  auch  später  K.  nicht;  das  Uni- 
versitätsjubiläum von  1877  gab  ihm  Veranlassung  zu  einem  actenmässigen 
Rückblick  auf  die  früheren  drei  Jahrhundertjubiläen  der  alma  mater  und  auch 
als  Mitglied  der  1891  ins  Leben  gerufenen  württembergischen  Kommission  für 
Landesgeschichte  war  K.  thätig,  wenn  auch  der  Vertreter  einer  andern  Richtung 
und  Denkart,  Dietrich  Schäfer,  welcher  nach  Pauli,  Weizsäcker,  Noorden  und 
zuletzt  dem  hervorragenden  Gutschmid  ihm  als  Geschichtslehrer  in  Tübingen 


31 8  V.  Kugler. 

an  die  Seite  getreten  war,  ohne  dass  sich  das  schöne  Verhältniss,  wie  mit 
K.'s  bisherigen  Collegen,  wieder  heraus  gebildet  hätte,  in  dieser  mehr  und 
mehr  die  ziemlich  ausschliessliche  Leitung  der  Arbeiten  in  seine  Hand  brachte. 

Die  Anerkennung,  welche  K.  als  Lehrer  verdiente,  ward  ihm  früh  in 
reichem  Masse  zu  Theil.  Schon  1865  damit  beauftragt,  dem  jetzigen  König 
Wilhelm  von  Württemberg  und  dessen  jung  verstorbenen  Vetter  Herzog  Eugen 
von  Württemberg  ein  Privatissimum  zu  lesen,  und  daraufhin  zum  Professor 
ernannt,  blieb  er  der  Geschichtslehrer  des  ersteren  auch,  als  dieser  i868/6g 
wieder  auf  die  Landesuniversität  zurückkehrte.  Nachdem  K.  sodann  1868 
einen  Ruf  nach  Bern  ausgeschlagen,  ward  er  zum  ausserordentlichen,  1873 
zum  ordentlichen  Professor  der  Geschichte  ernannt,  und  ist  nun  Tübingen 
treu  geblieben  trotz  manchem  lockenden  Rufe  nach  auswärts.  Aeussere  An- 
erkennung stellte  sich  ein  in  Form  der  Verleihung  hoher  Orden  und  der  des 
Adels. 

K.'s  wissenschaftliche  Hauptarbeit  liegt  auf  dem  Gebiete  der  Kreuzzüge. 
Der  1862  veröffentlichten  Habilitationsschrift  über  Boemund  und  Tankred 
folgten  1866  die  lange  vorbereiteten  »Studien  zur  Geschichte  des  zweiten 
Kreuzzuges«,  1878  die  »Analecten«  und  1883  die  »Neuen  Analecten  zur 
(ieschichte  des  zweiten  Kreuzzuges«,  welche  noch  heute  die  sichere  Grund- 
lage der  Forschung  fiir  diesen  Zeitraum  bilden.  An  diese  Einzelunter- 
suchungen schloss  sich  1880  im  Rahmen  der  Onckenschen  »Allgemeinen  Ge- 
schichte in  Einzeldarstellungen«  K.'s  »Geschichte  der  Kreuzzüge«,  welche,  seit- 
dem wieder  aufgelegt,  verdienterweise  K.'s  Namen  weit  bekannt  gemacht  hat. 

lieber  den  engen  Kreis  der  Universität  hinaus  wirkten  K.'s  öffentliche 
Vorträge,  welche  er  in  ganz  Deutschland  unter  grossem  Beifalle  der  Hörer 
hielt.  Neben  zahlreichen  Essays  historisch-politischer  Art  namentlich  in  der 
Allgemeinen  Zeitung,  die  sich  an  diese  Vorträge  anschlössen,  entstammt 
dieser  populärwissenschaftlichen  und  patriotischen  Richtung  K.'s  das  mit  (iraf 
Stillfried  gemeinsam  herausgegebene  Prachtwerk  »Die  Hohenzollern  und  das 
deutsche  Vaterland«  (2  Bde.  1881  —  82)  und  die  Biographie  »Kaiser  Wilhelm 
und  seine  Zeit«,  welche  1888,  kurz  nach  dem  Tode  von  Deutschlands  Einiger, 
erschien.  Einzelne  Vorträge  erschienen  auch  im  Drucke,  so  wie  sie  K.  ge- 
halten hatte,  wie  »Zur  Beurtheilung  der  deutschen  Kaiserzeit«  (1867),  »Wallen- 
stein«   (1873)  u.  A. 

Das  völlige  Aufgehen  in  der  Specialforschung  war  nicht  der  Naturanlage 
K.'s  entsprechend.  Aber  auch  in  sorgfältiger  Kleinforschung  hat  K.  recht 
Namhaftes  geleistet,  vor  Allem  in  seinem   »Albert  von  Aachen«. 

Seit  30.  März  1869  mit  Else  Zoeppritz,  der  Schwester  des  früh  (1885^ 
verstorbenen  Geographen  und  Tochter  des  Geh.  Kommerzienraths  Z.,  eines 
Grossindustriellen  in  Mergelstetten  bei  Heidenheim  und  thätigen  Mitglieder 
der  deutschen  Partei,  vcrheirathet,  hatte  er  an  seiner  Frau,  einer  geborenen 
l^armstädterin,  eine  heitere  lebensfrohe  Gefährtin,  welche  es  verstand,  frische 
(Geselligkeit  im  schöngelegenen  Hause  ihres  Gatten  am  Oesterberg  zu  pflegen. 
Kinderlos  fand  K.  in  seinen  Neffen  und  Nichten  einigermassen  einen  Ersatz 
für  das  fehlende  junge  Leben  im  Hause,  ein  Glück  für  ihn,  namentlich  in 
den  letzten  Jahren,  in  welchen  er  sich  durch  ein  sich  stetig  verschlimmerndes 
Herzleiden  erst  an  das  Haus  und  schliesslich  an  das  Bett  gefesselt  sah.  Nach- 
dem er  im  Sommer  1896  die  letzte  Vorlesung  gehalten,  konnte  er  sich  nur 
noch  leichtere  Beschäftigung  gestatten.  Dem  'l'ode,  den  er  im  vollen  Be- 
wusstsein  an  sich  herantreten  fühlte,  hatte  er  mannhaft  entgegengesehen   und 


V.  Kugler.     Turcan.  3IQ 

bis  zuletzt  der  Gattin    die    hingebende  Pflege    erleichtert    durch    humorvolle 

Liebenswürdigkeit  und  sie  ihr  gedankt  durch  rührende  Fürsorge.     Mit  Recht 

nennt  ihn  einer  seiner  treuesten  und  tüchtigsten  Schüler,  dessen  Ausführungen 

neben  den  handschriftlichen  Angaben  von  K.'s  Frau  die  Hauptgrundlage  dieser 

Skizze  bilden,  einen  Menschen  von  seltener  Ausgeglichenheit  des  Wesens  und 

einen  Gelehrten  von  hoher  Begabung  und  vorbildlichem  Wirken. 

Vgl.  >  (Münchener)  Allgemeine  Zeitung«  Beilage  1899  No.  80—82  von  Clemens  Klein. 
—  »Börsenblatt  des  deutsch.  Buchhandels«  1898  No.  83.  —  »Württ.  Volkszeitung  25.  Mai 
1898.  —  »Schwäbischer  Merkur«  11.  und  28.  April  1898.  —  »Tübinger  Chronik«  7.  und 
12.  April  1898.  —  »Voss.  Zeitung«  10.  April  1898.  —  Gedächtnissworte  z.  And.  an 
Bernhard  von  Kugler  (Tübingen  Schnürlen). 

C.  Ad.  Fetzer. 

Turban,     Ludwig    Karl    Friedrich,     Grossh.     badischer     Staatsminister 
*  5.  October  182 1    als  Sohn    des  Stadtpfarrers   Karl  Friedrich  T.   in  Bretten, 
f  12.  Juni  1898  in  Karlsruhe;    studirte   zuerst  Philologie,    dann  die  Rechts- 
wissenschaft an  den  Universitäten  Heidelberg  und  BerHn  von  Michaelis  1839 
bis  Ostern  1845,  unterbrach  jedoch  diese  Studien  während  eines  Jahres,  um 
der  Einladung  des  russischen  Staatsraths  von  Bekk  folgend,  Italien  und  Frank- 
reich   zu   bereisen.      Nach    der    im  Winter    1845    bestandenen  Staatsprüfung 
trat  T.  zunächst  als  Freiwilliger  beim  Oberamt  Heidelberg  in  die  Praxis  ein, 
war    sodann    beim   Oberamt   Durlach,    beim  Hofgericht    zu  Karlsruhe,    beim 
Justizministerium    und    bei    der  Kreisregierung    in  Freiburg    als    Secretariats- 
practikant,  vorübergehend  auch  als  Kanzleisecretär  bei  dem  Bundesabgesandten 
Freiherrn  von  Marschall  thätig.     185 1  zum  Ministerialsecretär  beim  Ministerium 
des  Innern  ernannt,    wurde    er  1852  zum  Assessor  bei  der  Kreisregierung  in 
Mannheim  befördert  und  im  März  1854  als  Secretär  der  badischen  Gesandt- 
schaft   in  Rom  beigegeben,    welche    —    zuerst  unter  Leitung  des  Grafen  zu 
Leiningen-Billigheim,    dann  des  Staatsraths  Brunner    —    mit    Verhandlungen 
beauftragt  war,  die  durch  Abschluss  einer  Vereinbarung  mit  dem  päpstlichen 
Stuhle  den  1852  zwischen  der  römischen  Curie    und  der  badischen  Regierung 
ausgebrochenen  Streit  zu  friedlichem  Ende  führen  sollten.     In  Rom  an  einem 
Choleraanfall  erkrankt,  kehrte  T.  im  September  1845  nach  Mannheim  zurück, 
wurde  jedoch  schon  im  October  der  für  Ordnung  der  Kirchenangelegenheiten 
bestellten  Immediatcommission   als  Hilfsarbeiter  beigegeben  und,   unter  Fort- 
dauer   dieses  Auftrages,    im  Januar  1855    als  Assessor    zur  Kreisregierung  in 
Karlsruhe    versetzt,  um    von    nun    an  dauernd  in  der  Haupt-  und  Residenz- 
stadt zu  verbleiben.     1856  zum  Regierungsrath  befördert,  erhielt  T.  im  Juni 
1860  die  Ernennung  zum  Ministerialrath    in    dem  neu  begründeten  Handels- 
ministerium.    In    dieser  Eigenschaft    hatte    er    die  Vertretung   des   Gewerbe- 
gesetzes   im  Landtage    zu    übernehmen   und  war  von  da  an  auf  allen  Land- 
tagen als  Regierungscommissar  thätig.    ImX)ctober  wurde  T.  zum  Präsidenten 
des  Handelsministeriums   ernannt,    eine  Stellung,    welche   er  auch  ferner  bei- 
behielt, als  er  im  September  1876  beim  Rücktritt  des  Staatsministers  Dr.  Jolly 
dessen  Nachfolger  als  Präsident  des  Staatsministeriums  wurde.     Im  April  1881 
wurde  Staatsminister  T.   zum  Präsidenten    des  Ministeriums   des  Innern,    mit 
welchem  das  Handelsministerium  vereinigt  wurde,  während  Cultus,  Unterricht 
und  die  Einrichtungen  für  Kunst  und  Wissenschaften  aus  jenem  ausschieden, 
und   dem  Justizministerium  zugetheilt  wurden,    und  zum  Leiter  des  mit  dem 
Präsidium  des  Staatsministeriums  vereinigten  Ministeriums  des  Grossherzoglichen 
Hauses  ernannt.     Als  Staatsminister  war  T.  schon  seit  1876  Bevollmächtigter 


320 


TurbaD. 


zum  Bundesrathe  des  deutschen  Reiches,  da  die  Behandlung  der  Reichs-  und 
der  auswärtigen  Angelegenheiten  zum  Wirkungskreise  des  Präsidenten  des 
Staatsministeriums  gehörte.  Beim  Eintritt  in  sein  70.  Lebensjahr  im  October 
1890  erbat  und  erhielt  T.  mit  Rücksicht  auf  seine  angegriffene  Gesundheit 
seine  Enthebung  von  der  Leitung  des  Ministeriums  des  Innern,  führte  aber 
auf  besonderen  Wunsch  des  Grossherzogs  das  Präsidium  des  Staatsministeriums 
fort,  bis  anhaltende  Kränklichkeit  ihn  im  März  1893  nöthigte,  auch  dieses 
Amt  niederzulegen.  Um  den  verdienten  Staatsmann  dem  activen  Dienst 
auch  weiter  noch  zu  erhalten,  ernannte  ihn  der  Grossherzog,  indem  er  seinem 
Ansuchen  entsprach,  zum  Präsidenten  der  Oberrechnungskammer.  In  diesem 
Amte  bheb  T.  bis  zu  seinem  Tode  thätig.  Nachdem  er  sich  von  einer 
schweren  Krankheit  erholt  zu  haben  schien,  entschlief  er  sanft  und  schmerzlos. 
Die  amtliche  Thätigkeit  T.'s  hat  auf  vielen  Gebieten  des  staatlichen 
Lebens  in  Baden  Bedeutendes  und  Bleibendes  geschaffen.  Das  auf  den 
Grundsätzen  der  Gewerbefreiheit  und  Freizügigkeit  aufgebaute  Gewerbegesetz 
von  1862  war  im  Wesentlichen  sein  Werk,  die  nach  Aufhebung  der  Zünfte 
besonders  wichtigen  Gewerbevereine  förderte  er  nach  Kräften,  ebenso  das 
gesammte  gewerbliche  Schulwesen  (Landesgewerbehalle,  Gewerbeschulen,  Fach- 
schulen für  Uhrmacherei,  Schnitzerei,  Strohflechten,  Musikschulen).  Die  unter 
Kachel  und  Götz  hohen  Aufschwung  erreichende  Kunstgewerbeschule  war 
eine  seiner  wichtigsten  Schöpfungen.  Auch  die  Errichtung  der  Handels- 
kammern gehört  der  Zeit  seiner  ministeriellen  Wirksamkeit  an.  Der  Land- 
wirthschaft  wendete  er  seine  volle  Fürsorge  zu.  Es  sei  hier  nur  an  die 
Schaffung  der  Culturinspectionen,  das  Wassergesetz,  die  Unterstützung  der 
inländischen  Pferdezucht,  die  Errichtung  von  Zuchtgenossenschaften  für  die 
Farrenhaltung  erinnert.  Auch  Jagd  und  Fischerei  waren  Gegenstände  seiner 
gesetzgeberischen  Thätigkeit.  In  die  Zeit  seiner  Verwaltung  fällt  die  weitere 
Ausgestaltung  des  badischen  Eisenbahnnetzes,  die  neue  Organisation  des 
Eisenbahnbetriebsdienstes,  der  Ausbau  des  Landstrassennetzes,  die  neue  gesetz- 
liche Regelung  der  Beitragspflicht  zur  Herstellung  und  Unterhaltung  der  Land- 
strassen. Auf  dem  Gebiete  der  inneren  Verwaltung  ist  namentlich  die  weitere 
Ausgestaltung  der  Gemeindegesetzgebung,  insbesondere  auch  hinsichtlich  der 
Besteuerung  der  Gemeindeangehörigen  zu  erwähnen.  Die  Fortbildung  und 
Durchführung  der  socialen  Gesetzgebung  lag  T.  sehr  am  Herzen.  Auf  diesem 
Gebiete  sei  die  Schaffung  der  Fabrik inspection  namentlich  hervorgehoben. 
Auch  die  öffentliche  Gesundheitspflege  erhielt  nach  verschiedenen  Richtungen 
erpriessliche  Förderung.  Die  Neugestaltung  der  Rechts-  und  Gehaltsver- 
hältnisse der  Beamten  fällt  ebenfalls  in  die  Zeit  seiner  Amtsführung.  Schliess- 
lich sei  noch  der  Herausgabe  einer  neuen  Topographischen  Karte  von  Baden 
(i  125000),  der  geologischen  Landesuntersuchung  und  des  Berggesetzes  Er- 
wähnung gethan.  Waren  auch  viele  Kräfte  thätig,  um  die  Arbeiten  vorzu- 
bereiten und  auszuführen,  welche  auf  allen  diesen  Gebieten  zu  wichtigen  und 
dauernden  Werken  der  Gesetzgebung  und  Verwaltung  zusammenwirkten,  so 
wurden  diese  doch  alle  angeregt  und  vollbracht  unter  T.'s  verantwortlicher 
Leitung  und  seiner  in  allen  Stadien  dieser  umfassenden  Thätigkeit  stets  be- 
lebenden, fördernden  und  den  Erfolg  sichernden  Mitwirkung.  War  das  Wohl 
der  ihm  über  alles  theueren  Heimath  in  allen  ihm  übertragenen  Aemtern  der 
Leitstern  seines  Handelns,  und  lag  die  Erhaltung  der  bewährten  Einrichtungen 
des  badischen  Landes  ihm  stets  besonders  am  Herzen,  so  wirkte  T.  doch 
nicht    minder    eifrig,    soweit    es  seines  Amtes  war,    am  Ausbau    der  Reichs- 


Turban.     Vischer. 


521 


Institutionen  mit,  wie  er  denn  von  jeher  ein  warmer  deutscher  Patriot  und 
Freund  der  Einigung  der  deutschen  Staaten  unter  Preussens  Führung  war. 
Seine  vielen  trefflichen  Eigenschaften  machen  es  begreiflich,  dass  ihm  seine 
Karlsruher  Mitbürger  durch  Uebertragung  verschiedener  Ehrenämter  in  Gemeinde, 
Kirche  und  Schule,  denen  er  sich  trotz  seiner  Ueberbürdung  mit  den  Arbeiten 
seines  Beamtenberufes  nicht  versagte,  ihr  Vertrauen  bezeugten,  sowie  dass  er 
wiederholt  zum  Abgeordneten  der  zweiten  Kammer  gewählt  wurde,  1866  in 
der  Stadt  Lahr,  1873  und  1877  im  Amt  Triberg.  —  Er  war  auch  erfolgreich 
litterarisch  thätig.  Abgesehen  von  der  Mitarbeit  an  einer  Reihe  wissenschaft- 
licher Zeitschriften  gab  er  einen  vortrefflichen  Commentar  zu  dem  badischen 
Gewerbegesetz:  »Das  Gewerbegesetz  für  das  Grossherzogthum  Baden«  (1862) 
und  das  Werk  »Die  deutsche  Gewerbeordnung  und  die  zu  deren  Einführung 
und  Vollzug  im  Grossherzogthum  Baden  ergangenen  Gesetze  und  Verordnungen«, 
(1872)  beide  im  Verlage  der  G.  Braunschen  Hof  buchhandlung  in  Karlsruhe, 
heraus. 

Sein  Landesherr,  Grossherzog  Friedrich  von  Baden,  zeichnete  T.  nicht 
nur  durch  die  höchsten  Ordenauszeichnungen,  zuletzt  durch  Verleihung  des 
Hausordens  der  Treue,  aus,  sondern  gab  bei  verschiedenen  Anlässen  durch 
überaus  ehrenvolle  Kundgebungen  seines  Vertrauens  der  hohen  Werthschätzung 
Ausdruck,  die  er  für  T.'s  Leistungen  und  Character  hegte.  Die  Universität 
Heidelberg  ernannte  ihn  bei  ihrer  500jährigen  Jubelfeier  1886,  in  Würdigung 
seiner  vielfachen  Dienste  auf  allen  Gebieten  des  wirthschaftlichen  Lebens,  zum 
Ehrendoctor  der  Philosophie. 

Seine  nie  ermüdende  Arbeitskraft,  seine  Gerechtigkeit,  sein  Wohlwollen 
waren  Eigenschaften,  die  in  allen  Kreisen  der  Bevölkerung  willige  Anerkennung 
fanden  und  auch  von  seinen  politischen  Gegnern  (persönliche  Feinde  hat  er 
wohl  nie  gehabt)  willig  zugestanden  wurden.  Seine  nie  verleugnete  Anhäng- 
lichkeit an  die  liberalen  Grundsätze  im  Staatsleben  und  seine  ernste  Frömmig- 
keit auf  der  Grundlage  des  evangelisch-protestantischen  Bekenntnisses  ver- 
hinderten nicht  die  Achtung  vor  abweichenden  politischen  und  kirchlichen 
Ueberzeugungen,  die  er  auch  in  seinen  Amtshandlungen  stets  zur  Geltung 
brachte. 

Im  Jahre  1853  vermählte  T.  sich  zu  St.  Petersburg  mit  Fräulein  Sophie 
Heyse,  Tochter  einer  dort  ansässigen  angesehenen  deutschen  Kaufmanns,  mit 
der  ihn  bis  zu  seinem  Tode  die  glücklichste,  durch  3  Söhne  und  2  Töchter 
gesegnete  Ehe  verband.  Er  entzog  sich  nicht  der  Geselligkeit  in  weiteren 
Kreisen  und  den  Pflichten  der  Repräsentation,  die  ihm  sein  hohes  Staatsamt 
vorschrieb,  aber  die  liebste  Erholung  fand  der  feinsinnige  und  vielseitig  ge- 
bildete Mann  in  seiner  durch  die  Pflege  von  Kunst  und  Wissenschaft,  besonders 
der  Musik  verschönten  Häuslichkeit. 

Vgl.  den  auf  Grund  von  amtlichen  Quellen  und  Mittheilungen  der  Familie  von  dem 
Unterzeichneten  verfassten  Nekrolog  in  No.  352  der  Karlsruher  Zeitung  von  1898. 

F.  V.  Weech. 

Vischer,  August,  Maler,  *  30.  Juni  1821  zu  Waldangelloch  bei  Sinsheim 
in  Baden,  f  8.  Januar  1891,  war  ein  fruchtbarer  und  fleissiger  Künstler  von 
vielseitiger  Thätigkeit.  In  Antwerpen,  Paris  und  München  in  der  Malerei 
ausgebildet,  kehrte  V.  1870  in  die  badische  Heimath  zurück,  Hess  sich  in 
Karlsruhe  nieder,  wurde  im  gleichen  Jahre  als  ausserordentlicher  Professor 
des  Figurenzeichnens  an  der  Polytechnischen  Schule  angestellt  und   187 1   zum 

Biogr.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  2  I 


322 


Vischer.     Heer. 


ordentlichen  Professor  befördert.  Im  Jahre  1861  hatte  er  vom  Grossherzog 
von  Baden  die  grosse  goldene  Medaille  für  Kunst  und  Wissenschaft,  1866 
die  Ernennung  zum  Hofmaler  erhalten.  V.  war  ein  treflflicher  Lehrer,  nicht 
nur  überaus  sicher  und  correct  in  der  Zeichnung,  sondern  auf  allen  Gebieten  der 
Malerei  in  gleicher  Meisterschaft  bewandert,  im  ganzen  Umfang  der  Oeltechnik, 
im  Aquarell  wie  im  Fresko.  Er  war  ausserordentlich  thätig  als  Portrait-, 
Geschieh ts-  und  Genremaler.  Er  hat  etwa  70  Porträts  gemalt.  Von  der 
grossen  Zahl  seiner  Gemälde,  manche  in  doppelter  und  dreifacher  Ausführung, 
(ein  Beweis  des  Beifalls,  den  sie  fanden),  sind  vier  in  der  Karlsruher  Galerie 
aufgenommen  worden,  auch  mehrere  andere  Galerien  haben  Werke  von 
V.  erworben.  Die  meisten  gingen  in  den  Besitz  von  Privaten  in  vielen 
Städten  Deutschlands  und  Oesterreichs ,  Englands  und  Amerikas  über.  In 
München  wurde  V.  neben  den  hervorragendsten  dort  wirkenden  Künstlern 
zur  Ausschmückung  des  Nationalmuseums  herangezogen.  Zwei  Fresken:  »Der 
Einzug  des  Kurfürsten  Max  Joseph  in  München  1799«  und  »Die  Erstürmung 
von  Budapest  durch  Max  Emanuel  1689«  sind  von  ihm  ausgeführt.  Von 
seinen  Genrebildern  wurde  »Der  kleine  Pistolenschütze«  von  Hanfstaengl, 
»Die  Alpenrose«  von  Leo  Schöninger  gestochen,  das  erstere  vertheilte  der 
Wiener  Kunstverein  an  seine  Mitglieder.  Die  Lehrthätigkeit  an  der  Poly- 
technischen Schule  veranlasste  V.  zur  Bearbeitung  und  Herausgabe  eines  Leit- 
fadens der  Anatomie  und  Proportionslehre  des  menschlichen  Körpers  (1878, 
2.  Auflage  1881)  und  einiger  Hefte  über  den  figürlichen  Schmuck  an  Werken 
der  Architektur  (1888).  Ein  ruhiger  und  bescheidener  Mann,  der  unter 
Fremden  nicht  aus  sich  herausging,  belebte  er  im  Kreis  seiner  ihn  hoch- 
schätzenden Freunde  das  Gespräch  durch  einen  liebenswürdigen  Humor,  von 
dem  auch  dann  und  wann  in  den  »Fliegenden  Blättern«  Proben  vor  die 
Oeffentlichkeit  traten.  Als  er  hochbetagt  starb,  war  er  in  weiteren  Kreisen, 
selbst  seines  Wohnortes,  fast  vergessen.  Die  ihn  näher  kannten,  bewahren 
V.  auch  über  das  Grab  hinaus  ein  ehrendes  Andenken. 

Quellen:  Personalakten,  Nekrolog  in  der  j>Badiscben  Landeszeitung«   1898  No.   14. 

F.  V.  Weech. 

Heer,  Adolf,  Bildhauer,  *  13.  September  1849  zu  Vöhrenbach  im  badischen 
Schwarzwalde,  f  29.  März  1898  zu  Karlsruhe.  Den  ersten  Unterricht  erhielt 
H.  von  seinem  Vater,  dem  Bildhauer  Joseph  Heer,  der  früher  in  München  ein 
Schüler  und  Gehilfe  Ludwig  Schwanthalers  gewesen  und  das  bedeutende  Talent 
des  Sohnes  bei  dessen  raschen  und  sicheren  Fortschritten  in  der  Kunst  des 
Zeichnens  und  Modellirens  sowie  bei  dessen  praktischen  Ausführungen  in  Holz 
und  Stein  erkannte.  Um  sich  weiter  auszubilden,  besuchte  der  junge  H. 
zunächst  die  Kunstgewerbeschule  in  Nürnberg,  wo  er  von  1868  — 1871  mit 
grossem  Fleisse  den  Unterricht  der  dort  wirkenden  Lehrer  genoss.  Auf 
Krelings,  des  damaligen  Directors  dieser  Anstalt,  Rath  beschloss  H.,  da  sich 
ihm  keine  Aussicht  auf  baldige  Verwendung  eröffnete,  sich  mehr  der  idealen 
und  monumentalen  Bildhauerei  zuzuwenden  und  siedelte  desshalb  nach  Berlin 
über,  wo  er,  mit  Krelings  Empfehlungen  ausgestattet,  bei  den  Bildhauern 
Calandrelli  und  Siemering  freundliche  Aufnahme  und  Gelegenheit  zu  viel- 
facher, ihm  sehr  förderlicher  Thätigkeit  fand.  Daneben  versäumte  er  nicht 
den  Besuch  der  Berliner  Akademie  der  bildenden  Künste.  In  die  Heimath 
zurückgekehrt,  führte  er  im  Atelier  des  Bildhauers  Professor  Steinhäusser  einige 
kleinere  Aufträge  aus,  bis  er  im  Jahre  1873  die  Aufforderung  eines  jüngeren 


Heer. 


323 


talentvollen  Bildhauers  in  Dresden,  Adolf  Brey mann,  eines  der  bedeutendsten 
Schüler  Schillings,  erhielt,  sich  an  dessen  grossen  monumentalen  Arbeiten  zu 
betheiligen.  Nachdem  H.  in  dieser  sehr  nützlichen  Wirksamkeit  während  zwei 
Jahren  sich  weitergebildet  hatte,  wurde  ihm  durch  den  kunstsinnigen  Fürsten 
Karl  Egon  zu  Fürstenberg  die  Ausführung  zweier  überlebensgrosser  Figuren 
(Engel  des  Lebens  und  des  Todes)  in  carrarischem  Marmor  für  die  fürstliche 
Gruftkapelle  in  Neidingen  bei  Donaueschingen  übertragen.  Dieser  bedeutende 
Auftrag  führte  ihn  1876  nach  Rom.  Während  eines  vier  Jahre  umfassenden 
Aufenthaltes  in  der  Ewigen  Stadt  führte  er  nicht  nur  diese  Figuren  zu  voller 
Zufriedenheit  seines  fürstlichen  Gönners  aus,  welche  ihren  Ausdruck  in  der 
Ertheilung  eines  neuen  Auftrages,  der  Darstellung  der  Donauquellen  fand, 
sondern  die  in  Rom  öffentlich  ausgestellten  Engel  durften  sich  auch  des  vollen 
Beifalls  der  dort  thätigen  Künstler  aller  Nationen  erfreuen  und  sein  Name 
wurde  nun  erst  in  weiteren  Kreisen  bekannt.  Neben  diesen  grossen  Arbeiten 
führte  indess  seine  Neigung  H.  immer  wieder  dem  Kunstgewerbe  zu.  Er 
modellirte  viele  dekorative  Ornamente  und  fertigte  eine  grössere  Zahl  kunst- 
gewerblicher Entwürfe  an.  Diese  Neigung  und  der  Wuusch,  in  dauerndem 
Wirken  wieder  der  geliebten  Heimath  anzugehören,  veranlasste  H.,  sich  im 
Juni  1880  von  Rom  aus  um  die  Stelle  eines  Lehrers  an  der  damals  unter 
Kachels  Leitung  stehenden  Kunstgewerbeschule  in  Karlsruhe  zu  bewerben, 
die  ihm  auch  alsbald  übertragen  wurde.  Am  29.  Juni  1881  wurde  er  zum 
Professor  ernannt,  1882  vertrat  er  daneben  an  der  Karlsruher  Kunstschule 
den  Professor  Volz  im  Modellirunterricht.  —  Seine  erspriessliche  Lehrthätig- 
keit  bildete  kein  Hinderniss,  ein  immer  bedeutendere  Aufgaben  umfassendes 
Wirken  auf  dem  Gebiete  der  Bildhauerkunst  zu  entfalten.  Solche  Aufgaben 
ergaben  sich  bei  der  Ausschmückung  des  vom  Oberbaudirector  Dr.  Durm 
erbauten  Hauses  des  Bankiers  Schmieder  in  Karlsruhe  (riesige  Atlanten,  lebens- 
grosse  Nischenfiguren  und  Lucarnengruppen  am  Aeusseren  des  palastartigen 
Baues),  bei  dem  Baue  der  Festhalle  in  Karlsruhe,  für  deren  Portal  H.  im 
Auftrage  des  Malers  Wilhelm  Klose  eine  plastische  Gruppe  ausführte,  bei  der 
Restaurining  des  Heidelberger  Rathhauses,  dessen  Fa^ade  er  mit  zwei  Sand- 
steinfiguren  zierte,  endlich  bei  der  Neuherstellung  der  Aula  der  Universität 
Heidelberg  anlässlich  deren  500jährigen  Jubelfeier.  Im  Auftrage  des  Ministeriums 
modellirte  er  für  diese  zwei  lebensgrosse  Figuren  (Wissenschaft  und  Fama), 
welche  in  Erz  gegossen  wurden.  Ein  überaus  glücklicher  Wurf  war  das  Modell 
einer  Statue  des  Dichters  Josef  Victor  von  Scheffel,  welchem  von  dem  Preis- 
gericht der  erste  Preis  zuerkannt  wurde,  während  das  für  das  Scheffeldenkmal 
in  Karlsruhe  gebildete  Comitd  sich  für  die  Ausführung  eines  anderen  der  preis- 
gekrönten Modelle  entschied.  In  sehr  erfreulicher  Weise  wurde  dieses  treff- 
liche Werk  doch  ausgeführt,  da  es  das  Heidelberger  Comitd  erwarb  und  einen 
unvergleichlich  schönen  Platz  auf  dem  Schlossberg  zur  Aufstellung  auswählte. 
Den  Höhepunkt  seines  künstlerischen  Wirkens  erreichte  H.  durch  das  Reiter- 
denkmal Kaiser  Wilhelms  I.  in  Karlsruhe,  dessen  Schöpfung  ihm  für  alle  Zeit 
eine  Stellung  unter  den  ersten  Bildhauern  Deutschlands  sichert.  Ganz  besonders 
in  diesem  Werke  trat  sein  Bestreben,  durch  die  realistische  Behandlung  nie  die 
seinem  ganzen  Wesen  eigene  ideale  Erfassung  des  Stoffes  beeinträchtigen  zu 
lassen,  von  grösstem  Erfolge  gekrönt  in  die  Erscheinung.  Den  Höhepunkt 
seines  Ruhmes,  den  Tag  der  Enthüllung  des  Kaiserdenkmals  (18.  October  1897), 
sollte  H.  nicht  lange  tiberleben.  Den  Anstrengungen  und  Aufregungen,  die 
mit  Vollendung    dieser    grossen  Arbeit    verbunden    waren,    war   seine  längst 

21* 


324 


Heer.     Hummel.     Lüddecke. 


leidende  Gesundheit  nicht  gewachsen.  Vergebens  suchte  er  Genesung  zuerst 
auf  den  Höhen  des  heimischen  Schwarzwaldes,  dann  in  Italien.  Nach  der 
Rückkehr  schwer  erkrankt,  erlag  er  seinem  Leiden  in  der  Nacht  vom  28.  zum 
29.  März.  H.  war  un vermählt.  An  sein  Todtenbett  waren  seine  Ge- 
schwister zu  liebevoller  Pflege  geeilt,  unterstützt  von  der  Theiinahme  treuer 
PYeunde,  die  dem  liebenswürdigen,  bescheidenen  Künstler,  dem  kernfesten 
Charakter  in  allen  Phasen  seines  Lebens  eng  verbunden  waren.  Sein  Landes- 
herr, der  Grossherzog  Friedrich  von  Baden,  ehrte  den  von  ihm  hoch  geschätzten 
Künstler  und  Menschen,  indem  er,  begleitet  von  seinem  Sohne,  dem  Erb- 
grossherzog,  dem  Sarge  das  Geleite  bis  zum  Grabe  gab,  die  Grossherzogin 
wie  Kaiser  Wilhelm  IL  gaben  der  Anerkennung  flir  das  dem  Andenken  des 
ersten  Deutschen  Kaiser  gewidmete  Meisterwerk,  eines  der  hervorragendsten 
Denkmäler  ihres  hohen  Vaters  und  Grossvaters,  in  tiefgefühlten  Worten  ehrenden 
Ausdruck.  H.'s  intimster  Freund,  Maler  Wilhelm  Klose,  liess  über  der  Gruft, 
in  der  neben  H.  auch  ein  anderer  diesem  und  ihm  selbst  gleich  nahe  stehender 
Freund,  Maler  Gleichauf  (vgl.  Bd.  I.  S.  394 ff.),  die  letzte  Ruhestätte  gefunden, 
auf  dem  Karlsruher  Friedhof  beiden  gleichgestimmten  Künstlern  ein  schönes 
Denkmal  errichten. 

Quellen:  Personalacten  mit  eigenhändigen  Aufzeichnungen  H.'s  Über  seinen  Bildungs- 
gang.    >Karlsruher  Zeitung«,  »Badische  Landeszeitung«,  »Badische  Presse«. 

F.  v.  Weech. 

Hummel,  August,  Seminarlehrer  und  ein  tüchtiger  Geographie-Methodiker, 
♦  am  4.  August  1839  in  Halle  a.  d.  S.,  f  am  19.  Januar  1898  in  Delitzsch 
(Provinz  Sachsen),  im  58.  Lebensjahre.  —  Nachdem  er  die  Volksschule  in 
Glauchau  bei  Halle  besucht  hatte,  wurde  er  Hilfsarbeiter  bei  der  Sächsisch- 
Thüringischen  Actiengesellschaft  für  Braunkohlen  Verwertung,  fand  hier  aber 
keine  Befriedigung.  In  seinen  Mussestunden  arbeitete  er  bis  tief  in  die  Nacht 
hinein  an  seiner  Fortbildung  und  konnte,  ohne  die  Präparandenanstalt  durch- 
zumachen, sogleich  im  Seminar  zu  P^isleben  Aufnahme  finden.  Seine  Leistungen 
waren  aussergewöhnlich  gut,  und  schon  damals  veröffentlichte  er  kleine  Artikel 
für  »Jugendalbum«,  »Familienchronik«  und  »Gartenlaube«.  Im  Jahre  1863 
wurde  er  Bürgerschullehrer  in  Halle,  1875  ordentlicher  Seminarlehrer  und 
wirkte  als  solcher  dann  zuerst  in  Halle,  dann  in  Delitzsch  sehr  segensreich. 
In  weiteren  Kreisen  ist  H.  besonders  durch  eine  Reihe  trefflicher  Leitfäden 
bekannt  geworden.  Erwähnt  seien  seine  »Kleine  Erdkunde«  (36.  Auflage),  sein 
»Hilfsbuch  für  den  Unterricht  in  der  Erdkunde«  und  sein  »Schulatlas«  (5.  Auf- 
lage).  Auch  als  Mitarbeiter  an  mehreren  angesehenen  Zeitschriften  war  er  thätig. 

Vergl.  Zeitschrift  für  Schul-Geographie,  XIX.  Jahrg.  1898. 

W.  Wolkenhauer. 

Lüddecke,  Richard,  Kartograph,  ♦  am  i.  Januar  1859  in  Magdeburg,  f  am 
14.  Januar  1898  zu  Gotha.  —  Nach  Besuch  der  Schulen  zu  Aschersleben  bezog 
L.  1877  die  Universität  zu  Leipzig  und  später  zu  Halle,  um  neuere  Sprachen, 
Geschichte  und  Geographie  zu  studieren.  A.  Kirchhoffs  und  R.  Credners 
Einflüsse  folgend,  wandte  er  sich  immer  mehr  der  Geographie  zu  und  promo- 
vierte 1881  zu  Halle  mit  einer  Schrift  »über  die  Moränenseen«.  Im  Jahre 
1883  trat  L.  als  Kartograph  in  das  geographische  Institut  von  Justus  Perthes 
in  Gotha  ein.  Seine  Theiinahme  an  der  grossen  Afrikakarte,  die  1885  ^^^ 
Feier  des   hundertjährigen  Jubiläums   des  Hauses  Perthes    erschien,    bot  ihm 


Lüddecke.     Albrecht.     Arzruni. 


325 


Gelegenheit,  sich  eingehend  mit  dem  schwarzen  Erdtheil  zu  beschäftigen,  und 
so  entstand  1889  seine  sechsblätterige  Karte  von  Afrika  in  Stielers  Handatlas, 
die  Schweinfurth  mit  Recht  für  eine  ausgezeichnete  Leistung  erklärt  hat. 
Durch  seine  Vorbildung  in  KirchhofFs  geographischem  Seminar  war  L.  auch 
der  rechte  Mann,  bei  den  neuen  Unternehmungen  in  Justus  Perthes'  Anstalt 
auf  dem  Gebiete  der  Schulgeographie  thätig  einzugreifen.  Sein  »Deutscher 
Schulatlas«  (Mittelstufe  1895,  Unterstufe  1896)  hat  nicht  nur  in  den  Schulen 
des  Deutschen  Reichs  lebhaften  Anklang  gefunden,  sondern  auch  über  die 
Grenzen  des  Vaterlandes  hinaus  sich  Freunde  erworben,  so  dass  1897  eine 
portugiesische  Ausgabe  veranstaltet  werden  konnte.  Mitten  im  kräftigsten 
Mannesalter,  eben  39  Jahre  alt,  erlag  L.  einer  jener  heimtückischen  Krank- 
heiten, die  erst  unvermerkt  die  Kräfte  aufzehren,  um  dann,  plötzlich  hervor- 
brechend, mit  unwiderstehlicher  Gewalt  ihr  Zerstörungswerk  zu  vollenden. 

Vgl.  Petermanns  Geogr.  Mitteilungen,  44.  Band,   1898,  S.  24  (Nachruf  von  A.  Supan). 

W.  Wolkenhauer. 

Albrecht,  George  Alexander,  Grosskaufmann  und  K.  K.  österr.  Konsul, 
*  am  2.  August  1834  als  Sohn  eines  höheren  Beamten  in  Hannover,  f  am 
24.  November  1898  in  Bremen  nach  kurzer  schwerer  Krankheit  im  65.  Lebens- 
jahre. Der  Verstorbene  gehörte  als  Chef  der  ältesten  Firma  Bremens  (Joh. 
Lange  Sohns  Wwe.  u.  Co.)  an,  war  aber  zugleich  in  mehreren  grossen  kauf- 
männischen und  industriellen  Gesellschaften  an  leitender  Stelle  thätig.  Als 
Mitbegründer  und  langjähriger  Präsident  der  Geographischen  Gesellschaft 
in  Bremen,  sowie  als  ein  thatkräftiger  und  opferwilliger  Gönner  und 
Freund  geographischer  Bestrebungen  hat  er  sich  um  die  geographische 
Wissenschaft  verdient  gemacht.  Im  Ausführungscomitt?  für  die  zweite  deutsche 
Nordpolarfahrt  im  Jahre  1869  übernahm  A.  das  mühereiche  Amt  der  Rech- 
nungs-  und  Kassenführung.  Die  Forschung.sreise  der  Gebrüder  Krause  nach 
den  Küstenländern  des  Beringmeeres  1881/82  im  Auftrage  der  Bremer  Geo- 
graphischen Gesellschaft  geschah  auf  seine  Kosten  und  auch  noch  andere 
Expeditionen  der  unter  seiner  Leitung  stehenden  Bremer  Geographischen 
(jesellschaft  unterstützte  er  mit  freigebiger  Hand.  Das  neue  städtische  Museum 
in  Bremen  verdankt  ihm  eine  grosse  und  wertvolle  ethnographische  Sammlung 
von  den  Sunda-Inseln.  Dem  XL  deutschen  Geographentage  in  Bremen  war 
er  erster  Vorsitzender.  Die  Gesellschaft  für  Erdkunde  in  Berlin  ehrte  im 
Jahre  1882  den  Verstorbenen,  indem  sie  ihn  zu  ihrem  Ehrenmitgliede  ernannte. 

Vgl.  Weser-Zeitung,  No.  18  691,  vom  30.  Nov.  1898:  George  Albrecht  zum  Gedächt- 
niss  von  Dr.  Moritz  Lindeman. 

W.  Wolkenhauer. 

Arzruni,  Andreas,  Professor  für  Mineralogie  und  Geognosie  an  der  tech- 
nischen Hochschule  zu  Aachen,  *  am  27.  November  1847  zu  Tiflis,  f  am 
22.  September  1898  zu  Hohenhonnef  am  Rhein  im  Alter  von  51  Jahren.  — 
A.  entstammt  einer  in  der  gelehrten  Weh  angesehenen  armenischen  Familie 
in  Tiflis.  Er  war  der  Sohn  des  nach  Russland  eingewanderten  Eran  A.,  der 
mit  Auszeichnung  im  russischen  Heere  diente  und  dies  um  das  Jahr  1846 
mit  dem  Range  eines  Generals  verliess.  Anfang  der  60  er  Jahre  finden  wir 
ihn  als  Hospitanten  an  der  Petersburger  Universität.  Hier  durchlebte  er  die 
Zeit  des  Krimkrieges  und  der  darauf  folgenden  grossen  Reformen.  Er  wandte 
sich  mit  vielen  anderen  jungen  Russen  dem  Studium  der  Naturwissenschaften 


326  Arzruni.     Amrein. 

ZU,  aber  die  alsbald  eintretenden  Unruhen  an  der  Universität  zwangen  ihn, 
im  Auslande  die  Gelegenheit  zu  weiterer  Ausbildung  zu  suchen.  Ende  der 
60er  Jahre  wandte  er  sich  mit  seinem  Bruder  Gregor  nach  Heidelberg;  von 
da  kehrten  beide  nach  Vollendung  ihrer  Studien  nach  Tiflis  zurück.  Bald 
kehrte  A.  aber  nach  Deutschland  zurück  und  wurde  1875  Assistent  an  dem 
mineralogischen  Museum  in  Strassburg.  Im  Jahre  1877  habilitierte  er  sich  an 
der  Berliner  Universität,  wo  er  von  1880  bis  1883  die  Stellung  als  Kustos 
des  mineralogischen  Museums  bekleidete.  1883  folgte  A.  einem  Rufe  nach 
Breslau  als  Extraordinarius,  um  aber  bereits  Ostern  1884  die  ordentliche 
Professur  für  Mineralogie  und  Geognosie  an  der  technischen  Hochschule  zu 
Aachen  anzutreten;  er  übernahm  zugleich  die  Leitung  der  mineralogischen 
und  ])etrogTaphischen  Sammlungen  und  des  mineralogischen  Museums.  Die 
Nähe  der  vulkanischen  Stätten  der  Eifel  und  der  Nachbargegenden  führten 
ihn  zu  Forschungen  über  den  Vulkanismus,  die  er  in  Italien  und  später  in 
Armenien  fortsetzte.  Dann  kamen  seine  Reisen  in  den  Ural,  den  er  schon 
1869  besucht  hatte,  und  den  er  1886  im  Auftrage  der  Berliner  Akademie 
genauer  durchforschte.  Seine  letzte  Reise  nach  Südamerika,  von  der  er  im 
April  1896  zurückkehrte,  war  vorzugsweise  der  Auffindung  der  Goldlagerstätten 
gewidmet.  Sie  brachte  ihm  ein  schweres  Malariafieber  und  damit  jene 
Schwächung  seiner  Gesundheit,  welche  die  Hauptursache  seines  Todes  ge- 
worden ist. 

Ausser  einer  beträchtlichen  Reihe  von  fachwissenschaftlichen  Abhand- 
lungen verdankt  man  A.  auch  werthvolle  Forschungen  zur  Geographie  und 
Völkerkunde,  insbesondere  zur  Kenntnis  des  russischen  Reiches.  Ein  um- 
fassendes Wissen,  ein  guter  Blick  und  Erfahrungen  auf  ausgedehnten  Reisen 
vereinigten  sich  bei  ihm,  um  ihm  ein  erfolgreiches  schriftstellerisches  Schaffen 
zu  ermöglichen. 

Vgl.  Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und 
Urgeschichte,   1898,  S.  405 — 408. 

W.  Wolkenhauer. 

Amrein,  Kaspar  Constantin,  Professor  an  der  Kantonsschule  in  St.  Gallen, 
*  am  24.  September  1845  ^"  Luzern,  f  am  15.  September  1898  in  St.  Gallen. 
—  Nach  Besuch  des  (Gymnasiums  in  Luzem,  widmete  sich  A.  seit  1868  auf 
der  Universität  Basel  und  der  Akademie  Neuenburg  philologischen  Studien 
und  wurde  1870  Lehrer  am  kantonalen  Seminar  in  Hitzkirch  (K.  Luzem) 
und  1873  Professor  an  der  Kantonsschule  in  St.  Gallen;  seit  1874  führte  er 
daneben  auch  ein  viel  besuchtes  Familienpensionat  für  Knaben.  Als  im 
Jahre  1878  die  »Ostschweizerische  geographisch-commercielle  Gesellschaft«  ge- 
gründet wurde,  trat  er  derselben  als  ein  eifriges  Mitglied  bei  und  war  seit 
1893  ihr  Präsident.  Auf  vielen  geographischen  Congressen  war  der  Ver- 
storbene schweizerischer  Delegirter,  so  1879  ^^  Brüssel,  1881  in  Venedig, 
1889  in  Paris,  1892  zur  Kolumbusfeier  in  Genua,  1895  in  London.  Als 
Jurymitglied  und  Berichterstatter  der  Gruppe  »Kartographie«  an  der  schweize- 
rischen Landesausstellung  in  Zürich  i.  J.  1883«  verfasste  A.  mit  J.  Rebstein 
einen  sehr  interessanten  Catalog  der  kartographischen  Ausstellung,  der  zu- 
gleich einen  Abriss  des  Entwickelungsganges  der  schweizerischen  Kartographie 
und  des  Katasterwesens  enthielt.  Auch  über  die  geographischen  und  kosmo- 
graphischen  Karten  und  Apparate  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  1889  ver- 
üflfentlichte  er  als  Mitglied  der  internationalen  Jury  einen  eingehenden  Bericht 


Amrein.     Müller. 


327 


(Zürich  1890).     Aus  einem  überaus  thätigen  Leben  riss  ihn  kurz  vor  seinem 
53.  (leburtstage  nach  längeren  Leiden  eine  schwere  Nierenerkrankung. 

Vgl.  den  Nachruf  im  »Tagblatt  der  Stadt  St.  Gallen«,  auch  als  Separatabdruck  er- 
schienen. 

W.  Wolkenhauer. 

Müller,  Friedrich,  Dr.,  Professor  für  vergleichende  Sprachwissenschaft 
und  Sanskrit  an  der  Wiener  Universität,  ♦  am  5.  März  1834  zu  Jemnitz  in 
Böhmen  (Bezirk  Jungbunzlau),  f  am  24.  Mai  1898  zu  Wien  im  Alter  von 
64  Jahren  an  einem  Herzleiden.  Der  Dahingeschiedene  hatte  sich  als  Sprach- 
forscher und  Ethnograph  einen  Weltruf  erworben  und  war  auf  dem  beson- 
deren Gebiete  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  nach  dem  Tode  Georgs 
V.  Gabelentz  wohl  der  Gelehrte,  der  sich  des  weitesten  Ueberblicks  über  das 
Gesammtgebiet  der  sprachlichen  Thatsachen  rühmen  durfte,  und  zugleich  der 
bedeutendste  Vertreter  der  älteren,  von  Schleicher  angebahnten  Richtung  der 
Sprachwissenschaft.  — 

M.  war  der  Sohn  eines  Apothekers,  der  an  der  Schwefelfabrik  in  Jemnitz 
als  Chemiker  angestellt  war.  Seine  Schulbildung  erhielt  er  1845  bis  1848 
in  Wien,  1848  bis  185 1  in  Znaim  und  185 1  bis  1853  wieder  in  Wien.  Im 
letztgenannten  Jahre  begann  er  dann  an  der  Universität  Wien  philosophisch- 
philologische Studien  zu  betreiben.  Da  M.  gänzlich  mittellos  war,  dachte 
er  anfangs  daran,  die  klassisch-philologische  Laufbahn  einzuschlagen,  um  als 
Gymnasiallehrer  sein  Fortkommen  zu  finden.  Nachdem  er  aber  im  Hause 
des  Wiener  Advokaten  Dr.  Eduard  Kafka  als  Hauslehrer  eine  sorgenfreie 
Stellung  gefunden  hatte,  wandte  er  sich  mit  besonderem  Eifer  dem  Studium 
der  orientalischen  Sprachen  und  des  Sanskrit  zu;  in  letzteres  führte  ihn  Pro- 
fessor A.  Boller  ein;  Arabisch,  Persisch,  Hebräisch  und  Aethiopisch  erlernte 
er  durch  Selbststudium.  Friedrich  Müller  und  sein  nachmaliger  College  Leo 
Reinisch,  Professor  für  Aegyptologie  und  Geschichte  des  Orients  an  der 
Wiener  Universität,  waren  damals  die  ersten  jungen  Gelehrten  in  Oesterreich, 
die  sich  dem  Studium  der  orientalischen  Sprachen  widmeten,  obwohl  ein 
derartiges  Studium  in  jener  Zeit  nur  geringe  materielle  Erfolge  und  kaum 
eine  gesicherte  Lebensstellung  versprach.  Nach  Beendigung  seiner  Universitäts- 
studien im  Jahre  1856  nahm  M.  eine  Stelle  als  Corrector  für  orientalische 
Drucke  in  der  kaiserl.  königl.  Hof-  und  Staatsdruckerei  in  Wien  an,  setzte 
daneben  aber  seine  sprachwissenschaftlichen  Studien  mit  eisernem  Fleisse  fort. 
Auf  Grund  einer  Abhandlung  »Ueber  den  Verbalausdruck  im  arisch-semitischen 
Sprachkreise«  (abgedruckt  in  den  Sitzungsberichten  der  philosophisch -histori- 
schen Klasse  der  kaiserlichen  Akademie  Wien,  Bd.  25)  erlangte  er  1858  von 
der  philosophischen  Fakultät  der  Universität  Tübingen  die  Doctorwürde.  In 
demselben  Jahre  trat  er  als  Amanuensis  bei  der  Wiener  Universitätsbibliothek 
ein  und  von  dieser  wurde  er  mit  Beginn  des  Jahres  1861  in  gleicher  Eigen- 
schaft in  die  kaiserl.  königl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  übernommen.  Die 
Doctor-Dissertation  und  einige  andere  kleine  Abhandlungen,  die  M.  inzwischen 
veröffentlicht  hatte,  erschlossen  ihm  bald  die  akademische  Laufbahn;  er 
wurde  im  Jahre  1860  als  Privatdocent  für  allgemeine  Sprachwissenschaft 
und  orientalische  Sprachen  an  der  Wiener  Universität  zugelassen.  Um  die^ 
selbe  Zeit  traf  es  sich  ausserordentlich  günstig  für  ihn,  dass  ihm  eine  lohnende 
und  für  seine  spätere  Laufljahn  bedeutungsvolle  Aufgabe  zu  Theil  wurde. 
Die  österreichische  Fregatte  »Novara«    war  im  August  1859   von   ihrer  zwei- 


328  Müller. 

jährigen  wissenschaftlichen  Reise  um  die  Erde  zurückgekehrt.  Die  Wiener 
Akademie  der  Wissenschaften,  der  die  Bearbeitung  des  auf  der  Fahrt  ge- 
sammelten wissenschaftlichen  Materials  oblag,  übertrug  M.  die  Bearbeitung 
und  Veröffentlichung  der  gesammelten  s])rachlichen  Materialien.  Daraus  ging 
M.'s  »T^inguistischer  Theil«  der  Beschreibung  der  »Reise  der  österreichischen 
Fregatte  »Novara«  um  die  Erde  in  den  Jahren  1857,  1858,  1859«  hervor,  der 
1867  erschien  und  in  dem  er  in  einer  mustergiltigen  Weise  eine  anschauliche 
Uebersicht  über  die  ost-  und  südafrikanischen,  indischen,  australischen  und 
malaisch-polynesischen  Sprachen  gab.  Dieses  Werk  trug  ihm  damals  von  der 
englischen  Regierung  einen  Ruf  an  die  Puna-Hochschule  in  Indien  ein,  den 
er  jedoch  ablehnte.  Auch  die  Bearbeitung  des  »Ethnographischen  Theiles*; 
des  »Novara« -Reisewerkes,  der  1868  erschien,  übernahm  M.  noch  aut 
dringenden  Wunsch  von  Karl  v.  Scherzer,  da  dieser  selbst  verhindert  wurde, 
diese  Arbeit  auszuführen.  Auch  dieser  Theil  fand  ungetheilten  Beifall  und  so 
wurden  diese  beiden  Werke  die  Grundlage  für  M.'s  wissenschaftlichen  Ruf. 
Auch  an  äusseren  Erfolgen  fehlte  es  nicht:  der  Kaiser  von  Oesterreich  verlieh 
ihm  die  Goldene  Medaille  für  Kunst  und  Wissenschaft  und  die  kaiserl.  königl. 
Akademie  der  Wissenschaft  ernannte  ihn  zum  korresi)ondierenden  Mitgliede. 
Inzwischen  war  M.  im  Jahre  1866  auch  bereits  zum  ausserordentlichen 
Professor  der  orientalischen  Linguistik  ernannt  und  bereits  1869  folgte  dann 
seine  Beförderung  zum  ordentlichen  Professor  für  vergleichende  Sprachkunde 
und  Sanskrit  an  der  Wiener  Universität;  in  demselben  Jahre  wurde  er  auch 
zum  wirklichen  Mitgliede  der  kaiserl.  königl.  Akademie  der  Wissenschaften 
ernannt. 

Die  Bearbeitung  des  ethnographischen  Theiles  des  Novara-Werkes  hatte 
M.  in  engere  Berührung  mit  der  Ethnographie  geführt  und  dieser  damals  jung 
aufstrebenden  Wissenschaft  widmete  er  nun  eine  eingehende  Thätigkeit.  Seine 
»Allgemeine  Ethnographie«  (Wien  1873,  2.  Auflage  1879),  mit  der  er  sich  an 
die  Spitze  der  linguistischen  Ethnographie  stellte,  war  die  Hauptfrucht  der- 
selben. M.  suchte  Sprachwissenschaft  und  Naturforschung  in  eine  organische 
Verbindung  zu  bringen.  Seine  vom  sprachlichen  Gesichtspunkte  aus  auf- 
gestellte Eintheilung  des  Menschengeschlechts  in  zwölf  Rassen  schliesst  sich 
eng  an  die  von  Ernst  Häckel,  indem  er  unter  Berücksichtigung  des  natur- 
wissenschaftlichen Rassetypus  eine  genealogische  Klassifikation  nach  dem 
durch  jenen  besonders  betonten  Moment  der  Behaarung  entwarf.  Nach  Be- 
schaffenheit des  Haares  nämlich  zerfallen  die  Menschen  zunächst  in  zwei 
grosse  Abtheilungen,  erstens  in  Wollhaarige  und  zweitens  in  Schlichthaarige. 
Die  ersteren  sind  sämmtlich  langköpfig  und  schiefzähnig*;  sie  wohnen  alle 
auf  der  südlichen  Erdhälfte  bis  zum  Aequator  und  einige  Grade  darüber 
hinaus.  Unter  ihnen  lassen  sich  wieder  unterscheiden:  Büschelhaarige  (Hotten- 
totten, Papuas)  und  Vliesshaarige  (afrikanische  Neger,  KafFern).  Die  Schlicht- 
haarigen  zerfallen  in  Straff  haarige  (Australier,  Hyperboreer,  Amerikaner,  Ma- 
laien, Mongolen)  und  Lockenhaarige  (Dravider,  Nuber,  Mittelländer).  Die 
zwölf  Rassen  theilen  sich  wieder  nach  der  Sprache  in  Volksstämme,  deren  Zahl 
M.'s  genealogische  Uebersicht  achtundsiebzig  aufzählt.  Ein  besonderes  Ver- 
dienst dieser  Eintheilung  liegt  in  der  Aufstellung  der  mittelländischen  Rasse 
und  in  dem  Nachweis  ihrer  Verwandtschaft  mit  den  Nuba-  und  Dravida- 
stämmen.  Zur  mittelländischen  Rasse  zählt  M.:  Basken,  Kaukasusvölker, 
Hamito-Semiten  und  Indogermanen.  M.'s  ethnographische  Gnmdanschauungen 
sind   lebhaft   bekämpft  worden,    dennoch    fand    sein  System    in  Deutschland 


Müller.     Dronke. 


329 


zunächst  weite  Verbreitung,  hat  aber  s])äter  doch  anderen  Rasseneintheilungcn 
(Peschel,  Hartmann,  Gerland,  Ratzel  u.  a.)  mehr  oder  weniger  weichen  müssen. 

Auf  sprachwissenschaftlichem  (iebiete  ist  ausser  dem  oben  erwähnten 
>Linguistischen  Theile«  der  Novara-Reise  M.'s  Hauptwerk  der  »Grundriss  der 
Sprachwissenschaft«  (i.  bis  3.  Band  in  6  AbtheiUmgen;  Wien,  1876  bis  1885), 
das  eine  abschliessende  Frucht  seiner  intensiven  und  extensiven  Beschäftigung 
mit  fast  allen  Sprachen  der  Erde  bildet.  M.  giebt  in  demselben  eine  Ein- 
leitung in  die  Si)rachwissenschaft  und  eine  umfassende  Darstellung  sämmtlicher 
Sprachstämme  der  Erde  mit  Proben  aus  den  einzelnen  Sprachen.  Trotz 
mancher  Angriffe,  die  auch  diese  Gesammtdarstellung  im  Einzelnen  naturgemäss 
erfahren  musste,  wird  sie  doch  immer  ein  imponirendes  Denkmal  seines 
Wissens  und  seiner  weitblickenden,  wie  tief  eindringenden  Beschäftigung  mit 
fast  allen  Sprachen  der  Erde  bleiben. 

Ungemein  gross  an  Zahl  und  dem  Inhalte  nach  sehr  vielfaltig  sind  M.'s 
kleinere  Arbeiten  und  Abhandlungen;  sie  sind  vorzugsweise  in  den  Sitzungs- 
berichten der  philosophisch-historischen  Klasse  der  k.  k.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Wien  abgedruckt;  viele  erschienen  auch  in  Theod.  Benfeys 
»Orient  und  Occident«,  in  der  »Zeitschrift  der  morgenländischen  Gesellschaft«, 
in  den  »Göttinger  Gelehrten  Anzeigen«,  in  Kuhn  und  Schleichers  »Beiträgen 
zur  vergleichenden  Sprachforschung«,  im  »Globus«  und  im  »Ausland«.  Es  ist 
eine  ungewöhnliche  grosse  Arbeit,  die  der  Verstorbene  geleistet  hat,  und 
wenn  man  dazu  erwägt,  wie  sehr  sein  schweres  Augenleiden  —  er  w^ar  auf 
einem  Auge  erblindet  und  die  Sehkraft  des  anderen  war  ebenfalls  geschwächt  — 
seine  Arbeit  behindern  musste,  so  wird  man  seine  überaus  fruchtbare 
Thätigkeit  als  akademischer  Lehrer  wie  als  wissenschaftlicher  Schriftsteller 
noch  mehr  bewundern  müssen.  Mit  der  modernen  Sprachwissenschaft,  nament- 
lich auf  indogermanischem  Sprachboden,  stand  M.,  der  mehr  ein  Vertreter  der 
älteren,  von  Schleicher  angebahnten  Richtung  war,  vielfach  nicht  auf  freund- 
schaftlichem Fuss,  aber  trotzdem  ist  seiner  fruchtbaren,  umfassenden  Thätig- 
keit auch  von  dieser  Seite  die  gebührende  Anerkennung  nicht  versagt  worden. 
Eine  grosse  Zahl  ausländischer  wissenschaftlicher  Gesellschaften  hatten  ihn 
zum  Mitgliede  oder  Ehrenmitgliede  erwählt.  In  der  Geschichte  der  Sprach- 
wissenschaft und  Ethnographie  wird  M.'s  Name  immer  mit  Ehren  genannt 
werden. 

Vgl.  »Deutsche  Rundschau«  für  Geogr.  u.  Statistik,  Wien  1893,  XV.  Jahrgang  und 
»Globus«   1898,  Bd.  LXXIV  mit  Portrait. 

W.  Wolkenhauer. 

Dronke,  Adolf,  Dr.  phil.,  Director  des  Königl.  Kaiser  Wilhelms-Gymnasium, 
ein  geschätzter  Gelehrter  und  verdienter  Schulmann,  *  am  7.  März  1837  zu 
Coblenz,  f  am  10.  Juni  1898  in  Bad  Neuenahr  (Rheinprovinz)  im  eben  voll- 
endeten 61.  Lebensjahre.  —  Adolf  1).  war  der  Sohn  des  damaligen  Gymna- 
sialprofessors Dr.  Ernst  D.  in  Coblenz.  Er  besuchte  das  Gymnasium  zu  Fulda, 
wohin  sein  Vater  als  Director  versetzt  worden  war,  und  bestand  nach  dessen 
Tode  die  Reifeprüfung  an  dem  (iymnasium  zu  Bonn.  Dann  genügte  er  seiner 
Militärpflicht  bei  den  Pionieren  in  Coblenz,  um  darauf  die  Universität  Bonn 
zu  beziehen,  w^o  er  vorwiegend  Mathematik  und  Physik  studirte.  Schon  als 
Student  wurde  er  unter  Plücker  Assistent  bei  dem  physikalischen  Institute 
der  Universität  und  aus  der  gemeinsamen  Arbeit  mit  diesem  berühmten 
Gelehrten  erwuchs  eine  enge  Freundschaft,  die  bis  zum  Tode  Plückers  dauerte. 


330 


Dronke. 


Er  widmete  daher  auch  seinem  Freunde  eine  seine  Bedeutung  würdigende 
Schrift  und  betheiligte  sich  an  der  Herausgabe  seines  wissenschaftHchen  Nach- 
lasses. Die  fruchtbare  Anregung  im  Kreise  Plückers  zeitigte  schon  bei  dem 
jungen  Studenten  eigne  Arbeiten  und  er  promovirte  im  Jahre  1860  mit  der 
Dissertation  »De  theoria  mechanica  quoad  spectat  ad  gasa  permanentia«  zum 
Dr.  philosophiae.  Seine  zahlreichen  Arbeiten  brachten  ihm  eine  Berufung  an 
die  Universität  Prag  ein;  doch  folgte  er  diesem  ehrenvollen  Rufe  nicht,  so 
wie  er  auch  die  ihm  später  auf  Plückers  Empfehlung  gebotene  Gelegenheit, 
Professor  an  der  Universität  Zürich  zu  werden,  ausschlug.  Nach  Ablegung 
der  Staatsprüfung  für  das  höhere  Lehrfach  und  des  vorgeschriebenen  Probe- 
jahres am  Gymnasium  zu  Bonn  übernahm  er  (1861 — 63)  das  Rectorat  der 
höheren  Bürgerschule  zu  Grevenbroich.  Nachdem  er  dann  noch  ein  Jahr 
(Herbst  1863 — 64)  als  Lehrer  am  Progymnasium  in  München-Gladbach  gewirkt 
hatte,  wurde  er  1864  zum  Director  an  die  Provinzial-Gewerbeschule  in  Coblenz 
berufen.  Neben  seiner  pädagogischen  Wirksamkeit  entwickelte  er  hier  auch 
eine  rege  wissenschaftliche  Thätigkeit,  nahm  aber  auch  am  Öffentlichen  Leben 
regen  Antheil.  Er  wirkte  viel  für  die  Entwicklung  des  Handwerks  und  Kunst- 
handwerks und  rief  eine  Sparkasse  für  Handwerker  ins  Leben.  Als  dieses 
Institut  sich  immer  weiter  entwickelte,  nahm  man  eine  Umwandlung  desselben 
zu  der  noch  heute  in  Blüthe  stehenden  »Mittelrheinischen  Bank«  vor,  an  deren 
Spitze  D.  als  Director  gestellt  wurde.  Die  neue  Stellung  und  die  ausschliesslich 
kaufmännische  Thätigkeit  sagte  ihm  aber  doch  nur  wenig  zu.  Als  er  daher 
in  die  durch  den  Rücktritt  des  Directors  Viehoff  frei  gewordene  Direc tor- 
stelle der  Trierer  Realschule  gewählt  wurde,  trat  er  von  der  Leitung  der 
Bank  zurück  und  kehrte  im  Herbst  1875  freudig  in  das  Lehrfach  zurück. 
Mit  der  Geschichte  der  Trierer  Anstalt  ist  der  Name  des  Directors  D.  un- 
trennbar verknüpft.  Unter  seiner  Leitung  entwickelte  sie  sich  zunächst  zum 
Realgymnasium  und  später  zur  Doppelanstalt  als  Kaiser  Wilhelms  -  Gym- 
nasium und  seine  Thätigkeit  als  Lehrer  wie  als  Leiter  war  für  dieselbe  über- 
aus segensreich. 

Doch  die  Schule  erschöpfte  durchaus  nicht  die  Schaffenskraft  des  thätigen 
Mannes;  auch  an  allen  wissenschaftlichen,  künstlerischen,  patriotischen  und 
liberalpoHtischen  Bestrebungen  der  Stadt  Trier  nahm  D.  jederzeit  den  regsten 
Antheil  und  stand  meist  in  dem  Mittelpunkt  derselben. 

Neben  dieser  schulmännischen  und  öffentlichen  Thätigkeit  fand  D.  femer 
noch  Zeit  zu  wissenschaftlichen  und  litterarischen  Arbeiten.  Aus  der  langen 
Reihe  seiner  mathematischen,  physikalischen,  geographischen  und  pädagogischen 
Leitfäden  und  Aufsätze  mögen  nur  folgende  hervorgehoben  werden:  Die 
Elemente  der  ebenen  Geometrie;  Einleitung  in  die  höhere  Algebra;  Einleitung 
in  die  analytische  Theorie  der  Wärmeverbreitung;  Leitfaden  für  den  geogra- 
phischen Unterricht  (Bonn,  5  Theile);  geographische  Zeichnungen  (Bonn  1876, 
3  Hefte);   Die   Geographie   als  Wissenschaft   und   in   der  Schule  (Bonn  18851. 

Den  weitesten  Kreisen  wurde  D.  noch  mehr  bekannt  durch  seine  gemein- 
nützigen Bestrebungen  zur  Erschliessung  und  wirthschaftlichen  Hebung  der 
Eifel.  In  Wort  und  Schrift  wirkte  er  seit  Ende  der  Achtzigerjahre  für  die 
Eifel,  deren  Bewohner  ihm  schon  bei  Lebzeiten  den  Ehrennamen  Eifelvater 
gaben.  Im  Jahre  1888  gründete  er  den  Eifelverein,  und  diesem  rührigen 
Gebirgsvereine  gelang  es,  immer  angefeuert  durch  den  Eifer  seines  (iründers, 
den  zahlreich  aufblühenden  Luftkurorten  des  Eifellandes  einen  alljährlich 
wachsenden  Touristenstrom  zuzuführen.     Die  Neubelebung  der  Fischzucht  in 


Dronke.     v.  Ehner-Eschenbach. 


331 


den  ehemals  fischreichen  Gewässern  der  Eifel  ist  sein  Verdienst.  Sein  »Eifel- 
führer«  von  1889  erschien  1896  bereits  in  6.  Auflage.  Mit  Erfolg  war  er 
auch  bestrebt,  den  Sinn  der  Zusammengehörigkeit  bei  den  Eifelbewohnern 
zu  wecken  und  durch  die  Hebung  des  Selbstbewusstseins  und  des  eigenen 
Kraftgefühles  zur  Selbsthilfe  anzuspornen,  so  dass  sie  der  häufig  in  Anspruch 
genommenen  Mildthätigkeit  oder  der  Staatshilfe  entbehren  lernten.  Mit  grosser 
Liel)e  hing  darum  auch  das  dankbare  Eifelvolk  an  seinem  Wohlthäter,  einem 
Förderer  deutscher  Landeskunde  im  besten  Sinne  des  Wortes. 

Vgl.  Jahresbericht  des  K.  Kaiser  Wilhelms -G}'mnasiuxns  zu  Trier  für  das  Schuljahr 
1898/99  (S.  20 — 22);  Deutsche  Kundschau  f.  Geogr.  u.  Statistik,  Wien  1898,  XX.  Jahrgang, 
S.  520-522  mit  Portrait.  ^   Wolkenhauer. 

Ebner-Eschenbach,  Moriz,  Freiherr  von,  k.  und  k.  Feldmarschall-Lieute- 
nant d.  R.,  *  Wien  27.  November  18 15,  f  ebenda  28.  Januar  1898.  Ent- 
stammt dem  katholischen,  nach  Oesterreich  ausgewanderten  Zweige  eines 
Altnümberger  Patriziergeschlechtes.  Sein  frühverstorbener  Vater  war  hochver- 
dienter, mit  dem  Theresienkreuz  geschmückter  österreichischer  Militär. 
Seine  Erziehung  lag  in  den  Händen  einer  schwärmerisch  verehrten,  ausge- 
zeichneten Mutter.  Seine  Kinderjahre  in  Altwien  schilderte  er  in  der  Geschichte: 
»Ein  Wunder  des  heiligen  Sebastian«  (Cotta,  1897).  Seine  Gymnasialstudien 
absolvirte  er  bei  den  Schotten  und  im  Theresianum,  die  Ferien  verbrachte 
er  meist  auf  den  Gütern  seines  Oheims  Dubsky  auf  Lissitz  und  Zdislavic  in 
Mähren,  besonders  zugethan  der  ersten  Gattin  Dubskys,  einer  geb.  Freiin 
V.  Vockel  (der  Mutter  seiner  Cousine  Marie,  Gräfin  v.  Dubsky,  welch  Letztere 
nachmals  —  1848  —  E.'s  Gemahlin  werden  und  als  Dichterin  den  Namen 
von  Ebner-Eschenbach  zu  einem  unvergänglichen  in  der  Geschichte  der 
deutschen  Erzählungskunst  machen  sollte).  Als  Achtzehnjähriger  trat  E.  in  die 
Ingenieur-Akademie  ein,  1837  wurde  er  Lieutenant  im  Ingenieurcorps,  1840 
Professor  der  Ingenieur-Akademie.  Tüchtige  physikalische  Studien  bei  Ettings- 
hausen  und  Schrötter  befähigten  ihn  späterhin,  technische  Errungenschaften 
der  modernen  Natur forschung  militärischen  Zwecken  dienstbar  zu  machen. 
Nach  dem  Zeugniss  E.  Mach 's  gelang  es  E.  »in  ausgezeichneter  Weise,  i.  die 
veraltete  Minenzündung  durch  die  elektrische  zu  ersetzen,  2.  die  elektrische 
•  Telegraphie  für  den  Felddienst  verwendbar  zu  machen,  3.  einen  Scheinwerfer 
zu  construiren,  der  dem  Feind  den  Vortheil  der  ungestörten  Nachtarbeit  ent- 
ziehen sollte.«  Seine  Zünder  brachten  bei  der  Stadt -Erweiterung  1858  die 
Bastei  Alt- Wiens  zu  Falle.  Auch  sonst  that  er  sich  als  Praktiker  1859  bei 
der  Vertheidigung  von  Venedig  und  i866  bei  dem  Schutze  von  Pola,  Lissa, 
(iravosa  und  Cattaro  hervor.  Als  Lehrer  erwarb  sich  E.  in  Klosterbruck  bei 
Znaim  und  a.  O.  viele  Sympathien  in  der  österreichischen  Armee.  Von  1856 
an  wirkte  E.  in  hervorragender  Weise  als  Mitglied  des  Genie- Comitds.  Auf 
seine  Anregung  sind  die  militärischen  Ausstellungen  Oesterreichs  bei  der 
Pariser  und  Wiener  Weltausstellung  (1867  und  1873)  zurückzuführen.  Zum 
Oberst  und  Generalmajor  emporgestiegen,  schied  er  1874  als  F.  M.  L.  aus 
dem  Militärdienst.  Weite  Reisen  nach  allen  Culturstaaten  Europas  und  nach 
Persien  beschrieb  er  sorgfältig.  In  seinen  letzten  Lebensjahren  legte  er  die 
Ergebnisse  seiner  Erfahrungen  und  Beobachtungen  in  vier  Folio -Bänden 
Denkwürdigkeiten  nieder  (einen  Auszug  aus  dieser  Handschrift  will  die  Familie 
als  Manuscript  für  Freunde  drucken  lassen).  Eine  Reihe  schlichter  Lieder- 
Compositionen  und  zwei  »Wiener  Geschichten«  geben  Zeugniss  flir  die   rege 


^2 2  V.  Ebner-Eschenbach.     Toosbliy. 

Kunstliebe  des  Greises.  E.  hat  nicht  nur  die  beiden  Krzähhingen  ->seiner 
Heben  Krau  Marie«  zugeeignet:  in  der  ersten  »Hypnosis  perennis<c  preist 
sie  ein  Redner  als  »eine  Hochbegnadigte,  die  Alles  weiss,  was  nur  sehr 
Wenige  wissen,  weil  man  es  nicht  lernen  kann,  weil  man  es  nur  als  freie 
Himmelsgabe  empfangen  und  besitzen  kann«.  Im  Verkehr  war  E.  von  ge- 
winnender Einfachheit,  ein  Soldat  und  Gelehrter,  wie  er  sein  soll,  in  aller 
Schlichtheit  der  feinsten  Umgangsformen  sicher,  ein  echter  Aristokrat  der 
Gesinnung  und  Bildung. 

Almanach  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften.  Wien  1898.  Nekrolog  E.'s  von 
E.  Mach  327/8.  —  Die  handschriftlichen  Denkwürdigkeiten  E.'s.  —  Moriz  v.  Ebner- 
Eschenbach:  Zwei  Wiener  Geschichten.  Cotta  1897.  —  Aus  den  Erinnerungen  des 
K.  M.  L.  Moriz  Freiherrn  v.  Ebner-Eschenbach.  Herausgegeben  von  Marie  v.  Ebner- 
Eschenbach.    Beilage  zur  Allg.  Ztg.  225— 227.    230.    1899.      Anton  Bettelheim. 

Toosbüy,  Wilhelm  Friedrich  Christian,  Oberbürgermeister  der  Stadt 
Flensburg,  *  i.  März  1831  in  Eckernförde,  f  19.  September  1898  in  Flens- 
burg. —  T.,  aus  bescheidenen,  kleinbürgerlichen  Verhältnissen  herstammend, 
besuchte  bis  zu  seiner  Confirmation  die  Bürgerschule  seiner  Vaterstadt  und 
von  1847  an  das  Gymnasium  zu  Altona,  das  er  1850  mit  dem  Zeugniss  der 
Reife  verliess,  um  Jura  zu  studiren.  Die  Studienzeit,  die  durch  seine  Theil- 
nahme  am  schleswig-holsteinischen  Erhebungskampfe  eine  längere  Unter- 
brechung erlitt,  führte  ihn  nach  Kiel,  Jena  und  Kopenhagen.  Hier  in  der 
dänischen  Hauptstadt  wurde  er  unmittelbar  nach  dem  im  Jahre  1853  be- 
standenen Amtsexamen  in  dem  ersten  Departement  des  damaligen  Ministeriums 
für  das  Herzogthum  Schleswig  angestellt.  Nach  der  Befreiung  Schleswig- 
Holsteins  kehrte  er  in  die  Heimat  zurück,  bekleidete  zunächst  vom  Februar 
bis  September  1865  den  Posten  eines  Stadtsecretairs  in  Hadersleben,  ver- 
waltete darauf  2  '/j  Jahre  das  Bürgermeisteramt  der  Stadt  Sonderburg  und 
wurde  1868  zum  Bürgermeister  von  Flensburg  ernannt.  Am  25.  Januar  1870 
von  der  Bürgerschaft  zum  Bürgermeister  auf  Lebenszeit  erwählt,  wurde  er 
1871  Oberbürgermeister  und  als  solcher  ins  Herrenhaus  berufen.  Viele  Jahre 
hindurch  war  er  Mitglied  des  schleswig-holsteinischen  Provinziallandtages  und 
des  Provinzialausschusses,  sowie  der  evangelisch-lutherischen  Gesammtsynode 
der  Provinz.  Im  Jahre  1890  verlieh  ihm  Se.  Majestät  der  Kaiser  den 
Charakter  als  Geheimer  Regierungsrath.  —  Drei  Jahrzehnte  lang  hat  T.,  der  ein, 
Verwaltungstalent  ersten  Ranges  war,  an  der  Spitze  des  Flensburger  Gemein- 
wesens gestanden  und  sein  schw^eres,  verantwortungsreiches  Amt  mit  nie  er- 
müdender Berufstreue,  selbstlosester  Schaffensfreudigkeit  und  einer  Hingebung 
verwaltet,  die  ihres  Gleichen  sucht.  Wenn  Flensburg  heute  mit  vollstem 
Rechte  eine  in  jeder  Hinsicht  blühende  Stadt  genannt  wird,  so  verdankt  sie 
diesen  Ruf  in  erster  Linie  ihrem  verstorbenen  Oberbürgermeister.  Ein 
productiver  Verwaltungsbeamter  von  hervorragendster  Bedeutung,  schuf  T. 
auf  allen  Gebieten  Neues  und  Besseres.  Mit  klarem  Blick  erkannte  er  die 
entwickelungsfähigen  Kräfte,  mit  sicherer  Hand  führte  er  sie  zum  Erfolge, 
überall  frisches  Leben  und  Streben  erweckend.  Zu  seinen  unvergänglichen 
Verdiensten  um  die  Stadt  zählt  die  Hebung  ihrer  wirthschaftlichen  Lage,  die 
bei  seinem  Amtsantritt  eine  sehr  schwierige  war,  da  die  alten,  vorzugsweise 
nach  dem  Norden  gerichteten  Handelsbeziehungen  in  P'olge  der  politischen 
Neugestaltung  eine  gefährliche  Einbusse*  erlitten  hatten.  Damit  legte  er  den 
sicheren  Grund  für  ein  gedeihliches  Weiterbauen.  Es  gab  keinen  Zweig  der 
Verwaltung,  dem  er  nicht  seine  Kraft  und  Thätigkeit  in  umfassendstem  Masse 


Toosbüy.     Gidionsen.  xt^ 

widmete,  treu  bis  ins  Kleinste,  aber  doch  stets  von  grossen  Gesichtspunkten 
geleitet.  Hervorgehoben  seien  seine  Bestrebungen  zur  Hebung  des  Volks- 
schulwesens, das  sein  eigentliches  Lieblingsgebiet  bildete,  seine  Fürsorge  für 
das  Handwerk  und  den  Arbeiterstand,  sowie  für  das  Armenwesen,  das  er 
durch  eine  neue,  vortrefflich  durchgeführte  Organisation  zu  fördern  wusste. 
Und  wie  im  Innern,  so  war  er  auch  für  das  Aeussere  der  Stadt  unablässig 
thätig,  verbesserte  ihre  Einrichtungen  und  verlieh  ihr  allmählich  das  schöne, 
reiche  Gewand,  das  sie  heute  ziert.  —  Schroff  scheidet  sich  in  Flensburg 
das  deutsche  und  dänische  Element,  eine  Thatsache,  aus  der  sich  oft 
schwierige  Verhältnisse  ergeben.  Auch  hier  hat  der  Heimgegangene  sich 
bleibende  Verdienste  und  allgemeine  Anerkennung  erworben  durch  den  feinen 
Takt,  mit  dem  er  unter  kräftigem  Eintreten  für  das  Deutschthum  stets  im 
Sinne  der  Aussöhnung  und  des  friedlichen  Zusammenlebens  zu  wirken  und 
die  Gegensätze  zu  mildern  suchte.  Als  Mensch  schlicht  und  anspruchslos, 
treu  und  von  echter,  zum  Helfen  und  Handeln  drängender  Frömmigkeit  be- 
seelt, mit  warmem  Herzen  hilfsbereit  für  Jeden,  der  zu  ihm  kam,  er  mochte 
noch  so  gering  sein,  hat  er,  ein  helles  Vorbild  für  Alle,  sein  ganzes  Leben 
nur  für  Andere  gelebt,  in  Wahrheit  ein  Mann  des  Segens,  gesegnet  und  Segen 
bringend  in  Allem,  was  er  begann  und  vollendete.  Es  gab  keinen  volksthüm- 
licheren  kommunalen  Oberbeamten  in  der  Provinz,  und  die  Stadt  Flensburg 
betrauert  in  ihm  ihren  besten  und  wahrsten  Freund. 

Vgl.  Die  Heimat,  Monatsschrift  des  Vereins  zur  Pflege  der  Natur-  und  Landeskunde 
in  Schleswig-Holstein  etc.,  Jg.  8,  1898,  No.  11 :  P.C.  Hansen,  Oberbürgermeister  Toosbüy, 
mit  Bildniss;  Schleswig-Holsteinischer  Sonntagsbote,  Jg.  9,  1898,  No.  9:  H.  Bircken- 
staedt,  Ein  christliches  Charakterbild;  Flensburger  Norddeutsche  Zeitung  vom  21.  und 
24.  September  1898.  Joh.   Sass. 

Gidionsen,  Albrecht  Wilhelm,  Gymnasialdirector,  *  29.  December  1825 
als  Sohn  des  Organisten  in  Waabs,  f  4.  April  1898  in  Schleswig.  Er  be- 
suchte die  Gymnasien  in  Flensburg  und  Lübeck,  studirte  Philologie  und 
Philosophie  in  Kiel  und  Berlin,  bestand  das  Schulamts-Examen  im  März  1848 
in  Kiel  und  promovierte  im  Januar  1849  zum  Dr.  phil.  Seine  pcädagogische 
Laufbahn  begann  er  am  15.  September  1848  als  sechster  Lehrer  an  der  Ge- 
lehrtenschule zu  Flensburg,  wurde  Michaelis  1852  Oberlehrer  an  der  höheren 
Bürgerschule  in  Oldenburg  (Grossherzogthum)  und  Ostern  1854  Instructor 
Sr.  Hoheit  des  Herzogs  Elimar  von  Oldenburg,  eine  Stellung,  die  ihm  den 
Titel  eines  Grossherzoglich  oldenburgischen  Hofraths  eintrug.  Im  Jahre  1864 
übernahm  er  die  Leitung  des  Gymnasiums  in  Husum,  von  wo  er  im 
October  1870  als  Director  an  die  Domschule  in  Schleswig  versetzt  wurde. 
1893  trat  er  in  den  Ruhestand  und  behielt  seinen  Wohnsitz  in  Schleswig. 

G.  war  eine  durchaus  bedeutende  Persönlichkeit,  als  Lehrer  und  Ge- 
lehrter wie  als  Mensch  gleich  hervorragend,  und  so  sind  auch  die  Wirkungen, 
die  von  ihm  ausgingen,  immer  gross  und  tief  gewesen.  »An  die  Spitze  der 
irdischen  Dinge  gestellt,  verhält  der  Mensch  sich  ihnen  gegenüber  entweder 
erkennend  oder  handelnd.  Schon  die  Richtung  kennzeichnet  den  Gegensatz. 
Im  Erkennen  tritt  die  Welt  in  den  Menschen  hinein,  im  Handeln  der  Mensch 
in  die  Welt  hinaus.  Worin  sie  aber  beide  eins  sind,  das  ist  das  Erfülltsein 
von  jenen  göttlichen  Gedanken,  welche  nachzudenken  und,  an  den  Grenzen 
des  Diesseits,  im  Glauben  zu  ahnen  die  höchste  Aufgabe  des  Erkennens,  und 
welche  verwirklichen  zu  helfen  die  höchste  Aufgabe  des  Handelns  ist.«  Diese 
schlichten  Worte  des  Heimgegangenen  —  sie  finden  sich  in  der  am  22.  März 


334 


Gidionsen. 


1867  zu  Husum  gehaltenen  Schulrede  —  werfen  ein  helles  Licht  auf  seine 
ganze  Lebensauffassung  und  die  Ziele,  die  er  für  sich  und  Andere  erstrebte. 
In  diesem  Sinne  hat  er  stets  geforscht,  gelehrt  und  gewirkt.  Schwer,  ja 
unmöglich  ist  es,  den  ganzen  Umfang  solchen  Wirkens  zu  ermessen  und  zu 
bestimmen.  Aber  man  braucht  nur  an  die  grosse  Gemeinde  der  Schüler 
dieses  unvergleichlichen  Mannes  zu  denken  und  an  den  reichen  Segen,  den 
sie  von  ihm  mit  hinausgenommen  haben  ins  Leben,  so  empfindet  man  deut- 
lich die  Grösse  des  von  ihm  Geschaffenen,  ein  Lebenswerk,  wohl  werth,  dass 
man  es  dankbar  rühme.  Niemand  vermochte  sich  dem  Zauber  dieses  vor- 
nehmen, harmonischen  Geistes  zu  entziehen.  Darum  erreichte  G.  als  Lehrer 
so  viel,  weil  er  als  ein  echter  Denker  lehrte,  der  mit  den  höchsten  Problemen 
menschlichen  Erkennens  rastlos  suchend  gerungen  hatte,  und  weil  es  ihm  ge- 
lang, das  Einzelne  stets  mit  dem  Ganzen  der  Bildung  in  fruchtbare  Beziehung 
zu  setzen.  Diese  ideale  Richtung  aufs  Ganze  tritt  auch  bereits  in  der  schönen 
Schulrede  »Von  der  Bildung«  (Flensburg  1850)  klar  zu  Tage.  —  Mit  be- 
sonderem Eifer  behandelte  G.  den  Horaz,  dessen  epikureische  Lebensweisheit 
ihn  sympathischer  berührte,  als  die  spröden  und  strengen  Lehren  der  Stoa. 
Wir  verdanken  ihm  eine  vortreflfliche  deutsche  Uebersetzung  oder  vielmehr 
Nachdichtung  der  als  Ars  poetica  berühmten  Epistel  an  die  Pisonen  (Pro- 
gramm der  Husumer  Gelehrten-Schule,  Ostern  1865).  Nicht  minder  anregend 
gestalteten  sich  seine  Plato- Stunden.  Wie  eine  Weihe  lag  es  oftmals  über 
ihnen,  wenn  er  in  der  Erklärung  und  Vermittlung  der  Gedanken  des  griechi- 
schen Weisen  den  unerschöpflichen  Reichthum  seines  Geistes  und  Gemüthes 
offenbarte.  In  seinem  eigensten  Elemente  war  er  bei  Goethe,  dem  Dichter, 
den  er  von  allen  Denkern  am  höchsten  verehrte,  und  meisterhaft  verstand  er 
es,  ihn  seinen  Schülern  nahe  zu  bringen  und  ihnen  seine  Werke  sowohl 
ästhetisch  als  besonders  auch  moralisch  wirksam  zu  machen.  Oefters  pflegte 
er  Goethe'sche  Sprüche  für  das  »Merkbuch«  zu  diktiren,  wie  er  denn  über- 
haupt für  den  Aphorismus  eine  besondere  Vorliebe  besass  und  sich  auch 
selbst  häufig  auf  diesem  Gebiete  versucht  hat.  In  verschiedenen  Journalen 
finden  sich  anonyme  Beiträge  dieser  Art  von  ihm.  Wenn  aber  behauptet 
worden  ist,  er  habe  auch  an  den  »Gedankensplittern*  der  »Fliegenden 
Blätter«  mitgearbeitet,  so  beruht  dies  auf  einem  Irrthum.  Im  Uebrigen  ist  er 
litterarisch  wenig  hervorgetreten.  Abgesehen  von  den  schon  erwähnten 
Publikationen  haben  wir  von  ihm  kleinere  Beiträge  in  der  Zeitschrift  für 
Gymnasialwesen  und  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  für  Philologie  und  Pädagogik 
sowie  eine  Anzahl  Schulreden,  die  bei  Alberti  (siehe  unten!)  verzeichnet  sind. 
Sein  Hauptwirken  war  practischer  Natur,  es  gehörte  der  Schule  an,  und  der 
Same,  den  er,  erfüllt  von  wahrem  Idealismus  und  von  Begeisterung  für  alles 
Echte  und  Edle  getragen,  ausstreute,  er  hat  gute  unvergängliche  Früchte  ge- 
tragen und  manchem  seiner  Schüler  geholfen,  die  grossen  und  schweren 
Aufgaben  des  Lebens  leichter  und  freier  zu  lösen.  Seinen  eigenen  Gedanken 
über  diese  Aufgaben  unserer  Zeit  und  ihre  Lösung  hat  er  einmal  in  folgendem 
schönen  Spruche  Ausdruck  verliehen: 

Diese  Zeit  —  verkenn'  es  nicht. 

Was  sie  ganz  vernehmlich  spricht  — 

Will  von  Dir  und  mir  und  Allen, 

Dass  wir  nicht  uns  selber  leben. 

Sondern  für  das  Ganze  streben. 

Und,  wenn's  sein  muss,  kämpfend  fallen  1 


Gidionsen.     Iwersen. 


335 


Vgl.  Alberti,  Lexikon  der  Schleswig-Holstein-Lauenburgischen  Schriltsteller,  1829 — 66, 
Abth.  I,  S.  254-55,  u.  i866 — 82,  Bd.  i,  S.  208—9;  Jahresbericht  über  die  Königliche 
Domschule  zu  Schleswig,  Ostern  1894;  Schleswiger  Nachrichten  v.  6.  April  1898;  Kieler 
Zeitung  v.  17.  April  1S9S. 

Joh.  Sass. 

Iwersen,    Adelheid    Marie    Catharine    Nicoline    Andree,    geb.    Fritz, 

Schriftstellerin,  *  25.  August  1829  in  Flensburg,  f  in  der  Irrenanstalt  zu 
Kropp  bei  Schleswig  am  19.  September  1898.  Die  äusseren  Schicksale  dieses 
Frauenlebens  sind  in  wenig  Worten  erzählt.  Adelaide  Marie  —  unter  diesem 
Pseudonym  schrieb  und  dichtete  sie  —  empfing  ihre  Bildung  ausschliesslich 
durch  den  Sprachlehrer  G.  Brackenhoeft  in  Hamburg.  Seit  1847  lebte  sie 
in  ihrer  Vaterstadt  als  Privatlehrerin  der  deutschen,  französischen  und  engli- 
schen Sprache.  Einer  Reise  nach  Paris,  die  sie  im  Jahre  1851  unternahm, 
verdankte  sie  die  fruchtbarsten  Anregungen  und  eine  bleibende  Förderung 
ihrer  geistigen  Entwickelung.  Unter  Anderen  lernte  sie  dort  Victor  Hugo 
und  Heinrich  Heine  kennen.  1854  verheirathete  sie  sich  mit  dem  Kaufmann 
und  Journalisten  Julius  I.  in  Flensburg,  mit  dem  sie  1859  nach  Rendsburg 
übersiedelte,  das  seitdem  ihr  Wohnsitz  blieb.  Ihre  Hauptthätigkeit  entfaltete 
sie  als  Mitarbeiterin  einer  ganzen  Anzahl  von  Zeitungen  und  Zeitschriften, 
in  denen  sie  zahlreiche  Gedichte,  Uebersetzungen,  Feuilletons,  Reiseskizzen, 
Märchen  und  andere  Beiträge  verschiedenster  Art  veröffentlicht  hat.  Cha- 
rakteristisch ist  ihr  glühender  Patriotismus.  Sie  war  Schleswig- Holsteinerin 
mit  Leib  und  Seele,  und  als  die  grosse  Bewegung  des  Jahres  1848  kam,  hat 
sie  auch  auf  dem  Felde  der  Politik  manch  wackeres,  streitbares  Wort  gesagt 
und  gesungen,  eine  eifrige  Mitkämpferin  für  Schleswig-Holsteins  Recht  und 
Freiheit.  Ihre  politischen  Lieder  spiegeln  treu  die  Stimmung  wieder,  die  in 
jenen  Tagen  der  Unterdrückung  durch  fremde  Gewalt  weite  Kreise  beseelte. 
Eine  Auswahl  ihrer  Gedichte  erschien  1886  unter  dem  Titel:  Traum  und 
Leben.  Liedesklänge  aus  Schleswig-Holstein  von  Adelaide  Marie.  Was  die 
Dichterin  hier  in  drei  Hauptgruppen :  Frauenliebe  —  Frauenleben,  Heimathklänge 
aus  vergangenen  Tagen,  Fremde  Gedichte  in  deutschem  Gewände,  zusammen- 
gcf.isst  hat,  gewährt  einen  klaren  Ueberblick  über  ihr  poetisches  Streben  und 
Schaffen.  Wir  finden  eine  phantasie volle  Frauennatur,  der  die  Kunst,  poetisch 
zu  leben  und  Erlebtes  zu  poesiren,  offenbar  in  hohem  Maasse  eigen  war.  Da 
ist  viel  warmes,  tiefes  Empfinden,  in  schöne,  anmuthige  Form  gegossen,  gar 
oft  ein  guter,  reiner  Klang,  dem  man  gerne  lauscht,  und  mehr  als  ein 
duftiges  Stimmungsbild,  aus  dem  der  Sonnenstrahl  echter  Lyrik  hervorleuchtet. 
Die  Uebersetzungen  Victor  Hugo'scher  Gedichte,  die  im  letzten  Abschnitt 
geboten  werden,  verdienen  hohe  Anerkennung,  sie  zeugen  von  feinem  Nach- 
empfinden und  meisterhafter  Beherrschung  der  Sprache.  Alles  in  Allem  ist 
es  ein  liebenswürdiges  Büchlein  und  doppelt  zu  schätzen  wegen  der  an- 
si)ruchslosen  Gesinnung  derjenigen,  die  es  uns  als  Vermächtniss  hinterliess.  — 

»Es  war  ein  Leben  nur 
Und  nur  ein  Sterben, 
Und  kam,  auch  eine  Spur 
Sich  zu  erwerben.« 

Vgl.  Alberti,  Lexikon  der  Schlesw.-Holst.-Lauenb.  Schriftsteller,  1829 — 66,  Abth.  i, 
S.  431—32  u.  1866 — 82,  Bd.  I.  S.  359;  A.  Hinrichsen,  Das  literarische  Deutschland, 
2.  Aufl.,  1891,  S.  649;  Rendsburger  Wochenblatt  v.  20.  Sept.   1898. 

Joh.  Sass. 


336  Wehrmann. 

Wehrmann,  Carl  Friedrich,  Historiker,  Staatsarchivar  der  Stadt  Lübeck, 
*  30.  Januar  1809  in  Lübeck,  f  daselbst  11.  September  1898.  Sein  Vater, 
der  Collaborator  am  Katharineum  war,  starb  sehr  früh,  ehe  der  Knabe  das 
zehnte  Lebensjahr  vollendet  hatte.  Von  da  an  übernahm  seine  vortreifliche 
Mutter  die  Fürsorge  für  seine  Erziehung.  Im  Herbst  1827  bezog  W.  die 
Universität  Jena,  um  Theologie  zu  studiren.  Seine  patriotische  Gesinnung 
führte  ihn  hier  der  deutschen  Burschenschaft  zu.  Für  seine  lebhafte  Theil- 
nahme  an  der  nationalen  Bewegung,  die  damals  durch  ihre  Reihen  ging,  ist 
er  später  noch  zur  Rechenschaft  gezogen  und,  wenn  auch  nur  milde,  bestraft 
worden.  Ausser  den  theologischen  trieb  er  auch  philosophische  und  historische 
Studien,  die  er  nach  Verlauf  von  fünf  Semestern  in  Berlin  fortsetzte.  Hier 
wurde  besonders  Schleiermacher  von  bestimmendem  Einfluss  auf  seine  theo- 
logische Richtung.  Nach  Beendigung  des  Universitätsstudiums  fand  W.  zunächst 
eine  Stellung  als  Lehrer  in  dem  Erziehungsinstitute  des  bekannten  Arztes  und 
Sprachforschers  Carl  Ferdinand  Becker  in  OfFenbach.  Nach  zweijähriger 
anregender  Lehrthätigkeit  daselbst  kehrte  er  in  seine  Vaterstadt  zurück  und 
bestand  hier  das  theologische  Amtsexamen.  Da  jedoch  die  Aussichten,  ein 
geistliches  Amt  zu  erlangen,  wegen  der  damals  vorhandenen  grossen  Zahl  von 
Candidaten  sehr  ungünstig  waren,  entschied  er  sich  endgiltig  für  den  Lehrer- 
beruf und  übernahm  im  Jahre  1840  die  Leitung  der  Ernestinenschule  in 
Lübeck,  einer  seit  1804  bestehenden  höheren  Mädchenschule.  Seine  Musse- 
stunden  verwandte  er  mit  grösstem  Eifer  auf  das  Studium  der  Geschichte. 
Auch  trat  er  in  die  Redaction  der  »Neuen  Lübeckischen  Blätter«  ein  und 
fand  so  Gelegenheit,  in  Gemeinschaft  mit  einer  Anzahl  gleichgesinnter  Männer 
auf  weitere  Kreise  zum  Wohle  des  Gemeinwesens  zu  wirken.  Im  Jahre  1854 
wurde  er  vom  Senat  zum  Staatsarchivar  erwählt  und  erst  damit  gelangte  er 
in  seinen  eigentlichen  Beruf  und  an  den  Platz,  wo  er  sein  Bestes  leisten  und 
seine  reichen  Gaben  in  vollem  Umfang  entfalten  und  verwerthen  konnte. 
Zunächst  galt  es,  den  gesammten  Urkunden  bestand  des  Archivs  neu  zu  ordnen 
und  zu  verzeichnen,  eine  überaus  mühselige  Aufgabe,  die  W.  glänzend  gelöst 
hat.  Die  erste  litterarische  Frucht  seiner  archivalischen  Thätigkeit  war  die 
Herausgabe  der  älteren  Lübeckischen  Zunftrollen.  Dies  Buch,  mit  dem  er 
1864  hervortrat,  en^^arb  ihm  sogleich  eine  geachtete  Stellung  unter  den  deut- 
schen Geschichtsforschern.  Eine  zweite  Ausgabe  erschien  1872.  Seit  dem 
Jahre  1845  gehörte  er  dem  Verein  für  Lübeckische  Geschichte  an,  der  damals 
gerade  den  ersten  Band  des  Lübeckischen  Urkundenbuches  herausgegeben 
hatte.  W.  begann  sofort  die  umfassendsten  Studien  zur  Weiterführung  dieses 
Unternehmens,  in  dessen  Fortsetzung  und  Vollendung  er  seine  besondere 
Lebensaufgabe  erkannte.  Ihm  gebührt  denn  auch  der  Hauptantheil  und  das 
grösste  Verdienst  an  dem  Werke,  das  für  die  ganze  nordische  Geschichts- 
forschung von  geradezu  monumentaler  Bedeutung  ist.  Die  Bände  4  bis  10 
rühren  ausschliesslich  von  ihm  her.  Die  Arbeit  am  zehnten  hat  den  greisen 
Gelehrten,  der  sein  Amt  als  Archivar  am  i.  April  1892  niedergelegt  hatte, 
bis  in  seine  letzten  Lebenstage  hinein  beschäftigt.  Weitere  selbständige  Bücher 
hat  W.  nicht  geschrieben.  Dagegen  veröffentlichte  er  in  der  »Zeitschrift  des 
Vereins  für  Lübeckische  Geschichte«,  in  den  »Hansischen  Geschieh tsblättemc 
und  an  anderen  Orten  zahlreiche  kleinere  Abhandlungen  und  Vorträge,  in 
denen  er  die  Resultate  seiner  Forschungen  auf  den  verschiedenen  Gebieten 
der  vaterstädtischen  und  nordischen  Geschichte  niederlegte.  Die  Fülle  von 
Belehrung,  welche  diese  Arbeiten   in   klarer,   lebendig- lichtvoller  Darstellung 


Wehrmann.     Gehrts.  33  y 

bieten,  wird  jedem  Bearbeiter  hansischer  Geschichte  immer  wieder  die  grössten 
Dienste  leisten.  Liebe  zur  Vaterstadt  war  der  Grundzug  in  W.'s  Wesen  und 
die  Triebfeder  seines  ganzen  Lebens.  Aufs  Schönste  bekundete  er  diese  Ge- 
sinnung auch  als  Mitglied  des  Freimaurerbundes,  in  den  er  sich  bereits  in  seinen 
Jünglingsjahren  hatte  aufnehmen  lassen.  So  lebte  er  in  immer  aufsteigender 
Entwickelung  und  von  edelstem  Geiste  durchdrungen  sein  äusserlich  so  ein- 
faches, an  Mühen  und  Aufopferung  reiches,  aber  glückliches  und  gesegnetes 
Leben  bis  an  die  fernste  Grenze  menschlichen  Daseins.  Lübecks  Grösse  blieb 
in  Allem  seines  Strebens  letztes  Ziel,  und  unter  den  Männern,  die  hierfür 
ihre  besten  Kräfte  eingesetzt  und  wahrhaft  Bedeutendes  geleistet  haben,  wird 
\V.  stets  als  einer  der  ersten  genannt  werden.  Als  er  im  Januar  1889  seinen 
achtzigsten  Geburtstag  feierte,  wurde  ihm  bereits  die  höchste  Ehre  zu  Theil, 
die  der  Lübeckische  Staat  einem  verdienten  Beamten  gewähren  kann,  die 
grosse  goldene  Denkmünze  mit  der  Inschrift:  Bene  merenti. 

Vgl.  Hamburgischer  Correspondent,  Morgen-Ausg.  v.  23.  October  1898:  A.  Hagedom, 
Zum  Andenken  an  Dr.  C.  F.  Wehrmann;  Hamburger  Nachrichten,  Morgen-Ausg.  v.  13.  Sep- 
tember 1898;  Zeitschrift  des  Vereins  für  Lübeckische  Geschichte,  Bd.  8,  Hft.  i,  S.  201  ff.: 
M.  Hoffmann,  Zum  Gedächtniss  C.  F.  Wehrmanns,  nebst  einem  Vcrzeichniss  seiner  sämmt> 
liehen  Schriften. 

Job.  Sass. 

Gehrts,  Karl  Heinrich  Julius,  Maler,  *  11.  Mai  1853  in  Hamburg, 
t  17.  Juli  1898  in  einer  Heilanstalt  zu  Endenich  bei  Bonn,  lieber  seinen 
Lebensgang  und  die  Entwickelung  seiner  Kunst  giebt  G.  selbst  genauen  Auf- 
schluss  in  seiner  in  der  »Kunst  für  Alle«  (Jg.  3,  Heft  7  u.  8)  erschienenen 
humorvollen  Autobiographie:  Von  damals  bis  heute.  Eine  wortreiche  Bilder- 
Selbstgeschichte.  Seine  Jugend  verlebte  er  in  engen  und  dürftigen  Verhält- 
nissen. Der  Vater  war  Dekorationsmaler,  »Maler  grossen  Stiles«,  wie  ihn 
der  Sohn  in  seiner  drastischen  Weise  bezeichnet.  Da  er  hierbei  jedoch  in- 
folge der  Konkurrenz  keine  glänzenden  Geschäfte  machte,  gab  er  die  »monu- 
mentale Richtung«  auf  und  malte  dutzendweise  Schweizerlandschaften,  mit 
denen  die  Mutter  dann  hausiren  ging.  Schon  früh  regte  sich  in  G.  die 
Künstlernatur,  mit  den  Schuljahren  erfasste  ihn  die  Lust  am  Zeichnen  immer 
mehr,  und  bald  stand  es  für  ihn  fest:  er  wollte  Maler  werden.  Aber  der 
Vater  setzte  diesem  Wunsche  zunächst  ein  entschiedenes  Nein  entgegen,  er 
hatte  nicht  das  geringste  Vertrauen  zu  dieser  Künstlerlaufbahn.  Dagegen 
willigte  er  ein,  als  der  Sohn  ihm  erklärte,  sich  der  Musik  widmen  zu  wollen. 
So  erlernte  G.  mit  12  Jahren  Violin-  und  Klavierspiel,  componirte,  gab  bald 
auch  selbst  Unterricht  und  spielte  an  Sonntagabenden  in  den  Vorstadtlokalen 
sechs  Stunden  für  einen  Thaler.  Daneben  Hess  er  die  geliebte  Zeichen-  und 
Malkunst  keineswegs  liegen.  Bald  musste  er  dem  Vater  bei  den  Dutzend- 
bildem  helfen,  lieferte  zwei  bis  vier  Schweizerlandschaften  pro  Tag  und  durfte 
dann  zur  Belohnung  abends  die  Hamburger  Gewerbeschule  besuchen.  Hier 
erregte  er  in  kurzer  Zeit  die  Aufmerksamkeit  seiner  Lehrer,  und  vor  allen 
war  es  der  Director  O.  Jessen,  der  spätere  hochverdiente  Leiter  der  Berliner 
Handwerkerschule,  der  das  echte  Talent  des  jungen  G.  richtig  erkannte  und 
darauf  den  Widerstand  des  Vaters  gegen  die  weitere  künstlerische  Ausbildung 
seines  Sohnes  zu  besiegen  wusste.  Für  die  Kosten  wurde  durch  Stipendien 
gesorgt,  und  im  Herbst  1871  ging  G.  auf  Jessen's  Rat  nach  Weimar,  wo  er 
zunächst  Schüler  von  Karl  Gussow  wurde,  der  als  Lehrer  das  Hauptgewicht 
auf  technische  Malübungen  legte.     Dies   sagte  G.   wenig   zu,    und    als    bald 

Biog;!.  Jahrb.  n.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  2  2 


3^8  Gehrts. 

darauf  Albert  Baur,  der  ein  ebenso  tüchtiger  Komponist  wie  Zeichner  war, 
nach  Weimar  kam,  schloss  er  sich  mit  Begeisterung  an  diesen  an.  »Zeichnen 
und  Komponiren  that  ich  fürs  Leben  gem.«  Baur  war  nach  jeder  Richtung 
hin  überaus  anregend,  er  erstrebte  höhere  Ziele  und  Hess  jedem  Schüler  in 
der  Entwickelung  seiner  Eigenart  völlige  Freiheit,  wobei  doch  wieder  alle  den 
Lehrsatz  des  Meisters:  »erst  kommt  die  Wahrheit,  dann  die  Schönheit«,  durch- 
aus anerkannten.  Er  veranstaltete  Komponirabende,  die,  wie  G.  erzählt,  zu 
seinen  schönsten  Erinnerungen  aus  jener  Zeit  gehören.  In  erster  Linie  Ge- 
schichtsmaler, stellte  Bauer  hier  vorzugsweise  Aufgaben  geschichtlichen  Inhalts, 
und  da  G.  ungetähr  der  einzige  unter  seinen  Schülern  war,  der  sich  der 
Historienmalerei  widmen  wollte,  so  entstand  zwischen  beiden  ein  besonders 
inniges  Verhältniss,  dem  der  Jünger  unendlich  viel  zu  verdanken  hatte.  Rast- 
los arbeitete  er  vorwärts,  von  glühender  Sehnsucht  erfüllt,  das  höchste  Ziel 
zu  erreichen,  in  monumentalen  Werken  sein  Können  zu  bethätigen.  Und 
doch  ruhten  die  tiefsten  Wurzeln  seines  künstlerischen  Wesens  in  einem  anderen 
Lebensgrunde.  Die  Welt  der  Romantik  war  sein  eigentliches  Gebiet,  im 
Reich  des  Phantastischen  und  Idealen,  im  deutschen  Märchenwalde  lag  die 
Heimat  dieser  Künstlerseele.  Das  ganze  Völklein  der-  Elfen,  Nixen  und 
Gnomen  war  ihm  unterthan.  Er  brauchte  nur  den  Zauberstab  zu  rühren, 
da  regte  sich  aller  Enden  das  fröhliche  Gelichter,  in  holden  und  lustig-tollen 
Gestalten  einherzuwandeln  vor  den  Augen  froh  erstaunter  Menschen.  Gleich 
der  erste  grössere  Auftrag,  der  ihm  in  jener  Zeit  zu  Theil  wurde,  führte  ihn 
auf  diesen  Pfad.  »Der  Commerzienrath  H.  C.  Meyer«,  so  berichtet  G.  selbst, 
»wünschte  im  Herbst  1873  für  ein  kleines  Vergnügungshäuschen  auf  seinem 
Landsitz  bei  Harburg  eine  Reihe  von  fünfzehn  flott  in  Gel  färben  skizzirten 
Jagddarstellungen.  Das  Häuschen,  Jagdhütte  genannt,  war  einer  Harzer 
Köhlerhütte  getreu  nachgebildet.  Da  nun  für  lebensgrosse  Figuren  die  Flächen 
zu  klein,  für  kleineren  Massstab  aber  der  Malgrund  (unbehobeltes  Holz)  viel 
zu  rauh  war,  machte  ich  den  Vorschlag,  Jagdbilder  aus  dem  Gnomenleben 
zu  malen,  —  denn  lebensgrosse  Gnomen  hatten  Platz.  Mein  Vorschlag  wurde 
angenommen  und  sofort  zur  Ausführung  gebracht.  Innerhalb  fünf  Wochen 
waren  die  fünfzehn  Bilder  entworfen  und  gemalt.  Von  da  an  musste  ich  ein 
ganzes  Heer  von  Gnömchen,  Kobolden  und  Wichtelmännlein  ans  Tageslicht 
locken;  schliesslich  fühlte  ich  mich  selber  ganz  Gnom.«  Als  solcher  schreitet 
der  Künstler  auch  in  den  köstlichen  Illustrationen  zu  der  anfangs  erwähnten 
Selbstbiographie  an  uns  vorüber.  Neben  diesem  Gnomenspuk,  in  dem  er  die 
ganze  Fülle  seines  Humors  entfaltet,  schuf  er  damals  in  Weimar  auch  bereits 
eine  Reihe  von  biblischen  Kompositionen.  Auch  die  ersten  Aquarellversuche 
fallen  in  diese  Zeit.  Für  das  erste  Bild  der  Art,  das  als  Hochzeitsgeschenk 
des  Weimarischen  Officiercorps  für  die  Prinzessin  Marie  von  Sachsen  bestimmt 
war,  wählte  er  das  Motiv  »Orientalischer  Händler  auf  der  Wartburg«.  (Abb. 
in  den  Meisterwerken  der  Holzschneidekunst,  Bd.  i,  Lfg.  6).  Seitdem  ent- 
standen im  Lauf  der  Jahre  eine  grosse  Anzahl  Aquarelle,  darunter  im  Jahre 
1885  als  Perle  von  allen  voll  Humor,  Geist,  Farbenglut  und  Glanz  das  schöne 
Bild  «Petrucchios  Hochzeit«  (nach  Shakespeare's  »Der  Widerspenstigen  Zäh- 
mung«), das  später  in  dem  »Gastmahl  des  Macbeth«  ein  nicht  minder  be- 
deutendes Pendant  erhielt.  Von  tiefstem  Einfluss  wurde  für  G.  die  Bekannt- 
schaft mit  der  Musik  Richard  Wagners.  Nach  aniänglicher  Abneigung  war 
er  bald  einer  ihrer  glühendsten  Verehrer  geworden,  woran  nicht  zum  ge- 
ringsten die  Stoffe,  ihre  poetische  Auffassung  und  dramatisch-malerische  Dar- 


Gehrts. 


339 


Stellung  auf  der  Bühne  ihren  Antheil  hatten.  Hier  fand  er  sozusagen  »ant- 
wortende Gegenbilder«  dessen,  was  in  seiner  eigenen  Phantasie  lebte  und 
nach  Gestaltung  drängte.  Mit  wahrem  Feuereifer  begann  er  nun  das  Studium 
des  Mittelalters  und  der  deutschen  Culturgeschichte,  das  ihn  zu  manchem 
farbenprächtigen  Bilde  anregte.  Inzwischen  wurde  die  Bibel  keineswegs  ver- 
nachlässigt. Mit  ihr  blieb  er  immer  auf  Engste  verbunden,  ja  seine  besten 
illustrativen  Arbeiten  sind,  wie  er  selbst  sagt,  religiösen  Charakters.  Er  mag 
dabei  wohl  in  erster  Linie  an  seine  Bilder  zu  der  »Nachfolge  Christi«  des 
Thomas  a  Kempis  denken.  — 

Im  Herbst  1876  siedelte  Albert  Baur  von  Weimar  nach  Düsseldorf  über, 
G.  folgte  ihm  und  fand  hier  eine  zweite  Heimat.  Hier  gründete  er  sich  1879 
auch  den  eigenen  Herd,  nachdem  er  in  einer  hochbegabten  gleichgestimmten 
Schülerin  die  Gefährtin  seines  Lebens  und  seiner  Kunst  gewonnen  hatte. 
In  Rath  bei  Düsseldorf  baute  er  sich  das  ganz  in  romanischem  Stil  aus- 
gestattete Haus  Waldfrieden,  das  eine  Welt  poesievollsten  Glückes  umschloss. 
Als  erste  Arbeit  vollendete  er  hier  das  von  einem  Hamburger  Kaufmann 
bestellte  grössere  Oelgemälde :  Minnesänger  in  einer  »burgherrlichen«  Familie 
und  führte  in  der  Folge  einige  von  den  Entwürfen  aus,  die  er  auf  jene  Be- 
stellung hin  —  es  war  ein  Bild  aus  der  deutschen  oder  hamburgischen  Ge- 
schichte gewünscht  worden  —  angefertigt  hatte.  Von  diesen  sind  »Das  Gast- 
mahl des  Markgrafen  Gero«  und  »Die  Ankunft  des  Seeräubers  Störtebeker 
in  Hamburg«  auch  in  weiteren  Kreisen  bekannt  geworden.  (Vgl.  die  Repro- 
ductionen  im  »Daheim«,  Jg.  1882,  Nr.  14  und  in  den  Meisterwerken  der  Holz- 
schneidekunst, Bd.  I,  Lfg.  4).  Der  »Störtebeker«  wurde  der  Anfang  seiner 
ülustrativen  Thätigkeit,  die  schliesslich  einen  fast  unübersehbaren  Umfang 
annahm.  Die  Dichtungen  der  Klassiker,  wie  Schillers  Demetrius  und  Goethes 
Reineke  Fuchs,  die  deutschen  Märchenbücher  und  die  Werke  modernei 
Dichter,  sie  alle  schmückte  er  mit  den  lebensvollen  Bildern,  in  denen  seine 
unerschöpfliche  Phantasie  die  Gestalten  der  Poesie  erschaute.  Und  immer 
war  es  reifste  Kunst,  die  er  auch  hier  bot,  überall  offenbart  sich  die  Hand 
des  Meisters,  der  auch  für  diese  Aufgabe  seine  ganze  Kraft  einsetzt.  Die 
beiden  Bilderreihen:  »Amor  bei  Jung  und  Alt«  und  das  »Hochzeitsmärchen 
für  Jung  und  Alt«  zählen  zum  Schönsten,  was  G.  als  Illustrator  geschaffen. 
Wie  in  der  Illustration,  so  bekundete  er  auch  in  den  zahlreichen  Adressen, 
Diplomen  und  Ehrenurkunden,  die  er  für  die  verschiedensten  Gelegenheiten 
lieferte,  reichste  Erfindungsgabe  gepaart  mit  entzückender  Anmuth  des  Em- 
pfindens und  immer  neuer  poetischer  Gestaltungskraft.  Der  Zug  zum  Sinnigen 
und  Innigen,  der  so  tief  in  dem  Wesen  des  Künstlers  begründet  war,  treibt 
auch  hier  die  holdesten  Blüthen.  Es  sei  nur  auf  seinen  reizvoll  umrahmten 
Glückwunsch  zur  goldenen  Hochzeit  des  Hohenzollern-Sigmaringen'schen  Fürsten- 
paares hingewiesen,  sowie  auf  die  ebenso  geistreich  wie  schwungvoll  durch- 
geführte Adresse,  die  er  für  den  Kölner  Dombauverein  zum  90.  Geburtstage 
Kaiser  W^ilhelms  gemalt  hat.  Den  feinen  Sinn  Air  das  decorative  Element, 
den  diese  Schöpfungen  im  Kleinen  spiegeln,  finden  wir  im  Grossen  wieder 
in  einer  Reihe  von  Wandmalereien  für  Privathäuser  in  Düsseldorf  (die  Wand- 
gemälde im  Cafc$  Central!),  Barmen  und  anderen  Städten.  Eben  diese  so 
reich  entwickelte  Seite  seines  Talentes  war  es  auch,  die  G.  zum  gefeierten 
Schöpfer  jener  glänzenden  Feste  des  Düsseldorfer  Malkastens  werden  Hess. 
Da  stiegen  unter  den  Händen  des  Meisters  die  goldenen  Märchen  zur  Erde 
nieder  und  die   kühnsten  Träume   der  Phantasie  wurden   lebendige  Wirklich- 


22  • 


340 


Gehrts, 


keit.  Aber  auch  in  diesem  Schaffen  blieb  er  stets  der  ganze  Künstler,  der 
Alles  mit  dem  verklärenden  Band  harmonischer  Schönheit  umwob.  —  So 
entwickelte  er  mit  rasüosem  Eifer  eine  erstaunlich  vielseitige  Thätigkeit;  eine 
unbezähmbare  Arbeitslust  beseelte  den  Unermüdlichen,  und  über  der  Arbeit 
wuchs  sein  Können,  immer  höher  ging  der  Sonnenflug  seines  Genius,  höchsten 
Zielen  zu.  Das  Jahr  1882  brachte  ihm  die  Möglichkeit,  ein  solches  zu  er- 
reichen. Es  wurde  eine  Concurrenz  um  die  Wandgemälde  des  Treppenhauses 
der  Düsseldorfer  Kunsthalle  ausgeschrieben.  Nach  langem  heissen  Ringen  — 
erst  im  Jahre  1885  fiel  die  Entscheidung  —  ging  G.  als  Sieger  aus  dem 
Kampfe  hervor.  Die  Düsseldorfer  Fresken,  die  er  nach  eingehendsten  Studien 
und  Vorarbeiten  in  siebenjähriger  mühevollster  Arbeit  im  Juli  1897  vollendete, 
sind  das  Hauptwerk  seines  Lebens  geworden,  die  Krone  seiner  Kunst,  die 
sich  hier  in  ihrer  ganzen  herrlichen  Grösse  offenbart.  Die  Bilder  schildern 
die  Geschicke  der  Kunst  im  Wechsel  der  Zeiten  in  sechs  grösseren  Wand- 
gemälden und  16  Lünetten.  Die  letzteren,  die  in  geistvoller  und  feinsinniger 
Weise  die  Schicksale  der  Kunst  in  märchenhafter  Erzählung  darstellen,  ge- 
hören zu  den  hervorragendsten  Schöpfungen  der  monumentalen  Malerei  unseres 
Jahrhunderts.  Sie  sind,  in  durchaus  selbständigem  Stile  ausgeführt,  ureigenste 
Offenbarungen  des  Genies.  Eine  der  Lünetten  vergegenwärtigt  uns  die  Auf- 
richtung der  Kunst  durch  das  Christenthum.  In  Lumpen  gehüllt,  von  Allen 
verachtet  und  verschmäht,  liegt  der  Genius  abseits  am  Wege.  Da  naht  in  der 
Morgendämmerung  die  heilige  Familie,  und  das  Christkind  hebt  voll  Mitleid 
die  arme  Verlassene  zu  sich  empor.  Es  ist  ein  Bild  von  ergreifender  Schön- 
heit und  Lieblichkeit.  Die  grösseren  Wandgemälde  behandeln  die  einzelnen 
Kunstepochen.  Von  mächtigster  Wirkung  sind  besonders  die  beiden  Haupt- 
bilder an  den  Langseiten  des  Treppenhauses:  die  höchste  Blüthe  der  Kunst 
im  Alterthum  und  in  der  Renaissance.  Der  ganze  Freskencyklus  ist  ein  W^erk 
allerersten  Ranges  voll  Gedankentiefe  und  Poesie,  das  bei  jedem  Empfäng- 
lichen immer  wieder  helle  Begeisterung  hervorrufen  wird  und  seinem  Schöpfer 
unvergänglichen  Ruhm  sichert.  Die  Vollendung  der  Bilder  war  ein  Ereigniss 
in  der  Geschichte  der  Stadt  Düsseldorf,  Alles  jubelte  dem  Meister  zu,  und 
die  Künstlerschaft  veranstaltete  ihm  und  seinem  Werk  zu  Ehren  im  Malkasten 
ein  strahlendes  Fest.  Für  ihn  selbst  aber  gab  es  keine  Ruhe  noch  Rast, 
winkte  doch  der  höchsten  Sehnsucht  seines  Lebens,  einmal  fiir  seine  Vater- 
stadt Hamburg  mit  dem  Besten  seiner  Kunst  etwas  wahrhaft  Grosses  zu 
schaffen,  jetzt  endlich  glück verheissende  Erfüllung.  Nachdem  er  bereits  den 
Bürgerschaftssaal  des  neuen  Hamburger  Rathhauses  mit  drei  kunstvoll  ent- 
worfenen Glasfenstern  geschmückt  hatte,  wurde  er  im  Verein  mit  Friedrich 
Geselschap  zur  Concurrenz  um  die  Ausmalung  des  grossen  Festsaales  daselbst 
berufen.  Mit  fieberhaftem  Eifer  wandte  er  sich  der  neuen  Aufgabe  zu,  selbst 
die  Nächte  zu  Hilfe  nehmend.  Die  Entwürfe,  in  denen  er  die  hervor- 
ragendsten Momente  der  Hamburgischen  Geschichte  in  streng  epischem  Stile 
bearbeitete,  versprachen  das  Höchste.  Doch  kurz  vor  der  Vollendung  versiegte 
plötzlich  die  Kraft.  Ein  schweres  Nervenleiden,  das  schon  früher  an  seiner 
Gesundheit  gezehrt  hatte,  befiel  ihn  mit  neuer  Wucht  und  ftihrte  das  Ende 
herbei.  Es  liegt  eine  erschütternde  Tragik  in  diesem  Sterben,  das  einen  der 
genialsten  Künstler  von  der  Höhe  des  Lebens  mitten  aus  der  Fülle  seines 
l)esten  Schaffens  in  dem  Augenblick  hin  wegraffte,  wo  das  mit  verzehrender 
Sehnsucht  erstrebte  Ziel  so  nahe  vor  ihm  lag.  —  Die  Kunst  hat  Unersetz- 
liches mit  G.  verloren.     Wie  reich  das  Werk  seines  Lebens  war,  das  haben 


Gehrts.     Otto.     Krantz. 


341 


die  in  Düsseldorf,  Hamburg  und  in  der  Nationalgalerie  2U  Berlin  veranstalteten 
Sonderausstellungen  seiner  Schöpfungen  bewiesen.  G.  war  ein  echt  deutsches 
Gemüth,  ein  treuherziger,  edler  Mensch,  lauteren  Wesens  und  von  grösster 
Reinheit  der  Gesinnung.  Nun  ruht  er,  der  im  Leben  keine  Ruhe  kannte, 
»im  ewigen  Frieden«.  —  »Auch  das  Schöne  muss  sterben«!  Seine  Werke 
aber  werden  dauern  und  mit  dem  Sonnenschein  ihrer  Schönheit  immer  wieder 
Menschenherzen  beglücken. 

Quellen:  »Daheim«,  Jg.  35,  1899,  Nr.  2  (Karl  Gehrts.  Ein  Erinnerungsblatt  von 
Adolf  Rosen berg.  Bildniss!);  »Die  Kunst  für  Alle«,  Jg.  3,  Hft.  7  u.  8,  Jg.  13,  Hft.  5  (Die 
Düsseldorfer  Fresken)  u.  Hft.  22,  Jg.  14,  Hft.  9  u.  12  (Karl  Gehrts-Heft !) ;  »Deutsche 
Kunst«,  hrsg.  v.  G.  Malkowsky,  1898,  Nr.  21;  1899,  Nr.  8  (Gehrts-Ausstellung  in  Düssel- 
dorf); »Kunstchronik«,  Beiblatt  zur  Zeitschr.  für  bildende  Kunst,  N.  F.,  Jg.  9,  1898,  S.  520/21 ; 
»Illustrirte  Zeitung«  v.  28.  Juli  1898  (Bildniss!);  »Hamburgischer  Corrcspondent« ,  Ab.-Ausg. 
V.  21.  Juli  1898;  »Hamburger  Nachrichten«,  Morgen-Ausg.  v.  20.  Juli  1898;  »General- 
Anzeiger  für  Düsseldorf«,  v.  20.  u.  22.  Juli  1898:  »Vossische  Zeitung«,  Morgen-Ausg.  v. 
30.  April  1899  (Gehrts-Ausstellung  in  Berlin);  »Kölnische  Zeitung«,  Ab.-Ausg.  v.  20.  Juli 
1898  u.  V.  25.  Januar  1899;  W.  Schleicher,  Treppenhaus  -  Fresken  von  Karl  Gehrts 
(Publikation  der  Kunsthalle  zu  Düsseldorf). 

Job.  Sass. 

Otto,  Carl,  Generaldirector  der  Lebensversicherungs- Gesellschaft  zu 
Leipzig,  *  24.  August  1844  zu  Neustedt  bei  Coburg,  f  am  31.  März  1898, 
studierte  in  Göttingen  und  Berlin  vorzugsweise  Mathematik.  Die  Absicht, 
Lehrer  zu  werden,  musste  er  aufgeben,  da  es  sich  herausstellte,  dass  er  ein 
Lungenleiden  hatte.  Er  widmete  sich  daher  dem  Versicherungswesen  und 
trat  am  i.  December  1869  als  Correspondent  in  die  Dienste  der  Leipziger 
Lebensversicherungsgesellschaft,  in  denen  er  rasch  vorwärts  kam,  bis  er  im 
März  1894  vom  Verwaltungsrath  zum  Generaldirector  ernannt  wurde.  Er 
galt  als  eine  grosse  Autorität  nicht  bloss  bei  seiner  eigenen  Gesellschaft  und 
ihren  Organen,  sondern  in  allen  Kreisen,  die  mit  dem  Versicherungswesen 
in  Deutschland  zu  thun  haben.  Man  rühmt  ihm  nach,  dass  er  »die  Eigen- 
schaften und  Fähigkeiten  eines  hervorragend  tüchtigen  Geschäftsmannes  und 
Organisators  mit  einer  tiefgehenden  vollkommenen  Kenntniss  der  technischen 
Seite  seines  Berufes  in  sich  vereinigte«.  In  Anerkennung  seiner  Leistungen 
wurde  Otto  im  October  1896  in  den  Kgl.  Preussischen  Versicherungsbeirath 
berufen  und  später  in  die  Conferenz  zur  Berathung  der  Grundzüge  für  das 
geplante  Reichsversicherungsgesetz.  Von  seiner  reichgesegneten  Arbeit  wurde 
er  durch  sein  altes  Lungenleiden,  das  einen  jähen  Verlauf  nahm,  vorzeitig  im 
54.  Lebensjahr  abgerufen. 

Vgl.  Monatsblätter:  Mittheilungen  der  Lebensversicherungs>Gesellschaft  zu  Leipzig. 
1898.     No.  129, 

H.  A.  Lier. 

Krantz,  Eugen,  Tonkünstler  und  Director  des  Königl.  Konservatoriums 
in  Dresden,  *  am  13.  September  1844  in  Dresden,  f  am  26.  Mai  1898  in 
Gohrisch  bei  Königstein,  war  der  Sohn  des  Portraitmalers  Moritz  K.  Auf 
der  ersten  Bürgerschule  und  der  Neustädter  Realschule  seiner  Vaterstadt  vor- 
gebildet, studierte  er  am  Dresdener  Conservatorium  Musik.  Seine  erste  feste 
Anstellung  fand  er  als  Korrepetitor  am  Dresdener  Hoftheater,  an  dem  er  von 
1869  bis  1874  thätig  war.  Ein  vortrefflicher  Pianist,  stand  er  vorzüglich  in 
dem  Ruf,  ein  hervorragender  Klavierbegleiter  zu  sein.  Seit  dem  19.  Januar  1869 
war  er  als  Klavierlehrer  am  Dresdener  Conservatorium  thätig.     Ueber  seine 


342  Krantz.     Vogel. 

Methode,  die  in  erster  Linie  die  sorgfältige  Entwicklung  der  Technik  und 
die  systematische  Erweckung  des  musikalischen  Gefühls  bezweckte,  kann  man 
sich  aus  seinem  »Lehrgang  im  Klavierunterricht«  (Berlin  1882)  unterrichten. 
Im  Jahre  1888  zum  Professor  der  Musik  ernannt,  erhielt  er  bald  darauf  die 
artistische  Leitung  des  Conservatoriums  und  wurde  am  4.  Juni  1890  Inhaber 
und  Director  desselben.  Es  gelang  ihm,  diese  Anstalt  wieder  auf  die  Höhe 
zu  heben,  die  sie  zur  Zeit  Franz  Wüllners  gehabt  hatte.  Grosse  Verdienste 
erwarb  er  sich  auch  als  Dirigent  des  Dresdener  Lehrergesangvereins,  mit  dem 
er  noch  kurz  vor  seinem  Tode,  am  19.  April  1898,  die  Volkmann 'sehe  Messe 
zur  Aufführung  brachte.  Von  seinen  zahlreichen  Compositionen  wurden  nur 
zwei  Lieder:  »Frühlingsgedränge«  und  »Wiegenlied«  veröffentlicht.  Als 
Musikreferent  war  K.  von  1876  bis  1887  thätig,  zuerst  an  der  »Dresdener 
Presse«  und  zuletzt  an  den  »Dresdener  Nachrichten«.  Auch  korrespondirte  er 
für  auswärtige  Blätter. 

Vgl.  Dresdener  Kunst,  Dresden  1896/97,  S.  317 — 319  und  1897/98,  S.  595 — 597.— 
Dresdener  Rundschau,  Dresden  1894,  No.  3,  S.  i. 

H.  A.  Lier. 

Vogel,  Adolf  Bernhard,  Musikkritiker  und  Schriftsteller,  *  in  Plauen  i.  V. 

am  3.  December  1847,   t  ^^-  ^^^  '^9^  '"  Leipzig.     V.  war  der  Sohn   eines 

hochangesehenen  Pianofortefabrikanten.     Nachdem   er  das  Gymnasium  seiner 

Vaterstadt  besucht  hatte,  bezog  er  die  Universität  Leipzig  und  widmete  sich 

an  ihr  eifrig  juristischen  und  philosophischen  Studien.     Eine  Begegnung  mit 

Robert  Volkmann  veranlasste  ihn,  sich  der  Musik  als  Lebensberuf  zuzuwenden. 

Zu   diesem  Zweck   ging  er  auf  das  Leipziger  Conservatorium   über  und  fing 

se(hr  bald  unter  dem  Einfluss  H.  Zopfs  an,  sich  als  Kritiker  in  Beiträgen  für 

die   »Neue  Zeitschrift  für  Musik«  zu  versuchen.    Seit  dem- Jahre  1873  war  er 

musikalischer  Berichterstatter  für  die  »Leipziger  Nachrichten«   und  übernahm 

im  Jahre  1892  den  gleichen  Posten  an  den  »Leipziger  Neuesten  Nachrichten«. 

Er  stand  in  dem  Rufe  eines  wirklich  berufenen,    sehr   sachverständigen   und 

gerechten    Kritikers.      Nach    dem    Tode    Dr.    Schucht's    tibernahm    er    im 

Jahre    1894  die  Redaction    der    »Neuen  Zeitschrift    für   Musik«.     Auch    die 

Leipziger  »Hlustrirte  Zeitung«  zählte  ihn  zu  ihren  ständigen  Mitarbeitern.    Trotz 

seiner  fortlaufenden  journalistischen  Beschäftigung  fand  er  Zeit,  eine  Reihe  werth- 

voller  musikalischer  Monographien  über  Rob.  Volkmann,  über  Brahms,  Bülow, 

Rubinstein,  Wagner,  Liszt,  über  Liszt  als  Lyriker  und  über  die  Oper:    »Der 

Barbier  von  Bagdad«  von  Cornelius  zu  veröffenthchen.     Auch  componirte  er 

Klavierstücke  zu  zwei   und  vier  Händen,    gemischte   und   Männerchöre  und 

geistliche  Lieder.     Man   rühmt  ihm  von   befreundeter  Seite    »Lauterkeit   des 

Charakters    und    Herzensgüte,    eminentes,    allgemeines    und    fachmännisches 

Wissen,  Sicherheit  und  Weitsichtigkeit  des  Urtheils  und  eine  nie  versiegende 

Arbeitskraft  nach«.     V.,   der  den  Titel   eines  Professors  der  Musik   von   dem 

Herzog  Ernst  von  Gotha  erhalten  hatte,  erlag  einem  schweren  Lungenleiden, 

gegen   das  er  lange  Zeit  vergeblich   angekämpft  hatte.    —    Ein  Verzeichniss 

seiner  Schriften   findet  sich   in  J.  Kürschners   Deutschem   Litteratur-Kalender 

auf  das  Jahr  1898. 

Vgl.  Neue  Zeitschrift  für  Musik.  Leipzig  1898,  S.  228.  —  Signale  für  die  musikalische 
Welt.  Leipzig  1898,  56.  Jahrgang,  S.  499.  —  Dresdener  Anzeiger  vom  14.  Mai  1898. 
S.  23. 

H.  A.  Lier. 


Küberle.     Lehmann. 


343 


Köberle,  Georg,  Theaterdirector  und  Schriftsteller,  *  am  21.  März  18 19 
zu  Nonnenhorn  am  Bodensee,  f  am  7.  Juni  1898  in  Dresden.  K.,  der  Sohn 
eines  Landmanns  und  von  diesem  für  denselben  Beruf  bestimmt,  wusste  es 
durchzusetzen,  dass  er  studiren  durfte.  Zu  diesem  Behufe  besuchte  er  das 
Gymnasium  zu  St.  Stephan  in  Augsburg  und  ging  dann  auf  Zureden  der 
Jesuiten  für  mehrere  Monate  in  das  Collegio  Germanico  al  Gesu  nach  Rom. 
Doch  liess  er  sich  von  den  Jesuiten  nicht  halten,  sondern  wandte  sich  nach 
München,  wo  er  in  den  Jahren  1839  bis  1845  Geschichte,  Philosophie  und 
Jurisprudenz  studirte.  Im  Jahre  1843  wurde  auf  dem  Münchener  Hoftheater 
sein  erstes  Stück:  »Die  Prätendenten«  mit  Erfolg  aufgeführt.  Im  August  1845 
siedelte  er  nach  Leipzig  über,  wo  bald  darauf  seine  Aufsehen  erregende 
Schrift:  »Aufzeichnungen  eines  Jesuitenzöglings  im  deutschen  Colleg  zu  Rom« 
erschien.  Er  arbeitete  damals  für  politische  Zeitungen,  zog  sich  aber  seit 
dem  Jahre  1848  von  dieser  Thätigkeit  zurück,  um  sich  ganz  ästhetischen 
und  historischen  Studien,  sowie  dem  Theater  zu  widmen.  In  den  Jahren 
1853  bis  1856  leitete  er  als  Director  das  Theater  in  Heidelberg,  später 
wirkte  er  in  gleicher  Eigenschaft  in  Frankfurt  a.  M.,  in  München  und  in 
Stuttgart.  In  Folge  seiner  epochemachenden  Schrift:  »Die  Theaterkrisis  im 
neuen  Deutschen  Reich«  wurde  er  im  Jahre  1872  vom  Grossherzog  von 
Baden  zum  Generaldirector  des  Hoftheaters  in  Karlsruhe  ernannt.  Im 
Jahre  1879  pensionirt,  lebte  er  seitdem  in  Wien  und  zuletzt  in  Dresden, 
ununterbrochen  litterarisch  thätig.  Unter  seinen  Dramen  gilt  das  Trauerspiel : 
»Heinrich  IV.  von  Frankreich«,  das  in  den  Jahren  1847  bis  1871  an  vielen 
Bühnen  aufgeführt  wurde,  als  das  beste.  Viel  Zustimmung  fand  er  mit  seinen 
dramaturgischen  Schriften:  »Der  Verfall  der  deutschen  Schaubühne«  und 
»Das  Drangsal  der  deutschen  Schaubühne«.  In  der  letzten  Zeit  seines  Lebens 
schrieb  er  gelegentlich  Aufsätze  für  den  »Kunstwart«  von  Avenarius  sowie  für 
Hermann  Schreyer's  »Deutche  Dramaturgie«,  und  betheiligte  sich  lebhaft  an 
den  Bestrebungen  der  allgemeinen  deutschen  Bühnengesellschaft.  Seine 
Schriften  verzeichnet  Joseph  Kürschner  im  Deutschen  Litteratur-Kalender  auf 
das  Jahr  1898. 

Vgl.  Ad.  Hinricbsen,  Das  litterarische  Deutschland.  2.  Aufl.,  Leipzig  1891,  8°, 
Sp.  712.  —  Neuer  Theater- Almanach.  Hrgg.  von  der  Genossenschaft  Deutscher  Btthnen- 
Angehöriger,  Berlin  1899,  10.  Jahrg.,  S.  171 — 173.  —  Deutsche  Bühnenwelt,  Leipzig  1898» 
I,  S.   148 — 150. 

H.  A.  Lier. 

Lehmann,  Emil,  Rechtsanwalt  und  Vorkämpfer  für  die  Emancipation 
des  Juden thums,  *  in  Dresden  am  2.  Februar  1829,  f  ebendaselbst 
am  25.  Februar  1898.  L.  war  der  Sohn  des  jüdischen  Kaufmanns 
Bonnier  Lehmann.  Nachdem  er  die  israelitische  Gemeindeschule  und  die 
Dresdener  Kreuzschule  durchgemacht  hatte,  studirte  er  in  den  Jahren  1848 
bis  1851  in  Leipzig  Jurisprudenz.  Nach  seiner  Rückkehr  nach  Dresden  ver- 
legte er  sich  zunächst  auf  die  journalistische  Thätigkeit.  8  Jahre  lang  arbeitete 
er  für  die  damals  freisinnige  »Sächsische  Dorfzeitung«.  Vor  Allem  aber  war 
er  im  Verein  mit  den  jüdischen  Gelehrten  Dr.  Bernhard  Beer,  Dr.  Zacharias 
Frankel  und  Dr.  Wolf  Landau  bemüht,  die  Emancipation  der  Juden  verfassungs- 
mässig sicher  zu  stellen.  Der  Erlass  der  sächsischen  Gesetze  vom  3.  December 
1868,  durch  den  dieses  Ziel  für  Sachsen  erreicht  wurde,  ist  im  Wesentlichen 
auf  seine  und  seiner  P'reunde  Agitation  zurückzuführen.    Seit  dem  Jahre  1863 


344 


Lehmann.    Gleich. 


practicirte  er  in  Dresden  als  Rechtsanwalt  und  später  auch  als  königlicher 
Notar.  Es  gelang  ihm,  sich  in  den  weitesten  Kreisen  seiner  Vaterstadt  An- 
sehen und  Vertrauen  zu  erwerben.  Er  war  nicht  nur  Jahrzehnte  hindurch  Vorsteher 
der  jüdischen  Gemeinde  und  ein  geschätztes  Mitglied  des  »Gemeinnützigen 
Vereins«,  sowie  des  »Vereins  fiir  Volkswohl«,  sondern  hat  auch  seit  dem 
Jahre  1865  bis  1883  mit  geringer  Unterbrechung  das  Amt  eines  Stadt- 
verordneten und  zwar  die  meiste  Zeit  davon  als  2.,  beziehentlich  i.  Vize- 
vorsteher bekleidet.  Dem  sächsischen  Landtage  gehörte  er  vom  Jahre  1875 
bis  1880  als  Mitglied  der  sächsischen  Fortschrittspartei  an.  Erst  durch  die 
in  den  achtziger  Jahren  beginnende  und  immer  stärker  anwachsende  konser- 
vativ-antisemitische Strömung  wurde  er  von  dem  politischen  Schauplatz  ab- 
gedrängt und  widmete  sich  seitdem  mit  doppeltem  Eifer  der  Vertheidi- 
gung  des  Judenthums  gegen  die  Angriffe  seiner  Gegner.  Seine  letzte  Arbeit 
in  dieser  Richtung  galt  der  Widerlegung  der  Angriffe,  die  L.  in  dem 
»System  der  Ethik«  von  Friedrich  Paulsen  zu  finden  glaubte.  Im  Uebrigen 
war  L.  ein  Anhänger  des  reformirten  Judenthums  und  musste  deshalb 
auch  von  strenggläubigen  Genossen  manchen  herben  Tadel  erdulden. 
Seine  ziemlich  zahlreichen  Schriften  kamen  nach  seinem  Tode  gesammelt 
heraus. 

Vgl.  Emil  Lehmann,  Gesammelte  Schriften,  hrgg.  im  Verein  mit  seinen  Kindern 
von  einem  Kreis  seiner  Freunde.  Als  Manuscript  gedruckt.  [Mit  Portrait.]  Berlin  (H.  S. 
Hermann)  1899.    8«>.    S.   1—8. 

H.  A.  Lier. 

Gleich,  Ferdinand,  Componist  und  Musikschriftsteller,  *  17.  December  181 6 
in  Erfurt,  f  in  Langebrück  bei  Dresden  am  22.  Mai  1898.  G.  war  der  Sohn  des 
kgl.  preussischen  Artilleriehauptmanns  Dr.  Friedrich  G.,  der  sich  nach  seiner 
Pensionirung  einen  Namen  als  Schriftsteller  gemacht  hat.  Nach  dem  Besuch 
der  Leipziger  Nicolai-Schule  und  des  Altenburger  Gymnasiums  studirte  er 
anfangs  in  Leipzig  Medicin,  ging  dann  in  die  philosophische  Facultät  über, 
da  er  sich  vorzugsweise  der  Beschäftigung  mit  der  Musik  zu  widmen  gedachte. 
Nachdem  er  eine  Stellung  als  Hauslehrer  in  Kurland  bekleidet  und  eine 
längere  Reise  durch  Deutschland  und  Frankreich  ausgeführt  hatte,  nahm  er 
seinen  Wohnsitz  in  Leipzig,  wo  er  als  Componist  und  Schriftsteller  thätig 
war.  In  den  Jahren  1864  und  1865  wirkte  er  als  Secretair  und  Dramaturg 
am  Kgl.  deutschen  Landestheater  in  Prag.  Im  Jahre  1866  siedelte  er  nach 
Dresden  über  und  gab  hier  practischen  Unterricht  in  der  Harmonie  und 
Composition,  bis  ihm  im  Jahre  1874  ein  bescheidener  Posten  als  Musik- 
referent an  dem  »Dresdener  Anzeiger«  übertragen  wurde.  Er  bekleidete 
denselben  bis  zum  Jahre  1895,  in  dem  ihn  die  Beschwerden  des  Alters 
zwangen,  die  Feder  aus  der  Hand  zu  legen.  Durch  die  Verleihung  des 
Titels  eines  Professors  der  Musik  von  Seiten  König  Alberts  bei  Gelegenheit 
seines  80.  Geburtstages  ausgezeichnet,  zog  er  sich  auf  das  Land  nach  Lange- 
brück bei  Dresden  zurück  und  lebte  hier  in  aller  Stille  bis  an  sein  Ende. 
Musikalisch  durch  treffliche  Lehrer  vorgebildet  und  durch  den  Umgang  mit 
vielen  hervorragenden  Musikern  gefördert,  versuchte  sich  G.  selbst  auf  den 
verschiedensten  Gebieten  der  Musik,  ohne  mit  seinen  Arbeiten  nennenswerthe 
Erfolge  zu  erzielen.  Dasselbe  gilt  von  seinen  musik-theoretischen  Schriften, 
unter  denen  »die  Hauptformen  der  Musik«,  das  »Handbuch  der  modernen 
Instrumentirung«  und  der  »Wegweiser  für  Opernfreunde«  als  die  bedeutendsten 


Gleich.     Böhme.     Freudenthal.  24c 

angefiihrt  werden.  Ganz  vergessen  sind  seine  ziemlich  zahlreichen  Romane, 
Novellen  und  Bühnenstücke,  während  seine  Aufsätze  zur  Geschichte  des 
Theaters,  die  unter  dem  Titel:  »Aus  der  Bühnenwelt«,  »Biographische  Skizzen 
und  Charakterbilder«  erschienen  sind,  mancherlei  brauchbares  Material  ent- 
halten. Als  Musikkritiker  stand  er  den  modernen  Erscheinungen  mit  einer 
gewissen  Reserve  gegenüber;  doch  war  er  kein  schroffer  Gegner  des  Neuen, 
sondern  wusste  sich  in  seiner  concilianten  und  liebenswürdigen  Art,  die  aus 
seinem  vortrefflichen  Charakter  entsprang,  auf  seine  Weise  mit  ihm  abzu- 
finden. Ein  Verzeichniss  seiner  Schriften  steht  in  J.  Kürschner's  Deutschem 
Litteratur- Kalender  auf  das  Jahr  1898. 

Vgl.  den  Nekrolog  im  Dresdener  Anzeiger  vom  24.  Mai  1898,  S.  38.  —  Dresdener 
Rundschau  1897,  VI,  No.  3,  S.  i  (mit  Portrait).  —  Signale  für  die  musikalische  Welt, 
.S98,  56.  Jahrg..  S.  539-  H.  A.  Lier. 

Böhme,  Franz  Magnus,  Musikschriftsteller  und  Theoretiker,  *  ii.März 
1827  zu  Willerstedt  bei  Weimar,  f  i8.  October  1898  in  Dresden.  B.,  über 
dessen  Leben  man  nähere  Nachrichten  in  der  Musikzeitschrift  »Urania«, 
Jahrgang  1897  Nr.  3,  findet,  war  früher  als  Lehrer  am  Hoch'schen  Conser- 
vatorium  in  Frankfurt  a.  M.  thätig  und  privatisirte  in  den  letzten  zehn  Jahren 
seines  Lebens  in  Dresden.  Sein  bleibendes  Verdienst  besteht  in  seinen  vierzig 
Jahre  mit  unermüdlichem  Fleiss  fortgesetzten  Forschungen  zur  Geschichte  des 
deutschen  Volksliedes.  Ihm  kam  es  nicht  bloss  wie  den  früheren  Sammlern 
auf  den  Text  der  Lieder  an,  sondern  er  suchte  Wort  und  Singweise  gleich- 
massig  festzustellen.  In  Anknüpfung  an  Ludwig  Erks  »Liederhort«,  den  er  in 
den  Jahren  1893 — 94  unter  Beihilfe  der  preussischen  Regierung  in  drei  star- 
ken Quartbänden .  neu  herausgab ,  brachte  er  eine  Sammlung  von  deutschen 
Volksliedern  aus  einem  Zeitraum  von  etwa  tausend  Jahren  zusammen.  Bald 
darauf  erschienen  die  »Volksthümlichen  Lieder  der  Deutschen  im  18.  und 
19.  Jahrhundert«  (Leipzig  1895.  8.)  und  das  Werk:  »Deutsches  Kinderlied  und 
Kinderspiel«  (Leipzig  1897.  8.).  Unter  seinen  früheren  Arbeiten  erfreut  sich 
die  »Geschichte  des  Tanzes  in  Deutschland«  (2  Bde.,  Leipzig  1886)  grossen 
Ansehens  in  Fachkreisen.  Auch  verdankt  man  ihm  eine  kurz  und  fasslich 
dargestellte  »Geschichte  des  Oratoriums«  (Gütersloh  1887.).  Als  Musiker  ver- 
legte er  sich  nicht  ohne  Erfolg  auf  die  Composition  von  geistlichen  und  welt- 
lichen Chorliedem.  Kurz  vor  seinem  Tode  vermachte  er  der  Kgl.  öflfentlichen 
Bibliothek  zu  Dresden  seine  handschriftliche  Sammlung  von  Volksliedern, 
Kinderliedem  und  Kinderspielen,  sowie  von  vielen  bisher  noch  unverwertheten 
Gesängen.  Diese  Sammlung  umfasst  55  Quartanten  mit  mehr  als  16000  Texten 
und  Melodien  und  dürfte  noch  manchem  Forscher  gute  Dienste  leisten.  Seine 
überaus  reichhaltige,  nachgelassene  Bibliothek  wurde  von  List  &  Franke  in 
Leipzig  erworben  und  in  dem  Antiquarischen  Verzeichniss  Nr.  311  dieser 
Firma  unter  dem  Titel:  »Geschichte  und  Theorie  der  Musik  .  .  .  Aus  dem 
Nachlasse  des  Herrn  Franz  Magnus  Böhme  in  Dresden«  (Leipzig  1900.  8°) 
zum  Verkauf  gestellt. 

Vgl.  Dresdner  Journal  vom  21.  Oct.  1898  Nr.  245  S.  1969.  —  Signale  für  die  musi- 
kalische Welt.    1898.     56.  Jahrgang,  No.  51.  —  Neue  Zeitschrift  für  Musik.    1898.   No.  43, 

^''^'  H.  A.  Lier. 

Freudenthal,  August,  Schriftsteller  und  Dichter,  *  am  2.  September  1851 
zu  Fallingbostel ,   f  am   6.   August   1898   zu  Bremen,   erst  47   Jahre  alt.   — 


346  Freudenthal.     Meier. 

Als  Sohn  eines  braven,  aber  unbemittelten  Handwerkers  verlebte  F.  seine 
ersten  Jugendjahre  in  Fallingbostel,  einem  anmuthig  im  Thale  der  Böhme 
gelegenen  Dorfe  der  Lüneburger  Haide,  von  dem  er  später  singt: 

Sei  mir  gegrüsst,  du  schönes  Thal  im  walddurch webten  Frühlingskleide! 
Sei  mir  gegrüsst  viel  tausendmal  du  Paradies  im  Schoss  der  Haide! 

In  seinem  zehnten  Lebensjahre  kam  er  mit  seinen  Eltern  nach  dem  Dorfe 
Fintel  im  Amte  Soltau,  wo  sein  Grossvater  mütterlicherseits  Lehrer  war 
und  seine  Eltern  Landwirthschaft  betrieben.  F.  widmete  sich  dem  Lehrerberufe, 
zu  dem  er  von  seinem  Grossvater  vorgebildet  wurde.  Schon  in  seinem 
sechszehnten  Lebensjahre  wurde  er  eine  Zeit  lang  Hauslehrer  in  Luhmühlen 
bei  Salzhausen,  besuchte  dann  ein  Jahr  das  Seminar  in  Stade  und  war  darauf 
kurze  Zeit  in  Ringstedt  bei  Bremerhaven  als  junger  Lehrer  thätig.  Der  Ruf  des 
Bremer  Seminardirektor  A.  Lübben  zog  den  vorwärtsstrebenden  Jüngling  1870 
noch  einmal  auf  das  Lehrerseminar  in  Bremen;  doch  mehr  und  mehr  erwachte 
in  ihm  die  Neigung  zum  journalistischen  Berufe ;  er  gab  deshalb  den  Lehrerberuf 
auf  und  wandte  sich  seit  1874  ausschliesslich  der  publicistischen  Thätigkeit  zu; 
seit  1883  war  er  als  Mitredakteur  an  den  »Bremer  Nachrichten«  thätig. 
Aeusseren  Erfolg  hat  ihm  aber  sein  Joumalistenberuf  nicht  gebracht;  er  ist  im 
Gegentheil  immer  der  von  der  Hand  in  den  Mund  lebende  arme  Litterat 
und  Schriftsteller  gewesen. 

Den  grössten  Ruhm  hat  sich  F.  durch  eine  grosse  Anzahl  stimmungs- 
voller Haidelieder  erworben,  er  trägt  deshalb  auch  mit  Recht  die  Ehrenbezeich- 
nung »Haidedichter«.  In  einer  prächtigen  Anthologie  »Die  Haide«  sammelte  er 
auch  alle  auf  die  Haide  bezüglichen  Gedichte ,  siebzehn  darunter  von  ihm 
selbst.  In  vier  Bändchen  »Haidefahrten«  lieferte  F.  femer  anmuthige,  wenn 
auch  oft  etwas  breite,  Schilderungen  seiner  an  Sonn-  und  Festtagen  unter- 
nommenen Streifzüge  zwischen  Weser  und  Elbe,  auf  denen  er  namentlich 
den  Kirchen,  den  Alterthümem,  den  Hünengräbern  und  anderem  Sehenswerten 
seine  scharfe  Beobachtungsgabe  zuwandte.  Unter  seinen  Gedichten  ist  das 
mit  dem  Anfang  »Dat  war  en  Sonndag  hell  und  klar«  und  dem  Refrain  »O 
schöne  Tid,  o  selige  Tid,  wo  liggst  du  feern,  wo  liggst  du  wied«  besonders 
durch  die  Karl  Götzesche  Melodie  ein  weit  berühmtes  und  viel  gesungenes 
Volkslied  geworden.  Mit  seinen  dramatischen  Arbeiten  und  Lustspielen 
Gott  Zufall  (1875),  Nach  Mittemacht  (1878),  Der  Steuerrath  (1882)  hat  F. 
weniger  Erfolg  gehabt.  In  den  letzten  Lebensjahren  gab  der  Verstorbene  in  Ge- 
meinschaft mit  seinem  Bruder  Friedrich  F.  die  Zeitschrift  »Niedersachsen«  heraus, 
die  ein  geistiger  Sammelpunkt  für  die  Stammes-  und  sprachverwandten  Gebiete 
Nordwest- Deutschlands,  für  deren  Geschichte,  Landes-  und  Volkskunde, 
Sprache  und  Litteratur  werden  sollte.  Nur  drei  Jahrgänge  konnte  er  leiten, 
dann  entfiel  ihm  die  Feder  für  immer. 

Vgl.  Der  Haidedichter  August  Freudenthal.  Eine  litterarische  Cbarakterski zze  von 
Gustav  Borcherding  (Bremen  1899)  und  No.  29,  III.  Jahrgang  der  Zeitschrift  »Niedersachsen«. 

\V.   Wolkenhauer. 

Meier,  Hermann  Henrich,  Grosskaufmann  und  Parlamentarier,  *  am 
16.  October  1809  in  Bremen,  f  am  17.  November  1898  in  Bremen  nach 
dem  vollendeten  89.  Lebensjahre.  In  dem  Verstorbenen  ist  der  hochverdiente 
Nestor  der  nationalliberalen  Partei,  ein  hervorragender  und  erfolgreicher 
Kaufmann  und  eine  Zierde  der  alten  Hansestadt  Bremen  dahingeschieden. 
—    Schon   im   zwölften   Lebensjahre   hatte  M.   das  Unglück,   den  Vater,   der 


Meier. 


347 


ebenfalls  ein  hochangesehener  Kaufmann  in  Bremen  war,  zu  verlieren.  Die 
Mutter  zog  mit  ihren  Kindern  nach  Stuttgart,  wo  Hermann  Henrich  das 
Gymnasium  besuchte;  hier  sass  er  u.  A.  mit  Mathy  und  v.  Vambüler  auf 
der  Schulbank,  mit  denen  er  zeitlebens  Duzbrüderschaft  bewahrt  hat,  trotzdem 
die  Zeit  die  Männer  in  politisch  feindliche  Lager  führte.  Von  Stuttgart  kam 
M.  nach  einem  Aufenthalt  in  Orbe  in  der  französischen  Schweiz  im  Jahre 
1826  nach  Bremen  als  Lehrling  in  das  väterliche  Geschäft  H.  H.  Meier 
u.  Co.,  das  der  spätere  Senator  Adami  als  Theilhaber  fortführte.  Die 
Grundlage  zu  seinen  weitreichenden  Kenntnissen,  namentlich  in  überseeischen 
Dingen,  legte  M.  dann  während  eines  sechsjährigen  Aufenthaltes  in  den 
Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika.  Im  Jahre  1832  ging  er  nach  Boston, 
wo  er  seinen  älteren  Bruder,  Diedr.  Aug.  Meier,  als  Agent  der  Firma  ablöste; 
am  I.  Januar  1834  trat  er  dann  als  Theilhaber  in  das  Geschäft  ein.  Im  Jahre 
1838  kehrte  M.  von  Amerika  nach  Deutschland  zurück,  verlebte  aber  den 
Winter  1838  auf  1839  in  Paris  und  dieselbe  Zeit  von  1840  auf  1841  in 
Italien,  wo  ihn  Wissenschaft  und  Kunst  mächtig  anzogen.  Die  zwischen 
diesen  beiden  Wintern  liegende  Zeit  war  er  in  Bremen  thätig,  wohin  er  auch 
von  Italien  zurückkehrte.  Seit  1 843  mit  der  Tochter  des  Bremer  Aeltermann 
Quentell  vermählt,  widmete  er  nun  seine  Zeit  ganz  wieder  dem  Bremer 
Geschäft  und  nahm  in  seiner  Vaterstadt  bald  eine  der  geachtetsten  kauf- 
männischen Stellungen  ein.  Der  Handelskammer  und  der  Bürgerschaft  hat 
er  hier  Jahrzehnte  lang  angehört;  der  Weg  zum  Senat  (der  höchsten  bremi- 
schen Regierungsbehörde)  war  ihm  versperrt  durch  die  Bestimmung,  dass 
nicht  zwei  Brüder  gleichzeitig  Senatoren  sein  dürfen ;  sein  Bruder  Johann 
Daniel  Meier  war  Mitglied  des  Senats  und  später  Bürgermeister.  Aber  auch 
ohne  die  Senatswürde  ist  M.  lange  Jahre  hindurch,  bis  die  Bürde  des  Alters 
ihn  drückte,  eine  der  bewegenden  und  treibenden  Kräfte  im  bremischen 
Staatswesen  gewesen,  und  es  ist  zum  grossen  Theil  sein  Verdienst,  dass 
Bremen  als  See-  und  Handelsstadt  ehrenvoll  seinen  Rang  gegenüber  der 
schweren  und  drohenden  Konkurrenz  behauptet  hat.  Bereits  1846  im  Auf- 
trage des  bremischen  Senats  nach  Berlin  gesandt,  vermittelte  er  durch  sein 
taktvolles  Dazwischentreten  die  Betheiligung  der  preussischen  Regierung 
bei  der  Steam-Navigation-Companie ,  wodurch  das  Zustandekommen  der 
ersten  Dampfschiffahrt  zwischen  Deutschland  und  Nordamerika  gesichert 
wurde.  Im  Jahre  1866  war  er  wieder  im  Auftrage  seiner  Vaterstadt  bei 
der  Regulierung  verschiedener  Verhältnisse  zwischen  Hannover  vmd  Bremen 
thätig.  Unter  den  gemeinnützigen  Unternehmungen,  die  untrennbar  mit 
seinem  Namen  verbunden  sind,  seien  hier  nur  genannt:  die  Bremer  Bank, 
der  Norddeutsche  Lloyd  und  die  Gesellschaft  zur  Rettung  Schiffbrüchiger. 
Hat  auch  die  unter  seiner  Leitung  im  Jahre  1856  gegründete  Bremer  Bank 
keine  nationale  Bedeutung  erlangt  (was  in  den  Verhältnissen  lag),  so  ist 
sie  doch  zu  ihrem  Theil  eine  bedeutende  Stütze  des  Bremer  Handels  ge- 
worden. Unvergessen  bleibt,  wie  M.  es  gewesen,  der,  als  1857  in  der 
schweren  Handelskrisis  das  baare  Geld  auszugehen  drohte,  durch  Ver- 
mittlung von  Londoner  Bankiers  von  der  Münze  zu  Hannover  der  Bremer 
Bank  Geld  verschaffte,  so  dass  die  Baarzahlung  aufrecht  erhalten  bleiben 
und  die  Banknoten  ihren  vollen  Werth  behaupten  konnten. 

Von  grosser  Bedeutung  nicht  nur  für  Bremens  Stellung,  sondern  für 
Deutschlands  maritime  Entwicklung  wurde  dann  die  Gründung  des  Nord- 
deutschen Lloyd  im  Jahre  1857,  dessen  Vorsitzender  Konsul  M.  ununterbrochen 


348  Meyer. 

bis  zum  Jahre  1888  gewesen  ist.  Jetzt  sehen  wir  diese  grosse,  angesehene 
SchifFahrtsgesellschaft  wie  eine  mächtige  Eiche  ihre  Zweige  nach  allen  Seiten 
recken  und  ihre  Entwicklung  scheint  uns  ganz  natürlich.  Einst  aber  war 
sie  ein  kleines  Bäumchen;  es  zu  pflanzen  und  gegen  die  ersten  verderben- 
drohenden Stürme  und  Fröste  zu  schützen,  das  war  die  von  muthigem 
Vertrauen  auf  die  Zukunft  getragene  That  H.  H.  Meiers  und  einiger  Weniger, 
die  mit  ihm  zusammenwirkten. 

Auch  an  der  Gründung  der  deutschen  Gesellschaft  zur  Rettung  Schiff- 
brüchiger im  Jahre  1865  betheiligte  sich  neben  Dr.  Emminghaus  vor  Allem 
Konsul  M.  und  bis  zu  seinem  Tode  ist  er  33  Jahre  lang  ihr  Präsident  und 
Bremen  der  Sitz  der  Gesellschaft  gewesen ;  kaum  jemals  hat  M.  eine  General- 
versammlung dieser  Gesellschaft  versäumt,  die  sein  Lieblingswerk  war,  und 
(ür  die  er  selbst  in  Zeiten  ausserordentlicher  Thätigkeit  die  erforderliche 
Zeit  stets  erübrigte. 

Neben  seinem  eigenen  grossen  Waaren-  und  Rhedereigeschäfte  \iidmete 
M.  seine  Thätigkeit  noch  der  Errichtung  einer  grossen  Eisenhütte  in  der 
Nähe  von  Harzburg  im  Harz,  sowie  dem  Bau  einer  Eisenbahn  zwischen 
Savanilla  und  Baranquilla  in  Columbia  und  der  Herstellung  zweier  deutscher 
überseeischer  Telegraphenlinien.  Noch  an  zahlreichen  anderen  Unternehmungen 
betheiligte  er  oder  seine  Firma  sich  und  zwar  gewöhnlich  an  leitender  Stelle. 
Dem  Hause  Seefahrt,  das  weit  über  Bremens  Grenze  durch  seine  Schaffemahl- 
zeit bekannt  ist,  hat  M.  viele  Jahre  vorgestanden. 

Auch  an  dem  Deutschen  Handelstage,  in  dessen  ständigem  Ausschusse 
er  1864/65  Vorsitzender  war,  nahm  M.  lange  Zeit  regen  Anteil.  In  München 
war  er  dritter  Präsident,  während  er  auf  dem  Handelstage  zu  Frankfurt  a. 
M.  im  Jahre  1865  als  erster  Präsident  mit  Genugthuung  den  vollständigen 
Sieg  der  freisinnigen  Zoll-  und  Handelspolitik  Preussens  konstatiren  konnte. 
Später  zog  er  sich  von  dem  Handelstage  zurück,  da  er  ihn  nicht  mehr  für 
notwendig  hielt. 

Bei  seiner  Regsamkeit  und  Vielseitigkeit,  sowie  bei  dem  ihm  eigenen 
Sinn  für  das  öffentliche  Leben  gewann  M.  schon  früh  Interesse  für  das  politische 
Leben.  Im  April  1849  wurde  er  vom  Wahlkreis  Bremervörde  ins  Frankfurter 
Parlament  gewählt,  wo  er  sich  der  Gagemschen  Partei  anschloss.  Im  Jahre 
1867  wählte  ihn  Bremen  in  den  konstituirenden  Reichstag  und  dem  ersten 
norddeutschen  Reichstage  gehörte  er  bis  187 1  an,  dann  lehnte  er  eine  Wieder- 
wahl zunächst  ab.  Im  Jahre  1878  trat  er  als  Vertreter  von  Schaumburg-I^ippe 
wieder  in  den  Reichstag;  in  den  beiden  folgenden  Legislaturperioden,  1881/84 
und  1884/87,  hatte  er  dann  wieder  das  Mandat  seiner  Vaterstadt  inne. 
Wirthschaftspolitisch  war  M.  ein  unbeugsamer  Freihändler,  rein  politisch 
war  er  dagegen  sehr  gemässigt.  Immer  massvoll  und  versöhnlich  in  der 
Form,  entschieden  und  klar  in  der  Sache,  war  er  eine  der  fuhrenden 
Persönlichkeiten  der  nationalliberalen  Partei,  und  im  Reichstag  sowohl  wie 
in  den  hohen  Beamtenkreisen  nahm  er  eine  sehr  angesehene  Stellung  ein. 
Insonderheit  hat  ihm  Fürst  Bismarck  wiederholt  seine  Hochschätzung  bewiesen 
und  ihm  eine  unwandelbare  Freundschaft  erhalten,  die  selbst  durch  seinen 
Widerstand  gegen  die  Schutzzollgesetzgebung,  das  Tabaksmonopol,  die  Samoa- 
vorlage  und  den  Zollanschluss  nicht  litt.  Kaiser  Wilhelm  I.  und  Kaiser 
Wilhelm  II.  zeichneten  M.  durch  hohe  Orden  aus;  andere  Fürsten  folgten 
diesem  Beispiel.  Da  der  kleine  republikanische  Senat  Bremen  keine  Orden 
hat,  verlieh  ihm  der  bremische  Senat  am  28.  November  1866  eine  Ehrenmedaille 


Meier.     Kaiserin  Elisabeth. 


349 


mit  der  Aufschrift:    »Bremens   hochverdientem   Bürger  Herm.    Henr.    Meier. 
Der  Senat.  i866.<c 

Grossartig  gestalteten  sich  die  Kundgebungen  dankbarer  Verehrung  und 
die  Auszeichnungen  bei  der  Feier  des  80.  Geburtstages  M.'s  am  16.  October 
1889;  nicht  nur  Bremen,  sondern  weite  auswärtige  Kreise,  voran  der  Kaiser 
und  Fürst  Bismarck  und  eine  lange  Reihe  von  Ministem  und  hochgestellten 
Persönlichkeiten,  sandten  ihm  ihre  Glückwünsche;  die  Universität  Heidelberg 
ehrte  M.  dadurch,  dass  sie  ihn  hon.  causa  zum  Doktor  beider  Rechte 
ernannte.  Auch  den  schönen  Tag  der  goldenen  Hochzeit  konnte  M.  noch 
feiern  und  verklärend  leuchtete  die  Abendsonne  auf  seines  langen,  reichen 
Lebens  letzte  Jahre.  Erst  in  der  allerletzten  Zeit  verursachte  ihm  sein  hohes 
Alter  Beschwerden,  die  ihn  davon  abhielten,  sein  reges  Interesse  an  den 
öffentlichen  Dingen  zu  bethätigen.  Nach  kurzer  Krankheit  ist  er  schmerzlos  und 
sanft  entschlafen.  Seine  Gattin  konnte  ihm  die  Augen  zudrücken,  seine  beiden 
Kinder  empfingen  seinen  letzten  Händedruck.  Die  Theil nähme,  die  sich 
beim  Tode  M.'s  nicht  nur  in  Bremen,  sondern  überall  im  deutschen  Vaterlande 
und  über  dessen  Grenzen  hinaus  kundgab,  legte  Zeugniss  ab  für  die  hohe 
Achtung,  die  der  Verstorbene  sich  durch  sein  Wirken  zu  erringen  gewusst 
hat.  In  der  Geschichte  seiner  Vaterstadt  und  in  der  Geschichte  des  Handels 
und  Verkehrs  wird  sein  Name  stets  mit  Ehren  genannt  werden. 

Vgl.  die  Nachrufe  in  den  Bremer  und  allen  g^rösseren  Tageszeitungen  am  19.  Nov.  1898 
0.  f.  Tagen:  Leipziger  lUust.  Zeitung,  Dezember  1S98  mit  Portrait;  Franz  Ottos  Buch 
berühmter  Kaufleute. 

W.  Wolkenhauer. 

Elisabeth,  Kaiserin  und  Königin  von  Oesterreich-Ungam^  *  München 
24.  December  1837  *),  f  Genf,  10.  September  1898.  Bewunderung  und  Liebe 
errichten  E.  schon  jetzt  Denkmäler.  Aber  das  schönste,  dauerhafteste 
Monument  hat  sich  dies  hehre  Wesen  selbstgemeisselt  durch  Eigenschaften, 
die  nur  ganz  hervorragenden  Frauen  eigen  sind.  Es  wäre  Lobhudelei, 
wollten  wir  behaupten,  sie  erreiche  an  welthistorischer  Bedeutung  eine  Maria 
Theresia.  Dies  ist  schon  deshalb  unmöglich,  weil  E.  keine  selbststandig 
regierende  Herrscherin  war,  ihr  also  die  Gelegenheit  fehlte,  durch  Schöpfungen 
zu  glänzen,  die  ihre  grosse  Vorgängerin  kennzeichnen.  Doch  ihrer  Begabung 
nach  hätte  sie  gewiss,  wäre  ihr  allein  das  Scepter  zugefallen,  unsterbliche 
Dinge  verrichten  können.  Alle,  die  das  Glück  hatten,  ihr  näher  zu  treten, 
waren  entzückt  und  nicht  allein  von  ihrer  äussern,  bestrickenden  Erscheinung 
—  sie  galt  als  eine  der  schönsten  Frauen  Europas  — ,  sondern  auch  durch 
den  Zauber  ihrer  geistigen  Ueberlegenheit,  die  den  Eindruck  machte,  dass 
man  hier  einer  durch  körperliche  Reize  wie  seelische  Tugenden  gleich  aus- 
gezeichneten Fürstin  gegenüberstehe.  Versuchen  wir,  uns  ihr  Bild  hier  in 
grossen  Zügen  zu  vergegenwärtigen. 

Seit  fast  sechs  Jahrhunderten  bestehen  schon  eheliche  Verbindungen 
zwischen  den  Regentenhäusern  Habsburg -Lothringen  und  Witteisbach,  Aus 
einer  Seitenlinie  dieses  bayerischen  Geschlechts  stammte  denn  auch  die  un- 
glückliche Kaiserin  und  Königin^  Sie  war  die  Zweitälteste  Tochter  des 
Herzogs  Max  von  Bayern,  jenes  schlichten,    äusserst    leutseligen,    für  Kunst 


^)  Es  ist  jetzt  festgestellt,  dass  £.  nicht,  wie  bisher  allgemein  angenommen  ward,  in 
Possenhofen,  sondern  dass  sie  in  München  im  herzoglichen  Palais  in  der  Ludwigstrasse 
um  3/^11  Uhr  Nachts  geboren  wurde. 


350 


Kaiserin  Elisabeth. 


und  Wissenschaft,  besonders  aber  für  die  Schönheiten  der  Natur  sich  be- 
geisternden Mannes.  Als  Lieblingskind  begleitete  die  junge  Prinzessin  ihren 
Vater  häufig  bei  seinen  Wanderungen  durch  die  Berge.  Nicht  selten  ereignete 
es  sich,  dass  Vater  und  Tochter  bei  solchen  Gelegenheiten,  unerkannt  von 
den  Bauern,  ihnen  als  »fahrende  Musikanten«  zu  ihren  Tanzfestlichkeiten  auf 
der  Zither  aufspielten.  Von  früher  Jugend  an  fiihlte  sich  daher  E.  nur  wohl 
in  der  Umgebung  der  Natur;  die  auch  noch  so  weiten  Räume  der  Paläste 
schienen  ihr  den  Athem  zu  rauben  und  sie  zu  beklemmen.  Diese  Lebens- 
weise hat  unstreitig  den  tiefsten  Einfluss  auf  ihre  fernere  Entwicklung  ausge- 
übt; sie  bietet  auch  den  Schlüssel  zur  Erklärung  manch  späterer  Vorkomm- 
nisse. In  steter  Berührung  mit  den  herrlichen  Bergen  und  Wäldern,  die  ihr 
eine  zweite  Heimath  waren,  wuchs  sie  als  frisches,  munteres  Mädchen  heran. 
Die  »Rose  von  Possenhofen«,  wie  E.  auch  genannt  wurde,  fesselte  sofort  das 
empfängliche  Herz  des  jungen  Monarchen  Franz  Joseph  L,  als  er  sie,  selbst 
eine  glänzende,  ritterliche  Gestalt,  in  seinem  21.  Lebensjahre  erblickte. 
Er  konnte  sich  nicht  dem  Zauber  ihrer  Reize  entziehen.  »Sie  oder  keine«, 
sagte  er  sich  —  wie  berichtet  wird  — ,  als  er  sie  gesehen.  Eigentlich  war 
ihm  von  der  herzoglichen  Mutter  im  Bunde  mit  Erzherzogin  Sophie  die  ältere 
Schwester  Helene,  die  nachmalige  Prinzessin  von  Thum-Taxis,  zur  Gemahlin 
bestimmt  worden.  Allein  die  Liebe,  die  schon  manche,  fein  ausgeheckte 
Combination  durchkreuzte,  triumphirte  auch  hier  über  das  von  Frauenhand 
geplante  Werk.  Obwohl  es  sicher  ist,  dass  die  Verlobung  zwischen  E.  und 
Franz  Joseph  nur  Gott  Amor  zu  Wege  brachte,  erzählt  man  sich  doch  auf 
verschiedene  Art  das  Zustandekommen  dieser  Verbindung.  Es  ist  vielleicht 
begreiflich,  dass  über  die  Entstehungsgeschichte  der  Ehe  zwischen  Napoleon  L 
und  Marie  Louise  nichts  vollkommen  Verlässliches  bekannt  wurde.  Hatten 
doch  beide  Höfe  ein  Interesse,  vor  Mit-  und  Nachwelt  nicht  als  werbender 
Theil  aufzutreten,  daher  das  gegenseitige  Bestreben,  den  Ursprung  dieser 
Ehestiftung,  die  das  grösste  Aufsehen  erregte,  so  viel  wie  möglich  zu  ver- 
dunkeln. Anders  lagen  die  Dinge  in  unserm  Fall.  Hier  hatte  die  Politik 
nicht  die  Hand  im  Spiele,  alle  Vorgänge  konnten  demnach  klar  zu  Tage 
treten,  und  trotzdem  ist  es  schon  jetzt  schwierig,  mit  aller  Bestimmtheit  den 
wirklichen  Thatbestand  festzustellen.  Der  Wahrheit  am  nächsten  dürfte 
folgende  Erzählung  kommen.  Am  16.  August  1853  war  der  Kaiser  in  Ischl 
erschienen,  wo  die  Herzogin  Ludovica,  eine  Schwester  der  Erzherzogin  Sophie, 
schon  seit  einigen  Tagen  mit  ihren  Töchtern  Helene  und  Elisabeth  zum  Be- 
suche weilte.  Die  jüngere  Prinzessin,  die  nachmalige  Kaiserin  upd  Königin, 
befand  sich  eben  auf  einem  Spaziergang,  als  ihr  zukünftiger  Gatte  im  Schlosse 
anlangte.  Als  E.  heimkehrte,  trat  sie,  wie  es  ihre  Gewohnheit  war,  unan- 
gemeldet in  das  Zimmer  ihrer  Tante  So])hie,  der  Mutter  des  Kaisers.  Mit 
gerötheten  W^angen  und  einem  Bouc^uet  wilder  Blumen  in  der  Hand,  rannte 
sie  in  den  Salon.  Ohne  im  Geringsten  durch  die  Anwesenheit  des  Kaisers 
verwirrt  zu  werden,  ging  sie  auf  diesen  zu,  den  sie  jetzt  zum  ersten  Mal  sah, 
aber  sofort  nach  seinem  Portrait  erkannte,  und  rief  ihm  in  ihrer  treu- 
herzigen, liebreizenden  Unschuld  zu:  »Grüss  Gott,  Cousin«.  Diese  Worte, 
begleitet  von  einem  heitern  Blick  aus  den  herrlich  blauen  Augen  der  Cousine, 
hatten  schon  ihren  erobernden  Einzug  in  das  Herz  des  Kaisers  gehalten. 
Noch  am  selben  Tag  fiel  die  Entscheidung  und  obwohl  die  Erzherzogin 
Sophie  ihre  ursprüngliche  Absicht  vereitelt  sah,  w^ar  sie  doch  sofort  ent- 
schlossen, der  Neigung   ihres   Sohnes    kein   Hinderniss   in  den  Weg  zu  legen. 


Kaiserin  Elisabeth. 


351 


Am  folgenden  Tag  aber,  nach  beendeter  Messe,  führte  der  Kaiser  seine 
Cousine  an  der  Hand  vor  den  vom  Altar  herabschreitenden  Priester.  »Herr 
Pfarrer«   —  redete  er  ihn  an  —   »segnen  Sie  uns,  das  ist  meine  Braut.« 

Gerne  wäre  E.,  selbst  als  sie  schon  mit  dem  kaiserlichen  Diadem  ge- 
schmückt war  (die  Vermählung  hatte  April  1854  stattgefunden),  auch  weiterhin 
ihrer  Neigung  fiir  Ungezwungenheit  und  Natürlichkeit  gefolgt,  der  sie  sich 
bisher  in  ihrer  Heimath  aus  vollen  Zügen  überlassen  konnte.  So  wenig  sie 
auch  sonst  der  unglücklichen  Marie  Antoinette  ähnelte,  hasste  sie  doch  gleich 
dieser  »Madame  Etiquette«,  deren  strenggebietendem  Scepter  sie  sich  nicht 
unterwerfen  mochte.  Bei  einem  ihrer  ersten  Staatsdiners  streifte  sie,  gegen 
alle  Sitte,  die  Handschuhe  ab.  Voll  Entsetzen  machte  eine  ältere  Hofdame 
die  Kaiserin  auf  diesen  Verstoss  aufmerksam.  E.  fragte,  warum  dies  denn 
nicht  erlaubt  sein  solle.  »Weil  dies  eine  Abweichung  von  der  Norm  be- 
deutet«, war  die  Antwort.  »Dann«  —  entgegnete  die  Fürstin  —  »lassen  Sie 
die  Abweichung  Norm  sein.«  Sie,  die  ursprünglich  ihr  Ideal  nicht  darin  er- 
blickte, nur  von  einigen  auserwählten  Familien  umgeben,  einsam  auf  ihrem 
Throne  zu  sitzen,  gedachte  mitten  unter  das  Volk  zu  treten,  das  sie  liebte 
und  von  dem  wieder  geliebt  zu  werden,  ihr  Ehrgeiz  war.  So  ging  sie  ein- 
mal in  den  ersten  Jahren  ihrer  Ehe,  nur  von  einer  Hofdame  begleitet,  durch 
die  Strassen  Wiens  und  begab  sich  in  einen  Laden  am  Graben,  Dieses  Ver- 
gnügen ward  ihr  sehr  bald  vergällt.  »Ihre  Majestät«,  zischelte  man  in  ge- 
wissen äusserst  exclusiven  Kreisen,  »glaubt  offenbar  noch  in  ihren  bayerischen 
Bergen  zu  sein  und  vergisst,  dass  sie  Kaiserin  von  Oesterreich  sei  und  was 
sie  der  Stellung  ihres  Mannes  schulde.«  Noch  nicht  ganz  auf  eigenen  Füssen 
stehend,  Hess  sich  die  junge  Herrscherin  durch  solch  böswillige  Reden  ein- 
schüchtern. Auf  diese  Weise  wurde  in  ihre  Seele  der  erste  Keim  zur  Scheu 
vor  der  Oeffentlichkeit  gepflanzt.  Freilich,  die  daran  Schuldigen  entblödeten 
sich  nicht,  sofort  wieder  zu  lästern  und  zu  sagen:  »Die  Kaiserin  vergisst,  was 
ihre  Würde  erfordere  und  dass  sie  verpflichtet  sei,  sich  so  oft  als  möglich 
der  Bevölkerung  zu  zeigen.«  Das  Unheil,  das  diese  Personen  angerichtet, 
war  geschehen  und  nicht  mehr  gut  zu  machen.  Denn  als  E.,  gereifter  und 
selbständiger  an  Character,  nach  eigener  Einsicht  hätte  vorgehen  können, 
war  ihr  schon  die  Lust  zu  unmittelbarer  Berührung  mit  den  Menschen  ver- 
leidet. Sie,  in  deren  Charakter  ohnehin  eine  gewisse  angeborene  Vorliebe 
für  das  beschauliche  Leben  schlummerte,  hatte  schon  zu  sehr  den  Genuss 
der  Einsamkeit  lieben  gelernt,  um  ihr  nun  entsagen  zu  wollen. 

Indem  E.  sich  immer  mehr  von  der  Aussenwelt  zurückzog,  suchte  und 
fand  sie  Ersatz  für  die  glänzenden  Freuden,  die  diese  bietet,  in  der  Erziehung 
ihrer  Kinder,  die  sie  aufs  Peinlichste  überwachte.  Bezeichnend  sind  in  dieser 
Hinsicht  die  Worte,  die  sie  an  Bischof  Rönay  richtete,  den  Lehrer  der  Erz- 
herzogin Valerie:  »Ich  wünsche  der  Valerie«  —  sagte  sie  diesem  —  »eine 
gute  Erziehung  zu  Theil  werden  zu  lassen.  Ich  will  aus  ihr  keine  Bigotte 
machen,  aber  sie  soll  religiös  sein,  damit  ihr  die  Religion  Trost  zu  bieten 
vermöge.«  So  oft  es  nur  die  Umstände  erlaubten,  wohnte  die  Kaiserin 
persönlich  dem  Unterricht  an;  war  sie  verhindert,  Hess  sie  sich  nachträglich 
über  den  Verlauf  der  versäumten  Stunden  Bericht  erstatten.  Sie  legte  Werth 
darauf,  dass  zwischen  ihren  Kindern  und  deren  Lehrern  ein  inniges,  vertrau- 
liches Band  sich  knüpfe,  weil  sie  solch  ein  Verhältniss  als  die  Quelle  innerer 
Herzensbüdung  betrachtete.  Als  die  Kinder  noch  klein  waren,  sah  man  E. 
schon    am    frühen  Morgen   an   deren   Schlaflager  herantreten,    um   sie   durch 


9C2  Kaiserin  Elisabeth. 

einen  Kuss  zu  wecken.  Selbst  in  der  Nacht  erschien  sie  öfter  bei  ihnen,  um 
ihren  Athemzug  zu  belauschen.  War  ein  oder  das  andere  Kind  erkrankt, 
dann  wollte  sie  überhaupt  nicht  von  deren  Lager  weichen,  dann  bedurfte  es 
vielen  Zuredens,  damit  sie  sich  entferne  und  einige  Zeit  der  Ruhe  pflege. 
In  ihrem  Familienkreise  war  E.  eine  musterhafte  Gattin  und  Mutter;  es  war 
mehr  als  höfisch-conventionelle  Redeweise,  es  war  aus  dem  Herzen  dringende, 
tiefste  Würdigung,  als  der  Kaiser,  nach  dem  schrecklichen  Tode  des  Kron- 
prinzen, von  seiner  Gemahlin  sagte:  »Wie  viel  ich  in  diesen  schweren  Tagen 
meiner  innigst  geliebten  Frau,  der  Kaiserin,  zu  danken  habe,  w^elch  grosse 
Stütze  sie  mir  gewesen,  kann  ich  nicht  beschreiben,  nicht  warm  genug  aus- 
sprechen.« 

Wie  ernst  auch  E.  die  Pflichten  einer  Gattin  und  Mutter  nahm,  ihr  reg- 
samer Geist  suchte  auch  noch  nach  anderer  Befriedigung.  Keine  intriguante 
Natur,  abhold  allen  Schleichwegen,  zu  deren  Betretung  das  höflsche  Leben 
so  leicht  verlockt  und  in  den  meisten  Fällen  treu  den  Traditionen  der 
Wiener  Hofburg,  dass  die  Frauen  dem  Getriebe  der  Politik  ferne  bleiben 
sollen,  mischte  sie  sich  auch  nicht  in  diese.  Griff  sie  aber  auch  nicht  thätig 
ein,  so  glaubte  sie  doch,  sich  über  den  Gang  der  historischen  Ereignisse 
unterrichten  zu  müssen.  Es  ist  bezeichnend  für  sie,  dass  sie  ihre  Kenntniss 
vornehmlich  aus  solchen  Schriften  zu  schöpfen  liebte,  die  von  der  Polizei 
aufs  Strengste  verboten  worden  waren,  wie  z.  B.  aus:  »Ein  Blick  auf  den 
anonymen  Rückblick«  —  »Der  Zerfall  Oesterreichs«  —  oder  Michael  Horväths: 
»Unabhängigkeitskrieg«.  Nur  in  äusserst  seltenen  Momenten,  wie  wir  noch 
sehen  werden,  nur  in  solchen,  in  denen  das  Staatsleben  die  äusserste  An- 
spannung erforderte,  hat  sie  ihrer  sich  selbst  auferlegten  Zurückhaltung  ent- 
sagt und  ihre  versöhnliche  Stimme  ertönen  lassen.  Ihrem  ganzen  Wesen 
widerstrebte  ja  die  aufregende  Beschäftigung  mit  staatlichen  Dingen,  wie  sie 
denn  einmal  äusserte:  »Ich  habe  zu  wenig  Respect  vor  der  Politik  und  er- 
achte sie  eines  Interesses  nicht  werth.«  Sie  war  keine  Maria  Ludovica,  die, 
als  dritte  Gemahlin  des  Kaisers  Franz,  voll  leidenschaftlichen  Hasses  gegen 
Napoleon  I.,  den  bestimmendsten  Einfluss  auf  die  Geschicke  des  Staates 
nahm,  und  mit  der  ihr  eigenen  Energie  für  den  Krieg  gegen  den  corsischen 
Eroberer  eintrat.  E.  vermied  es  eben,  hierin  einem  innern  Drange  folgend, 
activ  zu  wirken  und  dadurch  ihren  Gemahl  zu  dieser  oder  jener  politischen 
Handlung  fortzureissen.  War  es  auch  nicht  die  mitunter  öde  und  häufig  die 
feinsten  Empfindungen  der  Seele  verletzende  Beschäftigung  mit  der  Politik, 
die  sie  reizte,  so  widmete  sie  sich  mit  um  so  grösserer  Hingebung  der  ver- 
edelnden Pflege  der  höchsten  Erzeugnisse  menschlichen  Geistes.  Die  Werke 
der  Litteratur,  diese  Ofienbarungen  göttlichen  Schaffens,  zogen  sie  mit  un- 
widerstehlicher Kraft  an.  In  den  Schöpfungen  der  tiefsten  Denker  und 
Dichter  der  Weltlitteratur  suchte  und  fand  sie  ihre  Verjüngung.  In  diese 
ewig  erfrischende  Quelle  tauchte  sie  immer  wieder  unter,  um  gestählt  allen 
Widerwärtigkeiten  Trotz  zu  bieten.  Die  Litteratur  war  fiir  sie  die  Sonnenseite 
des  Lebens,  die  einzige  des  Lebens,  die  kein  Jammerbild  bot.  Durch  schwere 
Ereignisse  dem  Pessimismus  ergeben,  bildete  die  Versenkung  in  die  Werke 
der  Geistesheroen  ein  starkes  und  gesundes  Gegengewicht.  Hervorragende 
Männer,  denen  es  vergönnt  war,  sie  kennen  zu  lernen,  waren  überrascht  von 
der  Fülle  ihrer  Kenntnisse.  »Um  mit  der  Kaiserin  zu  sprechen«  —  äusserte 
einmal  Hasenauer  —  »muss  man  gut  in  Geschichte,  Kunst  und  Wissenschaft 
beschlagen  sein;  es  ist  staunenswerth,  was  sie  Alles  weiss.«     Mit  Vorliebe  las 


Kaiserin  Elisabeth. 


353 


sie  Voltaire,  Rousseau,  Lamartine,  und  wie  mir  von  gut  informirter  Seite  be- 
stätigt wurde,  hat  sie  den  ganzen  Schopenhauer  ins  Neugriechische  trefflich 
übersetzt  —  eine  Leistung,  die  nicht  nur  einer  Frau,  sondern  die  auch  jedem 
Manne  zur  Ehre  gereichen  würde.  Shakespeare  erregte  ihre  ganze  Bewunderung. 
Gründlich  kannte  sie  Goethe  und  Schiller.  Aber  ihr  eigentlicher  Dichter, 
dessen  Poesien  für  sie  einen  unverwüstlichen  Reiz  besassen  und  zu  dem  sie 
immer  wieder  zurückkehrte,  war  Heine.  Auf  das  Grab  dieses  in  Paris  bei- 
gesetzten Poeten  Hess  sie  einen  Kranz  niederlegen,  dessen  Bandschleifen  die 
Aufschrift  trugen:  »Kaiserin  Elisabeth  ihrem  Lieblingsdichter«.  Bekannt  ist 
es  auch,  dass  sie  ihr  entzückend  schönes  Achilleion  auf  Corfu  mit  seinem 
Denkmal  zierte.  Ihr,  die  erhaben  über  dem  kleinlichen  Gezanke  der  Menschen 
stand,  war  es  unbegreiflich,  wie  religiöser  Hass  die  Verblendung  so  weit 
treiben  konnte,  um  diesem  ihrem  Lieblingsdichter  die  Errichtung  eines  Monu- 
mentes in  Deutschland  zu  verweigern,  dessen  Litteratur  er  mit  so  herrlichen 
Werken  bereichert  hatte.  Man  muss  selbst  eine  ungemein  poetisch  veranlagte 
Natur  sein,  um  einem  Dichter  so  tiefe,  grenzenlose  Verehrung  zu  zollen,  wie 
E.  sie  für  Heine  hegte.  Hat  sie  vielleicht  sogar  selbst  die  Geheimnisse  ihres 
Innern,  die  Gefühle,  die  sie  bewegten,  in  die  Form  der  Dichtung  um- 
gesetzt? Bis  jetzt  sind  von  ihr  nur  zwei  Gedichte  in  die  Oeflfentlichkeit 
gedrungen.  Das  eine,  das  von  besonders  zarter  Empfindung  zeugt,  befindet 
sich  auf  dem  Marienbilde  am  Jainzen  bei  Ischl.  Man  wird  jedoch  ihre 
Geistesrichtung  nach  ihrem  vollen  Umfang  würdigen  lernen,  wenn  erst  einmal 
Briefe  und  sonstige  Aufzeichnungen  von  ihrer  Hand,  die  noch  hinter  Schloss 
und  Riegel  liegen,  bekannt  sein  werden.  Aus  diesen  Schriften  wird  man 
dann  sicher  ihre  Begeisterung  für  alles  Erhabene  erfahren,  die  wir  bisher  nur 
bruchstückweise  kennen.  In  welcher  Gestalt  immer  ihr  ein  gewaltiger  Geist 
entgegentrat,  freudig  und  neidlos  brachte  sie  ihm  ihre  Huldigung  dar.  Wie 
sehr  auch  sonst  Napoleon  I.  Wesen  ihr  fremd  war,  vor  der  historischen  Be- 
deutung dieses  Mannes  verschloss  sie  nicht  die  Augen.  Offen  sprach  sie 
ihre  Bewunderung  für  dieses  mächtigste  Genie  der  neuem  Zeit  aus  und  in 
Paris  äusserte  sie  über  ihn,  damit  ein  richtiges  Urtheil  über  seine  Wirksam- 
keit fällend:  »Welch  ein  grosser  Mann  war  das!  Schade  nur,  dass  er  nach 
dem  Kaiserthum  Verlangen  trug.«  Diese  Verehrung  für  alles  Grandiose  war 
ihr  zur  zweiten  Natur  geworden.  Kleinliches,  Niedriges  hasste  sie,  wie  sie 
denn  lieber  schwieg,  wenn  sie  nichts  zu  sagen  wusste,  was  über  das  gewöhn- 
liche Niveau  hinausreichte  —  hierin  durchaus  abweichend  von  der  Sitte  der 
Höfe,  wo  die  Sprache  des  Alltäglichen  so  leicht  überwuchert.  Die  Pflege 
der  Schöpfungen  gewaltiger  Geister  war  für  sie  ein  Bedürfniss,  um  ihren 
eigenen  Geist  in  der  gleichen  Richtung  weiterzuentwickeln.  Für  sie  war 
Kunst  und  Wissenschaft  nie  etwas  Fertiges,  Abgeschlossenes,  das  nur  formal 
aufzunehmen  sei.  Wer  den  Dichter,  Künstler  oder  den  Gelehrten  nicht  voll- 
kommen erfasste  und  durch  sie  nicht  zu  selbständigen  Gedanken  angeregt 
wurde,  war  in  den  Augen  E.s  ungebildeter  als  der  einfachste  Mann  aus  dem 
Volke,  der  wenigstens  die  Fähigkeit  besass,  sich  in  ungebrochener  Kraft  seinen 
eigenen  Empfindungen  zu  überlassen.  Deshalb  unterschied  sie  sehr  wohl 
zwischen  Cultur  und  Civilisation.  E.,  die  selbst  viel  gelernt  und  deren 
Forschungstrieb  nie  ermüdete,  ergab  sich  mitunter  auch  der  Rousseau'schen 
Sehnsucht  nach  Rückkehr  zur  Natur,  die  alles  überflüssige  Wissen  über  Bord 
zu  werfen  wünschte.  Derartige  Ansichten  hörte  man  aber  nur  selten  aus 
ihrem  Munde.     Im  Ganzen  ermass  sie  vollkommen  die  hohe  Bedeutung  von 

Bfogr.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  2X 


354 


Kaiserin  Elisabeth. 


Kunst  und  Wissenschaft  für  das  Leben  der  Völker.  Vermöge  ihrer  Stellung 
wäre  sie  eigentlich  berufen  gewesen,  selbst  die  Stifterin  einer  grossen  literarisch- 
künstlerischen  Periode  zu  werden,  die  dann  für  immer  mit  ihrem  Namen  ver- 
bunden geblieben  wäre.  Sie  suchte  auch  wohl,  junge  Talente  ausfindig  zu 
machen  und  zu  unterstützen,  wie  denn  so  Mancher  von  ihr  gefördert  in  Rom 
arbeitete.  Auch  sammelte  sie  selbst  herrliche  Bilder  und  Skulpturen.  Aber 
es  war  ganz  gegen  ihre  Gemüthsbeschaffenheit,  tiefer  einzugreifen;  ihrer 
ganzen  Anlage  nach  war  sie  mehr  geeignet,  geistig  zu  geniessen,  als  selbst 
anzuregen,  wodurch  sie  um  den  Ruhm  kam,  die  Begründerin  einer  hervor- 
ragenden Kunstepoche  zu  werden.  Das  ist  auch  ein  tragisches  Moment  in 
ihrem  Leben. 

Sagte  auch  E.,  dass  sie  wenig  Respect  vor  der  Politik  habe  und  diese 
keines  Interesses  werth  erachte,  so  ist  sie  doch  Ungarn  gegenüber  diesem 
Grundsatz  untreu  geworden.  Ihr  ganzes  Verhältniss  zu  Ungarn  ist  so  eigen- 
thümlich  und  lässt  die  Kaiserin,  in  ihrer  Eigenschaft  als  Königin  von  Ungarn, 
in  Umrissen  hervortreten,  die  bei  ihrer  Charakteristik  unmöglich  mit  Still- 
schweigen übergangen  werden  können.  Sie  half  das  Band  zwischen  Thron 
und  Nation  aufs  Innigste  knüpfen;  zumal  in  traurigen  Tagen,  die  nun  für 
alle  Zeiten  der  Vergangenheit  angehören,  hat  sie  wie  ein  wahrer  Friedens- 
engel gewirkt.  Unvergessen  bleibt  es  ihr  bei  den  Ungarn,  dass  sie,  als  in 
Folge  der  1866  er  Ereignisse  Oesterreich  auf  dem  Sprunge  stand,  auch  Italien 
zu  verlieren,  zu  Graf  Julius  Andrässy  sagte:  »Wenn  die  Dinge  in  Italien  schief 
gehen,  so  schmerzt  es  mich,  wenn  es  aber  in  Ungarn  Unheil  giebt,  tödtet  es 
mich.«  Eben  so  weiss  man  ihr  Dank  dafür,  dass  sie,  auf  düstere  Vorgänge 
des  Jahres  1849  anspielend,  zu  dem  aus  der  Verbannung  eben  heimgekehrten 
Geschichtsschreiber  Bischof  Michael  Horväth  äusserte:  »Glauben  Sie  mir, 
wenn  es  in  unserer  Macht  stünde,  mein  Mann  und  ich  wären  die  Ersten, 
die  Ludwig  Batthyäny  und  die  Arader  Blutzeugen  ins  Leben  zurückrufen 
würden.«  E.  wird  denn  auch  in  Ungarn  wie  eine  »wahre  göttliche  Frau«, 
wie  der  schützende  Geist  der  Nation  verehrt. 

Man  darf  aber  wohl  die  Frage  aufwerfen,  wie  es  denn  kam,  dass  diese, 
fern  von  Ungarn  geborene  Fürstin,  an  deren  Ohr  in  ihrer  Kindheit  nie  der 
Klang  der  ungarischen  Sprache  gedrungen,  sich  so  rasch  und  in  so  hohem 
Maasse  für  dieses  Land  begeisterte.  Dieses  Räthsel  ist  nur  auf  psychologischem 
Wege  zu  lösen.  Als  E.  die  Stätte  des  Wiener  Hofes  betrat,  in  dessen  Mitte 
sie  von  nun  an  zu  leben  hatte,  begegnete  sie  da  einer  für  Ungarn  sehr  un- 
freundlichen Stimmung.  Noch  lebte  Alles  unter  dem  frischen  Eindrucke  der 
Auflehnung  des  ungarischen  Volkes  gegen  die  Fesseln,  die  ihm  despotisch 
gesinnte  Staatsmänner  hatten  auferlegen  wollen,  denen  jedwede  Regung  frei- 
heitlichen Geistes  ein  Gräuel  war.  Die  junge  Monarchin  hörte  nur  stets  in 
ungünstigster  Weise  über  die  Unterthanen  jenseits  der  Leitha  urtheilen.  Als 
selbstständig  denkender  Kopf,  der  alles  nach  eigenem  Wissen  prüft,  entschloss 
sie  sich,  diesen  Dingen  näher  zu  treten,  um  sich  aus  eigener  Anschauung  zu 
überzeugen,  ob  diese  vielfach  geschmähten  Ungarn  denn  auch  wirklich  so 
arg  seien,  wie  man  sie  bei  ihr  anzuschwärzen  suchte.  Mit  ihren  hellsehenden, 
bis  auf  den  Grund  blickenden  Augen  bot  sich  ihrem  Geiste  sehr  bald  ein 
wesentlich  anderes  Bild,  als  es  ihr  gezeichnet  worden.  Sie  fühlte  sich  rasch 
von  dem  ritterlichen,  treuseligen  und  offenherzigen  Wesen  der  Ungarn  ge- 
fesselt, von  Eigenschaften,  die  mit  ihrem  eigenen  Charakter  harmonirten. 
Vollends   überzeugte   sie   der   glänzende   Empfang,    der  ihr   an   der  Seite   des 


Kaiserin  Elisabeth. 


355 


hohen  Gemahls   bei   einer  Rundreise  durch  Ungarn  zu  theil  wurde.     Musste 
sie  sich   nicht   sagen,   dass  Männer,   die  ihre  Herrscher,   auch  wenn  sie  noch 
nicht   gekrönt  sind,    in  solch  jubelnder  Weise  begrüssten,   wie  dies  1857  der 
Fall  war,   nicht   von  Natur   aus  Rebellen  sein  könnten,  sondern  dass  sie  erst 
der  Zwang  der  Ereignisse  zu  solchen    gemacht  haben   müsse.     Sie  erkannte, 
dass  in   den  Unterthanen  der  heiligen  Stephanskrone  ein  mächtig  pulsirendes 
dynastisches  Gefühl   lebendig  sei  und  nur  verfehlte  Staatskunst  den  Fürsten 
um   diesen   edlen  Schatz   in   den  Herzen   seiner  Völker  zu  bringen  vermöge. 
Von  dieser  Erkenntniss  war  der  Weg  nicht  mehr  weit  zum  Vorsatz,  bei  erster 
Gelegenheit  die  Versöhnung  zwischen  König  und  Nation  aus  aller  Macht  zu 
fördern.     Daher   ist  es  auch  zu  erklären,   dass  sie  sich  mit  einem  Ernst,  der 
vor  keinem  Hinderniss  zurückschreckt,  der  Erlernung  des  schweren  ungarischen 
Idioms  widmete.     Durch  die  Sprache,   die  ja  auf  die  Menschen  gleich  einer 
Zauberkraft  wirkt,  wollte  sie  sich  das  innerste  Wesen  der  Nation  erschliessen, 
die    tiefsten  Einblicke    in    dessen  Herz    eröffhen.     Hier  ist  sie  dem  Beispiel 
einiger  dem  habsburgischen  Hause  angehörigen  Mitglieder  gefolgt.     So  waren 
Maximilian  I.  und  Mathias  II.  des  Ungarischen  mächtig;  desgleichen  Maximilian 
und  Ferdinand,  die  Söhne  Ferdinand  I.,  der  überdies  noch  den  Ständen  den 
Schutz    ihrer    nationalen  Sprache    zusicherte.     Grosse  Fertigkeit  darin  hatten 
von  Maria  Theresias  Kindern  nur  noch  deren  jüngste  Söhne  Karl  und  Ferdinand 
erlangt.     Doch    sie  Alle    hat    E.    übertrofFen,    denn    nach   dem   einstimmigen 
Zeugniss  der  Personen,    die  in  der  Lage  waren,   dies  beurtheilen  zu  können, 
hat    sie    das    Ungarische    nicht    nur    vollkommen     beherrscht,     sondern    es 
wie   eine   im  Lande  selbst  Geborene  gehandhabt.     Jökai  war  überrascht  von 
ihrem  accentlosen  Gebrauch  seiner  Muttersprache ;  sie  bediente  sich  derselben, 
lautet    seine  Aussage,    wie    eine    ferme  Frau    aus    der  Gentry    und   nicht  so 
affectirt,  wie  die  meisten  Damen  der  ungarischen  Aristokratie  es  mit  absicht- 
licher Vorliebe   zu  thun  pflegen.     Auch  mit  ihrem  Gemahl,  dem  Kronprinzen 
Rudolf  und   der  Erzherzogin  Valerie  liebte   es  E.   in  dieser  Sprache  zu  ver- 
kehren.    Ihr    erster   ungarischer   Lehrer    war    Homoky,    ein    alter    behäbiger 
Piarist.     In  trockener,  viel  eher  abstossender,  als  anziehender  Weise  führte  er 
seine    hohe  Schülerin    in    die  Geheimnisse    der  von   ihm   zu  unterrichtenden 
Sprache    ein.      Aber    selbst    diese    trockene    Methode    vermochte    nicht,   die 
Kaiserin   von   ihrem  Ziele   abzulenken.      »Mussten  Sie«    —   fragte   sie   einmal 
in  spätem  Jahren   einen  Herrn,   dessen  Lehrer  Homoky  im  Theresianum  ge- 
wesen  —   »auch  so  viel  schreiben,   wie  ich,    dass  mir  die  Finger  knackten?« 
Unter  der  Leitung  dieses  Mannes  hatte  die  Kaiserin  wohl  die  Grammatik  er- 
lernt  und   konnte  Bücher  leichterer  Art  verstehen.     Aber  das  genügte  nicht: 
sie   wollte    ihren    Styl    vervollkommnen    und    mit    der  Literatur    der    Ungarn 
bekannt  werden.     Dazu  reichte  Homokys  Führung  nicht  aus.     Mit  der  neuen 
Aufgabe,   der  Kaiserin   den  w^ahren   Geist    der  [ungarischen  Sprache  zu  ver- 
dolmetschen,  wurde  daher   der  damals  in  Wien   lebende  geistvolle  Publicist 
Dr.    Max    Falk,    der   jetzige    Reichstagsabgeordnete    und    Chefredacteur    des 
»Pester  Lloyd«  betraut.     Er  hat  die  Zeit  die  er  als  Lehrer,  in  der  Nähe  der 
Kaiserin    verbracht,    in    seinen  »Rückerinnerungen«    geschildert,    die  zu  dem 
Interessantesten  und  Fesselndsten  gehören,    das  wir  über  E.    besitzen.     Falk 
fasste  seine  Stellung  sofort   in  anderer  Weise   auf  als  Homoky.     Er  geleitete 
die  Kaiserin  an  die  Quelle  selbst,    indem   er  sie   zur  Lektüre  der  besten  un- 
garischen Schriftsteller  anregte.     Gleichzeitig  trug  er  ihr  in  lebendigen  Worten 
die  Geschichte  der  Nation  vor,  den  grössten  Nachdruck  auf  die  neuere  Periode 

23« 


^c6  Kaiserin  Elisabeth. 

legend.  Ausserdem  gab  er  ihr  den  gerade  von  Arneth  publicierten  französischen 
Briefwechsel  zwischen  Joseph  II.  und  Katharina  II.  von  Russland  zum  über- 
setzen, der,  vermöge  seines  Inhalts,  keine  Langeweile  aufkommen  Hess.  Falk 
war  ganz  entzückt  von  dem  Fleiss  und  der  fast  pedantischen  Pünktlichkeit, 
mit  der  E.  sowohl  während  als  ausserhalb  der  Stunden  thätig  war.  Unmittel- 
bar vor  der  Krönung  zur  Königin  von  Ungarn  im  Jahre  1867  hörte  der 
Unterricht  auf,  der  sie  nur  noch  mehr  in  ihrer  Liebe  für  dieses  Reich  be- 
stärkt hatte.  Der  Jubel,  mit  dem  sie  empfangen  wurde,  so  oft  sie  nach 
Budapest  kam,  berührte  sie  stets  aufs  Angenehmste.  Wo  immer  sie  auch 
weilte,  fühlte  sie  sich  als  Herrscherin  dieses  Landes.  Das  kam  insbesondere 
zum  Ausdruck,  als  sie  gegen  Ende  der  80  er  Jahre  in  Gastein  weilte.  Sie 
hatte  mit  ihrer  Hofdame,  der  Gräfin  Majläth,  einen  Ausflug  auf  den  Gams- 
karkogl  unternommen,  auf  dessen  First  sich  ein  Schutzhaus  befindet.  In 
das  dort  aufliegende  Fremdenbuch  schrieb  die  Gräfin:  »Elisabeth,  Kaiserin 
von  Oesterreich«.  Als  die  hohe  Frau  dies  las,  streifte  sie  ihren  Handschuh 
ab,  ergriff  die  Feder  und  setzte  unter  ihren  bereits  von  der  Hofdame  ein- 
getragenen Namen  noch  die  Worte:  »Erzsdbet,  magyar  kirälynd«  (»Elisabeth, 
ungarische  Königin«).  Sich  nicht  bloss  als  Kaiserin  von  Oesterreich,  sondern 
auch  als  Königin  von  Ungarn  betrachtend,  that  ihr  daher  nichts  weher,  als 
wenn  sie  Missstimmung  zwischen  ihrem  Mann  und  seinen  ungarischen  Ministem 
gewahrte,  wie  dies  einmal  aus  Anlass  der  sogenannten  kroatischen  Schilder- 
frage der  Fall  war.  Der  damalige  Ministerpräsident  Koloman  Tisza  forderte, 
dass  das  von  den  Kroaten  herabgerissene  und  in  solcher  Weise  beleidigte  ungarische 
Wappen  zur  Genugthuung  unter  militärischen  Ehrenbezeugungen  wieder  auf 
seinen  früheren  Platz  zurückgebracht  werde.  Davon  wollte  der  Kaiser,  dem 
dies  gegen  das  Gesetz  zu  Verstössen  schien,  absolut  nichts  hören.  Sowohl 
Tisza  als  seine  Collegen  rechneten  schon  mit  ihrem  Sturze.  Wie  erstaunt 
aber  waren  sie,  als  der  Monarch,  den  der  Antrag  Tiszas  sehr  erregt  hatte, 
am  nächsten  Tag  heiter  lächelnd  und  in  froher  Laune  seine  Zustimmung 
hierzu  ertheilte.  Unbedingt  musste  sich  etwas  Ausserordentliches  hinter  den 
(joulissen  zugetragen  haben.  In  der  That  wurde  gleich  damals  erzählt,  E. 
hätte  mittlerweile  besänftigend  auf  ihren  kaiserlichen  Gemahl  eingewirkt  und 
ihn  zur  Nachgiebigkeit  bewogen,  wodurch  sie  dem  Lande  jedenfalls  eine  in 
seinen  Folgen  unberechenbare  Erschütterung  erspart  hatte.  Den  ganzen 
Schatz  ihrer  Zuneigung  für  Ungarn  offenbarte  die  Kaiserin  beim  Tode  Deäks, 
den  sie  immer  als  den  Weisen  der  Nation  verehrte.  Im  Januar  des  Jahres  1876 
war  dieser  grösste  ungarische  Staatsmann,  der  Führer  seines  Volkes,  schwer 
erkrankt.  Als  E.  am  25.  von  München  nach  Ofen  kam,  war  die  erste  Frage, 
die  sie  schon  in  der  Vorhalle  des  Schlosses  an  Bischof  Ronay  richtete:  »Wie 
befindet  sich  Deäk?«  damit  ihre  tiefe  und  aufrichtige  Theilnahme  bekundend. 
Eine  Thräne  des  Schmerzes  erzitterte  in  ihrem  Auge,  als  sie  am  Morgen  des 
29.  Januar  die  Trauerbotschaft  vom  Ableben  Deäks  erfuhr.  Sofort  war  sie 
entschlossen,  persönlich  auf  den  Sarg  dieses  Mannes  einen  Kranz  niederzu- 
legen. Eine  Scene  tiefergreifender  Tragik,  wie  geschaffen  für  den  Pinsel  des 
Malers,  bot  sich  allen  Anwesenden,  als  Ungarns  edle  Königin  vor  dem  Sarge 
niederkniete,  um  für  den  grossen  Todten  auch  noch  ein  Gebet  zu  verrichten. 
Selten  wurde  wohl  ein  einfacher  Bürger  in  so  erhebender  Weise  geehrt. 
Voll  Dankbarkeit  hüten  auch  die  Ungarn  die  Erinnerung  an  diesen  Vorgang, 
der  sie  stets  zu  flammender  Begeisterung  für  ihre  Dynastie  wachruft.  So  ward 
¥..  durch  ihre  Persönlichkeit,  selbst  noch  über  das  Grab  hinaus,   eine  Quelle 


Kaiserin  Elisabeth. 


357 


der  Stärkung  und  des  innigen  Zusammenhanges  zwischen  Krone  und  Volk.  — 
E.  war  sich  vollkommen  klar  darüber,  dass  sie  durch  ihre  ganze  Art,  zu  leben, 
gegen  die  hergebrachte  Anschauung  Verstösse.  Sie  kümmerte  sich  auch  wenig 
darum,  dass  sie  dadurch,  wie  sie  sich  ausdrückt,  die  »Schubladenordnung«  der 
Menschen  störe.  Von  dem,  was  sie  einmal  als  richtig  befunden,  konnte  sie 
Niemand  mehr  abbringen.  Ein  durchaus  selbstständiger  Charakter,  wollte  sie 
sich  durch  keine  wie  immer  geartete  Macht  eines  Andern  unterjochen  lassen. 
Mit  wahrer  Wonne  sog  sie  die  Luft  der  Freiheit  ein,  die  in  diesem  Maasse 
zu  gemessen,  selbst  gekrönten  Häuptern  nur  selten  vergönnt  ist.  E.  erhob 
sich  weit  über  alle  Bedenken,  die  ihr  das  Urtheil  Dritter  einflössen  könnte. 
Sie  wusste  sehr  gut,  dass  ihr  von  Vielen  die  leidenschaftliche  Liebe  für  die 
Reitkunst  missdeutet  werde,  die  ihr  das  Epitheton  der  »Amazone  von 
Oesterreich-Ungarn«  eintrug.  Aber  der  Tadel,  der  gegen  sie  laut  wurde, 
Hess  sie  kalt,  w^eil  sie  die  Pflege  dieses  Sports,  auch  ein  Zeichen  ihrer  Viel- 
seitigkeit, für  vollkommen  gerechtfertigt  hielt.  Ihrer  Gesundheit  wegen  stieg 
sie  zu  Pferde,  vielleicht  dabei  auch  an  den  Ausspruch  der  Diane  de  Poitiers 
denkend,  dass  das  Angesicht  einer  Reiterin  am  Morgen  vom  Himmelsthau, 
dem  besten  aller  Jungbrunnen,  benetzt  werde.  Nach  ihrem  eigenen  Geständniss 
jedoch  ritt  sie,  um  Missstimmungen  der  Seele  niederzukämpfen.  Anfangs  nur 
ihres  körperlichen  Behagens  wegen  betrieben,  lernte  sie  allmählich  während 
der  Ausübung  ihre  eigene  Kraft  über  das  Pferd  kennen  und  unter  der  Hand 
entwickelte  sich  ihre  Fertigkeit  zur  vielbewunderten  Virtuosität.  Alle,  die 
sie  je  reiten  gesehen,  nennen  sie  eine  herrliche  Erscheinung  zu  Pferde.  Selbst 
in  England,  dem  klassischen  Boden  der  Reitkunst,  wurde  ihre  Kühnheit  und 
Bravour  bewundert.  Mit  Leichtigkeit  sprengte  sie,  die  jederzeit  hohen  per- 
sönlichen Muth  bekundete,  bei  Jagden  über  Hindernisse  hinweg,  vor  denen 
selbst  die  gewandtesten  und  unerschrockensten  Reiter  Halt  machten.  Sie  war 
in  dieser  Kunst  immer  vom  Glück  begünstigt.  Als  sie  jedoch  in  Frankreich, 
auf  dem  Schloss  zu  Sassetöt  weilte,  hätte  sie  ihre  Verachtung  aller  Gefahren 
bald  sehr  bitter  gebüsst.  Aber  der  Unfall,  der  sie  hier  betroffen,  minderte 
nicht  im  Mindesten  ihre  Leidenschaft.  Sie  entsagte  derselben  erst,  als  neur- 
algische Fussschmerzen  sie  dazu  zwangen.  E.  hat  jedoch  nicht  nur  als 
Reiterin,  sondern  in  gewissem  Sinne  auch  als  Dauergängerin  zu  Fuss  Berühmt- 
heit erlangt.  Es  ist  bekannt,  wie  sie  in  dieser  Beziehung  an  ihren  Körper 
die  grössten  Anforderungen  stellte  und  keine  Ermüdung  kannte.  Sie  durfte 
sich  diesen  und  noch  manchen  andern  Sport  gestatten,  da  man  nicht  sagen 
kann,  dass  sie  darin  vollkommen  aufgegangen  sei.  Die  Vorliebe  fiir  diese 
Lebensweise  hat  ihr  nicht,  wie  so  vielen  Andern,  die  Zeit  zur  Ausbildung 
des  Geistes  geraubt,  dem  sie  viele  Stunden  des  Tages,  selbst  auf  ihren 
Spaziergängen,  widmete.  Sie  pflegte  die  Kunst  des  Reitens  und  des  Gehens, 
w'eil  sie  in  ihnen,  nächst  Mitteln  zur  Stärkung  ihres  Körpers,  auch  die  ge- 
eigneten Handhaben  zur  Flucht  vor  den  Menschen  in  die  Einsamkeit  erblickte. 
Deshalb  suchte  sie  so  gerne  die  Ferne  auf.  Aus  ihrer  allerdings  schon  krank- 
haften Meidung  der  Berührung  mit  der  Aussenwelt  darf  aber  nicht  geschlossen 
werden,  dass  sie  sich  dem  Schicksal  ihrer  Mitmenschen  gegenüber  theilnahms- 
los  verhielt.  Was  wir  von  ihr  wissen,  spricht  und  zeugt  für  das  Gegen theil. 
Auf  ihre  Veranlassung  wurde  dem  bei  der  Armee  als  Strafausmaass  üblichen 
grausamen  Spiessruthenlaufen  ein  Ende  gemacht.  War  sie  nicht  bestrebt,  die 
Lage  der  arbeitenden  Frau  zu  verbessern?  Wie  human  benahm  sie  sich  in 
den  Spitälern,   die  sie  zur  Kriegszeit  aufsuchte!  Nur  ein  fiir  die  Leiden  der 


358 


Kaiserin  Elisabeth. 


Menschen  offenes  Herz  konnte  den  armen,  verwundeten  Kriegem  in  so 
rührender  Weise  Trost  zusprechen,  wie  sie  es  that.  Zahllos  ist  die  Reihe 
der  Züge,  die  den  edlen  mildthätigen  Sinn  der  Kaiserin  verkünden.  Ihren 
Leuten  war  sie  die  beste  und  mildeste  Herrin.  Sie  konnte  wohl  zürnen, 
wovon  zumal  die  Kammerfrau,  die  mit  der  Pflege  ihres  selten  reichen 
Haarwuchses  betraut  war,  zu  erzählen  wusste.  Aber  nie  vergass  sie  sich 
soweit,  um  ihren  Lippen  ein  heftiges  und  allzu  lautes  Wort  entschlüpfen  zu 
lassen.  Sprach  sie  doch  immer  nur  leise,  denn  ihrer  Anschauung  nach  zer- 
splittert man  zu  viel  innere  Kraft,  wenn  man  fortgesetzt  erhobenen  Tones 
redet. 

Diese  selbst  für  den  Geringsten  der  Menschen  warm  empfindende 
Frau  ward  vom  herbsten  Schicksalschlag  ereilt,  der  ein  Mutterherz  treffen 
kann.  In  der  Blüte  der  Jahre,  mit  seltenen  Geistesgaben  ausgestattet,  kam 
ihr  Sohn,  Kronprinz  Rudolf,  ums  Leben.  Seitdem  war  sie  die  schwergebeugte 
Mater  dolorosa  und  seit  diesem  Tage  hüllte  sie  sich  in  tiefe  Trauer,  noch 
mehr  denn  je  die  Aussen  weit  meidend.  Gram  und  Schmerz  nagten  innerlich 
an  ihr.  Betrübende  Nachrichten  über  ihren  Gesundheitszustand  drangen  an 
die  Oeffentlichkeit,  die  das  Aeusserste  befiirchten  Hessen.  Als  sie  sich  nach 
einer  Kur  in  Nauheim  wieder  wohler  fühlte  und  in  den  herrlichen  Bergen 
der  Schweiz  volle  Genesung  suchte,  nahte  ihr  der  Mörder  Lucheni, 
um  ihrem  Dasein  für  immer  ein  jähes  Ende  zu  bereiten.  Wer  hätte  ahnen 
können,  dass  es  einen  Verruchten  gäbe,  der  gerade  dieses  Opfer  für  seinen 
Mordstahl  erwählen  würde?  diese  Frau,  die  niemanden  je  ein  Leid  gethan, 
die  die  Tugend  der  Milde  und  des  Wohlwollens  zierte,  die  fem  jeder  des- 
potischen Neigung  war,  die  ein  offenes,  männliches  Wort,  selbst  wenn  es  ver- 
letzte, viel  eher  vertrug,  als  niedrige  Schmeichelei!  Selbst  dieser  fanatische 
Lucheni  musste,  als  er  die  Wahrheit  über  E.  erfuhr,  überwältigt  von  den 
Tugenden  der  Kaiserin,  gestehen:  »Hätte  ich  das  Alles  gewusst,  so  würde 
ich  mir  ein  anderes  Opfer  ausgesucht  haben«. 

Der  Tod  hat  uns  E.  nur  noch  in  verklärterer  Gestalt   vor  Augen  geführt 

und    dadurch  den  Verlust  noch   fühlbarer  gemacht.     Man  kann  wohl  sagen: 

das   Andenken    an    die  Kaiserin   und  Königin   E.,    dieses   Ideal    einer  edlen, 

grossen  Frauenseele,   wird  nie  erkalten. 

Litteratur:  Constantin  von  Wurzbach:  »Das  Elisabethenbuch«  1854,  und  des- 
selben Verfassers:  »Biographisches  Lexikon«,  6  Bd.  Ronay:  »Naplo-töredek«  (Tagebuch- 
Bruchstück)  6.  Bd.  1875.  Dieses  Werk,  das  aus  8  Bd.  besteht,  wurde  in  nur  10  Exem- 
plaren als  Manuscript  gedruckt.  Benda:  »Perlen«,  Troppau,  1879.  Vasili:  »Societe  de 
Vienne«,  1884.  August  von  Almstein:  »Ein  flüchtiger  Zug  nach  dem  Orient«,  Wien 
1887.  K6nyi:  »Deäk  Ferencz  beszedei«  (Die  Reden  Franz  Deaks)  3.  und  4.  Bd.  1889. 
Eugen  Baron  d'Albon:  »Unsere  Kaiserin«,  Wien,  1890.  Ernest  Tissot:  »Le  livrc 
de  reines«,  Paris,  1896.  Albert  Perquer:  »Une  villegiature  imperiale  en  pays  de  Caux«, 
Paris,  1897.  »Szdzadok«  (Jahrhunderte)  1898,  VIII.  Heft.  Falk  Miksa:  »Erzsebet 
kiralyneröl.  Visszaemlekezcsek«  (Max  Falk:  »Von  der  Königin  Elisabeth,  Rtickerinnerungen«) 
Budapest,  1898.  »Franz  Joseph  I.  und  seine  Zeit«,  herausgegeben  von  J.  Schnitzer, 
Wien  1898.  F.  A.  Dorfmeister:  »Kaiserin  Elisabeth  von  Oesterreich« ,  Wien,  1S98. 
Peter  CarlNovacek:  »Erinnerungen  an  Kaiserin  Elisabeth  aus  dem  Jahre  1866.  Aus 
meinem  Tagebuch«.  (Feuilleton).  L.  K.  Nolston:  »Ein  Andenken  an  weil.  Kaiserin  und 
Königin  Elisabeth«,  Wien  1898.  Dieses  Buch  bildet  eine  Sammlung  der  in  verschiedenen 
Zeitungen  über  Elisabeth  erschienenen  Feuilletons.  Ausser  den  da  angeführten  wäre  noch 
zu  erwähnen:  C.  v.  Z.  (Zdekausr):  »Erinnerungen  an  Kaiserin  Elisabeth«,  Prager  Tagblatt, 
24.  Sept  1898.  —  ibid.  16.  Oct.  1898:  Dr.  A.  Heine:  »Kaiserin  Elisabeth  in  England 
und  Irland.  —  Alfred  Nossig:  »Villa  Pregny«,  Neue  Freie  Presse,  10  Sept.  1899.  Leo 
Smolle:  »Unsere  Kaiserin«.  (Ein  Nachruf)  1898.     A.  de  Burgh:   »Elisabeth,  empress  of 


Kaiserin  Elisabeth.     Graf  Kälnoky.  ^cq 

Austria«c,  London  1899.  »The  Martyrdom  of  an  Empress«  (Anonym  erschienen.) 
London  und  New-York,  1899.  Helene  Oksza  (Ziemialkovska):  >Impressions  et  Souvenirs, 
Vienne  1899, 

Eduard  Wertheimer. 

Kälnoky  von  Köröspatak,  Gustav,  Graf,  österreichischer  Staatsmann, 
*  am  29.  December  1832  zu  Lettowitz  m  Mähren,  f  am  13.  Februar  1898 
zu  Prödlitz  in  Mähren. 

Auf  einer  massigen  Anhöhe  oberhalb  des  Marktfleckens  Lettowitz  erhebt 
sich,  in  das  fruchtbare  Gelände  hinauslugend,  das  gleichnamige  Schloss,  der 
Geburtsort  des  Grafen  Kälnoky.  Die  Familie  stammt  aus  Siebenbürgen,  wo 
die  daselbst  ansässige  Linie  des  Geschlechts  erst  vor  wenigen  Jahren  aus- 
starb; die  Herrschaft  Lettowitz  kam  erst  durch  die  Ehe  des  Grossvaters  des 
späteren  Ministers  mit  der  Erbtochter  des  Grafen  Blümegen,  eines  Ministers 
der  Kaiserin  Maria  Theresia,  an  seine  jetzigen  Herren.  Der  Vater  K.'s  ver- 
mählte sich  mit  der  Erbtochter  der  Grafen  Schrattenbach,  die  ihm  das  Gut 
Prödlitz  zubrachte.  Aus  ihrer  östlichen  Heimath  wohl  brachten  die  K.'s  das 
Reiterblut  mit,  welches  den  künftigen  Diplomaten  ebenso  wie  seine  beiden 
Brüder  bestimmte,  sich  dem  Dienste  in  der  österreichischen  Cavallerie  zu 
widmen.  Dahin  zielte  auch  die  Erziehung  im  väterlichen  Hause,  wo  eine 
Reihe  rasch  wechselnder  Hofmeister,  unter  denen  sich  kurze  Zeit  auch  der 
Benedictiner  Beda  Dudik,  der  Geschichtsschreiber  seiner  mährischen  Heimath, 
befand,  den  Knaben  die  Anfänge  der  Bildung,  darunter  etwas  Latein,  bei- 
brachten. Was  ihm  in  der  Jugend  nicht  geboten  war,  holte  K.  später  durch 
eifrige  Lembegierde  nach;  als  er  am  31.  October  1849,  kaum  17 jährig,  in 
die  Armee  eintrat,  war  er  vor  Allem  ein  trefflicher  Reiter,  der  es  bald,  am 
I.Januar  1852,  zum  Oberlieutenant  brachte.  Eine  seltene  Gelenkigkeit  des 
Körpers  und  unermüdliche  Uebung  machten  ihn  zu  den  gewagtesten  Reiter- 
stücken fähig,  eine  Gabe,  die  er  durch  den  Unterricht  in  dem  Wiener  mili- 
tärischen Reitlehr 'Institute  erhöhte.  Hier  sah  ihn,  als  er  gerade  eine  Probe 
seiner  Kunst  zu  Pferde  ablegte,  Kaiser  Franz  Josef  zum  ersten  Male;  und 
scherzhaft  bemeikte  der  Kaiser  viele  Jahre  später:  »Noch  nie  lernte  ein 
Monarch  seinen  Minister  des  Aeussem  in  der  Situation  kennen,  wie  ich 
den  Grafen  K.  Ich  kam  gerade  dazu,  als  er  zu  Pferd  ein  Saltomortale 
machte.«  Indessen  befriedigte  diese  Thätigkeit  den  jungen  Offizier,  der 
ernste  Studien  zu  treiben  begann,  nicht,  und  es  erwachte  in  ihm  die  Ab- 
sicht, sich  der  Diplomatie  zuzuwenden.  Seine  Vorgesetzten  indessen  wollten 
ihn  dem  Dienste  in  der  kaiserlichen  Cavallerie  erhalten,  und  es  wurde  ihm, 
wenn  er  bliebe,  schon  mit  21  Jahren  die  Beförderung  zum  Rittmeister 
und  die  Stelle  eines  Lehrers  in  dem  kaiserlichen  Reitinstitute  in  Aussicht 
gestellt;  auch  verhielt  sich  der  Minister  des  Aeussem,  Graf  Buol,  anfänglich 
seinem  Wunsche  gegenüber  ablehnend.  Eines  Tages  aber  brach  sich  bei 
einer  Parade  auf  dem  Glacis  zu  Wien  aus  einem  unbedeutenden  Anlasse  bei 
ihm  der  endgiltige  Entschluss  Bahn;  er  ritt  unmittelbar  von  der  Uebung  in 
das  Ministerium  des  Aeussem,  übergab  sein  Pferd  in  dem  stillen,  vornehmen 
Hofe  einem  über  sein  ungewohntes  Gebahren  erstaunten  Diener  und  stieg 
die  Treppen  hinauf,  um  seine  Bitte  durch  persönliche  Vorstellungen  zu  unter- 
stützen. Er  setzte  seine  Absicht  durch,  erhielt  jedoch  von  seinen  militärischen 
Vorgesetzten  nicht  den  erbetenen  einjährigen  Urlaub  und  musste  sich,  wäh- 
rend er  Vormittags  Dienst  that,    Nachmittags  zur  Diplomaten prüfung  vorbe- 


^öo  Graf  Kalnoky. 

reiten,  die  er  im  Juli  1854  ablegte.  Nach  kurzer  Vorschule  bei  der  Ge- 
sandtschaft in  München  (October  1854  bis  Juni  1856)  und  in  Berlin  (bis 
December  1859)  kam  er  als  Legationssecretär  und  seit  1866  als  Legations- 
rath  nach  London,  wo  eine  zwölfjährige  Thätigkeit  seine  Anschauungen  und 
sein  Wesen  entscheidend  formte. 

K.  war  ein  systematischer  Kopf  und  so  arbeitete  er  an  sich  und  an 
seiner  Erziehung  nach  einer  festen  Methode,  um  die  Lücken  seiner  Bildung 
zu  ergänzen:  er  beschäftigte  sich  der  Reihe  nach  mit  der  Geschichte  und 
Litteratur  jeder  einzelnen  der  europäischen  Staaten,  bis  er  genügend  in  den 
Stoff  und  gleichzeitig  in  die  betreffende  Sprache  eingedrungen  zu  sein  glaubte; 
dann  wandte  er  sich  dem  nächsten  Studium  zu.  Er  war  ein  starker  Leser 
und  Arbeiter,  und  so  fand  er  Zeit,  auch  ein  Talent  zu  üben,  das  mehreren 
Mitgliedern  seiner  Faniilie  eigen  war:  er  zeichnete  und  malte  mit  Feinheit, 
und  sein  Urtheil  als  Bilderkenner  und  -liebhaber  übte  sich  an  den  reichen 
Kunstschätzen  Londons.  Humoristische  Stoffe  behandelte  er  geschmackvoll 
mit  dem  Stifte  und  mit  dem  Pinsel;  eine  Reihe  solcher  Blätter  stellt  die  Er- 
lebnisse und  betrüblichen  Erfahrungen  eines  österreichischen  Staatsangehörigen 
dar,  der  bemüssigt  ist,  seine  Angelegenheit  auf  der  Botschaft  zu  London  zu 
betreiben.  Dazu  hatte  er  eine  Neigung  für  schöne  und  seltene  Drucke,  deren 
er  in  Berlin  und  London  eine  kleine,  aber  ausgewählte  Sammlung  zu  Stande 
brachte;  später  sah  er  sich  veranlasst,  diesen  Besitz  in  Paris  versteigern  zu 
lassen.  Aus  dem  reichen  gesellschaftlichen  Leben  Londons  brachte  er  die 
Gemessenheit  und  äussere  Kälte  mit,  welche  später  an  ihm  so  oft  befremdete. 
Den  fremden  Diplomaten,  die  nach  London  kamen,  wurde  damals  als  Lehre 
mitgegeben,  die  englische  Aristokratie  lasse  sich  am  ehesten  durch  einen  ge- 
wissen Hochmuth  des  Ausländers  imponiren,  auf  den  sie  ja  gerne  von  ol)en 
herabsehe;  K.  musste  sich  keinen  Zwang  anthun,  um  diesen  äusseren  Schein 
zu  erwecken. 

Im  diplomatischen  Dienste  errang  er  sich  bald  Anerkennung,  da  sein 
Chef,  Botschafter  Graf  Apponyi,  ein  Mann  der  alten  Schule  war,  der  ehren- 
haft, aber  etwas  ängstlich  an  seinem  Legationsrathe  die  beste  Stütze  fand. 
Die  von  K.  in  Vertretung  Apponyis  geschriebenen  Berichte  machten  im  aus- 
wärtigen Amte  zu  Wien  durch  ihre  Sorgfalt  und  phrasenlose  Präcision  den 
besten  Eindruck.  Kaiser  Franz  Joseph  selbst  sprach  sich  damals  zu  dem 
älteren  Bruder  K.'s  anerkennend  über  sie  aus.  Neben  K.  wirkte  zu  jener  Zeit 
Ernst  V.  Plener,  der  spätere  Führer  der  deutschen  Linken,  als  Legations- 
secretär; die  beiden  Männer  schlössen  sich,  wiewohl  K.  neun  Jahre  älter  war, 
enge  an  einander,  da  sie  sich  durch  den  Ernst  ihres  Wesens  und  die  Gründ- 
lichkeit der  von  ihnen  betriebenen  Studien  vielfach  ergänzten  und  gegen- 
seitig förderten. 

Im  April  187 1  sandte  Beust  den  bereits  erprobten  jungen  Diplomaten 
nach  Rom  und  betraute  ihn  dort  als  ausserordentlichen  Gesandten  und  be- 
vollmächtigten Minister  mit  der  Leitung  der  Botschaft  beim  päptlichen  Stuhle. 
Die  Beziehungen  zur  Curie  gestalteten  sich  in  Folge  der  von  Oesterreich  voll- 
zogenen Lösung  des  Concordats  unfreundlich.  Graf  K.,  von  streng  conser- 
vativen  Anschauungen  erfüllt,  stimmte  nicht  ganz  mit  der  Politik  des  Nach- 
folgers Beusts,  des  Grafen  Andrassy,  überein,  und  es  trat  bald  eine  Art  Bruch 
zwischen  ihnen  ein,  da,  wie  es  heisst,  der  Minister  von  K.  eine  bestimmtere 
Haltung  in  den  schwebenden .  Fragen  verlangte,  dieser  dagegen  eine  versöhn- 
liche Haltung    gegenüber    dem    römischen  Stuhle    für    angezeigt   hielt.      Der 


Graf  Kälnoky.  361 

Gegensatz  spitzte  sich  schärfer  zu,  K.  reichte  seine  Entlassung  ein  und  wurde 
am  21.  Mai  in  Disponibilität  versetzt.  Wohl  wurde  er  im  Februar  1874  zum 
Gesandten  in  Kopenhagen  ernannt,  auf  dem  bekannten  Auslugposten  der 
europäischen  Diplomatie,  von  wo  bei  den  verwandtschaftlichen  Beziehungen 
der  dänischen  Königsfamilie  mit  den  Höfen  von  St.  Petersburg  und  London 
viel  zu  sehen  und  zu  berichten  ist;  indessen  stellte  sich  zwischen  ihm  und  seinem 
damaligen  Chef  niemals  volles  Einverständniss  her,  wenn  Graf  Andrassy  auch 
ohne  weiteres  anerkannte,  K.  gehöre  zu  seinen  verlässlichsten  Mitarbeitern. 
Noch  mehr  erkannte  dies  der  Kaiser  an,  der  einmal  an  dem  Rande  eines  Be- 
richtes K.'s  die  Bemerkung  machte:  es  sei  schade,  dass  eine  solche  Kraft 
nicht  voll  ausgenützt  werde. 

Als  nun  im  Juli  1879  der  Botschafter  in  St.  Petersburg,  Freiherr 
v.  Langenau,  erkrankte  und  bei  dem  damals  drohenden  Zusammenstosse 
der  österreichischen  und  russischen  Politik  auf  der  Balkanhalbinsel  ein 
Interregnum  zu  St.  Petersburg  unthunlich  schien,  schlug  Andrassy  dem 
Grafen  K.,  der  sich  damals  zufällig  in  Wien  befand,  vor,  provisorisch 
die  Leitung  der  Botschaft  mit  dem  Range  eines  Gesandten  zu  übernehmen; 
er  machte  aber  kein  Hehl  daraus,  dass  er  nicht  die  Absicht  habe,  ihn 
endgiltig  auf  diesem  Posten  zu  belassen.  K.  willigte  ein  mit  dem  Bemerken, 
er  ergreife  gerne  die  Gelegenheit,  die  russischen  Verhältnisse  eine  Zeit  lang 
von  der  Nähe  aus  zu  beobachten.  Damals  war  die  Stellung  Andrassys 
bereits  ins  Wanken  gekommen.  Er  trat  unmittelbar  nach  Abschluss  des 
Bündnisses  mit  Deutschland,  im  October  1879  vom  Amte  zurück;  sein  Nach- 
folger Freiherr  v.  Haymerle  war  mit  K.  eng  befreundet,  schlug  seine  Fähig- 
keiten hoch  an,  und  so  ergab  es  sich  von  selbst,  dass  er  bereits  im  Januar  1880 
zum  Botschafter  in  St.  Petersburg  ernannt  wurde.  Ebenso  wie  die  übrigen 
Leiter  der  österreichisch -ungarischen  Missionen  im  Auslande  verabschiedete 
sich  auch  K.  von  seinem  Chef  durch  ein  Schreiben  (vom  20.  October 
1879),  ^^^  welchem  Graf  Andrassy  später  sagte,  es  sei  das  Gescheiteste  von 
allen  gewesen,  die  er  aus  diesem  Anlasse  erhalten  hatte.  Wiewohl  die 
beiden  Männer  persönlich  nicht  zum  Besten  standen,  sind  doch  die  Worte 
hoher  Anerkennung,  die  K.  dem  scheidenden  Minister,  dem  Schöpfer  des 
Bündnisses  mit  Deutschland,  der  zudem  Bosnien  dem  Reiche  erworben  hatte, 
widmete,  ohne  Zweifel  aufrichtig  gemeint  und  wohlverdient.  K.  bedauert 
zuvörderst,  dass  Andrassy  »an  dem  Entschlüsse  festgehalten  habe,  die  mit 
so  grossem  Glänze  an  der  Spitze  der  Monarchie  eingenommene  Stellung  zu 
verlassen,  in  welcher,  um  nur  die  Eine  nicht  hoch  genug  anzuschlagende 
Leistung  hervorzuheben,  Euer  Excellenz  in  schlagender  Weise  die  für  das 
Reich  so  wichtige  Frage  gelöst  haben:  ob  bei  unserer  dualistischen  Gestal- 
tung eine  Grossmachtspolitik,  eine  einheitliche  Action  überhaupt  möglich  sei. 

Lange  schon  hat  der  Kaiserstaat  nicht  das  Ansehen   und  den  Ein- 

fluss  genossen,  wie  seitdem  Euer  Excellenz,  gestützt  durch  das  feste  Vertrauen 
des  Kaisers,  in  der  gewandten  und  zielbewussten  Hand  die  Leitung  des 
Staates  concentrirt  haben.«  Eine  Grossmachtspolitik  —  so  fährt  er  dann 
fort  —  sei  die  Bedingung  für  das  Gedeihen  der  Monarchie.  »Fehlt  der 
Impuls  zu  einem  gemeinsamen  Ziele,  der  treibende  Staatsgedanke,  der  die 
vielfältigen  heterogenen  Elemente  in  einer  bleibenden  Bewegung  erhält,  so 
tritt  eine  faule  Stagnation  ein,  die  selbst  zur  Zersetzung  führen  kann.«  Sodann 
giebt  K.  einem  Gedanken  Ausdruck,  der  ihn  bis  an  seinen  Tod  be- 
schäftigte,  wenn   auch   die   Umstände   seine   Ausführung   verhinderten.      »Für 


o^2  Graf  Kälnoky. 

eine  Grossmachtspolitik  jedoch  ist  eine  stramme,  einheitliche  oberste  Leitung 
unentbehrlich,  und  zwar  als  bleibende  verfassungsmässige  Institution.  Wir 
brauchen  einen  Reichskanzler.  —  Es  wäre  ja  nicht  notwendig,  dass  dadurch 
der  dualistischen  Gestaltung,  der  selbständigen  Stellung  der  beiden  Reichshälften 
irgendwie  nahegetreten  werde,  dieselbe  sollte  im  Gegentheil  dadurch  befestigt 
werden,  dass  ein  Reichskanzler  das  Reichsinteresse  zu  wahren  habe  und  da- 
für verantwortlich  gemacht    werden    kann Die    Zukunft    birgt    manch 

ernste  Gefahren.  Oesterreich-Ungam  braucht  sie  nicht  zu  fürchten,  wenn  es 
einig  und  entschlossen  ist  im  Wollen  und  im  Handeln.  Treten  die  Gefahren 
näher,  so  muss  die  Führung  des  Reiches  Einer  Hand  anvertraut  werden. 
Und  dann  ergiebt  sich  der  Reichskanzler  von  selbst.«  Graf  K.  spricht  die 
Hoffnung  aus,  es  werde  dem  Grafen  Andrassy  dereinst  beschieden  sein,  der 
Träger  dieser  Reform  zu  werden.  Noch  viele  Jahre  später  äusserte  K.,  wie- 
wohl sich  sein  Gegensatz  zu  Andrassy  später  noch  schärfer  zuspitzte,  die 
Ueberzeugung,  gerade  er  wäre  der  geeignetste  Mann  gewesen,  die  staats- 
rechtliche Entwicklung  der  Monarchie  in  solcher  Weise  abzuschliessen.  Als 
er  selbst  Minister  wurde,  liessen  nähere  Sorgen  die  Ausführung  des  Planes 
nicht  zu,  mit  dem  er  sich  immer  wieder  beschäftigte. 

Als  Botschafter  in  St.  Petersburg  empfand  K.  die  Abneigung  Gortschakows 
gegen  die  Politik  Oesterreich-Ungams,  welches  auf  die  im  Berliner  Vertrage 
vorgeschriebene  Räumung  der  Balkanhalbinsel  von  den  russischen  Truppen 
bestand.  Schon  damals  half  der  russische  Kanzler  die  Verbindung  Russlands 
und  Frankreichs  gegen  die  Centralmächte  anknüpfen.  K.  verfolgte  nun  stets 
die  Politik,  auf  der  Ausführung  des  Berliner  Vertrages  zu  bestehen,  dabei 
jedoch  die  Empfindlichkeit  Russlands  möglichst  zu  schonen;  es  war  und  blieb 
das  Ziel  seiner  Wirksamkeit,  ein  friedliches  Abkommen  mit  der  nordischen 
Macht  zur  Lösung  der  Balkanfrage  zu  vereinbaren,  und  dies  umsomehr,  als 
er  im  Januar  1880  bei  der  Durchreise  nach  Petersburg  den  Fürsten  Bismarck 
in  Berlin  sprach  und  sich  von  der  entschiedenen  Absicht  des  Kanzlers  tiber- 
zeugte, die  Verbindung  mit  Russland  zu  pflegen  und  sie  nur  ungern  und  im 
äussersten  Nothfalle  dem  Bündnisse  mit  Oesterreich  zu  opfern.  Wälirend  der 
Mission  K.'s  in  St.  Petersburg  kam  ein  wichtiger  diplomatischer  Akt  zu  Stande, 
an  dem  K.  hervorragenden  Antheil  nahm;  zwischen  Oesterreich-Ungam  und 
Russland  wurde  ein  Abkommen  getroffen,  in  dem  sie  sich  unter  Versicherung 
ihrer  friedlichen  Absicht  bedeutungsvolle  Zugeständnisse  machten ;  der  Wiener 
Hof  versprach  der  Vereinigung  Bulgariens  und  Ostrumeliens  zuzustimmen,  »si 
eile  se  faisait  par  la  force  des  choses« ;  dagegen  wurde  es  Oesterreich-Ungam 
freigestellt,  Bosnien  und  die  Herzegowina  der  Monarchie  förmlich  einzuver- 
leiben, wenn  sie  dies  für  angezeigt  tände.  Zudem  wurde  in  Bezug  auf  einen 
streitigen  Punkt  des  Meerengen- Vertrages  eine  Russland  günstige  Auslegung 
vereinbart. 

Der  Minister  des  Aeussem,  Freiherr  von  Haymerle  wurde  nach  kurzer 
Amtsthätigkeit  am  10.  October  1881  durch  einen  jähen  Tod  hinweggerafft.'' 
Kurz  vorher  hatte  K.  einen  Urlaub  zum  Besuche  Wiens  erhalten;  er  machte 
aber  jetzt  davon  keinen  Gebrauch,  um  nicht  den  Anschein  zu  erwecken,  als 
ob  er  sich  um  das  Amt  eines  Ministers  bewerbe.  Bald  erhielt  er  jedoch 
ein  amtliches  Schreiben,  des  Inhalts,  er  sei  zum  Nachfolger  Haymerles  be- 
stimmt. Er  antwortete,  dass  er  sich  durch  seine  27jährigen  Erfahrungen 
im  auswärtigen  Dienste  und  seine  Kenntniss  der  europäischen  Höfe  dem 
diplomatischen  Theile  dieser  Aufgabe  wohl  gewachsen  fühle,  er  gebe   jedoch 


Graf  Kalnoky.  363 

ZU  bedenken,  dass  er  den  inneren  Verhältnissen  des  Reiches  durch  seine 
lange  Abwesenheit  femestehe,  dass  er  keine  Stütze  in  den  Parlamenten,  keine 
Anlehnung  an  den  massgebenden  Parteien  besitze;  für  die  Lösung  innerer 
Conflicte  bringe  er  nicht  die  notwendigen  Fähigkeiten  mit.  Der  Kaiser 
liess  diese  Bedenken  nicht  gelten,  und  er  wurde  am  20.  November  1881 
mit  dem  Amte  eines  Ministers  des  kaiserlichen  Hauses  und  des  Aeussern 
und  mit  dem  Vorsitze  im  gemeinsamen  Ministerrathe  betraut. 

In  der  ersten  Periode  seiner  Amtswirksamkeit  —  bis  zur  Vertreibung  des 
Fürsten  Alexander  von  Bulgarien  (November  1881  bis  August  1886)  —  war  seine 
Bemühung  vorzugsweise  darauf  gerichtet,  das  Bündniss  mit  Deutschland  zu  be- 
festigen und  dabei  einem  Conflikte  mit  Russland  vorzubeugen.  Er  fand  auf  dem 
Balkan  eine  ungünstige  Lage  vor:  den  Sultan  noch  aufgeregt  über  den  Verlust 
Bosniens ;  Serbien  und  Montenegro  erbittert  darüber,  dass  durch  den  Anfall  Bos- 
niens an  Oesterreich  die  Gründung  eines  grossserbischen  Staates  unmöglich  ge- 
machtwar; Bulgarien  unzufrieden,  weil  Oesterreich-Ungam  nebst  England  bewirkt 
hatte,  dass  dem  jungen  Staate  im  Berliner  Vertrage  die  engsten  Grenzen  gesetzt 
wurden.  In  Rumänien  war  die  Actionspartei  noch  immer  stark  und  von  Hass 
zumal  gegen  Ungarn  erfüllt;  wagte  doch  der  Bürgermeister  von  Jassy  1883  in 
Gegenwart  des  Königs  einen  Toast  auszubringen,  in  dem  mit  Hinblick  auf  die 
von  Rumänen  bewohnten  Gebiete  Oesterreich-Ungarns  die  Hoffnung  ausge- 
sprochen ward,  diese  Perlen  würden  einst  das  Diadem  des  rumänischen  Königs 
schmücken.  Allgemach  besserte  sich  die  Lage  Oesterreich-Ungarns,  nicht 
zum  Wenigsten  durch  die  zähe  Geduld  und  ruhige  Festigkeit  K.'s.  Es 
gelang  zuerst,  den  1882  zum  König  erhobenen  Beherrscher  Serbiens  auf  die 
Seite  Oesterreichs  herüberzuziehen.  Bald  näherte  sich  auch  König  Carol  von 
Rumänien  den  Centralmächten,  half  die  Actionspartei  in  seinem  Lande  be- 
schwichtigen und  anlässlich  der  Reise  des  Königs  nach  Berlin  und  Wien  im 
August  1883  nahm  die  Annäherung  Rumäniens  an  Deutschland  und  Oester- 
reich-Ungam festere  Formen  an.  Dazu  erhob  sich  der  Conflict  zwischen 
Russland  und  Alexander  von  Bulgarien  zu  grosser  Schärfe.  Hier  aber  ging 
K.  mit  grösster  Vorsicht  zu  Werke.  Er  enthielt  sich  jeder  Förderung  oder 
Begünstigung  des  Battenbergers,  ging  darin  bis  zur  äussersten  Grenze  der 
Nachgiebigkeit  gegen  Russland  und  beruhigte  so  die  Empfindlichkeit  des 
Czars,  der  den  1881  abgeschlossenen  und  1884  abgelaufenen  Vertrag  mit 
Oesterreich-Ungarn  für  3  Jahre  verlängerte. 

Schon  damals  nun  setzten  die  Kritiker  der  Politik  K.'s  bei  der  bul- 
garischen Frage  an  und  hoben  hervor,  er  verzichte  ohne  Noth  auf  alle  Initiative 
in  der  orientalischen  Frage  und  verlasse  damit  den  Weg,  den  Graf  Andrassy 
mit  der  Occupation  Bosniens  betreten  hatte.  K.  aber  liess  sich,  um  Oester- 
reich-Ungam vor  einem  Kriege  mit  Russland  zu  bewahren,  von  seiner  Politik 
der  Vertragstreue  nicht  abdrängen.  Freilich  konnte  Oesterreich-Ungarn  ihre 
Frucht,  die  förmliche  Einverleibung  Bosniens  nicht  pflücken,  da  Russland  aus 
Abneigung  gegen  den  unabhängig  gesinnten  Fürsten  Alexander  von  Bulgarien 
die  Vergrösserung  seines  Landes  durch  Ostrumelien  nicht  zugeben  wollte;  und 
damit  entfiel  auch  die  Oesterreich  zugesagte  Gegenleistung. 

Mitten  in  diese  schwankenden  Zustände  fiel  der  Staatsstreich  von 
Philippopel  (18.  September  1885)  und  die  Vereinigimg  Ostrumeliens  mit 
Bulgarien.  Es  war  der  erste  Einbruch  in  das  Berliner  Vertragswerk.  Unter 
dem  ersten  Eindrucke  dieses  unerwarteten  Ereignisses  erwachte  in  Wien  me 
Jn  St.  Petersburg  das  Misstrauen,  man  habe  von  der  andern  Seite  die  Revo- 


264  Graf  Kälnoky. 

lution  gefördert.  Bald  stellte  sich  heraus,  dass  Russland  auf  dem  Balkan 
eine  empfindliche  Schlappe  erlitten  hatte,  und  da  K.  den  Verdacht  der  Zwei- 
deutigkeit von  sich  abwehren  wollte,  erklärte  er  sich,  obwohl  die  Schafiung 
eines  unabhängigen  Bulgarien  dem  österreichischen  Interesse  entsprach,  aufs 
Formellste  gegen  den  revolutionären  Act,  blieb  sorgfältig  auf  der  Linie  der 
correcten  Auslegung  des  Berliner  Vertrages  und  nannte  in  der  Rede  vom 
7.  November  1885  die  Führer  der  grossl)ulgarischen  Bewegung  Streber,  deren 
Vorgehen,  wenn  verallgemeinert,  die  Anarchie  auf  der  Balkanhalbinsel  zur 
Folge  haben  müsse.  Ja,  als  König  Milan  unklug  genug  war,  sich  zum  Schützer 
der  Autorität  des  Sultans  und  des  auf  dem  Balkan  bedrohten  Gleichgewichtes 
aufzuwerfen,  und  Bulgarien  angriff,  wurde  er  zwar  von  Oesterreich-Ungani 
vor  dem  Losschlagen  gewarnt;  er  sah  aber  die  ausgesprochenen  Sympathien 
des  Wiener  Cabinets  auf  seiner  Seite  und  wurde  auch  thatsächlich  nach  der 
bei  Slivnitza  erlittenen  Niederlage  durch  die  Autorität  Oesterreich-Ungams 
vor  einer  Demüthigung  durch  Bulgarien  geschützt :  der  österreichisch-ungarische 
Gesandte  in  Serbien,  Graf  KhevenhüUer,  erschien  im  Lager  Alexanders  und 
verlangte  im  Namen  Kaiser  Franz  Josefs,  dass  der  Bulgarenfürst  seinen  Sieges- 
zug auf  serbischem  Gebiete  einstelle  und  die  Waffen  niederlege. 

Die  Politik  K.'s  fand  nun  den  entschiedensten  Gegner  an  dem  Grafen 
Andrassy.  Dieser  vom  Geiste  kühner  Initiative  erfüllte  Staatsmann  betrachtete 
die  Occupation  Bosniens  lediglich  als  den  Beginn  einer  weit  ausgreifenden 
Orientpolitik  Oesterreich-Ungams  und  hielt  eine  solche  für  wesentlich  ge- 
fördert durch  den  Bund  mit  Deutschland,  nach  dessen  Abschlüsse  er  Kaiser 
Franz  Josef  eröffnet  hatte:  »nun  sind  Euerer  Majestät  die  Thore  zum  Orient  er- 
öffnet.« Er  hatte  bei  seinem  Rücktritte  vom  Amte  angenommen,  er  werde 
nochmals  zur  Leitung  der  auswärtigen  Angelegenheiten  berufen  werden,  eine 
Hoffnung,  die  sich  allerdings  beim  Tode  Haymerle's  nicht  erfüllte.  Der  Kaiser 
äusserte  sich,  die  Gaben  Andrassy's  und  K.'s  abwägend  dahin,  der  un- 
garische Staatsmann  sei  geeigneter,  in  einer  Zeit  zu  wirken,  da  ein  politischer 
Knoten  zerhauen  werden  müsse,  K.'s  dagegen,  wenn  ein  solcher  behut- 
sam zu  lösen  sei.  Jetzt,  im  Herbste  1886,  reichte  Andrassy  eine  Denk- 
schrift über  die  orientalische  Frage  ein,  die  herben  Tadel  gegen  die  Politik 
K.'s  aussprach.  Er  fand,  dass  seine  Nachfolger  sich  die  Freiheit  des  Handelns 
durch  das  mit  Russland  geschlossene  Uebereinkommen  eingeengt  hätten. 
Solche  Abmachungen  mit  Russland  seien  nach  seiner  Ansicht  ganz  zu  ver- 
meiden, da  Oesterreich  dadurch  gehindert  werde,  seine  Ziele  auf  der  Balkan- 
halbinsel mit  Kraft  und  Entschlossenheit  zu  verfolgen.  Wenn  die  Monarchie, 
die  sich  ja  auf  Deutschland  stützen  könne,  ihre  Interessen  mit  Nachdruck 
und  ohne  gerade  Russland  herauszufordern,  wahre,  so  werde  sich  dieses  be- 
scheiden müssen  und  es  ebenso  wenig  wie  1879,  auf  einen  Waffenkampf  an- 
kommen lassen.  Jetzt  sei  der  Augenblick  zum  Handeln  gekommen;  denn  es 
sei  für  Oesterreich-Ungarn  höchst  werthvoll,  dass  Bulgarien  seine  Verbindung 
mit  Russland  gelöst  habe,  um  sich  selbstständig  zu  machen.  In  solchen  Be- 
strebungen seien  die  Balkanstaaten  auf  das  Kräftigste  zu  unterstützen;  indem 
Oesterreich-Ungarn  auf  diese  Weise  als  Hort  der  Unabhängigkeit  des  Balkans 
auftrete,  könne  es  dessen  Völkerschaften  enger  an  sich  knüpfen. 

Diesen  Einwendungen  begegnete  K.  durch  die  Erinnerung  an  die  That- 
sache,  dass  auch  Andrassy  seine  Erfolge  durch  Vereinbarungen  mit  Russland 
vorbereitet  habe,  vorerst  durch  das  seit  1871  gepflegte  sogenannte  Drei- 
kaiser-Bündniss  und  später    durch  die  Abmachung  von   1876;  auf  Grund  der 


Graf  Kalnoky.  2 65 

letzteren  konnte  Russland  den  Angriff  gegen  die  Türkei  wagen,  Oesterreich- 
Ungam  aber  die  Erwerbung  Bosniens  für  gesichert  halten.  Die  Politik  der 
Nachfolger  Andrassy's  bewege  sich  auf  derselben  Linie.  K.  versicherte  übrigens, 
dass,  wenn  Russland  sich  je  Über  die  Verträge  hinwegsetzen  sollte,  es 
auch  ihm  an  Festigkeit  in  der  Abwxhr  nicht  fehlen  werde.  —  Es  wäre  ver- 
lockend, des  Näheren  auszuführen,  wie  bei  dieser  Discussion  der  beiden 
hervorragendsten  Staatsmänner  Oesterreich-Ungams  jener  Zeit  die  zwei  ver- 
schiedenen Methoden  erwogen  wurden,  nach  denen  die  Politik  der  Monarchie 
im  Orient  geführt  werden  kann:  entweder  im  Einvernehmen  mit  Russland, 
oder  aber  in  kühnem  Ausgreifen  auf  der  Balkanhalbinsel,  wodurch  freilich 
die  Gefahr  eines  Krieges  unmittelbar  nahegerückt  wurde. 

Sehr  bald  fand  K.  Gelegenheit  zu  beweisen,  dass  auch  er  volle  Energie 
aufzubieten  im  Stande  sei,  wenn  Russland  in  die  Interessensphäre  Oesterreich- 
Ungarns  übergreife.  Als  Fürst  Alexander  von  Bulgarien  durch  russische  Söld- 
linge gefangen  gesetzt  und  trotz  seiner  rühmlichen  Rückkehr  nach  Sofia  zur 
Abdankung  genöthigt  wurde,  als  der  Czar  dann  den  General  Kaulbars  nach 
Bulgarien  schickte,  um  das  Land  unter  seinen  Willen  zu  zwingen,  da  bedrohten 
nicht  mehr  die  Bulgaren,  sondern  Russland  den  europäischen  Frieden,  und 
der  Czar  schien  sich  den  Landweg  nach  Constantinopel  mit  Waffengewalt 
sichern  zu  wollen.  Die  öffentliche  Meinung,  zumal  in  Ungarn,  trat  auf 
Seite  des  muthig  seine  Unabhängigkeit  vertheidigenden  Volkes  und  Graf  K., 
der  sich  mit  Lord  Salisbury  und  Crispi  verständigt  hatte,  stellte  sich  Russ- 
land auf  das  Bestimmteste  entgegen.  Diesen  Gesinnungen  gab  vorerst  der 
ungarische  Ministerpräsident  Tisza  Ausdruck,  indem  er  im  Reichstage  zu 
Budapest  als  Anschauung  Oesterreich-Ungams  erklärte,  nur  die  Türkei  hätte 
kraft  ihrer  Souveränität  das  Recht  zu  bewaffnetem  Einschreiten  in  Bulgarien, 
sonst  aber  keine  Macht;  Russland  könne  das  Protectorat  über  das  Land  nicht 
in  Anspruch  nehmen;  eine  Aenderung  in  den  Machtverhältnissen  auf  der 
Balkanhalbinsel  könne  nur  mit  Zustimmung  aller  Signatarmächte  des  Berliner 
Vertrages  stattfinden.  Tiefverletzt  über  diese  stolze  Sprache  äusserte  sich  der 
Czar  damals  zu  einem  österreichischen  Diplomaten:  Herr  von  Tisza  habe 
Russland  und  damit  ihn  selbst  beleidigt. 

Trotzdem  wiederholte  K.  in  einem  umfassenden  Expose  vor  den  Delega- 
tionen am  13.  November  1886  diese  Eröffnungen;  der  Styl  seiner  Rede,  sonst 
nüchtern  und  zurückhaltend,  erhob  sich,  der  Bedeutung  des  Augenblicks 
entsprechend,  zu  einer  Bestimmtheit,  die  durch  die  diplomatische  Ver- 
bindlichkeit des  sorgfältig  gewählten  Ausdruckes  eher  gehoben  wurde. 
Damit  kam  K.  auch  dem  Angriffe  zuvor,  den  Andrassy  unmittelbar  darauf 
im  Sinne  seiner  vorjährigen  Denkschrift  gegen  ihn  erhob;  der  ungarische 
Staatsmann  sah  einen  Fehler  darin,  dass  Oesterreich-Ungarn  sich  früher 
so  tief  mit  Russland  eingelassen  hatte;  dadurch  habe  es  die  Kraft  des 
Bündnisses  mit  Deutschland  eher  abgeschwächt  und  diesem  Reiche  eine  Ver- 
mittlerrolle zugeschoben,  die  ihm  selbst  nicht  genehm  sein  könne.  Man  dürfe 
Deutschland  eben  nie  zumuthen,  dass  es  in  Stellvertretung  Oesterreich-Ungams 
gegen  Russland  eine  Sprache  führe,  die  nur  dieser  Monarchie  selbst  in  Ver- 
theidigung  ihrer  Interessen  zukomme.  So  unbequem  dem  Grafen  K.  auch  die 
Opposition  seines  Vorgängers  war,  so  leisteten  doch  beide  Staatsmänner  ihrem 
Vaterlande  grosse  Dienste;  es  wurde  der  russischen  Politik  klar,  dass  K.  von 
ihr  das  Mindeste  verlange,  was  ein  österreichisch-ungarischer  Minister  über- 
haupt   fordern  könne.     Das  Vertrauensvotum,    welches  K.  von  beiden  Dele- 


^56  Graf  Kälnoky. 

gationen  erhielt  und  dem  sich  auch  Andrassy  um  der  Sache  willen  anschloss, 
gab  der  Stellung  K.'s  die  gewünschte  Festigkeit.  Einstimmig  bewilligten  dann 
beide  Körperschaften  im  März  des  nächsten  Jahres  (1887)  einen  ausserordent- 
lichen Heerescredit  von  52*73  Mill  fl.,  wozu  noch  197,  Mill.  fl.  für  die  Land- 
wehren beider  Staaten  traten,  um  den  Vorstellungen  der  Monarchie  Nachdruck  zu 
verleihen  und  um  den  gewaltigen  Rüstungen  Russlands  gegenüber  Ernst  zu  zeigen. 
Damit  stieg  die  Gefahr  eines  Krieges  mit  Russland  drohend  auf.  Dabei  nun 
ergab  sich  für  Oesterreich-Ungam  eine  weitere  gefährliche  Verwickelung:  Fürst 
Bismarck  eröffnete  nämlich  dem  Wiener  wie  dem  Petersburger  Cabinet,  dass  nach 
seiner  Auffassung  des  Berliner  Vertrages  Bulgarien  in  die  Interessensphäre 
Russlands  gehöre;  man  könne  diese  Macht  nicht  hindern,  seine  Autorität  in 
Sofia  durch  welche  Mittel  immer,  und  sei  es  selbst  mit  Gewalt,  wiederher- 
zustellen. Im  Auftrage  des  Kaisers  Franz  Josef  wurde  Andrassy  befragt,  ob 
in  Berlin  etwa  mündliche  Besprechungen  in  diesem  Sinne  gepflogen  worden 
seien;  Andrassy  stellte  dies  bestimmt  in  Abrede  und  erklärte  vielmehr,  es  sei 
unzweifelhaft,  dass  Russland  in  Consequenz  seines  Versprechens,  die  Balkan- 
halbinsel 1880  zu  räumen,  die  Selbstbestimmung  Bulgariens  anerkannt  habe. 
Bismarck  aber  beharrte  auf  seiner  Auffassung  und  gab  ihr  auch  in  seiner 
grossen  Rede  im  Reichstage  vom  11.  Januar  1887  Ausdruck,  wohl  die  merk- 
würdigste von  allen,  in  denen  er  sich  über  die  Beziehungen  Deutschlands  zu 
den  drei  grossen  Nachbarreichen  aussprach.  Den  Franzosen  drohte  er  da- 
mals das  saigner  ä  blanc  an,  wenn  sie  losschlügen;  das  Bündnis  mit  Oester- 
reich-Ungam hob  er  mit  grösster  Wärme  hervor,  über  Russland  aber  sagte 
er:  »Wir  leben  mit  Russland  in  derselben  freundschaftlichen  Beziehung,  wie 
unter  dem  hochseligen  Kaiser,  und  diese  Beziehung  wird  unsererseits  auf 
keinen  Fall  gestört  werden.«  Auf  Bulgarien  wendete  er  das  Wort  Hamlets 
an:  »Was  ist  ihm  Hekuba!«  und  fügte  die  unfreundlichen  Worte  hinzu,  die 
Oesterreich-Ungarn  auf  sich  beziehen  musste:  »Es  ist  uns  vollständig  gleich- 
giltig,    wer    in    Bulgarien    regiert,  und    was    aus    Bulgarien    überhaupt    wird. 

— Wir  werden  uns  wegen    dieser  Frage  von  Niemandem  das  Leitseil 

um  den  Hals  w^erfen  lassen,  um  uns  mit  Russland  zu  brouilliren.«  Trotzdem 
blieb  K.  fest  bei  dem  Entschlüsse,  sich  dem  Einrücken  russischer  Truppen 
in  Bulgarien  zu  widersetzen,  und  dies  umsomehr,  da  gerade  im  Frühjahr 
1887  das  Bündniss  der  Centralmächte  mit  Italien  festere  Formen  erhielt,  und 
da  Crispi  noch  bestimmter  als  Oesterreich-Ungam  für  die  Unabhängigkeit 
Bulgariens  eintrat.  Bald  darauf  besserten  sich  die  Beziehungen  Deutschlands 
zu  Frankreich,  da  die  französische  Friedenspartei  den  Rücktritt  des  Kriegs- 
ministers Boulanger  im  Mai  1887  durchsetzte;  auf  der  andern  Seite  erhob 
sich  in  Russland  ein  wüthender  Zeitungskrieg  gegen  das  undankbare  Deutsch- 
land, welches  Russland  auf  dem  Berliner  Congresse  und  später  immer  treu- 
los im  Stiche  gelassen  habe;  immer  neue  Heeresmassen  wurden  von  dem 
Czaren  an  die  Westgrenze  seines  Reiches  geschoben.  Deutschland  beantwortete 
diese  Drohungen  mit  dem  Kampfe  gegen  die  russischen  Werthe,  von  denen 
zwei  Millionen  Mark  in  die  Heimath  zurückströmten.  Die  Lage  war  so  ge- 
spannt, dass  der  preussische  Generalstab  sich  ernstlich  mit  der  Frage  des 
Krieges  mit  Russland  beschäftigte,  und  es  ist  zuverlässig  verbürgt,  dass  Moltke 
ebenso  wie  sein  Stellvertreter  Waldersee  den  Krieg  für  unabwendbar  hielten 
mit  der  Begründung,  der  jetzige  Augenblick  sei  wahrscheinlich  günstiger  als 
ein  späterer;  Erzherzog  Albrecht  und  Kronprinz  Rudolf  von  Oesterreich  hegten 
verwandte  Anschauungen. 


Graf  Kalnoky.  367 

Anders  Kaiser  Wilhelm  und  Fürst  Bismarck.  Das  Ziel  des  Kanzlers  blieb 
unverrückt :  es  bestand  in  der  Isolirung  Frankreichs  und  in  der  Verständigung 
mit  Russland.  Dies  eröfihete  er  auch  dem  Grafen  K.  bei  dem  Besuche,  den 
dieser  ihm  am  16.  September  1887  in  Friedrichsruh  abstattete,  und  bei  dessen 
Anlasse  musste  K.  mit  aller  Festigkeit  das  Ansinnen  ablehnen,  Bulgarien  um 
des  Friedens  willen  preiszugeben.  Sein  grosses  Verdienst  ist,  dass  er  mit  aller 
Ruhe  und  Kälte,  jeden  herausfordernden  Schritt  unterlassend,  auf  seinem 
Standpunkte  beharrte,  und  sich  weder  nach  rechts  noch  nach  links  von  der 
Linie  abdrängen  liess,  die  er  sich  vorgezeichnet  hatte.  So  erreichte  er  seine 
beiden  Ziele,  auf  der  einen  Seite  die  Erhaltung  des  Friedens,  auf  der  anderen 
die  Abdrängung  Russlands  von  der  Balkanhalbinsel.  Es  war  nicht  leicht,  die 
w^iderstr eben  den  Elemente  in  Oesterreich-Ungam  in  diesem  Sinne  zu  lenken, 
denn  die  Anhänger  der  Verständigung  mit  Russland,  insbesondere  der  öster- 
reichisch-ungarische Botschafter  in  St.  Petersburg,  Graf  Wolkenstein,  waren 
der  Ansicht,  K.  gehe  zu  weit  in  der  Betonung  der  Selbstständigkeit  Bulgariens 
und  gebe  damit  der  Kriegspartei  in  Russland  eine  Waffe  in  die  Hand. 
Wolkenstein  bekämpfte  —  und  wie  sich  zeigte  —  mit  Recht  die  An- 
nahme, dass  Alexander  III.  einen  Angriffskrieg  auf  die  Centralmächte  plane, 
und  er  drang  in  Wien  darauf,  den  Czaren  bei  seiner  friedlichen  Stimmung 
festzuhalten.  Dem  gegenüber  drängte  Graf  Andrassy.  mit  anderen  ungarischen 
Politikern  zu  grösserer  Machtentfaltung;  in  ausdrucksvollen  Reden  vor  der 
ungarischen  Delegation  verlangte  er  im  März  und  November  1887  ein  scharfes 
Hervortreten  Oesterreichs,  insbesondere  eine  Initiative,  um  dem  im  August  1887 
gewählten  Prinzen  Ferdinand  von  Coburg  die  Anerkennung  der  europäischen 
Mächte  zu  verschaffen.  Durch  kraftvolles  Auftreten  allein  —  so  war  sein 
Gedanke  —  könne  man  Russland  imponiren.  So  weit  zu  gehen,  lehnte  Graf 
K.  ab,  er  blieb  aber  in  seiner  Rede  vom  5.  November  bei  der  Ansicht,  dass 
»jede  Intervention  einer  einzelnen  Macht  in  der  bulgarischen  Frage  unbedingt 
ausgeschlossen  werden  solle«. 

Bismarck  aber  ergriff  die  nächste  Gelegenheit,  um  das  deutsche  Reich 
jeder  Verwicklung  zu  entziehen,  welche  über  die  im  Bundesvertrage  mit 
Oesterreich-Ungarn  von  1879  enthaltenen  Verpflichtungen  hinaus  ging,  die 
einzig  und  allein  darin  bestand,  die  Habsburgische  Monarchie  gegen  einen 
Angriff  seitens  Russlands  zu  vertheidigen.  Als  der  Czar  am  18.  November  1887 
auf  der  Durchreise  von  Kopenhagen  nach  St.  Petersburg  in  Berlin  eintraf,  gelanges 
dem  Kanzler,  ihn  zu  überzeugen,  dass  die  ihm  in  die  Hand  gespielten  Briefe, 
aus  denen  eine  Parteinahme  Deutschlands  und  des  Fürsten  Bismarck  für 
Ferdinand  von  Koburg  hervorgehen  sollte,  Fälschungen  seien,  deren  Absicht 
war,  Russland  und  Deutschland  zu  verfeinden.  Nach  dieser  den  Czaren  be- 
ruhigenden Aussprache  kam  dann  zwischen  Deutschland  und  Russland  der 
vielbesprochene  Rückversicherungsvertrag  zu  Stande,  kraft  dessen  sich  Russ- 
land verpflichtete,  sich  bei  einem  Angriffe  Frankreichs  auf  Deutschland  neutral 
zu  verhalten ;  ebensowenig  durfte  Deutschland  Oesterreich-Ungarn  seinen  Bei- 
stand leihen,  wenn  dieses  Reich  Russland  mit  Krieg  überziehe.  Der  Vertrag  wurde 
vor  dem  Wiener  Cabinet  geheim  gehalten,  was  dieses  später  nicht  ohne  Grund 
mit  Unmuth  erfüllte;  nie  aber  blieb  K.  in  Unkenntniss  über  die  Haltung 
Deutschlands  bei  einem  wegen  Bulgariens  ausbrechenden  Kriege. 

In  demselben  Masse  aber,  da  sich  die  Spannung  zwischen  Deutschland  und 
Russland  löste,  fand  auch  eine  Besserung  der  Beziehungen  des  Wiener  und  des 
Petersburger  Cabinets  statt.    Russland  hatte  in  den  russisch-türkischen  Kriegen 


368  Graf  Kälnoky. 

1854  und  1878  die  schlimme  Erfahrung  gemacht,  dass,  solange  sich  die  Habsbur- 
gische Macht  ungebrochen  in  einer  feindseligen  Flankenstellung  befinde,  seine  auf 
der  Balkanhalbinsel  kämpfenden,  und  sei  es  auch  siegenden  Truppen  doch  zuletzt 
zur  Rückkehr  genötigt  seien;  Oesterreich-Ungam  aber  zuvor  anzugreifen  und 
niederzuwerfen,  diese  Absicht  hätte  auch  den  Krieg  mit  Deutschland  herbei- 
geführt. Unausgesetzt  arbeiteten  unterdessen  die  Botschafter  Deutschlands 
und  Oesterreich-Ungarns  in  Petersburg,  Schweinitz  und  Wolkenstein  an  der 
Begleichung  der  Schwierigkeiten;  und  endlich  kam  es  im  Januar  1888  zu  einer 
Auseinandersetzung  zwischen  K.  und  dem  russischen  Botschafter  in  Wien,  Lo- 
banow,  welche  die  Kriegsgefahr  zwar  nicht  ganz  bannte,  aber  erheblich  mil- 
derte. Diese  beiden  Männer  waren  vielfach  Gegensätze ;  K.  ganz  in  den  Aufgaben 
seines  Amtes  aufgehend,  der  künftige  russische  Kanzler  dagegen  meist  ge- 
lehrten Forschungen  und  künstlerischen  Neigungen  lebend,  wenn  ihn  nicht 
schöne  Frauen  ablenkten;  nur  wenn  Lobanow  vor  grossen  politischen  Fragen 
stand,  entfaltete  er  sein  ganzes  diplomatisches  Können.  K.  und  Lobanow 
stimmten  aber  jetzt  in  dem  Hauptpunkte  überein,  dass  es  ein  Abenteuer  wäre, 
um  Bulgariens  willen  einen  Krieg  zu  entzünden;  setzte  Lobanow  doch,  wie  sich 
später  zeigte,  der  russischen  Politik  in  OstJisien  ganz  andere  und  grössere  Ziele. 
Sie  fanden  sich  jetzt,  als  der  Czar  sich  nach  langem  inneren  Kampfe  ent- 
schloss,  Bulgarien  seinem  Schicksale  zu  überlassen  und  sich  ganz  von  dem, 
wie  er  glaubte,  undankbaren  Volke  abzuwenden. 

Dabei  blieb  es  auch,  selbst  als  Kaiser  Franz  Josef  einige  Jahre  später 
den  Besuch  des  nicht  anerkannten  ^Fürsten  Ferdinand  von  Bulgarien  und 
Stambulows  empfing,  und  seine  Hand  weiter  schützend  über  Bulgarien  hielt. 
K.  konnte  allerdings  den  Sturz  Stambulows  so  wenig  hindern  als  seine  Er- 
mordung; aber  selbst  als  Fürst  Ferdinand  —  schon  nach  dem  Rücktritte  K.'s 
—  wieder  zu  Russland  hinüberschwenkte,  konnte  sein  Werk,  die  Selbstständig- 
keit Bulgariens  für  gesichert  gelten. 

Der  Conflict  von  1887  wurde  mit  grösserer  Ausfiihrlichkeit  erzählt,  weil 
das  damalige  Verhalten  K.'s  die  Methode  seiner  Politik  am  Deutlichsten  her- 
vortreten lässt.  Unmittelbar  darauf  stand  Graf  K.  im  Höhepunkte  seiner  Lauf- 
bahn. Allerdings  waren  die  Anhänger  Andrassys,  der  1890  nach  schwerem 
Leiden  starb,  der  Ansicht,  sein  Nachfolger  hätte  sich  lediglich  mit  der  Abwehr 
begnügt  und  damit  wäre  der  Augenblick  zur  Ausdehnung  der  Machtsphäre  der 
Monarchie  nach  Süden  versäumt  worden.  Aber  niemand  durfte  in  Abrede  stellen, 
dass  K.  die  Ziele,  die  er  sich  gesteckt,  aufs  Ehrenvollste  erreicht  hatte ;  er  konnte 
verlangen,  dass  man  ihm  nicht  eine  Entfaltung  der  Macht  Oesterreich-Ungarns 
zumuthe,  die  nicht  im  Einklänge  stand  mit  der  inneren  Kraft  des  Reiches, 
wie  er  sie  abschätzte.  Ihm  schien  es  eben  bedenklich,  einen,  wenn  auch 
vorerst  nur  diplomatischen  OfFensivstoss  gegen  Russland  zu  unternehmen,  der 
zum  Kriege  führen  konnte.  Was  eine  genialere  Natur  an  seiner  Statt  durch- 
gesetzt hätte,  bleibe  dahin  gestellt;  ihm  widerstrebte  es  aber,  in  der  Politik 
auf  das  Spielerglück  zu  rechnen,  das  von  Männern  wie  Bismarck  oder  Cavour 
nicht  selten  herausgefordert  wurde.  Dabei  muss  beachtet  werden,  dass  bei 
den  unendlich  verwickelten  Verhältnissen  der  habsburgischen  Monarchie  eine 
durchgreifende  Politik  nicht  so  möglich  ist  wie  in  den  Ländern  mit  national 
einheitlicher  Bevölkerung.  In  den  geschlossenen  Nationalstaaten  fühlt  sich 
ein  grosse  Ziele  verfolgender  Minister  von  der  Volksmeinung  getragen;  in 
Oesterreich-Ungam  dagegen  muss  besonnene  Staatskunst  mühsam  dasjenige 
ersetzen,   was   dort  durch  die  Schnellkraft  nationaler  Impulse   geleistet  wd. 


Graf  Kalnoky.  ^öo 

In  all  dem  ist  der  Umfang  wie  die  Grenze  der  Begabung  Kälnokys  aufs 
Deutlichste  zu  erkennen.  Er  wollte  den  Krieg  mit  Russland  vermeiden,  und 
er  vermied  ihn,  ohne  Schwäche  zu  zeigen.  Es  hätte  sogar  seinen  Wünschen 
entsprochen,  wenn  ein  volles  Einvernehmen  mit  Russland  herbeigeführt  worden 
wäre.  K.  war  eben  mehr  zäh  als  unternehmend,  seine  Stärke  lag  mehr  in 
der  Vertheidigung  als  im  Angriff. 

Mit  den  Jahren  hatten  sich  die  charakteristischen  Seiten  seines  Wesens 
verschärft  und  vertieft.  Immer  war  er  eine  ernste,  in  sich  abgeschlossene 
Natur  gewesen;  als  Minister  ging  er  vollständig  in  der  Arbeit  auf,  in 
der  er  sich  nie  genug  that.  Es  ist  erstaunlich,  welche  Fülle  von  Briefen, 
Depeschen,  Denkschriften  aus  seiner  Feder  hervorging;  er  leistete  darin  so 
viel,  dass  sich  die  höheren  Beamten  des  Auswärtigen  Amtes  beklagten,  der 
Minister  lasse  ihnen  nichts  zu  thun  übrig.  Da  er  sich  zumeist  nur  mit  sich 
berieth,  glaubte  er  auch  die  Form  dieser  Schriftstücke  am  Besten  mit  der 
eigenen  Feder  fertig  stellen  zu  können.  Einwendungen,  die  ihm  dann  gemacht 
wurden,  hatte  er  zumeist  früher  selbst  in  sich  verarbeitet.  Das  gab  seinem 
Wesen  etwas  Bestimmtes,  selbst  Abweisendes.  Wohl  war  er  weicher  Regungen 
fähig,  aber  er  hielt  viel  darauf,  sich  vollständig  zu  beherrschen;  darin  ging  er 
soweit,  dass  er  auf  diejenigen,  mit  denen  er  bloss  im  amtlichen  Verkehre  stand, 
den  Eindruck  der  Kälte  machte.  Indessen  ging,  wie  alle  Diplomaten  bezeugen, 
der  Verkehr  mit  ihm,  sowie  es  sich  um  Geschäfte  handelte,  aufs  Bequemste  von 
Statten.  Denn  er  war  klai*  im  Ausdruck,  Feind  jeder  Phrase,  stets  in  voller 
Kenntniss  aller,  auch  entlegener  Angelegenheiten;  Zug  um  Zug  wickelte  sich 
bei  Verhandlungen  mit  ihm  Alles  ab,  schon  weil  er  bei  der  grossen  Arbeits- 
last, die  er  sich  auflud,  jede  Abschweifung  mied  und  ablehnte.  Von  sich 
selbst,  seinen  Neigungen  und  seinem  Verdienste  war  bei  ihm  nie  die  Rede;  ja 
er  schien  in  seinem  nicht  geringen  Stolze  verletzt,  wenn  man  ihm  ein  Wort  der 
Anerkennung  sagte.  Er  fühlte  sich,  da  er  die  Habsburgische  Macht  nach  Aussen 
vertrat,  als  grosser  Herr,  der  es  nicht  nothwendig  hatte,  sich  aufzuspielen,  um 
etwas  in  der  Welt  zu  gelten.  Er  lebte  überhaupt  ganz  in  aristokratischen  An- 
schauungen und  Kreisen,  ausser  diesen  hatte  er  keine  Verbindung,  selbst  keine 
geistige  Anknüpfung.  Damit  hing  auch  der  Gleichmuth  zusammen,  mit  dem  er 
das  hinnahm,  was  die  Presse  über  ihn  sagte;  er  empfing  keinen  ihrer  Ange- 
hörigen, und  er  verstand  es  auch  nicht,  auf  diesem  ebenso  empfindlichen  wie 
wichtigen  Instrument  zu  spielen.  So  war  er  denn  ausser  in  den  diplomatischen 
und  aristokratischen  Kreisen  nahezu  unbekannt,  eine  respectirte  aber  unnah- 
bare Gestalt.  Das  wurde  ihm  später  schädlich,  als  er  mit  der  öffentlichen 
Meinung  Ungarns  in  Conflict  gerieth.  Indessen,  wenn  ihn  Fernestehende  für 
hochmüthig  hielten,  so  mussten  sie  doch  zugestehen,  dass  sein  Auftreten  sich 
nicht  wesentlich  änderte,  ob  er  mit  gewöhnlichen  Menschenkindern  verkehrte 
oder  mit  fremden  Souveränen.  Wenn  er  zum  Kaiser  beschieden  wurde,  so 
staunten  die  Hofbeamten,  wie  er  in  den  Vorzimmern  den  Schritt  nicht  be- 
schleunigte; es  spricht  für  ihn,  dass  sie  fanden,  er  verkehre  auch  mit  den 
Mitgliedern  des  kaiserlichen  Hauses  »die  Nase  in  der  Luft«.  Sein  hoher 
Begriff  nicht  von  sich  selbst,  aber  von  der  Würde,  mit  der  er  als  Vertreter 
der  Monarchie  nach  Aussen  bekleidet  war,  kam,  wie  Augenzeugen  berichten, 
auch  bei  seinen  fast  alljährlichen  Begegnungen  mit  dem  Fürsten  Bismarck 
zum  Ausdruck.  Wenn  er  auch  in  dem  deutschen  Reichskanzler  einer  durch 
den  Reichthum  seiner  Natur  und  seine  unvergleichliche  historische  Stellung 
überlegenen    Persönlichkeit    gegenübertrat,    so    verlor    er    doch    neben    ihm 

Biogr.  Jahrb.  n.  Deutscher  Nekrolog.   3.  Bd.  24 


9^0  Graf  Kalnoky. 

Nichts  an  der  Freiheit  und  dem  Selbstbewusstsein  seines  Auftretens.  Im 
geselligen  Verkehr  mit  Bismarck  und  bei  den  gemeinsamen  Mahlzeiten 
schlug  K.  den  leichten,  leise  scherzhaften  Ton  an,  der  ihm  als  Weltmann 
eigen  war;  in  den  politischen  Unterredungen  mit  ihm  blieb  er  so  fest  und 
ernst  wie  sonst.  Es  ist  festzustellen,  dass  er  sich  mit  seiner  gradlinigen, 
nüchternen,  durchsichtigen  Methode  der  Führung  der  Geschäfte  neben  der 
vielgestaltigen  Kühnheit  seines  grossen  Zeitgenossen  würdig  behauptete. 

Je  mehr  sich  die  Stellung  K.'s  in  der  äussern  Politik  befestigte,  desto 
gewichtiger  wurde  auch  sein  Wort  bei  der  Berathung  der  inneren  Angelegen- 
heiten der  Monarchie,  besonders  Oesterreichs.  Allerdings  stand  ihm  im  Wege, 
dass  er  und  Ministerpräsident  Graf  Taaflfe,  der  frühere  Jugendgespiele  und 
jetzige  Vertrauensmann  des  Kaisers,  in  ihrer  Lebensauffassung  ganz  auseinander- 
gingen; K.'s  schwerflüssiges  Naturell  stimmte  schlecht  zu  dem  leichten  Sinne 
Taaffes,  der  wohl  mit  kaum  zu  übertreffender  Geschicklichkeit  die  Ver- 
legenheiten des  Tages  zu  überwinden  verstand,  aber  die  Sorge  um  die  Zukunft 
mit  einem  Achselzucken,  mit  einem  Scherze  abzulehnen  pflegte.  K.  fühlte 
sich  beinahe  verletzt,  wenn  Graf  Taaflfe  die  Mittheilungen,  die  er  ihm  über 
die  äussere  Politik  machte,  mit  wirklicher  oder  vorgeschützter  Gleichgütigkeit 
und  mit  der  Versicherung  hinnahm,  es  bedürfe  bei  seinem  vollen  Vertrauen 
in  die  Thätigkeit  des  Ministers  des  Aeussem  keiner  Auseinandersetzung. 
Vielleicht  war  dies  nur  eine  der  Jagd-  und  Fuchslisten,  durch  die  sich  der 
gewandte  Minister  der  Nothwendigkeit  entzog,  seinerseits  wieder  dem  Grafen 
K.  über  seine  innere  Politik  Rede  zu  stehen.  Denn  von  Tag  zu  Tag  zeigte 
sich  deutlicher,  dass  K.  die  Methode  des  Grafen  Taaflfe  nicht  billigte. 

Ein  merkwürdiges  Zeugniss  der  Gesinnungen  K.'s  ist  eine  Denk- 
schrift, in  der  er  gerade  zu  der  Zeit,  da  Taaflfe  schier  unum- 
schränkt die  inneren  Angelegenheiten  Oesterreichs  lenkte,  seine  Ideen 
über  die  Nationalitätenfrage  in  Oesterreich  niederlegen  Hess.  Er  er- 
örterte darin  die  schwebenden  Fragen  von  der  ihn  beherrschenden  obersten 
Vorstellung  aus:  »Möglichste  und  allseitige  Concordanz  der  inneren  Politik 
mit  den  Principien,  Aufgaben  und  Interessen  der  auswärtigen.«  Denn  seiner 
Ansicht  nach  musste  die  letztere  massgebend  sein,  wie  er  denn  der  ganzen 
Betrachtung  den  Satz  voranstellte:  »Seit  den  ersten  Zeiten  der  Vereinigung 
des  habsburgischen  Länderbesitzes  hat  sich  die  Monarchie  mehr  im  Sinne 
einer  Macht,  als  im  Sinne  eines  Staates  entwickelt.  Der  Machtwille  nach 
aussen  war  erkennbarer  als  der  Staatswille  nach  innen.«  K,  findet  nun,  dass 
es  der  Lage  des  Reiches  inmitten  der  grossen  nationalen  Einheitsstaaten  am 
besten  entspräche,  wenn  jenseits  der  Leitha  die  Magyaren  massgebend  blieben 
und  wenn  diesseits  auf  die  nationalen  Empfindungen  der  Deutschen  Rücksicht 
genommen  werde.  Sonst  werde  ein  gefährlicher  Conflict  hervorgerufen,  denn 
in  der  ganzen  deutschen  Opposition  »lebt  der  Gedanke  an  den  ungeheuren 
nationalen  Rückhalt,  welchen  sie  bei  fortdauernder  slavischer  Bedrängung  im 
Deutschen  Reiche  zu  finden  hoflft«.  Allerdings  verhalte  sich  die  Regierung 
des  Deutschen  Reiches  vollkommen  correct  gegenüber  Oesterreich,  und  Fürst 
Bismarck  habe  der  deutschen  Opposition  sogar  durch  die  Bezeichnung 
»Herbstzeitlose«  den  schwersten  Schlag  versetzt,  der  diese  Partei  seit  dem 
Verluste  der  Majorität  im  Parlamente  getroflfen  habe.  Indessen  könnten  mit 
der  Zeit  die  Grundsätze  der  Lenker  des  Deutschen  Reiches  eine  Aenderung 
erfahren,  wenn  die  öflfentliche  Meinung  in  Deutschland  sich  auf  Seite  der 
Deutschen  Oesterreichs  stelle.     »Die  Entwicklung  der  schleswig-holstein'schen 


Graf  Kcilnoky.  '»'»» 


371 

Frage  hat  gezeigt,  wie  hoch  die  Wogen  nationaler  Erregung  auch  in  Deutsch- 
land anzuschwellen  vermögen.«  Der  Kemsatz  der  ganzen  Darlegung  lautet: 
»Von  allen  Stämmen  Oesterreich -Ungarns  hat  der  magyarische  vom  Stand- 
punkte der  Pflege  und  Entwicklung  seiner  Nationalität  das  stärkste  Interesse 
an  der  Erhaltung  der  Monarchie.  Nur  durch  die  Monarchie  behauptet  der 
magyarische  Stamm  seine  politische  Bedeutung  in  Europa:  ausserhalb  der 
Grenzen  derselben  besitzt  er  keinen  nationalen  Rückhalt.  Von  allen  Stämmen 
der  Monarchie  ist  der  deutsche  derjenige,  dessen  innere  Lossagung  von  der 
Sache  des  Reiches  die  grösste  Gefahr  bezeichnen  würde:  der  deutsche  Stamm 
hat  den  stärksten  nationalen  Rückhalt.  Die  Führung  des  Reiches  einerseits 
auf  jene  Nationalität  zu  basiren,  deren  Interessen  am  festesten  mit  dem  Fort- 
bestande desselben  verknüpft  sind,  andererseits  aber  auf  jene  Nationalität, 
deren  moralischer  Abfall  an  die  Existenzfragen  der  Monarchie  rühren  würde, 
ist  die  logische  Rechtfertigung  des  dualistischen  Systems  in  Oesterreich-Ungam 
vom  Standpunkte  der  auswärtigen  Politik.«  Ahnungsvolle  Worte,  wenn  man 
bedenkt,  dass  sie  lange  vor  den  Krisen  niedergeschrieben  wurden,  in  welche 
die  unheilvolle  Thätigkeit  des  Grafen  Badeni  und  des  Grafen  Thun  das 
Reich  stürzten. 

Die  Grundsätze  der  Denkschrift  sind  so  ziemlich  das  Gegen theil  dessen, 
was  Taaffe  im  Rathe  des  Kaisers  vertrat :  Niederhaltung  des  die  Mitregierung 
im  Staate  beanspruchenden  deutschen  Elementes,  um  auf  den  an  sich 
schwächeren  slavischen  Volksstämmen  die  in  der  Sache  uneingeschränkte 
Macht  der  Krone  zu  basiren.  Es  war  dem  Grafen  Taaffe  klar,  dass  die  Slaven 
in  Oesterreich  nicht  durch  sich  selbst,  sondern  lediglich  durch  die  Förderung 
des  Hofes,  der  Kirche  und  des  Adels  stark  genug  seien,  um  dem  durch  seine 
Zusammengehörigkeit  mit  einer  grossen  Nation,  durch  seine  Cultur  und  sein 
historisches  Recht  in  Oesterreich  überlegenen  deutschen  Stamme  die  Waage 
zu  halten.  Daraus  ergab  sich  für  diesen  Minister  die  Nothwendigkeit,  das 
Kräfteverhältniss  der  Nationalitäten  in  Oesterreich  künstlich  zu  verschieben. 
Er  nun  freilich  verstand  es,  diese  Schwierigkeit  geschickt  zu  umgehen,  während 
seine  Nachfolger  an  ihr  scheiterten.  Graf  K.  missbilligte  das  Wagestück 
Taaffes  und  drang  darauf,  die  Wunde  zu  schliessen,  welche  das  Reich  sich 
selbst  durch  die  Zurücksetzung  seines  Kernstammes  zufügte.  Es  gelang  ihm, 
den  Kaiser  für  den  Gedanken  eines  Ausgleiches  mit  der  deutschen  Opposition 
zu  gewinnen,  wobei  er  die  Unterstützung  zweier  Mitglieder  des  Cabinets 
Taaffe  selbst  fand.  Bei  dem  nahezu  uneingeschränkten  persönlichen  Vertrauen 
indessen,  das  Taaffe 'bis  an  das  Ende  seines  amtlichen  Wirkens  bei  dem 
Kaiser  genoss,  ergab  es  sich  von  selbst,  dass  gerade  er  den  Auftrag  erhielt, 
die  Ausgleichsverhandlungen  anzubahnen,  die  im  Januar  1890  auch  thatsäch- 
lich  zu  einem  anscheinend  günstigen  Ergebnisse  führten.  Aber  K.  ging  noch 
weiter:  er  machte  den  Versuch,  Ernst  v.  Plener,  den  Führer  der  Deutschen, 
den  er  seit  den  Jahren  ihrer  gemeinsamen  Thätigkeit  in  London  kannte  und 
schätzte,  mit  dem  Grafen  Taaffe  zusammenzuführen  und  durch  die  Vereinigung 
der  sich  vielfach  ergänzenden  Kräfte  der  beiden  Männer  den  Staat  in  eine 
feste  und  dauernde  Richtung  zu  lenken.  Aber  die  Unterredung,  zu  der  er 
den  Ministerpräsidenten  und  Plener  einlud,  führte  nicht  zu  dem  gewünschten 
Ende:  wohl  wäre  Plener  bereit  gewesen,  auf  diesen  Gedanken  einzugehen, 
Taaffe  aber  verhielt  sich  stumm  und  ablehnend,  da  er  den  tiefen  persönlichen 
Groll  nicht  zu  verwinden  vermochte,  den  er  gegen  seinen  langjährigen  politi- 
schen Gegner  hegte.    Dies  also  misslang;  Taaffe  blieb  vielmehr  dabei,  zwischen 

24* 


9^2  Graf  Kalnoky. 

Deutschen  und  Tschechen  die  Waage  zu  halten,  indem  er  auf  ihren  Gegen- 
satz rechnete,  den  er  bald  zu  sänftigen  und  bald  zu  nähren  fUr  gut  hielt. 
Zuletzt  aber  wollte  diese  Rechnung  nicht  stimmen;  denn  die  Tschechen,  kühn 
gemacht  durch  die  Nachsicht,  die  auch  ihren  trotzigsten  Forderungen  gegen- 
über nie  den  Ernst  der  Abwehr  zeigte,  drangen  immer  ungestümer  auf  die 
Errichtung  eines  selbständigen  Staates  der  böhmischen  Krone,  und  die  Wider- 
setzlichkeiten in  der  Bevölkerung  Prags  gegen  die  Organe  des  Staates  und 
der  öffendichen  Sicherheit  häuften  sich  zuletzt  so  bedrohlich,  dass  die  Regie- 
rung am  13.  September  1893  den  Ausnahmezustand  in  Prag  verfügen  musste. 
Nun  war  TaafFe,  um  im  Reichsrathe  die  Mehrheit  zu  behaupten,  in  die  un- 
angenehme Nothwendigkeit  versetzt,  mit  der  deutsch- fortschrittlichen  Partei 
und  vor  Allem  mit  Plener  abzuschliessen,  denen  er  aber  als  seinen,  wie  er 
glaubte,  nie  zu  versöhnenden  Feinden  misstraute.  Um  dem  auszuweichen, 
versuchte  er  die  Kette  seiner  offenen  und  geheimen  Widersacher  durch  einen 
unerwartet  kühnen  Vorstoss  zu  durchbrechen:  in  tiefstem  Geheimniss,  ohne 
seine  Parteifreunde  im  Abgeordnetenhause,  insbesondere  den  Grafen  Hohen- 
wart,  ohne  auch  den  Minister  des  Aeussem  zu  verständigen,  brachte  er  am 
23.  Oktober  1893  im  Parlament  eine  Vorlage  ein,  nach  der  wohl  die  Sitze  des 
Grossgrundbesitzes  und  der  Handelskammer  unverändert  bleiben,  alle  anderen 
Mandate  aber  nach  gleichem,  direktem,  allgemeinem  Wahlrecht  vergeben 
werden  sollten.  Auf  diese  Weise  hoffte  er  die  grösseren  bürgerlichen  Parteien, 
besonders  die  deutsche  Linke  und  die  jungtschechische  Partei  zu  zerschlagen, 
da  aus  dem  neuen  Wahlmodus  in  erster  Linie  die  Klerikalen,  dann  auch  die 
Chrisdichsocialen,  Socialdemokraten,  sowie  die  kleineren  Fractionen  Gewinn 
ziehen  mussten.  Finanzminister  Steinbach,  sein  Rathgeber  in  diesen  Entwürfen, 
nahm  an,  dass  solche  Zerbröckelung  des  Parteiwesens  die  Macht  der  Regie- 
rung stärken  müsse  und  dass  sich  auf  diese  Weise  ein  demokratisch-imperia- 
listisches System  begründen  Hesse. 

K.  war,  wie  gesagt,  ohne  Kenntniss  der  Absichten  Taaffes  geblieben;  als  nun 
der  König  von  Griechenland,  der  an  dem  Tage  der  Einbringung  der  Vorlage  in 
Wien  weilte,  ihn  voll  Interesse  an  der  sich  vollziehenden  grossen  Wandlung  über  die 
voraussichtlichen  Folgen  des  kühnen  Schrittes  befragte,  befand  sich  der  Minister 
des  Aeussem  in  schwerer  Verlegenheit.  Ei  hielt  es  für  eine  arge  Zurücksetzung, 
dass  er  bei  so  grossem  Anlasse  umgangen  worden  war.  Die  Reform  wider- 
strebte ihm  aber  zudem  auch  sachlich  aufs  Tiefste,  da  er  als  strenger  Con- 
servativer  das  gewagte  Spiel  missbilligte.  Darin  befand  er  sich  mit  dem 
Grafen  Hohenwart  und  dem  conservativen  Adel  in  voller  Uebereinstimmung. 
Er  unterbreitete  darauf  dem  Kaiser  eine  Denkschrift,  in  der  er  sich  darüber 
beschwerte,  dass  er  als  Minister  des  Aeussern  nicht  bei  einer  Entschliessung 
gehört  wurde,  deren  Ausführung  das  Gefüge  der  Monarchie  und  in  der  Folge 
wohl  auch  die  Stellung  Oesterreichs  zu  den  auswärtigen  Fragen  verändern 
musste.  Er  billigte  deshalb  auch  die  sich  anbahnende  Coalition  der  grösseren 
bürgerlichen  Parteien,  der  deutschen  Linken,  der  Polen,  Klerikalen  mit  den 
beiden  Fractionen  des  Adels,  welche  sich  zum  Sturze  des  Cabinets  Taaffe 
zusammenfanden.  Es  entsprach  seinem  Wunsche,  dass  nach  dem  Rücktritt 
Taaffes  im  November  1893  ein  Cabinet  eingesetzt  wurde,  das  der  Ausdruck 
der  neuen  parlamentarischen  Mehrheit  war.  Er  hatte  Herrn  v.  Plener  und 
dem  Grafen  Hohenwart  stets  nahegelegt,  sich  zu  verständigen ;  und  da  er  der 
Aristokratie  eine  führende  Rolle  in  der  Monarchie  zuwies,  hielt  er  es  für 
einen  Gewinn,  dass  sich  zum   ersten  Mal  der  deutsche  und  der  tschechisch- 


-Graf  Kälnoky.  -lys 

feudale    Hochadel    zur    Unterstützung    eines    parlamentarischen    Ministeriums 
vereinigten. 

Nach  dem  Gange  der  äussern  Politik  Oesterreich- Ungarns,  die  sich  im 
Ganzen  in  einem  ruhigen,  sicheren  Geleise  bewegte,  und  nach  der  Einsetzung 
des  Coalitions-Ministeriums  in  Oesterreich  hätte  K.  der  weiteren  Entwicklung 
der  Dinge  beruhigt  entgegensehen  können,  wenn  der  kirchenpolitische  Kampf 
in  Ungarn  ihn  nicht  in  seine  Kreise  gezogen  hätte.  Unversehens  wurde  von 
hier  aus  seine  Stellung  untergraben  und  seiner  amtlichen  Thatigkeit  ein  Ende 
gesetzt.  So  lange  Tisza  (bis  März  1890)  an  der  Spitze  der  ungarischen  Regie- 
rung stand,  arbeitete  K.  mit  ihr  in  bestem  Einvernehmen.  Unter  Tiszas 
Nachfolger,  dem  Grafen  Szapary,  spitzte  sich  der  Streit  des  Staates  gegen  den 
katholischen  Clerus  wegen  der  Kinder  aus  den  gemischten  Ehen  scharf  zu. 
Die  katholische  Geistlichkeit  setzte  sich  über  die  staatlichen  Gesetze  hinweg 
und  beharrte  darauf,  diese  Kinder  bei  der  Taufe  ausnahmslos  in  den  Schooss 
ihrer  Kirche  aufzunehmen;  so  hatten  sich  die  übrigen  Confessionen  über 
zahlreiche  »Weg taufen«  zu  beklagen.  Wohl  war  es  möglich,  einen  Weg  zur 
Vermittlung  zu  finden,  wie  es  Graf  Szapary  wünschte;  solches  Entgegenkommen 
an  die  .  Kirche  lag  aber  nicht  in  der  Absicht  der  hervoragendsten  Männer 
der  liberalen  Partei,  besonders  Tiszas  und  Szilagyis.  Zumal  der  Letztere, 
der  unter  Tisza  und  Szapary  das  Justiz -Ministerium  verwaltete,  setzte  seine 
glänzende  Begabung  —  die  stärkste,  über  die  das  magyarische  Volk  nach 
dem  Tode  Andrassys  verfügt  —  an  eine  kirchenpoH tische  Gesetzgebung, 
welche  die  volle  Gewalt  des  Staates  zur  Geltung  bringen  sollte.  Er  und 
seine  nächsten  Freunde  drangen  auf  die  Einführung  der  obligatorischen 
Civilehe,  eine  Lösung,  für  die  ursprünglich  nur  die  Minderheit  der  liberalen 
Partei,  vor  Allem  die  in  ihr  stark  vertretenen  Calvinisten,  eingenommen 
war.  Bald  aber  gewannen  die  Führer  den  überwiegenden  Theil  der  öffent- 
lichen Meinung  des  Landes  für  eine  Reform  im  grossen  Stile,  wobei  sie  vor 
Allem  von  der  Erwägung  ausgingen,  dass  die  gerade  damals  in  ihrem  Gefüge 
erschütterte  liberale  Partei  eines  hinreissenden  Anstosses,  eines  mächtigen 
Erfolges  bedürfe,  um  ihren  verbleichenden  Glanz  wieder  aufzufrischen.  Graf 
Szapary  nun  wollte  seinen  Collegen  im  Amte  nicht  auf  diesem  Wege  folgen; 
er  gab  im  November  1892  seine  Demission,  und  das  neue  Ministerium  mit 
Wekerle  als  Ministerpräsidenten,  Szilagyi  als  Justizminister,  Csaky  als  Cultus- 
minister  trat  vor  das  Parlament  mit  dem  Programm  der  obligatorischen 
Civilehe.  Es  war  Wekerle  gelungen,  den  Monarchen  zu  der  Ermächtigung 
an  seine  Regierung  zu  bestimmen,  dass  dem  Parlamente  eine  Vorlage  in 
diesem  Sinne  unterbreitetet  werden  solle.  Es  ist  noch  nicht  an  der  Zeit, 
den  Schleier,  der  über  diesen  Vorgängen  liegt,  vollständig  zu  lüften;  es 
bleibe  also  dahingestellt,  ob  der  gegen  den  Ministerpräsidenten  Wekerle 
später  erhobene  Von\'urf  richtig  ist,  er  habe  den  Herrscher  durch  eine  allzu 
düstere  Schilderung  der  Lage  und  durch  den  Hinweis  auf  den  drohenden 
Unwillen  der  reizbaren  öffentlichen  Meinung  Ungarns  zu  seiner  Zusage 
bestimmt,  Schilderungen,  welche  den  Thatsachen  nicht  ganz  entsprochen 
hätten.     So  wurde  wenigstens  in  den  Hofkreisen  behauptet. 

Zu  den  Gegnern  der  Reform  gehörte  ursprünglich  auch  Graf  K.  Man 
hat  diese  seine  Haltung  vielfach  damit  erklären  wollen,  dass  er  der  clerikalen 
Richtung  angehörte,  und  in  Ungarn  gilt  bei  der  grossen  Menge  diese  politische 
Charakteristik  K.'s  auch  heute  noch  für  eine  feststehende  Thatsache.    Niemand 


274  Graf  Kalnoky. 

Anderer  indessen  als  sein  grösster  Gegner  Szilagyi  verwarf  später  diese  An- 
nahme, er  kennzeichnete  K.  vielmehr  als  Conservativen  und  nicht  als  Clerikalen, 
der  nur  insofern  kirchliche  Interessen  förderte,  als  diese  der  gesellschaftlichen 
Schichte  entsprachen,  in  der  er  sich  bewegte,  —  und  nur  deshalb,  weil  er  die 
Kirche  für  eine  Stütze  der  staatlichen  Autorität  hielt,  ohne  welches  Fundament 
alles  Andere  zusammenbrechen  müsste.  In  feiner  Weise  und  in  gleichem  Sinne 
charakterisirte  einmal  Herr  von  Plener,  der  K.  sehr  genau  kannte,  dessen 
Gesinnungen  durch  die  Heranziehung  eines  Gespräches,  welches  Lord  Eldon, 
dereinst  der  unbeugsame  Führer  der  hochkirchlichen  Partei  im  englischen 
Oberhause,  mit  einem  Bischöfe  derselben  Richtung  führte.  Dieser  sprach 
sein  Befremden  darüber  aus,  dass  Eldon,  wiewohl  ein  Pfeiler  der  Kirche, 
niemals  den  Gottesdienst  besuche,  und  darauf  erwiderte  jener:  «Ich  bin  ein 
Pfeiler  der  Kirche,  aber  nur  von  der  Aussenseite.«  Der  Vergleich  stimmt  beson- 
ders deshalb,  weil  auch  K.  sich  des  Kirchenbesuches  enthielt,  so  dass  anzu- 
nehmen ist,  die. Dogmen  des  katholischen  Glaubens  hätten  so  wenig  wie  ihre 
Formen  Macht  über  ihn  geübt.  Graf  K.  widerstrebte  denn  der  Reform  nicht 
grundsätzlich,  aber  ihm  missfiel  der  agitatorische  Zug  in  der  Pohtik  der 
Führer  der  liberalen  Partei.  Er  warf  ihnen  vor,  dass  sie  sich  für  die  Reform 
nicht  aus  sachlicher  Noth wendigkeit,  sondern  aus  Parteiinteresse  einsetzten. 
Als  darauf  das  Gesetz  im  Abgeordnetenhause  angenommen,  dagegen  vom 
Oberhause  abgelehnt  wurde,  als  es  sich  femer  zeigte,  dass  die  Krone  sich 
mit  der  Magnatentafel  in  Uebereinstimmung  befand,  hielt  es  die  Mehrheit 
des  Abgeordnetenhauses  für  eine  Frage  ihrer  Macht  und  Ehre,  durch  einen 
von  unten  geübten  Druck  die  beiden  anderen  Factoren  der  Gesetzgebung 
zum  Beitritte  zu  zwingen.  Es  verletzte  nun  den  Grafen  K.  als  Monarchisten 
aufs  Tiefste,  dass  die  Streitfrage  sich  immer  mehr  zu  einer  Kraftprobe 
zwischen  der  liberalen  Parlamentsmehrheit  und  der  Krone  zuspitzte.  Das 
liberale  ungarische  Ministerium  stand  nicht  an,  hierbei  die  Unterstützung  der 
Kossuth-Partei  hinzunehmen,  welche  sich  in  ihrer  grossen  Mehrheit  für  die 
Civilehe  erklärte.  Die  ungarischen  Politiker,  Deak  eingeschlossen,  hatten  es 
allerdings  bei  ihren  Konflikten  mit  dem  Hofe  nie  anders  gehalten;  auch  die 
gemässigten  von  ihnen  scheuten  sich  nicht,  die  Versicherung  der  Loyalität, 
die  in  ihrem  Munde  ohne  Frage  aufrichtig  gemeint  ist,  mit  dem  halb 
besorgten,  halb  drohenden  Hinblick  auf  die  der  Dynastie  feindlichen  Kräfte 
zu  verbinden.  Darin  liegt  erfahrungsgemäss  die  Stärke  der  magyarischen 
Politiker,  darin  die  Quelle  ihrer  Erfolge.  In  jenem  Augenblicke  nun  trat 
die  Verwicklung  hinzu,  dass  der  ehemalige  Dictator  Ludwig  Kossuth  in  der 
Verbannung,  unversöhnt  mit  der  Dynastie,  starb,  und  dass  ganz  Ungarn  sich 
in  grossartigen  Feierlichkeiten  zu  seinen  Ehren  überbot.  K.  hielt  es  für 
wünschenswerth,  dass  die  Regierung  die  Rückkehr  seines  Sohnes  Franz 
Kossuth  nach  Ungarn  verhindere,  dessen  Rundreise  durch  das  Land  that- 
sächlich  von  beleidigenden  Demonstrationen  gegen  die  Dynastie  begleitet 
war.  Das  Ministerium  Wekerle  dagegen  stützte  sich  auf  die  öffentliche 
Meinung,  bei  der  es  eine  ausserordentliche  Popularität  genoss,  und  weigerte 
sich,  Polizeimassregeln  gegen  Franz  Kossuth  in  Anwendung  zu  bringen,  mit 
der,  wie  sich  bald  zeigte,  richtigen  Begründung,  dass  der  Mann  sich 
sehr  bald  als  ungefährliche  Mittelmässigkeit  entpuppen  werde,  während  er 
als  Märtyrer  allerdings  Bedeutung  gewinnen  könnte.  In  diesen  Verhand- 
lungen und  Conflikten  nun  beklagte  sich  Graf  K.  mehr  als  einmal,  dass 
von    ungarischer   Seite    nicht    immer    die   Zusagen    eingehalten    wurden,    die 


Graf  Kalnoky.  ^yc 

auf  sein  Andrängen  gegeben  worden  waren.  Daran  ist  wohl  so  viel 
richtig,  dass  Wekerle,  der,  hervorragend  als  Finanzpolitiker,  in  politischen 
Dingen  eine  weichgeartete  Natur  war,  oft  in  der  Form  nachgiebig 
schien  und  in  Wien  begütigend,  halb  zustimmend  sprach;  sobald  er 
aber  wieder  nach  Budapest  zurückkehrte,  wurde  er  von  den  eigentlichen 
Führern  der  Partei  auf  den  Amboss  gelegt  und  hart  geschmiedet,  so  dass 
seine  Reden  im  Parlament  ganz  anders  klangen,  als  die  halben  Zusagen,  zu 
denen  er  sich  in  Wien  herbeigelassen  hatte.  K.  aber,  in  allen  Ehrensachen 
streng  gegen  sich  wie  gegen  Andere,  sah  darin  ein  unziemliches  Spiel,  das 
er  streng  tadelte.  Mit  seiner  gewöhnlichen  Offenheit  machte  er  aus  seiner 
Gesinnung  kein  Hehl:  das  Kabinet  Wekerle-Szilagyi  hatte  in  ihm  einen 
erklärten  Gegner,  und  durch  das  ganze  Land  ging  das  Geschrei,  dass  er  ein 
Feind  Ungarns  sei,  ein  Mittelpunkt  der  Hofkreise,  welche  die  ererbte  Selbst- 
regierung Ungarns  brechen  wollten. 

Nach  der  zweiten  Ablehnung  des  Gesetzes  über  die  Civilehe  durch  die 
Magnatentafel  erschien  Wekerle  in  Wien  und  erbat  sich  von  dem  Monarchen 
die  Ermächtigung,  dem  Oberhause  mit  einem  Pairsschub  zu  drohen,  falls  es 
ein  drittes  Mal  hartnäckig  bliebe.  Der  Kaiser  versagte  ihm  diese  Vollmacht 
und  das  Ministerium  Wekerle  bot  seine  Entlassung  an.  In  diesem  Zeit- 
punkt erschien  indessen,  angesichts  der  mächtigen  Erregung  in  Ungarn,  die 
Durchführung  der  Civilehe  auch  der  conservativen  Umgebung  des  Kaisers, 
und  mit  ihr  dem  Grafen  K.,  als  unabweisbar,  sie  hielten  es  deshalb  für 
klug,  den  Streit  auf  ein  anderes  Gebiet  zu  lenken.  Der  Banus  (Statthalter) 
von  Croatien,  Graf  Khuen-Hedervary,  wurde  nach  Wien  berufen,  um  ein 
neues,  aber  diesmal  conservatives  ungarisches  Cabinet  zu  bilden,  dem  die 
Aufgabe  zugefallen  wäre,  die  Rechte  der  Krone  nachdrücklich  zu  wahren. 
Um  die  öflfentliche  Meinung  indessen  mit  diesem  Wechsel  auszusöhnen,  be- 
zeichnete Graf  Khuen  die  Durchsetzung  der  Civilehe  als  das  nächste  Ziel  der 
zu  bildenden  Regierung;  es  sollte  also  —  nach  dem  Vorbilde  Robert  Peel's 
und  anderer  toryistischer  Staatsmänner  —  die  volksthümliche  und  noth- 
wendig  gewordene  Reform  auch  in  Ungarn  durch  eine  conservative 
Regierung  ins  Werk  gesetzt  werden.  Aber  auch  diese  Ankündigung  ver- 
mochte den  Sturm  nicht  zu  beschwören,  der  sich  in  Ungarn  gegen  den 
Grafen  Khuen  erhob;  es  zündete  das  Schlag^^ort,  er  sei  berufen,  der  parla- 
mentarischen Selbstregierung  Ungarns  ein  Ende  zu  machen.  Khuen  hätte 
sich  auf  gewaltige  Kämpfe  gefasst  machen  müssen,  und  es  sank  ihm  der 
Muth;  er  trat  von  der  ihm  übertragenen  Mission  zurück.  Wekerle  musste 
wieder  berufen  werden,  jedoch  mit  der  Einschränkung,  dass  er  Szilag}d  nicht 
mehr  in  sein  Cabinet  aufnehmen  dürfe.  Darauf  konnte  Wekerle  nicht  ein- 
gehen, da  Syilagyi  und  nicht  er  die  Seele  der  kirchenpolitischen  Reform 
war;  und  da  Wekerle  fest  blieb,  endete  die  Krise  mit  einem  vollen  Siege  der 
liberalen  Partei:  nahezu  alle  entiassenen  Minister  kehrten  wieder  in  ihr  Amt 
zurück.  Als  das  Gesetz  über  die  Civilehe  von  der  neugestärkten  liberalen 
Regierung  zum  dritten  Mal  vor  das  Oberhaus  gebracht  wurde,  wich  dieses 
zurück,  und  mit  einer  wenn  auch  geringen  Mehrheit  wurde  die  Vorlage 
Gesetz. 

Von  jetzt  ab  herrschte  Kriegszustand  zwischen  K.  und  der  herrschenden 
Partei  in  Ungarn.  Die  ungarische  Regierung  erhob  zunächst  gegen  ihn  eine 
Beschwerde,  die  sich  gegen  einen  Theil  seiner  Amtsführung  als  Minister  des 
Aeussem  richtete.     Zu  jener  Zeit  hatten  sich    in   Rumänien    die   Sympathien 


^<y5  Graf  Kdlnoky. 

der  politischen  Kreise  für  ihre  Stammesgenossen  in  Ungarn  und  Siebenbürgen 
zur  Bildung  einer  Liga  verdichtet,  welche  den  Versuch  machte,  auf  ungarischen 
Boden  eine  lebhafte  nationale  Agitation  zu  entfalten.  Das  ungarische  Ministerium 
ging  dagegen  mit  grosser  Strenge  vor  und  führte  gegen  K.  bei  dem  Kaiser 
Klage,  dass  die  auswärtige  Vertretung  der  Monarchie  nicht  wachsam  und 
entschieden  genug  sei  in  der  Abwehr  von  Treibereien,  die  geradezu  gegen 
das  Völkerrecht  verstiessen.  Versammlungen,  welche  den  Besitzstand  des 
Reiches  bedrohten,  hätten  unter  den  Augen  des  Österreichisch-ungarischen 
Gesandten  in  Bukarest  stattgefunden,  ohne  dass  dieser  Einsprache  erhoben 
hätte.  Graf  K.  nahm  keinen  Anstand,  in  Bukarest  Schritte  zu  thun,  welche 
der  Würde  der  Monarchie  entsprachen,  aber  er  hob  zugleich  hervor,  dass 
Oesterreich-Ungam  der  loyalen  Gesinnung  und  Haltung  König  Carols  voll- 
ständig sicher  sei,  und  dass  es  ein  Fehler  wäre,  durch  eine  allzu  rauhe  Be- 
handlung der  Angelegenheit  Rumänien  dem  Dreibunde  zu  entfremden,  dem 
es  sich  genähert  hatte,  als  es  galt,  russische  Uebergriffe  auf  der  Balkanhalb- 
insel zurückzuweisen. 

Wohl  blieb  der  Minister  des  Aeussern  bei  den  nächsten  Waffengängen 
Sieger.  Der  Monarch  gab  dem  ihm  antipathischen  Ministerium  Wekerle- 
Szilagyi  seine  Ungnade  so  deutlich  zu  erkennen,  dass  es  nach  der  rühmlichen 
Durchführung  der  Ehegesetz-Reform  seine  Aufgabe  erfüllt  sah  und  im  Dezember 
1894  seine  Demission  gab,  mit  der  ausdrücklichen  und  im  Parlament  wiederholten 
Erklärung,  es  habe  das  Vertrauen  des  Monarchen  verloren. 

Aber  dieser  Sieg  K.'s  war  nur  scheinbar.  Denn  ein  neuer  Versuch, 
den  Grafen  Khuen  an  die  Spitze  der  Regierung  zu  berufen,  misslang  ebenso 
wie  der  erste:  Khuen  fühlte  seinen  Anhang  im  Parlament  zu  schwach,  und 
statt  seiner  wurde  der  Präsident  des  Abgeordnetenhauses,  Baron  Banflfy,  zum 
Ministerpräsidenten  ernannt. 

Es  ist  aus  dem  Freundeskreise  K.'s  zuverlässig  bezeugt,  dass  er  von 
diesem  Augenblick  an  seine  Stellung  für  unhaltbar  ansah.  Er  fühlte,  dass 
die  erklärte  Abneigung  der  Magyaren  und  der  parlamentarischen  Regierung 
des  Landes  wider  seine  Person  ihm  schliesslich  nichts  übrig  lassen  werde 
als  den  Rücktritt.  Und  wie  sich  dies  bei  solcher  Disposition  des  Geistes 
von  selbst  ergab,  er  Hess  sich  von  jetzt  ab  vielleicht  allzu  sehr  von  dem 
Misstrauen  beherrschen,  dass  ein  Anschlag  gegen  ihn  geplant  sei.  Dazu  kam, 
dass  seine  vierzehnjährige  Amtsführung  seine  Kraft  übermässig  angespannt 
hatte.  Dies  war  eine  natürliche  Folge  der  niederdrückenden  Arbeitslast,  die 
er  sich  zumuthete;  immer  mehr  hielt  er  an  der  Uebung  fest,  die  wichtigeren 
Schriftstücke  des  auswärtigen  Dienstes  selbst,  ohne  Mithilfe  seiner  Beamten, 
zu  entwerfen.  Zuletzt  war  er  in  Folge  der  Ueberreizung  seiner  Nerven  nicht 
mehr  so  kaltblütig  wie  gewöhnlich  und  der  sonst  so  gelassene  Mann  verlor 
in  einem  entscheidenden  Augenblicke  die  ihm  eigene  Uebersicht  über  die 
Lage. 

Im  April  1895  unternahm  der  päpstliche  Nuntius  Agliardi  eine  Reise 
nach  Ungarn  und  hielt  hier  an  die  Geistlichkeit  an  mehreren  Orten  An- 
sprachen, in  denen  er  die  Kirchenpolitik  der  Regierung  bekämpfte.  Der 
ungarische  Ministerpräsident  Baron  Banffy  verständigte  K.  von  der  im 
Schosse  des  Parlaments  bestehenden  Absicht,  ihn  über  diese  Einmischung 
des  Vertreters  des  Papstes  in  die  inneren  Angelegenheiten  Ungarns  zu  inter- 
pelliren.  K.  antwortete  Banffy  in  einem  ausführlichen  Schreiben  vom 
25.  April,   in   dem  er   die  Grundzüge   der  Antwort  besprach,    die  auf  die  zu 


Graf  Kalnoky.  377 

•erwartende  Interpellation  zu  geben  wäre.  K.  betonte,  es  sei  vorerst  noth- 
wendig,  den  Wortlaut  der  Ansprachen  des  Nuntius  genau  festzustellen,  da 
zunächst  nur  Zeitungsmeldungen  über  sie  vorlägen;  ebenso  müsste  er  zuerst 
die  Fassung  der  in  Aussicht  stehenden  Interpellation  kennen,  um  die 
Antwort  formuliren  zu  können.  Sodann  erörterte  er  die  Frage,  ob  der 
Nuntius  lediglich  die  Rechte  eines  Botschafters  besitze  und  damit  der  Pflicht 
der  Zurückhaltung  vor  der  OefFentlichkeit  zu  genügen  habe  —  oder  ob  er 
als  Vertreter  des  Hauptes  der  katholischen  Kirche  über  diese  Grenze  hinaus- 
gehen dürfe.  Ohne  sich  über  diese  Frage  abschliessend  zu  äussern,  ging  K. 
in  dem  zweiten  Theile  des  Briefes  über  seine  bisherige  Ausführung  hinaus.  Es 
macht  fast  den  Eindruck,  als  ob  er  hier  im  Schreiben  unterbrochen  worden  wäre 
und  die  Antwort  erst  später  A^neder  aufgenommen  hätte.  Er  stellt  sich  nämlich 
von  da  ab  viel  positiver  auf  Seite  Banflfys  und  erklärt,  es  schiene  ihm  »eine 
tadelnswerthe  Taktlosigkeit  des  Nuntius  dadurch  begangen  worden  zu  sein, 
dass  er  sich  nicht  begnügte,  nur  Besuche  bei  den  Kirchenfürsten  zu  machen, 
die  ihn  eingeladen  hatten,  sondern  im  Gegensatz  zu  seinen  Vorgängern,  die 
bei  solchen  Anlässen  nie  öffentlich  hervortraten,  Ansprachen  hielt,  die,  wie 
schon  der  Standpunkt  des  heiligen  Stuhles  ist,  nicht  anders  als  oppositionell 
gegen  die  Regierungspolitik  ausfallen  könnten«.  Der  Minister  des  Aeussem 
erklärt  sich  schliesslich  bereit,  falls  die  ungarische  Regierung  dies  für 
angezeigt  erachte,  beim  heiligen  Stuhle  »gegen  dieses  in  der  gegen- 
wärtigen Situation  entschieden  taktlose  Auftreten  und  Eingreifen  des  Nun- 
tius« Einspruch  und  Klage  zu  erheben.  —  Trotz  dieser  inneren  Ungleich- 
mässigkeit  des  Schreibens  konnte  es  doch  nur  so  verstanden  werden,  dass 
Graf  K.  gründliche  Erhebungen  und  eine  genauere  Verständigung  mit  der 
ungarischen  Regierung  für  nothwendig  fand,  bevor  die  Interpellation  beant- 
wortet werden  könne.  Baron  BanfFy  aber  setzte  sich  über  diese  Einschränkung 
hinweg  und  scheute  sich  nicht,  als  die  Interpellation  mit  seinem  Einverständniss 
am  I .  Mai  eingebracht  wurde,  sofort  zu  erklären,  dass  der  Nuntius  nichts  weiter 
sei  als  Vertreter  einer  fremden  Macht  und  somit  seine  Befugnisse  überschritten 
habe.  Diese  Ansicht,  so  wagte  er  ohne  jeden  Grund  zu  behaupten,  habe  sich 
auch  der  Minister  des  Aeussem  zu  Eigen  gemacht.  Der  letztere  habe  denn 
auch  bereits  bei  der  Curie  Vorstellungen  erhoben  und  habe  von  ihr  über 
das  Auftreten  des  Nuntius  Aufklärung  verlangt.  Daran  aber  war,  wie  aus 
dem  Vorhergehenden  erhellt,  kein  Wort  wahr,  —  der  von  K.  erwogene  und  in 
Aussicht  gestellte  Schritt  war  bislang  in  Rom  noch  nicht  unternommen  worden. 
Banfiy  rechtfertigte  später  sein  Gebahren  damit,  dass  er  bei  seiner 
Unkenntniss  der  diplomatischen  Gepflogenheiten  angenommen  habe,  die  Vor- 
stellung des  auswärtigen  Amtes  sei  in  der  Zwischenzeit  bereits  erfolgt;  er 
habe  sich,  wenn  auch  nicht  an  den  Wortlaut,  so  doch  an  den  Sinn  des 
Briefes  K.'s  gehalten.  An  dieser  Erklärung  ist  etwas  Richtiges;  es  ist  indessen 
auch  wahrscheinlich,  dass  Banflfy  den  Minister  des  Aeussem  vor  eine  vollendete 
Thatsache  stellen  und  ihm  dem  Rückweg  abschneiden  wollte.  Solche  poli- 
tischen Kleinkünste  gehörten,  wie  später  allgemein  bekannt  wurde,  zu  dem 
gewöhnlichen  Rüstzeuge  des  Ministers;  sollte  doch  der  Missbrauch,  den  er 
mit  ihnen  trieb,  bald  auch  in  Ungarn  Erbitterung  erwecken  und  einige  Jahre 
später  seinen  Sturz  hervorrufen.  Der  Unwille  K.'s  ist  schwer  zu  beschreiben, 
denn  als  Mann  strenger  diplomatischer  Formen  sah  er  in  dem  Vorgreifen 
Banffys  eine  Schädigung  des  auswärtigen  Dienstes.  Wie  konnten,  so  urtheilte 
er,  die  freundlichen  Beziehungen  zu  den  übrigen  Staaten  gepflegt  werden,  wenn 


378  Graf  Kalnoky. 

der  Minister  des  Aeussem  unter  der  Gefahr  stand,  dass  der  ungarische  Minister- 
präsident seine  vertrauliche  Schreiben  zu  Indiscretionen  benutzte?  In  der  fort- 
schreitenden Gereiztheit,  in  der  sich  seine  Nerven  befanden,  wollte  er  das  Vor- 
gehen Banffys  nicht  anders  denn  als  Illoyalität  beurtheilt  wissen,  wobei  er  sich 
nicht  klar  darüber  war,  dass  sein  eigenes  Schreiben  durch  den  gegen  Agliardi 
ausgesprochenen  herben,  nicht  zu  überbietenden  Tadel  dem  Ministerpräsidenten 
eine  Handhabe  für  seine  Rede  gegeben  hatte.  K.  sah  in  all  dem  nur  einen 
Einschlag  in  dem  Gewebe  von  Feindseligkeiten,  deren  er  sich  von  Ungarn 
her  zu  versehen  hätte.  Dem  sollte  durch  einen  nachdrücklichen  Schlag  ent- 
gegengewirkt werden.  Dabei  bediente  er  sich,  was  bei  seiner  sonstigen  Scheu 
vor  einem  Appell  an  die  Oeffentlichkeit  in  Erstaunen  setzen  muss,  vielleicht 
zum  ersten  Male  der  Beihilfe  der  Presse,  —  kein  Wunder,  dass  er,  der  an 
dieses  Kampfesmittel  nicht  gewöhnt  war,  dabei  das  richtige  Mass  überschritt. 
Am  3.  Mai  brachte  die  »Politische  Correspondenz«  eine  officiöse  Note,  die 
er  selbst  verfasst  hatte  und  die  im  Namen  des  auswärtigen  Amtes  BanfFy 
gradezu  blossstellte.  »Es  hat  nicht  wenig  Verwunderung  erregt«,  so  heisst  es 
darin,  »dass  in  mehreren  wesentlichen  Punkten  die  Erklärungen  des  Baron 
Banffy  unrichtig  sind  und  sich  daher  mit  den  Ansichten  des  Ministers  des 
Aeussem  nicht  decken.«  Nach  einer  genauen  Darlegung  des  Sachverhalts 
schliesst  die  Note  mit  den  Worten:  »Wenn  also  Baron  Banffy  im  ungarischen 
Parlamente  die  Erklärung  abgab,  dass  die  D<§marche  (in  Rom)  erfolgt  sei, 
so  kann  dies  seiner  Unvertrautheit  mit  diplomatischen  Geschäften  zugeschrieben 
werden,  welche  wohl  auch  die  Schuld  daran  trägt,  dass  der  Ministerpräsident 
auf  eigene  Verantwortung  und  ohne  Rücksicht  auf  unsere  freundschaftlichen 
Beziehungen  zum  Heiligen  Stuhle  eine  wie  ein  Schlachtruf  tönende  Erklärung 
im  Parlament  abgab,  was  für  die  Sache  selbst  nur  schädliche  Folgen  haben 
kann.  Es  dürfte  also  diese  Interpellationsbeantwortung  des  Baron  BanfFy  noch 
zu  weiteren  Erklärungen  und  Consequenzen  führen.« 

Es  war  in  Oesterreich-Ungam  nicht  erhört,  dass  ein  Minister  den  andern 
in  der  Presse  zur  Rede  stellte;  dass  gerade  K.  mit  der  Gewohnheit  der 
Zurückhaltung  brach,  musste  doppeltes  Aufsehen  erregen.  Die  öffentliche 
Meinung  in  Ungarn  brauste  denn  ob  solcher  Behandlung  des  Minister- 
präsidenten hoch  auf  und  Banffy  erschien  in  Wien,  um  Beschwerde  bei  dem 
Herrscher  zu  führen.  Der  Kaiser,  für  den  Grafen  K.  eingenommen,  wies 
Banffy  zuerst  an  ihn;  eine  kurze,  schroffe  Aussprache  der  beiden  Minister 
fand  statt,  die  ergebnisslos  blieb,  da  K.  den  Vorschlag  Banffys  ablehnte,  den 
Zwist  durch  Austausch  öffentlicher  Erklärungen  beizulegen;  er  gebe  durchaus 
keine  Erklärung  ab.  Und  da  Banffy  sich  auf  das  Schreiben  K.'s  vom  25.  April 
berief  und  darauf  hinwies,  er  habe  schon  am  27.  schriftlich  die  Aufklärungen 
gegeben,  die  K.  als  Grundlage  für  den  in  Rom  zu  erfolgenden  Schritt  verlangt 
hatte,  so  dass  er  bona  fide  gehandelt  habe:  so  schlug  der  Minister  des  Aeussem 
dem  Kaiser  vor,  sein  Brief  vom  25.  April  solle  dem  ungarischen  Reichstage 
bekannt  gegeben  werden,  als  Beweis  dafür,  dass  er  und  nicht  Banflfy  im  Rechte 
sei.  K.  war  überzeugt,  dass  die  bedingte  Form,  in  der  er  die  Vorstellung 
bei  der  Curie  in  Aussicht  gestellt  habe,  jedermann  von  seinem  guten  Rechte 
überzeugen  müsse.  Banffy  war  damit  wohl  zufrieden  und  nun  zeigte  es  sich, 
dass  K.  sich  über  die  Wirkung  dieser  Veröffentlichung  auf  die  Oeffentlichkeit 
vollständig  getäuscht,  während  der  Ministerpräsident  als  genauer  Kenner  seines 
Landes  ganz  richtig  gerechnet  hatte.  An  zwei  Stellen  des  Schreibens  war 
dem  Nuntius  wegen  seiner  öffentlichen  Ansprachen  Tactlosigkeit  vorgeworfen 


Graf  Kalnoky.  tyo 

worden;  man  fand,  dass  Banflfy  Grund  gehabt  hatte,  auf  die  Zustimmung  des 
Ministers  des  Aeussern  zu  rechnen;  über  den  Verstoss  in  der  Form  setzte  sich 
die  liberale  Partei  und  Presse  kurzer  Hand  hinweg.  Man  sah  es  jenseits  der 
Leitha  als  Ehrensache  an,  dem  Landsmann  über  den  unpopulär  gewordenen 
Minister  des  Aeussern  zum  Siege  zu  verhelfen;  und  Baron  Banffy  galt  damals 
noch  als  der  biedere  siebenbürgische  Landedelmann,  dem  man  den  gemachten 
Fehler  nicht  so  hoch  anrechnen  dürfe.  Die  liberale  Presse  diesseits  der  Leitha 
stimmte  dieser  Auffassung  zu,  und  die  Clerikalen  wieder  grollten  dem  Grafen 
K.,  weil  er  den  Nuntius  so  scharf  angefasst  hatte.  Das  Schlimmste  für  K. 
aber  war:  auch  die  ihm  wohlwollten,  mussten  zugeben,  dass  er  mit  der 
Banffy  zugefügten  Beleidigung  zu  weit  gegangen  war.  An  dieser  Sachlage 
änderte  auch  die  Thatsache  nichts,  dass  der  Kaiser,  um  K.  zu  schützen,  in 
einem  Schreiben  vom  6.  Mai  die  von  ihm  angebotene  Demission  ablehnte 
und  ihm  durch  die  Versicherung  ungeminderten  Vertrauens  eine  Genug- 
thuung  gab. 

Für  K.  stand  es  von  vornherein  fest,  dass  er  und  Banffy  nicht  neben- 
einander im  Rathe  der  Krone  bleiben  könnten;  und  er  hielt  es  für  ange- 
messen, selbst  den  Platz  zu  räumen.  Es  ging  nachgerade  über  seine  Kraft, 
einen  Confiikt  um  den  anderen  mit  den  ungarischen  Ministem  auszufechten. 
Es  hatte  sich  gezeigt,  dass  er  bei  diesen  Zusammenstössen  ganz  allein 
auf  sich  angewiesen  war.  Er  missgönnte  den  Ungarn  nicht  den  legitimen 
Einfiuss  auf  die  äussere  Politik,  aber  er  wollte  ihn  nicht  noch  ver- 
mehrt sehen;  er  hatte  es  für  seine  Pflicht  gehalten,  das  Gleichgewicht 
zwischen  den  beiden  Reichshälften  zu  erhalten  und  es  verschob  sich  all- 
gemach vollständig  zu  Gunsten  Ungarns.  Gleich  unzufrieden  war  er  mit 
dem  Gange  der  Dinge  in  Oesterreich;  das  Coalitionsministerium,  dessen 
Bildung  er  gefördert  hatte,  war  seinem  Zusammenbruche  nahe.  Ebenso  wie 
Banffy  so  reichte  auch  er,  und  nun  zum  zweiten  Male,  die  Bitte  um  Ent- 
lassung ein.  Er  legte  dem  Kaiser  dar,  dass  es  leichter  sein  werde,  einen 
Nachfolger  für  ihn  als  für  das  ungarische  Cabinet  zu  finden.  Schon  in  der 
Krise  des  Vorjahres  war  es  schwierig  gewesen,  in  Ungarn  ein  Ministerium  zu 
bilden,  dessen  Mitglieder  dem  Kaiser  nicht  geradezu  aufgedrängt  waren;  da- 
gegen, und  darauf  wies  er  mit  berechtigtem  Stolze  hin,  hinterlasse  er  die 
äussere  Politik  im  Zustand  vollster  Ordnung,  den  Dreibund  gefestigt,  die 
Orientwirren  besänftigt.  In  diesem  seinen  Entschlüsse  Hess  er  sich  nicht 
wankend  machen  und  der  Kaiser  konnte  sich  dem  Gewichte  seiner  Gründe 
nicht  verschliessen.  Der  Monarch  Hess  Banflfy  zu  sich  bescheiden  und  sagte 
ihm  kurz,  nahezu  ungnädig:  er  habe  sich  entschlossen,  die  Demission  K.'s 
anzunehmen;  er  wies  Banffy  ohne  weitere  Erläuterung  an,  mit  dem  Grafen 
Goluchowski,  der  zum  Minister  des  Aeussern  bestimmt  sei,  das  Erforderliche 
abzumachen.  Um  so  wärmer  war  der  Abschied  des  Kaisers  von  K.,  der 
seinen  Nachfolger  selbst  vorgeschlagen  hatte.  In  dem  kaiserlichen  Hand- 
schreiben vom  15.  Mai  1895,  ^^  ^^^  sein  Entlassungsgesuch  angenommen 
wurde,  waren  die  grossen  Verdienste  anerkannt,  die  er  sich  um  den  Herrscher 
und  die  Monarchie  erworben  hatte. 

Die  letzten  Jahre  seines  Lebens  verbrachte  K.  zum  Theil  auf  Reisen,  zu- 
meist aber  auf  seiner  Besitzung  Prödlitz  in  Mähren.  Seine  Gesundheit  schien 
sich  zu  festigen,  als  er  am  13.  Februar  1898  unerwartet  und  nach  kurzem 
Leiden  vom  Tode  ereilt  wurde.  Auch  während  seiner  Zurückgezogenheit 
vermied  er,  seinem  Grundsatze  treu,  jedes  Hervortreten  in  die  Oeffentlichkeit, 


^So  Graf  Kälnoky. 

jeden  Versuch,  seine  Thätigkeit  als  Minister  des  Aeussem  in  das  Licht  ge- 
schichtlicher Wahrheit  zu  rücken,  das  ihm  nur  zur  Ehre  gereichen  konnte. 
Daher  kommt  es,  dass  sein  Wirken  im  Allgemeinen  nicht  genügend  gewürdigt 
wird;  bei  seiner  Zurückhaltung  und  Zurückgezogenheit  erklärt  es  sich,  dass 
auch  die  Nekrologe  nach  seinem  Abscheiden  sich,  wenn  man  von  dem  treff- 
lichen Artikel  Pleners  im  Wiener  »Fremdenblatt«  absieht,  nur  in  Allgemein- 
heiten bewegen  und  kein  Bild  seines  Wesens  geben.  Er  hatte  der  Welt 
gegenüber  etwas  Unpersönliches  an  sich.  Diese  Eigenthümlichkeit  bewahrte 
er  bis  übers  Grab  hinaus.  Er  hinterliess  keine  Aufzeichnungen  über  sein 
Leben  und  verfügte  in  seinem  Testament,  dass  alle  politischen  Papiere,  die 
sich  in  seinem  Nachlasse  finden  sollten,  an  das  Ministerium  des  Aeussem 
zurückzugeben  seien.  Und  auch  deren  gab  es  nur  eine  geringe  Anzahl,  da 
er  bei  seinem  Scheiden  aus  dem  Amte  nahezu  Alles  bereits  im  Auswärtigen 
Amte  zurückgelassen  hatte.  So  blieben  nur  Privatbriefe  im  Besitze  der 
Familie. 

So  wenig  beschäftigte  ihn  die  Sorge  um  seinen  Nachruhm;  er  begnügte 
sich  damit,  seine  Pflicht  gethan  zu  haben  und  hegte  das  ruhige  Bewusstsein, 
die  äussere  Politik  der  Monarchie  durch  vierzehn  Jahre  mit  sicherer  Hand 
gelenkt  zu  haben.  Wohl  fehlen  seinem  Bilde  die  hinreissenden  Züge,  durch 
welche  die  genialen  Staatsmänner  unter  seinen  Zeitgenossen  auf  die  Menschen 
zu  wirken  vermochten;  auch  stand  er,  der  österreichische  Conservative,  dem 
Walten  der  Volkskräfte  in  einem  Lande,  wie  Ungarn,  fremd  gegenüber. 
Aber  er  war  einer  der  besten  Diplomaten  seiner  Zeit  und  pflegte  die  guten 
Seiten  der  österreichischen  Tradition,  den  Geist  der  Zähigkeit,  Gelassenheit 
und  Vertragstreue.  So  gelang  es  ihm,  den  Frieden  zu  bewahren,  die  Allianzen 
Oesterreich-Ungams  zu  erweitem  und  zu  befestigen,  die  Unabhängigkeit  des 
Balkans  gegen  Russland  zu  vertheidigen  und  dabei  doch  die  Eifersucht  dieser 
Macht  zu  sänftigen;  so  führte  er  die  Orientfrage  im  Sinne  seines  Staates  ein 
gutes  Stück  der  Lösung  entgegen.  In  solchen  Leistungen  wurde  er  von 
keinem  Staatsmanne  Oesterreichs  in  diesem  Jahrhundert  übertroffen. 

Heinrich  Friedjung. 


Ergänzungen  und  Nachträge  zum 
„Deutschen  Nekrolog  von  1896  und  1897". 


W3rmetal,  Wilhelm,  Ritter  von,  nur  bekannt  unter  dem  Pseudonym 
(seit  1875)  W.  Wyl,  Publidst,  *  27.  December  1838  zu  Wien,  f  4.  Januar  1896 
zu  München.  Das  auf  authentischen  Materialien  beruhende  Lebens-  und 
Charakterbild  dieses  ruhelosen,  hart  duldenden  Weltwanderers,  geistreichen 
Mannes,  liebenswürdigen,  überaus  regsamen  Menschen,  glänzenden  Stilisten, 
dessen  Fehlen  im  »Biogr.  Jahrb.  u.  dtsch.  Nekrol.«  I  S.  VI  beklagt  wurde, 
lief,  vom  Unterzeichneten  aus  den  Quellen  mit  Beihülfe  von  des  Verstorbenen 
Wittwe  und  Sohn  (in  Califomien)  fertiggestellt,  für  den  II.  Bd.  zu  spät  ein 
und  wird  diesmal  um  so  weniger  nachgeholt,  weil  zu  dem,  ebenfalls  vom 
Referenten  inzwischen  gelieferten  Abriss  (nebst  Bibliographie)  i.  d.  Allg.  Dtsch. 
Biogr.  XLIV  395 — 397  binnen  Kurzem  das  daselbst  erwähnte  Werk  der  Hinter- 
lassenen  und  Ino  Stranniks  (gesammelte  kleine  Schriften  nebst  Biographie) 
kommen  und  dann  auch  des  Unterzeichneten  genanntes  ausführliches  Manuscript 
veröffentlicht  werden  soll. 

Ludwig  Fränkel. 

Thema,  Dr.,  Antonius,  von,  Erzbischof  von  München  und  Freising, 
*  I.  März  1829  in  Nymphenburg,  f  24.  November  1897  in  München. 

In  frühester  Kindheit  bereits  elternlos  geworden,  erhielt  der  mit  vielen 
Vorzügen  des  Geistes  und  Körpers  ausgestattete  Knabe  durch  edle,  mitleidige 
Menschen  zuerst  in  Nymphenburg,  seit  1837  ^^  Ingolstadt  eine  gute  christliche 
Erziehung.  Da  er  sehr  bald  Neigung  zum  geistlichen  Stande  zeigte,  —  als 
10  jähriger  Knabe  gelobte  er  in  der  Gnadencapelle  zu  Altötting  der  Mutter- 
gottes, wenn  sie  ihm  zum  Priesterstande  verhelfe,  wolle  er  alle  Jahre  wieder- 
kommen, um  ihr  zu  danken,  —  wurde  er  i.  J.  1840  an  die  neuerrichtete 
Studienanstalt  des  Benedictinerklosters  Scheyem  geschickt,  siedelte  im  nächsten 
Jahre  nach  Metten  über,  wo  die  Benedictiner  seit  1837  gleichfalls  ein  Studien- 
seminar leiteten,  und  besuchte  sodann  vom  Jahre  1844— 1848  das  Gym- 
nasium zu  Freising.  Im  Herbst  1848  bezog  er  die  Universität  in  München, 
um  dort  im  ersten  Jahre  den  philosophischen  Studien  und  sodann  drei  Jahre 


382 


V.  Thoma. 


als  Alumnus  des  CoUegium  Georgianum  dem  Studium  der  Theologie  zu  obliegen. 
Nachdem  er  im  Studienjahre  1852/53  als  Alumnus  des  erzbischöflichen 
Clericalseminars  in  Freising  noch  seine  Ausbildung  in  den  praktischen  Fächern 
der  Theologie  erhalten  hatte,  empfing  er  am  29.  Juni  1853  im  Dom  daselbst 
vom  Erzbischof  Karl  August  Graf  von  Reisach  die  Priesterweihe.  Am 
31.  Juli  feierte  er  vor  dem  Schlosse  zu  Nymphenburg  sein  erstes  Messopfer, 
dann  trat  er  den  ihm  bereits  am  12.  Juli  angewiesenen  Dienst  in  der  Seei- 
sorge  als  zweiter  Coadjutor  in  Teisendorf  an.  Hier  wirkte  er  unter  dem  vor- 
trefflichen Decan  Reichthalhammer  mit  dem  grössten  Seeleneifer  sieben 
Jahre.  Am  24.  Januar  1860  wurde  er  als  dritter  Cooperator  an  die  St. 
Ludwigspfarrei  in  München  berufen,  am  29.  Juli  1862  auf  Wunsch  des  als 
Kanzelredner  und  Volksvertreter  vielgefeierten  Stadtpfarrers  Dr.  Westermayer 
zum  dritten  Cooperator  an  der  St.  Peterspfarrei  befördert.  Vierzehn  Jahre 
lang  arbeitete  Th.  als  Hilfspriester,  da  regte  sich  in  ihm  der  lebhafte  Wunsch, 
einen  eigenen  selbstständigen  Wirkungskreis  als  Seelsorger  zu  erhalten.  Als 
nun  die  Pfarrei  St.  Zeno  bei  Reichenhall  erledigt  wurde,  bewarb  sich  Th. 
um  diese  Pfarrei,  die  ihm  1867  verliehen  wurde.  Hier  wirkte  er  12  Jahre 
lang,  bis  er  1879  nach  einstimmigem  Magistratsbeschluss  in  München  die 
Stadtpfarrei  zum  Hl.  Geist  erhielt.  Nur  vier  Jahre  bekleidete  er  dieses  Amt 
mit  grossem  Eifer  und  Erfolg.  1 883  ernannte  dem  Wunsche  des  Erzbischofs 
Antonius  von  Steichele  entsprechend  König  Ludwig  IL  Th.  zum  Domcapitular. 
Pflichttreu  wie  immer,  selbstlos  und  seeleneifrig  wirkte  Th.  in  Kirche  und 
Schule,  im  Beichtstuhle  und  am  Krankenbette,  in  der  Schulcommission  und 
im  Armeepflegschaftsrathe,  bis  ihn  nach  dem  am  13.  März  1889  erfolgten 
Ableben  des  Bischofs  von  Passau,  Joseph  Franz  von  Weckert,  das  Vertrauen 
des  Prinzregenten  Luitpold  am  24.  März  1889  auf  den  bischöflichen  Stuhl 
von  Passau  berief.  Nach  langen  schweren  Seelenkämpfen  willigte  der  be- 
scheidene Dompfarrer  endlich  ein,  die  bürdevolle  Würde  anzunehmen.  Mit 
rührender  Sorgfalt  nahm  er  sich  der  studirenden  Jugend  in  seinen  Diöcesen- 
seminarien  an,  mit  klugem  Eifer  förderte  er  die  auf  die  Errichtung  neuer  Seel- 
sorgestellen abzielenden  Bestrebungen,  traf  die  nöthigen  Einleitungen  zur  Ueber- 
nahme  der  Seelsorge  an  der  Wallfahrtskirche  zu  Mariahilf  ob  Passau  durch 
erfahrene  Priester  des  Kapuzinerordens,  mit  theilnahmsvoller  Liebe  zu  seinem 
Diöcesanklerus  brachte  er  die  jahrelang  betriebene  Errichtung  einer  Emeriten- 
anstalt  für  die  Priester  der  Diöcese  Passau  zu  einem  glücklichen  Abschluss. 
Da  starb  am  9.  October  1889  zu  Freising  Antonius  von  Steichele,  Erzbischof 
von  Münchisn  und  Freising,  nach  elfjähriger  Regierung,  und  bereits  am  23.  dess. 
Monats  wurde  vom  Prinzregenten  Luitpold  Th.  als  Erzbischof  von  München 
und  Freising  postulirt,  und  nachdem  ihm  durch  Decret  vom  8.  December 
in  der  Person  des  Münchener  Dompropstes  Michael  von  Rampf  ein  Nachfolger 
auf  dem  Passauer  Bischofsstuhl  ernannt  worden  war,  am  30.  December 
feierlich  präconisirt.  Bevor  der  neue  Erzbischof  nach  München  übersiedelte 
und  die  Regierung  der  Erzdiöcese  übernahm,  waren  dort  wichtige  Ereignisse 
vor  sich  gegangen.  Im  Januar  1890  war  Döllinger,  der  Schöpfer  des  Alt- 
katholicismus,  gestorben  und  am  15.  März  hatte  das  Ministerium  Lutz  nach 
20  jährigem  Kampfe  seinen  Frieden  mit  der  katholischen  Kirche  geschlossen 
und  der  Ausschliessung  der  »Altkatholiken«  aus  der  katholischen  Kirche  auch 
die  staatliche  Anerkennung  ertheilt.  So  konnte  Erzbischof  Antonius,  der  sich 
als  Wappen  die  weisse  Taube  mit  dem  Oelzweig  über  drei  grünen  Hügeln 
schwebend    gewählt    hatte,    bereits  im   Zeichen    des  Friedens   am   21.  April 


V.  Thoma.  ^83 

1890  seinen  festlichen  Einzug  in  München  halten.  Als  aber  bereits  im 
nächsten  Monate  am  31.  Mai  der  Cultusminister  Freiherr  von  Lutz  seine 
Entlassung  nahm  und  durch  den  dem  neuen  Oberhirten  persönlich  be- 
freundeten Polizeipräsidenten  Ludwig  August  von  Müller  ersetzt  wurde,  ge- 
stalteten sich  die  Beziehungen  zur  weltlichen  Regierung  noch  friedlicher  und 
erfreulicher.  Tief  ergriffen  stand  desshalb  Erzbischof  Antonius  am  24.  März 
1895  ^^^  ^^^  Leiche  des  einem  Gehirnschlage  erlegenen  Ministers  v.  Müller 
und  sprach,  die  Hand  des  Todten  erfassend:  »Gott  lohne  dir  tausendfach 
all  das  Gute,  das  du  mir  und  meiner  Diöcese  gethan  hast«.  Unter  solch 
glücklichen  Verhältnissen  konnte  er  sich  ganz  und  ungetheilt  der  Sorge  für 
das  Seelenheil  seiner  mehr  als  achthunderttausend  Diöcesanen  widmen.  Von 
jeher  Seelsorger  gewesen  als  Hilfspriester  und  Pfarrer  wollte  er  es  auch  als 
Erzbischof  bleiben.  Auf  seinen  Amtsreisen,  die  jährlich  mehr  als  drei  Monate 
währten,  predigte  er  täglich  und  an  manchen  Tagen  zweimal;  bei  der  Be- 
reisung der  Erzdiöcese  unterliess  er  nicht,  wie  die  Klöster,  Institute  und 
Kinderbewahranstalten,  so  auch  die  Spitäler  und  Krankenhäuser  zu  besuchen 
und  trat,  ohne  Furcht  vor  ansteckenden  Krankheiten,  zu  den  einzelnen  Lei- 
denden heran,  um  ihnen  Worte  des  Trostes  und  der  Ermunterung  mit  seinem 
Segen  zu  geben. 

Diesen  wahrhaft  priesterlichen  Geist,  der  ihn  beseelte,  suchte  er  auch  den 
Zöglingen  seiner  Seminarien  einzuflössen. 

Auf  Grund  langjähriger  Erfahrungen  schrieb  er  1891  eine  Lehrordnung 
für  die  Ertheilung  des  Religionsunterrichtes  in  den  Volksschulen  vor.  Um  den 
zum  Theil  berechtigten  Klagen  mancher  Katecheten  über  Unvollkommenheiten 
des  gegenwärtigen  Deharbe'schen  Katechismus  zu  begegnen,  regte  er  eine 
Verbesserung  desselben,  sowie  die  Einführung  eines  einheitlichen  Katechismus 
für  alle  Diöcesen  Bayerns  an.  Mit  grosser  Sorgfalt  war  er  darauf  bedacht, 
dass  die  so  wichtigen  Religionslehrerstellen  an  den  Mittelschulen  nicht  mit 
ehrgeizigen  oder  habsüchtigen  Strebern,  sondern  mit  seeleneifrigen  und  wissen- 
schaftlich tüchtigen  Priestern  besetzt  wurden.  Den  Gründungen  verschiedener 
katholischer  Vereine  brachte  er  grosses  Wohlwollen  entgegen,  war  aber  auch 
nicht  blind  gegen  manche  damit  verbundene  Gefahren  und  wiederholte  oft: 
»Alle,  auch  die  besten  Vereine  sind  schädlich,  wenn  sie  nicht  zur  Befestigung 
des  Familienlebens  beitragen«.  Da  er  den  Nutzen  der  sogenannten  Volks- 
missionen für  die  Weckung  und  Bewahrung  des  christlichen  Lebens  aus 
eigener  Erfahrung  wohl  kannte,  förderte  er  dieselben  in  seiner  Diöcese  nach 
Möglichkeit,  betheiligte  sich  selbst  an  mehreren  derselben  und  Hess  in  München 
solche  auf  eigene  Kosten  vom  16. — 25.  März  1895  in  12  Kirchen  und  vom 
14. — 29.  März  1896  in  13  Gotteshäusern  zum  Segen  für  viele  Tausende  ab- 
halten. Da  er  in  der  werdenden  Grossstadt  München  ganze  Stadttheile 
der  Gotteshäuser  und  Seelsorge  ermangeln  sah,  unterstützte  er  mit 
seinem  grossen  Einfluss  und  seiner  fürstlichen  Freigebigkeit  die  Erbauung 
neuer  Kirchen,  so  jene  der  St.  Antoniuskirche  im  10.  Stadtbezirke  und  der 
St.  Josephkirche  im  7.  Stadtbezirke  durch  die  Kapuziner,  und  die  Errichtung 
neuer  Pfarreien,  wobei  er  den  Pfarrhof  von  St.  Benno  aus  eigenen  Mitteln 
um  65  000  Mk.  erbauen  Hess. 

Um  die  Kirche  in  ganz  Bayern  aber  erwarb  er  sich  grosse  Verdienste, 
indem  er,  dem  Wunsche  des  Papstes  vom  9.  October  1892  entsprechend, 
sämmtliche  Oberhirten  des  Landes  wiederum  alle  drei  Jahre  zu  einer  Con- 
ferenz  in  Freising  versammelte,  und  durch  kluges  Vermitteln  und  demüthiges 


384  '^'  Thoma.     Sanders. 

Verzichten  auf  den  eigenen  Willen  manche  gemeinsame  Action  des  Episkopats 
in  Kirchen-,  Schul-  und  Ordensangelegenheiten  ermöglichte.  Die  Beziehungen 
zur  päpstlichen  Nuntiatur,  welche  unter  seinem  Vorgänger  rein  legale  waren, 
wusste  er  zu  wahrhaft  herzlichen  zu  gestalten.  Papst  Leo  XIII.,  dem  er  im 
October  1892  und  1896  mit  dem  Erzbischof  Joseph  von  Schork  v.  Bamberg 
persönlich  seine  Huldigung  darbrachte,  schätzte  ihn  wegen  seiner  hohen 
Tugenden  und  seiner  Anhänglichkeit  an  den  apostolischen  Stuhl  sehr  hoch 
und  ernannte  ihn  am  2.  December  1892  bereits  unter  Erhebung  in  den 
römischen  Grafenstand  zu  seinem  Hausprälaten  und  Thronassistenten. 

Die  theologische  Fakultät  der  Universität  München  verlieh  ihm  »wegen 
der  in  der  Seelsorge  und  der  Regierung  der  Kirche  erworbenen  grossen 
Verdienste«  die  Würde  eines  Doktors  der  Theologie.  Prinzregent  Luitpold 
zeichnete  den  dem  bayerischen  Königshause  mit  rührender  Treue  ergebenen 
Kirchenfürsten  durch  wiederholte  Verleihungen  von  Orden,  zuletzt  des  Com- 
thurkreuzes  des  Kronordens  und  des  St.  Michaelsordens  II.  Klasse  mit 
Stern  aus. 

Also  ausgezeichnet  durch  die  weltliche  und  geistliche  Gewalt,  verehrt 
von  allen  Ständen,  blieb  Erzbischof  Antonius  stets  demüthig  und  anspruchslos 
wie  ein  frommes  Kind.  Gegen  Andere  voll  Milde  und  freigebiger  Barm- 
herzigkeit war  er  gegen  sich  gar  hart  und  strenge.  Seine  Zeit  widmete  er 
dem  Gebete  und  der  Arbeit,  der  nöthigen  Erholung  gewährte  er  fast  keinen 
Raum,  stets  eingedenk  seiner  grossen  Verantwortung,  die  immer  schwerer  auf 
sein  zartes,  weiches  Gemüth  drückte.  So  kam  es,  dass  übermässige  Arbeits- 
last seine  Kräfte  vor  der  Zeit  aufzehrte.  Am  24.  November  1897  erlag  der 
edle  Oberhirt  einem  Herzschlage,  beweint  und  betrauert  wie  wohl  wenige 
Kirchenfürsten.  Das  Marmor-Denkmal  an  seiner  Gruft  im  Dom  zu  München, 
eine  Schöpfung  des  Professors  Wadere,  das  ihn  vor  dem  Gekreuzigten  knieend, 
umgeben  von  Maria  und  St.  Antonius  darstellt,  trägt  mit  Recht  die  Inschrift: 
»Wer  Liebe  sät,  wird  wieder  Liebe  ernten«. 

Litteratur :  Antonius  von  Thema,  Erzbischof  von  München  und  Freising,  von  Georg^ 
BrUckl,  Domcapitular  und  erzb.  Secretär,  München,  Lentner  1898.  —  Erzbischof  Dr.  An- 
tonius von  Thoma  als  Marienkind«  in  der  Monatsschrift  »der  Marienbote«.  III.  Jahrgang, 
S.  149  fF.  —  Geschichte  des  Spitales,  der  Kirche  und  der  Pfarrei  zum  Hl.  Geist  in 
München,  v.  Adalbert  Huhn,  München,  Lentner  1893,  S.  474  ff. 

Bilder:  BUste  in  Lebensgrösse  von  Bildhauer  Sebast.  Osterrieder;  Photographien 
bei  Franz  Neumeyer  in  München,  und  C.  Dittmar  in  Landshut ;  Lichtdruck  bei  Franz  Böham 
in  München;  Radierung  von  Alois  Roth,  München.  Georg  Brück  1. 

Sanders,  Daniel,  *i2.Novbr.  1819  in  (Alt-)  Strelitz  im  Grossherzogtum 
Mecklenburg,  f  daselbst  am  11.  März  1897.  S.  entstammte  einer  jüdischen 
Kaufmannsfamilie  und  verdankte,  da  seine  Mutter  wenige  Tage  nach  seiner 
Geburt  starb,  seine  Erziehung  vorwiegend  seinem  Vater,  einem  Manne  von 
edelster  Geistes-  und  Herzensbildung.  Den  ersten  Unterricht  erhielt  er  in 
der  damals  vorzüglichen  jüdischen  Unterrichtsanstalt  in  seiner  Vaterstadt  und 
vom  12.  Lebensjahre  ab  in  dem  Gymnasium  Carolinum  der  benachbarten 
Residenzstadt  Neustrelitz,  das  er  Ostern  1839  absolvirte,  worauf  er  die  Uni- 
versität Berlin  bezog,  an  der  er,  besonders  unter  Boeckh,  Droysen,  Lejeune- 
Dirichlet  und  Dove,  Philologie,  Geschichte,  Mathematik  und  Naturwissenschaften 
studirte.  Ein  enges  Freundschaftsband  verknüpfte  ihn  hier  mit  H.  B.  Oppen- 
heim und  Moritz  Carri^re,  und  im  Verein  mit  beiden  Freunden  gab  er  noch 
vor    Beendigung    seiner    Studienzeit    »Neugriechische    Volks-    und    Freiheits- 


Sanders.  ^gt 

lieder«  in  Uebersetzungen  heraus  (1842),  deren  Originale  ihm  durch  zwei 
befreundete  griechische  Studiengenossen  vermittelt  wurden.  Auch  in  der 
Folgezeit  bewahrte  S.  sein  Interesse  für  das  Neugriechische,  das  er  in  weiteren 
Schriften  (»Das  Volksleben  der  Neugriechen«,  1844  —  »Die  Hochzeit  des 
Kutrulis.  Ein  aristophanisches  Lustspiel  des  AI.  Rh.  Rhangawis;  übersetzt,  1848 
—  »Neugriechische  Grammatik  nebst  Sprachproben«  u.s.w.,  1881  —  »Geschichte 
der  neugriechischen  Litteratur« ;  mit  A.  R.  Rangab($  gemeinschaftlich  verfasst, 
1884)  zum  Ausdruck  brachte.  Nachdem  S.  seine  Studien  in  Halle  1842  ab- 
geschlossen und  sich  ausser  der  Doctorwürde  auch  ein  preussisches  Ober- 
lehrerzeugniss  erworben  hatte,  kehrte  er  in  seine  Vaterstadt  Strelitz  zurück, 
wo  ihm  im  folgenden  Jahre  die  Leitung  der  öffentlichen  und  Frei-Schule  der 
jüdischen  Gemeinde  übertragen  wurde.  Fast  ein  Jahrzehnt  lang  wirkte  S.  in 
dieser  Stellung,  und  die  Schule  blühte  in  kräftigem  Gedeihen  und  erwarb 
sich  in  kurzer  Zeit  einen  Ruf,  der  weit  über  Mecklenburgs  Grenzen  hinaus- 
drang. Als  er  jedoch  1850  mit  seinem  Freunde  Adolf  Glassbrenner  ein 
Heftchen  »Xenien  der  Gegenwart«  veröffentlichte,  worin  die  Dichter  ihrem 
Unwillen  über  das  elende  Scheitern  des  liberalen  Gedankens  unverhüllt  Aus- 
druck gaben,  schloss  die  Regierung  die  Sanders'sche  Schule  und  drängte  ihn 
in  das  Privatleben  eines  Schriftstellers  zurück.  Um  dieselbe  Zeit  erschien 
das  erste  Heft  des  deutschen  Wörterbuchs  der  Gebrüder  Grimm,  das  von 
S.  in  zwei  Heften  kritisch  beleuchtet  und  als  »in  seiner  ganzen  Anlage  und 
grossenteils  auch  in  seiner  Ausführung  durchaus  verfehlt«  bezeichnet  wurde. 
Bald  darauf  trat  auch  S.  selbst  mit  einem  »Programm  eines  neuen  Wörter- 
buchs der  deutschen  Sprache«  (1854)  hervor.  Wenngleich  seine  Kritik  auf 
vielen  Seiten  einen  Sturm  der  Entrüstung  hervorrief,  so  fanden  sich  doch 
auch  Stimmen,  welche  sich  auf  seine  Seite  stellten,  und  nicht  lange  danach 
lief  dann  bei  S.  auch  der  Antrag  eines  Leipziger  Buchhändlers  ein,  für  seinen 
Verlag  ein  »Wörterbuch  der  deutschen  Sprache«  zu  schreiben,  ein  Antrag, 
dem  S.  mit  seinem  grossen  dreibändigen  Werke  in  den  Jahren  1859 — 1865 
entsprach.  Zu  einer  Kritik  dieses  Werkes  fehlt  uns  hier  der  Raum:  es  hat 
aber  seinen  Weg  gemacht  und  ist  durch  das  »Ergänzungs Wörterbuch  der 
deutschen  Sprache«,  das  S.  1879 — 85  folgen  Hess,  nur  noch  werthvoller  ge- 
worden. Es  konnte  nicht  ausbleiben,  dass  eine  derartige  schriftstellerische 
Thätigkeit  S.'s  schliesslich  auch  auf  verwandte  Gebiete  hinübergriff,  und 
so  hat  er  denn  im  Laufe  der  Jahre  20  verschiedene  Schriften  über  deutsche 
Orthographie,  deutsche  Grammatik,  deutsche  Synonymen,  deutsche  Silben- 
messung und  Verskunst,  deutsche  Sprache  und  Litteratur,  über  Satzbau  und 
Wortfolge  u.  s.  w.  veröffentlicht,  deren  Aufzähluug  uns  erspart  bleiben  kann; 
auch  gründete  er  sich  1887  für  sein  sprachwissenschaftliches  Wirken  ein 
eigenes  Organ,  die  »Zeitschrift  für  deutsche  Sprache«.  In  Anerkennung  seiner 
Leistungen  und  Verdienste  auf  dem  Gebiete  der  Germanistik  wurde  S.  auch 
im  Januar  1876  von  dem  preussischen  Unterrichtsminister  Falk  zu  der 
orthographischen  Konferenz  nach  Berlin  berufen,  auf  der  er  mit  Prof.  Wilhelm 
Scherer  und  wenigen  andern  den  konservativen  Standpunkt  vertrat,  und 
1877  wurde  er  durch  Verleihung  des  Titels  Professor  geehrt.  —  S.  war 
indessen  nicht  nur  ein  gelehrter  Sprachforscher,  sondern  auch  ein  tief 
gemüthvoller  Dichter.  Die  Beschäftigung  mit  Volkspoesie  hatte  ihn  schon 
früher  zur  orientalischen  Dichtung  geführt  und  ihn  zu  einer  metrischen 
Uebersetzung  des  »Hohen  Liedes  Salomonis«  angeregt  (1845,  1866).  Später 
überraschte  er  die  deutschen  Litteraturfreunde  mit  Gedichten  für  die  Jugend 

Blui;r.  Jahrb.  u    Deutitcher  Nokrolo;;.     ü.  Bü.  2^ 


^g5  Sanders.     Schrauf.     Meyer. 

»Heitere  Kinderwelt«    (1868;    neue  Ausg.  1889),    mit    der  Gedichtsammlung 

»Aus  den    besten  Lebensstunden.      Eigenes    und  Angeeignetes«    (1878)   und 

mit  den   »366  Sprüchen«  (1892). 

Festschrift    zu    Daniel   Sanders'  siebenzigstem  Geburtstage.      Von    Friedrich    Dfisel, 
Strelitz  1889. 

Franz  Brummer. 

Schrauf,  Albrecht,  Mineralog,  *  14.  December  1837  zu  Wien,  f  ebenda 
29.  November  1897.  Studirte  in  Krems,  Wiener-Neustadt  und  Wien,  sollte 
ursprünglich  Priester  werden,  verliess  aber  noch  als  Novize  den  Piaristenorden ; 
bezog  1856  die  Universität  Wien,  kam  1861  an  das  k.  k.  Hofmineralien- 
cabinet,  dessen  erster  Custos  er  1868  wurde;  habilitirte  sich  1863  an  der 
Universität  Wien,  wurde  1874  Professor.  »Schon  in  seiner  ersten  Arbeit 
über  das  Kieselzinkerz  trat  S.  in  Opposition  zur  Mohs-Zippe'schen  Schule  in 
Oesterreich.«  »Er  versuchte  die  Aufklärung  der  Beziehungen  zwischen  der 
chemischen  Zusammensetzung  einer-,  der  Krystallform  und  den  damit  zu- 
sammenhängenden physikalischen  Eigenschaften  andererseits.«  S.  ü.  seine 
»Physikalischen  Studien  über  die  gesetzmässigen  Beziehungen  von  Materie 
und  Licht«;  »Lehrbuch  der  physikalischen  Mineralogie«  etc.  Ausser  diesen 
und  anderen  grösseren  Werken  (darunter  sein  ausgezeichneter  Atlas  der 
Krystall formen)  hat  S.  über  100  Specialabhandlungen  publicirt.  Sein  Leben 
gestaltete  sich  düster  durch  schweres  körperliches  Leiden  und  tiefe  Gemüths- 
Verstimmung.  »1896  verlor  S.,  angeblich  durch  einen  zufälligen  Blick  in  die 
Sonne,  sein  linkes  Auge,  sein  'Arbeits-Auge'.  Die  hierdurch  wesentlich  mit- 
bedingte Untähigkeit  zur  Arbeit  ertrug  er  nicht  lange.«  ^ 

Almanach  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften,  Wien  1898,  322  —  326. 

Meyer,  Victor,  Chemiker,  *  8.  September  1848  zu  Berlin,  f  8.  August  1897 
zu  Heidelberg.  Sohn  des  Inhabers  einer  bedeutenden  Kattunfärberei,  in  der 
wahrscheinlich  M.  wie  sein  älterer  Bruder  Richard  zuerst  zu  chemischen  Be- 
obachtungen angeregt  wurde.  Absolvirte,  16 jährig,  das  Berliner  Friedrich- 
Werder'sche  Gymnasium.  Dazumal  vorwiegend  litterarischen  Neigungen  zu- 
gethan,  hegte  er  den  lebhaften  Wunsch,  Schauspieler  zu  werden.  Erst  als  er 
Mitte  der  Sechzigerjahre  seinen  in  Heidelberg  Chemie  studirenden  Bruder 
besuchte,  trat  eine  Wandlung  der  Berufswahl  ein.  Im  Gymnasium  von  dem 
trefflichen  Bertram  in  Mathematik  und  Naturwissenschaft  wohl  vorbereitet, 
hörte  er  ein  Semester  an  der  Berliner  Universität,  auch  bei  A.  W.  Hofmann; 
im  Herbst  1865  bezog  er  die  Heidelberger  Universität,  deren  Professoren  in 
jener  Zeit  Bunsen,  Helmholtz,  Kirchhoff  waren.  Unter  Bunsen  vollendete  er 
dort  seine  Studien.  Eine  Weile  wirkte  er  als  Assistent  Bunsens,  bis  er  1868 
nach  Berlin  zurückkehrte  und  unter  Adolf  Baeyer  in  organischer  Chemie  sich 
zu  vervollkommnen  suchte.  Als  Dreiundzwanzigjähriger  wird  er  als  Extraordi- 
narius an  das  Stuttgarter  Polytechnicum,  1872,  dank  dem  Schweizer  Schulpräsi- 
denten Kappeier,  der  ihn  incognito  auf  einer  »Entdeckungsreise«  hörte,  als 
Nachfolger  Wislicenus'  nach  Zürich  berufen.  Dort  lehrte  er  von  1872 — 1885; 
dort  gründete  er  auch  seinen  Hausstand  mit  Hedwig  (geb.  Davidsohn). 
Nach  ausserordentlichen  Leistungen  als  Forscher  und  Lehrer  verliess  er  die 
Schweiz,  um  in  Göttingen  als  Professor  weiterzu wirken.  Der  Umbau  des 
alten  Wöhler'schen  Laboratoriums  vollzog  sich  1888  unter  seiner  Leitung. 
1889  wurde  M.  Bunsens  Nachfolger  in  Heidelberg.     Auf  dem  Lehrstuhl  und 


Meyer.    Bjorksten.  207 

im  Laboratorium,  als  Meister  gelehrter  und  populärwissenschafUicher  Dar- 
stellung, als  Hausherr  und  Reisekünstler  suchte  er  seinesgleichen.  Volles 
Glück  in  seinem  Beruf  und  in  seiner  P'amilie  wäre  ihm  beschieden  gewesen, 
hätten  nicht  schwere,  durch  Ueberarbeitung  verursachte  Neuralgien  ihm  das 
Dasein  verbittert  und  endlich  dermassen  unleidlich  gemacht,  dass  er  in  der 
Nacht  vom  7. — 8.  August  freiwillig  aus  dem  Leben  schied.  Sein  Abschieds- 
wort lautete:  »Geliebte  Frau!  Geliebte  Kinder!  Lebt  wohl!  Meine  Nerven 
sind  zerstört;  ich  kann  nicht  mehr.«  —  M.  war  (wie  es  in  Liebermanns  Ge- 
dächtnisswort heisst)  einer  der  fruchtbarsten,  originellsten,  vielseitigsten  che- 
mischen Experimentatoren.  Bei  aller  Vielseitigkeit  laufen  seine  und  seiner 
Schüler  Arbeiten  immer  wieder  auf  wenige  Grundthemata  zurück.  »Das 
ganze  Genie  M.'s,  sein  klares  Erkennen,  seine  hohe  Erfindungsgabe,  kühne 
Energie  und  gewaltiges  Wissen  tritt  am  glänzendsten  bei  dieser  zähen  Ver- 
folgung hervor.  Man  erinnere  sich  nur  der  Entdeckung  der  Thiophengruppe 
aus  einer  versagenden  Reaction  des  Benzols  aus  Benzoesäure  oder  seiner 
schönen  letztjährigen  Arbeiten  über  diorthosubstituirte  Säuren  aus  der  Nicht- 
exterificirbarkeit  der  Mesitylencarbonsäure.  —  Noch  staunenswerther  ist  der 
(iang  der  Dampfdichtearbeiten.  M.'s  geniale  Methode  erhebt  die  benutzbare 
Temperatur  bis  zum  Siedepunkt  des  Schwefels  (440®)  und  Schwefelphosphors 
(560*^).  Unermüdlich  zieht  er  zahlreiche  mit  Glühtemperaturen  arbeitende 
industrielle  Etablissements,  Platinschmelzen,  Gasanstalten  etc.  in  den  Dienst 
seiner  Idee.  Die  Pyrochemie  hat  M.  in  vor  ihm  ungeahntem  Grade  erweitert. 
—  »Was  wir  M.'s  immer  neuen  Versuchen  bezüglich  der  Molekular -Verhält- 
nisse des  O,  N,  S,  NO,  CO^,  HCl,  S,  Sb,  Hg,  Zn,  HgS,  einer  grossen  Zahl 
von  Metallchloriden  und  -Bromiden  bei  den  verschiedensten  Glühtemperaturen, 
sowie  der  Siede-  und  Schmelz-Punkte  anorganischer  Salze  verdanken,  ist  zum 
Theil  längst  in  den  bleibenden  Schatz  der  allgemeinen  und  anorganischen 
Chemie  übergegangen.«  —  Neben  alledem  fand  er  noch  Zeit,  mit  P.  Jacobson 
ein  grosses  Lehrbuch  der  organischen  Chemie  herauszugeben  und  als  Prosaiker 
die  ganze  deutsche  Leserwelt  zu  erfreuen  mit  den  »Wanderblättern  und 
Skizzen:  Aus  Natur  und  Wissenschaft  (1892)«  und  den  »Märztagen  im 
kanarischen  Archipel  (1893)«.  —  Grosse  Verdienste  um  den  chemischen 
Unterricht  hat  sich  M.  (nach  dem  Zeugniss  seiner  Fachgenossen)  »schliesslich 
durch  die  herrlichen  Institute  erworben,  die  nach  seinen  Plänen  und  unter 
seiner  Leitung  gebaut  sind«. 

Heinrich  Biltz:  »Zeitschrift  für  anorganische  Chemie«  XVI  (1898).  —  Professor 
H.  Goldschmidt:  Zur  Erinnerung  an  Victor  Meyer.  Gedächtnissrede.  Heidelberg, 
Hörning,  1897.  —  P.  Jacobson:  Victor  Meyer.  Nachruf.  »Naturwissenschaftliche 
Rundschau«  XII,  Nr.  43  und  44.  Braunschweig,  Vieweg,  1897.  —  Carl  Liebermann: 
Gedächtnissrede  auf  Victor  Meyer.  Gehalten  in  der  Sitzung  der  deutschen  chemischen 
Gesellschaft.  Berlin,  1897,  Schade.  —  G.  Lunge:  Nachruf  auf  Victor  Meyer.  Mit  dem 
Bilde  Victor  Meyer's  aus  seiner  Zürcher  Zeit  (ebenda  kurze  Erwähnung  von  M.'s  Be- 
ziehungen zu  Gottfried  Keller  und  J.  Bächtold).  »Vierteljahrsschrift  der  naturforschenden 
Gesellschaft  in  Zürich«  XLII,   1897.  , 

Bjorksten,  Ferdinand,  Architekt  und  Maler,  *  17.  Juni  f835  zu  Lovisa 
in  FinnLind,  f  18.  Novbr.  1897  zu  München,  Sohn  des  SchifFsrheders  und 
Consuls  Josef  B.,  erhielt  seine  Bildung  in  einem  Handelsinstitut  zu  St.  Peters- 
burg, trat  in  die  kais.  Akademie  daselbst.  Mit  Vorliebe  der  Baukunst  zu- 
gethan,  übersiedelte  B.  1856  nach  München  und  erhielt  durch  den  frühe 
verstorbenen  Architekten   Christian  Lembke  (*  2.  Novbr.  1826  zu  Luttersdorf 

25* 


3S8  Bjorkstcn.     Schlecht. 

bei  Wismai;  f  10.  Juli  1857  in  München)  und  bei  dem  biederen  Professor 
Ludwig  Lange  (*  22.  März  1808  zu  Darmstadt,  f  3i-  März  1868  in  München) 
neue  Förderung.  Seit  1859  selbständig,  baute  B.  sein  erstes  mit  allem  mög- 
lichen Comfort  ausgestattetes  sehr  gefälliges,  vornehmes  Musterhaus  in  der 
Arcisstrasse.  Verschiedene  Erfahrungen  mit  allerlei  Gewerbemeistem  verleideten 
ihm  aber  seine  ideale  Neigung  zum  Baufach,  so  besuchte  er  neuerdings  die 
Akademie,  zeichnete  unter  der  Leitung  des  Kupferstechers  Joh.  Leonhard  Raab, 
malte  bei  Alexander  Wagner  und  in  Carl  von  Piloty's  Schule  allerlei  Genre- 
bilder und  Compositionen  aus  der  nordischen  Sagenwelt.  Seine  entschiedenste 
Begabung  neigte  jedoch  zum  Portraitfach ;  nebenbei  beschäftigte  er  sich  immer 
noch  mit  architektonischen  Entwürfen,  kunstgewerblichen  Aufgaben  und  Her- 
stellung innerer  Einrichtungsgegenstände,  ohne  jedoch  damit  bei  seiner  reser- 
virten  Haltung  in  die  Oeffentlichkeit  zu  treten.  Eine  Lungenentzündung  setzte 
dieser  stillen  Thätigkeit  6in  frühes  Ende. 

Vgl.  Kunstvereinsbericht  f.  1898.  67. 

Hyac.  Holland. 


Schlecht,  Karl  August  Johann  Ferdinand,  Consistorialrath ,  Lic.  theol., 
*  17.  Mai  1838  in  Königsberg  in  der  Neumark,  f  29.  December  1897  in 
Königsberg  in  Preussen.  Sein  erstes  Pfarramt  trat  S.,  nach  kurzer  Thätigkeit 
als  Hilfsprediger  in  Rosenthal  nahe  bei  seiner  Vaterstadt  Königsberg  i./N. 
im  preussischen  Regierungsbezirk  Frankfurt  a./O.,  1861  in  Treppein  bei  Krossen 
an  der  Oder  an.  4  Jahre  später  wurde  ihm  die  Pfarrei  Weissensee  in  dem 
posenschen  Kreise  Meseritz  übertragen.  Als  während  des  Krieges  1870/71 
in  der  Provinzialhauptstadt  Posen  für  die  zurückgebliebenen  Soldaten  an 
Stelle  der  mit  ins  Feld  gezogenen  Garnisongeisdichkeit  anderweite  geistliche 
Versorgung  nöthig  wurde,  betraute  man  den  jungen  und  sprachgewandten 
Weissenseeer  Landpfarrer  mit  diesem  Dienst.  Die  Folge  davon  war,  dass  S. 
am  18.  April  1871  in  Posen  selbst  von  der  Gemeinde  zu  St.  Pauli  zum 
Cieistlichen  berufen  ward.  Hier  hat  er  bis  1883,  während  der  besten  Jahre 
seiner  Manneskraft,  gewirkt,  auch  ausserhalb  seiner  Gemeinde  auf  dem  weiten 
Felde  der  Inneren  Mission,  der  ja  in  den  östlichen  Provinzen  kaum  kleinere 
Aufgaben  als  in  unseren  reichen  Grossstädten  gestellt  sind.  S.  begründete 
und  leitete  jahrelang  mit  treuem  Fleisse  in  dem  »Posener  Sonntagsblatt«  ein 
christliches  Volks-  und  Erbauungsblatt,  das  noch  heute  besteht.  1883  aber 
kehrte  er  in  seine  Heimathprovinz  Brandenburg  zurück,  um  in  Luckenwalde 
im  Bezirk  Potsdam  das  Oberpfarramt  und  die  Superintendentur  die  Diöcese 
zu  übernehmen.  Doch  war  seines  Bleibens  hier  nicht  lange.  Bereits  1886 
folgte  er  einem  Rufe  nach  dem  preussischen  Norden,  in  die  erste  geisdiche 
Stelle  am  L^om  in  Königsberg  in  Ostpreussen  und  übernahm  die  Super- 
intendentur über  die  dortige  sog.  Domdiöcese.  Nach  einigen  Jahren  wurde 
er  auch  zur  Mitarbeit  an  provinzialkirchlichen  Angelegenheiten  ins  Con- 
sistorium  gezogen  und  1894  zum  Consistorialrath  ernannt.  Gleichzeitig 
wurde  ihm  von  der  theologischen  Fakultät  der  Universität  bei  Gelegenheit 
der  Feier  ihres  350jährigen  Bestehens  der  Grad  eines  Licentiaten  der  Theo- 
logie hon.  causa  verliehen.  Im  noch  nicht  vollendeten  60.  Lebensjahre  ent- 
riss  ihn  der  Tod  einer  dankbaren  Gemeinde. 

Kohlschmidt. 


Baur. 


389 


Baur,  Wilhelm,  Dr.  theol.,  Generalsuperintendent  der  Rheinprovinz, 
*  am  16.  März  1826  in  Lindenfels,  f  am  18.  April  1897  in  Coblenz.  Unter 
den  führenden  Männern  der  evangelischen  Kirche  einer  der  liebenswürdigsten, 
unter  den  Erbauungsschriftstellern  des  deutschen  Volks  im  edlen  und  weiten 
Sinn  einer  der  geliebtesten  und  gelesensten  ist  B.  einen  Monat  nach  seinem 
70.  Geburtstage,  den  er  noch  in  schöner  Feier  begangen,  durch  einen  sanften 
Tod  heimgerufen  worden,  viel  betrauert  und  vielgesegnet  von  der  ungezählten 
Gemeinde  derer,  denen  er  in  einem  Leben  voll  Wechsel  und  Wanderungen, 
in  Wort  und  Schrift  herzlich  nahegetreten  ist.  B.  wurde  als  jüngerer  Bruder 
des  (nur  wenige  Jahre  vor  ihm  verstorbenen)  Leipziger  Theologie-Professors 
Gustav  B.  geboren  im  Forsthause  zu  Lindenfels  im  Odenwalde,  unter  dem 
ersten  Frühlingswehen.  Und  es  ist,  als  ob  der  würzige  Waldesduft  und 
Frühlingsodem  von  dem  Ort,  da  seine  Wiege  stand,  in  sein  ganzes  Leben 
übergegangen  wäre.  Es  war  eine  kinderreiche  Familie,  in  der  er  aufwuchs 
in  sorgloser  und  poesievoller  Jugend,  behütet  und  geleitet  von  einer  geist- 
geweckten liebereichen  Mutter,  die  aus  lebendiger  Erinnerung  der  aufhorchenden 
Kinderschaar  fesselnde  Bilder  aus  der  tiefbewegten  Zeit  der  Freiheitskriege 
zu  entrollen  wusste,  da  ihr  der  Bräutigam  mit  seinem  Bruder  —  dem  Gatten 
ihrer  Schwester  —  als  freiwillige  Jäger  mit  übern  Rhein,  nach  Frankreich 
hinein  zogen.  Und  noch  manchmal  hat  der  jugendfrische  Vater,  wenn  er 
daheim  zum  Jagdgang  sich  rüstete,  das  »Frischauf  zum  fröhlichen  Jagen« 
angestimmt  und  auf  seinen  Pirschzügen,  auf  denen  ihn  Wilhelm  oft  als  Jagd- 
knappe begleitete,  das  gewaltige  Lied  von  Lützows  wilder  verwegener  Jagd 
erschallen  lassen.  Das  Gymnasium  in  Darmstadt  konnte  den  regen  dichterisch- 
schwärmerischen Geist  des  Jünglings  doch  nicht  in  die  Fesseln  der  Schul- 
weisheit schlagen;  es  sind  die  Töne  des  Hainbundes,  von  Freundschaft, 
Vaterlandsliebe  und  Naturfreude,  die  dort  in  ihm  und  gleichgestimmten 
Freunden  wiederklangen.  Was  der  dürftige  Geschichtsunterricht  nicht  bot, 
das  ergänzten  für  die  Begeisterung  die  vaterländischen  Dichter:  Vater  Arndt, 
Schenkendorf,  Körner.  Die  Freunde  übersetzten  den  Tyrtäus  und  schwelgten 
in  Klopstock  und  im  deutschen  Volkslied.  Auch  die  Studentenjahre  in 
Giessen  (1844/47),  wo  seit  1841  sein  Bruder  Gustav  Privatdozent  war,  haben 
ihn  an  diesem  Schwung  der  Seele  nichts  einbüssen  lassen.  Seine  Candidaten- 
jahre  verbrachte  er  zunächst  auf  dem  Prediger-Seminar  zu  Friedberg  und 
sodann  als  Hauslehrer  in  verschiedenen  vornehmen  Familien.  Die  Zeit  seines 
ersten  Vicariats  in  Arheilgen  bei  Darmstadt  gab  ihm  noch  Müsse,  mit  aller 
Begeisterung  in  die  Geschichte  der  Freiheitskriege  sich  zu  vertiefen;  insbe- 
sondere hat  da  die  Lebensbeschreibung  des  P'reiherrn  vom  Stein  von  Pertz 
grosse  und  nachhaltige  Wirkung  auf  ihn  geübt.  Aus  diesen  Anregungen  sind 
späterhin  die  B.'schen  Volksbücher  von  Stein,  Arndt  und  Perthes  in  den 
»Geschichts-  und  Lebensbildern  aus  der  Erneuerung  des  religiösen  Lebens  in 
den  deutschen  Befreiungskriegen«  hervorgewachsen.  Seine  erste  litterarische 
Veröffentlichung  aber  war  die  Frucht  hymnologisch-poetischer  Studien:  »das 
Kirchenlied  in  seiner  Geschichte  und  Bedeutung«  (1852).  Sie  hatte  zur 
Folge,  dass  er  —  noch  nicht  30  Jahre  alt  —  1855  zum  Mitglied  der  hessen- 
darmstädtischen  (jesangbuchskommission  berufen  ward.  Weiter  gab  er  noch 
während  seines  Vicariats  in  Bischofsheim  1853  erbauliche  Betrachtungen  über 
»Lazarus  von  Bethanien  und  seine  Schwestern«  heraus,  als  erste  Probe  seines 
Könnens  in  sinnig-anschaulicher  Schriftauslegung  und  Verlebendigung  biblischer 
Gestalten  und  Situationen.     Als  erstes  eigenes  Pfarramt  wurde  ihm   1855  die 


390 


Baur. 


oberhessische  Gemeinde  Ettingshausen  tibertragen;  dorthin  holte  er  sich  bald 
auch  die  geliebte  Pfarrfrau  Meta  geb.  von  B^taz  heim,  die  ihm  bis  zu  seinem 
Tode  die  treusorgende,  an  all'  seinem  Schaffen  und  Wollen  theil nehmende 
Gefährtin  und  Gehilfin  geblieben  ist.  Nach  7  Jahren,  1862,  vertauschte  er 
das  oberhessische  Dörfchen  mit  dem  schönen  Ruppertsberg  bei  Laubach  am 
Vogelsberge  und  hat  hier  bis  1865  das  Decennium  eines  glücklichen  reich- 
sammelnden Dorfpastorats  vollendet.  Zwischen  Neujahr  und  Ostern  1865 
hielt  er  von  da  aus  zu  Frankfurt  zur  Belebung  der  Sache  der  Inneren 
Mission  6  Vorträge:  »Von  der  Liebe«  (die  dann  als  Buch  unter  gleichem 
Namen  in  Calw  und  Stuttgart  in  III.  Aufl.  1887  erschienen  sind).  Sie  waren 
wohl  der  Anlass,  dass  er  (noch  1865)  ^^^  Prediger  der  für  die  Zwecke  der 
Inneren  Mission  1860  erbauten  Anscharikapelle  nach  Hamburg  berufen  wurde. 
Doch  war  auch  schon  sein  Bruder  Gustav  einige  Jahre  zuvor  als  Pfarrer  der 
Jacobigemeinde  dorthin  tibergesiedelt.  Hier  gelang  es  nun  Wilhelm  bald, 
durch  seine  geistvolle  schmuckreiche  Predigtweise  eine  grosse  Personal- 
gemeinde um  seine  Kanzel  zu  sammeln.  Allerdings  war  es  —  entgegen  dem 
nächsten  Zweck  der  Missionskapelle  in  dem  weitausgedehnten  St.  Michaels- 
Kirchspiel,  an  die  er  berufen  war,  den  »kleinen  Leuten«  zu  dienen  —  zu- 
meist eine  recht  vornehme  Gesellschaft,  die  sich  von  ihm  gefesselt  fühlte, 
während  für  das  einfachere  Volk  seine  Art  um  einige  Töne  zu  hoch  sich 
hielt.  Selbst  sein  Bruder  hat  tiber  dies  eigenthümliche  Missverhältniss  zwischen 
Amt  und  Krfolg  zu  Zeiten  mit  jovialer  Kritik  nicht  zurtickgehalten.  Dennoch 
galt  unser  Wilhelm,  als  er  nach  sieben  Hamburger  Dienstjahren  1872  als 
Hof-  und  Domprediger  in  der  Nachfolge  Dr.  Snethlage's  nach  Berlin  gezogen 
wurde,  dort  nicht  eben  als  Kanzelgrösse  ersten  Ranges.  Möglich,  dass  das 
Freundespaar  Kögel  und  P>ommel,  mit  denen  bald  eine  der  innigsten 
Männerfreundschaften  ihn  verband,  der  eine  durch  grössere  Wucht  der 
Gedanken,  der  andere  durch  ungesuchtere  Originalität  der  Darstellung  den 
jüngeren  Amtsgenossen  in  den  Schatten  stellten.  Doch  ist  seine  wohlthuende 
seelsorgerische  Thätigkeit  in  weiten  Kreisen,  auch  bei  Hofe,  insbesondere  von 
der  Grossherzogin  von  Baden,  hochgeschätzt  worden  und  noch  lange  nach 
seinem  Weggange  in  freundlichem  Gedenken  geblieben.  Mit  einem  Vortrage, 
den  er  um  Ostern  1874  über  die  Magdalenensache  im  Evangelischen  Vereins- 
hause hielt,  trat  er  auch  hier  in  der  Hauptstadt  in  die  Rettungsarbeit  der 
Inneren  Mission  ein.  Bald  begann  daneben  seine  schriftstellerische  Mitarbeit 
an  der  im  Verein  mit  ihm  von  Kögel  und  Frommel  herausgegebenen  »Neuen 
Christoterpe«,  für  die  sein  erster  Beitrag  ein  gemüthvoller  Aufsatz  tiber 
»deutsche  Weihnacht«,  sein  bedeutsamster  der  Essays  tiber  »Volksseele  und 
Gottesgeist«  gewiesen  ist;  seine  letzten  waren  —  schon  von  der  späteren 
rheinischen  Heimath  aus:  das  Charakterbild  des  Freiherrn  Julius  von  Gemm- 
ingen und  eine  Betrachtung  christlichen  Leidens  »Noth  Gottes  und  Wald- 
einsamkeit«. Aber  schon  in  den  siebziger  Jahren  schrieb  er  das  Buch,  das 
seinen  Namen  in  ungezählte  deutsch-evangelische  Pfarrhäuser  und  christliche 
Familien  getragen  hat,  das  glänzendste  und  anziehendste  Ehrenzeugniss  fiir 
den  Segen,  den  Luthers  Bruch  mit  dem  Coelibat  zur  Folge  gehabt  hat: 
»Das  deutsche  evangelische  Pfarrhaus,  seine  Grtindung,  seine  Entstehung  und 
sein  Bestand«,  ein  Buch,  das  in  den  6  Jahren  von  1878  bis  1884  drei  starke 
Auflagen  erlebt  hat.  Kaum  weniger  fruchtbar  und  erfolgreich  war  seine 
tibrige  litterarische  Thätigkeit.  Die  schon  oben  genannten  »Geschichts-  und 
Lebensbilder    aus    der  Erneuerung    des    religiösen  Lebens  in  den  deutschen 


Baur.     Köhler. 


391 


Befreiungskriegen«  sind   in   5  Auflagen  erschienen.     Ebenso   haben   die  Altes 
und  Neues  bietenden   »Lebensbilder  aus  der  Geschichte  der  Kirche  und  des 
Vaterlandes«    (1887),    ^i^    theilweise    auch    ein  Stück   Selbstbiographie    sind, 
ihren  Weg  gefunden.    Von  seinem  »Beicht-  und  Communionbuch«  war  bereits 
1886  die  5.  Auflage  nöthig  geworden,   bei  der  grossen  Anzahl  gleichnamiger 
evangelischer  »Exercitien« -Bücher  gewiss  ein  schönes  Zeichen  von  zu  Herzen 
gehender,    andachtweckender    Seelsorgergabe.      Seine    Frankfurter    Vorträge 
»Von  der  Liebe«  mussten,  wie  schon  bemerkt,   noch  1887   in  3.  Auflage  er- 
scheinen.    An  »Unsere  weibliche  Jugend«    wandte    er   sich   1886    in    einem 
besonderen  ernstlichen  Mahnwort  zu  christlicher  Vertiefung.    Und  sein  Lebens- 
und   Charakterbild    der    »Prinzess  Wilhelm  von  Preussen«    (1886,    noch    vor 
dem  Dreikaiserjahre)    ist    wohl    die  erste  grössere  Monographie  über  unsere 
jetzige  Kaiserin  gewesen.     Doch  mittlerweile   ist  schon   die   Veränderung  in 
seiner    äusseren    Stellung    eingetreten.       Nachdem    er    bereits    1879    Ober- 
Consistorialrath   und   Mitglied   des  Evangelischen  Oberkirchenraths  geworden 
war,   übernahm   er  am    i.  Oktober  des  Lutherjahres  1883   die  Generalsuper- 
intendentur  der  Rheinprovinz    und    siedelte    aus    der  Reichshauptstadt  nach 
Coblenz  über.     Ein  schwerer  Anfang  wartete  hier  seiner.     Er  war  der  erste 
»Ausländer«,    der    den    über    ihrer    kirchlichen    und    provinziellen    Eigenart 
geradezu   eifersüchtig  wachenden   Rheinländern   aus  Altpreussen   hergeschickt 
wurde.     Dazu    kam,    dass  die  soviel  berufene   Lutherfestrede  des  Professors 
Bender  in  Bonn,  des  radikalsten  Anhängers  und  Verfechters  der  Ritschl'schen 
Schule  bis  dahin,  wenig  Wochen   nach  seinem  Eintritt  eine  grosse  und  viel- 
seitige Bewegung  der  Gemüther  hervorrief.     Er    hat  dieser  Erregung   durch 
seinen  ersten  »Hirtenbrief«  aus  der  Passionszeit  1884  einigermassen  zu  steuern, 
sie  zu  beruhigen  vermocht.    Und  im  Uebrigen  hat  sein  liebenswürdiges,  frei- 
müthiges,  treuprotestantisches  Auftreten,  in  dem  er  zeitweise  seine  Unzufrieden- 
heit mit  einzelnen   Phasen   preussischer  Kirchenpolitik   recht  deutlich  zu  er- 
kennen  gab,    ihm  auch   in   der  neuen   rheinischen  Heimath  die  Herzen   und 
das  Vertrauen  der  Besten  erworben  und  gewonnen  bis  über  den  Tod.     Sein 
70 jähriger  Geburtstag  wurde  unter  allseitiger  herzlicher  und  ehrender  Theil- 
nahme  des  ganzen  evangelischen  Rheinlandes  festlich  begangen.    Doch  schon 
hatte  sich   bei  ihm   ein    schweres  Herzübel   eingestellt,    für    das    er    in    ver- 
schiedenen Kurorten  wenn   nicht  Genesung,    so    doch    Linderung    zu    finden 
hoffte.     Als  er  sah,  dass  Heilung  unmöglich  war,  suchte  er,  auch  hierin  auf- 
richtig   und    selbstlos    für    das    Wohl    der    ihm   anvertrauten   Kirchenprovinz 
besorgt,    um    die    Entlassung  aus  seinem    verantwortungsreichen  Amte  nach. 
Doch  bis  zuletzt  treu  im  Dienst,  hat  er  sich  nicht  geschont.    Noch  am  Char- 
freitag  1897  fuhr  er  auf  Bitten  der  Familie  von  Wied  hinaus  auf  ihr  Schloss 
Segenshaus,   ihr  das  Abendmahl   zu   reichen.     Als  er  zurückkehrte,  war  seine 
letzte  Kraft    gebrochen.     Den    ersten  Ostertag    verlebte    er  in   aller  Zurück- 
gezogenheit, am  Abend  des  zweiten  erlosch  still  seines  Lebens  Licht,  das  so 
Vielen  geleuchtet  und  den  Weg  zu  Gott  und  ihrem  Heil    gewiesen  hatte,   es 
erlosch   doch   im  Nachglanz  seliger  Osterfreude.     Sein   Leichnam  ist   seinem 
letzten  Willen  gemäss  in   seiner  geliebten   waldumrauschten  Heim^th   droben 
im  Odenwald,  in  Lindenfels,   wo   er  noch  die  letzten  Ruhejahre  zu   verleben 
hoffte,  zur  letzten  Ruhe  bestattet  worden.  Kohlschmidt. 

Köhler,  August  Philipp,  Dr.  theol.  et  phil.,   Professor  der  Theologie, 
*  8.  Februar  1835  ^"  Schmalenberg  (Rheinpfalz),  f  am  17.  Februar  1897  in 


392 


Köhler.     Lommatsch. 


Erlangen.  Als  Bayer  und  Rheinländer  zugleich  hat  ihn  sein  Studium,  in  das 
er  schon  mit  i6  Jahren  eintrat,  zunächst  nach  Bonn  und  Erlangen  und  endlich 
nach  alter  Pfälzer  Tradition  nach  Utrecht  geführt  (1851  — 1855).  An  die 
akademischen  Semester  in  Utrecht  schloss  sich  weiter  eine  Studienreise  durch 
Holland,  als  deren  Frucht  sein  litterarisches  Erstlingswerk  über  »die  Nieder- 
ländische reformirte  Kirche«  1856  hervorging,  fleissig  gearbeitet,  wenn  schon 
nicht  eben  geistvoll  die  Bewegungen  des  damaligen  theologischen  Holland 
durchdringend.  Im  nächsten  Jahre  folgte  seine  Habilitation  in  Erlangen, 
nach  5  Jahren  (1862)  seine  Beförderung  zum  ausserordentlichen  Professor 
dortselbst.  Zwei  Jahre  darauf  ging  er  als  Ordinarius  für  alttestamentliche 
Theologie  nach  Jena,  doch  bereits  nach  w^eiteren  zw^ei  Jahren  (1866)  nach 
Bonn  und  von  da  wiederum  zwei  Jahre  später  zurück  nach  Erlangen,  wo 
ihm  endlich  zu  ruhiger  dauernder  Arbeit  die  Stätte  sich  aufthat.  Noch  in 
die  erste  Zeit  seines  Privatdozententhums  (1857)  fallen  die  beiden  lateinischen 
Untersuchungen  über  zwei  Special  fragen  der  neu-  und  alttestamentlichen 
Wissenschaft:  i)rincij)ia  doctrinae  de  regeneratione  in  N.  T.  obviae  und  Com- 
mentatio  de  vi  ac  pronuntiatione  sacrosancti  Tetragrammatis,  über  die  Lehre  von 
der  Wiedergeburt  im  Neuen  Testament,  und  über  Bedeutung  und  Aussprache 
des  Jahweh-Namens.  Es  folgte  in  den  Jahren  1860  bis  1865  eine  eingehende 
Bearbeitung  der  nachcxilischen  Propheten  (in  vier  Abtheilungen)  und  von 
1875  ^^^  ^^^"  Hauptwerk,  das  »Lehrbuch  der  biblischen  Geschichte  des 
Alten  Testaments«,  das  erst  1892  seinen  Abschluss  fand.  Dazwischen  ver- 
öffentlichte er  an  kleineren  Arbeiten  1885  eine  Schrift,  »über  die  Grund- 
anschauungen des  Buches  Koheleth«,  und  gab  1886  in  einem  eigenen 
Schriftchen  »Ueber  Berichtigung  der  lutherischen  Bibelübersetzung«  sein  Votum 
für  die  drmgende  Nothwendigkcit  einer  Revision  der  Lutherbibel  ab.  Dies 
und  mehr  noch  ein  Aufsatz  in  der  Erlanger  »Neuen  kirchlichen  Zeitschrift«, 
in  dem  er  mit  allem  Ernst  für  die  historisch-genetische  Bibelauffassung  eintrat, 
hat  ihm  von  confessioneller  Seite  mehrfach  den  Argwohn  und  Vorwurf  des 
»Unglaubens«  eingetragen.  Doch  hat  ihn  z.  B.  sein  Artikel  über  » Abraham << 
in  der  Neuauflage  der  Herzog'schen  Real-Encyklopädie  auch  vor  jenen  Kreisen 
darin  gerechtfertigt,  dass  er  »fem  davon  w^ar,  den  Radicalismus  der  Modernen 
zu  theilen«.  —  Sein  Tod  trat  durch  ein  rasch  fortschreitendes  Herzleiden 
ein,  das  sich  erst  in  letzter  Zeit  ihm  qualvoll  fühlbar  machte,  von  dem  er 
wenige  Tage  nach  seinem  62.  Geburtstage  durch  ein  schmerzloses  Hinüber- 
schlummern erlöst  ward. 

Kohlschmidt. 

Lommatzsch,  Siegfried  Otto  Nathanael,  Professor,  Dr.  theol.  u.  phil., 
*  21.  Januar  1833  in  Berlin,  f  13.  August  1897  in  Freienwalde.  Der  Sohn 
einer  (lem  Schleiermacherschen  Hause  naheverwandten  Familie,  hat  er  in  seinen 
Studien  wie  in  seiner  äusseren  Stellung  sich  vorwiegend  an  Berlin  und  an 
Schleiermachers  Gedankenwelt  gebunden  und  da  recht  eigentlich  heimisch 
gefühlt.  Seine  Studienjahre  1853 — 1859  hat  er  fast  ausschliesshch  in  Berlin 
verlebt.  1870  habilitirte  er  sich  an  der  dortigen  theologischen  Facultät  als 
Privatdocent.  Nach  9  Jahren  treuen  Dienstes  wurde  ihm  die  Beförderung 
zum  ausserordentlichen  Professor  zu  Theil,  nachdem  er  bereits  1872  sein 
Hauptwerk:  »Schleiermachers  Lehre  vom  Wunder  und  vom  Uebematürlichen 
im  Zusammenhang  seiner  Theologie  und  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Reden  über  die  Religion  und  der  Predigten  v.   herausgegeben   und  neuerdings 


Lommatsch.     Meier. 


393 


(1879)  ^i"^  durchaus  gediegene  und  gründliche  Arbeit  über  »Luthers  Lehre 
vom  ethisch-religiösen  Standpunkte  aus  und  mit  besonderer  Berücksichtigung 
seiner  Theorie  vom  Gesetze«  publicirt  hatte.  Die  Disciplinen  der  Ethik  und 
Religionsphilosophie  sind  ihm  auch  in  seiner  öffentlichen  Lehrthätigkeit  sein 
Hauptgebiet  gewesen,  daneben  die  Krziehungslehre,  insbesondere  die  Volks- 
schulpädagogik. So  hat  in  ihm  die  wissenschaftliche  Prüfungskommission  für 
Candidaten  des  höheren  Lehramtes,  in  der  er  ordentliches  Mitglied  war,  einen 
äusserst  sachkundigen  und  hochgeschätzten  Mitarbeiter  gehabt.  Das  Jubiläum 
der  Berliner  Dreifaltigkeitskirche  gab  ihm  1889  Gelegenheit  zu  einer  ein- 
gehenden Darstellung  ihrer  Geschichte  im  Zusammenhang  mit  der  Berliner 
Kirchengeschichte  überhaupt  und  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Wirk- 
samkeit und  Bedeutung  Schleiermachers.  Auch  diese  letzte  grössere  Arbeit 
von  ihm  bezeugt,  wenn  auch  im  beschränkten  Rahmen,  seine  gründliche, 
fleissige,  ehrlich  forschende  Gelehrsamkeit,  die  das  Wesen  seines  persönlichen 
und  wissenschaftlichen  Charakters  war  und  ihm  ein  ehrendes  Andenken  auch 
in  dem  (irossbetrieb  der  Berliner  Hochschule  sichert. 

Kohlschmidt. 

Meier,  Ernst  Julius,  Dr.  theol.  u.  phil.,  Oberhofprediger  und  Vice- 
j)räsident  des  evangel.  Landesconsistoriums  des  Königreichs  Sachsen,  *  7.  Sep- 
tember 1828  in  Zwickau,  f  6.  October  1897  in  Dresden.  Mitten  aus  einer 
vielseitigen  und  vielgesegneten  Amtsthätigkeit  wurde  der  Dresdener  Oberhof- 
prediger und  Vicepräsident  des  Sächsischen  Landesconsistoriums  durch  einen 
plötzlichen  doch  sanften  Tod  abgerufen,  der  sich  seit  Jahren  freilich  schon 
durch  zeitweilig  heftiges  nervöses  Kopfleiden  angemeldet  hatte,  nun  aber  doch 
Vielen  überraschend  und  erschütternd  früh  gekommen  ist.  Wie  die  ganze 
evangelische  Landeskirche  im  Königreich  Sachsen  durch  den  Tod  ihres  ersten 
(Geistlichen,  so  hat  eine  grosse  Dresdener  Personalgemeinde  durch  das  Scheiden 
ihres  Seelsorgers  viel  verloren.  Ein  Leben  äusserst  reich  an  Arbeit  und  Er- 
folgen liegt  hinter  ihm.  Seine  Kindheit  und  Jugend  im  Elternhause  war  nicht 
eben  leicht.  Der  Vater,  ein  streng  und  ernst  gerichteter  Rentbeamter,  hielt 
den  früh  zum  Träumen  geneigten,  in  sich  gekehrten  Knaben  in  fester  Hand, 
in  täglicher  tüchtiger  Arbeit,  um  ihn  an  den  unerbittlichen  Ernst  des  Lebens 
zu  gewöhnen.  Doch  regte  sich  unter  diesem  Geist  strenger  Zucht  im  Vater- 
hause, fast  schon  in  der  Kinderstube,  die  Neigung  zum  Predigtamt,  zum  geist- 
lichen Berufe.  Er  blieb  ihr  treu.  In  seiner  späteren  Schulzeit  auf  dem 
Gymnasium  seiner  Vaterstadt  gesellte  sich  dazu  eine  hervorragend  rasche 
Auffassungsgabe,  ein  klares  vorzügliches  Gedächtniss,  das  ihm  das  Aufge- 
nommene in  harmonischer  Ordnung  und  Gruppirung  immer  gegenwärtig  hielt. 
So  waren  es  auch  zumeist  die  systematischen  Fächer  in  Theologie  und  Philo- 
sophie, die  den  Studenten  auf  der  Universität  Leipzig  fesselten,  auch  an  die 
Hochschule  seines  Heimathlandes  fesselten  bis  zum  Abschluss  seines  akade- 
mischen Studiums.  Insbesondere  hatte  es  Schleiermachers  religiöses  Ingenium 
ihm  angethan;  in  seinen  Werken  war  er  so  ganz  zu  Haus,  dass  er  grosse 
Partieen  wörtlich  auswendig  wusste.  Und  in  der  Dogmatik  und  Ethik  ist 
auch  späterhin  wohl  kein  grösseres  bedeutsameres  Werk  erschienen,  von  dem 
er  sich  nicht  genauere  Kenntniss  zu  verschaffen  wusste.  —  Als  Candidat  trat 
er  zunächst,  doch  nur  vorübergehend,  als  Hilfslehrer  in  eine  Dresdener  Lehr- 
anstalt ein,  vertauschte  aber  bald  diesen  Posten  mit  der  ihm  reiche  Anregung 
und  Weiterbildung  bietenden  Stellung  eines  Hauslehrers  im  Hause   des  Leip- 


394  Meier. 

ziger  Philosophen  Christian  Hermann  Weisse.  Unter  dessen  Einwirkung,  der 
z.  B.  auch  ein  Lipsius  viel  zu  verdanken  oft  bekannt  hat,  blieb  er  doch 
Hegelianer  und  verfolgte  im  Verein  mit  gleichgesinnten  Freunden  die  Weiter- 
entwickelung der  Idealphilosophie,  deren  biblische  Vertiefung  und  Begründung 
er  mit  Eifer  anstrebte.  In  dieser  Zeit  wurde  ihm  fürs  künftige  praktische 
Predigtamt  Ahlfeld  zum  Vorbild  und  von  nachhaltig  bestimmendem  Einfluss, 
insbesondere  auch  durch  die  Vorträge,  die  er  über  die  Hauptfragen  des 
geistlichen  Amtes  im  Candidatenverein  hielt.  Ihm  verdankte  er  auch  seine 
erste  kirchliche  Anstellung  als  Katechet  in  St.  Petri  in  Leipzig,  aus  der  er 
indess  schon  bald,  auf  weitere  Empfehlung  seines  väterlichen  Freundes,  von 
Dr.  Crusius  auf  Sahlis  in  die  seinem  Patronat  zugehörige  Pfarrei  Flemmingen 
in  Sachsen-Altenburg  berufen  wurde  (1854).  So  durfte  er  alsbald  auch  die 
geliebte  Braut,  die  Tochter  einer  Dresdener  Künstlerfamilie,  als  Pfarrfrau  sich 
heimholen.  9  Jahre  lang  hat  er  dann  in  seinem  Flemmingen,  das  mit  dem 
Filialorte  Frohnsdorf  bei  einer  Gemeinde  wendisch -zähen  Volkscharakters 
schwierige  Verhältnisse  genug  bot,  treu  ausgehalten  und  ehrlich  das  Seine 
gethan.  Die  amtsfreien  Stunden  führten  ihn  hier  zu  eingehendem  Studium 
von  Luthers  Werken,  aus  dem  bald  weiter  seine  erste  grössere  wissenschaftlich- 
theologische Arbeit  hervorging:  Lic.  Meurer,  der  Herausgeber  des  Sammel- 
werkes »das  Leben  der  Altväter  der  lutherischen  Kirche«  (1861 — 64)<', 
gewann  seine  Mitarbeit  für  die  Biographie  Nie.  von  Amsdorfs.  Um  diesem 
an  sich  nicht  eben  liebenswürdigen,  überlutherischen  Streittheologen  vollauf 
gerecht  zu  werden  und  auch  die  sympathischen  Züge  an  ihm  ins  Licht  zu 
stellen,  Hess  sichs  der  junge  Pfarrer  nicht  zuviel  werden,  auf  einer  Reise 
durch  Thüringen  eingehende  Lokalstudien  zu  machen  und  in  dem,  an 
reformationsgeschichtlichen  Urkunden  überaus  reichen  Haupt-  und  Staatsarchiv 
zu  Weimar  tage-  und  wochenlang  Akten  und  Briefe  auszuschreiben,  alles 
erreichbare  Material  zusammenzuarbeiten.  1863  erschien  die  Biographie 
im  Druck  vollendet.  Doch  schon  im  nächsten  Jahre  entriss  ihn  die  Berufung 
in  ein  neues  arbeitsreicheres  Amt  seinen  kirchenhistorischen  Studien.  Der 
Fürst  von  Schönburg-Waldenburg  übertrug  ihm  die  mit  dem  Ephorat  jver- 
bundene  Oberpfarrstelle  von  Lössnitz  im  Erzgebirge.  Aber  auch  hier  war 
seines  Bleibens  nicht  lange.  Der  Dresdener  Oberbürgermeister  Pfotenhauer, 
der  den  strebsamen  jugendkräftigen  Geistlichen  nicht  aus  dem  Auge  verloren 
hatte,  bewirkte,  dass  er  bereits  1866  nach  der  Hauptstadt  gezogen  wurde, 
zunächst  allerdings  noch  ohne  eigene  Parochie,  unter  Kohlschütter  als  Stadt- 
I)rediger  an  der  Frauenkirche  in  der  Kreuzgemeinde.  Doch  wurde  ihm 
gleichzeitig  die  Superintendentur  über  eine  grosse  Landdiöcese  übertragen, 
deren  Fabrikvororte  und  weitentlegene  Bauerndörfer  grosse  Anforderungen  an 
seine  Arbeitskraft  stellten.  Dazu  kam  nicht  lange  nachher  sein  Eintritt  ins 
Consistorium  mit  der  Theilnahme  an  den  Candidatenprüfungen,  der  Mitarbeit 
an  zahlreichen  kirchlichen  Neugestaltungen,  wie  der  neuen  sächsischen  Agende, 
des  neuen  Gesangbuchs  u.  a.  Daneben  fand  er  doch  noch  Zeit,  an  einer 
Reihe  von  kirchlichen  Vortragscyklen  sich  activ  zu  betheiligen;  so  sprach  er 
1872  über  »Judas  Ischarioth«,  1874  über  »Johannes,  den  Jünger,  der  nicht 
stirbt«,  1875  über  »Humor  und  Christen thum<^,  1877  über  »den  Dienst  der 
lutherischen  Kirche  am  deutschen  Volke  im  30jährigen  Kriege«.  1878  wurde 
ihm  endlich  auch,  nachdem  er  sich  durch  seine  äusserst  wirksame  Predigt- 
arbeit und  umfassende  treue  Seelsorge  schon  längst  eine  grosse  Personal- 
gemeinde verbunden,   durch  Abzweigung  der  Frauenkirche   und  Erhebung  zu 


Meier.     Stahlin. 


395 


einer  selbstständigen  Parochie,  das  eigene  selbstverantwordiche  Pfarramt  zu 
Theil.  Seine  ganze  Kraft  und  Liebe  galt  den  ihm  anvertrauten  Arbeits- 
gebieten. Mit  der  Vorbereitung  seiner  Kanzel-  und  Casualreden,  seiner 
P^phoralansprachen  an  Geistliche  und  Lehrer  hat  er  es  jederzeit  äusserst  ge- 
wissenhaft genommen  und  nach  dem  Zeugniss  der  Hörer  durch  den  herzlichen 
und  kraftvollen  Ton  immer  den  Weg  zum  Herzen  und  zum  Willen  gefunden. 
Doch  hat  er,  bescheiden  zurückhaltend  und  anspruchsvoll  gegen  sich  selbst, 
verhältnissmässig  nur  Weniges  durch  den  Druck  vor  weiteren  Kreisen  ver- 
öffentlicht: 1871  und  1881  Ephoralreden  unter  dem  Titel:  »Feststunden 
brüderlicher  Gemeinschaft«  und  »Stunden  der  Weihe  für  den  Dienst  an  der 
Gemeinde«.  Zwei  Predigtsammlungen  1870  und  1877  unter  dem  Titel: 
»Wir  sahen  seine  Herrlichkeit«  und  eine  dritte  »Dein  Wort  ist  meines  Fusses 
Leuchte«  (IL  Aufl.  1893)  haben  eine  grosse  dankbare  Gemeinde  gefunden 
und  vielen  seiner  geistlichen  Mitarbeiter  im  Amt  ist  seine  Meisterschaft  in 
Gruppirung  und  Erschöpfung  der  Textgedanken  und  ihre  Illustration  aus 
Zeit-  und  Ortsgeschichte  und  eigner  reicher  Lebenserfahrung,  auch  aus  trüben 
Tagen,  anregend  und  vorbildlich  geworden.  Seine  Erhebung  zum  Vicepräsi- 
denten  des  Landesconsistoriums  am  31.  Januar  1890  hat  ihn  die  Kanzel  doch 
nicht  ganz  mit  dem  grünen  Tisch  vertauschen  lassen,  wennschon  natürlich 
hinter  der  administrativen  Thätigkeit  das  geliebte  Predigtamt  zurücktreten 
niusste.  Die  Neuordnung  des  sächsischen  Kirchvisitationswesens  und  ihre 
I)raktische  Durchführung  auch  in  grösseren  Ephoralstädten  ist  wesentlich  sein 
Werk  aus  dieser  Zeit  und  hat  ihn  immer  wieder  mit  dem  inneren  Leben 
seiner  Landeskirche,  ihren  Bedürfnissen  und  Bestrebungen  in  engste  Berührung 
gebracht.  Auch  auf  der  Eisenacher  Vertreterconferenz  der  deutsch -evange- 
lischen Landeskirchen  war  der  Dresdener  Oberhofprediger  ein  hochgeschätztes 
und  vielthätiges  Mitglied. 

Kohlschmidt. 

Stählin,  Adolph  von,  Dr.  theol.,  Präsident  des  Ober-Consistoriums  in 
München,  ♦  27.  October  1823  in  Schmähingen,  f  4.  Mai  1897  in  München. 
Die  Knabenjahre  hat  St.  zumeist  in  der  Pfarrei  Westheim  am  Hahnenkamm, 
wohin  sein  Vater  1825  versetzt  wurde,  verlebt.  Dieser,  ein  einfacher  ernster 
Mann  des  alten  Rationalismus,  der  in  Fleiss  und  Treue  sein  Pfarrgut  selbst 
bewirthschaftete  und  mit  seiner  Gemeinde  Wohl  und  Wehe  theilte,  unter- 
richtete den  lebhaften  Knaben  bis  zu  seinem  10.  Lebensjahre  selbst.  An 
diesem  Erziehungswerk  hat  gewiss  auch  die  kunstsinnige  Mutter,  eine  Tochter 
des  Memminger  Cantors  Brack  und  vor  ihrer  Verheirathung  Erzieherin  in  einem 
vornehmen  Hause,  stillen  und  regen  Antheil  genommen.  1833  kam  der 
Knabe  sodann  zum  Besuch  der  Memminger  Lateinschule  ins  Haus  der  Gross- 
eltern. Doch  schon  im  nächsten  Jahre  musste  Wechsel  eintreten  und  Adolph 
wurde  auf  die  Lateinschule  nach  München  geschickt,  wo  ein  Onkel,  der 
Landschaftsmaler  Heinrich  Adam,  ihn  in  sein  Haus  aufnahm.  Hier  reifte 
unter  den  eindringlichen  brieflichen  Mahnungen  des  Vaters  sein  Ernst  und 
Eifer  mit  dem  Entschluss,  einst  auch  Geistlicher  zu  werden.  Mit  diesem 
festen  Vorsatz  und  Lebensplan  trat  er  1835  ^"  ^^  sechs  Jahre  zuvor  erst 
wieder  neu  begründete  Collegium  bei  St.  Anna  in  Augsburg,  auf  dessen 
Gymnasium  er  unter  wackeren  Lehrern  und  bei  eisernem  Pleisse  bald  so 
tüchtige  und  allseitige  Fortschritte  machte,  dass  er  in  den  letzten  drei  Jahren 
in  allen  Fächern  den  ersten  Platz  behauptete.     Doch  konnten  die  Uebungen 


396  Stählin. 

der  Schulweisheit  sein  lel)haftes  religiöses  Interesse  keineswegs  absorbiren. 
Oft  wandte  er  sich  brieflich  um  Aufschluss  über  allerlei  Bedenken  an  seinen 
Vater,  der  ihm  unermüdlich,  ehrlich,  wenn  auch  nicht  immer  erschöpfend, 
Bescheid  gab.  Diese  religiöse  Jugendentwickelung  fällt  in  die  Zeit  der  Er- 
weckungsbewegung  in  Bayern,  die  vor  Allem  den  alten  Rationalismus  zu 
überwinden  und  auszustossen  suchte.  Suchend  und  schwankend  bezog  St. 
im  Herbst  1840,  noch  nicht  17 jährig,  die  Universität  Erlangen,  wo  damals 
Harless  und  Hofmann  bedeutsamen  Einfluss  zu  üben  begonnen  hatten.  Die 
Theologie  dieser  beiden  und  ihres  Collegen  Thomasius  hat  auch  auf  St.  ent- 
scheidend gewirkt.  Gewiss  hat  die  Universitas  litterarum  seinem  vielseitig 
interessirten  Koi)f  auch  in  philologischen,  philosophischen,  mathematischen 
und  naturwissenschaftlichen  Collegs,  die  er  eifrig  hörte,  viel  geboten.  Doch 
sein  Herz  gehörte  der  theologia  sacrosancta,  für  die  damals  gerade  in  Er- 
langen in  jenen  drei  genannten  Männern  hervorragende  Vertreter  erstanden 
waren.  Mit  den  Freunden  Staedelen,  Luthardt,  Rutz,  Engelhardt  nahm  St. 
bald  auch  in  der  ersten  christlichen  Studentenverbindung,  der  Uttenruthia, 
eine  unter  allerlei  divergirenden  Strömungen  massgebende,  auf  christliche  Cha- 
rakterbildung drängende  Stellung  ein.  Der  freundschaftliche  Verkehr  mit  den 
Repetenten  Thiersch  und  Schöberlein,  und  freundschaftliche  Aufnahme  in 
den  Familien  einzelner  Professoren  Hess  ihn  immer  festere,  positivere  Position 
gewinnen.  Aber  doch  lag  schwerer  Druck  auf  seinen  Studienjahren.  Ganz 
abgesehen  von  den  äusserst  knappen  äusseren  Lebensverhältnissen,  unter  denen 
er  sich  kümmerlich  genug  behelfen  musste  —  daheim  hatten  sich  nach  ihm 
noch  13  Geschwister  allgemach  eingestellt  — ,  war  seine  Gesundheit  oft 
schwankend,  er  glaubte  brustkrank  zu  sein  und  nur  noch  kurze  Jahre  vor 
sich  zu  haben.  Dazu  kam  ein  zeitweiliger  Bruch  mit  seinem  Vater,  den  er 
von  seinem  wohlmeinenden  Rationalismus  vergeblich  zu  »positiveren«  Glaubens- 
überzeugungen zu  bekehren  sich  bemüht  hatte,  wobei  er  den  kindlichen  Ton 
der  Pietät  arg  bei  Seite  gesetzt  zu  haben,  sich  selbst  sagen  musste.  Der 
Abschluss  seiner  Erlanger  Studien,  den  1844  sein  glänzender  Erfolg  im 
I.  Examen  bestätigte,  zeigt  ihn  in  seinen  Anschauungen  über  bekenntniss- 
mässiges  Christenthum  tief  im  Confessionalismus  des  Lutherthums  eingewurzelt. 
Die  zwei  folgenden  Jahre,  in  denen  er  mit  seinem  Freunde  Staedelen  dem 
vom  Präsidenten  von  Roth  eben  gestifteten  Predigerseminar  in  München  an- 
gehörte und  täglich  im  Roth'schen  Hause  mit  dem  knorrigen  Charakter  des 
Präsidenten  in  Berührung  kam,  konnten  seinen  Standpunkt  nur  befestigen. 
Doch  seine  schwache  Gesundheit  schien  allmählich  von  einem  Nervenleiden 
ganz  untergraben  zu  werden.  Ein  wiederholter  Aufenthalt  in  Bad  Kreuth 
brachte  keine  dauernde  Heilung.  Es  wurde  auch  nicht  besser,  als  er  1846 
als  Hauslehrer  in  eine  Karlsruher  Familie  eintrat.  Nach  einem  halben  Jahre 
schon  musste  er  völlig  arbeitsuntähig  und  fast  gebrochen  ins  Elternhaus  nach 
Weiltingen  sich  flüchten.  Im  Herbst  1847  durfte  er  es  doch  wieder  wagen, 
ein  erstes  Pfarrvicariat  in  Ostheim  bei  dem  87  jährigen  Pfarrer  Dr.  Pohlmann 
zu  übernehmen  und  hat  auch  nach  dem  Tode  seines  Seniors,  bis  in  den 
Winter  1849  ^^^  dortige  (Gemeinde  verwaltet.  Doch  einem  neuen  arbeits- 
reicheren Vicariat  in  Aha  bei  Gunzenhausen  war  er  auf  die  Dauer  noch  nicht 
gewachsen.  Krank  und  unter  seiner  Schwachheit  auch  innerlich  schwer 
leidend,  kehrte  er  Ostern  1850  zu  seinen  Eltern  zurück.  Aufs  Neue  Hess  ihn 
dort  liebende  Pflege  und  der  Sommer  mit  weiten  Spaziergängen  aufleben, 
sodass  er  im  Herbst  1850  sein  II,  P>xamen   wieder   mit  ausgezeichnetem   Er- 


Stählin. 


397 


folge  bestand.  Es  folgten  nun  für  ihn  fünf  glückliche  Jahre  der  Stille  und 
Stärkung  im  Hause  des  würdigen  Dekans  Brandt  in  Kattenhochstadt,  dessen 
Vicar  er  ward  und  später  dessen  Schwiegersohn.  Doch  auch  da  fiel  hartes 
Leid  über  ihn.  Weihnachten  1852  verstarb  ganz  plötzlich  auf  dem  Heim- 
wege aus  Ansbach  ins  Elternhaus  sein  jüngerer  hochbegabter  Bruder,  mit  dem 
er  sich  noch  herzlicher  als  mit  seinen  übrigen  Geschwistern  gestanden  hatte 
(St.  hat  später  [1887]  ^^  ^^^^  "^^^  als  Manuscript  verfasste  Lebensbild  des  Früh- 
vollendeten bei  Hinrichs  in  Leipzig  im  Druck  erscheinen  lassen).  Und  im 
Februar  1855  starb  nach  nur  viertägigem  Krankenlager  sein  Vater,  zu  dem 
schon  längst  sein  Verhältniss  wieder  viel  inniger  geworden  war.  Nun  als 
Haupt  der  verwaisten  Familie  mit  warm  fürsorgendem  Herzen  für  seine  Ge- 
schwister begrüsste  er  es  mit  Freude,  dass  noch  im  selben  Jahre  die  Thüre 
zum  ersten  eignen  Pfarramt  sich  ihm  aufthat  in  Tauberscheckenbach  bei 
Rothenburg.  Am  31.  December  1855  zog  er  dort  ein  und  im  Mai  darauf 
führte  er  Dekan  Brandts  jüngste  Tochter  als  Pfarrfrau  heim.  Im  eignen 
Daheim  und  inmitten  der  herrlichen  Natur  erstarkte  nun  auch  seine  Gesund- 
heit zusehends.  Viel  gab's  zwar  dort  nachzuholen,  was  der  Amtsvorgänger 
hatte  brach  liegen  und  verwahrlosen  lassen.  Doch  fand  er  noch  daneben 
Zeit  und  Kraft,  die  beiden  Synodalaufgaben  der  Jahre  1856  und  57,  erstere 
über  den  Einfluss  der  Lehre  von  der  Auferstehung  der  Todten  auf  die  christ- 
liche Gesinnung  und  das  christliche  Leben  und  die  Mithilfe  der  Geistlichen 
zur  gesunden  christlichen  Erkenntniss  dieser  Dinge  in  der  Gemeinde;  letztere 
über  den  Agendenkern  (mit  theilweiser  Ablehnung  des  Kliefoth'schen  einseitig 
liturgischen  Standpunktes)  in  eingehender  Bearbeitung  zu  behandeln.  Aber 
auch  das  Jahr  1857  brachte  ihm  herben  Verlust  durch  den  Tod  seines  hoch- 
geschätzten Schwiegervaters.  Wie  reicher  Anerkennung  er  sich  aber  bereits 
unter  den  Amtsgenossen  seines  Sprengeis  zu  erfreuen  hatte,  bezeugt  die  That- 
sache,  dass  er  noch  1858  als  der  Jüngste  unter  ihnen  zum  Senior  gewählt 
wurde.  Und  zwei  Jahre  darauf  berief  ihn  die  Kirchenregierung  zum  Mitglied 
der  theologischen  Prüfungscommission  für  das  sog.  Aufnahmeexamen  in 
Ansbach.  Im  selben  Jahre  1860  und  an  demselben  31.  December,  an  dem 
er  vor  fünf  Jahren  in  seine  erste  (Gemeinde  eingezogen  war,  trat  er  sodann 
sein  zweites  Pfarramt  an  in  St.  Leonhardt  bei  Rothenburg,  nachdem  ver- 
schiedene andere  Meldungen  zunächst  ihm  fehlgeschlagen.  Im  März  1864 
hat  dann  Nördlingen  den  durch  seine  Predigtgabe  und  eifrige  Gemeindearbeit 
bereits  weithin  bekannten  in  voller  vierzigjähriger  Manneskraft  stehenden 
Dorfgeistlichen  sich  zum  Stadtpfarrer  erwählt.  Gleich  nach  seinem  Eintritt 
dort  durfte  er  in  einem  erbittert  entbrannten  Streit  über  »die  Schulreform- 
frage«, der  durch  eine  Denkschrift  des  Bayerischen  Volksschullehrervereins 
angefacht  worden  war,  zur  Ruhe  und  Versöhnung  reden  in  einer  1865  im 
Druck  erschienenen  Gegendenkschrift,  die  den  Rufern  im  Streit  in  concilian- 
tester  Form  doch  die  nöthigen  bittern  Wahrheiten  einschärfte.  1866  folgte 
ein  neuer  (im  »Beweis  des  Glaubens«  1867  publicirter)  Synodalvortrag  über: 
»Christus,  der  sündlose  Menschensohn,  der  auferstandene  Lebensfürst,  der 
ewige  Sohn  Gottes:  ein  populär-apologetischer  Versuch«,  der  sich  vorwiegend 
gegen  Renan  wandte.  Noch  im  selben  Jahre  wählten  ihn  die  Nördlinger 
Gemeinden  zum  Nachfolger  ihres  eben  verstorbenen  Dekans.  Aber  noch 
während  das  Dekanatsgebäude  für  ihn  in  Stand  gesetzt  wurde,  traf  schon 
eine  neue  Berufung  für  ihn  ein:  die  durch  Sixt's  Tod  erledigte  Stelle  eines 
Consistorialraths    in    Ansbach    wurde    ihm    angeboten.      Und    nach    langem 


398     ^  Stählin. 

Schwanken  nahm  er  auf  Drängen  seines  väterlichen  Freundes  Harless  an. 
Die  kirchenregimentliche  Arbeit,  die  seiner  nun  wartete,  war  ihm  im  Grunde 
nicht  sympathisch.  Aber  er  fasste  auch  sein  neues  Amt  so  ganz  als  im  Dienst 
der  Gemeinden,  ohne  einen  Anflug  von  Bureaukratie  auf,  wusste  bei  Candi- 
datenprüfungen  und  Kirchenvisitationen  so  enge  Beziehungen  zum  praktischen 
Pfarramt  herzustellen  und  war  überdies  auch  in  Ansbach  selbst  als  Pfarrer 
einer  Parochie  und  als  gewaltiger  Prediger  so  vielseitig  und  vollbefriedigend 
thätig,  dass  er  den  Schritt,  den  Eintritt  in  die  landeskirchliche  Verwaltung, 
nie  bereut  hat.  Seiner  Landeskirche  und  ihren  Ordnungen  gehörte  ja  seine 
ganze  Liebe.  Das  bezeugt  insbesondere  seine  Schrift  über  »das  landesherr- 
liche Kirchenregiment  und  sein  Zusammenhang  mit  dem  Volkskirchenthum« 
(1871),  die  durch  Th.  Harnack's  Votum  flir  »die  freie  lutherische  Volkskirche« 
veranlasst  war.  Eine  Anzahl  Recensionen  in  der  »Zeitschrift  für  lutherische 
Theologie«  z.  B.  über  Vilmars  Vorlesungen  über  theologische  Moral,  über 
Martensens  Ethik  und  seine  ausführliche  Auseinandersetzung  mit  »der  Theo- 
logie des  Dr.  Kahnis«  —  aus  Anlass  von  dessen  Schrift  »Christen thum  und 
Lutherthum«  kennzeichnen  des  Weiteren  seine  rege  Beschäftigung  mit  den 
bewegenden  theologischen  Zeiterscheinungen.  Als  dann  1879  nach  Harless' 
Tode  Oberconsistorialrath  Meyer  dessen  Nachfolger  im  Präsidium  wurde,  fiel 
die  Wahl  zum  Ersatz  für  letzteren  auf  St.,  der  nun  alsbald  nach  München 
übersiedelte.  Hier  hat  sich  bald  ein  geistig  reichbelebter  Freundeskreis  um 
ihn  zusammengefunden.  Auch  Döllinger  verkehrte  gern  und  viel  mit  ihm. 
Dankbar  begrüsste  er  es  auch,  dass  das  neue  Amt  ihm  doch  zu  grösseren 
wissenschaftlichen  Arbeiten  wie  auch  zu  Erholungsreisen  freie  Zeit  Hess. 
1880  wandte  er  sich  in  einer  eignen  Schrift  »Justin  der  Märtyrer  und  sein 
neuester  Beurtheiler«  gegen  den  Dorpater  Professor  Moriz  von  Engelhard t, 
der  »das  Christenthum  Justins«  als  wesentlich  mit  heidnisch -griechischer 
Philosophie  durchsetzt  dargestellt  hatte.  Gegen  einen  Vertreter  der  eben 
aufkommenden  Ritschl'schen  Schule,  Hermann  Schultz  und  sein  Buch  »die 
Lehre  von  der  Gottheit  Christi«  machte  er  Front  in  einer  eingehenden  Be- 
sprechung im  Theolog.  Litteraturblatt  1881.  Das  Jahr  zuvor  hatte  Erlangen 
ihm  die  Würde  eines  theologischen  Doctor  h.  c.  verliehen.  An  weiteren 
Arbeiten  seiner  Feder  seien  hier  gleich  noch  genannt:  die  drei  Lebensbilder 
von  Lohe,  Thomasius  und  Harless,  die  er  für  Herzog's  Realencyklopädie  be- 
arbeitet hatte  und  1887  zusammen  in  Buchform  erscheinen  Hess;  und  die 
Biographie  des  Präsidenten  von  Roth  (in  der  »Deutschen  Biographie«)  sowie 
ein  eingehender  Nachruf  auf  Scheurl  in  der  Luthardtschen  Kirchenzeitung.  — 
Doch  mittlerweile  war  er  nach  Präsident  Meyers  baldigem  Tode  bereits  1883 
selbst  in  die  oberste  Leitung  seiner  Kirche  berufen  worden.  14  Jahre  lang 
ist  sie  in  seinen  Händen  aufs  Beste  und  Vertrauenswürdigste  aufgehoben 
gewesen.  Es  war  eine  ruhige  Zeit  für  die  bayrische  Landeskirche:  in  drei 
Generalsynoden  hat  er  mit  nie  ermüdender  Kraft  präsidirt  und  gern  die  seit 
1885  eingerichtete  ständige  Mitwirkung  des  Generalsynodalausschusses  im 
Kirchenregiment  willkommen  geheissen.  Die  Vertretung  der  kirchlich-evan- 
gelischen Interessen  im  bayrischen  Reichsrath,  die  ihm  vorwiegend  oblag,  hat 
er  nicht  selten  mit  meisterhaften  Reden  durchgeführt.  Der  Eisenacher  Con- 
ferenz  deutsch-evangelischer  Kirchenregierungen,  an  deren  Einigungsarbeiten 
er  mit  regem  Interesse  theilnahm,  gab  er  1889  das  grundlegende  Referat 
über  die  Neuordnung  der  kirchlichen  Pericopen.  Der  Vorstand  der  Leipziger 
Mission  wählte  ihn  an  Kliefoth's  Stelle  zum  Vorsitzenden.  —  So  war  es  kein 


Stählin.     Trautvetter.  ^on 

Wunder,  dass  sein  70 jähriger  Geburtstag  am  27.  Oktober  1893  unter  grösster, 
weitgehendster  Theilnahme  festlich  begangen  ward.  Und  noch  lange  nachher 
ist  ihm  seine  jugendfrische  Kraft  erhalten  geblieben.  Zu  Melanchthons 
400jährigem  Geburtstage  durfte  er  am  14.  Februar  1897  vor  einer  grossen 
begeisterten  Hörerschaft  in  Augsburg  über  den  »Lehrer  Deutschlands«  sich 
aussprechen,  in  dessen  Vereinigung  von  Religion  und  Wissenschaft,  von 
Christenglaube  und  edlem  Humanismus  er  auch  selbst  seines  Lebens  Ideal  und 
Aufgabe  gesucht  und  gefunden  hatte.  Doch  bald  darauf,  am  29.  April,  über- 
fiel ihn  während  der  gewohnten  Arbeit  im  Bureau  ein  Unwohlsein,  das  sich 
bald  zu  heftigem  Fieber  steigerte.  So  ist  er  am  4.  Mai  aus  frühlingskräftigem 
Greisenalter  zu  einem  besseren  Frühling  abberufen  worden.  Die  Früchte 
seines  langen  arbeitsreichen  Lebens  werden  ihm  nachfolgen  und  in  seiner 
geliebten  Heimathkirche  noch  lange  nachreifen. 

Kohlschmidt. 

Trautvetter,  Friedrich  Wilhelm  Gustav  Arno,  Generalsuperintendent  in 
Rudolstadt,  ♦  22.  April  1842  in  Eisenach,  f  14.  Juli  1897  in  Blankenburg  in  Th. 
Der  Sohn  des  Eisenacher  Oberpfarrers  und  Geheimen  Kirchenraths  Friedrich  Tr., 
bezog  er  nach  Absolvirung  des  Gymnasiums  seiner  Vaterstadt  als  Neunzehn- 
jähriger die  Landesuniversität  Jena.  Nachdem  er  1865  sein  theologisches 
Studium  beendet,  nahm  er  gern,  doch  nur  vorübergehend  (1865/6)  die  Stelle 
eines  Erziehers  beim  jungen  Erbgrafen  zu  Stolberg  an.  1867  übernahm  er 
die  unter  schwerem  Druck  in  der  fuldaischen  Diaspora  lebende  weimarische 
Rhöngemeinde  Geisa,  um  jedoch  schon  im  nächsten  Jahre  an  die  neu- 
begründete,  der  Weimarer  Landeskirche  angeschlossene  deutsch-evangelische 
Gemeinde  in  Luxemburg  überzugehen.  Hier  galt  es,  nicht  nur  die  in  der 
Stadt  Luxemburg  seit  der  preussischen  Besetzung  verbliebenen  deutsch-evan- 
gelischen Familien  zu  einer  Gemeinde  zusammenzufassen,  sondern  auch  die 
weit  im  Lande  verstreuten  Bergleute  und  Hüttenarbeiter  dem  evangelischen 
Glauben  und  ihrem  deutschen  Volksthum  nicht  verloren  gehen  zu  lassen.  So 
wurde  neben  der  Consolidirung  und  Pastorirung  der  Gemeinde  alsbald  auch 
dij  Gründung  einer  Schule,  der  »Amalienschule«,  ins  Auge  genommen  und 
angebahnt.  Doch  schon  nach  vier  Jahren  wurde  Tr.  seiner  dortigen  Arbeit 
wieder  entzogen:  1872  ging  er  auf  den  Ruf  des  evangelischen  Oberkirchen- 
raths  in  Berlin  an  die  neu  geschaffene  deutsch- evangelische  Gemeinde  in 
Kairo.  Sieben  Jahre  hat  er  hier  organisirend  und  die  interessirten  Kreise  in 
der  Heimath  zu  unermüdlicher  Mithilfe  erwärmend  erfolgreich  gewirkt,  bis 
1879  ^^^  ehrenvolle  Berufung  als  Generalsuperintendent  und.  Hofprediger 
nach  Rudolstadt  an  ihn  erging  und  er  nach  langen  Lehr-  und  Wanderjahren 
durch  die  weite  Welt  nach  seinen  geliebten  Thüringer  Bergen  heimkehren 
durfte.  Doch  hat  er  hier  in  Rudolstadt,  wo  unter  dem  Ministerium  des 
Herrn  von  Bertram  die  ultramontane  Propaganda  sich  anschickte,  ihr  Haupt- 
bollwerk gegen  das  evangelische  Thüringen  aufzurichten  und  vor  Allem  bei 
Hofe  sich  häuslich  einzurichten,  keinen  leichten  Stand  gehabt.  Dennoch 
hat  er  über  den  kleineren  Fragen  und  Kämpfen  des  engsten  Kreises  nie 
die  Nöthe  und  Aufgaben  des  Gesammtgebietes  der  deutsch-evangelischen 
Diaspora  in  der  alten  wie  in  der  neuen  Welt  aus  dem  Auge  verloren.  Durch 
seinen  ganzen  Lebensgang  war  er  ja  auch  wie  Wenige  dazu  befähigt.  So  hat 
unter  seiner  sachkundigen  Leitung  die  1882  ins  Leben  getretene  »Dia.spora- 
conferenz«    von    Jahr    zu    Jahr  an  Bedeutung  gewonnen,    nicht  nur  für  die 


400 


Trautveiter,     v.  Riehl. 


evangelischen    Deutschen    im    Auslande,    sondern    auch   für  die  Organisation 
brüderlich-evangelischer  und  nationaler  Hilfsarbeit  in  der  Heimath. 

Kohlschmidt. 

Riehl,  Wilhelm  Heinrich  v.,  Culturhistoriker,  Professor,  Schriftsteller, 
*  6.  Mai  1823  zu  Biebrich  am  Rhein,  f  zu  München  16.  November  1897.  —  In 
vollem  Masse  empfinde  ich  die  Schwere  der  Aufgabe  eine  Ueberschau  von 
R.'s  Lebensarbeit  zu  geben.  In  unermüdlicher  wissenschaftlicher  und  künst- 
lerischer Gestaltungskraft  hat  R.  ein  Feld  des  Forschens  und  Sinnens  bebaut, 
viel  ausgedehnter  und  mannigfaltiger,  als  heute  bei  dem  Uebcrwiegen  der 
Spezialforschung  irgend  ein  Feld  wissenschaftlicher  Arbeit  bemessen  ist.  Und 
dazu  kommt  weiter,  dass  gerade  die  verschiedenen  Zweige  von  Kunst  und 
Wissenschaft,  deren  Pflege  R.  sich  ergeben  hat,  so  geartet  sind,  dass  ein 
in  allen  diesen  Zweigen  gleich  bewanderter  Mann  überhaupt  nicht  zu  finden 
ist  und  wohl  kaum  je  gefunden  wird.  Wer  immer  die  Aufgabe  übernimmt, 
darzulegen,  was  R.  für  Wissenschaft  und  Kunst  bedeutet,  wird  unter  dem 
Druck  der  Empfindung  leiden,  dass  er  zwar  in  Einigem,  aber  bei  Weitem 
nicht  in  Allem  des  Meisters  Geistesarbeit  zu  überschauen  vermöge.  So  geht 
es  auch  mir,  wie  ich  zu  gestehen  nicht  unterlassen  darf. 

Im  Uebrigen  habe  ich  mir  zur  Aufgabe  gesetzt,  im  Folgenden  zuerst 
eine  Ueberschau  des  I^ebensganges  von  R.  zu  geben,  wobei  ich  für  die  Zeit 
bis  Mitte  der  fünfziger  Jahre  des  Jahrhunderts  die  Notizen  in  der  Leipziger 
Illustrirten  Zeitung  von  1856  besonders  berücksichtigt  habe,  da  diese  Notizen, 
wie  ich  aus  R.'s  eigenen  Aufzeichnungen  entnehme,  von  ihm  selbst  herrühren. 
Daran  reihe  ich  einen  Versuch  der  Schilderung  der  Lebensarbeit  R.'s  als 
Forscher  und  Schriftsteller  wie  als  Lehrer. 

R.  wurde  geboren  zu  Biebrich  am  Rhein,  wo  sein  Vater  herzoglich 
nassauischer  Seh loss Verwalter  war.  Im  elterlichen  Hause  war  schon  in  früher 
Jugend  sein  Sinn  der  Musik  zugewandt;  sein  Vater  war  leidenschaftlicher 
Dilettant  und  besass  eine  nicht  unbedeutende  historische  Musikaliensammlung 
insbesondere  auf  dem  Gebiet  der  höheren  Instrumentalmusik  des  18.  Jahrhun- 
derts. Dieses  jugendliche  Milieu  ist  von  bleibendem  Einflüsse  auf  R.'s  Lebens- 
arbeit geworden;  ausführlich  berichtet  er  darüber  in  den  »Briefen  über  musi- 
kalische Erziehung«  in  der  »Deutschen  Vierteljahrsschrift«  von  1853. 

Eine  weitere  Anregung,  die  R.  dem  Vater  zu  danken  hatte  und  die 
gleichfalls  für  seine  Lebensarbeit  von  dauerndem  Einfluss  geblieben  ist,  war 
die  Wanderlust.  Schon  als  Knabe  war  er  leidenschaftlicher  Fussgänger  und 
jede  freie  Stunde  wurde  benutzt,  um  in  den  Wäldern  bei  Weilburg  umher- 
zustreifen  und  in  den  Felsen  des  Lahnthals  beschwerliche  Kletterübungen  zu 
versuchen.  Dabei  gab  es  für  den  kleinen  R.  keine  grössere  Seligkeit,  als  aui 
schwer  zugänglicher  Felsplatte  halbe  Tage  lang  in  der  Sonne  zu  liegen  und 
dort  in  Büchern  zu  studiren  oder  Noten  zu  kritzeln.  Diese  Wanderlust  war 
es,  die  durch  zahlreiche  mit  dem  Vater  in  früher  Jugend  unternommene  kleine 
Reisen  gewaltige  Stärkung  erfuhr. 

Die  gelehrte  Vorbildung  erhielt  R.  auf  dem  Pädagogium  in  Wiesbaden 
und  dem  (iymnasium  in  Weilburg.  Im  Frühjahr  1841  wurde  die  Universität 
Marburg  bezogen  und  zwar  zum  Studium  der  (protestantischen)  Theologie. 
Dieses  Studium  ergriff  R.  nicht  aus  tieferer  Neigung,  sondern  weil  es  seinem 
Hang  zu  friedlicher  Gelehrsamkeit  am  meisten  zusagte  und  weil  er  meinte, 
als  Pfarrer    könne    man    am    ungestörtesten    Musik    machen;    auch  werde  er 


▼.  Riehl. 


401 


dadurch  in  unmittelbaren  Verkehr  mit  dem  Bauemvolke  kommen,  dessen 
ganze  Art  dem  etwas  bärenhäuterischen  jungen  Manne  unendlich  mehr  zusagte 
als  das  städtische  Leben.  R.  studirte  seine  Theologie  redlich  durch,  die 
Kirchengeschichte  sogar  mit  grossem  Eifer  und  bestand,  nachdem  er  die 
Universitäten  Marburg,  Tübingen  und  Giessen  besucht,  das  theologische 
Examen  zu  Herbom  in  Nassau.  Zur  praktischen  Ausbildung  im  Predigen 
#und  Katechisiren  schickte  man  den  Candidaten  noch  auf  ein  Jahr  nach  Bonn 
unter  die  Führung  von  Nitzsch  und  Sack.  Dies  gab  den  Wendepunkt  für 
sein  Leben.  Schon  auf  den  anderen  Universitäten  hatte  R.  mit  besonderem 
Eifer  philosophische,  ästhetische,  historische  und  staatswissenschaftliche  Colle- 
gien  neben  den  theologischen  gehört.  In  Bonn  wiederum  fesselten  ihn  Dahl- 
mann,  Arndt  und  Kinkel  unendlich  mehr  als  die  Predigt-  und  Katechisir- 
übungen.  Da  erwachte  der  Gedanke  in  ihm,  die  Theologie  aufzugeben  und 
sich  durch  schriftstellerische  Arbeiten  solange  weiter  zu  helfen,  bis  er  noch 
gründlichere  philosophische  Studien  gemacht,  um  sich  dann  als  Docent  an 
einer  Universität  zu  habilitiren.  Dabei  dachte  er  zunächst  an  Kunstgeschichte; 
eine  Besprechung  mit  Kinkel,  der  ihm  Culturgeschichte  empfahl,  wurde  ent- 
scheidend für  die  wissenschaftliche  Arbeit  seines  Lebens.  Was  er  längst 
gesucht,  was  ihm  die  Kirchengeschichte  schon  nahe  geführt,  das  hatte  R.  nun 
gefunden.  Von  da  an  war  sein  Streben  un verrückt  dahin  gewandt,  sich  in 
der  Culturgeschichte  eine  eigene  Disziplin  zu  erobern,  in  der  er  namentlich 
auch  seine  ihm  so  theueren  kunstgeschichtlichen  Studien  fortwährend  ver- 
werthen  könnte. 

Nun  duldete  es  R.  nicht  länger  unter  den  Bonner  Theologen.  Am  letzten 
Februar  1844  wanderte  R.  zu  Fuss  von  Bonn  nach  Weilburg.  Es  war  ein 
schwerer  Eisgang  auf  dem  Rhein  und  hohe  Fluth.  Bei  Andernach  von  der 
Nacht  überfallen,  kam  der  Wanderer  in  die  äusserste  Lebensgefahr  und  war 
nahe  daran,  zu  ertrinken;  mit  grosser  Mühe  ward  er  im  letzten  Moment  von 
einem  Müller  gerettet.  Es  ist  ein  charakteristischer  Ausdruck  der  harmonischen 
und  optimistischen  T^ebensauffassung,  welche  die  ganze  Lebensentwicklung  R.'s 
beherrscht,  dass  er  diesen  Vorgang  für  ein  gutes  Wahrzeichen  hielt;  er  meinte, 
jcs  werde  ihm  nun  auf  der  neu  gewagten  Laufbahn  gut  ergehen,  da  er  solcher- 
gestalt seinen  Tribut  gleich  vorweg  abgetragen  habe. 

Zunächst  setzte  R.  in  Giessen  seine  culturgeschichtlichen  Studien  fort,  mit 
der  Absicht,  daselbst  sich  zu  habilitiren.  Das  eifrige  Studium  schmälerte  die 
Einnahme  aus  litterarischer  Arbeit.  Die  Sicherung  der  Existenz  brachte  die 
Berufung  zur  Redaction  der  Oberpostamtszeitung  in  Frankfurt.  Diese  nahm 
R.  nothgedrungen  in  grossem  Kampfe  mit  sich  selbst  an  und  mit  dem  stillen 
Gelöbniss,  so  bald  als  möglich  sich  wieder  loszumachen  und  zur  akademischen 
Laufbahn  zurückzukehren.  (Die  Darlegung  des  weiteren  Lebenslaufes  R.'s 
wird  zeigen,  dass  die  Redactionsarbeit  ihm  allerdings  erklecklich  länger 
beschieden  war,  dass  aber  schliesslich  —  was  meines  Wissens  bisher  weniger 
bekannt  ist  —  gerade  das  Vertrauen  auf  R.'s  Leistungslähigkeit  in  Press- 
angelegenheiten sehr  wesentlich  dazu  beigetragen  hat,  ihm  den  Weg  zum 
tLintritt  in  die  akademische  Laufbahn  zu  ebnen.)  In  Frankfurt  verblieb  R. 
kaum  ein  Jahr;  während  dieser  Zeit  verheirathete  er  sich  mit  der  Bühnen- 
sängerin Bertha  von  KnoU,  wodurch  die  musikalischen  Studien  R.'s,  die  nie 
ganz  geruht  hatten,  neuen  Aufschwung  erhalten.  Einige  Lieder  der  Haus- 
musik datiren  aus  dieser  Zeit  und  sind  wie  fast  alle  Lieder  dieses  Werks 
eigens  für  R.'s  Frau  geschrieben. 

Biogr.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd.  26 


402 


V.  Riehl. 


Im  Jahre  1847  finden  wir  R.  in  Karlsruhe  als  Mitredacteur  der  »Karls- 
ruher Zeitung«.  Die  publicistischen  Arbeiten  seines  Collegen  in  der  Redaction, 
Friedrich  Giehne,  übten  sowohl  im  Stilistisch-Formellen  wie  in  den  politischen 
Ideen  grossen  Einfluss  auf  R.  In  Karlsruhe  fand  R.  wieder  Ruhe  und  Samm- 
lung; ernste  staatswissenschaftliche  und  historische  Studien  w^urden  wieder 
aufgenommen  und  die  ersten  Ideen  und  Ausführungen  zur  »Bürgerlichen 
Gesellschaft«  auszuarbeiten  begonnen.  Im  Herbst  des  Jahres  unternahm  R. 
noch  im  Verein  mit  dem  Abgeordneten  Christ  die  Herausgabe  des  »Badischen 
Landesboten«,  der  nach  R.'s  eigenhändiger  Aufzeichnung  vom  9.  12.  1847 
bis  28.  3.  1848  von  ihm  verfasst  worden  ist. 

Der  März  1848  riss  R.  aus  seiner  behaglichen  Stellung  in  Karlsruhe. 
Auf  Anregung  der  Häupter  der  gemässigten  Partei  in  Wiesbaden  kehrte  er  in 
die  Heimath  zurück  und  gründete  die  Nassauische  Allgemeine  Zeitung.  R. 
bezeichnet  selbst  die  Zeit  von  fast  drei  Jahren,  während  deren  er  sein  Journal 
in  Wiesbaden  führte,  als  eine  harte  Lehrzeit.  Gewohnt,  stets  seine  eigenen 
oft  sehr  wunderlichen  Wege  zu  gehen,  schloss  er  sich  weder  einer  bestehenden 
Partei  an,  noch  vermochte  er  anfangs  eine  eigene  zu  gründen.  So  stand  er 
vereinsamt  und  verdarb  es  bald  mit  Allen.  Auch  der  Versuch  persönlichen 
Eingreifens  in  die  Vorgänge  der  Tagespolitik  verlief  trotz  anfanglichen  Erfolgs 
nicht  nach  seinem  Geschmack.  Als  er  eines  Tags  an  die  Thür  eines  über- 
füllten Saales  kam,  in  dem  er  als  Volksredner  auftreten  sollte,  ergriff  ihn  ein 
solcher  Ekel  vor  den  Agitationen  und  Volksreden,  dass  er  davonlief,  sich  zu 
Hause  einschloss  und  den  ganzen  Tag  Musik  machte  und  auf  lange  Zeit  nicht 
wieder  auch  nur  als  Zuhörer  in  eine  Versammlung  zu  bringen  war.  In  auf- 
regendem Leben,  mit  Aerger  und  Verdruss  aller  Art  führte  R.  seine  Rolle 
ausdauernd  durch.  Zuletzt  verblieb  ihm  doch  die  Genugthuung,  drei  Jahre 
lang  auf  eigene  Faust  und  gleichsam  aller  Welt  zum  Trotz  conservative  Politik 
in  Nassau  gemacht  und  doch  zuletzt  die  besten  conservativen  Elemente,  wenn 
auch  widerstrebend,  an  sich  gezogen  zu  haben.  Das  Wichtigste  aber  für  den 
weiteren  Lebensgang  R.'s  war  dabei  nach  dessen  eigener  Auffassung  der 
Umstand,  dass  er  in  diesen  Kämpfen  und  Arbeiten  Studien  über  das  Detail 
des  Staatswesen  machen  konnte,  dazu  auch  Volksstudien,  wie  er  es  sonst  nie 
und  nimmer  gekonnt  hätte.  Als  Episode  in  dem  Lebenslauf  R.'s  ist  zu  ver- 
zeichnen, dass  er  in  denselben  drei  Jahren,  in  denen  er  in  Wiesbaden  als 
politischer  Agitator  eine  so  schwierige  Rolle  spielte,  zugleich  an  der  künst- 
lerischen Oberleitung  des  dortigen  Hoftheaters  mitbetheiligt  war. 

Von  erheblichem  Einfluss  auf  die  Gestaltung  des  weiteren  Lebensganges 
von  R.  wurde  das  grosse  Interesse,  welches  Georg  von  Cotta  an  den  schrift- 
stellerischen Leistungen  R.'s  nahm.  In  zahlreichen  Briefen  Cottas  an  R. 
findet  dieses  Interesse,  das  sich  auch  in  einer  reichen  Fülle  wechselseitiger 
sachlicher  Anregung  zwischen  beiden  Männern  verwirklicht,  beredten  Ausdruck. 
Das  persönliche  Interesse  v.  Cottas  wird  zunächst  durch  R.'s  Beiträge  für 
die  Allgemeine  Zeitung  wachgerufen,  welche  reichlicher  zu  fliessen  begannen, 
nachdem  R.  im  Herbst  1849  »sich  aus  der  journalistischen  Zerstreuung« 
aufzuraffen  und  zu  grösseren  Arbeiten  seine  Kraft  zu  sammeln  versucht  hatte. 
V.  Cotta  ist  es,  der  im  März  1850  R.'s  Mitarbeiterschaft  auch  für  die  Deutsche 
Vierteljahrsschrift  erbittet;  noch  im  Sommer  1850  erscheint  der  »Bauer«,  als 
der  erste  grössere  Abschnitt  der  »Bürgerlichen  Gesellschaft«  in  dieser  Viertel- 
jahrsschrift. Die  Briefe  Cottas  enthalten  eine  Reihe  bedeutsamer  Reflexe  des 
litterarischen  Werdegangs  von  R.,  insbesondere  der  allmählichen  Conzentrirung 


V.  RichL 


403 


der  ursprünglich  stark  journalistisch  angehauchten  Einzelaufsätze  zum  meister- 
haft ausgegliederten  wissenschaftlichen  Buch. 

Das  Interesse  Cottas  an  R.'s  Arbeiten  und  Arbeitskraft  fand  einen  äusseren 
Ausdruck  durch  Berufung  R/s  in  die  Redaction  der  Allgemeinen  Zeitung. 
Die  Verhandlungen  darüber  gelangten  im  December  1850  zum  Abschluss. 
Die  Uebersiedlung  R.'s  nach  Augsburg  und  dessen  Eintritt  bei  der  Redaction 
der  Allgemeinen  Zeitung,  speciell  der  deutschen  Partie  derselben,  erfolgte  zu 
Anfang  185 1.  In  Augsburg  verlebte  R.  drei  glückliche,  arbeitsreiche  Jahre. 
Die  Stelle  bei  der  Zeitung  Hess  ihm  Müsse  für  eigene  concentrirte  Arbeit. 
So  wurden  diese  Augsburger  Jahre  entscheidend  für  die  Consolidirung  der 
eigenartigen  schriftstellerischen  Leistungen  R.'s.  Es  erschienen  in  diesen  drei 
Jahren:  »Die  bürgerliche  Gesellschaft«,  die  »musikalischen  Charakterköpfe« 
und  »Land  und  Leute«.  Neben  der  Stubenarbeit  wurde  Reisen  und  Wan- 
dern von  R.  auch  in  diesen  Jahren  wacker  gepflegt.  R.'s  journalistische  und 
schriftstellerische  Leistungen  hatten  die  Aufmerksamkeit  des  Königs  Maxi- 
milian 11.  von  Bayern  und  der  bayerischen  Staatsregierung  erregt,  und  den 
Anstoss  zur  Berufung  R.'s  nach  München  gegeben.  Bei  den  einschlägigen 
durch  den  Geh.  Legationsrath  v.  Dönniges  geführten  Verhandlungen  trat 
zunächst  die  Verwerthung  der  journalistischen  Kraft  R.'s  durch  Uebertragung 
der  Oberredaction  der  Pressangelegenheiten  des  Auswärtigen  Ministeriums  in 
den  Vordergrund;  R.  selbst  war  es,  der  dazu  die  Bedingung  der  Uebertragung 
einer  Honorarprofessur  in  der  staatswirthschaftlichen  Fakultät  der  Universität 
München  stellte  und  durchsetzte.  Der  Abschluss  der  Verhandlungen  gestaltete 
sich  folgendermassen.  Vom  i.  Januar  1854  ab  wurde  R.  die  Function  der 
Leitung  der  Mittheilungen  in  der  offiziellen  Presse  bzw.  der  Neuen  Münchener 
Zeitung  und  der  Correspondenzen  an  auswärtige  Blätter  im  Ministerium  des 
k.  Hauses  und  des  Aeussern  übertragen;  zugleich  erfolgte  die  Ernennung  R.'s 
zum  Ehrenprofessor  in  der  staatswirthschaftlichen  Fakultät  der  Universität 
München.  Als  Vortragsfächer  sind,  dem  eigenen  Antrage  R.'s  entsprechend, 
bei  dessen  Ernennung  zum  Professor  bezeichnet:  Staats  Wissenschaft,  Staats- 
kunst, Gesellschaftswissenschaft,  Volks  wir  thschaft  und  Cultur-  und  Staaten- 
geschichte. Man  sieht  hier,  wie  R.,  nachdem  er  das  lang  ersehnte  Ziel  des 
Eintritts  in  die  akademische  Lehrbahn  erreicht  hat,  zunächst  im  Plan  seines 
Lehrens  ausserordentlich  weit  ausgreift;  erst  später  hat  die  langjährige  treue 
Lehrthätigkeit  die  Einschränkung  auf  die  der  R.'schen  Forschungsarbeit  con- 
genialen  Disziplinen  gebracht,  deren  unten  bei  einem  Blick  auf  R.'s  Lehr- 
thätigkeit näher  gedacht  werden  solL 

Im  weiteren  Verlauf  der  journalistischen  Thätigkeit  R.'s  ist  die  Be- 
gründung des  Abendblattes  der  Neuen  Münchener  Zeitung  zu  nennen,  das 
vorzugsweise  zu  populären  Veröffentlichungen  aus  dem  Gebiete  der  Kunst 
und  Wissenschaft  bestimmt  war.  Dabei  war  es  eine  besondere  Aufgabe  R.'s, 
die  Betheiligung  der  Repräsentanten  der  gelehrten  und  litterarischen  Kreise 
Münchens  zu  erlangen.  Damit  bereitet  sich  das  Ausscheiden  R.'s  aus  der 
activen  Betheiligung  an  der  Presspolitik  vor.  Die  volle  Consolidirung  der 
Professorenstellung  R.'s  erfolgt  am  8.  Februar  1859  durch  die  Ernennung  zum 
ordentlichen  Professor  der  Culturgeschichte  und  Statistik.  Von  den  ursprüng- 
lich von  R.  ins  Auge  gefassten  Fächern  war  nur  die  Culturgeschichte  ver- 
blieben; neu  war  die  Statistik  hinzugekommen;  wie  wenig  gerade  diese  Dis- 
ziplin der  Eigenart  R. 'scher  Geistesthätigkeit  entsprach,  wird  unten  zur  Sprache 
kommen. 

26* 


4Ö4  ^-  Riehl. 

Die  weitere  Ajusgestaltung  des  Schaffens  und  Wirkens  von  R.  war  m 
hohem  Masse  durch  die  Antheilnahme  des  Königs  Maximilian  an  dessen 
Arbeitsbethätigung  und  insbesondere  durch  unmittelbare  persönliche  Anregung 
des  königlichen  (jönners  beeinflusst.  R.  selbst  hat  dafür  ein  classisches 
Zeugniss  in  der  Vorrede  des  dem  König  gewidmeten  Buchs  über  die  deutsche 
Arbeit  niedergelegt.  Der  König  war  es,  der  den  Keimgedanken  dieses  Buches 
geweckt  hatte,  und  aus  befruchtenden  Gesprächen  mit  dem  König  erwuchs 
der  Plan,  Studien  über  deutschen  Arbeitsgeist  und  deutsches  Arbeitsideal  zu 
schreiben,  zugleich  als  eine  Predigt  der  Arbeit.  »Nicht  im  engen  Zimmer, 
sondern  auf  dem  fröhlichen  Reiterzuge  durchs  Hochgebirg  im  Sommer  1858 
war  es,  wo  Euere  Majestät  zwischen  Fels  und  Wald  mich  für  das  Thema  von 
der  deutschen  Arbeit  begeisterten.«  So  berichtet  R.  in  der  genannten  Vor- 
rede. R.  pflegte  kurze,  nicht  in  allen  Jahren  gleich  vollständige  Aufzeich- 
nungen im  Charakter  knappsten  Tagebuchs  in  seinem  Exemplar  des  Sulzbacher 
Kalenders  zu  machen;  dort  ist  zu  lesen,  wie  oft  er,  sei  es  bei  den  bekannten 
Symposien,  sei  es  allein,  mit  dem  König  zusammen  war;  über  den  Inhalt  der 
Gespräche  mit  dem  König  fehlt  leider  die  Aufzeichnung,  lieber  die  Art  des 
persönlichen  Verkehrs,  den  König  Maximilian  mit  Dichtem  und  Gelehrten 
pflog,  giebt  R.  eine  anschauliche  Darstellung  in  einem  Essay  des  historischen 
Taschenbuchs ').  Actenmässig  ist  als  Beitrag  zur  Einflussnahme  königlicher  An- 
regungen auf  die  Ausgestaltung  gewisser  R.'scher  Arbeiten  noch  Folgendes  zu 
verzeichnen. 

Im  Juni  1854  beschliesst  der  König,  um  die  beschleunigte  Vollendung 
des  vom  Litteraten  Lentner*)  begonnenen  und  vom  Regierungs -Assessor 
Dr.  Fentsch  fortgesetzten  ethnographischen  Werkes  über  Bayern  zu  erzielen, 
einen  Theil  davon  dem  Professor  R.  zu  tibertragen,  und  zwar  nach  hergestelltem 
Einverständnisse  zwischen  den  Verfassern  die  Beschreibung  der  Pfalz  und  des 
von  Lentner  übriggelassenen  Theiles  von  Schwaben  und  Neuburg.  Dies  war 
der  Anstoss  zu  R.'s  »Die  Pfälzer«  und  den  »Augsburger  Studien«.  Im  Jahre 
1856  beruft  der  König  R.  zum  Mitglied  der  Wissenschaftlichen  Commission, 
die  unter  dem  Vorsitz  des  Cultusministers  über  geeignete  Verwendung  einer 
vom  König  für  wissenschaftliche  Zwecke  ausgesetzten  erheblichen  Jahressumme 
berathen  und  zur  allgemeinen  Förderung  der  deutschen  Wissenschaft  bei- 
tragen sollte.  Im  Januar  1857  genehmigt  der  König  den  von  R.  entworfenen 
Plan  Über  die  Herausgabe  einer  Beschreibung  Bayerns  in  statistischer,  histo- 
rischer, topographischer  und  ethnographischer  Beziehung,  »Bavaria«,  und  über- 
trägt R.  die  Herausgabe  dieses  Werkes.  R.  hat  diesem  mühevollen  Auftrag 
in  vorzüglicher  Weise  entsprochen  und  dabei  erwiesen,  dass  dem  gelehrten 
Forscher  auch  das  zur  glücklichen  Vollendung  eines  solchen  Sammelwerkes 
erforderliche  organisatorische  Talent  nicht  fehlte.  Gleichzeitig  einer  anderen 
weitausgreifenden  Anregung  des  Königs  Folge  zu  geben,  sah  sich  R.  jedoch 
ausser  Stand.  Der  König  hatte  nämlich  von  R.  (gleichfalls  im  Januar  1857) 
die  Ausarbeitung  einer  Darstellung  aller  Anstalten  und  Massregeln  in  sämmt- 
lichen  deutschen  Staaten  zur  Reform  der  socialen  Zustände,  Hebung  der 
Bevölkerung  und  Bekämpfung  des  Proletariats  gewünscht.  Zwar  bestand  der 
König  darauf,  dass  R.  diese  Arbeit  später  übernehme;  es  ist  aber  dazu  nicht 


I)  V.  Folge,  2.  Jahrg.  1872.     König  Maximilian  IL  von  Bayern;  aus  der  Erinnerung 
gezeichnet. 

^)  Man  vergl.  hierzu  Histor.  Taschenbuch  V.  2.  1872.    S.  17. 


V.  Riehl.  AQc 

gekommen.  Dem  Kenner  von  R.*s  Schriften  kann  dies  nicht  überraschen;  das 
genannte  Thema  der  Socialpolitik  konnte  nicht  zu  den  begehrenswerthesten 
Arbeiten  des  Culturhistorikers  und  Sociologen  R.  zählen. 

Eine  weitere  Gelegenheit  zur  Bethätigung  seines  litterarisch -organisato- 
rischen Talents  fand  R.  in  der  im  Jahre  1870  erfolgten  Uebernahme  des  bis 
dahin  in  40  Jahrgängen  von  Friedrich  von  Raumer  herausgegebenen  »Histo- 
rischen Taschenbuchs«.  Beim  Vertragsabschluss  mit  Brockhaus  war  dabei 
bedungen,  es  solle  das  Taschenbuch  nach  und  nach  in  die  Bahn  eingelenkt 
werden,  dass  »die  Culturgeschichte,  und  zwar  im  weitesten  Sinne«  den  hervor- 
ragenden Inhalt  bilde.  Zehn  Jahrgänge  des  Taschenbuchs  hat  R.  redigirt 
und  einem  jeden  ein  knappes,  geistreiches  Vorwort  beigegeben,  auch  selbst 
zu  vier  von  den  Bänden  einen  eigenen  Beitrag  geliefert. 

Eine  Erweiterung  der  Lehrthätigkeit  R.'s,  die  mit  der  Eigenart  seiner 
Veranlagung  und  seines  Lebens-  und  Studiengangs  in  voller  Uebereinstimmung 
ist,  ergab  sich  daraus,  dass  ihm  vom  Schuljahr  1876/77  ab  die  Abhaltung 
von  Vorlesungen  über  die  Geschichte  der  Musik  an  der  kgl.  Musikschule  in 
München  —  der  späteren  Akademie  der  Tonkunst  —  übertragen  wurde. 
Diese  Function  bekleidete  er  bis  zu  seiner  auf  Ansuchen  im  Herbst  1892 
erfolgten  Enthebung.  Den  Anstoss  zur  Umgestaltung  des  vormaligen  k.  Con- 
servatoriums  für  Musik  in  München  zu  einer  k.  Musikschule  hatte  —  wie  hier 
nebenbei  bemerkt  sei  —  ein  von  Richard  Wagner  verfasster,  dem  König 
Ludwig  IL  vorgelegter  Bericht  über  die  Errichtung  einer  deutschen  Musik- 
schule in  München  gegeben. 

Während  R.  am  Abend  seines  Lebens  in  treuester  und  eifrigster  Pflicht- 
erfüllung als  Lehrer  thätig  war,  fügte  es  das  Geschick,  dass  er  daneben  noch 
das  volle  Mass  einer  neuen  grossen  Aufgabe  übernahm,  welche  das  Zusammen- 
wirken des  Verwaltungsbeamten,  des  Gelehrten  und  des  Künstlers  erheischt. 
Diese  Aufgabe  tibernahm  R.  mit  der  im  April  1885  erfolgten  Ernennung  zum 
Director  des  bayerischen  Nationalmuseums,  mit  der  zugleich  die  Function  eines 
Generalconservators  der  Kunstdenkmale  und  Alterthümer  Bayerns  verbunden 
war.  R.  hat  die  unter  schwierigen  Verhältnissen  übernommene  verantwortungs- 
volle Aufgabe  in  trefflicher  Weise  gelöst  und  in  dieser  Stellung  durch  die 
That  bewiesen,  dass  er,  ausgerüstet  mit  ausgezeichnetem  culturgeschichtlichen 
Wissen,  es  auch  verstand,  planvoll  eine  neue  grosse  Aufgabe  auf  dem  Gebiete 
der  Verwaltung  zu  lösen  und  dabei  sowohl  selbst  consequent  und  concentrirt 
zu  arbeiten,  wie  auch  die  Arbeit  Anderer  zu  leiten.  In  der  wirkungsvollen 
Verbindung  der  Leistungen  als  Director  des  Nationalmuseums  mit  jenen  des 
geistvollen  Schriftstellers  und  des  geliebten  akademischen  Lehrers  klingt  die 
gesammte  Lebensleistung  R.'s  harmonisch  aus.  R.,  dem  zu  Neujahr  1890  in 
Anerkennung  seiner  hervorragenden  Verdienste  um  die  Förderung  von  Kunst 
und  Wissenschaft  der  Titel  eines  Kgl.  Geheimen  Raths  verliehen  worden  war, 
harrte  als  Director  des  Nationalmuseums  aus  bis  zum  Februar  1897  und  als 
akademischer  Lehrer  starb  er  im  vollen  Sinne  des  W^ortes  in  den  Sielen.  Von 
schwerem  Krankenlager  sich  erhebend,  begann  er  seine  Vorlesungen  im  Winter- 
semester 1897/98,  um  alsbald  zusammenzubrechen  und  am  16.  November  1897 
zu  entschlummern. 

Indem  ich  mich  dem  Versuch  einer  Darlegung  der  Lebensarbeit  R.'s 
zuwende,  bitte  ich,  eine  allgemeine  Charakterisirung  derselben  vorausschicken 
zu  dürfen.  Das  Moment  der  Intuition,  nothwendig  verbunden  mit  der  nicht 
auf  erschöpfende  Massenbeobachtung,    sondern  auf  gelegentliche,   wenn  auch 


4o6 


▼.  Richl. 


noch  so  scharfsinnige  Einzelbeobachtung  sich  gründenden  aprioristischen 
Typenbildung  ist  dem  ganzen  litterarischen  Lebenswerk  R.*s  eigen.  Diese 
subjective,  durch  Phantasiegestaltung  ins  Einzelne  getragene  Zuthat  zum  ob- 
jectiv  Beobachteten  erlangt  schliesslich  in  der  Neigung  zur  novellistischen 
Ausgestaltung  von  Culturproblemen  ihre  Zuspitzung.  Es  ist  deshalb  innerlich 
erklärbar,  dass  R.  mit  so  grossem  Interesse  gerade  an  der  freieren  künst- 
lerischen Ausgestaltung  von  Culturideen  hielt,  die  ihm  seine  »Novellen«  oder 
»Geschichten«  ermöglichten. 

Geistvolle  Reproduction  sowohl  als  Schriftsteller  wie  als  Lehrer  überwiegt 
bei  R.  die  selbständige  und  für  die  Errungenschaften  der  Wissenschaft  mass- 
gebende Betheüigung  an  der  Forscherarbeit.  Wohl  ist  auch  letztere  die 
Voraussetzung  der  litterarischen  und  T^ehrthätigkeit;  sie  tritt  aber  in  der 
Lebensarbeit  R.'s  zurück  gegenüber  der  Nutzbarmachung  des  weniger  aus 
erster  wie  aus  zweiter  Hand  Erlernten  und  des  durch  scharfsinnige  Wander- 
beobachtung an  intuitiv  als  Typen  gewisser  socialer  Erscheinungen  erkannten 
Volksgruppen  und  äusserlich  sichtbaren  Zeichen  vergangener  Culturperioden 
Errungenen  für  die  Zwecke  neuer  eigenartiger  soziologischer  Deutung,  wie 
man  es  nach  dem  Stand  unserer  heutigen  socialwissenschaftlichen  Betrachtungs- 
weise wohl  bezeichnen  darf. 

Ein  Einblick  in  R.'s  eigene  knappe  Aufzeichnungen  über  seine  litterarische 
Konsumtion  und  Production,  die  ich  der  Güte  des  Sohnes,  Herrn  Professor 
Berthold  Riehl,  verdanke,  bestätigt  diese  Auffassung.  Von  den  ersten  Jahren 
seiner  Leistungsfähigkeit  an  geht  neben  der  Lektüre  eine  ausgedehnte  litte- 
rarische Arbeit  und  zwar  zunächst  Kleinarbeit  publizistischer  Art,  insbesondere 
kulturgeschichtliche,  politische,  aber  auch  novellistische  und  musikverständige, 
Hand  in  Hand.  Der  äussere  Druck  der  materiellen  Lage  begünstigte  nur, 
was  dem  inneren  Drang  der  R. 'sehen  Veranlagung  erwuchs.  R.  hat  ein  )^ge- 
naues  Verzeichniss«  alles  Desjenigen,  was  von  ihm  im  Druck  erschienen  ist, 
hinterlassen,  beginnend  mit  dem  Jahr  1841,  also  die  Erstlingsarbeiten  des 
Achtzehnjährigen  enthaltend  und  abschliessend  im  Jahre  1853,  knapp  vor  der  Be- 
rufung R.'s  nach  Müchen.  Wer  es  sich  zur  Aufgabe  setzen  wird,  die  schrift- 
stellerische Thätigkeit  R.'s  eingehend  zu  schildern,  wird  dieses  Verzeichniss 
mit  hohem  Nutzen  verwerthen;  für  die  Professorenzeit  R.'s  wird  es  durch  die 
aufs  Genauste  über  die  litter  arische  Thätigkeit  der  Professoren  berichtende  Chronik 
der  Universität  München  ergänzt.  Beim  Achtzehnjährigen  über\^'iegen  musik- 
wissenschaftliche Strebungen,  aber  auch  schon  eine  Novelle  »Ezzelin  in  Padua« 
von  W.  R.*****,  die  in  Marburg  geschrieben,  bringt  die  j^Didaskalia«;  in  den 
nächstfolgenden  Jahren  findet  man  historische  Novellen,  musikalische  Aufsätze, 
daneben  aber  auch  die  Anlange  der  Schilderung  von  Land  und  Leuten 
(1843:  Bilder  aus  dem  Lahnthal  im  ^^ Konversationsblatt«)  und  die  Anfänge 
])olitischer  Essays  (1844:  Der  deutsche  Kosmopolitismus  in  der  »DidaskaHa<:, 
der  protestantische  Rationalismus  im  »Telegraph«.)  Weiterhin  überw'iegen  noch 
die  litterarisrhen  und  musikalischen  Essays.  Von  1846  an  bringen  viele  Auf- 
sätze in  der  Oberpostamts-Zeitung,  später  in  der  Allgemeinen  Zeitung  und  in 
der  Karlsruher  Zeitung  ein  socialpolitisches  Ferment  in  R.'s  litterarischc 
S(  haffenslust  (darunter  z.  B.  1847:  Die  Proletarier  der  Geistesarbeit  —  Handels- 
politische Fragen  —  Der  deutsche  Wehrstand  —  Die  Staatsdiener  —  Zur 
Kritik  socialer  Theorien  —  Die  Bauern  —  lieber  Pauperismus  und  Mittel 
zur  Abhilfe. 

In  den  zahlreichen  Essays  und  Zeitungsartikeln,   die  R.  im  jugendlichen 


V.  Riehl. 


407 


Alter  geschrieben  hat,  finden  sich  mannigfaltig  zerstreut  die  Ansätze  zu  seinen 
späteren  zusammenfassenden  kulturgeschichtlichen  und  staatswissenschaftlichen 
Schriften.  Jene  zahlreichen  Aufsätze  zeigen  den  jugendlich  erfolgreichen  Drang 
alsbaldiger  Umsetzung  von  Erlerntem  und  Erschautem  in  populäre  Belehrung 
weiter  Kreise.  Bemerk enswerth  bleibt,  dass  dieses  Bedürfniss  vielseitiger 
Manifestation  seines  innerlichen  Erwägens,  Empfindens  und  Phantasirens  in 
Verbindung  mit  der  leidenschaftlichen  Wanderfreude  R.  unverändert  bis 
in  sein  höchstes  Lebensalter  hinauf  begleitete.  Der  künstlerische  Trieb  des 
Novellenschreibers  und  Musikfreundes  ist  dem  Gelehrten  und  Lehrer  der 
Staats  wissen  Schäften  niemals  verloren  gegangen. 

Der  Uebergang  zu  koncentrirbarer  kultur-  und  socialwissenschafriicher 
Arbeit  findet  seit  1850  namentlich  in  den  Aufsätzen  R.'s  fiir  die  Beilage  zur 
Allgemeinen  Zeitung  und  für  die  deutsche  Vierteljahrsschrift  Ausdruck.  Diese 
Aufsätze  sind  für  den  schriftstellerischen  Werdegang  R.'s  von  besonderer  Be- 
deutung. Namentlich  kommen  in  Betracht  folgende:  Beilage  zur  Allg.  Ztg. 
1850:  Politische  Genrebilder  aus  einem  deutschen  Kleinstaate;  Kulturgeschicht- 
liche Studien  aus  den  letzten  Jahren;  1851 :  Westerwälder  Kulturbilder;  Kultur- 
bilder aus  den  südbayerischen  Hochflächen;  1852:  Der  Wald,  eine  social- 
politische  Studie;  Culturgeschichtliche  Briefe;  Die  Gemeinde  und  die  Gesell- 
schaft; —  Deutsche  Vierteljahrsschrift:  1850:  Der  deutsche  Bauer  und  der 
moderne  Staat;  Der  vierte  Stand;  1851:  Die  politische  Ehre;  Die  Aristokratie 
in  ihrem  socialen  Berufe;  1852:  Die  Frauen,  eine  socialpolitische  Studie; 
1853:  Die  Sitte  des  Hauses,  eine  socialpolitische  Studie. 

Wie  sich   im  Uebrigen   die  concentrirte   schriftstellerische  Arbeit  R.'s  in 

seinen  in  Buchform   erschienenen   Werken    und   mit  welchem  Erfolg  dieselbe 

sich  entwickelt  hat,   lässt  folgende  Uebersicht   entnehmen,    die   ich   der  Güte 

des    Bibliothek  -  Secretärs    der    Münchener    Universität,    Herrn   Dr.  G.   Wolff, 

verdanke. 

I.  Nassauiscbc  Chronik  des  Jahres  1848,  d.  i.  die  Geschichte  der  Erhebung  des 
Nassauischen  Volkes.  Wiesbaden,  Schellenberg  1849.  —  2.  Die  Geschichte  von  Eisele 
und  Beisele.  Ein  socialer  Roman.  Frankfurt,  Litter.  Anst.  1848.  —  3.  Das  Schlangen- 
bad,  eine  histor.-topographische  Skizze.  Wiesbaden,  Schellenberg  1841.  —  4.  Die  bürger- 
liche Gesellschaft.  Stuttgart,  Cotta  1851  (die  folgende  Auflage  als  Band  II  von  Ziff.  7.)  — 
5.  Musikalische  Charakterköpfe.  Ein  kunstgeschichtliches  Skizzenbuch.  Stuttgart,  Cotta. 
Bd.  I.  I.  Aufl.  1853.  -  8.  Aufl.  1898  -  Bd.  IL  i.  Aufl.  1860  —  7.  Aufl.  1S98.  —  Bd.  III. 
I.  Aufl.  1878  —  2.  Aufl.  1881.  —  6.  Hausmusik  (A.  u.  d.  T,:  Fünfzig  Lieder  deutscher 
Dichter  in  Musik  gesetzt,  Stuttgart,  Cotta;  i.  Aufl.  1855,  2.  umgearb.  Aufl.  1860.  —  7.  Die 
Naturgeschichte  des  Volkes  nls  Grundlage  einer  deutschen  Socialpolitik.  Stuttgart,  Cotta. 
Bd.  I  Land  und  Leute,  i.  Aufl.  1854  —  10.  Aufl.  1899  (Schulausgabe  mit  Einleitung  von 
Th.  Matthias  1895)  —  Bd.  II  Die  bürgerliche  Gesellschaft,  i.  Aufl.  1851  —  9.  Aufl.  1897 
(Schulausgabe  v.  Th.  Matthias  1895).  —  Bd.  III  Die  Familie,  i.  Aufl.  1855  —  10.  Aufl. 
1889  (Schulausgnbe  v.  Th.  Matthias  1878;  auch  in  der  deutschen  Volksbibliothek  III.  Reihe 
erschienen).  —  Bd.  IV  Wanderbuch  (als  2.  Theil  zu  Land  und  Leute.  Stuttgart  1869. 
3.  verm.  Aufl.  1892};  schon  1862  selbständig  erschienen).  —  8.  Kulturgeschichtliche  No- 
vellen. Stuttgart,  Cotta.  i.  u.  2.  Aufl.  1856.  —  9.  Die  Pfälzer,  ein  rhein.  Volksbild. 
Stuttgart,  Cotta.  i.  Aufl.  1857  —  4.  Aufl.  1897.  —  10.  Die  deutsche  Arbeit.  Stuttgart,  Cotta. 
I.  Aufl.  1861  —  3.  Aufl.  mit  Zus.  1884.  —  11.  Culturstudien  aus  3  Jahrhunderten.  Stuttgart, 
Cotta.  I.  Aufl.  1859  -  7.  Aufl.  1897  (auch  in  »Deutsche  Volksbibl.«  1861).  —  12.  Geschichten 
aus  alter  Zeit.  Stuttgart,  Cotta.  Bd.  I.  i.Aufl.  1863,  2.  Aufl.  1865;  Bd.  II.  i.  Aufl.  1867.  - 
13.  Neues  Novellenbuch.  Stuttgart,  Cotta.  x.  Aufl.  1867,  2.  Aufl.  1873.  —  14.  Aus  der 
Ecke,  7  neue  Novellen.  Bielefeld,  Velhagen  u.  Klasing.  i.  Aufl.  1874  —  4.  Aufl.  1898.  — 
15.  Gesammelte  Geschichten  und  Novellen  Volksausg.  in  10  Lief.  Stuttgart,  Cotta 
1871-1879.  —  16.  Die  14  Nothhelfer  (Reclam's  Univ.-Bibl.)  1874.  —  17.  Burg  Neideck 
(Rcclam's  Univ.-Bibl.)  1876   (auch  1898  in   der  Sammlung:  Verein  f.  Verbr.  guter  Schrift, 


4o8 


V.  Riebl. 


No.  12.  Bern,  C.  Schmidt  —  auch  ins  Englische  Übersetzt  in  Ashers  Continental  Library 
etc.  Vol.  63).  —  18.  Freie  Vorträge.  Stuttgart,  Cotta.  I.  Sammlung  1873  —  II.  Samm- 
lung 1885.  —  19.  Am  Feierabend.  Sechs  neue  Novellen.  Stuttgart,  Cotta.  i.  Aufl.  1880 
3.  Aufl.  1896.  —  20.  Lcbensräthsel,  5  Novellen.  Stuttgart,  Cotta.  3.  Aufl.  1893.  — 
21.  Culturgeschichtliche  Charakterköpfc  aus  der  Erinnerung  gezeichnet.  Stuttgart,  Cotta. 
I.  Aufl.  1894  —  4.  Aufl.  1896.  —  22.  Religiöse  Studien  eines  Weltkindes.  Stuttgart,  Cotta. 
I.  Aufl.  1894  —  4.  Aufl.  1896.  -  23.  Ein  ganzer  Mann,  Roman.  1898  Cotta.  —  24.  Ge- 
schichten und  Novellen,  Gesammtausgabe  1898  u.  s.  f. 

Ausserdem  ist  hier  noch  besonders  die  zusammenfassende  und  redactionelle 
litterarische  Thätigkeit  Riehls  als  Herausgeber  der  »Bavaria«  und  der  10  Jahr- 
gänge des  Historischen  Taschenbuches  zu  erwähnen. 

Die  im  Vorstehenden  dargelegte  reiche  litterarische  Thätigkeit  R.'s  kann 
man  in  folgende  fünf  Gruppen  zerlegen. 

1.  Socialwissenschaftliche  Arbeiten.  In  diesen  erstrebte  er  vor 
Allem  eine  Naturgeschichte  des  Volkes,  gegründet  auf  eine  eigenartige  Volks- 
erforschung, nämlich  auf  liebevolle  Wanderbeobachtung  am  lebendigen  Volk 
und  ganz  besonders  am  Volk  der  Bauern  und  der  Bürger.  Darin  liegt  das 
Schwergewicht  der  social  wissenschaftlichen  Leistungen  R.'s.  Er  ist  einer 
unserer  ältesten  und  besten  »Sociologen«,  der  —  wenn  auch  angeregt 
und  begeistert  ganz  besonders  durch  Justus  Moser  —  doch  in  durchaus 
selbstständiger  Weise  zu  einer  wissenschaftlichen  Analyse  der  »Gesell- 
schaft« gelangt  ist.  Er  hat  dies  in  der  Erforschung  einzelner  abstrakter 
Klassen  der  Gesellschaft,  sowohl  in  ihrer  normalen  als  in  ihrer  anormalen 
Erscheinung  (verfehlte  Standesbildungen)  dargethan,  nicht  minder  aber  auch 
durch  Sonderstudien  über  einzelne  concrete  historisch  und  geographisch 
abgegrenzte  Gruppen.  Eine  Würdigung  dieser  social  wissenschaftlichen  Lebens- 
arbeit R.'s,  über  die  allein  ich  mich  zu  einem  Urtheil  berufen  sehen  kann, 
behalte  ich  mir  zum  Abschluss  der  Ueberschau  seiner  wissenschaftlichen 
Arbeiten  vor. 

2.  Culturgeschichtliche  Arbeiten.  In  der  Ausgestaltung  des  cultur- 
geschichtlichen  Hintergrundes  der  socialwissenschaftlichen  Forschung  fallen 
beide  Strebensrichtungen  R.'s  zusammen;  ausserdem  aber  hebt  sich  doch  auch 
die  culturgeschichtliche  Arbeit  desselben  als  Sonderarbeit  von  bedeutungs- 
voller Ausgestaltung  ab.  Mit  grossem  Erfolg  hat  R.  den  Stoff  dieser  seiner 
Arbeiten,  namentlich  den  letzten  drei  Jahrhunderten  entnommen  und  daraus 
eine  Reihe  frei  ausgeführter  culturgeschichtlicher  Genrebilder  geschaffen.  Wenn 
R.  dabei  nicht  durchweg  und  namentlich  nicht  in  äusserlich  erkennbarer  Weise 
die  Methodik  heutiger  culturwissenschaftlicher  Forschung  zur  Anwendung 
brachte,  so  schmälert  dies  doch  keineswegs  für  die  Zeit  und  für  die  Um- 
stände, unter  denen  er  arbeitete,  sein  Verdienst  als  Culturhistoriker.  Die 
Culturhistoriker  sind  darüber  nicht  einig,  welcher  Ehrenplatz  R.  insbesondere 
neben  Frey  tag  und  Burckhardt  eingeräumt  werden  soll.  Dem  heute  fest- 
stehenden Urtheil  Berufener  aber,  dass  ihm  jedenfalls  ein  Ehrenplatz  solcher 
Art  gebühre,  wird  man  sich  anschliessen  dürfen.  Ich  weise  hierzu  darauf  hin, 
dass  Georg  Steinhausen  kürzlich  seine  ausdrückliche  Uebereinstimmung  mit 
Simonsfeld's  Gesammturtheil  ausgesprochen  hat,  welches  R.  als  den  universellsten 
und  anregendsten,  durch  seine  öffentliche  und  schriftstellerische  Thätigkeit  weit- 
aus wirksamsten  deutschen  Culturhistoriker  bezeichnet.  (Zeitschr.  für  Cultur- 
geschichte  VI.  S.  369.)  Was  R.  selbst  als  Ideal  culturgeschichtlichen  Schaffens 
vorschwebte,  ist  »die  Geschichte  der  Ciesammtgesittung  der  Völker,  wie  sich 
dieselbe  in  Kunst,  Litteratur  und  Wissenschaft,  im  wirthschaftlichen,   socialen 


V.  Riehl.  409 

und  politischen  Lehen  (und  dazu  allerdings  auch   in  Privatalterdiümern)  aus- 
spricht«. 

3.  Kunstgeschichtliche  Arbeiten.  Diese  stehen  an  Bedeutung  den 
beiden  vorhergehenden  Gruppen  der  R.'schen  Arbeiten  nach.  Auch  hinsicht- 
lich des  Gehalts  speciell  seiner  musikgeschichtlichen  und  —  wie  ich  es  nennen 
darf  —  musik politischen  Arbeiten  sind  die  Ansichten  sehr  getheilt.  In  seiner 
Lebensarbeit  aber  nahm  das  Forschen  und  Schaffen  gerade  auf  diesem  Gebiet 
Erhebliches  in  Anspruch. 

4.  Novellistische  Thätigkeit.  Hier  scheint  das  Urtheii  der  Kenner, 
zu  denen  ich  mich  nicht  rechnen  darf,  von  der  Werthung  des  culturgeschicht- 
lichen  Gehalts  novellistischen  Schaffens  vorbedingt,  andererseits  auch  durch 
den  massgebenden  allgemeinen  Htterarischen  Standpunkt  der  Einzelnen,  wobei 
die  Gegensätzlichkeit  gegen  die  durchaus  unmoderne  Art  der  R. 'sehen  »Ge- 
schichten« gegebenenfalls  zu  schärferem  Ausdruck  kommen  muss.  An- 
erkenncnswerth  ist  der  sittliche,  vielfach  mit  religiösem  Empfinden  durchsetzte 
Gehalt,  die  Vertiefung  seelischer  Probleme  und  die  Echtheit  des  Cultur- 
hintergrunds.  Dass  das  Gemüth  erfreuende  Fabuliren  im  guten  und  litterarisch 
fruchtbaren  Sinn  neben  der  ernsthaften  Geistesarbeit  ein  festsitzendes  Bedürfniss 
R.'s  war,  das  ihm  sein  ganzes  Leben  hindurch  treu  blieb,  ist  bereits  hervor- 
gehoben. Es  findet  darin  einen  charakteristischen  Ausdruck,  dass  ein  Werk 
solcher  Art,  »Ein  ganzer  Mann«,  R.'s  letzte  litterarische  Arbeit  sein  sollte. 
Wie  R.  im  Vorwort  zu  den  »Geschichten  aus  alter  Zeit«  ausführt,  bestand 
für  ihn  das  Wesen  der  Novelle  darin,  ein  Seelengeheimniss  in  der  Ver- 
knüpfung und  Lösung  erdichteter  Thatsachen  zu  enthüllen.  Das  deutsche 
Wort  »Geschichte«  ist  ihm  zugleich  eine  —  vielleicht  auf  gelegentlichem  Ge- 
wissensbiss  beruhende  —  Mahnung,  dass  nicht  die  Reflexion,  sondern  die 
That  den  Knoten  schlinge  und  löse,  und  dass  die  Lust  am  Erzählen  nicht 
von  der  verführerischen  Lust  des  Grübelns  und  Schildems  überwuchert  werde. 

5.  Sammelarbeiten.  Als  Typen  solcher  Arbeiten,  in  denen  R.'s 
allgemeines  organisatorisches  Talent  litterarisch  sich  bethätigt,  kommen,  wie 
oben  bereits  erwähnt,  die  Herausgabe  der  »Bavaria«  und  die  Redaction  der 
Historischen  Jahrbücher  in  Betracht. 

Zu  der  oben  vorbehaltenen  social- wissenschaftlichen  Würdigung  der  Lebens- 
arbeit R.'s  möchte  ich  in  kurzen  Zügen  Folgendes  hervorheben.  Was  R.  vor 
Allem  erstrebt,  das  war  auf  Grund  eigenster  persönlicher  Bekanntschaft  mit  Land 
und  Leuten  und  damit  verbundener  culturgeschichtlicher  Forschung  aus  den 
letzten  Jahrhunderten  zu  einer  wissenschaftlichen  —  in  künstlerisch  vollendeter 
F'orm  dargelegten  —  Erfassung  des  Volks,  vor  Allem  des  deutschen  Volks,  in 
seinen  typischen,  geographischen  und  socialen  Gruppen  zu  gelangen.  Dabei 
arbeitete  R.  nicht  blos  mit  dem  Verstand,  sondern  auch  mit  dem  Gemüth,  — 
darum  wendete  sein  Interesse  sich  nicht  allen  diesen  Gruppen  in  gleichem 
Masse  zu;  einzelne,  denen  er  durch  Wandern  nahe  getreten  war  oder  deren 
sociale  Verfassung  seiner  eigenen  Stimmung  kongenialer  war,  hat  er  mit  be- 
sonderer Vorliebe  geschildert  und  ernsthaft  in  deren  Sinnen  und  Trachten  sich 
vertieft. 

In  diesem  Sinn  >Aill  R.  insbesondere  dem  nachgehen,  was  er  als  »Natur- 
zustände im  Volksleben«  bezeichnet.  Diesen,  meint  er,  müsse  man  wieder 
gerecht  werden  und  zwar  nicht  blos  in  den  Romanen,  sondern  auch  in  der 
Wirklichkeit.  Er  möchte,  dass  jede  Seite  seines  Buchs  »Land  und  Leute« 
für  diesen   seinen  Glaubensartikel  predigte,   und   wenn  das  vielleicht  in  Ein- 


4IO 


V.  Riehl. 


seidgkeit  geschehe,  so  geschehe  es  doch  aus  begeisterter  Ueberzeugung. 
»Darum  nehme  ich<.  —  sagt  R.  —  »den  Wald  in  Schutz  gegen  das  Feld, 
das  Land  gegen  die  Stadt,  das  rohe  aber  stark-  und  frohgemuthe  jugendliche 
Naturleben  des  Volks  gegen  die  greisenhafte  Altklugheit  der  Civilisation,  und 
die  Politik,  welche  solchergestalt  mit  der  Erkenntniss  von  Land  und  Leuten 
anhebt,  müsste  eine  färben-  und  gestaltenreiche  fröhliche  Kunst  und  Wissen- 
schaft werden,  nicht  eine  dürre,  graue  Doktrin«. 

Wahrlich  diese  Worte  des  Meisters  drücken  seine  Grundstimmung  treff- 
lich aus  —  und  färben-  und  gestalten  reich  ist  Alles  geworden,  was  er  in 
Schrift,  Vorlesung  und  Vortrag  an  socialer  Forschung  R.'scher  Eigenart  ge- 
boten hat.  Er  lehnt  es  ab,  dass  er  subjective  Eindrücke  gebe,  er  will  zu 
objectiven  wissenschaftlichen  Ergebnissen  gelangen.  Aber  es  liegt  in  der  Natur 
der  lebensvollen  Einzelforschung,  deren  Befürworter  er  ist,  dass  starke  per- 
sönliche Reflexe  das  Bild  der  Zustände  und  Erscheinungen  beeinflussen.  Aber 
wir  möchten  gerade  dieses  höchstpersönliche  Element  in  der  gesammten  Auf- 
fassung nicht  missen;  wo  wir  argwöhnen  müssen,  dass  solches  einer  gewissen 
Einseitigkeit  zuneige,  entschädigt  uns  die  künstlerische  Vollendung,  in  welcher 
auch  die  Einseitigkeit  der  Auffassung  zum  Ausdruck  gelangt. 

In  sachlicher  Hinsicht  ist  es  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Bilder,  die 
R.  in  seinen  Schriften  vor  uns  entrollt.  Wir  finden  insbesondere  reizende 
(Genrebilder  socialer  Verhältnisse  in  einzelnen  deutschen  Gauen;  feinsinnige 
Beobachtungen  und  Gruppirungen  über  Volksgliederung  nach  Ständen;  Ana- 
lyse der  ständischen  Unterschiede  bei  den  Mächten  des  socialen  Beharrens 
(Bauern,  Aristokratie)  und  der  socialen  Bewegung  (Bürgerthum,  vierter 
Stand);  Studien  über  die  Familie  und  die  Frauenfrage;  cultur-  und  kunst- 
geschichtliche Bilder  mit  Einstreuung  socialpolitischer  und  politischer  Erörte- 
rungen. 

Für  die  Eigenart  R.'scher  Arbeit  ist  besonders  bedeutungsvoll,  was  er 
als  die  »Hand Werksgeheimnisse  des  Volksstudiums«  bezeichnet:  Wandern  — 
zu  Fuss  wandern!  Dabei  Niemand  um  den  Weg  fragen  —  Landkarte  im 
Kopf  —  Kunst,  die  Leute  zu  fragen  und  fleissig  zu  fragen,  darauf  gegründet, 
dass  man  vor  dem  Ausmarsch  bereits  mehr  von  des  Landes  Geschichte  und 
heutigem  Zustand  wisse,  als  die  grosse  Mehrzahl  der  gebildeten  Einwohner 
selber  weiss.  —  Dabei  vor  Allem  Studien  in  kleinen  abgegrenzten  Landstrichen 
—  worin  so  recht  die  künstlerische  Neigung  R.'s  zum  socialen  Genrebild 
zum  Ausdruck  kommt.  Weiter:  Kein  litterarischer  Apparat  in  der  Reise- 
tasche, aber  fleissige  Einträge  ins  Tagebuch,  das  theils  Stoff-,  theils  Ge- 
dankenquelle sein  soll  —  dann  nach  der  Heimkehr  litterarische  Wande- 
rung durch  die  Speciallitteratur  —  wenn  möglich  dann  noch  einmal  ein 
Revisionsgang! 

Darin  kommen  so  recht  die  Besonderheiten  subjectiver  persönlicher 
Einzelarbeit  beobachtender  Forschung  und  forschender  Beobachtung  zum 
Ausdruck  —  Alles  in  Personalunion  concentrirt  auf  ein  feinsinniges,  wander- 
lustiges, gesundheitskräftiges  Individuum.  Das  ist  zugleich  der  vollste  Gegen- 
satz zur  decentralisirten  objectiven  Massenbeobachtung  der  Statistik,  bei  der 
erst  auf  der  letzten  Stufe  wissenschaftlicher  Arbeit  das  subjective  Erwägen  und 
Combiniren  des  Einzelforschers  eingreift. 

Von  den  Grundrichtungen  der  socialen  Auffassung  R.'s  möchte  ich  zwei 
hier  hervorheben.  R.  ist  durchdrungen  von  starker  ethischer,  insbesondere 
auch    religiöser    Auffassung    des    gesammten    menschlichen    Daseins.      Diese 


V.  Rieh].  41 X 

ethische  Auffassung  hält  er  auch  in  wirthschaftlichen  Dingen  fest.  R.  ist  hier 
auch  Einer  der  zu  leicht  Vergessenen,  welchen  in  mancher  Hinsicht  den 
heutigen  officiellen  Vertretern  der  ethischen  Nationalökonomie  gegenüber  die 
Priorität  zukommt.  Diese  Grundstimmung  R.'s  beruht  auf  der  Erkenn tniss, 
dass  die  Erhaltung  der  Culturerrungenschaften  nur  möglich  ist  durch  Wirken 
einer  starken  Dosis  sittlicher  Momente,  welche  die  grundsätzliche  Versöhnung 
des  Einzelnen  mit  dem  Ausgangspunkt  seines  Erden wallens  bezwecken,  unter 
allem  Vorbehalt  der  Ermöglichung  weiteren  Aufsteigens  der  Einzelnen.  Es 
ist  im  Grunde  nichts  anderes  als  —  im  scharfen  Gegensatz  zu  dem,  was 
heute  socialistisches  Evangelium  ist  —  die  Anpreisung  der  Zufriedenheit,  nicht 
der  Unzufriedenheit. 

In  diesem  Sinne  gelangt  R.  beispielsweise  zur  Empfehlung  der  Rückkehr 
zu  grösserer  Selbstbeschränkung  und  Selbstbescheidung  (Bürgerl.  Gesellschaft). 
vDen  Stolz  möchte  ich  in  Jedem  wecken,  dass  er  sich  mit  Freuden  als  ein 
(Jlied  desjenigen  Gesellschaftskreises  bekennt,  dem  er  durch  Geburt,  Er- 
ziehung, Bildung,  Sitte,  Beruf  angehört,  und  mit  Verachtung  jenes  geckenhafte 
Wesen  von  sich  weist,  mit  welchem  der  Parvenü  den  vornehmen  Mann  spielt 
und  sich  zu  bekennen  schämt,  dass  sein  Vater  am  Ende  gar  ein  ehrsamer 
Schuster  oder  Schneider  gewesen.  Diese  Rolle  des  einfältigen  Parvenüs 
spielen  gegenwärtig  fast  alle  Stände,  die  echten  Bauern  allein  ausgenommen; 
darum  habe  ich  auch  die  Bauern  so  besonders  ins  Herz  geschlossen.«  Charakter- 
istisch für  die  hervorragend  ethische  Auffassung  R.*s  ist,  wenn  er  —  gleich- 
falls in  der  bürgerlichen  Gesellschaft  —  betont,  die  sociale  Frage  sei  zunächst 
eine  ethische,  nachher  eine  ökonomische.  »Der  Arbeiter  bricht  zuerst  mit 
seiner  Sitte,  und  nachher  fühlt  er  sich  arm  —  nicht  aber  umgekehrt  bricht 
er  darum  mit  seiner  Sitte,  weil  er  sich  jetzt  recht  arm  fühlte;  denn  arm  ist 
er  immer  gewesen,  meist  sogar  früher  viel  ärmer.«  Auch  in  der  Hochstellung 
der  Familie  zeigt  sich  R.'s  ethische  Auffassung:  »erst  in  der  Familie  finden 
wir  den  ganzen  Menschen«. 

In  politischer  Hinsicht  geht  ein  stark  conservativer  Zug  durch  die  R. 'sehen 
Anschauungen.  Der  Ausgangspunkt  seiner  Betrachtungen  ist,  dass  gerade  in 
der  Ungleichartigkeit  der  Zusammensetzung  der  Gesellschaft  —  im  sog.  Miss- 
verhältniss  der  Arbeit  zum  Capital  —  das  individuell  Menschliche  derselben 
liege.  Bei  der  Gesellschaft  der  Hunde,  der  Pferde,  des  Rindviehs  u.  s.  w. 
herrsche  vollständige  sociale  Gleichheit  (?).  Bei  den  einzelnen  Consequenzen, 
die  daraus  gezogen  werden,  ist  echt  R.'isch  die  darauf  begründete  »Wald- 
freundschaft« und  zwar  besonders  zu  Gunsten  der  »soliden«  Laubholz- 
waldungen gegenüber  den  »proletarischen«  Nadelholzwäldern.  Im  Weiteren 
ist  die  genannte  Anschauung  auch  die  Wurzel  der  R. 'sehen  »Bauemfreund- 
schaft«.  »Industrieller  Genius  ist  oft  genug  ein  Kassandrageschenk  für  unsere 
in  der  Naivetät  der  Armuth  glücklich  dahinlebenden  Gebirgsbauern.«  Darauf 
gründen  sich  ferner  R.'s  Zweifel  am  Nutzen  der  Bauernbefreiung  und  sein 
entschiedenes  Eintreten  für  Anerbenrecht.  Doch  ist  er  dabei  gegen  bäuer- 
liche Misstände  nicht  blind,  Zeuge  dessen  ist  sein  interessantes  Capitel  über 
den  »entarteten  Bauer«.  In  gleicher  Stimmungs-  und  Gedankenfolge  ist  R. 
Gegner  der  »Gewerbefreiheit  des  vormärzlichen  Polizeistaats«  und  Anhänger 
corporativer  Gestaltung  des  Handwerks.  Dabei  betont  er  die  religiösen  Mo- 
mente und  ist  politisch  kein  Befürworter  des  unbedingten  gleichen  allgemeinen 
Wahlrechts.  Sein  eigentliches  Ideal  ist:  Wahlrecht  sollen  nur  Familienväter  und 
Wittwer  haben,  wählbar  sollten  auch  Junggesellen  —  in  beschränkter  Zahl  —  sein. 


412  V.  Riehl. 

Man  hat  bei  der  Lesung  der  R.'schen  Schriften  den  Eindruck,  als  möchte 
der  feine  Forscher,  der  das  historisch  Gewordene  hebevoll  erfasst,  sich  von 
diesem  Gewordenen,  wie  es  nun  gerade  ist,  nicht  gerne  trennen  —  und  werde 
so  social-conservativ. 

Eine  besondere  Betrachtung  bei  der  Würdigung  der  socialwissenschaft- 
lichen  Leistungen  R.'s  erheischt  dessen  Stellung  zur  Statistik,  deren  Pflege 
ihm,  der  fast  vier  Jahrzehnte  hindurch  Ordinarius  dieses  Fachs  gewesen  ist, 
besonders  nahe  gelegen  wäre.  Nach  dem  bisher  Ausgeführten  kann  es  nicht 
überraschen,  dass  die  Statistik  R.  von  Grund  aus  unsympathisch  war.  In 
dem  reichen,  von  ihm  selbst  geführten  Verzeichnisse  seiner  litterarischen  Ar- 
beiten finde  ich  nur  zu  Anfang  der  50  er  Jahre  ein  paar  Aufsätze  in  der  All- 
gemeinen Zeitung,  die  mit  Statistik  sich  beschäftigen  —  weiterhin  hat  R.  nur 
negativ  —  in  seinem  Vortrag  »Die  statistische  Krankheit«  mit  der  Statistik 
sich  beschäftigt.  Riehl  war  ein  viel  zu  gescheidter  Mann,  um  nicht  die  Be- 
deutung der  Statistik  zu  erkennen  —  aber  die  statistische  Methode  war  von 
Haus  aus  der  vollste  Gegensatz  zur  R.'schen  Methode.  Diese  ist  gekenn- 
zeichnet durch  liebevolle  subjective  Einzelforschung,  womöglich  mit  dem 
Wanderstab  in  der  Hand.  Die  Statistik  dagegen  ruht  auf  der  objectiven 
Massenbeobachtung  durch  ein  wohldisciplinirtes  Heer  von  Beobachtern;  sie 
setzt  Zählen  und  Messen  an  Stelle  von  intuitiver  Erfassung  von  socialen 
Eindrücken.  Daraus  erklärt  sich  der  gelegentlich  unfreundliche  Blick  auf  die 
»Zahlenstatistik»  und  weiter  die  Thatsache,  dass  da,  wo  die  Bedeutung  der 
Statistik  doch  nicht  weggeleugnet  werden  kann,  nur  ein  kurzes  unbehagliches 
Verweilen  bei  den  Zahlen  der  Statistik  bemerklich  ist  und  ein  behagliches 
Verweilen  bei  wirklichen  und  angeblichen  Missgriffen  und  Verirrungen  der 
Statistik. 

Aus  den  oben  gegebenen  Mittheilungen  über  den  Lebensgang  R.'s  ist 
ersichtlich,  dass  er  sich  bei  der  Berufung  zum  Münchener  Honorarprofessor 
einen  sehr  weiten  Kreis  der  Lehrthätigkeit  offen  gehalten  hatte,  der  erst  mit 
seiner  Ernennung  zum  Ordinarius  eine  Verengerung  erfuhr.  Thatsächlich  hat 
R.  —  wie  eine  Uebersicht  seiner  Lehrthätigkeit  (die  ich  gleichfalls  Herrn 
Dr.  G.  Wolff  verdanke)  ergiebt  —  in  den  ersten  Jahren  seiner  Lehrthätigkeit 
gewissermassen  versuchsweise  einige  Vorlesungen  gehalten,  auf  die  er  später 
nicht  mehr  zurückgekommen  ist,  so  insbesondere  Ethnographie  von  Deutsch- 
land, Encyklopädie  der  Kameralwissenschaften,  Polizeiwissenschaft,  Landes- 
und Völkerkunde  des  Königreichs  Bayern.  Allezeit  und  zwar  vom  Anfang  seiner 
Lehrthätigkeit  an  bis  zum  Jahr  1896  ist  R.  treu  geblieben  der  Vorlesung 
»System  der  Staatswissenschaft«  (in  den  ersten  3  Jahren  »Staats Wissenschaft«). 
Gleiches  gilt  mit  kurzer  Unterbrechung  gegen  Ende  der  50er  Jahre  von  der 
Vorlesung,  die  er  zuerst  als  Allgemeine  Culturgeschichte  des  Mittelalters, 
später  als  Culturgeschichte  Deutschlands  im  Mittelalter  hielt.  Dazu  kommen 
zwei  weitere  Vorlesungen  seit  dem  Anfang  der  sechziger  Jahre:  Cultur- 
geschichte des  18.  (später  des  18.  und  19.)  Jahrhunderts  und  Culturgeschichte 
der  Renaissance-  und  Reformationszeit.  Eine  ständige  Vorlesung  R.'s 
l'ildete  endlich  seit  dem  Wintersemester  1860/61  die  regelmässig  im  Winter 
gehaltene  Vorlesung:  Lehre  von  der  bürgerlichen  Ciesellschaft  und  Geschichte 
der  socialen  Theorieen. 

R.'s  Lehrthätigkeit  war  hiemach  eine  ausserordentlich  ausgedehnte;  sie 
war  zugleich  eine  äusserst  erfolgreiche.  Eine  zahlreiche  begeisterte  Zuhörer- 
schaar  hing  an  den  Lippen   des  Meisters   der  Rede.     Der  Vorbereitung  auf 


V.  Riehl.  413 

die  Vorlesungen  widmete  er  allezeit  ein  gutes  Stück  seiner  Lebensarbeit.  Die 
kurzen  Aufschreibungen  R.'s,  die  als  tagebuchartige  Notizen  anzusehen  sind, 
hissen  auch  ersehen,  wie  ihm  jederzeit  der  Beginn  und  der  Schluss  seiner 
Vorlesungen  selbst  als  bedeutsames  Ereigniss  erschien.  Leider  sind,  wie  ich 
den  Mittheilungen  des  Sohnes  entnehme,  R.'s  Vorlesungen  zur  Herausgabe  im 
Buchdruck  von  ihm  selbst  nie  in  Aussicht  genommen  gewesen.  Um  so 
mächtiger  wird  lange  Zeit  in  der  Schaar  der  treuen  Hörer,  zu  denen  auch 
der  Schreiber  dieser  Zeilen  gehört,  die  Erinnerung  an  den  unvergesslichen 
akademischen  Lehrer  fortleben. 

R.  war  übrigens  als  Lehrer  nicht  blos  der  akademischen  Jugend,  sondern 
auch  für  einen  weiten  Kreis  Gebildeter  in  den  verschiedensten  deutschen 
Gauen  thätig.  Seine  Wandervorträge,  von  denen  wir  eine  Sammlung  in  zwei 
Bänden  besitzen,  bereiteten  ihm  selbst  eine  alljährlich  gern  ersehnte  Freude, 
gerade  wie  jenen  Kreisen  der  Hörer,  an  die  er  sich  bei  seinen  ausgedehnten 
Vortragsreisen  in  deutschen  Landen  wendete.  Als  charakteristisch  hierzu  sei 
angeführt,  dass  er  am  31.  Dcbr.  1877  in  seinen  Notizen  vermerkt:  »In  diesem 
Jahre  war  ich  137  Tage  von  München  abwesend«.  Ihm  war  in  ganz  hervor- 
ragender Weise  das  Wandern  allezeit  Bedürfniss;  überwog  in  der  Jugend 
das  Wandern,  bei  dem  er  lernte,  so  war  es  später  das  Wandern,  bei  dem  er 
lehrte,  das  ihm,  dem  Unermüdlichen,  Arbeit  und  Erholung  zugleich  war. 

Soll  ein  Schlussurtheil  über  R.'s  socialwissenschaftliche  Thätigkeit  ab- 
gegeben werden,  so  mag  es  allenfalls  so  lauten.  Gewiss  ist  liebevolle  Wander- 
erforschung von  Land  und  Leuten  auch  heute  noch  bedeutsam  für  die  Er- 
kenntniss  des  gesellschaftlichen  menschlichen  Lebens,  —  aber  eine  besondere 
Wissenschaft  der  erweiterten  Volkskunde,  wie  R.  sich  dies  dachte,  lässt  sich 
darauf  nicht  aufbauen.  Die  R.'schen  Bauten  müssen  deshalb  zur  romantischen 
—  aus  echtem  Material  erstanden  und  darum  der  Verwitterung  zäh  wider- 
stehenden —  Ruine  werden;  sie  in  gleichem  Geiste  weiter  zu  führen,  ist  bei 
dem  heutigen  Stand  der  socialen  Forschung  Niemand  mehr  in  Stand.  Am  meisten 
mag  vom  R.'schen  Geiste  noch  in  der  Specialdisciplin  der  modernen  »Volks- 
kunde« fortleben.  Im  Uebrigen  wird  das,  was  R.  erstrebte,  in  anderer 
Weise,  durch  eine  vielfach  differenzirte  Gesammtarbeit  erstrebt,  einerseits  durch 
die  verschiedenen  verselbständigten  Zweige  der  Realgeschichte,  die  auch 
ihrerseits  kaum  mehr  als  Culturgeschichte  zusammenschweissbar  sind,  und 
andererseits  durch  Statistik,  Sociologie  und  Politik. 

Kann  hiernach  auch  die  Arbeit  R.'s  nicht  im  Ganzen  fortgesetzt  werden, 
so  kann  doch  auch  der  moderne  Socialforscher  noch  sehr  viel  aus  seinen 
Werken  lernen,  namentlich  die  liebevolle  Vertiefung  in  Land  und  Leute 
und  die  Bedeutung  der  sittlichen  Grundlage  einer  conservativen  Weltan- 
schauung. Dem  Statistiker  insbesondere  dient  eine  Vertiefung  in  die  R.'schen 
Werke  zur  Mahnung  an  das  Erkennen  der  Grenzen  des  Zähl-  und  Messbaren ; 
zugleich  wird  diesen  freilich  ein  wehmüthiges  Empfinden  darüber  beschleichen, 
dass  dem  geistvollen  Forscher  sich  der  Zauber  nicht  erschlossen  hat,  der  in 
der  Erkenntniss  der  Gesetzmässigkeit  der  Massenerscheinungen  liegt.  Das 
hindert  nicht,  dass  alle  Jene,  deren  Streben  es  ist  —  wenn  auch  auf  anderen 
als  R.'schen  Bahnen  — ,  an  der  wissenschaftlichen  Erkenntniss  des  mensch- 
lichen Gesellschaftslebens  zu  arbeiten,  dem  bedeutenden  Sociologen  und 
liebenswürdigen  Schriftsteller  R.  den  Zoll  aufrichtiger  Dankbarkeit  entrichten. 

Bisher  erschienene  Aufsätze  und  Reden,  die  sich  eingehender  mit  Riehl's  Lebensgang 
und  Lebensarbeit  beschäftigen,  sind  folgende:  Eberhard  Gothein:  Wilhelm  Heinrich  Riehl 


414  ^»  Riehl. 

(Preuss.  Jahrb.  92.  Bd.  1898  S.  i  u.  ff.)  -  Franz  Muncker:  Wilhelm  Heinrich  Riehl  (VVester- 
manns  Illustr.  deutsche  Monatshefte  84  Bd.  1898.  S.  180  u.  ff.  —  Georg  Bteinhausen,  Frey- 
tag, Burckhardt  und  Riehl  und  ihre  Auffassung  der  Culturgeschichte  (Joh.  Ilberg,  Neue  Jahrb. 
fUr  d.  klass.  Alterthum,  Gesch.  u.  deutsche  Litteratur  I.  Jahrg.  1898.  S.  448  u.  ff.  — 
J.  Friedrich,  Gedächtnissrede  auf  W.  H.  v.  Riehl  (Sitzungsber.  d.  philos.-philol.  und  der 
histor.  Klasse  der  k.  b.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  München  1898).  —  Georg  Simons- 
feld, Wilhelm  Heinrich  Riehl  als  Culturhistoriker  (Festrede,  gehalten  in  der  öffentlichen 
Sitzung  der  k.  b.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  München  1898).  —  Julius  Rodenberg, 
Deutsche  Rundschau  24.  Jahrg.  1898.  S.  269  u.  ff. 

Georg  von  Mayr. 


I.  AlpMbetisclies  Namenverzeiclmiss 


zum 


Deutschen  Nekrolog  vom  i.  Januar  bis  31.  December  1898. 


Name 

Albrecht,  George  Alexander 
Alvary  (Achenbach)  Max  v. 
Alvensleben  Alkmar  v. 
Ammermüller,  Friedrich 
Amrein,  Kaspar  Constantin 
Angerer,  Eduard 
Arzruni,  Andreas 
Audorf,  Jacob 

Baedeker,  Julius 

Bäumer,  Th.  Heinrich 

Baron,  Julius 

Batsch,  Carl  Ferdinand 

Baumgarten,  Maximilian  v. 

Beaulieu-Marconnay,  Eugen  Freiherr  v. 

Bechert,  Emil 

Bennecke,  Hans 

Benz,  Severin 

Benz,  Joseph 

Berberich,  Lorenz 

Bielz,  Albert  Eduard 

Bingmann,  C.  F. 

Bismarck,  Otto,  Fürst  v. 

Böhme,  Franz  Magnus 

Böttcher,  Karl  Julius 

Bonde,  Oskar 

Born,  Stephan 

Braunmüller,  Benedict 

Brockhaus,  Rudolf 

Bruckmann,  Friedrich 

Bio^r.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    :).  Bd. 


Verfasser 

W.    Wolkenhauer 
Alfred  Freiherr  v.  Mensi 
O.  Elster 
Rudolf  Krauss 
W,    Wolkenhauer 
Hermann  Zschokke 
W.    Wolkenhauer 
L,  Fränkel 

H.  Ellissen 
H,  A,  Lier 
A,    Teichmann 
P.  V.  Bojanowski 
Criste 
R,  Mosen 
F.  V,   Weech 
A,   Teichmann 
H,  Holland 


Fr.   Teuisch 

Kohlschmidt 

Alexander  Meyer 

H  A,  Liti' 

Kohbchmidt 

H.  Ellissen 

H.    Trog 

A,    Teichmann 

L,  Geiger 

H.  Ellissen 


Seite 

325 
134 
158 

199 
326 

177 

325 
142 

163 
265 

102 

225 

221 

176 

232 

129 

119 

230 

230 

143 
246 

3 

345 
246 

170 

62 

132 

283 
121 


27 


4i6 


Inhalt. 


Name 
ßübler,  Christian 
Bühler,  Georg 

Cabisius,  Julius 
Ciaassen,  Johannes 
Cohn,  Ferdinand 
Cuny,  Ludwig  v. 
Curti,  Franz 

Dahn,  Ludwig 
Dahn-Fries,  Sophie 
Dodge,  Ernest 
Dronke,  Adolf 

Ebers,  Georg 

Ebner,  Adalbert 

Ebner-Eschenbach,  Moriz  Freiherr  v, 

Egler,  Ludwig 

Elisabeth,  Kaiserin  von  Oesterreich 

Erb,   Ferdinand  Freiherr  v. 

Esser,  Hermann 

Fein,  Emil  Wilhelm 
Feldhüter,  Ferdinand 
Fitting,  Jacob  Ritter  v. 
Floerke,  Gustav 
Förster,  Theodor 
Fontane,  Theodor 
Fränkel,  Ferdinand 
Freudenthal,  August 
Friedel,  Johann  Ritter  v. 
Fürst,  Alexander 
Furtner,  Ernest 

Gehrts,  Karl 
Geselschap,  Friedrich 
Gidionsen,  Wilhelm 
Gleich,  Ferdinand 
Goeschen,  Adolph 
Gras  berger,  Hans 
Grübl,  Raimund 
Grünbaum,  Max 
Gsell-Fels,  Theodor 
Gundlach,  Georg 
Gustas,  Leopold  Edler  v. 

Haas,  Stephan 
Haeberlin,  Carl   Franz 
Hagen,  Hermann 


Verfasser 
Karl  Frey 
M,   IVinternitz 

Rudolf  Krauss 
Koklschmidt 
Professor  Met 
A,   Teickmann 
A.  Niggli 

Alfred  Freiherr  v,  Mensi 

H,  Holland 

IL  Holland 

W,   Wolkenhauer 

Eduard  Meyer 
y.  A.  Endres 
Anton  Bettelheim 
Karl  Theodor  Zingeler 
Eduard  Wertfuimer 
Carl  Huffnagl 
F.  V.   Weech 

Rudolf  Krauss 

H  Holland 

A.    Teichmann 

Ludwig  Fränkel 

Kohlschmidt 

Paul  Schienther 

H.  Holland 

IV,    Wolkenhauer 

CrisU 

D,  Jacoby 

H  M.  Gietl 

yoh.  Süss 
H,  A.  LUr 
yoh.  Sass 
H  A.  Lier 
Kohlschmidt 
Anton  Bettelheim 
Dr,   Vogler 
Ludwig  Fränkel 
Ernst  V,  Destouches 
H  M,  Gietl 
Criste 

Criste 

A.    Teichmann 

Karl  Praechter 


Seite 
x6o 

78 

247 
284 

»3» 
75 

lOI 

189 
168 

329 

86 
216 

331 
"5 
349 
69 
264 

147 
140 

102 

240 

248 

296 

169 

345 
221 

129 

224 

337 
269 

333 

344 
250 

156 

233 

235 

"7 
224 

220 

221 

153 

192 


Inhalt. 


417 


Name 
Hager,  Johannes  [v.  Hasslinger] 
Hagn,  Ludwig  v. 
Halbreiter,  Adolf 
Hammer,  Guido 

Handel-Mazzetti,  Eduard  Freiherr  v. 
Hartmann,  Hans 
Hartmann,  Helene 
Hebler,  Karl 
Heer,  Adolf 
Heerklotz,  Adolf 
Hendel,  Otto 
Hepke,  Robert 
Hermann,  Joseph  E.  v. 
Hermann,  Wilhelm  Th. 
Hertslet,  W.  L. 
Herzog,  Heinrich 
Hesse,  Bernhard 
Hinschius,  Paul 
Huber,  Alfons 
Hummel,  August 

Iwersen,  Adelheid 

Jörjg^er  (Schwester),  Albana 
Jolly,  Julius 

Kaltenborn-Stachau,  H'ans  v. 

Kalnoky  v.  Küröspatak,  Gustav,  Graf  v. 

Katherine,  Prinzessin  v.  Württemberg 

Keiter,  Heinrich 

Klein,  Carl 

Knies,  Carl 

Kober-Gobat 

Köberle,  Georg 

Koeppen,  Albert 

Krantz,  Eugen 

Krebs,  Georg  Ludwig 

Kronast,  Joseph 

Kugler,  Bernhard  v. 

Lang,  Paul 

Le  Feubure,  Ferdinand 

Lehmann,  Emil 

Leibbrand,  Carl  v. 

Lempertz,  Heinrich 

Leo,  Friedrich  August 

Leopold,  Erzherzog  v.  Oesterreich 

Liebeskind,  Felix 


Verfasser 
Richard  Ileuberger 
H.  Holland 
H,  Holland 
H  A,  Lier 
Criste 

Fritz  Jonas 
Anton  Bettelheim 
Karl  Frey 
F.  V,    IVeech 
Ludiüig  Fränkel 
H.  EUissen 

Criste 

H,  A.  Lier 

Alfred  Freiherr  v.  Mensi 

Hans  Herzog 

P.  V.  Bojanowski 

A,    Teichmann 

Osioald  Redlich 

\\\   Wolkenhauer 

Joh,  Sass 


AI  Obser 

O,  Elster 

Heinrich  Friedjung 
Rudolf  Krauss 
H  Holland 
Ludwig  Fränkel 
E.  Blenck 
H.  EUissen 
H.  A.  Lier 
A,   Teichmann 
H.  A,  Lier 
Ludwig  Fränkel 
H  M,  Gictl 
C.  Ad,  Fetzer 

R.  J&auss 
H  Holland 
H.  A,  Lier 
R,   Krauss 
Otto  Zaretzky 
Ludwig  Fränkel 
Oscar  Criste 
H  EUissen 


Seite 
261 
141 
171 
267 
221 
112 

"3 
123 

322 

244 

73 
197 

224 

267 

63 

147 

237 

51 
104 

324 

335 

256 
312 

99 

359 

73 
188 

262 

HO 

152 

343 
123 

341 

236 

223 
316 

137 

133 

343 
198 

76 
241 
212 

134 


4i8 


Inhalt. 


Name 
Liezen-Mayer,  Alex.  v. 
Lindau,  Jakob 
Lindner,  Carl  R.  v. 
Linsenmann,  Franz  Xaver 
Lorenz,  Johann  Georg 
Luddecke,  Richard 


Verfasser 


H.  Holland 

F,  V,    Weech 

Criste 

R,  Krauss. 

W,    l^Volkenhauer 


Seite 

84 
231 

220 

'120 

230 

325 


Machek,  Ernst  v. 

Märtens,  Hermann 

Marold,  Ludck 

Mayer,  Benjamin  Wilhelm  [Kcmy] 

Maywald,  Carl  R.  v. 

Meissner,  Carl 

Merseburger,  Otto 

Meves,  Oskar 

Meier,  Hermann  Heinrich 

Meyer,  Conrad  Ferdinand 

Mollik,  Heinrich 

Montemezzo,  Antonio 

Montluisant,  Bruno,  Freiherr  von 

Müller,  Carl  Otto 

Müller,  Friedrich 


Criste 

—  r — 

//.  Holland 

R.  Hcubcrger 

Criste 

H,  Ellissen 

H.  Ellissen 

A.    Teichmann 

W.    Wolkenliaucr 

Adolf  Frey 

Criste 

H.  HoUand 

Wollanka 

A,    Teiihmann 

IV.   Wolkenlumer 


224. 
169 
164 
261 
220 

«53 
159 
130 
346 
42 
224 
182 
218 
128 

327 


Ncnwirth,  Theodor  v. 

Nitzsch,  Friedrich  August  Berthold 


Criste 
Kohlschmidt 


221 

250 


Oesterreich,  Franz  Ritter  v. 
Oesterlcin,  Nicolaus 
Otto,  Carl 


Criste 

Richard  Heubcrger 

//  A,  Lier 


220 

262 

341 


Paul,  Oskar 

Pirazzi,   Emil 

Polstorff,  Johann  Friedrich  Theodor 

Pokorny,  Alois  Ritter  v. 

Pressel,  Paul 

Proskowctz,  Max  Ritter  von 


H,  A,  Lier 

Ludwig  Fränkcl 

Kohlschmidt 

Criste 

R.   Krauss 


271 

245 

252 

220 

149 

66 


Reinwald,  Gustav 
Reiser  Joh.  B. 
Reiser,  Wilhelm  v. 
Reitzel,  Robert 
Ribbeck,  Otto 
Riecke,  Karl  Victor  v. 
Riess,  Richard  v. 
Rossbach,  Adolf 
Rossbach,  Georg  August 
Ruprecht,  Carl 


L.  Fränkel 
//  J/  Gietl 
Rud.  Krauss 
Karl  D.  Jessen 
Ricliard  Opitz 
E.  Blenck 
R.  Krauss 
H,  Ellissen 
Richard  Förster 
H,  Ellissen 


239 
224 

196 

165 

271 

59 

175 

133 

257 
164 


Inhalt. 


419 


Name 

Verfasser 

Säger,  Michael  v. 

H,  Holland 

Sandberger,  Fridolin  v. 

J.  Beckencamp 

Schmid,  Ludwig 

R.  Krauss 

Schmieder,  Conrad 

Schmitz,  Wilhelm 

Schönfeld,  Anton  Freiherr  v. 

Oskar  Criste. 

Schütze,  Wilhelm 

H,  Holland 

Schulenburg,  Hans  Graf  v. 

Criste 

Schulhoff,  Julius 

Richard  Heuberger 

Schulin,  Friedrich 

A,   Teichmann 

Schullerus,  Fritz 

Fr.    Teutsch 

Schultze,  Theodor 

A.  jyungst 

Seemann,  Theodor 

H,  A,  Lier 

Seidl,  Anton 

Richard  Heuberger 

Sombart,  Anton  Ludwig 

Werner  Sombart 

Sprinzl,  Josef 

Stransky,  Carl  v. 

Crbte 

Streccius,  Johannes 

0,  Elster 

Stricker,  Salomon 

E,  Albert 

Taschenberg,  Ernst  Ludwig 

H,  Simroth 

V.  Teichmann-Logischen 

0,  Elster 

Tomascheck,  Johann  Adolf  v.  Stratowa 

A.    Teichmann 

Toosbuy,  Wilhelm 

Joh,  Sass 

Turban,  Ludwig  Karl  Friedrich 

F.  V,   IVeech 

Ubbelohde,  August 

A.    Teichmann 

Unkart,  Gustav 

L,  Fr  linke  l 

Vautier,  Benjamin 

Paul  Schubring 

Vischer,  August 

F.  V,   PVeech 

Vogel,  Adolf  Bernhard 

H  A.  Lier 

Vogel,  Wilhelm  Hermann 

A,  AReihe 

Volkening,  August 

H.  Ellissen 

Waagen,  Ad  albert 

H.  Holland 

Waldow,  Alexander 

H  Ellissen 

Walli,  Anton 

F.  V.   IVeech 

Weber,  Heinrich 

H  Holland 

Werner,  Karl 

R.  AI    Werner 

Zeller,  Karl 

Richard  Heuberger 

Zimmermann,  Cuno  Moriz 

H.  A.  Lier 

Zimmermann,  Robert  v. 

Hugo  Spitzer 

Seite 

183 

121 
179 
230 
180 
214 

163 
217 

262 

148 

58 

U5 
265 

260 

253 
218 

220 

137 
53 

200 
104 

154 
332 
319 

158 
243 

222 

321 

342 

157 
168 

189 
167 
230 
191 
172 

261 
266 
202 


n.  AlpMbetisclies  Namenverzeichmss 


der 


Ergänzungen  und  Nachträge  zum 
Deutschen  Nekrolog  von  1896  und  1897. 


Name 

Baur,  Wilhelm 

Bjorksten,  Ferdinand 

Köhler,  August  Philipp 

Lommatzsch,  Siegfried 

Meier,  Ernst  Julius 

Meyer,  Victor 

Riehl,  Wilhelm  Heinrich  v. 

Sanders,  Daniel 

Schlecht,  Karl  August 

Schrauf,  Albrecht 

StJlhlin,  Adolf  v. 

Thoma,  Dr.  Antonius  v. 

Trautvetter,  Friedrich  Wilhelm 

Wymetal  (Wyl),  Wilhelm,  R.  v. 


Verfasser 

Kohlschmidt 

H.  Holland 

Kohlschmidt 

Kohlschmidt 

Kohlschmidl 

—/— 

Georg  V,  Mayr 

Franz  Brümnur 

Kohlschmidt 

Kohlschmidt 
Georg  Brückt 
Kohlschmidt 
L,  Fränkel 


Seite 

389 
387 
391 
392 

393 
386 

400 

384 
388 
386 

395 
381 
399 
3S1 


TODTENLISTE 


i896. 


i896. 


I.     Regenten  und  Familienmitglieder  regierender  Häuser. 


Anhalt:  Prinzessin  Friederike  Margarete 
Antoinette  Marie  Auguste  Agnes  Therese 
Elisabeth,  Hoheit,  Tochter  d.  Prinzen 
Eduard  v.  Anhalt  u.  seiner  Gemahlin 
Luise,  geb.  Prinzessin  v.  Sachsen-Alten* 
bürg,  •  zu  Dessau  ii.  I.  96;  f  ebenda 
18.  XI.  —  L  Goth.  Hof  kalender  1897, 
4.  1255.     III.  Ztg.  107,  653. 

Lippe:  V^erwittwete  Ftirftin  Elisabe'th,  geb. 
Prinzefsin  v.  Schwarzburg  -  Rudolstadt, 
vermählt  zu  Rudolstadt  17.  IV.  52  mit 
Leopold  Fürsten  v.  Lippe  (i.  IX.  21  — 
8.  XII.  75),  Durchlaucht,  Ehrendame  d. 
k.  bayer.  Therelien-Ordens,  *  zu  Rudol- 
stadt I.  X.  33;  f  zu  Detmold  27.  XI.  — 
L  BJ  II,  10*;  Goth.  Hofkalender  1897, 
44.  1898,  1259. 

Lippe  -  Biesterfeld  -  Weissenfeid :  E  g  m  o  n  t 
Axel  Bernhard  Philipp  Hermann  Viktor 
Graf  u.  Edler  Herr  zur  L.-B.W.,  k.  u. 
k.  Kämmerer,  österr.  Gen. -Major  im  Be- 
urlaubtenftande,  *  zu  Ratiboritz  10.  V.  41; 
t  zu  Pfaffstädt  22.  VII.  —  Sohn  d.  Grafen 
Oktavio  (*  6.  XI.  1808,  f  13.  H.  85)  u. 
dessen  erster  Gemahlin  Maria,  geb.  Gräfin 
von  Mengersen  (*  4.  VIII.  1809, 126.11.  63); 
verm.  zu  Wisowitz  in  Mähren  16.  IV.  79 
mit  Karola  Freiin  v.  Stillfried  u. 
Ratenic.  —  L  Goth.  Hofkalender  1896, 
49.    1897,  1255. 

Oldenburg:  Grossherzogin  Elisabeth 
Pauline  Alexandrine,  *  zu  Hildburghausen 
26.  III.  26;  f  zu  Oldenburg  2.  II. 
—  Dritte  Tochter  aus  d.  Ehe  d.  Herzogs 
Joseph  V.  Hildburghausen,  nachmaligen 
Herzogs  v.  Sachsen  -  Altenburg,  mit  d. 
Prinzessin  Amalie  v.  Württemberg,  ver- 
lobte sich  im  August  185 1  auf  Norderney 
mit  Peter  Erbgrosshcrzog  v.  Oldenburg; 
vermählt  zu  Altenburg  am   10.  II.  52:  seit 


27.  II.  53  Grossherzogin.  —  L  Goth.  Hof- 
kalender 1896,  66.  91.  1897,  1256;  111. 
Ztg.  106,  162  (P.  Witte).  —  P  111.  Ztg. 
106, 162 ;  Deutscher  Hausschatz  20,  Beil.,  36. 
Oesterreich :  Erzherzog  Albrecht  Salva- 
to  r  Maria  Joseph  Ferdinand  Karl  Leopold 
Anton  V.  Padua  Johann  Baptist  Januarius 
Aloys  Gonzaga  Rainer  Wenzel  Klemens 
Romanus,  k.  und  k.  Hoheit,  Rittmeister  im 
k.  u.  k.  Husaren-Regiment  Prinz  zu  Windisch- 
Grätz  Nr.  11,  ♦zu  Alt-Bunzlau  22.  XI.  71; 
t  zu  Gries  bei  Bozen  27.  II.  —  Jüngster 
Sohn  d.  Erzherzogs  Karl  Salvator  (* 
30.  IV.  39,  f  18. 1.  92),  Bruders  d.  Gross- 
herzogs Ferdinand  IV.  v.  Toscana,  aus 
dessen  Ehe  mit  Maria  Immaculata  Klemen- 
tine,  Prinzessin  beider  Sizilien  (•14.  IV.  44). 
—  L  Goth.  Hofkalender   1896,  64.    1897, 

1255- 
*  — :    Erzherzog    Karl     Ludwig     Joseph 

Maria,    *    zu    Schönbrunn    30.    VII.    33  ; 

f    zu   Wien     19.  V.:    s.    BJ  II,    444.   — 

L  BJ  II,  7  ♦.      Goth.   Hofkalender  1896, 

59.  1897,  1255;  111.  Ztg.  106,  665  (mitP); 

Deutscher    Hausschatz    20,    Beil.,  51    (A. 

Pichler,   mit  P);   Militär- Wochenbl.  1896, 

1313.  2267;   Hahn,  Reichsraths-Almanach 

1891,  58. 

♦Preussen:  Prinz  Friedrich  Wilhelm  Ludwig 
Alexander,  ♦  zu  Berlin  21.  VI.  20; 
f  ebenda;  4.  I.:  s.  BJ  I,  418.  —  L  BJ  II, 
I  ♦;  m.  Ztg.  106,83  (P.  Lindenberg);  Goth. 
Hofkalender  1896,  73.  1897,  1255;  Militär- 
Wochenbl.  1898,  35.  —  P  111.  Ztg.  106,  83. 

Reuss  j.  Linie:  Prinzessin  Kar ol ine,  geb. 
Gräfin  v.  Stolberg- Wernigerode,  zweite 
Gemahlin  d.  Prinzen  Heinrich  LXIII. 
(18.  VI.  1786  —  27.  IX.  1841),  ♦  zu  Gedern 
16.  XII.  1806;  f  auf  ihrem  Wittwensitz 
Schloss  Stonsdorf  in  Schlesien  26.  VIII; 

a* 


^*      Todtenliste  1896:  I.  Regierende  Häuser.  II.  Standesherrl.,  Fürstl.  u.  Grad.  Familien.     8* 


verin.  11.  V.  28.  —  L  Goth.  Hofkalender 

1896,  78.    243.      1897,    1256.     1258;   111. 
Ztg.  107,  273. 

Waldeck  u.  Pyrmont:  Prinzessin  Agnes 
Franziska,  geb.  Gräßn  Teleki  v.  Szek,  ver- 
mählt 2.  IX.  33  mit  Prinz  Hermann  (12.  X. 
1809  —  6.  X.  76),  ♦  zu  Schloss  Saromberke 
in  Siebenbürgen  2.x.  14;  t  zu  Pest  15.  (nicht 
17.)  II.  —  L  Goth.  Hofkalender  1896,  108. 
1 897, 1256;  Graf  1.  Taschenbuch  1 896, 1 1 57. 

1897,  I3I7-  —  AM. 

♦  Württemberg :  Herzog  Wilhelm  Nikolaus, 
k.  Württemberg.  General  d.  Infanterie 
u.  k.  u.  k.  Feldzeugmeister,  Militär- 
schriftsteller,  *  zu  Karlsruhe  in  Schlesien 


20.  VII.  28;  t  zu  Meran  5.  (nicht  6.) 
XI.:  s.  BJ  I,  88  —  L  BJ  II,  54  • 
(Das  Buch  von  Magirus  [mit  Portr.]  ist 
recensirt:  Schwab.  Kronik  1897,  2167, 
Lit.  Beil.  z.  Staatsanz.  f.  Württemb.  1897; 
1659;  Wiener  Ztg.  1897,  No.  255);  (Stuttg.) 
N.  Tagebl.  1897,  No.  259;  IlL  Ztg. 
107,  382;  (MUnch.)  Allg.  Ztg.  1897  No. 
750  (Arnold).  Allg.  D.  Biogr.  43,213  (F. 
Ilwof);  Wurzbach  58,258;  v.  Löbell's 
Jahresberichte  Üb.  d.  Veränderungen  u. 
Fortschritte  im  Militärwesen  23,601  (B. 
P[oten]).  —  P  Ausser  bei  >Magirus«  111, 
Ztg.  106,382. 


II.     Mitglieder  standesherrlicher,  fürstlicher  u.  gräflicher  Familien*. 


Attems:  Graf  Alexander  Kajetan,  k.  u. 
k.  Kämmerer,  Geh.  Rath,  Feldmarschall- 
Leutnant  a,  D.,  Obersthofmeister  d.  Erz- 
herzogin Maria  Immaculata,  *  17.  VII.  14; 
f  zu  Baden  b.  Wien  13.  IX.  —  L  Gräfl. 
Taschenbuch  1896,  55.  1897,  1304;  Wurz- 
bach 1,82.  —  KA. 

Battenberg:  Prinz  Heinrich  Moritz,  k. 
grossbrit.  Oberstleutnant,  Gouverneur  u. 
Generalkapitän  d.  Insel  Wight  u.  Gouverneur 
V.  Schloss  Carisbrooke,  Privy  Cauncillor 
etc.,  durch  Patent  d.  Königin  v.  Gross- 
britannien V.  23.  VII.  85  *Kgl.  Hoheit«, 
•  zu  Mailand  5.  X.  58 ;  f  20.  I.  —  Dritter 
Sohn  d.  Prinzen  Alexander  v.  Hessen  u. 
bei  Rhein  (15.  VII.  23  —  15.  XII.  88) 
u.  dessen  morganat.  Gemahlin  Julie 
Gräfin  v.  Hauke  (12.  XI.  25  —  18. IX.  95); 
erzogen  zu  Schnepfcnthal  in  Thüringen  u. 
in  d.  Kadettenanstalt  zu  Dresden;  Leutnant 
im  I.  k.  Sachs.  Husaren-Regiment  zu 
Grossenhain ;  vermählt  am  23.  VII.  85  zu 
Osborne  mit  Prinzessin  Beatrice  v.  Gross- 
britannien u.  Irland;  seitdem  in  engl. 
Diensten;  zahlreiche  Reisen;  schiffte  sich 
am  7.  XII.  95  mit  d.  gegen  d.  Aschantis 
ausgerüsteten  Expedition  ein,  erkrankte, 
unterbrach  die  Reise  u.  starb  auf  d.  Fahrt 
nach  Madeira  an  Bord  d.  Kreuzers 
«Blonde«.  —  L  Goth.  Hofkalender  1897, 
281.  1259;  111.  Ztg.  106,  136.  143.  — 
P  III.  Ztg.   106,   143. 

*  Berchem-Haimhausen :  Graf  H  a  n  s  -  FI  r  n  s  t 
Sigismund  Johanna,  Herr  auf  Kuttenplan 
im  Kr.  Kger,  k.  u.  k.  Kämmerer,  *  20.  IX.  23; 
j-  zu  München  13.  (nicht  18.)  VI.  Mit 
seinem  Tode  ist  diese  Linie  erloschen: 
s.  HJ  I,  22,  —  L  BJ  II,  3  •;  Gräfl.  Taschen- 


buch 1896,  102.  1897,  1305;  Leopoldina 
32,134.  —  KA. 

Blankensee-Fircks:  Graf  Friedrich  Paul 
Guido  Clothar,  Herr  auf  Altgörzig  im 
Kr.  Birnbaum  u.  Feldkirch  im  Grossh. 
Baden,  *  18.  V.  24  als  Sohn  des  2.  IL  62 
f  Wilhelm  Freiherrn  v.  Fircks,  vermählt 
]6.  IV.  57  zu  Berlin  mit  Marie  Gräfin 
V.  Blankensee  (30.  IX.  34  —  13,  IX.  84), 
succedirte  deren  Vater,  dem  Grafen  Georg 
V.  Blankensee  (f  14.  VII.  67),  im  Besitz 
d.  1860  errichteten  Gräflich  Blanken- 
see'schen  Fideikommisses ;  j*  zu  Berlin 
12.  III.  Mit  seinem  Tode  ist  dieses  Haus 
im  Gräfl.  Stamme  erloschen.  —  L  Gräfl. 
Taschenbuch  1896,  131.  1897,  1305  —  KA. 

Carolath  -  Beuthen :  Prinzessin  K  a  r  o  1  i  n  e 
Auguste  Eleonore  Friederike  Henriette, 
*  zu  Saabor  in  Schlesien  27.  VI.  45 ; 
f  daselbst  29.  IL  —  L  Goth.  Hofkalender 
1896,  324.    1897,  1259;  111.  Ztg.  106,  307. 

♦Chotek  V.  Chotkowa  u.  Wognin;  Graf 
Bohuslaw,  Herr  d.  Herrschaft  Ciwitz  in 
Böhmen,  k.  u.  k.  Kämmerer,  Geh.  Rath  u. 
Oberststabelmeister,  Mitgl.  d.  Herrenhauses 
d.  Österreich.  Reichsrathes  auf  Lebenszeit, 
ausserordentl.  Gesandter  am  k.  sächs.  etc. 
Hofe,  •  4.  VII.  1829  nicht  (1839);  f  zu 
Görlitz  II.  X.:  s.  BJ  I,  131.  —  L  BJ  II, 
7*;  Gräfl.  Taschenbuch  1896,  22$.  1897, 
1306;  Hahn,  Reichs raths-Almanach  1891, 
21.  —  KA. 

Daun :  Graf  W 1  a  d  i  m  i  r ,  k.  u.  k.  Kämmerer, 
Fcldmarschall-Lieutnant  a.  D.,  *  11.  VIL 
1812;  t  zu  Wien  18.  IIL  —  L  Gräfl. 
Taschenbuch  1896,  257.  1897,  '3o6  ^* 
—  KA. 

Dunin -Borkowski  von  Gross-Skrzynno    u. 


*  Nur  die  Verstorlicnen  aus  den  standesherrlichen  und  fürstlichen  Familien  sind  hier 
nach  Möglichkeit  vollzählig  aufgeführt. 


Todtenlistc  1896:  II.  Standesherrl.,  Fürstl.  und  Gräfl.  Familien. 


10' 


Borkowice:  Graf  Alexander  (Lcszek) 
Ferdinand  Vincenz  Franz,  Herr  auf 
Krzywczyce  im  Lemberger  Kreise,  Präsi- 
dent d.  Gesellschaft  d.  schönen  Künste  in 
I^emberg,  Österreich.  Reichstagsabg.  im 
Jahre  1848,  •  zu  Grödek  11.  I.  11;  f  zu 
Lemberg  30.  XI.  —  L  Gräfl.  Taschenbuch 
1897.  157-     1898,  1244. 

Dyhrn:  Graf  Konrad  Johannes  Deodatus, 
Freiherr  zu  Schönau,  Majoratsherr  auf  d. 
FideikommissherrschaftReesewitz  im  Kreise 
Gels  in  Schlesien,  erbl.  Mitgl.  d.  preuss. 
Herrenhauses,  *  zu  Reesewitz  24.  IX.  43 ; 
t  daselbst  18.  VI.  Mit  seinem  Tode  ist 
dieses  Gräfl.  Haus  im  Mannesstamm  er- 
loschen. —  L  Gräfl.  Taschenbuch  1896, 
302.  1897,  1307;  111.  Ztg.  106,  791. 
107,11. 

Flemming:  Graf  Tham  Hasse,  Herr  auf 
Benz,  Basenthin  etc.,  Erblandmarscliall 
V.  Hinterpommern ,  Generallandschafts- 
rath  d.  pommerschen  Landschaft,  *  zu 
Benz  3.  VIII.  38;  f  daselbst  3.  VI.  — 
L  Gräfl.  Taschenb.  1896,  357.  1897,  1308. 

Fugger  von  Kirchberg  und  Weissenhorn: 
Graf  Friedrich,  k.  bayer.  Ministerialrath 
a.  D. ,  Gross-Komthur  ad  hon.  d.  bayer. 
St.-Georg-Ordens,  *  zu  Kirchberg  29.  III. 
1825;  t  *"  Mailand  i.  VI.  —  L  Goth. 
Hofkalender  1897,   1256. 

*  Fürstenberg:  Karl  Egon  Maria  Friedrich 
Emil  Kaspar  Heinrich  Wilhelm  Kamill  Max 
Ludwig  Viktor  Fürst  zu  Fürstenberg, 
Landgraf  in  d.  Baar  u.  zu  Stühlingen 
etc.,  Haupt  d.  fUrstl.  Gcsammthauscs 
Fürstenberg,  erbl.  Mitgl.  d.  preuss.  Herren- 
hauses, d.  Württemberg.  Kammer  d.  Standes- 
herren u.  d.  bad.  Ersten  Kammer,  Oberst- 
marschall d.  Königs  vonPreusscn,  k.  preuss. 
Major  ä  la  suite  d.  Armee,  Mitgl.  d.  Deut- 
schen Reichstages,  ♦  zu  Kruschowitz  (nicht 
Kruschwitz)  in  Böhmen  25.  VIII.  52 ;  f  «u 
Schloss  Bruttan  b.  Nizza  27.  XL:  s.  BJ  I, 
393.  —  L  BJ  II,  14*;  111.  Ztg.  107,  733; 
Goth.  Hof kalender  1897,  142.  1898,  1261: 
weitere  Litt,  s.:  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d. 
Oberrheins  51,552.  —  P  Dl.  Ztg.  107,  733 
(nach  Photogr.). 

— :  Vincenz  Egon  Landgraf  zu  Fürsten- 
berg, in  d.  Baar  u.  zu  Stühlingen, 
k.  u.  k.  Kämmerer,  •  zu  Weitra  31.  VII.  47  ; 
f  zu  Schloss  Ennsegg  25.  XII.  —  L  Goth. 
Hofkalender  1897,  I44'    1898,  1261. 

GoSss:  Gräfin  Maria,  geb.  Gräfin  v. 
Welsersheimb,  Schwester  d.  Ministers  f. 
Landesvertheidigung  Grafen  Zeno  v.  W., 
k.k.  Geh.  Rathsfrau,  nach  einander  Oberst- 
hofmeisterin   d.   Erzherzogin   Margarethe, 

1.  Gemahlin  d.  Erzherzogs  Karl  Ludwig, 
(seit  1856),  d.  Erzherzogin  MariaAnnunziata, 

2.  Gemahlin   d,  Erzherzogs  Karl  Ludwig, 


(seit  1862),  u.  d.  K<iiserin  Elisabeth  v.  Oester- 
reich-Ungam(seit  187 1),  *  zu  Graz  6.  V.24; 
t  zu  Wien  4.  XII.  —  L  Gräfl.  Taschenb. 
1897,  392.  1208.  1898,  1246;  111.  Ztg. 
107,  734. —  P  V.  Prinzhofer  1853,  zu  Schloss 
Gradisch  in  Kärnthen.  —  PM. 

Harrach:  Graf  Ernst  Ludwig  Karl  August 
Herr  auf  Klein-Krichen  im  Kr.  Lüben  in 
Schlesien,  k.  preuss.  Leutnant  a,  I).,  NefTc 
d.  t  Fürstin  v.Liegnitzund  jüngeren  Bruder 
d.  Malers  Ferdinand  Grafen  v.  H. ,  *  zu 
Krolkwitz  im  Kr.  Breslau  20.  VI.  45 ;  f  zu 
Klein-Krichen  10.  VI.  —  L  Goth.  Hof- 
kalender 1896,  147.  1897,  1256;  Hl.  Ztg. 
106,  758. 

— :  Gabriele,  geb.  Gräfin  zu  Khevenhüller- 
Metsch,  •  zu  Frohnsburg  in  Nieder-Ocster- 
reich  15.  XI.  74;  vermählt  zu  Wien  29.  V. 
95  mit  Franz  Grafen  v.  Harrach;  f  zu 
Baden  b.  Wien  12.  IX.  —  L  Goth.  Hof- 
kalender 1896,  146.     1897,    1256. 

Hohenlohe  -  Waidenburg  -  Schillingsfürst 
(Aelterc  Linie  in  Waldcnburg):  Prinzessin 
Maria  Polyxena  Viktoria  Franziska, 
Tochter  d.  Prinzen  Chlodwig  aus  dessen 
I.  Ehe  mit  Franziska  Gräfin  v.  Esterhazy, 
•  zu  Sagh  17.  VIII.  83;  t  daselbst  23.  XIL 
—  L  Goth.  Hofkalender  1897,  155.  1898, 
1262. 

*  — :  (Jüngere  Linie  in  Schillingsfürst):  Prinz 
Konstantin  Viktor  Ernst  Kmil  Karl 
Alexander  Friedrich,  k.  u.  k.  Geh.  Rath  u. 
Kämmerer,  Erster  Obersthofmeister  Sr. 
Apostol.  Majestät,  General  d.  Kavallerie, 
Mitgl.  d.  Herrenhauses  d.  Oesterrcich. 
Reichsraths  auf  Lebenszeit,  *  zu  Wildck 
(nicht  Rotenburg  a.  d.  Fulda)  8.  (nicht  28.) 
IX.  28;  t  14.  n.  zw  Wien:  s.  BJ  I, 
176.  —  LBJ  II,  20*,-  Goth.  Hof  kalender 
1896,  157.  1897,  1257;  111.  Ztg.  106,255 
mit  P  (nach  Photogr.);  Hahn,  Reichsraths- 
Almanach   1891,  52;  Wurzbach,  9,  202. 

— :  Prinz  Egon  Karl,  k.  u.  k.  Kämmerer 
u.  Rittmeister  a.  D.,  seit  1893  Präsident 
d.  Verwaltungsraths  d.  k.  u.  k.  privil. 
Südbahn-Gcsellschaft,  seit  1895  Abg.  d. 
Stadt  Görz  im  Reichsrath,  *  zu  Venedig 
3.  II.  53;  f  zu  Gürz  10.  IX.  —  L  Goth. 
Hofkalcndcr  1896,  155.     1897,  1256. 

♦  — :  Prinz  Gustav  Adolf,  Dr.  theol. , 
Cardinalpriester,  Erzpriester  v.  Santa 
Maria  Maggiore,  *  zu  Rotenburg  an  d. 
Fulda  26.  II.  23;  f  zu  Rom  30.  X.:  s.  BJ 
I,  449.  —  L  BJ  II,  19*;  111.  Ztg.  107, 
546;  Deutsche  Revue  XXII,  i,  321  (v. 
Schulte);  ebenda  S.  97  (L.  v.  Kobell,  Fürst 
Chlodwig  u.  Kardinal  G.  A.  v.  H.);  Goth. 
Hof  kalender  1896,  157.  1897,1256;  Zeit- 
bilder. Illustr.Beil.z.  »Pfalz.  Presse«.  1896, 
318  (m.  P).  —  P  auch  111.  Ztg.  107,  546. 

— :    Egon    Moritz,    Prinz    v.     Ratibor    u. 


1 1 


« 


Todtenlistc  1896:  Tl.  Standesherrl.,  FttrsU.  u,  Gräfl.  Familien. 


12' 


Corvcy,  Besitzer  d.  Domäne  Herbsicben 
b.  Gotha,  k.  preuss.  Major  a  la  suite  d. 
Ulanen-Regiments  v.  Katzler  No.  2.  Erster 
KlUgeladjutant  d.  Herzogs  Alfred  v, 
Sachsen-Coburg  u.  Gotha  u.  beauftragt 
mit  d.  Leitung  d.  Herzogl.  Sachs.  Ober- 
hofmarschallamts,  *  zu  Räuden  4.  I.  53: 
t  zu  Gotha  10.  IL  —  L  Goth.  Hofkalender 
1896,  158.     1897,  1257. 

♦  Heyes:  Rudolf  Graf,  k.  u.  k.  Kämmerer, 
Besitzer  d.  Herrschaft  Lauterbach  im 
preuss.-schles.  Kr.  Bolkenhain,  Dichter  u. 
Kunstfreund,  *  zu  Hörn  9.  XL  21; 
f  auf  Schloss  Lauterbach  8.  XL:  s.  BJ  L 
142.  —  L  II,  20  •;  Gräfl.  Taschenbuch 
1896,  491.   1897,   1309. 

Khevenhüller-Metsch :  Graf  AI  big  Maria 
.  Johann  Karl,  Majoratsherr  d.  Güter  in 
Hohen-Ostrowitz  in  Kärnten  u.  Pellendorf 
in  Nieder-Oesterreich,  k.  u.  k.  Kämmerer 
u.  Major  a.  D.,  *  zu  Schloss  Thalheim 
19.  XL  14;  t  zu  Graz  14.  IX.  —  L  Goth. 
Hofkalender  1896,  165.     1897,  1257. 

—  :  Gräfin  Eleonore  Franziska  Rudolfine 
Maria,  •  4.  X.  95 ;  f  27.  XL  —  L  Goth. 
Hofkalender  1898,  1262. 

Khuen  von  Belasi:  Eduard  Graf,  Herr 
auf  Schloss  Gandegg,  k.  u.  k.  Kämmerer 
u.  Oberleutnant  a.  D. ,  Liebhaber  von 
Kunst  u.  Wissenschaft,  *  zu  Bozen 
17.  X.  47;  t  zu  Gandegg  23.  IIL  —  L 
111.  Ztg.  106,  437;  Gräfl.  Taschenbuch 
1896,  544.     1897,  1309. 

Kielmannsegg:  Graf  Oswald  August 
Ernst  Adolf  Karl,  Herr  d.  ehemal.  Gräfl. 
Wallmoden-Gimbornschen  Güter  Heinde, 
Walshausen  u.  ühry  in  d.  Prov.  Hannover, 
k.  u.  k.  Kämmerer  u.  Feldmarschall- 
Leutnant,  zugetheilt  zur  Dienstleistung 
dem  Herzog  v.  Cumberland,  •17.  VII.  38 
(nicht  44);  f  im  herzogl.  Jagdhause 
Schrattenau  24.  IX.  —  L  111.  Ztg.  107,429; 
Gräfl.  Taschenbuch  1896,  546.  1897,  1308. 

Kinsky:  Graf  Oktavian  Joseph,  Fidei- 
kommissherr  u.  erbl.  Mitgl.  d.  Herren- 
hauses d.  Österreich.  Reichsraths,  Oberst- 
Erblandhofmeister  in  Böhmen,  k.  u.  k. 
Kämmerer  u.  Geh.  Rath,  *  13.  IIL  13; 
t  zu  Chlumetz  28.  V.  —  L  Gräfl. 
Taschenbuch  1896,  550.  1897,  1310;  Hahn, 
Reichsraths -Almanach  1891,  62;  Wurz- 
bach II,  482.  —  KA. 

Leiningen  -  Neudenau:  Emich  Karl 
W^enzcslaus  Graf  zu  Leiningen,  Herr  zu 
Neudenau  u.  Herbolzheira  etc.,  erbl.  Mitgl. 
d.  I.  bad.  Kammer,  k.  preuss.  Hauptmann 
a  la  suite  d.  Garde-Füsilier-Reg.  u.  ordentl. 
Mitgl.  d.  Gewehrprtifungscommission,  *  zu 
Heidelberg  31.  VIL  55;  t  zu  Spandau 
15.  VIII.  —  Sohn  d.  Grafen  August 
Klemcns  (20.  I.  1805  —  5.  V.  62)  u.  dessen 


Gemahlin  Marie,  geb.  Freiin  v.  Geusau 
(2.  IV.  29  —  20.  VIL  91),  tritt  infolge 
Familienvertrags  vom  16.  23.  IIL  76  in 
d.  Besitz  d.  Standesheirschaft.  —  L  Goth. 
Hofkalender  1896, 170.  1897,1257;  Militär- 
Wochenbl.  1896,  2644. 
Lippe  -  Falkenflucht:  Graf  Ernst  Karl 
Kasimir,  k.  Württemberg.  Generalmajor  a.D., 
zuletzt  Kommandeur  d.  Ulanen-Regiments 
Nr.  20,  *  28.  VI.  30;  f  zu  Stuttgart  20.  X. 

—  L  Gräfl.  Taschenbuch  1896,  652.  1897, 
131 1 ;  111.  Ztg.  107,  515;  Militär-Wochenbl. 
1897,  96. 

Löwenstein  -  Wertheim  -  Rochefort  oder 
-Rosenberg:  Prinzessin  Marie  Agnes 
Eulalie  Adelheid  Michaela  Johanna  Leo- 
poldine  Sophie  Elisabeth,  Benediktinerin 
in  d.  Abtei  Ste-Cecile  zu  Solesmes,  ♦  zu 
Kleinheubach  20.  IL  61 ;  f  zu  Solesmes 
2.  VIL  —  L  Goth.  Hofkalender  1896. 
181.  1897,  1257. 

Face:  Graf  Wilhelm  Paul  Eugen,  Freih. 
V.  Friedensberg,  Mitgl.  d.  Herrenhauses 
d.  Österreich.  Reichsraths  auf  Lebenszeit, 
vormals  Landeshauptmann  d.  geftirsteten 
Grafschaft  Görz  u.  Gradisca,  *  15.  IIL  19; 
f  zu  Tapogliano  in  Friaul  21.  III.  —  L 
Gräfl.  Taschenbuch  1896,  807.  1897,  1313; 
Hahn,  Reichsraths-Almanach  1891,  81.  — 
KA. 

Perponcher-Sedlnitzky :  Graf  Henri  Georg 
Hans  Ludwig,  k.  preuss.  Premierlieut.  a.  D., 
Lieutnant  d.  kaiserl.  Schutztruppe  f. 
Deutsch  -  Ostafrika,  *  zu  Gross-Gandem 
im  Kr.  Stemberg  16.  IX,  60;  f  zu  Tabora 
in  Afrika  5.  1.  —  Trat  1891  aus  d.  aktiven 
Heere  u.  nahm  an  einer  Expedition  unter 
Fuhrung  d.  Hauptmanns  Langfeld  nach  d. 
Viktoria -See  theil;  1894  trat  er  in  d. 
Kaiserl.  Schutztruppe  über.  —  L  Gräfl. 
Taschenbuch  1896,  823.  1897,  131 3;  Mili- 
tär-Wochenbl.   1896,    1423.      1897,    131 3. 

—  PM. 

*  Pfeil-Burghausz :  Graf  Friedrich  Ludwig, 
Fideikommissherr  auf  Laasan  etc.,  erbl. 
Mitgl.  d.  preuss.  Herrenhauses,  •  zu  Pil- 
gramsdorf  b.  Glogau  19.  IIL  1803;  f  zu 
Hirschberg  i.  I:  s.  BJ  I,  212.  —  L  BJ  II, 
34  •;   Gräfl.  Taschenbuch  1896,  826.  1897, 

13x3. 
Porcia:     Ferdinand    Fürst    Porcia,    Graf 

v.  Ortenburg,  Mitterburg,  Porcia  u. 
Brugnera,  Oberst  -  Erblandhofmcister  d. 
gefürsteten  Grafschaft  Görz,  erbl.  Mitgl. 
(i.  Österreich.  Herrenhauses,  Herr  d. 
Herrschaften  Spittal,  Afritz,  Oberdrauburg 
etc.  in  Kärnten,  *  zu  Bozzoli  11.  X.  34; 
t  zu  Spittal  20.  IV,  —  L  Goth.  Hof- 
kalender 1895,  483.  1897,  1261;  Hahn, 
Reichsraths-Almanach  1891,  82. 
— ;  Fürstin  Rosalie,  geb.  Klein,  *  zu  Bu- 


13' 


Todtcnliste  1896:  II.  Standesherrl.,  Fürstl.  u.  Gräfl.  Familien. 


14^ 


dapest  .  .  .;    f   ***   Spittal    16.  IV.    —    L 
Goth.  Hofkalender  1897,  1261. 

Pückler-Limpurg:  Graf  Karl  Franz  Adal- 
bert  Friedrich,  Besitzer  d.  Schlosses  zu 
Obersontheim  in  Württemberg,  ♦  zu  Gail- 
dorf   30.    XI.    55;     f    zu    Obersontheim 

.  29.  IV.  —  Vermählt  16.  II.  87  mit  Elise 
Uhl  (♦  zu  Obersontheim  9.  III.  63),  ver- 
zichtete 23.  V.  90  auf  seine  Stellung  als 
Stammeshaupt  u.  auf  d.  Mitbesitz  sämmt- 
lieber  Familienbesitzungen  zu  Gunsten 
seines  Oheims  Friedrich  (7.  XII.  26  — 
30.  VII.  93).  —  L  Goth.  Hof  kalender  1896, 
193.  1897,  *93'  1257.  1898,  1262;  111. 
Ztg.  106,  601. 

Radziwill:  Verwittw.  Fürstin  Mathilde, 
geb.  Gräfin  v.  Clary  u.  Aldringen, 
Tochter  d.  Fürsten  Karl  Joseph  v. 
Clary  u.  Aldringen,  •  13.  I.  1806;  ver- 
mählt mit  d.  Fürsten  Wilhelm  zu  Teplitz 
4.  VI.  32;  f  zu  Berlin  4.  XL  —  L  Goth. 
Hof  kalender  1896,  449.  1897,  1261.  —  KA. 

Ratibor  und  Corvey:  s.  Hohenlohe-Walden- 
burg-SchillingsfUrst  (Jüngere  Linie). 

Rechteren-Limpurg :  Graf  Joachim  Adolf 
Zeijer,  ♦  zu  Rechteren  10.  VIIL  30;  f  im 
Haag  22.  IL  —  L  Goth.  Hof  kalender  1896, 
201.     1897,  1257. 

*  Schlabrendorf-Seppau:  Graf  Alfred 
Heinrich  Friedrich  Ernst  Otto,  Fidci- 
kommissherr,  Erb  -  Oberlandbaudircktor 
V.  Schlesien  mit  d.  Prädikat  »Excellenz«, 
Mitgl.  d.  preuss.  Herrenhauses  auf  Lebens- 
zeit, •  7.  XL  29;  f  zu  Scppau  3.  (nicht  4.) 
VII:  s.  BJ  I,  220.  —  L  BJ  II,  38*;  111. 
Ztg.  107,  41 ;  Gräfl.  Taschenbuch  1896, 
989.     1897,  131 5. 

Schönburg  -  Hartenstein:  Fürst  Joseph 
Alexander  Heinrich  Otto  Paul  Friedrich, 
erbl.  Mitgl.  u.  i.  Vizepräsident  d.  Herren- 
hauses d.  österr.  Reichsraths,  k.  u.  k. 
Wirkl.  Geh.  Rath  u.  Kämmerer,  ausser- 
ordentl.  Gesandter  u.  bevollmächtigter 
Minister  i.  D.,  *  zu  Wien  5.  III.  26;  f  da- 
selbst I.  X.  —  L  111.  Ztg.  107,  429; 
Goth.  Hofkalender  1896,  223.  1897,  1257. 
Hahn,  Reichsraths -Almanach  1891,  94; 
Wurzbach  21,   146. 

Schwerin:  Graf  Wilhelm  Stanislaus  Her- 
mann, Herr  auf  Fürstenwerder,  Hilde- 
brandshagen etc.,  sowie  auf  Göhren  u. 
Georginenau,  k.  preuss.  Kammerherr  u. 
Lieutnant  a.  D.,  grosshgl.  Mecklenburg- 
Strelitz.  Hofmarschall,  ♦  zu  Wolfshagen 
in  d.  Uckermark  6.  III  27;  f  zu  Berlin 
8.  III.  --  L  Gräfl.  Taschenbuch  1896,  1035. 

1897,   1315-  ~  PM. 
Solms-Teckienburg:      Graf    Arthur,     k. 
Sachs.  Gerichtsamtmann  a.  D.,  *  zu  Sachscn- 
feld  20.  VI.  1808;  t  zu  Dresden  15.  I.  - 
h  Goth,  Hof  kalender  1896,  237.  1897, 1258. 


Solms- Laubach:  .   Gräßn     Klara     Ottilie 
Karoline     Ida    Auguste,     *    zu    Laubach 
30.  L  39;   t   zu    Strassburg  i.   E.   i.    XL 
—  L  Goth.  Hof  kalender  1896,  236.  1897, 
1258.  —  PM. 
Spaur  und  Flavon:  GrafMaximilian,  Herr 
auf  Landeck,  k.  u.  k.  Kämmerer,    Haupt- 
mann   d.  Reserve  d.  Tyroler  Kaiserjäger, 
einer    d.   hervorragendsten    Sportsmänner 
Oesterreichs,  *  5.  VII.  34;  f  zu  Graz  14. 
VL  —  L  Gräfl.  Taschenbuch  1896,  1080. 
1897,   13 16;  Wurzbach  36,  88  Stammtafel 
IV.  —  KA. 
•  Stolbcrg-Wcrnigerode:    Otto  Fürst    zu, 
Graf  zu  Königstein,  Rochefort,  Wernigerode 
u.  Hohnstein,  Herr  zu  Eppstein,  Münzen- 
berg etc.,  erbl.  Mitgl.   d.  preuss.  Herren- 
hauses   u.    dessen  Präsident,    auch  Mitgl. 
der    I.    hess.    Ständekammer,    k.    preuss. 
General  d.  Kavallerie  a  la  suite  d.  Armee, 
Kanzler    d.  Schwarzen  Adlerordens,    *  zu 
Gedern     in     Hessen    30.    X.    37;     f    zu 
Wernigerode    19.  XL:    s.  BJ  II,    425.  — 
L  BJ  II,  41   •;    O,   Friedel,    Fürst  O.  zu 
St.-W.    Gymn.-Progr.   Wernigerode  1897; 
111.   Ztg.    107,    663;    Goth.    Hof  kalender 
1896,  242.     1897,    1258.    —    P  s.  BJ  II, 
434.     lU.  Ztg.   107,  663. 
— :    Gräfin    Elisabeth,     geb.     Gräfin    v. 
Stolberg-Rossla,  *  zu  Ortenberg  in  Hessen 
28.   XI.    17;     vermählt     11.   XL   35    mit 
Wilhelm  Grafen  v.  Stolberg -Wernigerode 
t  zu  Dresden   6.    XL    —    L    Goth.  Hof- 
kalender 1896,  245.    253.    1897,  1258. 
Stubenberg:      Graf    Joseph,      Herr    auf 
Gutenberg-Stubegg  etc.,  Oberst- Erbland - 
mundschenk     in     Steiermark,     k.     u.     k. 
Kämmerer,   *  zu  GTraz  31.  IIL  24;   f    zu 
Meran  23.   L    —    L    Gräfl.  Taschenbuch 
1896,   1x27.     1897,   1316.  —  PM. 
—  :    Graf   viTolfgang,    Sohn    d.     vorigen, 
k.    u.    k.     Kämmerer,     Landtagsabg.     in 
Steiermark,    *  zu  Wien    9.  VI.   57;    f    zu 
Wieden  24.  X.    —   L  A.  a.  O.  —  PM. 
Szembek :  Graf  Peter,  Herr  auf  Siemianice 
im  Kr.  Kempen,  Mitgl.  d.  Provinzialland- 
tags  d.  Provinz  Posen,  187 1—^74 Mitglied  d. 
deutschen  Reichstags  f.d.  Wahlkr.  Adclnau- 
Schildberg  (Pole),  *  zu  Siemianice  16.  IV. 
43;  f  daselbst  15.  V.  —  L  Gräfl.  Taschen- 
buch 1896,  II 39.   1897,   131 7;  Schönfcld, 
Notizbuch  f.  Reichstagswähler  ^  86. 
Thurn  und   Taxis:    Prinzessin    Karoline 
Julie    Amalie    Eugenie   Thcrese,    Tochter 
d.    Prinzen     Maximilian     Karl    Friedrich 
(31.  X.  31   —   10.  VI.  90)   aus   dessen  Ehe 
mit   Eugenie    de  Tascher    de    la    Pagerie 
(*  23.  XL  39),    Stiftsdame    d.    k.    bayer. 
St.    Annen-Ordens    zu    Würzburg,    ♦    zu 
Ottobeucrn  8.  XL  62 ;  f  zu  Neuburg  a.  D. 
6.  XL    —    L  111.  Ztg.   107,    621;    Goth. 


15*    Todtenliste  1896:  II.  Standeslierrl.,  Fürstl.  u.  Gräfl.  Familien.  III,  i.  Hofbcarate.    16* 


Hofkalender  1896,  257.  1897,  1258.  1898. 
1263. 

*  TrauttmansdoriF  (nicht  Trauttmannsdorfi) : 

Graf  Ferdinand,  k.  u.  k.  Geh.  Rath  u. 
Oberst-Kämmerer,  Präsident  d.  Österreich. 
Herrenhauses,  ♦  zu  Wien  27.  VI.  25; 
t  auf  Schloss  Friedau  b.  St.  Polten 
12.  XII.:  s.  BJ  I,  132.  —  L  BJ  II,  43  ♦; 
Goth.  Hofkalender  1897,  259.  1898,  1263; 
Hahn,  Reichsraths-Almanach  1891,  108; 
Deutscher  Hausschatz  (mit  P);  Wurzbach 
47,  82. 

*  Vrints  zu  Falkenstein :  Graf  Maximilian 

Theobald  Joseph,  Fideikommissherr  u. 
erbl.  Mitgl.  d.  Herrenhauses  d.  Österreich, 
Keichsraths,  k.  u.  k.  Kämmerer,  Geh.-Rath, 
vormals  ausserordentl.  Gesandter  u.  be- 
vollmächtigter Minister  zu  Kopenhagen  u. 
Brüssel,    ♦  4.  II.   1802;    f    zu   Poisbrunn 

10.  (nicht  II.)  VI:  s.  BJ  I,   132.  —  L  BJ 

11,  44*,'  Gräß.  Taschenbuch  1896,  1211. 
1897,  131 7.  Hahn,  Reichsraths-Almanach 
1891,  III ;  Wurzbach  52,  6.  —  KA. 

Waldburg  -  Wolfegg  -  Waldsee:  Graf 
August  Friedrich  Joseph  Willibald, 
päpstl.  Hausprälat,  Domkapitular  in 
Rottenburg,  ♦  zu  Wolfegg  7.  VII.  38; 
t    daselbst  11.  VIII.    —    L    Goth.    Hof- 

.  kalender  1896,264.  1897, 1258;  111. Ztg.  107, 
214;  Deutscher  Hausschatz  23,  54  (Nekrol.). 

Werder:  Graf  Hans  Karl  Nikolaus  Eugen 
August,  Sohn  d.  Grafen  August,  k.  preuss. 
Generals  d.  Inf.  (f  12.  IX.  87),  der  1879 
in  d.  Grafenstand  erhoben  worden 
war,  Fideikommissherr,  k.  preuss.  Haupt- 
mann a.  D.,  •  zu  Danzig  29.  X.  50;  f  ^u 
Alt-Scherbitz  21.  IX.  Mit  seinem  Tode 
ist  dieses  gräfl.  Haus  im  Mannesstamra 
erloschen.  —  L  Gräfl.  Taschenbuch  1896, 
1247.     1897,  1318;  111.  Ztg.  107.  395. 

Wimpffen:  Graf  Heinrich- Emil  Bern- 
hard Eduard   Philipp,    erbl.    Ehrenbürger 


V.  Triest  u.  v.  Neuschloss  in  Istrien, 
vormals  Leiter  d.  k.  u.  k.  General- 
konsulats zu  Algier,  *  zu  Wien  i.  V.  27 ; 
t  daselbst  17.  X.  —  L  Gräfl.  Taschen- 
buch 1896,  1267.  1897,  13 18;  Wurzbach 
56,  236  Stammtafel  IL 

Wrede:  Fürst  Otto  Friedrich  Karl,  k. 
bayer.  Kämmerer  u.  Österreich.  Major  a.  D., 
Besitzer  v.  Schloss  Mondsee  in  Ober- 
österreich, Enkel  d.  bayer.  Feldmarschalls 
Karl  Philipp  v.  Wrede,  ♦  zu  München 
25.  IV.  29;  t  daselbst  14,  IL  —  L  Goth. 
Hofkalender  1896,  516.  1897,  1262;  111. 
Ztg.   106,  248;  Wurzbach  58,   197. 

Wurmbrand-Stuppach:  Graf  Ferdinand 
Freih.  auf  Steyersberg,Siickelberg,  Reittenau 
u.  Neuhaus,  Majoratsherr,  Oberst-Erbland- 
kUchenmeister  in  Steiermark,  k.  u.  k.  Käm- 
merer u.  Rittmeister  a.  D.,  *  zu  Saromberke 
in  Siebenbürgen  24.  VII.  35;  f  zu  Pürkers- 
dorf  22.  V.  —  L  Goth.  Hof  kalender  1896, 
271.  1897,  1258;  Wurxbach,  58,  290 
Stammtafel  I. 

Württemberg:  Graf  Wilhelm  Paul  Alexander 
Ferdinand  Friedrich  Heinrich  Joseph 
Ladislaus  Eberhard,  Sohn  d.  Dichters 
Grafen  Alexander  v.  W.  (5.  XL  1801  — 
7.  VII.  44)  aus  dessen  Ehe  mit  Gräfin 
Helena  Festetics  v.  Toina,  Komponist  ver- 
schiedener Märsche,  ♦  zu  Esslingen  25.  V. 
33;  f  zu  Wien  17.  I.  Mit  seinem  Tode 
ist  dieses  Gräfl.  Haus  im  Mannesstamm 
erloschen.  —  L  Gräfl.  Taschenbuch  1896, 
1291.  1897,  1318;  111.  Ztg.  106,  104; 
Wurzbach  58,  235. 

Zedtwitz  -  Liebenstein:  Klemens  Graf 
von,  Herr  auf  Vorder-  u.  Hinter-Lieben- 
stein  b.  Eger,  k.  u.  k.  Kämmerer,  Volks- 
dichter in  Egerländer  Mundart,  *  auf 
Liebenstein  18.  IX,  14;  f  daselbst  17.  XI. 
—  W  u.  L  Allg..  D  Biogr.  44,  756 
(L.  Fränkel). 


III.    Staatsmänner  und  Beamte. 

I.  Hofstaaten  und  Hofbeamte. 


Bayern: 

Hofmann,  Julius  Ritter  v.,  k.  bayer.  Ge- 
heimrath,  früher  Hofsekretär  u.  Vorstand 
d.  k.  Kabinetskasse  unter  König  Max  II. 
in  München,  *  1808,  f  zu  München  4.  IV. 
—  L  111.  Ztg.  106,  465. 

Hofmann,  Julius,  Ober- Hof  baurath  in 
München;  s.  Sp.  77*. 

Ow-Felldorf,  Maximilian  Freih.  v.,  vor- 
maliger Obersthofmeister  d.  Prinzessin 
Amalie  v.  Bayern ;  s.  Sp.  58  *. 

Cumberland: 

Kielmannsegg I   Oswald    Graf  v.,  Oberst- 


hofmeister d.  Herzogs  v.  Cumberland;  s. 
Sp.  1 1  *. 

Deutsches  Reich  und  Preussen: 

Fürstenberg,  Karl  Egon  Fürst  zu,  Oberst- 
marschall des  Königs  von  Preussen;  s. 
Sp.  9  ♦. 

Kleist,  Hugo  Ewald  v.,  Mitgl.  d.  Hof- 
jagdamts; s.  Sp.  67*. 

Pourtal^s-Grassenried,  Sophie  v.,  ehemals 
Hofdame  d.  Prinzessin  Luise,  späteren 
Prinzessin  Friedrich  d.  Niederlande,  das 
letzte  noch  lebende  Mitgl.  d.  Hofes  König 
Friedrich  Wilhelms  III.,  *  ,  .  .;  f  unweit 


17 


» 


Todtenliste   1896:    III,   i.  2.  Hofbeamte,  Diplomaten,  Staatsbeamte. 


18* 


Vevey  in  d.  Schweiz  27.  VII.  —  L  111. 
Ztg.   107,   188.  —  KA. 

^Schrader,  Karl  Ernst  Adolf  Frcih.  v., 
Fidcikommissherr  auf  Culpin,  Erbherr  auf 
Blieftorf  u.  Grinau,  k.  preuss.  Kammer- 
herr u.  Zeremonienmeister,  *  30.  IX.  48; 
f  im  Duell  mit  Zeremonienmeister  v.  Kotze 
zu  Potsdam  11.  IV.:  s.  BJ  I,  219.  —  L 
BJ  II.  39  ♦;  111.  Ztg.  106,  501  (E.  Z.); 
Freiherrl.  Taschenbuch  1897,  919.  12 16. 
—  P.  III.  Ztg.  106,  499   (nach  Photogr.) 

•Stolberg,  Otto  Fürst  zu,  1884—1894 
Oberstkämmercr  d.  Königs  v.  Preussen;  s. 
Sp,   14  ♦. 

Vetter,  Franz,  Direktor  d.  k.  Gärten;  s. 
Sp.  67  ♦, 

Isenburg: 

Oer-Egelborg,  Friedrich  Freih.  v.,  k.  u. 
k.  Kämmerer  u.  fürstl.  Isenburgscher  Ilof- 
roarschall,  *  zu  Egclborg  12.  IX.  42:  f  zu 
Birstein  15.  VI.  —  L  Freiherrl.  Taschenb. 
1896,  671.     1897,   1213. 

Luxemburg: 

Breidbach-Bürresheim,  Friedrich  Freih.  v., 
Herr  d.  Brcidbachschen  Fideikommisses, 
sowie  d.  Gutes  Heddernheim  u.  d.  Schlosses 
Fronberg  in  Bayern,  grosshcrzogl.  luxera- 
burg.  VVirkl.  Geh.  Rath  u.  Kämmerer  u. 
Oberststallmeistcr,  *  zu  Biebrich  6.  I.  22; 
t  zu  Fronberg  27.  X.  —  L  Freiherrl. 
Taschenb.   1898,   106.   1169. 

Mecklenburg'  Schiverin: 

Luhe,  Adolf  Friedrich  von  der,  grosshgl. 
mecklenburg.  Kammerherr  u.  Obcrzere- 
monienmeister,  *  zu  Zarnewanz  2.  III.  30; 
t  zu  Schwerin  19.  VI.  —  L  111.  Ztg.  106, 
791;  Gotb.  Hofkalender  1896,  600. 

Mecklenburg-  Streiks : 

Schwerin,  Wilhelm  Graf  v.,  Hofmarschall; 
s.  Sp.  13  *. 

Oldenburg: 

Grün,  Adolph  Goswin  v.,  Obcr-Haus- 
marschall,  *  zu  Greiz  lo.  IX.  15;  f  zu 
Oldenburg  12.  IX.  —  Von  Juni  1839  bis 
X,    I.    62    im    Oldenburg.      Staatsdienst; 


I.  I.  46  Kammerjunker;  i.V.  55  Kammer- 
herr; I.  I.  62  Hofmarschall;  8.  VII.  69 
Oberhofmarschall;  28.  III.  73  Präsident  d. 
Hausfideikommiss-Direktion,  24.  VIII.  89 
dieser  Funktion  enthoben.  —  L  Goth. 
Hofkalender  1896,  604.  —  AM. 

Wangenheim,  Gustav  Eduard  Albert 
Friedrich  Freih.  v.,  k.  preuss.  Major, 
Flügeladjutant  d.  Grossherzogs  v.  Olden- 
burg, Chef  d.  Hofkapclle  u.  Intendant 
d.  grosshgl.  Hoftheaters,  *  zu  Coburg  19. 
V.  45;  f  zu  Oldenburg  3.  III.  —  L 
Freiherrl.  Taschenb.  1896,  1076.  1897, 
1220. 

Oesterreieh : 

Attems,  Graf  Alexander  v.,  Obersthof- 
meister d.  Erzherzogin  Maria  Immaculata; 
s.  Sp.  7  *. 

Goess,  Maria  Gräfin,  Obersthofmeisterin  d. 
Kaiserin  Elisabeth  v.  Oesterreich-Ungarn; 
s.  Sp.  9  •. 

Hohenlohe-Schtllingsfürst,  Prinz  Kon- 
stantin, Firster  Obersthofmeister  Sr. 
Apost.  Majestät;  s.  Sp.  10  ♦. 

Preussen^  s.  Deutsches  Reich. 

Reuss  j.  L. : 

Picker,  Fritz,  friiher  Direktor  d.  fürstl. 
Hoftheaters  v.  Gera,  •  .  .  .  25;  t  zu 
Meiningen  22.  VII.  —  L  111.  Ztg.  107, 
125.  —  KA. 

Sachsen  -  Altenburg: 

Baumbach ,  Karl  Wilhelm ,  vieljähriger 
persönl.  Adjutant  d.  Herzogs  Josef; 
her/ogl.  Oberst  u,  Kommandeur  d.  Gens- 
darmerie,  die  er  1862  begründete;  be- 
auftragt mit  d.  Intendanz  d.  herzogl.  Hof- 
kapelle, ♦  zu  Altenburg  12.  IX.  22;  f  3. 
XI.  —  L  111.  Ztg.  107,  584;  CJoth.  Hof- 
kalender 1896,  638.  —    PM. 

Sachsen -Coburg  u.  Gotha: 

Hohenlohe  •  Waidenburg  -  Schillingsf  ürst, 
Egon  Moritz,  Prinz  v.  Ratibor  u.  Corvey, 
beauftragt  mit  d.  Leitung  d.  Oberhof- 
marschallamts; s.  Sp.  10*. 


2.     Diplomaten  und  Staatsbeamte. 


Deutsches  Reich: 

Becker,  Karl,  Geh.  Oberreg.-Rath,  früher 
Direktor  d.  Statist.  Amts;  s.  Abth.  XVIII. 

Busse,  August,  Geh.  Oberreg.-Rath  u. 
vortr.  Rath  im  Reichsamt  d.  Innern, 
Architekt;  s.  Sp.  75  *. 

*Busse,  Karl,  Geh.  Oberreg.-Rath,  früher 
Direktor  d.  Reichsdruckerei  u.  ausser- 
ordentl.  Mitgl.  d.  preuss.  Akad.  d.  Bau- 
wesens, Architekt,  *  zu  Berlin  22.  IX. 
34;  f  zu  Berlin  3.  XII.:  s.  BJ  I,  215, 
—  L  BJ  II,  7  *;  Deutsche  Bauztg.  1896, 
623. 


Eltz,  A.  v.,  Bezirkshauptmann  v.  Langcnburg 
am  Nyassasee,  Afrikaforscher;  f  auf  seiner 
Station  Ende  Juli.   —  111.   Ztg.   107,   163. 

*Lamezan,  Ferdinand  Freih.  v.,  General- 
konsul in  Antwerpen,  k.  bayer.  Major  z. 
D.,  •  zu  Landau  i.  d.  Pf.  10.  IV.  43; 
t  zu  München  18.  IX.:  s.  BJ  I,  210.  — 
L  BJ  II,  24  *;  Freiherrl.  Taschenb.  1897, 
527.   1210. 

*Rössler,  Karl  Konstantin,  Dr.  phil., 
Prof.,  Geh.  Legationsrath  a.  D.,  Publizist, 
*  zu  Merseburg  14.  XI.  20;  f  *"  Berlin 
14.  X.:   s.  BJ   I,    200.  —  L  BJ   II,    36  •^ 


19 


* 


Todtenliste  1896:    TIT,  2.  Diplomaten  u.  Staatsbeamte. 


20* 


•Schieifer,  Ferdinand,  Reg.-Rath,  Mitgl.  d. 
Oeneraldircktion  d.  Reichseisenbahnen  in 
Elsass  -Lothringen,  Eisenbahningenieur; 
s.  Sp.  80  *. 

♦Seil,  Eugen,  Geh.  Reg.-Rath,  Mitgl.  d. 
Reichsgesundheitsamts.Chemiker;  s.  Sp.  94*. 

Wilke,  Hermann  v.,  Wirkl.  Geh.  Legations- 
rath,  bis  1880  vortr.  Rath  im  Auswärtigen 
Amte,  ♦  zu  Berlin  12.  VI.  27;  f  zu 
Heidelberg  30.  VI.  —  AM. 

*Zedtwitz,  Moritz  Gurt  v.,  I.egationsrath, 
Gesandter  in  Mexico  1888—91 ,  ♦  zu 
Leipzig  18.  VII.  51;  t  18.  VIII.:  s. 
BJ  I,  213.  -  L  BJ  II,  54  *;  111.  Ztg. 
107,  245. 

Anhalt: 

Habicht,  August,  Dr.  jur.,  Wirkl.  Geh. 
Rath,  Exzellenz,  Staatsminister  a.  D.  d. 
Herzogthums  Anhalt-Dessau-Köthen,  ♦  zu 
Karlshafen  an  d.  Weser  3.  XII.  1805; 
t  zu  Gemrode  29.  III.  —  Stud.  Jura  in 
Göttiugen;  trat  als  Auskultator  in  d.  An- 
halt-Bernburg. Staatsdienst  bei  d.  Justiz- 
amte Bemburg  ein;  darauf  Assessor  beim 
Justizamte  Coswig;  später  Reg.-Assessor 
im  Kollegium  d.  Landesregierung;  Jahre- 
lang Rath  am  Anhalt.  Gesammt-Ober- 
Appcllationsgericht  in  Zerbst;  im  Revo- 
lutionsjahr 184S  seiner  liberalen  An- 
schauungen wegen  Anhalt -Dessauischer 
Staatsminister;  1S52  nach  Einführung  d. 
neuen  Verfassung  in  den  Ruhestand  ver- 
setzt, lebte  er  lüs  Privatmann  erst  in  Wörbzig, 
später  in  Gernrode.  —  L  Bernburger 
Wochenblatt  1896   Nr.  78.  —  PM. 

Baden  : 

Frech,  Albert,  Geh.  Oberreg. -Rath,  Mi- 
nisterialrath  u.  Landeskommissar  in  Mann- 
heim, bis  1891  Mitgl.  d.  IL  bad.  Kammer, 
*  zu  Mannheim  1826;  f  daselbst  21.  IV. 
--  L  111.  Ztg.  106,  530;  Kürschners 
Staatshandb.  1893,  360;  Karlsruher  Ztg. 
1896   Nr.   188.   192.   -    KA. 

•Gossweyler,  Theodor,  Baudirektor,  Vor- 
stand d.  tcchn.  Abth.  im  Gcneraldirekto- 
rium  d.  Staatsbahnen,  Ingenieur;  s.  Sp. 
76*. 

Hebting,  Gehcimrath,  Landeskommissar  u. 
Vorsitzender  d.  Landescomites  zur  Unter- 
stützung d.  Wasserbeschädigten;  f  zu  Karls- 
ruhe 4.  XI.  —  L  111.  Ztg.  107!  584.  — 
KA. 

*Lamey,  Franz  August  Friedrich,  früherer 
Staatsminister  u.  Kammerpräsident,  *  zu 
Karlsruhe  27.  VII.  16;  f  daselbst  in  der 
Nacht  vom  13.,  14.  I.:  s.  BJ  I,  266.  — 
L  BJ  II,  24  *;  Karlsruher  Ztg.  1896 
Nr.  26;  Bad.  Landesztg.  1896  Nr.  12; 
Bad.  Presse  1896  Nr.   12. 

Schenckh,  Richard,  Geh.  Finanzrath  u. 
Mitgl.  d.  grossherzogl.  Domänendirektion, 


♦  zu  Neckargemünd  18.  IV.  44;  f  zu 
Karlsruhe  i.  IV.  —  L  III.  Ztg.  106,  465; 
Kürschners  Staatshandb.  1893,  362.  — 
AM. 

Wallrajf,  Gustav,  Geh.  Hofrath,  Mitgl.  d. 
Obersten  Schulraths ,  •  zu  Gernsbach 
27.  IX.  36;  f  zu  Karlsruhe  28.  IX.  — 
L  111.  Ztg.  107,  460;  Kürschners  Staats- 
handb. 1893,  358;  Karlsruher  Ztg.  1896 
Nr.  555.  —  AM. 

Bayern : 

Brandl,  Franz  Ritter  v.,  Oberbaurath, 
Architekt;  s.  Sp.  75  *. 

Fugger,  Graf  Friedrich,  Ministerialrath 
a.  D. ;  s.  Sp.  9*. 

Hoermann  v.  Hoerbach ,  Winfried, 
Staatsrath  im  ausserordentl.  Dienst,  x868 
bis  69  Staatsminister  d.  Innern,  seit  1870 
Präsident  d.  Regierung  v.  Schwaben  u. 
Neuburg,  Mitgl.  d.  i.  deutschen  Reich>- 
tags  f.  d.  Wahlkr.  Schweinfurt  (Hb.),  *  zu 
Mainz  25.  XI.  24;  f  zu  München  21.  X. 
—  L  111.  Ztg.  107,  515;  Schoenfeld, 
Notizbuch  f.  Reichstags-VVähler^  283. 

Kerschensteiner,  Josef  v.,  Geh.  Ober- 
raedizinalrath,  Vorstand,  d.  Medizinalabth. 
im  Ministerium  d.  Innern;   s.  Abth.  XXI. 

Preger,  Wilhelm,  O  berkonsistori  alrath ; 
s.  Abth.  XIX. 

Wand,  Theodor  Ritter  v.,  Direktor  d. 
Konsistoriums  f.  d.  Pfalz,  auch  Mathema- 
tiker u.  Physiker,  *  zu  Neustadt  a.  d.  H. 
19.  V.  35;  f  zu  Speyer  23.  X.  —  Besuch 
d.  Gymn.  Zweibrücken;  stud.  in  München 
als  Zögling  d.  Maximilianeums ;  als 
Accessist  bei  der  Regierung  längere  Zeit 
Präsidialsekretär;  1864  Bezirksamtsassessor 
in  Pirmasens;  i.  VI.  67  Assessor  am  Kon- 
j  sistorium  zu  Speyer;  i.  VII.  72  Rath, 
I.  IV.  86  Direktor  desselben;  Ende  der 
60  er  u.  Anfang  d.  70  er  Jahre  bayer. 
Landtagsabg.,  später  Mitgl.  d.  Stadtraths 
von  Speyer.  —  L  Union.  Ev.  -  prot. 
Kirchenbl.  d  Pfalz.  1896,  361;  Zeitbilder. 
Illustr.  Beil.  z.  »Pfalz.  Presse«.  ia96, 
317  (mit  P).  —  W  Prinzipien  d.  Physik. 
1871;  in  Poggendorffs  Annalen  d.  Physik 
u.  Chemie:  i.  Kubische  Pfeifen,  2.  Ucb. 
Elastizität;  Ungedruckt  blieben:  i.  Ueb. 
Funktionen,  deren  Wurzeln  über  eine 
Ebene  gleichmässig  verbreitet  sind,  2.  I). 
Problem  d.  3  Körper.  —  AM  des  Herrn 
k.  Konsist.-Sekr.  I.  A.  Fehl  in  Speyer. 

Braunschiveig: 

Clausz,  Wilhelm,  Eisenbahndirektor,  Leite  r 
d.  braunschweig.  Landes  -  Eisenbahnen; 
s.  Sp.  76  *. 

Hamburg: 

*Gelfcken,  Friedrich  Heinrich,  Geh.  Justiz- 
rath,  Dr.  jur.,  1856  —  72  hanseatischer 
Miaisterrcsident    u.    Syndikus,    1872  ~  %\ 


21 


Todtenliste  1896:    ITI,  z,  Diplomaten  u.  Staatsbeamte. 


22 


* 


Prof.  f.  Staatswissenscbaften  u.  öffentl. 
Recht  zu  Strassburg,  Politiker,  Publizist 
u.  Schriftsteller,  ♦  zu  Hamburg  9.  X.  30; 
f  zu  München  I.V.:  5*  BJ  I,  211.  —  L 
BJ  H,  14  *;  Brockhaus'  Konv.-Lex.  »'  7, 
654.  17,  457;  Hinrichsen'  179.  —  W  a. 
a.  O.  u.  KL  1896,  378. 

Roeper,  Oskmr,  Bauinspektor  bei  d.  Staats- 
bau-Verwaltung, Eisenbahningenieur;  s. 
Sp.  80  ♦. 

Stahmer,  Johann  Friedrich  Thomas,  Kauf- 
mann,   seit    28.  VI.   75  Mitgl.    d.  Senats, 

•  zu  Hamburg  4.  VIll.  19;  f  daselbst 
I.  VI.  —  P  BronzebUste  auf  d.  Friedhofe 
zu  Ohlsdorf.  —  L  111.  Ztg.  106,  726.  — 
AM. 

Früfures  Königreich  Hannover: 

Brüel,  Ludwig  August,  Dr.  jur.,  Geh.  Reg.- 
Rath  a.  D.  in  Hannover;  Gymnasialbesuch 
daselbst;  stud.  Rechtswissenschaft  in  Göt- 
tingen u.  Berlin  1836  —  39;  trat  in  den 
Staatsdienst;  seit  1863  Generalsekretär  im 
Kultusministerium;  1866  —  68  Direktor  d. 
Kultusdepartements  bei  d.  Zivil  -  Ad- 
ministration zur  Ueberleitung;  seit  1870 
Vorsteher  d.  Blirgerkollegiums  d.  Stadt 
Hannover;  Vorsitzender  d.  Ständigen  Aus- 
schusses d.  Landessynode  (streng  konserv.- 
kirchlich);  Mitgl.  d.  deutschen  Reichstags 
1876—84  (f.  d.  Stadt  Hannover)  u. 
1892  —  93  (f.  d.  15.  hannov.  Wahlkreis); 
Mitgl.  d.  preuss.  Abg.- Hauses  seit  1870 
(f.  d.  Wahlkreis  Melle;  Weife,  Hospitant 
d.  Centrums);  •  zu  Hannover  20.  XII.  18; 
f  zu  Berlin  29.  II.  —  L  Kürschners 
Preuss.  Abg.-Haus  1894,  309;  Hirth, 
Deutscher  Parlamentsalroanach.  12.  Ausg. 
1877,  S.  135;  Brockhaus' Kon.-Lex.  •*  3, 
611.  17,  223;  111.  Ztg.  106,  277.  —  W 
Brockhaus  a.  a.  O.  3,  611.  —  P  Kürschner 
a.  a.  O. 

J Jessen : 

Hochgesandt,  Peter,  Baurath,  Eisenbahn- 
ingenieur; s.  Sp.  77  *. 

Rohns,  Paul,  vormals  Geh.  Oberbaurath 
in  hess.  Diensten;  s.  Sp.  79*. 

Lübeck : 

Mach,  Adolf,  Polizeirath;  s.  Abth.  XXVL 

♦Krüger,  Daniel  Friedrich,  Dr.,  ausser- 
ordentl.  Gesandter  u.  Bevollmächtigter 
zum  Bundesrath^  ♦  zu  Lübeck  22.  IX.  19; 
t  zu  Berlin  17.  I.:  s.  BJ  I,  216.  —  L 
BJ   II,  23  *;  111.  Ztg.   106,   104. 

Mecklenburg'  Schwerin : 

*Buchka,  Hermann  Friedrich  Ludwig 
Rudolf  v.,  Dr.,  Wirkl.  Geh.  Rath,  Vor- 
stand d.  Justizministeriums,  mit  dem  d. 
Leitung  d.  Geistl.,  Unterrichts-  u.  Me- 
dizinal-Angelegenhciten    verbunden     war, 

•  zu  Schwanbeck  b.  Friedland  19.  VI.  21; 
t  zu  Schwerin  15.  VI.:    s,  BJ  I,  214.  — 


L  BJ  II,  6  ♦.  —  W  KL  1896,  164; 
Brockhaus' Konv.-Lex.  1*  3,  679.   17,  225. 

*Liebeherr,  Otto  Fr.  Maximilian  v.,  Dr. 
tbeol.,  jur.,  med.  et  phil.,  Wirkl.  Geh. 
Rnth,  Vizekanzler  d.  UntT.  Rostock, 
Direktor  des  Konsistoriums,  1 848  —  49 
Justizminister,  bis  1887  Landgerichts- 
präsident, Schriftsteller  auf  d.  Gebiete 
d.  Jurisprudenz  u.  Kulturgeschichte,  *  zu 
Steinhagen  in  Mecklenburg  2X.  II.  14; 
f  daselbst  13.  IX.:  s.  BJ  I,  217.  —  L 
BJ  II,  25  *;  III.  Ztg.  107,  367. 

Oldenburg: 

Mutzenbecher,  E.  F.  A.,  seit  1891  Präsident 
d.  Regierung  d.  Fürstcnthums  Lübeck, 
vorher  Oberreg.-Rath  im  grosshgl.  Staats- 
ministcrium,  Departement  d.  Innern,  *  zu 
Oldenburg   I9.  V.  34;  +  zu  Eutin  9.  III. 

—  L  111.  Ztg.  106,  338;  Kürschners 
Staatshandb.  1893, 400;  Goth.  Hof  kaiende  r 
1896,  606.  —  AM. 

Ruhstrat,  Friedrich  Andreas,  früher  Fi- 
nanzminister u.  Vorsitzender  im  Gesammt- 
Ministerium,  *  zu  Ovelgönne  10.  IL  19; 
f  19  I.  —   L  111.  Ztg.   106,  164.  —  AM. 

Preussen: 

•Albrecht,  Siegfried  Wilhelm,  Oberverwal- 
tungsgerichtsrath  a.  D.,  vorher  Stadt- 
syndikus in  Hannover,  Landtags-  u.  Reichs- 
tags-Abg.,  •  zu  Hildesheim  22.  X.  26; 
t  zu  Hannover  25.  I.:  s.  BJ  I,  203.  — 
L  BJ  II,  I  *;  Hirths  Parlamentsalmanach. 
12.  Ausg.  1877,   117. 

Borries,  Alexander  Sigismund  Hermann  v., 
Reg.-Präsident  a.  D. ,  •  zu  Eikendorf  in 
Lippe   7.  IX.  20;    t   2U  Kassel    27.  VIII. 

—  25.  X.  43  Auskultator  beim  Land-  u. 
Stadtgericht  Minden;  20.  IV.  46  Gerichts- 
referendar bei  d.  Kammergericht  in  Berlin 
u.  d.  Oberlandesgericht  Halberstadt;  12. 
IV.  50  Gerichtsassessor  beim  Appellations- 
gericht Naumburg;  III.  51 — V.  60  bei  d. 
Generalkommissionen  Stendal,  resp.  Merse- 
burg (15.  X.  51  Reg.- Assessor);  V.  60 
bis  VI.  66  Kommissarius  f.  Forstab- 
lösungen u.  Justitiar  bei  d.  Regierung  zu 
Danzig  (9.  VII.  62  Reg.-Rath);  VI.  66 
bis  VI.  68  Domänendezernent  bei  d.  Re- 
gierung in  Köslin;  VL  68 -VII.  76  bei 
d.  Ziviladrainistration,  resp.  Finanzdirek- 
tion zu  Hannover,  auch  Direktor  d.  Wittwen- 
kasse;  18.  IV.  76  Oberreg.-Rath  u.  Abth.- 
Dirigent  d.  Abth.  f.  direkte  Steuern,  Do- 
mänen u.  Forsten  d  Regierung  zu  Oppeln; 
30.  X.  83  Präsident  d.  k.  Finanzdirektion 
zu  Hannover;  27.  III.  85  Reg.-Präsident 
d.  Regierung  zu  Lüneburg  mit  Antritt  v. 
I.  VII.  85;  i.X.  86  in  d.  Ruhestand  ver- 
setzt. —  AM. 

Böthke,  Emil,  Geh.  Baurath,  Architekt; 
s.  Sp.  75  ♦. 


23' 


Todtenliste  1896:    III,  2    Diplomaten  u.  Staatsbeamte. 


24' 


Bötticher,  Karl,  Geh.  Obertinanzrath,  Mit- 
glied d.  Direktoriums  d.  Seebandlung, 
•zuBerlin  23.  VII.  35;  f  daselbst  14.  VII. 
—  L  Goth.  Hofkalender  1896,  614.  — 
AM. 

Brockhojf,  Gustav,  Geh.  Bergrath  a.  D., 
früher  auch  Universitätsrichter  an  d.  Univ. 
Bonn,  •  zu  Erwitte  in  Westf.  2.  VI.  25; 
t  zu  Bonn  in  der  Nacht  zum  30.  XI.  — 
L  111.  Ztg.  107,  734. 

^Camphausen,  Otto  v.,  Staatsministcr  a.  D., 
Mitgl.  d.  Herrenhauses,  •  zu  Hünshoven 
21.  X,  12;  t  zu  Berlin  18.  V.:  s.  BJ  II, 
435.  -  L  111.  Ztg.  106,639.  673(K.W.); 
Brockhaus'  Konv.-Lex.  '*  3,  883.  17, 
245.  —  L  in.  Ztg.  106,  673  (nach 
Photogr.). 

Cranach,  Adolf  Polycarpus  Lukas  v., 
Keg.-Präsident  a.  D.  (in  Hannover),  vorher 
1876  —  85  Landdrost,  •  zu  Craazen  16.  X. 
23;  t  zu  Berlin  19.  VIII.  —  L  F.  VVar- 
necke,  Lucas  C'ranach  d.  Aeltere.  Görlitz 
1879.  —  AM. 

Cuno,  Hermann,  Geh.  Reg.-Rath,  Baurath 
bei  d.  Regierung  in  Koblenz;  s.  Sp.  76*. 

•De  la  Croix,  Otto,  Dr.  theol.,  Oberreg.- 
Rath  u.  Konsistorialpräsident  a.  D.,  •  zu 
Berlin  25.  X.  17;  f  zu  Wiesbaden  21.  V.: 
s.  BJ  I,  441.  —  II.  IX.  37  Auskultator 
in  Berlin;  XII.  39  Referendar  in  Stettin; 
I.  XI.  42  Kammergcrichts-Assessor,  ab* 
wechselnd  beschäftigt  beim  Instruktions- 
u.  Oberappellationssenat,  bei  d.  Stadt- 
gerichten zu  Berlin  u.  Brandenburg,  im 
Justizministerium.  —  X.  45  — 18.  III.  48 
Gehülfe  bei  d.  Staatsanwaltschaft  d.  Ober- 
zensurgerichts u.  nach  Eingehen  dieses 
Gerichts  bis  Ende  V.  48  wieder  beim 
Oberappellationssenat;  i.  VI. — 31.  XII.  48 
am  Oberlandesgericht  Marienwerder,  bis 
I.  IV.  49  beim  Ober-Appellationsscnat; 
ab  I,  IV.  49  Staatsanwalt  in  Stendal, 
definitiv  lt.  Patent  v.  2.  III.  50;  10.  VIL 
50  Staatsanwalt  in  Magdeburg;  Konsisto- 
rialrath  u.  Mitgl.  d.  Konsistoriums  u. 
Provinzialschulkollegiums  19.  IV.  51  f. 
Magdeburg,  31.  X.  53  — 10.  IV.  58  f. 
Koblenz ;  3.  V.  58—23.  IV.  67  fürstl. 
Lippeschcr  Rcg.-Prasident  u.  Konsistorial- 
vorsit/cnder;  lt.  Patent  v.  5.  I.  67  Ober- 
rcg.-Rath  u.  Abth. -Dirigent  in  Magdeburg, 
seit  2.  VI.  70  in  Wiesbaden,  hier  zugleich 
Vorsitzender  d.  Konsistoriums;  10.  \'I.  82 
Vertreter  d.  Reg.-Präsidenten;  26.  IX.  83 
Konsisiorialprjisident ;  i.  IV.  92  in  d. 
Ruhestand   versetzt.   —  L  II,  24  *. 

Engler,  Hermann,  Geh.  Reg.-Rath,  Land- 
rath  u.  Landschaftsrath  im  Kr.  Berent 
(Westpr.),  Landtagsabg.,  *  zu  Leitersdorf 
b.  Kressen  25.  VIII.  21  ;  f  zu  Berlin  7. 
V,    —    Besuchte    d.    Gymn.    in    Konitz ; 


1840  —  44  Rechtsstud.  in  Breslau,  Bonn  u. 
Berlin;  darauf  Auskultator  beim  Land- 
gericht in  Berlin;  Referendar  beim  Ober- 
landesgericht in  Cöslin;  1849  —  53  Staats- 
anwalt bei  d.  Gerichten  zu  Butow  u. 
Lauenburg ;  später  zur  Verwaltung  über- 
getreten u.  Landrath  d.  Kr.  Berent;  seit 
1861  Mitgl.  d.  Prov.-Landtags  in  Preussen, 
bezw.  Westprcussen :  seit  1879  Abg.  d. 
preuss.  Landtags  f.  Berent-Preuss.-Star- 
gard-Dirschau  (freikons.).  —  L  111.  Ztg. 
106,  605;  L  u.  P  Kürschners  Preuss.  Abg.- 
Haus  1894,  41. 

Gehren,  Otto  v..  Geh.  Reg.-Rath,  land- 
rath d.  Kr.  Homberg  (Hessen  -  Kassel), 
Landtags-  u.  Reichstags-Abg.,  •  zu  Mar- 
burg i.  H.  10.  XII.  17;  t  *u  Homberg 
(?)  15.  X.  —  Besuchte  d.  Gymn.  zu 
Marburg;  stud.  Ostern  1839  bis  Herbst 
1842  Rechtswissenschaft  an  d.  Univ. 
ebenda;  Frühjahr  1843  Reg. -Referendar 
zu  Marburg;  1849  Vcrwaltungsbeamter 
zu  Kirchhain;  1851 — 53  Landrathsamts- 
Assessor  zu  Marburg ;  1853  Kreis- 
sekretär zu  Schlüchtern ;  1860  Assessor 
zu  Kassel;  1863  Landrath  in  Ziegenhain; 
1866  in  Frankenberg,  seit  1868  in  Hom- 
berg; Mitglied  des  Abgeordnetenhauses 
1879  ff.,  des  Reichstags  (f.  Fritzlar-Hom- 
berg-Ziegenhain)  1881  —  90  (kons.).  —  L 
Hirths  Parlamentsalmanach,  16.  Ausg., 
1887,   151. 

•Glatzel,  Albert,  Wirkl.  Geh.  Oberreg.- 
Rath,  Präsident  des  Oberlandeskultur- 
gerichts, •  1833;  f  zu  Berlin  14.  1.:  s. 
BJ  I,  215.  -  L  BJ  11,  14  •. 

Gross,  genannt  v.  Schwarzhoff,  Dietrich 
Christian  v.,  Dr.,  Reg.-Präsident  (v. Magde- 
burg) a.  D.,  •  zu  Darkehraen  28.  IL  10; 
f  zu  Berlin  12.  V,  —  Von  1838  ab  Reg.- 
Assessor  in  Königsberg;  1840  Landrath 
d.  Brandenburger  Kreises ;  1854  Oberreg.- 
Rath  bei  d.  Regierung  in  Cöslin;  i.  VI. 
64 — V.  81  Reg.-Vizepräsident  in  Magde- 
burg.  —  L  111.  Ztg.    106,  639.  —  AM. 

Gross,  Julius,  Wirkl.  Geh.  Oberfinanz- 
rath  a.  D.,  bis  1891  vortr.  Rath  im 
Finanzministerium,  •  zu  Berlin  10.  X.  25; 
t  daselbst  2.  VI.  -—  L  111.  Ztg.  106,  720. 
—  AM. 

Halbey,  Theodor,  Geh.  Oberreg.-Rath 
u.  vortr.  Rath  im  Ministerium  d.  Innern, 
•  zu  Usingen  im  Nassauischen  14.  VII. 
33 ;  f  zu  Berlin  24,  1.  —  Stand  zunächst 
in  nassauischen  Diensten;  fand  darauf  als 
Reg.-Assessor  bei  d.  Regierung  in  Wies- 
baden Verwendung  (1871  Reg.-Rath); 
1S74  dem  Oberpräsidium  in  Königsberg, 
1878  dem  Oberpräsidium  in  Danzig  über- 
wiesen u.  1881  Ober-Präsidialrath  daselbst; 
im  Dez.  1883  in  d.  Ministerium  d,  Innern 


25 


« 


Todtenliste  1896:    1II|  2.  Diplomaten  u.  Staatsbeamte. 


26* 


als  Hilfsarbeiter  berufen,  1884  Geh.  Reg.- 
u.  vortr.  Rath,  1888  Geh.  Oberreg.-Rath; 
Mitgl.  d.  Gerichtshofes  z.  Entscheidung 
V.  Kompetenzkonflikten;  sein  Arbeitsfeld 
während  seiner  12  jähr.  Thätigkeit  im  Mi- 
nisterium d.  Innern  bildeten  namentl.  d. 
Angelegenheiten  d.  Stadt-  u.  Land- 
gemeinden u.  d.  Organisation  d.  Ver- 
waltungs-  u.  Verwaltungsgerichtsbehörden. 

—  L  111.  Ztg.  106,  164;  Nordd.  Allg. 
Ztg.  1896  Nr.  46.  —  W  Gemeindeverf.- 
u.  Verwaltungsrecht  d.  sieben  östl.  Pro- 
vinzen Preussens.     Berlin   1896.    —    AM. 

Knyrim ,  Friedrich,  Geh.  Hofbaurath, 
seit  1864  betraut  mit  d.  Bauleitung  auf 
Wilhelmshöhe  b.  Kassel;  s.  Sp.  78*. 

Konen,  Wolf  gang  v.,  Geh.  Oberiinanzrath 
a.  D.,  vordem  vortr.  Rath  im  Finanz- 
ministerium, darauf  in  d.  Seehandlung  zu 
Berlin,  seit  1894  einer  d.  Inhaber  d. 
Bankgeschäftes  von  Konen  u.  Comp,  in 
Berlin,  *  zu  Breslau  26.  X.  45;  -l*  zu 
Berlin    12.  II.  —    L    111.  Ztg.   106,    217. 

—  PM. 

Koenigs,  Gustav  Adolf,  Dr.,  Geh.  Ober- 
reg.-Rath u.  vortr.  Rath  im  Handels- 
ministerium, d.  rechte  Hand  d.  Freih.  v. 
Berlepsch,  als  dieser  Reg.  -  Präsident  v. 
Düsseldorf  u.  später  Handelsminister  war, 
*  zu  DUlpen  im  Kr.  Kempen  11.  I.  45; 
t  zu  Berlin  i.  IX.  •—  L  111.  Ztg.  107, 
308;  Preuss.  Staatsanz.  1896  Anf.  Sept.; 
WestfMl.  Merkur  10.  IX.  96;  Köln. 
Volksztg.  8.  IX.  96.  —  AM. 

Kreis,  Paul,  Geh.  Justiz  rath  u.  vortr.  Rath 
im  Justizministerium,   f   21.  XI.    —    KA. 

^Lorenz,  Otto  Ferdinand,  Oberbaudirektor 
u.  vortr.  Rath  im  Ministerium  d.  öffentl. 
Arbeiten ;  s.  Sp.  79  *. 

Oelrichs,  Heinrich  Wilhelm,  Geh.  Oberreg.- 
Rath  a.D.,  •  zu  Elbing  14.  IV.  15;  f  zu 
Breslau  19.  IX.  —  März  1837  in  d.  Staats- 
dienst eingetreten;  10.  XI.  41  Reg.- 
AssessoT;  23.  IX.  49  Reg.-Rath;  27.  XI. 
69  Oberreg.-Rath  u.  Abth.- Dirigent  in 
Breslau  f.  Steuern,   Domänen  u.  Forsten; 

1.  IV.  89  in  d.  Ruhestand  versetzt.  —  L 
111.  Ztg.  107,  395.  —  W  Domänen-Ver- 
waltung  d.  Preuss.  Staates.     Bresl.  1883; 

2.  Aufl.  1888.  —  AM. 

Opel,    Reg. -Baurath    a.  D.,    früher    bei   d. 

Regierung  in  Stettin;  s.  Sp.  79  •. 
Rüppell,    Emil,    Geh.  Reg.-Rath  u.  Ober- 

baurath  z.  D.,    bis   i.  IV.  95  Dirigent  d. 

Abth.    f.    Bau-    u.  Werkstättenverwaltung 

bei    d.   linksrhein.   Eisenbahndirektion    in 

Köln,  Eisenbabndirektor;  s.  Sp.  80*. 
•Schröder,  Wilhelm,  Geh.  Oberjustizrath 

u.  vortr.  Rath  im  Justizministerium,  Mitgl. 

d.  Justiz|>rüfungskommission;  s.  Abth.  XX. 
Sendler,  Theodor,  Dr.  med..  Geh.  Med.- 


Rath  in  Magdeburg,   Mitgl.  d.  Medizinal- 
kollegiums d.  Prov.  Sachsen;  s.  Abth.  XXI. 

Senffl  von  Pilsach,  Wilhelm  Freih.  v., 
Geh.  Oberreg.  -  Rath  u.  Erbherr  auf  San- 
dow,  58  J.;  t  auf  Sandow  26.  IV.  —  L 
111.  Ztg.  106,  560.  —  KA. 

♦Spieker,  Paul,  Oberbaudirektor  a.  D., 
Architekt;  s.  Sp.  80*. 

•Stolberg  -  Wernigerode,  Otto  Fürst  zu, 
Staatsminister  a.  D.;  s.  Sp.  13  *. 

•Stosch,  AI  brecht  v.,  Staatsminister  a.  D. ; 
s.  Sp.  55*. 

Wemich,  Agathon,  Dr.  med..  Reg.-  u. 
Med.-Rath  b.  d.  Polizeipräsidium  in  Berlin; 
s.  Abth.  XXI. 

Willdenow,  Karl,  Dr.,  Ober-  u.  Geh.  Reg.- 
Rath,  Direktor  d.  schles.  Provinzial-Schul- 
kollegiums,  *  zu  Lehnitz  b.  Oranienburg 
18.  XII.  22.;  t  «u  Breslau  18.  VIII.  — 
L  111.  Ztg.  107,  245.  —  AM. 

Königreich  Sachsen: 

•Berlepsch,  Dietrich  Otto  Freih.  v.  Wirkl. 
Geh.  R^th,  Präsident  d.  Landeskonsistoriums 
a.  D.,  •  zu  Dresden  22.  IX.  23 ;  f  daselbst 
14.  I.:  s.  BJ  I,  415.  —  L  BJ  II,  3  ♦;  Frei- 
herrl.  Taschenb.  1896,  27.  1897,  1202. 
—  AM. 

Jentsch,  Heinrich,  Geh.  Kirchenrath  u. 
Oberkonsistorialrath  a.  D.,  40  Jahre  im 
Dienst  d.  sächs.  Landeskirche  u.  d.  Kirchen- 
regiments thätig;  s.  Abth.  XIX. 

Nostitz  und  Jänkendorf,  Georg  Gottlob  v., 
Oberfinanzrath  a.  D.,  trug  während  30 j. 
Dienstzeit  viel  z.  Ausbau  d.  sächs.  Eisen- 
bahnwesens bei,  •  zu  Lautitz  30.  I.  29; 
t  zu  Würzburg  lo.  VIII.  —  L  111.  Ztg. 
107,  214. 

0er,  Alexander  Freih.  v.,  Geh.  Hofrath, 
Prof.  an  d.  Techn.  Hochschule  in  Dresden, 
früherEisenbabnbetriebsdirektor ;  s.  Sp.  79*. 

Sachsen  •  AlUnburg: 

Leipziger,  Hugo  v.,  Wirkl. Geh. Rath, Staats- 
minister a.  D.  *  zu  Naumburg  a.  d.  S. 
16.  VI.  23;  f  auf  seinem  Gute  Wolframs- 
dorf b.  Zwickau  14.  X.  —  Bis  1843  ^c* 
such  d.  Domgymn.  zu  Naumburg;  Rechts- 
stud.  auf  d.  Univ.  Jena,  Greifswald,  Berlin ; 
1846  erstes  Jurist.  Examen;  Frühjahr  1848 
Sek.-Lieut.  d.  Reserve;  Herbst  1848  Refe- 
rendar; während  der  Mobilmachungen  1848, 
49>  5O1  59  als  Offizier  längere  Zeit  thätig ; 
1852  Gcrichtsassessor  b.  Kreisgericht 
Naumburg;  1853  Hilfsarbeiter  b.  d.  k. 
Eisenbahndirection  in  Bromberg,  ^j^}?i)\x 
Justitiar  b.  d.  Regierung  in  Posen;  1854 
— 63  Reg.-Ass.  in  Magdeburg;  1854  ver- 
mählt mit  Marie  Freiin  v.  Mansbach;  1863 
bei  d.  Regierung  in  Potsdam  (1864  Reg.- 
Rath),  1869  in  Düsseldorf;  während  d. 
Krieges  1 870  Delegirterd.Generalinspectors 
d.   freien   Krankenpflege    f.   d.   Reg. -Bez. 


2f 


Todtenliste  1S96:    III,  2.  Diplomaten  u.  Staatsbeamte. 


28* 


Düsseldorf;  1871  b.  d.  Regierung  in  Erfurt; 
1877  Ober-Reg.-Rath  u.  Dirigent  d.  Abth. 
f.  Kirchen-  u.  Schulsachen  in  Magdeburg ; 
mit  Dekret  v.  15.  II.  80  Alten  bürg.  Staats- 
minister u.  Vorstand  d.  I.  Ministerialabth. ; 
8. VIII. 91  Z.Disposition  gestellt;  i. VII.  93 
Ruhestand.  —  L  111.  Ztg.  107,  489..  —  AM. 
Vogel,  Karl  Leopold,  Geh.  Reg.-Rath,  stell- 
vertr.  Vorsitzender  u.  vortr.  Rath  in  d. 
Abth.  d.  Ministeriums  f.  Kultusangelegen- 
heiten, 1881—84  Reichstagsabg.  f.  Alten- 
burg (Reichspartei),  *  zu  Lussa  in  Sachsen- 
Altenburg  18.  XII.  21 ;  f  zu  Altenburg  9.  III. 

—  L  111.  Ztg.  106,  338;  Schoenfeld,  Notiz- 
Buch  f.  Reichs  tags- Wähler  5,  372.  —  AM. 

Sachsen  -  Weimar 'Eisenach: 

Bergfeld,  Karl,  Geheimrath,  früher  Rath 
beim  Finanzdepartement  iA  Weimar,  später 
Stellvertreter  d.  Departementschefs,  1850 
Mitgl.  d.  Erfurter  Parlaments,  1861—67 
Landtagsabg.,  auch  thüring.Lokalhistoriker, 

•  zu  Weimar  24.  V.  11;  +  daselbst  19. 
IV.  —  L  111.  Ztg.  106,  530;  Weimar. 
Ztg.  1896  Nr.  121,  126,  132  (sehr  ausfUhrl. 
Nekrol.  mit  W).  —  AM. 

Boxberg,  A 1  f  r  e  d  v.,  Dr.  jur.,  Geh.Staatsrath  u. 
Chef  d.   Kultusdepartements    zu  Weimar, 

*  zu  Leipzig  26.  X.  41 ;  f  zu  Weimar 
14.  VI.  —  Bis  1883  k.  Sachs.  Amtshaupt- 
mann in  Oschatz,  bis  x.  I.  92  in  Bautzen. 

—  L  111.  Ztg.  106,  758;  Weimar.  Ztg. 
1896  Nr.  139.  —  AM.  u.  PM. 

Paalzow,  Hermann  Otto  Ludwig,  Staatsrath, 
bis  1895  Chef  d.  General- Ablösungskom- 
mission in  W^eimar,  •  zu  Rathenow  6.  III. 
20;  +  zu  Weimar  9.  1.  —  Früher  b.  d. 
k.  preuss.  Generalkommissionen  zu  Stendal 
u.  Merseburg  in  Auseinandersetzungs- 
sachen beschäftigt;  spätcrSpezialkommissar 
in  Calbe  a.  S.,  Heiligenstadt  u.  Worbis; 
seit  1857  Mitgl.  d.  Generalkommission  f. 
Ablösungen  u.  Zusammenlegungen  i.  W^eimar 
(als  Reg.-Rath,  später  als  Geh. -Rath), 
deren  Vorsitzender  er  I.  X.  83  geworden 
ist;  gleichzeitig  Direktor  d.  grosshgl. 
Landcsbaumschule  Marienhöhe;  i.  V^I.  95 
als  »Staatsrath«  in  d.  Ruhestand  versetzt. 

—  L  111.  Ztg.  106,  72.  —  AM. 
Schomburg,  Julius  Anton,   Dr.  jur.  Geh. 

Staatsrath  a.  D.,  bis  1886  Direktor  d. 
Ministerialdepartements  d.  Innern,  *  zu 
Kassel  19.  IV.  17;  f  zu  Weimar  i.  XI.  — 
»Nachdem  mir  die  Zulassung  z.  Staats- 
dienst in  Kurhessen  ohne  Angabe  .eines 
Grundes  (mein  Vater,  d.  damalige  Ober- 
bürgermeister u.  Landtagspräsident,  büsste 
damit  die  fürstliche  Ungnade)  nach  langem 
Harren  am  20.  IX.  1S93  versagt  war  und 
ich  für  das  akademische  Lehramt  mich 
vorbereitet  hatte,  wurde  mir  die  Zulassung 
zum  Staatsdienste  im  Herzogthum  Coburg- 


Gotha  in  Aussicht  gestellt.  Als  Accessist 
mit  Reskript  von  5.  V.  1840  bestellt,  bin 
ich  am  29.  VI.  1840  verpflichtet  und  bei 
dem  Justizamte  Gotha  eingestellt  worden;« 
15.  III.  43  Aktuar  in  Liebenstein,  3.10.48 
erster  Aktuar  in  Zella  im  Herzogthum  Gotha ; 

19.  Vn.  48  Sekretär  b.  d.  kurfürstl.  Re- 
gierung in  Kassel  unter  d.  Ministerium 
Eberhardt- Wippermann;  Herbst  48  Siu 
u.  Stimme  im  Kollegium;  4. 1.  49  Assessor 
bei  Regierung  u.  Konsistorium  in  Kassel; 
29.  V.  49  Referent  d.  Obcrverwaltungs- 
Behörde,  nach  Umwandlung  d.  Regierung 
in  eine  solche,  u.  Konsist.  •  Mitgl. ,  Mitgl. 
d.  Zivil -Wittwen-  u.  Waisen -Direktion, 
landesherrl.  Kommissar  f.  d.  israelit.  An- 
gelegenheiten, f.  e.  Versicherungs-Anstalt 
u.  dgl.  m. ;  28.  IX.  50  nach  Hofgeismar 
entfernt  u.  z.  Vorstand  d.  dortigen  Land- 
ratbsamts  ernannt;  »in  Folge  der  bekannten 
Verfassungskonflikte  als  Verfassungsge- 
treuer schliesslich  mit  Landesexekution 
belegt,  musste  ich  den  Abschied  nehmen, 
welchen  ich  (d.  d.  3.  I.  50)  am  9.  I.  50 
erhielt.  Den  kriegsgerichtlichen  Ver- 
folgungen ausweichend,  hielt  ich  mich 
einige  Zeit  im  Eisenach'schen  auf,  kehrte 
dann  nach  Kassel  zurück,  fungierte  dort 
als  Mitgl.  d.  luther.  Kirchengemein  de- Vor- 
standes, als  Vorstands-Mitgl.  verschiedener 
wohlthätiger  Vereine  und  führte  die  meisten 
Vertheidigungen  der  von  den  Kriegsge- 
richten Angeklagten,  z.B.  Gräfe's, Henkel's, 
des  permanenten  landständischen  Aus- 
schusses (letztere  nebst  staatsrechtlicher  Ab- 
handlung gedruckt)  etc;«  28.  IX.  51  Re- 
ferent im  Grossb.  Sachsen.  Weimar.  Staats- 
ministerium mit  d.  Prädikat  »Finanzrath« : 
1852  Ablehnung  d.  Wahl  z.  Bürgermeister 
V.  Gotha;  24.  VI.  63  Geh.  Finanzrath; 
seit  1863  Mitgl.  d.  Gemeinderaths  in  Gotha; 

20.  XII.  65  Geh.  Reg.-Rath,  Referent  im 
Dep.  d.  Innern  u.  Direktor  d.  I.  Verw.- 
Bez.;  1868 — 74  Landtagsmitgl.;  i.  l.  72 
ausschl.  Referent  im  Dep.  d.  Aeussern  u. 
Innern  mit  Entbindung  von  d.  Amte  als 
Bez. -Direktor;  i.  VII.  72  Direktor  d 
Landeskrcditkasse;  i,  VII.  74  Ministerial- 
direktor; 4.  VII.  77  Staatsrath;  7.  lo.  86 
als  Geh.  Staatsrath  in  d.  Ruhestand  ver- 
setzt mit  d.  Vorbehaltung  weiterer  Ver- 
wendung, natpentl.  unter  Belassung  d. 
Kommissoriums  als  Mitgl.  u.  Vorsitzender  d. 
Vorstandes  d.  Landeskrcditkasse.  —  AM. 
(theilw.  nach  autobiogr.  Skizze). 

Schqumburg'  Lippe: 

Spring,  Heinrich,   Staatsminister  a.  I)  ,  * 

zu  Bückeburg    i.  XU.  21;    f   ebenda    11. 

VII.    —   L    Nachr.    aus    d.   Lande    1894, 

2.  Nov.;  Schaumb.-Lip[). Ztg.  1894,  31. De/. 

u.  1896,  13.  Jiili.  —  PM. 


29' 


Todtenliste  1896:    III,  2.  Diplomaten  u.  Staatsbeamte. 


30* 


Württemberg: 

Knapp,  Otto  v.,  Finanzdirektor  a.D.,  *  zu 
Schloss  Stammheim  b.  I^udwigsburg  5. 
XII.  31;  f  zu  Köln  25.  V.  —  Besuchte 
d.  Gymn.  u.  d.  Polytechn.  Schule  zu 
Stuttgart,  sowie  d.  Akademie  in  Genf; 
stud.  d.  Rechte  in  Tübingen;  1857 
grössere  Reise  in  England  u.  Frankreich; 
1858  —  1892  in  d.  Staatseisenbahnverwal- 
tung thätig,  zuletzt  II.  Vorstand  d.  General- 
direktion der  Eisenbahnen,  Vorstand  der 
Verwaltungs-  u.  Bauabth.  im  Ministerium 
(Abth.  f.  Verkehrsanstalten)  u.  Direktor  d. 
Statist.  Landesamts;  1877  Mitgl.  d.  Reichs- 
tags f.  Böblingen-Maulbronn  etc.  (Deutsche 
Reichspartei).  —  L  Hirths  Parlaments- 
almanach,  12.  Ausg.,  1877,  182;  111.  Ztg. 

106,  699;    BIl.  d.  Schwab.  Albvereins  8, 
223  (E.  Naegele). 

Morlok,  Georg  v.,  Baudirektor  a.  D.;  s. 
Sp.  79*. 

Muller,  Eduard  v.,  Direktor  im  evang. 
Konsistorium  zu  Stuttgart,  welcher  Be- 
hörde er  45  Jahre  lang  angehörte;  seit 
vielen  Jahren  auch  Mitgl.  d.  Mtnisterial- 
abth.  f.  d.  Gelehrten-  u.  Realschulen,  *  zu 
Gerabronn  14.  VII.  20;  f  zu  Baden-Baden 
25.  VIII.  —  L  111.  Ztg.  107,273.  —  AM. 

Sucher,  Gustav  v.,  tit.  Präsident,  Ministe- 
rialdirektor im  Kultusministerium,  Vor- 
stand d.  wissenschaftl.  Sammlungen  d. 
Staates ,  zugleich  Referent  f.  d.  Hoch- 
schulen, Neffe  d.  Komponisten,  *  zu  Stutt- 
gart 28.  II.  29;  t  daselbst  25.  VII.  — 
L  Schwab.  Kronik   1896,    1524;  111.  Ztg. 

107,  163.  —  AM. 
Oesterr  eich: 

*Chotek,    Graf  Bohuslaw,    ausserordentl. 

Gesandter;  s.  Sp.  8*. 
Dewez,  Wilhelm    Joseph  Freih.  v.,    k.  k. 

Sektionschef  a.D.,  *  zu  Karlsbad  11.  IX. 

26;   f  zu  Mödling  5.  VIII.  —  L  Freiherrl. 

Taschenb.  1897,  166.     1204. 
♦d'Elvert,  Christian,  Oberfinanzrath  a.  D., 

Btlrgerme ister  von  Brunn,  Reichsrathsabg., 

Historiker,    ♦    zu    Brlinn    ii.    IV.    1803; 

t  daselbst  28.  I.:   s.  BJ  I,  45.    —    L  BJ 

II,  10  ♦ ;  Mittheil.  d.  Ver.  f.  d.  Gesch.  d. 

Deutschen  in  Böhmen  34,  318;   Deutsche 

Ztschr.   f.    Geschichtswissensch.   N.  F.  I.: 

Monatsbll.  59. 
Foullon  de  Norbeeck,  Heinrich  Freih.  v., 

Chefgeolog    d.   Geolog.   Rcichsanstalt ;    s. 

Sp.  91  ♦. 
Haas,  Joseph,  österr.-ungar.  Generalkonsul 

in    Shanghai,     Autorität    als    Kenner    d. 

polit.,  kulturellen  u.  ethnograph.,  besonders 

auch    kunstgewerbl.   Verhältnisse    Chinas, 

•  zu  Tokat  in  Kleinasien  1847;    f  durch 

Ertrinken     bei    Pootoo     in    d.    Nähe    v. 

Ningpo    (China)  26.   VII.    —     1866   dem 


Generalkonsulate  in  Hongkong  z.  Dienst- 
leistung zugetheilt ;  1869  d.  Leiter  d. 
ostasiat.  Expedition  Contre-Admiral  Freih. 
v.  Petz  beigegeben;  lo.  IV.  70 — 30.  I.  73 
Dolmetsch-Eleve  b.  d.  Generalkonsulate 
in  Shanghai;  31.  I.  73 — 3.  IV.  83  Kanzler- 
Dolmetsch  dortselbst  (später  mit  d.  Titel 
eines  Vize-Konsuls) ;  4.  IV.  83—25.  X.  84 
Vize-Konsul;  26.  X.  84 — 24.  X.  95  Konsul; 
25.  X.  95  —  26.  VII.  96  Generalkonsul 
IL  Cl.  —  L  ni.  Ztg.  107,  163:  Oriental. 
Bibliogr.  10,  153  (Ostasiat.  Lloyd  10, 
loii;  T'oung  Pao  7,  427).  —  AM. 

Hauser,  Alois,  k.  k.  Baurath,  Architekt; 
s.  Sp.  77*. 

Kirschner,  Ferdinand  Ritter  v.,  k.  u.  k. 
Reg.-Rath,  gewesener  Burghauptmann  in 
Wien,  Architekt;  s.  Sp.  78*. 

*Kutschera  v.  Aichlandt,  Joseph  Freih  v., 
k.  k.  Statthaltereivizepräsident  L  R.,  *  zu 
Krumau  in  Böhmen  6.  X.  18;  f  zu  Ischl 
27.  VL  (nicht  VIL):  s.  BJ  I,  131.  —  L 
BJ  II,  24  •;  Freiherrl.  Taschenb.  1897, 
525.   1210. 

Matzinger,  Freih.  Franz,  Dr.  jur.,  k.  k.  Geh. 
Rath  u.  Sektionschef  a.  D.,  *  zu  St.  Polten  in 
Niederösterreich  23.  III.  17;  f  zu  Weidling 
b.  Wien  22.  VIII.  —  L  FreiherrLTaschenb. 
1897,  639.  1212. 

Neumann,  Theodor,  früher  Konsul  in 
Kairo  u.  Patras,  Geograph;  s.  Sp.  97*. 

Scala,  Theodor  v.,  Betriebsdirektor  d.  k. 
k.  Staatsbahnen,  Eisenbahningenieur;  s. 
Sp.  80*. 

Schönburg  -  Hartenstein,  Alexander 
Fürst  v.,  Wirkl.  Geh.  Rath,  ausserordentl. 
Gesandter  u.  bevollmächtigter  Minister 
i.  D.;  s.  Sp.  13  ♦. 

^Trauttmansdorff,  Ferdinand  Graf  v., 
Geh.  Rath,  Botschafter  etc.;  s.  Sp.   15*. 

^Vrints  zu  Falkenstein,  M  a  x  i  m  i  1  i  a  n  Graf, 
Geh.  Rath,  ausserordentl.  Gesandter  u. 
bevollmächtigter  Minister  a.  D.;  s.  Sp.  15*. 

Wacken,  August  in  Ernst  Eugen  Freih.  v., 
Besitzer  d.  Herrschaft  Idolsberg  in  Nieder- 
österreich, k.  u.  k.  Legationsrath,  zuletzt 
bei  d.  Botschaft  in  Berlin,  1894  wegen 
Krankheit  beurlaubt,  *  zu  Brüssel  29.  IX. 
50;  f  zu  Wien  28.  I.  —  L  Freiherrl. 
Taschenb.  1897,  11 17.  1120;  111.  Ztg.  106, 
164. 

Weis  von  Teufenstein,  Karl  Gottlieb 
Freih.  v.,  k.  k.  Sektionschef  im  Ministerium 
f.  Handel  u.  Volkswirthschaft  i.  R., 
Ehrenbürger  v.  Mies  in  Böhmen,  *  zu 
Frauenberg  in  Böhmen  8.  V.  10;  f  zu 
Wien  2.  V.  —  L  Freiherrl.  Taschenb. 
1897,   1137.     I22I;  111.  Ztg.  106,  639. 

WimpiTen,  Graf  Heinrich-Emil,  vormals 
Leiter  d.  k.  u.  k.  Generalkonsulats  f. 
Algerien;  s.  Sp.   15*. 


31 


^• 


Todtenliste  1S96:    III,  2.  3.  Diplomaten,  Staats-  u.  Gemeindebeamte. 


32' 


Zimmermann,  Georg  Ritter  v.,  pens.  Vize- 
präsident d.  Finanzlandesdirektion  und 
Finanzlandesdirektor  in  Wien,  *  zu  Wien 
9.  III.  27;  t  daselbst  12.  XL  —  L  111. 
Ztg.  107,  653. 

Schweiz: 

Wyniftorf,  Johann,  1872—78  Mitgl.  d. 
Berner  Reg.-Raths  u.  Leiter  d.  Militär- 
direktion, seit  1895  Beamter  d.  Bemer 
Staatsarchivs,  ♦  zu  Zielebach  14.  IV.  30; 
t  zu  Bern    25.  VL    —    L  111.  Ztg.    107, 

973-  —  AM. 
Russland: 
Rennenkampf,    Konstantin    Karlowitsch, 


Wirkl.  Geh.  Rath  u.  dirigirendcr  Staats- 
sekretär d.  eigenen  Kanzlei  d.  Kaisers; 
t  zu  St.  Petersburg  18.  XL  —  L  lU.  Ztg. 
107,  653. 

Amerika: 

Kömer,  Gustav,  Rechtsgelehrter  u.  Staats- 
mann, *  zu  Frankfurt  a.  M.  30.  XL  1809; 
t  zu  Belleville  (Illinois)  9.  IV.  —  L  111. 
Ztg.  106,  530. 

Australien: 

Müller,     Ferdinand     Freih.    v.,     Regie 

ruDgsbotaniker    d.    Kolonie    Victoria;    s. 

Sp.  93  •• 


3.     Gemeindebeamte  und  Gemeinderäthe. 


*Albrecht,  Siegfried  Wilhelm,  Stadtsyndikus 
in  Hannover;  s.  Sp.  22  •. 

Angerstein,  Eduard,  Prof.  Dr.,  städt. 
Oberturnwart  in  Berlin;   s.  Abth.  XXII. 

^Baumbach,  Karl  Adolf,  Dr.  jur.,  Ober- 
bürgermeister V.  Danzig,  Reichstagsabg., 
nationalökonom.    u.    polit.    Schriftsteller, 

*  zu  Meiningen  9.  II.  44;  f  zu  Danzig 
21.  L:  s.  BJ  I,  199  (Z.  22  u.  29  lies 
Sonneberg  statt  Sonneburg).  —  L  BJ  II, 
3  ♦;  in.  Ztg.  1892  Nr.  2578;  Brockhaus' 
Konv.-Lex.  '*  2,  521.  17,  133.  ~  W 
BJ  I,  200;  KL  1896,  56.  —  P  lU.  Ztg. 
1892  Nr.  2578. 

Bergenroth,  Julius,  Dr.,  Gymn. -Oberlehrer 
a.  D.  u.  Stadtverordnetenvorsteher  inThorn ; 
s.  Abth.  XVI. 

Berlin,  Dr.,  Hofrath,  Rechtsanwalt,  Vor- 
stand d.  Gemeindekolleg^ums  in  Ansbach; 
s.  Abth.  XX. 

Dickert,  Julius,  Stadtverordnetenvorsteher 
zu  Königsberg  in  Pr. ;  s.  Sp.  37  *. 

Drabizius,  Guido  v.,  Stadtverordneter  in 
Breslau,  Ritterguts-  u.  Baumschulenbesitzer, 

*  zu  Breslau  26.  III.  39;  f  daselbst  28. 
IIL  —  »D.  hat  der  Stadtgemeinde  Breslau 
in  mehreren  Verwaltungsdeputationen  u. 
besonders  durch  die  erste  Anlage  von 
Weidenkulturen  auf  den  Oswitzer  Riesel- 
feldern werthvoUe  Dienste  geleistet,  sowie 
durch  Freilegung  des  jetzigen  Matthias- 
platzes u.  d.  Ausbau  der  anliegenden 
Strassenzüge  den  Anstoss  zur  Entwickelung 
und  zum  Aufblühen  der  Odervorstadt  ge- 
geben. Die  Anlegung  des  vor  den  Thoren 
von  Breslau  gelegenen  Rittergutes  Carlo- 
witz  zu  einer  Garten-  und  Villenkolonie 
ist  sein  Werk.  Die  Durchführung  des 
Grossschi fFfahrtweges  (Oder- Kanal)  durch 
die  Odervorstadt  bei  Breslau  hat  er  in 
energischer,  selbstloser  Weise  gefördert 
durch  rechtzeitige  Vorbereitung  der  Eigen- 
thumsrcgulicrungcn.  In  seinem  Testament 
hat    er    die   Stadt  Breslau   zur   Universal- 


erbin eingesetzt.  Leider  konnte  diese  die 
Erbschaft  nicht  antreten,  obgleich  zum 
Nachlasse  mehrere  Rittergüter  und  zahl- 
reiche ländliche  und  städtische  Grund- 
stücke gehörten,  da  die  Passiva  die  Aktiva 
um  mehr  als  eine  Million  Mark  über- 
stiegen.« —  L  111.  Ztg.  io6,  437.  —  AM. 

♦d*Elvert,  Christian,  Bürgermeister  von 
BrUnn ;  s.  Sp.  30  *. 

Flügel,  Karl,  Stadtrath  a.  D.  in  Sanger- 
hausen, Industrieller;  s.  Sp.  71  *• 

Fromme,  Ludolf  Ulrich,  Oberbürgermeister 
a.  D.  in  Lüneburg,  Reichstagsabg.,  *  zu 
Iber  in  Hannover  22.  VIII.  13;  +  zu 
Lüneburg  12.  V.  —  Besuchte  d.  Lyzeum 
in  Hannover,  d.  Gymn.  in  Göttingen; 
stud.  daselbst  1832 — 35  Jura ;  wurde 
hannov.  Beamter,  seit  1852  im  Verwal- 
tungsfach, u.  zwar  bis  1860  erster  Ver- 
waltungsbeamter d.  Amtes  Dannenberg; 
seitdem  Oberbürgermeister  in  Lüneburg; 
nahm  als  Mitgl.  wesentlichen  Antheil  an 
d.  Reorganisation  d.  Provinz.-Landscbaft 
d.  Fürstenthums  Lüneburg;  1863  Mitgl. 
d.  hannov.  Vorsynode  f.  Hebung  d. 
Gemeinderechte;  1867  ff.  Mitgl.  d.  Reichs- 
tags f.  d.  16.  Wahlkreis  Hannover  (oat- 
lib.).  —  L  Hirths  Parlaments-Almanach 
f.  1868,  7.  Ausg,  150;  lU.  Ztg.  106,  639. 

Gerstenberg,  Adolf,  Stadtbaurath  in  Berlin ; 
s.  Sp.  76*. 

^Gurlitt,  Hans  Christian  Emanuel,  Bürger- 
meister V.  Husum,  Dichter  in  plattdeut- 
scher Mundart,  *  zu  Altona  21.  I.  26; 
t  zu  Husum  13.  VII.:  s.  BJ  I,  245.  —  L 
BJ  II,  i6  ♦.  —  W  BJ  n,  246;  KL  1896, 

443. 

Helfritz,  Hugo,  Bürgermeister  v.  Greifs- 
wald u.  Mitgl.  d.  preuss.  Herrenhauses 
auf  I^ebenszeit,  *  zu  Iven  im  Kr.  Anklam 
19.  VIII.  27;  t  zu  Greifswald  4.  VII.  — 
L  Hl.  Ztg.  107,  73.  —  AM. 

Hornemann,  Karl,  Senator  in  Hannover, 
1870—85  Vertreter  dieser  Stadt  im  preuss. 


33' 


Todtenliste  1896:    III,  3.  Gemeindebeamte.     IV.  Parlamentarier. 


34' 


Abg.-Hause,  86  J.,  f  zu  Hannover  13.  XII. 
—  L  111.  Ztg.  107,  799.  —  AM. 

Kröber,  Adolf,  Magistratsrath  in  München, 
Reichstags-  u.  bayer.  Landtagsabg.,  Holz- 
händler; s.  Sp.  37*. 

Maisch,  Jakob,  Oberf)Urgermcister  von 
Karlsruhe,  P.irlamentarier,  Buchdrucker; 
s.  Abth.  XXIV. 

Meyer,  Heinrich,  Stadtrath  u.  Kauf- 
mann in  Stettin,  Verleger  u.  Schriftsteller; 
s.  Abth.  XXIV. 


Moll,  Eduard,  frtlherer  Oberbürgermeister 
V.  Mannheim,  bad.  Landtagsabg.  f.  d. 
früheren  12.  Städtcwahlbezirk  (demokr.), 
langj.  Mit«;!,  d.  deutschen  Handelstages, 
*  zu  Osnabrück  9.  III.  14;  f  *"  Mann- 
heim 19.  X.  —  L  111.  Ztg.  107,  515.  — 
AM. 

*Volkinann ,  Wilhelm,  Stadtrath  in 
Leipzig,  Buchdrucker  u.  Verleger;  s. 
Abth.  XXIV. 


IV.     Parlamentarier. 

Deutscher  Bund: 


Frankfurter  Parlament: 

*Dunin- Borke wski  von  Borkowice,  Graf 

Alexander  (Lesze)  v. ;  s.  Sp.  8*. 
*Rank,  Josef,  Dichter  u.  Schriftsteller:   s. 

Abth.  xxin. 
^Wagner   von    Freinsheim ,    C  a  m  i  1 1  o 
(Pseud.:  Karl  Guntram),  k.  k.  Hofrath  im 


Oberlandesgericht  zu  Wien  i.  R.,  Dichter; 

s.  Abth.  XX. 
Waldmann,  Heinrich,  Gymn.- Oberlehrer 

in  Heiligenstadt;  s.  Abth.  XVI. 
Erfurter  Parlament: 
Bergfeld,  Karl,  Sachsen -Weimar.  Geheim- 

rath ;  s.  Sp.  27*. 


Deutsches   Reich: 


a)  Reichstag: 

*Albrecht,  Siegfried  Wilhelm,  Obervcrwal- 
tungsgerichtsrath  a.  1).,  1867  —  78  V^er- 
treter  d.  Wahlkr.  Einbeck-Uslar-(Jsterode 
(nat.-lib.);  s.  Sp.  22*. 

Albrecht,  Wilhelm,  Gutsbesitzer  in  Suze- 
min  b.  Pr.  Stargard,  ♦  zu  Syke  in  d. 
Prov.  Hannover  7.  XL  21;  f  zu  Berlin 
23.  V.  —  Besuchte  d.  Lyzeum  u.  d. 
Polytechn.  Schule  in  Hannover  u.  d.  Univ. 
Jena;  seit  1866  Provinzial- Landschafts- 
Direktor  in  Danzig;  Mitgl.  d.  Kreistages 
u.  Kreis  -  Ausschusses  f.  fv.  Stargard ; 
1874  Reichs lagsabg.  f.  d.  Landkreis  Dan- 
zig (nat.-lib.).  —  L  Hirths  Deutscher 
Parlamentsalm  an  ach  12.  Ausg.,  1877,  117; 
111.  Ztg.  106,   699. 

*Baer,  Karl,  Oberlandesgcrichtsrath,  1874 
bis  79  Reichstagsabg.  f.  d.  Wahlkr.  Offen- 
burg-Oberkirch-Kehl,  1873—82  Abg.  d. 
2.  bad.  Kammer  f.  s.  Vaterstadt  Bruchsal 
(nat-lib.),  *  daselbst  24.  X.  33;  f  zu 
Montreux  8.  V.:    s.  BJ  I,  389.    —    L  BJ 

11,  2   * ;     Hirths    Parlaments  -  Almanach, 

12.  Ausg.,  1877,  120;  Karlsruher  Ztg.  1896, 
Nr.  217. 

^Baumbach,  Karl,  Dr.,  Oberbürgermeister 
in  Danzig,  1880  —  93  Mitgl.  d.  Reichs- 
tags, 1890—93  dessen  i.  Vizepräsident 
(nat.-lib.,  sezess.,  deutsch-freis.);  s.  Sp.  31*. 

Berling,  Heinrich  Friedrich  Georg, 
Kammerrath,  pens.  Zoll  Verwalter  u.  Post- 
meister in  Buchen,  *  daselbst  13.  XI.  17:  f 
ebenda  28.  VI.  —  Vertrat  seinen  Heimat- 

Blogr.  Jahrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd. 


kreis  Lauenburg  im  preuss.  Abg.-Haus 
1877  —  93  und  im  Reichstag  1885  —  93, 
wo  er  dem  rechten  Flügel  der  freisinnigen 
Partei  angehörte.  —  L  Hirths  Parlaments- 
almanach,  16.  Ausg.,  1887,  127;  Amtl. 
Reichstags  -  Handb.  8,  1890/95:  Biogr. 
u.  Statist.  Notizen  S.  13;  111.  Ztg.  107, 
41.  —  AM. 

Böhm ,  Bernhard  Gustav,  Bauernguts- 
besitzer zu  Brunne  b.  Betzin-Carwesen  im 
Kr.  Osthavelland,  *  ebenda  4.  IX.  41; 
t  zu  Berlin  17.  III.  —  Besuchte  d.  Dorf- 
schule in  Brunne,  52—56  d.  höhere 
Knabenschule  in  Berlin  u.  wurde  dann 
Landwirth;  diente  1860  —  63  im  Garde- 
Dragoner-Reg.  u.  war  am  Feldzug  1870/71 
betbeiligt ;  Vertreter  d.  Wahlkreises Ruppin- 
Templin  seit  1893  (freis.  Volksp.).  —  L 
111.  Ztg.  106,  368.  —  L  u.  P  Kürschners 
Reichstag  1893,  39;  D.  Deutsche  Reichs- 
tag 1893—98  (Leipzig,  C.  Minde,  1893),  64. 

Born,  Rudolf,  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrath 
in  Greiffenberg  (Schlesien),  *  zu  Ober- 
möllern, Kr.  Naumburg,  19.  XL  28;  f  4. 
L  —  Besuchte  d.  Gymn.  in  Zeitz;  stud. 
1849—53  in  Leipzig,  Würzburg,  Jena  u. 
Berlin;  seit  1854  in  Greiffenberg  in  Schi. 
Kommunalarzt  u.  Stadtverordneter;  Ver- 
treter d.  Wahlkr.  Löwenberg  1887  —  90 
(nat-lib.).  —  L  Hirths  Pariamen tsalma- 
nach,  16.  Ausg.,  1887,  130;  111.  Ztg.  106,72. 

Brüel,  Ludwig,  Dr.,  Geh.  Reg.-Rath  a.D., 
Reichstagsabg.  1874  —  84  u.  1892  -  -  93 
(Weife,  Hospitant  d.  Zentrums);  s.  Sp.  21*. 

b 


35* 


Todtcnliste   1896:    IV.  Parlamentarier. 


36* 


*Buhl,  Franz  Armand,  Dr.,  Weinguts- 
besitzer, 1871 — 90  nat. -IIb.  Vertreter  d. 
Wahlkr.  Homburg  -  Kuscl  im  Reichstag, 
1887  —  90  dessen  i.  Vizepräsident,  seit 
1885  Reichsrath  d.  Krone  Bayern,  *  zu 
Ettlingen  2.  VIII.  37;  f  zu  Deidesheim 
5.  III.:  s.  BJ  I,  49  ♦.  220.  —  L  BJ  II, 
6  •;  111.  Ztg.  106,  307.  668;  Bayerland 
'896,  395  (mit  P).  —  P  111.  Ztg.  1892 
Nr.  2578  u.  1896  Nr.  2761,  S.  665. 

^Bunsen,  Georg  v.,  Politiker,  Reichstags- 
abg.  1867  —  74  u.  1876-87,  preuss.  T.and- 
tagsabg.  1862  —  79,  *  zu  Rom  7.  XI.  24; 
f  zu  London  22.  XII.:  s.  BJ  I,  34.  — 
L  BJ  II,  6*;  Arbeiterfreund  1896,  375; 
Cosmopolis  10,   1898,  874  (M.  v.  Bunsen). 

Dalwigk  -  Lichtenfels ,  Franz  Freih.  v., 
Herr  auf  Glimbach  u.  Kirchberg  (Rhein- 
prov.),  sowie  auf  Lichtenfels  u.  Sand 
(FUrstenth.  Waldeck),  k.  preuss.  Premier- 
lieut.  a.  D.,  *  auf  Schloss  Borsdorf  b. 
Düren  18.  II.  30;  f  zu  Düsseldorf  16.VL 
—  Häuslicher  Privatunterricht,  dann  7'/2 
Jahre  auf  d.  Ritterakad.  zu  Bedburg,  wo 
er  1849  absolvierte;   diente  im  k.  preuss. 

II.  Husaren-Reg.  bis  1860,  wo  er  seinen 
Abschied  nahm;  machte  1860/61  unter 
Lamoriciere  in  d.  päpstl.  Armee  d,  Feld- 
zug mit;  1866  u.  70  als  Delegirter  d. 
Rhein.  -Westphäl.  Malteser-Genossenschaft 
bei  d.  freiwilligen  Krankenpflege  thätig; 
Mitgl.  d.  Reichst,  f.  d.  Wahlkr.  Neuss- 
Grevenbroich  1878 — 93,  d.  preuss.  Abg.- 
Hauses  1881  flf.,  d,  Provinzial-Landt.  f.  d. 
Rheinprov.  1883  ff.  (Zentrum)  —  L  Hirths 
Parlamentsalmanach,  15.  Ausg.,  1884,  134. 
16.  Ausg.,  1887,  139;  111.  Ztg.  106,  791; 
Freiherrl.  Taschenb.  1896,  165.  1897, 
1203  Militär- Wochenbl.  1896,  2323;  Deut- 
scher Hausschatz  20,  Beil.,  56. 

Dickert,  Julius,  Privatmann  in  Königs- 
berg i.  Pr.,  ♦  zu  Elbing  25.  VI.  16; 
f  im  Badeort  Neuhäuser  in  Ostpr.  12. 
VIII.  -  Stud.  auf  d.  Univ.  Königsberg 
drei  Jahre  Theologie,  wandte  sich  dann 
zur  Philologie  u.  war  lange  Zeit  Lehrer; 
1861  Mitbegründer  d.  Fortschrittspartei; 
1861—71  Vorsteher  d.  Stadtverordneten- 
versammlung in  Königsberg,  welches  Amt 
er  1871  wegen  seiner  Wahl  in  d.  Reichs- 
tag niederlegte;  1871  —  77  Vertreter  d. 
Stadt  Königsberg  (fortschrittl).  —  L  Hirths 
Parlamentsalmanach,  12.  Ausg.,  1877,  ^45; 

III.  Ztg.   107,   245. 

Fromme,  Ludolf  Ulrich,  Oberbürgermeister 
a.  D.  in  Lüneburg,  1868  Vertreter  d. 
16.  Wahlkr.  Hannover,  Amt  Neuhaus  i.  L. 
(nat-lib.);  s.  Sp.  32*. 

*Fürstenberg,  Karl  Egon  Fürst  zu,  seit 
IT.  XI.  93.  Vertreter  d  Wahlkr.  Donau- 
eschingen (bei  keiner  Fraktion);  s.  Sp.  9''. 


Gehren,  Ottov.,  Geh.  Reg.-Rath,  Landrath, 
1881  —90  Vertreter  d.  Wahlkr.  Fritzlar- 
Homberg- Ziegenhain  (kons.):  s.  Sp.  24*. 

^'Gieschen,  Heinrich,  Dr.  jur.,  Rechtsan- 
walt, Mitgl.  d.  Bürgerschaft  in  Hamburg, 
1881—84  Vertreter  d.  Wahlkr.  Elmshoro- 
Pinneberg  (fortschr.),  *  zu  Hamburg  17. 
VIII.  43;  t  daselbst  ii.  V. :  s.  BJ  I,  213. 
—  L  BJ  II,  14  ♦:  Schoenfeld,  Notiz-Buch 
f.  Reichstags- Wähler  ^   150.  152. 

Gordon  (Familienname  Coldwells),  Franz 
von,  Fideikommissbcsitzer  auf  Schloss 
Laskowitz  (Kreis  Schwetz),  k.  preuss. 
Kammerherr  u.  Rittmeister  d.  Garde- 
Landwehr  -  Kavallerie,  Mitgl.  d.  preuss. 
Herrenhauses,  *  auf  Laskowitz  8.  VIII.  37; 
f  zu  Berlin  17.  XI.  —  Besuchte  d.  Gymn. 
zu  Danzig  u.  d.  Univ.  Bonn;  Landwirth; 
1877—81  Vertreter  d.  Wahlkr.  Schwetz 
(kon.««.).  —  L  Hirths  Parlamentsalmanach, 
12.  Ausg.,  1877,  157;  111.  Ztg.  107,  653. 
--  AM. 

Hall,  Samuel  Heinrich,  Oberlandes- 
gerichtsrath  a.  D.  in  Celle,  *  zu  Herz- 
horn  in  Holstein  2.  III.  19;  f  zu  Celle 
Ende  Oktober.  —  Besuchte  d.  Gymn.  zu 
Glückstadt;  stud.  Rechtswissenschaft  in 
Kiel,  Jena  u.  Leipzig;  1845— 64  Advokat 
in  Glückstadt;  1864  —  67  Appellations- 
gerichtsrath  in  Flensburg,  1867  ^^  Kiel; 
später  Oberlandesgerichtsrath  in  Celle: 
1870-73  Mitgl.  d.  preuss.  Abg.-Hauses 
f.  d.  Wahlkr.  Steinburg;  1877-81  Reichs- 
tagsabg.  f.  d.  Wahlkr.  Dithmarschen- 
Steinburg  (nat.-lib.).  —  L  Hirths  Parla- 
mentsalmanach, 12.  Ausg,  1877,  163;  111. 
^tg.   107,   547. 

Hartmann,  Ludwig,  Stadtrath  in  Hagenau, 
1874 — 77  Vertreter  d.  Wahlkr.  Hagenau- 
Weissenburg,  •  1837;  f  24.  III.  —  L 
Schönfeld,  Notiz-Buch  f.  Reichstags-Wäh- 
ler ^  396. 

Hildebrandt,  Robert,  Landgerich tsratb  in 
Köslin  u.  Besitzer  d.  Wesseckschen  Güter, 
*  daselbst  22.  V.  30;  f  im  Sept.  —  Be- 
suchte Schule  u.  Gymn.  seiner  Vaterstadt 
u.  d.  Univ.  Berlin  u.  Bonn;  1873 — 79 
preuss.  Landtagsabg. ;  1887  —  9^  Reichs- 
tagsabg.  f.  d.  Kr.  Fürstenthum  in  Schi. (Üb., 
bei  keiner  Fraktion).  —  L  Schönfeld,  No- 
tiz-Buch f.  Reichstags-Wähler  •■•,  72. 

Hinze,  Hugo,  früher  preuss.  Major,  publizist. 
Schriftsteller,  *  zu  Brieg  in  Schi.  1.  XI. 
39;  f  zu  Wiesbaden  25.  IX.  —  Besuchte 
d.  Gymn,  zu  Brieg;  1857  —  83  aktiv  in 
der  preuss.  Armee,  zuletzt  als  Major  u. 
etatsmässiger  Stabsoffizier;  1S84— 87  Ver- 
treter d.  Wahlkr.  Friedberg  -  Büdingen, 
1890-93  d.  Wahlkr.  Oldenburg-Lübeck- 
Birkenfeld  (freis.).  —  L  Hirths  Parlaments- 
almanach,    15.  Ausg.,     1S84,   162;    Amtl. 


37' 


Todtenliste  1896:    IV.  Parlamentarier. 


38* 


Reicbstagshandb.  8,  1890/95:  Biogr.  u. 
Statist.  Notizen  S.   55;  111.  Ztg.   107,  395. 

—  AM. 

Hoermann  von  Hoerbach,  Winfried  v., 
k.  bayer.  Staatsratb,  1871  —  74  Reicbstags- 
abg.  f.  d.  Wahlkr.  Schweinfurt  (Hb.);  s. 
Sp.  2o'. 

Horneck  von  Weinheim ,  Heinrich 
Alexander  Gustav  Freib.  v.,  k.  u.  k.  Käm- 
merer u.  Oberleutn.  a.  D, ,  auf  Schloss 
Thurn  b.  Forchheim,   *   zu    Bamberg  26. 

11.  43;  t  zu  Bayreuth  27.  V.  —  1860 — 67 
Österreich.  Militärdienst;  1877  —  84  Ver- 
treter des  Wahlkr.  Bamberg  (Zentr.).  — 
L  Freiherrl.  Taschenb.  1896,  430.  1897, 
1208;  Schönfeld,  Notiz-Buch  f.  Reichstags- 
Wähler-'  272;  Hirths  Parlamentsalm anach, 

12.  Ausg.,   1877,   174. 

Knapp,  Otto  v.,  Württemberg.  Finanz- 
direktor a.  D.,  1877  —  81  Vertreter  d. 
Wahlkr.  Böblingen  -  Maulbronn  (Reichs- 
partei) ;  s.  Sp.  29*. 

Krieger,  Fritz,  Geh  Justiz-  u.  Oberlandes- 
gerichtsrath  in  Jena,  *  zu  Dornheim  b. 
Arnstadt  16.  VIII.  41;    f    zu    Jena  23.  I. 

—  Besuchte  1851  —  61  d.  Gymn.  zu  Arn- 
stadt, 1861 — 64  d.  Univ.  Göttingen, 
Berlin,  Jena;  1864  erstes,  1866  zweites 
Jurist.  Examen;  1868  —  75  Rechtsanwalt 
in  Ilmenau  u.  Arnstadt;  1S75  Eintritt  in 
d.  unmittelbaren  Grossherzogl.  sächs. 
Staatsdienst;  1877-78  Vertreter  d.  Wahl- 
kr. Weimar-Apolda  (nat.-lib.).  —  L  Hirths 
Parlamentsalmanach,  12.  Ausg.,  1877,  184; 
111.  Ztg.   106,    136. 

♦Kröber,  Adolf,  Holzhändler  in  München; 
1884  —  90  u.  93  —  96  Rcichstagsabg. 
(dcmokr.),  1884  —  90  Gemeindebcvoll- 
mächtigter ,  seitdem  Magistratsrath  in 
München,  *  zu  Kaiserslautern  6.  IV.  34; 
f  zu  Lussin-Piccolo  2.  IV.:  s.  BJ  I,   197. 

—  L  BJ  II,  23*;  Amtl.  Rcichstagshandb. 
9,  1893/98,  194;  Kürschners  Reichstag 
1893.  269;  111.  Ztg.  106,  437.  —  P 
Kürschners  Reichstag  1893,  269;  D. 
Deutsche  Reichstag  1893  —  98  (Leipzig, 
C.  Minde,   1893),  48. 

*Lamey,  August,  Staatsrainister,  1871  —  74 
Vertreter  d.  Wahlkr.  Mannheim  (nat.-lib.); 
s.  Sp.   19*. 

^Lassen,  Hans,  Hof besitzer  in  Lysabbel  b. 
Schauby  auf  Alsen,  *  daselbst  11.  IL  31; 
f  ebenda  20.  I.  —  Besuchte  hier  1837  bis 
41  die  Volksschule,  47  —  48  die  sogenannte 
Hochschule  in  Rödding  u.  widmete  sich 
dann  d.  Landwirthschaft;  seit  1867  Mitgl. 
d.  Provinziallandtags  f.  Schleswig  -  Hol- 
stein; 1880  —  83  Mitgl.  d,  Reichstags, 
seit  1876  preuss.  Landtagsabg.  f.  Apen- 
rade  -  Sonderburg    (Däne):    s.  BJ    I,  218. 

—  L  BJ  II,  24  * ;  Kürschners  Preuss.  Ab- 


geordnetenhaus   1894,    259    (mit  P);    111. 
Ztg.   106,   193. 

Loe,  Felix  Freih.  v,  Gutsbesitzer  in 
Terporten  b.  Hassum,  Kr.  Kleve,  *  zu 
Düsseldorf  23.  I.  25;  f  auf  Schloss 
Räkelwitz  in  Sachsen  26,  V.  —  Besuchte 
1840—42  zu  Münster  i.  W.,  1842—43  zu 
Düsseldorf  d.  Gymn.;  stud.  1843-48  in 
Bonn,  Würzburg,  Heidelberg  u.  Berlin  d. 
Rechte;  1848-  51  Lieutenant  im  7.  Ulanen- 
Reg. ;  1851  —  53  bei  d.  kgl.  Regierung  zu 
Düsseldorf;  dann  beim  Landrathsamt  in 
Geldern;  1854—58  Bürgermeister;  1859 
Landrath  d.  Kr.  Kleve,  1867  durch 
Kabinetsordre  in  d.  einstweiligen  Ruhe- 
stand versetzt;  1868  —  70  Mitgl.  d.  Nordd. 
Reichst.,  1869  d.  deutschen  Zollparla- 
ments; 1870-76  u.  1890— 96^ Mitgl.  d. 
preuss.  Abg.  -  Hauses  f.  Kleve  -  Geldern 
(Zentrum);  Präsident  d.  Rhein.  Bauerii- 
vereins.  —  L  Hirths  Parlamentsalmanach, 
7.  Ausg.,  1868,  177;  Kürschners  Preuss. 
Abg.-Haus  1894,  393;  111.  Ztg.  106,  699; 
Deutscher  Hausschatz  19,  628  (mit  P).  20, 
Beil.,  57.  —  W  Keiter  4,   121. 

Pflüger,  Georg,  Kaufmann  in  Creglingen, 
Oberamt  Mergentheim,  *  daselbst  30.  VI. 
35 ;  f  ebenda  2.  IV.  —  Besuchte  die 
Lateinschule  s.  Vaterstadt  u.  erhielt 
daneben  Privatunterricht ;  1849  —  61 
Handlungskommis  in  Heilbronn,  Ehingen 
u.  Creglingen;  seit  1861  selbständig; 
seit  1890  Vertreter  d.W^ahlkr.  Gerabronn- 
Künzelsau  (sUdd.  Volkspartei).  —  L  Amtl. 
Reichstagshandb.  8,  1890/95:  Biogr.  u. 
Statist.  Notizen  S.  99.  9,  1893/8,  219; 
Kürschners  Reichstag  1893,  319  (mit  P); 
D.  Deutsche  Reichstag  1893 — 98  (Leipzig, 
C.  Minde,  1893),  ^2  (mit  P). 

Raeithel,  Heinrich  Gottfried,  Fabrikant  u. 
Bürgermeister  zu  Schwarzenbach  a.  S.,  * 
daselbst  25.  III.  42 ;  f  20.  II.  —  Besuchte 
d.  Lateinschule  zu  Hof,  d.  Gewerbeschule 
zu  Wunsiedel  u:  d.  höh.  Weberschule  zu 
Chemnitz;  arbeitete  1860  —  63  in  Fabrik- 
geschäften in  Sachsen  u.  Böhmen;  seit 
i864Theilhaber  d.  Manufakturwaarenfabrik 
Karl  KUnzel  in  Schwarzenbach  a.  S. ;  seit 
1869  Mitgl.  d.  Stadt.  Kollegien;  1888  zum 
2.  Male  als  Bürgermeister  gewählt;  15  Jahre 
Miigl.  d.  Distriktsrathes  Rehau,  seit  1880 
f.  Hof-Schwarzcnbach;  1882  —  87  Mitgl. 
d.  Landraths  v.  Oberfranken  f.  Hof-Naila; 
1890  —  93  Reichstagsabg.  f.  d.  Wahlkr.  Hof 
(deutschfreis.).  —  L  Amtl.  Rcichstags- 
Handb.  8,  1890/95:  Biogr.  u.  Statist.  No- 
tizen, 102 ;  Schönfeld,  Notiz-Buch  f.  Reichs- 
tags-Wähler *,  268. 

Reindl,  Magnus  Anton,  Domdekan,  1881  —  96 
Vertreter  d.  Wahlkr.  Illertissen  (Zentrum); 
s,  Abth.  XIX. 

b* 


39 


* 


Todtenliste   1896:    IV.  Parlamentarier. 


40' 


*Stolberg. Wernigerode,  Otto  Fürst  zu, 
1S67  Mitgl.  d.  constituirenden  Reichs- 
tags, 1871-78  Vertreter  d.  Wahlkr.  Goslar- 
Zellerfeld  (Reicbspartei) ;  s.  Sp.  14*. 

Szembek,  Graf  Peter,  1871  —  74  Vertreter 
d.  Wahlkr.  Adelnau-Schildberg  (Pole);  s. 
Sp.  14*. 

*Treitschke,  Heinrich  v.,  Historiker,  1870 
bis  84  Vertreter  d.  Wahlkr.  Kreuznach-Sim- 
mern  (nat.-lib.,  seit  1879  Reichspartei); 
s.  Abth.  XVII. 

Ulrich,  Theodor,  Geh.  Bergrath  in  Klaus- 
thal, 1871  —  77  Vertreter  d.  Wahlkr.  Kleve- 
Geldern  im  Reichst.,  1870—74  im  preuss. 
Abg.-Hause  "  (Zentrum) ,  •  zu  Arnsberg 
2.  X.  25 ;  t  zu  Klausthal  8.  VIII.  —  L 
111.  Ztg.  107,  214;  Schönfeld,  Notiz-Buch 
f.  Reichstags-Wähler  ^  220. 

Vogel,  Karl  Leopold,  Sachsen  -  altenburg. 
Geh.  RAth,  1881—84  Vertreter  d.Wnhlkr. 
Altenburg  (Reichspartei);  s.  Sp.  27*. 

Wengert,  Joseph,  Pfarrer  zu  Dirgenheim  in 
Württemberg,  1893— 96Vertret.  d.  Wahlkr. 
Aalen-Ellwangen  (Zenlr.);  s.  Abth.  XIX. 

Wiesike,  Hermann,  Guts-  u.  Ziegelei- 
besitzer zu  Plauerhof  bei  Plane  a  d. 
Havel,  *  zu  Brandenburg  a.  d.  H.  i.  XI. 
25;  f  zu  Potsdam  12.  VII.  —  Besuchte 
1833  —  42  d.  Gymn.  zu  Brandenburg, 
1846—48  die  Landwirthschaftl.  Akademie 
in  Regen walde;  Amtsvorsteher;  Vertreter 
d.  Wahlkr.  West-Havelland- Brandenburg 
seit  1893  (nat.-lib.).  —  L  Amt!.  Reichs- 
tagshandb.  9,  1893/98,  255;  D.  Deutsche 
Reichstag  (Leipzig,  C.  Minde,  1893),  81 ; 
Kürschners  Reichstag  1893,  44   (mit  P). 

d)  Einzellandtage: 

Baden^    /.  Kammer', 

^Behaghel,  Wilhelm  Jakob,  Geh.  Hofrath 
u.  Univ.-Prof.,  Vertreter  d.  üniv.  Freiburg 
1873-82;  s.  Abth.  XX. 

•Fürstenberg,  Karl  Egon  Fürst  zu,  erbl. 
Mitgl.;  s.  Sp.  IG*. 

Maisch,  Jakob,  Buchdrucker,  Oberbürger- 
meister V.  Karlsruhe,  Mitgl.  1869—78;  s. 
Abth.  XXIV. 

Leiningen,  Em  ich  Graf  zu,  Herr  zu  Neu- 
denau,  erbl.  Mitgl.;  s.  Sp.  ii*. 

*Roos,  Johannes  Christian,  Erzbischof  v. 
Freiburg;  s.  Abth.  XIX. 

Baden,  IL  Kammer: 

"^Baer,  Carl,  1873  —  82  Oberlandesgerichts- 
rath ,  Abg.  f.  Bruchsjü  (nat.  -  Hb.). ;  s. 
Abth.  XX. 

•Behaghel,  Wilhelm  Jakob,  Geh.  Hofrath 
u.  Univ.-Prof.,  1863—66  Abg.  f.  Philipps- 
burg u.  Schwetzingen ;  s.  Abth.  XX. 

Frech,  Albert,  Geh.  Oberreg.  -  Rath  u. 
Landeskommissar,  bis  1891  Abg.  (nat.-lib.); 
s.  Sp.   19*. 

*Lamey,    August,     Staatsminister    a.    D., 


Abg.  f.  Karlsruhe  1848 — 52  u.  1876—93, 
f.  Lörrach  1859  —  72,  Präsident  d.  Kam- 
mer 1876—93  (nat.-lib.);  s.  Sp.   19*. 

Maisch,  Jakob,  Buchdrucker,  Oberbürger- 
meister, 1848  —  52  einer  der  3  Abgeord- 
neten f.  Karlsruhe  (gemässigt  Hb.);  s. 
Abth.  XXIV. 

Moll,  Eduard,  Oberbürgermeister  f.  Mann- 
heim,   langj.  Abg.   (demokr.);   s.  Sp.  34*. 

Wittmer,  Heinrich,  Gastwirth  in  Ep- 
pingen,  nat.-lib.  Abg.  f.  d.  50.  Wahlkr., 
Mitgl.  d.  deutschen  Landwirthschaftsraths, 
♦  zu  Eppingen  24.  VIIL  47;  +  daselbst 
29.  X.  —  L  111.  Ztg.  107,  584;  Kürschners 
Staatshandb.  1893,  366;  Bad.  Landesztg. 
1896  Nr.  256 ;  Karlsruher  Ztg.  1896 
Nr.  509.  —  AM. 

Bayern,  Reicksraih: 

*Buhl,  Armand,  Dr.,  Weingutsbesitzer, 
lebenslängsl.  Reichsrath,  vom  König  er- 
nannt; s.  Sp.  35*. 

♦Faber,  Lothar  Freih.  v..  Industrieller, 
seit  1865  lebenslängl.,  seit  1889  erbl. 
Reichsrath;  s.  Sp.  71*. 

Bayern,  Landtag: 

Hahn,  Johann  Karl,  kgl.  Bergrath  in  Bay- 
reuth, *  zu  Bingert  in  d.  Pfalz  6.  IX.  24; 
t  zu  Bayreuth  25.  X.  —  Besuchte  183 1 
bis  37  d.  Volksschule  in  Bingert,  1843—45 
d.  Kreisgewerbeschule  in  Kaiserslautern, 
studierte  1845— 48  in  München,  1848—50 
an  d.  Bergakademie  Freiberg  i.  S.;  1850 
Staatskonkurs;  185 1  Bergpraktikant;  1853 
funktionirender  Einfahrer;  1856  Berg- 
amtsverwcser ;  1869  Bergamtmann  d.  Be- 
zirksamts Bayreuth;  1882  Bergrath;  Abg. 
f.  Bayreuth  1868  —  69  u.  1877-96  (nat.- 
lib.).  —  L  u.  P  Kürschners  Bayer.  Land- 
tag 1893-99,  96. 

Haug,  Joseph  Anton,  Oekonom  u.  Bürger- 
meister in  Burgberg,  Bezirksamt  Sont- 
hofen,  *  daselbst  4.  III.  31;  f  13.  V.  — 
1859  Ortsgemeindepfleger ;  1 863 Gemeinde- 
pfleger; 1869 Bürgermeister;  i87oDistrikts- 
ausschussmitgl.  f.  Sontbofen;  1878  Di- 
striktskassier; seit  1881  Abg.  f.  Kempten  i 
(nat.-lib.).  —  L  u.  P  Kürschners  Bayer 
Landtag  1893  —  99,   164. 

Hoermann  von  Hoerbach,  Winfried  v., 
Staatsminister  a.  D.,  längere  Zeit  Abg.; 
s.  Sp.  20*. 

Maison ,  Carl,  Kommerzienrath,  Theil- 
haber  d.  Firma  A.  Maison  in  München, 
2.  Vorstand  d.  oberbayer.  Handels-  u. 
Gewerbekammer,  dän.  u.  schwed.-norweg. 
Konsul,  *  zu  Oberdorf  in  Württemberg 
18.  IX.  40;  f  zu  München  29.  X.  —  Be- 
suchte 46—51  d.  Volksschule,  185 1 — 55 
d.  Lateinschule  zu  Oberdorf;  lernte  1855 
bis  58  in  OfTenbach  a.  M.  als  Kaufmann: 
seit  1864  selbstständig  in  München;    be- 


41 


Todtenliste  1896:    TV.  Parlamentarier. 


42' 


reiste  Ocsterreich,  Italien,  Frankreich, 
Holland,  Belgien,  England  u.  Skandi- 
navien; Handelsrichter  seit  1871;  Mitgl. 
d.  Handels-  u.  Gewerbe-Kammer  f.  Ober- 
bayern seit  1875;  Abg.  f.  Mtlnchen  I  links 
d.  Isar  1887  —  96  (deutsch-freis.).  —  L  u.  P 
Kürschners   Bayer.   Landtag   1893—99,  6. 

Reindl,  Magnus  Anton,  Domdekan  in  Eich- 
stätt,  Abg.  seit  1881;  s.  Abth.  XIX. 

Wand,  Theodor  Ritter  v.,  Konsistorial- 
direktor in  Speyer,  Ende  d.  60er  u. 
Anfang  d.  70er  Jahre  Abg.  f.  Speyer 
(nat.-lib.);  s.  Sp.  20*. 

Braunsckioeig,  Landesversammlung: 

♦Veitheim,  Friedrich  v.,  Oberjägermeister 
u.  Finanzdirektor  a.  D.,  seit  1872  Mitgl., 
seit  1878  Vizepräsident,  seit  1881—96 
Präsident  d.  Standesversammlung,  *  zu 
Helmstedt  11.  III.  24;  f  zu  Destedt  28.  III.: 
s.  BJ  I,  409.  -  L  BJ  II,  43'- 

Elsas s  -  Lothringen ,   Landesausschuss : 

"^Pick,  Alphons,  Industrieller  u.  Dichter, 
bis   1887  Alterspräsident;  s.  Abth.  XXIII. 

Hessen^   /.  Kammer  d,  Landstände: 

♦Stolberg -Wernigerode,  Otto  Fürst  zu, 
erbl.  Mitgl.;  s.  Sp.   14*. 

Hessen ^  IL  Kammer  d.  Landstände '. 

Pfannstiel,  Karl,  Gutsbesitzer  zu  Hainbach 
in  Oberhessen,  Senior  d.  Kammer,  90  J.; 
f  zu  Hainbach  16.  X.  —  L  111.  Ztg.  107, 
515;  Kürschners  Staatshandb.  189-^,  373. 
-   AM. 

IVeussen,   Herrenhaus: 

♦Baumbach,  Karl,  Oberbürgermeister  v. 
Danzig,  seit  1891  Vertreter  d.  Stadt;  s. 
Sp.  31*. 

Bussche-Streithorst,  Georg  Klamor  Trau- 
gott Max  Karl  Freih.  v.  dem,  k.  hannov. 
Kammerherr,  Mitgl.  auf  Lebenszeit,  Ver- 
treter d.  FUrstenthums  Halberstadt  u.  d. 
Grafschaft  Wernigerode,  ♦  zu  Ippenburg 
26.  VI.  25 ;  f  zu  Thale  b.  Quedlinburg 
20.  VIII.  —  L  Freiherrl.  Taschenb.  1896, 
138.   1897,  1203. 

♦Camphausen.  Otto  v.,  Minister  a.  D., 
als  Mitgl.  auf  Lebenszeit  1860  vom  König 
berufen;  s.  Sp.  23*. 

Dressler,  Benno  v.,  Rittergutsbesitzer  auf 
Schreitlaugken  b.  Willkischken,  Mitgl.  auf 
Lebenszeit,  präsentirt  v.  Grundbesitz  d. 
Landschaftsbezirks  Litthauen,  ♦  zu  Schreit- 
laugken 31.  X.  42;  t  daselbst  11.  IX.  —  L 
Kürschners  Staatshandb.  1893,  179.  —  AM. 

Dyhrn,  Kon r ad  Graf  v.,  Freih.  zu  Schönau, 
erbl.  Mitgl.;  s.  Sp.  9*. 

*  Fürstenberg,  Karl  Egon  Fürst  zu,  erbl. 
Mitgl.;  s.  Sp.  9^. 

♦Glatzel,  Albert,  Wirkl.  Geh.  Oberreg.- 
Rath  u.  Präsident  d.  Oberlandeskultur- 
gerichts, lebensl.  Mitgl.,  1895  vom  König 
berufen;  s.  Sp.  24*, 


Gordon,  Franz  v.,  Icbcnsl.  Mitgl.,  präsen- 
tirt vom  Landschaftsbez.;  s.  Sp.  36*, 

Helfritz,  Hugo,  Bürgermeister,  Vertreter 
d.  Stadt  Greifswald;  s.  Sp.  32*. 

♦Pfeil-Burghausz,  Ludwig  Graf  v.,  erbl. 
Mitgl.  u.  Alterspräsident;  s.  Sp.  I2^. 

'^Schlabrendorif-Seppau,  Alfred  Graf  v., 
seit  1877  Mitgl.  auf  Lebenszeit,  präsen- 
tirt v.  Fürstenthum  Glogau  u.  Herzog- 
thum  Sagan;  s.  Sp.  13*. 

♦Stolberg -Wernigerode,  Otto  Fürst  zu, 
seit  12.  X.  54  erbl.  Mitgl.,  1872  —  77  u. 
1893  —  96  Präsident  d.  Hauses;  s.  Sp.  14*. 

•Stosch,  Alb  recht  v.,  General  d.  In- 
fanterie und  Admiral,  Minister  a.  D., 
lebenslängl.  Mitgl.,  vom  König  berufen; 
s.  Sp.  55^. 

Wedel,  Ernst  Achatz  v.,  Rittergutsbesitzer 
auf  Blankensec,  Major  a.  D.,  Landschafts- 
rath  ,  lebenslängl.  Mitgl. ,  präsentirt  v. 
Grundbesitz  d.  Herzogthums  Stettin,  *  28. 
VII.  25;  f  auf  Blankensec  21.  III.  —  L 
111.  Ztg.  106,  396;  Militär -VVochenbl. 
1896,   1429. 

Preussent  Haus  d,  Abgeordneten: 

Alscher,  Karl,  Dr.  med..  Geh.  Sanitäts- 
ratb,  seit  1879  Kreisphysikus  in  Leob- 
schütz,  1866  —  67  fortschrittl.  Mitgl.  d. 
Abg.-Hauses,  seit  1875  d.  schles.  Provin- 
ziallandtags,  1870 — 81  Stadtverordneten- 
vorsteher, ♦  zu  Leobschütz  1832;  f  daselbst 
8.  Vin.  -   L  111.  Ztg.  107.  214.  —  AM. 

Behrendt,  Josef,  Gutsbesitzer  zu  Petzkin 
b.  Frankenhagen,  AmtsAusschuss-Mitgl. 
u.  Amtsvorsteher,  1882-  85  Abg.  f.  Konitz- 
Tuchel-Schlochau  (Zentrum);  ♦  29.  17.  20; 

t  7.  I.  —  AM. 

Bergenroth,  Julius,  Dr.,  Gymn.-Oberl. 
a.D.,  1873-83  Abg.  f.  Thorn-Kulm 
(fortschrittl.);  s.  Abth.  XVL 

Berling,  Heinrich,  Kammerrath,  1876 — 
92  Abg.  f.  Lauenburg  (freis.);  s.  Sp.  33*. 

♦Bunsen,  Georg  v.,  Abg.  1862-79,  in  den 
ersten  drei  Sessionen  f.  Bonn -Rheinbach, 
dann  f.  Lennep-Solingen,  zuletzt  1877  bis 
79  f.  Mettmann;  s.  Sp.  35^. 

Busse,  Paul  v.,  Rittergutsbesitzer  auf  Gross- 
Marchwitz,  Kreis  Namslau,  *  daselbst  28. 
XL  41;  t  »6.  IX.  —  1853  —  57  im 
Kadettenkorps  zu  Wahlstatt,  1857—59  im 
Kadettenkorps  zu  Berlin;  1860  Offizier 
im  3.  Ulanen -Regiment,  1866  im  15. 
Ulanen  -  Regiment,  1877  Eskadronchef, 
1880  Abschied;  seitdem  Bcwirthschaftung 
seines  Gutes;  seit  1894  Abg.  f.  Gross- 
Wartenberg-Namslau-Oels  (kons ).  —  L 
u.  P  Kürschners  Preuss.  Abg.-Haus  1894, 
159.  —  AM. 

♦Camphausen,  Otto  v.,  Staatsminister  a.  D., 
1849  —  52  Abg.  (gemässigt  -  liberal);  s. 
Sp.  23*. 


43' 


Todtenliste   1896:    IV.  Parlamentarier. 


44 


« 


Dalwigk  -  Lichtenfels ,  Freih.  Franz  v., 
Abg.  f.  Neuss  -  Grevenbroich  1881  ff. 
(Zentrum);  s.  Sp.  35  *. 

'^Dejanicz  v.  Gliszczynski ,  Kdmund 
Josef  V.,  (Jcnoralniajor  7..  I).,  Abg.  seit 
1882  f.  Kreuzburg-Roscnberg  (Zentrum); 
s.  Sp.  49  *. 

Eberhard,  Richard,  Geh.  Justizrath, 
Oberlandesgerichtsrath  a.  D.  zu  Breslau, 
1S70— 73  Abg.  f.  Pless-Rybnik  (kons.), 
*  zu  Ratibor  22.  V.  18;  f  zu  Breslau 
16.  11.    —    L  111.  Ztg.  106,  248.  -  -  AM. 

Engler,  Hermann,  Geh.  Reg. -Rath  u. 
I.andrath,  Abg.  seit  1879  f.  Boren t- 
Stargard-Dirschiiu  (freikons.);  s.  Sp.  23*. 

Gehren,  Otto  v..  Geh.  Rcg.-Rath  u.  I.and- 
rath  a.  D.,  Abg.  seit  1879  ^-  Homberg- 
Zicgenhain  (kons.);    s.  Sp.  24*. 

Günther,  Wilhelm,  Geh.  Justizrath,  Erster 
Staatsanwalt  a.  D.  zu  Marburg,  1877  —  79 
Abg.  f.  Minden-Lübbecke  (nat.-lib.),  *  zu 
Stolberg  im  Harz  16.  HI.  19;  f  12.  I.  — 
W  Populäre  Vorträge  u.  Abhandlungen 
tib.  Rechtsmaterien.  Berl.  1869;  1).  Preuss. 
Polizei-  u.  Strafgesetzgebung  in  Feld-  u. 
Forstsachen.     Bresl.    1874.  —  AM. 

Hall,  Heinrich,  Geh.  Justizrath,  Ober- 
landesgerichtsrath a.  D.,  1870  —  73  Abg. 
f.  Steinburg  (nat.-lib.);  s.  Abth.  XX. 

Hildebrandt,  Landgerichtsrath  a.  D.  in 
Knslin,  1873-  79  Abg.  f.  Köslin-Kolberg 
(nat.-lib.);  s.  Abth.  XX. 

Hogrefe,  Franz  Ludwig  Konrad,  Amtsrath 
in  Schwägerau  b.  Gröss-Bubainen,  seit 
1882  Abg.  f.  Gum binnen  -  Insterburg 
(kons.),  ♦  zu  Gerode,  Prov.  Sachsen,  17. 
IT.  19;  f  15.  IX.  —  L  u.  P  Kürschners 
Preuss.  Landtag  1894,  24. 

Höpker,  Wilhelm,  Rittergutsbesitzer  auf 
Haus  Kilver  b.  Löhne  in  Westphalen,  in 
d.  70  er  Jahren  Abg.  f»  Herford-Halle- 
Bielefeld  (nat.-lib.),  *  auf  Haus  Kilver 
IG.  VIII.  24;  f  ebenda  20.  XI.  -  L  111. 
Ztg.   107,  734. 

Hornemann,  Karl,  Senator  in  Hannover, 
1870-  -86  Abg.  f.  d.  Stadt  Hannover  (nat.- 
lib.)  ;  s.  Sp.  32  *, 

Jäger,  Hugo,  Rentner  in  Barmen,  1S73  bis 
75  Abg.  f.  Elberfeld-Barmen  (fortschrittl.), 
73  J.;  f  zu  Barmen  12.  III.  —  L  111. 
Ztg.   106,  368. 

^Lassen,  Hans,  Hofbesitzer,  1876  —  96 
Abg.  f.  Apenrade  -  Sonderburg  (Däne); 
s.  Sp.  37  *. 

Loe,  Felix  P>eih.  v.,  Gutsbesitzer  in 
Terporten,  1870 — 76  u.  1890 — 96  Abg.  f. 
Kleve  (Zentrum) ;   s.  Sp.  38  *. 

Plate,  H.  W.,  Dr.,  Justizrath,  Rechtsan- 
walt u.  Notar,  1875-76  Abg.  f.  Diepholz 
(nat.-lib.),  67  J  ;  f  zu  Diepholz  29.  XI. 
—    L  111.  Ztg.   107,  734.    —   AM. 


Ulrich,  Theodor,  Geh.  Bergrath,  1 870  bis 
74  Abg.  f.  Geldern-Kempen  (Zentrum); 
s.  Sp.  39  *. 

Wulff ing,  Franz,  Oberrcg.-Rath  a.  D., 
einer  d.  Führer  d.  rhein.  Altkatholiken, 
1849  ff.  Abg.  f.  Siegen,  *  zu  Wipperfürth 
14.  III.  14;  t  zu  Köln  23.  III.  —  L  111. 
Ztg.  106,  437.  —  Herr  H.  B  omni  er, 
Pfarrer  d.  altkathol.  Gemeinde  zu  Köln, 
hat  die  Güte  gehabt,  nachfolgende  Mit- 
theilungen nach  dem  eigenhändig  gc- 
scjjriebenen  Lebenslauf  des  Verstorbenen 
zu  überlassen:  »F.  W.,  Sohn  eines  Tuch- 
fabrikanten ,  absolvierte  1828—33  das 
Gymnasium  zu  Münster  a.  d.  Eifel  und 
studierte  hierauf  an  der  Univ.  zu  Bonn 
die  Rechtswissenschaft.  Nach  den  Staats- 
prüfungen wurde  er  1839  zum  Jusliz*- 
referendar  in  Münster  ernannt  und  noch 
im  selben  Jahr  als  Regicrungsreferendar 
bei  der  Regierung  in  Köln  eingeführt. 
1845  kam  W.  nach  Potsdiun,  dann  nach 
Oppeln.  Von  jetzt  an  begann  er  seine 
Reisen  ins  Ausland,  welche  er  immer 
weiter  ausdehnte  und  bis  ins  höchste 
Alter  fortsetzte,  so  dass  er  fast  ganz  Kuropa 
und  grosse  Theile  von  Amerika,  Asien 
und  Afrika  besuchte.  Als  1848  die  Un- 
ruhen ausbrachen,  wurde  er  vom  Minister 
von  einer  Reise  in  Nordamerika  zur  so- 
fortigen Rückkehr  aufgefordert  und  Ende 
dieses  Jahres  bei  der  Regierung  in  Düssel- 
dorf und  Köln  verwandt,  welche  ihn  als 
Kommissar  in  Elberfeld,  Düsseldorf  und 
Köln  verwandte.  1849  zum  landräthlichen 
Kommissar  im  Siegkreise  und  1850  zum 
Landrath  für  diesen  Kreis  ernannt,  wurde 
er  auch  vom  Wahlkreise  Siegburg  -  Mül- 
heim und  Waldbröl  viele  Jahre  ins  Ab- 
geordneten-Haus gewählt,  bis  er  diese 
Stellung  aus  GeschäftsUberbürdung  frei- 
willig niederlegte.  Nach  siebzehnjähriger 
Thätigkeit  im  Siegkreise  wurde  er  am 
12.  Oktober  1866  zum  Oberregierungsr^th 
befördert,  welches  Amt  er  zunächst  in 
Minden  und  seit  dem  10.  Juli  1S68  in 
Köln  bekleidete,  wo  er,  wie  auch  schon 
früher  zu  Minden,  1869  zum  Vertreter 
des  Regierungspräsidenten  ernannt  wurde. 
In  dieser  Stellung  blieb  er  bis  zum 
15.  Mai  1888,  wo  er  in  den  Ruhestand 
versetzt  wurde.  —  W.  war  auch  schrift- 
stellerisch thätig.  Ausser  vielen  Aufsätzen 
in  Zeitschriften  ver()ffcntlichte  er  ein  Buch 
Über  Gemeindeordnungen,  ein  weiteres 
über  Beiträge  zur  Kritik  des  preussischen 
Steuersystems  und  ein  solches  über  den 
Erwerb  von  Ackerbau-  und  Handels- 
kolonicen  für  das  Deutsche  Reich.  —  Seit 
der  Verkündigung  des  Unfclilbarkeits- 
dogmas    stand  W.  mit    an  der  Spitze  der 


45 


* 


Todtcnlislc   1896:    IV.   Parlamentarier. 


46* 


altkatholisclicn  Bewejjung.  Er  präsidierte 
der  berllbmten,  von  hoben  Beamten  und 
Professoren  der  Bonner  Univcrbität  be- 
suchten Königswinterer  Prolestversanim- 
lun|^  am  14.  August  1870,  leitete  1872 
die  Gründung  der  altkatholischen  Ge- 
meinde zu  Köln  und  nahm  1873  an  der 
Wahl  des  ersten  altkatholischen  Bischofs 
sowie  «in  allen  Kongressen  und  Synoden 
der  Altkatholiken  hervorragenden  Antheil 
bis  zu  seinem  Tode.  —  Nachrufe  er- 
schienen im  Altkathol.  VolksblatI,  dem 
Deutschen  Merkur,  der  Köln.  Ztg.  und, 
mit  Bildniss,  in»  Altkathol.  Volkskalender 
1897,  S.  63  « 

Königreich  Sachsen,    /.  Kammer: 

Seiler,  Wilhelm  Otto,  Rittergutsbesitzer  auf 
Nostiz,  Vorsitzender  d.  Stände  d.  Vogt- 
land. Kreises  u.  vormaliges  Mitgl.  d.  I. 
Ständekanimer;   s.  Sp.  66  *. 

Konifere  ich  Sachsen,  II.   Kammer: 

Knoll,  Rudolf,  Kaufmann,  Stadtrath  (Stell- 
vertreter d.  Bürgermeisters),  Abg.  f.  d. 
24.  städt.  Wahlkr.  (nat.-lib.),  *  zu  Auerbach 
31.  XII.  33;  t  daselbst  10.  IV.  —  L  111. 
Ztg.   106,  465.      -   AM. 

Seydel,  Karl  Ernst,  Gutsbesitzer,  Gemeinde- 
vorstand, Standesbeamter  und  Friedens- 
richter,   sowie   Begründer   u.  Vorsitzender 


des  Landwirthschaftlichen  Vereins  in 
Konigshain  b.  Mittweida ,  Abg.  f.  d. 
28.  Wahlkr.:  Mittweida,  Geringswalde, 
Martha,  Colditz  ^kons.),  ^  zu  Königshain 
14.  II.  25;  t  daselbst  6.  XI.  —  L  111. 
Ztg.  107,  584;  Kürschners  Staatshandb. 
1893,  336;  I).  Vaterland.  Wochenbl.  f.  d. 
Sachs.  Volk.  1S96.  —  PM. 
Starke,  Kurt,  Kommerzienrath  u.  Fabrik- 
besitzer in  Frankenau  b.  Mittweida,  langj. 
Abg. :  s.  Sp.  74  ♦. 

Württembergs   Kammer  d.  Standesher ren: 
♦Fürstenberg,  Karl  Egon   Fürst  zu,    erbl. 
Mitgl. ;  s.  Sp.  9  •. 

Württemberg,  Kammer  d,  Abgeordneten: 

Ehninger,  Christian  Karl  Wilhelm,  Kauf- 
mann u.  Gemeinderath,  langj.  Abg.  f. 
Kirchheim  u.  T.,  •  daselbst  3.  XII.  18; 
t  ebenda  8.  X.  —  L  111.  Ztg.  107,  461. 
Kürschners  Staatshandb.  1893,  350.  — 
AM. 

"Georgii,  Ludwig  v.,  Prälat  u.  General- 
superintendent ,  1869  —  90  als  solcher 
Miigl.  d.  Kammer;  s.  Abth.  XIX. 

*Ofterdinger ,  Ludwig,  Mathematiker  u. 
l.itterarhistoriker,  1848—49  Abg.  d. 
Biberacher  Oberamtsbezirks;  s.  Sp.  87*. 

Walcker,  v.,  Prälat,  Generalsuperintendent 
/u  Hall  i.  W.;  s.  Abth.  XIX. 


Oesterreicb 


Herrenhaus  d.  Reichsraths: 

*Chotek,  Graf  Bohuslaw,  seit  1874  Mit- 
glied auf  Lebenszeit;  s.  Sp.  8*. 

Hasimayr  -  Grassegg,  Vincenz  Ritter  v., 
Senatspräsident  am  Obersten  Gerichtshof 
zu  Wien,  seit  1891  Mitlg.  auf  Lebenszeit 
(Verfassungspartei);  s.  Abth.  XX. 

Kinsky,  Graf  Oktavian,  erbl.  Mitgl.;  s. 
Sp.  II  *. 

Face,  Graf  Wilhelm,  Mitgl.  auf  Lebens- 
zeit; s.  Sp.   12  *. 

Porcia,  Ferdinand  Fürst,  erbl.  Mitgl.; 
s.  Sp.   12  *. 

Schönburg -Hartenstein,  Fürst  Alexan- 
der,   erbl.  Mitgl.    u.   i.   Vi/.eprhsident;   s. 

^^p.  13*- 
'^Trauttmansdorff,  Graf  Ferdinand,    seit 

1870  lebenslängl.  Mitgl.,    seit  1872  Vize- 
präsident, seit  1879  Präsident;  s.  Sp.  15  *. 
•Vrints     zu     Falkenstein,     Graf    Maxi- 
milian, erbl.  Mitgl.;  s.  Sp.   15*. 

Abgeordnetenhaus  d.  Reichsraths: 

^Berchem  -  Haimhausen  ,  Graf  H  a  n  s  - 
Ernst,  seit  1867  Abg.  f.  d.  Gross- 
grundbesitz; s.  Sp.  7*. 

*d'Elvert,  Christian,  1871  —  82  Abg.  f. 
ßrUnn  (deutsch-lib.);   s.  Sp.  29*. 

Fürnkranz,     Heinrich,     früher    Offizier, 


Oekonomiebesit/.er,  seit  1861  Bürger- 
meister von  Langenlois,  Mitgl.  d.  Abg.- 
Ilauscs  d.  österr.  Reichsraths  u.  d.  nieder- 
österr.  Landtags  als  Vertreter  d.  Geroeinde- 
bezirks  Krems  (erst  fortschrittl  ,  später 
antiscmit.),  *  zu  Krems  31.  X.  28;  f  zu 
Wien  28.  XIL  —  L  111.  Ztg.  108,  48; 
Hahn,  Reichsraths- Almanach  f.  1891/92, 
161;  Kürschners  Abg.-Haus  d.  Reichsraths 
1891,   196  (mit  P). 

Hevera,  Vinccn/.,  Reichsraths-  u.  bohm. 
Landtagsabg. ;  s.   Sp.  67  *. 

Hohenlohc  -  Waidenburg  -  Schillingsfürst, 
Prinz  Egon,  seit  1895  Abg.  f.  d.  Stadt 
Görz;  s.  Sp.   lo'"'. 

'^Lienbacher,  Georg,  Hofrath  beim  Obersten 
Gerichtshof.  Mitgl.  1873  -  96  (bis  1884 
klerikal,  1887  Gründer  der  ^Freien  Agrar- 
vereinigung«),  •  zu  Kuchl  im  Herzogthum 
Salzburg  18.  IV.  22;  f  auf  Georgenberg 
b.  Kuchl  14.  IX.:  s.  BJ  I,  347.  —  L  BJ 
II,  25  ♦;  III.  Ztg.  107,  367;  Hahn,  Reichs- 
raths-Almanach  f.  1891/92,  205  (mit  W); 
Kürschners  Abg.-Haus  d.  Reichsraths  1891, 
222  (mit  P).  —  W  auch  Kciter  4,  119; 
KL   1S96,  758. 

Rosthorn,  Gustav  Edler  v.,  Commerzial- 
rath,   1861—67  Mitgl.;  s.  Sp.  73*. 


47 


4t 


Todtenliste  1896:    IV.  Parlamentarier.     V.  Militärs. 


48* 


Schweiz: 


Göttisheim,     Fritz,     Dr.,     Redakteur    der 


»Basler  Nachrichten«,  seit  Dezember  1881 
Sländerath;  s.  Abth.  XXIII. 


Amerika; 


GÖbel,  Gert,  Deutsch-Amerikaner,  in  d.6oer 
Jahren  Vertreter  des  County  Franklin 
(Missouri),      nach     einander     in     beiden 


Häusern  d.  Staatsgesetzgebung,  Verf.  d. 
Buches  »40  Jahre  in  Missouri'^,  üb.  80  J. 
alt;  t  9.  X.   —  L  111.  Ztg.   107,  460. 


V.     Militärs. 

I .     Heer. 


Deutsches    Reich: 

Kaiser!,  Schutztruppe: 

V.  Giese,  Premier -Lieut.  d.  Truppe  für 
Deutsch-Südwestafrika  (vorher  im  Husaren- 
Reg.  Kaiser  Franz  Josef,  Schleswig -Hol- 
stein, Nr.  16),  Adjutant  d.  Majors  Leut- 
wein;  f  auf  der  Heimreise  (mit  dem  Schiff 
untergegangen)  16./17.  VI.  —  L  Militär- 
Wochenbl.   1896,  2323. 

Kalben,  Bernhard  v.,  I^ieut.  d.  Truppe  f. 
Deutsch-Ostafrika;  f  zu  Bukowa  13.  II. 

Lampe,  Otto  Adolf  Eduard,  Premicr-Lieut, 
d.  Truppe  f.  Deutsch-SUdwestafrika  (vorher 
Sekonde-Lieut.  a  la  suite  d.  Nicderschles. 
Fussart.-Reg.  Nr.  5),  ♦  zu  Schneidemübl 
19.  IX.  67;  t  b.  Gobabis  5.  IV.  -  L  Mili- 
tär-Wochenbl.  1896,  2319.  —  P  vom 
Photographen  Engelmann  in  Posen,  Wil- 
hclmstr.,  zu  erlangen.  —   AM. 

Perponcher  -  Sedlnitzky ,  Graf  Henri  v. , 
Lieut.  d.  Truppe  f.  Deutsch  -  Ostafrika 
(vorher  Sekonde  -  Lieut.  im  Ulanen-Reg. 
Prinz  August  v.  Württemberg,  Posen, 
Nr.   lü):  s.  Sp.   12*. 

Schmidt,  Ernst  Albert  Reinhold,  Premier- 
Lieut.  d.  Truppe  für  Deutsch  -  Südwest- 
afrika (vorher  Sekonde-Lieut.  im4.  Thüring. 
Inf.-Reg.  No.  72),  *  zu  Forst  N./L.  23.  VIII. 
68;  +  bei  Gobabis  7.  V.  -  12.  IV.  87  als 
charakterisierter  Fähnrich  d.  4.  Thür.  Inf.- 
Reg.  Nr.  72  überwiesen;  13.  XII.  87  Fähn- 
rich; 19.  IX.  88  Lieutnnnt;  24.  II.  95  aus 
d.  Heere  ausgeschieden  behufs  ücbertritt 
z.  Schulztruppc.  —  L  Militär -Wochenbl. 
1896,  2322.  —  AM. 

Preussen: 

Adler,  Rudolf  Otto  Wilhelm,  General- 
Major  z.  D.,  zuletzt  Commandcur  der 
4.  Inf.-Brig.,  *  zu  Berlin  10.  III.  33;  f  zu 
Göttingen  30.  VI.  —  L  Militär -Wochenbl. 
1896,  2323;  111.  Ztg.   107,  41. 

'-"Alexander,  Prinz  v.  Preussen,  General  d. 
Inf.;  s.  Sp.  6*. 


Bauer,  Karl  Friedrich  v.,  General -Major 
z.  D. ,  zuletzt  bis  18S1  Kommandant  von 
Strassburg,  *  zu  Kassel  26.  \^  16;  -f  zu 
W'iesbadcn  21.  IV.  -  L  Militär-W^ochcnbl. 
1896,  2322;  III.  Ztg.   106,  530.  —  AM. 

Below,  Anton  August  v.,  Gencral-Lieut. 
z.  D.,  1866  bei  d.  Main -Armee  Führer  d. 
combinirtcn  Kav.-Brig.,  Sept.  1866 — 1869 
General-Major  u.  Kommandeur  d.  17.  Kav.- 
Brig.,  *  zu  Königsberg  in  Pr.  23.  VIII. 
1806;  t  daselbst  25.  V.  -  L  Mililär- 
Wochenbl.  1896,  2322;  111.  Ztg.  106, 
699. 

Beust,  Theophil  v.,  früher  Offizier,  1848 
in  d.  Schweiz  u.  1850  nach  Amerika  ge- 
flüchtet, Kassierer  d.  »New- Yorker  Staats- 
zeitung«, *  zu  Koblenz  1824;  f  zu  New- 
York  im  Dez.  —  L  111.  Ztg.  107,  799; 
KL  1897,  41.  —  PM. 

Bock,  Hans  Georg  Heinrich  Emil  F'reih.  v., 
General-Lieut.  z.  D.,  nach  einander  In- 
spekteur der  I.  Feslungs-,  i.  Pionier-, 
4.  Fcstungs-  u.  2.  Ingenieur -Inspektion, 
zuletzt  (bis  1893)  Präses  d.  Prüfungs- 
kommission d.  Ingenieurkorps,  *  zu  Berlin 
29.  XI.  35;  t  zu  Frankfurt  a.  O.  23.  X. 
—  L  Freiherrl.  Taschenb.  1896,  66.  1897, 
1202;  Militär -Wochenbl.  1897,  503;  Jl'« 
Ztg.   107,   547. 

Boie,  Bernhard,  General-Lieut,  und  Gou- 
verneur von  Thorn,  *  zu  Danzig  30.  I.  39; 
f  zu  Thorn  7.  V.  —  5.  III.  56  beim  5.  Inf.- 
Reg.  in  Danzig  eingestellt;  13.  XI.  58 
Sckondelieut.;  1862—65  Kriegsakad.;  im 
Feldzug  1866  Adjutant  d.  Gren.-Reg.  Nr.  5; 
13.  X.  66  Preraierlieut.;  April  67  bis  Mai  69 
beim  Generalstab;  23.  X.  69  Hauptmann; 
27.  XI.  69  zum  Grossen  Gcneralstab,  nach 
einander  Vermessungsdirigent  d.  topograpb. 
Abth.  u.  Eisenbahn-Linien-Kommissar;  18. 
VII.  70  als  Generalstabsoffiz.  z.  4.  Inf.-Div.; 
7.  VIII.  74  z.  Inf.-Reg.  Nr.  22;  14.  XII.  75 
Major;  18. 1.  76  wieder  z.  Grossen  Gcneral- 
stab, seit  Okt.  76  als  Lehrer  an  d.  Kriegs- 


49' 


Todtenliste  1896:    V.  Militärs. 


50 


* 


akadcmie;  13.  IX.  82  Oberstlieut;  2.  I.  83 
Gencralstabsoffizier  bei  d.  Kommandantur 
Königsberg;  13.  III.  84  Rang  als  Reg.- 
Konimandcur;  15.  IV.  84  Chef  d.  Stabs 
b.  7.  Armeekorps;  18.  IX.  86  Oberst;  13. 
Vll.  88  Kommandeur  d.  Gren.-Reg.  Nr.  5; 
15.  X.  89  Führer  d.  i.  Inf.-Brig.;  27.  1.  90 
deren  Generalmajor  u.  Kommandeur;   25. 

III.  93  Generallieut.  u.  Führer  d.  35.  Div.; 
29.  VI.  95  Gouverneur  v.  Thorn.  —  L 
Militär-Wochenbl.  1896,  2271;  111.  Ztg. 
106,  601 ;   Thorner  Presse  1896,  Nr.  106. 

—  W  Militär -Schriften  v.  Napoleon  I. 
Erläut.  durch  Boie.  Berl.  1881  (Militär- 
Klassiker,  Bd.  2);  Unsere  Vorbereitung  auf 
d.  Schützengefecht  in  d.  Schlacht.  Berl. 
1875;  »ausserdem  hat  B.  für  seine  Vorträge 
an  d.  Kriegsakad.  den  7jähr.  Krieg  u.  d. 
Fcldzug  V.  181 4  eingehend  bearbeitet;  diese 
Manuskripte  wurden  jedoch  nach  seinem 
Tode  durch  d.  Kriegsarchiv  eingezogen, 
da  er  aus  geheimen  Quellen  geschö])ft 
hatte«.  —  P  Photogr.  v.  Hofphotograph 
Joop  in  Graudcnz  zu  beschaffen.  —   AM. 

Brauchitsch,  Karl  v.,  General-Major  z.  D., 
zuletzt  (bis  1873)  Oberst  u.  Kommandant 
V.  Swinemünde,  74  J.;  f  17.  VII.  —  L 
Militär -Wochenbl.   1896,  2743.  —  KA. 

Briesen,  Arthur  Ludwig  v.,  General-Lieut. 
z.  D.,  zuletzt  bis  1876  General -Major  u. 
Kommandeur  d.  17.  Inf.  -  Brigade,  *  zu 
Schievclbein  19. 1.  19;  f  zu  Kunnersdorf  b. 
Hirschberg  in  Schlesien  22.  I.  -  L  Militär- 
Wochenbl.  1896,  1423;  111.  Ztg.   106,   136. 

Britzke,  Kurt  Bernhard  v.,  General-Major 
u.  Kommandeur  d.  3.  Kav.-Brig.,  mehrere 
Jahre  Chef  d.  Kav.-Abth.  im  Kriegs- 
Ministerium,  *  zu  Gross -Demsin  (Prov. 
Sachsen)    10.  IX.  43;    f  zu  Berlin  9.  IX. 

—  L  Militär-Wochcnbl.  1896,  2693;  l'l- 
Ztg.   107,  337.  --  AM. 

Busse,  Constantin  v.,  General  -  Lieut. 
z.  D.,  zuletzt  bis  1S81  Kommandant  von 
Posen,  1870/71  Oberst  u.  Kommandeur 
d.  6.  ostpreuss.  Inf.-Reg.  No.  43,  *  zu 
Jauer  24.   IX.  20;    f  zu  Monte  Carlo   16. 

IV.  —  Lr Militär -Wochenbl.  1896,  2322; 
111.  Ztg.   106,  505. 

Dalwigk  -  Lichtenfels ,  Franz  Freih.  v., 
Premier-Lieut.  a.  D.,  zuletzt  im  2.  VVest- 
fäl.  Husaren  -  Reg.  No.  ii,  Reichs-  und 
Landtagsabg. ;  s.  Sp.  35*. 

"^Dejanicz  v.  Gliszszynski ,  Edmund 
Josef,  General-Major  a.  D.,  zuletzt  Kom- 
mandant v.  Stralsund,  preuss.  Landtags- 
abg. (Zentrum),  *  zu  Bunzlau  17.  III.  25; 
f  auf  seinem  Gute  Kostau,  Kr.  Kreuzburg 
in  Schlesien,  15.  X.:  s.  BJ  I,  213.  —  L 
BJ  II,  14*;  Militär  -  Wochenbl.  1897, 
503;  111.  Ztg.  107,  515;  Kürschners  Preuss. 
Landtag  1894,  181   (mit  P). 


Doetinchem  de  Rande,  Eugen  Karl  August 
Robert,  General-Major  z.  D.,  1885  —  86 
bei  d.  Offizieren  v.  d.  Armee,  vorher 
Kommandeur  d.  grossherzogl.  mecklen- 
burg.  Füsil.-Reg.  No.  90,  •  zu  Pansfelde 
im  Mansfelder  Gebirgskr.  14.  XI.  29;  f  zu 
Berlin  27.  V.  —  L  Militär -Wochenbl. 
1896,  2321;  III.  Ztg.  106,  699. 

Eckartsberg,  Alexander  v.,  General-Major 
z.  D. ,  bis  1871  Kommandeur  d.  22.  Inf.- 
Brig.,  ♦  zu  Gross-Glogau  i.1. 15;  f  19.V. — 
L  Militär-Wochenbl.  1896,  2322.  —  AM. 

Eggers,    Rudolf,     General-Major     z.    D., 

*  zu  Rom  24.  X.  26;  f  30.  XI.  —  7.  V.  44 
in  d.  ebemal.  k.  hannöver.  Art.-Brig.  ein- 
getreten; 31.  X.  46  Sekondelieut.;  nahm 
Theil  an  d.  FeldzUgen  gegen  Dänemark 
1848  u.  gegen  Preussen  1866;  30.  XII.  66 
Abschied  aus  hannöv.  Diensten;  9.  III.  67 
preuss.  Hauptmann;  im  Kriege  1870/71 
z.  Major  befördert;  1876 — 82  Kommandeur 
d.  2.  Pommer.  Feld -Art. -Reg.  Nr.  17; 
1882 — 86  Kommandeur  d.  i.  Feld- Art.-Brig. 

—  L  Militär-Wochenbl.  1897,  505.  —  AM. 
Einem,    Arnold    Max    v.,    General-Major 

z.  D.,  zuletzt  Kommandant  d.  Truppen- 
übungsplatzes Senne  im  VII.  Armeekorps, 

*  zu  Goslar  9.  IV.  39;  f  zu  Hannover 
17.  VII.  —  L  Militär-Wochenbl.  1897, 
2743:  111.  Ztg.   107,  163. 

*Engelhard,  Wilhelm,  Wirkl.  Geh.  Kricgs- 
Rath,  bis  1895  Chef  d.  Verpflegungsabth. 
im  Kriegsministerium,  *  zu  Geldern  im 
Reg. -Bez.  Düsseldorf  7.  IIL  27;  f  zu 
Berlin  6.  VII.  96  (nicht  1897):  s.  BJ  I, 
HO.  —  L  BJ  I,  57  •.  II,   10*. 

♦Finkeinburg,  Karl,  Geh.  Reg.-Rath  Prof. 
Dr.,  Generalarzt  2.  Kl.  d.  Landwehr 
I.  Aufgebots  im  Landwehr  -  Bez.  Bonn; 
s.  Abth.  XXI. 

*Fircks,  Wilhelm  Freih.  v.,  General-Major 
z.  D.,  zuletzt  1892 — 94  Kommandeur  d. 
21.  Inf.-Brig.,  *  zu  Breslau  22.  XII.  40; 
f  zu  Charlottenburg   4.  I.:    s.  BJ   I,   109. 

—  L  BJ  II,  II*;  Militär-Wochenbl. 
1896,  1423;  Freiherrl.  Taschenb.  1896, 
252.   1897,   1205;  111.  Ztg.   106,  45.  72. 

*Frommel,  Emil,  Dr.  theol.,  Oberkon- 
sistorialrath  und  Hofprcdiger,  Garnison- 
pfarrer V.  Berlin;   s.  Abth.  XIX. 

•Fürstenberg,  Karl  Egon  Fürst  zu,  Major 
a  la  suite  d.  Armee;  s.  Sp.  9  *. 

♦Glümer,  Adolf  v.,   General  d.  Inf.  z.  D., 

*  zu  Lengefeld  auf  d.  Eichsfeld  5.  VI.  14; 
f  zu  Freiburg    i.  B.    3.  I.:    s.  BJ  I,   41 8. 

—  L  BJ  I,  59  ♦.  II,  14  ♦;  Ztschr.  f.  d. 
Gesch.  d.  Oberrh.  51,  552  (Bad.  Militär- 
Vereinsbl.  1896,  52;  Bad.  Landesztg.  1896 
Nr.  4;  Bad.  Presse   1896  Nr.  4). 

Gössel,  Karl  Ferdinand  Heinrich  August 
Eugen  V  ,   General-Major  u.  Kommandeur 


51 


Todtcnlistc   1896:    W  Militärs. 


9-1: 


d.  26.  Inf.  -  Britj.,  *  zu  Neissc  12.  III,; 
t  zu  Minden  i.  W  29.  VII.  —  L  Militär- 
Wochenbl.  1896,  2695;  111.  Ztg.  107,    163. 

Hartmann,  General -Major  z.  D.,  zuletzt 
Bezirks  -  Kommandeur  in  Saarlouis  und 
Aachen;  f  16.  VIII.  —  L  Militär-Wochen- 
blatt 1896,   2743.  —  KA. 

Hartmann,  Friedrich  Kaspar,  General- 
Major  z.  D.,  29.  VI.  1831  hess.  Sekonde- 
lieut.,  1S67  u.  1868  von  Hessen  nach 
Berlin  kommandirt  z.  Abschluss  d.  Militär- 
konvention mit  Preussen,  zuletzt  1869  bis 
I.  I.  1872  Oberst  u.  Vorstand  d.  Art. -De- 
pots in  Darmstadt,  12.  IV.  1890  aus  An- 
lass  des  100.  Stiftungsfestes  seines  Reg. 
als  Gener^ilmajor  charaktcrisirt,  *  zu  Mainz 
3.  V.  1809;  t  22.x.  -  L  Militär-Wochenbl. 
1897.   503;  11^-  Ztg.   107,   515.  —  AM. 

Hecker,  Carl,  Ober-  u  Korpsauditeur  des 
Garde-Korps,  Lehrer  b.  d.  Kriegsakademie, 
Schriftsteller  auf  d.  Gebiete  des  Militär- 
Strafrechts,  *  zu  Neu-Ruppin  11.  I.  37; 
t  17.  IV.  —  L  Militär-Wochenbl.  1896, 
2267;  111.  Ztg.  106,  530;  KL  1896,  485 
(mit  W).  1897,  43. 

Henning,  Wilhelm  Fedor  Natalis  Anton  v., 
Gcneral-Lieut.  z.  D.,  *  zu  Coniiz  29.  IV.  19; 
f  20.  XI.  —  Erzogen  in  d.  Kadettenhäu- 
sern zu  Culm  u.  Berlin;  iS.  VI.  36  Porte- 
peefähnrich im  33.  Inf. -Reg.  (jetzt  Füs.- 
Rcg.  Graf  Roon  Nr.  33);  26.  VIR.  39 
Sekondelieut.,  22.  VI.  52  Premierlieut.,  10. 
I.  57  Hauptmann  im  gleichen  Reg.;  18. 
IV.  65  Major,  22.  III.  68  Oberstlieut.  im 
Hohenzoll.  Füs.-Reg.  Nr.  40;  bei  der  Mobil- 
machung 1870  mit  d.  Fuhrung  d.  Füs.-Reg. 
Nr.  33  betraut,  18.  I.  71  als  Oberst,  29.  III. 
71  als  Kommandeur;  15.  IV.  75  Unterstel- 
lung a  la  suite  d.  letzteren  Reg.  mit  d. 
Führung  d.  I.Inf. -Brig.  beauftragt,  seit 
I.  VI.  75  als  deren  Kommandeur  General- 
Major;  12.  XT.  78  Ruhestand  als  Gen.- 
Lieut.;  nahm  1866  theil  an  d.  Schlachten 
v.  Hünerwasscr,  Münchengrätz,  Königgrätz, 
—  1870  an  den  Schlachten  v.  Gravelotte, 
vor  Metz,  bei  Amiens,  Hailuc  u.  St.-Qucn- 
tin,  u.  d.  Gefechten  bei  Berteaucourt,  For- 
gettes  u.  Lyon  la  Foret,  Bapaume  u.  Ter- 
try  Pouilly.  —  L  Militär-Wochenbl.  1897, 
505.   —  AM. 

Hinze,  Hugo,  früher  Major,  Parlamentarier; 
s.  Sp.  36*. 

Hohenlohe  -Waidenburg- Seh illingsfürst, 
Kgon,  Prinz  v.  Ratibor  und  Corvcy, 
Major  ä  la  suite  d.  Ulanen-Reg.  v.  Katzlcr; 
s.  Sp.   lo  *. 

Kleist,  Wilhelm  v.,  General  -  Major  und 
Inspekteur  der  III.  Pionier  -  Inspektion, 
*  zu  Spandau  12.  X.  40;  -}•  zu  Magdeburg 
18.  XIL  —  L  Militär-Wochenbl.  1897, 
471;  111.  Ztg.  107,   II.  —  AM. 


Knobloch,  Paul  Heinrich  Martin  Hugo 
Freih.  v.,  General-Major  z.  D. ,  1S70  71 
Führer  d.  thüring.  Ulanen-Reg.  No.  6,  zu- 
letzt 1878—80  Kommandeur  d.  12.  Kav.- 
Brig.,  ^'  zu  Königsberg  in  Pr.  10  XI.  23; 
t  zu  Berlin  15.  III.  —  L  Militär-Wochenbl. 

1896,  1428:    Freiherrl.   Taschenb.    1S98. 
493.   II 76;  III.  Ztg.   106,  368.  —  AM. 

♦Köhler,  Gustav,  General  -  Lieut.  z.  D., 
Militär-Schriftsteller,  *  zu  Lübben  i.  III. 
18;  +  zu  Breslau  29.  X.:  s.  BJ  I,  106. 
—    L    BJ    II,    23  *;    Militär -W-ochenbl. 

1897,  505;  Jahrb.  d.  Schles.  Gesellsch.  f. 
Vaterland.  Cultur  74,    2. 

Koppen,  Gustav  v. ,  zuletzt  1878—83 
General-Major  u.  Kommandeur  d.  3.  In!.- 
Brig.,  ^  zu  Kolberg  9.  Vlll.  21;  f  zu 
Görlitz  9.  VIII.  —  L  Militär-Wochenbl. 
1896,  2743;  III.  Ztg.   107,  214. 

Krane,  Wilhelm  Joseph  Franz  Freih.  v., 
General-Major  z.  D.,  1870,71  Kommandeur 
eines  kombinirten  ostpreuss.  Landwehr- 
Reg.,  zuletzt  Oberst  u.  Kommandeur  d. 
damaligen  4.  Pommer.  Inf.-Reg.  No.  21, 
*  zu  Dortmund  20.  VII.  10;  f  zu  Frank- 
furt a.  M.  30.  IX.  -  L  Militär-W' ochenbl. 
1896,  2746;  Freiherrl.  Taschenb.  1896, 
512.   1897,   1209. 

Krüger,  Franz,  General  -  Lieut.  z.  D., 
zuletzt  bis  1886  General  -  Major  u.  Kom- 
mandeur d.  31.  Inf. -Brig.,  *  zu  Königsberg 
in  Pr.  14.  VII.  29;  t  25.x.  —  L  Militär- 
Wochenbl.   1897,  506.   —  AM. 

Kruska,  Theodor  v.,  Gencral-Lieut.  z.H., 
zuletzt  bis  Mitte  1896  General  -  Major  u. 
Kommandeur  d.  23.  Inf.-Brig.,  *  zu  Cincyn 
in  d.  Prov.  Posen  21.  X.  41;  f  zu  Kassel 
26.  -XU.  —  L  Militär-Wochenbl.  1897, 
505;  lll.  Ztg.   108,  48 

Leiningen,  E  m  i  c  h  Graf  zu,  Herr  zu 
Neudenau,  Hauptmann  a  la  suite  d.  Garde- 
Füsil  -Reg.  u.  ordentl.  Mitgl.  d.  Gewehr- 
prüfungskommission ;  s.  S]i.   1 1  "^^ 

Lippe,  Bernhard  v.,  General  -  Major  a  la 
suite  d.  Kaisers,  Abth.  -  Chef  im  Militär- 
kabinet  Sr.  Maj.  d.  Kaisers  u.  Königs,  * 
zu  Düben,  Prov.  Sachsen,  14.^111  46;  f  zu 
Dresden  20.  XII.  —  L  Militär-Wochenbl. 
1S97.  469;    lll.  Ztg.   107,  799.  —  AM. 

*Lommer,  Emil,  Dr.  med.,  Generalarzt 
I.  Kl.  mit  d.  Range  als  General-Major  u. 
Korpsarzt  d.  IV.  Armeekorps,  *  zu  Schleu- 
singen 29.  V.  34;  t  zu  Magdeburg  14.  V.: 
s.  BJ  I,  156.  —  L  BJ  II,  25  •;  Militär- 
Wochenbl.  1896,  2270. 

Löwe,  Karl  Richard,  v.,  General  -  Lieut. 
z.  D.,  zuletzt  bis  1888  Kommandeur  d. 
31.  Division,  *  zu  Merseburg  4.  V.  32; 
t  zu  München  22.  IV.  —  L  Militär- 
Wochenbl.     1896,     2322;    111.    Ztg.     iot\ 

530. 


53 


« 


Todtenliste   1896:    V.  Militärs. 


54 


« 


Manche,  Richard,  General  -  Major  z.  I)., 
zuletzt  bis  188$  Oberst  u.  Kommandeur 
d.  4.  Kav.-Brij;.,  66  J.;  y  12.  VI.  -  L 
Militär -Wochenbl.   1896,  2323.  —    KA. 

Massow,  Heinrich  v.,  General-Major  z.  I)., 
zuletzt    bis    1868  Kommandant  v.  Neisse, 

*  zu  Woblanse  in  Pommern  i.  VIII.  10; 
f  zu  Potsdam  5.  XI.  —  L  Militär-Wochenbl. 
1^97.  505;  in.  Ztg.   107,  621.   —  AM. 

*Meinerty,  Albert  v.,  General-Lieut.  z.  D., 

*  zu  Damsdorf   in    Pommern  8.  XII.   14; 
t  zu  Wiesbaden  24.   I.:    s.  BJ  I,  420.   - 
L  HJ   II,    30  *;    Militcär- Wochenbl.   1896, 

1423- 

^'Mertens,  Karl  Friedrich  v.,  General- 
T.icut.  z.  I).,  •'-  zu  Kottbus  13.  III.  1808: 
f  zu  Pfaffendorf  b.  Koblenz  28.  (nicht  8.) 
IV.:  s.  HJ  I,  420.  —  L  BJ  II,  31  *; 
Militär-Wochenbl.  1896,  2322;  111.  Ztg. 
Iü6,   560. 

Möller,  Albert  Leopold  Gustav  v.,  Gcneral- 
Lieut.  z.  D.,  zuletzt  bis  1891  Kommandant 
V.  Magdeburg,  *  zu  Berlin  11.  IV.  34; 
t  dasei  l)st  18.  VI  —  L  Militär -Wochen- 
blatt  1896,  2323;  111.  Ztg.   106,  791. 

*Natzmer,  Ernst  v.,  Oberst  z.  1).,  Histo- 
riker seiner  Familie  u  Militärschriftsteller, 
"  zu  Schivelbein  17.  V.  32;  f  zu  Arnstadt 
i.  Th.  2.  X.:  z.  BJ  I,  103,  —  L  BJ  II,  32*. 

Oppen,  Karl  August  v.,  General-Licut.  z.  D., 
1870  71  Kommandeur  d.  Leibkürassier- 
Reg.  Grosser  Kurfürst,  Schlesischcs  No.  i, 
zuletzt  bis   1885  Kommandant  v.  Breslau, 

*  zu  Siede  im  Kr.  Soldin  2.  IV.  24;  f  zu 
Alt- Friedland  b.  Neu-Trcbbin  9.  V.  -  L 
Militär-Wochenbl.  1S96,  2322;  III.  Ztg. 
106,  639.   -    AM. 

Ostrowski,  Hermann  v.,  General-Major 
z.  D.,  zuletzt  bis  1877  Kommandeur  d. 
17.  Inf.-Brig.,  79  J.;  f  2.  XII.  —  L  Mili- 
tär-Wochenbl.  1897,   506.  —  KA. 

Passow,  Hans  Karl  Wilhelm  v.,  Gcner.il  d. 
Inf.  z.  1).,  zuletzt  General-Lieut.  u.  Kom- 
mandeur der  22.  Division,  wegen  der 
1870/71  vor  d.  Feinde  bewiesenen  Tapfer- 
keit in  den  Adelstand  erhoben,  '•'  zu 
Wredenshagen  in  Mecklenburg  22.  IV.  27; 
t  zu  Schwerin  18.  I.  —  L  Militär- 
Wochenbl.  1S96,  1423;  111.  Ztg.  106, 
136. 

Pedell,  Viktor,  General-Major  z.  D.,  zuletzt 
Kommandeur  d.  62.  Inf.-Brig.,  *  zu  Plcss 
in  Schles.  17.  1.  37;  f  6.  Vll.  -  L  Militär- 
Wochenbl.   1896,  2741.  —   AM. 

Rauchhaupt,  Hugo  v.,  General-Lieut.  z.  D., 
zuletzt  bis  1S79  General-Major  u.  Kom- 
mandeur d.  29.  Inf.-Brig.  in  Köln,  dann 
in  Berlin  lebend,  wo  er  d.  Leitung  d. 
Invalidendank  übernommen  hatte,  72  J.; 
f  zu  Berlin  18.  XI.  -  L  Militnr-Wochcn- 
blatt  1897,  506;  111.  Zt:;.  107,  563.  —  AM. 


Rautenberg,  Gcneral-Major  z.  D.,  zuletzt 
Oberst  u.  Kommandeur  d.  4.  Fuss  -  Art.- 
Brig.;  f  20.  V.  —  L  Militär-Wochenbl. 
1896,  2322.    -    KA. 

Renthe  genannt  Fink,  August  Leonhard 
Timon  v.,  General  -  Lieut.  z.  D.,  zuletzt 
bis  1890  General  -  Major  u.  Kommandeur 
d.  35.  Inf.  -  Brig.,  dann  Vorsitzender  des 
Deutschen  Kriegerbundes,  *  zu  Magdeburg 
25.  IX.  35;  t  2"  Berlin  4.  X.  —  L  Mili- 
tär-Wochenbl. 1897,  503;  111.  Ztg.  107, 
460.  —  AM. 

Richthofen,  Adelbert  Eugen  Karl  Gottlicb 
Julius  Freih.  v.,  General  -  Major  a.  I>., 
zuletzt  a  la  suite  d.  W^estfäl.  Ulanen-Reg. 
No.  5  u.  Kommandeur  d.  4.  Kav.  -  Brig., 
*  zu  Krippitz  im  Kr.  Stehlen  9.  III.  10; 
t  zu  Breslau  30.  VIII.  —  L  Freiherrl. 
Taschenb.  1897,  815.  1215;  Militär- 
Wochenbl.  1896,  2745;  '1^-  Ztg.  107, 
308. 

Rochow,  Rochus  v.,  Major  a.  D.,  zuletzt 
Rittmeister  u.  Esk.  -  Chef  im  i.  Garde- 
Ulanen  -  Reg. ,  Geh.  Ehrenkämmerer  des 
Papstes,  1852  zur  kathol.  Kirche  über- 
getreten, ultramontaner  Schriftsteller,  67  J.; 
t  zu  Dresden  8.  VI.  —  L  Militär -Wochen- 
blatt    1896,     2323;     111.    Ztg.     106,     759. 

Saurma  von  der  Jeltsch,  Hugo  Freih., 
Rittmeister  a.  I).,  zuletzt  Premier  -  Lieut. 
im  Garde-Kür.-Reg.,  Heraldiker  u.  Numis- 
matiker, *  zu  Breslau  21.  VIII.  37;  f  auf 
Jürtsch  in  Schlesien  21.  VIII.  —  L  Gräfl. 
Taschenb  1896,970.  1897,1315;  Militär- 
Wochenbl.  1896,  2743;  111.  Ztg.  107,  308; 
Schlesiens  Vorzeit  II,  97;  Lcopoldina 
32,  144.  —  W  Börsenbl.  f.  d.  deutschen 
Buchhandel   1896,   5280. 

^Schleifer,  P'erdinand,  Kaiserl.  Reg.-Rath, 
Mitgl.  d.  Generaldirektion  d.  Eisenbahnen 
im  Reichsland,  Bahnbevollmächtigter  in 
Militärangelegenhciten ;  s.  Sp.   I9^. 

Schleinitz,  Ad  albert  Freih.  v.,  General- 
Lieut.  z.  D.,  zuletzt  Kommandeur  d.  12. 
Division,  74  |. ;  f  zu  Berlin  27.  XII.  — 
L  Militär-Wochenbl.  1897,  505;  111.  Ztg. 
108,  48.  —  KA. 

Schlieben,  Major  a.  I).,  Archäolog  u.  Lokal- 
historiker, Mitgl.  d.  Nassau.  Vcr.  für 
Alterthumsk.  u.  Geschichtsforschung,  Verf. 
d.  Kommersliedes  >Als  ich  schlummernd 
lag  heut  Nacht«,  das  bei  d.  Preisaus- 
schreiben f.  d.  beste  Studentenlied  seiner- 
zeit den  2.  Preis  erhielt,  68  J. :  f  zu 
Wiesbaden  7.  (oder  5.?)  VI.  —  L  111..  Ztg. 
107,  73;  KL  1897,  I,  45. 

Schmeling,  Hermann  Otto  Ludwig  v., 
General.  -  Lieut.  z.  D.,  zuletzt  bis  1887 
Kommandant  v.  Posen,  *  zu  Graudenz  3. 
II.  22;  f  zu  Berlin  2.  VII.  —  L  Militär- 
Wochen')!.   1896,  2742;  111.  Ztg.    107,  41. 


55 


* 


Todtenliste  1S96:    V.  Militärs. 


56* 


Schrader,  Friedrich,  Dr.  med.,  Generalarzt 
a.  D.,  *  EU  Göddckenroda  im  Kr.  Halber- 
stadt 15.  VIII.  37;  t  zu  Goslar  8.  (oder  9.?) 
XI.  —  Okt.  1869  bis  Mai  1870  Begleiter  der 
Prinzen  Wilhelm  u.  Heinrich  auf  ihren 
Reisen  in  Südfrankreich;  Winter  1879/80 
mit  d.  Familie  d.  Kronprinzen  Friedrich 
in  Pegli;  von  Sept.  1887  bis  z.  Rückkehr 
nach  Berlin  d.  Leibarzt  Kaiser  Friedrichs 
in  Toblach,  Bavcno  u.  San  Remo ;  1890 
bis  1893  Korpsarzt  d.  V.  Armeekorps.  — 
L  Militär -Wochenbl.  1897,  506;  111.  Ztg. 
107,  621;  Leopoldina  32,   189. 

Siefart,  Ferdinand  Emil  Friedrich  v., 
Gcncral-Major  z.  I).,  zuletzt  Kommandant 
V.  Stralsund,  16.  VL  71  in  d.  Adelstand 
erhoben,  *  zu  Berlin  14.  XII.  29;  f  da- 
selbst   25.    IV.    —    L   Militär-Wochenbl. 

1896,  2322;  111.  Ztg.   106,   530. 
Spangenberg,  Ludwig  v.,  General  d.  Inf. 

z.  D.,  1883  —  85  Kommandant  v.  Berlin, 
zuletzt  bis  1888  General  -  Lieut.  u.  Kom- 
mandeur d.  12.  Division,  *  zu  Fulda  9. 
V.  26;  f  zu  Frankfurt  a.  M.  19.  I.  —  L 
Militär-Wochenbl.  1896,  1423;  111.  Ztg. 
106,  136. 
Steinäcker,  Eduard  Heinrich  Hellmuth 
Otto  Bruno  Freih.  v.,  General  d.  Inf.  u. 
General  -  Adj.  d.  Kaisers  u.  Königs,  *  zu 
Ludwigslust  30.  XI.  18;  +  zu  Charlotten- 
burg 26.  XII.  -~  Seit  1858  persönl.  Adj,, 
seit  1861  FlUgel-Adj.,  seit  1877  General- 
Adj.  Kaiser  Wilhelms  L;  1882-84  Präses 
d.  General-Ordens-Kommission;  seit  1884 
im  Ruhestand.  —  L  Freiherrl.  Taschenb. 

1897,  996.    1898,   II 86;    Militär -Wochen- 
blatt  1897,  467;  111.  Ztg.   loS,  48. 

Stetten,  August  Philipp  Heinrich  Freih.  v., 
General-Major  z.  D.,  zuletzt  Kommandeur 
d.  2.  Feld -Art.- Brig.,  *  i.  1.  32;  f  zu 
Erfurt  22.  VIII.  —  L  Freiherrl.  Taschenb. 
1896,  975.   1897,  1218;  Militär-Wochenbl. 

1896,  2743- 

*  Stolberg  -  Wernigerode ,  Otto  Fürst  zu, 
General  d.  Kav.  ä  la  suite;  s.  Sp.  14*. 

'^Stosch,  AI  brecht  v.,  General  d.  Inf.  mit 
d.  Range  eines  Admirals,  Stnatsminister 
a.  D.,  '•'  zu  Koblenz  24.  IV.  18;  f  zu 
Oestrich  im  Rheingau  29.  II.:  s.  BJ  I, 
422.  —  LBJ  II,  41  "*;  Militär-Wochenbl. 
1896,  517.  597.  1426;  111.  Ztg.  106,  277, 
304  (F.  Heine  mit  P);  v.  Löbells  Jahres- 
berichte üb.  d.  Veränderungen  u.  Fort- 
schritte im  Militärwesen  23,  1896,  598 
(B.  P.  [oten]);  1).  Revue  21,  IV,  31. 
203.  321.  22,  I,  352  (Batsch,  Erinnerungen 
an  St.);  Ebenda  22,  I,  53  (Batsch,  St.  üb. 
d.  Marine  u.  d.  Kolonisation) ;  Leopoldina 
20,  482:  Annalen  d.  Hydrogr.  u.  m.irit. 
Meteorol.  1896;  Meteorol.  Ztschr.  1896,  5. 

Stösser,    Guido  v.,    Major    z.  D.,    zuletzt 


Rittmeister  im  damaligen  8.  Husaren-Reg., 
seit  1879  Vertreter  Obcrschlesiens  in  d. 
schles.  Generallandschaftsdirektion  und 
Direktor  d.  Schles.  Laodschaftl.  Bank, 
auch  als  Novellist  hervorgetreten;  f  auf 
seinem  Gute  RackschUtz  in  Oberschlesien 
13.  VI.  —  L  Militär-Wochenbl.  1896,  2323; 
111.  Ztg.  106,  791.  —  KA. 
*Strombeck,  Richard  Freih.  v.,  General- 
Major  z.  I).,  Militär  -  Schriftsteller.  *  zu 
Braunschweig  13.  V.  34;  f  zu  Blanken- 
burg  a.  H.  12.  I.:  s.  BJ  I,  408.  —  L 
BJ  II,  41  *;  Freiherrl.  Taschenb.  1897, 
1022.     1218;     Militär-Wochenbl.     1896, 

1423. 

♦Sulzer,  Wirkl.  Geh.  Kriegsrath  u.  Haupt- 
mann a.  D. ,  f  zu  Berlin  13.  (nicht  18.) 
VIII:  s.  BJ  I,  213.  —  L  BJ  II.  42  ♦; 
Militär -W^ochenbl.  1896,  2743;  I^L  ^<g- 
107,  245.  —  KA. 

Tietzen  und  Hennig,  August  Siegfried  v., 
General -Lieut.  z.  D.,  *  zu  Herrnstadt  in 
Schlesien    i.  II.  25;    f  zu  Berlin  15.  IV. 

—  1870/71  als  Major  mehrfach  Führer 
d.  4.  Garde-Reg.  zu  Fuss,  Ende  d.  70er 
Jahre  Kommandeur  d.  33.  Inf.  -  Brig., 
zuletzt  bis  1885  Kommandant  v.  Spandau. 

—  L  Militär -W^ochenbl.  1896,  2322;  111. 
Ztg.  106,  503. 

Unger,  Karl  August  Theodor,  General- 
Lieut.  z.  D.,  26.  IV.  53  in  d.  Dienst  getre- 
ten, zuletzt  1 890 — 94  General-Major  u.  Kom- 
mandeur d.  72.  Inf.-Brig.,  *  zu  Taschen- 
berg in  Schles.  6.  IV.  36;  f  zu  Potsdam  (?) 
15.  X.  —  L  Militär-Wochenbl.  1897,  503. 

—  AM. 

Wedel,  Hermann  Karl  v..  General  -  Major 
z.  D.,  hervorragender  Reiter  u.  Reitlehrer, 
*  zu  Blankensee  3.  VIII.  14;  f  zu  Berlin 
19.  VII.  -  Gymn.- Besuch  zu  Stargard 
i.  P.,  trat  1831  in  d.  Kür.-Reg.  Königin 
ein;  1836  überzähliger  Sekonde  -  Lieut.; 
1841  —  42  zur  Lehr-Eskadron  kommandirt; 
1846  Premier  -  Lieut. ;  1852  Rittmeister 
III.  Kl.;  1854  Chef  d.  4.  Eskadron;  1859 
Major;  1860  etatsmässiger  Stabsoffizier 
beim  4.  kombinirten  Ulanen -Reg.;  1863 
Kommandeur  d.  Rhein.  Dragoner  -  Reg. 
Nr.  5;  1864  Oberst-Lieut. ;  1866  während 
d.  Mainfeldzuges  bei  d.  Division  Man- 
teuffel;  1S66  Oberst;  1868  verabschiedet; 
1870  71  Inspekteur  d.  Ersatz  -  Eskadron 
d.  III.  Armeekorps  u.  Vorstand  d.  Zen- 
tral -  Pferdedepots;  in  dieser  Zeit  um  die 
Armee  durch  den  Ankauf  vieler  Tausend 
guter  Pferde  verdient.  —  L  BJ  I,  7b  *: 
Militär-Wochenbl.   1896,  1805.  2743. 

'^Wickede,  Julius  v.,  Rittmeister  a.  D., 
Militär -Schriftsteller  u.  Verf.  v.  Romanen 
u.  Novellen,  *  zu  Schwerin  11  VII.  ly; 
f  daselbst  22.  III.:    s.  BJ  I,    261.    —    L 


57 


* 


Todtenliste  1896:    V.  Militärs. 


58* 


BJ  II,  49  *;  III.  Ztg.  io6,  368.  412  (L. 
Salomon);  Brummer*  4,  333  (mit  W); 
Bommüller,  Biogr.  Schriftstellerlex.  765 
(mitW).  — W  KL  1S96,  1391 ;  Nachrichten 
aus  d.  Buchhandel  1896,  Nr.  77,  645.  — 
P  111.  Ztg.  106,  412. 
*Woyna,  Wilhelm  v„  General  d.  Inf.  z. D., 

*  au  Trier  7.  V.  19;  f  zu  Bonn  29.  XII.: 
s.  BJ  I.  135.  -  L  BJ  II,  54  *;  Militär- 
Wochenbl.  1897,  5^7;  v.  Löbells  Jahres- 
berichte üb.  d.  Veränderungen  u.  Fort- 
schritte im  Militärwesen,  23,  1896,  601 
(B.  P.  [oten]). 

Zedtwitz,  Ewald  v.(Pseudon.:  E.v.Wald- 
Zcdtwitz,  auch  E.V.Wald),  Major  a.  D., 
Romanschriftsteller,  ^  zu  Delitzsch  23.  I. 
40;  f  zu  Andernach  a.  Rh.  28.  IV.  —  L 
Militär -Wochenbl.  1896,  2322;  Allg.  D. 
Biogr.  44,  759  u.  d.  dort  angef.  Litt.  (L. 
Fränkel);  Delitzscher  Ztg.  1896,  Sept.  13 
u.  15  (E.  Obst).  —  W  KL  1896,  1448; 
BrUmmer*  4,  404.  —  P  Dl.  Frauen-Ztg. 
1889,  No.  3,  23. 

Bayern: 

^Giehrl,  Maximilian  Ritter  v.,  General- 
Lieut.  u.  Chef  d.  Generalstabes  d.  Armee, 

*  1840;  t  zu  München  16.  (nicht  17.) 
XII.:  s.  BJ  I.  107.  —  L  BJ  II,  14  *; 
V.  Löbell's  Jahresberichte  üb.  d.  Verände- 
rungen u.  Fortschritte  im  Militärwesen 
23t  1896,  591  (B.  P  [oten]);  Militär- 
Wochenbl.    1897,  278. 

Gumppenberg  -  Pöttmess  -  Oberbrennberg, 
Otto  Frcih.  v.,  General-Major,  Kornet  b. 
d.  Leibgarde  d.  Hartschiere,  k.  bayer. 
Kämmerer,  *  zu  München  15.  X.  21 ; 
f  daselbst  3.  I.  —  L  Freiherrl.  Taschen- 
))uch  1896,  354.  1897,  1206;  Militär- 
Wochenbl.  1897,   1206. 

Heckel,  Maximilian  v.,  General  d.  Inf.  z.  D., 
früher  Stadtkommandant  von  München, 
zuletzt  1884  —  87  General -Lieut.  u.  Kom- 
mandeur d.  3.  Division  in  Nürnberg,  "^  zu 
Landshut  2.  XII.  22:  f  zu  München  27.  IV. 

—  L  Militär-Wochenbl.  1896,  1818;  111. 
Ztg.   106,  560;  Bayerland  7,  5  (mit  P). 

Hellingrath,  Friedrich  v.,  General-Lieut. 
u.  Chef  d.  Gendarmerie,  ♦  1826;  f  zu 
München  13.  X.  —  L  Militär-Wochenbl. 
1897,  277. 

Höfler,  Edmund,  General  -  Major  a.  D., 
zuletzt  bis  1875  Kommandeur  d.  5.  Inf.- 
Brig.,    *  1814;    f  zu  Wiesbaden  10.  XII. 

—  L  Militär-Wochenbl.  1897,  297;  111. 
Ztg.   107,  799. 

Hern,  Karl  Joseph  Maria  Freih.  v.,  Gene- 
ral d.  Inf.  z.  D.,  Inhaber  d.  Feld-Art.- 
Reg.  No.  2,  *  zu  Speier  15.  XII.  18; 
t  zu  München  14.  IX.  —  L  v.  Löbell's 
Jahresberichte  üb.  d.  Veränderungen  und 
Fortschritte    im    Militärwesen    23,     1896, 


592  (B.  P.  [oten]):  »In  seiner  letzten 
Dienststellung  kommandirender  General 
d.  I.  Armeekorps,  während  d.  Krieges 
1870,71  als  Generalstabsoffizier  hervor- 
getreten. Kam,  1828  in  d.  Kadetten- 
korps aufgenommen,  am  19.  VIII.  1836 
als  Junker  zum  i.,  am  10.  III.  1838  als 
Unterlieutenant  zum  2.  Art.  -  Reg.,  lernte 
während  einer  6  monatl.  Beurlaubung  d. 
Dienst  d.  französ.  Truppen  in  Algerien 
kennen,  mit  denen  er  unter  Changarnier 
an  einem  Zuge  gegen  d.  Beduinen  theil- 
nahm,  wurde  1848  zum  Oberlieutenant, 
185 1  z.  Hauptmann  im  i.  Art. -Reg.  und 
1853  z.  Adj.  b.  Art.-Korpskommando  er- 
nannt. Am  6.  I.  1860  trat  er  als  Major 
zu  seinem  Reg.  zurück,  im  Herbst  1863 
wurde  er  in  d.  3.  (reitende)  versetzt.  Im 
Feldzuge  1866  befehligte  er  d.  Artillerie 
d.  Kav.  -  Reservekorps,  ohne  zu  hervor- 
ragender Thätigkeit  zu  gelangen.  Am  25. 
XII.  1867  wurde  er  Oberst  -  Lieut.  im 
General-Quartiermeisterstabe,  im  Frühjahr 
1868  trat  er  an  d.  Spitze  d.  letzteren  beim 
Kommando  d.  2.  Armeekorps  zu  Würz- 
burg. In  dieser  Stellung  nahm  er,  1869 
z.  Obersten  befördert,  unter  d.  Befehlen 
d.  Generals  d.  Inf.  Freih.  v.  Hartmann 
am  Kriege  1870/71  gegen  Frankreich  u. 
namentlich  am  Treffen  v.  Weissenburg, 
an  d.  Schlachten  v.  Wörth  u.  b.  Sedan  u. 
an  der  Einschliessung  von  Paris  Thcil. 
Nach  Friedensschluss  ward  er,  inzwischen 
zum  General-Major  aufgerückt,  Komman- 
deur d.  Bayer.  Besatzungs  -  Brig.  in  Metz, 
am  25.  IV.  1875  General-Lieut.  u.  Komman- 
deur d.  4.  Division,  am  16.  VI.  1881 
kommandirender  General  d.  I.  Armee- 
korps, im  Aug.  1884  Inhaber  d.  seinen 
Namen  annehmenden  2.  Feld  -  Art. -  Reg., 
am  3.  III.  1887  trat  er  in  d.  Ruhestand 
u.  behielt  steinen  Wohnsitz  in  München«; 
Freiherrl.  Taschenb.  1897,  427.  1208; 
Militär-Wochenbl.  1896,  2237;  Bayerland 
7,  28  (mit  P). 

Ow-Felldorf,  Maximilian  Joseph  Anton 
Nikolaus  v.  Tolontino  Ferdinand  Freih.  v., 
General  d.  Inf.  u.  Obersthofmeister  a.  D.: 
k.  bayer.  Kämmerer,  *  10.  IV.  1 5 ;  f  zu  San 
Remo  6.  XI.  —  L  111.  Ztg.  107,  621 ;  Militär- 
Wochenbl.  1897,  279;  Freiherrl.  Taschenb. 
1896,  686.  1897,  121 3. 

Scheifer,  General-Major  a.  D.,  zuletzt  Kom- 
mandeur d.  2.  Kav. -Brig. ;  f  16.  IX.  -- 
L  Militär-Wochenbl.  1896,  2446. 

Sachsen : 

Bülow,  Hans  v.,  General-Major  z.  D.,  zu- 
letzt 1878— 87  Kommandeur  d.  Kadetten- 
korps in  Dresden,  früher  in  d.  hannov., 
seit  1866  in  d.  sächs.  Armee,  *  zu  Grtt- 
tingen  23.  VII.  36;  f  zu  Schwerin  6.  IV. 


50 


* 


Todtenlistc  1896:    V.  Militärs. 


60* 


—  L  Militär -Wochenbl.  1896,  1842;  111. 
Ztg.   106,  465. 

Hohlfeld,  Emil,  General-Licut.  z.  D.,  zu- 
letzt 1893—95  Kommandeur  d.  S.Inf. -Brig. 
Nr.  63,  *  zu  Neugersdorf  b.  Zittau  1840; 
t  zu  Dresden  18.  X.  -  L  Militär- 
Wochenblatt    1897,    114;     111.    Ztg.     107, 

515. 
'''Meerheimb,  Richard  v.  (Pseudon:  Hugo 

vom  Meer),     Oberst  a.  D.,    lyr.  u.    ep. 

Dichter,  *  zu  Grossenhain   14.  I.  25;  f  zu 

I.oschwitz    b.    Dresden     16.    I.;    s.  ÜJ  I, 

258.   —  L  ßj  II,  28  *;  111.  Ztg.   106,   146 

(E.  Röder):  Militär-Wochenbl.  1896,  1107. 

—  W  BJ  I.  25S;  Hinrichsen  -'  876.  —  P 
111.  Ztg.   106,   145. 

Schmidt,  Benno,  Geh.  Medizinalrath  Prof. 
Dr.,  General  -  Arzt  I.  Kl.,  ä  la  suite  des 
Sanitätskorps;  s.  Abth.  XXI. 

IVürttemherg: 

Gleich,  Karl  Anton  Allarich  v.,  Gencral- 
Lieut.  z.  D.,  '^'  zu  Kapfenburg,  ()V>cramt 
Neresheim,  25.  VI.  31;  f  zu  Stuttgart  18. 
III.  —  1847—  50  Zögling  d.  k.  Offizier- 
Bildungsanstalt;  26.  IX.  50  zur  reit.  Abth.; 
14.  IV.  51  Leutnant;  25.  IX.  55  Oberleut- 
nant; 14.  IX.  57  Adj.  d.  Fcstungs-Bat. ; 
9.  V.  59  Hauptmann:  23.  VI.  61  Adj.  d. 
Art.-Brig.;  1870  Adj.  d.  Feldart.;  187 1 
nach  Berlin  kommandirt  als  Bevollmäch- 
tigter d.  WUrttemb.  Kriegsministeriums; 
27.  XI.  71  Major  u.  in  d.  Grossen  General- 
stab (kriegsgeschichtl.  Abth.)  Berlin  kom- 
mandirt; 14.  IV.  74  z.  Dienstleistung  b. 
Niederschlcs.  Feld- Art.- Reg.  Nr.  5;  10.  I. 
76  in  Feld -Art -Reg.  13  als  Abth. -Kom- 
mandeur einrangirt;  6.  III.  77  Komman- 
deur dieses  Reg.,  7.  6.  77  Obcrstlieut. ; 
30.  IX.  81  Oberst;  13.  X.  83  a  la  suite  d. 
13.  Feld-Art -Reg.  mit  d.  Führung  d.  13. 
Art.-Brig.  betraut;  17.  XII.  83  Brig.-Kom- 
mandeur;  10.  IX.  86  Generalmajor:  31.  X. 
88  Generallieut.;  11.  XI.  90  z.  I).  gestellt 
u.  in  d.  erbl.  Adelsstand  d.  Kgs.  Württem- 
berg erhoben. —  L  Militär-Wochenbl.  1896, 
895.  —  AM. 

Hieber,  Georg  Melchior,  Major  im  Ehren- 
Invaliden -Korps,  d.  älteste  Württemberg. 
Offizier,  *  zu  Leutenbach,  Oberamt  Waib- 
lingen, 5.  VI.  1804:  f  zu  Stuttgart  i.  VI. 

—  8.  IV.  25  ausgehoben  z.  3.Inf.-Reg.;  21.  I. 
26  Rottenmeister;  10.  IV.  26  Obermann; 
22.  II.  34  Feldwebel;  25.  XI.  34  Oberfeld- 
webel; II.  I.  41  Unterleutnant;  5.  V.  45 
Oberleutnant:  25.  IV.  55  Hauptmann;  22. 
I.  66  mit  der  gesetzl.  Pension  in  d.  Ehren- 
invalidenkorps  aufgenommen;  ii.  VI.  66 
auf  Kriegsdauer  reaktivirt;  ebenso  8.  VIII. 
70  mit  dem  Charakter  als  Major;  6.  I.  76 
Kommandant  d.  Ehreninvalidenkorps;  29. 
X.  %^   V.   dieser    Stellung    entbunden.    — 


Militär- Wochenblatt  1896,  1647;  111.  Ztg. 
106,  758.  —  AM. 

Lippe- Falkenflucht,  Ernst  Graf  v.,  Ge- 
neral-Major a.  D. :  s.  Sp.  12*. 

Maucler,  Wilhelm  Paul  Heinrich  Emil 
F'rcih.  V.,  Oberstlieut.  a.  D.,  zuletzt  Adj. 
d.  Königs,  *  7.  VI.  29:  f  zu  Weinheim 
a.  d.  Bergstrasse  19.  III.  —  L  Freiherrl. 
Taschenb.  1897,  640;  Militär-Wochenbl. 
1896,  895;  Schwab.  Kronik   1896,  582. 

Raisch,  Georg,  Major  z.  D.,  zuletzt  etiits- 
mässiger  Stabsoffizier  im  Grenadier- Reg. 
König  Karl  No.  123;  f  27.  XI.  —  L 
Militär  -  Wochenblatt  1897,  89;  Bll.  d. 
Schwab.  Albver.  8,  411.  —  KA. 

Andere   deutsche   Staaten : 

Baumbach,  Karl  Wilhelm,  herzogl.  Sachsen- 
Altenburg.  Oberst  und  Kommandeur  der 
Gendarmerie;   s.  Sp.   18*. 

Matht,  Philipp  Heinrich  Oberst  z.  D.,  zu- 
letzt im  ehemals  nassauischen  Kontingent 
Kommandant  v.  Wiesbaden,  *  daselbst 
27.  III.  1806;  t  ebenda  9.  XII.  —  L  Mili- 
tär-Wochenbl.   1897,    506;    111.  Ztg.    107, 

773    —  AM. 
Slicher,     Ludwig   Johann   Freih.  v.,     vor- 
mals k.  hannover.  General-Major  u.  Flügcl- 
Adj.  d.  Königs    Ernst   August    Georg  \'., 
d.  älteste  Ehrenbürger  d.  Stadt  Hannover, 

*  zu  Kassel  13.  VI.  1809:  f  zu  Hannover 
30.  IX.  L  Freiherrl.  Taschenb.  1897, 
970,     121 7;  111.  Ztg.   107,   367.  —  AM. 

Oester  reich'  Ungarn: 

Albrecht  Salvator,  Erzherzog  v.  Oester- 
reich,  Rittmeister  im  k.  u.  k.  Husaren- 
Reg.  Prinz  zu  Windifschgrätz  Nr.  11 : 
s.  Sp.  6*. 

Attems,  Graf  Alexander,  Geh.  Rath  und 
Fcldmarschall-Lieut.  a.  D.;  s.  Sp.  7*. 

'^Bilimek  Ritter  v.  Waissolm,  Hugo, 
Feldm;irschall-Lieut.,  militär.  Schriftsteller, 

*  zu  Sternberg  in  Mähren  28.  II.  38; 
t  zu  Budapest  21.  VI.:  s.  BJ  1,  112.  — 
L  BJ  II,  4  *;  V.  Löbell's  Jahresberichte 
üb.  d.  Veränderungen  u.  Fortschritte  im 
Militärwesen  23,   1896,  589  (B.  P.  [oten]). 

Bohl,  Georg  Edler  v.,  General  -  Major 
i.  R.,  1882  —  90  Kommandant  d.  Militär- 
Thicrarznei-Instituts,  *  zu  Eisenach  6.  IX. 
30;  f  zu  Wien  24.  VIII.  —   AM. 

Daun,  Graf  Wladimir,  Feldmarschall- 
Lieut.  a,  D.;  s.  Sp.  8*. 

Hueber,  Emil  v.,  General-Major  i.  R.,  der 
einstige  militär.  Erzieher  d.  Erzherzogs 
Franz  Ferdinand;  f  zu  Wien  2.  XII.  -  - 
L  111.  Ztg.   107,  734.  —  KA. 

Karl  Ludwig,  Erzherzog  v.  Oesterreich, 
General  d.  Kav.;  s.  Sp.  6*. 

Kielmannsegg,  Oswald  Graf  v.,  Feld- 
marschall-Lieut. ;  s.  Sp.  11  *. 


6i* 


Todtenliste   i8()6:    V.  Militärs. 


62* 


Körners  v.  Ltndenbach,  Kamillo  Freih., 
Feldmarschall  -  Lieut.  u.  KommandaDt  d. 
29.  Inf.-Truppendivision,  *  zu  Wien  2.  XII. 
39;tfbenda  21.IV.  —  LFreiherrl.  Taschen- 
buch  1S97,  497.    1209.  —  AM. 

"^Kuhn  V.  Kuhnenfeld,  Franz  Freih.,  Geh. 
Rath  und  Feldzeugmeister  z.  D. ,  auch 
schriftstellerisch  thätig,  *  zu  Prossnitz  in 
Mähren  25.  VI.  17;  f  zu  Palazzo  Kuhn 
in  d.  Nähe  v.  Strassoldo  b.  Görz  25.  V. : 
s.  BJ  I,  104.  —  L  BJ  II,  24  *;  Streffleur's 
Oesterr.-militär.  Zeitschrift  1896,  III,  170 
(Zernin);  Freihcrrl.  Taschenb.  1897,  522. 
1210;  Wurzbach  13,  344.  —  W  BJ  I, 
106;  V.  Löbell's  Jahresberichte  üb.  d. 
Veränderungen  u.  P'ortschritte  im  Militär- 
wesen 23,   1896,  595. 

Neumann  von  Spallart,  Julius  Ritter  v., 
Feldmarschall-Lieut.  i.  R.,  zuletzt  Befehls- 
haber d.  29.  Truppen-Inf.-Division,  *  zu 
Breitensee  12.  IV,  31 ;  -J-  zu  Wien  in  der 
Nacht  z.  30.  in.  -     L  111.  Ztg.   106,  437. 

Spatzirer,  Andreas,  der  älteste  Veteran 
d.  Deutschmeister  -  Reg.  in  Wien,  13.  IV. 
1813  assentirt  zu  diesem  Reg.,  15.  VII.  21 
transferirt  z.  Wiener  Polizeiwachkorps,  ge- 
lernter Schuster,  *  zu  Wien,  Leopoldstadt, 
1796;  f  zu  Wien  29.  I.  —  L  111.  Ztg.  106, 
193.  —  AM. 

Tiller  v.  Turnfort,  Karl  Freih.,  Geh. 
Rath  u.  Keldzeugmeister  i.  R.,  Inhaber  d. 
Art.  -  Reg.  No.  10  (jetzt  Korpsart.  -  Reg. 
No.  6),  *  zu  Ebersdorf  4.  XI.  16;  f  zu 
Wien  29.  I.  —  1875  Direktor  d.  Art.- 
Arsenals  in  Wien,  in  welcher  Stellunij  er 
sich  mit  General  Uchatius  um  die  Neu- 
bewaffnvng  d.  Art.  grosse  Verdienste 
erwarb;  naeh  seinem  Rücktritt  aus  d. 
aktiven  Dienst  Präsident  der  österr. 
Waffenfabriksgesellschaft.  —  L  Freiherrl. 
Taschenbuch  1897,  1058;  111.  Ztg.  106, 
164. 

Török  V.  Erdöd,  Joseph  Freih.,  Feld- 
marschall-Lieut. i.  R.,  kühner  Reiterführer, 
der  sich  bei  Custozza  auszeichnete;  *  zu 
Dertes   18 19;    f   zu  Pressburg   i.  I.    —  L 


III.  Ztg.   106,  72;    Wurzbach  45,  267.  — 
AM. 

Trapsia,  Michael  Ritter  v.,  Feldmar- 
schall-Lieut, i.  R.,  zuletzt  Art.-Brigadicr, 
*  zu  Lapuschmiczeb  25.  III.  38;  ^  zu  Graz 
3.  V.  —  L  111.  Ztg.  106,  639.  —  AM. 

Wagner  v.  Wehrborn ,  Rudolph  Frei- 
herr V.,  General  -  Major  i,  R.,  Ritter  d. 
Maria  -Theresien  -  Ordens,  tapfrer  Reiter- 
offizier, *  zu  Wien  1815;  f  ^iu  Radstadt 
24.  XII.  —  L  111.  Ztg.  108,  48;  W^irz- 
bach  52,  38.  —  AM. 

Watteck ,  Josef  v.,  Geh.  Rath  u.  Feld- 
marschall-Lieut., Präsident  d.  Obersten 
Militärgerichtshofes  in  Wien,  ♦  zu  Bielitz 
in  Schles.  17.  II.  37;  f  zu  Wien  22.  X.  — 
>W.  trat  22.  VIII.  56  aus  d.  Theresien- 
Militär-Akad.  als  Leutnant  in  d.  35.  Inf.- 
Reg.,  wurde  1859  Hauptmann  im  General- 
stab, als  welcher  er  mit  Auszeichnung  die 
Keldzüge  1859  u.  1866  mitmachte,  diente, 
1869  zum  .Stabsoffizier  befördert,  einige 
Zeit  in  d.  Inf.,  dann  als  Oberst  wieder 
beim  Generalstab,  als  Generalstabschef  in 
Ungarn  unter  d.  General  d.  Kav.  Baron 
Edelsheim;  1883  z.  General-Major  befördert, 
1888  zum  Feldmarsch.-Lieut.  u.  Truppen- 
divisions-Kommandnnten ;  1 893  z.  Präsiden- 
ten d.  Obersten  Miliiärgerichtshofes  er- 
nannt; W.  galt  als  einer  d.  fähigsten 
Generale,  musste  aber  wegen  Kränklichkeit 
vorzeitig  dem  Frontdienste  entsagen« .  — 
L  111.  Ztg.  107,  515.  —  AM. 

Weiss  von  Schleussenberg ,  Heinrich, 
General-Major  i.  R.,  •  zu  Wien  6.  I.  27; 
t  zu  Graz  16.  XII.  —  L  111.  Ztg.  108,  11. 
—  AM. 

Werner,  Anton,  Feldmarschall  -  Lieut. 
i.  R.,  1883  Geniechef  d.  I.  Kor[>s,  bi^ 
1886  Festungs-Kommandant  v.  Przemysl, 
s.  Z.  Leiter  d.  Vorarbeiten  f.  d,  Bau  d. 
Wiener  Weltausstellung,    *  zu    Wien    24. 

IV.  28;    t  da.selbst  i.  X.    -    L  III.  Ztg. 
107,  429. 

♦Wilhelm,  Herzog  v.  Württemberg,  Feld- 
zeugmeister; s.  Sp.  7  *. 


2.    Marine. 


Deutsches  Reich: 

Braun,  Otto,  Kapitän-Lieut.,  Komman- 
dant d.  an  d.  chines.  Küste  unterge- 
gangenen Kanonenbootes  »Iltis«,  ♦  /u 
Rheine,  Kr.  Lötzen,  1856;  f  23.  VII.  — 
21.  IV.  77  in  d.  Marine  eingetreten; 
1880  Unterlieut.;  1884  Lieut.  zur  See; 
1891  Kapitän-Lieut.;  an  Bord  d.  »Prinz 
Adalbert  >  u.  d.  J^eipzig«  mehrmals  an 
d.  chines.  Küste.  —  L  u.  P  111.  Ztg.  107, 
154;  Marine-Rundschau  7,  792  (Koch). 

Brix,  Karl  Hennann  Adolf,  Geh.  Admir.ili- 


tätsrath  a.  D.,  ausserordentl.  Mitgl.  d.  kai- 
serl.  Patentamts,  bis  1894  Dezernent  f.  Schiff- 
bau in  d.  Admiralität  u.  d.  Reichsmarine- 
amt,  Lehrer  f.  Schiffi  au  an  d.  Techn. 
Hochschule  zu  Charlottenburg,  auch 
Schriftsteller,  *  zu  Berlin  17.  XII.  32;  f  da- 
selbst 19.  XI.  —  L  111.  Ztg.  107,  699.  — 
AM. 
Dirckinck  -  Holmfeld ,  Edwin  Freih.  v., 
k.  dän.  Kommandeur  a.  I).,  Anfang  der 
40er  Jahre  in  preuss.  Diensten,  Chef  d, 
Navigationsischule,    1845  erster  Komman- 


63' 


Todtenliste  1896: -..V.  Militärs.     VI.  Landwirthe. 


64' 


dant  d.  ersten  preuss.  Kriegsschiffes  Ama- 
zone, 93  J.;  t  zu  Kopenhagen  12.  I.  — 
L  111.  Ztg.  106,  136. 
Fraustädter,  Ernst,  Lieut.  z.  See,  *  zu 
Ohlau  in  Schlcs. ;  f  an  Bord  d.  unterge- 
gangenen »Iltis«  23.  VII.  —  1884  einge- 
treten; 1892  Unterlieut. :  1895  Lieut.  z.  See. 

—  L  u.  P  III.  Ztg.   107,  154.   155. 
Gurlt,  Hermann  Wilhelm,  Geh.  Admirali- 

tätsrath  a.  D.,  bis  1893  Dezernent  f.  Schiffs- 
maschinenbau in  d.  Admiralität  u.  im 
Reichs-Marine-Amt,  *  zu  Berlin  8.  IV.  34; 
f  daselbst  13.  VI.  —  L  111.  Ztg.  106,  791. 

—  AM. 

Hill,  Heinrich,  Obermaschinist,  *  zu 
Leisenwald  b.  Gelnhausen;  f  an  Bord  d. 
untergegangenen  »Iltis»  23.  VII.  —  Seit 
1874  in  d.  Marine;  1887  Obermaschinist; 
Mitbegründer  d.  Vcr.  ehemaliger  Deck- 
offiziere in  Wilhelmshaven;  längere  Zeit 
in  Geestemünde  stationirt.  —  L  u.  P  111. 
Ztg.   107,   154.  15s. 

Holbach,  Moriz  v.,  Lieut.  z.  See,  ^  zu 
Wiesbaden,  f  an  Bord  d.  untergegangenen 
»Iltis«  23.  VII.  ~  21.  IV.  X884  in  d. 
Marine  eingetreten;  1887 Unterlieut. ;  1891 
Lieut.  z.  See.    —    L  u.  P    111.  Ztg.    107, 

154.  155- 

Hüllen,  Johann  Theodor  Adolf  van,  Ma- 
rine -  Oberbaurath,  zuletzt  Schiffbaudirek- 
tor bei  d.  Werft  in  Danzig,  *  zu  Borbeck 
im  Reg. -Bez.  Düsseldorf  i."  IX.  42;  f  zu 
Danzig  12.  II.  —  i.  X.  68  als  Schiffbau- 
Ingenieur-Aspirant  i.  d.  Marine  eingetreten ; 
I.  I.  70  Unter-Ing.;  1. 1.  73  Ing  ;  i.  IV.  85 
Ober-Ing.;  24.  III.  90  Marine- Baurath  u. 
Schiffbau-Ressort- Direktor.  —  L  111.  Ztg. 
106,  217.  —  W  Leitfaden  f.  d.  Unterricht 
im  Schiffbau   1888.  —   AM. 

Prasse.  Wilhelm,  Lieut.  z.  S.,  •  zu  Leer; 
f  an  Bord  d.  untergegangenen  »Iltis« 
23.  VII    —  Lu.  Pill.  Ztg.  107,154.155. 

'^Stosch,  AI  brecht  V.,  General  d.  Inf.,  Ad- 
miral;  s.  Sp.  55  *. 

O esterreich  -  Ungarn : 

Lehnert,  Joseph  Ritter  v.,  Kontreadmiral, 
V^orstand    d.    Präsidialkanzlei    d.    Marine- 


sektion d.  Reichskriegsministeriums,  her- 
vorragender Flaggoffizier,  Vizepräsident 
d.  k.  k.  Geogr.  Gesellschaft,  Schriftsteller 
auf  d.  Gebiete  d.  Marinewesens  u.  Verf. 
v.  Reisewerken,  *  zu  Mailand  2.  VI.  41 ; 
t  zu  Wien  29.  II.  —  Als  Seekadett  Mit- 
kämpfer bei  d.  Vertheidigung  Venedigs, 
als  junger  Offizier  unter  Tcgethoff  bei 
Helgoland  u.  b.  Lissa;  später  im  Mini- 
sterium um  d.  Reorganisation  d.  Flotte 
verdient;  daneben  im  prakt.  Seedienst 
thätig;  1876—78  Theilnehmer  an  d.  Welt- 
umsegelung d.  Korvette  »Erzherzog  Fried- 
rich«; geleitete  im  Auftr.  d.  Kaisers  als 
kaiserl.  Spezialgesandter  den  Chedive  Ab- 
bas  z.  Thronbesteigung  nach  Kairo.  — 
L  111.  Ztg.  106,  306;  Geogr.  Jahrb.  20, 
474  (W.  W^olkenhauer,  mit  W);  Deutsche 
Rundschau  f.  Geogr.  u.  Statistik  18,  422 
(mit  P).  —  W  auch  KL  1896,  741.  —  P 
auch  111.  Ztg.   106,  304. 

Wiplinger,  Anton  Freih.  v.,  Vizeadmiral 
i.  R.,  •  zu  Graz  14.  XII,  30;  f  zu  Pola 
3.  III.  —  In  d.  Schlacht  b.  Lissa  Kom- 
mandeur d.  Panzerfregatte  »Don  Juan 
d'Austria«;  1866—68  Vorstand  d.  Zentral- 
Kanzlei  d.  Reichskriegsministeriums  (Ma- 
rine-Sektion); 1868 — 71  Kommandant  S. 
M.Schiff  »Donau« (Weltumsegelung);  1874 
—  81  Militärbafenkommandant  u.  Präses 
d.  Art.-Kommission;  1881  —  83  Escadron- 
Kommandant  während  der  militär.  Ope- 
rationen in  Dalmatien;  1883  —  91  Seebc- 
zirks-Kommandant  in  Triest;  »W.  war  ein 
hervorragend  befähigter  Seemann,  wissen- 
schaftlich gebildet,  bedeutender  Artillerist 
u.  Torpedist«.  —  L  111.  Ztg.  106, 307;  Wurz- 
bach 58,   108.   —   AM. 

Wohlgemuth,  Emil  Edler  v. ,  Linien- 
schiffskapitän i.  R.,  Leiter  d.  v.  Oktober 
1881  bis  Sept.  1883  zu  wissenschaftl. 
Beobachtungen  nach  d.  Insel  Jan  Mayen 
unternommenen  Polar-Expcdition,  Adj.  d. 
+  Kronprinzen  Rudolph,  *  zu  Lembcrg 
2.  V.  43;  t  zu  Wien  28.  L  —  L  111.  Ztg. 
106,  164;  Wurzbach  57,  236.  —  P  Neue  ' 
m.  Ztg.  10,  1882,  356. 


VI.    Landwirthe. 


Abel ,  Lothar,  Architekt,  Prof.  an  der 
Schule  d.  k.  u.  k.  Gartenbaugesellschaft 
u.  Privatdozent  an  d.  Hochschule  f.  Boden- 
kultur in  Wien,  "*  zu  Hietzing  b.  Wien  18. 
II.  41;  t  7'U  Wien  24.  VI.  -  L  111.  Ztg. 
107,  41 ;  Centralblatt  f.  d.  ges.  Forstwesen 
1896,  342;  Wiener  Landwirthschaftl.  Ztg. 
1896  (mit  P).   —  AM. 

Albrecht,  Wilhelm,  Rittergutsbesitzer 
auf  Suzemin,  Rcichstagsabg.:  s.  Sp.  33*. 


Behrendt,  Josef,  Gutsbesitzer,  preuss. 
Landtagsabg. ;   s.  S  p.  42  *. 

Böhm,  Bernhard,  Bauerngutsbesitzer  zu 
Brunne,  Rcichstagsabg.;  s.  Sp.  34*. 

"^Buhl,  Armand,  Weingutsbesitzer,  Rcichs- 
tagsabg.; s.  Sp.  35  •. 

Busse ,  Paul  v.,  Rittergutsbesitzer,  preuss. 
Landtagsabg. ;   s.  Sp.  42  *. 

Carstenn,  Wilhelm,  früher  Gutsbesitzer 
in  Gross-Lichterfelde    b.   Berlin,    bekannt 


65' 


Todtenliste  1896:    VI.  Landwirthe. 


66* 


durch  seine  Prozesse  gegen  d.  Militär- 
üskus,  74  J.;  f  zu  Berlin  20.  XII.  —  L 
III.  Ztg.  108,  II. 

Dellingshausen,  Nikolai  Freih.  v.,  esth- 
länd.  Grossgrundbesitzer;  s.  Sp.  90*. 

Dietzell,  B.  E.,  Dr.  phil.,  Vorsteher  d.  land- 
wirtschaftl.  Versuchsstation  zu  Augsburg; 
f  daselbst  23.  V.  —  L  Leopoldina  32,  133. 
—  W  Cat.  Roy.  Soc.  7,  535.  9,  700. 

Drabizius,  Guido  v.,  Ritterguts-  u.  Baum- 
schulenbesitzer, Stadtverordneter  v.  Bres- 
lau; s.  Sp.  31  *. 

Dressler,  Benno  v.,  Rittergutsbesitzer  auf 
Schreitlaugken,  preuss.  Herrenhaus-Mitgl. ; 
s.  Sp.  41*. 

Flemming,  H  a  s  s  o  Graf  v.,  General-Land- 
schaftsrath    der    pommer.    Landschaft;    s. 

Sp.  9  *. 
^Günther,    Karl  Wilhelm  Adalbert,    Geh. 

Med.-Rath,    erst   Hauptlehrer,    1878  —  80 

Direktor  d.  Thicrarzneischule  zu  Hannover, 

*  daselbst  28.  VII.  22;  f  auf  d.  Domäne 
Winne  b.  Wemshausen  14.  VII.:  s.  BJ  I, 
152.  —  L  BJ  II,  16  ♦;  111.  Ztg.  107,  100; 
Leopoldina  32,  137. 

Haug,  Anton,  Landwirth  zu  Burgberg 
im  Allgäu,  bayer.  Landtagsabg.;  s.  Sp.  40*. 

Höpker,  Wilhelm,  Rittergutsbesitzer  auf 
Haus  Kilver  b.  Lohne  in  Westphalen, 
preuss.  Landtagsabg.;  s.  Sp.  43*. 

Kerry,  Dr.,  Vorsteher  d.  bakteriolog.  Abth. 
d.  Thicrarzneischule  in  Wien,  34.  J  ;  f 
19.  X. 

^Lassen ,  Hans,  Hofbesitzer  zu  Lysabbel 
b.  Schauben  auf  d.  Insel  Alsen,  Reichs- 
tags- u.  preuss.  Landtagsabg.;  s.  Sp.  37*. 

Levido,  E.  N.,  einer  d.  in  Australien  be- 
kanntesten deutschen  Kolonisten  u.  ersten 
Pioniere  auf  d.  nördl.  York- Halbinsel, 
Mitbegründer     d.     Minenstadt    Wallaroo, 

•  zu  Köln  1823;  t  zu  Adelaide  (?)  im 
April.  —  L  111.  Ztg.  106,  759. 

Liebscher,  Georg,  Dr.  phil.,  ordentl. 
Prof.  d.  Landwirthschaft  u.  Direktor  d. 
Landwirthschaftl.  Instituts  an  d.  Univ. 
Göttingen,  *  zu  Magdeburg  8.  II.  53; 
f  zu  Göttingen  9.  V.  —  Stud.  nach  prakt. 
landwirthschaftl.  Lehrzeit  in  Berlin;  Assi- 
stent in  Halle;  bereiste  Japan;  1882  Leiter 
d.  Landwirthschaftl.  Instituts  in  Jena; 
1889  Prof.  in  Bonn,  1890  in  Göttingen. 
—  L  111.  Ztg.  106,  639;  KL  1896,  758; 
M.  Günz,  Handb.  d.  Landwirthschaftl. 
Litt.  II  (Leipz.  1897),  266;  Lcopoldina 
32,  103;  Gcogr.  Jahrb.  20,  474  u.  Globus 
70,  19  (W.  Wolkenhauer);  FUhlings  Land- 
withschaftl.  Ztg.  1892,  597  (mit?).  —  W 
KL  a.  a.  O.;  Kukula  552.  Suppl.  154; 
GUnz  a.  a.  O.  —  P  auch  Verlagskatalog 
V.  Parey  1894. 

Loe,    Felix    Freih.    v.,     Gutsbesitzer    in 

BiogT.  Jabrb.  u.  Deutscher  Nekrolog.    U.  Bd. 


Terporten,  Präsident  d.  Rhein.  Bauern- 
vereins, Reichstags-  u.  preuss.  Landtags- 
abg.;  s.  Sp.  38*. 

Marek,  Gustav,  Dr.  phil.,  ausserordentl. 
Prof.  f.  Landwirthschaft  u.  Begründer  d. 
Landwirthschaftl.  -  Physiolog.  Laborato- 
riums u.  d.  Landwirthschaftl.  •  Botan. 
Gartens  an  d.  Univ.  Königsberg,  *  zu 
Kaschau  in  Ungarn  13.  VII.  40;  f  zu 
Königsberg  13.  V.  —  Kam  nach  prakt. 
u.  theoret.  Studien  als  Dozent  nach  Wien, 
1876  nach  Halle  und  1S78  nach  Königs- 
berg. —  L  111.  Ztg.  106,  639;  Leopoldina 
32, 106  (mit  W);  Fühlings  Landwirthschaftl. 
Ztg.  1892,  785  (mit  P).  —  W  Kukula  584. 
Suppl.  162;  M.  Günz,  Handb.  d.  Land- 
wirthschaftl. Litt.  II  (Leipzig  1897),  285. 
—  AM. 

Pannewitz ,  Heinrich  v. ,  Direktor  d. 
Glogau  -  Saganer    FUrstenthumslandschaft, 

75  J.;  t  II.  vn. 

Pfannstiel,  Karl,  Gutsbesitzer  in  Hainbach 
in  Oberhessen,  Mitglied  d.  II.  Kammer  d. 
bess.  Landstände;  s.  Sp.  41*. 

^Sax,  Emanuel  Hans,  ausserordentl.  Prof.  f. 
Nationalökonomie  an  d.  Hochschule  f. 
Bodenkultur  zu  Wien;  s.  Abth.  XVIII. 

♦Schöne,  Emil,  Dr.  phil.,  Prof.  an  d. 
Pctrowskyschen  Agrar-  u.  Forstakademie 
zu  Moskau,  Chemiker  und  Agrikultur- 
Chemiker;  s.  Sp.  94*. 

^Seidel,  Traugott  Jakob  Hermann,  Kunst- 
u.  Handelsgärtner  in  Dresden,  *  daselbst 
26.  XII.  33;  t  ebenda  28.  IV.:  s.  BJ  I, 
416.  —  L  BJ  II,  39». 

Seiler,  Wilhelm  Otto,  Rittergutsbesitzer 
auf  Nosswitz  b.  Elsterberg  im  Vogtl., 
Vorsitzender  d.  Stände  d.  Vogtland. 
Kreises  u.  vormaliges  Mitgl.  d.  I.  sächs. 
Ständekammer,  Vizevorsitzender  d.  sächs. 
Landeskulturraths ,  Mitgl.  d.  deutschen 
Landwirthschaftsraths ,  *  zu  Dresden  20. 
V.  18.;  f  zu  Nosswitz  25.  X.  —  L  111. 
Ztg.  107,  515;  Nachricht  v.  d.  Leben  u. 
Wirken  d.  Wilh.  Otto  Seiler.  Gewidmet 
vom  landwirthschaftl.  Kreis  verein  im  Voigtl. 
Nebst  Bildnis.  Auerbach  [im  Vogtl.], 
Druck  V.  A.  Kroger,  1897.  (IX  S.,  gr.  S^.) 
-   PM. 

Seydel,  Karl  Ernst,  Gutsbesitzer  zu  Königs- 
bain  b.  Mittweida,  sächs.  Landtagsabg.; 
s.  Sp.  45*. 

Stoesser,  Guido  v.,  Gutsbesitzer  auf 
RackschÜtz  in  Oberschlesien,  k.  preuss. 
Kammerherr  u.  Major  z.  D.,  seit  1879 
Vertreter  Oberschlesiens  in  der  schles. 
General -Landschaftsdirektion  u.  Direktor 
d.  ^hles.  Landscbaftl.  Bank,  auch  Novel- 
list, 69  J.;  t  auf  RackschÜtz  13.  VI.  — 
L  111.  Ztg.  106,  791 ;  Militär -Wochenbl. 
1896,  2323.  —  K  A. 


dy* 


Todtenliste  1896:     VI.  Landwirthe.    VII.  Forstwirthe  und  Weidmänner. 


6B* 


Vetter,  Franz,  bis  1891  Leiter  d.  be- 
rühmten Anlagen  u.  Pflanzenkulturen  zu 
Wilhelmshöhe  b.  Kassel,  dann  k.  preuss. 
Hofgarten  direkter  und  Direktor  der  kgl. 
Gärtnerlehranstalt  in  Wildpark  b.  Potsdam, 
*  zu  Rothenburg  a.  F.  6.  VI.  24.;  f  zu 
Sanssouci  b.  Potsdam  27.  II.  —  L  111. 
Ztg.  106,  227;  Gartenflora  1896  März 
(L.  Wittmack);  Möllers  Deutsche  Gärtner- 
Ztg.  1896.  —  P  Hermenbüsten  in  d.  Park- 
anlagen V.  Sanssouci  u.  v.  Wilhelmshöhe. 
AM. 

Wedel,  Ernst  Achatz  v. ,  Rittergutsbesitzer 
auf  Blankensee,  Landschaftsrath,  Major 
a.  D.,  Mitgl.  d.  preuss.  Herrenhauses; 
s.  Sp.  42*. 

Wiesike ,  Hermann,  Guts-  u.  Ziegclei- 
besitzer  zu  Plauerhof  b.  Plaue  a.  d.  Havel, 
Reichstagsabg.;  s.  Sp.  39*. 

Wittmer,    Heinrich,    Gastwirth   in  Ep- 


pingen,  Mitgl.  d.  deutschen  Landnrirth- 
schaftsraths,  bad.  Landtagsabg. ;  s.  Sp.  40*. 
♦Wolff,  Emil  Theodor  v.,  Dr.  phil.,  bis 
1894  Prof.  d.  Agrikulturchemie  an  der 
Königl.  Württemb.  Landwirthschaftl.  An- 
stalt zu  Hohenheim,  *  zu  Flensburg  30. 
VIII.  18;  f  zu  Stuttgart  26.  XI.:  s.  BJ 
I,  100.  —  L  BJ  II,  54  *  (unter  Emil 
Wulff  u.  Emil  V.  VVolff):  M.  Günz,  Handb. 
d.  Landwirthschaftl.  Litt.  II  (Leipzig  1897), 
280;  E.  Alberti,  Lexikon  d.  Schlesw.- 
Holst.-Lauenb.  Schriftsteller  1829  —  66,  II, 
586,  1866—82,  II,  395;  Poggendorff  II, 
1360.  III,  2,  1462;  Leopoldina  32,  190; 
Fühlings  Landwirthschaftl.  Ztg.  1892,  410 
(mit  P);  —  W  Günz,  a.  a.  O.;  Poggen- 
dorff a.  a.  O.;  Alberti  a.  a.  O.  —  P  Thiel, 
Landwirthschaftl.  Konv.-Lex.  Suppl.  I 
(Leipzig  1893);  Verlagskat.  v.  Parey  1894. 


VTI.    Forstwirthe  und  Weidmänner. 


Carl ,  Julius,  kaiserl.  Landforstmeister 
in  Elsass-Lothringen,  *  zu  Korsthaus  Karls- 
höhe, Gemeinde  Gundersweiler,  in  d.  Pfalz 
7.  V.  45;  f  zu  Strassburg  26.  X.  —  Be- 
suchte d.  Gymn.  zu  Speyer  u.  d.  Forstlehr- 
anst.  Aschaffenburg;  seit  Juli  1865  im 
bayer.  Staatsdienst;  9.  XII.  70  Eintritt  in 
d.  Reichsdienst;  2  Jahre  Hilfsarbeiter  d. 
Landforstmeisters  in  Strassburg;  17.  I.  74 
Oberförster  zu  Falkenberg;  1875—88  in 
Bitsch-Süd;  1888-90  Leiter  d.  Forstein- 
richtungsbureau u.  in  dieser  Stellung  3. 
II.  90  z.  Forstmeister  befördert;  20.  XII. 
90  Oberforstmeister  in  Metz ;  i  .11.  (definitiv 
7.  IV.)  96  Landforstmeister.  —  L  Allg. 
Forst-  u.  Jagd-Ztg.    1896,  413.    —    AM. 

Dombrowski  zu  Paprosch  u.  Kruszwice, 
Raoul  Ritter  v.,  Jagdschriftsteller  u. 
Dichter,  *  zu  Prag  3.  VI.  33;  f  zu  Wien 
3.  Vin..  —  L  Wild  u.  Hund  1896,  586; 
Hubertus  1896,  541;  Centralbl.  f.  d.  ges. 
Forstwesen  1896,  473;  Brummer^  if27i; 
Hinrichsen'  119.  —  W  KL  1896,  242; 
Brummer  u.  Hinrichsen  a.  a,  O. 

Hevera,  Vincenz,  Verf.  d.  preisgekrönten 
Schrift  »Die  Wälder  Böhmens«,  ehemal. 
Reichsraths-  u.  Landtagsabg.,  im  60  J.; 
f  zu  Kolin  27.  I.  —  L  Centralbl.  f.  d. 
ges.  Forstwesen   1896,   148. 

Kleist,  Hugo  Ewald  v.,  preuss.  Oberforst- 
meister a.  D.,  früher  als  Mitdirigent  d. 
Abth.  d.  Domänen  u.  Forsten  Mitgl.  d. 
Regierung  in  Magdeburg  u.  zugleich  Mit- 
glied d.  Hofjagdamts,  Senior  d.  Ge- 
schlechts, um  d.  Sache  d.  Vaterland. 
Frauenvereins    verdient,    *  zu    Erfurt    12. 


IX.  17;  t  zu  Halle  a.  d.  S.  9.  V.  —  2. 
VIII. 47 Oberförster;  14.IV.57  Forstinspek- 
tor; 28.  V.  59  Mitgl.  d.  Reg.-Kollegiums 
in  Königsberg;  21.  II.  6x  nach  Frankfurt 
a.  O.  versetzt;  7.  II.  63  Forstmeister;  21. 
XI.  66  Forstmeister  mit  d.  Rang  d.  Reg.- 
Räthe;  12.  IV.  69  als  Oberforstmeister  2. 
Regierung  v.  Liegnitz;  u.V.  72  z.  Mit- 
Dirigenten  d.  Reg. -Abth.  f.  Domänen  u. 
Forsten  an  d.  Reg.  in  Oppcln  ernannt; 
Nov.  77  in  gleicher  Eigenschaft  nach 
Magdeburg  versetzt;  i.  VII.  82  Ruhestand. 
—  L  111.  Ztg.  106,  639.  —  AM. 
Krutzsch,  Hermann,  Dr.  phil.,  bis  1887 
Prof.  d.  Mineralogie,  Geognosie,  Physik  u. 
Meteorologie  an  d.  Forstakad.  in  Tharandt, 
Begründer  d.  meteorologischen  Stationen  in 
Sachsen,  der  ersten  in  Deutschland  (1862), 
verdient  durch  Boden  Untersuchungen  und 
die  ersten  geolog.  Untersuchungen  der 
Staatsforstreviere,  *  zu  Tharandt  26.  XI. 
19;  t  daselbst  28.  VII.  —  »K.  kam  be- 
reits mit  Beginn  d.  S.-S.  47  nach  Tharandt 
als  Stütze  seines  Vaters  Karl  Leberecht 
K.,  der  ebenfalls  Prof.  an  d.  Akad.  war; 
I.  IV.  49  wurde  K.  ordentl.  Lehrer  f.  d. 
genannten  Fächer  u.  2.  XI.  52  Professor.«  — 
L  111.  Ztg.  107,  163;  Lorey,  Jahresbcr.  üb, 
Veröffentlichungen  u.  Ereignisse  im  Forst- 
wesen f.  1896;  Centralbl.  f.  d.  ges.  Forst- 
wesen 1896,  473;  Haan,  Sachs.  Schrift- 
stellerlexikon (mitW);  Poggendorff  111,754 
(mit  W);  Tharander  Jahrbuch  48,  275  (M. 
Kunze).  —  W  Untersuchungen  üb.  d. 
Waldstreu:  Tharander  Jahrb.  6,  88.  8,  260. 
*5i  32.  19.  193;  Unters,  ü.  d.  Temperatur 


69*    Todtenl.  1896:  VIT. Fstw.u.Weidm.  VIIT.Berg-u.Hüttenm.  IX.Gewrbtr.u.Industr.    70* 


d.  Bäume  im  Vergl.  z.  Luft-  u.  Boden tem- 
peratur:  a.  a.  O.  10,  214;  Beobachtungen 
üb.  (L  Temperatur  d.  Luft  im  Walde  u. 
ausserhalb  desselben:  a.  a.  O.  13,  257;  Üb. 
d.  Temperatur  eines  Torfmoores  in  ver- 
schiedenen Tiefen:  a.  a.  O.  29,  76;  Üb.  d. 
EinHuss  der  Waldungen  auf  d.  Regenver- 
hältnisse in  d.  gemässigten  Zone:  a.  a.  O. 
II,  123;  Üb.  die  zu  forstl.  Zwecken  in 
Sachsen  eingerichteten  Stationen :  a.  a.  O. 
15,  72.  16,  216;  D.  klimat.  Verhältnisse 
Sachsens:  a.  a.  O.  20. 46;  Üb.  d.  gcognost. 
Aufnahme  d.  kgl.  Staatsforstreviere  Sach- 
sens: a.  a.  O.  15,  105;  Geognost.  Verhält- 
nisse; Boden,  Klima  u.  Vegetation  d.  Um- 
gegend v.  Tharandt:  a.  a.  O.  17,  2,  3;  (die 
Poggendorflf  III,  754  geraachte  Angabe 
Ȇb.  Regenmenge,  die  d.  Waldboden  ent- 
hält«; Tharander  Jahrb  17, 1865  ist  irrig). 
—  AM.  d.  Herrn  Forstassessor  Beck  in 
Tharandt. 

Landolt,  Elias,  *  zu  Klein-Andelfingen 
im  Kanton  Zürich  28.  X.  21;  f  zu  Zürich 
20.  V.  —  1837—39  Feldmesser;  bis  1842 
forstl.  Vorpraxis. in  Beuken  u.  Hertenstein; 
1842  —  44  Industrieschule  in  Zürich  mit 
Staatsstipendium;  darauf  Forstakademieen 
Hohenheim  u.  Tharandt;  1849  Studien- 
reisen im  Harz,  südlichen  Deutschland, 
Böhmen,  Tyrol;  funktionirende  Thätigkeit 
in  d.  Schweiz;  1853  Forstmeister,  1864 
Oberforstmeister  d.  Kantons  Zürich:  seit 
Herbst  1853  Prof.  an  d.  Forstschule  d. 
Eidgen.  Polytechn.;  1876  —  81  Direktor  d. 
Polytechnikums;  1893  Ruhestand.  —  L 
Schweizer.  Ztschr.  f.  Forstwesen  1896, 
i8i.  225  (Rüedi);  Ztschr.  f.  Forst-  und 
Jagdwesen  1896,  500  (mit  W);  Lcopol- 
dina  32,  104.  —  W  auch  KL  1896,  748 
(unvollst.). 

Lizius  f  Maximilian,  bayer.  Forst- 
meister und  Dozent  an  der  Forstl.  Hoch- 
schule Asch  äffen  bürg,    *    zu  Augsburg  4. 


IX. 45;  f  zu  Aschaffenburg  I.IX.  —  »Stud. 
nach  Absolvirung  d.  Gymn.  v.  1867 — 69 
an  d.  Forstlehranst.  AschafTenburg,  unter- 
zog sich  dem  Staatsexamen  mit  vorzügl. 
Erfolge,  war  im  Staatsministerium  d.  Finan- 
zen, Forstabth.,  mehrere  Jahre  als  Assistent 
verwendet  u.  wurde  i.  XII.  80  z.  Ober- 
förster auf  d.  Hochgebirgsrevier  Jachenau 
ernannt,  dass  er,  begeistert  f.  d.  Schön- 
heit d.  Hochgebirgs  u.  d.  Jagd  in  dem- 
selben, II  Jahre  lang  verwaltete.  Am  i. 
III.  91  wurde  er  zum  Forstmeister  in 
AschafTenburg  u.  Dozenten  an  d.  Forstl. 
Hochschule  daselbst  ernannt«  —  L  u.  W 
Allg.  Forst-  u.  Jagdztg.  1897,  448;  Forst- 
wissenschaftl.  Centralbl.  1896,  647.  —  AM 
des  Herrn  k.  Oberforstrath  Dr.  Fürst 

Reinhardt,  kaiserl.  Oberforstmeister,  *  zu 
Wissen  a.  d.  Sieg  1831;  f  zu  Strassburg 
4.  II.  —  Stud.  in  Bonn  u.  Forstakad. 
Eberswalde:  1854-66  im  reitenden  Feld- 
jägerkorps; Oberförster  i866  in  Neupfalz 
(Reg.  -  Bez.  Coblenz),  1867  in  Alsberg- 
Salmünster  (Reg.-Bez.  Kassel);  Okt  1871 
kommiss.  Forstmeister  im  Reichsland  f.  d. 
Aufsichtsbez.  Strassburg -Hagenau;  i.  IV. 
81  Vorstand  d.  Forsteinrichtungsbureau; 
April  1886  Oberforstmeister  im  Bezirks- 
präsidium Colmar,  seit  i.  DC.  1890  im 
Bezirksprä£idium  Strassburg;  Mitgl.  d. 
Prüfungskommissionen  f.  d.  Jägerbataillon 
in  Elsass  -  Lothringen  u.  d.  Forstverwal- 
tungslaufbahn. —  L  Allg.  Forst-  u,  Jagd- 
Ztg.  1896,  278. 

*Veltheim,  Friedrich  v. ,  braunschweig. 
Oberjägermeister;  s.  Sp.  41*. 

Wondrak,  Franz,  k.  k.  Oberforstrath  u. 
Landcsforstinspektor  i,  P.,  *  zu  Multschin 
20.  I.  25;  t  ^'^  Linz  5.  V.  —  L  Oesterr. 
Forst-  und  Jagdztg.  1895,  207  (mit  P). 
1896,  181.  —  W  Massentransport  d.  Höl- 
zer in  Oesterr.- Ungarn.  Linz  1878.  —  AM. 


VUL    Berg-  und  Hüttenmänner. 


«'Balling,  Carl  Albert  Max,  k.  k.  Ober- 
bergrath,  Prof.  an  d.  Bergakademie  Pri- 
bram,  *  zu  Prag  14.  V.  35:  f  zu  Pribram 
21.  IV.:  s.  BJ  I,  411.  —  L  BJ  II,  2  *: 
Poggendorff  III,  66  (mit  W):  Leopoldina 
32,   103. 


Bornemann,  Joh.  Georg;  s,  Sp.  90*. 
Brockhoff,  Gustav,  Geh.  Bergrath ;  s.  Sp.  23*. 
Foullon  de  Noorbeeck,    Heinrich  Freih., 

Bergrath;  s.  Sp.  91*. 
Hahn ,     Karl,    Bergrath ;    s.  Sp.  40*. 
Ulrich ,  Theodor,  Geh.  Bergrath ;  s.  Sp.  39*. 


IX.    Gewerbtreibende  und  Industrielle. 


Bantlin,  Louis,  Kommerzienrath,  Württem- 
berg. Industrieller,  79  J.:  t  *8.  IX.  —  L 
Schwab.  Kronik   1896,   1909. 


Benger ,  Wilhelm,  Kommerzienrath, 
Theilhaber  d.  Textilfirma  W.  Benger 
Söhne    in   Stuttgart,    *    zu   Degerloch   b. 


1^ 


^ 


Todtenliste  1896:    IX.    Gewerb  treiben  de  und  Industrielle. 


^T 


Stuttgart  16.  V.  45;  f  zu  Stuttgart  13.  III. 
—  L  111.  Ztg.   106,  368.  —  PM. 

Beschorener,  Alexander  Markus,  Hofmetall- 
waaren Fabrikant  in  Wien,  nach  dessen 
Vorschlag  zur  Ausschmückung  d.  Innen- 
räuroe  d.  Wiener  Hofoperntheaters  Orna- 
mente aus  Metall  verwendet  wurden,  *  zu 
Leva  1821 ;  f  ^u  Wien  31.  X.  —  L  III. 
Ztg.   107,  547.  —  PM. 

Bonne ,'  Julius,  Chemiker,  Industrieller 
d.  Rheingaus,  Mitbegründer  d.  ehem.  Fa- 
brik vormals  Goldenberg,  Germont  &  Cie. 
zu  Winkel  im  Rheingau  u.  anderer 
Unternehmungen,  als  Musikfreund  eifriger 
Wagnerianer,  *  zu  Mannheim  30.  VII.  54: 
t  zu  Wiesbaden  26.  IX.  ~  L  111.  Ztg. 
107,  429;  Chem.  Industrie  15.  X.  1896; 
Frankfurter  Ztg.  (Abendbl.)  28.  X.  u. 
I.  X.  1896;  Wiesbadener  Tagbl.  (Abend- 
ausg.)  29.  IX,  96;  Rheingaucr  Bürger- 
freund 29.  IX.  1896.  —  W  Cat.  Soc.  9, 
290. 

Cerveny,  V.  F.,  Begründer  u.  Chef  d.  Blech- 
blasinstrumentenfabrik  Cerveny  u.  Söhne 
in  Königgrätz,  Erfmdcr  zahlreicher  neuer 
Blechinstrumente,  76  J.;  f   19.  I. 

Dietel,  Gustav,  Kommerzienrath,  Besitzer 
grosser  Kammgarnspinnereien,  Urheber 
vieler  Wohlfahrtseinrichtungen  für  seine 
Arbeiter,  ♦  zu  Greiz  1 9. 1. 47 ;  f  zu  Wilkau  i.  S. 
10.  III.  —  L  111.  Ztg.  106,  338.    —    PM. 

♦Faber,  Johann  Lothar  Freih.  v.,  Fidei- 
kommiss-  u.  Fabrikbesitzer,  Chef  d.  Firma 
A.  W.  Faber,  erbl.  Reichsrath  d.  Krone 
Bayern,  *  zu  Unterspitzgarten  b.  Stein  b. 
Nürnberg  12.  VI.  17;  f  zu  Stein  26.  VII.: 
s.  BJ  I,  423.  —  L  BJ  II,  10 ♦;  111.  Ztg. 
107,  125  (M.  Schüssler  mit  P):  Freiherrl. 
Taschenb.   1897,  223.   1204. 

Flügel ,  K  a  r  1 ,  Industrieller,  Stadtrath  a.  D. 
in  Sangerhausen,  *  zu  Tennstedt  28.  VI. 
40;  f  zu  Sangerhausen  8.  XII.  —  L  111. 
Ztg.   107,  799.  —  AM. 

Funcke,  WM  1  heim,  Besitzer  einer  be- 
deutenden Kleineisenzeugfabrik  zu  Hagen 
i.  W.,  Theilhaber  anderer  gewerbl.  Unter- 
nehmungen, volksthüml.  Persönlichkeit  im 
Kreise  d.  westphäl.  Industrie,  *  zu  Hagen 
i.  W.  14.  VII.  20:  f  daselbst  14.  XI.  — 
L  111.  Ztg.  107,  653.  —  AM. 

Gasser,  Johann,  Chef  d.  Gewehrfabrik 
Leopold  Gasser,  Nachfolger  seines  Bruders 
Leopold ,  Erfinder  des  österr.  Armee- 
revolvers, *  zu  Spital  in  Kärnthen  1846; 
t  zu  St.  Polten  16.  VII.  —  L  111.  Ztg. 
107,  100;  Centralbl.  f.  d.  ges.  Forstwesen 
1896,  422.  —  PM. 

Gnüchtel,  Rudolf  Heinrich,  Kommerzien- 
rath, Besitzer  d.  Dampfsäge-  u.  Hobel- 
wcrks  Bässler  &  Bomnitz  in  Leipzig  u. 
Borsdorf,  *  zu  Leipzig  20.  XII.  40;  f  da- 


selbst 8.  VL  —  L  111.  Ztg.  lOS,  726-  — 
PM. 

Groedel,  Z.,  Senior  d.  Holzfirma  Gebr. 
Groedel  in  Wien,  erschloss  vorher  un- 
fruchtbare Ländereien  u.  Waldkomplexe 
in  Ungarn  u.  Galizien,  *  zu  Friedberg  in 
Hessen:  f  zu  Wien  Anf.  Nov.  —  L  111. 
Ztg.  107,  584.  —  KA. 

Haase ,  Eduard,  Inhaber  d.  grössten 
Privat brauerei  Deutschlands;  -f-  zu  Breslau 

14.  in. 

Hantel ,  Hugo,  Fabrikbesitzer,  Theilhaber 
von  Haniel  &  Lueg  in  Düsseldorf  und 
Franz  Haniel  &  Co.  in  Ruhrort,  Mit- 
arbeiter an  zahlreichen  industriellen  Unter- 
nehmungen des  Rhedergeschäftcs  Haniel, 
41  J.:  t  zu  Düsseldorf  5.  IL  —  L  111. 
Ztg.  106,   193.  —  KA. 

Hecker,  Heinrich  Ferdinand,  Fabrikbesitzer, 
früher  langj.  Präsident  d.  Handelskammer 
in  Görlitz:  f  daselbst  17.  I.  —  L  IlL  Ztg. 
106,   136.  —  KA. 

Heckmann,  August,  Geh.  Kommerzien- 
rath, früher  Chef  d.  Firma  »C.  Heckmann, 
Kupfer-  u.  Messingwerke«  in  Berlin,  73  J. ; 

t  15.  V. 

*Honore ,  Mathias  Wilhelm,  Kaufmann 
u.  Fabrikant,  Dichter  u.  Uebersetzer,  *  zu 
Fredericia  im  sUdl.  Jütland  24.  III.  36: 
f  zu  Leipzig  29.  IL:  s.  BJ  I,  254.  — 
L  BJ  II,  20  *;  Hinrichsen  260.  —  W  KL 
^8961  555;   Hinrichsen  a.  a.  O. 

Huhn ,  Friedrich,  Schlossermeister,  Er- 
finder d.  Häckselschneidemaschine,  ^  zu 
Witzenhausen  a.  d.  Werra  9.  IV.  32;  f  da- 
selbst 7.  II.  —  L 111.  Ztg.  107,  621.  —  AM. 

Jahn,  Gustav  Albin,  Begründer  d.  Firma 
G.  A.  Jahn  zu  Plauen  i.  V.,  hervorragender 
Exporteur,  ♦ebenda  7.  III.  35;  f  daselbst 
21.  XIL  ~  »Von  1858-80  Mitinhaber  d. 
Firma  Carl  August  Jahn;  gründete  1880 
die  Firma  G.  A.  Jahn,  aus  welcher  er  in 
Folge  andauernder  Kränklichkeit  1890 
austrat ;  J.  hat  sich  durch  Schaffung  neuer 
Artikel  u.  Einführung  neuer  Ideen  in  d. 
Stickerei-  u.  Spitzenbranche  viele  Ver- 
dienste um  d.  Plauensche  Industrie  u.  erz- 
gebirg.  Arbeiterbevölkerung  erworben :  er 
war  mit  einer  der  ersten,  welche  die  jetzt 
weltbekannten  sächs.  Tüllspitzen  fabrizirte 
u.  auf  d.  Weltmarkt  brachte.  Sein  Haupt- 
verdienst liegt  aber  in  dem  steten  Hoch- 
halten der  Handspachtel-  u.  Handstickerei 
im  Vogtlande  u.  Erzgebirge,  wodurch  der 
dortigen  armen  Bevölkerung  hauptsächlich 
Verdienst  zugeführt  wurde.c  —  L  111.  Ztg. 
108,  II.  —  PM  des  jetzigen  Chefs  d. 
Firma,  Herrn  Franz  Jahn. 

Jobst,  Karl,  Kommerzienrath,  wUrttemb. 
Industrieller.  -  L  Schwab.  Kronik  1896, 
761. 


73 


tu 


Todtenliste -1896:    IX.  Gcwcrbtrcibendc   und  Industrielle. 


74 


9 


Korff ,    Arnold,    Kommerzienratfa,    einer 
d.    Chefs    d     Firma    D.  Peters  d:  Co.    in 
Neviges,  bahnbrechend  auf  d.  Gebiete  d. 
Wohlfahrtseinrichtungen,    *    zu    Elberfeld 
9.  III    44;  t  zu  Neviges  18.  I.  —  L  111. 
Ztg.   106,  136.  —  PM. 
Krug,    Oskar,  Generaldirektor  d.   Zeitzer 
Paraffin-  u.  Solarölfabrik,   verdient  um  d. 
Förderung   der  Braunkohlen -Industrie   in 
der    dortigen    Gegend,    *   zu   Danzig    12. 
VIII.  33;  t  zu  Halle  a.  S.  4.  X.  —  L  111. 
Ztg.   107,  460.  —   PM. 
Lang,  Karl,  Fabrikbesitzer  in  Blaubeuren, 
Direktor  d.»WUrttemberg.Leinenindustrie«, 
bedeutender    Grossindustrieller    Württem- 
bergs, *  zu  Reutlingen   17.  III.  21:    f  zu 
Blaubeuren  8.  II.  —   »L.  setzte  die  ersten 
Leinenkraftstuhle    in    Snddeutschland    in 
Gang;    er   war  Mitgl.   d.    Handelskammer 
Ulm,    Preisrichter    d.    Pariser  Ausstellung 
1867  u.  d.  Stuttgarter  Ausstellung   1881«. 
—  L  111.  Ztg.   106,  217.  —  PM. 
Mencke,  Eberhard  Göttlich,  Industrieller 
und  Grosskaufmann,  früher  Besitzer  eines 
bedeutenden    Zuckergeschäftes    in    Braun- 
schweig,   Magdeburg,    Hamburg   u.  Halle 
a.  d.  S  ,    Mitgl.   d.  Aufsichtsrathes    d.  II- 
seder  Hütte,    d.  Zuckerfabrik  Neuwerk  u. 
anderer  industrieller  Unternehmungen,  *  zu 
Rethern  a.  d.  Aller  3.  X.  31 :  f  zu  Hannover 
7.  V.    —    L  III.  Ztg.   106,  601.  —  AM. 
Moscnthin,  Franz,  Begründer  u.  Inhaber 
einer  Eisenbaufabrik    u.  Eisengiesserei   in 
Leipzig  -  Eutritzsch     (Spezialität     d.    Bau 
eiserner  Gewächshäuser),  56  J.:  f  daselbst 
22.  in.   -   L  111.  Ztg.   106,    368    —  KA. 
Münch,   Christoph  Alfred,    Fabrikant  in 
Gera,  hervorragender  Exporteur,  *  daselbst 
20.  XI.  37;    t  ebenda  18.  XII.  -   L  111. 
Ztg.   108,   1 1 ;    Leipz.  Neueste  Nachr.  30. 
I.   1897.   -   PM. 
Münch-Ferber,    Gustav,    früher  Chef  d. 
Textilfinna  Georg  Münch  <fe  Co.    in  Hof, 
Rittergutsbesitzer  auf  Blankenhayn,  74  J.: 
t  zu  Leipzig  23.  III.    -     L  111.  Ztg.  106, 
396.  —  KA. 
Oechelhäuser,    Adolf,    Kommerzienratb, 
Maschinenfabrikant,    hervorragender    Ver- 
treter   d.    Eisengewerbes    in    Siegen,    der 
älteste  Bruder  des  Geh.  Kommerzienrathes 
Wilhelm  Oe. ,    *    zu    Siegen    2.    IV.    19; 
f  daselbst  4.  VL  —  L  111.  Ztg.   106,  759; 
.Siegener  Ztg.   1896  Nr.   130.   —   PM. 
Reumuth,  Karl,  Direktor  d.  höh.  Weber- 
schule in  Glauchau   (Mustcranstalt) ,    *  zu 
Wernsdorf  b.  Glauchau   24.  IX.  35;    f  zu 
Glauchau  28.  V.    —   L  111.  Ztg.  106,  699; 
Glauchauer   Tagebl.   1892    Nr.  3.    —   PM. 
Rosthorn,    Gustav    Edler   v. ,    Kommer- 
zialrath  in  Wien  u.  Chef  d.  Aktiengesell- 
schaft d.   Metallfabrik   in  Oed,  1861—67 


Mitgl.  d.  Rcichsraths,  *  zu  Wien  30.  IV. 
1 5 ;  f  ebenda  2.  IV.  —  L  Fremdenbl.,  N. 
Fr.  Presse  u.  Wiener  Tagebl.  vom  3.  IV. 
1896.  —  PM. 
Scheidt,  Wilhelm,  Geh.  Kommerzien- 
ratb in  Kettwig  a.  d.  Ruhr,  Gross -Indu- 
strieller; f  daselbst  27.  III.  —  L  111.  Ztg, 
106,  437.  —  KA. 

*Schtchau,  Ferdinand,  Geh.  Kommer- 
zienratb, Begründer  d.  Maschinenfabrik 
u.  Schiffswerft  in  Elbing,  *  daselbst  30. 
I.  14;  t  ebenda  23.  I.:  s.  BJ  I,  364.  — 
L  BJ  II,  38  ♦:  111.  Ztg.  106,  171  (O. 
Meyer-Elbing,  mit  P). 
♦Schnorr,  Fedor,  Kommerzienratb,  Mit- 
inhaber d  Firma  Schnorr  &  Steinhäuser 
zu  Plauen  i.  V.,  78  J,:  f  daselbst  20.  I.: 
s.  BJ   I,  415.   -  L  BJ  II,  39  •.  -  KA. 

Sickel,  Richard,  Dr.  phil.,  erster  Vor- 
sitzender des  braunschweig  -  hannover. 
Zweigvereins  für  Rübenzuckerfabrikation, 
lange  Jahre  Direktor  d.  grössten  Zucker- 
fabrik Prcussens  in  Nörten  (Hannover), 
Autorität  auf  d.  Geb.  d.  Zuckerindustrie, 
*  zu  Leipzig  12.  IX.  40;  f  zu  Thusis  in 
d.  Schweiz  17.  VIII.  —  Erhielt  Privat- 
unterricht in  seiner  Vaterstadt,  besuchte 
alsdann  d.  Kreuzschule  in  Dresden;  1859 
bis  63  Stud.  V.  Chemie  u.  Naturwissensch. 
in  Leipzig,  Heidelberg  u.  Göttingen:  1864 
an  letzterer  Univ.  Promotion;  iseitdem  d. 
Zuckerfabrikation  sich  widmend;  seit  1880 
Mitgl.  d.  Vereinsausschusses,  seit  1886 
Mitgl.  d.  Direktoriums  d.  Vereins  f.  d. 
Rübenzucker  -  Industrie  d.  D.  R.;  1887 
Kurator  d.  Vereinslaboratoriums.  —  L  111. 
Ztg.  107,  245.  —  PM. 

Starke,  Kurt  Moritz,  Kommerzienratb  u. 
Fabrikbesitzer  zu  Frankenau  b.  Mittweida, 
hervorragend  am  öffentl.  Leben  betheiligt, 
auch  Sachs.  Landtagsabg.,  *  zu  Bautzen 
12  XI.  -^5;  f  zu  Frankenau  11.  I.  —  L 
111.  Ztg.  ^o6,  72.   -  PM. 

♦Steinway,  William  (Wilhelm  Steinweg), 
Pianofortefabrikant,  *  zu  Seesen  in  Braun- 
schweig 5.  III.  35;  f  zu  New -York  30. 
XI  :  s.  BJ  I,  407.  —  L  BJ  II,  41  ♦;  111. 
Ztg    108,  21  (mit  P). 

Stölzle ,  Ernst,  Glasfabrikant,  verdient 
um  d.  Hebung  d.  österreichischen  Glas- 
industrie: f  zu  Wien  2  III.  -  L  111.  Ztg. 
106.   307. 

Teichmann ,  Moritz,  Kommerzienratb, 
Begründer  d.  grossen  Teichmann'schen 
Wollwaarenfabrik  zu  Leobschütz,  •  zu 
Gieraltowitz  im  Kr.  Gleiwitz  15.  IX.  15; 
t  zu  Leobschütz  17.  XII.  —  L  111.  Zt. 
108,   II.  —  PM. 

Tenge,  Karl  Friedrich,  Grossindustrieller 
u.  Herrschaftsbesitzer,  Vorsitzender  d. 
Vereins    deutscher    Eisengiessereicn   u.  d. 


y  c*      Todtenliste  1896:  TX.  Ge werbtreibende  u.  Industrielle.   X.  Architekt,  u.  Ingen.        y6* 


eigentl,  Begründer  desselben,  *  zu  Bark- 
hausen b.  Ocslinghausen  (I^ippc)  12.  III. 
24;  f  zu  Detmold  11.  I.  —  »Erzogen  im 
elterl.  Hause  zu  Barkhauson,  bezog  er  nach 
frühzeitiger  Absolvierung  d.  Gymn.  zu 
Bielefeld  d.  Univ.  Heidelberg  u.  später 
Berlin  zum  Stud.  d.  Rechte,  wurde  Refe- 
rendar am  Kammergericht,  trat  aber  schon 
bald  aus  d.  Staatsdienst  aus,  um  seinem 
Vater    in    dessen    ausgedehnter    Gutsver- 


waltung u.  in  d.  Leitung  verschiedener 
industrieller  Etablissements  zur  Seite  zu 
stehen.  Nach  dessen  Tode  übernahm  er 
1866  die  Herrschaft  Rietberg  i.  W.  mit 
d.  Besitzung  Halte  i.  W.  u.  trat  in  d. 
Firma  Halter  Eisenhütte  zu  Schloss  Halte 
ein.  Er  war  Mitgl.  d.  Kreistages  u.  Kreis- 
ausschusses d.  Kreises  WiedenbrUck  u. 
Inhaber  zahlreicher  Ehrenämter.«  —  L  111. 
Ztg.   106,  136.  —  PM. 


X.     Architekten  und  Ingenieure. 


Boguslawski,  L  a  d  i  s  1  a  u  s  v.,  Erbauer  d. 
Wiener  Rathhausvicrtcls;  f  zu  Salzburg  3.V. 

Boeswillwald,  Emil,  Gcneralinspektor  d. 
histor.  Baudenkmäler  Frankreichs,  *  zu 
Strassburg  i.  E.  1815;  f  zu  Paris  20.  III. — 
L  Deutsche  Bauztg.  30,  204.  630;  Ztschr. 
f.  d.  Gesch.  d.  Oberrh.  52,  326  (Centralbl. 
d.  Bau  Verwaltung  16,  188  (Bohnstedt)  ; 
Revue  de  l'art  ehret.  4.  scr.  7,  249;  Journal 
de  la  soc.  d'  archcol.  lorraine  45,  70 
(Guyot);  Almanache  d*  Alsace  et  de  Lor- 
raine 1897  mit?  (Ch.[arles]  V.[uillaume])), 

Böthke,  Emil,  Geh.  Baurath,  »zu  Brom- 
berg 21.  VL  28;  t  *u  Berlin  4.  XL  — 
1862  Baumeisterprüfung;  nach  9 jähr.  Be- 
schäftigung b.  verschied.  Behörden  Kreis- 
baumeister in  Weissenf  eis;  1873  —  77  l^i- 
rcktor  d.  Thiergartenbauver.;  seit  1877  »" 
d.  Garnisonsverwaltung  als  Intendantur- 
und  Baurath.  —  L  und  W  Deutsche 
Bauztg.  30,  572.  —   AM. 

Brand],  Franz  Ritter  v.,  k.  bayer.  Ober- 
bauratb,  Miterbauer  d.  Königsschlösser 
Ludwigs  IL;  f  zu  Reichenhall  14.  IV.  — 
111.  Ztg.  ,106,  503. 

Brix ,  Adolf,  Geh  Admiralitätsrath  a.  D., 
SchilTsbautechnikcr:  s.  Sp.  61*. 

Busse ,  August,  Geh.  Oberreg.-Rath  u. 
Vortrag.  Rath  im  Reichsamt  des  Innern, 
oberster 'Baubeamter  d.  deutschen  Reichs- 
regierung, *  zu  Berlin  27.  I.  39;  f  da- 
selbst 9.  I.  —  Vierter  Sohn  d.  späteren 
Direktors  d.  Berliner  Bauakademie  Geh. 
Oberbaurath  Busse:  1867  Baumeisterprüf- 
ung; einige  Jahre  bei  d.  Garnisonbau- 
inspektion d.  Militärverwaltung  (Antheil 
am  Bau  d.  Hauptkadettenanstalt  IJchter- 
feldc);  1879  im  Reichskanzleramt  zunächst 
Reg.-Rath,  seit  1884  auch  vortr.  Rath, 
seit  1889  Geh.  Oberreg.-Rath;  erbaute  d. 
Dienstgebäude  des  Reichspatentamts,  des 
Reichsversicherungsamts,  d.  Gesundheits- 
amts, d.  Physikal.  -Techn.  Reichsanstalt. 
—  L  u.  W   Deutsche  Bauztg.  30,  30.  43. 

'^Busse,  Karl,  Geh.  Oberreg.-Rath.  früher 
Direktor  d.  Reichsdruckerei;  s.  Sp.   17-'. 


^Clausz ,  Wilhelm.  Eisenbahndirektor, 
Leiter  d.  braunschweig.  Landeseisenbahnen, 

*  zu  Thune  in  Braunschweig  i.  VIII.  30 ; 
f  zu  Braunschweig  26  III.:  s.  BJ  I,  401. 
—  L  BJ  II,  7  •*:  111.  Ztg.   106,  396. 

Cuno,  Hermann,  Geh.  Reg.-Rath,  Mit- 
glied d.  Regicrungskollegiums  zu  Koblenz, 

*  zu  Naugard  in  Pommern  16.  I.  31 : 
t  zu  Pfaftendorf  b.  Koblenz  24.  VII.  — 
Stud.  1849  an  d.  Bauakademie  in  Berlin; 
1853  Bauführer;  1860  Baumeister;  1870 
Kreisbaumeister  in  Ahrweiler  b.  Koblenz; 
1877  an  d.  Universitätsbauten  in  Marburg 
beschäftigt;  1879  —  90  Reg.-  u.  Baurath  bei 
d.  Landdrostei  Hildesheim:  1890  bei  der 
Regierung  in  Koblenz,  seit  1891  als  Geh. 
Baurath:  verdient  um  Erhaltung  u.  Pflege 
d.  alten  Kunstdenkmäler,  bes.  in  Marburg 
u.  Koblenz.  —  L  u.  W  Deutsche  Bauztg. 
30,  400. 

Gerstenberg,  Adolf,  Stadtbaurath  in 
Berlin,  *  zu  Neustadt-Magdeburg  3.  I.  26; 
f  zu  Berlin  22.  I.  —  L  u.  W  Deutsche 
Bauztg.  29,  635.  30,  51.  —  AM. 

Gladbach ,  Ernst,  Prof.  f.  Architektur  am 
Eidgenöss.  Polytechn.   u.  Kunsthistoriker, 

*  zu  Darrostadt  30.  X.  12:  f  zu  Zürich 
26.  XII.  —  Lehrling  u.  letzter  Schüler 
G.  Mollers  in  Darmstadt;  Besuch  d.  Univ. 
Giessen  u.  Heidelberg;  Staatsprüfung  als 
Baubeamter:  Accessist  in  Nidda:  2 jähr. 
Reisen,  bes.  in  Norddeutschland:  1838 
Kreisbaumeister;  1839  —  57  im  hess.  Staats- 
dienst; 1857  Prof.  f.  Baukonstruktions- 
wesen an  d.  neubegrUndeten  Eidgenöss. 
Polytechn.  in  Zürich;  berühmt  als  Holz- 
architekt. —  L  BJ  11,  14  *:  Schweiz. 
Bauztg.  1897  Nr.  3  (G.  Lasius);  Leo- 
poldina 33,  49.  —  W  Deutsche  Bauztg. 
30,40;  Schweiz.  Bauztg  a.  a.  O. :  Kukula 
263. 

•Gossweyler,  Theodor,  bad.  Baudirektor, 
Vorstand  d.  techn.  Abth.  im  General- 
direktorium d.  bad.  Staatsbahnen,  *  zu 
Karlsruhe  1842;  f  daselbst  4.  XII.:  5.  BJ 
I,  366.  -  L  BJ  II,   15*. 


77 


* 


Todtenliste  1896:    X.   Architekten  und  Ingenieure. 


78* 


Gratze,  Bruder  Pasclialis,  Baumeister  d. 
Franziskaner;  s.  Abth.  XIX. 

Gurlt,  Hermann,  Geb.  Admiralitätsrath, 
Marineingenieur:  s.  Sp.  63*. 

Hardy,  John,  früher  Oberinspektor  a.  d. 
österr.  SUdbahn,  Erfinder  d.  Vacuum- 
bremse,  *  181 9  zu  Newcastle  in  England; 
t  zu  Grinzing  b.  Wien  23.  VI.  —  L 
Deutsche  Bauztg.  30.  339. 

Harkort,  Johann  Kaspar,  durch  d.  Einführ- 
ung d.  Brückenbaus  in  Eisenkonstruktion 
in  Deutschland  u.  im  Ausland  bekannt, 
Neffe  von  Friedrich  Harkort,  ♦  auf  Gut 
Harkorten  21.  I,  17;  f  daselbst  13.  X. 
—  L  Stahl  u.  Eisen  1896  (mit  P).  — 
PM. 

Hauser,  Alois,  k.  k.  Baurath  u.  Prof. 
an  d.  Kunstgewerbeschule  in  Wien,  *  da- 
selbst 1841;  f  zu  Baden  b.  Wien  6  X.  — 
Stud.  zu  Wien:  1873  ^^^  ^^77  archäolog. 
Forschungsreisen  nach  Athen  u.  Samo- 
thrake:  Dombaumeister  in  Spalato:  Mit- 
glied d  Zentralkommission  f.  Erforschung 
u.  Erhaltung  d.  Kunst-  u.  histor.  Denk- 
mäler. Konservator  f.  Wien  u.  Nieder- 
österreich: leitete  d.  Ausgrabungsarbeiten 
zu  Carnuntum:  Hauptwerke:  Erneuerung 
des  Domes  in  SpaJato  mit  Campanile, 
Venezianer  Loggien  in  Trau,  Campanile 
von  San  Marco  in  Lesina,  Umbau  der 
Schottenkirche  in  Wien  u.  a.:  Verf.  einer 
Architekton.  Stillehre.  —  L  u.  W  Deutsche 
Bauztg.  30,  524. 

Hochgesandt,  Peter,  Baurath,  Eisenbahn- 
ingenieur, üb.  25  Jahre  im  hess.  Staats- 
dienst ,  Erbauer  d.  Viadukts  d.  Main- 
Weserbahn  bei  Friedberg,  *  zu  Mainz 
1818;  t  daselbst  11.  VIII.  —  L  111  Ztg. 
107,  214.  —  KA. 

Hoflünann,  E.  H.,  preuss.  Kreisbaumeister 
a.    D. ,    Verfechter    d.    Steinkonstruktion, 

*  zu  Groningen  am  Harz  5.  IIL  22:  f  zu 
Berlin  26.  XIL  —  Nach  dem  Schul- 
besuch zunächst  Feldmesser:  Kreisbau- 
meistcr  in  Neustadt  W.-Pr.:  1853  ver- 
abschiedet da  er  gegen  die  Anweisungen 
d.  vorgesetzten  Behörde  an  schadhaften 
Brücken  hölzernen  Oberbau,  wenn  schon 
mit  geringeren  Kosten,  durch  Steinkon- 
struktionen ersetzte;  seitdem  Privatarchi- 
tekt :  Verfasser  mehrerer  einschlägiger 
Schriften.  —  L  Deutsche  Bauztg.  31,  106 
(Hacker:  W  S.   108). 

Hofmann ,  Julius,  bayer.  Über-Hofbau- 
rath,  Miterbauer  d.  Königsschlösser  Herren- 
chicmsee,  Linderhof  und  Neuschwanstein, 

*  zu  Triest  8.  XII.  40;  f  zu  München  5. 
VIII.  —  Stud.  am  Wiener  Polytechn.; 
stand  später  d.  Geschäfte  d.  Vaters,  d. 
Bildhauers  Franz  H.  in  Triest,  vor  (Aus- 
stattung d.  Schlosses  Miramar  am  Meeres- 


ufer V.  Triest  im  Auftr.  d.  Erzherzogs 
Maximilian  v.  Oestcrieich):  seit  1864  Hof- 
architekt d.  Kaisers  v.  Mexiko  (Bau  der 
Schlösser  Chapultepec  u.  Guernawacka): 
nach  d.  Katastrophe  1867  in  München 
architekton.  Leiter  d.  Zettler'schen  Hof- 
glasmalerei; 1884  Nachfolger  d.  Hofober- 
baudirektors V.  Dollmann  u.  Bauleiter  d. 
Schlösser  König  Ludwigs  IL  —  111.  Ztg. 
107,  188.  257  (M.  Koch  V.  Berneck): 
Deutsche  Bauztg.  30,  412.  654  (H.).  — 
P  111.  Ztg.  107,  258. 

Hüllen,  Adolf  van,  kaiscrl.  Marine-Ober- 
baurath,  Schiffsbaudirektor  in  Danzig:  s. 
Sp.  63*. 

"^Humann,  Karl,  Geh.  Reg.-Rath,  Direktor 
an  d.  königl.  Museen  zu  Berlin  mit  dem 
Wohnsitz  in  Smyma ,  Architekt  und 
Archäolog,  Leiter  der  Ausgrabungen  in 
Pergamon  u.  Magnesia,  *  zu  Stcelc  (Rhein- 
prov.)  4.  L  39:  +  zu  Smyrna  12.  IV.:  s. 
BJ  I,  369.  —  L  BJ  IL  20  ♦:  111.  Ztg. 
106,  498;  N.  Hcidelb.  Jahrb.  7,  121  (F. 
Duhn):  Deutsche  Bauztg.  30,  204.  210 
(R.  Bohn);  Geogr.  Jahrb.  20,  471.;  Jahrb. 
d.  preuss.  Kunstsammlungen  17,  157  (R. 
Schöne.  —  P  111.  Ztg.   106,  497. 

Kirschner,  Ferdinand  Ritter  v.,  k.  k. 
Reg.-Rath  in  Wien,  bis  18.  I.  96  Burg- 
hauptmann, Mitgl.  d.  Wiener  Akad.  d. 
Künste,  *  zu  Wien  1821 ;  f  daselbst  3. 
III.  —  Stud.  auf  d.  Akad.  d.  bild.  Künste 
seiner  Vaterstadt:  Hauptwerke:  Ausbau 
d.  Hofburg  gegen  d.  Michaelerplatz,  Um- 
gestaltung d.  grossen  Redoutensaalcs  in 
derselben.  —  L  111.  Ztg.  106,  307;  Deut- 
sche Bauztg.  30,  135. 

Knyrtm,  Friedrich,  preuss.  Geh.  Hof  bau- 
rath, mit  d.  Oberaufsicht  u.  Bauleitung 
auf  Wilhelmshöhe  b.  Kassel  betraut;  f  zu 
Wehlheiden  14.  IV.-  L 111.  Ztg.  106,  503. 

Liesegang,  Paul  Eduard,  Dr.  phil.,  ver- 
dient um  die  prakt.  u.  wissenschaftl.  Aus- 
bildung d.  Photographie,  *  1837;  j-  zu 
Düsseldorf  6.  IX.  —  L  u.  W  Leopoldina 

32,  147- 
Lilienthal,    Otto,     Ingenieur    in    Gross- 

Lichterfelde,  Erfinder  eines  Flugapparats, 
*  zu  Anclam  23.  V.  48;  f  in  d.  Nähe  v. 
Rhinow  infolge  Absturzes  mit  seinem 
Apparat  10.  VIII.  —  Besuch  d.  Gewerbe- 
akademie in  Berlin;  Techniker  in  der 
Schwartzkopff'schen  und  Hoppc'schen 
Maschinenfabrik  daselbst:  auch  im  Aus- 
land thätig:  Anfang  d.  80er  Jahre  selbst- 
ständig in  Gross-Lichterfelde:  Erfinder  d. 
Anker -Baukasten,  Schlangenrohr- Kessel, 
schmiedeeiserner  Patent -Riemenscheiben, 
v.  Accordsirenen  etc.  —  L  111.  Ztg.  107, 
257  (mit  P  S.  258}:  Deutsche  Bauztg. 
30,   419;   Leopoldina   32,    138;   Ztschr.  f. 


79' 


Todtenliste  1896:    X.   Architekten  und  Ingenieure. 


80* 


Luftschi  ff  fahrt  15,  161.  289  (K.  Müllen- 
hoff);  Seances  de  la  soc.  franc.  de  phys. 
1896,  271  (Lauriol). 
'Lorenz,  Otto  Ferdinand,  Oberbaudirektor 
u.  vortr.  Rath  im  Ministerium  d.  öffentl. 
Arbeiten,  d.  oberste  Baubcamte  d.  preuss. 
Bauverwaltung,  *  zu  Königsberg  in  Pr. 
17.  IV.  38:  f  zu  Berlin  15.  L:  s.  BJ  I, 
217.  —  L  BJ  II,  25  ♦;  Deutsche  Bau/.tg. 

30.  43- 
Marti,  Reg.-Rath  in  Bern,  ehemal.  Direktor 

d,  Jura  -  Bern  -  Luzern  -  Bahn    u.    d.  Jura- 

Simplon  -  Bahn ;    f  zu   Bern    5.  XI.  —  L 

111.  Ztg.   107,  621. 

Minister,  Joseph,  Ingenieur,  von  Hansen 
beim  Bau  d.  Wiener  Parlamentsgebäudes 
beschäftigt,  eine  Zeit  lang  Gebäude- 
Inspektor  d.  Parlaments,  51  J.;  f  zu 
Wien  15.  VL  —  L  111.  Ztg.  106,  791.  — 
KA. 

Morlok,  Georg  v. ,  Württemberg,  Bau- 
direktor a.  D.,  Erbauer  zahlreicher  Eisen- 
bahnlinien in  Württemberg  (auch  d.  Stutt- 
garter Bahnhofs),  •  20.  I.  15;  f  '•"  Stutt- 
gart 17.  IV.  —  L  111.  Ztg.  106,  530; 
Schwab.  Kronik  1896,  796;  Deutsche  Bau- 
Ztg.  30,  215  (mit  W). 

Opel,  Reg.-Baurath  a.  D.  in  Berlin,  früher 
bei  d.  Regierung  in  Stettin,  Mitgl.  des 
grossen  Ausschusses  d.  Zcntralver.  zur 
liebung  d.  Binnenschifffahrt;  f  25.  V. 

*Oer,  Alexander  (auch  Alexis)  Ernst 
Theodor  Freih.  v.,  k.  sächs.  Geh.  Hofrath 
u.  ordentl.  Prof.  f.  Strassen-  u.  Eisen- 
bahnbau an  der  Techn.  Hochschule  in 
Dresden,  derzeitiger  Rektor  dieser  Anstalt, 
früher  Eisenbahnbetriebs  -  Direktor,  *  zu 
Dresden  26.  VIII.  41;  f  daselbst  20.  IV.: 
s.  BJ  I,  366.  —  L  BJ  II,  33  ♦;  Frei- 
herrl.  Taschenb.  1896,  672.  1897,  121 3; 
Deutsche  Bauztg.  30,  216:  Leopoldina  32, 
102.  —  W  Kukula  669. 

Rohns ,  Paul,  vormals  grossherzogl.-hess. 
Baurath,  Bautechniker,  •  zu  Göttingen 
1850:  f  daselbst  An  f.  Jan.  —  Als  preuss. 
Reg.-Baumeister  an  d.  Weserregulierungen 
zwischen  Münden  und  Karlshafen  be- 
schäftigt; Anf.  d.  80er  Jahre  nach  Serl)ien 
berufen  (Bau  d.  grossen  Savebrücke  bei 
Belgrad;  dann  Wasserbauinspektor  in  Ruhr- 
ort; 1887  als  Wasserbautechniker  von  d. 
preuss.  Regierung  nach  New -York  zur 
Feststellung  d.  Kanallinien  d.  Nicaragua- 
Kanal-Gesellschaft  gesendet;  darauf  nach 
Darmstadt  zur  Leitung  d.  hess.  Wasser- 
bauwesens als  Oberbaurath  berufen:  wäh- 
rend d.  letzten  Jahre  Leiter  d.  gesammten 
öffentl.  Bauwesens  in  Siam;  1895  in  Folge 
unheilbarer  Erkrankung  Rückkehr  nach 
Götiingen.  —  L  Deutsche  Bauztg.  30,  30: 
111.  Ztg.   106,   136. 


Roeper,  Carl  Heinrich  Oskar,  Ingenieur 
(Quai-  u.  Brückenbauten),  Bauinspektor 
b.  der  Hamburger  Staatsbauvcrwaltung, 
•  zu  Hamburg  5.  XI.  44;  f  daselbst  28. 
Vn.  -  Slud.  1862  —  64  in  Karlsruhe, 
1864—65  in  Hannover:  seit  Herbst  1865 
im  Bureau  d.  Ingenieurs  Westphalen  zu 
Hamburg:  1867 — 68  b.  d.  Neu  Vermessung 
d.  Stadt.  Gebiets  in  Lübeck;  x868  im 
Dienst  d.  Köln  -  Mindener  Eisenbahn  mit 
d.  Sitze  in  Hamburg,  1871  mit  d.  Sitze 
in  Wesel:  dann  bis  1874  bei  d.  Gotthard- 
bahn;  seit  15.  IX.  1874  im  Dienste  der 
Stadt  Hamburg.  —  L  u.  W  Deutsche  Bau- 
ztg- 30,  539  (J.  Classen), 

Rothbart,  Georg,  Geh.  Hofrath,  Vorstand 
d.  Sammlungen  auf  d.  Veste  Coburg,  seit 
1839  zuerst  mit  Görgel,  seit  1846  selb- 
ständig Restaurator  der  Veste,  Erbauer 
mehrerer  anderer  Schlösser  u.  Privatbauten 
in  Stadt  u,  Land  Koburg,  •  zu  Roth  b. 
Nürnberg  1816;  f  zu  Koburg  3.  IX.  — 
L  111.  Ztg.   107,  337. 

*Rühlmann,  Christian  Moritz,  Geh.  Reg.- 
Rath  u.  Prof.  f.  techn.  Mechanik  und 
theoret.  Maschinenlehre  an  d.  Techn.  Hoch- 
schule in  Hannover,  *  zu  Dresden  15  II. 
11;  f  zu  Hannover  17.  I.:  s.  BJ  I,  360. 
—  L  BJ  II,    37  *:    Poggendorff  11,    713. 

III,  1152;  Leopoldina  32,  150.   182.  —  W 
Kukula  776;  Poggendorff  a.  a.  O. 

Rüppell,  Emil,  Geh.  Reg.-Rath  u.  Ober- 
baurath z.  D.,  Eisenbahn  -  Ingenieur,  *  zu 
Berlin  27.  VII.  27:  f  zu  Köln  10.  X.  — 
GjTnn.  -  Besuch  bis  Untersekunda:  3 jähr. 
Lehrzeit  im  Zimmerhandwerk;  3 '/jf  Jahre 
Palicr  bei  Bauten  der  Berlin  -  Hamburger 
Bahn  in  Spandau;  Mich.  1849  auf  Grund 
nachgewiesener  Reife  f.  Prima  Eintritt  in 
d.  Bauakademie:  1852  Bauführer;  1856 
Baumeister:  in  Kreuznach  b.  Bau  d.  Rhein- 
Nahebahn  thätig:  1864  im  techn.  Bureau 
d.  Rhein.  Eisenbahngesellschaft,  seit  1868 
dessen  Direktor:  bei  d.  Verstaatlichung 
Dircktionsmitgl. :  1891  Dirigent  d.  Abth. 
f.  Bau-  u.  Werkstätten  Verwaltung:    seit   i. 

IV.  95  im  Ruhestand.  —  L  111.  Ztg.  107, 
489:  Deutsche  Bauztg.  30,  533  (B.  — ).  — 

Scala,  Theodor  v.,  Betriebsdirektor  d. 
k.  k.  Staatsbahnen  in  Villach,  hervor- 
ragender Eisenbahnfachmann,  49  J.:  f  zu 
Villach  23.  IV.  —  L  111.  Ztg.  106,  530.  — 
KA. 

•Schieifer,  Ferdinand,  kaiserl.  deutsch. 
Reg.-Rath,  Mitgl.  d.  Generaldircktion  d. 
Eisenbahnen  im  Reichsland,  •  zu  Blumen- 
thal (Reg.-Bez.  Aachen)  18.  U.  38:  f  zu 
Wien  IG.  XII.:  s.  BJ  I,  365.  —  L  BJ  II, 
38  *:  Militär -Wochenbl.   1896,  2847. 

*Spieker,  Paul  Emanuel,  Oberbaudirektor 
a.  D.,  Architekt,  *  zu  Trarbach  a.  d.  Mosel 


8i* 


Todtenliste  1896:    X.  Architekten  und  Ingenieure.     XI.  Kaufleute. 


82* 


2.  X.  26:  •(■  ru  Wiesbaden  28.  XI.:  s.  BJ 
I,  212.  —  L  BJ  II,  40  *;  111.  Ztg.  107, 
734;  Deutsche  Bauztg.  30,  619.  —  AM. 
*Stölze],  Carl,  Prof.  f.  ehem.  Techno- 
logie u.  Metallurgie  an  d.  Techn.  Hoch- 
schule in  München,  *  zu  Gotha  17.  II. 
26;    f  zu  Karlsruhe   3.  (nicht  4.)  II.:    s. 

BJ  I,  415.  -  L  BJ  n,  41  •:  in.  Ztg. 
106,  191;  Lcof)oIdina  32,  22.  58:  Bericht 
üb.  d.  k.  Techn.  Hochschule  zw  München 
f.  1895  96  (H.  Kiliani,  mit  W).  —  W  Ku- 
kula  903;  Cat.  Roy.  Soc.  5,  842. 
Tiller  v.  Turnfurt,  Karl  Freih.,  k.  u.  k. 


Feldzeugmeister  a.  D.,  Genieoffizier,  nach 
seiner  Rückkehr  Präsident  d.  österr.Waffen- 
fabrik;  s.  Sp.  61*. 

Weidtmann ,  Julius,  General  -  Direktor 
a.  D.,  Erbauer  d.  Rheinbrücke  in  Köln, 
langj.  Leiter  d.  Hauptwerkstätte  d.  Köln- 
Mindener  Eisenbahngesellschaft,  *  zu  Neu- 
wied 24.  II.  21:  f  zu  Dortmund  24.  XI. 
—  L  111.  Ztg.  107,  699.  —  AM. 

Werner,  Anton,  k.  u.  k.  Feldmarschall- 
Lieut.  i.  R.,  Genieoffizier,  Leiter  der  Vor- 
arbeiten f.  den  Bau  d.  Wiener  Weltaus- 
stellung; s.  Sp.  62*. 


XI.     Kaufleute. 


Andersch,  Paul,  Kommerzicnrath,  Inhaber 
der  bedeutendsten  VV>ingrosshandlung  d. 
Prov.  Posen;  f  zu  Posen  24.  II.  —  L  111. 
Ztg.   106,  277. 

Annecke,  Alfred  Georg  Walter,  seit  i.  X. 
77  Generalsekretär  d.  deutschen  Handels- 
tagcs,  früher  deutscher  Konsul  in  Shang- 
hai *  zu  Konitz  in  W'cstpr.  4.  IX.  35;  f 
zu  Berlin  20.  VIII.  —  »Sohn  d.  Super- 
intendenten Moritz  A.,  besuchte  d.  Konitzer 
Gymn.  bis  Sekunda  u.  kam  1851  zwecks 
Vollendung  d.  Schulbildung  nach  Schul- 
pforta.  Er  studirte  in  Berlin  u.  Königs- 
berg u.  wurde  1863  zum  Gerichtsassessor 
ernannt,  arbeitete  darauf  2  Jahre  bei  der 
k.  Staatsanwaltschaft  d.  Stadtgerichts  zu 
Berlin,  trat  1865  in  d.  Dienst  d.  k.  Ministe- 
riums d.  Auswärt.  Angelegenh.  über  u. 
bekleidete  bis  z.  Herbst  1868  d.  Amt  eines 
Kanzlers  (Vize-Konsuls)  in  Bukarest.  Im 
Jahre  1869  wurde  er  zum  Konsul  in  Shang- 
h  i  ernannt  u.  ging  1871  z.  Vertretung 
d.  Gesandten  als  Geschäftsträger  nach 
Peking.  Nach  Ablauf  eines  im  Vaterlande 
verbrachten  Urlaubes  kehrte  er  1874  auf 
seinen  Posten  in  Shanghai  zurück,  sah 
sich  aber  1875  wegen  angegriffener  Ge- 
sundheitvcranlasst,  abermals  nach  Deutsch- 
land zurückzukehren.  Er  beabsichtigte  in 
d.  Justizdienst  zurückzutreten,  war  auch 
bereits  als  Rechtsanwalt  u.  Notar  in  Brom- 
berg ernannt,  als  (1877)  seine  W^ahl  z. 
Generalsekretär  d.  Deutschen  Handelstages 
erfolgte  u.  ihn  veranlasste,  dieses  Amt  zu 
übernehmen,  in  welchem  er  dann  bis  zu 
seinem  Tode  thätig  war.  Unter  seinen 
Werken  ist  hervorzuheben:  Das  deutsche 
Wirthschaftsjahr  nach  d.  Jahresberichten 
d.  deutschen  Handelskammern,  Jg.  1880,  81, 
82,  83,  84—88.«  —  L  111.  Ztg.  107,  245: 
Handel  u.  Gewerbe  1896,  445;  Ecce  d. 
Landesschulc  Pforta  1896,  24.  —  PM  des 
Herrn  Dr.  Soctbeer. 


Dietrich,  Gustav,  Geh.  Kommerzienratb, 
Seniorchef  d.  Speditionsfirma  G,  Dietrich 
&  Sohn  in  Berlin,  fast  25  J.  lang  erster 
Vizepräsident  d.  Aeltestcnkollegiums  der 
Berliner  Kaufmannschaft,  83  J.;  +  zu 
Zehlendorf  25.  IV.  —  L  111.  Ztg.  106, 
530.  —  KA. 

Dietze,  K  a  r  1 ,  Direktor  d.  Dampfschiff- 
fabrtsgesellschaft  f.  d.  Nieder-  u.  Mittel- 
rhein, seit  43  Jahren  im  Dienste  dieser 
Gesellschaft  thätig,  *  zu  Düsseldorf  13.  VI. 
24:  t  daselbst  4.  III.  —  L  111.  Ztg.  106, 
338.  -  PM. 

♦Frey,  Karl  v.,  Kaufmann  und  Kunst- 
sammler, *  zu  Salzburg  2.  VI.  26:  f  zu 
Berlin  24.  VIL:  s.  BJ  I,  358.  -  L  BJ  II, 
12  *. 

Gasse,  Johann  Moritz,  Schiffseigenthümer 
u.  Grosshändler  in  Dresden,  seit  50  Jahren 
eifriger  Förderer  d.  deutschen  Eibschiff- 
fahrt, *  zu  Dresden  15.  V.  16:  t  daselbst 
5.  X.  —  L  111.  Ztg.   107,  640.   -  AM. 

Gerson,  Julius,  Kommerzienrath  in  Berlin, 
d.  letzte  d.  drei  früheren  Inhaber  d.  Firma 
Hermann  Gerson,  74  J.:  t  *"  Berlin  12.  I. 

Heese,  Gustav  Adolf,  Kommerzienrath,  Chef 
der  Seiden-  und  Modewaarenfirma  J.  A. 
Heese  in  Berlin:  f  daselbst  31.  X.  (oder 
2.  XL?)  —  L  111.  Ztg.   107,  547.  —  KA. 

Hirsch  auf  Gereuth,  Moritz  Freih., 
belg.  Generalkonsul  a.^  D.,  Finanzmann, 
Besitzer  eines  ungeheuren  Vermögens 
(i5CK>  Mill.  Franken),  Erbauer  d.  türk. 
Eisenbahnen,  Wohlthäter  grossen  Stils, 
•  zu  München  9.  XII.  31:  f  auf  seiner 
Besitzung  zu  O  -  Gyalla  b.  Komorn  in 
Ungarn  21.  IV.  —  Sohn  d.  baycr.  Hof- 
bankiers Joseph  V.  Hirsch  auf  Gereuth ; 
1869  von  König  Ludwig  IL  in  d.  Frei- 
herrnstand erhoben :  »seine  einträglichsten 
Unternehmungen  waren  d.  Bau  d.  türk. 
Bahnen,  sowie  d.  Emission  d.  Türken- 
loosc  (792  Mill.  Franken),    die  ihm  zwar 


»3* 


Todtcnliste   1896:   XI.  Kaufleutc.     XII,  Philosophen. 


84" 


einen  kolossalen  Gewinn  eintrugen,  aber, 
da  d.  tUrk.  Regierung  d.  Einlösung  der 
Loose  u.  d.  Auszahlung  d.  Gewinne  aus 
Geldnoth  sistirte,  fast  vollständig  ent- 
wcrtheten  u.  namentlich  in  Oesterreich- 
Ungarn,  wo  er  mit  d.  Beistand  d.  Grafen 
Bcust  d.  V.  Finanzministcr  Brestel  hart- 
näckig bekämpfte  Cotirung  dieser  Papiere 
durchsetzte,  zahllose  Existenzen  zu  Grunde 
richteten«.  —  L  111.  Ztg.  106,  531  (mit 
P);  Meyers  Konv.-Lex.  *  18,  464;  Frei- 
herrl.  Taschenbuch  1897,  412;  The  Fo- 
rum 21,  557  (O.   S.  Straus). 

Kohlhaase,  Karl  Ferdinand  Hans,  Direktor 
d.  Hanseat.  Dampfschiflfahrtsgesellschaft, 
•  zu  Lübeck  18.  XI.  48:  f  daselbst  5.  X. 
—  L  111.  Ztg.   107,  460.  —  PM. 

Konen ,  Wo  1  f  g  a  n  g  v.,  Geh.  Oberfinanz- 
rath  a.  D.,  vordem  vortr.  Rath  im  preuss. 
Kinanzminist.,  dann  in  d.  Seehandlung  zu 
Berlin,  seit  1894  einer  der  Inhaber  d. 
Bankgeschäftes  von  Konen  &  Co.  in 
Berlin;  s.  Sp.  25*. 

Königs,  Karl,  Seidenwaarenfabrikant,  seit 
1870  Mitgl.,  später  Vorsitzender  d.  Han- 
delskammer zu  Krefeld  *  13.  II.  37;  f  zu 
Rüngsdorf  a.  Rh.  19.  VI.  —  L  Handel  u. 
Gewerbe  1896,  389.  —  PM. 

Kröber,  Adolf,  Holzgrosshändler,  Poli- 
tiker;  s.  Sp.  37*. 

Leonhard ,  Sigmund,  span.  Konsul, 
Seniorchef  d.  Bankhauses  J.  L.  Lands- 
berger in  Breslau  u.  Berlin:  f  zu  Breslau 
27.  VI.   —  L  Hl.  Ztg.   107,  41.  —  KA. 

Maison,  Karl,  Kommerzienrath ,  Thcil- 
haber  d.  Grosshandlungsfirma  A.  Maison, 
2.  Vorstand  d.  oberbaycr.  Handels-  und 
Gewerbekammer,  dän.  u.  schwed.  Konsul; 
s.  Sp.  40*. 

MankiewicZy  Karl,  Generalkonsul  a.  D., 
bis  1894  Theilhaber  d.  Bankgeschäfts 
Philipp  Elimeyer  in  Dresden,  Mitbe- 
gründer einer  grossen  Anzahl  industrieller 
Unternehmungen,  *  zu  Lissa  i.Pr.  17.  VIII. 
34;  f  zu  Meran  9.  III.  —  L  111.  Ztg.  109, 
601.  —  PM. 


Nissel,  Woldemar,  Chef  d.  Hongkong- 
Firma  Siemssen  &  Co.  in  Hamburg  und 
Vorsitzender  d.  Aufsichtsraths  d.  Ham- 
burg-Amerika-Linie,  65  J.;  t  zu  Hamburg 
28.  XII.  —  L  111.  Ztg.  108,  48.  —  AM. 

Pflüger,  Georg,  Kaufmann  zu  Creglingcn, 
früher  Reichstagsabg. :  s.  Sp.  38*. 

*Schadenberg,  Alexander,  Dr.  phil., 
Chef  des  Grosshandels  -  Hauses  Boie  A' 
Schadenberg  in  Manila,  Naturforscher  u. 
Ethnograph,  verdient  um  Erforschung  d. 
Fauna  u.  Flora  d.  Philippinen,  früher 
Pharmaceut  in  Breslau,  ♦  27.  VI.  52:  f  zu 
Capiz  15.  L:  s.  BJ  I,  428.  —  L  BJ  11, 
38  ♦;  Leopoldina  1896,  60;  Geogr.  Jahrb. 
20,  480  (\V.  Wolkenhauer) ;  Intern.  Archiv 
f.  Ethnogr.  9,  3;    Globus   19,  247  (F.  B.). 

Sonnenkalb ,  Cäsar,  Kommerzienrath, 
Begründer  u.  bis  x888  Inhaber  d.  seit 
15.  I.  1846  bestehenden  Leipziger  Export- 
firma C.  Sonnenkalb:  f  zu  Leipzig-Gohlis 
17,  III.    -  L  111.  Ztg.  106,  368.  —   KA. 

*Ulrici ,  Karl  (Pseudonym  Günther 
W  a  1 1  i  n  g),  früher  Kaufmann,  Dichter  u, 
kunstgewerbl.  Sammler,  *  zu  Berlin  25. 
VII.  39:  f  zu  Dresden  13.  I.:  s.  BJ  I, 
262.  —  L  BJ  II,  43  *;  Brummer  *  4, 
232  (mit  W). 

Weiss  Ritter  von  Weissenhall ,  Karl, 
Grosshändler  u.  Kaiserl.  Rath,  seit  6.  III. 
66  Direktor,  seit  12.  VI.  88  Präsident  d. 
Verwaltungsraths  d.  Oesterreich.  Kredit- 
anstalt, •  zu  Pullitz  in  Mähren  181 7:  +  zu 
Wien  IG.  III.  -  L  111.  Ztg.  106.  338.  -- 
PM. 

Wertheimber,  E  m  a  n  u  e  1 ,  Chef  d.  Bank- 
häuser L.  <fe  E.  Wertheimber  in  Frank- 
furt a.  M.  u.  J.  Em.  Wertheimber  in  Nürn- 
berg u.  Fürth,  *  zu  Fürth  13.  VIIL  26: 
f  zu  Frankfurt  a.  M.  3.  II.  —  L  III.  Ztg. 
106,  —   PM. 

Wesendonck,  Otto  Friedrich  Ludwig,  rlicin.- 
amerikan.  Grosskaufmann,  Kunstfreund, 
zuletzt  in  Berlin  lebend,  *  zu  Elbcrfcld 
1815:  t  zu  Berlin  18.  XL  -  L  BJ  H,  46  *: 
III.  Ztg.   107,  653.  —   PM. 


XII.     Philosophen. 


*Avenarius ,  Richard  Heinrich  Ludwig, 
Dr.  phil.,  Prof.  d.  Philosophie  an  d.  Univ. 
Zürich,  *  zu  Paris  19.  XI.  43;  f  zu  Zü- 
rich 18.  VIIL:  s.  BJ  I,  5.  —  L  BJ  II, 
2  *;  Mind  VI,  24.  449  (Carstanjen): 
Revue  de  Metaphysique  et  de  Morale  6, 
I,  61  (Delacroix);  Arch.  f.  systemat. 
Philos.  VI,  1.  129.  336  (E.  Koch).  —  W 
KL  96,    34;    Kukula    14.  Suppl.  7.  —  P 


Vierteljahrsschrift  f.  wissenschaftl.  Philo«.. 
20  (Titelbild). 
Cornelius,  Karl  Sebastian,  Dr.  phil.,  Titu- 
lar-Prof.,  Privatdozent  der  Physik  und 
Technologie  an  d.  Univ.  Halle,  Ilerbar- 
tianer,  '•'  zu  Ronshausen  (Hessen  -  Kassel) 
14.  XL  19;  +  zu  Halle  5.  XI.  —  Stud. 
in  Göttingen  u.  Marburg  Naturwissen- 
schaften   und    Philosophie;    längere    Zeit 


8e*  Todtenlistc  1896:   XII.  Philosophen.    XIII.  Mathematiker  u.  Astronomen.  86* 


Privatgelchrter;  1851  Habilitation  in  Halle. 

—  L  BJ  IT,  7  *:  Poggendorff  I,  480. 
111,301;  Lcopoldina  32,  188;  Hinrichsen^ 
99;  Gubcrnatis  11,  696;  Gcojjr.  Jahrb.  20, 
466  (W.  VVolkenhauer).  —  W  Poggendorff 
a.a.O.:  KI.  1896,  198:  Kukula  Suppl.  120. 

^Drobisch,  Moritz  Wilhelm,  Geh.  Rath, 
Prof.  d.  Philosophie  an  d.  Univ.  Leipzig, 
Philosoph  u.  Mathematiker,  *  zu  Leipzig 
16.  VIIL:  t  ebenda  30.  IX.:  s.  BJ  I,  133. 

—  L  BJ  11,  9  *:  111.  Ztg.  107,  429.  734: 
Berichte  üb.  d.  Verhandlungen  d.  sächs. 
Gesellsch.  d.  Wisscnsch.  1896,  697  (M. 
Heinze):  Poggendorff  I,  603.  III,  381 : 
Ztschr.  f.  mathemat.  u.  naturwissenschaftl. 
Unterricht  27,  626:  Jahrb.  üb.  d.  Fort- 
schr.  d.  Math.  27,  23:  Leopoldina  32, 
182.  —  W  KL  1896,  249:  Poggendorff 
a.  a.  O.;    Kukula   148:    Cat.  Roy.  Sog.  2, 

344.  7,559-  9.735-  —  P  111.  Ztg^  107,  429. 
Gschwandncr,  Sigismund,  OSB.,  Reg.- 
Rath,  ehemaliger  Direktor  d.  Schottengymn. 
in  Wien,  Philosoph  u.  Physiker,  *  zu 
Röhrenbrunn  28.  III.  24;  t  zu  Zermatt 
7.  VIIL  —  L  111.  Ztg.  107,  188;  Scriptores 


Orclinis  S.  Bencdicti,  qui  1750-  1880  fu- 
erunt  in  Impcrio  Austriaco  -  Hungarico. 
Vindob.  1881,  150;  Ztschr.  f.  d.  östcrr. 
Gymn.  1896,  958  (C.  Kickh).  —  W  KL 
1896,  437;  Keiter  4,  62.  —  PM. 

Kauffmann,  Max  Reinhard,  Dr.  phil ,  Her- 
ausgeber d.  Ztschr.  f.  immanente  Philo.s., 
*  zu  Berlin  8.  IL  68:  f  zu  Aussee  9.  VlI. 
—  L  Ztschr.  f.  immanente  Philos.  1896, 
377  (F.  Eulenburg).  395. 

Stein,  Heinrich  Ludwig  Wilhelm  v.,  Dr. 
phil.,  Prof.  f.  Philosophie  an  d.  Univ. 
Rostock,  früher  Gouverneur  d.  Herzogs 
Johann  Albrecht  v.  Mecklenburg,  '*  zu 
Rostock  21.  XL  33;  f  daselbst  28.  V.  — 
L  111.  Ztg.  106,  699.  —  L  KL  1896,  1239: 
Kukula  890. 

Wulff,  Hermann,  Dr.  phil.,  seit  1874  Privat- 
dozent d  Philos.  u.  Pädagogik  an  der 
Univ.  Leipzig,  *  zu  Pcruschen  (Schlcs.) 
3.  VIIL  42:  t  zu  Leipzig  15.  III.  —  L 
KL  1896,  X427:  Hinrichsen  *  697:  Deut- 
sche Ztschr.  für  Geschichtswissenschaft 
N.  F.  I :  Monatsbl.  59.  —  W  KL  u.  Hin- 
richsen  a.  a.  O.;  Kukula  1034. 


Xin.     Mathematiker  und  Astronomen. 


Brockmann,  F.  J.,  Gymn.-Lehrer  f.  Mathem. 
a.  I).,  *zu  Münster  in  W.  21.  IIL36:  f  8.  V. 

—  Stud.  in  Münster  u.  Berlin:  1867  —  85 
Lehrer  in  Münster,  Essen,  Kleve:  littera- 
risch thätig  auf  d.  Gebiete  d.  Schul- 
mathem.  —  L  Jahrb.  üb.  d.  Fortschr. 
auf  d.  Gebiete  d.  Mathem.  27,  23:  Zeit- 
schrift f.  mathemat.  u.  naturwissenschaftl. 
Unterricht  27,  395  (Dr.  T.).  —AM. 

Buka,  Felix,  Dr.  phil.,  Prof.  am  Real- 
gynin.,  sowie  Privatdozent  und  Titularprof. 
für  kinematische  Geometrie  an  der  Techn. 
Hochschule  in  Charlottenburg,  *  zu  Myslo- 
witz  8.  I.  52 ;  t  zu  Charlottenburg  3,  XII. 

—  L  Leopoldina  33,  49;  Programm  d. 
Techn.    Hochschule    zu    Berlin     1897/98. 

—  W  Kukula  loi.  Suppl.  38:  Leopoldina 
a.  a.  O.;   Cat.   Roy.  Soc.  9,  396.  —  AM. 

Drobisch ,    Wilhelm,    Mathematiker    u. 

Philosoph:  s.  .Sp.  85*. 
Erler,    Wilhelm,    Dr.    phil.,    bis    1895 

Gymn.-Prof.  f.  Mathem.  in  Zullichau,  Verf. 

verschiedener  Lehrbücher,  *  zu  Hamburg 

28.  V.  20:  t  zu  Zullichau  15.  IV.  —  L  111. 

Ztg.   106,  505.  —  W  KL  1896,  292;  Cat. 

Roy.  Soc.  2,510. 
^Harms,    Christian,    Prof.   f.  Mathem. 

an   d.  Oberrealsch.    in    Oldenburg,    Verf. 

von    Schulbüchern,    auch    Dichter,    *    zu 

EllwUrden     in     Oldenburg     8.     IV.     19; 

f  zu  Oldenburg  8.  XL:    s.  BJ   I,  245.  — 

L  BJ  II,   17  *;   KL  1896,  469. 


Kieseritzky,  Johann  Georg  Gustav,  Dr. 
phil.,  Prof.  a.  D.  f.  Mathem.  am  Poly- 
techn.  zu  Riga,  '^  zu  Wenden  28.  IL  30; 
t  zu  Riga  31.  VIIL  —  Stud.  1848-52 
Astronomie  u.  Mathem.:  darauf  Lehrer 
an  d.  Anstalt  zu  Birkenruh,  später  an 
verschiedenen  Privatschulen  in  Riga:  1857 
am  Gymn.  in  Pernau;  1864  Prof.  am 
neubegründeten  Poly techn.  Riga,  seit  1875 
an  dessen  Spitze:  auch  warmer  Patriot 
u.  Freund  d.  vaterländ.  Geschichte.  — 
L  Rigascher  Almanach  1897,  37  (mitP): 
Leopoldina  32,  186.  —  W  Kukula  436. 

Krüger ,  A  d  a  1  b  e  r  t  Karl  Nikolaus,  Dr. 
phil..  Geh.  Reg.-Rath.,  ordentl.  Prof.  d. 
Astronomie  u.  Direktor  d.  Sternwarte  in 
Kiel,  *  zu  Marienburg  in  Westpr.  3.  XII. 
32:  t  zu  Kiel  21.  IV.  —  Stud.  1851-  53 
in  Berlin,  dann  in  Bonn  unter  Argelander: 

1853  zweiter,  1859  erster  Assistent  und 
Observator    an    d.    dortigen    Sternwarte: 

1854  Promotion:  1860  Habilitation;  1862 
ordentl.  Prof.  u.  Direktor  d.  Sternwarte 
in  Helsingfors:  1876  Hansens  Nachfolger 
an  d.  Sternwarte  in  Gotha:  1880  Nach- 
folger Peters'  als  Prof.  an  d.  Univ.  und 
Direktor  d.  Sternwarte  in  Kiel:  1883 
Vorstand  d.  Centralbureaus  f.  astronom. 
Telegraphie  daselbst;  seit  1881  auch 
Redakteur  d.  »Astronom.  Nachrichten«. 
—  L  BJ  II,  23  *•  Naturwissenschaftl. 
Rundschau    1896,    362    (A.  B.):    Viertel- 


87* 


Todtenlistc  1896;    XIII.  Mathematiker  und  Astronomen. 


88* 


jahrsschr.  d.  astronom.  Gesellsch.  1896, 
167  (H.  Kreutz,  mit  P):  Himmel  u.  Erde 
1896,  429  (Schwahn,  mit  P):  Natiire  54, 
14;  Jahrb.  Üb.  d.  P'ortschr.  d.  Mathcm. 
27,  24;  Leopoldina  32,  62.  102.  —  W 
Kukula  503.  Suppl.  143:  PoggendorfF  I, 
1323.  III,  753:  Cat.  Roy.  Soc.  3,760. 
8,  129.  10,469.  —  P  Ausser  a.  a.  O. : 
Deutsche  Rundschau  f.  Geogr.  u.  Statistik 

19.  134. 

Meyer,  Arnold,  Dr.  phil.,  ordentl.  Prof. 
f.  Mathem.  an  d.  Univ.  Zürich,  *  1844; 
t  zu  Zürich  im  Juli.  —  L  III.  Ztg.  107, 
125.  —  W  Kukula  607.  Suppl.  167.  — 
KA. 

Minnigerode,  Ludwig  Bernhard,  Dr. 
phil.,  ordentl.  Prof.  f.  Mathem.  u.  Mit- 
direktor d.  Mathem.  Seminars  an  d.  Univers. 
Greifswald,  ♦  zu  Darmstadt  10.  VIII.  37  : 
t  auf  einer  Erholungsreise  zu  Spindel- 
mUhle  im  Riesengebirge  15.  VIII.  —  Stud. 
in  Königsberg,  Heidelberg  u.  Göttingen; 
x86i  Promotion  in  Göttingen;  1866  Ha- 
bilitation ebenda;  1874  Extraordinarius 
in  Greifswald;     1885  daselbst  Ordinarius. 

—  L  Leopoldina  32,  143;  Ztschr.  f.  raa- 
themat.  u.  naturwissenschaftl.  Unterricht 
27i  631:  Jahrb.  tiber  die  Fortschr.  der 
Mathem.  27,  25.  —  W  Kukula  622; 
Poggendorff  III,  919:  Cat.  Roy.  Soc.  8,410. 

•Ofterdinger,  Ludwig,  Prof.  f.  Mathem. 
a.  D.  am  Obergymn.  zu  Ulm,  Astronom, 
Mathematiker,  Pädagog,  Litterarhistoriker, 
Politiker,  *  zu  Biberach  18.  V.  10;  f  xu 
Ulm  10.  IV.:  s.  BJ  I,  99.  —  L  BJ  II, 
33  ♦;  Schwab.  Kronik  1896,  727.  957: 
Bibliotheca  mathcmatica  10,  50  (mit  W 
d.  mathemat.  -  histor.  Schriften):  Leopol- 
dina 32,  103.  —  W  Poggendorff  I,  316. 
III,  984;  Cat.  Roy.  Soc.  4,  662.  8,  527  (?). 

Schurig,  B.  E.  Richard,  Privatlehrer  d. 
Mathem.,  Schachspieler,  *  zu  Aue  i.  V, 
6.  VI.  20:    t  zu  Leipzig- Gohlis  29.  VIII. 

—  Sohn  eines  Lehrers;  besuchte  1841 
bis  1845  ^'  Schullehrerseminar  in  Dresden; 
1845 — 48  Lehrer  f.  Mathem.  u.  Musik: 
1848  von  einem  Freunde  versehentlich 
in  d.  Brust  geschossen;  stud.  1848 —  52 
Mathem.  u.  Astronomie  in  Leipzig;  seit- 
dem Privatlehrer  daselbst :  einifje  Zeit 
Vikar  am  Nikolaigymn.  ebenda:  Gründer 
u.  Ehrenmitgl.  d.  Schachklubs  Augustea; 
fruchtbarer  Schriftsteller.  —  L  Hinrichsen ' 
590  (mit  W);  111.  Ztg.   107,  273. 

Seelhoff,  P. ,  Mathematiker  auf  d.  Gebiete 
d.  Zahlentheorie:    +  zu  Bremen  im  Febr. 

—  111.  Ztg.  106,  307. 

^Seelstrang,  Arthur  v.,  Prof.  f.  Mathem. 
an  d.  Univ.  Cordoba  in  Argentinien  u. 
Mitglied  der  dortigen  Akademie ,  auch 
Geograph,    früher    preuss.    Gardeoffizier; 


t  zu  Cordoba  28.  XI.:  s.  BJ  I,  369.  — 
L  BJ  II,  39  •;  Leopoldina  33,  48;  Poggen- 
dorff III,  1232;  Ifl.  Ztg.  108,  73;  Gcogr. 
Jahrb.  20,  480  u.  Globus  71,  100 
(W.  Wolkenhauer):  Deutsche  Geogr. 
Blätter  20,  96. 
^'Seidel ,  Ludwig  Ritter  v.,  Dr.  phil..  Geh. 
Rath,  Prof.  f.  Mathem.  an  der  Univers. 
München,  *"  zu  Zweibrücken  24.  XI.  21: 
t  zu  München  13.  VIIL:  s.  BJ  IL  4»5- 
—  L  Leopoldina  32,  125.  138  (mit  W).  — 
W  Kukula  857;  Poggendorff  I,  896.  III, 
1234;    Cat.    Roy.    Soc.    5,  630.    8,   929. 

II,  384- 

Weyer,  Georg  Daniel  Eduard,  Dr.  phil., 
Geh.  Reg.-Rath,  Prof.  f.  Mathem.  u.  Astro- 
nomie an  d.  Univ.  Kiel,  Nautiker  u.  Astro- 
nom, *  zu  Hamburg  26.  V.  18:  f  zu  Kiel 
23.  XII.  —  Stud.  in  Berlin  unter  Diricblet, 
Erman,  Dove  u.  Encke;  1849 — 53  u. 
1847  —  50  Assistent  an  d.  Hamburger 
Sternwarte  und  Lehrer  an  der  dortigen 
Navigations- Schule:  Michaelis  1850  bis 
Ostern  1851  Lehrer  an  d.  Seekadetten- 
schule in  Kiel:  dann  Privatdozent,  1853 
ausserordentl.,  1860  ordentl.  Prof.  für 
Mathem.  u.  Astronomie  an  d.  dortigen 
Univ.:  1866  —  68  zugleich  Lehrer  an  der 
Marineschule  u.  seit  1873  im  Dozentcn- 
kollegium  d.  Marineakademie:  1874  —  80 
Navigations-Kxaminator.  —  L  Leopoldina 
32,  178.  33,  49  (mit  W).  —  W  Kukula 
1002;  Poggendorff  I,  1308.  III,  1434;  Cat. 
Roy.  Soc.  6,  342.   II,  789. 

•Wiener,  Ludwig  Christian,  Dr.  phil., 
Geh.  Hofrath,  Prof.  f.  darstellende  Geometrie 
u.  graph.  Statik  an  d.  Techn.  Hocbsch. 
in  Karlsruhe,  *  zu  Darmstadt  7.  XII.  26: 
f  zu  Karlsruhe  31.  VII.:  s.  BJ  I,  207.  - 
L  BJ  II,  50  *:  Zur  Erinnerung  an  Dr. 
Chr.  Wiener,  Karlsruhe  1896  (S.  15-24 
W);  Leopoldina  32,  110.  136.  155  (W). 
166:  Jahrb.  üb.  d.  Fortschr.  d.  Mathem. 
27,  27.  —  Wauch:  Kukula  lOoK.  Suppl. 
263:  KL  1896,  1395;  Poggendorff;  I,  1322. 

III,  1442;  Cat.  Roy.  Soc.  6,  362.  8,  1236. 
II,  804. 

Wolff,  Julius  Theodor,  Dr.  phil.  hon.  c.  d. 
Univ.  München,  Astronom,  *  zu  Magde- 
burg 14.  VI.  27;  t  zu  Bonn  ii.  X.  — 
Erst  Kaufmann;  stud.  1848  in  Berlin, 
1849  —  52  in  Bonn  unter  Argelander, 
dessen  Schwiegersohn  er  wurde;  dann 
wieder  im  vjlterl.  Geschäft;  siedelte  darauf 
nach  Bonn  über,  sich  ausschliesslich  der 
Astronomie  widmend ,  u.  arbeitete  zu- 
nächst an  der  Bonner  Sternwarte,  dann 
an  einem  eigenen  Observatorium.  —  L 
BJ  II,  54  *;  Leopoldina  32,  183  (mitW); 
Poggendorff  III,   1462  (mit  W). 


89 


* 


Todtenliste  1896:    XIV.   Naturforscher. 


90' 


XIV.     Naturforscher. 

(Physiker,  Chemiker,  Geologen,  Botaniker,  Physiologen,  Zoologen.) 


Bauer,  H.  E.,  verdient  um  d.  Geologie 
Brasiliens;  f  zu  Xisirica  21.  II.  —  L 
Leopoldina  32,   132. 

'^Baumann,  Eugen,  Dr.  phil.,  ordentl.  Prof. 
f.  physiolog.  Chemie  in  d.  medizin.  Fakultät 
d.  Univ.  Freiburg  i.  B.,  •  zu  Cannstadt 
12.  XII.  46;  f  zu  Freiburg  i.  B.  3.  XL: 
s.  BJ  I,  93.  —  L  BJ  11,  3  • ;  Leopoldina 
32,  165.  187;  Berichte  d.  Deutschen  Chem. 
Gesellschaft  29,  3,  2575  (F.  Tiemann). 
3O1  3.  3*97  (A.  kossei,  mit  P).  —  W 
Kukula  28.  Suppl.  1 2 ;  Berichte  d.  Deutschen 
Chem.  Gesellscb.  30,  3,  3209;  Cat.  Roy. 
Soc.  7,   106.  9,   145. 

^Benedikt,  Rudolf,  Dr.  phil.,  ordentl.  Prof. 
f.  analyt.  Chemie  an  d.  Techn.  Hochsch. 
in  Wien,  •  zu  Döbling  b.  Wien  5.  VII. 
52;  f  zu  Wien  6.  IL:  s.  BJ  I,  322.  — 
L  BJ  1,  55  ♦.  II,  3  •;  PoggendorfT  III, 
107;  Leopoldina  32,  22.  59;  Berichte  d. 
Deutschen  Chem.  Gesellsch.  29,  i,  407 
(C.  Liebermann).  —  W  KL  1896,  72; 
Kukula  40.  Suppl.  16;  Poggendorff  a.  a.  O. ; 
Cat.  Roy.  Soc.  7,  137.  9,  187. 

*Berchem-Haimhausen,  Graf  Hans  Ernst 
V.,  verdient  um  d.  Meteorologie  durch  För- 
derung d.  Station  auf  d.  Sonnblick ;  s.  Sp.  7*. 

Bergenstamm,  Julius  v.,  Entomologe,  der 
bedeutendste  Dipterologe  Oesterreichs, 
Besitzer  einer  reichhaltigen  Sammlung; 
t  zu  Wien  31.  I.  —  L  111.  Ztg.  106,  193; 
Lcopoldina  32,  58  (mit  W).  —  W  auch 
Cat.  Roy.  Soc.  7,  142.  9,   196. 

*Bcyrich,  Heinrich  Ernst,  Dr.  phil.,  Geh. 
Bergrath,  ordentl.  Prof.  f.  Geologie  u.  Paläon- 
tologie an  d.  Univ.  Berlin,  Verwaltungs- 
direktor d.  dortigen  Museums  f.  Natur- 
kunde, *  ebenda  31.  VIII.  15;  f  daselbst 
9.  VIL:  s.  BJ  I,  193.  -  L  BJ  II,  4  •; 
111.  Ztg.  107,  136  (H.  Haas);  Leopoldina 
32,  110  (K.  v.  Fritsch).  135;  Naturwissen- 
schaf tl.  Rundschau  1896,  607;  Poggendorff 
1,  184.  III,  124;  Abhandl.  d.  Berl.  Akad. 
d.  Wissensch.  1898  (W.  Dames,  Gedächtnis- 
rede); Sitzungsber.  d.  MUnch.  Akad.  d. 
Wissensch.,  math.-phys.  Kl.,  1897,  442 
(C.  Voit);  Almanach.  d.  Wiener  Akad.  d. 
Wissensch.  1897,  310  (J.  Hann),  310; 
Geogr.  Jahrb.  20,  465;  Globus  70,  116. 
—  W  Kukula  49 ;  Poggendorff  a.  a.  O ; 
Cat.  Roy.  Soc.  i,  352.  7,  167.  9,  232.  — 
P  Deutsche  Rundschau  f.  Geographie  u. 
Statistik  19,  326;   III.  Ztg.  a.  a.  O. 

Bonne,  Julius,  Chemiker,  Industrieller, 
Mitbegründer  d.  chem.  Fabrik  in  Winkel; 
s.  Sp.  71*. 


Bornemann,  Johann,  Georg,  Dr.  phil.,  Geolog 
u.  Bergmann,  *  zu  Mühlhausen  in  Thür. 
20.  V.  31;  f '  zu  Eisenach  5.  VII.  —  Be- 
suchte d.  Gymn.  seiner  Vaterstadt;  stud. 
seit  Herbst  1850  Naturwissensch.  (Physik, 
Chemie,  Geognosie)  auf  d.  Univ.  Leipzig, 
Göttingen,  Berlin;  1854  Promotion  zu 
Göttingen;  1856  längere  Reisen  in  Italien; 
1857  im  Auftr.  d.  preuss.  Regierunjj  zur 
Begutachtung  industrieller  Verhältnisse 
nach  Sardinien  gesendet ;  Begründung  einer 
Bergwerksgesellschaft  in  Paris  und  eines 
rasch  aufblühenden  Bergbaus  auf  den  Blei- 
erzgängen d.  Insel  Sardinien;  seit  1S61 
zurückgezogen  auf  seinem  Landsitz  b.  Eise- 
nach lebend,  um  sich  ungestört  natur- 
wissenschaftl.  Studien  zu  widmen.  —  W 
u.  L  Leopoldina  32,  134.  —  W  auch  Cat. 
Roy.  Soc.   I,  498.  7,  219.  9,  297. 

Cornelius,  Karl  Sebastian  Prof.  Dr.,  Philo- 
soph u.  Physiker:  s.  Sp.  84*. 

Dannenberg,  Ernst  Georg,  Apotheker,  Liche- 
nologe,  *  zu  Bodenteich,  Hannov.,  i.IV.  16; 
t  zu  Fulda  4,  XII.  —  L  Ber.  d.  Ver.  f.  Na- 
turk.  zu  Fulda  1898,  XIII.  —  PM. 

Dellingshausen,  Nikolai  Baron,  Gross- 
grundbesitzer auf  Gut  Kattentack  in  Esth- 
land,  Physiker,  *  zu  St.  Petersburg  5./17. 
X.  27;  f  zu  Riga  IX./X.  —  Sohn  d.  russ. 
General-Adjutanten  Eduard  Baron  D. ;  er- 
zogen im  Pagencorps  zu  St.  Petersburg; 
diente  ein  Jahr  in  d.  russ.  Garde;  stud. 
in  Dorpat  Mathem.,  Physik,  Chemie  u. 
Astronomie;  übernahm  1854  d.  Verwaltung 
seiner  Erbgüter;  1868  esthländ.  Ritter- 
schaftshauptmann. —  L  111.  Ztg.  107,  460; 
Poggendorff  III,  349  (mit  W). 

Dietzell,  B.E.,  Agrikulturchemiker;  s.Sp.65*. 

*Du  Bots-Reymond,  Emil,  Dr.  med..  Geb. 
Med.-Rath,  ordentl.  Prof.  f.  Physiologie 
u.  Direktor  d.  Physiolog.  Laboratoriums 
an  d.  Univ.  Berlin,  Stand.  Sekretär  d. 
dortigen  Akad.  d.  Wissensch.,  *  ebenda 
7.  XI.  18;  t  daselbst  26.  XII  :  s.  BJ  I, 
125.  —  L  BJ  II,  9  •;  Nord  u.  Süd  6 
(1878),  152  (I.  Rosenthal,  mit  P);  111.  Ztg. 
108,  44;  Leopoldina  33,  50;  Deutscher 
Hausschatz  23,  331  (Dr.  H.  K.,  mit  P); 
Verhandlungen  d.  physiol.  Gesellsch.  zu 
Berlin  16,  6  u.  Biolog.  Centralblatt  1897, 
81  (I.  Rosenthal);  Almanach  d.  Wiener 
Akad.  d.  Wissensch.  1897,  318  (J.  Hann); 
Umschau  1897,  No.  2  (P.  Jensen);  Sitzungs- 
ber. d.  MUnch.  Akad.  d.  Wissensch., 
math.-phys.  Kl.,  1897,  423  (C.  Voit); 
Naturwissenschaft!.   Rundschau    1897,    87 


91 


Todtcnliste  1896:    XIV.    Naturforscher. 


92' 


(J.  Bernstein);  Gaea  1897,  177  (mit  P); 
Ztschr.  f.  d.  Reform  d.  höh.  Schulen  1897, 
7  (E.  Gystrow,  Du  B.-R.  u.  d.  moderne 
Schule);  Abhandl.  d.  Berliner  Akad.  d. 
Wissensch.  1898  (VV.  Engelmann,  Ge- 
dächtnisrede); Revue  Neo-Scolastique  IV, 
I  (J.  F.  Heymans);  Revue  de  1*  Univ. 
de  Bruxelles  II,  8,  561  (P.  Heger).  —  W 
Kukula  150.  Suppl.  57;  KL  1896,  250; 
Poggendorff,  I,  228.  III,  152;  Cat.  Roy. 
Soc.  2,  350.  7,  561.  9,  739.  —  P  auch 
111.  Ztg.  108,  46  (nach  Photogr.);  Nord 
u.  Süd  6  (1878),  Heft  2  (nach  A.  Menzel); 
BJ  I  (Heliogr.  nach  Photogr.). 

Dürrnberger,  Adolf,  Dr.,  Hof-  u.  Gerichts- 
advok.,  Vizepräsident  d.  Museum-Francisco- 
Carolinum  in  Linz,  verdient  um  die  Landes- 
flora, *  zu  Linz  4.  VI.  38;  f  ebenda  26.  X.  — 
L  Jahresber.  d.  Francisco- Carolinum  55, 
LXVII  (Nicoladoni,  mit  W  u.  P).  —  PM. 

♦Fleck  (nicht  Feck),  Wilhelm  Hugo,  Dr. 
phil.,  Hof  rat  h,  Prof.  f.  Chemie  am  Poly- 
techn.  in  Dresden,  seit  1871  zugleich  Vor- 
stand d.  dortigen  ehem.  Centralstelle  f. 
öfTentl.  Gesundheitspflege,  *  zu  Döbeln  im 
Kgr.  Sachsen  29.  III.  28;  f  zu  Dresden 
9.  IV.:  s.  BJ  I,  411.  —  Ursprünglich 
Pharmaceut;  dann  techn.  Chemiker  in  d. 
Blutlaugensalz-  u.  Phosphorfabrik  zu  Freu- 
denstadt im  Schw.;  1852  Assistent,  1862 
Prof.  am  Polytechn.  in  Dresden;  1857  auch 
Lehrer  d.  Physik  u.  Chemie  an  d.  medicin.- 
chirurg.  Akad.  daselbst.  —  L  BJ  II,  10  * 
(irrthUml.  unter  Feck);  Leopoldina  32,  loi ; 
Poggendorff  III,  450  (mit  W).  —  W  auch 
Cat.  Roy.  Soc.  7,  675.  9,  880. 

Flohr,  Julius,  Entomolog,   *  zu  Hamburg 

,  f  tu  Veracruz  in  Mexiko  .  .  . 

III.  —  Gieng  1862  nach  Mexiko;  erst  im 
Bankwesen  thätig,  dann  sich  ausschliessl. 
d.  Entomologie  widmend;  Besitzer  der  voll- 
ständigsten Sammlung  der  in  Mexiko  leben- 
den Käfer.  —  L  111.  Ztg.  106,  368;  Leo- 
poldina 32,  138;  Deutsche  Entomolog. 
Ztschr.  1896,  367  (G.  Kraatz). 

FouUon  de  Norbeeck,  Heinrich  Freih., 
Bergrath,  seit  1896  Chefgeolog  d.  Geolog. 
Reichsanstalt  zu  Wien,  welcher  er  bereits 
1878  —  93  angehört  hatte;  1893—96  in  d. 
bosn.-herzegowin.  Landesverwaltung  Refe- 
rent üb.  d.  Montanwesen,  •  zu  Gaaden  b. 
Heiligenkreuz  12.  VIL  50;  f,  von  Einge- 
bornen  getödtet,  auf  d.  Insel  Guadalcanar 
d.  Salomon-Archipels  10.  VIII.  —  L  111. 
Ztg.  107,  367;  Freiherrl.  Taschenb.  1897, 
254.  1205;  Jahrb.  d.  k.  k.  geolog.  Reichs- 
anstalt 47,  I  (C.  V.  John);  Deutsche  Rund- 
schau f.  Geographie  u.  Statistik  20,  376 
(mit  P);  Geogr.  Jahrb.  20,  470;  Petermanns 
Mittheilungen  1896,  243.  —  W  auch  Cat. 
Roy.  Soc.  9,  907. 


Gschwandner,  Sigisround,  OSB.,  Physiker 
u.  Philosoph;  s.  Sp.  85*. 

Gundlach,  Johannes,  Dr.,  wissenscbaftl. 
Erforscher  d.  Insel  Cuba,  •  zu  Marburg 
17.  VII.  10;  t  zu  Habana  12.  III.  —  L 
BJ  I,  61  *;  Leopoldina  32,  loi.  —  W  auch 
Cat.  Roy.  Soc.  3,  87.  7,  868.  10,  89.  — 
PM  d.  Herrn  Oberrealschuldir.  Prof.  Dr. 
Ackermann  in  Kassel. 

Guttenberg,  Gustav  Ritter  v.,  Prof.  d.  N.itur- 
wissensch.  an  d.  Centralschule  zu  Pittsburg 
in  Nordamerika,  *  zu  Tamsweg  im  Salz- 
burg. 10.  V.  44;  -f  tu  L.iaben  b.  Alt- 
Lengbach  29.  VI.  —  L  111.  Ztg.  106,  41. 
—   PM. 

Herder,  Ferdinand  Gottfried  Theobald 
Max  v.,  Dr.  phil.,  russ.  Hofratb,  früher  Bil)- 
liothekar  am  kaiserl.  Botan.  Garten  in  St. 
Petersburg,  Vorstand  d.  Naturwissenschaftl. 
Vereins  Pollichia,  Enkel  u.  letzter  männl. 
Nachkomme  des  Dichters,  •  zu  Grünstadt 

in  d.  Pfalz ;  f  ebenda  7.  VI.  — 

1856  wissenschaftl.  Beamter  am  Botan. 
Garten  zu  St.  Petersburg,  1868—81  dessen 
Bibliothekar.  —  L  111.  Ztg.  106,  758.  107, 
100;  Leopoldina  32,  125.  133  (mit  W).  — 
W  auch  Cat.  Roy.  Soc.  3,  306.  7,  957. 
10,  201. 

Hosius,  August,  Dr.  phil.,  Geh.  Reg.-Rath, 
ordentl.  Prof.  f.  Geognosie  u.  Mineralogie 
u.  Vorsteher  d.  mineralog.  u.  paläontolog. 
Sammlung  an  der  Akademie  zu  Münster 
i.  W.,  *  zu  Werne  in  Westph.  23.  X.  25; 
t  zu  Münster  i.  W.  10.  V.  —  Stud.  Mathe- 
matik u.  Naturwissensch.  zu  Bonn  u.  Berlin ; 
1850  Promotion  in  Bonn;  1855  ordentl. 
Lehrer  am  Gymn.,  seit  1862  zugleich  ausser- 
ordentl.  Prof.  f.  Geognosie  an  d.  Akad.  in 
Münster;  1869  Oberlehrer  am  Gymn.;  seit 
1875  ordentl.  Prof.  an  d.  Akad.  ~  L  111. 
Ztg.  106,  639;  Leopoldina  32,  103;  Poggen- 
dorff III,  659.  —  W  Leopoldina  u.  Poggen- 
dorff a.  a.  O.;  Kukula  387 ;  Cat.  Roy.  Soc.  3, 
445.  7,  1019.  10,  276. 

Kanitz,  August,  Dr.  phil.,  Prof.  d.  Botanik 
u.  Direktor  d.  Botan.  Gartens  an  d.  Univ. 
Klausenburg,  •  zu  Lugos  25.  IV.  43;  f 
zu  Klausenburg  .  .  .  VII.  —  L  111.  Ztg. 
107,  125;  Minerva  5,  365;  Leopoldina  32, 
137  (mit  W).  —  W  auch  Cat.  Roy.  Soc. 
3,  606.  8,  52.   10,  372.  —  KA. 

*Keku]6  von Stradonitz,  Friedrich  August, 
Dr.  phil.  et  med..  Geh.  Reg.-Rath,  Prof. 
f.  Chemie  an  d.  Univ.  Bonn,  *  zu  Darra- 
stadt  7.  IX.  29;  t  zu  Bonn  13.  VII.:  s.  BJ 
I,  412.  —  L  BJ  II,  21  ♦;  Biogr.  Bll.  1896, 
411  (J.  H.  van  t*  Hoff);  Nachrichten  d. 
Götting.  Gesellsch.  d.  Wissensch.,  Geschäftl. 
Mittheil.  1897,  75  (Wallach,  Gedächtnis- 
rede); Sitzungsber.  d.  MUnch.  Akad.  d. 
Wissensch.    math.-phys.    Kl.,    1897,    414 


93' 


Todtenliste  1896:    XIV.  Naturforscher. 


94" 


(C.  Voit);  Almanach  d.  Wiener  Akad.  d. 
Wissensch.  1897,  312  (J.  Hann);  Guber- 
natis  II,  1264;  Naturwissenschaft!.  Rund- 
schau 1896,  437  (Wallach);  Leopoldina  32, 
135  f*  Berichte  d.  Deutschen  ehem.  Gesellsch. 
29,  2,  1971  (H.  Landolt);  111.  Ztg.  107, 
100;  Bücher- Verzeichnis  d.  Bibliothek  d. 
Farbenfabriken  vorm.  F.  Bayer  u.  C'e.  in 
Elberfeld.  Kekule-Bibliothek.  Elberf.  1898. 

—  W  KL  1896,  622;  Kukula428;  Poggen- 
dorff  I,  1237.  111,  711;  Cat.  Roy.  Soc.  3, 
629.  8,  58.  10,  381.  —   P  111.  Ztg.  107,  99. 

Krutzsch,  Hermann,  Dr.  phil.,  Prof.  an  d. 
Forstakad.  zu  Tharandt,  Physiker  u.  Mete- 
orolog;  s.  Sp.  68*. 

Lilienthal,  Otto,  Ingenieur,  Physiker  u. 
Techniker;  s.  Sp.  78*. 

Müller.  Ferdinand,  Freih.  v.,  Dr.  med.  et 
phil.,  Regierungsbotaniker  zu  Victoria  in 
Australien,  *  zu  Rostock  30.  VI.  25;  f  zu 
Melbourne  9.  X.  —  Stud.  in  Kiel  Phar- 
mazie u.  Botanik;  siedelte  nach  d.  Tode 
seiner  Eltern  wegen  Schwindsuchtsgefahr 
1847  nach  d.  Kolonie  Victoria  in  Australien 
über;  als  Forschungsreisender  bei  Auf- 
schliessung d.  tropischen  Australien  be- 
theiligt; seit  1852  Regierungsbotaniker  f. 
d.  Kolonie  Victoria,  Direktor  d.  Phytolog. 
Museums  u.  eine  Zeit  lang  Direktor  des 
Butan.  Gartens  zu  Melbourne.  —  L  Frei- 
herr!. Taschenb.  1897,  670.  12 13;  Leo- 
poldina 32,  i$o.  183.  33,  15  (M.  Hollrung). 
142  (Drude);  Globus  70,  308;  Gardeners 
Chronicle  1896,  464;  Jahreshefte  d.  Ver. 
f.  Naturk.  VVürttemb.  53,  LXXU  (Lampert); 
Berichte  d.  Deutschen  Botan.  Gesellsch. 
15,  Generalvers.-Heft,  56  (O.  Warburg); 
Naturwissenschaft!.  Rundschau  1897,  103 
(I*.  Graeber);  Sitzungsber.  d.  Münch.  Akad. 
d.  Wissensch.,  math.-phys.  Kl.,  1897,  436 
(C.  Voit);  111.  Ztg.  1879  No.  1855;  1896, 
No.  2782.  —  WLeopoldina 33, 143 (Drude); 
Cat.  Roy.  Soc.   4,    515.   8,   459.    10,   874. 

—  P  111.  Ztg.  No.   1855   (18.  Jan.   1879). 
Müller,  Johannes  (Jean=Müll.  Arg.),  Dr. 

phi!.,  Direktor  d.  Botan.  Gartens  u.  Conser- 
vator  d.  städt.  Herbariums  Delessert  in 
Genf,  bis  1886  ordentl.  Prof.  f.  medizin. 
Botanik  an  d.  dortigen  Univ.,  *  zu  Teufen- 
ihal  (Aargau)  ....  28;   +  zu  Genf  28.  1. 

—  L  III.  Ztg.  106,  193.  217;  Leopoldina 
32,  22.  58  (mit  W);  Gubernatis  III,  1517 
(mit  W);  Berichte  d.  deutschen  botan. 
Gesellsch.  14,  55  (R.  Chodat,  mit  W).  — 
W  auch  Cat.  Roy.  Soc.  4,  521.  8,  463. 
10,  878.  —  KA. 

♦Röttger,  Rudolf,  Physiker;  s.Abth.XXlIL 
*Schadenberg ,     Alexander,     Dr.     phil., 

Philippinenforscher,  *  zu  Breslau  27.  VI. 

52;   f   zu   Capiz   (Insel  Panay)    15.  I.:   s. 

BJ  I,  428.   —  L  BJ  II,  38  ♦;  Leopoldina 


32,  60.  —  W  auch  Cat.  Roy.  Soc.  11, 
296.  —  Vgl.  Sp.  84». 
Schickendantz,  Friedrich,  Prof.,  Che- 
miker, früher  Rektor  d.  Nationalkollegs 
V.  Cantamarca,  hierauf  Prof.  f.  Physik  u. 
Chemie  am  Kolleg  von  Tucuman,  wo  er 
d.  ehem.  Laboratorium  gründete  u.  wichtige 
Verbesserungen  auf  industriellem  Gebiete 

einführte,    * zu   Landau   in    d. 

Pfalz;  f  zu  Buenos  Ayres  4.  IV.  —  L 
Leopoldina   32,    133;    111.  Ztg.    106,  601. 

—  W  Cat  Roy.  Soc.  5.  461.  8,  854.  11, 

305. 
^Schiff,  Moritz,  Dr.  med.,  ordentl.  Prof.  f. 

Physiologie  an  d.  Univ.,  Direktor  d.  Phy- 

siolog.    Laboratoriums    an    d.    Ecole    de 

Medecine   in   Genf,   *   zu  Frankfurt  a,  M. 

28.  I.  23;  t  zu  Genf  6.  X.:  s.  BJ  I,  159. 

—  L  BJ  II,  38  •;  III.  Ztg.  107,  495; 
Leopoldina  32,  150.  182;  Poggendorff  111, 
1188.  —  WKL  1896,  1148;  Poggendorff 
a.  a.  O.;  Cat.  Roy.  Soc.  5,  464.  8,  856, 
II,  306.  —  P  III.  Ztg.   107,  495. 

Schmitt,  Konrad,  Dr.  phil.,  Hofrath,  Di- 
rektor d.  Schmitt' sehen  Laboratoriums  u. 
Lebensmittel-Untersuchungsamtes  in  Wies- 
baden, 'zu ;  t «u Wiesbaden 

23.  I.  —  L  111.  Ztg.  106,  136;  Leopoldina 
32,  58  (mit  W).  —  W  auch  Cat.  Roy.  Soc. 
II,  328.  —  KA. 

'''Schöne,  Hermann  Emil,  Dr.  med.  et  ehem., 
Staatsrath,  ordentl.  Prof.  d.  Chemie  an  d. 
Petrowsky'schen  Akad.  zu  Moskau,  •  zu 
Halberstadt  7.  IV.  38;  f  zu  Moskau  6./18. 
V.:  s.  BJ  I,  414.  —  L  BJ  II,  39  •;  Leo- 
poldina 32,  133;  Berichte  d.  Deutschen 
Chem.  Gesellsch.  29,  2,  1537  (H.  Landolt). 

—  W  Poggendorff  III,  1205;  Cat.  Roy. 
^oc.  5,  535.  8,  881.   II.  335. 

♦Seil,  Eugen,  Dr.  phil..  Geh.  Reg.-Rath, 
techn.  Leiter  d.  Laboratoriums  u.  Mitgl. 
d.  Reichsgesundheitsamtes,  ausserordentl. 
Prof.  f.  Chemie  an  d.  Univ.  Berlin  u.  Prof. 
f.  Chemie  d.  Nahrungsmittel  u.  Geschichte 
d.  Chemie  an  d.  Techn.  Hochsch.  zu  Char- 
lottenburg, •  zu  Bonn  5.  IV.  42;  f  zu 
Berlin  13.  X.:  s.  BJ  I,  209.  —  L  BJ  II, 
39  •;  Leopoldina  32,  184;  Berichte  d. 
Deutschen  Chem.  Gesellsch.  29,  3,  2425 
(H.  Landolt).  4,  1199  (K.  Windisch).  — 
W  Poggendorff  III,  1295;  Kukula  860. 
Suppl.  231 ;  Cat.  Roy.  Soc.  5,  633.  8,  931. 
II,  386. 

*Simony,  Friedrich,  Geolog  u.  Geograph, 
Dr.  phil.,  Hofrath,  Prof.  f.  Erdkunde  an 
d.  Univ.  Wien  a.  D.,  •  zu  Hrachowteinitz 
in  Böhmen  13.  XI.  13;  f  zu  St.  Gallen 
in  Steiermark  20.  VII.:  s.  BJ  I,  332.  — 
L  BJ  II,  40  •;  111.  Ztg.  107,  156;  Geo- 
graph. Ztschr.  1896,  657  (K.  Pcucker); 
Leopolciina  32,  135;  A.  Penck,  F.  S.  Leben 


Qc*      Todtenliste  1896:    XIV.  Naturforscher.   XV.  Bthnogr.,  Geogr.,  Forschungsreis.     ^6* 


u.  Wirken  eines  Alpenforschers.  Wien  1898 
(=  Geograph.  Abhandl.  VI,  3);  Geogr. 
Jahrb.  20,480  (W.  Wolkenhauer);  Deutsche 
Rundschau  f.  Geogr.  u.  Statistik  6,  331 
(mit  P);  Mittheilungen  d.  Deutsch.  Oesterr. 
Alpen  Vereins  1896,  174  (E.  Richter).  — 
W  Penck  a.  a.  O. ;  Poggendorff  III,  1251 ; 
Cat.  Roy.  Soc.  5,  705.  8,  959.  11,  420.  — 
P  Penck  a.  a.  O.;  111.  Ztg.  107,  156. 

Sommerfeld,  A.  v,,  Lepidopterologe,  30  J. ; 
f  zu  Santa  Leopoldina  in  Brasilien  17. 
IV.   --  L  Leopoldina  32,   133. 

Stohl,  Lucas,  Dr.  med.,  Botaniker;  f  zu 
Wien  10.  XI.  —  L  Lcopoldina  32,  189; 
Wurzbach  39,   129. 

^Stolze],  Carl,  Prof.  f.  ehem.  Technologie 
an  d.  Techn.  Hochsch.  zu  München ;  s. 
Sp.  81*. 

Westhoff,    Friedrich  (Pseudon.:    Dr.  Lon- 


ginus),  Dr.  phil.,  Privatdozent  f.  Zoologie 
an  d.  Akad.  zu  Münster,  Vorsteher  d.  West- 
fal.  Gruppe  d.  Deutschen  Anthropolog. 
Gesellsch.,  einer  d.  besten  Kenner  d.  west- 
fäl.  Thier-  u.  Pflanzenwelt,  •  zu  Münster 
i.  W.  8.  IX.  57;  t  daselbst  12.  XL  —  L 
Ztschr.  f.  Vaterland.  Gesch.  u.  Altcrthumsk. 
Westfalens  54,  186;  Natur  u.  Offenbarung 
42,  768  (A.  Westrick);  Der  Westfale  1896, 
No.  310.  1897  No.  7.  8;  Münster.  Anz. 
1897  No.  8;  Jahrb.  d.  Westf.  Provinzial- 
ver.  25,  31  (H.  Reeker,  mit  P);  VVestfäl. 
Merkur  1897  No.  14.  —  IV  KL  1896, 
1440;  Kukula  Suppl.  261;  Cat.  Roy.  Soc. 
II,  787;  Keiter  4,  227. 
*Wolff,  Emil  V.,  techn.  Chemiker,  vormals 
Prof.  an  d.  Landwirtschaftl.  Akad.  zu 
Hohenheim;  s.  Sp.  68*. 


XV.     Ethnographen,  Geographen,  Forschungsreisende. 


^Curtius,  Ernst,  Archäolog  u.  Philolog, 
Junger  Karl  Ritters;  s.  Sp.  98*. 

Dallmann,  Eduard,  Schiffskapitän,  Führer 
von  Forschungsexpeditionen,  d.  erste 
deutsche  SUdpolarfahrer,  *  zu  Blumenthal 
in  Hannover  18.  III.  30;  f  daselbst  23. 
XII.  —  In  den  50er  Jahren  an  d.  SUdsee- 
fischcrei  beiheiligt;  1873/4  Führer  d. 
Dampfers  »Grönland«  nach  Grahamland; 
1878  im  Auftr.  d.  Barons  L.  v.  Knoop 
Fahrten  von  d.  Weser  durch  d.  Karische 
Meer  nach  d.  Mündung  d.  Jenissei;  1884/5 
Führer  d.  Dampfers  »Samoa«  auf  d.  Ent- 
deckungsfahrt Otto  Finschs  an  d.  Küste 
v.  Neuguinea.  —  L  Geogr.  Jahrb.  20,  467 
u.  Globus  71,68  (W.  Wolkenhauer);  111. 
Ztg.  107,  531  (M.  Lindeman,  mit  P); 
Deutsche  Geogr.  Blätter  1897,  92. 

♦Egli,  Johann  Jakob,  Dr.,  ausserordentl.  Prof. 
f.  Geographie  an  d.  Univ.  Zürich,  *  zu 
Uhwiesen-Laufen  im  Kanton  Zürich  17.  V. 
25;  t  zu  Zürich  24.  V.:  s.  BJ  I,  367.  — 
L  BJ  II,  10  *;  Geogr.  Ztschr.  1896.  601 
(E.  Oppermann):  Leopoldina  32,  145  (mit 
W):  Geogr.  Jahrb.  20,  469  u.  Globus  70, 
196  (W.  Wolkenhauer);  Deutsche  Rund- 
schau f.  Geogr.  u.  Statist.  Bd.  8  (mit  P): 
Ztschr.  f.  Schulgeogr.  18,25;  Hinrichsen  ' 
132;  Oriental.  Bibliogr.  10,  153.  —  W  auch 
KL  1896,  269:  Kukula  162.  Suppl.  60: 
Cat.  Roy.  Soc.  7,  602. 

Eltz,  A.  V.,  Afrikaforscher;  s.  Sp.   18*. 

Foullon  de  Norbeeck,  Heinrich  Freih. 
V.,  Geolog,  betheiligt  an  Forschungsreisen; 
s.  Sp.  91*. 

*Grün,  D  i  o  n  y  s  i  u  s  v.,  Regierungsrath, 
1876  —  85    Prof.     f.    Geographie    an    d. 


Deutschen  Univ.  Prag,  *  zu  Prerau  in 
Mähren  18.  I.  19;  f  zu  Prag  i.  L:  s.  BJ 
II,  437.  —  L  Geogr.  Jahrb.  20,  471  (W. 
Wolkenhauer).  —  AM. 

Gundlach,  Johannes,  Dr.,  Cubaforscher: 
s.  Sp.  92*. 

Haas,  Joseph,  österr.-ungar.  Generalkonsul 
in  Shanghai,  Kenner  Chinas;   s.  Sp.  29*. 

*Humann,  Karl,  Dr.,  Architekt  u.Archäolog, 
auch  Kartograph;  s.  Sp.  78*. 

*Kapp,  Ernst,  Dr.,  Geograph,  ♦  zu  Ludwig- 
stadt in  Oberfranken  15.  X.  1808;  f  zu 
Düsseldorf  30,  I.:  s.  BJ  I,  368.  —  L  BJ 
II,  21  ♦;  Deutsche  Rundschau  f.  Geogr. 
u.  Statist.  20,  40  (mit  P),  Globus  69,  164 
u.  Geogr.  Jahrb.  20,  472  (W.  Wolken- 
hauer). 

*Kubary,  Johann  Stanislaus,  Reisender  u. 
Ethnograph,  ♦  zu  Warschau  1846:  f  in 
Ponape  9.  (?)  X.:  s.  BJ  I,  324.  —  L  BJ 
II,  24  *:  Geogr.  Jahrb.  20,  473  (W.  Wol- 
kenhauer); Globus  71,  214  (mit  W).  — 
W  auch  Cat.  Roy.  Soc.   10,  471. 

Lehnert,  Joseph  Ritter  v.,  Kontreadmiral, 
Vizepräsident  der  k.  k.  Geogr.  Gesellsch. 
in  Wien;  s.  Sp.  63^. 

*Leuzinger,  Rudolf,  Kartograph,  •  zu 
Netstal  im  Kanton  Glarus  17.  XII.  26;  f 
zu  Mollis  (ebenda)  11.  I.:  s.  BJ  I,  369. 
—  L  BJ  II,  25  *;  Deutsche  Rundschau 
f.  Geogr.  u.  Statist.  18,  279  (mit  P): 
Jahrb.  d.  Schweiz.  Alpenklubs  1896,  296 
(mit  P);  Geogr.  Jahrb.  20,  474  u.  Globus 
69,   116  (W.  Wolkenhaucr). 

Levido,  E.  N.,  austral.  Kolonist,  einer  der 
ersten  Pioniere  auf  d.  nördl.  York-Halb- 
insel;  s.  Sp.  65*. 


Q*j*  Todtenl.  1896:  XV.  Etbnogr.,Geogr.,Forschungsr.  XVI.  Sprachf.,Philol.,Lilterarh.  ng* 


Liebscher,  Georg,  Dr.,  Prof.  f.  Landwirth- 
schaft  an  d.  Univ.  Göttingen,  Japanforscher; 
s.  Sp.  65*. 

Lüders,  Carl  Wilhelm,  Vorsteher  d.  Mu- 
seums f.  Völkerkunde  in  Hamburg;  als 
Kaufmann  längere  Zeit  in  Chile,  dann  auf 
Reisen:  Sammler  ethnograph.  Gegenstände, 
*  zu  St.  Paul  b.  Hamburg  23.  V.  23; 
+  zu  Hamburg  7.  XI.  --  L  Internat.  Archiv 
f.  Antbropol.  9,  272;  Geogr.  Jahrb.  20,  474 
(VV.  Wolkenhauer);  CorrespondenzbJ.  d. 
deutschen  Gesellsch.  f.  Anthropologie  1898, 
59.  —  P  Platinotypie  im  Museum  f. 
Völkerkunde  zu  Hamburg.  —  AM. 

Müller,  Ferdinand  Freih.  v.,  Dr.,  Regie- 
rungsbotaniker d.  Kolonie  Victoria,  For- 
schungsreisender; s.  Sp.  93*. 

Neumann,  Theodor,  früher  österr.  Konsul 
in  Kairo  u.  Patras;  schrieb  über  d.  mo- 
derne Aegyptcn,  62  J.,  f  zu  Graz  22.  VL 
—  L  111.  Ztg.  107,  II. 

*No2,  Heinrich  August,  Dr.  phil.,  Reise- 
schriftsteller u.  Novellist,  *  zu  München  16. 
VII.  3S:  t  2U  Bozen  26.  VIII.;  s.  BJ  I,  447. 
II,  417.  -  L  BJ  II,  33  •:  111.  Ztg.  107, 
317  (Ph.  J.  Ammon,  mit  P);  Globus  70, 
212  u.  Geogr.  Jahrb.  20,  476  (W.  Wolken- 
hauer); Hinrichsen*  436.  —  W  KL  1896, 
909:  Brummer*  3,  153. 

*Opperinann ,  Andreas,  Rechtsanwalt, 
Kunst-  n.  Reiseschriftsteller;  s.  Sp.  120*. 

*Omstein, Bernhard,  Generalarzt  d. griech. 
Armee,  Anthropolog  u.  Ethnograph;  s. 
Sp.  126*. 

*Rohlfs,  Gerhard  (Pseudon.  :MustafaBei), 
Dr.  phil.,  Hofrath,  kaiserl.  deutscher  Gene- 
ralkonsul, Afrikareisender,  *  zu  Vegesack 
14.  IV.  31;  t  2U  Rungsdorf  b.  Godesberg 


2.  VI.:  s.  BJ  I,  32s.  —  L  BJ  n,  36  ♦; 
111.  Ztg.  106,  727  (mit  P);  Westermanns 
Monatshefte  82,  565  (G.  Schweinfurth) : 
Geogr.  Nachrichten  1896,  129  (T.);  Globus 
70,  31,  Deutsche  Rundschau  f.  Geogr.  u. 
Statistik  18,  518  (mit  P),  Deutsche  Geogr. 
Blätter  19,  165  (mit  W;  u.  Geogr.  Jahrb. 
20,  478  (W.  Wolkenhauer);  Leopoldina 
32,  94.  107;  Sitzungsber.  d.  Münch.  Akad. 
d.  VVissensch.,  math.-phys.  KI.,  1897,  450 
(C.  Voit);  Deutsche  Revue  21,  4,  iii 
(O.  Tippel,  Ein  ungedr.  Brief  v.  G.  R. 
üb.  Kolonialpolitik);  Geographica!  Jourjial 
8,  2.  —  W  auch  KL  1896,  1052;  Poggen- 
dorflf  III,  II 36;  Cat.  Roy.  Soc.  5,  258. 
8,  770.  II,  208.  —  P  auch  Deutscher 
Hausschatz  22  Beil.  54. 

*Rüdinger,  Nikolaus,  Anatom  u.  Anthro- 
polog; s.  Sp.  127*. 

^Schadenberg,  Alexander,  Philippinen- 
forscher;  s.  Sp.  84*  u.  93*. 

*Seelstrang,  Arthur  v.,  Mathematiker  u. 
Geograph:  s.  Sp.  87*. 

^Simony,  Friedrich,  Alpenforscher;  s. 
Sp.  94*. 

Wemich,  Agathon,  Reg,'  u.  Medizinal- 
Rath,  Forscher  auf  d.  Gebiete  d.  medizin.- 
geograph.  Pathologie;  s.  Sp.   I29*. 

Wichmann,  Ernst  Heinrich,  Hauptlehrer  in 
Hamburg,  Geograph,  bes.  Schulschrift- 
steller, •  zu  Hamburg  7.  IV.  23;  f  zu 
Dresden  11.  III.  —  L  Ztschr.  f.  Schul- 
geogr.  1896,  219;  Mittheilungen  d.  Ver. 
f.  hamburg.  Gesch.  6,  3,  405;  Geogr. 
Jahrb.  20,  484  ( W.  Wolkenhauer,  mit  W) ; 
Schröder,  Hamburg.  Schriftstellerlex.  8, 
III.  —  AM. 


XVI.    Sprachforscher,  Philologen,  Litterarhistoriker. 


*  Appell,  J,  Wilhelm,  Litterarhistoriker, 
früher  Bibliothekar  am  South  Kensington 
Museum  in  London,  *  zu  Offenbach  a.  M. 
17.  IV.  29;  f  zu  London  8.  L:  s.  BJ  I, 
3.  —  L  BJ  II,  2  *;  Goethejahrb.  18, 
302  (L.  G.[eiger]).  —  W  KL  1896,  22. 

Bergenroth,  Julius,  Dr.  phil.,  Gymn.-Ober- 
lehrer  a.  D.,  als  solcher  u.  als  Stadtver- 
ordnetenvorsteher bis  I.  X.  1883  in  Thom, 
Ehrenbürger  d.  Stadt  Thorn,  1871  —  85 
Vertreter  d.  W^ahlbezirks  Thorn-Kulm  im 
preuss.  Abgeordnetenhause  (Fortschritt), 
*  zu  Marggrabowa  10.  VL  17;  f  zu  Berlin 
24.  II.  —  L  111.  Ztg.  106,  277.  —  AM. 

Bollensen,  Friedrich,  Prof.,  Sanskritist,  * 
zu  Rossdorf  12.L  1809,  f  zu  Wiesbaden  29. 
IL  —  L  Deutsche  Ztschr.  f.  Geschichts- 
wissensch.   N.  F.    i:   Monatsbll.  59;   Bei- 

Biogr.  Jahrb.  a.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd. 


träge  z.  Kunde  d.  indogerman.  Sprachen 
24i  173  (W.  Neisser). 
^Brunnemann,  Karl,  Dr.  phil.,  Realgym- 
nasialdirector  a.  D.,  Philolog,  Historiker, 
Litterarhistoriker,  ♦  zu  Berlin  17.  X.  23; 
t  2U  Dürkheim  a.  H.  26.  IX.:  s.  BJ  I,  44. 

—  L  BJ  II,  6  •;  Hinrichsen»  81  (mit  W). 

—  W  auch  KL  1896,   161. 

Buresch,  Karl,  Dr.  phil.,  Privatdozent  f. 
klass.  Philologie  an  d.  Univ.  Leipzig,  ♦ 
zu  Hannover  28.  VIII.  62 :  f  zu  Athen  10.  HI. 

—  L  Deutsche  Ztschr.  f.  Geschichtswis- 
sensch.  N.  F.  i :  Monatsbll.  32:  O.  Ribbeck 
in:  K.  Buresch,  Aus  Lydien.  Leipzig  1898. 
S.  IV  (=  O.  Ribbeck,  Reden  und  Vor- 
träge. Leipzig  1899.  S.  268,  mitW).  — 
W  auch  Kukula  104.  Suppl.  39. 

♦Curtius,  Ernst,  Dr.  phil,,  Geh.  Reg.-Rath, 

d 


99' 


Todtenliste  1896:    XVI.  Sprachforscher,  Philologen,  Litterarhistoriker.         lOO* 


ordentl.  Prof.  f.  klass.  ArchKologie  an  d. 
Univ.  Berlin,   •   zu  Lübeck   2.  IX.  14;  f 
zu   Berlin  11.  VII.:  s.  BJ  I,  56.  —  L  BJ 
I,  56  *.   II,  7  •;    111.  Ztg.    IÖ7,   loi    (mit 
P) ;  Hinrichsen  «  104  (mit  W) :  Pökel,  Phi- 
lolog.  Schriftstellerlex.   55   (mitW);   Eck- 
stein, Nomenclator  philologorum  108 :  Born- 
müller, Biogr.  Schriftstellerlex.  1 57  (mit W) : 
Gubernatis  II,  748  (mit  W);  Nord  u.  Süd 
36,  51  (G.  Hirschfeld,  mit  P);  Gegenwart 
50,   119  (Kekule);  Geogr.  Jahrb.  20,  467 
(W.   Wolkenhauer);    Deutsche   Revue   22, 
2i  329.  3,  87.  234  (H.  Geizer):  Deutsche 
Bauztg.  1896,  363;  D.  humanist.  Gymna- 
sium   1896,    157    (G.    Uhlig):    American 
Journal  of  Philology  19,  121  (R.  P.  Keep); 
Berliner  Philolog.  Wochenschrift  1898  Nr. 
I;  *Ear{a  1895,  132;  Nation  1896  Nr.  42, 
632   (S.  Mekler);    Revue    de   1'    Univ.    de 
BruxcUes  2  Nr.  1  (W.  Vollgraff) ;  Atti  della 
R.  Accad.  di  Scienze  di  Torino  32,  i,  70 
(E.  Ferrero);  Üeber  Land  u.  Meer  38  Nr.  44 
(Fr.  Colberg,  mit  P);  Deutsches  Wochen- 
blatt 9  Nr.  30  (E.  Dryander.  Gedächtnis- 
rede); Acad.  Revue  1896,  657  (Fr.  Koepp); 
Deutscher  Hausschatz  22,  Beil.  64  (mit  P); 
Dove,     Ausgew.     Schriftchen     vornehml. 
histor.  Inhalts.  Leipzig  1898.  S.  403.  —  W 
auch  Kukula   125.  Suppl.  46;  KL    1896, 
205;    Nachrichten    aus    d.    Buchh.    1894 
Nr.  31,  269. 

Dühr,  August,  Dr.  phil.,  Gymn.-Prof.  u. 
Konrektor  a.  D.,  klass.  Philolog,  Litterar- 
historiker u.  Dichter,  Uebersetzer  aus  dem 
Deutschen  ins  Griechische  (u.  A.  von 
Goethes  »Hermann  u.  Dorothea«),  *  zu 
Stargard  10.  IV.  i8o6;  f  zu  Friedland 
in  Mecklenb.  7.  IX.  —  L  III.  Ztg.  107, 
337.  -  W  KL  1896,  251. 

Dttmmler,  Ferdinand,  Dr.  phil.,  ordentl. 
Prof.  f.  klass.  Philologie  an  d.  Univ.  Basel, 

•  zu  Halle  a.  d.  S.  10.  II.  58;  f  zu  Basel 
15.  XI.  —  L  BJ  I,  57  ♦;  Deutsche  Ztschr. 
f.  Geschichtswissensch.  N.  F.  i :  Monatsbll. 
284.  —  W  Kukula  152.  Suppl.  57;  KL 
1896,  252. 

•Eye,  August  von,  Dr.  phil.,  Novellist, 
Aesthetiker,    Kunst-   u.   Litterarhistoriker, 

♦  zu  Fürstenau  24.  V.  25:  "j*  zu  Nordhausen 

10.  (oder  13?)  I.:  s.  BJ  1,  254.  —  L  BJ 

11,  10  ♦;  Hinrichsen»  146  (mit  W);  BrUm- 
mcr*  I,  338  (mit  W).  4,  441.  —  W  auch 
KL  96,  301 ;  Nachrichten  aus  d.  Buchh. 
1896,  170. 

«Götzinger,  Ernst,  Dr.  phil.,  Prof.  f. 
deutsche  Sprache  u.  Geogr.  an  d.  Kantons- 
schule  zu  St.  Gallen,  Germanist  u.  Histo- 
riker, ♦  zu  Schaflfhausen  23.  IX.  37;  f  zu 
St.  Gallen  10.  VIII.:  s.  BJ  I,  231.  —  L 
BJ  II,  15  •;  Deutsche  Ztschr.  f.  Geschichts- 


wissensch. N.  F.  I :  Monatsbll.  256.  —  W 
auch  KL  1896,  405. 
Grossmann,  Georg,  Gymn.-Rektor  zu  Bay- 
reuth; s.  Abth.  XXII. 
*Humann,  Karl,  Dr.  phil.,  Geh.  Reg.-Rath, 
Direktor  an  d.  Berliner  Museen,  Architekt 
u.  Arcbäolog,  *  zu  Steele  (Rheinprov.)  4. 
^'  39«  t  zu  Sroyma  12.  IV.:  s.  BJ  I,  369. 
—   L  BJ    II,    20  •;   111.   Ztg.    106,   498; 
Neue  Heidelberger  Jahrbb.  7,  121  (F.  Duhn): 
Jahrb.  d.  k.  preuss.  Kunstsammlungen  17, 
157  (R.  Schöne);  Deutsche  Bauztg.  1896, 
204.    210  (R.   Bohn);    Geogr.  Jahrb.    20, 
471.   —   W  Nachrichten    aus    d.    Buchh. 
1896  No.  86,  736.  —  P  Hl.  Ztg.  106,  497. 
^Laistner,    Ludwig,    Dr.    phil.,    Litterar. 
Beirath     d.     Verlagsbuchhandlung    Cotta 
Nachf.,  Dichter,  Litterarhistoriker  u.  My- 
tholog,  •   zu  Esslingen   3.  XI.   45;  f  zu 
Stuttgart  22.  III.:  s.  BJ  I,  142.    —  L  BJ 
II,  24*;  Hinrichsen»  337  (mit  W);  Brum- 
mer* 2,  367    (mit  W).  4,   447;   Jahresbe- 
richte f.   neuere   deutsche  Litteraturgesch. 
7,  I,  2,  50.  51;  Anzeiger  f.  deutsches  AI- 
terth.    u.    deutsche   Litt   22,   336.    —   W 
auch  KL  1896,  719. 
Miclck,  Wilhelm  Hildemar,  Dr.  phil..  Vor- 
stand d.  Vereins  f.  niederd.  Sprachforschung, 
•  17.    X.  40;  t  zu   Hamburg    16.   III.  — 
L   Mittheilungen  d.  Museumsver.  in  Ham- 
burg   1896    Nr.   II,    169;    Mittheilungen 
d.   Ver.   f.    Hamburg.   Gesch.    6,    3,   405; 
Korrespondeozbl.   d.    Vereins   f.    niederd. 
Sprachf.  18,  49  (A.  Reiflferscheid);  Jahrb. 
d.    Ver.    f.    niederd.    Sprachf.    21,    i    (C. 
Walther,   mit  W  u.  P);  Jahresberichte  f. 
neuere   deutsche  Litteraturgesch.    7,   I,   2, 
48.  49;   Anzeiger  f.  deutsches  Alterth.    u. 
deutsche  Litt.  22,  336. 
*Ofterdinger,    Ludwig,    Mathematiker    u. 

Litterarhistoriker;  s.  Sp.  87*. 
^Roquette,  Otto,  Dr.  phil..  Geh.  Hofrath, 
ordentl.  Prof.  f.  Gesch.  u.  Litt,  an  d.  Techn. 
Hochsch.  in  Darmstadt,  *  zu  Krotoschin 
19.  IV.  24;  f  zu  Darmstadt  18.  III.:  s. 
BJ  I,  139.  -.  L  BJ  II,  37  •;  111.  Ztg. 
106,  369  (L.  Salomon);  Brummer*  3,  343 
(mit  W).  4,  452;  Hinrichsen  >  528  (mit  W); 
Bornmüller,  Biogr.  Schriftstellerlex.  608 
(mit  W);  Goethejahrb.  18,  294  (L.  G.[ei. 
ger]).  —  W  auch  Kukula  763.  Suppl.  207 ; 
Nachrichten  aus  d.  Buchh.  1896  No.  67, 
566;  Othmer*,  451 ;  KL  1896,  1056.  — 
P  111.  Ztg.  106,  369  (nach  Photogr.). 
Rost,  Rein  hold,  Dr.  phil,  Orientalist,  • 
zu  Eisenberg  in  Sachsen-Altenburg  2.  II. 
22;  t  zu  Canterbury  7.  (8?)  II.  —  Stud. 
in  Jena;  1847  Dr.  phil.;  seit  1848  in  Eng- 
land Lehrer  d.  oriental.  Sprachen,  nach 
einigen  Jahren  Lektor  am  St.  Augustine's 
College  in  Canterbury  u.  Sekretär  d.  Royal 


ioi*    Todtenl.  1896:  XVI.  Sprachforscb.,Pbilol.,Litterarhi8t.  XVII.  Geschichtsforsch.    102* 


.  Asiatic  Society;  1869—93  Bibliothekar  d. 
Indischen  Amts;  seitdem  im  Ruhestand. 
—  L  BJ  II,  37  ♦;  Globus  69,  179  (W. 
W.[olkenhauer]) ;  Deutsche  Ztschr.  f.  Ge- 
schichtswissenscb.  N.  F.  i :  Monatsbll.  60; 
Mittheilungen  d.  Gesch.- Ver.  v.  Eisenberg. 
12,  I  (O.  Weise):  Oriental.  Bibliographie 
10,  7.  154  (Asiatic  Quarterly  Review  i, 
437;  Proceedings  of  the  Asintic  Society 
of  Bengal  1896,  50;  Athenaeum  1896, 
Febr.  15,  218;  Academy  49,  140;  Sitzungs- 
ber.  d.  Münch.  Akad.  d.  Wissensch.,  phi- 
los.-phiIoI.-hist.  Kl.,  1896, 1 52  (W.  v.Christ) ; 
Mttnch.  Neueste  Nachr.  1896,  75  ([R.] 
S.[iroon]):  Journal  of  the  Royal  Asiatic 
Society  1896,  367;  Ztschr.  f.  afrikan.  u. 
ozean.    Sprachen   2,   288;  T*oung  Pao  7, 

.    175  (H.  C.[ordier])). 

^Rudolph,  Wilhelm,  Oberlehrer  a.D.  an 
d.  Luisenschule  zu  Berlin,  Pädagog  u. 
Litterarhistoriker ;  s.  Abth.  XXII. 

Sabell,  Eduard  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Journalist 
u.  Litterarbistoriker:  s.  Abth.  XXIIT. 

Sauer,  Karl  Marquard  (Pseudon. :  M.  A 1 1  a  n  d), 
Dr.  phil.,  Reg.-Rath,  Neuphilologu.  Dichter, 
*  zu  Mainz  18.  I.  27;  -f-  zu  Freiberg  i.  S. 
4.  IV.  — i^ach  absolviertem  Gymn.  sofort 
Lehrer  d.  französ.  u.  italien.  Sprache  an 
einem  Privatinstitut  in  Frankfurt  a.  M., 
1850  in  Wien;  2 jähr.  Aufenthalt  in  Italien; 
1857  Lehrer  an  d.  Handelsschule  in  Leipzig; 
1863  Prof.  an  d.  Handelsakad.  zu  Prag; 
1876  Direktor  d.  italien.  Handelshochschule 
(Fondazione   Rivoltella)    in   Triest;    1885 


k.  k.  Reg.-Rath;  1894  Ruhestand.  —  L 
BornmUller,  Biogr.  Schriftstellerlex.  633 
(mit  W);  Brummer*  3,  389  (mit  W).  4, 
453-  —  W  auch  KL  1896,  1086. 

^Schmelzkopf,  Eduard,  Philolog  u.  Dichter, 
*  zu  Saalsdorf  (Braunschweig)  23.  VI.  14; 
f  zu  Bevem  18.  V.:  s.  BJ  I,  405.  —  L 
BJ  II,  38  •. 

*Staub,  Fritz,  Dr.  phil.  h.  c,  Germanist 
u.  Lexikograph,  *  zu  MMnnedorf  am  Zürich- 
see 30.  III.  26:  f  zu  Zürich  3.  VIII.:  s. 
BJ  I,   235.  —  L  BJ  II,  40  \ 

•Stickel,  Johann  Gustav,  Dr.  theol.  et 
phil.,  Geheimrath,  ordentl.  Prof.  f.  morgen- 
länd.  Sprachen  u.  Litteratur  an  d.  Univ. 
Jena,  Orientalist  u.  Numismatiker,  *  zu 
Eisenach  18.  VII.  180$;  f  zu  Jena  21. 1.: 
s.  BJ  I,  292.  —  L  BJ  II,  41  ♦;  Allg.  Ztg. 
1896  Beil.  17  u.  28  (R.  Fritzsche);  Numis- 
mat.  Ztschr.  27,  213;  Prot.  Kirchenztg. 
1896,  89  (Grabrede  Hilgenfelds)  u.  145 
(Siegfried);  Deutsche  Ztschr.  f.  Geschichts- 
wissensch.  N.  F.  i :  Monatsbll.  32 ;  Oriental. 
Bibliogr.  10,  7.  154.  —  W  Kukula  898. 
—  P  111.  Ztg.  Nr.  2725  (21.  IX.  1895). 

^Strehlke,  Friedrich,  Dr.  pbiL,  Gymn.- 
Director  a.  D.,  Litterarbistoriker,  '*  zuDan- 
zig  8.  III.  25;  f  zu  Charlottcnburg  i.  IL: 
s.  BJ  I,  319.  —  L  BJ  II,  41  ♦.  —  W 
KL  1896,  1265. 

Unger,  Theodor,  Adjunkt  am  Steiermark. 
Landesarchiv  in  Graz,  Sprachforscher  u. 
Numismatiker;  s.  Abth.  XXV. 


XVII.     Geschichtsforscher*). 


Anemüller, Bernhard,  Archivrath,  thüring. 
Lpkalhistoriker;  s.  Abth.  XXV. 

Bergfeld,  Karl,  Geheimrath,  thüring.  Lokal- 
historiker; s.  Sp.  27*. 

Borch,  Leopold  Freih.  v.,  ♦  zu  Güsen  b. 
Magdeburg  7.  VI.  28 ;  f  zu  Homburg  v.  d. 
H.  15.  X.  —  »Er  hatte  sich  erst  in  höheren 
Jahren  d.  Studium  zugewandt  u.  hat  dann 
seit  Ende  d.  70er  Jahre  eine  grosse  Anzahl 
von  Schriften  z.  Verf.-  u.  Rechtsgesch., 
namentl.  d.  deutschen  Mittelalters,  publi- 
ziit,  die  jedoch  meist  einen  dilettantischen 
Zug  nicht  zu  verleugnen  vermochten.«  — 
L  Histor.  Ztschr.  78,  377;  KL  1896,  130 
u.  1897,  138  (mit  W);  Keiter  5,  21  (mit 
W).  262. 

^Brückner,  Alexander,  Dr.  phil,  Kaiserl. 
russ.  Wirkl.  Staatsrath,  ordentl.  Prof.  f. 
Geschichte  i.  R.,  *  zu  St.  Petersburg  5.  VIII. 


34;  t  zu  Jena  i6.  XI.:  s.  BJ  I,  36.  —  L 
BJ  II,  6  ♦;  Gubematis  I,  1424  (mit  W); 
Deutsche  Ztschr.  f.  Geschichtswissensch. 
N.  F.  I :  Monatsbl.  376;  A.  Lariviere,  A.  B. 
Sa  vie,  son  oeuvre.  Paris  1897  (vgl.  Deutsche 
Litteraturztg.  18,  1543);  Histor.  Ztschr.  78, 
377.  —  W  auch  Kukula  87.  Suppl.  33. 

*Bruimemann,  Karl,  Realgymn.-Dir.  a.  D., 
Philolog,  Litteraturforscher  u.  Historiker; 
s.  Sp.  98*. 

*Curtius,  Ernst,  Philolog,  Archäolog  u. 
Historiker;  s.  Sp.  98*. 

Dondorff,  Karl  Hellmuth,  früher  Prof.  am 
Joachimsthalschen  Gymn.  in  Berlin,  *  zu 
Bauer  b.  Greifswald  28.  I.  33 ;  f  ^^  Gör- 
litz 18.  XI.  —  L  Progr.  d.  Joachimsthal- 
schen Gymn.  1899.  —  AM. 

•d'Elvert,  Christian,  Politiker  u.  Histo- 
riker; s.  Sp.  30*. 


•)  Die  Kirchenhistoriker  sind  unter  Abth.  XIX,  die  Kunsthistoriker  unter  Abth.  XXVIII 
aufgeführt. 

d* 


103' 


Todtenliste  1896:    XVIL  Geschichtsforscher. 


loV 


^Götzlüger,  Ernst,  Germanist  u.  Historiker; 
s.  Sp.  99*. 

THelbig ,  Friedrich,  Landgerich  tsrath, 
Dichter  und  Kulturhistoriker;  s.  Sp.  119*. 

*Honegger,  Johann  Jakob,  Dr.  phil.,  Gymn.- 
Prof.,  Litterar-  u.  Kulturhistoriker,  *  zu 
Dürnten  b.  Rapperswyl  13.  VII.  25;  f  zu 
Zürich  5.  (od.  7.?)  XI.:  s.  BJ  I,  38.  —  L 
BJ  II,  20  ♦;  Gubernatis  2,  1202  (mit  W); 
Hinrichsen  '  269  (roitW);  Deutsche  Ztschr. 
f.  Geschieh tswissensch.  N.  F.  i :  Monatsbll. 
283;  Bornmüller,  Biogr.  Schriftstellerlex. 
346  (mit  W);  Brummer*  2,  198  (mit  W).  — 
W  auch  KL  1896,  555;  Börsen bl.  f.  d. 
Deutsch.  Buchh.  1896,  No.  269,  7752.  — 
P  111.  Ztg.  107,  630. 

Jacob,  Gottlieb  Ernst,  Hofrath,  früher 
prakt.  Arzt  in  Römhild,  thüring.-sächs. 
Lokalhistoriker,  *  zu  Themar  17.  IX.  26; 
f  zu  Bamberg  3.  VI.  -  L  lU.  Ztg.  106, 
791.  —  AM. 

^Köhler,  Gustav,  General-Lieut.  z.D.,  Verf. 
kriegsgeschichtl.  Werke;  s.  Sp.  52*. 

Krause,  Victor,  Dr.  phil.,  Mitarbeiter  an 
d.  Monumenta  Germaniae,  *  zu  Striegau 
in  Schlesien  16.  VIII.  65;  f  zu  Falkenstein 
im  Taunus  9.  III.  —  Erster  Schulunterricht 
auf  d.  höh.  Bürgerschule  seiner  Vaterstadt, 
dann  Besuch  d.  Gymnas.  zu  Oels  u.  Lieg- 
nitz;  1885  Uniy.-Stud.  in  Tübingen  u. 
Leipzig  unter  Leitung  W.  Arndts;  seit 
Mai  1889  Mitarbeiter  d.  Mon.  Germ.  b.  d. 
Abth.  Leges;  1895  in  Folge  Erkrankung 
nach  d.  Heilanstalt  Falkenstein.  —  L 
Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichtswissensch. 
N.  F.  i:  Monatsbll.  32  (mit  W);  Neues 
Archiv  d.  Gesellsch.  f.  ältere  deutsche 
Geschieh tsk.  21,  772  (H.  Bninner,  mit  W); 
Histor.  Ztschr.  76,  568. 

Mette,  Alexander,  Gymn.-Prof.  in  Dort- 
mund, Historiker  auf  d.  Geb.  d.  Landes- 
gesch.  d.  Rheinprovinz  u.  Westfalens, 
auch  Zeichner  humorist.  Darstellungen, 
•zu  Zerbst  18.  VI.  37;  f  zu  Dortmund 
20.  XI..  —  L  111.  Ztg.  107,  653;  Ztschr.  f. 
Geschichtswissensch.  N.  F.  i :  Monatsbll. 
376.  —  W  Die  Gegenreformation  in  Dort- 
mund, in:  Beiträge  z.  Gesch.  Dortmunds 
1875,  148;  Gesch.  d.  Gymn.  zu  Dormund 
1893.  —  AM. 

Meyer,  Heinrich,  Stadtrath  in  Stettin,  Ver- 
leger der  »Ostseeztg.«,  Schriftsteller  auf 
d.  Geb.  d.  Heimathskunde ;  s.  Abth.  XXIV. 

*Naud6,  Albert,  Dr.  phil.,  ordentlicher  Prof. 
f.  Geschichte  an  d.  Univ.  Marburg,  *  zu 
Jüterbogk  13.  XI.  58;  f  zu  Marburg  17.  XII.: 
s.  BJ  I,  42.  —  L  BJ  II.  32  •;  Deutsche 
Ztschr.  f.  Geschichtswissensch.  N.  F.  2 
(1897/8):  Monatsbll.  62  (M.  Immich).  — 
WKL  1896,891;  Kukttla645.  Suppl.  289. 

Saurma  von  der  Jeltsch,    Hugo,    Freih., 


Rittmeister  a.  D.,  schles.  Lokalhistoriker, 
Heraldiker  u.  Numismatiker;  s.  Sp.  54*. 

Schlieben,  Major  a.  D.,  Archäolog  auf  d. 
Gebiete  d.  nassau.  Gesch.;  s.  Sp.  54^. 

*Treitschke,  Heinrich  Gotthard  v.,  Dr. 
phil..  Geh.  Reg.-Rath,  ordentl.  Prof.  f. 
Gesch.  an  d.  Univ.  Berlin,  *  zu  Dresden 
15.  DC.  34;  t  ««  Berlin  28.  IV.:  s.  BJ  I, 
377.  —  L  BJ  I,  72  •.  II,  43  •;  Hinrich- 
sen 1  652  (mit  W);  Gubernatis  III,  1850 
(mit  W);  Brummer«  4,  217  (mit  W);  Bom- 
müller,  Biogr.  Schriftstellerlex.  726;  Biogr. 
Blätter  2 ,  427  (v.  Zwiedineck  -  Süden- 
hörst);  111.  Ztg.  106,  558  (K.  W.,  mit  P); 
AUg.  Ztg.  1896,  Nr.  186  Abendbl.  2 
(H.[eigei;D.  Beil.  132  (F.  Krüger,  H.  v.  T. 
als  akad.  Lehrer).  1897  Beil.  185  (G.  E., 
Litterarisches  u.  Litterarhistorisches  v.  T.). 
1898  Beil.  139  (K.  Th.  Heigel);  Deutsche 
Ztschr.  f.  Geschichtswissensch.  N.  F.  i: 
Monatsbll.  1,65.96  (E.  Marcks);  Mitthei- 
lungen d.  Gesellsch.  f.  Deutsche  Erziehungs- 
u.  Schulgesch.  7,  259  (St[ürenburg],  Aus 
H.v.T.'s  Schtllerzeit);  Reichsanzeiger  1896, 
2.  Mai  (G.  Schmoller);  Nationalztg.  1896, 
31.  Mai  (Frenzel);  Militärwochenbl.  1896, 
X 159;  Deutscher  Hausschatz  2^,  48  (mit  P); 
Velhagen  u.  Klasings  Monatshefte  1896, 
Aug.,  625  (Schiemann,  mit  P);  Neue  Hei- 
delb.  Jahrbb.  7,  17  (R.  du  Moulin-Eckardt, 
T.  u.  d.  Elsass);  English  Historical  Review 
12,  727  (J.W.Headlam);  Neue  Zeit  1895/96, 
2,  193;  Deutsche  Rundschau  1896,  i,  94 
(H.  Grimm);  Pttdagog.  Blätter  (T.'s  Urtheil 
üb.  Volks-  u.  Lehrerbildung);  Th.  Schie- 
mann, H.  V.  T.'s  Lehr-  u.  Wanderjahre. 
2.  Auü.  München  1898  (Histor.  Bibliothek 
I ;  mit  2  P) ;  H.  Eckerlin,  H.  v.  T.  Leipzig, 
1898  (Biograph  Volksbücher  ii — 16,  mit 
P);  W.  Dove,  Ausgew.  Schriftchen  histor. 
Inhalts.  Leipzig  1898,  S.  400.  —  W  auch 
KL  1896,  1299;  Kukula  935.  Suppl.  247; 
Nachrichten  aus  d.  Deutschen  Buchh.  1896, 
No.  107,  7844.  —  P  auch  BJ  I. 

Unger,  Theodor,  Adjunkt  am  Steiermark. 
Landesarchiv,  Numismatiker;  s. Abth. XXV. 

Waldmann,  Heinrich,  früher  Oberlehrer 
am  Gymn.  zu  Heitigenstadt,  Forscher  über 
Sprachen,  Sitten  u.  Gebräuche  d.  Eichs- 
felds, 1 848  im  Frankfurter  Parlament,  *  zu 
Niederorschel  28.  II.  ii;  f  zu  Heiligen- 
stadt 5.  I.  —  L  III.  Ztg.  106,  72;  Keiter 
4,  219.  —  AM.  • 

Weingärtner,  Joseph,  Kreisgerichtsdirektor 
a.  D.,  Westfill.  MUnzforscher;  s.  Sp.  129*. 

Wichmann,  Ernst  Heinrich,  Hauptlehrer  in 
Hamburg,  Pädagog,  Geograph  u.  Histo- 
riker; s.  Sp.  98*. 

*Wickede,  J  u  1  i  u  s  v.,  Rittmeister  a.  D.,  Verf. 
kriegsgeschichtl.  Werke;  s.  Sp.  56*, 

^Winkelmann,  Eduard,   Dr.  phil.  et  jur., 


I05*     Todtenl.  1896:  XVII.  Geschichtsf.  XVIII.  Volkswirthe u. Statist.  XIX.  Geistl.      iq6* 


Geh.  Hofrath,  ordentl.  Prof.  f.  Gesch.  an  d. 
Univ.  Heidelberg,  *  zu  Danzig  25.  VI.  38; 
f  zu  Heidelberg  in  der  Nacht  vom  9./ 10.  II. : 
s.  ßj  I,  40.  —  L  BJ  I,  77  •;  II,  54»;  Gu- 
bematis  III,  1933  ^™i*  W);  Bornmüller, 
Biogr.  Schriftstellerlex.  771  (mit  W);  Allg. 
D.  Biogr.  43,  435  (A.Winkelraann);  Ztschr. 
f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins  N.  F.  11,  331 
(F.  V.  Weech);  Neues  Archiv  d.  Gesellsch. 
f.  ältere  deutsche  Geschicbtsk.  21,  770  (E. 
Dttmmler);  111.  Ztg.   106,  219  (A.  Klein- 


schmidt, mit  P);  AUg.  Ztg.  1896  Beil.  48 
(£.  Heyck);  Sitzungsber.  d.  Gel.  Gesellsch. 
d  Ostseeprovinzen  1897,8  (H.v.Bruiningk); 
Sitzungsber.  d.  Kurland.  Gesellsch.  1897,  3. 
—  W  auch  KL  1896,  1409;  Kukula  1024. 
Suppl.  266;    Nachrichten    aus    d.   Buchh. 

1*96,  453-  591- 
Zillner,  Franz  Valentin,  Irrenanstaltsdirector, 
Begründer  d.  Gesellsch.  f.  salzburg.Landesk. 
tt.  Lokalhistoriker;  s.  Sp.  129*. 


XVm.    Volkswirthe  und  Statistiker. 


^Backliaus,  Wilhelm  Emanuel,  Dichter  u. 
socialpolit.  Schriftsteller;  s.  Abth.  XXIII. 

^Becker,  Karl,  Dr.  oecon.  publ.  h.  c,  Wirkl. 
Geh.  Oberreg. -Rath  a.  D.,  früher  erster 
Director  d.  Statist.  Amtes  f.  d.  Deutsche 
Reich,  *  zu  Strohausen  in  Oldenburg  2.  X. 
23;   f  zu   Charlottenburg  20.  VI.:   s.  BJ 

1,  12.  —  L  BJ  II,  3  ^;  Gubematis  I,  224 
(mit  W);  Handwörterb.  d.  Staatswissensch. 
V.  Conrad,  Elster  etc. ^  2,  348  (mit  W); 
Deutsche  Rundschau  f.  Geogr.  u.  Statistik 
20,  136;  111.  Ztg.  X07,  52  (mit  P);  Allg. 
Statist.  Archiv  5,  366  (P.  Kollmann). 

Bruder,  Adolf,  Dr.  phil.,  Bibliothekscustos, 
Nationalöconom ;  s.  XXV. 

*£ngel,  Ernst,  Geh.  Oberreg.-Rath,  bis  1882 
Director  d.  preuss.  Statist.  Bureaus,  *  zu 
Dresden  26.  III.  21;  f  zu  Radebeul  8.  XII.: 
s.  BJ  I,  221.  —  L  BJ  II,  10  •;  Gubematis 

2,  892  u.  Hinrichsen^  138  (mit  W);  Ar- 
beiterfreund 1896,  378;  Geogr.  Jahrb.  20, 
470  (W.  Wolkenhauer);  Ztschr.  d.  preuss. 
Statist.  Bureaus  1896,  231  (£.  Blenck); 
Handwörterb.  d.  Staatswissensch.^  3,  241 


(mit  W);  !"•  Ztg.  809  (mit  P);  Ztschr.  f. 
schweizer.  Statistik  1897,  131.  —  W  auch 
BörsenbL  f.  d.  Deutschen  Buchh.  1896 
No.  294,  8629.  —  P  auch  Deutsche  Rund- 
schau f.  Geogr.  und  Statistik  19,  280. 

Knapp,  Otto  V.,  Finanzdirector  a.  D.,  Direc- 
tor d.  Württemberg,  statist.  Landesamts; 
s.  Sp.  29*. 

Meyer,  Heinrich,  Stadtrath  u.  Verleger  in 
Stettin,  Schriftsteller  auf  d.  Geb.  d.  Hei- 
mathskunde  u.  Statistiker;  s.  Abth.  XXIV. 

*Sax,  Emanuel  Hans,  Dr.  jur.,ausserordentl. 
Prof.  f.  Nationalöconomie  an  d.  Hochschule 
f.  Bodencultur  in  Wien,  Nationalöconom. 
auch  Dichter,  *  zu  Mikultschitz  in  Mähren 
28.  II.  57;  t  *u  Meran  3.  VIL:  s.  BJ  I,  446. 
—  L  BJ  II,  38  •.  —  W  KL  1896,  io88; 
Kukula  791.    Suppl.  292. 

^Schumann,  Matthias,  Dr.  phil.,  Geh. Reg.- 
Rath  u.  Mitgl.  d.  Statist  Amtes  f.  d.  Deutsche 
Reich,  *  zu  Irxleben  b.  Magdeburg  1 4.  X.  51 ; 
f  zu  Berlin  12.  VI.:  s.  BJ  i,  147.  —  L 
BJ  II,  39  *. 


XIX.     Geistliche  und  Gottesgelahrte. 

I.    Katholiken. 


Ah,  Joseph  Ignaz  v.,  (Pseudon.  als  Dichter: 
Hartmann  v.  Bald  egg,  als  Publizist: 
Der  Weltüberblicker),  bischöfl.  Kom- 
missarius  d.  Kantons  Unterwaiden,  seit 
1867  Pfarrer  zu  Kerns  daselbst,  Hagiograph, 
Homiletiker,  Publizist,  Dichter,  *  zu  Sachsein 
in  Unterwaiden  15.  XII.  34;  f  zu  Kerns 
I.  IX.  —  L  BJ  II,  I  •;  111.  Ztg.  107,  308; 
Brummer*  i,  27  (mit  W).  —  W  auch 
Keitcr  4,  3;  KL  1896,  8. 

Bayer,  Pius,  Pater,  OSB,  Prior  d.  Stiftes 
Scheyem,  freircsign.  Prior  v.  Schäftlarn, 
Novizenmeister,  Spiritual  d.  Laienbrüder, 
•  zu  Forchheim  17.  III.  23;  f  zu  Scheyern 
23.  V.  —  L  Schematismus  d.  Geistlichkeit 


d.  Erzbisthums  München  u.  Freising  1896, 
loo.  1897,  213. 
Benda,  Franz,  Pater,  Provinzial  d.  Österreich. 
Piaristenordens,  Geistl.  Rath,  Religions- 
inspektor, Vizepräsident  d.  Wiener  Thier- 
schutzvereins ,  *  zu  Wien  30.  X.  27;  f 
daselbst  28.  V.  — .  26.  IX.  46  Eintritt  in 
d.  Piaristenorden;  25.  VII.  55  zum  Priester 
geweiht:  1855/56  bis  1861/62  Lehrer  an 
d.  Hauptschule  d.  Piaristen  zu  St.  Thekla 
auf  d.  Wieden,  1862 — 70  als  solcher  an 
d.  Hauptschule  in  d.  Josefstadt,  dann  als 
Direktor  derselben;  nach  Uebemahme  der 
Schulen  durch  die  Kommune  Wien  (1873) 
in  seinem  Amte  belassen;   26.  IV.  88  bis 


ro7' 


Tödtenliste  1896:     XIX.     Geistliche  und  Gottesgclahrte. 


108* 


zu  seinem  Tode  Vizepräsident  d.  Wiener 
Thierschutzver.  —  L  111.  Ztg.   106,  699. 

—  P  Photogr.  bei  R.  Jenik  in  Wien.  — 
AM. 

Bole,  Franz,  Gcistl.  Rath,  Prof.  d.  Theol. 
in  Briden,  Schriftsteller  auf  d.  Geb.  d. 
Liturgie,   Litteraturgesch.  u.  Kunstgesch., 

•  zu  Feldkirch  in  Vorarlberg  9.  X.  24; 
t  zu  Brixen  1$.  X.  —  L  Keiter  5,  21. 
262. 

^Brandner,  Franz,  Dr.  theol.,  Prof.  f.  höh. 
Exegese  am  Lyzeum  in  Salzburg,  *  zu 
Hallein  13.  II.  21 ;  f  zu  Salzburg  i.  I.: 
s.  BJ  I,  356.  —  L  BJ  II,  6  ♦. 

Brentano,  Karl  v.,  Prof.,  Priester  u.  Instituts- 
direktor a.  D.,  Benefiziat  in  München,  Volks- 
u.  Reiseschriftsteller,  Apologet,  •  zu  Augs- 
burg 28.  VIII.  17;  t  zu  München  16.  XI. 

—  L  Schematismus  .  .  .  München  1896, 
60.  1897,  213:  Keiter  5,  24  (mit  W).  262. 

—  W  auch  KL  1896,   149. 

Costa,  Joseph  Dominikus,  k.  Stiftskaplan, 
Kommorantpriester  in  Altötting,  vormals 
Stadtpfarrpredigerbei  Hl.  Geist  in  München, 
homilet.  Schriftsteller,  *  zu  Erding  16.  III. 
32 ;  t  zu  Altötting  31. 1.  —  L  Schematismus 
.  .  .  München  1896,  99.  1897,  213;  Sche- 
matismus .  . .  Passau  1896,  48.  71.  1897, 
164;  Keiter  4,  27  (mit  W).    5,  262, 

^Dengler,  Georg,  Geistl.  Rath  u.  Domvikar 
in  Regensburg,  Autorität  auf  d.  Geb.  kirchl. 
Kunst,  auch  Lustspieldichter,  *  zu  München 
31.  XII.  39;  f  zu  Regensburg  8.  VI.:  s. 
BJ  I.  399-  —  L  BJ  II,  8  *:  Deutscher  Haus- 
schatz 22  Beil.  56.  —  W  Keiter  4,  31. 

Erb,  Domkapitular  in  Fulda;  f  zu  Fulda  18. 

IV.  —  L  III.  Ztg.  106,  505. 

Fritz,  Ludwig,  Pater,  homilet.  Schriftsteller, 

•  zu  Witzeisdorf  14.  V.  12;  f  zu  Straubing 
22.  VI.  —  L  Keiter  4,  50  (mit  W).  5,  263. 

Fuhg,  August,  Dr.  theol.,  Erzpriester  zu 
Heilsberg  in  Ostpr.,  Kanonist,  *  zu  Kla- 
kendorf.  Kr.  Rössel,  19.  VI.  43;  f  zu 
Heilsberg  3.  VIII.  —  L  Keiter  4,  51  (mit 
W).    5,  263.  —  W  auch  KL  1896,  366. 

Giersberg,  Heinrich  Hubert,  Pfarrer  u.  De- 
chant  zu  Bedburdyk,  Kr.  Grevenbroich, 
Verf.  V.  Schriften  z.  Provinzialgesch.  u. 
Gesch.  d.  christl.  Kunst,  *  zu  Köln  18. 
X.  14;  t  zu  Bedburdyk  12.  VI.  —  10.  IV. 
40  Priesterweihe;  Vikar  in  Braunweiler, 
danach  Pfarrer  in  Herchen  a.  d.  Sieg; 
1867  Pfarrer,   1872  Dechant  in  Bedburdyk. 

—  L  Keiter  4,  56  (mit  W).  5,  263.  — 
W  auch  KL  1896,  392.  —  AM. 

Gluns,  August  in,   Pater,   OSB,   Kapitular 

V.  St.  Bonifaz  in  München,  Prftfekt  d.  St. 
Nikolausanstalt  in  Andechs,  *  zu  Rottweil 
22.  XL  23:  f  zu  München  18.  VL  —  L 
Schematismus . . .  München  1896, 102.  1897, 

213- 


Gratze,  Pasch alis,  Frater,  Baumeister  d. 
Franziskaner,  Erbauer  cahlreichcr  Kirchen 
u.  Klöster  in  Rheinland,  Westphalen,  dem 
Eichsfeld  u.  a.  (z.  B.  von  Franziskaner- 
Kloster  u.  Kirche  in  Düsseldorf  1855,  in 
Aachen  1892,  auf  d.  Korb'schcn  Berge 
b.  Dingelstädt  1864,  65  u.  89,  auf  d. 
Hülfensberge  1890/91;  von  Kirchen  zu 
Treffurt  1869,  Effelder  1893,  Gerblinge- 
rode  1895);  im. Kriege  1870/71  lange  Zeit 
unter  den  Typhuskranken  wirkend  i  während 
d.  Kulturkampfs  Schlossverwalter  d.  Augen- 
arztes Dr.  Mooren  in  Düsseldorf;  *  zu 
Werden  a.  d.  Ruhr  27.  XI.  19;  f  zu 
Dingelstädt  30.  IV.  —  LEichsfcldcr Marien- 
kalender 1897,  HO  (mit  P).  —  AM  d. 
Herrn  P.  Fidelis  Roersch,  OM,  zu  Dingel- 
städt. 

*Grimm,  Joseph,  Dr.,  Geistl.  Rath,  ordentl. 
Prof.  f.  neutestamentl.  Exegese  an  d.  Univ. 
Würzburg,  *  zu  Freising  23.  I.  27;  +  zu 
Würzburg  i.  I.:  s.  BJ  I,  52.  --  L  BJ  II, 
16  •;  Schematismus  .  .  .  Würzburg  1896, 
9;  Holtzmann  u.  Zöpffel,  Lex.  d.  Theol.' 
379  (Zöpffel,  mit  W);  Deutscher  Haus- 
schatz 19,  37  (mit  P).  22,  23;  Keiter  4, 
60  (mit  W).  5,  263;  Schaff  and  Jackson, 
Enclopedia  of  living  divines.  New  York 
1887.  S.  86  (mit  W).  —  W  auch  Kukula 
282. 

Gröteken,  Heinrich,  Pfarrer  zu  Kirchherten, 
Reg.-Bez.  Köln,  Theolog  u.  dramat.  Dichter, 
♦  zu  Werden  a.  d.  Ruhr  31.  VIL  36;  f 
zu  Kirchherten  17.  X.  —  L  Brummer^  2, 
53  (mit  W);  Keiter  5,  70  (mit  W).   263. 

Gschwandner,  Sigmund  Mathias,  Pater, 
OSB,  Dr.  phil.,  Direktor  d.  SchottengA'mn. 
in  Wien,  Reg.-Rath,  Physiker,   Astronom 

'   u.  Philosoph;  s.  Sp.  86*. 

Haunschild,  Cölestin,  Pater,  Guardian  d. 
Franziskanerkonvents  bei  St.  Anna  in  Mün- 
chen, •  zu  Freising  19.  IV.  51;  f  zu  Mün- 
chen 6.  VI.  —  L  Schematismus  .  .  .  Mün- 
chen 1896,  106.  1897,  213. 

Hindelang,  Johann  Evangelist,  Dom- 
kapitular zu  Augsburg,  *  zu  Westerhcim 
b.  Memmingen  18.  II.  41 ;  f  zu  Augsburg 
20.  II.  —  L  Schematismus  .  .  .  Augsburg 
1897,  181.  259  (ausführl.  Nekrol.). 

*Hohenlohe-Schilling8fiirst,  Prinz  Gustav 
Adolf,  Kardinal;  s.  Sp.  10*. 

Höhl,  Leopold  (Pseudon.:  Hhoenanus), 
Pfarrer  zu  Ebern  in  d.  Rhön,  Geograph, 
Kulturhistoriker,  Lyriker,  *  zu  Oberertbal 
12.  XI.  44;  t  zu  Ebern  29.  II.  —  L  Keiter 
4,  79  (mit  W;.  5,  263.  —  W  auch  KL 
1896,  537. 

Hoerfarter,  Matthäus,  Dr.  theol.,  Dekan 
u.  Pfarrer,  «Schöpfer  d.  heutigen  Kuf- 
stein, Mitbegründer  d.  alpinen  Fremden- 
verkehrs in  Tirol,  Bahnbrecher  d.  Fröbel- 


I09 


* 


Todtenlistc  1896:    XIX.   Geistliche  und  Gottesgelahrte. 


HO' 


sehen  Kindergartens  in  Oesterrcich«,  ^  zu 
Kössen  b.  Kufstein  11.  IX.  17;  f  ru  Kuf- 
stein 23.  IV.  —LR.  Siewel,  Dr.  theol. 
Matth.  Hoerfarter.  Kufstein  1899  (™i^ 
P,  W  u.  L).  —  P  auch:  Büste  von  Bild- 
hauer N.  Pretzschner  in  d.  Anlagen  zu 
Kufstein.  —  PM  d.  Herrn  Verwalters 
A.  Schluifer  in  Kufstein. 
Klinckowström,  Max  v.,  Pater,  SJ,  einfluss- 
reicher  Kanzelredner  in  Wien,  *  daselbst 

21.  X.  19;  t  im  Jesuitenkollegium  Kalks- 
burg b.  Wien  29.  III.  —  L  Deutscher  Ilaus- 
scbatz  22,  Beil.,  43;  Schäfler,  Handlcx.  d. 
kath.  Theol.  2,  647. 

Liesen,  Heinrich  Hubert  Johannes  (Pseu- 
don.:  L.  Clemens),  Pfarrer  zu  Giesen- 
kirchen  b.  München-Gladbach ,  Sozial- 
pädagog,  *  zu  Köln  18.  XII.  40;  f  zu 
Giesenkirchen  3.  X.  —  L  Deutscher  Haus- 
scbatz  23,  109;  Keiter  4,  119  (mit  W). 
5.  263. 

Löwenstein-Wertheim-Rochefort  oder  -Ro- 
senberg,  Prinzessin  Marie,  Benediktinerin 
in  d.  Abtei  Ste.  Cecile  zu  Solesmes;  s. 
Sp.  12*. 

Meisloch,  Peter,  Dechant  u.  Ehrendomherr 
in  Barmen,  *  zu  Erkrath  2.  V.  12;  f  zu 
Barmen  4.  VI.  —  L  Deutscher  Hausschatz 

22,  Beil.,  56. 

Modlmayr ,  Joseph,  Klosterfrauenbeicht- 
vater u.  Religionslehrer  d.  Erziehungsin- 
stituts in  Frauenchiemsee,  Komponist,  ^ 
zu  Giggenhausen  b.  Massenhausen  in  Bayern 
28.  VIII.  58;  f  zu  Frauenchiemsee  4.  V. 
—  L  Schematismus  .  .  .  München  1896, 
22.  1897,  214;  Keiter  4,  136.  5,  263.  — 
W  in  den  Schematismen  .  .  .  München 
bis  1896. 

Mutzt,  Rupert,  OSB,  Abt  d.  Benediktiner 
Stiftes  Scheyern ,   Präses   d.  bayer.   Bene- 
diktiner-Kongregation, *  zu  Landshut  14. 
I.  34;  f  zu  Scheyern  2i.  V.  —  L  Schema- 
tismus .  .  .  München  1896,  icx>.  1897,  214. 

Orgler,  Flavian,  Pater,  OSFr,  k.  k.  Schul- 
rath,  Gymn.-Direktor,  Pädagog  u.  Förderer 
der  Kunst,  •  zu  Lienz  i.  XI.  25;  +  zu 
Hall  in  Tirol  lo.  I.  —  L  111.  Ztg.  106, 
164;  Gymn.-Progr.  Hall  1 895/96  (A.  Troger, 
mit  P,  W  u.  L).  —  AM. 

^Reindl,  Magnus  Anton,  Geistl.  Rath,  Dom- 
dekan in  Eichstätt,  seit  1882  Stadtpfarrer 
u.  Dekan  in  Günzburg  a.  D.,  seit  1892 
Domkapitular  u.  Dompfarrer,  bald  darauf 
Domdekan  zu  Eichstätt,  1881 — 96  Reichs- 
tagsabg.  f.  d.  Wahlkr.  Illertissen  u.  bayr. 
Landtagsabg.  f.  d.  7.  schwäb.  Wahlkr. 
Krumbach  (Centr.),  *  zu  Lauterschach, 
Bez.- Amt  Oberdorf  17.  XII.  32;  f  zu  Rosen- 
heim 7.  IV.:  s.  BJ  I,  219.  —  L  BJ  II, 
35  •;  Bayerland  7,  420  (mit  P);  Deutscher 
Hausschatz  19,  373  (mit  P).  22,  Beil.,  43; 


Reichstags-Handb.  9,  224:  Kürschner,  D. 
neue  Reichstag  1 893-- 98,  282  u.  D.  bayer. 
Landtag  1893—98,  160  (mit  P);  D.Deut- 
sche Reichstag  1893—98  (Leipz.,  Minde), 

53  (mit  P). 
Rolfus,  Hermann,  Dr.  theol.,  Geistl.  Rath, 
Pfarrer  in  Bühl  b.  Offenburg  in  Baden, 
Pädagog,  Jugendschriftsteller,  Profan-  u. 
Kirchenhistoriker,  •  zu  Freiburg  i.  B.  24. 
V.  21;  t  zu  Bühl  27.  X.  —  L  Keiter  4, 
167  (mit  W).  5,  264;  Ztschr.  f.  d.  Gesch. 
d.  Oberrheins  51,  552.  52,  502  (A.  Winckel- 
mann,  Bad.  Bibliogr.:  Augsburger  Postztg. 

1 896  Nr.  25 1 ;  Bad.  Beobachter  1 896  Nr.  248. 

1897  Beil.:  Sternen  u.  Blumen.  Nr.  i; 
Keller,  Trauerrede,  Offenburg  1896;  Frei- 
burger  Kathol.  Kirchenbl.  40,  713);  Schäfler, 
Handlex.  d.  kath.  Theol.  4,  60  (mit  W). 

*Roos,  Johannes  Christian,  Erzbischof  v. 
Freiburg  i.  B. ,  *  zu  Kamp  am  Rhein  28. 
IV.  28;  f  zu  Freiburg  i.  B.  22.  X.:  s.  BJ 
I,  398.  —  L  BJ  II,  37  *;  111.  Ztg.  io6, 
517  (F.  R.,  mit  P);  Ztschr.  f.  d.  Gesch. 
d.  Oberrheins  51,  552.  52,  502  (A.  Winckel- 
mann,  Bad.  Bibliogr.:  Bad.  Beobachter 
1896,  Nr.  242 — 47.  Beil.:  Sternen  u. Blumen 
Nr.  51 ;  Köln.  Volksztg.  1896  Nr.  722; 
Augsburger  Postztg.  1896  Nr.  245;  Deut- 
scher Hausschatz  23,  161  (mit  P);  Frei- 
burger KathoJ.  Kirchenbl.  41,  i :  Erinne- 
rungen an  R.;  Alte  u.  neue  Welt  1897, 
Heft  4);  Holtzmann  u.  Zöpffel,  Lex.  d. 
Theol. 3  929  (Zöpffel);  Schäfler,  Handlex. 
d.  kath.  Theol.  4,  88. 

Rothenfelder,  Alois,  Pfarrer  zu  Unteregg 
b.  Dirlewang  im  bayr.  Schwaben,  Sozial- 
schriftsteller,  •  zu  Mindelheim  22.  VI.  43; 
t  zu  Unteregg  9.  V.  —  L  Schematismus 
...Augsburg  1897,  182;  Keiter  4,  169 
(mit  W).  5,  264.  —  W  auch  KL  1896, 
1064. 

Schiffers,  Mathias  Joseph,  Dr.  theol., 
Pfarrrektor  v.  St.  Maria  zu  Aachen,  Bibel- 
forscher, verdient  um  d.  Palästinaverein, 
*  zu  Lontzen,  Rheinprov.,  31.  I.  49;  f  zu 
Aachen  7.  VI.  —  L  Keiter  4,  178  (mit 
W).  5,  264;  Deutscher  Hausschatz  22, 
Beil.,  56.  —  W  auch  KL  1896,  1108. 

Schill,  Andreas,  Dr.  theol.,  ausserordentl. 
Prof.  f.  Apologetik  an  d.  Univ.  u.  Direktor 
d.  erzbischöfi.  theolog.  Konvikts  zu  Frei- 
burg i.  B.,  *  zu  Siensbach  b.  Waldkirch 
in  Baden  9.  VI.  49;  f  zu  Freiburg  i.  B. 
9.  V.  —  L  Keiter  4,  178  (mit  W);  Deut- 
scher Hausschatz  22,  Beil.,  52;  Ztschr.  f. 
d.  Gesch.  d.  Oberrh.  51,  552  (A.  Winckel- 
mann,  Bad.  Bibliogr.:  K.  Mayer,  A.  Seh. 
Freib.  i.  B.  1896;  Köln.  Volksztg.  1896 
Nr.  331 ;  Bad.  Beobachter  1896  Nr.  108; 
Freiburger  Kathol.  Kirchenbl.  40,  321).  — 
W  auch  KL  1896,   1108   u.  Kukula  805. 


111 


Todtenliste  1896:    XDC.   Geistliche  und  Gottesgelalirte. 


I  12' 


Schott,  Anselm,  Pater,  OSB,  aus  der  Beu- 
roner  Kongregation,  liturg.  Schriftsteller, 
•  zu  Staufeneck  in  WUrttemb.  5.  IX.  43; 
f  zu  Maria-Laach  23.  IV,  —  L  Deutscher 
Hausschatz  22,  Beil.,  47;  Keiter  4,  188 
(mit  W).    5,    264.  —  W  auch  KL    1896, 

"53. 

Soratroy,  Alexander,  Dompropst,  Direktor 
d.  Allg.  Geistl.  Raths,  Defensor  matrimonii 
u.  Prosynodalexaminator  zu  Augsburg,  * 
daselbst  28.  III.  23;  f  ebenda  28.  VI.  — 
L  Schematismus  .  .  .  Augsburg  1897,  257 
(ausfuhr!.  Nekrolog). 

Streber,  Hermann,  Dr.,  freiresign.  Pfarrer, 
Mitarbeiter  am  Freiburger  Kirchenlex.  v. 
Wetzer  u.  Weite,  ♦  zu  München  27.  IX. 
39;  t  zu  Bonn  9.  VIII.  —  L  Deutscher 
Hausschatz  23,  53;  Keiter  4,  207  (mit  W). 
5.  264. 

Timmermanii,  Hermann,  Priester,  Prof. 
am  Gymn.  Carolinum  in  Osnabrück, 
Mathematiker  u.  Phvsiker,  ♦  zu  Oster- 
cappeln  17.  V.  27;  f  zu  Osnabrück  22. 
III.  —  L  Keiter  4,  211  (mit  W).  5,  264. 

—  AM. 

Waldburg-Wolfegg- Waldsee,  Graf  A  u  g  u  s  t , 
Domkapitular  in  Rotten  bürg;   s.  Sp.   15*. 

Walter,  Anton,  Dr.  theol.  h.  c,  Geistl. 
Rath,  Prof.  f.  Religionslehre  am  Gymn. 
in  Landshut,  Verf.  musikgeschichtl.  u. 
liturg.  Werke,  *  zu  Haimhausen  in  Ober- 
bayern 15.  VI.  45;   f   zu  Landshut   i.  X. 

—  L  Schematismus  .  .  .  München  1896, 
26.  1897,  214;  Deutscher  Hausschatz  23, 
109;  Keiter  4,  219  (mit  W).  5,  264.  — 
W  auch  KL  1896,   1346. 

Wappmannfperger,  Leopold,  Ehrenkaplan 
d.  Basilika  vom  Hl.  Hause  in  Loreto, 
Kommorantpriester  in  München,  Kirchen- 
historiker, *  zu  Erding  12.  XI.  28;  f  zu 
München  14.  VII.  —  Schematismus  .  .  . 
München  1896,  60.  1897,  214;  Keiter  4, 
220  (mit  W).  5,  264.  —  W  auch  KL 
1896,  1350. 

Weickum,  Karl  Kranz,  Päpstl.  Hausprälat, 
Domdekan  zu  Freiburg  i.  B.,  theolog. 
Schriftsteller,  L)Tiker  u.  Dramatiker,  ♦  zu 
Boxberg  in  Baden   i.  VII.   15;  f  zu  Frei- 


burg i.  B.  20.  II.  —  L  Deutscher  Haus- 
schatz 21,  Beil.,  33  (mitP).  36;  Brüramcr* 

4,  229  (mit  W);   Keiter  4,  223  (mit  W). 

5,  264;  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins 
(A.  Winckelmann ,  Bad.  Bibliogr. :  Bad. 
Beobachter  1896  Nr.  44;  Freiburger  Kathol. 
Kirchenbl.  40,  147;  Köln.  Volksztg.  1896 
Nr.  122).  —  W  auch  KL  1896,  1363. 

Wengert,  Joseph,  Pfarrer  zu  Dirgenheim 
in  WUrttemb.,  seit  1893  Reichs tagsabg. 
f.  d.  13.  Württemb.  Wahlkr.  Aalen-Ell- 
wangen  (2^ntr.),  1873 — 91  Redakteur  des 
»Ipf«  u.  des  »Kathol.  Wochenbl.«,  •  zu 
Ellwangen  18.  II.  35:  f  zu  Dirgenheim 
28.  Vin.  —  L  Deutsches  Volksbl.  1896 
Nr.  197;  Deutscher  Hausschatz  23,  54; 
Reichstags-Handb.  1893,  254;  Kürschners 
Reichstag  1893,  320  (mit  P);  D.  Deutsche 
Reichstag  1893—98  (Leipz.,  Minde),  5s 
(mit  P). 

Wiesinger,  Albert,  Dr.  phil.,  Dechant  u. 
Pfarrer  v.  St.  Peter  sowie  Gemeinderath 
in  Wien,  klerikaler  Journalist,  Verf.  homilet. 
u.  kirchengeschichtl.  Schriften,  ♦  zu  Wien 
12.  VIII.  30;  t  daselbst  8.  X.  —  L  Brum- 
mer^ 4,  342;  Deutscher  Hausschatz  20, 
481  (mit  P).  23,  109;  III.  Ztg.  107,  460; 
Keiter  4,  229  (mit  W).  5,  264.  —  W  auch 
KL  1896,    1396. 

♦Will,  Karl  Petrus,  k.  sächs.  Hofkaplan, 
Präses  d.  kathol.  geistl.  Konsistoriums  in 
Dresden,  •  daselbst  8.  I.  22;  +  zu  Pillnitz 
24.  V.:  s.  BJ  I,  417-  —  L  BJ  II,  54 •. 

Wöhr,  Johann  (Pseudon.:  Hans  Wiesing), 
Domkapitular  in  Graz,  Volksschriftsteller, 
Prediger  u.  Dichter,  •  zu  Rottenmann  i.  XI. 
42 ;  f  zu  Graz  2.  III.  —  L  Keiter  4,  233 
(mit  W).  5,  264.  —  PM. 

Wolfgarten,  G  o  1 1  f  r  i  e  d ,  Pfarrer  zu  Elsdorf 
b.  Düren,  Verf.  v.  Predigten  u.  Volks- 
schriften, *  zu  Köln  II.  Vn.  36;  t  zu 
Elsdorf  14.  V.  —  L  u.  W  Keiter  4,  233. 
5,  264;  KL  1896,  1430. 

Ziereis,  Otto,  Pater,  OSB,  Kapitular  d. 
Stiftes  St.  Stephan  in  Augsburg,  ♦  zu 
Lichtenfels  15.  VI.  22;  f  zu  Augsburg 
5.  IV.  —  L  Schematismus  .  .  .  Augsburg 
1896,  168.  1897,   181. 


2.     Protestanten. 


*Bürkle,  Martin,  Deutschamerikaner,  Pastor 
u.  Volksschriftsteller,  auch  Dinlektdichter, 
*  zu  Plattenhardt  b.  Stuttgart  14.  II.  32; 
•f  auf  seinem  Gute  Stuttgart  in  Arkansas 
Anf.  IX.:  s.  BJ  I,  92.  —  L  BJ  II,  6*. 

Cronemeyer,  Heinrich  Eberhard,  »Pastor 
an  d.  vereinigten  evangel.  Gemeinde  zu 
Bremerhaven,  ein  organisatorisches  Talent 
auf  dem   Gebiete    gemeinnütziger   Bestre- 


bungen, Gründer  d.  Heimathskolonie  Fried- 
rich Wilhelmsdorf  im  Kr.  Geestemünde, 
warmherziger  Vertreter  d.  kircbl.  Libera- 
lismus, auch  tüchtiger  Kanzelrednerc,  *  auf 
d.  Riltergute  Hovedissen  24.  VII.  42;  f  zu 
Detmold  25.  VI.  —  PM.  d.  Herrn  P.  Sachau 
in  Bremerhaven. 
•Fritzsche,  Otto  Fridolin,  Dr.  phil.  et  D. 
theo].,  Ehrenbürger   d.  Stadt  Zürich,   or- 


"3 


Todtenliste  1896:    XIX.  Geistliche  und  Gottesgelahrte. 


114' 


dentl.  Prof.  (seit  seiner  Emeritirung  1893 
Orden tl.  Honorarprof.)  f.  Kircbengesch.  an 
d.  Univ.  u.  Oberbibliothekar  an  d.  Kantons- 
bibliothek daselbst,  *  zu  Dpbrilugk  23.  IX. 
12;  f  zu  Zürich  9.  III.:  s.  BJ  I,  441.  — 
L  BJ  I,  59*.  II.  13*;  Holtzmann  u.  Zöpffel, 
Lex.  d.  Theol.«  303  (Zöpffel,  mit  W); 
Deutsche  Ztschr.  f.  Geschichtswissenscb. 
N.  F.  I :  Monatsbll.  95 ;  Schäfler,  Handlex. 
d.  kath.  Theol.  2,  77;  Schaff  and  Jackson 
a.a.O.  73.  256;  Neue  ZUrcher  Ztg.  1896 
Nr.  73—75  u.  78  (wieder  abgedr.  in  Theol. 
Ztschr.  aus  der  Schweiz  1896,  108)  u. 
Realencyklopädie  f.  prot.  Theol.  und 
Kirche  6,  291  (Ryssel).  —  W  auch  KL 
1896,  360;  Kukula  234.  Suppl.  279.  — 
PM  d.  Herrn  Prof.  D.  P.  Schmiedel  in 
Zürich. 

♦Frommel,  Emil  Wilhelm,  D.  theol.,  k. 
preuss.  Oberkonsistorialrath  u.  Hofpredigeri 
Volksscbriftsteller,  *  zu  Karlsruhe  5.  I.  28; 
t  zu  Plön  9.  XI. :  s.  BJ  I,  108.  —  L  BJ 
I,  59*.  II,  14 ♦;  Brummer*  i,  399  (mit  W). 
4,  442;  Holtzmann  u.  Zöpffel,  Lex.  d. 
Theol.'«  305  (Zöpffel.  mit  W);  E.  From- 
mel, Aus  Lenz  u.  Herbst.  Erinnerungen. 
4.  Aufl.  Bremen  1897;  In  piam  Memoriam. 
Z.  Erinnerung  an  E.  F.  Berlin  1897  (mit 
P);  G.  Mayer,  E.  F.  als  christl.  Volks- 
schriftsteller. Bremen  1898;  111.  Ztg.  107, 
629  (mit  P);  Militar-Wochenbl.  81,  1091. 
2785;  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins 
5'»  553-  52|  502  (A.  Winckelmann,  Bad. 
Bibliogr.:  Bad.  Militär- Vereinsbl.  1896, 
404.  405;  AUg.  Ztg.  1896,  Nr.  31 1;  Bad. 
Presse  1896  Nr.  104);  Bornmüller  250  (mit 
W).  —  W  auch  KL  1896,  362. 

♦Georgii,  Ludwig  v.,  Dr.  phil.  et  D.  theol. 
h.  c,  Württemberg.  Prälat  u.  General- 
superintendent, Mitgl.  d.  Abg.-Kammer, 
Kirchenhistoriker  u.  Philosoph,  *  zu  Urach 
25.  IV.  10;  t  zu  Tübingen  18.  IIL:  s. 
BJ  I,  100.  —  L  BJ  II,  14 •. 

^Herzog,  Theodor,  Dekan  in  Reutlingen, 
landesherrl.  Mitgl.  d.  Württemberg.  Landes- 
synode, •  zu  Esslingen  24.  IL  46;  f  zu 
Reutlingen  10.  IV.:  s.  BJ  I,  443.  —  L 
BJ  II,  19*. 

Jentsch,  Heinrich  Adolph,  k.  Sachs.  Geh. 
Kirchenrath  u.  Oberkonsistorialrath  a.  D., 
Über  40  Jahre  lang  im  Dienste  d.  sächs. 
Landeskirche  u.  d.  Kirchenregiments  thätig, 
•  zu  Zittau  18.  V.  18;  t  'u  Dresden  8.  I. 
—  1845  Pfarrsubstitut,  1849  Pfarrer  in 
Kohren;  1868  Kirchen-  u.  Schulrath  bei 
d.  Kreisdirektion  Bautzen;  1874  Geh. 
Kirchenrath  bei  d.  Kreishauptmannschaft 
daselbst  als  Konsistorialbehörde;  1875 
Oberkonsistorialrath  im  ev.-luth.  Landes- 
konsist, zu  Dresden;  1888  emeritiert.  — 
L  111.  Ztg.   106,   172.  —  AM. 


*Kögel,  Rudolf,  D.  theol.  et  Dr.  phil., 
preuss.  Oberhofprediger  u.  Generalsuper- 
intendent, *  zu  Birnbaum  in  Posen  18.  II. 
29;  t  zu  Berlin  2.  VIL:  s.  BJ  I,  285.  — 
L  BJ  L  63*.  II,  23*;  111.  Ztg.  107,  52 
(F.  Kirchner,  mit  P);  Holtzmann  u.  Zöpffel, 
Lex.  d.  Theol.'  603  (Zöpffel,  mit  W); 
Stemmen  uit  de  Luthersche  Kerk  in  Neder- 
land  3,  25  (J.  Quandt);  Theol.  Jahresbe- 
richt 17,  399  (Hegler);  Hinrichsen*  311 
(mitW);  Schaff  and  Jackson  a.  a.  O.  S.  1 19 
(mit  W).  —  W  auch  KL  1896,  665. 

Kratzenstein,  Eduard,  D.  theol.,  Prediger 
u.  Missionsinspektor  in  Berlin,  *  zu  Qued- 
linburg 29,  X.  23;  t  *tt  Berlin  30.  IX.  — 
L  111.  Ztg.  107,  429;  W.  Kratzenstein, 
E.  K.  Ein  Lebensbild  f.  seine  Freunde. 
Magdeb.  1898;  Misstonsinspektor  D. 
Kratzenstein.  Erinnerungen.  Berl.,  Buchh. 
d.  Berl.  evang.  Missionsgesellsch.  —  AM. 

Mayr,  Johann  Andreas,  Pfarrer  in  Zimdorf 
b.  Fürth  i.  B.,  1861-089  als  Missionar  in 
Ostindien  (Madras,  Coimpatur,  Kuddur, 
Rancun)  thätig,  *  zu  Regensburg  20.  V. 
38;  t  zu  Zirndorf  19.  III.  —  L  111.  Ztg. 
106,  368.  —  PM  d.  Herrn  Pfarrvikar  Kilp- 
roann  in  Zirndorf. 

•Preger,  Johann  Wilhelm,  D.  theol.,  bayer. 
Oberkonsistorialrath,  Mitgl.  d.  Münchn. 
Akad.  d.  Wissensch.,  Kirchenhistoriker, 
♦  zu  Schweinfurt  25.  VIII.  27;  f  zu  Mün- 
chen 30.  I.:  s.  BJ  I,  444.  —  L  BJ  II, 
34*;  Holtzmann  u.  Zöpffel,  Lex.  d.  Theol.* 
867  (mit  W);  Gubernatis  2,  1634  (mit 
W);  Deutsche  Ztschr.  f.  Geschichtswis- 
senscb. N.  F.  i:  Monatsbll.  31;  Beiträge 
z.  bayer.  Kircbengesch.  2,  253  (Th.  Kolde); 
Bayerland  1896  Nr.  24,  Bl.  2  (mit  P); 
Allg.  Ztg.  1896  Beil.  Nr.  63  (C.  A.  Cor- 
nelius); AUg.  Ev.-luth.  Kirchenztg.  1896, 
198;  Theol.  Jahresbericht  16,  338  (Hegler); 
Schaff  and  Jackson  a.  a.  O.  S.  171.  264(mit 
W);  Schäfler,  Handlex.  d.  kath.  Theol.  3, 
745.  —  W  auch  KL  1896,  984;  Alm. 
d.  Münchn.  Akad.   1884,  393.    1890,   152. 

Przygode,  Albert,  Superintendent  a.  D., 
erster  Pfarrer  d.  Jakobi-Kirchengemeinde  in 
Berlin,  *  zu  Lobsens,  Reg.-Bez.  Bromberg, 
13.  XI.  40;  t  zu  Berlin  20.  V.  —  Gymn.- 
Besuch  zu  Krotoschin;  stud.  Ost.  1860  bis 
Mich.  1863  auf  d.  Univ.  Breslau;  1864 
erstes,  1866  zweites  Examen;  im  Feldzug 
1866  Lazarethgeistlicher;  1866/67  Pfarr- 
verweser in  Rösnitz:  1867  —  70  dritter 
Pastor  an  d.  Dreifaltigkeitskirche  in  Sagan; 
1870  Pfarrer  zu  Leobschütz,  daselbst  seit 
1874  Superintendent  u.  Kreisschulinspek- 
tor; 4.  IX.  1881  Einführung  als  Pfarrer 
an  St.  Jakobi  zu  Berlin.  —  AM. 

Rope,  Georg  Heinrich,  D.  theol.,  Haupt- 
pastor   an    St.   Jakobi    in   Hamburg,   Gc- 


115*       Todtcnliste  1896:    XIX.  Geistliche  u.  Gottesgelahrte.    XX.  Rechtsgelehrte.       116* 


lehrter  u.  Kanzelrcdner,  *  daselbst  a.  XIT. 
36;  f  ebenda  15.  XII.  —  Bes.  1843—55  d. 
Johanneum  zu  Hamburg;  stud.  1855 — 58 
in  Göttingen  u.  Erlangen;  17.  VI.  59 
Examen  in  Hamburg;  daselbst  2.  XI.  58 
Schulamtskandidat,  i86x  Hilfslehrer  am 
Johanneum;  20.  XII.  63  Pastor  an  St. 
Jakobi  (eingeführt  29.  I.  64);  20.  V.  83 
Hauptpastor.  —  L  Holtzmann  u.  Zöpffel, 
Lex.  d.  Theol.  3  (mit  W);  Broecker, 
O.  H.  R.,  D.  theol.,  Hauptpastor  zu  St. 
jakobi.  Versuch  einer  Biogr.  Hamburg  1879 
(mit  P).  —  W  auch  KL  1896,  X049.  — 
P  auch  als  Oelporträt  von  Frau  de  Boor 
in  d.  St.  Jakobikirche.  —  AM. 

Roth,  Gotthelf  Wilhelm  Leonhard,  Pfarrer 
zu  Stcinheid  im  Thüringer  Walde,  Men- 
schenfreund, der  in  seiner  Gemeinde  die 
Anfertigung  von  Christbaumschmuck  als 
Industrie  einführte  und  dessen  Absatz  selbst 
in  d.  Hand  nahm:  *  zu  Obernitz  b.  Saal- 
feld a.  d.  S.  I.  XII.  45;  f  zu  Steinheid 
12.  X.  —  L  III.  Ztg.  107,  489;  Dorfztg. 
1896  Okt.  —  AM. 

^Rüling,  Louis  Bernhard,  D.  theol.,  k.  säclis. 
Oberkonsistorialrath  u.  Hofprediger,  *  zu 
Oederan  i.  VIII.  22;  "f  zu  Dresden  12.  XI.: 
s.  BJ  I,  445. 

Schäffer,  Adolf,  Dr.,  1857—92  Pfarrer  in 
Kolmar,  1881  Präsident  d.  dortigen  Kon- 
sistoriums, 1889  geistl.  Inspektor  d.  Ober- 
elsass,  theolog.  Schriftsteller,  •  zu  Reitweiler 
im  Eis.  2.  XII.  26 ;  f  zu  Kolmar  Ende  XII. 
—  L  u.  W  Holtzmann  u.  Zöpffel,  Lex.  d. 
Theol.«  945  (Zöpffel). 

Staudinger,  Friedrich  Ernst  Heinrich, 
Kirchenrath  u.  Dekan  in  Grossgerau,  Senior 
d.  hess.  Landessynode,  *  zu  Thal-Itter 
7.   IV.    19;   f   zu   Grossgerau    I2.  IV.   — 


Eröffnete  8.  III.  35  eine  evangel.  Schule 
zu  Geresheim  am  Rhein  u.  pastorisirte  seit 
5.  V.  45  die  dortigen  Protestanten;  seit 
7.  V.  54  Pfarrer  in  Büttelbom  u.  Diakonus 
zu  Gross -Gerau,  seit  1875  Dekan.  —  L 
111.  Ztg.  106,  503.  —  AM. 
•Sturm,  Julius,  Geh.  Kirchenrath,  bis  1885 
Pfarrer  in  Köstritz  im  Reussischen,  Dichter, 
•  daselbst  21.  VII.  16;  f  zu  Leipzig  2.  V.: 
s.  BJ  I,  255.  —  L  BJ  I,  72*.  II,  42*;  "1- 
Ztg.  106,  609  (J.  Lohmeyer,  mit  P);  Holtz- 
mann u.  Zöpffel,  Lex.d.  Theol.'  992  (Holtz- 
mann, mit  W);  Brummer*  4,  177.  454 
(mit  W) ;  Hinrichsen »  635  (mit  W) ;  F.  Hoff- 
mann, J.  Sturm.  Hamburg  1898  (Samm- 
lung gemeinverständl.  wisscnschaftl.  Vor- 
träge. N.  F.  13,  643);  Bornmüller  700. 
—    W    auch    KL    1896,     1271;    Othmer 

579. 
*Trübenbacb,  Heinrich  August,  Pfarrer,  sächs. 

Lokalhistoriker,   *  zu  Mittweida   13.  XII. 

23;  f  zu  Dresden  18.  II.:  s.  6 J  I,  416.  — 

L  BJ  II,  43  *. 

Walcker,  v.,  Württemberg.  Prälat  u.  General- 
superintendent zu  Hall  i.  W.  u.  Mitgl.  d. 
II.  Kammer;  f  «u  Hall  i.  W.  i6.  (?)  IL  — 
L  III.  Ztg.  106,  248.  —  KA. 

♦Weber,  Robert,  Dr.,  Pfarrer,  Schulmann, 
Dichter,  Schriftsteller,  Redakteur,  ♦  zu 
Rapperswyl  5.  VIII.  24;  f  *"  Basel  7. XII.: 
s.  BJ  I,  191.  —  L  BJ  II,  44  •;  Brummer* 
4,  292    (mit  W).  —   L    auch    KL   1896, 

1358. 
Werth,    Theodor,    Pastor  zu   Schalke    in 

Westph. ,  Vorsitzender  d.  Gesammtvcr- 
bandes  evang.  Arbeitervereine  in  Deutsch- 
land, *  zu  Krakow  in  Pommern  15.  VI. 
44;  t  24.  I.  —  L  111.  Ztg.  106,  164.  — 
AM. 


3.     Altkatholiken. 


♦Reinkens,  Joseph  Hubert,  Dr.  theol.  et 
phil.,  Bischof  d.  deutschen  Altkatholiken, 
♦  zu  Burtscheid  b.  Aachen  i.  III.  21;  f  zu 
Bonn  4.  I.:  s.  BJ  I,  287.  —  L  BJ  I,  69  ♦. 
II I  35*»'  Holtzmann  u.  Zöpffel,  Lex.  d. 
Theol.  2  908  (Zöpffel,  mit  W);  Brummer  ^ 


3,  294;  Deutscher  Hausschatz  20,  23;  HL 
Ztg.  Nr.  1496,  12.  IIL  1872  (mit?).  —  W 
auch  KL  1896,  1019;  Revue  internationale 
de  theologie  1896,  518  (F.  Lauchert); 
Schäfler,  Handlex.  d.  kath.  Theol.  3,  920; 
Schaffand  Jackson  a.a.O.  S.  177. 


XX.    Rechtsgelehrte. 


♦Baer,  Karl,  Oberlandesgerichtsrath,  Par- 
lamentarier; s.  Sp.  33*. 

Bauck,  Rudolf,  Geh.  Justizrath,  Senats- 
präsident am  Kammergericht  in  Berlin, 
1886—  93  zugleich  richterl.  Mitgl.  d.  Reichs- 
versicherungsamtes, ♦zu  Stettin  5.  III.  25; 
t  zu  Berlin  10.  XI.  —  30.  III.  47  Eintritt 


in  d.  höh.  Justizdienst;  27.  X.  51  Gerichts- 
assessor; I.  IV.  53  Kreisrichter  in  Kolberg 
(6.  VH.  64  Kreisgerichtsrath) ;  13.  XII.  67 
Appellationsgerichtsrath  in  Marienwerder, 
I.  I.  78  in  Frankfurt  a.  O.;  seit  i.  X.  79 
Rath,  seit  1893  Senatspräsident  am  Kammer- 
gericht. —  L  111.  Ztg.  107,  621.  —  AM. 


ur 


Todtenliste  1896:    XX.  Reclitsgelchrtc. 


I8* 


♦Behaghel,  Wilhelm  Jakob,  Dr.  jur.,  Geh. 
Hofrath,  ordentl.  Prof.  f.  französ.  Zivil- 
recht, bad.  Landrecht,  Zivilprozess  u.  Straf- 
prozess  an  d,  Univ.  Freiburg  i.  Br.,  •  zu 
Elberfeld  25,  IV.  24;  f  zu  Freiburg  i.  Br. 
18.  V.:  s.  BJ  I,  391.  —  L  BJ  II,  3  •; 
Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrh.  51,  551 
(Winkelmann,  Bad.  Bibliogr.:  Bad.  Presse 

.  1 896  Nr.  1 24 ;  Bad.  Landesztg.  1 896  Nr.  1 1 7 
u.  ünterh.-BI.  Nr.  64;  Karlsruher  Ztg.  1896 
Nr.  234).  —  W  Kukula  37.  Suppl.  15; 
Nachr.  aus  d.  Buchh.  1896,  103 1. 

Bergmann,  Rcinhold  Robert,  Geh.  Ober- 
justizrath,  Präsident  d.  Landgerichts  in 
Neuruppin;  f  daselbst  8.  V.  —  AM. 

Berlin,  Samuel,  Dr.  jur.,  Hofrath  u.  Vor- 
stand d.  Gemeindekollegiums  in  Ansbach, 

•  n.  X.  1807;  f  zu  Fürth  i.  B.  21.  XIL 

—  PM. 

^Brause weiter,  Georg  Robert,  Direktor 
am  Landgericht  I  zu  Berlin,  •  auf  Ritter- 
gut Bendisen,  Kr.  Labiau,  31.  3.  36;  f  in 
einer  Nervenhcilanst.  b.  Berlin  18.  I.:  s. 
BJ  I,  270.  —  L  BJ  II,  6*;  111.  Ztg.  io6,  104. 

—  AM. 

*Brunnenmeister,  Emil,  Dr  jur.,  ordentl. 
Prof.  f.  Strafrecht  u.  Strafprozess  an  d. 
Univ.  Wien,  *  zu  Kreuzungen  am  Bodcn- 
sce  5.  V.  54;  f  zu  Wien  22.  I.:  s.  BJ  I, 
360.  -  L  BJ  II »  6  •.  >-  W  Nachr.  aus 
d.  Buchh.  1896,  211;  Kukula  93. 

*Buchka,  Hermann  v.,  Wirkl.  Geh.  Rath, 
1860  —  91  Vorstand  d.  mecklenburg- 
schwerin.  Justizministeriums;   s.  Sp.  21  •. 

Diez,  Heinrich  Ernst  Gustav,  Präsident 
d.  gemeinschaftl.  Landgerichts  in  Meinin- 
gen, ♦  zu  Sonneberg  9.  X.  31;  f  zu  Mei- 
ningen 23.  VI.  —  1858—63  Sekretär  beim 
Staatsministerium  in  Meiningen;  1863  —  72 
Assessor  beim  Kreisgericht  Saalfeld  (1869 
als  Kreisgerichtsrath);  1872 — 79  Appel- 
lationsgerich tsrath  in  Hildburghausen :  1879 
bis  81  Oberlandesgerichtsrath  in  Jena;  seit 
1881   Landgerichtspräsident  in  Meiningen. 

—  L  111.  Ztg.  107,  II.  —  AM. 
Eberhard,  Richard,  Geh.  Justizrath,  Ober- 
landesgerichtsrath   a.  D.,    Parlamentarier; 
s.  Sp.  43  *. 

^Franken,  Alexander,  Dr.  jur.,  ordentl. 
Prof.  für  deutsche  Rechtsgesch. ,  Zivil- 
prozess, Handels-  u.  Wcchselrecht  an  d. 
Universität  Jena,    Oberlandesgerichtsrath, 

•  1848;  f  zu  Jena  durch  Selbstmord  5. 
X.:  s.  BJ  I,  221.  —  L  BJ  II,  II*;  Jurist. 
Litteraturbl.  8,  215.  —  W  Kukula  220. 
Suppl.  74. 

*Geffcken,  Heinrich,  Dr.  jur.,  Geh.  Justiz- 
rath ;  s.  Sp.  20  *. 

*Gieschen,  Heinrich,  Dr.  jur.,  Rechtsan- 
walt, Parlamentarier;  s.  Sp.  35  *. 

•Glatzel,  Albert,    Wirkl.    Geh.    Oberreg.- 


Rath,Präsident  d.Oberlandcskulturgcrichts ; 

s.  Sp.  24*  (•  zu  Gleiwitz  25.VIII.J2).  —  PM. 

*Gineiin,  Ferdinand  v.,  Reichsgerichtsrath, 

•  zu  Esslingen  21.  V.  24;  f  zu  Freiburg 
i.  Br.  I.  V.:  s.  BJ  I,  220.  —  L  BJ  II,  14  •; 
Schwab.  Kronik  1896,  893. 

Graefe,  Eduard,  Geh.  Oberjustizrath,  Se- 
natspräsident am  Kammergericht  in  Berlin, 

*  daselbst  22.  V.  25;  f  zu  Klosters  i.  d. 
Schweiz  20.  VII.  —  29.  V.  45  Eintritt  in 
d.  hob.  Justizdienst;  1850  Gerichtsassessor, 
185 1  Kreisricbter;  1861  Stadtgerichtsrath, 
1868  Kammergerichtsrath  in  Berlin;  1879 
Hilfsrichter  beim  Reichsgericht  in  Leipzig; 
1882  Senatspräsident  beim  Oberlandes- 
gericht Naumburg  a.S.,  1888  beim  Kammer- 
gericht. —  L  111.  Ztg.  107,  125.  —  AM. 

Günther,  Wilhelm,  Geh.  Justizrath,  Erster 
Staatsanwalt  a.  D.  zu  Marburg,  Parlamen- 
tarier; s.  Sp.  43  *. 

^Hacker,  Gustav  v.,  Landgerichtspräsident, 
auch  Dichter,  ♦  zu  Stuttgart  9.  IX.  22;  f 
zu  Baden-Baden  14.  VI.:  s.  BJ  I,  95.  — 
L  BJ  II,  16  •. 

Hall,  Heinrich,  Oberlandesgerichtsrath 
a.  D.  in  Celle,  Parlamentarier;  s.  Sp.  35  *. 

Haslmayr  zu  Grassegg,  Vinccnz  Ritter  v., 
Dr.  jur.,  Senatspräsident  am  Obersten  Ge- 
richtshof zu  Wien,  ♦  zu  Kufstein  6.  XI. 
26;  f  zu  Abbazia  28.  VII.  —  Diente  in 
früheren  Jahren  bei  d.  Gerichtsbehörden 
d.  Küstenlandes  u.  in  Tirol;  in  d.  60er 
Jahren  Rath  beim  Handels-  u.  Seegericht 
in  Triest;  später  Oberstaatsanwalt  in  Inns- 
bruck, wo  er  auch  als  Vizepräsident  d. 
Staatsprüfungs  -  Kommission,  sowie  als 
Supplent  f. Strafrecht,  Straf- u.  Zivilprozess 
in  italien.  Sprache  an  d.  dortigen  Univ. 
fungirte;  1876  Oberstaatsanwalt  in  Triest 
mit  d.  Titel  eines  Hofraths;  4,  VII.  78 
Hofrath  beim  Obersten  Gerichtshofe  in 
Wien  u.  seit  1889  Senatspräsident  daselbst; 
ausserdem  Mitgl.  des  Reichsgerichts,  Prä- 
sident-Stellvertreter beim  obersten  GeßiUs- 
gericht,  erster  Vizepräsident  d.  judiziellen 
Staatsprüfungskommission ;  seit  April  1891 
Mitgl.  d.  östcrr.  Herrenhauses  (Verfass.- 
Partei).  —  L  Hahn,  Reichsraths-AImanach 
1891/2,  291. 

Heigelin,  v.,  bis  1887  Senatspräsident  am 
Oberlandesgericht  in  Stuttgart,  75  J.;  f 
2.  VIII.  —  KA. 

Heinze,  Karl  Friedrich  Rudolf,  Dr.  jur., 
Geh.  Hofrath,  ordentl.  Prof.  f.  Strafrecht, 
Strafprozess  u.  Kirchenrecht  an  d.  Univ. 
Heidelberg,  *  zu  Saalfeld  a.  S.  10.  IV.  25 ; 
t  zu  Heidelberg  18.  V.  —  1847  Eintritt 
in  d.  meiningischen  Justizdienst;  1856 
Stellvertreter  d.  Oberstaatsanwalts  f.  d. 
Kgr.  Sachsen;  1860  erster  Staatsanwalt 
am  Bezirksgericht  Dresden;   1865  ordentl. 


119' 


Todtenliste  1896:    XX.  Rechtsgelebrte. 


120' 


Prof.  f.  Strafrecht  an  d.  Univ.  Leipzig, 
1873  in  Heidelberg.  —  L  Brockbaus, 
Konv.-Lex.  **  8,1001  (mitW).  17,  555. — 
Wauch  KL  1896,  495;  Kuku]a33o;  Nachr. 
a.d.  Bacbb.  1896,  1023;  Gubernatis  2, 1160. 

*Heinzerling,  W  i  1  h  e  1  m  »Oberlandesgerichts- 
rath  a.  D ,  Lehrer  f.  Rechtswissenschaft 
u.  Volkswirthschaftslehre  an  d.  Techn. 
Hochsch.  in  Darmstadt,  ^  zu  Friedberg 
8.  X.  28;  t  2U  Darmstadt  3.  VI.:  s.  BJ 
I,  443.  —  L  BJ  II,  18  •;  KL  1896,  496. 
—  W  Kukula  332.  ~  AM. 

Heibig,  Friedrich,  Landgerichtsrath  a.  D., 
Dichter,  Mitarb.  an  d.  »Gartenlaube«,  * 
zu  Jena  1.  XII.  32;  f  daselbst  8.  VIII.  — 
Besuch  d.  Gymn.  in  Weimar,  1852 — 55 
d.  Univ.  Jena  u.  Heidelberg:  nach  vor- 
übergehender Verwaltung  eines  Bürger- 
meisteramts in  einer  kleinen  Stadt  Sekre- 
tär bei  d.  Kreisdirektion  zu  Dermbach  in 
Weimar.  Staatsdienst;  darauf  Amtsassessor 
in  Weida,  Kreisgerich tsrath  in  Arnstadt, 
Herbst  1879  Landgerichtsrath  in  Gera; 
1892,  zur  Disposition  gestellt,  siedelte  H. 
nach  Jena  über.  —  L  Brummer*  2,  125 
(mitW) ;  Hinrichsen »  (Autobiogr  ,  mit  W); 
Wartburg-Herold  2,  13.  32.  50  (A.  Wieden). 
Wauch  KL  1896,  496;  Gubernatis  2,1161. 

Hildebrandt,  Robert  .Landgerichtsrath a.D., 
Reichstags-  u.  preuss.  Landtagsabg. ;  s.  Sp. 

37*. 
Holtze,  Ludwig,    Geh.  Oberjustizrath ,  bis 

1895  Präsident  des  Landgerichts  in  Nord- 
hausen, ^  zu  Naumburg  a.  S.  i.  III.  23; 
t  zu  Nordhausen  15.  VII.  —  13.  XII.  44 
Auskultator;  25.  XI.  50  Gerichtsassessor; 
26.  VIII.  51  Kreisrichter  in  Schloss  Held- 
rungen, I.  III.  60  in  Erfurt,  30.  III.  67 
daselbst  Kreisgerichtsrath ;  14.  XI.  68  Kreis- 
gerichtsdirekt,  in  Bochum ;  30.  IV.  79  Land- 
gerichtspräsident in  Nordhausen.  —  AM. 

JoSl,  Max,  Justizrath,  Rechtsanwalt  in  Berlin, 
Staatsrechtler,  *  zu  Danzig  16.  I.  36;  f  zu 
Berlin  29.  IX.  —  AM. 

Just,  Präsident  d.  Landgerichts  in  Chemnitz ; 
t  7.  IX.  —  KA. 

Klippert,  Johannes,  Justizrath,  Nestor  d. 
deutschen  Rechtsanwälte,  *  zu  Oberaula, 
Kr.  Ziegenhain,  22.  VI.  1802;  f  zu  Kassel 
7.  XII.  —  L  111.  Ztg.   107,  773.  —  AM. 

Korsch,  Ludwig  Oskar,  Präsident  des  Ober- 
landesgerichts f.  Westpreussen  in  Marien- 
werder, ♦  zu  Mohrungen  in  Ostpr.  7.  II.  31 ; 
f  zu  Marienwerder  9.  I.  —  L  111.  Ztg.  106, 
72;  Jurist.  Litteraturbl.  8,  28;  Königsberger 
Härtung.  Ztg.  1896  Nr.  10  Abendbl.  —  PM. 

Kreis,  Paul,  Geh.  Justizrath  u.  vortr.  Rath 
im  preuss.  Justizministerium;  s.  Sp.  25  ^. 

Krieger,  Fritz,  Geh.  Justiz- u.  Oberlandes- 
gerichtsrath  in  Jena,  Reich stagsabg.;  s.  Sp. 

37  •• 


^Levy,  Meyer,  Justizrath,  Rechtsanwalt  u. 
Notar  in  Berlin,  *  zu  Wollstein,  Prov.  Posen, 

17.  I.  33;  f  durch  Meuchelmord  zu  Berlin 

18.  X.:  s.  BJ  I,  218.  —  L  BJ  II,  25  •; 
Hl.  Ztg.  107,  526  (J.  Lubszynski,  mitP); 
Deutsche  Juristenztg.  1896,  417  (Staab). 
—  W  Börsenbl.  f.  d.  d.  Buchh.  1896,  6746. 

^Liebeherr,  Maximilian  v.,  Wirkl.  Geh. 
Rath,  mecklenburg.  Justizminister;  s.  Sp. 
22  ♦. 

^Lienbacher,  Georg,  Hofrath  beim  Obersten 
Gerichtshof  in  Wien,  Politiker;  s.  Sp.  46  *. 

Löwe,  Ewald  Karl  August  Erdmann»  Dr. 
jur.,  Senatspräsident  am  Reichsgericht,  * 
zu  Militsch  in  Schles.  8. 1.  37;  f  '^  Leip- 
zig I.  I.  —  29.  III.  56  Auskultator  beim 
Appellationsgericht  Breslau;  25.  IX.  60 
Gerichtsassessor;      1864    Kreisrichter     in 

.  Grttnberg;  i.  I.  67  Staatsanwalt  in  Pr.- 
Stargard;  1869  •  72  Mitgl.  d.  Kommission 
z.  Ausarbeitung  einer  deutschen  Straf- 
prozessordnung; 1872  Appellationsgerichts- 
rath  in  Frankfurt  a.  O.  (als  solcher  d. 
Revisionskommission  d.  Strafprozessord- 
nung zugewiesen);  1879  Kammergericbts- 
rath  in  Berlin;  i.  VII.  80  vortr.  Rath  mit 
d.  Charakter  eines  Geh.  Justizrathes ;  i. 
VII.  89  Senatspräsident  am  Reichsgericht. 
~  L  111.  Ztg.  1896,  84  (J.  Lubszynski, 
mit  P);  Brockhaus'  Konv.-Lex.^*  11  (mit 
W).  17.  728. 

*Merkel,  Adolf,  Dr.  jur.,  ordentl.  Prof.  f. 
Strafrecht  a.  d.  Univ.  Strassburg,  ^  zu 
Mainz  il.  I.  36;  f  zu  Strassburg  30.  III.: 
s.  BJ  I,  430.  —  L  BJ  II,  31  •;  Schweizer. 
Ztschr.  f.  Strafrecht  1896,  56  (A.  Teich- 
mann); Deutsche  Juristen-Ztg.  1896,  176 
(F.  v.  Calker);  Ztschr.  f.  d.  ges.  Straf- 
rechtswissensch.  17,  638  (Liepmann).  — 
W  KL  1896,  836;  Nachrichten  a.  d.  Buchh. 
1896,  703;  Kukula  603.  Suppl.  166;  A. 
Merkel,  Hinterlassene  Fragmente  2  (Strassb. 
1899),  893. 

^Oppermann,  Andreas,  Rechtsanwalt  in 
Zittau  u.  Vorstandsmitgl.  d.  Dresdener 
Anwaltskammer,  Reiseschilderer  u.  Kunst- 
schriftsteller, ^  zu  Regensburg  17.  I.  28 
(oder  27?);  t  zu  Zittau  14.  I.:  s.  BJ  I, 
263.  -  L  BJ  II,  33  •. 

Pape,  Eduard,  seit  i.  I.  1893  Reichsge- 
richtsrath  in  Leipzig,  vorher  Oberlandes- 
gerichtsrath  in  Köln,  *  zu  Köln  17.  V. 
36;  f  zu  Leipzig  18.  XII.  —  L  Hl.  Ztg. 
107,  799.  —  AM. 

Pappritz,  Edmund,  Geh.  Oberjustizrath 
a.  D.,  bis  Ende  1888  Senatspräsident  beim 
Kammergericht  zu  Berlin,  *  zu  Radach  b. 
Drossen  31.  III.  24;  f  zu  Berlin  4.  XI.  — 
26.  VI.  47  Eintritt  in  d.  höh.  Justizdienst; 
1850  Referendar;  1853  Gerichtsassessor; 
1855    Kreisrichter    in    Landsberg    a.  W.; 


121 


Todtenliste  1896:    XX.   Rechtsgelehrte. 


122 


« 


1864  Stadtgerichtsrath  in  Berlin;  1870 
Appellationsgerichtsrath  in  Paderborn; 
1876  Obertribunalsrath  in  Berlin;  i.  X. 
79  Senatspräsident  beim  Oberlandesgericht 
in  Naumburg  a.  S.;  i.  X.  82  Senatsprä- 
sident beim  Kammergericbt.  —  L  111.  Ztg. 
107,  584.  —  AM. 

Pfenninger,  Heinrich,  Dr.  jur.,  ausser- 
ordentl.  Prof.  f.  Strafrecht  an  d.  Univ. 
Zürich,  ♦  II.  XI.  46;  t  zu  Zürich  19.  XI. 

—  L  111.  Ztg.  107,  653.  —  W  KL  1896, 
958;  Kukula  699.    Suppl.  290. 

Plänkner,  Thankmar  v.,  Senatspräsident 
beim  Oberlandesgericht  in  Jena,  *  zu 
Altenburg  23.  VII.  27;  f  zu  Jena  10.  IL 

—  L  111.  Ztg.  106,  193.  —  AM. 
Plate,   H.  W.,  Dr.  jur.,  Justizrath,    Rechts- 
anwalt   u.    Notar,    preuss.    Landtagsabg. ; 
s.  Sp.  43  ♦. 

Köder,  Joseph,  Dr.  jur.,  grosshgl.  hess.  Ge- 
heimrath,  d.  letzte  Mitgl.  d.  vormaligen 
Oberappellations-  u.  Kassationsgerichtes 
in  Darmstadt,  *  zu  Mainz  18.  VII.  19; 
f  zu  Darmstadt  24.  II.  —  L  111.  Ztg.  106, 
277.  —  AM. 

Schellbach,  Rudolf,  Präsident  d.  Land- 
gerichts in  Guben,  *  zu  Herzberg,  Kr. 
Schweinitz  in  d.  Prov.  Sachsen,  24.  VIII. 
32;  f  zu  Guben  20.  V.  —  i6.  V.  54 
Eintritt  in  d.  Staatsdienst;  3.  IX.  60  Ge- 
richtsassessor; I.  VIII.  64  Kreisrichter  in 
Beuthen;  1.  VII.  72  Dirigent  d.  Gerichts- 
deputation Myslowitz;  i.  VI.  76  Direktor 
d.  Kreisgerichts  Kaukehmen;  i.  VII.  78 
Direktor  d.  Kreisgerichts  Posen,  i.  X.  79 
Direktor  d.  Landgerichts  daselbst;  i.  X. 
85  Präsident  d.  Landgerichts  Schneide- 
mOhl;  I.  I.  91  Präsident  d.  Landgerichts 
Gaben.  —  AM. 

Schmidthals,  Präsident  d.  Landgerichts  in 
Schweidnitz;  f  S».  VIL  —  KA. 

«Schröder,  Wilhelm,  Geb.  Oberjustizrath 
u.  vortr.  Rath  im  preuss.  Justizministerium, 
Mitgl.  d.  Prüfungskommission,  *  in  Bran- 
denburg a.  d.  Havel  19.  XI.  41;  f  zu 
Berlin  29.  XL:  s.  BJ  I,  217.  —  L  BJ  II, 
39*;  111.  Ztg.  107,  734. 

Schulz,  Ferdinand,  Geh.  Oberjustizrath, 
Präsident  d.  Landgerichts  in  Osnabrück, 
*  zu  Lünen,  Kr.  Dortmund,  19.  XI.  28; 
t  zu  Osnabrück  17.  VIII.  —  AM. 

Vering,  Friedrich  Heinrich,  Dr.  jur.,  or- 
dentl.  Prof.  f.  röm.  Recht  u.  Kirchenrecht 
an  d.  deutschen  Univ.  Prag,  «  zu  Liesbom 
in  Westph.  9.  III.  33;  t  «"  P^g  30.  III. 

—  1862  Prof.  in  Heidelberg,  1875  in 
Czernowitz,  1879  in  Prag;  seit  1860  Mit- 
redakteur, seit  1867  alleiniger  Redakteur 
d.  Archivs   f.  kathol.  Kirchenrecht.  —  L 


111.  Ztg.  106,  437;  D.  Ztschr.  f.  Ge- 
schichtswissenschaft N.  F.  I:  Monatsbll. 
60;  Deutscher  Hausschatz  22,  Beil.,  44; 
Keiter  4,  215  (mit  W).  5,  264.  —  W 
auch  KL  1896,  1318;  Kukula  951.  Suppl. 
294. 

Wallraff,  Gustav,  Geh.  Hofrath,  Mitgl.  d. 
bad.  Obersten  Schulraths;   s.  Sp.  20  *. 

Weingärtner,  J  oseph,  Kreisgerichtsdirektor 
a.  D.,  Dichter,  Münzforscher,  *  zu  Münster 
i.  W.  22.  L  1805;  t  daselbst  7.  IX.  — 
Seit  18 17  Besuch  d.  G)'mn.  seiner  Vater- 
stadt; 1823 — 26  Stud.  d.  Rechtswissen- 
schaft in  Bonn  u.  Berlin;  1826  Auskul- 
tator  beim  Oberlandesgericht  zu  Münster; 
1828  Referendar;  1832  Assessor  am  Land- 
u.  Stadtgericht  zu  Vreden;  1842  mit  d. 
Titel  Land-  u.  Stadtgerichtsrath  Dirigent 
d.  Gerichtsdeputation  in  Salzkotten;  1843 
Direktor  d.  Land-  u.  Stadtgerichts  in 
VIotho;  1849  Direktor  d.  Kreisgerichts 
in  Warburg;  seit  1867  jährlich  im  Herbst 
Vorsitzender  d.  Schwurgerichts  in  Pader- 
born; I.  X.  79  Ruhestand;  seitdem  in 
Münster  i.  W.  schriftstellerisch,  besonders 
auf  d.  Gebiete  d.  Numismatik,  thätig.  — 
L  Brummer*  4,  302  (mit  W);  Keiter  4, 
223  (mit  W).  5,  264;  111.  Ztg.  107,  337; 
Ztschr.  f.  Vaterland.  Gesch.  u.  Alterthumsk. 
Westfalens  54,  438. 

Weiske,  Kail  Adolf,  k.  säcbs.  Oberjustiz- 
rath, Oberlandesgerichtsrath  a.  D.,  *  zu 
Dresden  18.  X.  31;  f  daselbst  17.  VI.  — 
L  111.  Ztg.  106,  791.  —  AM. 

Wilmowski,  Gustav  Karl  Adolf  v.,  Dr. 
jur..  Geh.  Justizrath,  früher  Rechtsanwalt, 
Schriftsteller  auf  d.  Gebiete  des  Civil- 
prozess-  u.  Konkursrechts,  *  zu  Paderborn 

17.  VIII.  38;  t  2"  Berlin  28.  XU.  — 
1838  Auskultator,  1843  Gerichtsassessor 
in  Wollstein;  1848  Rechtsanwalt  u.  Notar 
in  Schlawe,  1869  in  Breslau,  1872  in 
Beriin;  erhält  1882  den  Titel  Geh.  Justiz- 
rath. —  L  BJ  II,  54  •;  111.  Ztg.  108,  77 
(J.  L.[ubszynski],  mit  P);  Jurist.  Litte- 
raturblatt  9,    i    (L.  Jacobi).    —    W    KL 

1896,  1406;    Börsenbl.    f.   d.   d.  Buchh. 

1897.  51. 

Wittich,  Kurt  Friedrich  Klemens,  Ober- 
justizrath u.  Rath  am  Oberlandesgericht 
Dresden,  •  zu  Frauenstein  11.  IV.  42; 
t  zu  Dresden  28.  XII.  —  L  111.  Ztg.  108, 
48;    Annalen    d.   Oberlandesger.  Dresden 

18,  99.  —  AM. 

Zentner,  Heinrich,  Dr.  jur.,  Senatsprä- 
sident am  Oberlandesgericht  in  Kolmar, 
*  zu  Koblenz  28.  XL  1830;  f  zu  Kol- 
mar 12.  XL  —  L  111.  Ztg.  107,  653.  — 
AM. 


123' 


Todtenliste  1896:    XXL  Aerfte  und  Apotheker. 


124' 


XXI.     Aerzte  und  Apotheker. 


Ackermann,  Dr.  med.,  1847  als  Militärarzt 
am  schweizer.  Sonderkrieg  theilnehmend, 
ehemal.  Landamann  in  Solothurn,  80  J.; 
t  daselbst  Ende  Sept.  —  L  111.  Ztg.  107, 
469. 

^Ackermann,  Theodor,  Dr.  med..  Geh. 
Med.-Rath,  ordentl.  Prof.  f.  pathol.  Aoat. 
an  d.  Univ.  Halle,  *  zu  Wismar  17.  IX. 
25;  f  zu  Halle  22.  XL:  s.  BJ  i,  149.  — 
L  BJ  II,  j  *;  Chronik  d.  Univ.  Halle- 
Wittenberg  1896/97,  6;  Leopoldina  32, 
165.  189  (mit  W);  HBL  i,  49  (mit  W); 
MUnchn.  Med.  Wochenschr.  43,  50  (Marck- 
wald).  —  W  auch  Kukula  2. 

Alscher,  Karl,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitätsrath, 
Kreisphysikus  in  LeobschUtz,  preuss.  Land- 
tagsabg.;  s.  Sp.  42  *. 

*Baum,  Georg,  Dr. med., Chirurg u. leitender 
Arzt  d.  städt.  Krankenanstalten  in  Danzig, 

♦  daselbst  ii.  V.  36;  f  ebenda  13.  IV.: 
s.  BJ  1,  150.  —  L  BJ  II,  3  *;  Leopoldina 
32,  139;  HBL  I,  332  (mit  W). 

Born,  Rudolf,  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrath 
in  Greiffenberg  (Schlesien),  Reichstagsabg.; 
s.  Sp.  34  ♦. 

Chandon,  Karl,  Dr.  med.,  Medizinalrath, 
weitbekannter  Arzt  in  Kaiserslautern,  *  zu 
Waldmohr  im  Mai  32;  f  zu  Kaiserslautern 
24.  VL  >-  L  111.  Ztg.  107,  1 1 ;  VereinsbL 
d.  Pfalz.  Aerzte  22,  133  (UUmann).  —  PM. 

*Curtmann,  O.,  Prof.  f.  Pharmazie  am 
Missouri  Medical  College  u.  College  of 
Pharmacy  in  St.  Louis,  *  zu  Giessen  1828; 
f  zu  St.  Louis  22.  IV.:  s.  BJ  I,  411.  — 
L  BJ  II,  8  •. 

Doebbelin,  Friedrich  Wilhelm  Eduard, 
Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrath,  einer  d. 
ältesten  u.   angesehensten   Aerzte   Berlins, 

♦  zu  Samter  9.  XII.  24;  f  zu  Berlin  27.  X. 
—   L  Leopoldina  32,  194.  —  AM. 

*Du  Bois-Reymond,  Emil,  Dr.  med..  Geh. 
Med.-Rath,  ordentl.  Prof.  f.  Physiologie 
an  d.  Univ.  Berlin ;  s.  Sp.  90  *. 

*£isenlohr,  Karl,  Dr.  med.,  früher  Oberarzt 
am  Eppendorfer  Krankenhause  b.  Ham- 
burg, *  zu  Pforzheim  1842;  f  in  Funchal 
auf  Madeira  i8.  XL:  s.  BJ  I,  151.  —  L 
BJ  II,  10  •;  Leopoldina  32,  189;  Monats- 
schrift f.  Psychiatrie  u.  Neurol.  i,  89  (A. 
Saenger);  MittheiL  a.  d.  Hamburger  Staats- 
anst.   I,  I,  3  (Nonne). 

Feser,  Johannes,  Prof.  f.  Arzneimittellehre 
an  d.  Thierärzil.  Hochschule  in  München, 

♦  17.  II.  41;  f  zu  München  22.  X.  — 
AM. 

*Finkelnburg,  Ferdinand  Karl  Maria,  Dr. 
med.    Geh.  Reg.-Rath,  ausscrordentl.  Prof. 


f.  Hygiene  an  d.  Univ..  Bonn,  Generalarzt 

11.  Cl.,  *  zu  Marialinden,  Reg.-Bez.  Köln, 
16.  VI.  32;  f  zu  Bonn  ii.  V.:  s.  BJ  I, 
350.  —  L  BJ  II,  II  ♦;  111.  Ztg.  106.  665 
(mit  P);  Centralbl.  f.  allg.  Gesundheits- 
pflege 1896,  185  (Lent);  Leopoldina  32, 
78.  103;  Archiv  f.  path.  Anat.  148,  185 
(Gurlt).  —  W  Kukula  197.  SuppL  69; 
KL  1897,  317. 

Frey,  Rudolf  v.,  Dr.  med.,  Privatdozent 
f.  Chirurgie  an  d.  deutschen  Univ.  Prag» 
•  zu  Salzburg  14.  IV.  64;  f  zu  Berlin  26. 
VII.  —  L  Leopoldina  32.  148  (mit  W); 
Prager  Mediz.  Wochenschrift  21,  32  u. 
Beiträge  z.  klin.  Chirurgie  17,  137  (A, 
Wölfler);  Archiv  f.  path.  Anat.  148,  193 
(Gurlt).   —  AM. 

^Gerlach,  Joseph  von,  Dr.  med.,  Geh.  Rath, 
bis  1891  ordentl  Prof.  f.  Anat.  an  d.  Univ. 
Erlangen,  •  zu  Mainz  3.  IV.  20;  f  zu 
München  17.  XIL:  s.  BJ  I,  152.  —  L 
BJ  II,  14  •;  Leopoldina  32,  177.  191; 
HBL  2,  533  (mit  W).  —  W  auch  Kukula 
259.  SuppL  83;  KL  1896,  387. 

Goebel,  Heino,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitätsrath, 
Augenarzt,  thätiges  MitgL  d.  brandenburg. 
Aerztekammer,  *  zu  Tiefenort  b.  Eisenach 
1832;  t  zu  Frankfurt  a.  O.  3.  VI.  — 
AM. 

Goettisheim,  Friedrich,  Dr.  phiL.  1870 
bis  91  Dozent  f.  öffentl.  Gesundheitspflege 
an  d.  Univ.  Basel,  Ständerath,  Redakteur 
d.  »Basler  Nachrichten«,  *  zu  Wildberg 
in  Württemberg   28.  III.  37;   f   zu   Basel 

12.  VII.  —  L  HLB  6,  821 ;  A.  Teichmann, 
Univ.  BaseL  1885;  Arch.  f.  path.  Anat. 
148,   188  (Gurit).  —  AM. 

»Günther,  Karl,  Geh.  Med.-Rath,  Direktor 
d.  Thierarzneischule  in  Hannover;   s.  Sp. 

65  •. 

»Güntner,  Wenzel,  Dr.  med.,  emerit.  Prof. 
d.  Chirurgie,  pension.  k.  k.  Reg.-Rath  u. 
I^andessanitätsreferent  in  Salzburg,  *  zu 
Neu  Losimthal  (Kr.  Eger)  29.  XII.  20; 
f  zu  Salzburg  9.  X.:  s.  BJ  1,  153.  —  L 
BJ  II,   16  •;  HBL  2,  283  (mit  W). 

Heitzmann,  Karl,  Dr.  med.,  Anatom,  »  zu 
Vinkovcze  in  Ungarn  2.  X.  36;  "f  zu  Rom 
Ende  XIL  —  Stud.  zu  Pest  u.  Wien:  1859 
Promotion ;  dann  Assistent  bei  Schuh,  seit 
1862  bei  Hebra;  siedelte  1874  nach  New 
York  über.  —  L  Leopoldina  33,  51; 
HBL  3,  133;   Archiv   f.   path.  Anat.  148, 

.    205  (Gurlt). 

*Henke,  Wilhelm  v.,  Dr.  phiL  et  med., 
bis  1894  ordentl.  Prof.  f.  Anat.  an  d«  Univ. 
Tübingen,  Anatora   u.   Kunstgelehrter,    * 


^25 


Todtenliste  1S96:    XXI.  Aerzte  und  Apotheker. 


126* 


tu  Jena  19.  VI.  34;  f  ^^  Tübingen  17. 
V.:  s.  BJ  I,  96.  —  L  BJ  II,  18  ♦;  Leo- 
poldina  32,  106  (mit  W).  133.  —  W  auch 
KL  1896,  502;  Kukula  336.  Suppl.  103; 
Nachr.  aus  d.  Buchh.  1896,  999. 

Jacob,  Gottlieb,  Dr.  med.,  prakt.  Arst  u. 
Lokalhistoriker;  s.  Sp.  103  *. 

^Kerschensteiner,  Joseph  v.,  Dr.  med., 
Geh.-Rath,  Obermedizinalrath  u.  Vorstand 
d.  Medizinalabth.  im  bayer.  Ministerium 
d.  Innern,  •  zu  München  23.  V.  31 ;  f 
daselbst  2.  IX.:  s.  BJ  I,  351.  —  L  BJ 
II,  22  *;  Leopoldina  32,  146:  HBL  6, 
877;  Münch.  Mediz.  Wochenschr.  43, 
1049  (R*  Merkel).  44,  185  (L.  Stumpf); 
Archiv  f.  path.  Anat.  148,  196,  152,  584 
(Gurlt). 

«Kirstein,  Moritz,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäts- 
ratb,  prakt.  Arzt  u.  Mitgl.  zahlreicher 
Wohlthätigkeitsanstalten  in  Berlin,  *  zu 
Filebne  14.  IX.  30;  f  zu  Berlin  12.  VII.: 
s.  BJ  I,  154.  —  L  BJ  II,  22  •.  —  AM. 

*  Klein,  Leo,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitätsrath 
u.  prakt  Arzt  in  Berlin,  *  daselbst  15.  IV. 
15;  t  ebenda  27.  XL:  s.  BJ  I,  154.  — 
L  BJ  II,  22  *;  Lcopoldina  32,   190. 

*Lewiii,  Georg,  Dr.  med.,  Geh.  Med.-Rath, 
ausserordentl.  Prof.  f.  Dermatologie  an  d. 
Univ.  Berlin,  *  zu  Sondershausen  19.  IV. 
20;  f  zu  Berlin  i.  XI.:  s.  BJ  I,  155.  — 
L  BJ  II,  25  •;  HBL  3,  697  (mit  W); 
Deutsche  Mediz.  Wochenschr.  22  Nr.  46 
(Heller);  MUnch.  Mediz.  Wochenschr.  43 
Nr.  46;  Archiv  f.  Dermatol.  u.  Syphilis 
37,  8i8(Lesser);  Berliner  klin.  Wochenschr. 
33  Nr.  46:  Wiener  Mediz.  Wochenschr.  9 
Nr.  46  (J.  H.  Rille);  Leopoldina  32,  186; 
Archiv  f.  path.  Anat.  148,  201  (Gurlt). 
—  W  auch  Kukula  545.  Suppl.  153;  KL 
1896,  754. 

Lickfett,  Theodor,  Dr.  med.,  leitender 
Arzt  d.  städt.  bakteriolog.  Anstalt  in  Dan- 
zig;  f  daselbst  28.  XII.  —  L  Leopoldina 

33.  5'-  —  KA. 

Lingen,  Karl  v.,  Dr.  med..  Geh.  Rath,  * 
181 7  zu  St.  Petersburg;  f  daselbst  21. 
II.  —  Stud.  1835  —  37  in  Dorpat,  dann 
an  d.  Med.-Chirurg.  Akad.  in  Petersburg; 
1842  in  Berlin,  1847  auch  in  Petersburg 
Dt.  med.,  trat  in  d.  dortige  Marien-Magda- 
lenen-Hospital  ein,  seit  1863  als  Oberarzt; 
seit  1887  Direktor  d.  Deutschen  Aerztl. 
Vereins.  —  L  Archiv  f.  path.  Anat.  148, 
181  (Gurlt);  Petersb.  Med.  Wochenschr. 
1896,  69. 

*Loinmer,  Emil,  Dr.  med.,  Generalarzt;  s. 
Sp.  52  •. 

Mayländer,  Adolf,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäts- 
rath  u.  prakt.  Arzt  in  Berlin,  Homöopath, 
besonders  Frauenarzt,  *  zu  Gröbzig  in  An- 
halt IG.  VIII.  30,  f  zu  Berlin  2. 1.  —  AM. 


*Meyer,  Julius,  Dr.  med..  Geh.  Sanitttts- 
rath,  prakt.  Arzt  in  Berlin,  *  daselbst  1820; 
f  ebenda  23.  I.:  s.  BJ  I,  156.  —  L  BJ 
II,  31  *;  Leopoldina  32,  58. 

Müller,  Hermann  Alexander,  Begründer 
d.  seit  1856  erscheinenden  »Pharmazeut. 
Zeitungc,  *  zu  Raudten  in  Schlesien  3.  V. 
28;  f  zu  Bunzlau  Mitte  VIII.  —  L  Leo- 
poldina 32,  148;  111.  Ztg.  107,  245.  —  KA. 

*Müller,  Max,  Dr.  med..  Geh.  Sanitätsrath, 
prakt.  Arzt  in  Köln,  Chirurg,  *  zu  Berlin 
23.  X.  29;  t  ^'^  Köln  3.  IX.:  s.  BJ  I, 
157.  —  L  BJ  II,  32*;  Leopoldina  32,  146. 

Neisser,  Moritz,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäts- 
rath, prakt.  Arzt  in  Breslau  u.  Badearzt 
zu  Charlottenbrunn  i.  Schles.,  Neurolog, 
•  I.  V.  20;  f  zu  Breslau  19.  VI.  —  L 
Leopoldina  33,  134;  HBL  4,  349  (mit 
W).  ~  PM. 

^Oldendorff,  Adolf,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 
prakt.  Arzt  in  Berlin,  Medizinalstatistiker, 

•  •  zu  Meseritz  15.  XII.  31  (nicht  37);  f  zu 
Karlsbad  16.  VI.:  s.  BJ  I.  158.  —  L  BJ 
U,   33*;  111.  Ztg.   106,   791;   Leopoldina 

32,  134;  HBL  3,  417  (mit  W).  —  W  auch 
KL  1896,  924. 

^Omstein,  Bernhard,  Dr.  med., Generalarzt 
d.  griech.  Armee,  Mediziner,  Anthropolog 
u.  Ethnograph,  ^  zu  Schöningen  in  Braun- 
schweig 2.  V.  1809;  t  zu  Athen  26.  II. 
96  (nicht  86):  s.  BJ  I,  404  —  L  BJ  II, 
33*;  Leopoldina  32,  78.  108;  Globus  69, 
216  (mit  W);  Ztschr.  f.  Ethnol.  1896, 
159;  Archiv  f.  path.  Anat.  148,  180  (Gurlt). 

Paltauf,  Ch.  S.,  Dr.  med.,  dirigierender  Arzt 
d.  Bades  Neuhaus  in  Steiermark;  f  zu 
Graz  im  Jan.  —  L  Leopoldina  32, 58.  —  KA. 

Piessling,  W.  Ritter  v.,  Dr.  med.,  emerit. 
Prof.  an  d.    ehemal.   Chirurgenschule    in 

■  Olmtttz;  f  zu  Prag  im  März.  —  L  Leo- 
poldina 32,   lOI. 

*Renz,  Theodor  v.,  Dr.  med..  Geh.  Hof- 
rath,  Brunnenarzt  in  Wildbad,  ^  zu  Ober- 
dischingen  b.  Ulm  30.  I.  34;  f  im  Wild- 
bad 29.  XII.:  s.  BJ  I,  102.  —  L  BJ  II, 
35 •;   HBL  3,   708   (mit  W);    Leopoldina 

33.  51- 

^Rigler,  Johannes,  Dr.  med.,  Sanitätsrath, 

Eisenbahnarzt,  später  Badearzt,  *  zu  Pots- 
dam 3.  VIII.  39;  f  zu  Braunlage  am  Harz 
19.  XII.:  s.  BJ  I,  158.  —  L  BJ  II,  36»; 
HBL  5,  31  (mit  W). 

Ring,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitätsrath,  einer  d. 
beliebtesten  Berliner  Aerzte,  80  J.;  f  in 
Bad  Kohlgrub  6.  IX.  —  L  Leopoldina  32, 
184.  —  KA. 

Rosner,  Anton,  Dr.  med.,  Prof.  f. 
Hautkrankheiten  u.  Direktor  d.  Klinik 
a.  d.  Univ.  Krakau,  *  zu  Tarnow  in  Ga- 
liezien  1831 ;  f  zu  Krakau  25.  Vlil.  —  L 
Leopoldina  32,  144.  —  AM. 


127 


Todtenliste  1896:    XXI.   Aerzte  und  Apotheker. 


128* 


^Rüdinger,  Nikolaus,  Dr.  med.,  ordent]. 
Prof.  f.  Anatomie  an  d.  Univ.  München, 
*  zu  Erbes-Büdeshcim  in  Hessen  25.  III. 
32;  t  2u  Tutzing  am  Starnberger  See 
25.  VIIL:  s.  BJ  I,  353.  -  L  BJ  II,  37»; 
lU.  Ztg.  107,  317  (E.  Fischer,  mit  P); 
Leopoldina  32,  126.  144;  Deutsche  Mediz. 
Wochenschr.  22  Nr.  37  (K.  v.  Bardeleben); 
Sitzungsber.  d.  Münch.  Akad.  d.  Wissensch. 
math.-phys.  Kl.  1897,  390  (C.  Voit);  HBL 
4,  114  (mit  W);  Archiv  f.  path.  Anat. 
148,  195  (Gurlt).  —  W  auch  Kukula  774. 
Suppl.  210.  292:  Börsenbl.  f.  d.  d.  Buchh. 

1896,  5494- 

Sachs,  Theodor,  Dr.  med.,  Privatdoz.  f. 
Augenheilk.  an  d.  Univ.  Innsbruck.  *  zu 
Troppau  1855;  f  zu  Innsbruck  20.  VI.  —  L 
Leopold.  32, 139.  —  W  Kukula  784,.  —  AM. 

*Schiff,  Moritz,  Dr.  med.,  ordentl.  Prof.  f. 
Physiologie  an  d.  Univ.  Genf;  s.  Sp.  94  *. 

—  L  ferner  Wiener  klin.  Wochenschrift 
9,  44  (Biedl);  Korrespondenzbl.  f.  Schweizer 
Aerzte  26,  23  (A.  Jacquet);  HBL  5,  223 
(mitW);  Lancct  1896,  II,  1198;  British 
Medical  Journal  1896,  II,  1264;  Archiv  f. 
path.  Anat.  148,  199  (Gurlt). 

*Schirmer,  Rudolf,  Dr.  med..  Geh.  Med.- 
Rath,  ordentl.  Prof.  f.  Augenheilkunde  an 
d.  Univ.  Greifswald,  *  daselbst  10.  III.  31 ; 
f  ebenda  27.  L:  s.  BJ  I,  159.  —  L  BJ 
II,  38  ♦;  Lcopoldina  32,  57;  HBL  5,  228 
(mit  W).  —  W  auch  Kukula  808;  Nachr. 
a.  d.  Buchh.  1896,  244. 

*Schlesinger,  Wilhelm,  Dr.  med.,  prakt. 
Arzt  u.  Privatdozent  f.  Gynäkologie  an  d. 
Univ.  Wien,  •  zu  Tinnye  (nicht  Timye) 
in  Ungarn  6.  II.  39;  f  zu  Vöslau  19.  VI.: 
s.  BJ  I,  160.  —  L  BJ  II,  38  ♦;  Wurzbach 
30,  94 ;  HBL  5,  235  (mit  W);  Wiener  Mediz. 
Blätter  1896,  403  (R.Beer);  Archiv  f.  path. 
Anat.  148,  191  (Gurlt).  —  W  auch  Kukula 
810:  KL  1896,   1115.  —  AM. 

Schmid,  Hans,  Dr.  med.,  Oberarzt  d.  Dia- 
konissen- u.  Krankenanstalt  Bethanien,  * 
zu  Erlangen  15.  XI.  53;  f  an  den  Folgen 
einer  Blutvergiftung,  die  er  sich  bei  einer 
Operation    zugezogen,    zu   Stettin  17.  XI. 

—  Stud.  in  Erlangen  u.  Leipzig;  1878 
Promotion;  2  Jahre  Assistent  d.  Erlanger 
Klinik;  6^/3  Jahre  Assistent  u.  Arzt  am 
Augusta-Hospital  in  Berlin;  seit  1887  diri- 
gierender Arzt  d.  Krankenhauses  Bethanien 
in  Stettin.  —  L  Leopoldina  32,  189;  HBL 
6,  996  (mit  W). 

Schmidt,  Benno,  Dr.  med.,  Geh.  Med.- 
Rath,  ordentl.  Honorarprof.  f.  Chirurgie 
u.  Direktor  d.  Chirurg.-  Pollklin.  Instituts 
an  d.  Univ.  Leipzig,  Generalarzt  x.  Kl. 
h.  la  suite  d.  K.  sächs.  Sanitätscorps,  *  zu 
Kaditz  b.  Dresden  3.  III.  26;  f  in  Bad 
Wildungen  6.  VL:   s.  BJ  I,  160.  —  L  BJ 


n,  38  •;  HLB  5,  246  (mit  W);  111.  Ztg. 
io6,  282  (P.  W.,  mit  P);  Leopoldina  32, 
133;  Militär-Wochenbl.  1896, 1842;  Münch. 
Med.  Wochenschr.  43  Nr.  9  (Hoffa);  Archiv 
f.  path.  Anat.  148,  189  (Gurlt).  —  W  auch 
Kukula  813;  Nachr.  a.  d.  Buchh.  1896, 
1095. 

^Schneller,  Moritz,  Dr.  med.,  Augenarzt 
in  Danzig,  *  zu  Heinrichswalde,  Kr.  Nie- 
derung in  Ostpr.,  31.  I.  34;  f  zu  Danzig 
9.  XL:  s.  BJ  I,  161.  -  L  BJ  II.  39  *; 
Leopoldina  32,  189:  HBL  5,  257  (mit  W); 
Klin.  Monatsbll.  f.  Augenheilk.  34,  438 
(W.  Feilchenfeld). 

Schrader,  Friedrich,  Dr.  med.,  General- 
arzt; s.  Sp.  55  *. 

♦Seil,  Eugen,  Dr.  phil.,  Geh.  Reg.-Rath, 
Mitgl.  d.   Reichsgesundheitsamtes;    s.  Sp. 

94*. 
Sendler,     Friedrich    Hermann    Theodor, 

Dr.  med..  Geh.  Med.-Rath,  seit  1877  Mitgl. 

d.  Medizinalkollegiums  d.  Provinz  Sachsen, 

*  zu  Parey  a.  E.  4.  XII.  19;  f  zu  Magde- 
burg 23.  VII.  —  L  111.  Ztg.  107,  125. 

*Sonderegger,  Jakob  Laurenz,  Dr.  med., 
prakt.  Arzt,  Präsident  d.  Schweizer.  Aerzte- 
Vereins,  Hygicnikcr,  •  auf  Schloss  Grünen- 
stein bei  Balgach  im  Kant.  St.  Gallen  22. 
X.  25;  t  zu  St  Gallen  20.  VI.:  s.  BJ  I, 
i66.  —  L  BJ  II,  40  •;  Korrespondenzbl. 
f.  Schweiz.  Aerzte  26  Nr.  18  (G.  Feurer, 
mit  P);  Ztschr.  f.  Krankenflege  x8,  187 
(E.  Jordy);  MUnch.  Mediz.  Wochenschr. 
44  Nr.  1  (M.  V.  Pettenkofer);  HBL  5,466 
(mit  W);  Berliner  klin.  Wochenschr.  34 
Nr.  13  (Guttstadt) ;  Vierteljahrschr.  f.  öffentl. 
Gesundheitspflege  29,  2,  193  (M.  Pistor); 
Archiv,  f.  path.  Anat.  148,  190  (Gurlt).  — 
W  auch  KL  1896,  1222. 

*Späth,  Joseph,  Dr.  med.,  bis  1886  ordentl. 
Prof.   f.   Gynäkologie    an    d.   Univ.  Wien, 

*  zu  Bozen  13.  III.  23;  f  zu  Dombach  b. 
Wien  29.  III. :  s.  BJ  I,  354.  —  L  BJ  II, 
40*;  Leopoldina  32,  loi ;  HBL  5,  474 
(mit  W). 

Stoltz,  Joseph  Alexis,  Dr.  med.,  früher  Prof. 
f.  Gynäkologie  an  d.  ehemal.  »Faculte  de 
Medecine«  in  Strassburg,  *  zu  Andlau  im 
Elsass  14.  XII.  1803  (22.  Friroaire  12);  f  da- 
selbst 22.  V.  —  Stud.  in  Strassburg;  1826 
Promotion;  1829  Aggrege  u.  suppl.  Prof. 
f.  Geburtshülfe  u.  Frauenkrankh. ,  1834 
wirkl.  Prof.  an  der  Strassburger  »Faculte 
de  Medecine«;  optierte  1871  f.  Frankreich; 
1872  Dekan  u.  Prof.  an  der  nach  Nancy 
verlegten  Fakultät;  seit  1878  als  »Profes- 
seur  honoraire«  im  Ruhestande.  —  L  Leo- 
poldina 32,  105;  Archiv  f.  öffentl.  Ge- 
sundheitspflege in  £ls.-Lothr.  17,  146  (H. 
W.  Freund  u.  J.  Klein);  Revue  medic.  de 
l'Est  28,  321;    Le  Passc-Temps  d'Alsacc- 


129 


Todteoliste  1896:    XXI.  Aerzte  und  Apotheker.     XXII.  Pädagogen. 


130' 


Lorraine  7,  273;  Centralbl.  f.  G>'näkol. 
20  Nr.  30  (H.  W.  Freund);  HBL  5,  552 
(mit  W^;  Progres  medical  1896,  I,  351; 
Archiv  f.  path.  Anat.  148,  187  (Gurlt).  — 
AM. 

Tappehorn,  Theodor  Konrad  Ferdinand 
Alexander,  Dr.  med.,  Geh.  Obermed.-Rath, 
grosshgl.  Oldenburg.  Leibarzt;  *  zu  Olden- 
burg 17.  II.  28;  t  daselbst  i.  VlIL  —  L 
Leopoldina  32,   143.  —  AM. 

Veiten,  Karl  Jakob,  Dr.  med.,  Geh.  Sanitäts- 
rath,  prakt.  Arzt  in  Bonn,  ehemal.  Leibarzt 
d.  Kaiserin  Augusta,  77J.1  *  zu  Ahrweiler; 
t  zu  Bonn  6.  XII.  -  L  111.  Ztg.  107,  773.  — 
AM. 

*Wagener,  Guido,  Dr.  med.,  ordentl.  Ho- 
norarpro f.  f.  Anat.    an   d.  Univ.  Marburg, 

*  zu  Berlin  19.  IL  22;  f  daselbst  10.  IL: 
s.  BJ  I,  i6i.  —  L  BJ  II,  44*,*  Leopoldina 
32,  42.  59  (mit  W);  HBL,  6,  161  (mitW); 
Archiv  f.  path.  Anat.   148,  180  (Gurlt). 

Wendt,  Hermann,  Dr.  med.,  bis  1885 
Irrenanstaltsdirektor  (1868  zu  Allenberg 
in  Ostpr.,    1875    *"  Schwetz   in  Westpr.), 

*  zu  Freienwalde  a.  d.  O.  1832;  f  zu 
Charlottenburg  9.  V.  —  L  Archiv  f.  path. 
Anat.  148,  185  (Gurlt);  Allg.  Ztschr.  f. 
Psychiatrie  53,  439. 

*Wenzel,  Ernst  Friedrich,  Dr.  med.,  ausscr- 
ordentl.  Prof.  f.  Anatomie  an  d.  Univ. 
Leipzig,  *  zu  Oderwitz  (nicht  Oberwitz) 
b.  Zittau  14.  IX.  40;  t  zu  Leipzig  25.  X.: 
s.  BJ  I,  162.  —  LBJ  II,  45*;  Leopoldina 
32,  185.  —  W  Kukula  998. 


•Wernich,  Albert  Ludwig  Agathon,  Dr. 
med.,  Reg.-  u.  Med.-Rath  am  Polizeiprä- 
sidium zu  Berlin,  sowie  Mitgl.  d.  Prövin- 
zial-Medizinal-KoUegiums,  *  zu  Elbing  15. 
VII.  43;  t  zu  Berlin  19.  V.:  s.  BJ  I,  355. 
—  L  BJ  II,  46*;  Leopoldina  32,  105; 
HBL  6,  248  (mit  W);  Globus  70,  19 
(W.  Wolkenhauer,  mitW);  Vierteljahrsschr. 
f.  gerichtl.  Medizin  III.  F.  12,  i ;  Berliner 
klin.  Wochenschr.  1896,  471 ;  Archiv  f. 
path.  Anat  148,  186.  —  W  auch  KL  1896, 
1381;  Cat  Roy.  Soc.  8,  1220.  11,  784. 

Wickersheimer,  Jean,  Präparator  in  Berlin, 
Erfinder  der  nach  ihm  benannten  Flüssig- 
keit zur  Konservierung  von  Leichen,  •  zu 
Beiborn,  Kr.  Molzheim  5.  VI.  32;  f  zu 
Berlin  28.  VIII.  —  Kam  1851  als  Tischler- 
geselle nach  Berlin,  war  später  Bademeister, 
und  dann  Präparator  am  Anat.  Institut.  — 
111.  Ztg.  107,  273.  —  AM. 

Zillner,  Franz  Valentin,  Dr.  med.,  Sanitäts- 
rath,  früher  Arzt  an  d.  Irrenanstalt  zu 
Salzburg,  auch  Kultur-  u.  Lokalhistoriker, 
als  solcher  Begründer  d.  Gesellschaft  fUr 
Salzburg.  Landeskunde,  *  zu  Salzburg  14. 
II.  16;  f  daselbst  17.  Xll.  —  L  Leopoldina 
32,  177.  33,  49;  Mittheilungen  d.  Gesell- 
schaft für  Salzburg.  Landesk.  37,  I  (H. 
Widmann);  J.  E.  Engl,  Dr.  F.  V.  Zillner, 
Bcitr.  z.  Schilderung  s.  Lebens.  Salzb.  1897 ; 
Wurzbach  60,  102  (mit  W) ;  HBL  6,  1042 
(mit  W);  Hinrichsen"  1426  (mit  W).  —  W 
auch  KL  1896,   1455. 


XXn.     Pädagogen*). 


Angerstein,  Eduard,  Dr.  med.,  Professor, 
Stadt.  Obertumwart  zu  Berlin,  •  daselbst 
I.  IX.  30;  t  ebenda  23.  VII.  —  Sohn  eines 
privatisierenden  Apothekers  in  Berlin;  ver- 
lor früh  d.  Vater;  Besuch  d.  Königstädt. 
Realsch.  u.  d.  Gymn.  z.  Grauen  Kloster; 
stud.  an  d.  Univ.  seiner  Vaterstadt  Medizin; 
1855  einj.-freiw.  Arztbeim  Kaiser  Alexander- 
Grenadier-Reg. ;  1856  prakt.  Arzt  in  Berlin; 
turnte  seit  seinem  14.  Jahre  in  d.  Lübeck'- 
schen  Privatschule  nach  Jahn'scher  Art: 
1857  Mitgl.  d.  Eiselen'schen  Tumver.; 
hier  u.  im  Berliner  Turnrath,  einer  Ver- 
einigung berliner  Turnvereine,  Vorsitzen- 
der; 1863  Ivciter  des  Brandenburg.  Turn- 
kreises;  nach  Austritt  aus  d.  Turnrath 
Gründer  d.  »Berliner  Turnerschaft«,  an 
deren  Spitze  er  bis  1874  stand;  ebenso 
Vorsitzender  im  Berliner  Turnlehrerver., 
im   Turnlehrerver.   d.   Mark    Brandenburg 


u.  im  Ausschuss  d.  Berliner  Tumgaue; 
seit  1875  Mitgl.  d.  Ausschusses  in  d.  deut- 
schen Tumerschaft;  1864  städt.  Obertum- 
wart; 1866  u.  70  als  Stabsarzt  an  den 
Feldzügen  theilnehmend ;  1890  Professor: 
Gegner  der  schwed.  Gymnastik.  —  L  BJ 
II,  I*;  in.  Ztg.  107,  156  (mit  P). 
*Berthelt,  August,  Oberschulrath,  bis  1885 
Bezirksschulinspektor  in  Dresden ,  *  zu 
Gross röhrsdorf  b.  Pulsnitz  in  Sachsen 
5.  XII.  13;    f  zu  Dresden  26.  IV.:  s.  BJ 

1,  246.  —  L  BJ  II,  4*. 
Bninnemann,  Karl,    Dr.  phil.,  Realgymn.- 

Direktor  a.  D.;  s.  Sp.  98*. 
^Christaller,  Theodor,  Oberlehrer  zu  Bona- 
mondone  in  Kamerun,   Kenner  d.  Dualla- 
sprache,  *  zu  Schorndorf  in  Württemberg 

2.  I.  63;    f    zu    Bonamondone    19.  VIIL: 
s.  BJ  I,  99.  —  L  BJ  II,  7»;  111.  Ztg.  107, 

273- 


•)  Vergleiche  auch  Abth.  XIII  (Mathematiker)  und  Abth.  XVI  (Philologen). 
Biogr.  Jahrb.  u.  Deatscber  Nekrolog.    3.  Bd.  q 


131*        Todtenliste  1896:  XXII.  Pädagogen.   XXIII.  Dichter  und  Schriftsteller.         132* 


Dachs,  Joseph,  Musikpädagog;  s.  Sp.  147*. 

^Dittes,  Friedrich,  Dr.  phiL,  pens.  Direk- 
tor d.  Pädagogiums  zu  Wien,  *  zuirfersgrün 
im  Sachs.  Vogtl.  23.  IX.  29;  +  zu  Wien 
15.  V.:  s.  BJ  I,  243.  —  L  BJ  II,  8*;  Deut- 
scher Hausschatz  20,  Beil.,  52;  Neue  Bah- 
nen 1896,  625  (R.  Dietrich,  mit  P);  Prakt. 
Schulmann  1896,  281  (G.  Heydner);  Aus 
d.  Schule  f.  d.  Schule  1896,  288.  348  (C. 
Ziegler);  Rhein.  Blätter  f.  Erziehung  u. 
Unterricht  1896,  4.  289  (R.  Köhler);  Hin- 
richscn  ^  279  (mit  W). 

Eichler,  Gotthelf  August,  Dr.  phil.,  Schul- 
rath,  1852  bis  Ostern  1896  Direktor  d. 
Leipziger  Taubstummenaustalt,  *  zu  Kör- 
litz  b.  Würzen  26.  I.  21;  f  «^  Lcipzig- 
Scbleussig  2i.  IX.  —  L  111.  Ztg.  107,  395. 

Friedländer,  Konrad,  Dr.  phil.,  Direktor 
d.  Johanneums  (Realgymn.)  in  Hamburg, 
Realschulmann,  Verf.  geschichtl.  Lehr- 
bücher; f  während  einer  Schweizer  Reise 
auf  der  Tellsplatte  am  Vierwaldstätter  See 
25.  V.  —  L  111.  Ztg.  106,  699. 

*Gartz,  Friedrich,  Seminarlehrer  in  Salz- 
wedel, Komponist  von  SchuUiedem;  s. 
Sp.  148*. 

Grossmann,  Georg,  bis  1892  Rektor  d. 
Gymnasiums  in  Bayreuth ;  f  zu  Bayreuth 
18.  X.  —  L  111.  Ztg.  107,  515. 

Hempel,  Rudolph,  Dr.  phil.,  Schulrath, 
Bezirksschulinspektor  in  Leipzig,  um  d. 
Volksschulwesen  daselbst  verdient,  auch 
Schriftführer  d.  Zentralvorstandes  d.  Gustav- 
Adolf- Vereins,  *  zu  Stünzhain  b.  Altenburg 
24.11.  39;  f  zu  Leipzig  31.  XII.  —  L  111. 
Ztg.  108,  48. 

Hof,  N  a  n  n  y  vom,  hess.  Schriftstellerin,  früher 
Vorsitzende  d.  Allg.  Erziehungsvereins  u. 
Leiterin  d.  Volkskindergartens  in  Kassel; 
s.  Sp.  134*. 

Jaap,  Heinrich,  Schulrath,  'Direktor  d. 
evangel.  Lehrerbildungsanstalt  in  Bielitz 
(Oestcrr.-Schlesien) ;  f  zu  Bielitz  21.  II. 


Jordan,  Wilhelm,  städt  Obertumlehrer  in 
Görlitz,  in  deutschen  Turnerkreisen  weit- 
bekannt; t  zu  Görlitz  2.  L  ~  L  111.  Ztg. 
106,  45. 

Müller,  Georg,  Dr.  phil.,  Direktor  d.  Leh- 
rerinnenseminars u.  d.  höh.  Töchterschule  I 
in  Hannover,  Schriftsteller  auf  d.  Geb.  d. 
Geschichte,  Litteraturgeschichte  u.  Päda- 
gogik, ^  zu  Frauenstein  9.  I.  51;  f  zu 
Hannover  6.  XI.  —  L  111.  Ztg.  107,  62 1; 
Ztschr.  f.  weibl.  Bildung  1896,  593  (A. 
Sleinberg).  —  W  KL  1896,  877. 

Orgler,  P.  Flavian,  k.  k.  Schulrath;  s  Sp. 
109*. 

Pickel,  A.,  Seminaroberlehrer  in  Eisenach, 
bedeutender  Schulmann;  f  zu  Eisenach 
5.  XI.  —  L  111.  Ztg.  107,  584;  Pädagog. 
Studien  1896,  106  (Winzer). 

Reumuth,  Karl,  Direktor  d.  höh.  Web- 
schule in  Glauchau;  s.  Sp.  73*. 

^Rudolph ,  Ludwig,  Töchterschul  -  Ober- 
lehrer, Pädagog  u.  populärwissenschaftl. 
Schriftsteller,  auch  Litterarhistoriker;  * 
zu  Berlin  18.  VIII.  13;  f  ebenda  26.  IX. : 
s.  BJ  I,  250.  —  L  BJ  II,  37» ;  Ztschr.  f. 
weibl.  Bildung  1896,  547. 

Salis-Schwabe ,  Frau  Julie,  Begründerin 
des  Internationalen  Fröbelinstituts  inNeapel: 
t  daselbst  21.  V.  —  L  111.  Ztg.  106,  699. 

Saupe,  Friedrich,  Schulrath,  Bezirksschul- 
inspektor  in  Chemnitz,  *  zu  Waldheim 
2.  XI.  };  f  zu  Chemnitz  26.  XI.  —  L 
111.  Ztg.  107,  699. 

Scharlach,  Emil,  Dr.  phil.,  Seminardirektor 
in  Oels;  f  daselbst  Ende  XL  —  L  111. 
Ztg.  107,  699. 

*Schellenberg,  Viktor  (Pseudon.:  Ernst 
Veit),  Dr.  phil.,  Professor,  Geh.  Hofrath. 
Pädagog  u.  schönwissenschaftl.  Schrift- 
steller, *  zu  Altenburg  im  Herzogth.  S.-A. 
30.  XI.  27;  t  zu  Weimar  9.  VII.:  s.  BJ  I, 
252.  -  L  BJ  II,  38». 

Wolff,  Hermann,  Dr.  phil.,  Philosoph  u. 
Pädagog;  s.  Sp.  86*. 


XXm.     Dichter  und  Schriftsteller. 


Ah,  Josef  Ignaz  v.  (Pseudon.:  Hartmann 
v.Baldcgg  u.  Der  Weltüberblicker), 
Theolog,  Publizist  u.  dramat.  Dichter;  s. 
Sp.  105*. 

*Ascharin,  Andreas,  Lehrer  für  deutsche 
Sprache  u.  Litteratur  am  russ.  Alexander- 
u.  Lomonossow -Gymn.  in  Riga,  Dichter 
u.  Uebersetzer,  *  zu  Pernau  in  Livland 
12.  (24.  n.  St.)  VI.  43;  t  zu  Riga  12.  (24. 
n.  St.)  XII.:  s.  BJ  I,  196.  —  L  BJ  11,  2*; 
Brummer*  1,48  (mit  W). 

'^Backhaus«  Wilhelm  Emanuel  (Pseudon.: 


Th.  Neander,  Imanuel  Baidur),  lyr. 
Dichter,  sozialpolit.  u.  philosoph.  Schrift- 
steller, *  zu  Petershagen  in  Westfalen  26. 
III.  26;  t  zu  Bremen  27.  II.:  s.  BJ  I,  195. 

—  L  BJ  II,  2»;  BrUmmer*  i,  62  (mit  W); 
Eckardt  lo(mitW);  Hinrichsen*43  (mitW). 

—  W  auch  KL  1896,  36. 

•Bäuerle,  Friederike  (Pseudon.:  Fried- 
rich Hörn),  Dichterin  u.  Uebersetzerin, 
♦  zu  Wien  ii.  XII.  17  (od.  20  ?);  f  zu  Ur- 
schendorf b.  Wiener  Neustadt  17.  VII.:  s. 
BJ  I.  335«  —  L  BJ  II,  2*;  Wurzbach  1,121. 


133 


Todtenliste  1896:    XXIII.   Dichter  und  Schriftsteller. 


134' 


*Baumbach,  Karl,  Dr.  jur.,  Oberbürger- 
meister V.  Danzigi  Publizist;  s.  Sp.  31*. 

Benda,  Franz,  P.,  Provinzial  d.  Piaristen- 
ordens; s.  Sp.  106*. 

Benkendorf,  Ignaz,  Journalist;  f  zu  Wien 
4.  II.  —  L  111.  Ztg.  106,  193. 

♦Beyrich,  Clementine  (Pseudon. :  Cle- 
mentine Helm),  Jugendschriftstellerin, 
*  zu  Delitzsch  9.  X.  25;  f  ^^  Berlin 
26.  XL:  s.  BJ  I,  247.  —  L  BJ  II,  i8*: 
111.  Ztg.  107,  750  (nicht  150.  mit  P); 
Brummer*  i,  118  (mitW).  436;  Hinrichsen* 
117  (mit  W).  —  W  auch  KL  1896,  91; 
Pataky  i,  331 ;  BörsenbL  f.  d.  d.  Buchh. 
1896,  8380. 

Blind,  Mathilde,  Stieftochter  Karl  Blinds, 
Dichterin  u.  Schriftstellerin  in  London, 
54  J.;  t  29.  XL 

Brentano,  Karl  v.,  Prof.  u.  geistl.  Instituts- 
direktor, Volks-  u.  Reiseschriftsteller;  s. 
Sp.   107*. 

*Bürkle,  Martin,  Pfarrer  u.  Schriftsteller, 
auch  Dialektdichter;  s.  Sp.  iii*. 

•Carro,  Karl  Ritter  v.  (Pseudon.:  Karl 
C  uro  de),  Schauspieler,  Rezitator  und 
Dichter,  *  zu  Wien  21.  III.  46:  f  daselbst 
22.  IlL:  s.  BJ  I,  337.  -  L  BJ  II,  7»; 
NTA  9,  163.  —  W  KL   1896,  183. 

Corleis,  Friedrich,  Uhrmacher,  dramat. 
Dichter,  *  zu  Oberndorf  in  Hannover 
22. 1. 53 ;  fzn  Altona  14.  VI.  —  L  Brummer  * 
I,  228;  NTA  8,  164.  —  W  KL  1896, 
198. 

Dominik,  Emil,  Redakteur,  Schriftsteller, 
Verleger;  s.  Sp.  141*. 

Dornbusch,  Paul,  Publizist,  Redakteur  u. 
Verleger  d.  »Nürnberger  Anzeiger«,  An- 
hänger d.  sUdd.  Volkspartei,  *  zu  Würzburg 
7.  VIL  48;  t  zu  Nürnberg  5.  LX.  —  L  111. 
Ztg.  107,  308;  KL  1896,  244. 

Dreger,  Karl,  ehemaliger  Chefredakteur  d. 
Wiener  »Presse«,  71  J.;  +  zu  Wien  17.  XII. 

•Ebeling,  Adolf  Heinrich,  Dr.  phU.,  Prof., 
Dichter,  Reiseschriftsteller,  Historiker,  * 
zu  Hamburg  24.  X.  27;  f  zu  Köln  20. 
(od.  21.  ?)  VIL:  s.  BJ  I,  194.  —  L  BJ  II, 
9*;  Deutscher  Hausschatz  20,  Beil.,  68 
(mit  P);  Keiter  4,  37  (mit  W).  5,  263; 
Eckart  59  (mit  W):  Schröder  2,  94  (mit  W) ; 
Hinrichsen  ^  301  (mit  W).  —  W  auch  KL 
1896,  259. 

Eulenburg,  Paul,  Dr.,  Schriftsteller  u.  dra- 
mat. Dichter,  45  J.;  f  zu  Blasewitz  b. 
Dresden  im  Okt. 

•Eye,  August  V.,  Dr.  phil.,  Novellist, Aesthe- 
tiker,  Litterarhistoriker ;  s.  Sp.  99*. 

♦Franckel,  Adolf,  Dr.  phil.,  Schriftsteller, 
lyr.  u.  ep.  Dichter,  Sekretär  d.  Vereins  d. 
Deutschen  Volkstheaters  in  Wien,  ehemal. 
Theaterdirektor  u.  Regisseur,  *  zu  Brunn 
20.  X.  25;  f^u  Wien  29.  IV.  96  (nicht  90): 


s.  BJ  I,  340.  —  L  BJ  II.  II»;    NTA  8, 
174;  Brummer*  i,  373  (mit  W). 

Friedländer,  Robert,  Herausgeber  d.  »Phi- 
ladelphia Abendpost«,  *  zu  Mülheim  a.  Rh. 
1832;  t  zu  Philadelphia  Sept/Okt.  —  L 
111.  Ztg.  107,  460;  KL  1897,  I,  42. 

Göttisheim,  Fritz,  Dr.  phil ,  Redakteur  d. 
»Basler  Nachrichten«;  s.  Sp.   124*. 

Grandauer,  Franz,  Dr.  phil.,  Theater- 
regisseur, Uebersetzer  u.  Bearbeiter  v. 
Opemtexten,  Theaterhistoriker;  s.Sp.  159*. 

Greiner,  Ludwig,  früher  Herausgeber  d. 
»Feuilleton-Zeitung«,  Gründer  d.  Literar. 
Bureaus  Greiner  &  Cie.,  Uebersetzer,  •  zu 
Erlau  in  Ungarn  21.  X.  47;  f  zu  Berlin 
14.  VIL  —  L  lU.  Ztg.  107,  125;  KL  1896, 
428  (mit  W). 

Gröteken,  Heinrich,  Pfarrer,  dramat.  Dich- 
ter; 5.  Sp.  108*. 

Grotthuss,  Elisabeth  Baronin  v.,  Roman- 
schriftstellerin, *  zu  Dürbeo  in  Kurland 
29.  X.  (10.  XI.  n.  St.)  20;  t  zu  Wien 
im  Jan.  —  L  Hinrichsen  *  473  (Autobiogr., 
mit  W);  Brummer*  2,  56  (mit  W):  Keiter 
4,  61  (mit  W).  5,  263.  —  W  auch  KL 
1896,  431;  Pataky  i,  287. 

*Guischard,  (auch  Guichard),  VVil hel- 
mine Konstanze,  Verf.  v.  Romanen  u. 
Novellen,  •  zu  Kolberg  in  Pommern  5. 
III.  26;  f  zu  Berlin  Anf.  April:  s.  BJ  I, 
194.  —  L  BJ  II,  16 •;  Brummer*  2,  63 
(mit  W).  4,  443.  —  W  auch  Pataky  i,  292. 

^Gurlitt,  E  m  a  n  u  e  1 ,  Bürgermeister  in  Husum, 
Verf.  V.  Gedichten  u.  Dramen  in  platt- 
deutscher Mundart;  s.  Sp.  32*.  —  L  auch 
Brummer*  2,  67;  Eckardt  80. 

*Häcker,  Gustav  v.,  Landgerichtspräsident, 
lyr.  Dichter;  s.  Sp.  n8*. 

*Heerbrandt,  Gustav,  Deutschamerikaner, 
Schwab.  Dialektdichter,  Redakteur  u.  Zei- 
tungsverleger, *  zu  Reutlingen  14.  III.  19; 
t  zu  New  York  26.  V.:  s.  BJ  I,  96.  — 
L  BJ  II,  I7r. 

*Helbig,  Friedrich,  Landgerich tsrath  a. D. , 
Dichter  u.  Schriftsteller,  Mitarbeiter  d. 
»Gartenlaube«;  s.  Sp.  119*. 

Herold,  Friedrich,  einer  d.  ältesten  deut- 
schen Journalisten  in  Nordamerika,  ge- 
borener Sachse,  77  J.;  f  ^^  Cleveland  16. 
XL  —  L  111.  Ztg.  107,  699. 

Hinze,  Hugo,  früher  Major,  Reichstagsabg., 
Publizist;  s.  Sp.  36*. 

^Hirsch,  Arnold,  Dr.  med.,  Homöopath, 
Schriftsteller  u.  Publizist,  Dichter  v.  Dramen, 
Novellen  u.  Gedichten,  *  zu  Horitz  in 
Böhmen  15.  VL  15;  f  zu  Wien  24.  XL: 
s.  BJ  I,  341.  —  L  BJ  II,  19*;  IlL  Ztg. 
107,  699;  Brummer*  2,  168,  (mit  W); 
Wurzbach  9,  45  (mit  W). 

*Hof,  Nanny  vom,  hess.  Schriftstellerin, 
Verf.  v,  Erzählungen  u.  Dramen,    früher 


135* 


Todtenliste  1896:    XXIII.    Dichter  und  Schriftsteller. 


136* 


in  Kassel  Vorsitzende  d.  Allg.  Erziehungs- 
vereins u.  Leiterin  d.  Volkskindergartens, 

♦  zu  Hombressen,  Kr.  Hofgeismar,  19.  II. 
24;  t  daselbst  26.  HL:  s.  BJ  I,  253.  — 
L  BJ  II,  19*;  Brummer*  2,  179.  —  W 
Pataky  i,  365. 

Höhl,  Leopold  (Pseudon.:  Rhoenanus), 
Pfarrer  in  Ebern,  der  »Rhöntroubadour, 
Dichter  u.  Reiseschriftsteller;  s.  Sp.  108*. 

*Honore,  Wilhelm,  Kaufmann  u.  Fabrikant, 
Dichter  u.  Uebersetzer;  s.  Sp.  72*. 

*Hoyos,  Rudolf  Graf  v.,  Mäzen  u.  Dichter; 
s.  Sp.  II*. 

*Jarke,  Franziska  Julie  (Pseudon.:  E. Ru- 
dorff),  Romanschriftstellerin  u.  Verf.  pä- 
dagog.  Schriften,  *  zu  Königsberg 3. XII.  1 5 ; 
t  ebenda  3.  VIIL:  s.  BJ  I,  259.  —  L 
BJ  II,  20*;  Brummer*  2,  228  (mit  W); 
Pataky  i,  398;  Hinrichsen'  628  (mit  W). 

—  W  auch  KL  1896,  582;  Pataky  2,  210. 
KampfFmeyer,    Wilhelm,     Redakteur    d. 

»Gerberzeitung«,  Vorsitzender  d.  Ver.  deut- 
scher Gerber,  51  J.;  f  ^u  Berlin  8  IL  — 
L  111.  Ztg.   106,  217. 

Kober,  Franz,  Dr.  phil.,  Besitzer  d.  Hol- 
beinapotheke in  Basel,  Verf.  d.  Biographien 
V.  Ch.  F.  Spittler  u.  C.  Mez,  •  29.  V. 
40;  f  zu  Basel  24.  XL  —  L  Börsenbl. 
f.  d.  d.  ßuchh.  1896,  8248. 

Kraemer,  Maximilian,  Humorist,  Lokal- 
plauderer, Redakteur  d.  »Lustigen  Blätter«, 

•  zu  Breslau  25.  III.  63;  f  zu  Berlin  5. 
VL  —  L  111.  Ztg.  106,  726;  KL  1896. 
685  (mit  W). 

Kreuzmaier,  J.  6.,  Redakteur  d.  »Münchener 
Boten«,   71  J.;    f   2"  München   22.  VIIL 

—  L  Hl.  Ztg.  107,  273. 

Krinitz  (auch  Krienitz),  Elise  (Pseudon.: 
Camille  Seiden),  Lehrerin  am  Mädchen- 
lyzeum zu  Ronen,  Verf.  krit.  Studien  ttl). 
ausländ.  Litteratur,  Freundin  H.  Heines 
(die  »Mouche«),  •  zu  Prag  1826  (od. 
'^33  0»  t  ^^  Ronen  laut  .Nachricht  aus 
Paris  vom  11.  VIIL  —  L  111.  Ztg.  107, 
214.  294  (A.  Kohut,  mit  P). 

*Laistner,  Ludwig,  Dr.  phil.,  Germanist 
u.  Dichter;  s.  Sp.  100*. 

LankenaUy  v ,  russ.  Staatsrath,  früher  In- 
spektor am  russ.  Kadettenkorps,  Roman- 
schriftsteller; f  zu  Wiesbaden  27.  X.  — 
L  111.  Ztg.  107,  547. 

*Lenz,  Karl  Ludwig,  Dr.  phil,  Humorist, 
Lustspieldichter,  Redakteur,  *  zu  Berlin 
20.  IX.  13;  f  daselbst  2.  X.:  s.  BJ  I, 
253.  —  L  BJ  II,  25*;  Brummer*  2,  401 
(mit  W);  Schröder  4,  431  (mit  W).  — 
W  auch  KL  1896,  748. 

Liesen,  Heinrich  (Pseudon.  :L.  Clemens), 
Pfarrer,  Publizist;  s.  Sp.  109*. 

Lindau,  Leopold,  früher  Redakteur  u. 
Prokurist     d.    W^olfTschen     Telegraphen- 


Bureaus,  vorher  Musikkritiker  u.  Feuille- 
tonist  an   amerikan.  Zeitungen;   f    18.  V. 

^ipperheide,  Frieda  Freifrau  v.,  geb. 
Gestefeld,  Schriftstellerin,  Mitbegründerin 
d.  »Modenwelt«  u  d.  »Illustr.  Frauenztg.c, 
•  zu  Lüchow  in  Hannover  25,  IV.  40: 
t  12.  IX.:  s.  BJ  I,  137.  —  LBJ  II,  25*; 
111.  Ztg.  107,  415  (G.  S.,  mit  P);  Pataky 
I,  510. 

^LudorfT,  Franz  Xaver,  Dr.  phil.,  Anglist, 
lyr.  u.  dramat.  Dichter,  *  zu  Kessenich 
(Rheinprov.)  21.  V.  52;  f  ^^  Münster 
31.  V.:  s.  BJ  I,  248.  —  L  BJ  II,  25*; 
Brummer*  2,  450  (mit  W);  Keiter  4,  124 
(mit  W);  Rassmann  N.  F.  142  (mit  W). 
—  W  auch  KL  1896,  789. 

*Meerheimb,  Richard  v.,  (Pseudon.:  Hugo 
vom  Meer),  Oberst  a.  D.,  ep.  u.  dramat. 
Dichter  (Psychodramen);  s.  Sp.  59*.  — 
Vgl.  noch  Haan  210  (mit  W);  Nachr.  a. 
d.  Buchh.   1896,   195  (W). 

*Menger,  Rudolf,  Dr.  phil.,  Journalist, 
lyr.  u.  dramat.  Dichter,  *  zu  Driesen  in 
d.  Neumark  26.  V.  24;  f  zu  Berlin  23. 
X.:  s.  BJ  I,  257.  —  L  BJ  II,  30;  KL  96, 

833. 

Michels,  Ferdinand, Redakteur d. »Königs- 
berg. Hartungschen  Ztg.«,  Publizist  u. 
Kunsthistoriker,  *  zu  Meckenheim  15.  IX. 
44;  f  zu  Königsberg  i.  Pr.  10.  IV.  —  L 
111.  Ztg.  106,  465;  KL  1896,  853. 

Mdller,  Friedrich,  Journalist,  Herausgeber 
d.  Witzblattes  »Der  Krakeeler«  verbunden 
mit  d.  »Hessischen  Sonntagsblatt«,  früher 
Redakteur  d.  »Freien  Hess.  Ztg.«,  •  zu 
Kassel  29.  XII.  32;  f  daselbst  14.  IL  — 
L  111.  Ztg.  106,  248. 

•NoS,  Heinrich  August,  Dr.  phil.,  Reise- 
schriftsteller u.  Novellist;  s.  Sp.  97*. 

*Pick,  Alphons,  Industrieller,  elsäss.  Dia- 
lektdichter u.  Publizist,  Mitgl.  d.  Landes- 
ausschusses, *  zu  Strassburg  i.  £.  4.  VL 
1808;  t  daselbst  8.  III.:  s.  BJ  I,  248.  — 
L  BJ  II,  34*;  Brummer*  3,  221  (mit  W). 
451 ;  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrh.  52,  332 
(Marckwald,  Elsftss.  Geschichtslitt. :  Er- 
winia  3,  33  (A.  Dietz);  Allg.  Ztg.  1896, 
Beil.  65). 

Ramschak,  Ludwig,  Journalist  u.  Schrift- 
steller, Herausgeber  d.  »Sport-  u.  Jagdztg.«, 
61  J.;  t  zu  Wien  II.  L  —  L  111.  Ztg.  106, 

131- 

*Rank,  Joseph,  pension.  Direktions-Sekre- 
tär d.  Wiener  Hofoper,  Roman-  u.  Volks- 
schriftsteller, Redakteur,  •  zu  Friedrichs- 
thal im  Böhmer  Wald  10.  VL  16;  f  zu 
Wien  27.  IIL:  s.  BJ  I,  448.  —  L  BJ  II, 
35»;  Brummer*  3,  274  (mit  W).  4,  451. 

*Razga  von  Rasztoka,  Heinrich  (Pseudon. : 
Heinrich  Thalboth),  Schauspieler  u. 
Buhnendichter;  s.  Sp.  161*. 


137' 


Todtenliste  1896:    XXIII.   Dichter  und  Schriftsteller. 


138* 


^Reinkens,  Joseph  Hubert,  Bischof  d.  deut- 
schen Altkatholiken,  Tbeolog  u.  Publizist, 
auch  Dichter;  s.  Sp.   11$*. 

*Reizenstein,  Franziska  Freifrau  v.,  (Pseu- 
don.:  Franz  v.  Nemmersdorf),  geb. 
von  Nyss,  Romanschriftstellerin  u.  Verf. 
sozialphilos.  Studien,  *  auf  Schloss  Härden- 
stein  in  Schwaben  19.  XI.  34;  f  zu  München 
4.  VI.:  s.  BJ  I,  256.  —  L  BJ  II,  35 ♦; 
Freiherrl.  Taschenbuch  1897,  1215  (i"*S)j 
Brümraer*  3,  297  (mit  W);  Hinrichscn' 
1092  (mit  W) ;  Pataky  2,  83.  —  W  auch 
KL  1896,   1022;  Pataky  2,  182. 

^Roberts,  Alexander  Baron  ▼.,  (Pseudon.: 
Robert  Alexander),  preuss.  Hauptmann 
a.  D.,  Romanschriftsteller  u.  Novellist, 
•  zu  Luxemburg  23.  VIII.  45 ;  f  zu  Schrei- 
berhau im  Riesengebirge  8.  IX.  96  (nicht 
95):  s.  BJ  I.  263.  —  L  BJ  II,  36»; 
Brummer*  3,  327  (mit  W).  —  W  auch 
Börsenbl.  f.  d.  d.  Buchh.  1896,  5613.  5757. 

Rochow,  Rochus  v.,  Major  a.  D.,  Publizist; 
s.  Sp.  54*. 

Rolfus,  Hermann,  Dr.  theol.,  Pfarrer,  Pä- 
dagog  U.Jugendschriftsteller;  s.  Sp.  ixo*. 

^Roquette,  Otto,  Dr.  phil.,  Prof.  an  d. 
Techn.  Hochsch.  zu  Darmstadt,  Litterar- 
historiker  u.  Dichter;  s.  Sp.  100^. 

^Rosenthal,  Hermann,  Verf.  v.  Dramen, 
Humoresken,    Satiren,    *    zu    Magdeburg 

18.  I.  37;  t  2U  Berlin  im  Juni:  s.  BJ  I, 
252.  —  L  BJ  II,  37*;  BrUmmer*  3,  349 
(mit  W);  Hinrichsen'  530  (mit  W). 

*Rössler,  Konstantin,  Dr.  phil.,  Prof., 
Geh.  Legationsrath  a.  D.,  Publizist;  s.  Sp. 
i8*. 

Rothenfelder,  Alois,  Pfarrer,  Sozialschrift- 
steller; s.  Sp.  HO*. 

♦Röttger,  Rudolf,  Österreich.  Offizier,  Publi- 
zist, Dichter  u.  Meteorolog,  •  zu  Braun- 
schweig 21.  VII.  33;  f  zu  Wien  durch 
Selbstmord  23.  VII.:  s.  BJ  I,  249.  —  L 
BJ  II,  36*;  Brummer*  3,  361. 

Sabell,  Eduard  Wilhelm,  Dr.  phil.,  Jour- 
nalist, vielfach  ausgewiesen,  zuletzt  An- 
tiquar (R.  Sandroy' sches  Antiquariat)  u. 
kulturhistor.  Schriftsteller  in  Berlin,  *  zu 
Daisbach  in  Baden  22.  II.  19;  f  zu  Berlin 

19.  in.  —  L  111.  Ztg.  106,  396;  Nachr. 
a.  d.  Buch.   1896,  647  (mit  W). 

Sauer,  Karl  Marquard  (Pseudon. :  M.  All  an  d) , 
Dr.  phil.,  Prof.,  Reg.-Rath,  Pbilolog,  Verf. 
verschiedener  Romane  u.  Novellen;  s.  Sp. 

lOI*. 

*Scheichl,  Alois  (Pseudon.:  Alois  Berla), 
Wiener  Volksschriftsteller,  Verf.  zahlreicher 
Possen,  Charakterbilder,  Operntexte,  Schau- 
u.  Lustspiele,  *  zu  Wien  7.  III.  26;  f 
daselbst  16.  IL:  s.  BJ  I,  336.  —  L  BJ 
II,  38*;  Hl.  Ztg.  106,*  248;  Brummer*  4, 
435  (mit  W). 


*Schellenberg,  Viktor  (Pseudon.:  Ernst 
Veit),  Dr.  phil.,  Prof.,  Geh.  Hofrath, 
Pädagog  u.  Verf.  schönwissenschaftl. 
Schriften;  s.  Sp.  132*. 

*SchimpfF-Jahn,  Anna  (Pseudon. :  Moritz 
Horst);   Roman-    u.   Reiseschriftstellerin, 

♦  zu  Leipzig  15.  XI.  31;  f  zu  Triest  8. 
IL:  s.  BJ  I,  251.  —  L  BJ  II,  38*;  BrUm- 
mer* 3,  420  (mit  W);  Pataky  i,  379.  2, 
241  (mit  W). 

Schlesinger,  Anton,  Direktor  d.  Kroat. 
Kommerzialbank,  früher  (seit  1880)  Chef- 
redakteur u.  EigenthUmer  d.  »Agramer 
Ztg.«;  t  zu  Agram  9.  IL  —  L  111.  Ztg. 
106,  217. 

Schlieben,  Major  a.  D.,  Alterthumsforscher 
u.  Dichter;  s.  Sp.  54*. 

*Schmelzkopf,  Eduard,  Philolog u.  Dichter ; 
s.  Sp.  102  *. 

Schmidt,  Dr.,  früher  Redakteur  d.  »Köln. 
Volkszeitung«;  f  zu  Stuttgart  28.  XL 

^Schmieden,  Elise  (Pseudon.:  Elise 
Juncker),  geb.  Kobert,  Romanschrift- 
stellerin, *  zu  Berlin  6.  XL  41 ;  f  daselbst 
10.  VIIL:  5.  BJ  I.  260.  —  L  BJII,  38»; 
111.  Ztg.  107,  263  (mit  P);  Brummer*  3, 
452  (mitW);  Pataky  i,  402.  2,  256  (mit  W)]; 
Hinrichsen-'  1176  (mit  W). 

Schweitzer,  Leopold  Albrecht,  kaiserl. 
Rath,  früher  Redakteur  d.  »Wiener  Ztg.«, 

•  zu  Neisse  1.  IL  15;  f  zu  Klostemeu- 
burg  b.  Wien  9.  VII.  —  L  Brummer*  4, 
58  (mit  W);  BörsenbL  f.  d.  d.  Buch.  1896, 

4235- 
Se3rfried,  Heinrich  Ritter  v.,  Journalist  u. 

Theaterreferent,    langjähr.  Mitarbeiter    d. 

»Wanderer«,  im  77.  J. ;  f  zu  Wien  8,  XL 

—  L  111.  Ztg.  107,  621 ;  Wurzbach  34,  176. 
Stankiewicz,    Marie    v.,     Schriftstellerin, 

Tochter  v.  Frau  Fanny  Dore,  geb.  Caspars, 
aus  Mannheim,  Jugendliebe  Thorwaldsens, 

*  zu  Wien  i.  X.  27;  +  zu  Graz  16.  XII. 

—  L  111.  Ztg.   107,  799. 

Stein,  Friedrich  v.,  k.  russ.  Hofrath,  seit 
1872  bis  wenige  Jahre  vor  seinem  Tode 
Mitredakteur  d.  Goth.  Hofkalenders  u. 
Almanach  de  Gotha  (Statistik:  Handel, 
Finanzen  u.  Militär),  *  zu  Rastenburg  18. 
IL  17;  t  zu  Gotha  5.  X.  —  Preuss. 
Premierlieut.  in  einem  ostpreuss.  Grenad.- 
Reg. ;  später  Lehrer  an  d.  Realsch.  in  St.- 
Petersburg;  dann  Redakteur  d.  deutschen 
»Petersburger  Ztg.« ,  als  welcher  er  d. 
deutsche  Interesse  in  Russland,  haupt- 
sächlich während  des  deutsch -französ. 
Krieges,  vertrat;  schrieb  verschiedene  Ar- 
tikel Über  d.  Bevölkerungsverhältnisse  Russ- 
lands in  »Petermanns  Geogr.  Mittheilungen« 
u.  Übersetzte  aus  d.  Russ.  ins  Deutsche 
Tottlebens  Werk  üb.  d.  Krimkrieg.  —  L 
111.  Ztg.  107.  489.  —  PM. 


139*    Todtenl.  1896:  XXIII.  Dichter  u.  Schriftsteller.  XXIV.  Buchdrck.  u.  Buchhdlr.    140* 


^Steinmann,  Karl,  braunschweig.  Lokal- 
historiker u.  Journalist,  *  zu  Braunschweig 
4.  IL  23;  f  daselbst  21.  VII.:  s.  BJ  1,406. 

—  L  BJ  II,  4i». 

Stösser,  Guido  v.,  preuss.  Major  z.  D., 
auch  Novellist;  s.  Sp.  55*  u.  66*. 

*Strombeck,  Richard  Freih.  v.,  General- 
major z.  D.,  Militärschriftsteller,  Verf.  v. 
Memoiren;  s.  Sp.  56 •. 

*Stunn,  Julius,  Geh.  Kirchenrath,  Dichter; 
s.  Sp.  116^. 

*Thaden ,  Ludwig,  Romanschriftsteller, 
Redakteur,  *  zu  Waddens  in  Oldenburg 
16.  II.  49:  f  zu  Stuttgart  15.  X.:  s.  BJ 
I.  93.  -  L  BJ  II.  42  ♦. 

*Treit6chke,  Heinrich  v.,  Historiker. Publi- 
zist u.  Dichter;  s.  Sp.  104^. 

♦Ulrici,  Karl  (Pseudon.:  Günther  Wal- 
ling),  Dichter,  Kulturhistoriker  u.  kunst- 
gewerbl.  Sammler,  früher  Kaufmann,  *  zu 
Berlin  25.  VII.  39;  f  zu  Dresden  13.  (od. 
II?)  L:  BJ  I,  262.  —  L  BJ  II,  43*; 
Hinrichsen'  1329  (mit  W). 

*Versing  -  Hauptmann ,  Anna,  Schauspie- 
lerin, auch  Verf.  v.  Gedichten,  Novellen 
u.  Feuilletons;  s.  Sp.  162*. 

*  Wagner  von  Freinsheim.  Camillo  (Pseu- 
don.: Karl  Guntram),  k.  k.  Hofrath 
im  Oberlandesgericht  zu  Wien  i.R.,  1848/49 
Mitgl.  d.  Frankfurter  Parlaments,  Roman- 
schriftsteller u.  Novellist,  lyr.  u.  ep.  Dichter, 
*  zu  Frankenburg  in  Oberösterreich  22. 
VI.  13;   t   «u  Graz  15.  IL:  s.  BJ  I,  250. 

—  L  B J  II,  44*;  Hinrichsen'  1355  (mitW). 
•Weber,    Robert,    Theolog   u.    Pädagog, 

lyr.    Dichter,  u.    Novellist,    Journalist    u. 
Litterarhistoriker;   s.  Sp.  116*. 


Weickum^  Karl,  Domdekan,  lyr.  u.  dramat. 
Dichter;  s.  Sp.  11 1*. 

*Wickede,  Julius  v. ,  Rittmeister  a.  D., 
Militärschriftsteller,  Verf.  v.  Romanen  u. 
Novellen;  s.  Sp.  56*. 

.•Wiesberg.  Wilhelm,  Österreich.  Volks- 
schriftsteller, Volkssänger,  Verf.  v.  Couplets, 
Kinderdramen  u.  a.,  *  zu  Wien  13.  IX. 
50 ;  t  daselbst  25.  VIII.:  s.  BJ  I,  345. 
—  L  BJ  II,  50*:  Brummer*  4,  341  (mit 
W);  Wurzbach  56,  37  (mit  W). 

Wiesinger,  Albert,  Dr.  phil..  Konsistorial- 
rath,  Dechant  u.  Pfarrer  v.  St  Peter  zu 
Wien,  klerikaler  Journalist,  Verf.  homilet. 
Schriften  u.  Kirchenhistoriker ;  s.  Sp.  112*. 

Wohlwend,  Jakob  Julius,  angesehener  Deut- 
scher im  Staate  Iowa,  1871  Begründer 
der  in  Burlington  erscheinenden  »Iowa 
Tribüne«,  mehrmals  dort  zum  Polizei- 
richter gewählt,  Kämpfer  im  Bürgerkrieg 
auf  Seite  d.  Union,  *  zu  Karlsruhe  1839; 
f  zu  Burlington  im  Sept  —  L  111.  Ztg. 
107,  429. 

Wöhr,  Johann  (Pseudon.  :HansWiesing), 
Domkapitular  in  Graz,  Volksschriftsteller; 

9.    Sp.    112*. 

Wolfgarten,  Gottfried,  Pfarrer,  Volks- 
schriftsteller; S.  Sp.   112*. 

•Wymetal,  Wilhelm  Ritter  v.  (Pseudon.: 
W.  Wyl),  Publizist,  •  zu  Wien  27.  XIL 
38;  t  zu  München  4.  L:   s.   BJ  III,  380. 

Zedtwitz.  Ewald  V.  (Pseudon.:  E.  v.  Wald- 
Zedtwitz,  auch  E.  v.  Waldj,  Major 
a.D.,  Romanschriftsteller;  s.  Sp.  57*. 

^Zedtwitz-Liebenstein,  Klemens  Graf  v., 
Dialektdichter;  s.  Sp.  16*. 


XXIV.     Buchdrucker  und  Buchhändler. 


Barth,  Eugen.  Inhaber  d.  Buchhandlung 
gleicher  Firma  in  Colmar,  63  J.;  j*  6.  XII. 
—  L  Börsenblatt  f.  d.  Deutschen  Buch- 
handel 1896,  8585.  —  KA. 

Barth,  Rudolf,  Sortimenter  u.  Verleger 
in  Aachen,  Vorsitzender  d.  Rhein.- West- 
phäl.  Buchhändlervereins,  *  zu  Meschede 
23.  IX.  47;  f  zu  Aachen  30.  X.  —  L 
Börsenbl.  1896,  7282.  7280  (H.  S.). 

Bensinger,  Sigmund,  Inhaber  d.  Verlags-, 
Sortiments-  u.  Kolportage-Buchh.  gleicher 
Firma  in  Prag  u.  Wien,  70  J.;  f  ^^  Ab- 
bazia  15.  IL  —  L  Nachrichten  aus  d. 
Buchhandel  1896,  399. 

Benziger,  (Vater).  Adelrich,  ältester  Chef 
d.  kathol.  Buchh.  u.  päpstl.  Anstalt  f. 
kirchl.  Kunst  u.  Industrie  (Firma  Adelrich 
Benziger  &  Cie.)  zu  Einsiedeln  in  d. 
Schweiz,    hervorragender  Kenner  d.    Ge- 


sammtgeb.  d.  graph.  Künste,  *  daselbst 
15.  XI.  33;  t  ebenda  9.  X.  —  Begr.  1853 
mit  seinen  Brüdern  d.  Firma  »Benziger 
Brothers«  in  New  York:  bis  1881  Chef 
d.  litterar.,  artist.  u.  techn.  Abtheilungen 
d.  Firma  Gebr.  Karl  u.  Nikolaus  Benziger 
in  Einsiedeln;  1883  Präsident  d.  Jury  f. 
d.  Vervielfältigungs verfahren  an  d.  Zürcher 
Landesausstellung,  1889  Vizepräsident  d. 
Jury  f.  Buchdr.  u.  Buchh.  an  d.  Pariser 
Weltausstellung.  —  L  K.  F.  Pfau,  Biogr. 
Lexik,  d.  D.  Buchh.  d.  Gegenwart  (Leipz. 
1890).  S.  33;  111.  Ztg.  107,  489;  Börsenbl. 
1896,  6487.  6932  (P.  F.  W.). 
Bermann,  David,  Inhaber  d.  Antiquariats- 
u.  Verlagsbuchh.  Bermann  u.  Altmann  zu 
Wien,  •  zu  Poln.  (Gross-)  Wartenberg 
in  Preussisch- Schlesien  1830;  f  zu  Wien 
9.  XI.   —   L  111.  Ztg.  107,  63;  Börsenbl. 


141' 


Todtenliste  1896:    XXIV.  Buchdrucker  und  BuchhHndler. 


142' 


^896,  7503.  7546  (nach  »Neue  Fr.  Presse« 
V.  10.  XI.  96).  —  PM. 

Borstell,  Johann  Hennann  Friedrich  (Fritz), 
Mitinhaber  der  »Nicolaischen  Buchh.«  und 
d.  Firma  »Borstell  &  Reimarus«  in  Berlin, 
Begründer  eines  BUcherleihinstitutes  gros- 
sen Stiles,  *  daselbst  27.  V.  34;  f  ebenda 
2.  II.  —  1850  Eintritt  als  Lehrling  in  d. 
Buchh.  Ernst  &  Korn  in  Berlin;  auf  d. 
Wanderjahren  in  Mainz  bei  Viktor  v.  Zabem, 
in  Paris  bei  F.  Klincksieck;  nach  der 
Rückkehr  in  die  Heimathstadt  im  Anti- 
quariat von  W.  Weber  daselbst;  Übernahm 
1863  mit  F.  Wreden  d.  Nicolaische  Buchh., 
1867 — 71  deren  alleiniger  Inhaber,  seit 
I.  I.  72  gemeinsam  mit  Hans  Reimarus; 
1886 — 92  Mitgl.  d.  Wahlausschusses,  seit 
Okt.  1893  Mitgl.  d.  Rechnungsausschusses 
d.  Börsen ver.  d.  D.  Buchh.;  bis  1895  auch 
Stadtverordneter.  —  L  Nachr.  1896,  267. 
282.  299. 

Boysen,  Christian,  Inhaber  d.  1867  von 
ihm  unter  seinem  Namen  gegr.  Sortiments- 
buchh.,  die  er  später  auch  auf  d.  Verlag, 
bes.  v.hamburger Schulbüchern,  ausdehnte; 
Mitinhaber  d.  am  i.  I.  89  eröffneten  Ge- 
werbe- u.  Architektur-Buchh.  Boysen  & 
Maasch;  Vorsitzender  d.  Rechnungsaus- 
schusses d.  Börsenver.,  *  zu  Tondern  im 
Juli  36;  f  zu  Hamburg  24.  XI.  —  L 
Börsenbl.  1896,  7983.  8350  (H.  Seippel). 

8352. 

Brennwald,  Alfred,  Buchhändler,  General- 
sekretär d.  Vereins  f.  Massenverbreitung 
guter  Schriften  in  Weimar;  f  daselbst  11. 
IL  —  L  Nachr.  1896,  343. 

Colditz,  Louis  Albert,  GehUlfe,  Prokurist 
u.schliessl.  (bis  1892)  Mitbes.  d.  Rein'schen 
Buchhandlung  in  Leipzig;  f  daselbst  24. 
IV.  —  L  Nachr.  1896,  808.  —  PM. 

Dominik,  Emil,  Buchhändler,  Verleger 
illustr.  Zeitschriften,  früher  Redakteur  des 
»Bär«,  *  zu  Brandenburg  27.  II.  44;  f  zu 
Berlin  16.  I.  ^  L  KL    1896,   242.    1897, 

I.  41. 
Dudek,  Arthur,  Geschäftsführer  d.  Firma 

Concordi<i,  Deutsche  Verlagsgesellsch.   in 

Berlin;   f  daselbst  5.  X.  —  L  Börsenbl. 

1896,  6351. 

Ed,  Karl  Emil,  früher  Verleger  d.  »Eisen- 
bahnztg.«;  f  zu  Lübeck.  —  L  Börsenbl. 
1896,  5887. 

Ernesti,  Gustav,  bis  1894  Inhaber  der 
1847  von  ihm  begr.  Buchh.  in  Chemnitz, 
79  J.;  +  daselbst  17.  IV.  —  L  Nachr. 
1896,  784.  800. 

Faber,  Gustav  Karl  Friedrich,  bis  1872 
Inhaber  d.  Faber'schen  Buchdr.  in  Magde- 
burg, 86  J. ;  f  zu  Cracau  b.  Magdeburg 
5.  X.  —  Lehrling  in  d.  Creutz'schen 
Buchh.  zu  Magdeburg;  Gehülfe  b.  Ludwig 


Probst  in  Darmstadt  u.  J.  P.  Bachern  in 
Köln;  übernahm  1838  die  1831  v.  Christ. 
Kunze  in  Mainz  gegr.  Sorttraentsbuchh., 
die  er  am  i.  I.  42  F.  H.  Ehler  Uberliess ; 
im  gleichen  Jahre  erwarb  er  Verlag  u. 
Druckerei  d.  »Magdeb.  Ztg.«  —  L  III. 
Ztg.  107.  460;  Pfau  a.  a.  O.  117 ;  Börsenbl. 
1896,  6459  (nach  »Magdeb.  Ztg.«). 

Fenner  von  Fenneberg,  Ernst,  Inhaber  einer 
Buchh.  in  seiner  Vaterstadt  Weilburg  a.  d. 
Lahn ;  f  zu  Mainz  24.  VI.  —  L  Börsenbl. 
1896,  4150  (A.  M.). 

Franck,  Albert,  Dr.  phil.,  Begründer  u. 
langj.  Besitzer  d.  Verlagsbuchh.  »Librairie 
A.  Franck«  in  Paris,  während  d.  letzten 
25  Jahre  als  Privatmann  in  Dresden  lebend, 
86  J.;  t  daselbst  15.  III.  —  Die  Firma 
war  aus  d.  Buchh.  Brockhaus  &  Avenarius 
(gegr.  1837)  hervorgegangen  u.  gelangte 
1865  in  d.  alleinigen  Besitz  v.  F.  Vieweg» 
unter  dessen  Namen  sie  fortbesteht.  —  L 
111.  Ztg.  106,  437;  Nachr.  1896,  567. 

Gassner,  Franz,  Buchhändler,  auch  Schrift- 
steller u.  Dichter,  •  zu  Omisberg-Leck,  Vor- 
arlberg, 14.  III.  33;  t  zu  Innsbruck  12.  X. 

—  L  Börsenbl.  1896,  71 51.  —  PM. 
Gerhard,    Wolf  gang,     begründete     1845 

ein  Verlagsgeschäft  in  Leipzig,  welches  er 
1891  an  seinen  Sohn  Raimund  G.  abtrat, 
*  daselbst  10.  XI.  20;  f  ebenda  16.  VIII. 

—  L  Börsenbl-  1896,  4965.  —  PM. 
Gerih,  Paul,  Mitinhaber  d.  Buchh.  Gerth, 

Laeisz  &  Cie.  in  Hamburg;  f  daselbst  9. 

XI.  —  L  Börsenbl.  1896,  7754. 

Götz,  Egid  Adalbert,  Buchhändler  in  Marien- 
bad u.  Eger,  *  zu  Tepl  25.  II.  22;  +  zu 
Marienbad  18.  XI.  —  L  Börsenbl.  1896, 
7151.  —  PM. 

Gfiininger,  Karl,  Kommerzienrath,  Verlags- 
buchhändler u.  Buchdruckereibesitzer  in 
Stuttgart,  *  zu  Enzklösterle  21.  II.  43; 
t  zu  Stuttgart  i.  VI.  —  Sohn  d.  Revier- 
försters, späteren  Forstrathes  G. ;  erwarb 
I.  VII.  67  die  k.  Hofbuchdr.  »Zu  Gutten- 
berg«  (Spezialität  Druck  oriental.  u.  russ. 
Werke)  in  Stuttgart  u.  gründete  im  An- 
schluss  daran  ein  Verlagsgeschäft  unter 
d.  Firma  seines  Namens  (Wieck'sche 
»Illustr.  Gewerbeztg.« ,  »Kirchenbl.  f.  d. 
evangel.  Dtschl.«;  seit  1887  »Neue  Musik- 
zeitung« u.  a.);  1871  eröffnete  er  eine 
Filialdruckerei  in  Metz  u.  verband  mit  ihr 
d.  Verlag  d.  »Lothringer  Ztg.«  u.  d. 
»Gazette  de  Lorraine«.  —  L  III.  Ztg.  106, 
726;  Schwab.  Kronik  1896,  127  Mittagsbl.; 
Nachr.  1896,  1047.  1071  (S.).  1095. 

Hagelberg,  Wolf,  Gründer  u.  ältester  Chef 
d.  Kunstanstalt  W.  Hagelberg  in  Berlin,  *  zu 
Hoym  in  Anhalt  9,  V.  25;  f  *u  Berlin  25. 

XII.  —  L  Börsenbl.  1896,  8797.  —  PM. 
Halem,  Gustav  Adolf  von,   Inhaber  d.  15. 


143 


* 


Todtenliste  1896:    XXIV.  Buchdrucker  und  Buchhändler. 


144' 


IX.  63  von  ihm  gegr.  Buchh.  G.  A.  v. 
Halem  in  Bremen;  f  daselbst  25.  VI.  — 
L  Nachr.   1896»  1207. 

Haller,  Friedrich,  Gründer  u.  bis  1889 
Mitbes.  d.  Bnchh.  Bopp  u.  Haller  in  Bi- 
berach;  f  daselbst  27.  VI.  —  L  Nachr. 
1896,  3892.  —  PM. 

*Heerbraiidt,  Gustav,  Deutschamerikaner, 
Schwab.  Dialektdichter  u.  Zeitungsver- 
leger; s.  Sp.  134* 

Herrmann,  Emil,  Buchdruckereibesitzer  u. 
Verlagsbuchh.  (£.  Herrmann  sen.)  in  Leip- 
zig; f  daselbst  31.  X.  —  L  Börsenbl.  1896, 
7201. 

Hildebrand,  August,  Verlagsbuchh.  in 
Schwerin,  *  zu  Lüneburg  13.  I.  26;  t  ^^ 
Schwerin  16.  V.  —  Uebernahm  3.  VIII.  51 
d.  1828  gegr.  KUrschner'sche  Buchh.  in 
Schwerin  u.  führte  sie  unter  seinem  Namen 
weiter,  seit  i.  I.  69  sich  auf  den  Verlag  be- 
schränkend (hauptsächl.  belletrist  Werke, 
u.  a.  V.  Geibel,  Spielhagen,  Jensen,  Ger- 
stäcker, F.Reuter).  —  L  111.  Ztg.  106,  661 ; 
Nachr.  1896,  95a.  —   PM. 

Himmer,  Gustav,  seit  25.  XI.  65  Inhaber 
d.  M.  Rieger'schen  Hof-  u.  Univ.- Buchh. 
in  München ;  f  daselbst  24.  II.  —  L  Nachr. 
1896,  406.  —  KA. 

Hoef  1er,  Gustav,  Buchhändler u. Bibliograph 
in  Leipzig,  56  J. ;  f  daselbst  23.  III.  — 
Seit  I.  III.  66  im  Hause  Bernhard  Hermann 
zu  Leipzig  thätig;  erwarb  daneben  im 
gleichen  Jahre  d.  landwirthschaftL  Verlag 
V.  H.  Johannssen  u.  führte  ihn  unter  dieser 
Firma  bis  1883,  wo  er  ihn  an  A.  Schrö- 
ter's  Verlag  in  Ilmenau  überliess;  einen 
Rest  hauptsächl.  bibliogr.  von  ihm  selbst 
verf.  Werke  führte  er  unter  eigenem  Verlag 
weiter.  —    L  Nachr.  1896,  599  (mit  W). 

Honcamp,  Franz,  1870—74  Besitzer  d.  seit 
1881  erloschenen  Verlagsfirma  R.  Doli  in 
Augsburg;  f  als  Privatmann  zu  Würzburg 
11.  Vn.  —  L  Börsenbl.  1896,  4318. 

Klein  sen.,  Johann,  Mitbegründer  d.  Druck- 
maschinenfabrik Klein,  Forst  &BohnNachf. 
zu  Johannisberg,  jetzt  zu  Geisenhcim  a. 
Rh.,  *  zu  Johannisberg  1819;  f  daselbst 
24.  XI.  —  L  Börsenbl.  1896,  8670. 

Koch,  Hermann,  Inhaber  d.  1861  von  ihm 
begr.  Buchh.  seines  Namens  in  Rostock;  f 
daselbst  lo.  IL  —  L Nachr.  1 896, 3 1 9  (H.  W.). 

Löwenstein,  Otto  Siegfried  Adolf,  Dr. phil., 
Besitzer  von  >CarI  Heymanns  Verlag« 
(seit  1871)  und  d.  Buchdruckerei  »Julius 
Sittenfeld«  (seit  1875)  zu  Berlin,  *  daselbst 
31.  VII.  41;  f  ebenda  28.  X.  —  L  Pfau 
17S;  Börsenbl.  1896,  5845.  7048;  Zum 
27.  April  1896.  Ihrem  Verleger  O.  Löwen- 
stein die  Autoren  von  C.  H.  Berlin,  Hey- 
mann 1896  (als  Ms.  gedr.);  Jurist.  Litlera- 
turbl.   1896,  240  (Keil). 


Maass,  Otto,  ehemal.  Vizekonsul  d.  Ver- 
einigt. Staaten  v.  Nordamerika,  Chef  d. 
Annoncenfirma  »Haasenstein  &  Vogler« 
u.  d.  Buchdr.  »Otto  Maass  &  Sohn«  in 
Wien,  Schriftsteller  atif  d.  Geb.  amerikan. 
Geschichte  u.  Kultur,  *  zu  Nordhausen 
1828;  t  zu  Wien  7.  I.  —  Lernte  in  Er- 
furt d.  Buchh.;  1848  als  Revolutionär  nach 
Amerika  flüchtig,  zunächst  Handwerker  u. 
Farmer,  dann  Buchhändler  in  Baltimore, 
später  in  Philadelphia;  1862  aus  Heimweh 
Rückkehr  nach  Deutschland;  wiederum 
vertrieben,  kehrte  er  1864  dauernd  nach 
Wien  zurück,  wo  er  ein  Annoncenbureau 
gründete.  —  L  111.  Ztg.  106,  72;  Nachr. 
1896,  112  (nach  »Neue  Fr.  Presse«). 

*Mal8ch,  Jakob,  Oberbürgermeister  v.  Karls- 
ruhe, Politiker,  Buchdruckereibesitzer,  * 
daselbst  10. 1.  1809;  f  ebenda  12.  XII.: 
s.  BJ  I,  396.  —  L  BJ  II,  27*;  Bad.  Lan- 
desztg.  1896  Nr.  297.  1897  Nr.  23  ([O]. 
A[mmon]);  Ztschr.  f.  d.  Oberrh.  1896,  552 
(Werminghoff  u.  Winkelmann,  Bad.  Ge- 
schieh tslitt. :  Bad.  Land esztg.  1896,  Nr.  294; 
Karlsr.  Ztg.  1896  Nr.  587). 

Manz,  Alphons,  Buchdruckereibesitzer  u. 
bis  1884  Inhaber  d.  B.  Schmid'schen  Sort.- 
u.  Verlagsbuchh.  in  Ausgsburg;  -f  daselbst 
20. 1.  —  L  Nachr.  1896,  172. 

*Manz ,  Hermann,  Verlagsbuchhändler 
(Firma:  Gerolds  Sohn)  in  Wien,  •  zu 
Regensburg  6.  V.  39,  f  zu  Wien  14.  X.: 
s.  BJ  I,  137.  —  L  BJ  II,  27*;  Pfau  154.210. 
252;  Börsenbl.  6606.  6780  [J.  Krzyiala). 

Mensing,  Hermann,  Inhaber  einer  Musi- 
kalienhandlung in  Erfurt,  ^  daselbst  3.  II. 
32 ;  t  ebenda  24.  X.  —  PM. 

Meyer,  Heinrich,  Stadtrath  u.  Kaufmann, 
Verleger  d.  »Ostsee -Ztg.«,  Schriftsteller 
auf  d.  Geb.  d.  Heimatskunde  u.  Statistiker, 
63  J.;  t  2U  Stettin  29.  VL 

Nagel,  Franz  Ditmar,  seit  31.  XII.  66  Inhaber 
d.  Verl.-  u.  Sort.-Buchh.  Bernhard  Nagel  in 
Budapest,  *  zu  Leipzig  um  i830;'f  zu  Buda- 
pest 25.  IV.  —  L  Nachr.  1896,  824.  —  PM. 

Neven-DuMont,  August,  Verleger,  Besitzer 
d.  »Köln.  Ztg.«,  64  J. ;  f  zu  Hohwald  b. 
Barr  im  Elsass  7.  IX.  —  L  111.  Ztg.  107, 
308 ;  Pfau  97.  —  PM. 

*Reclam,  Anton  Philipp,  Verlagsbuch- 
händler u.  Buchdruckereibesitzer,  Begrün- 
der d.  »Universal-Bibliothekcr,  •  zu  Leipzig 
28.  I.  1807;  t  daselbst  5.  L:  s.  BJ  I,  88. 
—  L  BJ  II,  35*;  111.  Ztg.  106,  72;  Deutsche 
Buchhändler- Akademie  8,  206  (K.  F.  Pfau); 
C.  V.  Reclam,  Gesch.  der  Familie  Reclam. 
Leipzig  1895  (mit  P);  Nachr.  1896,  59. 
88.  909;  Cosmopolis  5,  266  (A. Bettelheim). 

*Rost,  Ludwig  Adolf  Hermann,  d.  älteste 
Chef  d.  J.  C.  Hinrichs'schen  Buchh.,  *  zu 
Leipzig   24.  V.  22;    +    daselbst  24.  V.:   s. 


145*    Todtenl.  1896:  XXIV.  Buchdruck. u,Buchhdlr.  XXV.  Archivare  u. Bibliothekare.    146* 


BJ  I,  89.  —  L  BJ  II,  37*;  Pfau  180;  Nachr. 
1896,  992;  Ztschr.  f.  ägypt.  Spr.  u.  Alter- 
thumsk.   34,  90    (Rosts  Verdienste  um  d. 

Aegyptol.). 

Sabell,  Eduard,  Dr.  phil.,  Antiquar  (R. 
Sandrog)  in  Berlin;  s.  Sp.  137*. 

Sauerländer,  Heinrich  Remigius,  Inhaber 
d.  Verlagsbuchh.  J.  D.  Sauerländer  zu 
Frankfurt  a.  M.;  *  daselbst  25.  II.  21;  f 
ebenda  12.  X.  —  L  Pfau  313;  Börsenbl. 
1896,  6649;  III.  Ztg.  107,  SIS;  Allg. 
Forst-  u.  Jagdztg.  1896,  413.  1897,  33 
(mit  Verzeichnis  d.  forstwissenschaftl.  Ver- 
lages). 

Schauenbarg,  Karl,  Buchhändler  in  Har- 
burg, 42  J.;  t  daselbst  17.  V.  —  L  Nachr. 
1896,  959. 

Schlesinger,  Anton,  seit  1880  Chefredak- 
teur u.  EigenthUmer  d.  »Agramer  Ztg.«, 
zuletzt  Direktor  d.  Kroat.  Kommerzialbank, 
*  zu  Alap  in  Ungarn  1852;  f  zu  Agram 
9.  II.  —  L  111.  Ztg.  106,  217.  —  PM. 

Schroeder,  Hugo,  Verlags-Kunsthändler  u. 
Porträtantiquar,  Inhaber  d.  Firma  E.  H. 
Schroeder  (seit  1881  Leiter,  seit  1882  Be- 
sitzer) in  Berlin;  f  daselbst  19.  VII.  —  L 
Börsenbl.  1896,  4520.  —  PM. 

Schulze,  Friedrich,  Inhaber  d.  i.  III.  53 
von  ihm  unter  seinem  Namen  begr.  Buch- 
u.  Kunsthandlung  in  Berlin,  76  J.;  f  da- 
selbst I.  V.  —  L  Nachr.  1896,  879. 

Sennewald,  Gustav,  Besitzer  d.  grössten 
Verlagsbuchh.  Warschaus  u.  Nestor  d.  dor- 
tigen Buchhändler;  f  daselbst  13.  III.  — 
L  111.  Ztg.   106,  338. 

*Staackmann ,  Johannes  August  Ludwig, 
Verlagsbuchhändlcr  in  Leipzig,  *  zuWolfen- 
bUttel  3.  VI.  30;  +  zu  Leipzig  13.  XI:  s. 
BJ  I,  91.  —  L  BJ  II,  40*;  111.  Ztg.  107. 
773;  Börsenbl.  1896,  8554.  8632.  1897, 
938  (Nekrol.).   1869.  2010. 

Steinhauser,  Anselm  G.,  Buchhändler  u. 
Buchdruckereibesitzer  in  Prag;  f  daselbst. 
L  Nachr.  1896,  399. 


Veiten,  Sigmund,  seit  1864  Inhaber  d.  1820 
gegr.  Hofkunstbuchh.  u.  d.  Kunstverlages 
J.Veiten  in  Karlsruhe;    f  daselbst  19.  II. 

—  L  Nachr.  1896,  599. 

Violet,  Rudolf,  Kunsthändler  in  Berlin, 
69  J.:  t  daselbst  30.  IIL  —  L  Nachr.  1 896,663. 

*Volkmann,  Wilhelm,  Stadtrath,  Buch- 
druckercibesitzer  u.  Verlagsbuchh.  (Breit- 
kopf &  Härtel)  zu  Leipzig,  *  daselbst  12. 
VI.  37;  t  ebenda  24.  XIL:  s.  BJ  II,  424; 
Pfau  60.  61;  Börsenbl.  1896,  8742. 

Walther ,  Hermann,  Verlagsbuchhändler 
in  Berlin,  44  J.;  t  daselbst  2.  IV.  —  Ur- 
sprünglich Bankbeamter;  Lehre  in  d.Stuhr- 
schen  Buchh.  zu  Berlin;  gründete  daselbst 
1877  mit  Emil  Apolant  d.  Sort.-  u.  Ver- 
lagsbuchh. Walther  u.  Apolant,  übernahm 
1891  d.  Verlag  allein  u.  führte  ihn  seit 
1893  unter  eigenem  Namen.  —  L  Nachr. 
1896,  633.  688;  Börsenbl.  1896,  4451 
(«sPreuss.  Jahrbb.  1896  Juli,  H.  Delbrück). 

Weidemann,  Rudolf,  Mitinhaber  d.  Buchh. 
M.  Brunnemann  &  Cie.  in  Kassel;  f  da- 
selbst 10.  X.  —   L  Börsenbl.  1896,  6714. 

Wild-Wirth,  Heinrich,  Oberst,  Erster 
Vorstand  d.  Artist.  Instituts  Orell  FUssIi 
in  Zürich,  welches  er  seit  1863  f.  d.  Erben 
d.  verst.  Besitzers  J.  Hagenbuch,  seit  1873 
in  Gemeinschaft  mit  F.  Wild,  später  auch 
mit  R.  Schäppi- Hagenbuch,  für  eigene 
Rechnung,  seit  1890  als  Präsident  des  in 
eine  Aktiengesellschaft  verwandelten  Ge- 
schäftes leitete,  56  J.;  f  zu  Zürich  17.  VIIL 

—  L  Börsenbl.  1896,  5017.  5755. 
Zehler,  Karl,  Inhaber  d.  Zinkograph.  An- 
stalt, Buchdruckerei  u.  Verlagsbuchh.  Ru- 
dolf Loes  in  Leipzig,  *  5.  X.  45 ;  f  zu  Leipzig 
2.  VII.  —  L  Börsenbl.  1896,4004.  —  PM. 

Zimmermann,  Heinrich,  Buchdruckerei- 
besitzer u.  Verlagsbuchhändler  (u.  a.  des 
am  Oberrhein  weitverbreiteten  »Alb-Boten «") 
inWaldshut,  *  zu  Hüsingen  inBaden  1 8.IX.30: 
t  zu  Waldshut,  21.  I.  —  L  Nachr.  1896, 
188.  203  (H  .  .  .  tt).  —  PM. 


XXV.     Archivare  und  BibHothekare. 


Anemüller,  Bernhard,  Dr.  phil.,  Prof., 
Archivrath,  thüring.  Lokalhistoriker,  *  zu 
Heberndorf  b.  Leutenberg  in  Schwarz- 
burg-Rudolstadt  26.  VIII.  20 ;  f  zu  Rudol- 
stadt  6.  IV.  —  Stud.  1840  —  43  in  Jena 
Theol.  u.  Gesch.;  dann  Hauslehrer;  bis 
1856  Erzieher  d.  damaligen  Prinzen,  spä- 
teren Fürsten  Georg  v.  Schwarzhurg  -  Ru- 
dolstadt  (ti89o);  1857— 67  Prof. am Gymn. 
zu  Rudolstadt;  seit  1868  Archivar  d. 
schwarzburg  -  rudolstadt.  Staatsarchivs  u. 
Bibliothekar  d.  Landesbibliothek:   1893  z. 


Disposition  gestellt.  —  L  Deutsche  Ztschr. 
f.  Geschichtswissensch.  N.  F.  i :  Monatsbll. 
95  (mit  W);  111.  Ztg.  106,  465;  Hinrich- 
sen»  25  (mitW).  —  W  auch  KL  1896,  19. 

Bruder,  Adolf,  Dr.  jur.,  Kustos  an  d.  k.  k. 
Univ.-Bibl.  in  Innsbruck,  Redakteur  d. 
Staatslexikon  d.  Görresgesellschaft,  *  zu 
Hall  in  Tirol  2.  III.  51 ;  f  zu  Innsbruck 
26.  V.  —  L  Deutscher  Hausschatz  20, 
Beil.,  56;    Keiter  4,  22  (mit  W).   5,  262; 

.  Ccntralbl.  f.  Bibl.- Wesen  13,  344.  —  W 
auch  KL  1896,   157. 


147*     Todtcnl.  1896:  XXV.  Archiv,  u.  Bibliothek.  XXVI.  Tondicht., Tonktinstl.  etc.      148* 


Foss,  seit  1867  Bibliothekar  d.  preuss.  Abg.- 
Hauses,  72  J. ;  f  zu  Berlin  20.  II.  —  L 
111.  Ztg.  106,  248;  Nachr.  a.  d.  Buchh. 
1896,  406. 

♦Frltzsche,  Otto  Fridolin,  Prof.  Dr.,  Ober- 
bibliothekar an  d.  Kantonsbibliothek  zu 
Zürich;  s.  Sp.  113*. 

Herder,  Ferdinand,  Dr.  phil.,  Hofrath, 
Bibliothekar  am  Botan.  Garten  zu  St.  Pe- 
tersburg; s.  Sp.  92*. 

*Leithe,  Friedrich,  Dr.  phil.,  Reg.-Rath, 
Bibliothekar  an  d.  k.  k.  Techn.  Hocbsch. 
zu  Wien,  •  zu  Fieberbrunn  in  Tirol  28. 
III.  28;  f  zu  Innsbruck  15.  XII.:  s.  BJ  II, 
424.  —  L  Centralbl.  f.  Bibl. -Wesen  14, 
152;   111.  Ztg.  107,  749.  —  W  KL  1896, 

744. 


Sauer,  Alois,  kaiserl.  Rath,  Archivar  d. 
Herrenhauses  d.  Österreich.  Reichsrathes, 
65  J.;   t  zu  Wien  24.  IX.  —  L  111.  Ztg. 

107,  395- 
Uhrberg,  Heinrich,  Dr.  jur.,  Archivsekretär 

am  Kreisarchiv  Würzburg,  ^  zu  Glane  b. 

Iburg  in  d.  Nähe  v.  Osnabrück  12.  IX.  61 ; 

f  zu  Wtirzburg    18.  II.    —    L  Bayerland 

1896  Nr.  31  Bl.  2. 
Unger,  Theodor,   Adjunkt  am  Steiermark. 

Landesarchiv    zu    Graz,    Kulturhistoriker, 

Sprachforscher    u.    Numismatiker,    56  J.; 

t  zu  Graz  28.  X.  —  L  111.  Ztg.  107,  584. 
Wyniftorf,  Johann,  früher  Mitgl.  d.  Bemer 

Reg.-Rathes,  seit  1895  Beamter  des  Berner 

Staatsarchivs;  s.  Sp.  31*. 


XXVI.     Tondichter,  Tonkünstler  und  Musikschriftsteller. 


*  Armbrust,  Karl,  Orgel  virtuos  u.  Musik- 
schriftsteller, Lehrer  f.  Orgel  u.  Klavier- 
spiel am  Konservatorium  zu  Hamburg,  ^ 
daselbst  30.  HI.  49;  f  auf  d.  Reise  ins 
Bad  zu  Hannover  7.  VII.:  s.  BJ  I,  112.  — 
L  BJ  II,  2* ;  Riemann  *  45. 

'Brückner,  Anton,  Komponist,  *  zu  Ans- 
felden  in  Oberösterreich  4.  IX.  24;  f  zu 
Wien  n.  X.:  s.  BJ  I,  302.  —  L  BJ  II, 
6';  Gesellschaft  1896,  1401  (M.  Graf); 
Signale  f.  d.  musikal.  Welt  1896,  804; 
Riemann^  154;  Mendel-Reissmann  £rg.- 
Bd.  48. 

*Burchard,  Karl,  Musiklehrer  u.  Bearbeiter 
von  Orchesterwerken  f.  Klavier,  •  zu 
Hamburg  21.  IX.  18;  f  zu  Dresden  12. 
IL:  s.  BJ  I,  114.  -  L  BJ  II,  6»;  Rie- 
mann^ 163. 

Dachs,  Josef,  Pianist,  Prof.  f.  Klavierspiel 
am  Wiener  Konservatorium,  *  zu  Regens- 
burg 30.  IX.  25;  t  *"  Wien  6.  VI.  — 
L  Mendel-Reissmann  3,  53;  Frank ^  46; 
Riemann  ^  228. 

Faulhaber,  Paul,  Pianist  u.  Komponist, 
*  zu  Dresden  1836;  f  zu  Rio  de  Janeiro 
im  Juni  (?).  —  L  111.  Ztg.  io6,  791. 

Felchner,  Gustav  Adolf,  Univ.-Musikdirektor, 
Dirigent  d.  Konzertvereins  u.  Gymn.-Ge- 
sanglehrer  in  Giessen,  *  zu  Kumehnen  in 
Ostpr.  22.  I.  32;  +  zu  Giessen  10.  V.  — 
L  111.  Ztg.  106,  639;  Frank ^  63;  Riemann* 

Feld,  Leo,  Kapellmeister  am  Royal  Opera 
Covent  Garden  in  London,  7  Jahre  hin- 
durch Operndirigent  am  Hamburger  Stadt- 
theater, um  d.  Einführung  d.  Werke 
Wagners  in  England  verdient,  *  zu  Posen 
10.  n.  58;  t  2U  Berlin  23.  VII.  —  L  III. 
Ztg.  107,  125;  NTA  8,  i8o. 


*Fleischhauer,  Friedhold,  herzogl.  mei- 
ning.  Konzertmeister,  Violinist,  *  zu  Wei- 
mar 24.  VIL  34;  t  zu  Meiningen  ii.  XIL: 
s.  BJ  I,  113.  —  L  BJ  II,  II  •;  111.  Ztg. 
107,  799;  Riemann*  328. 

*Gartz,  Friedrich,  Organist  u.  Musik- 
direktor in  Salzwedel,  Komponist  V.  Männer- 
quartetten, *  zu  Perver  b.  Salzwedel  28. 
XI.  19;  f  zu  Salzwedel  28.  I.:  s.  BJ  I,  115; 
—  L  BJ  II  14*;  Frank»,  78. 

^Geyer,  Adolf,  Gesanglehrer,  k. Professor  u. 
Musikdirektor,  Tenorsolist  in  der  Berliner 
Singakademie,  *  1829;  f  im  Seebade  Prerow 
18.  VIL:  s.  BJ  I,  115.  —  LBJ  II,  14*. 

Grünberger,  Ludwig,  Pianist  u.  Kom- 
ponist, •  zu  Prag  24.  IV.  39;  f  daselbst 
12.  XII.  —  L  111.  Ztg.  107,  799;  Riemann^ 
432  (mit  W). 

*Gumbert,  Ferdinand,  Liederkomponist 
u.  Musikkritiker,  früher  Opernsänger,  *  zu 
Berlin  21.  IV.  l8;  f  daselbst  6.  IV.:  s. 
BJ  I,  116.  —  L  BJ  II,  i6*;  IlL  Ztg.  106, 
469  (B.  Vogel,  mit  P);  Frank*  90;  Fctis 
4,  161;  Mendel-Reissmann  4,  456;  Rie- 
mann^ 438.  —  W  auch  KL  1896,  441; 
Nachr.  a.  d.  Buchh.  1896,  711. 

*Habert,  Johannes  Evangelista,  Orga- 
nist, Kirchenkomponist  u.  Theoretiker, 
*  zu  Oberplan  in  Böhmen  18.  X.  33;  f 
zu  Gmunden  in  Oberösterr.  i.  IX.:  s.  BJ 

1,  162.  —  L  BJ  II,  i6*;  Keiter  5,  263; 
Deutscher  Hausschatz  23,  54;  Kornmüller 

2,  125;  Mendel-Reissmann  4,  468;  Rie- 
mann^ 442  (mit  W).  —  W  auch  KL 
1896,  448;  Keiter  4,  64. 

Hach,  Adolf,  Dr.,  Polizeirath  in  Lübeck, 
Bundesvorsitzender  d.  Niederslichs.  Sänger- 
bundes, Alterthumsforscher,  65  J.;  f  zu 
Lübeck  4.  XII.  —  L  III.  Ztg.   107,   734. 


149* 


Todtenliste  1896:    Tondichter,  Tonkünstler  und  Musikschriftsteller. 


150* 


H&rtingery  Martin,  Dr.  med.,  k.  bayer. 
Kammersänger,  Lehrer  d.  Sologesangs  an 
d.  Mttnchener  Musikschule;  s.  Sp.  159*- 

^Heinebuch,  Karl  Christoph,  k.  Musik- 
direktor,  Organist  u.  Kirchenmusiker,  *  zu 
Celle  24.  VII.  40;  t  zu  Flensburg  6.  XL: 
s.  BJ  I,  I.  —  L  BJ  II,  i8*. 

Hilpert,  W.  Kasimir  Friedrich,  Cellist, 
k.  bayer.  Hofmusiker,  1867—75  Mitgl.  d. 
Florentiner  Quartetts,  hierauf  Solocellist 
d.  Wiener  Hofoper,  dann  Kammervirtuos 
in  Meiningen,  seit  1884  in  München  u. 
Mitbegründer  d.  dortigen  Kammermusik- 
vereinigung, ^  zu  Nürnberg  4.  III.  41 ; 
f  zu  München  6.  II.  —  L  III.  Ztg.  106, 
193;  Frank ^  iio;  Riemann^  494. 

Kral,  Johann  Nepomuk,  österr.  Militärkapell- 
meister, Komponist  zahlreicher  Tänze  u. 
Märsche  (2.  B.  d.  beliebten  »Hoch  Habs- 
t>urg«),  56  J. ;  t  «u  TuUn  2.  L  —  L  Hl. 
Ztg.  106,  72. 

Kufferaih,  Hubert  Ferdinand,  seit  1871 
Prof.  f.  Kompositionslehre  am  k.  Konser- 
vatorium in  Brüssel,  Pianist,  Organist  u. 
Komponist,  *  zu  Mülheim  a.  d.  Ruhr  11. 
VI.  18;  t  «u  Brüssel  23.  VL  —  L  111. 
Ztg.  107,  41;  Fetis  5,  125  (mit  W); 
Mendel-Reissmann  6,  183:  Riemann^6i4. 

^Meinardus,  Ludwig  Siegfried,  Komponist 
u.  Musikschriftsteller,  *  zu  Hooksiel  an  d. 
Oldenburg.  Küste  17.  IX.  27;  f  zu  Biele- 
feld 10.  VIL:  s.  BJ  I,  116.  -  L  BJ  II, 
28*;  111.  Ztg.  X07,  100  (B.  Vogel,  mit  P); 
Franko  165;  Fetis  Suppl.  2,  198;  Mendel- 
Reissmann  7,  IIO.  Erg.-Bd.  272  (mitW); 
Brummer*  3,  45;  Riemann^  712;  Börsenbl. 
f.  d.  D.  Bucbh.  1896,  4318.  —  W  auch 
KL  1896,  827. 

Modlmayr ,  Joseph,  Klosterfrauen beicht- 
vater  u.  Religionslehrer  in  Frauenchiemsee, 
Komponist;  s.  Sp.  109*.  —  L  vgl.  noch 
Kornmüller  2,  285. 

Paumgartner,  Hans,  Dr.,  Pianist  u.  Musik- 
schriftsteller, Gemahl  d.  Sängerin  Rosa 
Papier,  •  zu  Kirchberg  in  Oberösterr. 
1843;    t  zu  Wien  23.  V.   —   L  111.  Ztg. 

106,  726;  Riemann^  832. 

Pessiack,  Anna,  geb.  Edle  v.  Schmerling, 
früher  Gesanglehrerin  am  Wiener  Konser- 
vatorium, Komponistin  v.  Klavierstücken, 
Liedern,  Messen  u.  geistl.  Chören,  *  zu 
Wien  15.  VIL  34;  f  daselbst  14.  III.  — 
L  111.  Ztg.   106,  368. 

♦Plcngroth,  Friedrich,  vormals  Kapell- 
meister am  Elberfelder  Stadttheater,  Kom- 
ponist von  Liedern  u.  Männerquartetten, 
im  68.  J.;fzM  Elberfeld  12.  (od.  15?)  IX.: 
5.  BJ  I,  117.  -  L  BJ    II,  34»;   111.  Ztg. 

107,  367. 

*Pohl,  Georg  Richard  (Pseudon.:  Hoplit 
u.    Jean    Richard),    Dr.    phil.,    Musik- 


schriftsteller u.  Komponist,  Dichter  u. 
Journalist,  *  zu  Leipzig  12.  IX.  26;  f  zu 
Baden-Baden  17.  XII.:  s.  BJ  I,  117.  — 
L  BJ  II,  34*;  Fetis  7,  83  (mit  W)  u. 
Suppl.  2,  354;  Hinrichsen'  1048  (mit  W); 
Brummer*  3,  23$  (mit  W);  Riemann* 
876;  111.  Ztg.  108,  21  (B.Vogel,  mit  P); 
Börsenbl.  f.  d.  D.  Buchh.  1897,  8670.  — 
W  auch  KL  1896,  975. 

*Pruckner,  Dionys,  k.  Württemberg.  Hof- 
pianist, Prof.  am  Konservatorium  in  Stutt- 
gart, •  zu  München  12.  V.  34;  f  in 
Heidelberg  i.  XIL:  s.  BJ  I,  102.  —  L 
BJ  II,  34*;  Frank  8  190;  Mendel-Reiss- 
mann Erg.-Bd.  366;  Riemann^  894. 

*Reichel,  Adolf,  Musikdirigent  u.  Kom- 
ponist in  Bern,  •  zu  Tursnitz  in  Westpr. 
um  1817;  f  zu  Bern  5.  (od.  4?)  III.:  s. 
BJ  I.  118.  —  L  BJ  II,  35  •;  111.  Ztg.  106, 
118;  Frank'  194;  Fetis  7,  212  (mit  W); 
Mendel-Reissmann  8,  283;  Riemann^  924. 

^Reinthaler,  Karl  Martin,  Professor,  Or- 
ganist u.  Musikdirektor  d.  Domkirche  in 
Bremen,  Komponist,  *  zu  Erfurt  13.  X. 
22;  f  zu  Bremen    12.  II.:    s.  BJ   I,  118. 

—  L  BJ  II,  35 ♦;  111.  Ztg.  106,  256  (mit 
P);  Fetis  7,  220.  Suppl.  2,  400  (mitW); 
Mendel-Reissmann  8,  290 ;  Frank  ^  290; 
Riemann^  925;  Nachr.  a.  d.  Buchh.  1896, 

343- 
^Richter,    Heinrich,     Hofschauspieler    u. 

Regisseur    a.  D.,    Prof.    an    d.    MUnchn. 

Musikschule;  s.  Sp.  161*. 

^Ritter,  Alexander,  Violinist u. Komponist, 
*  zu  Narwa  in  Russland  15.  (27.  n.  St.) 
VI.  33;  +  zu  München  12.  IV.:  s.  BJ  I, 
119.  —  L  BJ  II,  36*;  Riemann*  951. 

Rokitansky,  Viktor  Freih.  v.,  Konzert- 
sänger u.  Liederkomponist,  9  Jahre  lang 
Prof.  am  Konservatorium  zu  Wien,  59  J. ; 
t  daselbst  17.  VII.  —  L  111.  Ztg.  107, 
125:   Wurzbach  26,   294;   Riemann^  956. 

Schachner,  Joseph  Rudolf,  Pianist,  Kom- 
ponist d.  Oratoriums  »Israels  Rückkehr 
von  Babylon«,  *  zu  München  31.  XII.  21; 
t  tu  Reichenhall  16.  VIII.  -  L  lU.  Ztg. 
107,  245;  Fetis  Suppl.  2,  492;  Mendel- 
Reissmann  9,  74;  Riemann^  992. 

Schenk,  Hugo,  Dirigent  u.  Komponist 
von  Liedern,  Kuplets,  Ouvertüren  etc.,  als 
Kapellmeister  in  Breslau,  Frankfurt,  Dres- 
den, Karlsbad  u.  zuletzt  am  Theater  an 
d.  Wien  thätig,  43  J.;  t  *»*  Wien  11.  II. 

—  L  Hl.  Ztg.  106,  217. 
^Schumann,  Klara  Josephine,  geb.  Wieck, 

Gemahlin  von  Robert  Schumann,  Klavier- 
virtuosin  u.  Komponistin,  *  zu  Leipzig 
13.  IX.  19;  f  zu  Frankfurt  a.  M.  20.  V.: 
s.  BJ  I,  12*.  119.  —  L  BJ  I,  71*.  II, 
39*;  Frank*  225;  Mendel-Reissmann  9, 
185;  Fetis  7,  531;  Riemann*  1033. 


Igl*     Todtenl,  1896:  XXVI.  Tondicht.,  TonkUnstl.  etc.  XXVII.  Bildende  Künstler.      152 


« 


'^Schwencke ,  Friedrich  Gottlieb,  Organist 
an  d.  Nikolaikirche  zu  Hamburg  u.  Kirchen- 
komponist, *  daselbst  15.  XII.  23;  f  ebenda 
II.  VI.:  s.  BJ  I,  123.  —  L  BJ  II,  39*; 
Riemann^  io39< 

Schwiedam,  Karl  Friedrich,  Prof.  an  d.  k. 
Hochsch.  f.  Musik  in  Berlin,  Abth.  f. 
Klavier  u.  Orgel,  56  J. ;  f  zu  Oberstdorf 
16.  IX.  —  L  111.  Ztg.  107,  395. 

Seyboth,  Wilhelm,  k.  Württemberg.  Hof- 
musiker, Violinist,  1867—90  Mitgl.  d. 
Hofkapelle  in  Stuttgart;  f  zu  München 
durch  Selbstmord  im  Dez.  —  L  111.  Ztg. 
107,  799. 

*Stiehle,  Ludwig  Maximilian  Adolf,  Vio- 
linist u.  Dirigent,  Kammermusiker,  *  zu 
Frankfurt  a.  M.  19.  VIII.  50;  f  zu  Mtihl- 
hausen  i.  Eis.  6.  VII.:  s.  BJ  I,  123.  — 
L  BJ  II,  41  •;  Riemann*  1089. 

Walter,  Anton,  Dr.  theol.,  Geist!.  Rath, 
Schriftsteller  auf  d.  Geb.  liturgischer  Musik ; 
s.  Sp.   iii^. 


^Wasielewski ,  Joseph  v.,  Komponist  u. 
Musikhistoriker,  Violinist  u.  Dirigent,  *  zu 
Gross-Leesen  b.  Danzig  17.  VI.  22;  f  zu 
Sondershausen  13.  XIL:  s.  BJ  I,  123.  — 
L  BJ  II,  44*;  111.  Ztg.  108,  22  (B.  Vogel, 
mit  P);  Fetis  Suppl.  2,  662  (mit  W): 
Mendel-Reissmann  11,  269  (mit  W);  Hin- 
richsen*  673  (Autobiogr.,  mit  W);  Rie- 
mann^  1230.  —  W  auch  KL  1896,  1352. 

Wessnig,  Robert  Guido,  ehemaliger  Sänger, 
Schauspieler  u.  Musikdirektor;  s.  Sp.  162*. 

Württemberg,  Eberhard  Graf  v.,  Kom- 
ponist verschiedener  Märsche;  s.  Sp.  i6\ 

*Zeidler,  Charlotte,  Pianistin  u.  Klavier- 
lehrerin, *  um  18 14,  f  zu  Berlin  7.  VIII.: 
s.  BJ  I,  124.  —  L  BJ  II,   55». 

Zimmer,  Otto,  herzogl.  Musikdirektor, 
Organist  u.  Kirchenkomponist,  *  zu  Pis- 
korsine  [sol]  b.  Hermstadt  in  Schles.  7. 
V.  22;  t  *u  Oels  b.  Breslau  31.  III.:  s. 
BJ  I,  125.  —  L  BJ  II,  55*;  Frank«  268: 
Mendel-Reissmann  11,  485. 


XXVIL     Bildende  Künstler. 


Amberger,  Gustav  Adolf,  bad.  Hofmaler, 
Landschafter,  64  J. ;  f  zu  Baden*>Baden  im 
März. 

^Arnold,  Hermann,  Prof.  an  d.  Kunst- 
schule, Sekretär  derselben  u.  Direktor  d. 
Zeichenschule  zu  Weimar,  Geschieh ts-  u. 
Genremaler,  *  zu  München  6.  V.  46;  f  zu 
Jena  25.  IV.:  s.  BJ  I,  47..  —  L  BJ  II,  2*; 
111.  Ztg.  106,  560;  Bayerland  1896,  515 
(mit  P). 

*Bärwald,  Robert,  Bildhauer,  *  zu  Salwin 
b.  Bromberg  2.  XII.  58 ;  f  zu  Wilmersdorf 
b.  Berlin  li.  XI.:  s.  BJ   II,  440. 

^Becker,  Ernst  Albert,  Genre-,  Landschafts- 
u.  ThJermaler,  *  zu  Berlin  22.  X.  30;  f 
daselbst  i.  IX.:  s.  BJ  II,  440. 

'^eckerath,  Moritz  v.,  Gescbichtsmaler, 
♦  zu  Krefeld  1838;  f  "  Münster  i.  W. 
17.  IX.:  s.  BJ  I,  48.  —  L  BJ  II,  3*;  111. 
Ztg.  107,  367;  Müller-Singer  1,90. 

Beer,  Heinrich  David,  Genre-  u.  Bildniss- 
maler, 25  J.;  f  zu  Baden-Baden  5.  IX. 

Bode,  Georg  Wilhelm,  Bildhauer,  Sohn  d. 
Frankfurter  Malers  Leopold  Bode,  45  J.; 
f  zu  Offenbach  6.  IL  —  L  111.  Ztg.  106, 
217. 

"''Boller,  Ludwig,  Landschafts-  u.  Panorama- 
maler, *  zu  Frankfurt  a.  M.  28.  IV.  62; 
+  zu  München  19.  V.:    s.  BJ    I,  49.  —  L 

BJ  II.  4*. 
^Curfess,   Ernst,    Hofbildhauer    in    Stutt- 
gart, *  zu  Aalen  11.  VII.  49;   f   zu  Stutt- 
gart 6.  V.:  s.  BJ  I,  94.  —  L  BJ  II,  7*;  Müller- 
Singer  I,  304. 


Ebert,  Anton,  Genre-  u.  Bildnissmaler  in  Wien, 

*  auf  Schloss  Kladrau  in  Böhmen  29.  VI. 
35;  t  zu  Wien  16.  VL  —  L  111.  Ztg.  106, 
791;  Müller-Singer  i,  383;  BörsenbL  f.  d. 
D.  Buchh.  1896,  4180.  4295. 

^Egg^rty  Sigmund,  Genremaler,  *  zu  Mün- 
chen 13.  II.  39;  t  zu  Walchstadt  25.  VIII.: 
s.  BJ  I,  49.  —  L  BJ  II,  lo*. 

Eichler,  Ernst  Ferdinand,  Bildnissmaler  u. 
Radirer,  Zeichner  d.  Deutschen  Archäolog. 
Instituts  in  Rom,  *  zu  Werdau  17.  I.  50 : 
t  im  Febr.  —  L  111.  Ztg.  106,  164;  Müller- 
Singer  I,  391. 

^Eissenhardt, Johannes,  Professor, Kupfer- 
stecher u.  Radirer,  *  zu  Frankfurt  a.  M. 
8.  XI.  24;  f  daselbst  11.  X.:  s.  BJ  II,  439. 

Encke,  Erdmann,  Professor,  Bildhauer, 
Schüler  Albert  WolfTs,  *  zu  Berlin  26.  1. 
43 ;  t  zu  Neu-Babelsberg  7.  VII.  —  L  BJ 
II,  10  •;  111.  Ztg.  107,  72  (L.  P.,  mitP); 
Müller-Singer  i,  397. 

Geibel,  Kasimir,  Geschichts-,  Genre-  u. 
Thierroaler,  *  zu  Kreuznach  12.  I.  39;  f 
zu  Weimar  22.  V.  —  L  III.  Ztg.  106,  699; 
Müller-Singer  2,  24. 

^Geiger-Thuring,    August,    Landschafter, 

*  zu  München  1861 ;  f  daselbst  28.  L:  s. 
BJ  I,  50.  -  L  BJ  n,  14'. 

^Gleichauf,  Rudolf,  Geschichtsmaler,  *  zu 
Hüüngen  in  d.  bad.  Baar  29.  VII.  26;  f 
zu  Karlsruhe  15.  X.:  s.  BJ  I,  394.  —  L 
BJ  II,  I4*,-  Ztschr.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrh. 
5^>  552  (WerminghofF  u.  Winkelmann,  Bad. 
Bibliogr.:  Kunst  f.  Alle  12  Nr.  4;  Karls- 


153^ 


Todtenliste  1896:    XXVII.     Bildende  KUnstler. 


154* 


ruher  Ztg.  1896  Nr.  491 ;  Bad.  Landesztg. 
1896  Untcrh.-Beil.  Nr.  148);  Müller-Singer 
2,  6x. 

^Göschl,  Heinrich,  Bildhauer,  *  zu  Mün- 
chen 24.  VI.  39;  f  daselbst  16.  XII.:  s. 
BJ  I,  51.  -  L  BJ  II,  I5'. 

Grimm,  Konstantin  Freih.  v.,  (Pseudon.: 
C.  de  Grimm),  Zeichner  u.  Illustrator, 
*  zu  St.  Petersburg  30.  XII.  45 ;  f  zu  New 
York  16.  IV.  —  L  lU.  Ztg.  106,  505;  KL 
1897,  422. 

^Grünenwald,  Jakob,  Historien-  und  Genre- 
raaler,  seit  1877  Professor  an  d.  Kunst- 
schule in  Stuttgart,  *  zu  Bünzwangen  im 
Württemberg.  Oberamt  Göppingen  30.  IX. 
21;  f  zu  Stuttgart  26.  IX.:  s.  BJ  I,  loi. 
—  L  BJ  II,  i6*;  Müller-Singer  2,  95. 

*Hofiinann,  Heinrich  Adolf  Valentin,  Land- 
schafter, *  zu  Frankfurt  a.  M.  18.  X.  14; 
+  daselbst  10.  VI. :  s  BJ  II,  439. 

*Hopfgarten,  August  Ferdinand,  Gescbichts- 
u.  Genremaler,  seit  1S54  Mitgl.  d.  Akad. 
d. Künste  zu  Berlin,  *  daselbst  17.  III.  1807; 
t  ebenda  26.  VIL:  s.  BJ  II,  438. 

^Hoermann,  Franz  Xaver,  Bildhauer,  *  zu 
Burg  b.  Tengling  29.  XI.  22 ;  f  zu  Traun- 
stein  I.  IV.:  s.  BJ  I,  359.  —  L  BJ  II,  ig*. 

♦Huber,  Rudolf,  Prof.  an  d.  Akad.  d.  bild. 
Künste  zu  Wien,  Bildniss-  u.  Thiermaler 
(Parforcejagden),  •  zu  Schleinz  b.  Wiener- 
Neustadt  15.  VIII.  39;  t  20  Wien  28.  VIII.: 
s.  BJ  I.  268.  —  L  BJ  II,  20»;  Müller-Singer 
2,  211. 

*Jemberg,  August,  kgl.  schwed.  Hofmaler, 
Genremaler,  in  Düsseldorf  lebend,  *  zu 
Stockholm  16.  IX.  26;  f  zu  Düsseldorf 
22.  VI.:  s.  BJ  II,  441. 

*Ireland,  £.  A.,  Landschafter;  f  zu  Düssel- 
dorf 26.  IV. 

Kandier,  Wilhelm,  Historienmaler,  Schöp- 
fer d.  Fresken  in  d.  Hauskapelle  d.  k.  k. 
Hofburg  in  Prag,  sowie  d.  Wandgemälde 
in  d.  Kapelle  d.  kaiserl.  Schlosses  zu 
Reichstadt  in  Böhmen,  *  zu  Kratzau  in 
Böhmen  28.  IL  16;  f  zu  Prag  18.  V.  — 
L  111.  Ztg.   106,  699;  Müller-Singer  2,  307. 

Kautsky,  Johann  (Hans),  Dekorati ons-  u. 
Panoramamaler,  führte  einen  vollständigen 
Umschwung  in  d.  Dekoration  d.  Wiener 
Bühnen  ein,  ♦  zu  Prag  13.  IX.  27;  f  zu 
Wien  2.  IX.  —  L  111.  Ztg.  107,  308 ;  Müller- 
Singer  2,  316. 

♦Keller,  Franz,  Kupferstecher,  *  zu  Linz 
a.  Rh.  1821;    f   zu  Düsseldorf  3.  XI. :    s. 

BJ  II,  441. 
♦Klimsch,  Eugen  Johann  Georg,  Professor, 
Lehrer  am  Städel'schen  Institut  zu  Frank- 
furt a.  M.,  Maler,  *  daselbst  29.  XL  39: 
f  ebenda  durch  Selbstmord  9.  VIL:  s.  BJ 
II,  438.  —  L  111.  Ztg.  107,  xoo  (L.  P., 
mit  P). 


*Kops,  Franz,  Bildniss-  u.  Genremalcr, 
2.  Vorsitzender  d.  Kunstgenossenschaft  in 
Dresden,  •  zu  Berlin  14.  VII.  46;  f  zu 
Dresden  24.  VIIL:  s.  BJ  II,  440. 

♦Langko,  Diedrich,  Landschafter,  *  zu 
Hamburg  1.  VL  (od.  VIL  ?)  19;  f  zu  Mün- 
chen 8.  XL:  s.  BJ  I.  53.  —  L  BJ  II,  24*; 
Müller-Singer  2,  443. 

♦Lindlar,  Johann  Wilhelm,  Landschafter, 
*  zu  München-Gladbach  1816;  f  zu  Düssel- 
dorf 23.  IV.:  s.  BJ  II,  440. 

Löwenthal,  Emil,  Prof.  u.  Mitgl.  d.  Akad. 
d.  Künste  in  Rom,  Geschichts-  u.  Bildniss- 
maler, *  zu  Jarotschin  in  Posen  1835; 
t  in  Bad  Ems  Ende  Juli.  —  L  111.  Ztg. 
107,  188. 

Magnussen,  Christian  Karl,  Maler,  *  zu 
Bredstedt  in  Holstein  1821  (od.  1824?); 
t  «u  Schleswig  18.  VI.  —  L  111.  Ztg.  106, 
791 ;  Müller-Singer  3,  78. 

Mette,  Alexander,  Gymn.-Prof.,  Historiker, 
auch  Zeichner  humoristischer  Darstellungen; 
s.  Sp.  103*. 

^Munsch,  Joseph,  Geschichts-  u.  Genre- 
maler, *  zu  Linz  4.  X.  32 ;  f  zu  München 

28.  IL:  8.  BJ  I,  54.  —  L  BJ  II,  32» :  111.  Ztg. 
106,  307   (mit  P);  Müller-Singer  3,272. 

*Munthe,  Ludwig,  Prof.,  schwed.  Hof- 
maler, Ehrenmitgl.  d.  Akad.  v.  Stockholm 
u.  Kopenhagen,  Landschafter,  *  zu  Aaröen 
b.  Bergen  11.  III.  41 ;  f  *«  Düsseldorf 
30.  III.:  s.  BJ  II,  441. 

Nördlinger,  Karl,  Prof.,  Maler  u.  Kupfer- 
stecher, •  zu  Stuttgart  1812;  f  zu  Ludwigs- 
burg 24.  I.  —  L  111.  Ztg.  106,  X93;  Müller- 
Singer  3,  312. 

Peckary,  Karl,  Prof.,  Bildhauer;  f  zu  Graz 

29.  IV. 

Pendl,  Franz  Xaver,  Bildhauer  (bes.  kirchl. 
Gestalten  u.  Gruppen),  79  J. ;  f  zu  Mcran 
23.  VL  —  L  111.  Ztg.  107,  II. 

•Pfeiffer,  Engelbert,  Bildhauer,  Erster 
Vorsitzender  d.  Künstlervereins  in  Ham- 
burg, •  zu  Köln  II.  V.  31 ;  f  lu  Hamburg 
17.  X.:  8.  BJ  11,  441.  —  L  BJ  II,  34*; 
Deutsche  Bauztg.  30,  562  (mit  W);  Müller- 
Singer  3,  423. 

•Pilz,  Vi n  z  e n  z ,  Bildhauer,  •  zu  Wamsdorf 
in  Böhmen  14.  XL  16:  f  zu  Wien  27.  (od. 
28?)  IV.:  s.  BJ  II,  442.  —  L  111.  Ztg.  106, 
560;  Deutsche  Bauztg.  30,  235  (mitW); 
Müller-Singer  3,  423. 

♦RÖting,  Julius,  Prof.  an  d.  Kunstakad.  in 
Düsseldorf  u.  Mitgl.  d.  Akad.  d.  Künste, 
Geschichts-  u.  Bildnissmaler,  •  zu  Dresden 
13.  IX.  22  (od.  7.  IX.  21?);  t  ^^  Düssel- 
dorf 22.  V.:  BJ  II,  442.  —  L  111.  Ztg. 
106,  661. 

•Rumpf,  Philipp,  Prof.,  Landschafter  u. 
Genremaler,  •  zu  Frankfurt  a.  M.  19.  XII. 
21;  f  daselbst  16.  L:  s.  BJ  II,  443. 


155* 


XXVII.  Bildende  Künstler.     XXVIII.  Runstforscher  und  Kunstfreunde. 


156* 


*Schweinitz,  Rudolf,  Bildhauer,  *  zu  Char- 
lottenburg 15.  I.  39;  f  zu  Berlin  7. 1.: 
s.  BJ  II,  443. 

Sequens,  Franz,  Prof.  an  d.  Malerakad. 
in  Prag,  Geschichtsmaler,  69  J.,  *  daselbst 
14.  VI.  —  L  Wurzbach  34,   133. 

*Simonson,  David,  Bildniss-  u.  Genre- 
maler, wiederholt  Vorsitzender  d.  Kunst- 
genossenschaft in  Dresden,  *  daselbst  15. 
III.  31;  f  ebenda  13.11.:  s.  BJ  II,  441. 
—  L  111.  Ztg.  106,  217. 

*Soiiderland,  Fritz,  Genremaler,  **  zu  Düssel- 
dorf 20.  IX.  36;    f  ebenda  13.  VI.:    s.  BJ 

II,  440. 

Steiner,  Sebastian,  kaiserl.  Hofbildhauer 
in  Innsbruck,  früher  Direktor  d.  dortigen 
gewerbl.  Fortbildungsschule,  Schöpfer  von 
Heiligenfiguren  (in  Holzbildbauerei)  f.  viele 
Kirchen,  bekannt  durch  Defregger-Reliefs, 
59  J.;    f  zu  Innsbruck  Mitte  April.  —  L 

III.  Ztg.  106,  503. 

'^Stichart,  Alexander,  Geschichtsmalcr,  * 
zu  Werdau  1838;  f  zu  Jöhstadt  im  Erzgeb. 

.    2.  VII.:  s.  BJ  II,  444. 

^Strassen,  Melchior  zur,  Prof.  an  d.  Kunst- 
akad.  zu  Leipzig  u.  Direktor  d.  dortigen 
Kunstgewerbemuseums,  Bildhauer,  *  zu 
Münster  i.  W.  28.  XII.  32;  f  zu  Leipzig 
27.  IL:  s.  BJ  I,  90.  —  L  BJ  II,  55*;  111. 
Ztg.  106,  284  (E.  Kiesling,  mit  P);  Deut- 
scher Hausschatz  20,  Beil.,  39. 

*Streckfuss,  Karl  Wilhelm,  Prof.,  ordentl. 
Lehrer  d.  Perspektivklasse  an  d.  k.  Hochsch. 


f.  bild.  Künste  in  Berlin,  Bildniss-  u.  Land- 
schaftsmaler, *  zu  Merseburg  3.  XL  17; 
f  zu  Friedenau  b.  Berlin  6.  XL :  s.  B J  II, 

443- 
•Tügncr,  Viktor  Oskar,   Prof.,  Bildhauer, 

•  zu  Pressburg  25.  X  44;  f  zu  Wien  16. 

IV.:  s.  BJ  I,  275.  —  L  BJ  II,  43*;  Kunst 

f.   Alle    1896,    II,    249    (K.  v.  Vincenti); 

Deutsche  Bauztg.  1896,  207. 

•Trossin,  Robert,  Prof.,  Kupferstecher,  • 
zu  Bromberg  14.  V.  20;  f  zu  Berlin  i.  IL: 
s.  BJ  II,  444. 

•Voss,  Karl,  Prof.,  Bilhauer,  •  zu  Dünn- 
wald b.  Köln  5.  XL  25;  f  zu  Bonn  22. 
VIIL:  s.  BJ  II,  444, 

•Windmai er,  Anton,  Landschafter,  *  zu 
Pfarrkirchen  in  Niederbayern  4.  IV.  40: 
t  zu   München  13. 1.:    s.  BJ  I,  55.  —  L 

BJ  ir.  54*. 

Winter,  Ferdinand,  Kirchen- u. Geschichts- 
maler, Schöpfer  zahlreicher  Altarbilder  in 
schles.  Kirchen,  •  zu  Neisse  1830;  f  zu 
Breslau  26.  IV.  —  L  lU.  Ztg.  106,  601. 

Woltze,  Berthold,  Genremaler,  *  zu  Havel- 
berg 1829;  t  Jsu  Weimar  28.  XL  —  L  IlL 
Ztg.  107,  799. 

Zeller,  Friedrich,  Landschafter,  79  J.:  f 
zu  Salzburg  Ende  Dez.  —  L  III.  Ztg.  loS, 
73;  Wurzbach  59,  311. 

•Ziebland,  Hermann,  Genremaler,  •  zu 
Veitshöchheim  b.  Würzburg  18.  IV.  53; 
f  zu  München  30.  IX.:  s.  BJ  I,  55.  —  L 
BJ  n,  55^;  111.  Ztg.   107,  429. 


XXVIII.     Kunstforscher  und  Kunstfreunde. 


Cuno,  Hermann,  Geh.  Reg.-  u.  Baurath, 
verdient  um  d.  Erhaltung  u.  Wiederher- 
stellung rhein.  u.  hess.  Kunstdenkmäler; 
s.  Sp.  76*. 

*Dengler,  Georg,  Geistl.  Rath  u.  Dom- 
vikar in  Regensburg,  Autorität  auf  d.  Geb. 
kirchL  Kunst;  s.  Sp.  107*. 

Dielitz,  Julius,  k.  preuss.  Geh.  Reg.-Rath, 
beinahe  50  Jahre  lang  Generalsekretär  d. 
Verwaltung  d.  k.  Museum  in  Berlin,  seit 
1886  im  Ruhestand,  Kultur-  u.  Kunst- 
historiker, 91  J.;  t  daselbst  Auf.  Juni. 
—  L  111.  Ztg.  106,  758. 

Dohme,  Robert,  Geh.  Reg.-Rath  u.  Direktor 
d.  Hohenzollern-Museums  in  Berlin,  *  da- 
selbst 17.  VI.  45;  f  ebenda  15.  I.  —  L 
III.  Ztg.  106,  104;  Hinrichsen»  288  (mit  W). 

Goeler  von  Ravensburg,  Freih.  Karl  Fried- 
rich Ludwig  August,  Dr.  phiL,  Prof., 
herzogL  koburg.  Sammlungs-Dir.  z.  D., 
Kunstschriftssteiler  u.  Aesthetiker,  •  zu 
Mosbach  21.  III.  54,*  f  zu  Karlsruhe  29. 


.  V.  —  L  Freiherrl.  Taschenb.  1896,  312. 
1897,  1205;  Deutsche  Ztschr.  f.  Geschichts- 
wissensch.  N.  F.  L:  MonatsbU.  128.  — 
W  KL  1896,  401. 

GoU,  D.;  Prof.  an  d.  k.  Kunstgewerbe- 
schule zu  Stuttgart,  56  J. ;  f  daselbst  23. 
IL  —  L  111.  Ztg.  106,  277. 

Gruppe,  Gustav  Adolf  Julius,  Prof.,  brasilian. 
Vizekonsul  in  Lübeck,  Leiter  d.  dortigen 
Museums;  f  daselbst  18.  HL  —  L  111. 
Ztg.  106,  368. 

•Henke,  Wilhelm  v.,  Anatom  u.  Kunst- 
gelehrter; s.  Sp.  124*. 

•Ilg,  Albert,  Dr.  phiL,  k.  u.  k.  Reg.-Rath, 
Direktor  d.  kunsthistor.  Sammlungen  d. 
Allerhöchsten  Kaiserhauses ,  Kunsthisto- 
riker, •  zu  Wien  11.  X.  47;  f  daselbst 
28.  (nicht  29.)  XI.:  s.  BJ  I,  417.  —  L 
BJ  II,  21*;  lU.  Ztg.  107,  809  (F.  K.,  mit 
P);  Deutsche  Bauztg.  1896,  619  (mitW); 
Repertorium  f.  Kunstwissensch.  20,  LI 
(Laban,  Bibliogr.:   Mittheilungen  d.  k.  k. 


i^-j*    XXVIII.  Kunstforsch,  u.  Kunstfreunde.  XXIX.  Bahnenleit.  u.  Bühnenkünstler.     158* 


Centralkommissioni897,6i ;  Mittheilungen 
d.  Mähr.  Gewerbe-Mus.  1896,  24;  Mit- 
theilungen d.  k.  k.  Oesterr.  Mus.  N.  F.  11, 
260;  Monatsblätter  d.  Alterthumsver.  zu 
Wien  1896,  2;  Kunstchronik  N.  F.  8,  107; 
Chronique  des  arts  1896,  363).  —  W 
auch  Börsenbl.  f.  d.  D.  Buchh.  1896,  8649. 

Khuen  von  Belasi,  Eduard  Graf,  Herr 
auf  Schloss  Gandegg,  Kunstfreund;  s.  Sp. 
ii*. 

Stockbauer,  Dr.,  Prof.,  Kustos  am  Bayer. 
Gewerbemuseum  in  KUmberg,  Kunst- 
schriftsteller, 59  J.;  f  daselbst  19.  III. 
—  L  Mittheilungen  d.  k.  k.  Oesterr.  Mus. 
N.  F.  II,  107. 

Ulmann,  Hermann,  Dr.  phil.,  Kunsthis- 
toriker, *  zu  Neudörfles  b.  Koburg  1866; 
f  zu  Florenz  21.  IV.  —  L  Deutsche  Ztschr. 


f.  Geschichtswissensch.  N.  F.  i ;  Monatsbll. 
96;  Repertorium  f.  Kunstwissensch.  19, 
247  (H.  Thode)  CVn  (Laban,  Bibliogr.: 
Sitzungsber.  d.  Berl.  Kunstgeschichtl.  Ge- 
sellsch.  6  (M.  J.  Friedländer);  Kunstchro- 
nik N.  F.  7  Nr.  25,  404). 

Weddigen,  Louis,  Ehrenmitgl.  d.  Vereins 
Düsseldorfer  Künstler,  Kunstfreund  u. 
Sammler  einer  werthvollen  Gemäldegalleric 
in  Düsseldorf;  f  zu  Wiesbaden  7.  VI.  — 
L  111.  Ztg.  106,  759. 

*Wille,  Frangois,  Dr.  phiL,  Mäzen,  Freund 
von  Dichtern  (H.  Heine,  G.  Keller),  Mu- 
sikern (R.  Wagner,  F.  Liszt)  u.  Künstlern, 
auch  Bismarck  nahestehend,  *  zu  Hamburg 
20.  I.  II:  f  zu  Meilen  am  Zürcher  See 
8.  I.  —  L  Allg.  D.  Biogr.  43,  256  (A. 
Frey). 


XXIX.     Bühnenleiter  und  Bühnenkünstler. 


Auerbach,  Adolf,  früher  Opernsänger  (Hel- 
dentenor), seit  1862  Theateragent,  *  zu 
Karlsruhe  15.  VI.  26;  f  zu  Frankfurt  a.  M. 
Anf.  Febr.  —  L  NTA  8,  171 ;  Flüggen  i,  9. 

Baumann,  Maximilian,  Regisseur u. Schau- 
spieler (Charakterkomiker),  *  zu  Pressburg 
um  1820;  f  zu  Falkenau  in  Böhmen  10. 

IV.  —  L  NTA  9,  163. 

Berghof,  Johanna,  eheroal.  Schauspielerin, 
Gattin  d.  Theaterdirektors  B.   in  Olmütz, 

*  zu  Klagenfurt  12.  VT.  51;  f  zu  Olmütz 
10.  V.  —  L  NTA  8.  175. 

Beihge,  Franz,  Hofschauspieler  (Charakter- 
darsteller), *  zu  Berlin  4.  XII.  38 ;  f  zu 
Wiesbaden  24.  III.  —  L  111.  Ztg.  106, 
396;  NTA  8,  173;  Flüggen  i.  25. 

Blume-Santer,  Bianca,  in  den  60  er  Jahren 
Primadonna  d.  Berliner  Oper,  dann  an 
d.  Dresdner  u.  Mannheimer  Bühne,  später 
in  Italien  u.  Spanien  u.  in  d.  Neuen  Welt, 

*  zu  Reichenbach  in  Schlesien  4.  V.  43; 
t  zu  Buenos-Aires  Nov.  od.  Dez.  —  L 
111.  Ztg.   107,  734. 

♦Carro,    Karl    Ritter    v.,    Schriftsteller  u. 

Vortragsmeister;  s.  Sp.  133*. 
Cillis,    Wilhelm,    Opernsänger    (Bassist). 

*  zu  Bonn  31.  VII.  30 ;  f  zu  Dessau  27. 

V.  —  L  NTA  8,  177. 

Conrad!,  Joseph,  ebemal.  Regisseur  u. 
Schauspieler  (Heldenväter),  •  zu  Frank- 
furt a.  M.  9.  IX.  44;  f  als  Vertreter  eines 
Weinhauses  zu  Rheydt  in  d.  Rheinprov. 
24.  II.  —  L  m.  Ztg.  106,  307;  NTA  8, 
170. 

^Czemits,  Ignaz,  Theaterdirektor  u.  Schau- 
spieler (Komiker),  ^  zu  Fttnfkirchen  in 
Ungarn  27.  V.  14;  f  zu  Peggau  b.  Graz 
22.  I.:    s.   BJ   I,   338.    —    L   BJ   II,   8*; 


NTA  8,  169;  Deutsche  Bühnengenossensch. 
1896  Nr.  5  (E.  Mebus). 

*Diemer,  Johannes,  Bauer  in  Oberammer- 
gau, Chorführer  in  d.  dortigen  Passions- 
spielen, *  daselbst  1832;  f  ebenda  8.  V.: 
s.  BJ  I,  242.  —  L  BJ  II,  8*. 

Dietrich,  Auguste,  geb.  Gallenbeck 
(genannt  Fritze),  grosshgl.  Oldenburg. 
Hofschauspielerin,  Ehrenmitgl.  d.  Hof- 
theaters in  Oldenburg,  *  zu  Dessau  6.  V. 
23;  t  zu  Oldenburg  8.  XI.  —  L  111.  Ztg. 
107,  653;  NTA  7,  134.  9,  165;  Flüggen 
I,  60. 

*Dietz,  Ludmilla,  geb.  Grasl-Baum- 
g  artner,  Schauspielerin  u.  Sängerin, 
(Liebhaberin,  Soubrette,  kom.  Alte),  *  zu 
Pressburg  25.  VII.  33;  f  zu  Wien  16. 
(od.  15?)  VL:  s.  BJ  I,  339.  —  L  BJ  II, 
8*;  NTA  8,   179;  Flüggen  i,  61. 

Dornewass,  Wilhelm,  grosshgl.  hess.  Hof- 
solotänzer u.  Hofschauspieler  a.  D.,  *  zu 
Magdeburg  6.  VI.  19;  f  zu  Darmstadt 
(an  seinem  Geburtstag)  6.  VI.  —  L  NTA 
8,  178;  Flüggen  1.  64. 

Eilers,  Ludwig  Albert,  hgl.  sächs.  Kammer- 
sänger u.  Ehrenmitgl.  d.  Hoftheaters  in 
Darmstadt,  Opernsänger  (Bassist)  u.  Kom- 
ponist (kom.  Opern,  Messe,  Requiem),  * 
zu  Köthen  21.  XII.  30;  f  zu  Darmstadt 
4.  IX.  —  L  111.  Ztg.  107,  308;  NTA  8, 
182;  Flüggen  I,  70. 

frischer,  Oskar,  hgl.  braunschweig.  Hof- 
schauspieler (Charakterkomiker),  *  zu  Schles- 
wig 30.  VIII.  40 ;  f  in  Königslutter  7. 
IV.:  s.  BJ  I,  402.  —  L  BJ  II,  ii*;  NTA 

-    8.  173. 

^Fischer-Achten,  Karolina,  hgl.  braun- 
schweig. Kammersängerin,  ^  zu  Wien  29. 


159' 


Todtenliste  1896:    XXIX.    Btthnenleiter  und  Bühnenkünstler. 


160* 


I.  1806;  f  zu  Friedenstein  (oder  Friedens- 
heim ?)  b.  Graz  13.  IX.:  s.  BJ  I,  403.  — 
L  BJ  II,  II*;  NTA  8,  183;  Flüggen  i,  83. 
^Franckel,  Adolf,  Dr.,  Schriftsteller,  ehe- 
mal.   Theaterdirektor    und    Regisseur;    s. 

Sp.i33*. 

Freisinger,  Lucie,  Schauspielerin  (Lieb- 
haberinnen u.  Salondamen),  *  zu  Wien 
30.  V.  69;  t  «u  New  York  19.  IL  —  L 
NTA  8,  172;  Flüggen  i,  91. 

Funk-Schirmer,  Marie,  vormal.  Schau- 
spielerin u.  Sängerin,  *  zu  Aachen  24.  IX. 
35;  t  zu  Berlin  31.  V.  —  L  NTA  8,  177; 
Flüggen  I,  96. 

^Gabillon,  Ludwig  (auch  Louis),  k.  k. 
Hofschauspieler  (Charakterdarsteller),  *  zu 
Güstrow  16.  Vn.  25;  t  «u  Wien  13.  IL: 
s.  BJ  I,  432.  -  L  BJ  I,  59*.  II,  14*; 
111.  Ztg.  106,  255  (mit  P  nach  Photogr. 
V.  Krziwanek  in  Wien);  NTA  6,  147.  8, 
171   (mit  P);  Flüggen  i,  96. 

Ganzemüller,  Karl,  Opernsänger  (Bassist) 
u.  Regisseur,  *  zu  Kissingen  7.  XII.  40; 
t  zu  Würzburg  13.  XIL  —  L  111.  Ztg. 
107,  799;  NTA  9,  160. 

Godec,  Walter,  1879—90  Mitgl.  d.  Mei- 
ninger  Hoftheaters,  Darsteller  d.  Kinder- 
u.  Knabenrollen,  Ziehsohn  d.  Ehepaars 
Teller,  20  J.  alt;  f  zu  Paris  10.  XII-  — 
L  NTA  9.   166. 

Grandauer,  Franz,  Dr.,  Hofopernregisseur 

a.  D.,  Uebersetzer  u.  Neubearbeiter  v.  Opern- 
texten, *  zu  Karlstadt  in  Unterfranken  7. 
IIL  22;  t  zu  München  7.  V.  —  L  111. 
Ztg.  106,  639;  NTA  8,  175;  Flüggen 
I,  HO. 

^Gumbert,  Ferdinand,  Liederkomponist, 
1839  —  43  Opernsänger  (Baritonist);  s.  Sp. 
148*. 

Hanisch,  Julius,  grosshgl.  bad.  Hofschau- 
spieler a.  D.  Q'ugendl.,  dann  erste  Helden 
u.  Liebhaber),  ♦  20.  I.  28;  f  zu  Karlsruhe 
10.  XIL  —  L  NTA  9,  166;  Flüggen  i,  126. 

Härtinger,  Martin,  Dr.  med.,  k.  bayer. 
Hof-  u.  Kammersänger  (Tenorist),  1867 
—  83  Lehrer  d,  Sologesangs  an  d.  MUnch. 
Musikschule,  *  zu  Ingolstadt  6.  IL  15; 
f  zu  München  6.  IX.  —  L  111.  Ztg.  107, 
367;  NTA  8,  182;  Riemann*  460;  Flüggen 

ii  123 
Hartmann,  Karl,  Geh.  Hofrath,  lange  Zeit 

b.  d.  Verwaltung  d.  k.  Schauspiele  in 
Berlin  thätig,  64  J.;  f  daselbst  30.  X.  — 
L  111.  Ztg.  107,  584. 

Herbst-Jazede,  Adele,  ehemal.  Hofopern- 
u.  Kammersängerin,  *  zu  Jassy  18.  IL  16; 
+  zu  Hamburg  21.  X.  —  L  NTA  9,  i6o; 
Flüggen  I,   138. 

Insel,  Wilhelm,  Schauspieler,  *  zu  Magde- 
burg um  1862;  "f  zu  Chicago  durch  Selbst- 
mord Anf.  Dez.  —  L  NTA  8,  164. 


Jungwirth,  Johann,  Schauspieler,  *  zu 
Wien  4.  IV.  18;  f  daselbst  29.  V.  -  L 
NTA  8,  177. 

*Kahle-Ke8Sler,  Marie,  Schanspielerin 
(Naive,  erste  Liebhaberinnen,  Anstands- 
damen,  Mütter),  Ehrenmitgl.  d.  k.  Schau- 
spiele in  Berlin,  *  zu  Weissenfeis  17.  XL 
44;  f  zu  Berchtesgaden  10.  VIII. :  5.  BJ 
I,  294.  —  L  BJ  II,  21»;  Deutsche  Bühnen- 
genossensch.  1896  Nr.  34;  NTA  8,  136. 
181  (mit  P);  Flüggen  i,  161. 

Kamps,  Heinrich,  Schauspieler  (Komiker), 

*  zu  Ottemdorf  in  Hannover  28.  VIL 
28;  t  zu  Treptow  25.  X.  —  L  NTA  9, 
165. 

Kissner-Scheurich,  Babette,  ehemal.  Sän- 
gerin (Soubrette)  u.  Schauspielerin,  *  zu 
Krumau  in  Böhmen  14.  V.  19;  f  zu  Zü- 
rich I.  VL  —  L  NTA  8,  177. 

Kneupelt,  Christof,  städt.  Theatermeister 
in  Regensburg,  *  daselbst  2.  I.  46;  f 
ebenda  11.  X.  —  L  NTA  9,   164. 

Lewens,  Hans,  ehemal.  Schauspieler,  Nestor 
d.  deutschen  Bühne  in  Amerika,  *  zu 
Ottensen  b.  Hamburg;  f  zu  St.  Louis  9. 
X.  —  L  NTA  9,  164. 

Lohse-Klafsky ,  Katharina,  dramat.  Sän- 
gerin, Primadonna    d,    Hamburger    Oper» 

*  zu  St.  Johann  im  ungar.  Komitat  Wiesel- 
burg 19.  IX.  55;  f  zu  Hamburg  22.  IX. 
~  L  Hl.  Ztg.  107,  399  (H.  Chevalier, 
mit   P);   NTA  8,    183   (mit  P):   Flüggen 

I,  168. 

^Maurice,  Cheri  (ursprUngl.  Charles 
Schwartzenberger),Direktord.  Thalia- 
theaters in  Hamburg,  *  zu  Agen  im  Depart. 
Lot-et-Garonne  29.  V.  1805,  f  zu  Hamburg 
27.  L:  5.  BJ  I,  297.  —  L  BJ  II,  28*; 
NTA  8,   170. 

MühCf  Karl,  ehemal.  Opernsänger  (Bassist), 

*  zu  Braunschweig  26.  IL  36 ;  f  zu  Magde- 
burg 6.  IV.  —  L  NTA  8,  173. 

Müller,  Eugen  Ludwig  (genannt  Eugen 
Ludwig),  Schauspieler  (Charakterdar- 
steller), ♦  zu  Köln  13.  IL  62;  f  zu  Braun- 
schweig 8.  VL  —  L  NTA  8.  178  (H. 
Mielke);  Flüggen  i,  205. 

^Müller,  Theodor,  Schauspieler  (Komiker)» 

*  zu  Stargard  i.  L  32;  f  zu  Berlin  7.  IX.: 
s.  BJ  I,  296.  —  L  BJ  II,  32*;  NTA  8, 
182;  Flüggen  I,  225. 

Picker,  Fritz,  früher  Direktor  d.  fürstl. 
Hoftheaters  in  Gera,    *  zu  Braunschweig 

II.  VIII.  25;  t  zu  Meiningen  12.  (od. 
22.?)  VIL  —  L  NTA  8,  180.  —  Vgl. 
Sp.  i8*. 

Pohlmann,  Stanislaus  Ulysses,  Schauspieler 
(Komiker)  u.  Regisseur  a.  D.,  *  zu  DUlken 
in  d.  Rheinprov.  10.  X.  38;  f  zu  Düssel- 
dorf II.  XL  —  L  IIL  Ztg.  107,  621; 
NTA  9,  165;  Flüggen  i,  244. 


i6i' 


XXIX.  Bühnenleiter  und  Bühnenkünstler.     XXX.  Verschiedene. 


162* 


*Ranzenberg  (ursprUngl.  Ranzenberger), 
Hugo,  Schauspieler  (Helden  u.  Bonvi- 
vants)  u.  Regisseur»  *  zu  Budapest  13. 
IX.  52  (oder  54?);  f  zu  Wien  21.  IX.: 
s.  BJ  I,  342.  >-  L  BJ  II.  35*;  111.  Ztg. 
i07i  395;  NTA  8,  163;    Flüggen  i,  249. 

"^Razga  von  Rasztoka,  Heinrich  (Pseudon. : 
Heinrich  Thalboth),  Schauspieler  u. 
Bühnendichter,  ♦  zu  Prag  15.  VII.  41: 
f  zu  Wien  16. 1.:  s.  BJ  I,  343.  — -  L  BJ 
II,  35*;  Flüggen  i,  305. 

*Richter,  Heinrich,  k.  bayr.  Hof  Schau- 
spieler (jugendl.  Liebhaber,  Väter)  u. 
Regisseur  a.  D.,  Prof.  f.  Schauspielkunst 
an  d.  k.  Musikschule  in  München,  *  zu 
Berlin  18.  X.  20;  f  zu  München  22.  V.: 
s.  BJ  I,  279.  II,  434.  —  L  BJ  II,  36*; 
NTA  8,  176  (mit  P):  Flüggen  i,  257. 

Risa,  Grete,  Schauspielerin  (Naive),  30  J.; 
t  zu  Wien  14.  II.  —  L  NTA  8,  172: 
Flüggen  I,  258. 

Ristow,  Agnes,  Schauspielerin  (Heldinnen, 
Salondamen);  f  ^^  Erfurt  7.  V.  —  L 
NTA  8.  175;  Flüggen  i,  258. 

Ruef,  Alexander,  Direktor  d.  Konver- 
sationshaus-Theaters in  Davos,  Schauspieler 
(jugendl.  Helden,  später  Charakterdar- 
steller), ♦  zu  Heidelberg  1846;  f  zu  Davos 
15.  X.  —  L  NTA  9,  164. 

Schmidt  (genannt  Schmithof),  Eduard, 
ehemal.  Regisseur  u.  Heldendarsteller,  zu- 
letzt Reutervorleser,  auch  Verf.  platt- 
deutscher Theaterstücke,  *  zu  Hamburg 
6.  I.  19;  t  z«  Berlin  5.  III.  —  L  111. 
Ztg.  io6,  368;  NTA  8,  173;  Flüggen  i, 
275. 

^Schneider,  Emil,  Charakterdarsteller  u. 
Heldenväter,  ^  zu  Schwerin  a.  d.  Warthe 
23.  X.  32;  f  zu  Frankfurt  a.  M.  9.  IV.: 
s.  BJ  I,  284.  —  L  BJ  II,  38»;  NTA  8, 
174:  Flüggen  I,  275. 

Schreiner,  Ludwig,  Schauspieler  u.  Bühnen- 
dichter, *  zu  Köln  II.  I.  64;  f  zu  Mann- 
heim 1.  VII.  -  LNTA8,  179;  Deutsche 
Bühnengenossensch.  1896  Nr.  29  (J.  Neu- 
mann); Flüggen  I,  279. 

Schwanz,  Albert,  Schauspieler  u.  Regisseur, 
*  zu  Crivitz  in  Mecklenburg  8.  XI.  47; 
t  zu  Stettin  12.  IX.   —  L  NTA  8,  183. 

Serpentin,  Rudolf,  Opernsänger  (Baritonist, 


BassbufTo)  u.  Regisseur,  *  zu  Berlin  6. 
XI.  35;  t  zu  Heilbronn  15.  VIII.  —  L 
NTA  8,  181. 

♦Siehr,  Gustav,  k.  bayer.  Kammer-  u.  Hof- 
opernsänger (Bassist)  in  München,  '^  zu 
Arnsberg  17.  IX.  37:  f  zu  München  18. 
V.:  s.  BJ  I,  334.  —  L  BJ  II,  39*;  NTA 
8,  175  (mit  P);  Flüggen  i,  289. 

Simon,  Ludwig,  ehemal.  Schauspieler 
(jugendl.  Helden,  Helden,  Heldenväter)  u. 
Regisseur,  •  zu  Danzig  28.  (od.  18.?)  IV.  23; 
t  zu  Altona  7.  VI.  —  L  NTA  8,  178: 
Flüggen  I,  290. 

Trotz,  Marie,  geb.  Wurm  (genannt  Marie 
Verra,  auch  Trotz-Verra),  ehemal. 
Schauspielerin  u.  Sängerin,  39  J.:  f  zu 
Stuttgart  30.  XI.  —  L  NTA  9,  165. 

^ Versing-Hauptmann ,  Anna,  Schauspie- 
lerin u.  Schriftstellerin,  *  zu  Mainz  2.  X. 
33  (34  ^^»  35^  i  +  zu  Weinberge  in  Böhmen 
8.  IX.:  s.  BJ  I,  344.  -  L  BJ  II,  43*; 
NTA  8,  182;  Brummer*  4,  242;  Wurz- 
bach 50,  155  (mit  W);  Pataky  2,  391: 
Flüggen  I,  313. 

Vorsmann,  Franziska,  ehemal.  Schau- 
spielerin, 82  J.;    f  zu  Hamburg   26.   VII. 

—  L  NTA  8,  181. 

Waltzer,  John,  ehemal.  Opernsänger,  *  zu 
Hannover  2.  XII.  21;  f  zu  Berlin  4.  IX. 

—  L  NTA  8,  182. 

Wangenheim,  Freih.  F  r  i  e  d  r  i  c  h  v.,  Inten- 
dant d.  grosshgl.  Hoftheaters  in  Oldenburg; 
s.  Sp.  i8*.  —  L  auch  NTA  8,  173. 

Wessnig,  Robert  Guido,  Opernsänger,  Schau- 
spieler u.  Musikdirektor,  auch  Schriftsteller, 
•  zu  Breslau  10.  V.  18;  f  zu  Leipzig- 
Gohlis  26.  XII.  —  L  111.  Ztg.  108,  48; 
NTA  9,  167. 

Widmann,  August,  Schauspielern.  Theater- 
direktor, *  zu  Bamberg  5.  X.  52;  f  zu 
Burg  b.  Magdeburg  24.  I.  —  L  NTA  8, 
172. 

Willbom,  II ma,  Tragödin,  Gemahlin  d. 
Hofrathes  am  k.  k.  Obersten  Rechnungs- 
hof V.  Seiler,  46  J.;  f  zu  Wien  17.  VII. 

—  L  111.  Ztg.  107,  125;  NTA  8,  180. 
Wilczek,  geb.  Witt, Sophie,  ehemal.  Opern- 
sängerin  u.  Schauspielerin,    *  zu   Neapel 
13.  II.  23;  t  zu  Wien  13.  I.  —  L  NTA 
8,  169. 


XXX.     Verschiedene. 


Amemann,  Mathilde,  geb.  Stammann, 
Gemahlin  des  Grosshändlers  Karl  Theodor 
A.  in  Altona,  bekannt  durch  reiche  Wohl- 
thätigkeit,  hervorragende  Pflegerin  der 
Verwundeten  in  d.  Kriegen  1848/52,  64, 
70/71;    Begründerin    d.    Elisabeth-Rosen- 

Blo{n'>  Jahrb.  a.  Deutscher  Nekrolog.    3.  Bd. 


Stiftung  in  Karlsbad;  *  zu  Hamburg  als 
Tochter  d.  Architekten  Stammann  26.  III. 
1809;  t  daselbst  21.  VIII.  —  L  u.  P 
III.  Ztg.  107,  381. 
Brehmer,  Charlotte,  geb.  Klose,  102  J.alt; 
f  zu  Berlin  15.  XII.  —  L  111.  Ztg.  107,  799. 

f 


i63' 


XXX.     Verschiedene. 


164' 


Eichel,  Eduard  v.,  hochsinniger  Wohl- 
thäter,  78  J.;  f  zu  Eisenach  30.  XI.  — 
L  107,  799. 

Erasmus,  Gottfried,  Rentner,  d.  letzte 
direkte  Nachkomme  d.  Humanisten  Eras- 
mus  V.  Rotterdam;  f  zu  Naumburg  i. 
VIII.  —  L  III.  Ztg.  107.   188. 

Feuerstein ,  Franz  Christian ,  Gründer 
des    Kurortes    Gmunden,     68    J.;    f    zu 


Tüflfer    in    Steiermark   8.   VIII.   — 
Ztg.    107,    214;     Leopoldina    32, 


Markt 
L  XU. 
148. 
Lewin,  Saloroon,  ein  Mann  im  Alter  v. 
112  Jahren,  der  der  älteste  Mensch  im 
Deutschen  Reiche  gewesen  sein  soll;  f  zu 
Mrotschna,  Reg.-Bez.  Bromberg  Mitte  Febr. 
—  L  111.  Ztg.   106,  248. 


Das   alphabetische  Register   folgt   mit   den   Todtenlisten   für  1897  und   1898   im   nächsten 

Bande  des  Jahrbuchs.] 


Erklärung  der  Abkürzungen. 

Vorbemerkung:  Ein  *  vor  dem  Namen  öezekhnet,  dass  das  Jahrbuch  (JB)  dem  Ver- 
storbenen einen  ausführlichen  Nekrolog  gewidmet  hat,  auf  den  mit  s.  BJ  verwiesen  wird. 
Hinter  dem  Buchstaben  \t  findet  sich  die  Litter atur  über  den  Todten  verzeichnet j  die  zur 
Ermittelung  der  Lebens daten  diente,  aber  nur  soweit  sie  nicht  bereits  an  anderer 
Stelle  des  Jahrbuchs  angeführt  war;  diese  Angaben  sifid  zum  Theil  aus  zweiter  Hand 
geschöpft,  z.  B,  aus  Jahresberichten  einzelner  Wissenschaften  (wie  Theologischer  Jahresbericht, 
Schmidts  Jahrbücher  der  Medizin,  Mathematisches  Jahrbuch,  Fortschritte  der  Physik,  Jastrows 
Jahresberichte  für  Geschichts7oissenschaft,  Bursians  Jahresbericht  für  klassische  Philologie, 
Scher mans  Orientalische  Bibliographie  u.  s,  70,,  u.  s,  lo.),  aus  Dietrichs  Bibliographie  der  Zeit- 
rchriftenlitteratttr,  aus  bibliographischen  Ueber sichten  in  Fachblättern  (etiva  Zeitschrift  für 
Airchengeschichte ,  Forst'  und  Jagdzeitung ,  Archiv  für  Geschichte  der  Philosophie) ,  aus  Ver- 
öffentlichungen  lokaler  Vereine  und  aus  anderen  Quellen  mehr.  Nach  W  sind  Stellen  zitiert, 
an  denen  Verzeichnisse  der  Werke  des  Todten  sich  finden.  P  ^ebt  den  Nachioeis  über  er- 
mittelte Porträts.  —  Dankbar  sei  der  reicßien  Unterstützung  gedacht,  welcher  sich  dieser  Ver- 
such  bei  Behörden,  sowie  bei  Venvandten  und  Freunden  der  Verblichenen  erfreute:  AM  am 
Schlüsse  eines  solchen  Artikels  zeigt  an,  dass  sein  wesentlicher  Inhalt  auf  amtlicher,  PM, 
dass  er  a$if  persönlicher  Mittheilung  Nahestehender  beruht;  KA  dagegen  besagt,  dass  auf 
eine  Anfrage  keine  Antwort  oder  nur  ungenügende  Auskunft  zu    'lluil  wurde» 

München,  den  ff.  Januar  rgoo, 

Dr.  G,  A.    Wolf/. 


ii.  a.  O.  =  am  angeführten  Orte 

Abg.  =  Abgeordneter 

Abhandl.  =  Abhandlung,  -en 

Abth.  =  Abtheilung 

accad.  =  accadexnia 

a.  D.  =  ausser  Dienst 

ad  hon.  =  ad  honorem 

Akad.  =  Akademie 

Allg.  =  Allgemein,  -e,  -es 

Allg.  D.  Biogr.  =  Allgemeine  Deutsche  Bio- 
graphie. Herausgegeben  durch  die  histo- 
rische Commission  bei  der  königl.  (Bayer.) 
Akademie  der  Wissenschaften.  i  —  44. 
Leipzig  1875  —  98 

amtl.  =  amtlich,  -c,  -es 

Anat.  ==  Anatomie 


Arch.  =  Archiv 

archeol.  =  archcologic 

Art.  =  Artillerie 

Ausg.  =  Ausgabe 

Autobiogr.  =  Autobiographic 

b.  =  bei 

Bauztg.  =  Bauzeitung 

Beil.  =  Beilage 

Ber.  =  Bericht,  -e 

Bez.  =  Bezirk 

Bibl.  =  Bibliothek,  -s 

Biogr.  =  Biographie,  -isch,  -ischc 

Bl.,  Bll.  ==  Blatt,  Blätter 

Bornmüller  =  F.  Bommüller,  Biographisches 

Schriftsteller  -  Lexikon     der     Gegenwart, 

Leipzig  1882 


i67* 


Erklärung  der  Abkürzungen. 


l68* 


Börsen  bl.  =  Börsenblatt 

Brig.  =  Brigade 

BrUmmer^  =  F.  Brummer,  Lexikon  der  deut- 
schen Dichter  und  Prosaisten  des  19.  Jahr- 
hunderts.     4.   Auflage.     I — 4.       Leipzig 

(1895-96) 

Cat.  Roy.  Soc.  =  Catalogue  of  Scientific 
Papers.  Compiled  of  the  Royal  Society 
of  London,     i — 11.     London   1867 — 96 

Centralbl.  =  Centralblatt 

ehret.  =  chretien,  -nne 

Correspondenzbl.  =  Correspondenzblatt 

d.  =  der,  die,  das  etc. 

deutschfreis.  =  deutsch  freisinnig 

Dorfztg.  =  Dorfzeitung  (Hildburghausen) 

Eckart  =  R.  Eckart,  Lexikon  der  nieder- 
sächsischen  Schriftsteller.  Osterwieck 
(1891) 

crbl.  =  erblich 

Erg.-Bd.  =  Ergänzungs-Band 

Ethnol.  =  Ethnologie 

cv.-luth.  =  evangelisch-lutherisch 

ev.-prot.  =  evangelisch-protestantisch 

F.  =  Frater 

f.  =  für 

Fetis  =  F.  J.  Fetis,    Biographie   universelle 
des    musiciens    et   bibliographie   generale  ^ 
de  la  musique.    2.  edition.    i  —  8  et  Supple- 
ment I.  2.     Paris  1860—80 

Flüggen  =  O.  G.  Flüggen,  Biographisches 
Buhnenlexikon  der  Deutschen  Theater,  i. 
München  1892. 

Fortschr.  =  Fortschritt,  fortschrittlich 

frang.  =  fran^ais,  -sc 

Frank  =  P.  Frank,  Kleines  Tonkünstler- 
lexikon.   9.  Auflage.    Leipzig  1895 

Freih.  ==  Freiherr 

freiherrl.  =  freiherrlich,  -e,  -es 

freikons.  =  freikonservativ 

freis.  =  freisinnig 

geb.  =  geborne,  -en 

gedr.  =  gedruckt 

Geh.  =  Geheimer 

Gen.  =  General 

Generalvers.  =  Generalversammlung 

Geogr.  =  Geographie,  geographisch,  -e,  -es 

Gesch.  =  Geschichte 

Gesellsch.  =  Gesellschaft 

Goth.  =  Gothaisch 

gräf  1.  =  gräflich,  -e,  -es 

Gubernatis  =  A.  de  Gubernatis,  Dictionnairc 
international  des  ecrivains  du  jour.  Flo- 
rcnce  1891 

Gymn.  =  Gymnasium ;  Gymn.-Progr.  =  Gym- 
nasialprogramm 

HBL  =  Biographisches  Lexikon  der  hervor- 
ragenden Aerzte  aller  Zeiten  und  Völker. 
Herausgegeben  von  A.  Hirsch.  i  —  6. 
Wien  und  Leipzig  1884—87 

Heidelb.  =  Heidelberg,  -er 

Heliogr.  =  Heliogravüre 


Hinrichsen*  ^=  A.Hinrichsen,  Das  literarische 
Deutschland.     Berlin  und  Rostock  1887 

Hinrichsen '"^  =  [Dasselbe.]  2.  Auflage.  Berlin 
1891 

Hist.  =  Historisch,  -e,  -es 

Hocbsch.  ==  Hochschule 

Hydrogr.  =  Hydrographie 

Jahrb.,  Jahrbb.  =  Jahrbuch,  Jahrbücher 

111.  =  Illustriert,  -e,  -es 

Inf.  =  Infanterie 

Intern.  ^  International 

k.  =  königlich 

k.  u.  k.  =  kaiserlich  und  königlich 

kath.  =  katholisch 

Kav.  =  Kavallerie 

Keiter  =  H.  Keiter,  Katholischer  Lilcratur- 
kalender.    1^5.    Regensburg  und  Leipzig 

1891—97 
Kirchenbl.  =  Ktrchenblatt 

KL  =  J.  Kürschner,  Deutscher  Litteratur- 
Kalender 

klin.  =  klinisch,  -e 

kons,  s^  konservativ 

Kornmüller  =  U.  Kornmllller,  Lexikon  der 
kirchlichen  Tonkunst.  2.  Auflage,  i.  2. 
Regensburg  1891  —  95 

Konv.-Lex.  =  Konversalions-Lexikon 

Kukula  =  R.  Kukula,  Bibliographisches  Jahr- 
buch der  Deutschen  Hochschulen.  Inns- 
bruck 1892.  -    Ergänzungsheft  i.    Ebenda 

1893 
Leut.  =  Leutnant 

lib.  =  liberal 

Lieut.  =  Lieutenant 

Lit.  =  Litterarisch,  -e 

math.-phys.  =  mathematisch-physikalisch 

Med.  =  Medizin,  medizinisch,  -e 

Mendel  -  Reissmann  =  Musikalisches  Con- 
versations-Lexikon.  Begründet  von  H.Men- 
del. Vollendet  voh  A.  Reissmann,  i — 11 
und  Ergänzungsband.    Leipzig  (1870—80) 

meteorolog.  =  meteorologisch,  -e 

Mitgl.  =  Mitglied 

Mittheil.  =  Mittheilungen 

Monatsbl.,  -bll.  =  Monatsblatt,  Monatsblättcr 

Müller-Singer  =  Allgemeines  Künstler-Lexi- 
con.  Vorbereitet  von  H.  A.  Müller.  Heraus- 
gegeben von  H.  W.  Singer,  i — 3.  Frank- 
furt a.  M.   1895—98 

N.  =  Neue,  -es 

Nachr.  =  Nachricht,  -en 

nat.-lib.  =  nationalliberal 

Nekrol.  =  Nekrolog 

N.  Fr.  Presse  =  Neue  Freie  Presse 

nordd.  =  norddeutsch,  -e 

NTA  =  Neuer  Theater -Almanach.  Heraus- 
gegeben von  der  Genossenschaft  Deutscher 
Bühnenangehöriger.  7.  8.   Berlin  1897 — 98 

OM  =  Ordinis  Minorum 

oriental.  =  orientalisch,  -c 

OSB  =  Ordinis  Sancti  Benedicti 


169' 


Erklärung  der  AbkUr/Aingcn. 


170* 


Qthmcr  =  Othiners  Vadomccum  des  Sor- 
limcnters.  4.  Auflage  von  C.  Georg  und 
L.  Ost.     Hannover  und  Leipzig  1891 

P.  =  Pater 

Pataky  =  S.  Pataky,  Lexikon  deutscher  Frauen 
der  Feder,     i.  2.     Berlin  1898 

path.  =  pathologisch 

Petersb.  =  Petersburg,  -er 

philol.  =  philologisch,  -e 

philos.  =  philosophischi  -e 

Photogr.  =  Photographie 

phys.  =  physique,  physikalisch 

Poggendorff=J.C.Poggendorff,  Biographisch- 
Literarisches  Handwörterbuch  zur  Ge- 
schichte der  exacten  Wissenschaften,  i — 3. 
Leipzig  1863—97 

prakt.  =  praktisch,  -e 

Prof.  =  Professor 

Progr.  =  Programm 

prot.  =  protestantisch 

Prov.  =  Provinz 

Pseudon.  =  Pseudonym 

R.  =  Reale 

Rassmann  =  E.  Rassmann,  Nachrichten  von 
dem  Leben  und  den  Schriften  MUnstcr- 
ländischer  Schriftsteller  des  1 8.  und  19.  Jahr- 
hunderts. Münster  1866.  —  Neue  Folge. 
Ebenda  1881 

Reg.  =  Regiment 

Reg.-  =  Regierungs- 

Riemann^  =  H.  Riemann,  Musik- Lexikon. 
5.  Auflage.     I^eipzig  1900 

s.  =  siehe 

Schröder  =  H.  Schröder,  Lexikon  der  ham- 


burgischen Schriftsteller  bis  zur  Gegen- 
wart. (Fortgesetzt  von  A.  H.  Kelling- 
husen.)     Hamburg  1851 — 83 

sezess.  =  sezessionistisch 

Sitzungsber.  =  Sitzungsberichte 

soc.  =  societe 

Sp.  =  Spalte 

Staatsanz.  =  Staatsanzeiger 

Stud.  =:  Studium,  studierte 

Suppl.  =  Supplement 

Tag(e)bl.  =  Tag(e)blatt 

techn.  =  technisch 

Thcol.  =  Theologie 

u.  =  und 

üb.  =s  über 

ungedr.  =  ungedruckt 

Univ.  =  Universität 

V.  =  von 

Ver.  =  Verein 

verm.  =  vermählt 

Vierteljahr(s)schr.  =  Vierteljahr(s)schrift 

Volksp.  =  Volkspartei 

Volksztg.  =  Volkszeitung 

vorm.  =  vonnals 

vortr.  =  vortragender 

Wochenschr.  =  Wochenschrift 

Wurzbach  =  C.  v.  Wurzbach,  Biographisches 
Lexikon  des  Kaiserthums  Oesterreich. 
1—60.     Wien  1857 — 91 

z.  =  zum,  zur 

z.  D.  =  zur  Disposition 

Zentr.  =  Zentrum 

Ztg.  =  Zeitung 

Ztschr.  =  Zeitschrift 


GEORG  ^n§   REIMER 

VERLAG  ^^^  BERLIN. 


Soeben  erschien: 

Erinnerungen 

von  Ludwig  Bamberger 

Herausgegeben  von  D^  P.  NATHAN 
Preis  brosch.  M.  7,50 

elegant  gebd.  in  Ganzlwd.  M.  8.50, 

in  Halbfrz.  M.  9.50. 

Düse  Memoiren  sind  ein  wichtiges  politisches  und  vor  allem  auch 
kulturhistorisches  Dokument;  sie  schildern  in  epischem  Redefluss  voll 
behaglicher  Anschaulichkeit  das  politische  und  das  gesellschaftliche 
Leben  der  hinter  uns  liegenden  deutschen  Werdezeit,  gesehen  von 
Deutschland  und  vom  Auslande  aus;  sie  berichten  von  dem  Paris 
des  dritten  Kaiserreiches  und  sie  enthalten  eine  Fülle  von  feinen, 
mit  leiser  Hand  hingezeichneten  Portraits  hervorragender  Menschen, 

Katharina  von  Bora 

Geschichtliches  Lebensbild 


von 


D.  ALBRECHT  THOMA 

Professor  am  Lehrerseminar  in  Karlsruhe. 

Mit  einem  Bilde  nach  Cranach 

Preis  broch.  Mk.  5. — ,  gebunden  Mk.  6. — . 

/ium  ersten  Male  erscheint  hier  nach  älteren  und  veralteten  skizzen- 
haften Vorarbeiten  eine  ausführliche,  eigentliche  Lebensgeschichte 
von  Luthers  Gemahlin  und  trägt  zu  ihrem,  4.00jährigen  Geburtstage 
eitle  alte  Dankesschuld  ab.  Das  Buch  hat  bei  aller  strenghistorischen 
Grundlage  und  der  eingehenden  Quellenangabe  am  Schluss,  mit 
seiner  gefalligen  Darstellung  einen  weiteren  Leserkreis,  vor  allem 
auch  die  gebildete  Frauenwelt  im  Auge, 

Ernst  Moritz  Arndt 

Ein  Lebensbild  in  Briefen.  —  Nach  ungedruckten  und  ge- 
druckten Originalen  herausgegeben  von 

HEINRICH  MEISNER  und 
ROBERT  GEERDS 
Preis  brosch.  M.  7, — 

gebd.  in  Halbfranz  M.  8,75 

Aber  wahrlich  nicht  dem  Historiker  allein  muss  der  Schatz 

der  Briefe  werthvoll  sein,  jeder  gebildete  Deutsche  wird  sich  erquickt 
fiihlen  durch  den  Anblick  so  kerniger  deutscher  Mannheit 

(J^-euss,  Jahrbücher  iSgg). 


GEORG   ^r%   REIMER 

VERLAG  ^^  BERLIN. 


Soeben  erschien: 

Die  Gesellschaft 

von 

ERNST  VICTOR  ZENKER 

I.  BAND: 

Natürliche  Entwickelungsgesclüchte 
der  Gesellschaft 

Preis  M.  5,— 

Aus  dem  Inhaltsverzekhniss:  Geschichtliche  Einleitung,  L  Die  Ele- 
mente der  socialen  Entivickelung:  Die  thierischen  Gesellscfiaßen.  — 
Der  sociale  Urzustand  des  Menschen,  —  Primitive  Wirthschaft.  — 
Die  Verwandtschaft,  —  Die  Herrschaft.  —  Die  gentile  Verfassung, 
—  //.  Die  politische  Entwiche lung:  Der  Prozess  der  politischen 
Entwickelung,  —  Die  Formen  der  politischen  Entwickelung, 

Natürliche  Schöpfungsgeschichte 

Gemeinverständliche  wissenschaftliche  Vorträge  über  die 
Entwickelungslehre 

von 

ERNST  HAECKEL 

Neunte  Auflage,  2  Bde,,  brosch.  M.  12, — 

gebd.  in  Halbfranz  M.  16, — 

Trotz  aller  Anfeindungen,  deren  sich  der  berühmte  Dar- 
winist^ ich  möchte  sagen,  zu  erfreuen  hat,  bilden  seine  Veröffent- 
lichungen eine  unerschöpfliche  Quelle  der  Belehrung  für  den  gebildeten 
Laien  und  der  Anregung  für  den  Fachmann  (DU  Umschau  18g  8),  ,  ,  . 
Es   spricht  eine    erquickende    Geistesfrische   aus    dem    Buche  ,   .   . 

(DU  Natur  tSgS). 

Zehn  Jahre  deutscher  Kämpfe 

Schriften  zur  Tagespolitik 

von 

HEINRICH  VON  TREITSCHKE 

Dritte  Auflage,  2  Bde.,  brosch.  M.  12, — 

gebd.  in  Halbfranz  M.  15, — 

Was  ein  Mann  von  dem  glühenden  Patriotismus,  von  der 

geschichtlichen  Sehergabe  und  von  der  hinreissenden  Darstellungskraft 
im  Angesicht  der  Ereignisse  gesagt  hat,  behält  dauernden  Werth, 
und  es  erquickt,  sich  in  diese  einst  einer  unmittelbaren  lebendigen 
Gegenwart  entquollenen  Aeusserungen  eines  mit  einem  grossen  Herzen 
begabten  historischen  Geistes  zu  versenken,     (DU  Post  iSgj,) 


BIOGRAPHISCHES  JAHRBUC 

*****  UND  «      «      *      *      * 

DEUTSCHER  NEKROLOG 


J 


VERLAG  VON  GEORG  REIMER,  BERLIN 

s  ERSCHEINT  IM  HERBST  EINES  JEDEN  JAHRES 


3  «Os'S!!»» 

3  9015  03944  1400